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Vergissmeinnicht

von

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Klärende Gespräche


 

♥ Mimi ♥
 


 

„Oh man, das sieht so lecker aus“, meinte Yolei, so als würde ihr bereits das Wasser im Munde zusammenlaufen.

„Es schmeckt auch lecker! Die Macht der Süßkartoffel ist nicht zu unterschätzen!“, meinte Mimi überzeugt und schlug ihr Kochbuch, dass sie mitgebracht hatte, zu.

Sie holte ihre Einkaufstasche hervor und breitete sie Zutaten auf der Theke aus. Sie hatte drei große Süßkartoffeln besorgt, eine bunte Mischung Gemüse, etwas Hähnchenfleisch und Quark, den sie mit Kräutern anrichten wollten.

„Zuerst müssen wir die Süßkartoffeln gut waschen und dann mit einer Gabel etwas einstechen, um sie für eine Stunde im Backofen zu backen. Während sie im Ofen ist, können wir uns schon mal um die Füllung und den Quark kümmern“, bestimmte Mimi und schnappte sich auch schon die Süßkartoffeln, um sie unter klarem Wasser sorgsam abzuspülen.

Yolei holte schon ein Blech hervor und bedeckte es mit Backpapier, als Mimi die Kartoffel darauf platzierte, eine Gabel zur Hand nahm und sie sachte einstach.

„Drei sind für uns sicher zu viel, oder?“

„Naja meine Schwester kommt später noch von der Uni nach Hause. Vielleicht möchte sie ja mal probieren“, antwortete Yolei sofort.

„Okay, aber es ist echt schade, dass Kari so kurzfristig abgesagt hat. Das ist doch sonst nicht ihre Art“, meinte Mimi etwas verärgert, da sie kurz nachdem sie bei Yolei angekommen war, erst davon erfahren hatte.

Es hatte sie ziemlich verärgert, da auch der Rest zuvor schon nach und nach abgesagt hatte.

Sora war seit zwei Wochen zuhause und hatte mit Haruko alle Hände voll zu tun. Stillen, Windeln wechseln, alle paar Stunden aufstehen. Das Leben mit Baby war alles andere als leicht, wenn sich Mimi Soras deutliche Augenringe anschaute.

Auch Kaori hatte ihnen abgesagt, jedoch aus einem sehr guten Grund.

Ihr Vater hatte sich extra frei genommen und wollte einen erneuten Annährungsversuch starten, der sich bei Kaoris Schwester Emi alles andere als leicht gestalten würde.

Dennoch hoffte Mimi, dass sie es endlich untereinander klären konnte, denn sie wusste, wie sehr Kaori unter der Situation zuhause litt.

Auch das sie sich in den Kopf gesetzt hatte, ihren gemeinsamen Bruder zu finden, machte es nicht leichter, sondern umso komplizierter.

Mimi wusste nicht warum, aber sie hielt von der Idee nicht sonderlich viel. Genau genommen wussten sie über ihn kaum etwas. Es war wie die besagte Nadel im Heuhaufen zu suchen.

Da sie auch gerade von Emi sehr viel Widerstand bekamen, war es wohl doch eher das Heu im Nadelhaufen ausfindig zu machen. Egal wie sehr sich Mimi auch bemühte, Emi wollte weder mit ihr noch mit der Situation richtig warm werden.

„Offiziell ist Kari bei uns. Inoffiziell ist sie heute bei einem Date“, informierte Yolei sie verschmitzt und Mimi durchbrach auf einmal ihre niederschlagende Gedankenspirale.

„Was? Bei einem Date? Etwa mit Takeru?“, hakte sie nach und ließ überrascht die Gabel sinken.

Yolei verdrehte nur die Augen. „Warum glauben denn alle, dass Kari mit Takeru ausgeht? Sie empfindet doch überhaupt nichts für ihn. Jedenfalls nicht auf dieser Ebene.“

„Naja, aber beide wirken immer so harmonisch miteinander und bei dir und Ken hatte ich ja auch den richtigen Riecher“, brüstete sich Mimi stolz, auch wenn Yoleis Blick ihr unmissverständlich klarmachte, dass sie sich auf dem Holzweg befand.

„Das mit dem Mistelzweig war wirklich eine miese Aktion von dir. Meinen ersten Kuss habe ich mir wirklich anders vorgestellt“, grummelte sie eingeschnappt und nahm das Blech hoch, um es in den Ofen zu schieben.

„Ach ich habe dir doch nur einen kleinen Schubs in die richtige Richtung gegeben und du kannst ja nicht behaupten, dass es nicht geklappt hat.“

„Das war kein kleiner Schubs gewesen, das war ein gewaltiger Stoß“, erwiderte Yolei empört. Ihre Augen weiteten sich, während ihre Stirn unschöne Falten schlug.

Doch es dauerte keine Sekunde, bis sich ihr Gesicht wieder entspannte.

„Aber du hast recht, bestimmt hätte ich mich sonst nie getraut, etwas in diese Richtung zu starten. Ich mochte ihn ja schon länger, aber ich bin einfach viel zu schüchtern“, gab sie zu.

„Ken ist aber auch kein Draufgänger. Aber es läuft zwischen euch doch zurzeit ziemlich gut, oder?“

Yolei senkte denk Blick und fasste sich an ihre erröteten Wangen.

„Ja, das schon. Vielleicht ist es nicht mehr so kompliziert, wenn man den ersten Schritt mal gewagt hat und sich seiner Gefühle bewusst ist“, rätselte sie.

„Glaub mir, Beziehungen sind immer etwas kompliziert. Tai und ich reden auch oft aneinander vorbei und bekommen uns dann in die Wolle. Wichtig ist, dass man sowas nicht im Raum stehen lässt und darüber redet.“

„Ja, das stimmt wohl, obwohl ich auch ziemlich froh bin, dass Ken und ich noch keinen großen Streit hatten. Im Kompromisse schließen sind wir wohl ziemlich gut, auch wenn Davis uns ständig in den Ohren liegt, wir würden ihn alle vernachlässigen.“ Yolei stöhnte leise auf, nachdem sie den Satz beendet hatte. „Heute machen Takeru, Ken und er einen Männerabend“, erzählte sie und setzte Männerabend mit den Fingern in Anführungszeichen.

Verwirrt blickte Mimi sie an. „Okay und was heißt Männerabend bei den drei?“, hakte sie nach und imitierte Yoleis Geste.

„Sie zocken Playstation bei Ken zuhause.“

Mimi lachte auf. Ja, so stellte sie sich einen typischen Männerabend vor.

Mit Pizza und Playstation auf der Couch.

„Ach ja, unsere Jungs sind wirklich einmalig. Tai ist wieder mit seinem Tutor verabredet und wollte ihn wegen seine vielen Tipps zum Essen einladen. Er hat extra sich etwas Geld dafür zurückgelegt.“

„Die Situation ist immer noch ziemlich angespannt…Kari erzählt nur sehr selten darüber, weshalb ich mich echt für sie freue, dass sie heute mal etwas Ablenkung erhält“, antwortete Yolei und hinterließ eine bedrückende Stimmung.

Auch wenn sich die Lage bei den Yagamis deutlich entspannt hatte, wusste Mimi, genau wie alle anderen auch, dass sie es dennoch nicht leicht hatten. Taichi ackerte sich weiterhin im Lager ab, bekam nur sehr wenig Geld für seine harte Arbeit und wurde fast jeden Tag von seinem Chef angeschrien und unter Druck gesetzt.

Mimi traute sich oftmals nicht, mit ihm über seine Zukunft zu sprechen, weil sie Angst hatte, dass es ihn zu sehr deprimieren könnte.

Und auch Hikari hatte viel durchgemacht, auch wenn sie, wie Yolei bestätigte, nur sehr wenig darüber sprach.

„Mit wem hat sie sich denn jetzt verabredet?“, fragte Mimi auf einmal neugierig nach, da es Yolei ihr immer noch nicht verraten hatte.

„Er heißt Kazu und spielt bei Takeru in der Mannschaft. Sie steht schon seit einem halben Jahr auf ihn und er hat sie vor ein paar Tagen nach einem Date gefragt. Beziehungsweise Takeru.“

„Takeru?“, überrascht zog Mimi eine Augenbraue in die Höhe.

„Anscheinend dachte er auch, dass zwischen den beiden etwas läuft, weil sie sich so nahestehen.“

„Sag ich ja! Das kann man schon missverstehen“, bestärkte Mimi und holte langsam das Gemüse hervor, um die Füllung vorzubereiten.

„Vielleicht ein wenig, aber Kari hat sich echt darüber gefreut, weshalb sie uns sozusagen auch als Ausrede benutzt. Tai sollte davon besser nicht erfahren.“

„Ohja, er ist echt schlimm, wenn es um sowas geht. Ich frage mich ernsthaft, ob er diesen übertriebenen Beschützerinstinkt irgendwann ablegen kann“, seufzte Mimi und überlegte ob sie nicht einmal mal mit ihm unter vier Augen darüber sprechen sollte.

Doch womöglich könnte sie dann auch genauso gut mit einer massiven Wand sprechen. Taichi war in dieser Hinsicht einfach unverbesserlich. Wahrscheinlich könnte er Kari noch nicht mal richtig loslassen, wenn sie bereits verheiratet und Mutter zweier Kinder wäre.

„Ich glaube, das wird er niemals ablegen. Aber dafür sind wir ja da.“

„Stimmt, wir Mädels müssen zusammenhalten“, meinte Mimi und legte bestimmend ihren Zeigefinger auf die Lippen.

„Sehr gut, aber jetzt habe ich wirklich Kohldampf. Lass uns endlich anfangen“, schlug Yolei vor und holte die notwendigen Küchenutensilien hervor, um ihr Werk zu vollenden.
 

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Einige Tage später befand sich Mimi auf dem Weg zu ihrer Großmutter. Es hatte sie sehr viel Überwindung gekostet, doch sie wollte ihr nicht länger aus dem Weg gehen.

Während ihre Mutter nach all den Jahren noch nicht bereit war, mit ihrer Großmutter ein klärendes Gespräch zu suchen, hatte Mimi unzählige Fragen, die nur sie ihr beantworten konnte.

Sie wollte endlich die andere Sicht kennenlernen.

In den letzten Wochen und Monaten hatten sie sich intensiv darüber Gedanken gemacht. Zuerst wollte sie, wie ihre Mutter, den Kontakt komplett einschränken, weil sie so enttäuscht von ihr gewesen war.

Doch je länger sie darüber nachgedacht hatte, desto schwerer fiel es ihr zu dieser Entscheidung zu stehen.

Menschen machten nun mal Fehler. Niemand war fehlerlos, auch wenn manche dazu neigten, genau das zu behaupten, obwohl es eine eher haltlose Behauptung war.

Natürlich war es einfacher, einen Menschen mit Hass und Missachtung zu begegnen, da man sich so nicht mit ihm auseinandersetzen musste. Doch wahre Größe zeichnete sich dadurch aus, auch jemandem für seine Fehler zu verzeihen, da sie eben menschlich waren.

Mit klopfendem Herzen stand sie nun vor der Haustür ihrer Großmutter. Sie hatte die Klingel gerade losgelassen und hörte wie im Inneren der schrille Ton nachhallte.

Ihr Herz pochte aufgeregt gegen ihre Brust, während sie sehnsüchtig darauf wartete ihrer Großmutter nach so einer langen Zeit wieder in die Augen sehen zu können.

Die Tür öffnete sich langsam und Mimis Hals schürte sich augenblicklich zu.

Sie blickte ist das Gesicht, zu dem sie all die Jahre aufgesehen hatte. Doch nun vermischten sich sämtliche Empfindungen, die einen deutlichen Zwiespalt in ihrem Herzen hinterließen.

„Mimi…es freut mich, dass du gekommen bist“, ertönte die gebrechliche Stimme ihrer Großmutter und ein müdes Lächeln erstreckte sich über ihre schmalen Lippen.

Mimi nickte nur schwach und betrat ihre geräumige Wohnung, die ihr plötzlich eng und stickig vorkam.

Alles fühlte sich auf einmal so falsch an.

Wie oft hatte sie bei ihrer Großmutter gespielt und als Kind ihre Freizeit bei ihren Großeltern verbracht?

Wie oft hatte sie ihrer Großmutter vorgejammert, dass sie gerne einen Bruder oder eine Schwester gehabt hätte? Wie oft hatte ihre Großmutter sie deswegen belogen?

Eine unbändige Wut brodelte in ihrem Bauch, sodass sie sie kaum kontrollieren konnte.

Mühsam zog sie die Schuhe aus und betrat den Wohnraum. Da sie ihren Besuch angekündigt hatte, war der Tisch gedeckt. Zwei Tassen und eine Schale mit Plätzchen befanden sich darauf und luden förmlich dazu ein verspeist zu werden, doch ihr Hunger hielt sich in Grenzen, besonders nachdem ihr das Sideboard ins Auge sprang.

Darauf war ein Foto ihres Großvaters in einem schwarzen Rahmen platziert. Räucherstäbchen und Kerzen umrahmten das Foto, das in ihr nicht nur Trauer hervorrief, sondern auch großes Unverständnis, dass sie gar nicht in Worte fassen konnte.

Wieso hatte er das nur getan? Wie konnte man seinen eigenen Enkel nur in dieser Weise abschieben und dennoch den wundervollen Großvater mimen, der für Mimi all die Jahre so präsent war?

„Ich kann das alles nicht verstehen“, murmelte sie fassungslos und stand immer noch verloren mitten im Raum. „Warum habt ihr mich all die Jahre nur so schamlos angelogen?“

Sie drehte sich zu ihrer Großmutter, die immer noch im Flur stand und betroffen zu Boden schaute.

„Weißt du wirklich, wie ich mich in den letzten Wochen gefühlt habe? Kannst du mir wirklich, die Fragen beantworten, die mir auf dem Herzen liegen oder suchst du auch nur nach fadenscheinigen Ausreden, um den Schein der Familie zu wahren?“

Auch wenn Mimi nicht wollte, dass ihre Worte anklagend klangen, konnte sie sich diesen schwermütigen Unterton in ihrer Stimme einfach nicht verkneifen.

Sie war sauer, enttäuscht und fühlte sich auf verlorenem Posten.

All das, an das sie festgehalten hatte, baute auf einer großen Lüge auf. Ihre Großeltern waren nicht die gutherzigen Menschen, die sie mitaufgezogen hatten. Sie hatten ein dunkles Geheimnis, dass sie stets zu schützen versuchten.

„Mimi, lass uns hinsetzen. Ich weiß nicht, ob ich dir all deine Fragen beantworten kann, aber ich werde es versuchen, okay?“

Ihre Augen waren gläsern, aber strahlten dennoch eine gewisse Hoffnung aus, die Mimi dazu veranlasste ihren Worten zu folgen. Auch wenn sie es widerwillig tat.

Sie wollte die Wahrheit wissen. Die nackte Wahrheit, die vor ihr verborgen wurde.
 

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„Ich denke, es gibt keine Entschuldigung für unser Verhalten und ich möchte, dass du weißt, wie sehr mir das ganze leidtut“, begann sie, nachdem sie den Pfefferminztee verteilt hatte.

Sie saßen sich direkt gegenüber und Mimi folgte aufmerksam ihrer zarten, aber sehr schwachen Stimme.

Scheinbar fiel es ihr alles andere als leicht, über diese Situation zu sprechen, auch wenn sie bereits über zwanzig Jahre her war.

„Dein Großvater war nie sonderlich begeistert von Fujitaka gewesen und auch ich hatte meine Zweifel, weil er aus einer Ärztefamilie stammte, die hohe Ansprüche verfolgte. Und als dein Onkel uns erzählt hatte, dass deine Mutter und er ein Paar seien, war ich im ersten Moment doch sehr überrascht gewesen“, erzählte sie.

„Warum überrascht? War Mama deiner Meinung nach nicht gut genug für ihn?“, hakte Mimi nach und bemerkte selbst, dass ihre Frage sehr provokant gestellt war.

„Nein, aber seine Eltern haben sich immer für etwas Besseres gehalten und ich wollte nicht, dass deine Mutter irgendwann mit diesem Klassenunterschied konfrontiert und von ihm verlassen wird. Es war bekannt, dass er schon als kleiner Junge einem anderen Mädchen versprochen wurde, da die Eltern miteinander befreundet waren. Seine Zukunft war sozusagen vorgeplant und Satoe war diejenige, die in sein Leben nicht reinpasste.“

Mimi schluckte. Sie konnte sich kaum vorstellen, wie es war einem Menschen versprochen zu werden, den man nicht liebte, aber dass die Person, die man liebte, als Störfaktor galt, hinterließ bei ihr ein unwohles Gefühl, auch wenn sie den Ausgang der Geschichte bereits kannte.

Es war keine Liebesgeschichte, in der sich beide fanden und glücklich bis an ihr Lebensende zusammenlebten. Es war die Geschichte einer Liebe, die am Leben zerbrach.

„Und als dann auch noch Fujitakas Eltern davon erfuhren, wurde alles schlimmer und schlimmer. Sie waren von der Beziehung noch weniger begeistert als wir und versuchen schon in der Oberstufe sie zu torpedieren, während wir uns eher zurückgehalten hatten und deine Mutter langsam, aber sicher zur Vernunft bringen wollten. Aber gerade, wenn man dagegenspricht, will man an gewissen Dingen noch mehr festhalten. Und die beiden waren ein starkes Paar, dass all den Widrigkeiten strotzte bis…“, ihre Stimme wurde auf einmal sehr dünn und ihre Lippen bildeten einen schmalen Strich.

Auch Mimi wusste, auf was sie als Nächstes hinauswollte. Es war der Höhepunkt einer Liebe, der tragisch endete.

„Als deine Mutter ungewollt schwanger wurde, wurden auch wir immer mehr von Fujitakas Familie unter Druck gesetzt. Sie rieten zu einer Abtreibung und führten uns vor Augen, dass diese Situation auch für uns und unser Geschäft Konsequenzen hätte. Das Problem war einfach, dass Fujitaka eine Verlobte und deine Mutter sich an einen versprochenen Mann rangemacht hatte…“

„Aber das stimmt doch gar nicht! Mama hat gesagt, dass Fujitaka sich von seiner Verlobten trennen wollte“, unterbrach Mimi sie schroff und sprang auf. „Außerdem wurde die Verlobung geschlossen als sie noch Kinder waren, das kann man dann doch nicht miteinander vergleichen!“

„Das weiß ich Mimi. Aber vor zwanzig Jahren war das ein Skandal gewesen! Unser Geschäft lief zu dieser Zeit erst richtig an und wir wollten nicht, dass wir unsere Existenz dadurch verlieren. Wir hatten zwei Kinder, die beide studieren wollten! Und außerdem…“

„Also ging es euch nur um euren verdammten Ruf! Mama war euch also völlig egal?“

Mimi stand noch immer, doch sie merkte bereits, dass ihre Knie vor Wut zu zittern begangen.

Waren ihre Großeltern so berechnend gewesen? Konnte man sich in Menschen wirklich so sehr täuschen? Oh Gott, am liebsten wollte sie die Flucht ergreifen!

„So stimmt das nicht!“, rechtfertigte sich ihre Großmutter mit ruhiger Stimme.

„Und wie ist es dann? Ihr wolltet, dass Mama meinen Bruder zu Adoption freigibt, damit ihr eure Kunden nicht verliert“, fasste Mimi aufgebracht zusammen und gestikulierte wild umher.

„Das mit der Adoption war ein Vorschlag von uns gewesen, weil die beiden es schwer gehabt hätten. Fujitaka hätte von seinen Eltern für sein Studium kein Geld mehr erhalten und wir hätten die drei nicht durchbringen können. Dein Großvater dachte, dass es die beste Entscheidung wäre und man dem Kind somit die beste Zukunft ermöglichen könnte“, versuchte sich ihre Großmutter zu erklären.

„Dem Kind? Du meinst wohl deinem Enkel, der taub geboren wurde! Für euch war doch seine Taubheit die perfekte Gelegenheit ihn loszuwerden!“

„Mimi, das stimmt nicht und das weißt du auch!“, entgegnete ihre Großmutter und Mimi erkannte, dass ihre Mimik sich verändert hatte. Ihre Augen wirken traurig und ihre Hände hatte sie zu Fäusten geballt.

„Ach und wie ist es dann? Du kannst mir nicht sagen, dass ihr das für Mama gemacht habt! Wenn ihr es für sie gemacht hättet, hättet ihr sie unterstützt und nicht fallen gelassen!“, untermauerte Mimi felsenfest, als sich auf einmal ihre Großmutter erhob und wutentbrannt ihr Gesicht verzog.

„Wir haben all das nur für unsere Familie getan! Deine Mutter war uns am wichtigsten gewesen und wir hätten sie auch unterstützt, wenn wir das Geld dazu gehabt hätten, aber das ging zu dieser Zeit eben nicht!“

„Und warum nicht? Ihr hattet doch die Firma und all das! Am Geld kann es doch wohl kaum gelegen haben! Wenn es nicht das war, was war es dann?“

„Oh mein Gott, Mimi. Dein Großvater hatte MS und er hat die Diagnose kurz vor der dem Gespräch mit deiner Mutter erfahren. Deswegen wollten wir, dass sie das Baby zu Adoption freigibt, weil wir nicht gewusst haben, wie lange dein Opa mit dieser Krankheit leben kann.“

Ihre Aussage traf sie durch Mark und Bein. MS. Das war doch die Kurzform von…

„Opa hatte Multiple Sklerose? Aber Mama hat nie davon etwas erzählt…“

„Das liegt daran, dass es deine Mutter nicht wusste“, antwortete ihre Großmutter schwach und setzte sich wieder. „Nachdem sie ihren Sohn weggegeben hatte, war der Kontakt immer mehr abgebrochen. Erst als du geboren wurdest, sahen wir uns wieder öfter, allerdings kamen wir nie an Satoe ran. Wir hatten sie zu sehr verletzt.“

„Aber…aber wir haben nie etwas bemerkt“, stellte Mimi fassungslos fest und konnte nicht länger stehen. Ihre Beine sackten zusammen und sie landete etwas unsanft auf dem Stuhl, der mittlerweile kalt geworden war.

„Das lag daran, dass dein Großvater eine schleichende Form der MS hatte. Seine Schübe haben sich meist wieder zurückgebildet. Erst in den letzten drei Jahren war das Ende immer mehr abzusehen, aber ihr wart in den USA und wenn ihr uns mal besuchen kamt, versuchten wir es vor euch zu verbergen“, erklärte sie verbittert.

„Warum? Warum wollte ihr nicht, dass wir es wissen?“, fragte Mimi aufgewühlt nach und konnte die Intension ihrer Großmutter überhaupt nicht nachvollziehen. Sie hatte die ganze Zeit gedacht, dass ihr Großvater plötzlich verstorben sei, dabei war seine Krankheit ein schleichender Prozess, der ihn immer mehr veränderte.

„Das gleiche hat dein Onkel auch immer gefragt, aber dein Großvater wollte deine Mutter nicht noch mehr verletzen. Wir wussten, dass wir ihr damals sehr wehgetan hatten, weshalb dein Großvater ihr nicht noch mehr ihr Leben verbauen wollte. Er wusste nämlich, dass sie zurückkommen würde, wenn sie von seiner Krankheit erfuhr. Wir hatten nicht das Recht sie an uns zu binden, auch wenn wir ihr gerne die Wahrheit mitgeteilt hätten, aber irgendwann war es einfach zu spät. Manche Wunden heilen, selbst wenn man sie nicht behandelt. Vielleicht heilen sie langsamer und wahrscheinlich wird immer eine Narbe zurückbleiben, aber das Leben geht weiter. Es bleibt nie stehen, weshalb es irgendwann zu spät für eine Entschuldigung war und wir mit dieser Bürde leben mussten.“

Mimi blickte starr in das Gesicht ihrer Großmutter. Sie konnte erkennen, dass sie traurig und mitgenommen war, aber dennoch spiegelte sich die Erleichterung wieder.

Die Erleichterung die Wahrheit gesagt zu haben.

Niemand musste mit solch einer Bürde leben, selbst wenn sie sich selbst auferlegt hatte. Das Leben war dazu da, auch Veränderungen vorzunehmen und da man die Vergangenheit nicht ändern konnte, blieb einem nur noch die Zukunft. Die Zukunft auf eine Versöhnung.

Eine Versöhnung, die all die Jahre überfällig war.

Vielleicht würde ihre Großmutter tatsächlich eine alte Wunde aufreißen, die mittlerweile eine dünne Narbe zierte. Aber dennoch war es wichtig, die andere Seite zu kennen und Mimi wusste, dass ihre Mutter ebenfalls die Wahrheit erfahren musste.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Soo noch 10 Kapitel plus Epilog, dann findet auch diese Geschichte eeeendlich ihr Ende!
Falls ihr es noch nicht mitbekommen haben:
Es gibt scheinbar bald eine Fortsetzung zu Digimon 02. Der Trailer bzw. die ersten 5 Minuten sind bereits auf Youtube online, leider ohne Übersetzung.
Wer möchte, kann gerne mal reinschauen: https://www.youtube.com/watch?v=1sKMGAvwudE&t=7s

Vielen Dank an alle die diese Geschichte irgendwie noch verfolgen :) Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Hallostern2014
2022-08-01T20:51:23+00:00 01.08.2022 22:51
Da bin ich auch schon ❤

Man merkt wie das Kochen Mimi liegt. Ich hoffe sie kann ihren Traum erfüllen. Das Sora nicht kann, kann ich verstehen. Sie hat ja jetzt erstmal was wichtigeres zu tun. Bei Kaori auch. Familie geht vor. Hoffentlich kann ihr Vater Emi wieder etwas beruhigen und dass sie sich mit der Situation anfreunden. Die Sache mit dem Bruder wird sich bestimmt auch schon bald klären.

Was Kari angeht. Jeder denk das da was mit T.K läuft weil jeder weiß das die zusammen passen. Der Typ hat bestimm eine Wette laufen. Anders kann ich mir nicht vorstellen. Aber ob es wirklich so ist wird sich zeigen. Ich glaube auch das Tais Beschützerinstinkt berechtig ist und wie im Kapitel vorher schon geschrieben er wird ihn Testen ob er es ernst meint.

Ich finde es schön das jeder sich Gedanken um die beiden machen, beide müssen endlich mal darüber sprechen so müssen die Freunde keine Angst haben was Falsches zu sagen. Bzw Mimi. Tai will ja darüber reden, aber ich denke das es nichts wird wenn man ihn nicht darauf anspricht. Er hat selber soviel Angst.

Mimi will wirklich alles in ihrer Familie geklärt haben. Und man merkt auch wie wütend sie war. Ich kann langsam ihre Großeltern verstehen warum sie gegen der Beziehung waren. Sie hätten Angst das ihre Tochter verletzt wird und nicht von den anderen Elternteil anerkannt wird. Vor allem wenn er schon versprochen wurde. Ich hasse die Eltern von Fujitakas die haben sie nicht mehr alle..Aber leider war es ja früher so. Die beiden mussten so viel durch machen und Mimis Großeltern hatten auch einfach Angst gehabt. Ich finde es so klasse wie Stark Mimi sich gibt.

Und dann kommst. Damit habe ich nicht gerechnet. Jetzt tun mir die Großeltern leid. Beide mussten es mit sich selbst ausmachen. Es zu verheimlichen muss so schwer gewesen sein. Dennoch hätten sie es sagen müssen. Auch wenn beide Angst gehabt hätten sie mehr zu verletzten. Ich denke eher das Gegenteil hätten die beiden mit offenen Karten gespielt wäre die Sache evtl anders verlaufen. Jetzt wird sich Mimis Mutter doch Vorwürfe machen weil sie nichts gemerkt hatte und es keine richtige Aussprache mit ihrem Vater gabst. Ich hoffe nachdem Mimi jetzt die Wahrheit weiß ihre Mutter auch noch mit ihr redet. Es wird Zeit nach all den Jahren.

Noch 10 Kapitel 😮. Das ist ja wirklich nicht viel. Ich bin gespannt was da noch alles kommt.
Den Trailer habe ich auch schon gesehen und bin schon gespannt wann wir ihn sehen können 😍

Auf jedenfall freue ich mich aufs nächste Kapitel 😍😍





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