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Die 12 Prüfungen der Shina Fay

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06. Prüfung - Lestrade der Vampir

06. Pruefung – Lestrade der Vampir

Eteria im Jahr des Schwertwals

Die Nacht war hereingebrochen. Auf einem Gras bewachsenen Hügel in Enstone standen die Ruinen einer alten Abtei. Die Mönche, die einst dort gelebt hatten, waren längst fort gegangen. Doch in den unteren Gewölben, den Katakomben, hatte eine alte Macht die Jahre überdauert. Einst hatten die Kreaturen in Massen Angst und Schrecken verbreitet. Doch dann hatten die Elfen die Vampire besiegt und verdrängt. Im Laufe der Jahrhunderte waren diese Kreaturen der Nacht in Vergessenheit geraten. Doch es gab sie noch.

Mit einem lauten Knarren öffnete sich der Deckel eines Sarges aus Mahagoniholz. Sein Bewohner hatte seine Augen noch geschlossen. Nachdem er ein bisschen Zeit hatte verstreichen lassen, öffnete der Vampir seine Augen und richtete sich langsam auf. Dann schwang er seine Beine über den Rand des Sarges und zog seinen restlichen Körper nach, indem er sich mit den Händen am Sargrand abstützte. Als er seine Ruhestädte verlassen hatte, reckte und streckte sich der Blutsauger. Dies war nach so langer Zeit, die Lestrade in seinem Sarg verbracht hatte auch notwendig.

Als er seine müden Glieder in Schwung gebracht hatte, stieg er die Treppenstufen hinauf, die ins Hauptschiff der Abtei führten. Von dort aus trat Lestrade ins freie und ließ die kalte Nachtluft unter seinen fledermausartigen Umhang strömen. Die Nacht war friedlich. Für Lestrades Geschmack etwas zu friedlich. „Es ist an der Zeit, dass die Welt sich erinnert, dass es uns Vampire noch gibt. In Eteria soll es beginnen.“, dachte er.

Doch Lestrade wollte nichts überstürzen. Denn er hatte schon von Shina Fay gehört. Wenn es sich zutragen sollte, dass er gegen sie antreten musste, dann wollte er entsprechend gewappnet sein. Ein alter Eremit kam von den nahegelegenen Hügeln zu der Kapelle in der Nähe der Ruine. Lestrade beschloss den Mann anzusprechen. Doch dieser hatte ihn bemerkt. „Ich bin Bruder Barnabas vom Orden des heiligen Franziskus. Ich führe ein Eremitenleben dort oben in den Hügeln. Und in dieser Kapelle hier, da pflege ich zu beten. Aber es wundert mich, dass ein Vampir an einem so ärmlichen Ort Halt macht, um hier Gott zu suchen.“ „Ich suche keineswegs Gott, Bruder Barnabas. Ich suche eine Waldelfe namens Shina Fay.“ „Ich bedaure, aber der Name sagt mir nichts.“ „Ich kann nicht mehr als fragen, und ihr könnt nicht mehr als „Nein“ sagen. Es waren die Elfen aus Eteria, die uns Vampire vor hunderten von Jahren in einer Schlacht besiegt und fast ausgerottet haben. Ich bin einer der letzten von uns.“ 74

Bruder Barnabas ging seines Weges und ließ die Kreatur der Nacht stehen. Lestrade hatte von der Niederlage Duras erfahren. Sein alter Freund Randalejev hatte ihm davon erzählt. „Hüte dich vor Shina Fay.“, hatte er gesagt. „Sie ist zwar erst 44 Jahre alt, aber sie ist eine sehr gute Kämpferin. Unterschätze sie zu keiner Zeit, sonst bist du schneller tot, als du es für möglich hältst.“, hatte Randalejev Lestrade zum Schluss noch gewarnt. Der Vampir suchte die alte Bibliothek in der Ruine auf. Dort suchte er nach Büchern, die sich mit berühmten Bösewichten befassten. Lestrade stieß auf ein dickes in Leder eingebundenes Buch. Er beschloss es mit in die Gruft zu nehmen. Zum einen war er dort ungestört, zum anderen konnte ihn die Sonne dort nicht überraschen.

Lestrade schlug das Buch auf und landete bei Gnorm, dem Berserker. „Sieh an, sieh an.“, dachte der Vampir, als er las, wer für den Tod des Berserkers verantwortlich war. Er blätterte ein paar Seiten weiter und fand die Chronik von Tyrion, dem Echsenkrieger. Er zog die Augenbrauen hoch, als er las, wer auch für den Tod dieses Bösewichts verantwortlich zeichnete. Das nächste Kapitel, das Lestrade las, befasste sich mit Nekane, der Blutelfe. Als Lestrade gerade weiter blättern wollte, bemerkte er, dass ein Sonnenstrahl in die Gruft fiel. Rasch schloss er den Deckel seines Sarges. Nun hieß es bis nach Sonnenuntergang zu warten, ehe der Vampir in dem Buch weiterlesen konnte.

In Eteria war Shina Fay auf dem Weg ins Massanella-Gebirge. Sie wollte den unprovozierten Überfällen durch Darmona ein Ende setzen. Zuletzt hatte die böse Naga-Königin zuerst eine Windmühle niedergebrannt und ihren Besitzer ermordet. Und noch am selben Tag hatte sie den Betreiber einer Wassermühle bei lebendigem Leib verbrannt, als sie die Mühle in Brand gesteckt hatte. Die Kinder der beiden Müller hatten sich in Shina Fays Dorf retten können, während ihre Mütter den Häschern Darmonas in die Hände fielen und in das Versteck der Naga-Königin gebracht wurden. Shina Fay hatte sich mit dem Entschluss aufgemacht, Darmona zu finden und zu töten. Ihre Freundinnen begleiteten sie. Auch Desdemona war wieder dabei.

Auf dem Weg ins Massanella-Gebirge trafen die Freundinnen auf einen alten Köhler, der vor den verkohlten Trümmern seiner Köhlerhütte stand. „Gott sei Dank, dass ihr kommt! Darmona hat uns überfallen.“ „Wo ist sie jetzt?“ „Sie ist gen Norden geflohen. Meine Tochter hat sie mitgenommen. Meine Frau hat Darmona getötet und meinen Sohn hat sie versklavt.“ „Macht euch keine Sorgen mein Freund. Darmona wird den Tag verfluchen, als sie euch überfallen und eure Existenz zerstört hat.“, sagte Shina Fay.

Am Abend hatten die Freundinnen ein 75

kleines Wäldchen eine Tagesreise vom Massanella-Gebirge erreicht. Dort schlugen sie ihr Lager auf. Darmona hatte jedoch vorsorglich Späher ausgesandt, denn es stand zu befürchten, dass Königin Ignissa einen Befreiungsversuch unternehmen würde. Einer dieser Späher, ein Ghul hatte das Lager der fünf Freundinnen entdeckt. Er hätte die drei Elfen und Desdemona am liebsten überfallen, doch Darmona hatte ihm befohlen, nur den Standort möglicher Feinde ausfindig zu machen. Mürrisch machte sich der Späher wieder auf den Weg. Allerdings beging der Ghul den Fehler und machte bei seiner Flucht einen derartigen Lärm, dass die Freundinnen auf ihn aufmerksam wurden. Shina Fay zog einen Pfeil aus ihrem Köcher und legte an. Dabei berührte sie den Saphir, den sie seinerzeit von Hafez geschenkt bekommen hatte. Doch die junge Elfe war zu aufgeregt und streifte den Ghul nur. Doch der Pfeil war ein Eispfeil geworden und würde aus der untoten Kreatur eine Eisfigur machen.

Bei Anbruch des nächsten Tages erreichte der Spion das Versteck der Naga-Königin. Darmona sah sofort, dass etwas nicht stimmte, denn der Ghul war zur Hälfte schon aus Eis. „Wer hat dir das angetan?“, fragte sie. „Das war Shina Fay. Sie hat einen Eispfeil auf mich abgeschossen. Aber sie hat nicht richtig gezielt, und hat mich nur gestreift.“ „Anscheinend entfaltet der Zauber auch seine Wirkung, selbst wenn der Pfeil sein Ziel nur streift. Also ist Shina Fay mir auf den Fersen. Gut das zu wissen. Ist sie allein?“ „Nein Herrin. Es sind noch eine Blutelfe, eine Dunkelelfe, eine weitere Waldelfe und eine Naga-Königin bei ihr. Sie hat sechs Arme.“ „Desdemona. Nun gut. Wenn Shina Fay mir auf den Fersen ist, dann haben es die Kinder der beiden Müller in Shina Fays Dorf geschafft.“ „Es sieht wohl so aus Herrin.“, sagte der Ghul, ehe er ganz zu Eis gefror.

Am späten Nachmittag erreichten die fünf Freundinnen das Massanella-Gebirge. Doch nun stellte sich die Frage, wo sich Darmonas Versteck befand. Nur ein ortskundiger Guide konnte den Freundinnen helfen. Ein Gnom kam vorbei. „Ihr aussehen, als ob ihr nicht weiter kommt.“, sagte er mit einer rauen, brüchigen Stimme. Shina Fay sah sich den Fremden genauer an. Er besaß lange, spitze Ohren, doch er war viel kleiner als sie und die anderen. Seine grüne Haut wies schon viele Runzeln auf, was darauf hindeutete, dass er schon recht betagt war. Sein Kopfhaar war bis auf ein paar Haare restlos verschwunden. Der alte Gnom trug nichts weiter als eine alte Lederhose, ein braun gefärbtes Hemd und einen Mantel aus weißer Baumwolle.

„Wer bist du?“, fragte Shina Fay den alten Gnom. „Mein Name nicht wichtig. Aber ich mich gut auskennen im Massanella-Gebirge.“ „Dann kannst du uns den Weg zu Darmonas Versteck zeigen?“ „Ich euch direkt hinbringen werde. 76

Darmona dein Gegner nicht ist, Shina Fay. Dein Gegner in deiner sechsten Prüfung eine Kreatur der Nacht ist.“ „Was meint ihr?“ „Er von Blut sich ernähren. Und er warten. Schon Jahrhunderte er warten auf den Augenblick, an dem es ist an der Zeit, dass Vampire wieder kehren zurück nach Eteria.“ Kaitlyn erschrak. EIN VAMPIR!!! Doch Shina Fay ließ sich nicht einschüchtern. „Dieser Vampir wird sich gedulden müssen, Fremder. Ich habe geschworen, Darmona zu vernichten. Und ich werde tun, was ich geschworen habe.“ „Lestrade es nicht eilig haben. Aber er wissen, wen du bereits alles hast erfolgreich besiegt.“ „Ich will nicht unhöflich erscheinen Fremder, aber ich bin ein bisschen in Eile. Ich will Darmona noch vor Einbruch der Dunkelheit stellen.“ „Zu gefährlich das jetzt ist. Denn die Dämmerung einsetzt. Bald wir nicht mehr werden sehen die Hand vor Augen. Wir besser schlagen unser Lager auf und warten bis morgen. Dann ich werde euch führen zu Darmona.“

Am nächsten Morgen löste der alte Gnom sein Versprechen ein, und führte Shina Fay und ihre Freundinnen zu Darmonas Versteck. Sie hatten es nicht weit. Denn gleich auf dem ersten Felsplateau entdeckte Shina Fay eine Höhle. Jenna, Raya und Kaitlyn sahen den alten erwartungsvoll an. Er nickte. „Hier es ist. Aber weiter ich kann euch nicht begleiten.“ „Es wird nicht lange dauern. Würdet ihr freundlicherweise auf uns warten?“ Wieder nickte der Alte. Shina Fay hatte vorsichtshalber ein paar Fackeln eingepackt, die sie nun an die anderen verteilte. Dann betraten die fünf Freundinnen die Höhle. Kaitlyn, die die Nachhut bildete, brachte überall an den Wänden magische Markierungen an, wenn sich die Wege gabelten. Schließlich erreichten die Freundinnen einen großen Raum. Aus diesem schien ein gedämpftes, blaues Licht. Shina Fay lunzte um die Ecke um besser sehen zu können. Das Licht kam von zwei Tonfiguren, die wie zwei große Frösche aussahen. Zwischen ihnen stand ein gewaltiger Thron, der von zwei Amphoren flankiert wurde, die zu Lampen umfunktioniert worden waren. Auf diesem Thron saß Darmona.

Ihr Unterleib glich dem einer gewaltigen Anakonda. Ihre Haut glich dem weißen Alabaster. Um ihren Hals trug die Naga-Königin einen Schulterschmuck aus purem Gold. Auf dem Kopf, der gänzlich ohne Haar auskommen musste, trug Darmona ihre Krone, die fünf Kobraköpfe darstellte. Ansonsten war an der bösen Naga-Königin nur noch ihr Gesicht auffällig. Sie hatte spitze Ohren, aber man merkte schnell, dass sie keine elfischen Verwandten hatte. Ihre Gesichtszüge waren elegant und ihre sinnlichen Lippen hätte so mancher Mann gerne geküsst. Doch ihre diabolisch leuchtenden roten Augen verrieten sofort das Böse in Darmona. Vor dem Thron konnte Shina Fay die Tochter des Köhlers sehen, die mit einer Kette an einer der Armstützen 77

des Throns gefesselt war, die sie an einem eisernen Ring um den Hals trug. Das Mädchen trug keinerlei Kleidung. Shina Fay wurde bewusst, was dies zu bedeuten hatte. Die Tochter des Köhlers war Darmonas Sex-Sklavin, während der Sohn sich wahrscheinlich irgendwo zu Tode schuften musste.

„Komm ruhig näher, Shina Fay. Ich habe dich bereits erwartet.“, sagte Darmona mit einer weichen, sympathischen Stimme. Die junge Elfe trat in den Eingang des Raumes, mit gezückten Schwertern. „So jung und schon so ungestüm. Aber wenn du den Wunsch verspürst, schon jetzt zu sterben, dann will ich ihn dir gerne erfüllen.“, sagte Darmona und nahm ihre beiden Schwerter. Shina Fay ging in die Hocke und kreuzte ihre Schwerter. Dabei spreizte sie das linke Bein leicht ab. Darmona hatte sich zu ihrer vollen Größe aufgerichtet. Mit einem lauten Schrei griff die böse Naga-Königin die junge Elfe an. Shina Fay konnte den Hieb gerade so abwehren. Dann ging sie zum Gegenangriff über, indem sie einen Angriff auf der rechten Seite antäuschte. Darmona reagierte zwar blitzschnell, doch sie hatte Shina Fays wahre Absicht zu spät bemerkt und bekam von der jungen Elfe eine Wunde auf der linken Flanke verpasst. „Du kleines Miststück! Dafür wirst du bezahlen!“

„Hau du mal nicht so auf den Putz, Darmona. Du gehst mir echt auf die Nerven, mit deinem dummen Geschwätz.“ Darmona wurde rot vor Zorn. „Jetzt reichts mir aber endgültig! Ich werde dich töten!“ „Du stinkst ja geradezu vor Überheblichkeit, du Pappnase!“ Darmonas Zorn wurde immer größer, da wagte es diese kleine Elfe doch tatsächlich, ihr gegenüber frech zu werden. Wieder griff sie an, doch Shina Fay konnte sich durch einen Hechtsprung nach rechts retten, sodass der Hieb mit dem Säbel lediglich ihre Beinschiene traf. Jetzt war die Elfe wieder auf dem Vormarsch. Doch sie wusste, dass sie die böse Naga-Königin nicht noch einmal so leicht würde überrumpeln können. Vor allem, und das wusste Shina Fay, musste sie Darmona so lange beschäftigen, bis entweder Raya oder eine andere, dem Mädchen zu Hilfe kommen konnte.

Shina Fay wich einem weiteren Hieb Darmonas gekonnt aus und setzte nun ihrerseits zu einem Hieb an. Sie traf die Naga-Königin an ihrem rechten Schwertarm und riss ihn auf. Darmona schrie vor Scherzen laut auf, als die Klinge des Damaszenerschwertes die Haut zerriss. „Du bist eine Närrin, Shina Fay. Mit deinem armseligen Können bis du weder mir, noch der dunklen Seite der Macht gewachsen.“ „Du nimmst den Mund ganz schön voll findest du nicht? Dafür, dass ich dir schon zwei Wunden zugefügt habe und du mir noch nicht mal einen Kratzer, riskierst du eine ganz schön dicke Lippe.“

Darmona wollte einen Zauber wirken, doch 78

Kaitlyn belegte sie mit einem Bannzauber. Die Naga-Königin wandte ihre Aufmerksamkeit nun der Dunkelelfe zu. Diesen Augenblick nutzte Desdemona um die Köhlerstochter zu befreien. Shina Fay war unterdessen auf Darmonas Thron geklettert und setzte zum Sprung an. Sie hatte eines ihrer beiden Schwerter wieder in seine Schutzhülle zurückgesteckt. Mit einem lauten Schrei sprang die junge Elfe Darmona an, das verbliebene Schwert mit beiden Händen gepackt. Die Naga-Königin drehte sich zu ihrer Gegnerin um, doch da war es zu spät. Shina Fay traf ihre Kontrahentin am Solarplexus und setzte sie so außer Gefecht. Darmona konnte nur noch hilflos zusehen, wie die Stammesführerin vom Clan des roten Habichts ihr das zweite Schwert mit aller Kraft ins Herz stieß.

In der alten Abteiruine hatte Lestrade das Buch fertig gelesen und wieder in die Bibliothek zurückgebracht. Er hatte es gerade auf dem Schreibpult abgelegt, als Bruder Barnabas die Bibliothek betrat. „Wie ich sehe, habt Ihr das Buch gründlich studiert.“ „Das habe ich in der Tat, Bruder Barnabas. Erlaubt mir eine Frage. Seid ihr auch als Chronist tätig?“ „Es ist meine Aufgabe, über die Schicksale aller Bösewichte Buch zu führen. Und erst jetzt hat es wieder jemanden erwischt.“ „Wer ist der Unglückliche?“ „Die Unglückliche ist Darmona, die Naga-Königin. Shina Fay hat sie getötet. Sie hat sie erst auf dem Solarplexus getroffen und ihr dann eines ihrer Schwerter ins Herz gerammt.“

„Wisst ihr Bruder Barnabas, eine Naga-Königin wie Darmona zu töten ist eine Sache. Aber es mit einem Vampir aufzunehmen, ist immer noch was anderes.“ „Da mögt ihr Recht haben. Aber Shina Fay ist ein ganz besonderes Mädchen.“ „Was meint ihr?“ „Es gibt eine alte Prophezeiung, nach der sie die Elfenstämme Eterias einen, und im Kampf gegen die Dunkelelfen anführen wird.“ „Interessant. Außerordentlich interessant.“ „Ihr scheint über etwas nachzudenken.“ „Nicht wirklich. Aber es wäre eine Herausforderung, gegen Shina Fay zu kämpfen.“ „Wäre ich an eurer Stelle, würde ich es mir zweimal überlegen, ob ich gegen die Stammesführerin vom Clan des roten Habichts antrete.“ „Die Elfen haben uns Vampire im Laufe der Zeit vergessen. Und das darf nicht noch einmal passieren.“

In Shina Fays Dorf hatten sich alle versammelt, um ihre Heldin mit dem üblichen Fest zu begrüßen. Es war schon Abend geworden, als Netanya die Hohepriesterin im Dorf eintraf. „Du hast Eteria einmal mehr vor dem Bösen bewahrt. Doch in dieser Prüfung sollst du nicht töten. Vielmehr sollst du deine Menschlichkeit unter Beweis stellen.“ „Tut mir leid Netanya, aber da komm ich nicht ganz mit.“, sagte Shina Fay. „Ich will es dir erklären. Die Vampire haben Eteria und die umliegenden Königreiche einst in Angst und Schrecken versetzt. Ihnen ging es damals um die Alleinherrschaft. 79

Doch im Laufe der Jahrhunderte regte sich mehr und mehr Widerstand unter ihnen. Deshalb war es für uns Elfen ein leichtes, sie zu besiegen und zurückzudrängen. Ich habe die Karten gelegt, Shina Fay. Du bist von den Göttern auserkoren, einen dauerhaften Frieden mir den Vampiren herzustellen. Du hast in Keros dein diplomatisches Geschick unter Beweis gestellt. Nun musst du den Vampiren vergeben.“ Shina Fay schüttelte den Kopf. „Das kann ich nicht Netanya. Das ist zu viel verlangt.“

Halgrim trat dazu. „Merke dir eines Shina Fay. Ein guter Stammesführer zieht einen Kreis um sich und kümmert sich um die, die darin sind. Andere Stammesfürsten ziehen einen größeren Kreis um sich herum, und kümmern sich um ihre Brüder und Schwestern. Manche Häuptlinge müssen einen Kreis um sich ziehen, der viele, viele mehr einschließt. König Etgo, dein Großvater, war einer von diesen Männern. Nun musst du selbst entscheiden, ob du auch so ein Stammesoberhaupt bist.“, sagte der alte Schamane. Später am Abend suchte Shina Fay den Tempel des Orakels auf. Gemäß der alten Tradition hatte sie als Opfergabe das Blut eines von ihr erlegten Hirsches in die Opferschale gegossen. Nun kniete sie vor dem Bildnis der Erdenmutter und sprach ein Gebet. „Erdenmutter! Erhöre die Bitte deiner Tochter. Ich soll ein Friedensbündnis mit den Kreaturen der Nacht, den Vampiren schließen, die seit Generationen unsere Feinde sind. Weise mir den Weg, Erdenmutter. Ich bitte dich!“

„Das Leben besteht nicht nur aus Kampf, Shina Fay. Außerdem versucht ein guter Feldherr einen Krieg zu vermeiden. Aber er ist immer auf ihn vorbereitet.“, sagte eine freundliche Frauenstimme. „Was willst du mir damit sagen, Erdenmutter?“ „Scheue dich nicht davor, neue Wege zu gehen. Wisse, die Dunkelelfen haben sich zusätzlich zu den Blutelfen auch mit den Orks verbündet. Du brauchst noch weitere Verbündete. Wende dich zuerst an die Vampire. Reise nach Enstone und suche einen Vampir namens Lestrade. Geh hinein in die Nacht. Du wirst ihn nicht finden, er findet dich.“

In der alten Abtei stand Lestrade auf dem Hügel und dachte nach. Randalejev, sein alter Freund stand neben ihm. „Woran denkst du, Briderchen?“ „Ich wollte in Eteria Angst und Schrecken verbreiten, um den dortigen Bewohnern zu zeigen, dass es uns noch gibt. Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher, ob ich das wirklich noch will.“ „Die Zeiten ändern sich, Lestrade. Ich habe läuten gehört, dass die Dunkelelfen, zusätzlich zu ihren langjährigen Verbündeten, den Blutelfen, noch ein Bündnis mit den Orks geschlossen haben. Und du weißt, dass die Orks auch unsere Feinde sind.“ „Du meinst, wir sollen mit den Elfen Eterias Frieden schließen Randalejev?“ 80

„Haben wir eine andere Wahl?“ „Hoffentlich sieht Shina Fay das genauso.“ „Selbst wenn sie mit mir nicht einer Meinung ist Lestrade, sage ich, wir müssen uns mit den Elfen in Eteria verbünden. Du weißt doch, dass es viele Völker gibt, die uns Vampiren wohl gesonnen sind. Die Walküren zum Beispiel. Wenn wir mit den Elfen Eterias Frieden schließen würden, könnten die Walküren auf unserer Seite in einen Krieg eintreten.“ „Meinst du wirklich, dass es Krieg gibt, Randalejev?“ „Was die Zukunft bringt, weiß niemand so genau, Lestrade. Aber du solltest es wenigstens mal versuchen.“ „Du lässt wohl nicht locker was Randalejev? Ich denk drüber nach. Mal sehen, was unser alter Eremit, Bruder Barnabas zu deinem Vorschlag sagt.“

Den Mönch traf Lestrade in der darauf folgenden Nacht in der Bibliothek, der Abtei. Bruder Barnabas hörte dem Vampir zu und ließ ihn zu Ende sprechen, bevor er sagte: „Es wird ein Krieg aufziehen Lestrade. Ihr tut gut daran, auf euren Freund Randalejev zu hören.“ „Also ein Bündnis mit den Elfen Eterias.“ „Nicht nur ein Bündnis. Ein dauerhafter Frieden wäre die bessere Lösung.“ „Meint Ihr wirklich, dass Shina Fay sich darauf einlässt?“ „Es geht für beide Völker um viel. Die Orks haben sich nicht umsonst mit den Dunkelelfen verbündet. Die Orks sind nämlich auch die Feinde der eterianischen Elfen. Wenn Ihr es wünscht, dann bin ich gerne bereit, als Unterhändler zu fungieren.“

In Masca, der alten Bergfestung auf dem Teufelsberg, hatte Shina Fay ihren alten Mentor Bruder Remigius besucht und ihm von ihrem Besuch im Tempel des Orakels berichtet. Sie hatte dem alten Mönch von dem Rat des Orakels erzählt, und auch, was Halgrim, der alte Schamane ihr erzählt hatte. „Das, was dein alter Schamane dir über die Stammesführer gesagt hat, entspricht durchaus der Wahrheit. Aber auch das Orakel hat Recht, wenn es dir rät, Verbündete zu suchen. Die Orks sind seit jeher Feinde sowohl der Vampire, als auch deiner Rasse. Wenn du willst, dann begleite ich dich als dein Unterhändler.“ „Ich danke dir von ganzem Herzen Remigius.“

Am dritten Tag nach dem Fest für Shina Fay trafen sich beide Parteien. Shina Fay nahm gerade die Ruine der alten Abtei in Augenschein, als es hinter ihr raschelte. Die junge Elfe fuhr herum. Lestrade war gerade vor ihr gelandet. Er trug eine schwarze Hose, die in langen, schwarzen Stiefeln steckte. Dazu ein weißes Hemd mit Spitze, darüber einen schwarzen Überrock. Zusätzlich trug der Vampir einen schwarzen Umhang, der den Flügeln einer Fledermaus ähnelte. Sein langes schwarzes Haar wehte im Wind. Seine gelben Augen blickten skeptisch drein. Auffällig waren jedoch seine oberen Eckzähne, die am unteren Ende spitz zuliefen. 81

„Sei willkommen. Du bist sicher Shina Fay.“ „Und du bist dann wohl Lestrade.“ „Der bin ich.“ „Du kannst dir denken, warum ich gekommen bin?“ „Natürlich. Wir beide wissen, dass der Krieg seine Schatten bereits voraus wirft und dass unser beider Feind, die Orks, sich den Dunkelelfen angeschlossen haben.“, sagte Lestrade mit einer maskulinen, warmen Stimme. „Ich war am Abend meiner Heimkehr aus dem Massanella-Gebirge noch im Tempel der Erdenmutter. Das dortige Orakel hat mir geraten, einen dauerhaften Frieden zwischen unseren Rassen auszuhandeln, obwohl zwischen Elfen und Vampiren seit Generationen Feindschaft herrscht.“ „Manchmal muss man neue Wege gehen und vergessen, was gewesen ist, Shina Fay. Wir Vampire sind bereit mit dir über ein dauerhaftes Friedensbündnis zu verhandeln.“

„Ich hoffe, dass ich auf die Hilfe deiner Rasse zählen kann, solange ich meine Prüfungen absolviere. In dieser Prüfung soll ich meine „Menschlichkeit“ unter Beweis stellen. Ich bin eine Elfe und kein Mensch.“ „Ich weiß, was du meinst. Wer wird an deiner Seite kämpfen, wenn der Tag der großen Schlacht kommt?“ „Zuerst alle Elfenstämme Eterias. Und die Nachtelfirokesen.“ „Was ist mit den restlichen Clans der Nachtelfen, Shina Fay?“ „Die wollen sich raushalten. Weicheier.“ „Das dürfte daran liegen, das Keros sich damals isoliert hat. Die Nachtelfen blieben lieber unter sich, weshalb sie mit niemandem Ärger hatten.“, sagte Lestrade. „Bis auf die Nachtelfirokesen.“ „Es ist aber Fakt, dass die Elfenstämme Eterias und die Nachtelfirokesen der Allianz aus Dunkelelfen, Blutelfen und Orks nicht gewachsen sind. Ich denke, dein Orakel hat Recht, es ist an der Zeit neue Wege zu gehen, und das Kriegsbeil zwischen den Elfen Eterias und den Vampiren für immer zu begraben.“ Mit diesen Worten streckte der Vampir seine Hand aus und hielt sie Shina Fay hin. Die Waldelfe schlug ein und drückte Lestrades Hand.

In den nächsten zwei Tagen tauschten sich die beiden Mönche, Bruder Barnabas und Bruder Remigius, die als Unterhändler fungierten, über die Wünsche und Vorstellungen der Elfen und Vampire aus. Es war jedoch abzusehen, dass beide Seiten Abstriche bei ihren Forderungen machen mussten. Doch am Ende stand ein Vertrag, mit dem beide Parteien leben konnten. Am fünften Tag im Monat des Welses trafen sich die Führer aller Elfenstämme in Eteria mit den Vampiren. In einer feierlichen Zeremonie wurde der Vertrag dann ratifiziert. Lestrade und Shina Fay machten den Anfang. Danach kam König Meteron. Als auch der letzte Stammesführer aus Eteria seine Unterschrift unter den Vertrag gesetzt hatte, war die Erleichterung bei Shina Fay riesig. Ihre Freundinnen umarmten sie. Lestrade lehnte an einem Baum und sah die fünf Freundinnen feiern. Irgendwann kam er dazu. 82

„Ihr fünf seid eine interessante Gemeinschaft. Zwei Waldelfen, eine Dunkelelfe, eine Naga-Königin und eine Blutelfe.“, sagte er. „Raya und ich haben uns auf meiner ersten Prüfung kennengelernt. Ich hab sie aus einem Moorloch gezogen, nachdem ich die schwarze Spinne getötet hatte.“ „Mit diesem achtbeinigen Monster hätte ich auch noch eine Rechnung zu begleichen gehabt.“ Kaitlyn sah den Vampir fragend an. „Die Spinne hat meine Frau getötet. Unsere gemeinsame Tochter ist geflohen wurde nie wieder gesehen. Ich hoffe, dass sie noch lebt. Wenn sie tot ist, werde ich mir das nie verzeihen.“

Kaum hatte Lestrade seinen Satz zu Ende gesprochen, da ertönte ein lautes, diabolisches Frauenlachen. „Höre Lestrade. Ich habe deine Tochter auf meinem Schloss. Es geht ihr gut. Wenn du deine Tochter wieder haben willst, dann hol sie dir. Allerdings kann ich nicht garantieren, dass sie dann noch lebt.“ „Wer ist das?“ „Das ist Oonagh, die Schattenhexe.“ „Ich werde deine Tochter retten. Oonagh, hör mich an, du saudummes Miststück. Ich werde Lestrades Tochter befreien. Und wenn es das Letzte ist, was ich tue.“ 83



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