Zum Inhalt der Seite

~ Love at third sight ~

Mit dem Herz gegen alle Regeln
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Folgt LATS jetzt auch auf Facebook!
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
https://www.facebook.com/love.at.third.sight
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Decisions

Müde ließ Momoko die Haustür hinter sich ins Schloss fallen.

Ihre Skinny-Jeans und die blaue, ärmellose Bluse waren trotz Regenschirm nass geworden. Auch ihre hellen Ballerinas waren aufgeweicht. Der Wind peitschte den nicht enden wollenden Regen einfach in alle Richtungen. Dagegen mit einem Schirm ankämpfen zu wollen, hatte sich als zwecklos erwiesen.

„Ich bin sooo müde!“, stöhnte die junge Frau, nachdem sie sich die feuchten Schuhe von den Füßen gestreift hatte und sich einen Augenblick lang mit dem Rücken gegen die Tür lehnte.

Um ihren Hals hing ihre schwarze Kameratasche. Wenigstens die war so gut wie trocken geblieben. Ein langer Tag auf einem Kindergeburtstag, bei dem Momoko unzählige Bilder geschossen hatte, lag hinter ihr. Es war ein spontanes Jobangebot gewesen und ziemlich laut und turbulent dazu, aber man hatte sie bereits im Voraus sehr gut angezahlt.

Momoko lächelte zufrieden; sie war sich sicher, dass sie einige sehr gute Bilder gemacht hatte. Das bedeutete nach dem Entwicklungsprozess ein gutes Plus in ihrer schmalen Haushaltskasse. Eltern von Einzelkindern, die sich die halbe Schule einladen konnten, waren bei Fotos solcher Ereignisse selten geizig. Abgesehen von der Tatsache, dass sie lieber in eine Highschool-Schülerin investierten, als in einen Profifotografen.

»Gut für mich.«, dachte sie mit einem Schulterzucken und ging die Stufen zu ihrem Zimmer hinauf.

Sie war zu fertig für eine Dusche oder ein Bad. Momoko legte die Tasche auf ihren Schreibtischstuhl und hing ihre feuchte Kleidung über dessen Lehne. Trotz Gewitter war es nach wie vor zu warm für einen Schlafanzug, also schnappte sie sich ein legeres Top aus ihrem Kleiderschrank und zog sich das stattdessen über. In dem dunklen Zimmer, das nur von Blitzen und den trüben, gelben Straßenlaternen erhellt wurde, rief ihr Bett bereits lockend nach ihr, doch zuerst ging sie noch hinüber zu dem kleinen alten Radio, das ein wenig eingestaubt auf seiner Kommode ruhte. Schon vor ein paar Tagen hatte sie damit angefangen, die Weckfunktion des Gerätes zu benutzen, anstatt ihren schrillen Wecker auf dem Nachttisch. Es war viel angenehmer, morgens von leiser Musik geweckt zu werden, als von einem nervenden Alarmton.

Verträumt strich Momoko mit ihren Fingern über die glatten Lautsprecher. Sie hatte immer noch denselben Radiosender eingestellt, den sie gemeinsam mit Yosuke gehört hatte, als er das letzte Mal bei ihr gewesen war. Eine Gänsehaut krabbelte bei den damit verknüpften Erinnerungen ihren Rücken hinauf. Sie seufzte langgezogen.

Unvermittelt brummte ihr Handy irgendwo hinter ihr los. Hastig drehte sie sich zu dem Stuhl um und durchwühlte ihren feuchten Wäscheberg, nach dem vibrierenden Telefon.

„Ja – hallo?“, rief sie laut in den Lautsprecher.

„Guten Abend, Pfirsichtörtchen.“, kicherte eine wohlbekannte Stimme.

Ihr Herz machte einen Satz und rutschte ihr direkt danach in den Magen. Jetzt rief er schon genau dann an, wenn sie gerade an ihn dachte!

„Yosuke! Oh, entschuldige – ich wollte nicht, dass die Mailbox drangeht und dabei habe ich gar nicht darauf geachtet, wer da eigentlich anruft.“ Sie warf einen Blick auf die Uhrzeit und begann unbewusst zu flüstern. „Kannst du denn gerade überhaupt frei telefonieren?“

„Ich bin draußen und jogge. Kannst du denn?“

„Wäre ich sonst rangegangen?“, entgegnete sie rein rhetorisch, aber lächelnd.

„Na dann, hi.“

„Hi.“, hauchte Momoko wenig intelligent zurück.

Das Herzklopfen hallte bis zu ihren Ohren; sie freute sich so sehr, seine Stimme zu hören, dass sie deswegen wahnsinnig aufgeregt war.

„Wir haben ja schon ein paar Tage nichts mehr voneinander gehört.“, setzte Yosuke noch mal neu an.

„Stimmt, knapp drei Tage ist es her.“

Sie schlug sich im selben Atemzug tonlos die flache Hand vor die Stirn, für diesen völlig überflüssigen und peinlichen Kommentar.

„Zählst du etwa die Stunden?“, scherzte der Torwart auf der anderen Seite der Leitung.

Er hatte ja keine Ahnung davon, wie genau er damit ins Schwarze traf.

„Quatsch! Es lag nur auf der Hand.“, redete sie sich raus. „Was gibt es denn?“

Sie hörte ihn verwundert stutzen.

„Schon vergessen? Ich sollte mich doch eigentlich Freitag schon bei dir melden… wegen Takuros Angebot.“

Erneut wollte die Rosahaarige sich ohrfeigen und biss sich mit einem stummen Stöhnen in die Faust.

Jaaa, stimmt! Das hatte ich irgendwie schon zu den Akten gelegt!“

Momoko fing an in ihrem Zimmer auf und ab zu laufen.

„Dann hat Takuro noch nicht wieder bei dir nachgefragt?“

„Nein, irgendwie waren er und ich immer zu beschäftigt, um darüber zu reden.“

„Ach so. Wie war denn dein Wochenende so? Geht es dir gut?“

„Ja. Ich war wie immer arbeiten, habe gestern versucht ein bisschen zu pauken und heute war ich als Fotografin unterwegs. Ich bin ziemlich platt, aber es geht mir gut. Und wie geht es dir? Ist deine Mutter noch da?“

„Schön zu hören. Ich hoffe, du hattest Erfolg heute! Und nein, meine Mutter ist vor ein paar Stunden schon wieder gefahren, aber es war eine schöne Zeit mir ihr. Auch, wenn ihr Besuch doch etwas überraschend war... Wir haben viel Wichtiges besprochen, deswegen geht es mir etwas besser als sonst.“

„Ja? Möchtest du mir davon erzählen?“

Yosuke zögerte etwas und schien zu überlegen.

„Soll ich vorbei kommen? Persönlich redet es sich besser.“

Die junge Frau schreckte zusammen und starrte automatisch aus dem Fenster.

„Du joggst während eines Gewitters! Das allein ist schon eine dumme Idee! Spät ist es außerdem auch!“

Er lachte dieses amüsierte, kehlige Lachen, das sie so an ihm mochte.

„Es wäre nicht meine erste dumme Idee, in Verbindung mit dir. Und ich habe ja schon Übung darin, bei dir nachts vorbeizuschauen.“

Was er sagte klang verschwörerisch und auf eine prickelnde Weise vielversprechend. Sie konnte sein Augenzwinkern förmlich heraushören.

Momoko lief zur Fensterbank und schob mit der freien Hand die Gardinen zur Seite. Sie schaute nach draußen zu dem Platz unter der einen Laterne, an dem Yosuke eines Nachts gestanden hatte. Das Pochen in ihrer Brust wurde lauter bei dem Gedanken, an all die Möglichkeiten, die sich auftun würden, wenn er jetzt zu ihr nach Hause käme. Doch so laut wie ihr Herzschlag auch war, so laut riefen sie auch die Zweifel in ihrem Kopf zur Vernunft. Sein Besuch würde unweigerlich auf das Eine hinauslaufen und dazu war sie nicht bereit. Sie wollte seine Anwesenheit viel zu sehr auf eine ganz andere Weise, die er ihr leider nicht geben konnte – sie wollte, dass er blieb.

Es würde nur weh tun, genau wie nach dem letzten Mal. Nach der anfänglichen Freude seufzte sie nun schwer und ließ betrübt den Kopf hängen.

„Nein, lieber nicht. Morgen ist Schule und ich bin sehr müde. Ich bin schon mit einem Bein im Bett. Kannst du es mir nicht am Telefon erzählen?“

„Verstehe.“, sagte er und klang dabei enttäuscht. „Wie du schon sagtest, ich stehe im Regen. Kein gutes Wetter, für längere Themen.“

Momoko malte bedeutungslose Muster auf ihre beschlagene Fensterscheibe und dachte nach.

„Na ja… wenn es vielleicht nicht ganz so dringende Themen sind, dann erzählst du mir davon eben ein anderes Mal?“

Sie bemühte sich um einen aufbauenden, tröstlichen Ton, doch sie hörte selber, wie kläglich sich das in Wirklichkeit aus ihrem Mund anhörte. Yosuke atmete unzufrieden aus.

„Okay, kein Problem. Es ist nicht so wichtig. Das kann warten.“

Er klang selbst durch das Telefon noch kühl.

„Hey… tut mir leid, bist du sauer?“

„Nein. Es ist nur, ich ver… du fe… Ich wundere mich nur. Ich habe ehrlich gesagt nicht mit einer Abfuhr gerechnet.“

„Das war keine Abfuhr! Ich bin nur nicht in Sti…. Ich bin nur müde. Ehrlich!“

Er lachte leise. Wohl, weil sie genauso stammelte wie er?

„Ich glaube dir ja schon. Drei Wochen sind nur eine lange Zeit, ich würde dich gerne eher wiedersehen. Einfach nur so, ohne Hintergedanken.“

Die junge Frau lief rot an. Solche Aussagen aus seinem Mund brachten ihren Puls zum Flattern! Sie hatte ihm insgeheim unlautere Absichten unterstellt und nun widerlegte er sie. Ob er auch einfach nur ihre Anwesenheit vermisste, so wie sie seine?

Ein geflüstertes „Tut mir leid.“ war alles, was sie heraus brachte.

„Macht nichts, dafür sehen wir uns dann mehr als genug.“

Sie stutzte und das kitschig-romantische Glockengebimmel in ihrem Kopf erstarb.

„Wieso?“

Das Yosuke nicht sofort antwortete, machte sie misstrauisch.

„Ich habe Hiromi von dem Ausflug erzählt und sie hat zugestimmt, ihn mitzumachen.“

Momokos Kinnlade verselbstständigte sich.

Sie riss ihre Gardinen ruckartig zurück in Position und fuhr herum, um sprachlos vor Entsetzen wieder im Zimmer auf und ab zu tigern.

„Pfirsichtörtchen? Bist du noch dran? Du wirst doch nicht in Ohnmacht gefallen sein?“, scherzte ihr Gesprächspartner etwas verunsichert.

„Noch nicht, aber ich bin ganz kurz davor! Yosuke, wie konnte das passieren?!“

„Wieso passieren? Du hast gesagt, ich soll sie fragen und das habe ich.“

„Aber ich bin doch nicht davon ausgegangen, dass sie JA sagt! Erinnerst du dich daran, was ich gesagt habe? Ich war von dieser ganzen Idee nicht angetan! Das geht nicht… das geht nicht gut. Was hast du nur zu ihr gesagt? Da steckt doch ganz sicher deine ganze Überredungskunst hinter!“

Yosuke lachte laut und heiter. Ihre aufsteigende Panik amüsierte ihn offensichtlich – das machte sie wütend.

„Hör auf zu lachen! Das ist doch kein Witz!“, fuhr sie ihn schroff an.

Er beruhigte sich und schlug einen milderen Tonfall an.

„Wovor hast du solche Angst? Wir fahren als Freunde dorthin und das sind wir doch schließlich. Oder? Also Freunde, meine ich.“

Momoko atmete nicht, als sich bei dem Wort ein Kloß in ihrem Hals bildete.

„Ja, aber…“

„Nichts, aber.“, unterbrach er sie ruhig. „Es ist ja schließlich nicht so, als könnten wir nicht die Finger voneinander lassen. Es wird ein rein freundschaftlicher Trip. Fast so wie früher, als wir noch mit der Klasse weggefahren sind.“

„Du warst doch in einer ganz anderen Klasse… wir haben uns fast nie gesehen.“

Während sie nach Ausflüchten suchte, um keine unbeabsichtigten Eingeständnisse vor ihm zu machen, machte er eine kurze Pause, in der er angestrengt ausatmete.

„Bitte.“

Dieses eine Wort und die Art, wie er es betonte, entwaffnete die junge Frau.

„Bitte gib dieser Idee die Chance, eine von diesen Erinnerungen zu werden, an die man auch später immer noch gern zurück denkt. So, wie die Dinge derzeit stehen, ist es wahrscheinlich die letzte Möglichkeit, noch mal auf diese Weise mit all unseren Freunden zusammen zu sein.“

Ungern gestand Momoko sich ein, dass Yosuke damit Recht hatte. Vor allem, wenn das Experiment “Alle-freunden-sich-mit-Takuro-und-Hiromi-an“ scheiterte. Und davon war bei all der explosiven Spannung, die zwischen ihnen allen herrschte, im Moment am ehesten auszugehen.

Bröckelnd brach ihr Widerstand in sich zusammen. Mehr als alles andere wollte ein Teil von ihr diese geschenkte, wertvolle Zeit mit Yosuke annehmen, während die Vernunft resignierend mit dem Kopf schüttelte, warnend die Arme hoch riss und dann mit den Fäusten auf ihr wild klopfendes, unvernünftiges Herz einschlug.

Und bei dem Gedanken an Sonne und Strand; das Meer und zwangsläufig viel nackte Haut, führte zu allem Überfluss auch noch ihre Libido einen ganz eigenen Freudentanz auf.

»Um Gottes Willen, ich bin so unreif!«

Hilflos und entnervt stöhnte sie ins Telefon.

„Ach Yosuke… ich weiß nicht. Ich möchte schon irgendwie.“

„Dann lass es uns machen. Wir haben nur noch diesen einen Sommer, danach beginnt für uns alle der wahre Ernst des Lebens.“

Es sollte sie motivieren, aber irgendwie hinterließen diese Worte bei ihr einen faden Beigeschmack.

»Nur noch ein Sommer… dann verändert sich alles.«

„Okay.“

„Hm? Wie bitte?“

Momoko rollte mit den Augen.

„Du hast mich schon verstanden. Ich sagte: OK. Ich gebe Takuro eure Zusage weiter und werde auch Yuri und Hinagiku fragen.“

Yosuke antwortete darauf nicht sofort etwas, aber sie war sich fast sicher, dass er gerade eine Jubelpose ausführte. Schmunzelnd schmiegte sie ihre Wange enger an das Handy – allein die Vorstellung, von seinem ehrlichen Lächeln, löste ein warmes Kribbeln in ihrem Bauch aus. Es ließ sie für den Moment vergessen, welches Risiko sie bereit war einzugehen.

„Du bist unverbesserlich. Immer musst du deinen Willen bekommen.“, sagte sie spöttisch.

Er kicherte brummend.

„Ich kann eben sehr überzeugend sein.“

Das klang eine Spur zu dunkel - Momoko verstand die Zweideutigkeit darin sehr klar und bekam direkt Gänsehaut.

„Möglich… und jetzt beweg dich aus dem Regen und geh nach Hause! Sonst überlege ich es mir wieder anders.“

„Dazu wollen wir es mal nicht kommen lassen.“, spielte Yosuke lachend mit. „Schlaf gut, wir hören uns.“

„Danke, du auch. Bis dann!“

Diesmal war sie es, die zuerst auflegte. Schnell und unbarmherzig. Bevor dem Torwart doch noch ein Thema einfiel, was sie von einem endgültigen Abschied abhielt.

Noch mit dem Handy in der Hand ließ sie sich rücklings auf ihr Bett fallen. Damit sie nicht auch noch mit Takuro telefonieren musste, verpackte sie die unerwartete Zusage in ein paar Zeilen einer Kurznachricht. Ihr Daumen schwebte ein paar Sekunden unentschlossen über der Senden-Taste.

Das verlief alles ganz anders, als sie geplant hatte. Momoko begab sich auf sehr dünnes Eis – dünner, als es für Yosuke sein konnte, denn er war sich anscheinend sicher, dass man ihm nichts ansehen würde. Er konnte seine Gefühle für sie, weil sie von einer anderen Art waren als ihre, verstecken und rein freundschaftlich mit ihr umgehen. Würde ihr das auch gelingen?

Sie wurde schon nervös, wenn sie nur daran dachte, sich in Gegenwart ihrer Freundinnen von Yosuke weitestgehend unbeeindruckt zu geben. Sie waren fast wie Schwestern für sie und hatten schon so einiges über ihre Beziehung zu dem Dunkelhaarigen geunkt…

Ihr Kopfkino schaltete sich ein und sofort spielte es alle möglichen Szenarien ab, in denen sie sich verraten könnte. Ein falscher Blick auf seinen trainierten, sonnengebräunten Köper… oder zu viel Augenkontakt. Oder zu wenig… zu vertraut, zu steif – fast alles konnte falsche Signale senden!

»Herrje! Wie soll ich nur ein gesundes Mittelmaß finden, wenn ich es schon kaum schaffe, mir selbst etwas vorzumachen!«

Momoko tippte einfach blind auf Senden und ließ dann den Arm samt Handy schlaff auf die Matratze fallen.

„Kneifen gilt nicht.“, flüsterte sie ihrer dunklen Zimmerdecke zu.

Am Ende war ihr Wunsch, zu fahren, wider aller Vernunft größer. Die Dinge würden schon irgendwie ihren Lauf nehmen…
 

~*~
 

Momoko nahm sich knapp eine Woche Zeit dafür, den Dingen ihren Lauf zu lassen.

Erst nachdem Takuro Bescheid wusste und sich trotz aller Verblüffung um die Details der Reise zu bemühen begann, fühlte sie sich genötigt genug, auch an ihre Freundinnen die Einladung zu übermitteln.

Es war der erste Freitag im Juni und Kazuya Yanagiba, Nachwuchsfußballspieler, derzeit wohnhaft in Tokyo und Schüler einer renommierten Schule für aufstrebende Sportler, war zu Besuch bei seiner Freundin in der alten Heimat. In seinem Leben lief derzeit alles glatt; er hatte nichts zu bemängeln und konnte kaum glücklicher sein. Vor allem, wenn ihm nach einer langen Anreise Yuri Tanima die Tür öffnete. Das Strahlen in ihrem Gesicht und das Leuchten ihrer grünen Augen, vermittelte ihm jedes Mal das wohlig warme Gefühl, dass er Zuhause war.

Ihre Eltern akzeptierten ihn von Anfang an vorbehaltlos und das war ein Glück, denn Yuris Vater verstand keinen Spaß, wenn es um seine einzige, heiß geliebte Prinzessin ging. Und irgendwie war Yuri das tatsächlich; sie war nicht nur sehr hübsch, sondern auch anmutig, warmherzig, bescheiden, zurückhaltend, klug, sittsam, aufopfernd, loyal, ehrlich, hatte gute Manieren und auch Humor. Die Dunkelhaarige war trotz ihres Auftretens nicht steif oder spießig – das wusste kaum jemand besser als all jene, die ihr näher standen. Aber sie wusste ihre lockere Seite zu zügeln, wann immer sie es für angebracht hielt.

Kazuya schmunzelte, als er darüber in ihrem Zimmer nachdachte. In dieser Hinsicht waren sie sich sehr ähnlich.

„Möchtest du etwas trinken?“

Yuris höfliche Frage holte ihn aus seinen Tagträumen zurück.

„Ja, sehr gern.“

Er sah von der Bettkante aus zu ihr auf und lächelte sie an. Wie üblich erwiderte sie das mit einem zarten Hauch von Rosa auf den Wangen. Zwei Jahre waren sie jetzt zusammen, würde sich ihr Blick auf ihn jemals ändern? Würde das Herzklopfen in seiner Brust, wenn sich ihre Finger miteinander verschränkten, jemals abebben?

Sie huschte aus dem Zimmer und das dunkelbraune, wellige Haar flatterte hinter ihr her. Einmal mehr hielt sich Kazuya für einen Glückspilz, dass diese junge Frau hartnäckig, aber nicht aufdringlich am Ball geblieben war, bis er sie endlich als mehr, als nur eine Mitschülerin wahrgenommen hatte. Hartnäckigkeit und Zielstrebigkeit zählten ebenfalls zu ihren guten Eigenschaften. Meistens zumindest.

Der Blonde hörte durch die offene Zimmertür Yuris Mutter nach ihr rufen. Momoko war am Telefon und wollte mit ihr sprechen. Kazuya wollte nicht lauschen, aber die Erwähnung ihres Namens wischte seine bisherigen Gedanken mit einem Mal weg. Stattdessen grübelte er nun und begann ein Rätsel zu entschlüsseln, von dem ihm bis eben gar nicht klar gewesen war, dass es existiere.

Er zückte mit gerunzelter Stirn sein Handy und rief eine Nachricht von Yosuke auf, die er ihm schon vor einigen Tagen geschickt- und die nichts als Verwirrung bei ihm hinterlassen hatte.
 

>>>Hallo Kazuya, wie geht es Dir in Tokyo? Bist du immer noch fit auf dem Feld, oder setzen Dir die anderen Spieler auch mal zu? Ich muss Dich um etwas bitten oder Dich vielmehr an etwas erinnern. Bitte sei nicht schockiert, falls Yuri Dich in nächster Zeit etwas Bestimmtes fragt. Erinnere Dich bitte einfach an das Versprechen, das Du mir gegeben hast! Ruf mich an, wenn Du danach noch reden möchtest. Ciao, Yosuke.<<<
 

Der Stürmer hatte sich auf diese Mail einfach keinen Reim machen können und obwohl er natürlich geantwortet und nachgeharkt hatte, war ihm Yosuke Fuma die Antwort schuldig geblieben.

»Das wird doch wohl nichts mit ihr zu tun haben?«

Er starrte mit leerem Blick auf das Display und würfelte mit den Puzzleteilen in seinem Kopf herum. Das einzige Versprechen, das er ihm in letzter Zeit gegeben hatte, war das, dass er niemanden davon erzählen würde, dass er etwas mit Momoko gehabt hatte. Bisher hatte er sich daran gehalten; es gab aber auch nie wieder Anlass dafür, dass er davon Gebrauch machen musste. Seit ihrem erzwungenen Aufeinandertreffen in dem Club damals hatte er nichts mehr von Yosuke gehört. Und von Yuri wusste er nur, dass die Hobbyfotografin bei ihrem letzten Treffen ganz normal und ausgelassen war. Mehr hatte sie auf sein Nachfragen nicht erzählt, aber sie hatte dabei nachdenklich und irgendwie kurz angebunden gewirkt. Aus Höflichkeit hatte er nicht weiter nachgefragt, doch jetzt wünschte Kazuya sich, er hätte es doch getan.

„Dann war das dein Ernst gewesen?!“, hörte er Yuris Stimme zu ihm hinauf schallen.

Es war der einzige Satz, den sie mit ungewohnt lauter und viel zu hoher Stimme sagte, sodass alle mithören konnten.

Kazuya steckte sein Handy weg und stützte seine Unterarme gelassen auf seinen Schenkeln ab. Er wusste gar nichts, aber er ahnte, dass seine Freundin gleich zu ihm nach oben kommen und ihm eine unglaubliche Geschichte erzählen würde. Und er ahnte auch, dass es sich darum nicht ganz unwesentlich um ihre beste Freundin und seinen besten Freund drehte. Er sollte Recht behalten.

Es vergingen keine zehn Minuten, da trabte Yuri deutlich hörbar die Stufen zu ihm wieder hinauf. Als sie ins Zimmer platzte hatte sie natürlich längst vergessen, dass sie eigentlich etwas zu Trinken holen wollte.

„Kazuya!“, sagte sie mit großen Augen und einer Hand auf ihrer, vom Atmen bebender Brust. „Momoko hat gerade angerufen und du glaubst gar nicht, wieso sie angerufen hat!“

Er streckte ermunternd eine Hand nach ihr aus und versuchte sie mit einem halbherzigen Lächeln zu beruhigen.

„Du hast Recht, ich weiß es nicht, aber komm her und erzähl es mir.“

Sie legte ihre Hand in seine und ließ sich in einer fließenden Bewegung auf seinen Schoß ziehen. Yuri schob seinen Oberkörper trotz offensichtlichem Herzflattern entschlossen von sich weg und sah ihm ernst in die Augen.

„Weißt du, was sie wollte? Sie möchte uns einladen. Nicht nur sie, sondern auch Takuro.“

Verwirrt blinzelte Kazuya sie an. Sprachlos und ohne Worte wies er sie an, das näher zu erläutern, aber sie schien noch viel verwirrter zu sein als er.

„Ich verstehe nicht… was daran bringt dich denn so durcheinander?“

Sie atmete tief und langsam ein und aus in der Bemühung, ihre Fassung zurückzuerlangen.

„Bitte entschuldige, ich war von dem Telefonat eben noch so aufgewühlt… Es geht nicht um eine Einladung zum Tee oder Mittagessen, es geht um einen Urlaub.“

Jetzt schossen seine Augenbrauen verblüfft in die Höhe.

„Und sie schließt nicht nur uns beide ein, sondern auch noch Hinagiku und – ich kann es kaum aussprechen – Yosuke und Hiromi.“

Kazuya konnte nicht mehr überraschter sein, also wurde er blass, während ihm seine Freundin die ganzen Details um das Angebot herum darlegte.

Seine ersten Worte, nachdem Yuri fertig erzählte hatte waren:

„Das kommt so… überraschend.“

Die Dunkelhaarige schien weniger irritiert. Sie schlug die Augen nieder und nestelte irgendwie schuldbewusst am Saum seines Hemdes herum.

„Für mich eigentlich nicht.“, gab sie schließlich zu.

Kazuya schüttelte den Kopf und kniff sich in den Nasenrücken, gegen den anklopfenden Kopfschmerz hinter seiner Stirn. Jetzt verstand er gar nichts mehr.

„Bitte, Schatz… spann mich nicht länger auf die Folter. Erzähl es mir einfach, ok?“

Yuri schluckte und holte aus.

„Weißt du noch, wie ich dir davon erzählt habe, dass ich vor zwei Wochen mit Hinagiku und Momoko im Kino war?“ Er nickte aufmerksam. „Als du mich gefragt hattest, wie es ihr geht, da habe ich dir nicht alles erzählt… weil ich erstmal nachdenken wollte und nicht so richtig schlau daraus wurde.“

„Woraus?“, beschwor der Blonde sie förmlich.

„Nun… es ist so, dass es in Momokos Beziehung zu Takuro einige Spannungen gibt, die vor allem Yosuke betreffen. Aber auch uns alle, also ihre Freunde von früher.“

Ein Ruck ging durch den jungen Mann. So langsam wurde ihm klar, warum er diese verschwörerische Mail von seinem ehemaligen Torwart bekommen hatte. Gefasst ließ er sich nichts anmerken und lauschte weiter gespannt.

„Es war Momokos Idee, dass wir versuchen sollen, uns mit ihrem Verlobten und Yosukes Freundin anzufreunden. Sie hat die Befürchtung, dass sie uns sonst alle verliert…“, schloss sie wehmütig und sah wieder auf ihren Schoß.

Kazuya hob ihr Kinn liebevoll mit den Fingerspitzen an.

„Wie kommt sie denn darauf?“

Sie seufzte schwermütig.

„Sie hat uns erzählt, dass sie und Takuro Japan bereits nach dem Abschluss verlassen werden. Er will es so und sie befürchtet, dass er danach versuchen wird, den Kontakt zu uns zu unterbinden.“

Ihr Freund öffnete erschrocken den Mund.

„Sie geht weg?“

Yuri nickte traurig.

„Ja. Und sie betonte immer wieder, dass sie die Freundschaft zu uns nicht aufgeben will.“

„Und das schließt ihren eigenen Worten nach auch Yosuke mit ein?“

„Ja. Irgendwie seltsam oder? Damals und bis vor Kurzem hätte ich es nie für möglich gehalten, dass Momoko ihn jemals als Freund bezeichnen würde. Aber jetzt scheint es ihr so ernst damit zu sein… Und niemand von uns hat mitbekommen, wie und wann das eigentlich passiert ist.“ Sie seufzte wieder schwer. „Sie hat Hinagiku und mich, was das betrifft, einfach ausgeschlossen… es erscheint mir so verworren. Es ist ihr wichtig, mehr lässt sie uns bisher nicht wissen. Sie hat sogar geweint deswegen.“

Kazuya ballte die Hände angespannt zu Fäusten.

„Momoko und Yosuke haben also nach dem Abend in dem Club Kontakt gehalten…?“, flüsterte er mehr zu sich, als zu Yuri.

„Ja, so hat sie es erzählt. Aber eben alles heimlich… Was ist denn los mit dir, stimmt etwas nicht?“

Er konnte seinen aufgewühlten Zustand nicht vor seiner Freundin verbergen, dafür kannte sie ihn zu gut. Er wollte es auch gar nicht.

„Hat sie am Telefon gesagt, ob Hiromi und Yosuke schon eingeweiht sind?“, wich er ihr vorerst noch aus.

„Ja, hat sie. Beide sind einverstanden und haben schon zugesagt. Wenn wir und Hinagiku auch zusagen, dann fahren wir gleich zu Beginn der Ferien in zwei Wochen los.“

Kazuya stöhnte und legte eine Hand an die Stirn, wo sie seine Augen bedeckte.

„Liebster, jetzt machst du mir langsam Angst. Was ist denn?!“

Yuri rückte von seinem Schoß herunter und legte besorgte ihre Hände auf seine Schultern.

»Natürlich. Deswegen soll ich schweigen.«, dachte er bei sich.

In was für eine Lage brachte ihn sein Freund da gerade? Nicht mal von Yosuke persönlich, sondern von seiner eigenen Partnerin hatte er gerade erfahren, dass das Verhältnis, zwischen ihm und Momoko, anscheinend noch oder zumindest wieder bestand. Egal von welcher Art es war, es war ganz sicher unmoralischer Natur! Hinter dieser ganzen Inszenierung, mit der Einladung und hinter all der Geheimnistuerei, steckten Gefühle und Taten, die die Zwei in Teufels Küche bringen konnten und würden, wenn sie aufflogen.

„Sie rennen beide in ihr Unglück.“, sagte er schließlich seufzend.

„Wie bitte?“, hinterfragte die Dunkelhaarige irritiert.

Der blonde junge Mann straffte sich und schaute seine Freundin mit leidender Miene an.

„Yuri, ich glaube, ich muss dir jetzt etwas sehr Schwerwiegendes anvertrauen. Und ich muss dich bitten mir zu versprechen, dass du mich nicht verrätst! Ich habe Yosuke ein ähnliches Versprechen gegeben, aber das kann ich unter diesen Umständen einfach nicht halten...“ Gram zeichnete sich in seiner Mine ab, trotzdem redete er weiter. „Du musst es jetzt erfahren; als beste Freundin von Momoko steht dir das einfach zu. Und ich brauche dich als meine engste Vertraue in dieser Sache an meiner Seite.“

Ihre grünen Augen flackerten ängstlich. Nun war es an ihr, zu erblassen, aber sie nickte tapfer und lauschte seinen folgenden Worten.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Folgt LATS jetzt auch auf Facebook!
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
https://www.facebook.com/love.at.third.sight
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Lisanaund1
2016-06-30T10:25:19+00:00 30.06.2016 12:25
Da stimme ich einbeutig zu
Hoffe das yuri nicht auspflibt und denn mund dann helt
Von:  Anne208
2016-06-23T21:25:53+00:00 23.06.2016 23:25
Ach du heilige sch.... wenn das jetzt nicht ein böses ende nimmt!
Von: abgemeldet
2016-06-23T19:56:27+00:00 23.06.2016 21:56
Jetzt wird es richtig spannend, man die Story wird immer verzwickter


Zurück