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~ Love at third sight ~

Mit dem Herz gegen alle Regeln
von

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Precious moments (Part I)

Yosuke hatte mit Momokos Nachricht fast gar nicht mehr gerechnet.

»Sie hat vielleicht gesagt.«, hatte er sich immer wieder in Erinnerung gerufen, als die Stunden ins Land zogen und der Abend nahte, aber immer noch keine Nachricht von ihr eingegangen war. Umso aufgeregter war er jetzt! Heimlich war er ins Badezimmer geflüchtet, um ihre SMS in Ruhe zu lesen. Immer und immer wieder.

Ein breites Grinsen hatte sich auf seinem Gesicht ausgebreitet und war nur schwer wieder von dort zu vertreiben. Konzentriert starrte Yosuke sein Spiegelbild an und mahnte sich selbst zur Gelassenheit, denn Hiromi würde seine plötzliche Hochstimmung garantiert bemerken, nachdem er in den letzten Stunden immer missmutiger geworden war. Abwesend hatte er in dem Abendessen herumgestochert, mit dem ihn seine vermeintliche Freundin in letzter Zeit immer öfter zu vergiften versuchte und dabei immer wieder auf sein Smartphone geschaut.

„Alter, du musst cool bleiben. Noch offensichtlicher geht es kaum noch!“, sprach er mit sich selbst, während seine Finger nervös auf den Keramikrand des Waschbeckens vor ihm tippten.

Das war jedoch leichter gesagt als getan, denn er hatte schon in der letzten Nacht minuziös geplant, was er mit Momoko unternehmen würde, wenn sie zusagte. Doch dazu bedurfte es sein Fingerspitzengefühl, Übung und eine Menge Überwindungskraft.

„Yoyo-Maus? Brauchst du noch lange? Ich muss nämlich auch mal!“

Hiromis Singsang beendete seinen Tagtraum. Entschlossen klatschte er sich mit beiden Händen auf die Wangen, um endlich das leicht idiotisch anmutende Grinsen aus seinem Gesicht zu bekommen.

„Ich komme schon!“, rief er seiner Mitbewohnerin zu.

„Das hat aber gedauert, hast du etwa schon wieder eine Magenverstimmung?“, fragte sie besorgt, als er schließlich die Tür öffnete.

Yosuke schnaubte verächtlich, denn was seinen Magen in letzter Zeit so zu schaffen machte, war eher ihren Kochkünsten als einer ernstzunehmenden Verstimmung zu verdanken.

„Nein, nein. Ich habe nur etwas Falsches gegessen.“

Hiromi zog eine Augenbraue kritisch nach oben.

„So? Meinst du? Vielleicht waren die Eier nicht mehr gut… aber mir sind sie doch auch bekommen?“, begann sie zu rätseln.

Der Dunkelhaarige rollte unbemerkt mit den Augen. Solange sie schwanger war, würde sie wohl niemals von selbst darauf kommen, dass ihre Speisen zurzeit einfach furchtbar schmeckten.

„Mach dir keinen Kopf darum, dein Essen war vorzüglich.“, log er charmant. „Aber sag mal… weißt du zufällig, wo meine Akustik Gitarre ist?“

Die junge Frau schaute ihn verwundert an.

„Das alte Ding? Ich habe dich noch nie darauf spielen sehen.“

Yosuke zwang sich nicht genervt zu reagieren.

„Mag sein, aber das war nicht meine Frage. Weißt du nun, wo sie ist?“

Die Schwangere überlegte angestrengt und verzog dabei unschön das Gesicht.

„Hm… ich glaube, sie ist auf dem großen Kleiderschrank im Schlafzimmer. Was willst du denn damit?“

„Ach… ein paar Schulkameraden haben mich spontan gefragt, ob ich nicht Lust hätte mich mit ihnen morgen früh für ein paar Stunden zum Üben zu treffen.“

„Morgen früh? Schulkameraden? Gitarre üben? Aber du spielst doch schon seit Jahren nicht mehr!“, bemerkte sie ungläubig und nicht ohne eine gewisse Spur Entrüstung in der Stimme.

„Deswegen ja das Üben.“, konterte Yosuke augenzwinkernd und drehte sich weg, damit er sich keiner weiteren Diskussion stellen musste.

Im Schlafzimmer angekommen und auf Zehenspitze gestellt, stellte er fest, dass Hiromi tatsächlich nicht gelogen hatte, was den Standort seiner alten Gitarre betraf. In einem verstaubten, schwarzen Müllsack gehüllt, lag sie einsam und vergessen in der hintersten Ecke auf dem Schrank. Mit etwas Mühe holte er das, mit Klebeband versiegelte, Paket herunter und ließ sich dabei unfreiwillig von Staubflocken berieseln. Angewidert klopfte Yosuke sich den Dreck vom Shirt und der Hose, ehe er beherzt in das elastische Material des Sackes griff und es auseinander riss.

„Mach ja keinen Dreck, ich habe gestern erst gesaugt!“, hörte er Hiromi dumpf aus dem Badezimmer rufen.

Für diese Warnung war es zu spät, aber darum würde er sich auch noch später kümmern können.

In Erinnerungen an alte Zeiten schwelgend, hob er die schwarze Tasche aus dem Sack heraus und legte sie direkt auf das Bett, wo er vorfreudig den Reißverschluss aufzog und den Deckel zurückklappte.

»Alles noch heil!«, war das Erste, was er erleichtert dachte.

Ehrfürchtig strich er mit seiner rechten Hand über die Decke aus laminiertem Fichtenholz und fuhr prüfend über die sechs Saiten, den Hals hinauf bis zu den Wirbeln. Seine alte Grand Concert war ihm nach all der Zeit noch sehr vertraut.

„Schön, dich wiederzusehen.“, murmelte er gedankenversunken und lächelte zufrieden.
 

3:30 Uhr klingelte Momokos Wecker.

Ächzend und schlaftrunken ließ sie ihren bleiernen Arm auf das nervtötende Gerät fallen, damit es endlich verstummte. Zusammengerollt und unwillig aufzustehen, drehte sie sich noch mal um.

»Yosuke spinnt doch völlig…«, dachte sie grummelnd und zog sich dabei die Decke über den Kopf.

Sie war kein Frühaufsteher; in der Mittelschule war es ihr schon schwer gefallen für die Schule rechtzeitig aus dem Bett zu finden, aber mitten in der Nacht?! Das war praktisch nicht machbar! Natürlich war sie vor lauter Vorfreude und Aufregung viel zu spät eingeschlafen. Warum hatte der Torwart auch so ein Geheimnis daraus gemacht, was er mit ihr vor hatte?

„Steh früh auf, hat er gesagt. Zieh dir was Bequemes an, hat er gesagt. Nimm deine Kamera mit, hat er gesagt. Pack Essen für unterwegs ein, hat er gesagt… Gott, dem sag ich beim nächsten Mal auch etwas! Nämlich meine Meinung!“, fluchte sie maulend in ihr Kopfkissen hinein. Momoko knurrte noch ein paar Minuten vor sich hin, während sich ihre Neugier mit der Müdigkeit ein kleines Gefecht lieferte. Am Ende siegte die Neugier.

Erschlagen und mit dicken Augenringen, trottete sie ins Bad und danach, frisch geduscht und mit einem Handtuch um den Kopf, in die Küche. Draußen war es noch dunkel. Auch wenn der schwarze Sternenhimmel mit all seinen Lichtern schon einem tiefen Dunkelblau gewichen war. Noch etwas unkonzentriert, hantierte die junge Hausherrin zwischen ihren Schränken mit Lebensmitteln herum. Sandwiches würden es heute werden; für mehr hatte sie spontan nicht ausreichend da und beim besten Willen auch keine Ambitionen. Statt an Essen, dachte sie aber lieber an ihr noch immer warmes Bett, das sie förmlich verführerisch nach sich rufen hören konnte.

»Wehe, der Aufwand lohnt sich nicht.«

Vergessen waren die Vorfreude vom Vortag auf das heimliche Treffen und mit ihr die merkwürdigen Gefühle und Ängste, die sie so lange bis in den Schlaf hinein beschäftigt hatten. Es fiel ihr sehr schwer, ihren Schweinehund zu überwinden. Vor allem, wenn sie daran dachte, dass sie heute Mittag auch noch mit ihren beiden Freundinnen verabredet war und am nächsten Tag schon wieder die Schule und Arbeit auf sie warteten. Bei dem Gedanken daran riss sie genervt das Handtuch herunter und raufte sich die Haare.

„Gnaaa~h ich komme gar nicht mehr dazu zu lernen!“

Ihr Handy, das neben ihr auf der Arbeitsplatte zwischen Toastbrot, Salat, Remoulade und anderen Zutaten lag, vibrierte.

>>>Ich komme Dich in einer halben Stunde abholen. LG Y<<<

Gehetzt legte Momoko das Gerät wieder aus den Händen und beschleunigte ihr Arbeitstempo.

„Auch das noch!“, stöhnte sie überfordert.

Wenigstens war sie jetzt wach und aufmerksam bei der Sache.
 

Pünktlich fuhr Yosuke auf dem Grundstück der Hanasakis ein. Der Rasen, über den er sein sportliches Fahrrad schob, war feucht vom frischen Tau. Am Himmel hinter ihm begann es allmählich zu dämmern. Er klopfte nervös an die Tür; es brannte kein Licht im Wohnzimmer.

»Hoffentlich hat sie es aus den Federn geschafft.«

Ein bisschen Sorgen machte er sich schon, denn auch ihm waren ihre regelmäßigen Verspätungen zum Unterricht in Erinnerung geblieben. Doch seine Angst war unbegründet, denn schon im nächsten Augenblick entzündete sich ein Licht im Wohnzimmer und er konnte hören, wie sie polternd die Treppe herunter eilte. Kurz danach öffnete Momoko auch schon, ganz außer Atem, die schwere Haustür.

„Du bist zu früh!“, begrüßte sie ihn gehetzt.

„Nein, ich bin pünktlich.“, entgegnete er schmunzelnd und hielt ihr dabei sein Smartphone vor die Nase, auf dessen Display es Punkt 4:00 Uhr morgens anzeigte.

„Wie kann man um diese Uhrzeit nur so widerlich gut gelaunt und schon wieder so fies sein?“, beschwerte sie sich halbherzig und ließ ihn herein.

Yosuke lachte.

„Ich bin doch gar nicht fies zu dir? Außerdem, guten Morgen erstmal.“

Momoko bemerkte ihre Unhöflichkeit erst jetzt. Ertappt schaute sie zu ihm auf.

„Oh, entschuldige. Guten Morgen.“, murmelte sie verlegen.

Mit einem belustigten Lächeln auf den Lippen, schüttelte er den Kopf und sah sich flüchtig um. Alles war besser als sie weiter anzustarren, wie sie da in einem leichten, pastellgelben Sommerkleid vor ihm stand und einfach hinreißend darin aussah. Ihr offenes, frisch geföhntes Haar, fiel über ihre entblößten Schultern und sie trug darin wieder ihr Markenzeichen; die beiden gelben Bänder.

„Bist du denn fertig?“, fragte er beiläufig klingend.

„Ja, ich muss nur noch meine Tasche mit den Sandwiches und die Kamera holen.“

Geschäftig lief sie an ihm vorbei. Eine sanfte Note Pfirsichshampoo wehte ihm um die Nase. Kurz gönnte er sich einen prüfenden Blick auf ihre Kehrseite. Das taillierte Kleid endete knapp unter ihren Knien, noch weiter unten umschlossen feminine Riemchen-Sandalen ihre Füße.

„Du solltest dir doch etwas Bequemes anziehen.“, kritisierte er ihre Aufmachung besorgt.

„Was?“, sie folgte seinem Blick auf ihre Schuhe. „Ach, wegen der Sandaletten? Die sind doch bequem! Es soll heiß werden heute, es ist schon leicht schwül draußen.“

„Ich hatte eigentlich an Shorts und Turnschuhe gedacht.“

„Tja, das hast du aber nicht eindeutig geschrieben.“

Neckend streckte sie ihm die Zunge raus. Resignierend zuckte Yosuke daraufhin mit den Schultern. Sie war eben unverbesserlich; wenigstens er hatte ein ärmelloses Shirt, eine sportlich legere Khaki-Hose und Turnschuhe an.
 

„Wohin soll es denn gehen?“, hakte sie neugierig nach, als sie sich eine hellgraue Strickjacke, die perfekt zu den taubenblauen und grauen Rosen auf ihrem Kleid passte, überwarf und die kleine Tasche mit ihrem Frühstück und dem Fotoaperrat schulterte.

„Lass dich überraschen. Ich möchte Dir einen ganz bestimmten Platz zeigen.“, verkündete er verheißungsvoll.

Er öffnete ihr höflich die Tür und sie trat nach draußen.

Dort geriet Momoko umgehend ins Stutzen, als sie Yosukes abgestelltes Fahrrad und daneben eine große, schwarze Gitarrentasche entdeckte.

„Okay… JETZT bin ich wirklich neugierig!“

Der Dunkelhaarige grinste verschwörerisch, hielt aber nicht inne.

„Alles zu seiner Zeit, wir müssen uns jetzt wirklich beeilen, sonst schaffen wir es nicht mehr rechtzeitig.“

Ein weiteres Fragezeichen stand in Momokos Miene geschrieben, aber da sie wusste, dass sie bei weiteren Nachfragen auch nur auf Granit beißen würde, ließ sie es gleich ganz.

Das aufregende Kribbeln, das von der Ungewissheit darüber, was sie wohl erwarten würde, hervorgerufen wurde, breitete sich wie ein Sturm in ihrem Körper aus. Davon beschwingt, lief sie zu ihrem eigenen Fahrrad, dessen Anblick ihr die gute Laune schlagartig wieder austrieb.

„Das gibt es doch nicht! Ich habe einen Platten!“

Yosuke schaute mit großen, ungläubigen Augen zu ihr und ihrem Vehikel hinüber, doch es gab keinen Zweifel. Die Felge des Vorderrades drückte den Mantel platt wie eine Flunder und das schon gut sichtbar, ohne dass man es zusätzlich belastete.

„Er ist kaputt, damit kann ich nicht fahren. Ich bräuchte erst einen neuen Schlauch.“

Verärgert schnaubte Momoko und gab dem Drahtesel einen halbherzigen Tritt in die Speichen. Yosuke hinter ihr schaute zum Himmel auf, der seine Farbe bereits von Dunkelblau zu Lila verändern begann.

„Dafür haben wir keine Zeit. Wir müssen jetzt los.“

Entschlossen schob er sein eigenes Fahrrad vor und reichte Momoko dann seine Gitarrentasche.

„Hier, nimm sie auf den Rücken. Ich nehme dafür deine Umhängetasche. Du fährst auf meinem Gepäckträger mit.“

Ein Paar verwirrter blauer Augen starrte auf das schwarze Transportstück.

„Keine Sorge, sie ist leicht.“

Momoko nahm sie am Gurt entgegen und stellte fest, dass er Recht behielt. Sie war viel leichter, als sie aussah.

Nachdem sie sie über ihren Kopf gezogen und sich auf den Rücken gedreht hatte, übergab sie dem Dunkelhaarigen ihre eigene Tasche, die er sich praktisch veranlagt einfach um den Hals hing.

„Steig auf, sonst schaffen wir es nicht mehr rechtzeitig und verpassen das Beste.“

Er schaffte es immer noch die junge Frau zu verblüffen; sein zuversichtliches Lächeln und seine gute Laune waren ungetrübt. Ermutigend schaute er sie aus seinen braungrünen Augen an, die wieder diesen warmen Glanz in sich trugen, der ihr Herz dazu brachte schneller zu schlagen.

Ohne weitere Umschweife setzte sie sich hinter ihn, zupfte unbeholfen ihren Rock in die ideal züchtige Position und bemängelte dabei gedanklich, wie unbequem so ein Gepäckträger war.

„Halt dich gut fest, ich fahre schnell“, warnte er vor und obwohl sie sein Gesicht nicht sehen konnte, meinte Momoko sein spitzbübisches Lächeln herauszuhören.

Etwas schüchtern schlang sie ihre Arme um seine Mitte, aber anstatt loszufahren, legte er seine Hand um ihre Linke und verstärkte ihre Umarmung.

„Fester.“, raunte er undefinierbar.

Das Blut schoss ihr automatisch in die Wangen. Dort, wo seine Hand ihre länger als nötig berührte, begann ihre Haut zu kribbeln.

„Okay.“, flüsterte Momoko kleinlaut zurück.

Ihre Sinne leisteten wie auf Knopfdruck Hochleistungsarbeit; Yosukes Geruch, auf den sie bis eben nicht mal geachtet hatte, war intensiver; sein Körper wärmer und sie nahm die festen Bauchmuskeln unter seinem Shirt ganz genau wahr.

»Himmel noch mal!«
 

Der eingefleischte Sportler fuhr wirklich schnell! Wie eine Maschine trat er in die Pedale und ließ Straße um Straße, Viertel um Viertel hinter sich.

„Du fährst zum Stadtrand?“, rief Momoko ihm nach einer Weile gegen den Wind zu.

„Erraten.“, antwortete er angestrengt.

Yosuke schlug dieselbe Straße ein, die sie und Takuro nahmen, wenn sie zu der Klinik fuhren, in der ihr Vater untergebracht war… sie führte bergauf in die Hügel, die diesseits der Stadt den Horizont säumten.

Mit der Steigung stieg auch der Kraftaufwand, den Momokos Chauffeur aufbringen musste, um sie Meter für Meter die Bergstraße hinauf zu bringen. Es dauerte nicht lange, da glänzten feine Schweißperlen in seinem Nacken. Dort, wo ihre Arme ihn umschlangen und ihr Körper an seinem lehnte, wurde sein Oberteil langsam klamm.

„Geht es? Kannst du noch?“, fragte seine langhaarige Beifahrerin besorgt.

„Ja, ja. Geht schon.“, schnaufte er.

Dass sie allmählich immer langsamer voran kamen, bestärkte seine Aussage nicht unbedingt.

„Bist du dir sicher?“

Yosuke schnaubte amüsiert über ihren anzweifelnden Tonfall.

„Na ja, du bist schwerer als ich dachte.“

„Waaa~s???“, stieß Momoko entrüstet aus.

Laut lachend warf der Dunkelhaarige seinen Kopf in den Nacken. Das Fahrrad geriet gefährlich ins Straucheln.

Hey! Schau gefälligst wohin du fährst, du Fiesling!“, schimpfte sie weiter beleidigt und gab ihm einen Klapps auf die Brust.

„Wenn du mich schlägst, baue ich erst recht einen Unfall!“, beschwerte er sich prustend.

Schlingernd kam das Fahrrad auf dem Radweg zum Stehen. Yosuke wischte sich den Schweiß von der Stirn und atmete erschöpft.

„Du bist also doch am Ende. Ist es denn noch weit?“

Der junge Mann schaute den Hügel hinauf und dann, wie schon einige Male zuvor, zum Himmel. Es dämmerte.

„Es ist noch ein kleines Stück, aber so langsam glaube ich, dass das eng wird.“

Seine entmutigte Stimme ließ Momoko ihren kleinen Pseudozwist vergessen. Sie folgte seinem Blick zu den Wolken und ahnte so langsam, was er ihr zeigen wollte.

Einen Augenblick später rutschte sie vom Gepäckträger, um eben diesen mit den Händen zu umfassen. Yosuke drehte sich verdutzt nach ihr um.

„Was machst du da?“

„Wonach sieht das denn aus? Du trittst, ich schiebe! Wenn es nicht mehr weit ist, dann schaffen wir das letzte Stück auch noch!“

Beeindruckt von ihrer Entschlossenheit, schmunzelte der Braunhaarige.

„Okay, aber wir tauschen – ich laufe schneller als du.“
 

Deutlich zügiger als zuvor, erklimmten sie den Hügel. Momoko legte ihr ganzes Gewicht in die Pedale und Yosuke rannte so schnell, wie er sonst nur einem Fußball nachjagte. Es war eine gute Idee gewesen, dass einer von ihnen schob.

Sie erreichten gerade den höchsten Punkt der Straße, bevor diese in einer Kurve, um den kleinen Berg herum, weiter verlief.

„Stopp!“, brüllte der Torwart, sodass Momoko sofort erschrocken die Bremsen drückte.

„Was ist?!“, hinterfragte sie verdattert.

Yosuke antwortete nicht, sondern diktierte sie mit eiligen Handbewegungen vom Sattel herunter, versteckte das Fahrrad anschließen hinter Büschen am Straßenrand und führte die junge Frau dann mit sich auf die andere Straßenseite. Ratlos folgte sie ihm und verstand erst, was er vor hatte, als er begann sich direkt querfeldein den Hügel hinauf zu bewegen.

»Ach deswegen wollte er, dass ich Turnschuhe und Hosen trage!«

Mit mulmigen Bauchgefühl sah sie seinen sportlichen Bewegungen zu und begann sich selber an Gestrüpp und Baumstämmen hochzuziehen.

„Du hättest mir sagen können, dass du eine Klettertour unternehmen willst.“, scherzte sie halbherzig und versuchte dabei nicht abzurutschen oder mit ihrem Kleid irgendwo hängen zu bleiben. Sie bedauerte seine Warnung, bezüglich ihrer Kleiderwahl, verspottet zu haben.

Yosukes Hand tauchte vor ihrem Gesicht auf. Die Blauäugige sah an ihr hinauf, bis sie in sein hilfsbereit lächelndes Gesicht schaute.

„Komm, ich helfe dir.“

Nicht ohne Herzklopfen und mit leichter Farbe auf den Wangen, nahm sie sein Angebot an. Ihre Hand in seiner, das war inzwischen eine vertraute Berührung, an die sie sich trotzdem nie ganz zu gewöhnen glaubte.

Der Fußballspieler erklomm zusammen mit der Hobbyfotografin die letzten Meter bis zur Spitze des Hügels. Überall waren Bäume und Sträucher um sie herum, in denen gut versteckte Vögel den jungen Morgen inzwischen zwitschernd und singend begrüßten.

Etwas am Rande gab es eine ganz kleine Lichtung. Gerade groß genug für den großen, alten, mit Moos bewachsenen Baumstamm, der dort einsam inmitten von Gras und kleinen Wildkräutern lag. Yosukes Griff um Momokos Finger wurde fester, während er sie zu diesem lauschigen Platz führte. Unwillkürlich beschleunigte sich ihr Puls davon; wenn er aufgeregt war, dann war sie es erst recht.

„Wir sind da, das wollte ich dir zeigen.“, verkündete er ehrfürchtig.

Seine Begleitung warf einen Blick auf die ihr dargebotene Aussicht.

„Wow…“, hauchte sie hingerissen.

Von hier aus konnte sie ihre ganze kleine Heimatstadt überblicken. Zusammen mit der Hügelkette um sie herum, die sich bis in den Horizont erstreckte.

„Wir sind gerade noch rechtzeitig hier angekommen.“, erklärte Yosuke leise, denn er wollte den Moment nicht zerstören.

Momoko musste nicht nachfragen, wovon er sprach. Dort im Osten tauchten die ersten, zaghaften Sonnenstrahlen des Tages die wenigen, feinen Wolken in tiefes Lila, in das sich rasch ein sattes Rot-Orange mischte.

Sprachlos und mit großen Augen, sog sie diesen Anblick in sich ein. Schon sooft hatte sie einen Sonnenuntergang beobachtet, doch noch nie einen Sonnenaufgang. Zumindest erinnerte sie sich nicht daran es je bewusst getan zu haben. Noch nie von so einem unberührten Ort aus; noch nie mit einer solchen Aussicht. Es war schön, wie die Zeit um sie herum stillzustehen schien und sie in andächtiger Stille diesen Anblick genießen konnten. Zusammen.

„Willst du keine Fotos machen?“

Aus ihrem Tagtraum geweckt, erblickte sie in Yosukes Händen ihre Kamera, an die sie bis zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr gedacht hatte. Dankbar nahm sie sie entgegen, nicht ohne ihm ein strahlendes Lächeln zu schenken und schraubte anschließend geübt die Blende ab. Sofort war sie in ihrem Element, stellte die richtigen Einstellungen für diese Szene ein und schoss drauf los.

Fast sekündlich entstand ein neues Bild, aus nur leicht veränderten Blickwinkeln, in ihrem Fotoapparat, denn beinahe genauso schnell veränderten sich die Farben am Himmel. Glühend rot tauchte die Sonne zwischen den Hügeln auf und warf einen intensiv goldgelben Streifen ans Firmament.

„Das ist so schön!“, schmachtete Momoko angetan von diesem Motiv.

Ihre Heimat aus Beton und Asphalt, eingerahmt von Bergen und Bäumen, getaucht in goldenes Licht – das war ein Bild wie gemalt. Ein Kunstwerk, wie es sicher nirgendwo ein 2. Mal zu finden war.

Es war ihr Bild… und Yosuke hatte es ihr geschenkt.


Nachwort zu diesem Kapitel:
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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Anne208
2016-02-14T21:10:19+00:00 14.02.2016 22:10
Wow... das ist ja so romantisch... sowas wünscht sich fast jede frau😄
Sowas tut man nur aus liebe!
Auch wenn sie beide es nicht wahr haben wollen!
Ich bin so gespannt aufs finale!
Von: abgemeldet
2016-02-13T20:51:58+00:00 13.02.2016 21:51
Cooles Date da hat yosuke sich mal angestrengt.sehr schön👏🏻👍🏻😜


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