Geflohener Werwolf trifft auf eigentlich kalten Vampir
Lost Angel
Kapitel 1 – Geflohener Werwolf trifft auf eigentlich kalten Vampir
Jesko’s PoV
Seit Jahrhunderten wurde meine Rasse von den Vampiren gequält und als Wachhunde
missbraucht. Mehr waren wir für sie nicht. Nur ein paar Straßenköter, die durch
die Nacht streunten. Ohne Ziel. Wohl einer der Gründe, wieso gerade wir für
diese Blutsauger benutzt worden waren um ihnen tagsüber Schutz zu bitten. Im
Gegensatz zu ihnen hatten die meisten von uns zu dieser Zeit auch nicht einmal
ihre Kraft. Genauso wie ich. Jeden Tag fühlte ich mich so schwach. So nutzlos.
Nur wenn endlich die Vollmondnächte kamen, wusste ich, dass ich etwas wert war.
Aber bis es wieder so weit war, musste ich eigentlich momentan noch mindestens
drei Tage warten. Doch ich wollte nicht mehr so lange warten. Endlich wollte ich
meine Freiheit. Ich wollte nicht mehr in Knechtschaft leben.
Ich hetzte seit Sonnenaufgang durch den Wald und das war mehr als 10 Stunden
her. Es wurde sogar schon wieder dunkel. Die Sonne war schon nur noch ein
kleiner Streifen am Horizont. Weit war ich trotzdem nicht gekommen. Sie würden
mich einholen. Schwer war das auch nicht. Vampire waren leider nicht die
langsamsten. Anders als ich. Mit meinen Kräften war ich eigentlich schon längst
am Ende. Kurz vor dem Zusammenbruch. Nicht mehr lange und ich würde einfach
zusammen sacken.
Ich lehnte mich an einen Baum. Rutschte daran auf den Boden. Mein Atem raste nur
noch. Brachte ihn nicht mehr unter Kontrolle. Ich brauchte eine Pause. Dabei
hatte ich dafür gar keine Zeit. Aber die Erschöpfung zwang mich dazu. Mein
Körper machte einfach nicht mehr mit. Sträubte sich gegen jeden weiteren
Schritt. Mir verschwamm für einen Moment die Sicht. Presste die Augen zusammen
und schüttelte leicht den Kopf. Es war doch eigentlich nur eine ganz dumme
Wette. Ich hätte die Schnauze halten sollen, als mich Laurin dazu angestachelt
hatte, dass ich doch nie weg kommen würde. Dann müsste ich zwar für immer diesen
Blutsaugern dienen, aber wäre wohl dem Tod nicht so nahe, wie jetzt. Sterben war
nicht das, was ich wollte. Ich wollte doch nur frei sein. Für immer.
Ich hob den Kopf. Da sah ich sie. Eine Gestalt. Nur ein paar Meter vor mir stand
sie mitten im Wald. Blickte sich um. Ich spürte, wie mein Herz für einen Moment
aussetzte. Wusste sofort, wer das war. Der Sohn meines Herrn. Sein blondes Haar
war einfach zu auffällig. Selbst in der Dunkelheit strahlten sie scheinbar. Und
das war wohl noch das gewöhnlichste daran. Eigentlich hatten sie alle dunkle
Haare. Nur seine hatten diese seltsame Farbe. Fast weiß.
Ein leicht aufkommender, kalter Wind zwangen ihn dazu die Hand vors Gesicht zu
heben. Seine langen Fingernägel ließen mich erschaudern. Damit konnte er wohl so
einiges aufschlitzen. Und wenn sie im Fleisch steckten, musste es wohl auch
höllisch wehtun. Und zu spüren wollte ich sie auch nicht bekommen.
Ich versuchte mich klein zu machen. Weglaufen konnte ich sowieso nicht mehr.
Vielleicht würde er mich so gar nicht sehen. Zwar ungewöhnlich, aber hoffen
konnte ich es zumindest einmal.
Ich schluckte, als sein Blick auch in meine Richtung wanderte. Das könnte mein
Ende sein. Wenn er mich nur sehen würde. Ich würde einpacken können. Er würde
mich umbringen. Ohne zu zögern. Eiskalt war er. Schon einige Male hatte ich
gesehen, wie er ohne Grund einen von uns getötet hatte. Und jetzt hätte er sogar
einen Grund.
Er sah mich direkt an. Kam aber keinen Schritt näher. „Wölfchen!“, rief er.
Seine Augen zog er zu Schlitzen zusammen. „Komm her!“, fügte er noch hinzu. Doch
ich bewegte mich nicht. Konnte nicht. Der Schock saß noch zu tief. Und die Kraft
hatte ich zudem auch nicht. Jedoch spürte ich da schon eine Sekunde später seine
kalten Finger an meinem Hals – Vampire waren eben schnell. Er drückte zu. Vor
Schmerz ächzte ich. Bekam kaum Luft.
„Wolltest du etwa weglaufen?“, fragte er. War meinem Gesicht schrecklich nahe
gekommen. Unsere Nasenspitzen berührten sich schon fast. Krampfhaft versuchte
ich den Kopf zu schütteln. Flüsterte dann trotzdem mit zitternder Stimme:
„Nein.“ Mehr brachte ich nicht zu Stande. Ich war zu ausgepowert.
„Das hat aber nicht so ausgesehen, Wölfchen.“ Er zog mich hoch. Drückte mich
gegen den Baum. Ich versuchte mich nicht zu wehren. Auch wenn er den Druck auf
meine Kehle nur noch erhöhte. „Sterben willst du wohl nicht“, hauchte er mir ins
Ohr. Ich wimmerte. Etwas was ich nicht oft tat. Aber es war jetzt wohl
angebracht. Vielleicht würde er mich dann wieder los und sogar am Leben lassen.
„Hast du ihn, Jemil?“, hörte ich jemanden rufen. Oder bildete ich mir das nur
ein. Ich war schon kurz vor der Bewusstlosigkeit. Luftmangel und Erschöpfung
waren einfach zu viel für mich. Und vor allem für meinen Körper. „Ja“, erwiderte
der Blonde. Ließ meinen Hals endlich wieder los. Ich rutschte wieder auf die
Erde. Atmete zwei oder drei Mal tief durch. Luft brauchte ich jetzt.
Schon im nächsten Moment wurde ich wieder hochgezogen. „Komm, Missgeburt!“,
knurrte Jemil. Packte mich am Handgelenk und schlief mich hinter sich her.
Zerquetschte mir fast die Hand. Ich biss aber die Zähne zusammen. Winseln würde
ich nicht anfangen.
„Hey, Jemil, da hast du ihn doch schon!“ Ein dunkelhaariger Junge grinste meinen
Fänger an. „Ja, ja, Joe. War auch nicht schwer!“ Jemil gab mir einen Stoß durch
den ich auf den Knien vor ihm landete. „Halsband!“ Der Dunkelhaarige sprang wie
ein junges Reh um uns herum. Der Irre und der Eiskalte. Ein lustiges Pärchen.
Sterben wäre jetzt wohl recht schön gewesen. Am besten von Mr. Eisblick
umgebracht werden und von Scherzkeks dann auch noch ausgesaugt. Bis auf den
letzen Tropfen Blut. Das musste ein Tod sein.
Ich spürte etwas Ledernes an meinem Hals. Wurde auch gleich wieder hochgezogen.
Toll, auch noch an die Leine hatten sie mich gelegt. Wie eben ein Hund. „Bringen
wir das Hündchen wieder heim?“, fragte Joe. Blickte denn anderen mit große,
fragende Augen an. „Nicht so“, erwiderte der nur knapp. „Ausziehen, Köter!“,
fauchte er mich an. Das war doch nicht sein ernst. Es war Ende November -
gelegentlich schneite es sogar leicht - da würde ich es mir zwei Mal überlegen,
ob ich ohne Klamotten herum lief.
„Hörst du nicht?“ Er schlug mir mit der flachen Hand ins Gesicht. Ich torkelte
einen Schritt zurück. Sah langsam in seine braunen Augen, die mich nur böse
anfunkelten. Jemil trat einen Schritt auf mich zu. Legte selbst Hand an meinen
Sachen an. Oder zumindest fummelte er meinen Gürtel auf. Ich schluckte. „Ich
mach doch schon“, meinte ich knapp und setzte seine Arbeit selbst fort.
„Unterwäsche kannst du anlassen, uns soll nicht schlecht werden!“, zischte
Jemil, als ich mir auch noch meine Boxershorts ausziehen wollte. Obwohl ich
schon lange etwas zitterte. „Äh, Jemil, das ist schon etwas fies.“ Joe zog eine
Augenbraue hoch. Blickte mich prüfend an. „Ist es dein Problem, wenn er sich was
abfriert?“ Der Blonde schritt an seinem Kumpel vorbei. Zog mich an meiner Leine
hinter sich her. Blieb aber schon nach einigen Metern wieder stehen.
„Du gehst mit uns nicht auf einem Weg, Köter!“ Mit etwas Schwung zog er mich in
die Büsche. Die Äste kratzten an mir. Rieben mir Schrammen in die Haut. „Wenn er
uns abkratzt, killt dich dein Vater. Das ist dir schon bewusst?“, fragte Joe.
Sah etwas nervös zu mir, wie ich mich wieder versuchte hoch zu kämpfen. War
gestolpert. Jetzt tat mir erst recht alles weh. Blut lief mir etwas über den
Körper. Überall. Zwar nur etwas, aber in meiner Verfassung würde es wohl schon
reichen.
„Ist doch scheiß egal. Soll das Hündchen eben abkratzen.“ Ich wurde hinter ihnen
hergezogen. Lief kaum. Mehr kroch ich. Die ganze Strecke, die ich heute gelaufen
war, wieder zurück. Gefangen von diesen zwei Vampiren. Nur weil ich vor
Erschöpfung nicht mehr weiter gekommen war. Ich hatte doch im Moment ziemliches
Pech. Obwohl. Eigentlich war es Glück. Ich lebte noch. Zwar wieder nicht frei.
Aber am Leben. Etwas Gutes.
Es mussten Stunden vergangen sein, als ich dieses riesige Schloss wieder vor mir
sah. Das sich Vampire an Klischees hielten war doch irgendwie nett. Blutsauger
in Spuckschlössern. Zumindest vielen die gelegentlichen an der Decke hängenden
Fledermäuse so nicht auf. Auch wenn sie verdammt nervten, wenn sie einem um den
Kopf flogen.
„Wieder zu Hause“, meinte Joe, als ich wieder aus den Büschen gezogen wurde. Ich
sackte sofort zusammen. Blieb auf dem Rasen liegen. Wie mit der Nagelschere
geschnitten. Und das war er auch. Von einigen Werwölfinnen. Erst vor ein paar
Tagen wieder.
Mein Atem war nur noch ein Röcheln. Ich wollte schlafen. Mich nur nicht mehr
bewegen. Etwas ausruhen. Aber damit würde ich erst einmal Pech haben. Ich spürte
einen Tritt in die Seite. „Hoch mit dir!“, fauchte Jemil. Ich versuchte sogar
wirklich wieder aufzustehen, aber meine Glieder wollten nicht. Ich hatte keine
Kraft mehr. Blieb nur auf den Knien sitzen. Wurde aber auch gleich am Hals hoch
gerissen. Ich schrie auf. „Winsle nicht rum, sondern komm mit!“ Seine kalte
Stimme ließ mich erschaudern. Wie konnte man nur so unglaublich kalt sein.
Ich torkelte hinter ihm her. War immer wieder der Gefahr ausgesetzt, wieder
zusammen zu brechen. „Warte doch“, flehte ich, als ich hinter Jemil durch die
Gänge lief. Abrupt blieb er stehen. „Halt die Fresse“, fauchte er. Warf mir nur
einen knappen, kalten Blick zu. Zerrte mich wieder hinter sich her. Bog direkt
in die Gänge seiner Zimmer. Er hatte mehrere. Je nachdem wie er sich fühlte,
benutzte er eins. Vor der ersten Tür hockte ein Junge. Sah langsam zu mir
auf. „Darf ich diese Idioten etwas sagen?“, fragte er. Wirkte eingeschüchtert.
„Wenn es sein muss.“ Genervt sah Jemil zu mir.
„Du bist so etwas von einem verfluchten Vollidioten! Das du nicht weit kommst,
war wohl klar!“, knurrte der am Boden sitzende mich an. Ich kannte ihn
natürlich. Eigentlich war er einer meiner besten Freunde. Marek. Ich antwortete
nicht. Es war mir ohnehin nicht erlaubt. „War es das?“, maulte Jemil. Der andere
Werwolf nickte. Warf mir noch einen durchdringenden Blick zu.
Nur eine Minute später hockte ich auf dem Boden in einem der Zimmer. Hatte immer
noch nicht mehr als meine Boxershorts an. Mir wurde schwindelig. Schwankte
leicht hin und her. „Ein Bad wäre wohl gut für dich.“ Ich sah auf. Jemil stand
direkt vor mir. Beugte sich zu mir herunter. Von seinem Vater aus, durfte er das
gar nicht. Er durfte nicht mit uns Werwölfen auf Augenhöhe sein oder sich auch
nur vor uns bücken. Und wieso war er eigentlich plötzlich so nett? Nicht gerade
normal für einen solchen Blutsauger.
Ich kam langsam wieder hoch. Schwankte. „Bis ins Badezimmer wirst du wohl noch
kommen.“ Er wies mit dem Kopf zu einer schneeweißen Tür. Ich nickte schließlich
langsam. Torkelte auf die Tür zu und drückte die goldene Klinke hinunter.
Dahinter war wirklich eine Badewanne. Sogar Wasser war schon eingelassen. Ich
ging darauf zu. Hielt einen Finger in das Nass. Es war angenehm warm. Kurz sah
ich mich noch mal um. Zog mir nach kurzem Zögern die Shorts aus.
Kurz darauf lag ich in dem warmen Wasser. Eigentlich durften wir Werwölfe uns
nur im kalten Putzwasser waschen. Wenn überhaupt. So war ich es gar nicht
gewohnt. So schön gemütlich. Ich wäre sogar beinahe eingeschlafen. Die
Nasenspitze hatte ich schon unter Wasser.
Den Kopf schüttelnd spuckte ich das Wasser aus, das ich in den Mund bekommen
hatte. Es war zwar nicht kalt, schmeckte aber scheußlich.
Nach diesem entspannenden Bad hatte ich sogar wieder etwas Kraft sammeln können.
Zumindest ein bisschen. Ganz so fertig war ich zumindest nicht mehr. Doch eine
Mütze Schlaf wäre mir doch ganz lieb.
Trocken und meine Shorts und frischen Sachen, die auf einem kleinen Hocker
gelegen hatten, am Körper kam ich wieder zu Jemil oder zumindest in das Zimmer
in dem er zuvor noch war. Ich schluckte. Er war nicht mehr da. Und ich sollte
wohl nicht weggehen. Aber hier alleine bleiben wollte ich auch nicht. Wenn mich
ein anderer Vampir erwischte, war ich tot. Obwohl ich dem Väterchen Tod heute
schon viel zu nahe gekommen war, hatte ich davor Angst.
Trotzdem sank ich aufs Bett. Rollte mich auf die Seite. Bin in Sekunden war ich
auch schon eingeschlafen und ihn leicht unruhige Träume versunken.
Sei mein Lustknabe
Lost Angel
Kapitel 2 – Sei mein Lustknabe
Jemil’s PoV
Ich war nur kurz weg um etwas zum Essen zu holen. Das Wölfchen hatte hungrig
ausgesehen. Er war aber auch schon den ganzen Tag unterwegs und ich war auf dem
Rückweg ganz schön brutal zu ihm gewesen. Ihn fast nackt durch den Wald zu jagen
hätte ich wohl nicht gerade tun sollen. Er war völlig fertig. Etwas länger und
er wäre wohl bewusstlos zusammen gebrochen. Aber trotzdem hatte er es irgendwie
halbwegs überstanden.
Ich kam wieder in das Zimmer in dessen Bad er gebadet hatte. Ein Lächeln huschte
über meine Lippen, als ich ihn auf dem Bett liegen sah. Eigentlich sollte ich
meinen Ruf alle Ehre machen und ihn wieder auf den Boden bugsieren. Da wäre er
als Werwolf sowieso besser aufgehoben. Aber ich konnte nicht. Er schlief so
friedlich. Aber das auch noch in der Nacht. So etwas könnte ich schon lange
nicht mehr. Konnte ich eigentlich noch nie. Früher vielleicht, als meine
Vampirfähigkeiten noch nicht aktiv geworden sind. Aber daran erinnerte ich mich
kaum. Ich war noch klein gewesen, als ich aufgehört hatte unter der Sonne zu
leben. Obwohl ich richtig gelebt noch nie hatte. Als geborener Vampir war das
eben unmöglich.
Ich setzte mich auf die Bettkante. Beugte mich zu ihm. An seinem Hals rieb ich
meine Eckzähne. Wie gerne hätte ich jetzt zugebissen, wenn ich nicht gewusst
hätte, dass es ihn, als Werwolf, umbrachte. Aber es fühlte sich für einen Moment
gut an, die Zähne wieder auf warmer Haut zu haben. Ich spürte sogar ganz leicht,
wie das Blut in den Adern darunter floss. Diese wunderbare Flüssigkeit. Dabei
mochte ich es gar nicht so gerne, einfach jemanden so umzubringen. Eigentlich
tötete ich nur ungern jemanden im Schlaf. Gerade, wenn ich ihn noch gebrauchen
konnte.
„Auf wachen, Köter. Futter ist da!“, flüsterte ich ihm ins Ohr. Er drehte sich
auf die andere Seite. „Noch 5 Minuten, Mum“, murmelte er ihm Schlaf. Ich zog
eine Augenbraue hoch. „Mum?“, wiederholte ich leise. Er glaubte doch nicht, dass
ich seine Mutter war. Wirklich … witzig. Beinahe schon putzig. Zauberte sogar
ein Lächeln auf mein Gesicht. Das kleine Hündchen war wirklich goldig.
Fast sanft gab ich ihm einen Stoß. „Deine Mutter liegt im Garten … tot und wird
gerade vergraben. Soll dann als Dünger für die Rosensträucher genutzt werden“,
meinte ich. Er schreckte hoch. Blickte mich erschrocken an, was ich nur mit
einem kühlen Blick erwiderte. Für solche Emotionen hatte ich nicht viel übrig.
Liebe den Eltern gegenüber war sinnlos. Für mich.
„Wa… Was?“, fragte er stotternd. „War nur ein Witz.“ Ich warf ihm eine Semmel in
den Schoss. Und er ließ sie dort liegen. Wagte er nicht sie zu nehmen. „Kannst
du schon essen.“ Ich nahm mir eine der Blutkonserven, die ich mir selbst
mitgebracht hatte. Anders mochte ich Blut nicht wirklich. Nur gelegentlich.
Eigentlich hasse ich es Menschen zu töten. Obwohl ihr roter Lebenssaft manchmal
wirklich gut schmeckte. Aber andauernd war er nichts für mich. So frisch aus dem
Hals gesaugt.
Ich riss die Konserve mit den Zähnen auf. Ließ das rote Zeug in meine Kehle
fließen. Wie gebannt sah der dunkelhaarige Werwolf mir dabei zu. Ich blickte
einen Moment wie in Trance an die Decke. Das fühlte sich so gut an, wenn es mir
in den Magen hinunter lief. Mir neue Kraft gab. Sogar richtig schnell. Zumindest
war Blut dafür gut. Sterben wollte ich an der Tatsache nicht, dass ich es nicht
trank. Vielen Menschen, die gebissen worden sind und dann zu Vampiren wurden,
ist es so ergangen. Sie konnten einfach nicht trinken. Aber in der modernen Zeit
gab es zum Glück so etwas wie Blutkonserven. Man musste sie nur stehlen. Zwar
auch nicht um viel schöner, aber meine Familie hatte genug Sklaven – also
Werwölfe – die diese dreckige Arbeit übernahm.
„Noch nie einem Vampir dabei zugesehen?“, fragte ich schließlich, als ich mich
wieder ihm zuwendete. Er schüttelte langsam den Kopf. Sah etwas geschockt aus.
Er war nicht gerade die Unschuld vom Lande. Auch wenn er gerade so wirkte. Ein
Werwolf wie er im Buche stand war er. Bei Vollmond hatte er eigentlich schon oft
genug versucht abzuhauen. Aber immer ist er eingefangen worden und jetzt hat er
es einmal am Tag probiert. Die einzige Zeit in der wir ihn eigentlich nicht
verfolgen konnten. Nur hatte er die falsche Zeit im Monat gewählt. Drei Nächte
später und er wäre durch gekommen. Hätte wohl sogar den Vollmond noch gesehen.
Dann hätte er es sicherlich geschafft. Aber scheinbar hatte er es nicht mehr
ausgehalten. Hatte nach dem gestrebt, was sie eigentlich alle wollten. Freiheit.
Nur das. Sie wollte frei sein und uns nicht mehr dienen müssen. Aber das würde
gerade für ihn so bald nicht mehr in Frage kommen. Nicht solange es mich gab.
Ich beugte mich zu ihm. „Als Lustknabe wärst du wirklich gut geeignet.“ Seine
Augen weiteten sich. Er war sich wohl nicht ganz sicher, ob er sich nicht
verhört hatte. „Du hast mich schon verstanden.“ Ich grinste breit bei seinem
verschreckten Gesichtsausdruck. „Weißt du eigentlich wie schwer es ist hier ein
Mädchen zu finden, dass mit einem schlafen will?“ Er begann sofort den Kopf zu
schütteln, als ich das sagte. „Verdammt schwer“, setzte ich meinen Monolog
fort, „und zudem sind die Girls auch wirklich nervig. Immer nur wollen sie
gebissen werden. Egal ob schon Vampir oder nicht. Sex ist dann meist auch nicht
drin. Richtig lästig.“ Er schluckte bei meinen Worten. Kroch ein Stück zurück,
bevor ich ihn am Handgelenk festhielt. „Also bin ich gerade dabei mich
umzustellen. Auf mein eigenes Geschlecht!“ Bei dem letzten, was ich sagte, war
ihm der Schock Wort wörtlich ins Gesicht geschrieben. Ich sah wohl nicht wie
jemand aus, der auf Kerle stand. Aber ich stellte mich auch erst um. Und er
durfte oder musste mir dabei helfen.
„Äh, und was habe ich damit zu tun?“, fragte er. Hatte den Blick auf die
Bettdecke gerichtet. „Du dürftest als Erster“, ich machte eine kurze
Pause, „aber erwarte nicht, dass ich dich besser, als die anderen von deiner …
Rasse behandle. Du bist für mich nichts anderes als ein Spielzeug … ein
Sexspielzeug.“ Das letzte Wort hauchte ich ihm nur noch ins Ohr. Er schluckte.
Es würde ihm nicht gerade einen Vorteil einbringen, wenn er machte, was ich
gerade von ihm wollte. Aber vielleicht war er zumindest so abhängig nach
diesem ‚Spiel’, wie ich und fand auch niemanden mit dem er schlafen konnte.
Ich überlegte kurz. Wenn er aber nicht so war wie ich, dann würde ihn das wohl
nicht überzeugen können. Und es kam mir gerade auch so vor, als würde es so
sein. Zumindest nach seinen Gesichtsausdruck zu urteilen. Da fiel mein Blick
aber auf das Brötchen, dass immer noch in seinem Schoss lag. Er hatte es nicht
angerührt. Hatte es nicht gewagt ohne meine Erlaubnis zu essen, dabei hatte ich
sie ihm doch gegeben. Er durfte essen. Aber dennoch hatte er es einfach nicht
getan.
Ich nahm also das, was ich ihm eigentlich als Essen angeboten hatte. „Du kriegst
auch immer etwas zum Futtern. Sogar etwas vom richtigen und nicht das, was ihr
Straßenköter sonst immer bekommt. Kann ich dich damit überzeugen?“ Er sah auf.
Hatte ein gewisses Strahlen in den Augen. Das wirkte wohl. Sogar ziemlich gut.
„Wenn das dein Ernst ist, dann kannst du mit mir machen, was du willst.“ Etwas
hoch gegriffen für einen Sklaven, wie ihn, der nicht mehr, als sein Leben hatte.
Aber wenn er so leicht zustimmte, war es nur gut für mich. Musste ich ihn
zumindest nicht dazu zwingen. Oder sogar quälen, obwohl das auch einmal wieder
schön wäre. Ein schreiender und um sein Leben bettelnder Werwolf. Das Schönste,
was es eigentlich auf diesem Planeten gab.
Mein Blick wanderte an ihm herunter. „Du bekommst immer etwas Gutes.“ Ich kroch
ein Stück weiter zu ihm. Eine Hand legte ich auf seinen Schritt, die andere
neben seine Oberschenkel. Er zuckte zusammen. Deutlich spürte ich die plötzliche
Erektion unter meinen Fingern. „Du gehörst wohl zu der schnellen Sorte“,
kicherte ich. Dass er so leicht erregbar war, hätte ich nicht gedacht.
Eigentlich dachte ich immer, dieses … Monster könnten ihre Lust unterdrücken.
Aber damit konnte ich wohl meine Meinung darüber ändern.
„Ich … ich bin es nur nicht gewohnt.“ Verlegen sah er weg. Er schämte sich wohl
dafür. Das wirkte aber irgendwie sogar süß. Sollte er zu meinem süßen, kleine
Hündchen werden und mich lecken. Für den Anfang wohl sogar, wo er wollte. Das
könnte ich mir aber noch überlegen.
Ich betete meine Lippen auf seinen Hals. Er kniff die Augen zusammen. Das würde
wohl doch nichts für ihn werden. Wenn er bei jeder meiner Berührungen so
zusammen zuckte, wie jetzt gerade. „Verträgst du das nicht?“, fragte ich. Als
Antwort bekam ich zuerst nichts. Bis er dann schließlich doch langsam nickte.
Ich seufzte. „Dann muss ich dich daran wohl erst gewöhnen, Hündchen.“ Ich setze
mich auf seinen Schoss. Verwirrt blickte er mir direkt in die Augen. Seine waren
sogar richtig dunkel. Fast schon schwarz. Aber wohl eher nur ein extrem dunkles
Braun.
Er schluckte. „Ich habe einen Namen“, flüsterte er. Ich zog eine Augenbraue
hoch. „Und der wäre?“ Wie unsere Werwölfe hießen, wusste ich nicht. Es hatte
mich auch noch nie wirklich interessiert. „Jesko“, erwiderte er leise. Richtete
seinen Blick wieder nach unten. „Ok, Jesko, wie hättest du es denn gerne, dass
wir miteinander ficken?“ Sofort blickte er wieder zu mir. Verwirrt. „Ich … äh …
ich kenne mich damit eigentlich nicht so aus.“ Er sah wieder weg. Unerfahren
wohl auch noch. Einen Moment lang dachte ich nach. Sah schließlich zum
Fenster. „Fuck“, knurrte ich, „wir verschieben das auf morgen Nacht!“
Am Horizont entstand schon ein leichter roter Schimmer. Die Sonne ging auf.
Hysterisch sprang ich auf und zog die Vorhänge zu. Er würde es vielleicht
vertragen, aber ich nicht. Kläglich würde ich unter dem Tageslicht sterben.
Nicht gerade angenehm. Man hörte auch nicht gerade oft, dass sich ein Vampir
freiwillig dem Sonnenlicht aussetze und ich wollte nicht unbedingt zu der
Minderheit gehören, die das tat. Zumindest heute noch nicht. Etwas hing ich noch
an dem, was manche von uns als Leben bezeichneten.
„Ok“, meinte Jesko. Er hatte wohl erst jetzt meine Aussage richtig realisiert.
Ich wendete mich wieder zu ihm. Er hatte den Kopf weggedreht. Traute er sich
nicht einmal mich anzusehen. Werwölfe waren wirklich komisch. Sie hassten uns
Vampire, gehorchten uns aber dennoch aufs Wort. Dabei hatten manche die Macht
einen von meiner Art einfach umzubringen. Sie konnten nämlich, wenn sie alt
genug waren, jeder Zeit ihre Wolfsform annehmen. Er gehörte aber zum Glück nicht
dazu. Egal wie kräftig er aussah.
Ich setzte mich wieder zu ihm. „Du darfst mich schon ansehen.“ Ich gähnte
herzhaft. War eine ziemlich lange Nacht für mich. Ohne darauf zu warten, dass
das Wölfchen noch etwas sagte, legte ich mich ins Bett. Rollte mich zusammen.
Konnte aber irgendwie neben ihm nicht schlafen. Ich hob leicht ein Lid. Sah
direkt in seine Augen. Er hatte sich neben mich gelegt und war mir beängstigend
Nahe gekommen. Zumindest mit seinem Gesicht. Er würde mich doch nicht beißen
wollen. Werwolfszähle waren fast schon scharf wie die meinen. Eigentlich war der
einzige Unterschied unserer Gebisse, dass sie mehr Kraft darin hatten. Zumindest
in dieser Tierform, die sie annehmen konnten.
„Es stört euch doch nicht, Meister, wenn ich mich zu euch lege?“, fragte er.
Fast wie ein williger Sklave, der jeder Zeit mit mir Sex haben würde. Ich
nickte. Neben mir liegen schon, er sollte mir aber bloß nicht zu nahe kommen,
sonst würde ich ihm wohl meine Klauen ins Fleisch jagen. Dann wäre mir auch egal
sein, was mit ihm war. Lustknabe hin oder her. Er dürfte sterben. Und dann würde
ich mir auch keine Vorwürfe machen. Er war eh nur ein Werwolf. Ein Sklave. Und
jetzt sogar mein Sklave. Mein eigener. Der alles für mich tun würde. So wie es
mir zumindest vorkam.
Lange konnte ich nicht wirklich darüber nachdenken. Ich wurde müde. Schlief
irgendwann ein. Das, das alles hier ein Fehler war, würde ich wohl erst viel
später mitbekommen.
Sag nicht 'du' zu mir!
Lost Angel
Kapitel 3 – Sag nicht ‚du’ zu mir!
Jesko’s PoV
Ich hatte es nicht bemerkt, wie ich mich an ihn gekuschelt hatte. Wusste auch
nicht, ob ich es überhaupt durfte. Aber sein Körper war so angenehm. Sogar ganz
leicht warm. Zwar nicht so, wie der meine, aber zumindest etwas. Gerade deswegen
hatte ich fast die ganze Zeit nicht geschlafen. Wie konnte er überhaupt warm
sein? Er war doch eigentlich so etwas wie tot. Zumindest untot. Eben ein Vampir.
Der andere Grund war das leichte Licht, dass ins Zimmer fiel. Wenn er davon
berührt würde, dann hätte er sich verbrannt. Sonnenlicht war für Vampire wie
Feuer. Vielleicht sogar etwas schlimmer. Als guter Sklave musste ich ihn
eigentlich davor schützen. Und für mein Essen würde ich das auch tun. Wegen
etwas anderem tat ich es gar nicht. Klang zwar etwas egoistisch, aber das war
nicht nur ich, sondern er wohl auch. Sonst hätte er bei seinem kleinen Vorschlag
nicht zuerst nur seine Vorteile angesprochen und dann erst die Tatsache, dass er
mir etwas zum Futtern organisieren wollte. Etwas Anständiges. Und nicht den
Fraß, denn ich – wie meine Verwandten – sonst immer vorgesetzt bekam.
Stunde um Stunde verging. Bis die Sonne endlich die Ostseite des Hauses mehr
oder weniger verlassen hatte. Es musste schon gut Mittag sein. Mein Magen
knurrte. Hunger, nur noch der schwirrte in meinem Kopf herum. Wenn ich
geschlafen hätte, dann wäre es möglicherweise nicht so schlimm gewesen. Aber ich
war nicht der Typ, der das tagsüber wirklich konnte. Ein paar Stunden, wenn es
gut kam, aber sicherlich nicht so lange wie er. Schon die ganze Zeit schlief er.
Seit er sich neben mich gelegt hatte. Und er hatte auch keine Sekunde mehr auch
nur ein Lid gehoben.
Ich wurde unruhig. Etwas von dem, was er mitgebracht hatte wäre schon noch da,
aber ob ich es essen durfte, konnte ich nur ahnen. Sicher war ich mir nicht. Und
Schläge wollte ich dafür auch nicht einstecken. Ich hätte ihn wecken und fragen
können. Wenn er aber deswegen wütend geworden wäre, hätte das in dem gleichen
geendet, als wenn ich mir unerlaubt etwas genommen hätte.
Was sollte ich denn nur tun. Mit dem Essen vor der Nase wollte ich nicht
hungern. Ihn aber wütende machen, war auch nicht in meinem Sinne. Am Ende würde
er sich für sein kleines Spiel jemanden anderen suchen, der dann mein Futter
bekam. Am Ende noch Marek. Aber dann müsste er schon an Geschmacksverirrung
leiden.
Irgendwann hielt ich es dann einfach nicht mehr aus. Löste die Umarmung um ihn.
Versuchte ihn nicht zu wecken. Sein Atem war ganz regelmäßig. Aber halt! Atem
schon wieder? Er war ein Vampir. Ein Untoter. Die atmeten doch normalerweise
nicht mehr? Oder irrte ich mich da?
Ich wollte darüber im Moment nicht mehr nachdenken. Zu sehr packte mich die Lust
zum Essen. Wie ein tollwütiges Tier stürzte ich mich auf das leckere Essen. Nur
die Blutkonserven ließ ich aus. Das war wohl sein ‚Frühstück’. Ich ekelte mich
davor, was diese Blutsauger tranken. Auch wenn einige von meiner Rasse auch
Menschen zerrissen und sie auffraßen. Dabei unweigerlich ihr Blut mit tranken.
Aber nicht jeder war eben gleich. Ich konnte das nicht ertragen. Als unnormal
hatten mich deswegen schon einige bezeichnet. Doch was kannte ich denn dafür.
Mich packte eben der Würgreiz, wenn ich auch nur Blut fließen sah.
Ich sah auf, als ich regelrecht spürte, dass sich die Bettdecke hinter mir
bewegte. Schluckte den letzten Bissen hinunter. Langsam wendete ich mich um. Der
blonde Vampir funkelte mich an. Ich hatte wohl wirklich nicht essen dürfen. Wie
von Sinnen verbeugte ich mich vor ihm.
„Hast du gefragt, ob du darfst?“, fragte er. Ich schüttelte langsam den Kopf.
Wagte es aber nicht ihn auch nur annähernd zu heben. Viel zu viel Angst hatte
ich. „Dann sollte ich dich bestrafen!“ Ich kniff die Augen zusammen, als er das
sagte. Doch da wurde ich schon am Kragen hoch gezogen. „Du wirst mit ins Bad
kommen!“, befahl er und wie ein anständiges Hündchen folgte ich ihm auch dort
hin.
Er sah sich in dem Raum um. Überlegte er, was er mit mir anstellen wollte? Da
wendete er sich aber schon wieder zu mir. „Komm her!“ Ich tapste zu ihm. Blieb
einen halben Meter vor ihm stehen. „Ausziehen!“ Wie befohlen zog ich das aus,
was ich gestern noch von ihm bekommen hatte, bis auf die Shorts. Wie am Tag
zuvor. Ich wartete was noch kommen würde. Sah nach Minuten trotzdem langsam auf.
Er hatte es mir gleich getan und sich von seinen Kleidern befreit. Nur noch
etwas weiter als ich. Kam nackt auf mich zu. Ich zuckte zusammen, als er meine
Hand nahm. Sie über sein Glied führte. „Setzten wir das fort, zudem wir gestern
nicht mehr gekommen sind.“ Ich schluckte. So bald hatte ich das gar nicht
erwartet.
Beinahe schon zärtlich entledigte er mich meiner Boxershorts. Küsste dabei
meinen Oberkörper. Sollte das jetzt liebevoll sein? So recht wusste ich nicht,
was ich jetzt tun sollte. Ich hatte noch nie. War noch eine elende Jungfrau.
Oder vielleicht edle?
„Komm schon, Jeskolein! Verwöhn mich!“, befahl er. Schmiegte seinen Körper an
den meinen. Zitternd legte ich meine Hände auf seinen schmalen Rücken. Fuhr
daran hinunter. Bis zu seinem Arsch. Weiter konnte ich nicht. Traute mich
einfach nicht. Ich wollte nichts tun, was ich nicht durfte. „Weiter“, zischte
er. Was ich schließlich auch tat. Über sein Gesäß glitt. Während er sich schon
eher meiner Vorderseite auf ungefähr der gleichen Höhe widmete. Wo schon etwas
steifer wurde, als ich es im Moment war.
„Du bist wirklich ziemlich unerfahren!“ Er nahm wieder meine Hände. Wanderte mit
ihnen nach vorne. Drückte sie schließlich einfach gegen seinen Schritt. Ließ
mich sein Glied reiben. Bis es sich langsam aufstellte und er leicht stöhnte.
Was er für eine schöne Stimme hatte, wenn er das tat. Nur noch ein zweites Mal
wollte ich das hören. Ganz sanft umschloss ich seine Erektion mit den Fingern.
Massierte sie leicht. Bis er keuchte. Seine Stirn leicht gegen meine Brust
presste.
„Du bist ja doch ganz gut“, flüsterte er. Da aber schon begann meinte linke
Brustwarze mit der Zunge zu umspielen. Bis auch mir ein lustvolles Seufzen
entfuhr. Das fühlte sich sogar gut an. Das was er da nur als ‚Spiel’
bezeichnete. Dabei war es eigentlich verboten. Wir durften eigentlich nicht
miteinander schlafen. Er könnte deswegen sterben. Getötet werden. Genauso wie
ich. Und er würde wohl den qualvolleren Tod haben. In der Sonne zu Staub
zerfallen. Wenn ich Glück hatte, durfte ich nur dabei zusehen und wurde dann für
den Rest meines Lebens gequält und – mit etwas Pech – missbraucht.
Ich wollte eigentlich etwas sagen. Doch er hatte schon Hand an meinem Glied
angelegt. Rieb es. Das Stöhnen konnte ich jetzt nicht mehr unterdrücken. Wurde
immer lauter damit. „Genieß es, Wölfchen“, meinte Jemil zu mir. Ließ aber kurzer
Hand wieder von mir ab. Setzte sich auf den Badewannenrand. Ich war mir nicht
ganz sicher, wie ich jetzt etwas genießen sollte, wenn er nichts mehr machte.
Aber ich wurde viel zu schnell aufgeklärt.
Jemil spreizte die Beine. Erst dachte ich, dass ich es ihm einen blasen sollte.
Doch das traf nicht mal ihm Ansatz zu. Er fing einfach an sich selbst zu
verwöhnen. Streichelte seien Erektion. Im ersten Moment blieb mir nur der Mund
offen stehen. Das ein einzelner Vampir so laut werden können, wusste ich bis
dato auch noch nicht.
„Jesko“, flehte er regelrecht und ich kam einen Schritt näher auf ihn zu. Kniete
mich vor ihn. Für einen Moment setzte er in seiner Bewegung aus. „Mach weiter.“
Seine Haut glühte vor Erregung. Er stand schon kurz vor seinem Höhepunkt. Könnte
es ganz leicht selbst beenden. Wieso sollte ich das für ihn übernehmen? Ich war
doch viel zu unerfahren in dieser einen Sache. „Mach schon!“, zischte er. Konnte
es nicht erwarten. Ich blickte auf sein Glied. Langsam näherte ich mich mit dem
Mund. Berührte es erst nur mit den Lippen. Nur die Spitzen. Aber er drückte
meinen Kopf darauf, bis ich es ganz in den Mund nahm. Begann daran zu saugen. Zu
lecken. Immer wieder stöhnte er. Wiederholte völlig in Ekstase sogar immer mal
meinen Namen. Dabei hatte er gesagt, dass ich kein anderer Werwolf für ihn
werden würde, als zuvor.
Ich spürte plötzlich noch etwas in meinem Mund. Gerade als er extrem laut
gestöhnt hatte. Seine Erektion klang ab. Das bemerkte ich ganz deutlich. War es
schon zu ende? Ging es so schnell?
Ich sah zu ihm auf. Schluckte alles hinunter, was ich von diesem Zeug abgekommen
hatte. Er atmete ganz flach. Und wieder. Er atmete! Da war ich mir sicher. Aber
wieso? Fragen wollte ich nicht. Ich konnte mir nicht sicher sein, was er dann
mit mir machte.
„War ich gut?“, fragte ich etwas schüchtern. Er blickte mich erschöpft an.
Einzelne Schweißtropfen liefen ihm über die Stirn, als er langsam nickte. Ich
versuchte leicht zu lächeln. Irgendwie brachte ich sogar etwas Ähnliches zu
Stande.
Er zog sich an meinem Hals hoch. Stand etwas wackelig auf den Beinen. „Soll ich
dir helfen?“, fragte ich, als er seine Sachen einsammelte. Dabei gefährlich
schwankte. „Duz mich nicht!“, knurrte er aber nur. Das war wohl ein Fehler
gewesen. „Entschuldigung“, murmelte ich nur. War es denn so falsch, wenn ich ihn
nicht mit ‚Sie’ ansprach. Er wollte immer hin, dass ich mit ihm schlief. Reichte
ihm denn da ein einfaches ‚du’ nicht auch?
„Zieh dich an und komm mit!“, knurrte er, nachdem er sich wieder angezogen
hatte. Riss mich dadurch aus meinen Gedanken. Es passte ihm wohl wirklich nicht,
wenn ich ‚du’ zu ihm sagte. Langsam marschierte ich hinter ihm her. Als ich
schon fast an der Badezimmertür war, fiel mir erst auf, dass ich immer noch
nichts anhatte. Drehte mich noch einmal um und suchte meine Sachen zusammen.
Dabei entdeckte ich auch die weiße Stelle an der Badewanne. War ich das gewesen?
Wirklich bemerkt hatte ich es nicht.
„Köter!“, brüllte Jemil. Sofort machte ich auf den Hacken kehrt und lief zu
ihm. „Was ist, Meister?“, fragte ich mit gesenktem Kopf. Wie es mich aufregte,
ihn so nennen zu müssen. Nur weil ich ein Werwolf war und er ein Vampir. Ich
hätte kotzen können. „Ich muss zu meinem Privatunterricht. Wenn du es wagst,
dich zu verdrücken, kann ich für nichts garantieren!“
Ich sah wieder auf. Privatunterricht? Blutsauger mussten sich wirklich mit so
etwas wie Schule abgeben? Irgendwie war ich plötzlich wieder etwas glücklich ein
Werwolf zu sein. Ich durfte dumm bleiben. Alles was ich wissen musste, wusste
ich. Und das reichte. Auch wenn es nur daraus bestand, dass ich mich den
Vampiren unterwerfen und ihnen gehorchen musste und das diese Sklaverei schon
einige Hundert Jahre andauerte. Genügend Information für mich und es war
wirklich genug.
„Verstanden?“, fragte Jemil. Ich nickte. So doof war ich nun auch wieder nicht.
Er kam einen Schritt auf mich zu. Legte seine Lippen auf meinen Hals. „Das
sollte wohl genug für das eben sein“, meinte er noch, bevor er das Zimmer
verließ.
Ein lüsterner und heulender Hund
Lost Angel
Kapitel 4 – Ein lüsterner und heulender Hund
Jemil’s PoV
Nervös trippelte ich mit einem Stift auf dem Tisch herum. Aus Einzelunterricht
wurde wohl heute nichts.
„Jemililein?“ Dieses Quietschen in meinen armen Ohren. Wieso musste Mila mich
immer so nennen? Sie musste doch merken, dass es mich zur Hölle nochmal nervte,
wenn sie das tat.
„Was ist?“, knurrte ich. Wie gerne wäre ich gerade wo ganz anderes. Am besten
bei meinem Lustwölfchen Jesko. Denn lieber würde ich jetzt ficken. Das hier
brachte doch sowieso nichts. Für was lernten wir hier überhaupt? Keiner
interessierte sich dafür, dass wir irgendetwas wussten.
„Wo warst du gestern Nacht? Ich hab dich vermisst!“ Sie blickte verlegen auf den
Boden. Was ich nur mit einem meiner kalten Blicke erwiderte. „Ich war einen
entlaufenen Wolf einsammeln.“ Eigentlich ging es sie gar nichts an, aber
vielleicht würde sie dann ruhig sein.
„Einen Wolf? Hast du ihn getötet?“ Sie sah mich geschockt an. Aus irgendeinem
Grund bemitleidete sie diese Biester. Dabei hatten sie es meinst nicht einmal
verdient. Nicht einmal der Köter, der gerade in meinem Zimmer hockte und
hoffentlich darauf wartete, dass ich zurückkam. Es entlockte mir ein Lächeln,
wenn ich daran dachte, wie friedlich er geschlafen hatte, als ich gestern mit
dem Essen zurückgekommen war. Und es jagte mir ein Gefühl von Lust durch den
Körper bei dem bloßen Gedanken, wie er mich befriedigt hatte. Er war zwar
wirklich noch unerfahren in dieser Sache, hatte es aber dennoch richtig gut hin
bekommen. Zu einem solchen Stöhnen hatte mich eigentlich noch nie jemand
getrieben.
„Dem Wölfchen geht es gut“, meinte ich kühl. Ich wusste es immer hin am besten.
Hatte er nicht bei mir die ganze Zeit gelegen.
Sie atmete erleichtert auf. „Du weißt, dass ich es nicht mag, wenn ihr ihnen
wehtut. Das haben nicht einmal sie verdient.“ Verdient? Diese kleine Missgeburt
war weggelaufen. Und dann hätte ich sie nicht einmal quälen dürfen, wenn ich
gewollt hätte. Mila war wirklich ein Spezialfall unter uns Vampiren.
Ich seufzte. Stunden lang würde ich sie jetzt wohl noch am Hals haben. Und sie
würde mich zu reden. Die ganze Zeit. Wie es eben immer war. Dass sie mich
wirklich manchmal nervte bemerkte sie gar nicht.
„Wie lange dürfen wir uns das hier eigentlich noch antun?“, knurrte ich. Mich
langweilte das alles, viel lieber würde ich jetzt meinen Köter zu stöhnen
bringen. Das wäre um einiges lustiger, als hier sinnlos herumzusitzen. „Du weißt
genau, dass du gar nicht hier sein müsstest... Wenn dein Vater dich nicht
zwingen würde!“ Ich gab etwas von mir, was einem Knurren glich. „Erinnere mich
nicht an den!“ Die ganzen letzten Wochen heizte er mich dazu an, dass ich mir
eines von diesen Nervenbündeln aussuchen sollte um sie zur Braut zu nehmen.
Dabei konnte ich keine ausstehen. Mir waren Mädchen zuwider. Die konnten doch
sowieso nur quatschen und dann lief im Bett nicht einmal irgendetwas. Dabei
brauchte ich meinen Sex. Ohne würde ich nochmal zu Grunde gehen. Irgendwie
freute ich mich, dass Jesko gestern abhauen wollte. Sonst hätte ich ihn gar
nicht bis zu mir schleifen können.
„Wo ist der Wolf jetzt eigentlich?“ Mila riss mich wieder aus meinen Gedanken.
„Weiß ich nicht.“ Ich konnte ihr nicht sagen, dass er in einem meiner Zimmer
hockte und wartete, dass ich – wie ich es selbst bezeichnet hatte – mit ihm
spielte. Und doch war es nicht mehr als ein Spiel. In dem ich ihn ausnützen
würde. Mir war er sowieso nichts wehrt. Selbst wenn er erwischt werden würde.
Ich könnte immer noch sagen, dass er über mich hergefallen war. Ihm würde sie
nicht glauben. Egal wie lange er auf den Knien herumrutschen würde.
„Das ist schade. Er wird jetzt sicherlich gequält.“ Mila senkte den Kopf. Wirkte
sogar wirklich traurig. Wie konnte man sich nur solche Sorgen um so eine
Dreckköter machen. Er war es doch nicht einmal wert, dass sie das machte. „Hör
auf hier so mitleiderregend zu reden!“, knurrte ich. Sie hob wieder leicht den
Blick. Wanderte damit auf das Blatt, das vor mir lag. „Wer ist Jesko?“, fragte
sie. Sah mich verwirrt an. Ich warf selbst einen Blick auf den Fetzen, der vor
mir lag. Und wirklich. Ich hatte ihm mit dem Namen dieses Werwolfes voll
geschrieben. So gut war er doch nur wirklich nicht, dass ich das machen hätte
müssen.
Ich gab keine Antwort auf ihre Frage. Hätte eigentlich gar keine parat gehabt.
War doch eigentlich selbst darüber erstaunt, was ich da gemacht hatte.
„Eure Lordschaft!“ Ich zuckte zusammen. „Was?“, fauchte ich. „Ihr sollte besser
das abschreiben, statt mit der werten Lady zu reden.“ Mila begann leicht zu
kichern, als ich wieder nach unten sah. Es war mein letztes Blatt gewesen und
jetzt war es voll. Voll mit dem Namen dieses Köters.
„Brauchst du etwas Papier?“ Mila fächerte mit ihrem Block vor meiner Nase herum.
„Nein“, meinte ich nur knapp. Sammelte meine Sachen zusammen. „Eure Lordschaft,
wo wollt ihr hin?“, fragte mich mein – eigentlich – Privatlehrer. „In mein
Zimmer. Ich hab keinen Bock mehr!“ Ohne auf ein weiteres Kommentar zu warten
verließ ich den Raum.
Ich sog die stickige Luft tief in meine Lungen auf. Das ich überhaupt atmete. So
oft. Darüber hatten sich schon genügend gewundert und ich hatte es auch erst vor
einigen Monaten erfahren. Die Vampirin, die ich für meine Mutter hielt – all die
Jahre – war es gar nicht. Mein Vater war damals fremdgegangen. Mit einer
Menschenfrau. Und sie hatte ein Kind von ihm bekommen. Mich. Das war der einzige
Grund, wieso ich so oft atmete und wieso mein Herz so häufig schlug. Nur weil
meine richtige Mutter ein Mensch war. Und dennoch konnte ich nicht an die Sonne.
Wie gerne hätte ich einmal einen Sonnenaufgang ganz gesehen. Aber es war mir
einfach nicht erlaubt. Für immer würde ich, wie alle anderen Vampire, in der
Dunkelheit verharren müssen. Obwohl ich doch nur ein halber war.
Ich bog in den Gang ab in dem meine Zimmer waren. Das dritte auf der linken
Seite. Da hatte ich ihn zurückgelassen. Meinen kleinen Lustknaben. Ob er wohl
noch da war? Vielleicht hatte er sich getraut und war weggelaufen. Wirklich
vorstellen konnte ich mir das nicht. Dafür war doch die Angst in ihm zu groß.
Ich könnte ihn ohne mit der Wimper zu zucken töten und würde es wohl auch tun.
„Wölfchen?“ Ich betrat den Raum. Doch er war nicht da. In mir stieg schon die
Wut. „Wölfchen!“, brüllte ich. Da schlitterte schon etwas draußen an der Tür
vorbei. Ein schmerzverzerrter Schrei folgte gleich darauf.
Ich schreckte den Kopf aus der Tür. Jesko lag auf dem Boden. Alle Viere von sich
gestreckt. „Was machst du da?“, fragte ich. Konnte mir ein Grinsen nicht
verkneifen. Es sah zu süß aus, wie er da auf dem Boden kugelte. „Mir war
langweilig, Meister, da bin ich hier auf dem Gang hin und her gerutscht“, meinte
er nur und setzte sich auf. Er wirkte wie ein verspielter, junger Hund, den man
eigentlich nicht alleine lassen durfte, da er sonst irgendeinen Mist baute. „Und
ich habe mich einsam gefühlt“, fügte er noch hinzu. Blickte mich mit großen
Augen an.
Wie oft ich mich doch schon alleine gefühlt hatte. Und dabei war meist
irgendjemand um mich. Aber niemand hat es gesehen. Wie es mir ging. Je gespürt.
Wie ich mich fühlte. Es hatte nie jemanden gegeben, der das konnte. Nie.
„Meister, geht es euch nicht gut?“
Jesko hatte seine Hände auf meine Schulter gelegt. Sah mich besorgt an.
„Nimm deine Pfoten weg!“
Ich schüttelte ihn ab. Drehte mich weg.
„Aber Meister, mit euch stimmt doch irgendetwas nicht!“
Wieso konnte er das spüren? Wieso gerade er? Ein Werwolf wusste, dass mit mir
etwas nicht stimmte, aber meine gesamte Verwandtschaft konnte das nicht.
Er schlag zärtlich die Arme um meinen Bauch. Mein Herz begann wie wild zu
schlagen. Was war denn nur los mit mir?
„Sagt es mir doch, Meister!“
Er schmiegte seinen Kopf an meinen Hals. Rieb leicht daran. Jedes seiner Haare
kitzelte mich. Aber kichern oder gar lachen konnte ich darüber nicht. Es machte
mich nur an.
„Du fühlst dich verdammt gut an“, flüsterte ich.
„Tue ich das?“, fragte er. Ließ mich für einen Moment wieder los. Hielt es aber
irgendwie nicht lange aus. Ich nickte langsam. „Das tut ihr euch, Meister!“,
seufzte er. Drückte den Kopf wieder an mich.
Wie mich sein Gefasel von 'Meister' doch plötzlich nervte. Sollte er doch meinen
Namen sagen. Ich wollte ihn von ihm hören.
„Sag ihn“, flüsterte ich.
Ich spürte, wie er aufsah.
„Was soll ich sagen?“
Er klang so süß, wenn er verwirrt war. So wie eben ein kleiner Hund, wenn er
etwas nicht verstand. Ja, er war ein kleiner, unwissender Hund.
„Sag meinen Namen.“ Ich gab es kaum hörbar von mir. Aber er würde es verstehen.
Er war ein Werwolf. Wölfe hörten doch so unglaublich gut.
„Jemil“, murmelte er mir ins Ohr. Wie schön das klang. Aus seinem Mund.
Ich keuchte. Er war mit den Händen unter mein Shirt. Knetete meine Brustwarzen.
So angenehm. Aber, das durfte er doch gar nicht. Nicht ohne meine Erlaubnis.
Krampfhaft versuchte ich mich aus seinem Griff zu befreien. Aber er konnte mich
mühelos festhalten. Ich kam nicht los. Mein Atem begann zu rasen.
„Du hast mir dieses Spiel gezeigt, also spiel es auch mit mir“, hauchte er mir
ins Ohr. Was sollte das werden?
„Lass mich los!“, zischte ich. Wurde wütend. Keiner durfte mich so anfassen.
„Spiel mit mir!“ Er biss mich ganz leicht ins Ohrläppchen. Zog daran. Wirklich
ein verspielter Hund. Oder eigentlich nur ein streunender Köter.
„Wenn dich jemand erwischt, bist du tot!“, knurrte ich. Wollte er mich denn mit
seiner Aktion reizen? Oder einfach nur scharf auf ihn machen?
„Das ist mir auch egal! Ihr habt es mir doch erlaubt. Ich darf mit euch schlafen!
Und das will ich jetzt auch!“
Hatte er einen verdammten Knall. Ich könnte dabei genauso draufgehen, wenn uns
jemand erwischte. Das wollte ich ganz sicher nicht!
„Lass mich ... los!“
Irgendwie versuchte ich mich loszureißen. Wieso war er plötzlich so stark? Oder
war ich nur einfach zu schwach? Es fühlte sich so erniedrigend an, wenn er mich
so festhielt. Gerade da er nur ein Werwolf war. So eine niedrige Kreatur. Ohne
Rechte. Ich hätte ihn doch gestern gleich töten sollen. Dann würde ich jetzt
nicht in dieser Lage sein.
„Ich will nicht. Euer ... nein, dein Körper ist so schön. Seit heute Morgen weiß
ich das!“
Was redete er da überhaupt? Das sollte doch gerade kein Kompliment an meinen
Körper sein?
„Hör auf mit dem Mist!“
Ich versuchte mich wieder aus seinem Griff zu befreien. Doch erneut kam ich
nicht weit. Er war doch wirklich stärker als ich. Wie konnte denn ein Werwolf in
seiner menschlichen Form stärker sein als ein Vampir? Ich war doch so ein
verdammter Loser.
„Wieso willst du denn von mir weg? Ich will doch nur das mit dir machen, was du
von mir willst, dass ich tue!“
Das stimmte doch auch, aber nicht jetzt und nicht so.
„Lass mich trotzdem los“, flehte ich. Ich flehte ihn wirklich an. Wie erniedrigend.
Und das bei einem Straßenköter, wie ihm.
Er lockerte langsam den Griff um mich. Wanderte aber nur mit den Händen bis zu
meiner Hüfte hinunter. Hielt dort Inne. Ich schluckte, als er mich leicht
anschob.
Mit dem Fuß schließlich der Tür einen Stoß gab, die mit einem Knall ins Schloss
viel. Ich hatte mich derweilen aufs Bett gesetzt. Sah ihn mit kritischen Blick an.
„Was glaubst du was passiert wäre, wenn uns jemand da draußen gesehen hätte?“,
zischte ich. Er richtete seinen Blick auf seine Füße. „Einer von uns beiden wäre
auf alle Fälle tot.“ Hatte ich ihn eingeschüchtert? „Genau, also wage es nochmal
mich außerhalb dieses Raumes so anzufassen und du bist einen Kopf kürzer!“
Er sah langsam wieder auf. Irgendetwas glitzerte seltsam in seinen Augen. Bevor
er zu schluchzen anfing. Verdammt! Ich hatte ihn doch wirklich zum Heulen
gebracht. Mein kleines Hündchen weinte.
Nervös blickte ich mich um. Wie man jemanden tröstete war mir schon immer ein
Rätsel. Gerade wo ich meistens der Grund dafür war, wieso überhaupt jemand
Tränen vergoss. Wie gerade jetzt.
Das erste Mal und doch ohne Liebe
[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]
Ein Lauf durch den Wald
Lost Angel
Kapitel 6 – Ein Lauf durch den Wald
Jemil’s PoV
So hart wollte ich eigentlich nicht klingen, doch ich empfand wirklich nichts
für ihn. Nicht einmal ein Gefühl, das auch nur im Ansatz so etwas wie
Freundschaft hätte hervorbringen könnte. Ich brauchte nur etwas, das meine Lust
stillen konnte. Und da war er mir eben gerade recht. Als entlaufener und wieder
gefangener Werwolf vermisste ihn auch niemand. Keiner würde sich um ihn sorgen,
wenn er plötzlich irgendwo tot liegen würde. Selbst ich war manchen mehr wert.
Ich hörte ihn plötzlich wieder schluchzen. War da etwa bei ihm irgendein Gefühl
für mich? Mochte er mich? Empfand er etwas? Aber ich durfte ihn doch nicht lieben.
Konnte es nicht einmal. Egal wie angenehm sich das gerade angefühlt hatte. Es
war doch nur Sex. Eben mit einer Missgeburt von Werwolf. Auch wenn er nichts dafür
konnte. Er war eben so geboren worden. Und trotzdem fand ich, dass er schön war.
Er wirkte nicht wie eine Bestie, die Menschen wie Vampire in der Luft zerriss und
sich an ihnen voll fraß. Vielleicht gehörte er auch zu denen, die gar nicht töten
konnten. So wie ich. Sonst würde ich auch nicht das Blut aus Blutkonserven trinken.
Und dennoch war er ganz anders als ich. Er war viel fürsorglicher. Sogar in den
Arm nehmen wollte er mich. Und ich hatte ihn nur weggestoßen. Dabei wollte er wohl
nur etwas Nähe von mir. Und genau die wollte ich nicht. Ich mochte es einfach
nicht, wenn mich jemand einfach so berührte.
Wieder schluchzte er. Ich ertrug es nicht. Wie konnte man nur so traurig klingen.
Obwohl er doch so eine schöne Stimme hatte. „Jemil“, wimmerte er. Es klang
irgendwie süß. Genauso wie er. Nur deswegen hatte ich ihn überhaupt mit zu mir
genommen. Weil er süß war. Sein Körper hatte mich fast magisch angezogen. Doch
jetzt widerte er mich nur noch an.
„Jemil.“ Wieder dieses ... Wort. Nur lauter. Ich presste die Augen zusammen. Er
rief nach mir und ich reagierte darauf nicht einmal. Wie ich es immer machte. Nur
weil ich keine Verantwortung übernehmen wollte. Und das tat ich wieder nicht. Ich
spürte es doch. Dieses Gefühl in meiner Magengegend, dass sich langsam nach oben
kämpfte. Nur wahrhaben wollte ich es nicht. Ich durfte es nicht einmal für ihn
empfinden.
Er winselte. Wieso machte er das nur? Wollte er mich unbedingt dazu treiben, dass
ich ihn in den Arm nahm? Oder zumindest mich für seine Gefühle interessierte?
Wenn nicht gerade so ein Chaos in mir herrschen würde, dann könnte ich das
vielleicht.
Ich wanderte mit meiner Hand nach hinten, bis ich seine Hüfte spürte. Leicht
darüber streichelte. „Beruhige dich wieder“, flüsterte ich. Er kroch aber nur zu
mir. Schloss die Arme wieder um mich. Ich versuchte mich aus seinem Griff zu
befreien. Doch irgendetwas hinderte mich daran, mich richtig zu wehren.
Ich versuchte es zu genießen, dass er mich umarmte. Auf eine Art und Weiße war es
sogar schön, dass mich jemand so anfasste. Ich fühlte mich wohl bei ihm. Es war
angenehm. Genüsslich kuschelte ich mich an ihn. Wie gut es sich doch anfühlte.
Ich spürte seine Finger an meiner Taille. Wie er darüber strich. Mein Atem begann
wieder zu rasen. Mir wurde heiß und kalt. Gleichzeitig. Meine Haut glühte wieder.
Es wirkte aber nicht so, als ob er das wollte.
Zärtlich küsste er meinen Hals. Schmiegte sich an mich. „Darf ich dich jetzt so
fest halten?“, fragte er. Wollte mich aber scheinbar gar nicht mehr loslassen.
Ich nickte langsam. Drehte mich langsam zu ihm um und drückte meinen Kopf gegen
seine Brust. „Du bist schön warm“, flüsterte ich.
Irgendetwas jagte mir nur plötzlich Angst ein. Sein Herz pochte so schnell. „Was
ist denn?“, fragte ich. Sah zu ihm auf. „Nichts, es ist nur … irgendwie seltsam
… wenn du dich so an mich kuschelst.“ Es war mir gar nicht aufgefallen. Aber ich
lag wirklich ganz eng an ihm. Und es störte mich eigentlich gar nicht. Es gefiel
mir wirklich.
Jesko betete seinen Kopf an meine Brust. Dabei wollte ich das jetzt gerade bei
ihm machen. Ich wollte es mir bequem machen. An ihm. Vorsichtig schob ich ihn
etwas weg. Um für mich Platz zu machen.
„Empfindest du wirklich nichts für mich?“, wollte Jesko wissen. Es war so viel
Traurigkeit in seiner Stimme. Und eigentlich wollte ich es gar nicht hören. Denn
‚Nein’ war leider die richtige Antwort. Ich spürte überhaupt nichts. Nichts für
ihn. Es war mir einfach nicht möglich jemanden zu lieben. Und erst recht wohl
nicht ihn. Er würde immer ein Werwolf bleiben und ich ein verfluchter Vampir. Es
war doch gar nicht erlaubt.
Das einzige was ich ihn seiner Nähe spürte war, das ich verdammt noch mal mit ihm
ficken wollte. Sonst nichts. Nur dieses Gefühl der Lust. Es war das einzige was
ich überhaupt empfinden konnte.
Ich musste wohl gar nichts sagen. Er wusste auch so, was ich antworten würde.
„Dann muss es wohl so sein.“ Er drückte mich noch etwas enger an sich. Ließ mich
jeden Zentimeter seiner Haut spüren. Was das für ein seltsames Gefühl war. Ich
konnte jede Pulsierung seiner Adern empfinden.
Leicht öffnete ich den Mund. Hauchte an seinen Hals. Seine Schlagader dort zog
mich fast magisch an. Wenn es ihn doch nur nicht umbringen könnte, wenn ich zu
biss, dann könnte ich es einmal tun.
„Beiß!“ Sollte das ein Befehl sein? „Wie kommst du darauf, dass ich das tun will?“,
fragte ich. Obwohl ich es wirklich wollte. „Es kommt mir einfach nur so vor,
also tue es doch einfach!“ Er legte den Kopf leicht in den Nacken. Hielt mir
seine Kehle direkt vor die Zähne. „Ich will aber nicht!“, knurrte ich. Wollte
mich schon wieder von ihm wegdrehen. Doch er hielt mich fest. „Dann wende dich
zumindest nicht wieder von mir ab!“
Zärtlich wanderte er wieder mit den Fingern über meine Haut. Erkundete fast
jeden Millimeter damit. Selbst meinen Schritt ließ er nicht aus. Knetete leicht
mein Glied. Nur machte es mich gerade nicht an. Ich war zu müde. Hatte keinen
Bock darauf. Schließlich drückte ich seine Hände weg. „Lass mich schlafen!“ Ich kuschelte mich an ihn. Versuchte wirklich einzuschlafen. Aber obwohl ich müde war,
konnte ich nicht. Irgendetwas hielt mich davon ab.
„Wolltest du nicht etwas in süße Träume versinken?“, flüsterte Jesko mir ins Ohr.
Er merkte es wohl. „Wenn du mich hier halb erdrückst, geht das wohl nicht.“ Es
tat nicht weh und war eigentlich ganz angenehm. Aber irgendetwas musste ich
sagen. Sonst würde er wohl weiter quatschen. Und dennoch tat er es einfach. „Ich
dachte nur, du magst das.“ Leicht hob er eine Augenbraue. Massierte sanft meinen
Rücken mit kreisenden Bewegungen.
Einen Moment überlegte ich. Hob schließlich meine Arm zu seinem Ohr. Kraulte ihn
dahinter. Wie schnell er plötzlich die Finger von mir ließ. Sich auf den Bauch
legte. Nur noch den Kopf leicht an meine Brust drückte. „Das fühlt sich gut an!“,
summte er zufrieden. Ein richtiger Hund. Mein kleines Haustier. Genau das war er.
Ich setze mich auf. Die Müdigkeit hatte auf einmal jedes meiner Glieder verlassen.
„Hast du Hunger?“, fragte ich. Er nickte langsam. „Aber bevor du etwas holst,
kraulst du mich erst noch ein bisschen.“ Ein Grinsen huschte über meine Lippen.
„Wo denn?“, fragte ich immer noch leicht grinsend. Suchte aber mit meinen Händen
schon seine unteren Regionen ab. Begann leicht seinen Schritt zu kneten. „Nicht
da!“, wimmerte er.
Ich beugte mich über ihn. „Das hat dir aber vor ein paar Minuten noch ganz gut
gefallen.“ Er drehte sich leicht zu mir. Sah mich verschlafen an. „Kannst du mir
nicht doch erst etwas zum Essen holen?“ Ich kicherte leicht bei seinen Worten.
„Du willst wohl nicht mehr spielen?“ Langsam nickte er. „Es macht eine so fertig“,
flüsterte er noch, bevor ich aufstand. „Bist wohl ein ganz Verschlafener.“
Ich stand langsam auf. Sammelte meine Kleider auf dem Boden zusammen und zog sie
an. Wendete mich, als ich schon auf dem Weg zur Tür war, noch einmal zu ihm um.
„Du wolltest gerade auch schlafen!“, meinte er da. „Na und, jetzt bin ich wohl
hell wach!“ Ich kniff die Augen zu Schlitzen zusammen. „Darf ich dann denn nicht
trotzdem müde sein. Das was du so einfach als ‚Spiel’ bezeichnest, ist nicht
gerade etwas, nachdem man nicht erschöpft ist“, seufzte er. Etwas erinnerte mich
sein Blick an die Nacht, als ich ihn gefangen hatte. Da hatte er den gleichen. Nur
war er da an seiner Situation selbst schuld. Er war weggelaufen und ich hatte ihm
nur wieder Manieren beigebracht. Er durfte nicht fliehen und jetzt erst recht
nicht mehr. Er gehörte mir. Sein Körper gehörte mir. Jedes einzelne Haar. Jeder
Zentimeter seiner Haut. Jeder Atemzug den er tat. Einfach alles.
Ich wendete mich wieder zum Gehen um. „Du weißt, dass du nicht weglaufen darfst?“,
fragte ich. Drehte mich nicht mehr um. Drückte nur die Klinke der Tür hinunter
und wartete noch einen Moment auf eine Antwort. Doch es kam keine. Noch ein
letztes Mal drehte ich mich zu ihm. Beinahe wäre mir ein lang gezogenes ‚Süß’
entfahren.
Er lag wieder flach auf dem Bett. Das Gesicht im Kissen vergraben und schlief.
Ganz friedlich. Wie ich es eben immer wieder gerne erwähnte, er war ein Hund.
Eigentlich ein Werwolf. Aber er wirkte eben eher wie die Haustierversion eines
Wolfes. Also ein Hund. Ein Schosshündchen, wie es im Buche stand. Zumindest
erinnerte seine Körperhaltung gerade schwer daran. Wie gerne hätte ich ihn jetzt,
wie ein kleines Kind gestreichelt. Ihm immer wieder über den Kopf gefahren.
Seine weiches Haar gespürt. Aber ich wollte ihm doch seine Belohnung holen. Sei
Futter. Eben das was ich ihm versprochen hatte. Das was er bekommen sollte, wenn
er mit mir spielte.
Dabei hatte er doch recht gehabt. Für ein Spiel war es viel zu anstrengend. Und
dennoch war es für mich nicht mehr, als ein entspannender Lauf durch den Wald,
an dessen Ende man noch eine schönen gemütlichen Sprint hinlegte, nur um dann
trotzdem noch erschöpft auf dem Boden zusammen sacken konnte und wusste, dass
man etwas geschafft hatte. Das war wohl wirklich der beste Vergleich, für das,
was wir taten.
Aber jetzt hatte ich ihn fürs Erste genug angeschwärmt. Ich wollte ihn doch
belohnen für seine nette Tat. Zwar nicht so ganz freiwillig, aber gefallen hatte
es ihm trotzdem. Irgendwie hatte er sogar gewirkt, als hätte er das Gefühl eines
Orgasmus noch nie erlebt. Wäre aber auch nicht ungewöhnlich, wie selten hatte
ich es auch schon bis jetzt gehört, dass unsere Werwölfe miteinander schliefen.
Und dann auch nur einzelne. Die jüngeren – zu denen er unweigerlich gehörte –
schon gar nicht.
Wie armselig diese Kreaturen doch eigentlich waren. Sie durften nie tun was sie
wollten und wirklich leben sowieso nicht. Sonst würde er wohl ganz anders auf
meine zarten Berührungen reagieren. Viel wilder. Er blieb fast ruhig dabei.
Obwohl er doch – wie es mein Vater immer ausdrückte – eine wilde Bestie war.
Genauso wie alle anderen seiner Rasse. Für uns waren sie nichts anderes, als
Tiere.
Ich seufzte. Verließ schlussendlich den Raum. Er brauchte etwas um sich zu stärken.
Hoffentlich trieb ich etwas anständige für ihn auf. Er würde es brauchen. Immerhin
war er verdammt ausgepowert.
Behalt es für dich!
Lost Angel
Kapitel 7 – Behalt es für dich!
Jesko’s PoV
Mein ganzer Körper pulsierte. Ich spürte jede Berührung von ihm immer noch. Jede
Stelle glühte. Brannte regelrecht. Mein Atem war schon lange wieder in eine
normale Geschwindigkeit übergegangen und dennoch gingen mir diese paar Minuten
zwischen dem, als er auf meinem Schoss gesessen hatte, und jetzt nicht mehr aus
dem Kopf. Was waren das eigentlich alles für Gefühlsexplosionen in mir gewesen?
Und vor allem dieses eine. Dieses letzte. Bevor er auf mich gesackt war. Was war
das? Es hatte sich angefühlt, als ob mein Körper platzen wollte. Wenn ich ihn
fragen würde, dann wäre wohl das einzige was ich bekommen würde, ein Lachen. Er
fände das sicherlich lustig. Meine Dummheit manchmal war aber auch wirklich
gigantisch. Also würde ich lieber ruhig sein.
Ich drehte mich auf die Seite. Rollte auf irgendetwas Klebriges. Sofort wich ich
ein Stück davon weg. Fuhr aber neugierig, wie ich war, mit einem Finger darüber.
Leckte ihn ab. Es hatte keinen richtigen Geschmack, war aber trotzdem irgendwie
gut. Ich rutschte unter die Decke um es ganz wegzulecken. Vielleicht würde er
mich loben, wenn ich sein Bett etwas sauber gemacht hatte.
Als ich mit der einen Stelle fertig war suchte ich auch den Rest des Lakens nach
solchem seltsamen Zeug ab. Aber es gab nichts mehr. Kein Fleck war mehr verklebt.
Irgendetwas sagte mir aber, dass sich Jemil freuen würde, auch wenn ich nicht
viel gemacht hatte.
Etwas unbeholfen rekelte ich mich auf dem Bett. Schob die Decke von meinem
Körper. Ich schlotterte leicht. Immerhin war ich noch völlig nackt. Wenn jetzt
jemand falsches in den Raum gekommen wäre, dann hätte das schlimm für mich enden
können. Ich rollte mich auf die Seite. Machte mich zu einer möglichst kleinen
Kugel.
Wie gerne hätte ich ihn jetzt noch in meinen Armen und würde das noch einmal mit
ihm machen. Es hatte ihm gefallen. Auch wenn er danach irgendwie eingeschnappt
war und mich nicht mehr haben wollte.
Ich verkroch mich wieder unter der Decke. Wuselte darunter noch etwas übers
Bett. Mir war langweilig. Die ganzen letzten Tage hatte ich mich nicht mehr
richtig bewegt. Ich brauchte etwas Auslauf. Musste nach draußen an die frische
Luft. In diesem stickigen Gemäuer hatte ich mich noch nie lange wohl gefühlt.
Ich hörte wie die Tür aufging. Legte mich schlagartig wieder flach aufs Bett.
Mein Instinkt sagte mir, dass das nicht Jemil war. Ich spürte auch, dass sich
dieser jemand gerade aufs Bett setze. „Komm unter der Decke hervor! Ich muss mit
dir reden, Jemil!“ Ich kannte die Stimme. Hatte sie nur noch nicht oft gehört.
Jemil nannte ihn immer Devin. Er war eine Vampir von der Sorte ‚Killen oder
gekillt werden’. Wirklich große Lust zu seinen Opfern zu gehören hatte ich
nicht. Aber was sollte ich denn jetzt machen? Irgendwann würde er unweigerlich
die Decke wegziehen und dann würde ich Pech haben. Zwar hatte ich jetzt gelernt,
dass nicht alle Vampire miese Drecksäcke waren, aber ich konnte mir kaum
vorstellen, dass Devin zu der netten Sorte von Blutsaugern gehören würde, wenn
er sah, dass nicht sein Kumpel hier lag, sondern ein Werwolf. Und dann auch noch
einer, auf den nicht einmal mehr ‚leicht bekleidet’ zutraf.
Das Geräusch, dass die Tür erneut geöffnet wurde, ließ mich aufatmen. „Was machst
du denn hier?“, hörte ich Jemil fragen. Ganz plötzlich spürte ich eine Hand über
mir auf der Decke. Ich zuckte zusammen. „Wenn du hier bist, wer ist dann das?“
Etwas fiel aufs Bett. Vom Gewicht her hätte ich sofort gesagt, dass es mein
Lieblingsblutsauger war. „Kannst du ein Geheimnis für dich behalten und würdest
mich dafür auch nicht umbringen?“, fragte er. „Hängt davon ab, was es ist“,
bekam er nur zur Antwort. Der Blonde seufzte. So viel hörte ich. Er würde mich
doch nicht verraten.
„Jesko! Komm raus!“ Meine Augen weiteten sich. Kroch aber dennoch schwerfällig
unter der Seite der Decke hervor in deren Nähe Jemil war. Nur um mich sofort
wieder hinter ihm zu verkriechen. „Ein Werwolf.“ Der Schock war deutlich in Devins
Stimme zu hören. „Ganz genau.“ Liebevoll legte Jemil den Arm um mich. Ich kuschelte
mich gleich noch enger an ihn.
„Ist der so etwas, wie dein neues Haustier?“ Der andere Vampir zog eine Augenbraue
hoch. Musterte mich ungläubig. „Doch.“ Zärtlich streichelte Jemil mir über den
Kopf, den ich auf seinen Schoss gelegt hatte. Ich versuchte darauf zu achten,
dass der untere Teil von mir immer noch unter der Decke verborgen blieb. Devin
musste nicht gleich merken, dass ich überhaupt nichts an hatte.
„Hat das dein Vater erlaubt?“, fragte Devin. Ich sah zu Jemil auf. „Nein, er
weiß
nicht einmal etwas davon“, erwiderte der Blonde schließlich. Begann gerade mich
hinter dem Ohr zu kraulen. Das war das, was ich am liebsten hatte. Ich schmiegte
mich an ihn. Spürte wieder, wie er atmete. Es war so ein angenehmes Gefühl.
„Bist du denn ganz krank? Er bringt dich um, wenn er das erfährt!“ Ich schluckte
bei Devin Worten. Wegen mir könnte mein Meister umkommen. „Na und? Ich verhätschle
ihn doch nicht. Er ist nur für eins gut!“ Immer noch kraulte er mich. Nur drückte
er plötzlich zu fest zu. Es fing an wehzutun. Dennoch gab ich keinen Ton von mir.
„Du hast doch nicht mit ihm geschlafen?“, fragte der Rothaarige geschockt. Jemil
sah von mir zu ihm auf. „Doch.“ Er sagte es fast so, als wäre gar nichts dabei.
„Himmel, bist du irre? Du hast mit einem Werwolf gefickt! Du weißt, was dein
Vater deswegen tun könnte!“
Jemil wendete den Blick wieder zu mir. Ich drückte meinen Kopf immer enger an
ihn. „Das ist mir egal!“ Es lag so viel Gleichgültigkeit in seiner Stimme.
Interessierte ihn den sein Leben wirklich so wenig. „Meister“, murmelte ich.
Reckte mich zu ihm hoch. Nur um in sein Shirt zu beißen. Ihn leicht herunter zu
ziehen.
„Äh, Jemil, hat er dich gerade ‚Meister’ genannt?“, fragte plötzlich Devin völlig
verwirrt. Angesprochener drehte sich zu ihm, nachdem er meine Zähne wieder von
seinem Oberteil losbekommen hatte. „Ja. Wieso fragst du?“ Was so besonders daran
war verstand wohl weder ich noch Jemil wirklich.
„Ich bring diese Drecksköter…“ „Sag nicht so etwas vor ihm!“, mischte sich Jemil
kurz ein und nickte zu mir. „Ok, ich bring diese … Werwölfe nicht einmal dazu,
dass sie mich siezen und zu dir sagt einer sogar ‚Meister’. Wie hast du das
gemacht?“ Ich blickte verwirrt zu Jemil auf. Verstand gar nicht, wieso das für
Devin so ungewöhnlich war.
„Ähm, na ja, er hat einfach damit angefangen.“ Zärtlich strich mir Jemil übers
Haar. Ich konnte mich so irgendwie entspannen. Rekelte mich leicht um es mir
bequemer zu machen.
„Ok … Ähm.“ Scheinbar überlegte Devin. Er wusste wohl gar nicht mehr, wieso er
überhaupt hier war. „Sie wollten mit meinen Meister reden“, half ich ihm
schließlich auf die Sprünge. Irgendwie versuchte ich einfach nett zu sein. „Äh,
danke“, er wendete sich Jemil zu, „weißt du, dass dein Vater dich mit Mila
verloben will?“ Ich spürte regelrecht, wie mein Meister zusammen zuckte. „Er
will was?“, entfuhr es ihm. Ihm entglitten regelrecht die Gesichtszüge. „Er will
dich…“ Jemil schnitt ihm das Wort ab. „Das hab ich verstanden!“, knurrte der
Blonde. Stand plötzlich auf. Ich rutschte von ihm herunter auf den Boden. Nur
noch meine Beine wurden jetzt noch von der Decke bedeckt. Selbst ein Blinder
hätte wohl erkannt, dass ich splitterfasernackt war.
„Äh, Jemil, dein Wölfchen hat nichts an.“ Ich spürte Devin Blickte auf meinem
nackten Körper fast schon. Sah Hilfe suchend zu Jemil auf. Der drehte sich aber
nur kurz zu mir um. Und dann hafteten seine Augen nicht einmal an meinem
Gesicht. Sein Hauptaugenmerk lag momentan eher höher. Bei dem Anblick meines
Arsches musste er ganz leicht sabbern. Das meinte ich ganz deutlich zu sehen.
„Ist er zumindest gut gebaut?“ Devin war neben mich gerutscht. Fasste mir ohne
zu fragen an den Schritt. Ich wimmerte. Versuchte weg zu kommen. Durch ein
Knurrgeräusch fuhr sogar der Rothaarige zusammen. „Such dir deinen eigenen
Wolf!“, fauchte Jemil und gab ihn einen Stoß. Kniete sich vor mich um mir hoch
zu helfen. Dankend leckte ich ihm über die Wange. Schmiegte mich kurz an ihn,
bevor ich mich wieder unter der Decke verkroch.
Wartend blickte ich zwischen den beiden Vampiren hin und her. Bis zumindest Devin
endlich wieder eine Reaktion zeigte. „Du fickst mit einem Werwolf und wirst
nebenbei von deinem Vater mit Mila verlobt. Ich weiß nicht ganz, ob das jetzt
insgesamt gut oder schlecht ist.“ „Jesko ist gut!“ Ich fuhr zusammen, als sich
Jemil an mich lehnte. Wendete irritiert meinen Blick zu ihm.
„Äh, habt ihr beiden heute noch irgendwas vor, weswegen ich gehen müsste. „Ich
denke nicht.“ Jemil klang erschöpft. Was war denn mit ihm los? Er wollte doch
nichts von mir. Oder wollte er mich damit einfach etwas glücklich machen?
Zaghaft legte ich den Arm um ihn. Sah dann leicht zu Devin auf, der mich nur
wieder irritiert musterte. „Euch geht es aber auch gut“, meinte er mit hochgezogener
Augenbraue. Ich seufzte. Nickte schließlich langsam. Ich fühlte mich so wohl, wenn
Jemil in meiner Nähe war.
„Dann lass ich euch mal lieber alleine, bevor es wieder ab geht.“ Devin stand
auf. Gab dabei ein seltsames Kichern von sich. Gemütlich ging er zur Tür, hielt
dort aber noch einmal kurz Inne. „Ich werde weder deinem Vater noch
irgendjemanden anderen von ihm erzählen, aber dann solltest du auch aufpassen,
dass ihn niemand erwischt.“ Jemil blickte zu seinem Kumpel auf. Ein leichtes
Lächeln bildete sich auf seinem Gesicht ab. „Danke.“ Eigentlich wollte ich mich
auch noch bedanken, da war der rothaarige Vampir aber schon wieder weg.
„Wir könnten doch noch mal“, meinte plötzlich Jemil. Ich fuhr zusammen. Blickte
geschockt zu ihm. Es wäre eigentlich schon schön, aber ich hatte doch solchen
Hunger. Was mein Magen auch gleich überdeutlich preisgab. Mit einem Knurren.
Ich zog die Beine an den Körper. Sah mich verlegen um. „Willst du was zum
Essen?“, fragte der Blonde. Fuhr mit leicht durchs Haar, bevor er aufstand und
etwas vom Boden aufhob. Es war ihm wohl hinuntergefallen, als er ins Zimmer
gekommen war und Devin gesehen hatte. „Ich hab sogar etwas Wurst besorgt“,
meinte er. Ich leckte mir über die Lippen. Strahlte vor Freude.
Völlig desinteressiert hielt mir der Blonde etwas zum Essen hin. Zwar wieder nur
irgendeine Semmel mit irgendetwas drauf, aber bei meinem Hunger war mir das
wirklich egal. Solang ich etwas in den Magen bekam.
Kaum hatte ich es hinuntergeschlungen wartete ich schon auf mehr. Blickte ihn
mit großen Augen an. „Du bist so verfressen“, bekam ich aber statt etwas mehr
zum Essen. „Ich hab nur Hunger!“ Schmollend drehte ich mich weg. Sah aus dem
Fenster. Es war noch hell und dennoch viel kaum Licht in den Raum. Nicht einmal
annähernd bis zum Bett. Fast so, als würde dieser Raum die Helligkeit gerade zu
abwehren.
„Du solltest dich mal wieder anziehen oder wartest du noch auf irgendetwas?“ Von
hinten schmiegte sich Jemil an mich. Strich mir über die Brust. Ich seufzte.
Rutschte ein Stück zurück um mich auch etwas an ihn zu drücken. Da spürte ich
aber schon mein Shirt im Gesicht. „Anziehen!“, befahl er und ich tat es. Kurzer
Hand warf der junge Vampir mir auch meine Shorts und meine Hose zu. Gefügig
streifte ich mir auch das wieder über. Es war mir sowieso etwas kalt geworden.
„Was machen wir heute?“, fragte ich. Vielleicht durfte ich etwas nach draußen.
Ich brauchte wirklich dringend frische Luft. Meine Lungen wurden von dieser
stickigen Luft nur gequält. Ich fühlte mich deswegen schon ganz komisch.
„Wir wäre es mit einem kleinen Spaziergang.“ Jemil streckte sich, als er das
sagte. Ich hingegen strahlte. Das war einmal ein guter Vorschlag. Freudig sprang
ich auf. Wippte auf den Fußballen leicht auf und ab.
„Die Idee findest du wohl gut.“ Er zog eine Augenbraue hoch. „Ja“, jubelte ich.
Hüpfte vor ihm hin und her. „Dann sollten wir wohl gleich gehen!“ Er nahm meine
Hand. Lächelte kurz und zog mich dann einfach hinter sich her aus dem Zimmer.
Im Freien ist es doch am Schönsten
Erst einmal beantworte ich zur Feier des 20. Kommentars mal meine Fan-Post. ^^
@AngelHB: Freut mich sehr, dass dir die FF gefällt. Die ENS hast du schon
bekommen. ^^
@YuMorino: Deine Kommis sind mit die Besten. -freu- Das baut alles
richtig auf. ^^ Hoffe du schreibst so fleißig weiter.
@glitzerrubin: Genauso wird sich die FF wohl ... wirklich nicht
entwickeln, aber vielleicht bring ich irgendwie was ähnliches unter. ^^
Na ja, wieso 'Lost Angel' ... das kann ich jetzt noch nicht ausplaudern. >.< Das
kommt schon noch.
@ReinaDoreen: Ich mag deine Kommis wirklich. Du machst dir über die FF
richtig gedanken. Das mag ich. ^^ Hoffentlich hörst du nicht auf mit dem Kommi-
Schreiben.
@Flippi: Schön, dass es dir gefallen hat. -verbeug-
@Kaya17: Zwar ein kurzes Kommi, aber gefreud hab ich mich trotzdem.
@Anderswelt: WerwolfXVampir wollte ich schon immer mal schreiben. xD Und
damit hat es endlich geklappt.
@yuki15: Mila ist die 'nervige' Vampirin aus dem 4. Kapitel. Die kann man
schon mal vergessen. ^^
Aber dennoch schön, wenn es dir gefällt. ^^
So, und jetzt noch viel Spaß mit dem Kapitel. ^^
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Lost Angel
Kapitel 8 – Im Freien ist es doch am Schönsten
Jemil’s PoV
Tief sog Jesko die frische Luft in sich auf. Ich konnte mich nur unter dem
schmalen Dach verkriechen, wo noch Schatten war. Zwar ging die Sonne schon am
Horizont unter, aber es war für mich noch immer zu hell. Ich konnte nur warten,
bis es endlich wirklich dunkel wurde. Während ich dabei zusah, wie sich der
junge Werwolf im Gras wälzte. Es gefiel mir, dass er sich freute. War dadurch
auch irgendwie glücklich. Obwohl ich das schon lange nicht mehr richtig war.
„Hey, Jemil, was machst du schon hier draußen?“ Ich wirbelte herum. Vor mir
stand Mila, die auch versuchte noch etwas im Schatten des Hauses zu bleiben.
Lächelte zaghaft. „Es ist doch noch viel zu hell! Du wirst dich umbringen.“ Ohne
ihr wirklich zuzuhören drehte ich mich wieder um. „Er wird schon aufpassen“,
erwiderte ich. Sah Jesko dabei zu, wie er gerade einen Schmetterling jagte.
„Denn erwischt du nicht!“, rief ich ihm zu. Er wendete sich grinsend zu mir.
„Das schaff ich noch!“ Wie ein kleines Kind stürzte er sich wieder auf das Insekt.
Ein Lächeln bildete sich auf meinen Lippen. Er war zu niedlich, wie er so über
den Rasen sprang. Hinter diesem Schmetterling her.
„Was ist das für ein Werwolf?“, fragte mich Mila. Ich seufzte. „Der, der letztens
weggelaufen ist.“ Die Augen der Vampirin weiteten sich. „Das ist er? Der ist …
süß!“ Genau in diesem Moment sprang Jesko wieder auf den armen Falter. Verfehlte
ihn aber natürlich wieder ganz knapp und landete auf der Nase. „Mist!“, rief er.
Spuckte das Gras aus, das er in den Mund bekommen hatte. Ich lachte. Himmel, er
war wirklich zu putzig.
Ich verschränkte die Arme. Lehnte mich an die Hausmauer. Immer noch grinsend.
„Das ist er.“ Langsam wanderte mein Blick zum Horizont. Nur noch ein Spalt war
von der Sonne zu sehen. Da durchfuhr plötzlich ein Pfiff die Stille. Jesko zuckte
zusammen. Rollte sich auf einmal auf dem Boden zusammen. Schlotterte. „Sammelt
diesen Mistköter vom Rasen auf!“ Ich kniff die Augen zusammen. Verflucht. Musste
er denn gerade jetzt aufkreuzen? Ein paar Minuten später und ich wäre ohnehin
mit Jesko weg.
„Komm her!“, rief ich Jesko zu, der sprang sofort auf und lief zu mir. Gerade in
diesem Augenblick verschwand der letzte Sonnenstrahl. Eigentlich hätten wir
jetzt eine Runde über das Gelände drehen könne. Aber erst einmal musste ich
sehen, wo hin er wollte.
„Jemil, du Nichtsnutz! Sammle dein dreckiges Haustier wieder ein!“, knurrte mein
Vater, der gerade aus dem Haus gekommen war. Tat er nach Sonnenuntergang immer.
Ich wendete mich zu ihm. Senkte leicht den Kopf. „Natürlich, … Vater.“ Natürlich
konnte er mich nicht ausstehen. Ich war nur die dreckige Missgeburt, die aus
seiner Affäre mit einer Menschenfrau entstanden war. Wieso sollte er mich schon
nett ansprechen?
Jesko sah mich mit großen Augen an. „Komm, Köter!“, fuhr ich ihn an und zog ihn
hinter mir her. Er jaulte leicht auf. Ließ sich aber dennoch gefügig mitschleifen.
Viel zu gut gehorchte er. Sollte er sich doch nur einmal wehren.
Erst als wir am Waldrand angekommen waren, ließ ich ihn wieder los. Sackte
selbst auf den Boden. Er blieb vor mir stehen. Rührte sich kein Stück, als ob er
darauf warten würde, dass ich es ihm erlaube, dass er sich setzten durfte.
Irgendwann musste ich ihm einmal erklären, dass er tun und lassen konnte was er
wollte, wenn wir alleine waren. Aber nicht jetzt. Ich war nicht in der Stimmung.
Ich seufzte. Blickte langsam zu ihm auf. Der Blick, den er aufgelegt hatte,
jagte mir einen Schauer über den Rücken. „Was ist denn?“, fragte ich. „Du hast
mich 'Köter' genannt“, gab er kaum hörbar als Antwort. Mir meiner Schuld bewusst
drehte ich den Kopf weg. „Tut mir leid! Es war nur wegen meinem Vater!“ Eine
wirklich schlechte Ausrede, aber so war es. Ich konnte ihn nicht beim Namen
nennen, wenn er in der Nähe war.
Ich spürte, wie er auf mich herab sah. Traute mich langsam wieder aufzusehen.
Dieser schauderhafte Gesichtsausdruck war einem fast schon traurigen gewichen.
Leise schluckte ich. Das ihn dieses eine Wort so fertig machen würde. Was war
denn da nur, was er für mich hegte? Zumindest mehr, als in einer gewöhnlichen
Herr-Diener-Beziehung.
Einen Moment überlegte ich. Streckte dann die Arme von meinem Körper. Legte den
Kopf in den Nacken um ihm meine Kehle zu präsentieren. „Mach mit mir, was du
willst!“, flüsterte ich. Hätte eigentlich schon das Schlimmste erwarten können.
Mein Atem begann schlagartig zu rasen. Er könnte das immerhin Wort wörtlich
nehmen und mich am Ende noch in der Luft zerreißen. Doch es passierte nicht
einmal etwas Vergleichbares.
Er hockte sich vor mich. Legte mir eine Hand in den Nacken. Die andere zwischen
meine Beine. Küsste meinen Hals. Ich wagte es nicht mich zu wehren. Er durfte
mit mir ohnehin machen was er wollte. Also würde ich jetzt alles über mich
ergehen lassen. Ließ jede Berührung zu.
Langsam zog er mich aus, bis auf die Shorts. Nur die ließ er mir noch am Leib.
Er setzte sich auf mich. Begann meine Brustwarzen zu verwöhnen. Leise stöhnte
ich schon immer wieder. Empfand seine Zunge auf meiner nackten Haut als verdammt
angenehm.
„Kommt nicht mehr?“, fragte ich schon fast enttäuscht, als er von mir abließ. Er
blickte mich an. Fast so, als ob er nur überlegen würde, was er machen sollte.
„Ich kann das doch eigentlich gar nicht“, flüsterte er schließlich. Ich grinste
leicht. „Soll ich dir zeigen, wie es richtig geht?“ Er sah mir direkt in die
Augen. Wie schön braun die seinen doch waren. Langsam nickte er. „Ok, geh aber
erst mal etwas von mir runter!“ Ohne zu zögern tat er es. Hockte sich neben mich
auf dem Boden. Und wartete gehorsam.
Ich streichelte ihm über die Wange. Und obwohl es nur so eine kleine, zärtliche
Berührung war, genoss er sie in vollen Zügen. Langsam wanderte ich an seinem
Hals hinunter. Bis zu seinem Schlüsselbein. Fuhr sanft unter sein Shirt. Während
ich mit der anderen Hand schon den Gürtel seiner Hose löste. Entledigte ihn
schließlich dieser. Nur Sekunden später fand auch sein Oberteil seinen Weg auf
den Boden und meine Finger ihren unter den Stoff seiner Shorts.
Nur ein paar Berührungen reichten aus um sein Glied dazu zu animieren, dass es
versteifte. Er war viel zu leicht zu erregen. Es ging mir schon fast zu schnell.
Aber so musste ich wiederum auch nicht zu lange warten. Mädchen waren da schon
um einiges langsamer. Und dazu auch nicht so gefügig, wie er.
Ich krallte die Finger in den Stoff seiner Shorts. Zog sie ihm mit etwas Mühe
herunter. Er wehrte sich keine Sekunde dagegen. Schluckte nur. Ich sah zu ihm
auf. Mein Atem war schon ganz unregelmäßig geworden, dabei hatte er noch kaum
etwas gemacht. Tat eigentlich schon lange gar nichts mehr. Lag es etwa nur an
seinem Körper? Machte der mich schon so unglaublich scharf?
Eigentlich wollte ich etwas sagen, aber er verschloss meine Lippen mit den seinen.
Bannte sich irgendwie mit der Zunge einen Weg in meinen Mund. Massierte leicht
die meine. Seine Hände spürte ich auf meinem Arsch. So dumm stellte er sich doch
gar nicht an, wie er eigentlich tat.
Ich keuchte, als er seine rauen Finger auf der Haut meines Allerwertesten bewegte.
Wanderte nach vorne zu meinem Schritt. „Mach schon!“ Er brauchte mit so etwas
eindeutig zu lange. Mit zitternden Finger fasste er schließlich endlich an den
Saum meiner Boxershorts. Hielt dort aber noch mehr als eine Minute Inne. Jetzt
konnte ich einfach nicht mehr. Zog sie mir einfach selbst aus. Ohne auf seinen
verschreckten Blick zu achten.
„Das konntest du heute schon einmal besser“, meinte ich vorwurfsvoll, als ich
mich ins weiche Gras zurück fallen ließ und mich vor ihm rekelte. „Was wird
das?“, fragte er verwirrt. Ich lächelte leicht. „Ich will dich scharf machen.“
Irritiert sah er an sich herunter. „Bin ich doch schon“, gab er knapp von sich,
als er sich über mich beugte. Zärtlich über meine linke Brustwarze leckte.
Und mehr bekam ich auch wieder nicht. „Wieso machst du nicht endlich weiter?“,
wollte ich wissen. Er legte den Kopf auf meine Brust. „Weil es Euch wehtut!“,
erwiderte er mit fast weinerlicher Stimme. Ich strich ihm übers Haar. „Wie kommst
du denn darauf?“, fragte ich. Er sah langsam auf. „Weil es jedem wehgetan hat!“
Wirklich verstehen tat ich im Moment nicht, wie er darauf kam. „Wem hat es denn
wehgetan?“ Ich wusste zwar, dass es manchmal wirklich schmerzhaft sein konnte,
aber woher sollte er das haben. Ich war der Erste mit dem er geschlafen hatte.
Es gab doch sonst niemanden davor.
„Jedem, den sie missbraucht hatten!“ Meine Augen wurden enger. Wieso sagte er so
etwas? „Wann wurde denn einer von euch Werwölfen missbraucht?“ Ich bohrte einfach
weiter, obwohl ich spürte, dass es ihm innerlich verletzte. „Bei unserem letzen
Besitzern von dem euer Vater mich gekauft hatte. Der hat ein paar von den
Werwölfen, die älter waren als ich, immer missbraucht“, flüsterte er, „die haben
erzählt, dass es wehtun würde!“ War ihm denn diese Erinnerung erst jetzt gekommen?
Oder wieso hatte er noch vor guten zwei Stunden mit mir ohne schlechtes Gewissen
schlafen.
Er blickte langsam auf. „Hat es Euch auch wehgetan?“ Sanft strich ich ihm über
die Wange. „Erst einmal, sag 'du' und nicht 'sie', verstanden! Und zum Zweiten,
es hat nur ganz kurz wehgetan, dann war es aber wirklich schön!“ Es stimmte
sogar. Es war schön. Einfach unglaublich. Etwas Besseres hatte ich davor
eigentlich noch nicht einmal erlebt.
Er seufzte erleichtert. Strahlte im nächsten Moment schon wieder. Wie schnell
man ihn doch glücklich machen konnte. Und wie niedlich er dabei war. Einfach
goldig.
„Also kannst du jetzt weiter machen?“, fragte ich. Eifrig begann er zu nicken.
Fing wieder an meine Brust zu kneten und wollte auch gerade mein Becken etwas
anheben.
„Das geht einfacher“, meinte ich nur und drehte mich auf den Bauch. Hob meine
Hüfte an. Sanft legte er die Finger darauf. Wartete wieder eine fast endlose
Minute. „Jetzt mach schon endlich!“, fauchte ich. Hörte nur noch, wie er leicht
schluckte.
Doch schon in der nächsten Sekunde spürte ich endlich seine Erektion in mir.
Stöhnte auf. Genauso wie er.
Er fuhr mit den Händen über meinen Bauch. Glitt zu meinem steifen Glied hinunter.
Streichelte es. „Nicht ... so!“, brachte ich heraus, während er immer wieder in
mich stieß. Ich wollte zwar durch ihn kommen, aber nicht so, wie beim letzten
Mal. Ohne das er dazu die Hände benutzte war es mir einfach lieber. Gerade im
Moment. Wenn wir so schön im Freien waren.
„Tiefer!“, wimmerte ich. Nur noch ein bisschen weiter. Es würde mir doch schon
reichen. Aber es klappte wohl nicht mehr. Musste eben reichen.
Er stöhnte so verdammt laut. Es halte mir immer wieder Sekunden lang in den
Ohren wider. Wurde dann nur vom darauf folgenden Stöhnen wieder übertönt. Und
selbst hatte ich auch keinen meiner Laute mehr unter Kontrolle. Aber auch kein
Wunder. Ich war schon fast so weit.
„Jesko ... ich ... ich ... komme!“, keuchte ich. Konnte es nicht mehr lange
halten. „Warte noch ein bisschen. Ich bin gleich so weit“, hauchte mir Jesko
außer Atem ins Ohr. Zumindest versuchen hätte ich es können. Aber nicht mal mehr
eine Minute. Dann war es aus.
Mit einem Stöhnen und seinem Namen auf den Lippen kam ich zu meinem Höhepunkt.
Nur eine Sekunde später durch brach seine zarte Stimme die Stille. Mit dem
gleichen, was ich von mir gegeben hatte. Nur war es mein Name, den er unter
einem lustvollen Keuchen von sich gab.
Erschöpft sackte er neben mir ins Gras. Unweigerlich musste ich mich einfach an
ihn kuscheln. Wollte nur noch einen Moment seinen rasenden Atem spüren. Wie er
meine glühende Haut traf.
„Du bist verdammt gut“, keuchte ich, während ich die Finger um seine Schultern
legte. Mich noch enger an ihn schmiegte. Eigentlich müsste ich mich verdammt
dreckig fühlen. Immerhin hatte ich schon das zweite Mal mit einem Werwolf
geschlafen und empfand es auch noch als verflucht gut.
Ein Bad für zwei
Lost Angel
Kapitel 9 – Ein Bad für zwei
Jesko’s PoV
Ich schmiegte mich noch einen Moment an ihn, bevor ich mich aufsetze. Er war
eingeschlafen. Neben mir. Einfach so. Hatte er denn keine Angst, dass ich ihm
noch irgendetwas antat? So sicher konnte er sich doch gar nicht bei mir fühlen.
Und dennoch schlief er. Sah dabei sogar richtig niedlich aus. Wenn er wach war,
wirkte er gar nicht so. Die Kälte war ihm dann buchstäblich ins Gesicht geschrieben.
Ob er wohl einmal richtig von Herzen lachen konnte. Gekonnt hatte er es. Früher
einmal. Das war doch schon so lange her. Aber zumindest wenn so sah er süß aus.
Er war aber auch völlig ausgepowert gewesen. Kein Wunder also, dass er sich
nicht wach halten konnte. Und gerade in diesem Zustand hätte ich ihn doch ganz
einfach zerreißen können. Es wäre ein Leichtes gewesen. Keiner hätte ihm auch
helfen können. Niemand hätte seine gequälten Schreie gehört. Wenn er überhaupt
schreien hätte können. Aber im Grunde konnte ich nicht. Seinem schönen Körper
konnte ich nicht wehtun. Bei jedem anderen Vampir wäre mir das Momentan nicht
schwer gefallen. Aber irgendetwas hinderte mich bei ihm. Vielleicht dieses
kleine, gerade aufblühende Gefühl in mir. Ein klein wenig musste das doch da
auch bei ihm sein. Wie sollte er sich denn mir sonst so hingeben können.
Ich beugte mich über ihn. Sah eine endlose Minute in sein schlafendes Gesicht.
Ich wäre wohl wirklich nicht in der Lage gewesen in zu zerfetzen, obwohl es mich
schon lange einmal interessiert hatte, wie Vampirfleisch wohl schmecken würde.
Ob es wirklich süßer war, als anderes. Ich schluckte. Zart war es sicherlich.
Zumindest seines.
Er reckte sich im Schlaf hoch. Schlang die Arme um meinen Hals. Sanft löste ich
die Umarmung aber sofort wieder. Sammelte meine und seine Klamotten ein. Es wäre
nicht gerade gut, wenn uns so jemand hier draußen entdecken würde. Weder für mich
noch für ihn. Obwohl es für mich wohl schlechter aussehen würde. Er schlief
immerhin und ich war der Werwolf. Keiner würde mir glauben, dass er es freiwillig
getan hatte. 'Sayonara' könnte ich dann nur noch sagen. Es wäre für mich aus. So
schnell könnte ich wohl auch gar nicht schauen. Zum Glück war bis jetzt nur noch
niemand in Sicht. Vielleicht lag das auch einfach nur daran, dass wir so ziemlich
weit hinter der Villa waren und dann auch noch weit genug am Wald.
Binnen Minuten hatte ich mich vollendet angezogen und kurz darauf auch meinen
Herrn. Er war nicht einmal aufgewacht. Wie müde musste er nur gewesen sein, dass
er so fest schlief? Oder war ich einfach nur zu vorsichtig gewesen? Wecken
wollte ich ihn eigentlich wirklich nicht. Gerade wo er anfing im Schlaf etwas
vor sich hinzu murmeln. Irgendwie war er schon ... süß.
Ich spürte, wie mich eine Schneeflocke berührte. Und es sollten noch mehr
werden. Wenn ich mich nicht beeilen würde, dann könnten wir wohl hier draußen
erfrieren oder zumindest würde sich Jemil eine Erkältung – wenn nicht sogar
etwas Schlimmeres – zuziehen.
Sanft nahm ich ihn hoch. Versuchte ihn auch gleich etwas zu wärmen. Er fror doch
so. Das musste ich nicht einmal sehen. Ich spürte es. „Mein armer, kleiner Vampir“,
flüsterte ich. Es war mir im Moment völlig egal ob er nun etwas für mich empfand
oder nicht. Ich ertrug es auch gut und gerne, wenn er mich nicht liebte und nur
einfach mit mir schlafen wollte. Diese Anhäufung von guten Gefühlen reichte mir
schon.
Ich marschierte zum Haus. Einfach geradewegs darauf zu. Mir war ganz egal, ob
dort eine Tür war oder nicht. Blickte mich dann schließlich nach rechts und links
um. Nichts als Mauer vor mir. Nicht einmal ein Fenster. Oder lag das nur daran,
dass ich nicht wirklich viel mehr sah. Es hatte immer schlimmer angefangen zu
schneien. Meine Kleidung war schon leicht durchnässt und bei Jemil sah es auch
nicht besser aus. Ich musste ihn wirklich dringend nach drinnen bringen.
Zwar fand ich bald eine Terrassentür und die war auch offen. Nur war es stockdunkel
und ich sah nichts. Beinahe wäre ich über etwas gestolpert und dann wäre ich
auch noch fast ausgerutscht. Mit ihm im Arm war laufen wohl gar nicht so
einfach. Und bei der Finsternis erst recht nicht.
Plötzlich wurde das Licht angeschaltet und ich blickte in die dunklen Augen von
Jemils Vater. Vor Schreck hätte ich aufschreien können. Aber irgendwie konnte
ich es mir verkneifen. Doch der Schock war mir wohl ins Gesicht geschrieben.
„Was machst du dreckige Missgeburt mit meinem Sohn?“, fauchte der Vampir mich
an. Ich trat ein paar Schritte zurück. War er ihm doch etwas wichtig? Oder lag
es einfach nur daran, dass ich ihn im Arm hatte. „Äh ... er ...er ist ... äh ...
er ist draußen ... zusammengebrochen, Meister.“ Irgendeine Ausrede musste ich
mir einfallen lassen und das war wohl für den Anfang das Beste.
Es kam erst keine Antwort. Verängstigt schluckte ich. Ging noch einmal einen
Schritt zurück. „Wie hast du mich genannt?“, knurrte Jemils Vater. Ich schluckte.
„Mei... Mei... Ich habe Euch Meister genannt.“ Langsam senkte ich den Kopf. Es
wäre wohl falsch gewesen, den Blick noch hoch zu halten.
„Bring ihn in sein Zimmer, Köter!“
Langsam wagte ich es wieder aufzusehen. Blickte wieder direkt in diese dunklen
Augen. Nickte dann zaghaft. „Werde ich machen ... Meister.“
Ich schlich an dem Vampir vorbei. Wagte es nicht mehr ihn auch nur einen Moment
anzusehen. Als ich endlich mit Jemil außer Hör- und Sichtweite war, drückte ich
ihn zärtlich wieder an mich. Seufzte erschöpft. Ich hatte wirklich Panik. Jemils
Vater hätte mich genauso gut umbringen können. Und dennoch hat er es nicht getan.
Wieso denn nur? Hatte ich irgendetwas gemacht, was ihn davon abhielt?
„Na, Wölfchen, wieder deinen Spaß gehabt?“ Ich wirbelte verschreckt herum. Sah
aber nur Devin. Atmete dann erleichtert auf. „Ach nur Ihr“, seufzte ich. Lehnte
mich an die Wand und drückte Jemil erneut an mich.
„Was habt ihr gemacht? Du bist klitschnass!“ Devin zog eine Augenbraue hoch. Sah
mich irritiert an. „Wir waren nur eben noch draußen“, erwiderte ich. Die Augen
des Rothaarigen weiteten sich. „Bist du irre! Jemil wird ohnehin so leicht
krank! Und dann läufst du mit ihm bei dem Wetter draußen herum?“
Besorgt sah ich zu Jemil. Er schmiegte sich im Schlaf an mich. „Dann sollte ich
ihm wohl besser ins Bett bringen!“ Bei meinen Worten zog Devin nur noch die andere
Augenbraue hoch. „Das wird wohl das Beste sein, aber ... lass ihm lieber ein
warmes Bad ein.“
Ich sah zu dem rothaarige Vampir auf. „Aber dann wird er doch wach.“ „Und? So
wird ihm aber nicht warm und erst recht nicht in den nassen Klamotten!“ Ich
nickte langsam. „Dann werde ich das machen.“ Zaghaft marschierte ich weiter.
Doch ich wendete mich noch mal kurz zu dem anderen. Lächelte leicht.
Kurz darauf war ich endlich wieder in 'Jemils' Gang. Betrat einfach das erste
Zimmer. Es sah fast genauso aus, wie das in dem ich die letzten beiden Tage
verbracht hatte. Sanft legte ich ihn aufs Bett. Tapste geradewegs ins Badezimmer.
Nur um gleich das Badewasser einzulassen. Es dauerte Minuten bis endlich genügend
in der Wanne war.
Ich marschierte schließlich zurück in das andere Zimmer. Jemil war aufgewacht
und hatte sich aufgesetzt. Er zitterte leicht. „Ich hab dir ein Bad eingelassen“,
meinte ich. Setzte mich einen Moment neben ihn. Legte leicht den Arm um ihn.
„Du kannst mit baden“, hauchte er mir ins Ohr, als er aufstand und auch gleich
versuchte mich mit hochzuziehen. „Das ist doch doof!“ Ich ließ mich wieder
zurückfallen. Riss ihn dabei unweigerlich mit. Etwas unsanft landete er auf mir.
Rappelte sich etwas wieder auf.
„Hast du mich hergetragen?“, fragte er. Kniete sich kurz wieder neben mich aufs
Bett. Ich nickte. Mit einem fast schon netten Gesichtsausdruck stand er wieder
auf. „Dann kannst du auch mit kommen!“, meinte er nur, als er schon an der Tür
ins Badezimmer stand.
Wirklich wollen tat ich nicht. Er hatte sowieso nur wieder das eine mit mir vor.
Und auch wenn ich mich als sein kleiner Sklave geoutet hatte, musste er nicht
andauernd. Sollte er doch mal wieder seine Finger spielen lassen.
„Komm endlich!“, rief er. Und auch wenn ich gar keine Lust hatte, stand ich
einfach auch auf und ging hinter ihm her. Ich war eben doch nur sein williger
Sklave.
Genüsslich hatte er es sich schon in der Wanne bequem gemacht, als ich eintrat.
Mit einer Handbewegung deutete er mir an, dass ich herkommen sollte, was ich
einfach auch machte. Er legte mir seine nasse Hand auf die Wange. „Komm mit rein!“,
flüsterte er, als mein Blick über seinen Körper schweifte. Wenn ich ihn noch nie
so gesehen hätte, wäre ich wohl rot geworden, aber zu meinem Glück war es nicht
so.
Zaghaft zog ich mich aus. Jemil sah mir mit dem Kopf auf den Wannenrand gelegt
dabei zu. „Dein Körper ist wirklich schön“, meinte er schließlich. Ich konnte
fast schon sehen, wie die Adern unter seiner Haut pulsierten.
„Kommst du jetzt zu mir ins Wasser?“, fragte er vorwurfsvoll, als ich mich keinen
Zentimeter rührte. Etwas unsicher wollte ich es schon machen. Nur fiel mir dann
auf, dass da überhaupt kein Platz mehr für mich war. „Legt dich einfach auf
mich“, meinte Jemil, als ob er es bemerkt hatte, dass ich darüber nachdachte.
Aus irgendeinem Grund hatte ich das dann gemacht. „Bin ich dir auch nicht zu
schwer?“ Es kam mir so vor, als wäre es genau so. „Nein, geht schon!“ Etwas
mühsam brachte er einen seiner Füße unter mir hervor. Legte ihn mir um die
Hüfte. „So ist es besser“, flüsterte er.
Ich fühlte mich nicht gerade wohl bei dem Gedanken, dass ich wirklich gerade so
einfach auf ihm lag. Ohne Hintergedanken. Denn er wohl auch nicht hatte.
„Das wollte ich schon immer mal machen!“ Er reckte sich zu mir hoch. Berührte er
meinen Hals mit seinen Lippen und wanderte dann ein Stück weiter nach unten. Ich
keuchte leicht. „Magst du nicht?“ Jemil sah zu mir auf. Es hatte ihn doch bei
keinem der beiden Male, als wir Sex hatten, interessiert, ob ich wollte. Und
dann fragte er gerade jetzt.
Langsam schüttelte ich den Kopf. Er rutschte etwas hoch. So blieb ein Stück für
mich am eigentlichen Fußende der Wanne. Irgendwie eingeschüchtert zog der Blonde
die Füße ganz nah an den Körper. Zwar hatte ich so noch etwas mehr Platz, aber
es gefiel mir nicht, wenn er so da saß. Wirkte so schüchtern. Das kannte ich
nicht von ihm. Sonst war er doch immer dieses kalte Etwas gewesen. Und jetzt? Er
machte sich wirklich die Mühe mir zu zeigen, wie es ihm ging. Und ich verstand
es sogar, auch ohne Worte.
Zärtlich legte ich die Arme um ihn. Schmiegte mich an ihn. Nur das warme Wasser
war das, was noch zwischen unseren nackten Körper lag. Und gerade dieses ließ
sich ganz leicht verdrängen.
Er summte leicht, als ich sanft mit den Händen über seinen Rücken fuhr. Solche
leichten Berührungen genoss er wohl noch viel mehr, als irgendwelche andere. Da
konnte ich ihn so sehr befummeln, wie ich wollte. Es wäre nie so schön für ihn.
Er presste den Kopf gegen meine Brust. Drückte mich dadurch leicht zurück. Bis
er fast auf mir lag. „Rollen getauscht“, flötete er fröhlich. Ich lächelte nur
leicht. Bis ich den Druck auf meinem Schritt spürte. „Nicht, Jemil!“ Ich
versuchte mich von ihm zu befreien. Doch er ließ nicht locker. „Lass dich doch
etwas von mir verwöhnen, mein süßes, kleines Hündchen!“
Er fuhr mir mit den Fingern durchs nasse Haar. Legte schließlich den Kopf in den
Nacken. „Das ist richtig entspannend“, seufzte er. Nur war das für mich nicht
ganz so angenehm, wenn er so weiter machte. Der aufkommende Druck zwischen
meinen Beinen war nämlich nicht gerade etwas, was man den ganzen Tag haben
wollte.
„Ich glaube, du hast schon genug“, säuselte Jemil. Lächelte aber gleich darauf
ganz leicht. Streckte sich dann auch noch. Ich konnte keinen Moment die Augen
von seinem Körper lassen. Noch vor ein paar Tagen hätte es mich angewidert
irgendeinen Vampir so zu sehen, aber bei ihm war es jetzt sogar ein schöner
Anblick.
Er beugte sich noch einmal kurz über mich. Berührte meine Stirn mit den Lippen
und stand schlussendlich auf. Tapste mit seinen nassen Füßen über die Fliesen.
Nur um sich ein Handtuch um die Hüften zu legen.
Trocknete sich schließlich auch genüsslich langsam ab. Nur damit ich wohl noch
ein paar Blicke auf ihn werfen konnte. Bis er sich anzog. Ohne meinen traurige
Seufzer zu beachten.
„Tu nicht so lüsternd“, kicherte Jemil und drehte sich zu mir um.
Ich hatte es gar nicht bemerkt, dass ich so geschaut hatte. Eigentlich bewunderte
ich doch nur seinen Körper. Sonst nichts.
Er seufzte. „Ich geh dann mal. Lass dir Zeit und entspann dich noch ein bisschen“,
meinte der Vampir noch, bevor er den Raum verließ. Wieso wollte er denn nur
plötzlich so schnell weg? Hatte er etwas gehört?
Ihr zwei passt zusammen
Lost Angel
Kapitel 10 – Ihr zwei passt zusammen
Jemil’s PoV
Ich wollte ihn gar nicht alleine lassen. Doch ich hatte etwas gehört. Jemand war
ins Zimmer gekommen. Hatte es sich auf meinem Bett bequem gemacht.
„Was willst du, Mila?“, fragte ich knautschig. Wie gerne hätte ich noch mit
Jesko jetzt in der Badewanne gelegen. Es hatte ihm doch gefallen. Zumindest ein
bisschen. Hat meine Nähe genossen. Obwohl er mich doch etwas verwirrt angesehen
hatte. Ganz verstand ich mich eigentlich auch nicht. Er war der Erste, dem ich
wirklich in meine Nähe ließ. Von dem ich mich überhaupt anfassen ließ. Und
dennoch wollte ich nicht, dass mich jemand berührte. Vielleicht dadurch spürte,
was in mir vorging. Doch eigentlich hatte er das so schon mitbekommen. Er wusste
wohl ansatzweise, was ich fühlte. Und verstand es trotzdem nicht.
„Du bist eben einfach weg. Wieso denn?“ Mila sah mich mit großen Augen an. Wie
mich dieser Blick nervte. Ich sank neben ihr aufs Bett. Atmete einmal tief
durch. „Ich hatte einfach keine Bock auf meinen Vater und so!“ Ich blickte sie
kühl an. Nie hatte ich es gewagt gegenüber ihr irgendein Gefühl in meinem Blick
widerspiegeln zu lassen. Tat das sonst ja nie irgendeinem anderen. Es gab im
Moment nur eine Person, der ich versuchte zu offenbaren, wie ich fühlte.
Gerade als ich noch etwas sagen wollte, wurde zaghaft die Badezimmertür
geöffnet. Milas Augen weiteten sich, als sie sah, wer da heraus spitze. „Der
Wolf“, murmelte sie. Wie hatte sie ihn nur so schnell erkannt? Sie hatte ihn
doch draußen nicht einmal richtig angesehen.
Mila wendete sich zu mir. „Du hältst so ein ... Tier hier bei dir?“ Wieso redete
sie denn plötzlich so herablassend? Sonst bemitleidet sie sie doch immer. Hat
sich das auf einmal geändert
Ich nickte. Wendete meinen Blick aber gleich auf Jesko, der mir direkt in die
Augen sah. „Entschuldigt, Meister“, flüsterte er. Verharrte immer noch an der
Tür. Wagte es nicht auch nur einen Schritt zu tun.
Abrupt viel Mila mir um den Hals. „Du bist ja doch so nett!“ Ich wusste gar
nicht wie mir geschah. Versuchte sie wieder von mir weg zuschieben. „Lass mich
los!“, fauchte ich, als es nichts half. „Aber, Jemil, sonst tust du doch immer
so, als ob du sie hasst und jetzt ...“ Wieder schlang sie die Arme um mich.
Hilfe suchend blickte ich zu Jesko. Es schien, als würden sich gerade seine
Augen mit Tränen füllen. „Heul nicht!“, rief ich. Schlagartig ließ mich das
Mädchen wieder los. Blickte sich zu dem jungen Werwolf um, dem schon vereinzelte
Tränen über die Wangen liefen. Verwirrt wurde er von Mila angesehen. Doch sie
stand sofort auf. Legte ihm die Arme um die Schultern.
„Hör doch auf, Wölfchen“, flüsterte sie. Wiegte ihn leicht hin und her. Er
schluchzte. Was war nur los mit ihm? Was hatte ihn denn jetzt so traurig
gemacht? Vielleicht Mila? Weil sie mich in den Arm genommen hatte? Aber was
sollte ihn denn das interessieren? Ich liebte ihn doch nicht. Er war doch für
mich nur für den Sex gut. Sonst nichts.
„Na, geht es wieder, Wölfchen?“ Es hatte Minuten gedauert, bis er aufgehört
hatte zu schluchzen. Und er nickte sogar langsam. Sah Mila aber mit großen Augen
an. „Magst du meinen Meister?“, fragte er. Klang fast schon, wie eine kleines
Kind. Irgendetwas flüsterte sie ihm ins Ohr. Doch das verstand ich nicht. Dabei
hätte ich es mich so interessiert. Nur ihre Antwort. Ob sie mich mochte. Fragen
wollte ich jetzt aber auch nicht. Ich war nicht der Typ, der neugierig war.
Eigentlich zumindest. Denn es interessierte mich rasend. Trieben mich gerade in
den Wahnsinn und trotzdem ließ ich mir nichts anmerken, als sich Mila mit Jesko
im Schlepptau wieder neben mich setzte.
„Ich finde das so niedlich von dir, dass du dich um ihn kümmerst!“ Sie sah
liebevoll zu dem Werwolf, der nur auf den Boden starrte. Wohl nicht ganz wusste,
was er sagen sollte und ob er überhaupt durfte.
Für einen winzigen Augenblick lächelte ich. Aber es war doch etwas zu lang. „Du
kannst es ja doch!“, freute sich plötzlich Mila. Ich blickte sie verwirrt an.
„Du kannst lächeln!“ Ich nickte nur langsam. Konnte aber keine Sekunde meinen
Augen von Jesko abwenden. Wie schüchtern er doch war. Das wirkte verdammt süß.
Ich musste schlucken. Sonst hätte ich mich wohl auf ihn gestürzt. Das wollte ich
nicht unbedingt machen, wenn Mila da war. Und gerade die blickte verwirrt zwischen
uns hin und her. „Kann es sein, dass ihr ein Pärchen seid?“, fragte sie da auf
einmal. Ich schreckte aus meiner leichten Trance. „Nein!“, rief ich sofort.
Doch da vernahm ich schon wieder das Schniefen von Jesko. Mila wendete sich zu
ihm. „Was ist denn, Wölfchen?“ Mitfühlend legte sie ihm den Arm um. Drückte ihn
leicht an sich. Und wieder heulte er und ich verstand nicht wieso.
Mila blickte mich an. „Ich glaube dein Wölfchen sieht das alles ganz anderes!“
Ich wendete den Blick ab. Zum einen, weil ich das nicht hören wollte, und zum
anderen, weil ich ihn einfach nicht weinen sehen konnte.
„Ach komm schon, Jemil, du magst ihn doch sicherlich auch!“ Bei ihren Worten gab
ich ein Knurren von mir. Mögen vielleicht, aber nicht so wie sie dachte. „Soll
er doch“, flüsterte Jesko. Kaum hörbar. Ich drehte den Kopf wieder zu den beiden.
Der durchdringende Blick des jungen Werwolf jagte mir fast schon Angst ein. Er
hatte so etwas Erniedrigendes. Herablassendes. Und doch mit soviel Trauer
getränkt.
Ich ertrug es wieder nicht. Sah weg.
„Jemil?“ Mila legte mir einen Arm um die Schultern. Überdeutlich seufzte sie.
Doch darauf konnte ich nicht lange achten. Ich spürte zwei Hände auf meinen Knien.
Als ich hinunter sah, saß Jesko vor mir. Legte gerade seinen Kopf auf meine
Schoss. Ich zuckte zusammen. Wollte ihm eigentlich übers Haar streicheln, doch
da spürte ich Milas Blick.
„Was ist denn?“, knurrte ich. „Du magst ihn doch, sonst ... na ja, sonst würdest
du das nicht wollen!“, erwiderte Mila. Langsam wanderte mein Blick wieder zu
Jesko hinunter. Er kuschelte sich an mich. Sie hatte wohl doch Recht. Irgendwas
war da schon, wenn er sich so an mich schmiegte. Ich mochte es. Irgendwie war es
sogar schön, dass er gerade da war.
„Ich lass euch mal alleine!“
Die junge Vampirin stand plötzlich auf. Eigentlich wollte ich gar nicht das sie
ging. „Warte!“, rief ich. Sie wendete sich noch einmal zu mir herum. „Was ist
denn? Ich will euch nicht stören!“ Ich schluckte. „Erzähl niemanden davon. Wissen
sowieso schon zu viele!“ Sie zog bei meinen Worten eine Augenbraue hoch. „Wer
weiß es denn noch?“ „Devin“, antwortete ich knapp. Mehr waren es eigentlich
auch noch nicht. Soweit ich zumindest wusste. „Na ja, ich halt zumindest die
Klappe.“ Sie wollte jetzt wohl endgültig gehen. Blieb aber trotzdem noch einmal
an der Tür stehen. „Tu ihm nicht weh!“, meinte sie eindringlich, bevor sie die
Tür hinter sich schloss.
„Sie ist nett.“ Ich blickte zu Jesko hinunter, der das gesagt hatte. „Ist sie“,
erwiderte ich nur knapp. Zog ihn zu mir hoch. Er sah mich für einen Moment
leicht verwirrt an. Schien so, als ob er etwas sagen wollte. Doch ich legte ihn
einen Finger auf die Lippen. „Sag nichts“, trug ich ihm auf. Kam seinem Gesicht
ganz nahe. Nur noch Millimeter lagen dazwischen. Doch er wich zurück. „Du magst
mich doch gar nicht.“ Er klang weinerlich. Und irgendwie eingeschüchtert.
„Nein ... aber ... na ja ... ich kann einfach nicht sofort jemanden lieben“,
versuchte ich mich zu rechtfertigen. Doch er hörte mir gar nicht zu. Kroch aufs
Bett und rollte sich dort zusammen. „Du willst nur mit mir ficken“, flüsterte er.
Ich seufzte. Am Anfang war das schon so. Nur jetzt? Ich wusste es doch selbst
nicht richtig. Ein Gefühlschaos herrschte in mir. Auf der einen Seite wollte ich
mich niemanden nähern. Und auf der anderen wurde ich irgendwie von ihm angezogen.
Nicht nur von seinem Körper. Auch sein ganzes Verhalten. Er wirkte manchmal
einfach so niedlich. Wenn er schlief. Nur so auf dem Bett lag. Oder wenn er
irgendetwas nicht verstand. Dann war er immer so putzig. Sah einen dann immer
mit so süßen, großen Augen an.
Zaghaft legte ich mich zu ihm. Aber er rutschte nur von mir weg. Wollte nicht in
meiner Nähe sein. Und dann war er plötzlich weg. Ich hörte ihn nur noch auf
jaulen. Ein Kichern konnte ich mir jetzt einfach nicht mehr verkneifen. „Das war
wohl zu weit“, meinte ich. Kroch auf die andere Seite. Er blickte mich wieder
mit diesen schönen, braunen Augen an.
„Du machst dich doch nur über mich lustig.“ Wieder dieses Weinerliche in seiner
Stimmen. Das wollte ich eigentlich gar nicht hören.
Unsicher nahm ich seine Hand. Führte sie zu meinem Mund. Berührte sie leicht mit
den Lippen. Nahm seinen Geschmack in mir auf. Zog seinen Geruch durch meine Nase
in mich auf. Verfiel fast in eine Art Trance. Ich keuchte ganz leicht.
Abrupt zog ich ihn hoch. Schlang die Arme um ihn. Nur um mich kurz darauf – samt
ihm – aufs Bett zurückfallen zu lassen. Rekelte mich unter ihm. „Was machst du
denn?“ Er rappelte sich wieder auf. Blickte mich verwirrt an. „Ich will doch
nur, dass du es spürst!“, flüsterte ich.
Eigentlich wollte ich es mir nicht eingestehen. Doch irgendetwas in mir sagte
mir, dass ich dieses Gefühl doch gegen ihn hegte. Auch wenn es sich erst in mir
hoch kämpfen muss. Ich wollte es doch eigentlich gar nicht fühlen. Gefühle zeigte
ich sonst nie gegenüber irgendjemanden und gerade dieser kleine Werwolf würde es
wohl schaffen, dass ich mich jemanden öffnete.
Er betete plötzlich die Arme neben mich auf dem Bett. Beugte sich zu mir herunter.
Jetzt lag ich unter ihm. So wollte ich es nie enden lassen. Nie sollte jemand
über mir sein. Er betete seine Lippen auf meinen Hals. Ich kraulte ihn hinter
dem rechten Ohr. Vernahm ein Seufzen von ihm, als er den Kopf auf meine Brust
legte. Sich selbst neben mich legte.
„Du bist gemein zu mir“, flüsterte Jesko. Kuschelte sich aber dennoch ganz eng
an mich. Fuhr plötzlich mit den Fingern unter mein Shirt. Ich schloss für einen
Moment die Augen um seine Berührungen auf mich wirken zu lassen. „Hmm“, gab ich
von mir. Nahm seine andere Hand und führte sie nach unten. Doch er riss sich los.
„Das will ich nicht“, knurrte er. Ich hob wieder ein Lid. Schloss es aber auch
gleich wieder. Spürte die aufkommende Müdigkeit in mir.
„Darf ich schlafen?“, fragte ich. Dabei müsste ich das nicht. Sollte es eigentlich
auch nicht. Und dennoch hatte ich es getan. Wusste nicht einmal wieso. Da fühlte
ich aber erneut seine Finger. Nur dieses Mal an meinem Hals. Er zog mich zu sich.
„Das musst du mich doch nicht fragen. Du darfst schlafen, wann du willst!“ Er klang
so liebevoll und fürsorglich. Kam noch ein Stück näher zu mir. Dabei lagen wir
schon fast dicht an dicht. Viel lag nicht mehr zwischen uns. Ich spürte doch
schon jeden Zentimeter seines Körpers. Jeden Atemzug. Jeden Herzschlag. Und
empfand jedes bisschen Wärme von ihm. Wie schön angenehm das war. Fühlte sich
aber auch interessant an. So nah war ich noch nie bei jemanden. Zumindest so
weit ich mich eben erinnern konnte. Vielleicht hatte mich einmal meine Mutter so
im Arm gehabt. Bevor mich mein Vater zu sich geholt hatte.
Ich erinnerte mich nicht an meine Mam. Wusste nur, dass sie geweint hatte, als
ich weg musste. Und mir noch lange hinterher gesehen hatte. Es war, als würde
ich jetzt wieder ihr Schluchzen in den Ohren hören. Aber es war nur Einbildung.
Denn niemand weinte. Nicht einmal Jesko. Der war eingeschlafen. Dabei wollte ich
das doch. Ich wollte schlafen und jetzt schlief er. Nicht ich. Doch im Moment
konnte ich nicht mehr. Er war wieder so unglaublich süß.
Ich schmiegte meinen Kopf an seine Brust. Versuchte schlussendlich auch etwas zu
schlafen. Obwohl es doch für mich zu früh war. Aber es gelang mir dennoch
einzuschlafen. Neben ihm. In seinen Armen.
Kälte und Wärme
Lost Angel
Kapitel 11 – Kälte und Wärme
Jesko’s PoV
Ich sprang auf. Vor lauter Schreck. Er hatte wirklich die ganze Nacht neben mir
geschlafen. Einfach so? Ohne Rücksicht auf das, was passieren würde, wenn uns
jemand erwischt. Dachte gerade der Richtige.
Ich sank auf den Boden. Legte meinen Kopf aufs Bett und warte. Bis er wach wurde.
Das könnte aber noch dauern. Auf meinen nackten Rücken fielen ganz leicht
Sonnenstrahlen. Es war draußen taghell. Nur er lag im Schatten. Ob er da wohl
wirklich hingehörte? In diese Dunkelheit? Freiwillig war er dort zumindest nicht.
Das spürte ich. Ganz deutlich. Er wollte ins Licht. Nur das ihn das für immer
verwehrt bleiben würde.
Langsam wurde mir warm. Zu warm. Obwohl es doch schon November ... nein, sogar
fast Dezember war, war es hier drinnen viel zu warm. Zwar gab es keine Heizungen,
aber in fast jedem Zimmer einen Kamin oder zumindest war jeder Raum irgendwie
über das Lüftungssystem mit einem verbunden, das einen hatte. So hatte es sogar
in diesem alten Gemäuer angenehme Temperaturen. Wie man eben 'angenehm'
definiert.
Ich wendete mich von Jemil ab. Tapste zum Fenster um dieses zu öffnen. Ein kalter
Wind schlug mir ins Gesicht. Und erst jetzt bemerkte ich, dass es geschneit
hatte. Gestern hatten wir es noch im Gras miteinander getrieben und jetzt könnten
wir es in dieser weißen Pracht tun. Ob der junge Vampir das wohl machen würde.
Ich drehte mich etwas zu ihm um. Ein Grinsen zeichnete sich auf meinem Gesicht.
Er hatte sich ganz unter der Decke verkrochen. Vielleicht wurde ihm kalt?
„Jemil?“, flüsterte ich. Nur um zu testen, ob er wach war. Doch es kam keine
Reaktion. Er schlief wohl noch. Und dabei hatten wir gar nichts gemacht. Letzte
Nacht. Keine Matratzengymnastik. Gar nichts. Irgendwie schon seltsam. Dabei hätte
wohl er schon gerne.
Ich schloss leise das Fenster wieder. Selbst ich fror etwas. Zwar nur ein
bisschen. Aber es reichte mir gut und gerne aus. Und er würde wohl sonst erst
recht noch zum Frieren anfangen.
Zaghaft setze ich mich auf die Bettkante. Wie gerne hätte ich ihm jetzt über das
blonde Haar gestrichen. Aber er war immer noch nicht wieder unter der Decke
hervor gekommen. Da unten musste es wohl schön warm sein. Sonst würde er auch
nicht so lange dort bleiben.
„Jemil?“, flüsterte ich erneut. Etwas lauter. Und endlich tat sich etwas. Sein
blonder Kopf spitzte unter der Steppdecke hervor.
„Mir ist kalt.“ Er schlotterte. Klapperte sogar überdeutlich mit den Zähnen. Ob
ich ihn wohl in den Arm nehmen durfte um ihn zu wärmen? Ganz klar war ich mir
noch nicht, was ich durfte und was nicht.
„Tut mir Leid, mir war warm und deswegen habe ich das Fenster kurz einmal
aufgemacht.“ So zaghaft hatte ich noch nie wirklich jemanden etwas erzählt. Doch
jetzt war es wohl nötig.
Er setzte sich auf. Blickte mich desinteressiert an. Wie ich diesen Gesichtsausdruck
hasste. Gerade wenn er mich damit ansah. Ich senkte den Kopf. Traute mich nicht
ihn anzuschauen. Dabei hatte er es mir selbst erlaubt. Ich durfte ihn ansehen.
Sogar anfassen, wenn er zumindest wollte. Und wie das jetzt war wusste ich leider
nicht. Dabei hätte ich zu gerne seine Haut gespürt.
Leicht spitze ich wieder hoch, denn er hatte die Arme um mich geschlungen.
Wanderte mit seinem heißen Atem über meine Brust. Mein Shirt musste er mir wohl
irgendwann heute Nacht ausgezogen haben. Das gefiel ihm wohl. So schlecht sah ich
möglicherweise für ihn nicht aus. Auch wenn er bis jetzt in der Art noch nichts
gesagt hatte. Nicht einmal annähernd erwähnt.
Plötzlich spürte ich seine Zunge an meiner linken Brustwarze. Und gleich darauf
wieder seinen Atem. Ich keuchte. Nur ganz leicht. Dieses Gefühl durchfuhr meinen
ganzen Körper. Kribbelte bis in die Fingerspitzen.
Aber wieso macht er das? Nur wegen Mila? Weil sie gesagt hatte, wir würden zusammen
passen? Das wäre doch dumm! Es konnte sich doch nicht zu seinen Gefühlen zwingen.
Das war doch dann sinnlos. Er würde doch nie das Gleiche empfinden, was ich.
Zumindest was ich dachte, was ich ihm gegenüber fühlte.
Gefügig ließ ich mich dennoch von seinen Lippen verwöhnen. Bis er nach einigen
Minuten von mir abließ. Er keuchte leicht. Sah zu mir auf. Er wirkte noch etwas
verschlafen. So wie ich meinte, war es aber erst gegen Nachmittag. Nur da es
bewölkt war fiel kein Tageslicht in den Raum. Nur ein bisschen. Sonne ohnehin
kaum. Und er konnte sich fast frei im Raum bewegen. Das einzige was ihn
zurückhielt waren meine Arme, die ich um ihn geschlungen hatte.
Wieso sollte auch nur er das dürfen? Ich wollte ihn doch auch spüren. Sanft fuhr
ich über seine von seinem Shirt bedeckte Brust. Aber auf einmal drückte er mich
weg. Hatte er sich doch nicht so sehr von Mila überzeugen lassen? Oder wollte er
einfach einmal mehr meine Nähe nicht?
„Was ist denn?“
Ich wendete mich zu ihm um. Wartete wie gebannt auf eine Antwort. Doch ich bekam
keine. Nur diesen irre bösen Blick. Wie mir der Angst einjagte. Hatte ich denn so
große Scheiße gebaut? War ich zu aufdringlich?
Ich schluckte, als er wieder zu mir zurückkam. Mit seinen Fingern über meinen
Hals wanderte, den ich ihm fast unterwürfig hinschreckte. Ich spürte auch ganz
deutlich seine Fingernägel. Er hinter ließ damit wohl blutige Spuren auf meiner
Kehle. Vielleicht nur ganz dünne. Doch möglicherweise war er sauer auf mich. Dann
könnte er mir genauso gut die Halsschlagader durchtrennen. So etwas hatte er doch
auch schon mit so vielen anderen gemacht. Das er die Nägel eigentlich ohne
Waffenschein besitzen durfte.
Langsam beugte er sich über mich. Saugte an meinem Hals. Nur rührte er das Blut
darauf nicht an. Ließ es über meine Brust laufen. Es war noch ganz warm.
Ich zuckte zusammen, als er von mir abließ. So plötzlich. Das hatte sich auf
einmal alles so gut angefühlt. Meinetwegen hätte er weiter machen können. Ein
paar Streicheleinheiten wären auch nicht schlecht gewesen.
„Was hältst du von ... Sauna?“
Das fragte er mich? Mich? Er würde mich doch ohne hin zwingen mit zu gehen. Ob
ich jetzt wollte oder nicht. Es wäre ihm scheißegal! Wenn er wollte, dann musste
ich doch eigentlich auch. Und hier alleine bleiben? Nein! Zwei Vampire wussten
schon, dass ich hier war und da konnte es viel zu leicht sein, dass die
möglicherweise doch nicht die Schnauze halten konnte.
Aber halt! Die häusliche Sauna im 2. Untergeschoss war für Werwölfe strengstens
verboten. In die gesamte Etage wurden wir nur gelassen, wenn mal wieder geputzt
werden musste. Und das kam dort unten seltsamerweise durchschnittlich selten vor.
Wieso das so war hatte ich mich eigentlich schon immer gefragt. Nur zu fragen
hatte ich nie gewagt. Vielleicht lag es aber auch einfach nur daran, dass dort
die gesamten Erholungsräume waren und Pack, wie Werwölfe, an solchen Orten nichts
zu suchen hatten.
„Dein Schweigen deute ich jetzt einfach mal als ein 'Super'“, meinte Jemil, „also
komm!“ Er zog mich hoch. Ich hätte wohl nicht so lange über nutzloses Zeug
nachdenken sollen und ihm lieber sagen, dass ich nur einen Hitzschlag kriege,
wenn er mit mir in so etwas, wie eine Sauna gehen würde. Mir war doch hier drin
schon manchmal zu heiß. Da unten konnte es doch nur schlimmer sein.
Nachdem ich mir also noch mein Shirt anziehen durfte, zog Jemil mich hinter sich
her in den Gang hinaus. Da es Tag war trieb sich dort niemand herum. Zumindest
bis jetzt noch nicht. Erst in den paar Stunden vor Sonnenuntergang würden die
meisten Vampire wach werden und die Werwölfe hielten sich ohnehin draußen auf. So
konnten wir zumindest ungestört durch die Flure schleichen. Auch wenn es mir
scharf so vorkam, als würde Jemil mit mir Händchen halten, denn er wollte mich
gar nicht mehr loslassen, obwohl ich sowieso gefügig hinter ihm herlief. Dennoch
– obwohl es mich etwas störte – sagte ich nichts. Ich wollte ihn nicht mehr
wütend sehen.
Minuten später kamen wir endlich im 2. Untergeschoss an. Die Saunen lagen
ziemlich im vorderen Teil. Direkt hinter den Solarien. Für was auch immer Vampire
die brauchten. Braun wurden sie so oder so nicht.
Im Vorraum der kleinen Sauna – wie Jemil sie nannte – zogen wir uns aus. Ohne
auch nur noch ein bisschen Scharm zu zeigen, ließ ich mich sogar von ihm helfen.
Mich auch ganz kurz auf den Bauch küssen, bevor wir schließlich in die
eigentliche Sauna gingen.
„Ich hab extra vorheizen lassen“, meinte der blonde Vampir grinsend mit einem
Handtuch – wie auch ich – um die Hüften, als er sich auf eine der mit Holz
beschlagenen Steinbänke nieder ließ. Es sich schon sichtlich bequem machte,
während ich aus dem Staunen nicht mehr heraus kam. Kleine Sauna war gut. Ich
wollte gar nicht wissen, wie eine große aussah. Diese war nämlich riesig. Größere
als ich es mir vorgestellt hatte.
„Jesko!“
Bei meiner ganzen Verwunderung hatte ich gar nicht mehr auf Jemil geachtet. Ich
wirbelte herum. Am liebsten hätte ich mich aber gleich wieder umgedreht.
Der Vampir lag auf der Bank. Die Beine angewinkelt und gespreizt. Sah mich fast
flehend an.
„Fick mich!“
Für einen Moment stockte mir der Atem. Er konnte sich doch nicht so vor mich
hinlegen. Und dann erst recht nicht so etwas von mir verlangen!
„Aber ich kann doch nicht...“, fing ich an, wurde jedoch von ihm unterbrochen.
„Fick mich oder bring mich um!“
Ganz trauen wollte ich meinen Ohren nicht mehr. Das konnte er gar nicht gesagt
haben. Oder er konnte es zumindest nicht so meinen. Sonst hätte er schon verrückt
sein müssen. Wieso sollte er mich um so etwas auch bitten. In einer solchen Lage.
Ich wurde leicht rot.
„Red doch nicht so einen Mist! Das meinst du doch gar nicht so!“, erwiderte ich
also einfach und lächelte dabei auch noch so verdammt unsicher.
„Ich meine es aber so! Also was willst du?“
„Keines von beiden“, gab ich hastig zu Antwort. Ich würde ihn nie töten. Und auf
Sex hatte ich – ehrlich gesagt – keinen Bock. Zumindest nicht hier. Mir war viel
zu heiß. Noch mehr schwitzen konnte ich kaum noch.
Doch sein bettelnder Blick sagte mir, dass ich wohl eins von beiden tun sollte,
wenn nicht gar musste. Aber das könnte ich nie.
„Wieso wollt ihr den sterben?“, fragte ich aber, bevor ich mir noch einmal
Gedanken über sein 'Angebot' machte.
Er sah sofort weg. Wollte er möglicherweise nicht darüber reden? Zumindest sah es
so aus. Lag es vielleicht an mir? Konnte er es mir einfach nicht sagen?
„Weil nichts mehr für mich Sinn hat!“, erwiderte er schließlich. Und genau das
konnte ich nicht glauben. Wieso sollte denn alles keinen Sinn mehr für ihn haben?
Ich beugte mich über ihn. Stützte mich mit einem Arm neben ihm ab. Mit der anderen
drückte ich seine Beine auseinander.
„Erzähl es mir doch“, meinte ich mitfühlend. Und langsam wendete er auch den
Blick wieder zu mir.
„Selbst kann ich es einfach nicht“, begann er, während sich meine Augen
schlagartig weiteten, „ich hab es schon oft genug versucht!“
Ich drückte ihn an mich. Bettete seinen Kopf an meine Brust. Spürte seinen warmen
Atem darauf.
„Wenn ich den ersten Tropfen meines Blutes gesehen habe, ist mir immer schlecht
geworden ... also bitte! Bring mich um!“ Dass ich momentan nicht mit ihm schlafen
wollte, musste er wohl schon bemerkt haben. Aber dass er dann gleich so etwas
sagen würde, war doch einfach nur krank! Wie konnte er denn jetzt schon nicht
mehr leben wollen? Dafür musste es doch einen Grund geben. Einen wirklich guten!
„Wieso?“, wollte ich wissen. Drückte ihn noch ein bisschen enger an mich.
Leicht fing er an den Kopf zu schütteln. „Das würdest du nicht verstehen!“
Eigentlich wollte ich darauf etwas erwidern. Doch ich wurde plötzlich von ihm
weggerissen. Landete schmerzhaft an der gegenüberliegenden Wand.
„Verschwinde, Drecksköter!“ brüllte mich ein großgewachsener, dunkelhaariger Kerl
an, der mindestens fünf Jahre älter war als ich, zumindest von Aussehen her. Dass
er ein Vampir war, wusste ich auf Anhieb. Wer sollte sich auch sonst noch hier
unten aufhalten?
Ich wollte diesen Blutsauger anbrüllen. Doch da fiel mein Blick auf Jemil. Er
kauerte sich zusammen. Vor Angst? So hatte ich ihn noch nie gesehen. Er zitterte.
Und dieser Blick. Er wirkte fast panisch. Dieser Kerl musste ihm doch schon
irgendetwas angetan haben. Aber ich hatte ihn noch nie gesehen. Bis auf seine
Augen. Dieses Dunkle war mir irgendwie bekannt. Nur woher? Solche Augen konnte
man doch nicht einfach vergessen. Die würden sich doch in einen einbrennen.
Gerade da sie nicht unbedingt von Freundlichkeit überquollen, sondern eher einen
gewissen Hass und Verachtung ausstrahlten. Das Gleiche was die von Jemil noch vor
ein paar Tagen getan hatten. Aber die hatten sich verändert. Ins komplette
Gegenteil. Bei ihm strahlten sie jetzt etwas ganz anders aus. Und jetzt im Moment
erst Recht. Da war etwas zwischen ihnen, was ich wohl wirklich nicht verstehen
konnte. Wieso sollte auch ein Vampir Angst von einem anderen haben? Sie durften
sich doch eigentlich gar nichts gegenseitig antun. Oder irrte ich mich da mal
wieder? Hatte ich doch in den letzten Tagen schon viel zu oft getan.
Verhasster Bruder
Lost Angel
Kapitel 12 – Verhasster Bruder
Jemil’s PoV
Was wollte er hier? Wieso war er hier? Gerade jetzt? Wieso denn nur?
Ich zitterte vor Angst, als er sich über mich beugte. Seine Augen war so voller
Lust. Er würde es doch nicht wieder tun wollen? Einfach so. Er durfte doch nicht.
Nicht mit mir.
Als er meinen Hals mit den Lippen berührte zuckte ich zusammen. “Pio”, keuchte
ich. Kniff die Augen zusammen. “Was ist denn, Jemil? Willst du nicht vor deinem
Wölfchen?” Ich warf über seine Schulter hinweg einen Blick zu Jesko. Er hockte
an die Wand gelehnt. Sah geschockt zu mir. Krampfhaft versuchte ich mich jetzt
von Pio loszureißen. Ich wollte zu Jesko. Oder zumindest sollte er mir helfen.
Aber er rührte sich nicht. Kein Stück.
Pio ließ mich plötzlich los. Drehte sich zu meinem Werwolf um. “Raus hier, Köter!”,
fauchte er ihn an. Doch Jesko sah nur desinteressiert zu ihm auf. Kniff die Augen
zu Schlitzen zusammen. “Dann lass die Finger von Jemil!”, knurrte der Wolf. Doch
ich wusste das Pio das nie tun würde. Noch nie hatte er die Finger von mir
gelassen.
Er ging zu Jesko. Und hob plötzlich die Hand. Doch die schnellte gleich wieder
hinunter. Traf ihn flach im Gesicht. “Raus hier, hab ich gesagt! Du Miesgeburt!”
Und dennoch tat der Werwolf noch immer keinen Zucker. Es tat ihm wohl auch gar
nicht weh.
“Jesko?”, rief ich. Aber er reagierte gar nicht. Stand nur langsam auf. Öffnete
ganz leicht den Mund. Biss aber im nächsten Moment schon wieder die Zähne zusammen
und knurrte. Meine Augen weiteten sich. Was machte er denn? Pio würde ihn umbringen!
Dafür kannte ich ihn viel zu gut. Und auch schon viel zu lange.
Ein Knall ließ mich zusammen fahren. Wieder hatte der Vampir auf Jesko eingeschlagen
und der landete an der Wand. Jaulte vor Schmerz auf. “Lass ihn … Bruder!” Ich
sank auf dem Boden zusammen. Sollte er doch mit mir machen was er wollte, aber
Jesko sollte er in Ruhe lassen.
“Wie hast du mich genannt?”, fragte Pio. Wendete sich mit bösem Blick zu mir.
Ich hätte es wohl nicht sagen sollen. Wir waren keine Brüder. Keine ganzen
zumindest. Nur Halbbrüder. Seine Mutter war die, von der ich gedacht hatte, dass
es auch meine sei. Bevor ich erfahren hatte, dass ich zur Hälfte Mensch war.
Doch das ich nicht normal war, wusste ich eigentlich davor schon, so verachtend
er mich immer behandelt hatte.
“Wirf deinen Wolf raus, dann lass ich ihn in Ruhe, Kleiner!” Pio hatte die Hand
an meinen Hals gelegt. Mich fast sanft zurückgedrückt. Ich wehrte mich nicht. Er
war ohnehin stärker als ich, auch wenn er nicht so aussah.
Einmal atmete ich tief durch. “Jesko”, rief ich, “geh!” Er würde es doch sowieso
nicht tun. Jesko ließ mich nicht einfach alleine. Nicht mit ihm.
Leicht drehte sich Pio um. Schwankend stand der Werwolf jetzt vor ihm. Er blutete.
Mein Jesko blutete. Ich wollte ihm helfen. Kam aber einfach nicht los. “Hast du
deinen Herrn gehört?”, fragte mein Halbbruder. Sah ihn mit festem Blick an.
Langsam nickte Jesko. Blickte mich noch einen Moment an, bevor er zur Tür torkelte.
Ging er denn jetzt wirklich? Ich wollte nicht, dass er ging. War mir viel zu
sicher, was Pio mit mir anstellen würde.
“Jesko”, flüsterte ich, bevor mich Pio zu Boden warf. Dort rührte ich mich nicht
mehr. Wartete nur. Jetzt machte es mir nichts mehr aus, was er mit mir tat. Mein
Wölfchen würde es nicht sehen. Nicht wissen, wie mir wehgetan werden würde.
Pio beugte sich über mich. Ich spürte seinen Atem auf meiner Wange. Diesen ganz
leichten Hauch. Viel schwächer als meiner. Wie ich es Jesko erklärt hatte.
“Ach komm, Brüderchen, du kennst das doch schon.” Er streichelte über meine Brust.
Doch dazu zeigte ich keine Reaktion. Natürlich kannte ich das. Und ich hasse es.
Jede seiner Berührungen. Jedes Mal wenn seine Fingerspitzen meine Haut trafen.
Ich zuckte nicht einmal, als er anfing meine Brustwarzen zu massieren. Versuchte
meinen Atem ruhig zu halten. Obwohl ich mir vorstellte, dass Jesko mich anfasste.
Das wäre jetzt viel schöner gewesen. Lieber wäre ich jetzt auch bei ihm. Würde
jetzt lieber in seinen Armen liegen und nicht zwischen den Fingern meines
Halbbruders.
“Komm schon Jemil, mach doch mit! Früher hast du doch auch immer mitgespielt!”
Mitgespielt zwar schon, aber nie freiwillig. Er hatte mich doch dazu gezwungen.
Immer. Jedes Mal. Und das waren schon viel zu viele.
Ich spürte seine Lippen auf meiner Brust. Und eine seiner Hände unter dem Handtuch,
dass ich immer noch um meine Hüften hatte. Ich versuchte mich zu winden. Wollte
weg. Aber weit kam ich nicht. Er hielt mich ganz einfach fest.
“Wo willst du denn hin?” Ein fieses Grinsen bildete sich auf seinen Lippen.
Versetzte mich mehr und mehr in Panik. Dabei wusste ich doch schon was kam.
Brauchte doch eigentlich gar keine Angst haben. Es würde doch nur wehtun. So
schrecklich wehtun. Alles was Jesko so vorsichtig und gefühlvoll machte, tat
er mit Gewalt.
Ich presste die Augen zusammen, als er das Handtuch von meinem Körper riss. Sich
auf mich hockte. Sich selbst auszog. Dabei immer noch die Chance hatte meine
Arme festzuhalten.
Minute um Minute verstrich in der er auf mir saß. Mich erst nur ansah und dann
wieder anfing mich zu streicheln. Mich irgendwann auf den Bauch drehte. Ich
fiepte vor Angst. Mehr brachte ich nicht heraus. Eigentlich wollte ich schreien.
Aber meine Stimme versagte.
“Ach komm schon, Jemil, du kennst es doch schon viel zu gut.” Langsam versuchte
ich bei seinen Worten zu nicken. Zuckte aber nur zusammen. Brüllte vor Schmerz
auf. Dieses Stechen in meinem Unterleib ließ nicht mehr nach. Auch nicht, als er
anfing sich zu bewegen.
Eigentlich hatte ich den Schmerz schon lange nicht mehr gespürt. Viel zu lange.
Fast 7 Monate lang war das letzte Mal aber er. Doch jetzt war es wieder so
schlimm. Wie vor mehr als 5 Jahren, als er damit angefangen hatte. Als er es das
erste Mal getan hatte. Jedes Stechen, das ich schon damals gespürt hatte, war
wieder da. Wirklich als ob es das erste Mal wieder war.
Es vergingen Minuten. Ich wusste gar nicht mal wie viele. Versank irgendwann in
meinem Schmerz. Nur noch der war da. Kein anderes Gefühl Und kein anderer Gedanke.
Schmerz. Schmerz. Und noch einmal Schmerz.
Ich sackte auf den Boden, als Pio wieder von mir abließ. Und mich liegen ließ.
Einfach ging. Hätte er nicht zumindest noch irgendetwas sagen können. Einen Ton.
Ein Wort. Irgendetwas. Ihm fiel doch sonst immer irgendein dummer Spruch ein.
Doch ich hatte mich wohl zu früh gefreut. Er beugte sich noch einmal über mich.
„Bis zum nächsten Mal, Brüderchen, und lass dann bitte deinen Köter zu Hause.
Denn kann man doch nicht anschauen.“ Sanft hauchte er mir das ins Ohr. Mein Atem
wurde für einen Moment schneller. Wie konnte er nur so über Jesko reden? Meinem
Jesko!
Ich biss mir auf die Unterlippe. Ausrasten hätte ich können. Niemand redete so
über meinen Werwolf. Niemand. Und dennoch erwiderte ich nichts. Ich konnte nichts
sagen. Mein Körper wehrte sich regelrecht dagegen.
Ich hörte nur noch wie Pio den Raum verließ und mich zurück. Langsam rollte ich
mich auf den Rücken. Verharrte Minuten lang in dieser Position. Bemerkte gar
nicht, wie mir die Tränen über die Wangen liefen. Wie sie auf dem warmen Boden
verdampften. Wenn nicht gar früher.
Ich verkrampfte. Kauerte mich auf dem Boden zusammen. Mein Atem stockte immer
wieder. Obwohl ich es schon so oft mit ihm machen musste, konnte ich es doch
immer noch nicht richtig verarbeiten. Und dennoch konnte ich mit Jesko. Er war
anders. Das genaue Gegenteil von Pio. So verdammt fürsorglich.
Ich hörte die Tür. Wie sie geöffnet wurde und wieder leise geschlossen. Langsam
setzte ich mich auf. Versuchte mir das Handtuch, das noch auf dem Boden lag, zu
angeln. Doch da lagen schon zwei Hände auf meinen Schultern. Wanderten an meinen
Armen hinunter. Zu meinem Bauch. Bis zu meiner Hüfte. Ich sah zaghaft auf. Blickte
ihn die dunklen Augen von Jesko. Er strahlte mehr als nur Besorgnis aus. Mehr
lag wohl schon Schock in seinem Blick.
„Was hat er mit dir gemacht?“, fragte er. Doch ich erwiderte nichts. Drückte mich
nur an ihn. Wollte ihn spüren. Er würde mich sicherlich beschützen. Das würde er
doch? Ich schmiegte mich noch etwas enger an ihn. Wollte nicht mehr weg von ihm.
Und er sollte bei mir bleiben.
„Sag doch endlich“, flüsterte er mir ins Ohr. Aber ich erwiderte erneut nichts.
Konnte einfach nicht. Und er wollte wohl auch keine Antwort mehr hören. Streichelte
mir ganz leicht über den Rücken.
Eine ganze Weile saßen wir so auf dem Boden. Und ich brauchte gar nichts anderes.
Nur ihn. Das reichte mir. Da hob er mich plötzlich einfach hoch. „Ich bring dich
wieder auf dein Zimmer“, meinte er. Ich wehrte mich nicht. Schmiegte mich nur an
ihn.
„Schwitzt du nicht?“, fragte ich. Er hatte sich wieder angezogen und hier war es
nicht unbedingt kühler geworden. „Geht schon“, meinte er nur knapp. Marschierte
mit mir im Arm zu Tür. Die bekam er sogar ganz einfach auf.
Im Vorraum ließ er mich auf eine der kleinen Bänke sinken. Suchte in einem der
Spinde nach meinen Sachen. Kam damit auch schon im nächsten Moment zu mir. Um
mich anzuziehen. Ich wollte das eigentlich selber machen. Aber er war so wunderbar
fürsorglich. Jede Berührung von ihm genoss ich. Ich ließ jede zu. Dabei waren
das meiste Streicheln momentan nur versehen. Ich spürte doch, dass er mich gar
nicht anfassen wollte. Vielleicht fühlte er es, dass mir manches gerade unangenehm
war. Und dennoch ließ er mich nicht mehr richtig los. Seine Finger lagen immer
irgendwo auf mir. Jedoch ging er nicht mehr unter meine Taille. Erst als er mich
wieder hochhob. Und nur dann.
Als ich wieder in seinen Armen lag fühlte ich mich so unglaublich wohl. Er war
so schön warm und sanft. Er würde mich wohl nie so schroff anfassen wie Pio. Dabei
war doch der mit mir verwandt und er nicht. Jesko war nur ein Werwolf, den ich
mehr oder weniger verführt hatte. Und der jetzt fast freiwillig bei mir war.
Drängen oder gar zwingen musste ich ihn zumindest nicht mehr dazu.
Meine Lider wurden schwer. Aber ich wollte nicht einschlafen. Nur noch ein bisschen
länger wollte ich seine Wärme spüren. Er würde von mir ablassen, wenn ich erst
einmal schlief. Jeden Morgen hatte ich das bis jetzt bemerkt. Ich durfte nicht
neben ihm aufwachen. Eigentlich war ich das noch nie. Nie lag jemand auf dem
Bett neben mir wenn ich aus meinem Schlaf erwachte. Immer war ich allein. Ich
wollte das ändern. Er sollte das ändern.
Einen kurzen Moment drückte ich meinen Kopf gegen seine Brust. Hörte seinen
Herzschlag. Der war so beruhigend. So angenehm. Halte in meinen Ohren wider.
Versetzte mich fast in Trance.
„Jesko“, murmelte ich. Landete im nächsten Moment aber auf etwas Weichem. Erkannte
es nach fast einen Minute als ein Bett. Keines von meinen. Viel kleiner und
unbequemer. Ich blickte zu dem jungen Werwolf auf. Verstand nicht wo wir waren.
„Darf ich vorstellen: Mein trautes Heim“, verkündete Jesko. Ich sah mich langsam
um Das wirkte widerwärtig hier. Nicht wirklich lebenswert. Und da war ich schon
auf den Tod aus. Wie musste das erst bei diesen Kreaturen sein.
Ich blickte zu Jesko, der sich neben mir nieder gelassen hatte. So weit noch
Platz war. „Ich wollte dich nicht in eines deiner Zimmer bringen. Da war es mir
irgendwie ungemütlich.“ Er setzte kurz aus. Senkte den Kopf, den er leicht
schüttelte. „Hier ist es wohl nicht gerade angenehmer“, meinte er schließlich.
Ein Lächeln kuschte über sein Gesicht, als er zu mir Blickt. Ich setzte mich
auf. Schlang die Arme um ihn. „Wenn es dir so besser geht“, flüsterte ich. So
lange es ihm gut ging, war doch mir alles egal.
Da ging aber plötzlich die Tür auf. Ein Mädchen mit hellem lila Haar blickte uns
verschreckt an. „Äh ... 'Tschuldigung Jesko, ich ... äh?“, stotterte sie. Ihr
Blick verhoffte für mich wohl nichts Gutes.
Wie kann dieser Kerl nur ...?
So, so, jetzt sind es schon 50. Kommis. ^__^ Also komme ich einmal zum 2. Mal zu
meiner Fan-Post.
@YuMorino: -verbeug- Viel als bei dem letzten Mal kann ich schon gar nicht
sagen. Ich mag diese netten Kommentare einfach.
@midoriyuki: Ja, was soll ich sagen. Ich mag es, wenn ich meine Leser sich
auf die nächsten Kapitel freuen und wenn sie immer gespannt sind, wie es weiter
geht. ^^ Das 'Knutschkugeln' fand ich geil. ^^
@_BleedForFuckinLovE_: Sehen wir doch mal, ob sie noch fliehen müssen.
Geplant ist es ... vielleicht.
@AngelHB: Es ist schön, dass du dich immer so auf die Kapitel freust.
@ReinaDoreen: Du denkst noch immer so viel über meine Story nach. Das
finde ich so klasse. Manche lesen Stories nur und schreiben dann ein nettes
Kommi. Aber du denkst sogar noch über die Hintergründe und alles nach. -Daumen
hoch-
@glitzerrubin: Das ich so oft Gefühle beschreibe fällt mir bei schreiben
gar nicht auf. Gut das dir es zumindest auffällt. xD
@Ilona_Delagun: Wieder jemand, der Kommentare schreibt, die ich mag - so
richtig schön lang. Und ja, meine Rechtschreibung ist mies u.u dabei schreib ich
schon auf StarOffice (überprüft eigentlich die Rechtschreibung), aber es ist wohl
genauso intelligent wie ich. Word hab ich dann auch nur aufm PC von meinem Stief-
dad (der ist momentan knautschig wenn ich an seinen PC geh) und bei meinem Dad
(bin ich nur alle zwei Wochen), aber ich versuche mich zu besser. Versprochen.
Ach, und nicht Pio umbringen. Ich mag ihn auch wenn er nicht der Netteste ist.
@Hanny3660: Gelungen ist schon so hochgestochen -blush- Ich merke immer
nicht ob das, was ich schreibe, gut oder schlecht ist.
@Candy_Dolly_Gin: Du machst dir also um mein Wölfchen und mein Vampirchen
Sorgen. ^__^ Da werden sie sich freuen. ... Hoffentlich gefallen dir die Kapitel,
die noch kommen, auch noch.
@Flippi: Pio ist wohl einfach nur krank. Der typische kranke Vampir.
Und Jemil und Jesko werden jetzt wohl wirklich noch besser zusammen kommen.
Müssen sie doch auch.
@yuki15: Äh, ja, jetzt mal zu guter Letzt noch zu die Yuki. ... Ich liebe
dich auch ... aber ich nehme keine Heirats- und/oder Groupie-Anträge an.
Und danke, dass dir mein Schreibstil gefällt, dabei finde ich gar nicht, dass
der etwas besonderes ist.
@all: Und ganz zum Schluss noch ein dickes Lob an alle. Es gab bis jetzt
noch kein einziges "QuietschKreischKawaii-Kommi". Dafür möchte ich mich noch bei
allein Kommi-Schreibern bedanken. -verbeug-
Und jetzt noch viel Spaß mit dem 13. Kapitel!
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Lost Angel
Kapitel 13 – Wie kann dieser Kerl nur ...?
Jesko’s PoV
Wieso konnten wir denn heute nicht einmal etwas alleine sein? Ging das denn
nicht? Durfte ich ihn nicht einmal einen Moment in den Arm nehmen? Ohne das noch
jemand bei uns war? Oder durfte ich es gar überhaupt nicht mehr? Heute?
Krampfhaft drückte ich Jemil an mich. Als ob dann weniger auffallen würde, dass
er ein Vampir war. Seine fast weiße Haut und das helle Haar waren leider viel zu
auffällig. Die Werwölfin, die gerade in den Raum gekommen war trat ein oder zwei
Schritte zurück. Riss die Augen auf. Als ob sie ein Gespenst gesehen hätte.
Gewisse Ähnlichkeit hatte der Blonde in meinen Armen schon mit einem solchen.
„Bist du eigentlich irre, Jesko?“, fragte sie. Ich blickte auf den Vampir in
meinen Armen, der sich an mich drückte. Hatte er denn vor ihr Angst? Oder war nur
noch etwas Panik von eben übrig. Irgendwas war mit diesem Kerl gewesen. Doch er
hatte mir nicht einmal gesagt, was passiert war. Was sein Bruder – zumindest
hatte er ihn so genannt – mit ihm gemacht hatte. Obwohl ich davon schon eine
gewisse Vorstellung hatte. Nur von ihm wollte ich es noch einmal hören, ob ich
Recht hatte. Auch wenn es ihm schwer fallen würde.
„Er wird dich schon nicht beißen“, zischte ich nur. Drückte nur überdeutlich aus,
dass ich mit ihm alleine sein wollte. Doch Lana – so der Name der Lilahaarigen –
bemerkte das wohl gar nicht.
„Du kannst uns doch hier keinen Vampir anschleifen! Und erst recht nicht den!“,
fauchte sie mich an. Warf einen bösen Blick auf Jemil. Ich drückte ihn etwas
enger an mich. Kniff die Augen zu Schlitzen zusammen.
„Hast du denn ein Problem mit ihm?“, knurrte ich. Lana blickte mich geschockt an.
„Er ist der Sohn unseres Herren, den kannst du hier nicht mit herbringen! Dafür
kannst du getötet werden.“ Dem war ich mir die ganze Zeit überhaupt nicht
bewusst. Das wir gar nicht zusammen sein durften, hatte ich fast völlig
vergessen. Dabei war ich doch erst zwei Tage bei ihm. Seit meiner Flucht. Und
seit da hatte sich auch dieses Gefühl immer mehr hoch gekämpft. Das mich auch
gerade wieder durchzog. Mich dazu animierte ihn ganz leicht zu streicheln.
„Jesko?“
Ich war wie in Trance über seinen Körper gewandert. Hatte gar nicht mehr richtig
wahrgenommen, dass wir gar nicht alleine waren. Langsam blickte ich zu Lana auf.
Ihre Augen zeigten mir eigentlich nur, dass sie einen ganz schönen Schrecken
hatte. Normal war es eben nicht einen Vampir so anzufassen.
„Was treibst du da eigentlich?“
Mein Blick wanderte wieder zu Jemil. Der sich verängstigt an mich klammerte. Ich
glaubte kaum, dass er vor der Lilahaarigen Angst hatte. Eher dieser verdammte
Kerl, den ich am liebsten in der Luft zerrissen hätte. Dabei war der gar nicht
da. Jemil müsste nicht mehr so panisch sein. Eigentlich könnte er sich wieder
beruhigen. Ich war doch da und würde auf ihn aufpassen.
„Kennst du einen großen, dunkelhaarigen Vampir?“, fragte ich. Sah erneut zu Lana
auf. „Das trifft doch auf fast jeden zu.“ Sie zog eine Augenbraue hoch.
„Vielleicht seinen Bruder?“ Eigentlich wusste ich gar nicht, ob sie das wirklich
waren. Der andere hatte wütend ausgesehen, als Jemil ihn 'Bruder' genannt hatte.
„Bruder? Du meinst Pio. Ist ein dreckiges Arschloch!“ Das hatte ich auch schon
mitbekommen. „Äh, ... Wieso?“ Irgendwie wollte ich genügend über ihn wissen.
Möglicherweise würde ich so erfahren, was er mit Jemil angestellt hatte ohne denn
ausquetschen zu müssen. Er war schon beim Namen dieses Kerls zusammen gezuckt.
„Ein mieser Vergewaltiger ist er! Und das nicht nur von Werwölfen. Der muss sogar
über seine eigene Rasse herfallen.“ Kurz setze Lana aus. Überlegte wohl, ob sie
weiter reden sollte. Atmete dann schließlich tief durch und tat es doch. „Und
seine Lieblingsopfer müssen junge, süße Jungs sein. Wirklich pervers der Kerl.“
Ich schluckte. Er würde das doch sicherlich nie ihm antun? Zumindest nicht, wenn
sie wirklich irgendwie blutsverwandt waren. Ich könnte das einem meiner
Geschwister – auch wenn ich keine hatte – nie antun. Wer könnte das aber auch?
Man musste schon besonders kalt sein. Für so etwas würde man seine Gefühle
ausschalten müssen. Oder es wirklich schön finden können, jemanden zu quälen.
„Würde mich nicht wundern, wenn er es mit ihm auch schon mal getrieben hat.“ Lana
nickte in Jemils Richtung. Der hatte den Kopf an meine Brust geschmiegt. Fühlte
sich wohl gerade bei mir richtig wohl. Und jetzt würde ihn dieser Pio nicht mehr
anrühren. Nur allzu gut konnte ich mir vorstellen, dass er es mit Jemil getan
hat. Sonst wäre er ganz bestimmt auch im Moment nicht so verängstigt. Würde sich
sicherlich auch nicht so krampfhaft an mich klammern.
„Du hast dich hoffentlich nicht in die ... na ja, 'Geschäfte' von den Vampiren
eingemischt?“ Lana hatte sich neben mich gesetzt. Blickte mich durchdringend an
und wartete auf eine Antwort. Die gab ich ihr jedoch nicht. Streichelte Jemil nur
über das blonde Haar und seufzte. Aus meinem Schweigen könnte sie schon die
richtige Antwort lesen.
„Du hast also“, schlussfolgerte Lana daraus. Und wieder blickte sie den Vampir so
missmutig an. Es störte sie wohl, dass er sich so an mich klammerte. Eigentlich
lief da auch etwas zwischen uns. Zumindest glaubte die junge Werwölfin das –
soweit ich es aus ihrem Blick schließen konnte. Und gerade deswegen war ihr Jemil
im Weg. Sonst hing sie immer an meinem Arm. Doch der war jetzt besetzt. Und so
bald würde mich der junge Vampir auch nicht mehr loslassen.
„Was willst du mit dem überhaupt?“ Schweigend sah ich sie an. Antwortete wieder
nicht. Wenn ich es ihr sagen würde, dann könnte ich mir ohnehin nur eine
Standpauke anhören. Nicht gerade eines der schönen Dinge im Leben, die man
erleben durfte, wenn man Lana zu gut kannte. So gut wie ich eben. Und es war viel
zu gut gewesen.
„Könntest du auch einmal wieder etwas sagen? Sonst bist du doch auch nicht so
schweigsam!“, fauchte mich plötzlich Lana an. „Lass mich doch in Ruhe“, gab ich
nur mürrisch als Antwort. Drückte Jemil etwas an mich. Er zitterte leicht. Wie
konnte ihm dieser Kerl nur so etwas antun?
Irgendwie viel es mir erst jetzt auf, aber Jemil schwieg schon die ganze Zeit vor
sich hin. Irgendwie war das ungewöhnlich. Ich hatte noch nie einen Vampir
gesehen, der sich nicht in irgendein Gespräch eingemischt hatte. Das war – wenn
ich ehrlich sein durfte – gruselig.
Wütend schnaubend stand Lana wieder auf. Warf Jemil einen erneuten bösen Blick
zu. Doch sie zog auf einmal die Augenbraue hoch. „Kann es sein, dass der werte
Sohn unseres Herrn schläft?“ Ich blickte zu ihm hinunter. Strich ihm leicht über
die Wange. Und dennoch zeigte er keine Reaktion darauf. Schlief er denn wirklich?
Dann war er hier aber falsch aufgehoben. Schlafen sollte er lieber in seinem
eigenen Bett. Ich wollte ihm auch nur einmal kurz zeigen, wie ich leben durfte.
Aber so hatte das wohl keinen großen Sinn.
Vorsichtig nahm ich ihn hoch. Ging zur Tür, an der immer noch Lana stand. Einen
Moment hielt ich Inne.
„Willst du wirklich wissen, was ich mit ihm will?“
Sie begann eifrig zu nicken. Während ich einmal tief durchatmete.
„Ich würde ohne ihn wohl gar nicht mehr leben.“
Mit diesen Worten ließ ich sie stehen. Sollte sie sich doch selbst ausmalen, was
ich damit meinte. Aber im Grunde stimmte es. Er hätte mich genauso gut umbringen
können und hat es trotzdem nicht getan. Obwohl mir der Grund dafür schon bewusst
war. Ein bisschen etwas anderes steckte aber dennoch auch dahinter. Da war ich
mir sicher.
Langsam regte Jemil sich wieder. Kuschelte sich für einen Moment noch einmal an
mich. Fröhlich summte ich im ersten Augenblick. Nur kam mir dann wieder der
Gedanke, dass wenn uns jetzt jemand sehen würde, es nicht nur großen Ärger gäbe.
Das würde mehr geben. Aber dennoch löste er sich kein Stück von mir. Ich
schluckte. Wieso sagte er denn auch nichts? War das vielleicht doch nur eine
Bewegung im Schlaf gewesen?
„Jesko?“, flüsterte er da aber. „Hm.“ Ich konnte gar nicht mehr sagen. Wollte es
auch überhaupt nicht. „Wo bringst du mich hin?“ Ich sah kurz zu ihm. Meinte dann:
„In dein ... Euer ... dein ... äh ... Euer Zimmer.“ Dein oder Euer? Ich hatte
mich irgendwie für die höflichere Anrede entschieden. Erntete dafür aber nur ein
leichtes Lachen.
„Du kannst mich doch duzen.“
Durfte ich es wohl doch. Dabei war es mir aus irgendeinem Grund schon lieber ihn
außerhalb seines Zimmers zu siezen. Es kam mir sicherer vor. Wenn uns nur ein
einziges Mal jemand hören würde, wie wir ganz normal – ohne irgendeine Herr-
Diener-Beziehung – miteinander redeten. Was würde der denn über ihn denken?
Ich seufzte. Spürte aber schon wieder, wie er seinen Kopf gegen meine Brust
drückte. „Du bist schön warm“, flüsterte er. Klang noch etwas verschlafen dabei.
Ich schmunzelte: „Und du bist süß.“ Er sah zu mir auf. Zog eine Augenbraue hoch.
Gerade das hatte er wohl nicht erwartet. Damit war ich aber ehrlich. Irgendetwas
hatte er an sich. Etwas wirklich Zuckersüßes.
„In welches?“ Ich versuchte das Thema zu wechseln. Welch ein Glück, dass er so
viele Zimmer hatte. Zehn mussten es schon sein. „Such dir eins aus.“ Ganz toll,
jetzt war er auch noch eingeschnappt. Das hörte ich überdeutlich aus seinem
Tonfall heraus. Dann sollte ich mich wohl entschuldigen. Auf seine einfache Art.
Eine ganze Weile marschierte ich den Gang entlang. Einen Blick auf die hinteren
seiner Räume wollte ich schon immer einmal erhaschen. Sie konnten wohl auch kaum
alle gleich sein.
„Wenn du noch weiter läufst, rennst du gegen eine Wand“, knurrte Jemil. Gerade
als ich in das Zimmer rechts von uns abbiegen wollte. Das zweit letzte, wenn ich
mich nicht täuschte. Ich ließ seine Füße für eine Sekunde auf den Boden. Nur um
die Tür öffnen zu können. Doch dann ließ er sich gar nicht mehr hochnehmen. War
schon vor mir ins Zimmer verschwunden. Etwas verwirrt sah ich mich um. Eigentlich
nur um zu sehen, ob irgendwer anderes in der Nähe war. Ich hatte das komische
Gefühl, als wäre noch eine Person in diesem Gang. Aber ich sah nichts. Weder
links noch rechts. Dabei sagte mir mein Instinkt etwas anders.
„Kommst du, Jesko?“ Ich folgte seinem Ruf. Hätte am Liebsten aber sofort wieder
auf den Haken Kehrt gemacht.
„Nette Bilder, nicht?“ Jemil saß auf dem Bett und sah mit bewundernden Blicken
die künstlerischen Ergüsse an, die an den Wänden hingen. Ich schluckte fürs Erste
nur. Wollte dann aber trotzdem etwas erwidern.
„Akt-Kunst ist nicht gerade etwas für mich“, gab ich kleinlaut zu.
Jemil ließ sich zurückfallen. Rollte sich auf die Seite. „Ist irgendwas?“, fragte
ich. Erwartete so etwas wie eine Antwort gar nicht. „Mit dir nicht“, hörte ich
dann aber dennoch von ihm.
Ich setzte mich neben ihn. Nur um mich im nächsten Moment auch gleich leicht über
ihn zu beugen und seinen Bauch zu streicheln. Er zuckte zusammen. Rutschte ein
Stück weg. Aus meiner Reichweite. „Ich tu dir doch nichts!“ Hatte er denn jetzt
auch Angst vor mir? Dabei wollte ich ihn doch beschützen. Vor Pio. Und vor jedem
anderen, der ihm etwas tun wollte.
„Weiß ich doch, aber...“, flüsterte er. Wieso ließ er sich denn dann nicht von
mir anfassen? Wenn er es doch wusste, dann müsste er doch nicht vor mir zurückweichen.
Ich schluckte leise. Schlang dann einfach die Arme um ihn. „Lass mich los!“ Er
wehrte sich zwar mit Mühe dagegen. Kam von mir aber dennoch nicht los. „Ich tu
dir nichts!“ Etwas enger drückte ich ihn an mich. „Bist du dir da sicher?“ Für
einen Moment ließ ich die Umklammerung um ihn lockerer. Was sollte das denn
heißen? Ich würde mich doch noch beherrschen können!
„Was soll das heißen?“, fragte ich schließlich.
„Vollmond.“
Als Antwort reichte mir das gut und gerne aus. Wenn ich mich verwandeln würde
könnte ich mich vielleicht wirklich nicht mehr kontrollieren und auf ihn
losgehen. Aber das könnte auch nur passieren, wenn ich den Mond zu Gesicht
bekommen würde. Und momentan ging das nicht. In diesem Zimmer war kein einziges
Fenster. Wieso machte er sich also Sorgen?
Zärtlich leckte ich über seinen Hals. „Das kitzelt“, kicherte er. Und genau das
wollte ich hören. Nur einen fröhlichen Ton von ihm. Ich wanderte mit den Fingern
über seinen Bauch hinab zu seiner Taille. Bis zu seinen Oberschenkeln hinunter.
Er zuckte spürbar zusammen. Schob meine Hände weg, als ich an der Innenseite
seiner Schenkel wieder nach oben wandern wollte.
„Tut mir Leid“, seufzte ich. Schmiegte meinen Kopf an seinen Hals. Wenn er nicht
wollte, dass ich ihn so anfasste, musste ich es eben mit dem belassen.
Lass mich fliegen
Lost Angel
Kapitel 14 - Lass mich fliegen
Jemil's PoV
Schlaff lag ich in Jeskos Armen. Spürte jeden seiner Atemzüge. Jedes Pulsieren
seiner Adern unter der Haut seiner Fingerspitzen. Zärtlich streichelte er mich.
Fuhr mit den Fingern über jeden Zentimeter freie Haut. Tastete vorsichtig an
meiner Taille entlang. Glitt über meinen Bauch.
Ich drehte mich zu ihm herum. Krallte die Finger in sein Shirt. Drückte meinen
Kopf gegen seine Brust.
"Er wird dich nicht mehr anfassen", flüsterte Jesko. Drückte mich noch enger an
sich. Sein hitziger Atem brachte immer wieder mein Haar in Bewegung.
Ich schmiegte mich an ihn. Rieb meinen Unterleib an seinem. Als er mich ein
Stück von sich wegdrücken wollte, rollte ich mich auf ihn. Setzte mich auf sein
Becken. Wippte dort leicht auf und ab. Für einen Moment hielt er mich fest.
Presste mich auf sich. Nur um mich von meiner Bewegung abzuhalten.
Ich beuge mich zu ihm hinunter. Bettete meine Lippen auf die seinen. Binnen
Sekunden erwiderte er den Kuss. Ich wollte mich schon gar nicht mehr von ihm
lösen. Musste es aber dennoch.
Sanft strich ich über seine Wange. Legte mich schließlich ganz auf ihn. Schloss
für einen Moment die Augen. Um seine Wärme zu genießen.
Er wanderte mit seinen Finger über meinen Rücken. "Darf ich dich wieder zum
Fliegen bringen?" Ich blickte zu ihm auf. Verstand nicht, was er meinte.
"Du warst früher wie so ein Engel, na ja, ein ziemlich frecher Engel", flüsterte
er. Drückte meinen Kopf an seine Brust. Dabei kuschelte ich mich ohnehin schon an
ihn. Er war so schön warm. Ließ meine Haut angenehm prickeln.
"Aber du hast dir deine Flügel abschlagen lassen", hauchte er mir ins Ohr.
"Seit wann denn so philosophisch?", fragte ich. Biss leicht in sein Shirt.
"Darf ich jetzt?", wollte er wissen. Ich nickte langsam. "Wenn du es versuchen
willst", flüsterte ich. Setze mich wieder auf. Bettete meine Hände auf seine
Brust. Ein Kribbeln durchfuhr meinen Körper, als ich über seine steifen Brustwarzen
glitt. Er stieß ein erregtes Seufzen aus. Bevor er mit seinen Händen an meiner
Seite entlang wanderte. Bis zu meiner Hüfte hinunter.
Ich wollte ihn nicht mehr nur für mein kleines Spiel missbrauchen. Ich wollte
mehr von ihm. Nicht nur die angenehmen Gefühle bei Sex. Er sollte immer so zu
mir sein. Immer so sanft.
Er streichelte über meinen Bauch. Wieder nach oben zu meiner Brust. Nur mein
Shirt trennte seine Fingerspitzen von meiner Haut. Und dennoch fühlte ich jede
seiner Berührungen so verdammt intensiv.
"Lass mich fliegen", flüsterte ich. Sank wieder auf ihn. Schmiegte mich so eng
wie möglich an ihn. Er legte die Arme zärtlich um mich. Stunden lang hätte ich
nur so daliegen können. Es hätte mir gereicht. Doch wir mussten doch wieder
gestört werden. Es konnte doch nur so kommen.
Auf einmal wurde die Tür aufgerissen. "Jemil?" Ich hob leicht den Kopf. Ließ ihn
aber gleich wieder auf Jeskos Brust sinken, als ich sah, dass es nur Mila war.
Er strich mir vorsichtig übers Haar.
"Ich muss mit dir reden", sprudelte es aus der Vampirin heraus. Doch ich machte
keine Anstalten mich aufzusetzen. Viel lieber blieb ich jetzt hier liegen. Doch
ich spürte ihren bösen Blick. Raffte mich schließlich hoch. Doch immer noch saß
ich auf Jesko, der hatte wieder seine Hände an meiner Hüfte. Massierte sie sanft.
"Du hast doch etwas davon gewusst!" Verwirrt blickte ich Mila an. Über was redete
sie denn. "Und du willst mich mit ihm nur eifersüchtig machen." Sie nickte in
Richtung des Werwolfes unter mir. Warf ihm auch gleich einen bitterbösen Blick
zu.
Ich zog eine Augenbraue hoch. "Über was redest du überhaupt?" Es wäre mir wirklich
lieber, wenn sie Klartext reden würde. Und wieso sollte ich sie eifersüchtig
machen wollen? Ich liebte sie doch nicht einmal.
"Das wir verheiratete sollen! Du wusstest es die ganze Zeit und schmeißt dich
trotzdem an einen Werwolf!" Meine Augen weiteten sich. Wanderten zu Jesko
hinunter, der mich unentwegt ansah. "Nicht die ganze Zeit, aber seit gestern",
flüstere ich. Viel zu leise.
"Und dann liegst du hier immer noch auf diesem Werwolf?" In Milas Augen sammelten
sich Tränen. Dachte sie denn, dass ich sie liebte? Das ich sie wirklich heiraten
würde? Das war doch Irrsinn. Zwar waren wir schon seit klein auf zusammen, aber
nie hatte ich etwas für sie empfunden. Nicht mehr, als für eine Schwester.
"Sie weint", murmelte Jesko. Schob mich sachte von sich herunter um sich aufzusetzen.
"Hör doch auf zu weinen." Wollte er sie denn trösten? Er?
Mila blickte ihn verwundert an. Obwohl ihr immer noch Tränen übers Gesicht liefen.
"Ach Wölfchen, du bist zu süß", seufzte die Vampirin und wischte sich mit dem
Handrücken das salzige Wasser aus dem Gesicht. Verlegen sah Jesko weg. Er mochte
es wohl nicht, wenn man ihn als 'süß' bezeichnete. Oder war er einfach nur
schüchtern. Denn er wurde leicht rot.
"Willst du sonst noch etwas?", fragte ich gekonnt kühl. Ich verspürte das Gefühl
mit Jesko alleine sein zu wollen. Und etwas anderes war da noch. Das mich dazu
trieb ihn zu küssen. Im jedes schöne Feeling, das es gab, zu geben.
"Wir sollten uns vielleicht einmal richtig ausreden. Immerhin sollen wir heiraten."
Ich seufzte überdeutlich gelangweilt bei Milas Worten. "Wir werden NICHT heiraten",
zischte ich, "vorher würde ich lieber von hier abhauen." Das stellte sie scheinbar
ruhig.
Sie atmete einmal tief durch. "Dann treib es doch weiter mit deinem Haustier",
brüllte sie schließlich. Tränen liefen ihr über die Wangen. Da machte sie aber
schon auf den Hacken kehrt und lief aus dem Raum. Knallte hinter sich die Tür
wieder zu.
"Du hättest nicht so gemein sein müssen", meinte Jesko. "Sie hat es verdient",
erwiderte ich darauf nur knapp. Er wollte schon seinen Satz wiederholen, als ich
seine Lippen mit den meinen verschloss. Sein Genörgel über mein Verhalten wollte
ich nicht hören. Sollte er mich doch anderweitig bestrafen. Reden half bei mir
ohnehin nicht mehr viel. Ein paar Tritte und Schläge waren mir gerade lieber.
Oder sollte er mich doch gleich missbrauche. Vielleicht ging dann dieses komische
Gefühl weg. Ich wollte es nicht mehr spüren.
Gewaltsam drückte er mich von sich weg. Bugsierte mich aufs Bett und presste
meine Arme aufs Laken. Ich zeigte keinerlei Gegenwehr. Wartete nur darauf, was
er weiter mit mir tun wollte.
Er schob meine Arme soweit zusammen, dass er sie mühelos mit einer Hand festhalten
konnte. Mit der anderen wanderte er unter mein Shirt. Nur ganz vorsichtig strich
er über meinen Bauch. Es kribbelte so angenehm.
Ich ließ jede seiner Berührungen zu. Was sollte ich aber auch groß anderes tun.
Immerhin hielt er mich immer noch fest. Und ich wollte mich gar nicht dagegen
wehren. Es fühlte sich aber auch zu gut an, auch wenn er mich nur ganz sanft
streichelte.
Er beugte sich zu mir herunter. Für eine Sekunde berührten sich sogar unsere
Nasenspitzen. "Du warst trotzdem fies zu ihr", meinte er vorwurfsvoll. Ließ mich
wieder los. Ich seufzte. Nicht über seine Aussage. Ich war enttäuscht. Eigentlich
hatte ich etwas mehr erwartet. Ein bisschen Spaß vielleicht. Oder auch nur ein
klein wenig mehr Zärtlichkeit.
Ich rollte mich auf die Seite. Während Jesko sich auf die Bettkante setzte.
"Wieso bist du überhaupt so?" Wie sollte ich denn sein? Ich war wie immer. So
wie ich zu anderen war. Ein bisschen kalt. Dagegen konnte ich nichts ändern.
Keiner hatte mir je gezeigt, wie man anders zu anderen sein konnte. Sollte er
doch versuchen es mir richtig beizubringen.
"Bekomme ich auch einmal eine Antwort?" Er riss mich aus meinen Gedanken. Doch
ich zuckte nur mit den Schultern. "Was meinst du?", fragte ich. Vernahm ein
überdeutliches Seufzen von ihm. "Wieso versuchst du deine Gefühle so zu verstecken?"
Wenn er es auch nicht gelernt hätte, wie man sie anderen gegenüber zeigte, dann
wüsste er es und müsste nicht fragen.
Wieder bekam er als Antwort nur ein Schulterzucken. Bemerkte er das überhaupt.
Ich wusste doch gar nicht, ob er mich eigentlich ansah.
"Du überspielst immer alles nur mit deiner kalten Art. Das bist doch überhaupt
nicht du! Früher warst du anders. Etwas zumindest." Ich drehte mich zu ihm herum.
Immer noch saß er am Bettrand.
"Was willst du denn schon groß von meiner Vergangenheit wissen?", zischte ich.
"Ich bin schon lange genug hier. Als du noch klein warst hast du mit Mila immer
im Garten gespielt." Ich zog eine Augenbraue hoch. Das war wirklich schon Jahre
her. 10 oder sogar noch mehr. "Und wie lange bist du schon hier?" Er wusste wohl
mehr über mich, als ich über ihn. "Seit fast... 12 Jahren. Seit mich dein Vater
gekauft hat. Ich war meinem letzten Besitzer zu nutzlos. Was kann man aber auch
schon von einem 4-jährigen Kind erwarten." Er senkte den Kopf. Fixierte mit den
Augen einen undefinierbaren Punkt am Boden.
Ich raffte mich hoch. Vor 12 Jahren? Da war ich 5 Jahre alt. Damals hatte ich
wirklich noch mit Mila im Garten herumgetollt. Da hatte ich noch wirklich Lust
darauf. Mila war zu dieser Zeit auch noch richtig süß. Wir waren so gut befreundet.
Doch wir lebten uns auseinander. Und jetzt würden wir uns wohl auch nicht mehr
näher zusammen kommen können.
"Was hast du denn dann schon groß bei uns machen können?" Ich legte die Arme um
ihn. "Für dich als Prügelknabe herhalten." Mein Blick war starr auf seinen Nacken
gerichtet. "Was?" Über was redete er denn da? Ich hatte ihn doch bis jetzt noch
nicht einmal geschlagen. Oder etwa doch. Davon müsste ich aber etwas wissen.
"Weißt du das nicht mehr?" - Er wendete sich leicht zu mir. - "Immer wenn dir
langweilig war, hast du dir einen der jungen Werwölfe herausgesucht und ihn
getreten und geschlagen. Rein aus Langeweile." Daran konnte ich mich wirklich
nicht mehr erinnern. Hatte ich das wirklich einmal gemacht?
"Oft genug hast du mich ausgesucht. Einmal hast du sogar zu mir gesagt, dass du
das nur machst, weil du mich niedlich findest. Seltsam. Nicht? Gerade deswegen
hast du mich doch letztens am Leben gelassen."
Meine Hände sanken auf seinen Schoss. Wie gebannt starrte ich ins Nichts. Wie
konnte ich so etwas vergessen. "Und doch ... tust du das?" Mein Atem stockte
immer wieder. Er nickte langsam. "Ich will dich wieder lachen sehen. Das war
viel schöner als der Blick, den du jetzt immer aufgelegt hast. Und ich ..." Er
setzte ab. Nahm meine Hände. Wie warm die seinen waren. "Wieso noch?", fragte
ich. Wollte das Ende seines Satzes immerhin hören.
"Nicht so wichtig", meinte er aber nur. Legte meine Arme um seinen Bauch. Ich
glaubte ihm nicht. Das war wichtig. Sonst könnte er es doch auch gleich sagen.
War es ihm etwa peinlich mir das zu erzählen. "Spuck es schon aus." Ich wanderte
mit meinen Händen weiter um seinen Bauch. Bis wir eng an eng aneinander saßen.
Meine Brust lag direkt auf seinem Rücken. Nur noch der Stoff unserer Kleidung
trennte unsere nackte Haut voneinander. "Es ist wirklich nichts Besonderes."
Wollte er wirklich so weiter machen? "Dann kannst du es mir doch ganz einfach
sagen." Meine Finger wanderten an seinem Bauch hinunter. Über seinen Schritt.
"Nein ... aber ... ich kann nicht." Er wollte sich also weiter weigern? Ich
drückte einfach zu. Ohne auf sein leichtes Wimmern zu achten. "Hm, komm schon."
Sanft bettete ich meine Lippen auf seinen Hals. Doch er schüttelte nur den Kopf.
Half das denn gar nichts? Was sollte denn schon so unwichtig sein, dass nicht
einmal das ihn überzeugen konnte, dass er es mir sagte? Musste wirklich etwas
sinnloses sein.
Ich ließ von ihm ab. sank wieder zurück aufs Bett. Schloss nur für einen Moment
die Augen. Doch schon im nächsten spürte ich Jeskos Hand auf meiner Wange. Ich
hob wieder ein Lid. Er hatte sich über mich gebeugt. Ich seufzte. Was wollte er
denn jetzt?
Meine Frage wurde schnell genug beantwortet. Ohne das ich überhaupt fragen musste.
Flink rutschte er auf mich. Schob mein Shirt hoch und begann meinen Oberkörper
zu verwöhnen. Nicht nur mit seinen Fingern. Viel genüsslicher fand ich das, was
er mit seiner Zunge machte. Wollte er mich damit zu irgendetwas animieren?
"Ach Jesko", seufzte ich. Fuhr durch sein weiches Haar. Er sah auf. Sein warmer
Speichel tropfte dabei auf meine Brust. Ließ meinen Körper für einen Moment
erzittern. Irgendwie leuchteten seine Augen regelrecht, als er ein Stück höher
zu mir kroch. Nur noch mit der linken Hand meine Brustwarze auf der Herzseite
leicht massierte. Und sich mit seinen Lippen lieber über die meinen hermachte.
Doch viel zu schnell ließ er wieder von mir ab.
"Wolltest du mich jetzt nur scharf machen?", fragte ich. Rappelte mich auf. Er
war von meine Füßen gerutscht und hatte sich neben mich gesetzt. "Ist das denn
so schlimm? Es muss doch nicht immer damit enden, dass wir miteinander schlafen."
Ich seufzte. Es wäre mir aber lieber gewesen. Am besten noch, wenn er mir richtig
dabei wehgetan hätte. Vielleicht hätte ich dann ein bisschen im Schmerz abschalten
können.
Aber wenn er nicht wollte konnte ich es auch nicht ändern.
Er legte zärtlich die Arme wieder um mich. Genüsslich kuschelte ich mich an ihn.
So war es doch eigentlich auch gelegentlich einmal ganz schön.
Für alles braucht man eine Erlaubnis
Lost Angel
Kapitel 15 - Für alles braucht man eine Erlaubnis
Jesko's PoV
Das er sich trotzdem noch so an mich kuschelte. Und das auch noch freiwillig.
Das hatte er doch sonst nicht so gemacht. Machte er es vielleicht wegen dem, was
ich ihm erzählt hatte. Vielleicht glaubte er es gar nicht. Eigentlich wollte ich
es selbst gar nicht wahr haben. Es war aber auch schon so lange her. Ihm hatte
es auch alles nur ein Jahr lang gefallen. Danach hatte ich ihn nur noch mit Mila
immer in Garten spielen sehen. Hatte gelacht. Richtig gelacht. Wieso war er nur
so unglücklich geworden? Eins der wenigen Dinge, die ich ihn einfach nicht
fragen wollte.
Erst vor ein paar Tagen war ich ihm also eigentlich wieder begegnet. Das er mich
einfangen sollte hätte ich gar nicht gedacht. Immer ersten Moment hatte ich auch
seine sonst so strahlenden Augen nicht erkannt, immerhin haben sie ihren schönen
Glanz völlig verloren. Und erst langsam ist es mir jetzt bewusst geworden, dass
er es gewesen war.
Ich drückte ihn etwas enger an mich. "Würdest du wirklich abhauen?", flüsterte
ich. War seinem Ohr ganz nahe. "Sicher", erwiderte Jemil. Ich spürte seine Finger
auf meiner Brust. Wie er zaghaft darüber wanderte.
"Hat es damals sehr wehgetan?" Ich zuckte leicht zusammen. "Was meinst du?" Er
seufzte bei meiner Frage. "Als ich dich früher geschlagen und getreten habe",
erwiderte er schließlich. Zärtlich drückte ich seinen Kopf an mich. "Nicht
sehr." Ich wollte ihm kein schlechtes Gewissen bereiten, obwohl es damals
verdammt wehgetan hat. Einige Narben hatte ich heute noch. Dass er die noch
nicht gesehen hatte. Es wunderte mich fast schon.
"Kann ich es irgendwie wieder gut machen?" Sanft fuhr ich durch sein blondes
Haar, als er das fragte. "Lauf mit mir weg!", hauchte ich. Berührte sein
Ohrläppchen mit der Zunge. Küsste seinen viel zu schönen Hals.
"Das kann ich nicht." Er vergrub seinen Kopf in meiner Halsbeuge. Fühlte seine
Finger auf meinem Oberschenkel. "Wieso?" Ich wollte es wissen. Was gab es für
ihn schon für einen Grund noch länger hier zu bleiben? Wollte er denn bei seinem
verfluchten Bruder bleiben?
"Es ist einfach meine Pflicht. Ich darf nicht einfach von hier weggehen." Was
redete er denn? Was gab es denn hier schon groß für ihn? Niemand brauchte ihn.
Nur ich. Seltsamerweise war ich mir damit so unglaublich sicher.
"Was hält dich denn davon ab?" Ich wollte es wissen. Sollte er es mir doch sagen.
"Die Sonne und ... weil ich einfach nicht darf. Ich bräuchte seine Erlaubnis."
Zärtlich fuhr ich über seinen Rücken. Kicherte leicht. "Wessen Erlaubnis?"
Wirklich verstehen tat ich ihn nicht. Wessen Bewilligung brauchte er denn? Wer
stand denn schon noch über den Vampiren?
"Vom Ältesten. ... Und nur sein Blut könnte mich auch ans Sonnenlicht gewöhnen."
Ich drückte ihn an seinen Schultern weg. Er sah langsam zu mir auf. War das denn
der einzige Grund, wieso er nicht mit mir kam? Nur wegen den bisschen Regeln?
Wollte er sich denn auf Ewig daran halten? Obwohl er es sowieso schon gar nicht
mehr tat? Was war es denn, was er mit mir machte?
"Das ist doch egal. Der würde es dir ohnehin nicht erlauben. Nicht wenn du mit
mir weggehst." Ich zog ihn wieder zu mir. Doch er befreite sich fast mühelos aus
meinem Griff - wirklich festgehalten hatte ich ihn sowieso nicht - und setzte
sich auf.
"Gerade deswegen will ich es auch gar nicht erst versuchen. Und dass flüchten
nichts bringt, hast du selbst schon gesehen." Über diese Tatsache klang er nicht
einmal erfreut. Fast schon traurig. Wollte er etwa - obwohl er es nicht zugab -
von hier weg. Wieso sollte er aber auch nicht? Was hielt ihn denn hier?
"Schau mich nicht so an. Ich werde es doch schon versuchen." Ein zaghaftes Lächeln
bildete sich auf seinen Lippen ab, als er sich zu mir umwendete. Das sah sogar
einmal richtig süß bei ihm auf. Obwohl es kaum zu sehen war. Wenn man nicht ganz
genau hinsah.
Ich raffte mich zu ihm hoch. Legte meine Lippen kurz auf die seinen. Wie angenehm
das gerade war. Nur dieser eine Moment.
Ich wanderte an seinem Hals hinunter. Mein Atem schlug immer wieder dagegen.
Verflucht. Ich hatte höllischen Hunger. Alles hätte ich jetzt wohl gefressen.
Wohl am Ende sogar ihn. Selbst wenn ich es nicht gewollt hätte. Rein das
Hungergefühl hätte ich dazu getrieben.
"Du hast Hunger, richtig?" Er löste sich von mir. Ich nickte, gerade als er
aufstand. Sich noch einmal zu mir drehte. Überdeutlich seufzte. "Willst du
mitkommen?", fragte er. Ich nickte wieder. Liebend gerne kam ich mit. Dann
könnte ich mich vielleicht auch einmal wieder richtig voll fressen. Gleich
sprang ich auf und folgte ihm.
Wir marschierte nur durch die Gänge. Sie waren noch völlig leer. Wieso war denn
noch immer kein Vampir auf den Beinen. Könnte es wirklich sein, dass sie noch
nicht wach waren. War die Sonne noch immer nicht untergegangen.
Wir gingen durch einen der großen Säle. Dort hielt Jemil für einen Moment Inne.
Blickte zu einer der riesigen Flügeltüren. "Dahinter ist Victor. Der momentane
Älteste", murmelte er. Fixierte mit den Augen nur noch diese Tür.
"Dann gehen wir ihn nachher doch einfach einmal besuchen." Er schüttelte bei
meinen Worten abrupt den Kopf. "Du darfst da nicht mit hin. Das ist die heilige
Gruft. Nur ein Vampir darf dort hin." Ich schlang die Arme um ihn. "Wie sieht es
denn dann mit dir aus?" Er hatte den Kopf gesenkt. Tat so als ob er mir gar
nicht richtig zuhören würde. "Eigentlich ist es mir auch nicht erlaubt dort
hinzugehen. Aber im Grunde ist es jetzt auch egal."
Sanft löste er sich wieder aus meiner Umarmung. Ging weiter. Das Knurren meines
Magens deutete mir an, dass ich immer noch Hunger hatte. Lief ihm schließlich
hinterher.
Ich kannte mich schon lange nicht mehr aus. Wusste nicht wo wir waren. "Wohin
gehen wir?", fragte ich. "Da wo die Festmahle für unsere 'Gäste' aufbewahrt
werden." Eine etwas knappe Antwort für mich.
"Tob dich aus", verkündete der blonde Vampir, als wir durch die Küche, die ich
noch nie von innen gesehen hatte, marschiert waren. Direkt in den Kühlraum.
Ich konnte nur über das Staunen. Für was brauchten die Vampire das nur alles.
Sie aßen doch ohnehin nichts. Und für das Blut, das sie brauchten, war das hier
zu viel Platz. Immerhin war auch nicht nur ihr wichtiger Lebenstrank hier
aufbewahrt.
"Für ..." Er schnitt mir das Wort ab. "Selbst meine Familie braucht manchmal
frisches Menschenblut. Und niemand vermisst Menschen, wenn sie zu uns eingeladen
werden. Meinst sind es Alleinlebende, die keine Familie mehr haben. Man braucht
nur genug von ihnen. Das Festmahl war immer gigantisch. Nur nichts für mich." -
Er blickt zu mir - "Und bevor sie umgebracht worden sind, durften sie sich erst
einmal satt essen." - Einen Moment wendete es sich wieder ab - "Aber jetzt bist
erst einmal du dran."
Das musste er mir kein zweites Mal sagen. Ich fraß mich einfach einmal durch
alle Gänge hindurch. Hier gab es wirklich alles. Selbst feinsten Kaviar. Obwohl
das nicht für mich war. Fischeier waren doch zu eklig.
"Brauchst du noch lange?", rief Jemil nach gut einer halben Stunde, als ich
schon längst wieder auf dem Rückweg zu ihm war. Nur noch gelegentlich etwas aus
einem der endlosen Regale nahm.
Er hatte sich auf dem Boden zusammen gekauert, als ich ihn wieder fand. "Ist dir
kalt?", fragte ich. Setzte mich zu ihm. "Etwas." Seine Lippen wirkten blau und
seine Haut noch weißer, als sie es sowieso schon war.
"Na dann komm." Ich zog ihn hoch. Raus aus dem Kühlraum. Legte draußen einen Arm
um ihn. Drückte ihn etwas an mich. So wurde ihm rasch wieder warm. Gab ein
klangvolles Summen von sich. Fühlte er sich so wohl.
Für einen Moment hatte ich mich nicht ganz unter Kontrolle. Drückte ihn gegen
eine Wand. Hätte beinahe in seinen Hals gebissen. Der Wolf in mir trieb mich
dazu. Also war es zumindest nicht der Hunger.
"Lass das. Wenn uns jemand erwischt", zischte er. Sofort ließ ich ihn los. "Wer
denn? Mila vielleicht? Sie ist doch wohl die Einzige, die sich momentan schon
auf den Gängen herumtreibt." Wer würde das aber auch um diese Tageszeit sonst
auch tun.
Doch ich zuckte plötzlich durch näher kommende Schritte zusammen. Presste Jemil
wieder gegen die Wand. Lauschte. Mein Blick schweifte immer wieder nach links
und rechts. Ich spürte, dass dieser Jemand noch näher kam.
"Jesko, du lebst?" Ich wirbelte herum. Zwei fast schon zu dunkle, rote Augen
blitzen vor mir auf. "Laurin", fauchte ich, "was machst du denn hier?" Doch der
Jüngere beachtete mich gar nicht. "Ein Fledermäuschen. Zu süß." - Er grinste. -
"Was treibst du mit dem? Willst du ihn fressen?"
Ich spürte wie Jemil zitterte. Er hatte doch wohl vor dem guten Laurin nicht
Angst? Er war doch fast schon nur ein junges Schosshündchen. Noch schlimmer als
ich. Nur das er nie im Leben so gut gehorchen würde.
"Lass ihn in Ruhe", knurrte ich. Ließ den jungen Vampir langsam los. Dessen
Blick sich langsam in seinen ursprünglich kühlen verwandelte. Das er sich wohl
erschreckt hatte, wollte er gar nicht zeigen.
"Seit wann bist du mit einem solchen ... Sklaventreiber befreundet?", fragte
er. "Seit wann bist du tagsüber hier drin?", erwiderte ich jedoch nur mit einer
Gegenfrage. Laurin grinste. "Wenn Vollmond ist, lassen sie uns doch nie raus.
Sogar wenn es noch Tag ist. Und ich hatte keine Lust mich da unten noch länger
herumzutreiben."
Ich wendete mich von ihm ab. Hielt Jemil am Handgelenk fest. "Dann darfst du
dich jetzt geehrt zeigen und uns in Frieden lassen", zischte ich. Laurins Augen
verengten sich, als ich ihm noch einen Blick schenkte. "Verrätst du jetzt schon
deine eigene Art?"
Ich antwortete gar nicht. Zog Jemil hinter mir her.
"Wir werden jetzt zu diesem Victor gehen und ... beantragen, dass du gehen darfst."
Ich merkte gar nicht, wie er hinter mir zeterte. Bis er auf einmal stehen blieb
und ich einen Schritt zurück stolperte. "Trotzdem kann ich nicht einfach mit.
Die Sonne würde mich umbringen."
Ich hörte es heraus. Er wollte mit. Ja, er wollte. Aber diese eine Tatsache ließ
es einfach nicht zu. "Dann bring ich ihn für dich um, damit du sein Blut bekommst."
Es sollte fast nur ein Scherz sein. Nur fast. Tun würde ich es wohl.
"Idiot."
Sanft - fast zaghaft - legte er die Arme um meinen Bauch. Murmelte mir etwas ins
Ohr. Selbst für mich zu leise. Ich wollte ihn schon fast fragen, was er gesagt
hatte. Doch er meinte nur: "Irgendwann sag ich es dir noch mal!" Ich nickte. Das
würde er wohl tun.
"Sag du mir aber jetzt gleich: Wieso hast du dem Wolf gerade eben nichts von uns
gesagt?" Nicht gerade etwas, auf das ich wirklich antworten wollte. "Weil er es
war, der mich zum Fliehen animiert hatte. Dem wollte ich es einfach nicht
erzählen."
Jemil summte. "Dann hab ich dich wegen ihm." Wie spöttisch das doch klang.
Musste er so gemein klingen. "Ja", erwiderte ich schließlich knapp. Wenn es ihn
glücklich machte, dann war ich es auch.
Ein Lächeln bildete sich auf meinen Lippen ab. Ich hatte es anfangs doch
eigentlich schon etwas dumm gefunden, dass ich mich zu dieser verfluchten Flucht
drängen habe lassen. Aber jetzt war es doch recht gut. Besser als jetzt konnte
es mir doch eigentlich gar nicht mehr gehen. Bis vielleicht auf die Sache, dass
ich bald nicht mehr hier sein würde. Obwohl selbst das gut sein konnte. Immerhin
würde ich mit ihm weg kommen. Nur mit ihm. Dem einzigen den ich ... nein, so
weit konnte ich noch gar nicht sein.
Ich schüttelte ganz leicht den Kopf. War ich denn wirklich schon so versessen
nach ihm. Oder war dieser Gedanke nur ein bloßes Versehen.
"Na komm." Er nahm meine Hand. MEINE Hand. Und zog mich jetzt hinter sich her.
Wollte er zumindest. Doch ich rührte mich kein Stück. Hatte nur den Kopf gesenkt.
"Was ist denn jetzt, Jesko?"
"Liebst du mich?" Es war nicht mehr, als ein Flüstern. Kaum der Rede wert. Er
hätte mich auch gar nicht hören müssen. Ich empfand es sogar fast als sinnlos,
dass überhaupt von mir gegeben zu haben.
Als er sich zu mir umdrehte wurde ich rot. Jede Tomate wäre eifersüchtig
geworden. "Etwas schon." Ich tat keinen Zucker bei seiner Antwort. Hatte er das
denn jetzt wirklich gesagt? Ganz echt? Ganz, ganz echt?
Ich blickte wieder auf. Doch er sah mich nicht mehr an. Zu gerne hätte ich
seinen Gesichtsausdruck gesehen. Daran würde ich vielleicht ablesen können, ob
er es ernst gemeint hatte. Nur so ging das einfach nicht. Dabei wäre mir sein
Blick jetzt wirklich wichtig gewesen.
Weg hier
Lost Angel
Kapitel 16 – Weg hier
Jemil’s PoV
Ich wusste, dass es eigentlich sinnlos war. Der überaus werte Victor – wenn ich
ihn mal so nennen wollte – hasste mich. Lag nur an meinem menschlichen Blut. Ich
war einfach niedriger dadurch. Zumindest für ihn.
„Wieso ist der überhaupt bei euch?“, fragte Jesko. Gerade, als wir eine riesige
Halle betraten. Ich schlich an der Wand entlang. Ich fühlte mich dort um einiges
sicherer. Und so blieb auch der Werwolf eher am Rand. Der Mond würde bald zu
sehen sein und immerhin war es Vollmond.
„Meine Familie sind direkte Nachkommen von ihm. Deswegen“, gab ich monoton zur
Antwort. Drückte mich noch etwas enger an eine der Wände. Das Mondlicht war einfach
nur eklig. Dabei war der Mond noch hinter einer Wolke verborgen.
„Und er kann wirklich unter der Sonne leben?“ Jesko machte wirklich einen verwirrten
Blick. „Die Ersten konnten das.“ Ich verstand nicht mal, wieso er noch in der
Finsternis lebte, wenn er genauso gut ins Licht könnte. Ich wollte hier unbedingt
raus und konnte es nicht. Aber er könnte und tat es nicht.
„Jemil!“ Eine eiskalte Stimme erfüllte den Raum. Ließ sogar mich erzittern. Jesko
verkroch sich gleich in die nächste Ecke. Eigentlich durfte er auch gar nicht hier
sein.
„Du besudelst diesen Raum schon mit deiner Anwesenheit und dann schleifst du mir
auch noch eine solche Dreckstöle von Werwolf an. Ich kann mir gar nicht vorstellen,
dass du wirklich mein Ur-Enkel bist.“ Er sah kaum 10 Jahre älter aus als ich. War
es aber um einiges mehr. Ein paar Tausend würden es wohl mit Leichtigkeit treffen.
Ich fixierte mit den Augen einen undefinierbaren Punkt auf dem Boden. Er hasste
mich wirklich. „Ur-ur-ur-Enkel“, flüsterte ich. „Was hast du gesagt?“ Victor
drückte meinen Kopf hoch. „Ich bin euer Ur-ur-ur-Enkel.“
Mein Atem begann zu stocken. Jetzt traute ich mich gar nichts mehr zu sagen. Das
Letzte war ohnehin schon falsch. Er würde mich einfach umbringen. Ohne mit der
Wimper zu zucken. Ein ganz typischer Vampir eben.
Ich fuhr zusammen, als er seine riesigen Schwingen spannte. Graue Flügel, die an
die von einem Dämon erinnerten. Mit spitzen Enden. Ohne große Mühe konnte er
damit jemanden aufspießen. Fast Hilfe suchen, wanderte ich mit meinem Blick durch
den Raum. Wo war nur Jesko hin?
„Was willst du hier überhaupt, Missgeburt?“, knurrte Victor. Rammte eine Spitze
seiner Flügel durch meine rechte Hand, die er mir kurz zuvor nach oben gedrückt
hatte.
„Ich … ich wollte fragen, ob ich … von hier … weg darf.“ Mehr als ein Flüstern
war es nicht. Etwas anderes brachte ich auch gar nicht heraus. Wieso half mir den
Jesko nicht?
„Etwa mit dem Werwolf?“ Langsam nickte ich auf die Frage. Versuchte krampfhaft
nicht zu Wimmern.
Blut lief an meinem Arm hinunter. Tropfte ungehindert auf den Boden. Wo sich
schon eine Pfütze bildete. Sich zudem auch durch die Fugen der Fließen floss. Wie
wenn es von hier weg wollte.
Ich begann zu zittern. Sanft viel das Mondlicht durch das riesige Deckenfenster
in den Raum. Mein Blick wanderte zu diesem hoch. Schlagartig weiteten sich meine
Augen. Es war Vollmond. Wieso verängstigte mich das überhaupt? Jesko hatte sich
doch nur verwandelt. Er würde sich nicht unter Kontrolle und mich wohl einfach
mit zerreißen. Wenn er überhaupt so weit kommen würde.
„Lasst mich bitte los“, flehte ich. Erntete aber nur einen bösen Blick. „Wieso
sollte ich?“ Ein knurren Beantwortete aber auch gleich seine Frage. Victor drehte
sich leicht um. Vorstellen konnte ich mir schon, was er sah.
Er zog seinen Flügel aus meiner Hand und ich sank auf den Boden. Kauerte mich für
einen Moment zusammen. Die Wunde würde wohl so bald nicht heilen. Und dennoch
schneller, als bei einem Menschen.
Ein weiteres wütendes Knurren zerstörte die Stille, die sich im Raum breit gemacht
hatte.
„Du Biest wagst es, dich hier zu verwandeln?“, zischte Victor.
Mühsam raffte ich mich hoch. Torkelte einfach an ihm vorbei. Ich konnte mich
nicht richtig auf den Beinen halten. Weiß Gott wieso. Zaghaft schwankte ich auf
Jesko zu. Er hatte wirklich seine Wolfsform angenommen. Fletschte die Zähne.
Knurrte immer noch.
Ich hatte nicht einmal richtig Angst vor ihm. Mein Hündchen würde mir doch nie
wehtun. Das könnte er doch nie.
„Na beruhige dich, Jesko“, murmelte ich. Stand schon direkt vor ihm. Er hatte
sich nicht mehr gerührt. Nur noch diesen eigentlich Angst einflössenden Laut von
sich gegeben. Immer und immer wieder.
Sanft legte ich die Arme um ihm. Das sein Fell so weich war, hätte ich nicht
gedacht. Es war richtig flauschig.
Leicht seufzte ich. Sein Atem raste. War mit keinem Maß zu messen.
Ich wollte mich noch einen Moment an ihn drücken, doch da drückte er mich auf
einmal weg. Ich landete auf dem Boden. Hörte eine Schrei. Sofort presste ich die
Augen zusammen. Victor hatte ihn doch sicherlich umgebracht. Mein Jesko. Und ich
konnte ihm nicht einmal helfen.
Vorsichtig drehte ich mich um. Hätte es aber am Liebsten gleich gelassen. Der
Körper des Vampirältesten lag schlaff auf dem Boden. Sein Kopf war zwischen
Jeskos Klauen. Der ihn aber fast achtlos fallen ließ.
Ich rutschte zurück. Bis ich die Wand spürte. Jetzt hatte ich vor ihm Angst.
Wieso tat er so etwas? Würde er das mit mir auch einfach tun?
Er tapste zu mir. Beugte sich über mich. Sein Atem schlug gegen mein Gesicht.
Roch so dreckig. Meine Augen sprangen zwischen den seinen immer wieder hin und
her. Konnten sich nicht festlegen. Schon eines alleine jagte mir einen Schauer
über den Rücken.
„Jesko“, flüsterte ich, als er an mir roch. Seine eisige Nase wanderte über
meinen Hals. Genauso wie seine schon fast pfotenähnlichen Hände ihren Weg über
meinen Körper suchten.
Ich drückte mich immer enger an die Wand. Presste die Augen zusammen. Spürte
plötzlich seine Zunge. Sie glitt über mein Gesicht. Erkannte er mich? Wusste er
wer ich war?
„Jemil?“ Ich wagte es langsam wieder die Augen zu öffnen. Er blickte mich fast
wie ein treuer Hund an. Doch selbst das ließ nicht gerade Vertrauen in mir wachsen.
Er war noch immer in dieser Form. Und seine Klauen waren Blut verschmiert. Genauso
wie sein Maul. Hatte er sogar etwas von ihm gefressen?
Ich wusste nicht, wie lange wir so da gesessen sind. Ob es nur Minuten oder sogar
Stunden waren. Zumindest rappelte ich mich irgendwann auf. Wollte hier weg. Doch
er schlang die Arme um meine Hüfte.
„Tut mir leid. Ich konnte nicht anders. Er hat dir wehgetan“, flüsterte Jesko.
Schmiegte den Kopf an meinen Bauch. Ich presste die Auge wieder zusammen. Als ich
sie wieder öffnete fuhr ich mit den Fingern über seinen Kopf. Kraulte ihn ganz
leicht hinterm Ohr. Sanft summte er. Ließ seine Hände wieder auf den Boden
wandern.
Binnen weniger Minuten hatte er sich wieder zurückverwandelt. Scheinbar hatte er
es nicht einmal selbst bemerkt. Er blickte mich nur mit großen, traurigen Augen
an.
„Es tut mir wirklich leid“, flüsterte er wieder. Wie oft wollte er sich denn noch
entschuldigen. Jetzt war es doch ohnehin schon zu spät.
Sanft wischte ich ihm übers die Lippen. Etwas von dem Blut musste weg. Es widerte
mich nämlich jetzt schon an. Vor Ekel wischte ich meine Finger an seinem Shirt
ab. Ich wollte das Zeug wieder weg haben.
„Du trinkst es. Willst es aber nicht an den Händen haben.“ Zärtlich lächelte
Jesko. Legte die Arme wieder um mich. Drückte mich vorsichtig an sich. Sein Herz
raste. Natürlich. Er hatte gerade einem Vampir einfach den Kopf abgerissen.
Wahrscheinlich wusste er nicht einmal selbst, dass er so stark war.
„Wir müssen hier weg“, flüsterte ich. Versuchte mich aufzurappeln. Doch er presste
mich wieder auf den Boden. Fuhr mit den Finger an der Innenseite meiner Schenkel
entlang.
„Jesko! Hör auf! Dafür ist jetzt wirklich keine Zeit!“ Ich versuchte mich
krampfhaft von ihm zu lösen. „Es ist jetzt doch egal, wie viel wir von diesem Ort
noch besudeln. Das Blut eines Ältesten haben wir hier schon verteilt.“ Ich zappelte
bei seinen Worten. „Du hast es verteilt. Du hast ihn getötet!“
Mein Atem stockte. Langsam wurde ich panisch. Dieses Gefühl wollte ich gar nicht
bei ihm haben. Zu oft hatte ich es schon in anderen Situationen – die wohl
schlimmer waren – erleben müssen.
„Bitte Jesko! Hier kann jederzeit irgendein Vampir reinkommen. Dann sind wir tot!“
Er löste langsam die Umarmung. Ließ sogar mit seinen Fingern von mir ab. Ich
konnte mich wieder hoch raffen. Schwankte leicht. Immer noch tropfte Blut von
meiner Hand aus auf den Boden. Es wollte wohl gar nicht aufhören zu bluten. Wie
ich diese verfluchte rote Flüssigkeit doch eigentlich hasste. Das Einzige, für
das sie gut war, war um sie zu trinken. Aber das konnte ich weder mit meinem
eigenen noch jetzt mit dem von Victor.
Langsam wanderte mein Blick zu dem Ältesten. Wie kaltblütig war Jesko eigentlich
wirklich? Er konnte immerhin einfach jemanden umbringen.
Der Werwolf stand langsam auf. Stützte sich mit den Armen links und rechts neben
mir ab. So konnte ich wieder nicht weg und hing hier fest.
„Du wolltest gehen“, flüsterte er mir ins Ohr, „aber vorher könntest du dir doch
etwas von seinem Blut holen. Dann könnten wir einfach von hier weg.“ Ich
schüttelte langsam den Kopf. „Jetzt nicht mehr. Ich würde den Tod mit trinken.
Darauf hab ich nicht wirklich Lust.“
Ich legte die Arme über seine Schultern. Sah ihn für einen Moment an, bevor ich
mich mehr oder weniger unter ihm hervor kämpfte. Er blieb noch einen Moment
stehen. Drehte sich dann zu mir. Atmete mit einem Seufzen aus. Ich nahm zärtlich
seine Hand. Zog ihn hinter mir her. Wenn ihn hier jemand erwischen würde, wäre er
tot. Das wollte ich nicht. Er wollte mich doch wieder zum Fliegen bringen. Dazu
sollte er noch kommen. Und das lebendig.
„Seit wann hältst du mich denn so fest?“, fragte Jesko. Ich hatte gar nicht
bemerkt, wie ich krampfhaft seine Hand drückte. Wollte ich ihn denn gar nicht
mehr loslassen? „'Tschuldigung“, nuschelte ich. Wurde aber gleich von ihm sanft
gedrückt. Das kam mir eigentlich mehr so vor, als ob es nicht wirklich wäre. Als
ob es gar nicht passieren würde.
„Komm endlich.“ Ich versuchte mich von ihm zu lösen. Wir mussten einfach von hier
weg. Und trotzdem waren wir erst bis zur Tür gekommen.
Jesko hm-te nur zur Antwort. Ließ sich schließlich gefügig von mir weg ziehen.
Ich stolperte samt ihm auf den Gang hinaus. Blickte mich erst einmal nervös um.
Bis jetzt war niemand zu sehen. Das könnte sich aber binnen Minuten ändern. Es
würde wohl keinem sehr gut gefallen, dass Victor tot war. Und es würde wohl
ohnehin alles auf mich fallen. Selbst wenn ich nichts damit zutun hätte – was ich
leider Gottes hatte. Immer fiel alles auf mich, wenn irgendetwas passierte. Der
Mischling war's. Da hatte ich schon viel zu oft gehört. Und dabei verstand ich
früher dieses Wort nicht einmal. Hatte nicht verstanden, wieso sie mich als
'Mischling' bezeichneten.
„Willst du jetzt auch ohne die Erlaubnis von ... Victor mit mir von hier weg?“
Jesko riss mich aus meinen Gedanken. Fast zaghaft begann ich auch zu nicken. Was
sollte ich auch hier noch zu suchen haben? Wer würde mich auch jetzt noch hier
haben wollen?
Ich hörte Schritte, die ziemlich schnell näher kamen. Hatte es schon jemand
bemerkt? Das ging doch eigentlich nicht. Denn hätten wir doch jetzt sehen müssen.
Mein Herz begann zu rasen. Ich drückte Jesko gegen die Wand. Der ließ das sogar
mit sich machen. Spürte er meine Panik?
„Beruhige dich. Der kommt aus der anderen Richtung“, hauchte er mir ins Ohr. „Ist
doch egal. Dein blutverschmiertes Gesicht würde man aber trotzdem sehen.“ Ich
wischte ihm wieder übers Angesicht. Viel half es ohnehin nicht. Aber zumindest
ein bisschen.
„Das wird doch nichts.“ Wie er mich anlächelte. So unschuldig. Dabei war er das
doch gar nicht. Würde es jetzt sicherlich auch nicht mehr werden.
„Jemil?“ Ich zuckte zusammen. Wirbelte herum. Drückte dabei Jesko noch mehr an
die Wand. Der jaulte kurz auf. „Was machst du denn hier? Wenn dich jemand sieht.
Du weißt doch, dass dich hier keiner haben will. Victor ist doch für dich tabu.“
Wieso musste es gerade Joe sein? Wieso? Der Kerl hatte einen größeren Knall, als
es jede Bombe auf diesem Planeten je haben wird.
Joe zog eine Augenbraue hoch. „Und was macht der Werwolf hier?“ Ich ging einen –
winzig kleine – Schritt nach vorne. Nur damit Jesko nicht ganz so zwischen mir
und der Wand eingeklemmt war. „Von hier wegbringen“, meinte ich sicher. Gelogen
war es doch ohnehin nicht. Er musste sowieso von hier weg. Genauso wie ich.
„Ok.“ Es wirkte nicht so, als ob mir Joe wirklich glauben würde. Damit hätte er
aber auch Recht.
Ich schob Jesko schon wieder vor mir her, als er sich noch einmal an mich wendete.
„Weißt du, wieso Mila geheult hat?“ Abrupt blieb ich stehen. Sie hatte noch mal
geweint? Doch nicht wieder wegen mir und Jesko? Das wäre doch eigentlich dumm.
Schon immer wusste sie doch eigentlich, dass ich nichts von ihr wollte. Gar
nichts. Wir waren doch immer nur Freunde. Mal bessere und mal schlechtere. Und
dann heult sie wirklich wegen mir?
„Nein“, meinte ich schließlich knapp. Drückte den Werwolf weiter. Langsam sollten
wir uns wirklich beeilen. Joe ging jeden Tag zu Victor. Jeden verfluchten Tag.
Nur um sich bei ihm einzuschleimen. Zum Titel 'Lieblings-Ur-ur-ur-Enkel' war er
schon aufgestiegen. Was für ein Glück für mich zumindest, dass er nicht mein
Bruder war, sonder nur irgendein weitläufiger Cousin. Und trotzdem war er manchmal
sogar nützlich. Doch wirklich nur manchmal.
„Willst du wirklich irgendetwas mitnehmen?“ Jesko blickte mich musternd an, als
ich einen Kleiderschrank durchwühlte. „Nur einen langen Mantel“, antwortete ich.
Irgendwie musste ich mich doch vor dem Sonnenlicht schützen. Da würde so etwas
wohl am besten helfen.
Jesko zuckte knapp mit den Schultern. Er brauchte ohnehin nichts. Werwölfe konnten
gut und gerne durch die Sonne marschieren und sich sogar bräunen. Das würde ich
nie können. Die Schatten würden das Einzige für mich bleiben.
Anfang der Veränderung
Lost Angel
Kapitel 17 – Anfang der Veränderung
Jesko’s PoV
Wie gebannt starrte ich auf meine Hände. Sie waren noch immer Blut verschmiert.
Ich hatte wirklich einen Vampir getötet. Einfach so. Mein Körper hatte mir nicht
gehorcht. Nur der Geruch von Jemil hatte mich einen Moment wieder unter Kontrolle
gebracht. Doch dann war da der Geruch seines warmen Lebenssaftes. Der ließ meine
Sinne wieder aus den Rudern geraten. Ich war wieder wütend geworden. Dieser
verfluchte Victor hatte ihm weggetan und dann tötete ich ihn. Ja, ich war ein
Mörder. Ich hatte einen Vampirältesten getötet.
„Wasch dir die Hände!“ Ich hob den Blick Sah zu Jemil. Er hatte sich gerade einen
langen, schwarzen Mantel mit Kapuze übergeworfen. Dann wollte er wirklich mit mir
von hier weg. Knapp nickte ich. Marschierte ins Bad.
Minuten lang ließ ich das lauwarme Wasser über meine Finger laufen. Viel half es
nicht. Dieses verdammte Rot ging nicht ab. Es wollte wohl gar nicht.
Zwei Arme legten sich um mich. „Du musst Seife nehmen“, flüsterte Jemil. Ich
hm-te nur. Nahm besagtes Stück. So ging es wirklich einfacher.
„Dann können wir?“ Er zitterte ganz leicht. War er sich seiner Sache doch nicht
so sicher? Das sah aber noch vor einigen Minuten anders aus.
Ich nickte. Trocknete mir nur noch schnell die Hände ab, bevor ich ihn mit einem
leichten Ruck einfach hinter mir herzog. Wir sollten so bald wie möglich weg
sein. Das ganze Haus würde bald in Aufruhe sein. Spätestens wenn Joe ihn gefunden
hätte.
Jemil stolperte nur hinter mir her durch die Gänge. Den Haupteingang würden wir
nicht nehmen um raus zu kommen. Einer der unendlichen Hinterausgänge würde wohl
besser hinkommen.
„Mach mal ein bisschen langsamer“, flehte der Vampir. Aber flehte er wirklich?
Irgendwie kam mir das bekannt vor. Es war doch erst vor ein paar Tagen genau
anders herum.
„Zieh dir die Kapuze über“, trug ich dem Blonden auf, als wir durch einen kleinen
Gang liefen. Ich wusste, dass an dessen Ende eine Tür nach draußen war und dass
es wohl noch hell sein würde.
Wie ich es ihm auftrug tat er es. Zog sich die Kapuze tief ins Gesicht. Nicht
einmal mehr seine Augen konnte ich sehen.
Ohne große Vorwarnung riss ich die Tür auf. Natürlich strahlte die Sonne noch vom
Himmel, aber in seiner Montur sollte sie ihm – hoffentlich – nicht viel anhaben
können. Bis jetzt wimmerte oder schrie er auch noch nicht vor Schmerzen.
„Nehmen wir die Pferde?“, fragte Jemil. Hob nicht einmal den Kopf. Wäre aber wohl
auch zu gefährlich gewesen. Ich nickte langsam. Auch wenn ich diese Tiere überhaupt
nicht mochte. Einmal hatte mich schon eins getreten. Und halb zertrampelt bin ich
von ihnen auch schon geworden. Nutzloses Viehzeug.
Ich schlich durch den Stall. Versuchte mich so weit wie möglich von irgendwelchen
Hufen fern zu halten. Die Pferde hatten schon wütend zu schnauben begonnen, als
ich nur die Tür geöffnet hatte und jetzt hatte sich daran nicht viel geändert.
Das ‚nicht mögen’ beruhte sich wohl auf Gegenseitigkeit.
„Die hassen mich“, flüsterte ich. Jemil hatte sich einem Rappen zugewendet. Das
schwarze Tier ließ sich genüsslich die Nüstern streicheln. Doch als ich näher zu
dem Vampir trat schnaubte auch es nur wütend.
„Ganz hinten müsste ein Schimmel stehen. Der ist ganz lieb.“ Der Blonde wies nach
hinten und ich marschierte in die Richtung. Versuchte einfach mal das Hufekratzen
der Pferde nicht zu beachten. Die würden mich wohl wirklich liebend gerne
zertreten sehen.
Am hinteren Ende des Stalles stand wirklich ein fast weißes Pferd. Und es blickte
mich auch nicht so wütend an, wie die anderen. Beinahe erleichtert atmete ich
auf, als ich näher zu ihm ging. Doch es wich zurück.
Etwas verwirrt wendete ich mich um. Jemil war immer noch im vorderen Teil und um
Hilfe bitten wollte ich ihn gar nicht. Diesen ängstlichen Gaul würde ich schon
irgendwie erwischen.
„Na komm her, Pferdchen“, flüsterte ich und trat wieder einen Schritt näher auf
es zu. Aber es ging wieder zurück. Blickte mich mit großen Augen an. Große Lust,
das noch lange zu machen hatte ich nicht.
„Blöder Gaul, komm her!“, zischte ich. Jedoch verängstigte es das wohl nur noch
mehr. Immer weiter versuchte es sich von mir zu entfernen. Irgendwann würde es
schon gegen eine der Boxenwände laufen. Passierte sogar recht bald.
Ich tapste wieder etwas weiter auf es zu und das – dumme – Pferd ließ sich von
mir in eine Ecke treiben.
„Jesko! Was brauchst du denn so lange?“, hörte ich Jemil hinter mir fragen. Das
Tier vor mir blieb abrupt stehen. Blickte den Vampir fast schon freudig an.
Trabte dann einfach an mir vorbei auf ihn zu. Ließ sich von Jemil streicheln.
„Mich hassen Pferd“, murrte ich. „Sie spüren wohl eher, dass du Angst vor ihnen
hast.“ Ich wirbelte zu dem Blonden herum. „Angst?“ Ich verzog mein Gesicht zu
einem Schmollen. Angst gegenüber solchen Huftieren war für mich ein chinesisches
Fremdwort.
Jemil nahm das Zaumzeug, das an einem Hacken an der Wand hing und legte es dem
Pferd an. Er ging mit dem Tier fast schon fürsorglich um. Das lag doch nicht nur
daran, dass ich dabei war.
Wieder im vorderen Teil angekommen stand dort auch schon der Rappe – auch
gezäumt. Es schien aber, als ob mich das Tier böse anschauen würde. Richtig
schauderhaft.
Etwas unsicher sah ich zu dem Schimmel, der neben mir stand. „Und damit wollen
wir jetzt wirklich abhauen. Zu Fuß wären wir sicher schneller“, meinte ich. Er
war doch auf alle Fälle um einiges schneller als jedes Pferd in diesem Stall.
Auch wenn das wohl auf mich nicht zutreffen würde.
„Du aber nicht“, säuselte Jemil. Ließ die Zügel – die er eigentlich jetzt von
beiden Pferden in Händen gehalten hatte – auf den Boden sinken. Legte die Arme um
meine Schultern. Diese wirklich eigentlich winzigkleine Berührung fühlte sich
plötzlich so seltsam an. Ich verstand nicht mehr, was ich fühlte.
Ich näherte mich mit meinen Lippen seinem Ohr. „Willst du denn anderen Grund
wissen, wieso ich das alles mit mir machen lassen?“, flüsterte ich. Langsam
nickte er. Schluckte auch gleich. Irgendwie wirkte er aufgeregt.
Ich schlag leicht die Arme um ihn um ihn etwas näher zu mir zu ziehen. „Weil ich
dich … lie … lie …“ Ich konnte es einfach nicht aussprechen. Es blieb mir Wort
wörtlich im Halse stecken und als ob es gar nicht heraus wollte.
„Was denn jetzt? Du ‚lie’ mich?“ Er löste sich aus meiner Umarmung sah mich
verwirrt an. Das löste sich aber bald wieder auf. „Na ja, du kannst es wohl immer
noch nicht sagen.“ Leicht kratze er sich am Ohr. Beugte sich dann nach unten um
die Zügel wieder aufzuheben und mir einen davon in die Hand zu drücken. „Wir
sollten los“, meinte er bestimmend und zog sich auch gleich wieder die Kapuze
über den Kopf. Seine schönen Augen verschwanden fast darunter.
Seufzend tapste ich hinter ihm her nach draußen. Ein kalter Wind schlug ihm ins
Gesicht, als er nach draußen trat. Der Schnee knirschte unter seinen Schritt, als
er ein Stück weiter ins Freie ging. Sich leicht umsah, was ich ihm auch sofort
gleichtat. Es war noch immer ziemlich hell. Erst in ein paar Stunden würde die
Sonne untergehen. Bis dahin sollten wir weit genug weg sein.
Jedoch machte ich mir Sorgen um ihn. Wenn nur einmal eine Böe im die Kapuze vom
Kopf reißen würde, dann könnte er sich auf einen kurzen, aber schmerzvollen Tod
einstellen. Zumindest wenn er direkt von der Sonne erwischt werden würde. Zwar
sah es momentan eher danach aus, dass es bald wieder zu schneien anfangen könnte
– die Wolken hatten einen Großteil des Himmels bedeckt – aber das würde nicht
immer so bleiben. Im Sommer wird ihn die Hitze sicherlich noch umbringen. Doch
bis dahin war es noch lange hin.
Ich legte meine Hände auf seine Hüften. Nur für einen Moment. Spürte wie er
leicht zusammen zuckte. „Was ist denn?“, fragte er. Drehte sich leicht zu mir.
Ich drückte meinen Kopf gegen seinen Hals. Sein Herz begann schneller zu
schlagen. Ich fühlte nämlich wie das Blut auch um einiges schneller durch seine
Halsschlagader floss. Unbewusst biss ich mir leicht auf die Zunge.
„Wir müssen los!“, meinte er ruhig, aber bestimmend. Löste sich wieder von mir.
Eins ganz leichtes, kleines Lächeln hatte sich auf seinen Lippen gebildet. Mein
Körper wurde schlagartig etwas wärmer. Nur weil er ganz kurz die Mundwinkel etwas
hochgezogen hatte. Er wirkte so … niedlich. Und dennoch hatte ich ihn noch nicht
richtig lachen sehen. Das wollte ich doch eigentlich. Also war das doch schon ein
Schritt in die richtige Richtung. Nur noch ein bisschen mehr. Ein kleines
Bisschen. Das würde ich doch noch mit Leichtigkeit schaffen.
Langsam tapste ich hinter ihm her. Mit den Zügeln des Pferdes in der Hand.
Anmutig stieg er auf das seinige auf.
„Komm! Beeil dich!“ Jemil warf mir einen kurzen Blick zu. Unsicher wendete ich
den meinem zu dem Tier neben mir. Es scharrte nervös mit den Hufen, als ich
versuchte hochzukommen. Da trat es aber plötzlich einen Schritt auf die Seite und
ich verlor das Gleichgewicht. Landete im kalten Schnee.
„Drecksvieh!“, brüllte ich. Bekam jedoch auch gleich mit, dass Jemil nur den Kopf
schüttelte. „Du wirst doch auf ein Pferd kommen?“, meinte er mit gehobener
Augenbraue. „Als Werwolf hat man das leider nicht gelernt“, zischte ich wütend.
Bereute es aber schon im nächsten Moment.
„Tut mir leid.“ Verwirrt blickte ich auf. Hatte er sich gerade bei mir entschuldigt?
Das klang irgendwie seltsam. Rein sein Tonfall. War das sein wirkliches Ich? War
er so wirklich? Schüchtern? Zurückhaltend? Zerbrechlich? So wirkte er zumindest
gerade. Und irgendwie mochte ich es sogar. Dieser kalte Charakter war einfach nur
grausam. Er tötete doch damit nur seine ganzen Gefühle ab.
Nach meinem zweiten Versuch schaffte ich es auch auf das Pferd zu kommen. Etwas
nervös sah ich zu Jemil. Ich hatte wohl doch Angst vor diesen Tieren. Doch wieso
fand ich auch gleich darauf heraus.
Plötzlich stellte sich das Pferd des Vampirs auf die Hinterbeine. Wieherte
verängstigt. Ich wusste im ersten Moment nicht einmal was los war. Bis das Tier
ganz umstürzte. Meine Augen weiteten sich. Aus Angst sprang ich vom meinigen
wieder ab. Aber nur um nach Jemil zu sehen. Er hatte wohl Glück im Unglück. Das
Huftier war genau neben ihm zu liegen gekommen und jetzt sah ich auch, von was es
so verschreckt worden war. Eine riesige Fledermaus hing an seinem Hals. Als diese
die Zähne wieder aus dem Pferd zog schweifte sein Blick über die Umgebung.
„Es sieht uns nicht“, flüsterte Jemil. „Was ist das?“, fragte ich. Es wirkte wie
irgendeine mutierte Fledermaus. Zumindest sah dieses Ding so aus. Nur viel zu
groß. Und Eckzähnen, die bis über das Maul herausragten. Und das was ich zuerst
für Augen gehalten hatte waren nur Felllappen. Etwas wie Augen hatte es wohl gar
nicht.
„Ein kleines Gen-Experiment“, gab der Vampir leise zurück. Ich schluckte. Das
wäre wohl das, dem es am nächsten kam. „Wenn wir nicht zu laut sind, kann es uns
nicht einmal hören.“
Zaghaft rappelte Jemil sich auf. Ging langsam um das ‚Tier’ herum. Sein Pferd war
wohl nicht mehr am Leben, weswegen er sich gleich dem meinen zuwendete. „Ruhig“,
flüsterte er, als auch dieses sich gerade aufbäumen wollte.
Dieses Etwas kroch auf mich zu. Fletschte die Zähne. Mir entfuhr ein Schlucken,
als ich auch wieder aufstand. Es konnte mich gar nicht sehen, hatte er gesagt.
Ich hoffte doch mal, er hatte Recht.
Schnellen Schrittes bewegte ich mich zu Jemil, der schon auf meinem Pferd saß.
Mit einem Ruck hatte ich hinter ihm Platz genommen.
„Runter“, meinte ich und griff über ihm hinweg nach den Zügeln. „Was soll das?“,
fragte er, als ich mich fast ganz über ihn beugte. „So trifft dich die Sonne noch
weniger“, erwiderte ich. Legte einen Arm um seinen Bauch und gab den Tier die
Sporen. Es wieherte kurz auf, bevor es los lief. Dieses seltsame Fledermaus-Vieh
hatte das wohl auch gehört und drehte sich langsam um. Doch es blieb dennoch auf
dem Boden sitzen. Im kalten Schnee würde es wohl bald erfrieren.
„Da hinten geht ein Weg durch den Wald zum nächsten Dorf. Gegen Abend könnten wir
dort sein“, meinte der Blonde. Versuchte sich leicht wieder aufzurichten, doch
ich drückte ihn wieder auf den Rücken des Pferdes.
„Ich weiß“, erwiderte ich, „und du bleibst schön unten!“
Durch den Lauf des Pferdes wurde der Schnee aufgewirbelt. Etwas machte ich mir
Sorgen, dass uns jemand folgen würde. Wir waren momentan auch die einzigen die
für den Mord am Ältesten Victor in Frage kommen würden.
Für einen Moment presste ich die Augen zusammen. Ich zog ihn da doch nur mit
rein. Aber er wollte wieder rum doch davor von hier weg. Und ich war wohl erst
ein Grund um es wirklich zu tun. Davor wäre er zu Victor sicher auch gar nicht
gegangen. Doch es war ein Fehler mich mit zunehmen. Hätte er sich nur nicht an
die Regeln gehalten.
Ich beugte mich etwas tiefer über ihn. Ganz leicht zitterte er. Minusgrade
mussten wir wohl schon längst haben und sein Körper konnte sich doch ohnehin
nicht richtig selbst wärmen. Dann würde einfach ich diese Arbeit übernehmen.
„Was wird jetzt mit Pio?“, fragte ich irgendwann. Ob er überhaupt über dieses
Thema reden wollte, wusste ich eigentlich nicht. Aber zumindest versuchen konnte
ich es.
„Was soll mit ihm sein? Das er auf die verdammte Idee kommt, mich zurückholen zu
wollen, kann ich mir schon vorstellen. Das werden sie alle, wenn erst einmal
herauskommt, wer Victor getötet hat. ... Nur wird sich dann Pio einen Spaß daraus
machen mich zu quälen, wenn sie mich erst einmal wieder eingesammelt haben.“ Kein
Funken Gefühl lag in seiner Stimme.
Ich schmiegte mich etwas an ihn. Er fror doch immer noch. Es würde wohl auch so
bald nicht aufhören.
Blutdurst
Lost Angel
Kapitel 18 – Blutdurst
Jemil’s PoV
Mir stieg der Geruch von frischem Blut in die Nase, als ich die Augen wieder
leicht öffnete. Irgendwann war ich wohl eingeschlafen. Langsam setzte ich mich
wieder ganz auf. Rieb mir dabei die Schläfe.
„Wieder wach?“, flüsterte Jesko. Ich spürte einen seiner Arme um meinen Bauch.
Etwas verwirrt sah ich mich um, bevor ich leicht nickte. Es war dunkel geworden.
Oder waren wir nur tiefer in diesem verfluchten Wald.
„Riechst du das auch?“, fragte da plötzlich der Werwolf. „Wenn du das Blut
meinst, dann ja“, gab ich knapp zu Antwort. Blickte nach oben. Strahlend standen
die Sterne vereinzelt am Himmel. Doch mein Blick suchte einen anderen
Himmelskörper um den ich mir viel mehr Sorgen machte.
„Der Mond ist wohl hinter den Wolken, falls es dich beruhigt.“ Als ob er gewusst
hätte, wieso ich so angestrengt den Nachthimmel absuchte. Aber es war ohnehin
nicht schwer zu erraten. Was sollte ich schon sonst wollen? Sterne beobachten
wohl kaum.
„Verflucht“, zischte Jesko, als sich das Pferd sträubte weiter zu laufen. „Es
riecht es auch“, meinte ich. Glitt von dem Tier herunter. Hielt dem jungem
Werwolf die Hand hin. „Wir gehen zu Fuß weiter. Das wird eh nicht mehr wollen.“
Als ich das letzte Wort ausgesprochen hatte sprang auch der Dunkelhaarige von dem
Huftier. Nahm ihm aber noch vorsichtig das Zaumzeug ab. „Jetzt bist du auch
frei“, meinte er noch zu ihm, bevor er ihm einen Klaps gab und es wie von Sinnen
davon lief.
„Das kommt mir wie ein Massaker vor“, meinte ich, als der Geruch immer stechender
wurde. Selbst ein gewöhnlicher Mensch hätte ihn wohl jetzt schon längst gerochen.
Krampfhaft hielt sich das Wölfchen die Nase zu. „Das ist widerlich“, knurrte er.
Je weiter wir gingen. Je schlimmer wurde es. Irgendwann wollte Jesko nicht mehr.
„Das stinkt verdammt dreckig!“ Er wollte umdrehen. Doch ich hielt ihn fest. „Wir
laufen aber dann auch nur zurück“, meinte ich. Umklammerte seine Hand. „Dann
nehmen wir doch einfach den querfeldein Weg“, schlug er vor. Doch das wollte ich
nicht. Auf dem eigentlichen Weg war man doch noch am sichersten. Weiß Gott, was
auf einen lauerte, wenn man denn nur einen Moment verlassen würde.
„Ich gehe da nicht mehr weiter.“ Er hatte wohl meinen Blick bemerkt. „Komm schon.
Es wird schon nicht so schlimm sein.“ Zaghaft versuchte ich zu lächeln. Jesko
seufzte. Spürte er, dass ich seine Idee nicht so wunderbar fand. „Sei kein
Hasenfuß“, murmelte er. Wohl eher zu sich selbst, als zu mir. Marschierte dann
schnurgerade an mir vorbei.
Ich krallte bald schon die Finger in sein Mantel – das er überhaupt einen
anhatte. Mir wurde auch verdammt kalt. Schon die ganze Zeit. Und es schien, als
ob es nur noch kälter werden würde.
Jesko blieb plötzlich stehen. Von weiten konnte man schon Licht sehen. Bis zu dem
Dorf, das dort sein sollte, war es jetzt nicht mehr weit. Aber zu dem beißenden
Blut Geruch war noch etwas anderes gekommen. Der Geruch von Feuer und verbrannten
Leichen.
„Das ist mehr als ein Massaker.“ Meine Finger bohrte ich noch tiefer in den
Stoff. Drückte meinen Kopf gegen Jeskos Schulter. Sein Blick war starr auf das
Licht, das sich leicht durch die Bäume kämpfte. Woher die Helligkeit kam, konnte
ich mir schon denken.
„Du wolltest weiter, also komm!“ Er zog mich einfach hinter sich her. Anfänglich
wehrte ich mich noch etwas. Doch dann gab ich es einfach auf. Im Grunde hatte er
doch Recht. Und immerhin wollte ich doch weit genug von diesem verdammten Ort
weg. Ein kleines Blutbad wäre da doch nicht so schlimm.
Durch jeden Schritt stieg mir mehr und mehr dieser grässliche Geruch in die Nase.
Es trieb mir den Geschmack von Galle in den Mund. Doch jedes eklige Gefühl
verflog auf einmal, als Jesko meine Hand ganz leicht drückte.
„Du willst mir doch nicht etwa umkippen?“, fragte er scherzhaft. Etwas verlegen
sah ich zu Boden. „Natürlich nicht“, meinte ich schließlich. „Dann komm doch. Wir
müssen doch nur durch, ab dann werden sie doch sicherlich unsere Spur verlieren.“
Etwas verwirrt sah ich zu ihm. „Wie meinst du das?“, wollte ich wissen. Er zog
nur leicht die Mundwinkel hoch. „Bei dem Blutgestank können die nie im Leben
unsere Spur wieder finden.“
Ich hörte ihm kaum noch zu. Mir lief auf einmal das Wasser im Mund zusammen. Wie
in Trance ging ich an Jesko vorbei. „Jemil?“ Es klang, als ob ich Watte in den
Ohren hätte.
Er packte mich an der Schulter. Zog mich zurück. „Was ist denn?“, fragte ich.
„Stimmt was nicht?“, erwiderte er aber nur mit einer Gegenfrage. Für einen Moment
überlegte ich. „Ich hab Durst“, antwortete ich schließlich. Und es stieg in mir
wirklich hoch. Der Geruch hatte das nur angetrieben. Plötzlich roch es auch gar
nicht mehr eklig, sondern richtig lecker.
Verwirrt sah der Werwolf mich an. „Was willst du denn? Hier müsste irgendwo ein
Fluss sein.“ Er drehte sich leicht um. Ließ mich dabei auch wieder los. „Ich will
Blut!“ So schnell konnte nicht einmal ich schauen hatte er sich auch schon wieder
umgedreht.
„Wa... Was hast du gesagt?“, stotterte er. „Ich. Will. Blut“, wiederholte ich es
einfach noch einmal ganz langsam. Trat einen Schritt auf ihn zu und legte meine
Arme um seine Schultern.
Noch nie hatte ich dieses Gefühl so deutlich gespürt. Eigentlich kannte ich es so
gar nicht. „Dann nimm meines“, meinte Jesko und drückte meinen Kopf an seinen
Hals. Ich brachte nicht einmal die Zähne auseinander, selbst wenn ich zubeißen
wollte.
„Dein Blut will ich nicht“, zischte ich und befreite mich aus seinem Griff.
Drehte mich wieder um und tapste weiter in Richtung dieses Dorfes. Es würde wohl
genügend geben, die ohnehin schon so gut wie tot waren. Ein paar mehr oder
weniger würden da schon nicht auffallen.
„Jemil! Bleib hier!“, rief er mir hinterher. Wieso hielt er mich nicht einfach
zurück? Dann würde ich ihn aber vielleicht doch beißen müssen. Das könnte ich
doch gar nicht. Ich blieb wieder stehen. Der Geruch war noch stärker geworden.
Nur noch um eine Biegung, dann würde das Dorf direkt vor mir liegen.
Ich schluckte. Das wäre ein Genuss.
Da schlangen sich plötzlich zwei Arme um mich. „Komm wieder zu dir!“ Wieder
klang es so abgedämpft. „Ich brauch es“, flüsterte ich. Versuchte mich zu
befreien. Kam aber einfach nicht mehr los.
„Bitte, Jesko. Riechst du es denn nicht auch. Dieses Süßliche. Es ruft nach mir.
Das spüre ich“ Doch er ließ mich nicht los. Egal wie sehr ich mich losreißen
wollte. Egal wie sehr ich ihn anflehte.
Immer wieder trieb ein leichter Wind den Geruch in meine Nase. Langsam, aber
sicher, schalteten alle meine Sinne ab. Nur der Drang nach Blut blieb. Aus
irgendeinem Grund waren auch auf einmal Jeskos Arme weg. Ich konnte mich wieder
frei bewegen.
Ich bekam nicht mehr mit, was ich tat. Nur dieses Warme in meinem Gesicht spürte
ich. Wie es sich in meinem ganze Körper ausbreitete und diesen verfluchten Durst
stillte. Bis er ganz weg war.
Ich sank zu Boden. Starrte in den Himmel. Ein Knurren riss mich wieder völlig aus
meiner Trance. Verwirrt blickte ich mich um. Alles war Blut überströmt. Kein
Zentimeter des Marktplatzes, auf dem ich saß, war nicht davon bedeckt. Und alle
paar Meter lag eine Leiche. Gelegentlich auch einmal einige auf einem Haufen.
Ich zuckte zusammen. Mein Atem begann zu rasen. War ich das gewesen? Hatte ich
sie einfach getötet?
Wieder dieses Knurren. Ich sprang auf und wirbelte herum. Sank aber gleich wieder
zusammen, als ich sah, was da vor mir stand und die Zähne fletschte. Ein Wolf.
Ein Werwolf und es war nicht Jesko. Der war doch viel kleiner. Und hatte nicht so
zerzaustes Fell.
„Jesko“, flüsterte ich. Eigentlich wollte ich es brüllen. Doch ich war nicht im
Stande dazu. Ich zitterte am ganzen Körper, als ich zurück wich. Der Wolf
verwandelte sich mit jedem Schritt, den er auf mich zutat, weiter zurück.
„Dreckiger Vampir“, zischte er, als er wieder ganz zum Menschen geworden war.
Tief dunkle Augen funkelten mich an.
„Lass ihn!“ Ich atmete fast erleichtert auf. Jesko. Wieso hatte er mich denn
nicht aufgehalten?
Der andere Werwolf drehte sich zu ihm herum. „Dieses Vieh hat aber mein
Abendessen versaut, Schosshund.“ Erst jetzt viel es mir auf. Aus meiner Angst
heraus hatte ich es wohl auch gar nicht gesehen. Seine Hände waren mit Blut
getränkt und auch an seinen Mundwinkeln klebte es. Dann hatte er das hier
angerichtet und nicht alleine ich.
„Du hast .... dieses Dorf ausgelöscht?“, fragte Jesko. Kam einige Schritte näher
und lief auch gleich um den anderen herum zu mir. Stellte sich schützend vor
mich. „Genau das habe ich, Kleiner.“ Er sah ihn herablassend an. Wieso auch
nicht? Jesko stellte sich als Wolf vor einen Vampir um ihn zu beschützen. Das war
nicht gerade eine normale Tatsache.
„Dann möchte ich mich für den Vampir entschuldigen. Er hatte nur Durst.“ Mein
Werwölfchen verbeugte sich tief. Blieb sogar einige Sekunden unten und wagte es
erst dann wieder hochzukommen.
„Du entschuldigst dich für eine Blutsauger? Hast du denn gar keinen Stolz?“ Jesko
blickte bei den Worten des anderen wieder auf den blutigen Boden. „Doch, aber
...“ Ich hörte es regelrecht, wie er sich leicht auf die Unterlippe biss.
„Dann verschwinde mit deinem Freund von hier. Lauf am besten um dein Leben, sonst
werde ich euch auch noch fressen!“ Jesko sah auf. „Danke“, murmelte er und
wendete sich zu mir. Nahm meine Hand und zog mich hinter sich her.
Erst als wir wieder aus diesem verfluchten Dorf draußen waren, ließ er mich
wieder los. „Wieso hast du das gemacht?“, fragte der Dunkelhaarige. Wendete sich
zu mir. Ich antwortete nicht. Fixierte mit den Augen einen Stein, der auf dem Weg
lag. Nur ein kleines Steinchen.
Jesko drückte meinen Kopf mit Gewalt hoch, sodass ich ihn ansehen musste.
„Antworte! Wieso?“
Irgendetwas änderte sich gerade zwischen uns. Doch wirklich wissen, was das war,
wusste ich wohl bis jetzt noch nicht.
„Ich hatte einfach solchen Durst.“ Meine Stimme war kaum lauter als ein Flüstern.
„Dann nimm das nächste Mal meines!“ Ich spürte den scharfen Unterton. „Das könnte
ich nie“, murmelte ich. Wie sollte ich das je tun?
„Weißt du wie weit es bis zum nächsten Dorf ist?“, fragte ich. Krallte die Finger
in den Stoff seines Mantels. Während er die Arme um meine Schultern legte.
„Einen guten halben Tagesmarsch, würde ich sagen. Bis morgen früh konnten wir
dort sein.“
Leicht seufzte ich. „Dann beeilen wir uns.“ Jesko hielt mich jedoch fest, als ich
gehen wollte. „Was ist denn?“, fragte ich. „Nimm meines das nächste Mal, auch
wenn du nicht kannst. Bitte!“ Ich zog die Augen zusammen. Das wollte er doch gar
nicht tun. Und ich auch nicht. Lieber würde ich sterben wollen, bevor ich ihn
beißen würde.
Das Gefühl wurde wohl schlimmer. Ich wendete mich noch einmal zu dem Werwolf, als
der mich einfach nicht gehen lassen wollte. „Ich mag dich“, meinte ich. Vor
Schreck ließ er mich sofort los.
„Nicht mehr“, fragte er, als er sich scheinbar wieder von seinem leichten – ganz
leichten – Schock erholt hatte. „Vielleicht“, erwiderte ich knapp, „wie ist es
denn bei dir?“ Er zog nur die Schultern hoch. Zog den Kopf gleichzeitig ein. Was
sollte das denn jetzt heißen?
„Weiß ich nicht.“ Er löste sich wieder aus seiner Starre. Lief schließlich auch
einfach an mir vorbei. Ich sah ihm nur verwirrt hinterher.
„Warte!“, rief ich und sprintete hinter ihm her. Bis ich mit ihm wieder auf
gleicher Höhe war. Legte schlussendlich auch meine Finger um sein Handgelenk. Er
blieb abrupt stehen. „Du weißt es“, hauchte ich ihm ins Ohr. Und ich doch auch.
Er 'lie' mich nicht. Er liebte mich. Nur das er es nicht aussprechen konnte, weil
er über meine Gefühle nichts wusste. So verdammt herablassend, wie ich ihn aber
auch schon behandelt hatte. Es wäre nicht ungewöhnlich, wenn er sich nie trauen
würde.
Aber jetzt hatte er doch schon einmal einen kleinen Anhaltspunkt dafür. Ein
bisschen mehr wusste er doch über das, was ich spürte. Bei ihm.
„Ich denke, dass wohl irgendetwas schon ist“, murmelte er. Ich legte meinen Arme
um ihn. „Vielleicht wird es noch etwas mehr.“ Leicht berührte ich mit meinen
Lippen seinen Hals. Meine Lippen kribbelten für wenige Sekunden. Das fühlte sich
gut an. Das wollte ich noch einmal spüren. Vorsichtig kam ich seiner Kehle wieder
näher. Berührte sie erneut. Wieder dieses Prickeln. Ich kaute auf meiner
Zungenspitze herum.
„Gefällt dir das? ... Wenn wir uns nicht beeilen müssen wir wieder tagsüber
laufen. Ich denke nicht, dass dir das gut bekommt.“ Wollte er von mir weg. Es
schien fast so. Jetzt wo wir wohl so gut wie nicht mehr unter den Fittichen von
irgendwelchen Vampir-Werwolf-Verhältnissen standen konnten wir eigentlich tun und
lassen was wir wollte. Nur das wir solche Kreaturen waren sollten wir wohl
niemanden sagen. Viele Menschen glaubten zwar nicht mehr an uns, aber es würde
wohl immer noch vereinzelt welche geben. Und ich wollte nicht einen Fackel
schwingenden wütenden Menschen-Mopp hinter mir haben.
Wärme von wem?
Lost Angel
Kapitel 19 – Wärme von wem?
Jesko’s PoV
Mir fielen die Augen schon fast zu. Wohl oder übel hatte ich zu wenig geschlafen.
Und dann liefen wir auch noch durchgehend. Das Stück, das wir mit dem Pferd
zurückgelegt hatten, hatten wir jetzt schon längst übertroffen. Auch das Dorf,
das von diesem Werwolf regelrecht zu Grunde gerichtet wurde, lag schon weit
hinter uns. Doch ich wollte nicht meckern. Irgendwann würden wir schon einmal
eine Pause machen. Ich musste nur so lange durchhalten.
Ich spürte immer wieder Jemils nervöse Blicke, die er mir zuwarf. Meistens
wendete er sich dann aber auch gleich wieder seinen Händen zu. Sie waren noch
immer Blut verschmiert. Das was er im Gesicht gehabt hatte, war leicht
wegzuwischen – so viel war es nicht – aber seine Finger waren noch immer davon
getränkt. Seine Augen zeugte nur so davon, wie es ihn anwiderte.
Jedoch wusste ich genauso gut, dass er sich einfach nicht zurückhalten konnte.
Der Durst nach Blut war in ihm übergequollen und hätte ihn wohl innerlich
zerfressen, wenn er es nicht einfach getan hätte.
Von dem eigentlichen Massaker, das er angerichtet hatte, hatte ich gar nichts
mitbekommen. Das einzige was ich tat, war ihn loszulassen und dann war er auch
schon weg. Vielleicht hätte ich aber auch einfach nicht so lange auf den Boden
starren sollen. Doch was sollte ich schon anderes tun. Ich wollte es nicht sehen,
wie er diese Menschen umbrachte. Nur deswegen war ich so langsam dann auch hinter
ihm her. Aber wohl doch schnell genug. Dieser Werwolf hätte ihn wohl getötet. Wer
der wohl war? Zumindest war er keiner von denen, die bei Jemils Clan gelebt
haben. Soweit war ich mir sicher.
Ich hielt Jemil an der Hand fest. Leckte ihm schließlich über die Finger. Das
Blut ging nicht wirklich gut ab und es schmeckte auch noch grässlich – eben etwas
eingetrocknet – aber irgendwie musste ich ihn davon befreien. Er ekelte sich
davon, dass es an ihm klebte, und trotzdem hatte er es getrunken. Da hatte er
keinen Ekel mehr gefühlt, als er sich auf diese Leute gestürzt hat. Es war wohl
dann wie weggeblasen.
„Du bist müde.“ Ich schreckte aus meiner kleinen Säuberungsarbeit hoch. „Ein
bisschen“, nuschelte ich. Wendete mich wieder seinen Händen zu. Ein leichter
salziger Geschmack hatte sich unter den des Blutes gemischt. Er schwitzte auch
etwas. Wahrscheinlich war er genauso erschöpft, wie ich. Es wäre wohl wirklich
besser, wenn wir eine Pause machen würden. Aber ich wollte nicht danach fragen.
Quengeln war nicht so meine Angelegenheit. Möglicherweise war ich aber auch
einfach nur zu unterwürfig.
„Ich glaube sie sind sauber.“ Jemil zog seine Hände von mir weg. Wischte sie sich
etwas an seinem Umhang ab. Bildete ich mir das für einen Moment nur ein oder
hatte er einen richtig glücklichen Gesichtsausdruck aufgelegt. Ich konnte mir
einfach ein Grinsen nicht verkneifen. Er sah wirklich für einen Augenblick zu süß
aus.
„Du brauchst etwas Schlaf.“ Ich spürte Jemils durchdringenden Blick, als er das
zu mir sagte. Ganz sanft legte er die seine um die meine Hand. Seine Finger waren
ganz kalt. Schon als ich sie abgeleckt hatte, waren sie das. Jetzt nur noch viel
kälter. Er zitterte auch ganz leicht.
„Ok. Dann sollten wir uns aber einen anständigen Schlafplatz suchen“, stimmte ich
schließlich seinem Vorschlag zu. Sah mich schon suchend um. Eine Hütte würden wir
hier mitten im Wald nicht finden. Eine kleine Höhle würde wohl jetzt das Beste
für uns sein.
Ich blickte mich um. Doch es war nichts Annäherndes zu sehen. „Es sollte hier
irgendwo eine Höhle in der Nähe sein“, meinte da aber auch schon Jemil, „da hab
ich früher immer mit Mila gespielt.“ Irgendetwas lag in seiner Stimme etwas so
traurig klang. Er erinnerte sich wohl nicht gerne an diese Zeit.
„Dann sollten wir wohl da hin. Sonst verbrennst du uns noch in der Sonne.“ Es war
noch tief dunkel. Bis es hell werden würde wären wohl noch einige Stunden
vergehen. Aber ich fühlte mich sicherer, wenn er früh genug irgendwo davor
geschützt war, obwohl das wohl sein schwarzer Mantel auch ganz gut tat. Doch ich
war wirklich müde. Zu lange war ich jetzt schon wach.
Er hetzte mich aber noch eine ganze Weile durch die Gegend. Und dennoch ging es
dann an einem niedrigen Erdwall wirklich in die Tiefe. So groß konnte das wohl
gar nicht sein. Zumindest dachte ich das im ersten Moment. Als er mich dann
hinein gelotst hatte bemerkte ich aber erst, dass es eine schöne, gemütliche
Höhle war. Mit genügend Platz. Zwar konnte man kaum aufrecht laufen, jedoch
wollte ich ohnehin nur schlafen. Mein Körper brauchte das jetzt um einiges mehr,
als senkrecht stehen zu können.
„Na, wie geht es dir?“, fragte Jemil, als er gerade zu mir kroch. Ich hatte es
mir schon auf dem Boden bequem gemacht. Wollte mich schon auf die Seite rollen.
„Geht schon“, gab ich nur knapp zurück. Doch da schmiegte er sich schon an mich.
Machte es sich an meiner Schulter bequem.
Ich glitt mit den Fingern über sein Haar. Ganz kurz zuckte er zusammen. „Ich war
schon lange nicht mehr hier“, flüsterte er und es halte dennoch ganz leicht an
den niedrigen Wänden wider.
Er blieb mit seinen eigenen Händen auf meiner Brust zum Liegen. Seufzte
erschöpft. „Das alles hätten wir von Anfang an nur nachts durchziehen sollen“,
keuchte er. Es war ihm wohl auch zu viel geworden. Gerade da wir Tagsüber
gelaufen waren. Er war das gar nicht gewohnt. Eigentlich schlief er zu dieser
Zeit und dann musste er jetzt auch noch so eine Marsch hinlegen. Obwohl er doch
ein paar Stunden geschlafen hatte. Im Gegensatz zu mir. Ich war die ganze Zeit
über wach. Hatte über ihn gehütet, wie ein Hirte über ein verlorenes Schaf, das
er erst vor ein paar Minuten wieder gefunden hatte.
So ähnlich versuchte ich ihn gerade auch zu umsorgen. Doch ganz ließ er mich
irgendwie trotzdem noch immer nicht an sich heran. Irgendwie fühlte ich das. Er
verschloss sich immer noch vor mir. Dabei hatte er sich wirklich schon weit
geöffnet. Das er mir schon nicht mehr diesen kalten Charakter zeigte, war doch
schon ein Vorteil. Im Ansatz hatte ich doch sein wahres Ich schon wieder zum
Vorschein gebracht.
Er war aber wirklich nicht so eiskalt. Eher wirklich richtig schüchtern und
einfach nur zurückhaltend.
Er kuschelte sich noch etwas mehr an mich. Wollte er nur meine Wärme spüren.
Vielleicht sollte ich ihn auch etwas zärtlich berühren.
Ich fuhr über seine Taille. Ließ meine Finger etwas weiter nach unten wandern. So
weit ich eben kam. Er summte ganz leicht. Klang vergnügt. „Das fühlt sich gut
an“, flüsterte er. Schmiegte seine Kopf noch enger an mich. Es gefiel ihm wohl
wirklich. Ein bisschen Nähe war also sogar ihm richtig lieb. Dann könnte ich wohl
etwas weiter gehen.
Sanft streichelte ich über seinen Oberschenkel. Nur über die obersten Stellen.
Weiter kam ich ohnehin nicht. Oder eigentlich wollte ich gar nicht. Es reichte
mir schon so aus. Ihm anscheinend auch. Irgendwie bildete sich ein Grinsen auf
meinem Gesicht, wenn ich mir vorstellte, dass er das wirklich gerade genießen
könnte. Ich fasste ihn doch nur ganz leicht an. Das war doch kaum der Rede wert.
„Das fühlt sich wirklich gut an“, schnurrte er. Rutschte noch ein winziges Stück
näher zu mir. Das ging eigentlich schon fast gar nicht mehr.
Ich spürte eins seiner Beine zwischen den meinen. Er war auf mich gekrochen. Lag
jetzt halb auf mir. Ein Arm von ihm war zumindest noch auf der kalten Erde.
Stützte sich dort noch immer etwas ab.
„Komm doch ganz her.“ Ich zerrte ihn vollendet auf mich. Schloss die Arme um
seinen schmalen Körper. Er zitterte leicht. Etwas fror er immer noch. Obwohl sich
hier langsam unsere gesamte Wärme anstaute. Es ging so gut wie gar nichts davon
nach draußen. Als ob nichts in diese Kälte hinaus wollte.
„Mir ist kalt“, flüsterte Jemil. Klammerte sich an mich. Ich konnte ihn kaum noch
mehr wärmen. Mehr konnte ich nicht an ihn abgeben. Es ging einfach nicht. Und
trotzdem versuchte ich es irgendwie. Ich wollte doch nicht, dass ihm kalt war.
Er krallte seine Finger in mein Shirt. Zitterte immer noch. Ihm wurde gar nicht
warm. Wieso denn nur nicht? „Komm Jemil, beruhige dich.“ Ich rollte mich herum.
So das er unter mir liegen blieb. Setzte mich schließlich breitbeinig auf ihn.
„Du bist schwer“, murmelte er, als er mich von sich herunter schieben wollte.
Doch jetzt legte ich mich nur auf ihn. Versuchte mich so leicht wie möglich zu
machen.
„Wird dir jetzt wärmer?“, fragte ich schlussendlich. „Etwas.“ Er fror wirklich
nicht mehr so sehr. Und jetzt wartete ich eigentlich nur noch darauf, dass er
einschlafen würde. Das, was eigentlich ich machen wollte. Ich wollte schlafen.
Aber ich konnte gar nicht. Zumindest nicht so lange er wach war.
Und dann würde ich erst recht nicht mehr zur Ruhe kommen. Irgendeiner musste doch
auf ihn aufpassen.
Ich sank auf ihn zusammen. Schloss für einen Moment die Augen. Für diese wenigen
Sekunden spürte ich ein bisschen Wärme an ihm. Ich legte die Arme um ihn. Spürte,
wie er sich an mich drückte. Leicht streichelte ich über seine Taille.
Überdeutlich vernahm ich das Summen, das er von sich gab. Fuhr wieder und wieder
über seine Hüfte.
„Du solltest etwas schlafen“, meinte Jemil irgendwann. Schob mich von sich
herunter. Ich landete auf der unbequemen, kalten Erde. Auf ihm war es viel
schöner. Aber scheinbar war ich ihm ohnehin zu schwer. Er würde mich wohl nicht
lange auf sich aushalten können.
Eigentlich wollte ich mich neben Jemil zusammen rollen. Doch da beugte er sich
schon leicht über mich. Bettete seinen Kopf auf meine Brust. „Schlaf etwas“,
flüsterte er. Fast zärtlich küsste mich der Vampir. Ich kam nicht mehr dazu auf
den Kuss einzugehen, denn da ließ er schon wieder von mir ab. Setzte sich leicht
auf.
„Ich werde mich draußen einmal umsehen. Ok?“ Ich nickte langsam. Aber er hatte
sich schon von mir abgewendet. Kämpfte sich im Halbwaagerechten wieder nach
draußen.
War er jetzt irgendwie vor mir geflüchtet? Leicht verwirrt zog ich eine
Augenbraue hoch.
Ich rollte mich endlich zusammen. Machte mich zu einer möglichst kleinen Kugel.
Auf einmal war es, als ob mir kalt werden würde. Da hatte er wohl doch mehr mich
warm gehalten, als ich ihn.
Aus irgendeinem Grund fühlte ich mich jetzt sogar richtig einsam. Genauso, wie er
es oft genug getan hatte. So kam es mir zumindest vor. Wie sollte er sich aber
auch anders gefühlt haben, wenn er nie jemand nah genug an sich heran gelassen
hatte. Dabei suchte er Nähe, wie kein anderer. Konnte nur alleine nicht wirklich
etwas dagegen tun.
Ich seufzte. Mein kleiner Vampir. Wie konnte es nur nie jemand spüren? Wieso
konnte nur nie jemand sehen, wie er wirklich war? Diese Kälte gab es eigentlich
gar nicht bei ihm. Alles nur gespielt. Nur vorgetäuscht. Es war alles nur dafür
gedacht, dass er niemanden unbedingt in seine Nähe lassen musste. Dass er
überhaupt mich so weit an sich heran ließ.
Wieder seufzte ich. Presste die Augen zusammen. Ich war viel zu lange mit einem
Grinsen durchs Leben gesprungen um zu merken, dass es Wesen gab, denen es nicht
so gut ging wie mir. Und trotzdem hab ich seinen Blick immer wieder gesehen. Er
sah so bedrückt auch obwohl viel zu oft, dieses Eisige in seine Augen lag. So
herablassend.
Wie sich das doch eigentlich auf einmal geändert hatte. Ich rollte mich auf den
Rücken. Er war ganz anders geworden. Oder hatte er ganz einfach nur seine Maske
weggeworfen und es nur mir gezeigt?
Ich wickelte mich in meinen Mantel ein. Ohne ihn war mir wirklich kalt. Und dabei
fühlte ich mich auch mehr wohl, wenn jemand bei mir war, der mich etwas in den
Arm nahm.
Mir wurden die Lider schwer. Ich brauchte wirklich Schlaf. Ich war schon viel zu
lange wach. Und der Marsch machte alles gerade nur noch schlimmer. Mir tat alles
weh.
Langsam verschwamm alles vor meinen Augen. Löste sich in ein Schwarz auf. Bis es
sich ganz um mich legte. Und mich in einen traumlosen Schlaf zog.
Zurück oder nicht?
Lost Angel
Kapitel 20 – Zurück oder nicht?
Jemil’s PoV
“Oh Brüderchen!” Ein Arm hatte sich um meinen Bauch gelegt. Ich wurde an jemanden
gedrückt. „Brüderchen!“ Wieder dieses Wort. Es wurde mir ins Ohr gehaucht. Gleich
darauf wurde an genau diesem leicht geknabbert.
Ich zuckte krampfhaft zusammen. „Lass mich!“ Ich versuchte mich zu winden, als
ich Finger auf meinem Schritt spürte. „Nein“, wimmerte ich. Wo war Jesko? Wieso
hatte er mich plötzlich allein gelassen. Vor ein paar Minuten lag er doch noch
auf mir.
Auf einmal wurde alles Schwarz. Ich schlug die Augen auf. Es war nur ein Traum?
Mehr nicht. Und dennoch war es so, als ob er wirklich hinter mir gestehen wäre.
Und mich wirklich berühren würde.
Langsam sah ich mich um. Nirgends war Pio zu sehen. Doch ich spürte, dass jemand
hier war.
Ich hatte mich unter Jesko hervorgekämpft. War nach draußen gegangen. Das wusste
ich jetzt wieder. Vor der Höhle hatte ich mich hingesetzt und war wohl eingeschlafen.
Es war noch dunkel. Zu meinem Glück.
Doch da hörte ich jemanden meinen Namen rufen. Immer wieder. Mit der Zeit wurde
es lauter.
Ich rappelte mich wieder auf. Sah mich um. Das war nicht Jesko. Damit war ich mir
sicher. Doch da drückte mich schon jemand an den nächstbesten Baum. „Verflucht!
Jemil!“ Meine Augen weiteten sich. „Devin?“, flüsterte ich. Was machte denn
gerade der hier.
„Wo ist der Wolf?“, zischte er. Ich versuchte mich dumm zu stellen. Zog nur eine
Augenbraue hoch.
„Tu nicht so“, fauchte er, „du weißt wo er ist und auch was er gemacht hat!“
Leicht schluckte ich. Zu genau war ich mir im Klaren über das, was Devin redete.
„Ich weiß es wirklich nicht“, log ich. Irgendwie war ich mir so sicher, was er
mit Jesko machen würde. Das was sie mit allen Werwölfen machten, die nicht nach
ihrer Pfeife tanzten.
„Dann komm zumindest mit! Hier ist es zu gefährlich!“ Er nahm mich einfach am
Handgelenk und wollte mich wegziehen. Doch ich stemmte mich gegen ihn. Einfach
zurückgehen würde ich nicht. Nie. Nie mehr. Nicht ohne Jesko. Und der würde nicht
mehr dorthin gehen.
„Himmel, selbst Pio macht sich um dich Sorgen!“ Mir stockte der Atem bei den
Worten von Devin. „Das ist doch nicht dein Ernst“, knurrte ich. Nie würde sich
mein werter Halbbruder um mich sorgen. Das könnte er nicht. Er war dazu gar nicht
fähig. Sein Charakter ließ das doch schon gar nicht zu.
„Doch! Er hat wirklich Angst um dich. Meinte sogar irgendwas von 'Er würde diesen
Werwolf umbringen, wenn er dir etwas antut'.“ Ich zog meine Augen zu Schlitzen
zusammen.
„Das würde er nie sagen!“, fauchte ich. Riss mich los. Ich spürte wie mein Herz
wie wild schlug. Pio würde so etwas nie von sich geben. Er würde so etwas doch
ohnehin nie für mich machen. Ich war für ihn nur für das Eine gut. Und selbst
dazu zwang er mich.
Ich senkte den Kopf. Hatte ich Jesko nicht auch dazu missbraucht? Ihn dazu
gezwungen? War das etwas anders? Es war ein anderes Gefühl. Zwar wusste ich
nicht, wie er dabei fühlte, aber bei mir war ich mir im Klaren. Es war verdammt
schön.
Aber Devin riss mich mit einer Ohrfeige aus meinen Gedanken. „So ein Arsch ist
Pio jetzt auch wieder nicht! Er hat zumindest keinen Ältesten umgebracht. Nicht
so wie dein Werwolf!“
Woher wollte er das wissen? Er kannte meinen Halbbruder doch nur so, wie er sich
bei allen anderen zeigte. Da spielte er immer den Musterknaben. Doch genau der
war er nicht. Er war ein mies Arschloch. Jedoch merkte das doch wirklich niemand.
Er spielte vor allen nur. Aber wenn ich mit ihm alleine war, dann war er anders.
Dann zeigte er sein wahres Ich. Diese Seite, die so verflucht geil auf mich war.
„Das Wölfchen werden wir schon finden!“ Mein Blick wanderte nach oben von woher
diese Stimme kam. „Joe“, flüsterte ich. Wieso waren die denn beide hier? „Und Mr.
Ich-Reißaus nehmen wir jetzt gleich mit!“ Der dunkelhaarige Vampir sprang von dem
Ast auf dem er saß. Packte mich am Handgelenk. Mit Leibeskräften wehte ich mich
gegen sie. Doch ich konnte nichts ausrichten.
„Jesko!“ Er schlief noch. Würde mich gar nicht hören. Irgendwie war ich fast
glücklich darüber. Dann würde er zumindest frei bleiben. Sie würden ihn nicht
erwischen. Wahrscheinlich glaubten sie gar nicht, dass er noch hier war.
„Das Wölfchen lässt dich doch sicher nicht allein! Es war doch mehr zwischen
euch, als nur das Vögeln“, meinte da aber auf einmal Devin. Joe hob verwirrt eine
Augenbraue. „Er hat mit dem gefickt?“, fragte er etwas irritiert. Das konnte ich
nutzen. Ich löste mich aus ihren Griffen. Stolperte einige Schritte zurück.
Ich zuckte bei einem Jaulen zusammen. Das war kein verängstigtes oder wegen
Schmerzen. Das klang eher, als würde jemand den Mond an heulen. Gerade diesen
suchte ich jetzt wieder. Jedoch war er nicht zu sehen. Kam das wohl nicht von
Jesko. Vielleicht ein anderer Werwolf oder einfach nur ein gewöhnlicher Wolf.
Aber da spürte ich schon Pranken auf meinen Schultern und vernahm ein überdeutliches
Knurren. Jesko. Er hatte sich wieder verwandelt. Und das ohne den Vollmond?
Warmer Speichel traf meinen Hals. Ich schluckte. Er hatte sich also nicht unter
Kontrolle. Könnte mich wohl genauso in Stücke reißen. Jedoch war das immer noch
besser, als wieder in mein altes Leben zurückzukehren.
Ich schloss die Augen. Nur für einen Moment. Wartete was der Werwolf tat.
Ich spürte seine Schnauze an meinem Hals. Wie er sie dort leicht rieb. Wusste er
doch, dass ich es war? „Jemil“, hörte ich ihn murmeln. Leicht hob ich wieder die
Lider. Sah noch wie Devin und Joe zurückwichen.
„Habt ihr Angst vor ihm?“, fragte ich. Jedoch antworteten sie nicht. Blickten nur
verängstigt auf den Werwolf hinter mir. War er denn so Furcht einflössend? So
grausam sah er doch gar nicht aus. Und eigentlich war es auch nicht. Fast schon
handzahm. Obwohl er doch Victor umgebracht hatte. Doch gegenüber mir, war er
sogar so noch richtig nett.
Jesko hob den Kopf. Knurrte wieder. Ich zog leicht die Mundwinkel hoch. „Ich
glaube er will, dass ihr verschwindet und uns in Ruhe lasst“, schlussfolgerte ich
aus seiner Reaktion.
Er drückte seinen Kopf wieder an meinen Hals. Ich fühlte seine Hundohren. Sie
waren ganz weich. Knickten leicht ab.
„Ich werde dich hier ganz sicher nicht mit diesem Monster allein lassen“, zischte
aber auf einmal Devin. Ich sah nur desinteressiert zu ihm. „Er tut mir doch
nichts.“ Ich wusste es genau. Jesko würde mir nie etwas antun. Sonst hätte er es
doch schon längst getan. Er hätte mich schon die ganze Zeit töten können. Und
trotzdem schmiegte er sich nur an mich. Liebkoste jetzt sogar meine Schulter mit
seiner Zunge. Es kitzelte ganz leicht.
Wieso hatte er sich überhaupt verwandelt? Er hatte doch den Vollmond gar nicht
gesehen. Er war hinter irgendwelchen Wolken versteckt. Und so stark, dass er auch
ohne in seine Wolfsform wechseln konnte, war er doch noch nicht. Dazu hatte er
noch nicht die Kraft. Und eigentlich war er doch noch viel zu jung. Was konnte es
denn dann schon noch groß für einen Grund geben?
Jeskos Knurren ließ mich wieder aus meinen Gedanken schrecken. War es das? War er
wütend? Wut könnte ihm die nötigen Kräfte gegeben haben um sich zu verwandeln.
Aber reichten die wirklich aus?
„Geht!“ Ich war mir doch sich, dass sie das nicht tun würden. Nicht nachdem Devin
ihn 'Monster' genannt hatte. „Wenn er nicht will, dann soll er bei dieser
Missgeburt bleiben!“ Joe verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Warf mir noch
einen knappen Blick zu bevor er im Dunkel des Waldes verschwand. Devin stand noch
einige Sekunde einfach nur da. Sah mich fragend an. „Willst du wirklich bei ihm
bleiben?“, wollte er wissen. Ich nickte langsam. Drückte mich an Jesko.
„Pio wird dich trotzdem holen wollen“, meinte Devin noch. War dann auch schon im
nächsten Moment weg.
Ich spürte wie Jesko wieder seine menschliche Form annahm. Ganz leise noch einmal
knurrte. „Wieso bist du hier raus gegangen?“ fragte er. Legte die Arme um meinen
Bauch. Strich leicht darüber.
„Ich brauchte etwas frische Luft“, erwiderte ich einfach.
Er küsste mich zärtlich auf den Hals. Doch in der nächsten Sekunde zuckte ich
zusammen. Waren das gerade seine Zähne, die ganz leicht gegen meine Haut
drückten? Wollte er mich beißen?
„Du würdest sicherlich zum Hybriden“, meinte er. Mit soviel Sicherheit in der
Stimme. „Wie kommst du darauf?“, fragte ich. Das würde mich aber schon einmal
interessieren. „Du bist noch zur Hälfte Mensch. Ein Teil von dir kann noch zum
Werwolf werden.“ Wie Recht er doch hatte. Dieses eine Stückchen Mensch in mir
würde zu einem Wolf werden, wenn er mich beißen würde. Aber was wäre dann mit
meinem Vampir-Teil? Würde der das auch einfach so zulassen?
„Dann tue es doch.“ Zumindest versuchen könnte man es doch. Doch er schüttelte
den Kopf. „Du bist mir als Vampir lieber.“ Sanft berührte er mit der Nase meine
Wange. Stupste sie nur leicht an.
„Hättest du wieder einmal Lust?“ Ich zog bei seiner Frage nur die Augenbrauen
zusammen. Drehte mich langsam zu ihm herum. „Auf was Lust?“, wollte ich wissen.
Es sah nur verlegen auf den Boden, als er mich los ließ. „Du weißt schon, was ich
meine“, murmelte er.
„Ich würde viel lieber ein bisschen kuscheln.“ Natürlich hatte ich gewusst, was
er wollte. Aber um einiges mehr wollte ich nur in seinen Armen liegen. Wollte,
dass er mich nur ganz sanft liebkoste. Mich nur streichelte. Seine Finger wollte
ich nur ganz leicht auf meiner Haut spüren. Jeden einzelnen. Wie sie über meinen
Körper glitten. Ihn mit seiner kindlichen Neugier erkundeten.
„Wenn dir das lieber ist. Aber wohl nicht jetzt. Lange können wir nicht mehr hier
bleiben.“ Ich hm-te nur. Vorsichtig küsste ich ihn. Doch er erwiderte den Kuss
viel zu leidenschaftlich. Viel zu stürmisch. Eigentlich hatten wir doch gar keine
Zeit. Das hatte er doch selbst so ähnlich gesagt. Jetzt hörte ich doch wirklich
schon darauf, was mein kleines Wölfchen sagte.
Er biss leicht in mein Shirt, als er wieder von meinen Lippen abließ. „Na komm“,
flüsterte er. Was war er denn auf einmal so leise?
Da warf er mir aber schon die Kapuze über den Kopf. „Ausgeschlafen bin ich
jetzt.“ Er grinste. Es schien sogar fast, als ob das von einem Ohr zum anderen
gehen würde. Eigentlich eine unmögliche Tatsache. .
Fröhlich lief er vor mir her. Wie so ein kleines Kind. Gerade die leichte
Schneeschicht, die sich auf einigen Büschen gebildet hatte, gefiel ihm. Oder
vielleicht war es auch im Großen einfach nur der Schnee, den er mochte.
Abrupt hielt er aber Inne. Lauschte in die Nacht hinein. Ich blieb auch stehen.
Wartete. „Was ist denn?“, fragte ich schließlich. „Da ist wieder ein Dorf“,
murmelte er. Nahm mich an die Hand und lief los. Etwas mühsam kam ich hinter ihm
her. Wenn er mich wohl nicht festgehalten hätte, hätte ich es wohl gar nicht
geschafft.
Nach Minuten macht er wieder langsamer. Es waren wirklich in der Dunkelheit
kleine Lichter aufgetaucht. Und nur noch ein paar Meter, dann waren wir aus dem
Wald draußen. Ich war wohl noch nie so weit gekommen.
Nichts als Wiese lag vor uns. Und ein kleines Dörfchen mit nur ein paar Häusern.
Langsam ging ich an Jesko vorbei. Ließ mich nach ein paar weiteren Schritten in
den Schnee fallen. Es war ganz angenehm, auch wenn es kalt war.
Ich blickte gen Himmel. Eine Sterne konnte ich erkennen. Der restliche Nachthimmel
war von Wolken bedeckt. Genauso wie immer noch der Mond. So musste ich mir wohl
keine Sorgen machen, dass sich Jesko deswegen noch einmal verwandeln würde.
Und gerade dieser junge Werwolf blieb neben mir stehen. Sein Atem raste. War er
so erschöpft? Nicht einmal ich fühlte mich annähernd aus der Puste.
Er beugte sich zu mir herunter. Berührte meine Oberschenkel. Kam meinem Gesicht
ganz nahe. „Darf ich?“, fragte er. Ich schluckte. „Was denn?“, wollte ich wissen.
Doch da massierte er schon meinen Schritt. „Darf ich mit dir schlafen?“
Ich kniff die Augen zusammen. „Wir sollten uns erst einmal wieder einen Schlafplatz
suchen und außerdem ... ist es hier viel zu kalt.“ Ich begann schon leicht zu
schlottern. Obwohl er mir so nahe war.
Langsam nickte er. „Ok“, meinte Jesko schließlich und half mir wieder hoch. Ich
klopfte mir den Schnee von den Kleidern. So angenehm war er dann doch nicht.
Eine Unterkunft gefällig?
Lost Angel
Kapitel 21 – Eine Unterkunft gefällig?
Jesko’s PoV
“Bitte. Nur für eine Nacht!” Ich hätte sie wohl auch auf Knien angefleht, wenn
die junge Frau mir nicht schon die Tür vor der Nase zugeschlagen hätte. Ich
marschierte fluchend wieder weg. Das könnte noch eine lange Nacht werden. Seit
über einer Stunde streifte ich jetzt schon durch die Straßen. So klein war das
Dorf gar nicht. Man hatte nur von unserer Position nicht so viel gesehen.
Jemil tapste mir entgegen. Eigentlich schwankte er mehr. Beunruhigt lief ich zu
ihm „Geht es dir nicht gut?“ Ich hob leicht sein Kinn an. Seine Augen waren
leicht glasig. „Es geht schon“, erwiderte er nur knapp. Ich wollte ihm schon gar
nicht glauben. Doch da sank er schon in meine Arme. Versuchte sich mühsam wieder
etwas aufzurappeln.
„Mir ist so heiß“, nuschelte er. Jetzt konnte ich mir wohl oder übel vorstellen,
was mit ihm los war. Ich blickte mich um. Wir würden hier wohl so bald nichts
finden, wo wir schlafen durften. Also musste ich etwas anders finden. Jemil stand
doch jetzt schon nur noch senkrecht, weil ich ihn festhielt.
„Hey, ihr beiden!“ Ich wirbelte herum. Zog den Vampir dabei mit. Ein blondes
Mädchen stand vor mir. Sie sah kaum älter als 16 aus. Lächelte ganz leicht.
Ich zog Jemil noch ein Stück weiter zu mir. „Hi“, erwiderte ich schließlich
knapp. „Ihr sucht einen Schlafplatz? Richtig?“, fragte das junge Ding. Ich nickte
langsam. „Dann hättet ihr euch wohl nach dem nettesten Haus umsehen müssen.“ Ihr
Grinsen war schon einmal richtig nett.
„Und was willst du jetzt?“, fragte ich. Jemil hatte zu keuchen begonnen. Sank
langsam in meinen Armen zusammen. „Na ja, ich denke mal deinem Freund geht es
nicht gut. Deswegen wollte ich euch bei uns aufnehmen.“ Das Grinsen des Mädchens
wurde breiter, aber das beachtete ich schon gar nicht. Ich nahm Jemil hoch.
Drückte ihn leicht an mich. Er zitterte. Und sein Atem raste. Wie es aussah hatte
wohl Devin recht gehabt. Er wurde wirklich schnell krank.
„Das wäre nett“, nuschelte ich. Drückte den jungen Vampir etwas mehr an mich.
Sein Atem begann zu stocken. Er krallte die Finger in mein Shirt. „Jesko“,
flüsterte er. Seine Stimme zitterte.
„Wollt ihr jetzt?“ Ich blickte auf. Dieses Mädel stand jetzt nur ein winziges
Stück von mir weg. Blickte mich mit ihren großen, blauen Augen an. Wartete wohl
auf eine Antwort. „Gerne.“ Ich versuchte zu Lächeln. Doch es verging mir, als
Jemil wieder überdeutlich keuchte.
„Er ist wohl krank.“ Die Blonde legte den Kopf leicht schief. Etwas verschreckt
drückte ich den Vampir ein Stück weiter an mich.
„Ähm, wie heißt du überhaupt?“, wollte ich schließlich wissen, als sie mich und
Jemil schon zu sich nach Hause mitnehmen wollte. „Nina“, gab sie lächelnd zu
Antwort. Sie warf wieder einen Blick auf den Vampir in meinen Armen. Scheinbar
bemerkte sie gar nicht, was wir waren. „Ich bin Jesko und er heißt Jemil“, meinte
ich noch.
„Er ist dir wohl ganz schön wichtig. Dein … Liebling?“, fragte sie noch. Ich
zuckte zusammen. Sah man mir das an? Oder war das reiner Zufall. „Äh … ja.“ Etwas
verlegen sah ich zur Seite. Wurde wohl etwas Rot um die Nase herum.
„Ist ja süß.“ Jetzt wurde ich wohl erst recht rot. Das sie sich über diese
Tatsache so freute.
Binnen weniger Minuten waren wir dann auch vor einer riesigen Villa angekommen.
Mir stieg jetzt schon die Galle hoch. Erst vor vielleicht gut einem Tag waren wir
aus so einem Haus geflohen und gerade dem Moment kamen wir wieder in genau so
eins. Gut, dass wir gar nicht lange bleiben wollten.
„Ein Zimmer mit Doppelbett wäre wohl gut“, meinte Nina, als sie uns durch den
fast schon gigantische Eingangshalle geführt hatte, die mit einer Treppe in das
Obergeschoss endete. Links und rechts gingen noch zwei Flure weiter. „Wäre nett.“
Ich blickte mich um. Es sah nicht gerade so aus, als ob noch jemand anderes hier
wohnen würde.
„Meine Eltern sind nicht zu Hause und die Bediensteten schlafen schon“, meinte
sie, als sie wohl meine verwirrten Blicke bemerkt hatte. Leicht nickte ich nur.
„Na komm mit, dein Süßer braucht ein warmes Bett.“ Sie lotste mich die Treppe
nach oben. Dort den endlosen Gang entlang. In eines der hinteren Zimmer wies sie
mich schließlich.
„Ihr könnt gerne so lange bleiben wie ihr wollt. Ich bin hier ohnehin oft
alleine.“
Nach einem knappen ‚Danke’ und ‚Gute Nacht’ von meiner Seite verzog sie sich dann
auch. Wollte wohl auch ins Bett. Ich ließ Jemil genau auf ein solches sinken. Es
war wirklich ungelogen einfach nur riesig. Hier könnte man sich wohl so richtig
austoben. Aber er sah nicht gerade danach aus, als ob er das könnte.
Vorsichtig berührte ich seine Stirn. Zuckte aber gleich zurück. Sie glühte. Sanft
zog ich ihn aus. Legte die Decke behutsam über ihn. Es würde wohl reichen, wenn
er schlafen konnte. Ich sollte wohl lieber wach bleiben. Devin hatte so
ausgesehen, als ob er wieder zurückkommen würde. Obwohl es auch so wirkte, als ob
er Jemils Entscheidung akzeptierte.. Ich hatte sogar in meiner Wolfsform alles
mitbekommen. Nur nicht ganz so klar. Diese Mordlust hatte mehr und mehr die
Oberhand übernommen. Wenn ich mich wohl nicht wieder zurückverwandelt hätte, dann
wäre Jemil wohl gar nicht mehr am Leben.
Ich kniete mich aufs Bett. Verharrte dort minutenlang. Ich hätte ihn wohl
getötet. Ganz unter Kontrolle hatte ich mich nicht mehr. Mein Körper hatte mir
nicht mehr richtig gehorcht. Obwohl ich es mit Mühe und Not halten konnte und
auch noch fast Herr über mich selbst war. Ich hatte mich doch auch selbst
verwandelt. Ohne die Hilfe des Vollmondes. Weiß Gott wie.
Leicht schüttelte ich den Kopf. Ich hätte es mir nicht verzeihen können, wenn ich
ihm etwas angetan hätte. Das wäre dann das Schlimmste für mich gewesen.
Ich massierte mir die Schläfe. Ein Stechen durchfuhr meinen Kopf. Vielleicht
sollte ich doch auch etwas schlafen. Leicht streckte ich mich und zog mir dann
doch auch Shirt und Hose aus. Ließ sie achtlos auf den Boden fallen. Kroch dann
auch einfach zu Jemil unter die Decke. Er wollte ohnehin etwas kuscheln, also
könnte ich das doch auch machen.
Ich schmiegte mich an ihn. Fuhr mit den Fingern über seine Brust. Er war
eigentlich richtig schmächtig im Gegensatz zu mir. Seltsam, dass Vampire
überhaupt so dünn blieben.
Ich summte genüsslich, als er einen Arm um mich legte. War er denn vielleicht
auch noch wach?
„Jesko?“, flüsterte er. Ich setzte mich wieder auf. „Geht es dir gut?“, wollte
ich wissen. Legte den Kopf leicht schief. „Alles OK“, erwiderte er noch. Legte
ein verschwitztes Lächeln auf. Das wirkte etwas gestellt. So gut ging es ihm wohl
nicht.
„Das glaube ich dir aber nicht“, gab ich meine Zweifel Preis. Beugte mich dabei
über ihn. Sein hitziger Atem schlug mir ins Gesicht. „Mir ist nur etwas heiß“,
meinte er. Ich kniff die Augen zu Schlitzen zusammen. „Etwas“, fragte ich mit
zusammengebissenen Zähnen und fügte noch hinzu, „das ist wohl etwas mehr!“
„Mach doch aus einer Mücke keinen Elefanten. Ich bin ein Vampir. Das übersteh ich
schon.“ – Er setzte für einen Moment aus – „Wo sind wir überhaupt?“ Krampfhaft
versuchte er sich aufzusetzen. Doch ich drückte ihn mühelos zurück.
„So ein Mädel hat uns bei sich aufgenommen“, erwiderte ich. Doch ich erkannte
schon an seinem verschreckten Gesichtsausdruck, dass ihm daran etwas nicht
passte. „Nein, sie weiß nicht, dass wir Werwolf und Vampir sind“, meinte ich
noch.
Er atmete erleichtert auf. Presste aber schon im nächsten Moment die Augen
zusammen. „Tut dir etwas weh?“, fragte ich. Kam noch etwas näher zu ihm. Er
schüttelte nur den Kopf. „Es geht schon.“ Nein, ich glaubte ihm überhaupt nicht.
Es ging ihm nicht gut.
„Was ist denn los?“, wollte ich wissen. Nahm ihn behutsam in den Arm. Er
schlotterte. „Ich bin wohl nur etwas krank geworden“, gab er nur zur Antwort.
„Etwas ist gut“, meinte ich, „du hast Fieber.“
Ich ließ ihn wieder in die Kissen sinken. Deckte ihn wieder zu und nahm ihn auch
gleich wieder in den Arm. Ich wollte ihm nur etwas von meiner Wärme abgeben. Die
konnte er jetzt am Besten brauchen.
„Du wolltest doch Sex“, flüsterte er da aber auf einmal. Ich spürte ganz deutlich
seine Finger unter dem Stoff meiner Shorts. „Das muss jetzt nicht sein.“ Ich
drückte seine Hände weg. Zwar hätte ich das schon einmal wieder gern – seine
zärtlichen Berührungen und dieses wunderbare Gefühl waren einfach nur zu schön –
aber er war krank. Also konnte ich es mir gut und gerne verkneifen ihn auch noch
damit zu quälen.
„Ich würde es jetzt sogar tun“, murmelte er, als er seinen Kopf an meine Brust
drückte. Ich seufzte: „Kann ich mir schon vorstellen.“ Wie er das überhaupt
konnte, nachdem was Pio mit ihm angestellt hatte? Ich wäre wohl nach so etwas
nicht mehr in der Lage dazu, das zu genießen. Mich überhaupt noch von jemanden so
anfassen zu lassen.
„Du bist viel vorsichtiger dabei.“ Ich schreckte aus meinen Gedanken. „Und es
fühlt sich so gut an.“ Ich blickte ihn etwas verwirrt an. Meinte er das ernst?
„Mit dir zu schlafen ist wie, wenn man von einem Engel sanft in den Arm genommen
wird.“ Was für eine süße Beschreibung. Dann wusste ich zumindest schon einmal,
wie es war, wenn er einen in die Arme schloss.
„Hast du wohl Recht, mein süßer Engel“, flüsterte ich, „aber es wäre besser für
dich, wenn du etwas schlafen würdest. Dann kannst du dich zumindest etwas
erholen.“
Ein Lächeln bildete sich auf meinen Lippen, als er sich etwas enger an mich
kuschelte. „Dabei will ich gar nicht“, seufzte er, „es ist gerade viel zu schön.“
Er rutschte schon fast auf mich. Seine Augen waren sogar in der Dunkelheit noch
viel zu gut zu erkennen. Und zeigten mehr als nur Lust.
„Ich will dich“, murmelte er. Glitt ganz auf mich. Seine Fingerspitzen wanderten
über meine Brust. Ließen meine Brustwarzen versteifen. Ich hielt ihn an der
Taille fest und drückte ihn von mir weg. Rollte mich aber nur so, dass ich über
ihm war.
„Wir wäre viel zu laut“, entschied ich einfach. Doch da reckte er sich schon hoch
um mich zu küssen. „Ist doch egal“, meinte er, als er sich wieder von mir löste.
War es denn wirklich so egal, dass dieses Haus voller Fremden hörte, dass wir
miteinander schliefen? Es war mir doch schon etwas unangenehm, als wir es in
seinem Zimmer getan hatten. Selbst da hätten es schon ungewollte Personen hören
können. Hatten es wohl sogar.
Hier war es für mich sogar doppelt schlimm. Ich kannte wirklich niemanden.
Er legte eine Hand auf meinen Nacken. Zog mich zu sich hinunter. „Ich will dich
spüren“, zischte er. „Du bist krank!“ Ich würde ihn seinem Zustand nichts mit ihm
anstellen. Und gerade nicht so etwas.
„Du wirst dich als Wölfchen schon nicht anstecken …“ Ich schnitt ihm einfach das
Wort ab. „Darum geht es doch gar nicht“, fauchte ich, „mir geht es um dein Wohl!“
Er fuhr zusammen. Blickte mich mit verschreckten Augen an. „Du … machst dir um …
mich Sorgen?“, flüsterte er ungläubig. „Natürlich! Um wen denn sonst?“ Sein
Blick wendete sich von mir ab. Sein Kopf sank zu Seite. Ich konnte es in der
Dunkelheit nicht sehen, aber hören tat ich es. Er schluchzte. Weinte er demnach
auch?
„Was ist denn?“ Hatte ich so hart geklungen. Doch da vermischte sich schon dieser
traurige Laut mit einem Lachen. „Du machst dir wirklich um mich Sorgen.“ Verwirrt
sah ich ihn an. War das jetzt noch so ungewöhnlich?
„Hast du etwas dagegen?“ Ich zog die Augenbrauen zusammen, als er sich wieder zu
mir wendete. „Nein, … nur … es ist seltsam“, erwiderte er. Wischte sich mit den
Handrücken über die Augen.
Ich sank wieder neben ihm aufs Bett. Legte noch einen Arm um ihn. Zog ihn zu mir.
„Schlaf etwas, bald wird es hell und morgen Nacht sollten wir wieder von hier weg
sein.“
Ich schloss die Augen. Wollte endlich auch schlafen. Nicht nur ihm würde wohl die
Ruhe gut tun.
„Denkst du wirklich, sie verfolgen uns?“ Leicht hob ich wieder ein Lid. Legte den
zweiten Arm um Jemil. „Hoffen mir es mal nicht“, flüsterte ich. Er bettete seine
warmen Lippen auf meine Brust. Führte sie langsam immer weiter nach unten. Ich
zog ihn wieder hoch.
„Nicht in deinem Zustand!“, zischte ich. Dieser verfluchte Idiot. Was sollte das
überhaupt? Wieso stellte er so einen Mist an? Ich hatte ihm doch schon – so gut
wie es ging – verständlich gemacht, dass ich es nicht wollte. Nicht solange es
ihm nicht wirklich gut ging.
„Dann nicht“, flüsterte er. Schmiegte sich wieder ganz eng an mich. Eigentlich
wollte ich noch etwas sagen. Doch er war längst eingeschlafen. Endlich. Ein
Lächeln bildete sich noch auf meinen Lippen, bevor ich auch in süße – vielleicht
auch nicht – Träume versank.
Ein Lächeln bringt Wärme
100 Kommentare. Da muss doch mal wieder etwas FanPost beantwortet werden. xD Also schauen wir doch mal:
@ Ilona_Delagun: Erst mal, es macht mir gar nichts aus, wenn du immer das schreibst, was dir auffällt. Gefällt mir sogar im Grunde ziemlich gut. So kann ich zumindest auch meine Fehler sehen. ^^ Und ein bisschen Kritik mag ich ohnehin, davon kann ich eigentlich gar nicht genug kriegen. Also schreib nur immer weiter solche Kommentare. ^^
@ YuMorino: Die meisten Fragen haben sich ja jetzt schon geklärt. Und abgehauen sind sie ja auch endlich. Zumindest haben sie schon ein ganzes Stück geschafft.
@ Flippi: *knuddel* Nochmal danke für das 100. ^^ Hab mich super gefreund. Aber das hab ich dir ja schon geschrieben. ^^ ... Jetzt weiß ich gar nicht, was ich dir noch schreiben soll ... da können wir ja dann beim 150. Kommi weiter reden. xD
@ ReinaDoreen: Ich liebe deine Kommentare immer noch. Es ist gerade so, als ob du den Text nur so aufsaugen würdest und alles wirklich ganz genau durchgehst. *_* Das find ich toll.
@ Anubi: Danke für deinen wirklich netten Kommentar. Freut mich sehr, dass dir die Idee so gut gefählt.
@ midoriyuki: Danke, dass du mich noch auf diesen kleine Fehler hingewissen hast. Hab ich gleich ausgebessert. *verbeug* Ach und mit Nina ... sie ist wirklich nur nett. >.> Und sie hat wohl auch einen der billigsten Namen. xD
@ Lokalistenhasser: Der fremde Werwolf hat schon eine kleine Beschreibung gekriegt. Die wird aber noch ausgebaut, wenn mal der Name bekannt ist. ^^ Ach und das 'den Tod mittrinken' ist nicht wegen dem Geschmack des Blutes, sondern, dass er sterben würde, wenn er es trinkt. (Nur damit du Jemil nicht als einen zu sehr verwöhnten Vampir ansiehst. ^^)
@ tajika: Die Eins ist schon in der Geschenkeliste aufgenommen. ^^ Danke, noch dafür. ^^ ... Bestraff auch schön die, die über den Kapitel nörgeln. xD
@ moriko-chan: Um Pio zu hauen wirst du wohl noch Zeit finden. :D Also mach dich darauf schon einmal bereit. ... Bist du wirklich Jemil-Fan? ... Jetzt hat der auch schon Fans. @.@
@ MayaNightmare: Danke. Dann sagt mir zumindest auch mal jemand, dass die FF auch geil ist. xD
@ kuestenfee1: Vertraut ihr nur nicht. ò.ó Nein, ... Scherz. Eigentlich ist nichts böses mit ihr geplannt. ...
So so, dass war's dann mal mit der FanPost ... ist ja einiges zusammengekommen. xD
Und für alle, die es noch nicht gesehen haben:
Bei den Charabeschreibungen ist auch noch eine kleine Bedankung mit Jesko 'Vorbild'. xD
Und jetzt noch viel Spaß mit dem 22. Kapitel. ^^
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Lost Angel
Kapitel 22 – Ein Lächeln bringt Wärme
Jemil’s PoV
Eine angenehme Wärme an meinem Nacken ließ mich wach werden. Es fühlte sich im
ersten Moment richtig gut an. Doch auf einmal begann es zu brennen. Wie Feuer
breitete es sich in meinem Körper auf. Ich jaulte auf. Verkroch mich schlagartig
unter der Bettdecke.
Zaghaft tastete ich an die Stelle, von wo dieser Schmerz ausgegangen war. Die
Haut dort fühlte sich an wie Asche. Löste sich regelrecht unter meinen
Fingerspitzen auf.
„Jemil, was ist denn?“, nuschelte Jesko verschlafen. Doch da war er schon
aufgesprungen. So weit spürte ich es. Ich hörte seine Schritte durch den Raum. Er
lief wohl zum Fenster.
„Du kannst wieder raus kommen!“, meinte er, als er sich wieder neben mich setzte.
Zaghaft kroch ich wieder unter der Decke hervor. Mein Nacken brannte noch immer
etwas. Was war das denn nur?
Jesko zog mich zu sich hoch. Suchte jede freie Hautstelle nach irgendetwas ab.
Erst an meinem Hals hielt er Inne.
Ganz hatte ich noch nicht bemerkt, was diesen Schmerz ausgelöst hatte. Doch dann
sah ich den schmalen Streifen Licht am Fenster, der durch die Vorhänge fiel.
Sonnenlicht.
Der Werwolf glitt mit dem Daumen über mein Genick. „Tut das noch weh?“, fragte
er. Ich spürte seinen besorgten Blick. Dabei musste ich ihn gar nicht ansehen.
Doch da fühlte ich schon seine Zunge auf der Wunde. Es brannte. Auch wenn es
nicht so schlimm war. Gegenüber dem, was mir schon angetan worden war, war das
nichts. Gar nichts. Kaum der Rede Wert.
Ich schüttelte schließlich den Kopf. „Geht schon.“ Vorsichtig lehnte ich mich an
Jesko. Ich war noch müde. Wenn es jetzt schon hell wurde, hatte ich wohl auch
erst ein paar Stunden geschlafen. Und etwas mehr Schlaf könnte ich eigentlich
noch brauchen.
Doch im Moment wollte ich nur hier liegen. Mich etwas an mein kleines Wölfchen
kuscheln. Es wurde gerade so gemütlich. Jesko streichelte leicht über meine Arme.
Sank – samt mir - zurück in die Kissen.
„Es geht dir wohl auch besser, als heute Nacht“, meinte er. Zog mich noch etwas
enger an sich. Küsste ganz leicht meinen Hals. Er leckte noch vorsichtig darüber.
Ein wohltuendes Gefühl breitete sich in meinem Körper auf. Wurde nur noch
intensiver, je länger er mich einfach nur streichelte.
„Jesko...“ Ich rollte mich herum. Schlang die Arme um ihn. Fing damit an ihn mit
meinen Lippen zu liebkosen. Ein leichter salziger Geschmack verteilte sich in
meinem Mund. „Hast du geschwitzt?“, fragte ich, als ich mich wieder von ihm lösen
wollte. Doch er drückte mich wieder zu sich. „Mach weiter“, seufzte er. Und ich
machte es. Ich gehorchte einfach. Setzte mein kleines Spiel fort.
„Jemil, heute will ich. Nur mit dir!“ Er schob mich von sich herunter. Gab mir
wieder zärtliche Streicheleinheiten. Ich summte genüsslich. Begann sogar fast zu
schnurren. Er glitt über meine Schenkel. Nur ganz vorsichtig. Nur mit den
Fingerspitzen. Es kribbelte ganz leicht.
Ich begann zu keuchen. Spürte jede Berührung von Jesko nur noch extremer. Jede
Kleinigkeit, die er meinem Körper gutes tat, ließ eine Explosion von wunderbaren
Gefühlen in mir losgehen.
Ich zog ihn zu mir hoch. Wollte ihn nur noch küssen. Seine warmen Lippen spüren,
mit denen er mich eigentlich gerade liebkosen wollte. Oder ursprünglich meine
Brustwarzen. Auf die war er aber gerade auch regelrecht versessen. Irgendwie
berührte er die im Moment andauernd. Er genoss es geradezu mich keuchen zu hören,
wenn er auch nur in die Nähe von einer von beiden kam.
Er ließ für einen Moment wieder von mir ab. „Willst du wirklich?“, fragte er.
Blickte mich fast schon zu besorgt an. „Himmel, ja! Also, mach schon!“ Ich quoll
über von der Lust, die sich gerade in mir anstaute. Die wollte ich loswerden.
Ich spürte seine Finger unter dem Stoff meiner Shorts an meiner noch eindeutig zu
schlaffen Männlichkeit. Er sollte sich einmal beeilen und das ändern, anstatt
mich mit Küssen zu übersähen. Und es war auch noch, als ob er das merken würde.
Er begann mich endlich da zu streicheln, wo es sich wirklich einfach nur geil
anfühlte.
Ich raffte mich wieder hoch. Versuchte ihm dieses kleine Spielchen gleich zu tun,
dabei war es bei ihm nicht einmal mehr nötig. Im Grunde saß er schon lange ohne
Shorts vor mir.
Ich sank erneut in die Kissen zurück, als er mir fast zu vorsichtig die Shorts
auszog. Sich aber auch gleich wieder über meinen Körper hermachte. Mich unentwegt
küsste. Jede Stelle, die er momentan erreichen konnte. Immer wieder gab ich ein
erregtes Seufzen von mir. Er sollte doch endlich zur Sache kommen.
„Kann ich?“, fragte er, als er sich über mich beugte. Dabei ganz vorsichtig schon
meine Beine anhob. Ich nickte. Ließ schließlich den Kopf in den Nacken sinken.
So verharrte ich einige Sekunden. Und das war mir schon zu viel. „Mach schon“,
zischte ich. Erst heiß machen und dann kalt werden lassen. Oder wie durfte ich
das jetzt verstehen?
Jesko schüttelte leicht den Kopf. „Tut mir leid“, nuschelte er. Fuhr noch einmal
ganz vorsichtig über meine Taille. Ein letztes Mal. Dann stöhnte ich schon
lustvoll auf. Es war nur ein ganz kurzes Stechen, als er in ich eindrang. Ganz
anders, als bei meinem werten Halbbruder Pio. Jesko war einfach vorsichtiger.
Viel liebevoller.
Bei jeder seiner Bewegungen keuchte ich. Wurde lauter. Geriet in Ekstase. Ich
spürte ihn ganz deutlich in mir. Jedes einzelne Auf und Ab seiner Hüfte brauchte
mich bis kurz vors Aufschreien. Aber keines Falls aus Schmerzen. Es kam mir vor,
wie reine Lustschreie.
„Jesko ... ah ...“ Ich spürte das Gefühl meines langsam kommenden Höhepunkts. Von
meinem rasendem Atem bis hin zum gerade zu kochenden Blut. Ich war schon so gut
wie so weit. Nur auf meinen Werwolf hätte ich gerne noch gewartet. Er war noch
nicht so weit. Aber lange würde es auch nicht mehr dauern. Ich wollte meinen
Orgasmus mit ihm erleben. Im selben Moment.
Doch jede Sekunde, die ich länger warten musste, wurde schlimmer. Lange konnte
ich nicht mehr.
„Jesko ... ich komme ... ich komme ... ah ... ah ... AH!“
Das Gefühl jagte wie ein Blitz durch meinen Körper. Ich sank keuchend zurück.
Hatte mich zuvor aufgebäumt und war jetzt völlig erschöpft zusammengesunken.
Eine Art Wohlbefinden breitete sich in mir aus. Es löschte im Kompletten jede
Müdigkeit in mir aus. Sonst konnte ich eigentlich danach immer nur schlafen. Aber
jetzt? Ich fühlte mich, als ob ich noch Kilometer weit laufen könnte.
Mein kleines Wölfchen beugte sich über mich. In dem Moment spürte ich ihn nicht
mehr. Er war also nicht mehr in mir.
„Und?“ Fragend sah er mich an. Sollte ich ihm jetzt sagen, wie er war. Ich
seufzte. „Für das dritte Mal richtig gut.“ Für einen Augenblick schloss ich die
Augen. Sog die warme Luft in mich ein. Ließ sie mit einem Summen wieder
entweichen. Hob wieder langsam die Lider. Doch Jesko hatte sich schon wieder
aufgesetzt.
„Hoffentlich hat uns niemand gehört.“ War das denn wirklich der einzige Gedanke,
den er jetzt noch hatte? Ob irgendeiner von diesen dummen Menschen etwas
mitbekommen hat? Das war doch egal. Wir hatten doch nur Sex. War denn daran
irgendetwas so schlimm? Umgebracht hatten wir doch niemanden, also was machte er
sich denn Sorgen.
„Ist doch egal!“ Ich zog ihn zu mir. Schob ihm leicht zwei meiner Finger in den
Mund an dem er sogar genüsslich leckte. Saugte daran. Ganz leicht spürte ich auch
seine Zähne. „Beiß zu“, flüsterte ich. Wie gerne würde ich von ihm noch die Macht
eines Werwolfes bekommen. Vielleicht könnte ich mich dann auch endlich wehren.
Von selbst. Und würde nicht bei allem Hilfe brauchen. Genauso wie er mich dann
nicht mehr beschützen müsste.
„Ich könnte nicht.“ Er wich zurück. Ein sanftes Lächeln bildete sich auf seinem
Gesicht. Dadurch wurde mir irgendwie warm. Fast schon heiß. Diese Geborgenheit
die er auslöste war das wohl. Oder war das etwas anderes?
Langsam sollte ich es wohl zugeben. Mir selbst eingestehen. Ich sollte mir über
dieses Gefühl bewusst werden. Es ihm vielleicht auch einmal sagen. Doch wie
sollte ich das denn machen? Ich wusste es und trotzdem konnte ich nicht. Ich
könnte es ihm nie gestehen. Nie was ich für ihn empfand. Im Grunde wollte ich es
doch selbst nicht hören. Nie. Ich konnte das gar nicht für ihn fühlen. So weit
war ich noch nicht. Dem war ich mir selbst bewusst. Es musste noch viel
passieren, dass ich so etwas für jemanden empfinden könnte. Und dafür war es bei
mir dann einfach noch zu früh.
„Hey?“ Ich schreckte hoch. Blickte auf. Jesko hatte einen schmollenden
Gesichtsausdruck aufgelegt. „Du beachtest mich gar nicht“, murrte er, als er sich
einfach umdrehte und auf die Bettkante setzte.
Hatte ich so lange nichts gesagt? Ihn wirklich so lange nicht beachtet? Oder war
er einfach wegen ein paar Minuten eingeschnappt.
Ich rappelte mich auf. Ein schöner Rücken konnte wohl auch entzücken. Ich legte
den Kopf schief. Legte die Finger auf eine Narbe, die sich quer über das rechte
Schulterblatt des Werwolfs zog. Es war nicht die einzige, die sich auf seiner
Rückseite abzeichnete.
„Sind die von mir?“ Ich glitt über ein anderes Wundmal auf seinem Rücken, das
knapp unter einem seiner oberen Wirbel war. Er nickte. „Nicht alle“, meinte er
noch. Seufzte leicht. Einmal atmete er tief durch, bevor sich der Werwolf dann
auch wieder mit dem Kopf zu mir wendete.
Ich glitt wieder mit den Fingern über die vereinzelt zu sehenden Narben. „Sie
sind nicht so schlimm. Sieht man doch ohnehin kaum.“ Ein weiteres Mal bildete
sich ein warmes Lächeln auf seinem Gesicht. Und wieder wurde mir warm.
Ich legte einen Hand auf seinen Hals. Wanderte bis zu seinem Ohr hinauf und
kraulte ihn dort ganz leicht. Jesko ließ sich zurückfallen. Direkt auf meinen
Schoss. Kuschelte sich an mich. Ich zuckte zusammen.
„Was machst du denn?“ Ganz war mir diese plötzliche Nähe von ihm nicht geheuer.
Er war doch nur eine Minute zuvor eingeschnappt. Hatte sich doch einfach von mir
abgewendet.
„Du willst dich nur einschleimen, also spiele ich einfach mal mit“, summte er.
Drückte seinen Kopf mehr und mehr gegen meine Schritt. Ich wollte ihn
wegschieben. Da baumelten aber schon meine Shorts vor meiner Nase. „Wenn dir was
nicht passt, dann zieh die wieder an“, seufzte Jesko. Sah leicht auf. Streckte
sich herzhaft.
Bevor er sich wieder ganz auf mich sinken lassen konnte, zog ich ihm meine Füße
weg. Schlüpfte schnell in meine Boxershorts. Dabei murrte der Werwolf aber nur
wieder.
Ich zog ihn wieder zu mir. „Leg dich doch einfach noch mal her.“
Es fühlte sich gut an, ihn bei mir zu haben. Das tat es schon die ganze Zeit. In
jeder Sekunde, in der er bei mir war. Jeder kleinste Moment. Das war für mich
noch nie so. Noch nie mochte ich die Nähe von irgendjemanden so lange.
Irgendetwas löste er einfach in mir aus. Irgendetwas, was wirklich schön war. Und
etwas, was mir einfach noch nie jemand wirklich gegeben hatte.
Ich fing wieder an Jesko hinterm Ohr zu kraulen. Etwas, was er mochte. Jeder Hund
ließ sich eben gerne kraulen. Und er war da nicht anders. Aber was mochte denn
dann ich? Es gab eigentlich nichts, was sich wirklich für mich gut anfühlte und
was ich so einfach von jemand anderen bekommen konnte.
Da ging der junge Werwolf auf einmal hoch. Legte die Hände locker auf meine
Hüften. Er blickte mir eine schier endlose Minute in die Augen. Küsste mich
schließlich zärtlich.
War es das, was ich mochte? Was mir jemand geben konnte, was sich wirklich gut
anfühlte? Das war eine idiotische Vorstellung, dass ich mir von einem Werwolf
etwas geben lassen musste, aber in den letzten paar Tagen hatte ich mir über
unsere eigentlichen Wachhunde ohnehin schon ein ganz anderes Bild gemacht. Wenn
sie alles so waren, dann passten sie doch eigentlich ganz gut zu uns Vampiren.
Dann könnten wir doch eigentlich auch auf gleicher Stufe miteinander leben. Und
müssten uns nicht gegenseitig so hassen und auch erst recht nicht die Werwölfe so
ausnutzen. Könnte es den wirklich ein Leben, das jedem der beiden Rassen gut
passte, geben? Es wäre doch eigentlich das Beste. Ohne irgendeine Art von
Unterdrückung. Und erst Recht könnte ich dann einfach so mit Jesko zusammen sein.
Ich könnte mich immer von ihm küssen lassen. Mich auch endlich einmal bei
jemanden wohl fühlen. Dufte ich das noch erleben?
Salat für den Blutsauger
Lost Angel
Kapitel 23 – Salat für den Blutsauger
Jesko’s PoV
Ich wusste doch, wie er diese zärtlichen Berührungen mochte. So lange ich nur
vorsichtig genug war. Dann fühlte er sich wohl. Und etwas anderes wollte ich gar
nicht.
Langsam schlang ich die Arme immer enger um ihn. Er keucht leicht auf. Ließ den
Kopf aber schließlich wieder an meine Brust sinken. Wo er ihn schon die ganze
Zeit gehabt hatte. Schon seit Minuten.
Jemil kuschelte sich enger an mich. Wie konnte er sich denn nur so gut bei mir
fühlen? Werwolf und Vampir vertrugen sich doch eigentlich nicht. Aber dann durfte
ich mich wohl auch nicht einfach geborgen fühlen. War es denn dann auch bei mir
falsch?
Doch jetzt gab es kein Zurück mehr. Wir waren zusammen abgehauen und seine nette
Verwandtschaft würde uns sicher verfolgen. Wenn nicht sogar bis ans Ende der
Welt. Ich konnte es mir schon gut und gerne vorstellen, dass Pio in zurück haben
wollte. Aber nicht aus Bruderliebe heraus.
Ich war mir gar nicht so im Klaren, wieso er von seinem Bruder überhaupt so
gequält wurde. Was konnte der denn schon für einen Grund haben, ihm so etwas
antun zu können? Oder war Pio einfach nur krank?
Ich streichelte leicht über Jemils Wange. Zog ihn dann einfach mit zurück in die
Kissen. Es war für ihn viel zu früh. Ein paar Stunden Schlaf würden für ihn das
Beste sein.
Leicht berührte ich seinen Hals mit den Lippen. Küsste ihn dort nur ein paar Mal,
bevor ich mich aufraffte. Eigentlich trieb mich nur der Hunger dazu. Ob es ihm
wohl gerade ähnlich ging?
„Hast du Hunger?“, fragte ich deswegen einfach, als ich gerade meine Boxershorts
vom Boden aufgesammelt hatte. „Wenn du mich nicht gerade an deinem Hals saugen
lassen willst, dann nein“, bekam ich auch gleich zur Antwort. Leicht hob ich eine
Augenbraue. „Können Vampire nichts anderes ... na ja, essen?“, wollte ich wissen.
Er konnte immerhin nicht die ganze Zeit irgendwelche Leute so einfach umbringen,
nur weil er Hunger hatte. Obwohl sie das Blut wohl eher brauchten um irgendwie
ihr Herz halbwegs in Bewegung halten zu können – so hatte ich es zumindest einmal
gehört.
„So lange es nicht Fisch oder Fleisch ist. Etwas anderes kann ich nämlich auch
essen.“ Das war jetzt schon ein Schock für mich. „So etwas darfst du nicht Essen?“
Ich blickte ihn verwirrt an. Gerade ohne das könnte ich nicht leben und er
durfte nichts davon haben? Das konnte ich gar nicht glauben.
„Nur wenn ich große Lust darauf hätte zu sterben.“ Es kam mir so vor, als hätte
sich ein ganz leichtes Lächeln auf seine Lippen gebildet. Das merkte er wohl gar
nicht. Denn eigentlich hatten seine Stimme nicht einmal irgendwie so geklungen,
als ob er es lustig finden könnte. Das tat ich aber auch nicht. Wenn er deswegen
sterben müsste, dann musste er wohl darauf verzichten.
„Willst du dann irgendetwas anders?“, fragte ich. Legte den Kopf leicht schief,
während ich mich wieder auf die Bettkante kniete.
Jemil setzte sich auf. Legte seine Finger auf meinen Hals und streichelte leicht
darüber. Er öffnete den Mund. Nur einen Spalt. Leckte mit der Zunge über seine
Schneidezähne. Das entlockte mir nur ein Schlucken. Er blickte mich fast schon
ausgehungert an. Aber von meinem Blut wollte er doch nichts.
Er seufzte. Rutschte ein Stück zurück und schüttelte langsam den Kopf. Der Vampir
massierte sich leicht die Schläfe. „Tut mir leid“, murmelte Jemil. Blickte etwas
zaghaft zu mir auf. Irgendwie mochte ich fast schon diesen schüchternen
Gesichtsausdruck. Er wirkte so richtig putzig.
„Willst du jetzt irgendetwas anderes?“ Sanft zog ich ihn zu mir. „Wenn du etwas
besorgen kannst.“ Für eine Moment kuschelte er sich sogar noch selbst an mich.
Wich dann aber wieder von mir zurück. Ganz leicht zitterte er.
„Ich bin gleich wieder da“, meinte ich, als ich ihm die Decke über den Kopf
geworfen hatte. „Hm“, gab er noch knapp von sich, als ich mich schnell angezogen
hatte und auch schon im nächsten Moment vor der Zimmertür stand. Ganz wusste ich
nicht, wo ich jetzt hin sollte. Ich hatte noch so gut, wie gar nichts von dem
Haus gesehen. Bis auf das Zimmer in dem wir geschlafen hatten.
Langsam ging ich den Flur entlang. In Richtung Treppe. Ich hoffte einfach einmal,
dass ich die Küche so finden würde. Mein Hunger würde mich schon dazu antreiben.
Kaum war ich aber im Erdgeschoss hörte ich Schritte. „Guten Morgen, Jesko“, wurde
ich da aber auch schon von Nina begrüßt. Da lachte sie aber auch schon auf. „Ist
wohl etwas spät dafür“, meinte sie aber auch gleich.
Ich wusste nicht, wie spät es war. Es war aber auch gestern spät genug gewesen,
als ich endlich zur Ruhe kam. Somit wäre es wohl nicht ungewöhnlich, wenn es
längst Mittag wäre. Dann war aber auch mein Hunger nicht gerade ungewöhnlich.
Seit gestern hatte ich auch nichts mehr im Magen. Oder war das schon länger her.
„Wollt ihr etwas essen ... oder wohl eher du? Wo hast du denn deinen blonden
Freund gelassen?“ „Jemil schläft noch.“ - Ich setzte kurz aus - „Und ich hätte
gerne etwas zu Essen.“ Ob man wohl das bittende Strahlen in meinen Augen sehen
konnte? Hoffentlich nicht zu deutlich.
„Na dann komm mal mit.“ Gelassen führte sie mich durch die Gänge. An einige
Bediensteten vorbei, die gerade am Putzen waren. Viel hatten sie wohl nicht zu
tun.
„Willst du Jemil etwas mitnehmen?“, fragte Nina, als wir in der Küche angelangt
waren und ich schon dabei war den Kühlschrank auszuräumen. „Wenn ich darf.“ Kurz
sah ich auf. Vergrub die Nase dann aber auch schon wieder in dem Kühlgerät.
Mir lief regelrecht das Wasser im Mund zusammen, bei den ganzen Sachen, die ich
essen könnte. Es war zu viel, was ich mochte oder einfach einmal probieren würde.
Doch alles könnte ich wohl gar nicht mitnehmen.
„Bist wohl ganz schön ausgehungert.“ Nina zog eine Augenbraue hoch, als ich mich
voll beladen wieder zu ihr wendete. „Ich muss für Jemil auch etwas mitnehmen“,
meinte ich darauf aber nur knapp. Für uns beide würde das wohl leicht reichen.
Sie seufzte leicht. „Du magst ihn wohl sehr.“ Als Antwort bekam sie nur ein
leichtes Lächeln und ein knappes 'Hm'
Mehr musste sie gar nicht wissen. Heute Nacht würden wir hier ohnehin wieder
abhauen. Das hatte ich mir für uns schon einmal vorgenommen. Es war mir
eigentlich egal, was Jemil dazu sagen würde. Aber er wollte doch auch einfach nur
immer weiter weg. Meter für Meter. Kilometer für Kilometer. Immer weiter. Bis es
irgendwann nicht mehr ging. Und ich würde bei ihm bleiben. Ich wollte bei ihm
bleiben.
„Mann, du musst ja verdammt verliebt sein.“ Ich schreckte aus meinen Gedanken
hoch. „Wie kommst du darauf?“ Hatte ich denn irgendwie so ausgesehen. „Dein
Blick. Du hast einfach so verdammt verliebt geschaut. Na ja, deswegen dachte ich
nur, dass ihr wohl ziemlich gut miteinander verbunden seid.“
Ich seufzte. „Er ist mir nur sehr wichtig.“ Ich wusste gar nicht, wieso ich es
nicht zugeben konnte. Vielleicht einfach, weil ich es ihm einfach auch nichts
gesagt hatte. Dann war es wohl nicht ungewöhnlich, dass ich es jemand anderen
auch nicht einfach so erzählen konnte.
„Ihr seid wohl noch nicht so lange zusammen.“ Ich gab ganz einfach keine
Erwiderung mehr. Ich wollte gar nicht reden. Nur zu Jemil zurück. Ihn wieder ganz
nah bei mir spüren.
Erst als ich wieder vor der Zimmertür war, hinter der ich vor einigen Minuten
meinen kleinen Vampir zurückgelassen hatte, gab sie es endlich auf. Lange hätte
ich ihr Gerede aber auch nicht mehr ausgehalten.
„Hey, Jemil“, schallte ich in den Raum. Erhielt aber keine Antwort. Er hatte sich
im Bett zusammengerollt. Was hätte ich aber auch anderes erwartet, als das er
wieder schlief. So wie ich es auf der Uhr in der Küche gesehen hatte, war es erst
kurz vor Mittag. So hatte er wohl seinen Schlaf verdient.
Ich ließ das Essen auf den Schreibtisch am Fenster sinken. Alles was Jemil nicht
essen konnte – also Fleisch, Fisch und alles Ähnliche – verleibte ich mir gleich
ein. Es fühlte sich richtig gut an, wieder etwas zu essen.
Genüsslich leckte ich mir schließlich über die Lippen, als ich mich wieder dem
Bett zuwendete. Irgendetwas hatte ich von dort gehört. Nur ein leises Murmeln.
Kaum hörbar. Aber für meine Ohren noch gut genug vernehmbar.
„Jesko.“ Und wieder. Er wollte mich wohl bei sich haben. „Na, Jemil?“, flüsterte
ich, als ich mich zu ihm kniete. Ihm ganz vorsichtig über die Wange streichelte.
Er war immer noch etwas warm. Nur noch etwas. Bis heute Nacht würde es ihm wohl
wieder ganz gut gehen. Zumindest so weit hoffen durfte ich.
„Hey, Jemil. Wach auf. Ich hab was zum Essen für dich.“ Sanft kitzelte ich ihn.
Nur ganz leicht. Ganz vorsichtig. „Hör auf, Jesko.“ Er drückte mich weg. Nicht
gewaltsam. Nur etwas zaghaft. Hob ein Lid. Für einige Sekunden. Versuchte sich
dann wieder auf die Seite zu drehen und wohl weiter zu schlafen. Doch das ließ
ich gar nicht zu.
„Ich hab dir was zum Essen mitgebracht.“ Ein Lächeln hatte sich auf meinen Lippen
gebildet, als ich das sagte. Ich wusste nicht einmal wieso ich lächelte. Es
fühlte sich nur verdammt gut an. Und mit was für einem süßen Blick er das
erwiderte.
„Hast du etwas Salat?“, fragte er da aber auch schon. Ich verzog das Gesicht.
„Den hab ich übrig gelassen. Dachte aber nicht, dass du den haben willst.“ Ich
stand langsam wieder auf. Schnappte mir den Salat, der in einer Schüssel
angemacht war, und drehte mich gleich wieder zu ihm um. Hielt ihm das Grünzeug
hin. „Wenn es dir schmeckt.“
Genüsslich schlang er den Salat sogar hinunter. Dass das wirklich gut war, konnte
ich mir gar nicht vorstellen. Es schmeckte doch eigentlich nach gar nichts. Und
diese grässliche grüne Farbe. Eklig. Da könnte man doch auch gleich Gras essen
oder Blätter. Die konnten auch nicht besser sein.
„Ah, das war gut.“ Jemil hielt mir die Schüssel wieder hin. Alles war weg. Gut,
dass ich es nicht mochte. So machte es mir schon gar nichts aus, dass er mir
nicht übrig gelassen hatte.
„Was hältst du davon, wenn wir heute Nacht wieder von hier abhauen?“ Ich fragte
es fast schon zaghaft. Seine Reaktion wollte ich aber eigentlich auch gar nicht
hören. Ich würde eh auf keine Widersprüche hören. Wenn er nicht wollte, würde ich
ihn ohnehin einfach mitschleifen. Ich wollte doch auch nur ganz weit mit ihm von
hier weg.
„Gerne.“ Es lag etwas Fröhliches in seiner Stimme. „Äh, willst du wirklich?“ Ich
glaubte nicht ganz was ich gehört hatte. Blickte ihn nur etwas verwirrt an. „Das
hab ich doch versprochen. Wir wollte zusammen abhauen. Und das Versprechen halte
ich. Wenn ich schon sonst immer alles versaue.“
Natürlich wollten wir gemeinsam weg, aber dass er das so eiskalt durchziehen
würde. Ich hätte es wohl niemanden geglaubt, wenn er mir das vor ein paar Wochen
gesagt hätte. Der wäre für mich einfach nur verrückt gewesen. Krank. Etwas
anderes wäre diese Person dann nicht für mich gewesen. Doch jetzt würde ich es
jedem glauben.
Jemil war wohl etwas Anders. Er war etwas Besonderes. Und trotzdem waren wir uns
doch irgendwie – auf irgendeiner Ebene – ähnlich. Vielleicht lag es aber auch nur
daran, dass wir uns gegenseitig brauchten. Ich hätte wohl nie ohne ihn meine
Freiheit gefunden. Und er hätte mir wohl nie gezeigt, wie er wirklich war.
Ich legte die Arme um ihn. „Na dann werden wir heute Nacht einfach weiter ziehen.
Es ist doch ohnehin zu gefährlich, wenn wir hier bleiben.“ Wir würden nur diese
Leute mit hineinziehen. Darauf war ich nicht wirklich scharf.
„Wir werden dann aber auf Ewig weglaufen. Wirklich unsere Ruhe werden wir nie
haben.“ Jemil klang jetzt wieder so leicht eingeschüchtert. „Zusammen schaffen
wir das schon“, meinte ich nur. Kraulte ihm sanft den Nacken.
Er kuschelte sich an mich. Einmal mehr. Locker legte er den Kopf an meine Brust.
„Beschützt du mich für immer?“ Bei seiner Frage nickte ich langsam. „Für immer.
Nur dich.“ Etwas anderes wollte ich doch nicht.
Zärtlich küsste ich ihn. „Du schläfst jetzt noch ein bisschen und dann brechen
wir einfach später wieder auf.“ Ich lächelte ihn glücklich an. Doch da war er
doch schon längst wieder eingeschlafen. Was sollte das Vampirchen aber auch
machen, wenn es tagsüber einfach müde war?
Finsternis, Angst und Einsamkeit
Lost Angel
Kapitel 24 – Finsternis, Angst und Einsamkeit
Jemil’s PoV
Ich hatte mich zusammengerollt. Versuchte schon seit einigen Minuten einfach
wieder einzuschlafen. Doch irgendwie ging es nicht. Dabei war es draußen noch
viel zu hell. Durch die Vorhänge viel noch leicht das Sonnenlicht.
Zaghaft streckte ich nach dem schmalen Lichtstreifen, der sich auf der Bettdecke
ausbreitete, die Finger aus. Es würde sich sicher wieder für einen Moment gut
anfühlen. Nur noch ein paar Millimeter. Meine Hand zitterte. War das denn so
schwer daran, dass ich dieses bisschen Sonnenlicht berühren wollte?
Ich zog die Finger zurück. Rollte mich auf die andere Seite. Jesko war nicht da.
Wie konnte er mich denn einfach so alleine lassen? Und dann auch noch ohne mir
etwas davon zu sagen?
Ich zog mir die Decke über den Kopf. Es fühlte sich wieder an wie früher. Wie,
als sich niemand für mich interessierte. Jeder hat gesehen, wie ich über die
Werwölfe gelacht hatte. Aber niemand hat es gesehen, wenn ich mich wieder alleine
irgendwo verkrochen hatte. Jeder hat gehört, was ich gesagt hatten Aber keiner
hat je gewusst, was ich gedacht hatte. Wie oft ich daran gedacht hatte, mich
umzubringen. Innerlich bin ich zerrissen worden. Und niemand hat es bemerkt.
Wieso hat es mir nur niemand angesehen?
Jemand streifte über die Decke. Ganz plötzlich verkrampfe ich. Eine Erinnerung
kam in mir hoch. Lässt mein Herz rasen. „Pio“, flüsterte ich. Versuchte mich
klein zu machen. Doch da wurde mir die Steppdecke weg gezogen. „Nein, Jesko“,
maulte der Werwolf. Ich atmete erleichtert auf. Konnte mich aber trotzdem nicht
wieder entspannen.
Ich drehte mich weg. Seufzte kaum hörbar. Jetzt war er wieder da und trotzdem
passte es mir nicht wirklich. Gerade war ich wohl doch einmal wieder ganz gerne
allein. Etwas nachdenken lag mir im Moment mehr, als irgendjemanden bei mir zu
haben. Aber Jesko würde ich wohl nicht mehr abwimmeln können.
„Was ist denn? Geht’s dir nicht gut?“, fragte er. Und ich spürte schon seine
warmen Finger auf meiner Stirn. Dachte er denn, ich hätte wieder Fieber? Wenn ich
den ganzen Tag nur herumlag? So anfällig war ich nur wieder auch nicht. Zwar war
ich oft krank. Wurde aber auch immer ziemlich rasch wieder gesund.
„Sieht so aus, als ob es dir gut geht“, murmelte der Werwolf. Beugte sich über
mich, bis er vorn über fiel und etwas unbequem auf mir landete.
„Geh von mir runter“, seufzte ich. Versuchte ihn von mir weg zuschieben. Doch er
war einfach für mich zu schwer. Da rappelte er sich aber schon wieder kichernd
auf. „Tut mir leid.“
Ich drehte mich nicht einmal zu ihm herum, als er wieder von mir runter war. Ich
hörte aber sein Murren. „Ich will nur meine Ruhe haben“, meinte ich schließlich.
Jedoch war es da schon zu spät. Jesko zog mich zu sich hoch. In der nächsten
Sekunde lag ich schon in seiner Umarmung. Versuchte mich aber mit Mühe und Not
wieder zu befreien. Doch das gelang mir einfach nicht.
„Sein nicht eingeschnappt“, flüsterte Jesko. Er verstand mich wohl doch noch
nicht ganz ohne Worte. „Bin ich doch gar nicht.“ Ein Stück konnte ich mich wieder
von ihm weg drücken. Legte schließlich meine Arme locker um seine Schultern.
Ich versuchte zu lächeln. Doch das gelang mir einfach nicht. Nur ganz leicht
konnte ich die Mundwinkel hochziehen. Es sah wohl nicht nach dem aus, was es
werden sollte. Vielleicht war es zumindest zu erahnen. Ich schüttelte innerlich
den Kopf. Nicht mal er würde das sehen können.
Jesko streichelte mir über die Wange. „Bald geht die Sonne unter. Dann können wir
weiter. Von Nina hab ich mich schon verabschiedet. ... Ich glaube, sie findet
dich süß.“ Ich hob bei den Worten des Werwolfes die Augenbraue. „Sie kennt mich
doch gar nicht“, meinte ich. Doch da zuckte er schon mit den Schultern.
„Mädchen“, war das einzige was ihm dazu einfiel.
Und damit setzte dann auch eine ganze Weile schweigen ein. Könnte ich eigentlich
wieder nachdenken.
Ich schloss die Augen. Doch als ich seine sanften Streicheleinheiten an meiner
Taille spürte, riss ich sie schlagartig wieder auf. Aber es war doch nur Jesko.
Was war ich denn so angespannt? Und vor allem so schreckhaft?
Er würde mir doch nie etwas tun. Er doch nicht. Nicht mein Jesko. Das könnte er
doch nie.
Er begann auf einmal an meinem Ohrläppchen zu knabbern. Ob er es wagen würde,
einfach zu zubeißen? Damit konnte er mich von meinem Leben – wenn man es
überhaupt so nennen wollte – erlösen.
Aber selbst das würde er doch nicht tun. Er doch nicht.
Ich kuschelte mich an ihn. Nur bei ihm konnte ich mich doch eigentlich richtig
wohlfühlen. Nur ihm war ich überhaupt etwas Wert. Wie viele waren denn auf die
Suche nach mir gegangen. Devin und Joe. Letzterer wohl auch nur um sich gleich
einmal bei den anderen Ältesten einzuschleimen. Von den würde mein Clan ohnehin
bald Besuch kriegen. Irgendwie musste man doch auch Victor wegschaffen. Begraben
würden sie ihn kaum. Werwolfe buddelten dafür eindeutig zu gerne. Obwohl ich das
bei Jesko noch gar nicht gesehen hatte. Dafür aber bei einigen anderen.
Ich bemerkte nicht wirklich, wie mir die Augen zufielen. Doch als ich sie wieder
öffnete, war alles schwarz. Nur in weiter Ferne konnte ich etwas Licht sehen.
Fast wie das Licht am Ende des Tunnels.
Für einen Moment sah ich mich um. Überall Finsternis. Und Kälte. Mir war so
schrecklich kalt. „Jesko“, murmelte ich. Wo war er auf einmal hin? Und wo war ich
überhaupt?
Ich wiederholte den Namen des Werwolfes. Immer wieder. Immer lauter. Doch es kam
keine Antwort. Nur schien meine Stimme irgendwo wider zu hallen. Irgendwann hörte
ich sie aus allen Richtungen. Und sie vermischte sich mit einer anderen, die mich
rief.
Jemand schlag die Arme auf einmal um mich. Zog mich zurück. Ich wollte noch
schreien. Doch ich konnte nicht. Aus meiner Kehle kam kein Ton. Panisch blickte
ich mich um. Konnte mich aus dem Griff, der mich immer noch umklammerte nicht
befreien.
Hände bahnten sich ihren Weg zwischen meine Beine. Drückten einfach zu. Ich
wollte brüllen. Wieder ging es nicht. Ich war wie stumm.
Mit stürmischen Küssen wurde mein Hals übersät. Biss ich die Eckzähne spüre. Wie
sie sich in meinen Hals bohrten. Was würde jetzt mit mir passieren? Als
Halbvampir von einem Vampir gebissen? Viel konnte es nicht ausmachen. Doch ich
spürte, wie mir schwindelig wurde. Ich sank zusammen. Wurde aber aufrecht
gehalten.
„Du brichst mir nicht zusammen“, hauchte mir eine kalte Stimme ins Ohr. Ich wurde
enger an diese Person gedrückt. Vor Schmerz ächzte ich auf. Gerade wurde ich
wieder gebissen. Ich fühlte, wie ich ausgesaugt wurde. Hatte ich den so viel Blut
in mir?
Der Griff um mich wurde gelockert. Ich sank auf die Knie zusammen. Beugte mich
vorne über. Am ganzen Leib zitterte ich, als ich das erste Mal getreten wurde.
Ich keuchte, als ich versuchte rückwerts wegzukriechen.
Da traf mich aber schon der zweite Tritt. „Jemil ... du kommst nicht von mir weg!
Ich werde dich zu mir zurückholen!“ Mein Atem begann zu rasen. „Pio“, brachte ich
kaum hörbar heraus. Zog die Beine näher an den Körper. Versuchte mich so klein
wie möglich zu machen.
Als ich es wagte wieder aufzusehen war niemand da. Ich war wieder allein in
dieser Finsternis. Wie immer eben. Und mir wurde erneut kalt. So verdammt kalt.
Wo war nur Jesko? Wieso ließ er mich auch alleine? Ich wollte zu ihm. Nur zu ihm.
Diesem wunderbaren Werwolf. Der für mich war, wie ein treuer Hund. Und dennoch
war er jetzt nicht da.
Mich umgab auf einmal eine angenehme Wärme. Langsam konnte ich mich dadurch
wieder entspannen.
Mein ganzer Körper kribbelte. Vibrierte fast schon. Eigentlich war doch niemand
da, der mich in den Arm nehmen konnte. Und dennoch spüre ich ganz deutlich die
Umarmung von jemanden. Und derjenige war so sanft. So vorsichtig.
„Jesko“, flüsterte ich. „Ich bin doch da“, erhielt ich als Antwort. Langsam ließ
ich den Kopf nach vorne sinken, bis ich eine warme Brust fühlte. Erneut murmelte
ich den Namen des Werwolfes. Wartete auf seine Erwiderung. Doch die kam nicht.
Ich hob den Kopf. Ich war nicht mehr in dieser Finsternis, sondern lag wieder in
dem Bett, wo ich eigentlich schon die ganze Zeit gewesen war. „Du bist
eingeschlafen“, meinte Jesko, als sich unsere Blicke trafen. Ein Lächeln umspielte
seine Lippen.
Dann war das nur ein Traum. Sonst nichts? Das war gar nicht wirklich passiert.
Ich faste an meinen Hals, wo mich Pio gebissen hatte. Es war nichts dort. Deine
Spur von Zahnabdrücken. Nicht einmal eine Schramme.
„Hast du dir am Hals weggetan?“, fragte da aber schon Jesko. Sah mich besorgt an.
Ich schüttelte zaghaft den Kopf.
Es war also wirklich alles gar nicht passiert. Er hatte mich nicht gebissen. Pio
hatte es nicht getan. Aber es hatte sich so verdammt echt angefühlt.
Leicht strich mir Jesko über den Nacken und über mein Schlüsselbein. Knapp
darunter hielt er Inne. „Hast du die Schramme da schon immer?“, fragte er. Glitt
noch einmal über die Stelle, die er wohl meinte. Nur eine kleine – fast winzige
– Narbe. Nichts über das man wirklich reden musste. Ich war mir nicht einmal mehr
sicher woher ich sie hatte.
„Ja.“ Sanft führte ich seine Finger zu meinem Bauch hinunter. Wie gut sie sich
auf meiner ausgekühlten Haut anfühlten. Von dem Punkt, an dem er mich berührte,
ging aber auch so eine schöne, angenehme Wärme aus.
Vorsichtig küsste er meine Schulter. Es war ein wunderbares Gefühl seine Lippen
auf mir zu spüren. Nur bei ihm war das so traumhaft.
„Hast du schlecht geträumt?“, fragte der junge Werwolf, als er für einen Moment
von mir abließ, aber auch nur um sich gleich darauf der anderen Schulter zu
widmen. Ich nickte nur langsam. Wendete den Kopf von ihm ab.
„Von was?“, wollte er wissen. Doch über so etwas redete ich nicht wirklich gerne.
Es gab Dinge, die nur mich etwas angingen. Und dazu gehörte so etwas auch. Was
mir mein Unterbewusstsein sagen wollte, musste niemand wissen. Gerade, wenn ich
es selbst nicht verstand. Aber wer tat das schon wirklich Voll und Ganz?
Leicht streichelte mir Jesko über die Wange. „Dann eben nicht“, flüsterte er mir
ins Ohr. Seine Stimme klang richtig beruhigend. Kam mir wohl aber im Moment
einfach nur so vor. Sonst war sie es doch auch nicht. Oder bemerkte ich das ganz
einfach nicht?
Etwas abrupt zog mich der Jüngere auf einmal hoch. Ich blickte ihn nur verwirrt
an. Was war denn jetzt los?
„Mir können los“, meinte er da aber auch gleich und ein Blick aus dem Fenster
sagte mir auch, dass es schon länger dunkel sein musste.
Es dauerte nur ein paar Minuten, da waren wir schon unten vor der Haustür. Nina
waren wir dabei nicht einmal mehr begegnet. Wirklich etwas geredet hatte ich mit
ihr aber auch nicht. Somit kannte ich sie doch gar nicht.
Wir gingen die Straße entlang. Raus aus dem Dorf – vielleicht war es auch eine
kleinere Stadt. Mir war es egal, wo wir landen würden. Nur immer weiter. Und
solange ich nicht allein war, konnte mir alles andere egal sein.
Zärtlich nahm Jesko meine Hand, als wir die Häuser fast hinter uns gelassen
hatten. Doch da durchfuhr ein Schrei die Stille der Nacht. Ich riss mich von dem
Werwolf los und wirbelte herum. Es war nichts zu sehen. Nur immer wiederkehrende
Schreie konnte ich hören. Verängstigte Schreie.
Jesko hielt die Nase in die Luft. „Werwölfe“, murmelte er nur. Ließ langsam den
Kopf wieder sinken.
Mir war ein ganz anderer Geruch in die Nase gestiegen. Er war nur ganz schwach
und dennoch roch ich ihn aus all den anderen Gerüchen heraus.
Einige Schritte stolperte ich zurück, bevor mich Jesko wieder festhielt. „Was ist
denn?“, fragte er und hatte die Augenbrauen zusammengezogen. „Er ist hier“,
flüsterte ich nur. Starrte wie gebannt auf die Häuser. Vereinzelt waren Feuer in
den Himmel geschlagen. War er das gewesen? Nein! Er würde sich mit so etwas nicht
die Finger schmutzig machen.
Jesko gab mir plötzlich eine Stoß. „Lauf!“, zischte er. Rannte aber schon längst
in die andere Richtung. „Wo willst du hin?“, rief ich ihm noch hinterher. Doch
ich erhielt nur ein weiteres 'Lauf!' als Antwort.
Er verschwand in der Dunkelheit. Starr vor Schreck blieb ich stehen. Konnte mich
einfach nicht bewegen. Was wäre, wenn er nicht mehr zurückkommen würde, wenn ich
jetzt einfach weglaufen würde? Dann hätte ich ihn im Stich gelassen. Ich musste
ihm hinterher. Aber er hatte gesagt, ich sollte laufen. Nur wohin?
Ich drehte mich um. In der Ferne waren Berge. Davor wieder ein endlos scheinender
Wald. Ich würde es so weit nicht alleine schaffen. Dennoch setzte ich mich in
Bewegung. Ich rannte zwar nicht, aber zumindest bewegte ich mich irgendwie.
Aber schon beim nächsten Baum blieb ich wieder stehen. Wendete mich wieder in
Richtung Dorf, wohin Jesko zurückgelaufen war. Es stand schon zum Großteil in
Flammen. Eigentlich konnte ich nur beten, dass ihm nichts passieren würde. Oder
zurück laufen.
Doch da spürte ich plötzlich die Anwesenheit einer Person. Und das war ganz
sicher nicht Jesko.
Und wieder ist er da
Lost Angel
Kapitel 25 – Und wieder ist er da
Jesko’s PoV
Ich hätte ihm vielleicht zumindest sagen sollen, wo ich hin wollte. Doch jetzt
war es auch schon zu spät. Er würde wohl schon viel zu weit weggelaufen sein.
Hoffte ich zumindest. Er würde doch auf mich hören.
Ich wollte diese Werwölfe zurückhalten. Zurückhalten von Jemil. Wenn er den
gespürt hatten, den ich dachte, dann wäre es wohl wirklich das Beste, wenn ich
mich hier um diese Werwölfe kümmern würde.
Ein Jaulen durch zog die Stille, die eigentlich nur vom Knistern der Feuer
gestört wurde. Das klang nach keinem von den Werwölfen, die bei Jamils Familie
lebten. Da war ich mir fast sicher.
Ich drehte mich kurz um. Natürlich sah ich den Vampir nicht mehr. Wendete mich
dann wieder in Richtung Dorf. Es waren nur noch wenige Meter bis zu den ersten
Häuser. Und die Standen schon in Flammen. Was, wenn es wirklich nicht die
Werwölfe waren, die bei Jemils Familie lebten. Dann war er da draußen jetzt ohne
Grund alleine.
Da spürte ich aber schon den Schlag einer Pranke. Stolperte einige Schritte
zurück. „Fuck!“, zischte ich. Tastete an meine Wange. Blut lief daran herunter.
„Was willst du?“, brüllte mich ein Mädchen mit tiefschwarzem Haar an. Sie hatte
sich gerade zurück verwandelt. Ich durfte mich wohl glücklich schätzen, dass mich
kein Mann erwischt hatte.
„Haut von hier ab!“, erwiderte ich nur fast schon gekonnt kühl. Irgendwie hatte
wohl Jemil etwas auf mich abgefärbt.
„Ich lasse mir doch von einem Schossköter nichts sagen.“ Das Knurren von noch
mehr Wölfen hörte ich, als sie das sagte. Ich kannte keinen einzigen von diesen
Werwölfen. Dann hätte ich es mir wohl eigentlich sparen können zurückzukommen.
Aber wiederum musste ich sie auch davon abhalten, dass sie hier einfach alles in
Schutt und Asche legten. Obwohl es nicht mehr viel half.
Ich ging einige Schritte zurück. Schnee knirschte unter meine Füßen. Wenn sie
mich anfallen würden, dann könnte ich mich ohnehin nicht wehren. Nicht gegen
alle. Und wenn ich jetzt einfach sterben würde, hätte ich auch noch das
Versprechen gegenüber Jemil gebrochen.
„Ich will mich wirklich nicht mit euch streiten“, versuchte ich ruhig von mir zu
geben, aber etwas Angst stieg schon in mir hoch. Die meisten der Werwölfe hatten
Blut verschmierte Hände. Von ihren Gesichter einmal ganz abgesehen.
„Dann verschwinde wieder und lauf zu deinem Fledermäuschen.“ Einer der Werwölfe,
die um mich standen hatte das gesagt. Woher wussten sie von Jemil? „Denn sollten
wir doch nicht erwähnen“, fauchte ihn schon ein anderer an.
Ich blickte mich verwirrt um. Waren sie – so zu sagen – auf das Dorf angesetzt
worden um mich von Jemil wegzulocken? Ich wirbelte herum und lief los. Wer sollte
so etwas tun? Pio? Er sollte sich trauen und Jemil noch einmal anrühren. Dann
wäre er totes Fleisch!
Die Werwölfe verfolgten mich nicht. Also gehörte ich wohl wirklich nicht zu ihren
Zielen. Besser für mich.
Von weiten nahm ich schon den Geruch eines zweiten Vampirs war. Es war eher schon
ein beißender Gestank.
Das Dorf hatte ich bald weit hinter mir gelassen, als ich eine Blutspur
entdeckte. Ich war mir im Klaren, dass das von Jemil war. Er hatte ihn also
wieder angerührt. Dieses verfluchte Schwein.
Mit etwas Mühe konnte ich der Blutspur folgen. Mit der Zeit hörte ich auch immer
wieder ein und dieselbe Stimme. Jemil! Jeder Schrei von ihm ließ mich nur
schneller laufen. Dabei war ich schon längst außer Puste.
Immer mehr kam ich ihn die Nähe des Waldes. Und wieder durchschnitt ein Schrei
die Nacht. Er brüllte vor Schmerzen. Das Pio es wirklich wagen würde ihn wieder
anzurühren.
„Bruder.“ Darauf folgte nur ein Ächzen. Aber ich konnte einfach nicht definieren,
woher es kam. Es war, als würden die Bäume jeden Laut widerhallen lassen.
Nicht einmal seinen Geruch konnte ich mehr wahrnehmen. Dabei war meine Nase
eigentlich gerade dafür geeignet irgendjemanden rein wegen seines Duftes zu
finden.
Es blieb auf einmal für eine ganze Weile ruhig. Nur noch das gelegentliche
Knirschen des Schnees, wenn ich von einem Bein auf das andere trat, erfühlte den
Wald. Wieder schnupperte ich ihn die Nacht hinein. Aber nichts. Es war wie, wenn
sie gar nicht hier gewesen wären.
„Jesko!“ Dieser Schrei ließ mich zusammen fahren. Ich war doch so nah bei ihm und
dennoch konnte ich ihn nicht finden. „Jemil“, flüsterte ich. Einfach loszulaufen
wäre wohl nicht das Wahre, was ich tun könnte. So würde ich ihn nur noch weniger
aufspüren können. Und seine werten Bruder erst recht nicht.
Doch da stieg mir endlich wieder der Geruch von Blut in die Nase. Jemils Blut. Es
war nicht schwer der Spur wieder folgen zu können. Ich schlich um einige Bäume
herum. Pio musste mich ja nicht unbedingt sehen – und erst recht nicht hören –
wenn ich kurz davor war ihn in der Luft zu zerreißen. Und das nur, weil er meinen
kleinen Vampir wieder angerührt hatte.
Ich hörte ein Wimmern und leises Flehen. Und das erste Mal auch Pio. „Du kleiner
Idiot wirst dafür bezahlen, dass du einfach weggelaufen bist.“ Jemil jaulte auf.
Ich atmete einmal tief durch.
„Lass ihn los!“ Gerade fühlte ich mich irgendwie, wie so ein Hollywood-Film-Held,
der seine Geliebte vor den Bösewichten rettete. Nur das hinter mir nicht das
Heldengesetzt § 7 „Der Held kann nicht verlieren“ stand. Eigentlich hatte ich das
Pech, dass keines dieser Gesetze für mich galt.
Pio sah mich mit einem kalten Blick an. „Da ist ja das Wölfchen. Dabei dachte
ich, diese Straßenköter hätten dich zerfetzt.“ Dann hatte er sie also auf dieses
Dorf gehetzt. Wieso war ich nur so verdammt blöd gewesen und bin zurückgelaufen?
Ich hätte Jemil nicht alleine lassen sollen.
Apropos Jemil. Er wurde von seinem älteren Halbbruder gegen eine Baum gedrückt.
Sein Shirt war aufgerissen. Dann hatte wohl Pio das gleiche wie beim letzten Mal
mit ihm vor. Ich fletschte die Zähne. Knurrte überdeutlich.
„Ich habe gesagt: Lass ihn los!“, zischte ich. Doch dafür erntete ich nur ein
überhebliches Grinsen. „Zwing mich doch.“ Er erhöhte den Druck auf Jemil. Machte
sich aber schon in der nächsten Sekunde über dessen Brustwarzen her. Der jüngere
Vampir keuchte.
„Lass ihn los!“, brüllte ich jetzt. Irgendwie konnte ich mich noch zurückhalten,
dass ich mich nicht auf ihn stürzte. Lange würde das nur nicht mehr herhalten.
Jemils Blick war glasig. Er würde wohl bald einfach zusammensacken. Es sah nicht
einmal so aus, als ob er überhaupt jetzt noch etwas wahrnehmen würde. Es wirkte
nur so, als ob er irgendetwas immer und immer wieder vor sich hinmurmeln würde.
Aber ich versuchte es gar nicht erst von seinen Lippen abzulesen.
„Was willst du denn jetzt tun, Wölfchen? Vielleicht dich verwandeln und ihn
gleich mit umbringen, wenn du dann auf mich losgehst? Ich kann mir kaum
vorstellen, dass du das mit deinem Gewissen vereinbaren kannst.“ Ich hätte kotzen
können bei diesem verfluchten Grinsen.
Doch einen Plan hatte ich wirklich nicht. Was sollte ich denn auch machen? Ein
falscher Schlag mit meine Klauen und ich könnte Jemil auch mit treffen. Also
konnte ich zumindest schon einmal meine Wolfsform außen vorlassen. Auch wenn ich
nicht einmal richtig wusste, wie ich mich überhaupt verwandelte. Immer wieder
ohne den Vollmond.
Ein Schlucken verlor sich in meiner Kehle. Eigentlich war ich doch genauso
hilflos wie Jemil. Nur das ich gerade nicht an einen Baum gedrückt wurde.
Pio konnte jetzt eigentlich mit ihm machen was er wollte. Mir waren doch
sprichwörtlich die Hände gebunden. Nur löste sich dieses fast schon Selbstmitleid
auf, als der ältere Vampir wieder begann Jemil mit seiner Zunge zu berühren. Ich
knurrte erneut. Das könnte ich doch jetzt nicht einfach so mit ansehen, wie
dieses Arschloch über meinen Jemil herfiel. Ihn einfach so missbrauchte.
„Ach hör doch auf, Wölfchen. Genieß es lieber!“ Das könnte und würde ich nicht
einmal wollen. Ohne weiter darüber nachzudenken stürzte ich mich doch auf ihn.
Ich hatte wohl so etwas wie eine Überraschungseffekt. Mit gerade zu spielerischer
Leichtigkeit riss ich Pio zu Boden.
Leider hielt das nicht lange. Er gab mir einfach einen Stoß von sich weg. Als ich
etwas schmerzhaft auf dem zugeschneiten Waldboden landete, blickte ich mich erst
einmal nach Jemil um. Er war zusammengesunken und zitterte am ganzen Leib.
Mein Blick schweifte sofort wieder zu Pio. Und genau das tat der mir gerade
gleich. Wütend funkelte er mich an. „Du kleine Missgeburt“, zischte er.
Ich packte nur schnell Jemil am Arm und zog ihn zu mir. Sammelte auch gleich
seinen Mantel mit von der Erde auf und warf ihm diesen um die Schultern. Als er
sich an mich lehnte hörte er sogar auf zu zittern. Ob er es spürte, dass ich es
war? Zärtlich strich ich ihm über die Wange. Ließ dabei Pio keinen Moment aus den
Augen.
„Du kleines, dummes Wölfchen. Er kommt doch ohnehin immer zu mir zurück.“ Ich hob
eine Augenbraue. „Wird er nicht! Wieso sollte er auch?“ Ich drückte Jemil noch
etwas enger an mich. Dabei auf eine Antwort wartend.
„Weil er es doch mag.“ Meine Augen weiteten sich. „Du spinnst doch!“ Gerade
deswegen würde er doch nie zu diesem Irren zurückgehen. Nicht deswegen. Er hasste
es doch. Daran würde er nur zerbrechen. Oder war es eigentlich schon. So wie er
aber auch in meinen Armen hing. Nichts mehr wirklich spürend.
Ich nahm Jemil schließlich hoch. Gerade als Pio auf mich zukam. Dass er sich das
jetzt überhaupt traute. Nur noch ein paar Meter waren zwischen uns. „Er wird
zurückkommen. Er braucht es manchmal ein bisschen härter“, flüsterte der ältere
Vampir. Gerade wollte er die Hand nach dem Jüngeren ausstrecken, als ihn ein
Jaulen zusammen zucken ließ. Das hatte ich doch schon irgendwann einmal gehört.
„Verflucht“, zischte Pio. Ging wieder rückwärts von mir weg. Blickte mich dabei
wütend an. „Dich dreckige Missgeburt werde ich schon noch erwischen“, zischte er.
Ich drückte Jemil an mich, als ich einen warmen Atem an meiner Wange spürte. Kurz
darauf auch eine feuchte Nase. Mir würde der Werwolf vielleicht nichts tun, aber
dem Vampir vielleicht. Möglicherweise würde er aber auch Pio erwischen. Doch als
ich wieder zu dem sah, war er weg. Natürlich hatte er sich verzogen. Wer wurde
aber auch gerne von einem netten Werwolf zerrissen.
„Ihr schon wieder!“ Die Stimme kannte ich doch. Der Wolf von gestern aus dem Dorf
an dem Jemil seine Blutlust ausgelassen hatte.
Ich drehte mich herum. Immer noch den Vampir an mich gepresst. Nie im Leben würde
ich ihn jetzt einfach loslassen.
„Entschuldigung“, nuschelte ich, „wir sind schon wieder weg.“ Ich wollte mich
schon zum Gehen abwenden. Da meinte der andere: „Wieso verfolgt er euch?“ Ich
blieb stehen. Warf einen kurzen Blick auf Jemil. Es schien, als würde er
schlafen. „Wegen ihm“, erwiderte ich schließlich.
Ich vernahm ein Auflachen. „Ein Vampir verfolgt einen anderen Vampir. Diese
Blutsauger sind doch wirklich krank. ... Na ja, und du beschützt einen von ihnen
sogar.“ Das musste wohl wirklich seltsam klingen. „Ich hab meine Gründe“,
entgegnete ich nur. Wollte jetzt endgültig gehen. Doch wieder wurde ich
aufgehalten.
„Es ist gefährlich hier alleine unterwegs zu sein. Vor allem wohl mit einem
geschwächten Vampir.“ Wollte er auf etwas hinaus? Sollte ich Jemil vielleicht
nach seiner Ansicht besser zurücklassen? Das wäre wohl das Letzte, was ich tun
könnte.
„Willst du auf etwas hinaus?“, zischte ich. Möglicherweise hatte ich den falschen
Ton erwischt. „Ein bisschen Unterstützung könnet ihr wohl brauchen. Und ihr wollt
in die gleiche Richtung, wie wir.“
Ich zog die Augenbrauen zusammen, als ich mich umdrehte. Doch da bemerkte ich sie
erst. Eine ganze Schar Werwölfe. Und wieder keine, die ich kannte. Ob das wilde
waren? Richtig freie?
„Die lassen euch hier ohnehin nicht mehr lebend weg.“ Er hatte wohl erkannt, dass
ich die anderen Wölfe bemerkt hatte. War aber auch nicht so schwer. Das Knurren
von ihnen musste man wohl sogar im ganzen Wald hören.
„Ihr könntet mit uns kommen.“ Der Werwolf kam auf mich zu. Streckte die Hand nach
Jemil aus. Ich wollte schon zurückweichen, doch er streifte nur leicht die Wange
des Vampirs. „Er ist kochend heiß.“ Das hätte ich selbst auch gewusst.
„Oh, Entschuldigung. Ich heiße Sotsuganai. Und du, kleiner Wolf.“ Er berührte
meinen Hals. Wanderte daran herunter. „Je ... Jesko“, flüsterte ich. Mir wurde
schwindelig, je langer ich Sotsuganai in die Augen sah.
„Und der Vampir?“, fragte er. „Jemil“, brachte ich noch heraus, bevor ich
zusammen sank. Was war nur plötzlich los? Ich durfte doch nicht einfach so
bewusstlos werden. Ich musste Jemil beschützen. Meine kleine Fledermaus, die
niemand anrühren durfte solange es mich noch gab.
„Schlaf etwas“, wurde mir ins Ohr gehaucht. Das Letzte was ich für eine ganze
Weile hörten würde.
Hybride
Lost Angel
Kapitel 26 – Hybride
Jemil’s PoV
Ich spürte kaltes Metal an einem meiner Handgelenke, als ich langsam die Augen
öffnete. Nicht weit. Nur einen winzigen Spalt. Verschwommen konnte ich etwas
erkennen. Es wirkte für mich, wie ein kleiner Raum. Aber mir war ohnehin zu
schwindelig um überhaupt Entfernungen einschätzen zu können.
Mit meiner freien Hand – die andere ging mit diesem metallenen Ding am Gelenk
über meinem Kopf – fuhr ich mir über die Augen. Es half nichts. Ich keuchte
leicht. Fühlte fast im selben Moment, wie sich etwas in meinem Schoss bewegte.
Und das gehörte ganz bestimmt nicht zu mir.
Es sah für mich nur aus wie ein großes Fellknäuel. An irgendetwas erinnerte es
mich. Leicht wankte ich mit dem Kopf hin und her. Doch mein Blick wurde nicht
schärfer. Es war nur so, als ob der Druck in meinem Kopf größer werden würde. Es
begann zu schmerzen. Oder wohl eher zu stechen.
Ich streichelte über das Ding in meinem Schoss. Es war ganz weich. Fiepte leicht.
Begann sich zu bewegen.
Doch da spürte ich schon eine Pranke in meinem Gesicht. „Fass unsere Welpen nicht
an!“, brüllte mich jemand an und entriss mir das Fellknäuel.
Mein Kopf wurde durch den Druck herumgerissen. Noch nie hatte mich jemand – bis
auf Pio – ins Gesicht geschlagen. Und erst recht nicht so angebrüllt. Doch ich
gab keinen Laut von mir, der andeuten könnte, dass ich mich aufregte. Nein. Ganz
sicher nicht. Das würde ich in meiner Situation nicht tun.
Ich ließ den Blick nach oben wandern. Ein Junge blickte mich wütend an. Der war
doch kaum älter als 14. Wenn überhaupt.
„Schau mich nicht so an, Blutsauger!“, zischte er. Das, was er mir da abgenommen
hatte und jetzt auf seinem Arm hatte, war wohl ein Wolfswelpe. Er fiepte immer
wieder.
Ich legte den Kopf nur leicht schief. Sah den Jungen immer noch an. Er hatte tief
braune Augen und rabenschwarzes Haar. Etwas schmächtig war er wohl auch.
Vielleicht bekam er nicht genug zu Essen?
„Schau mich nicht so an!“, wiederholte er. Nur wütender. „Tut ... mir ... leid“,
brauchte ich langsam heraus. Ließ den Kopf sinken. Der war ohnehin so schwer.
„Koinu! Lass unseren Gast in Ruhe!“, wurde der Kleine da aber schon von einer
jungen Frau mit schulterlangem, braunen Haar angeschnauzt. Die war mir gar nicht
aufgefallen. „Der hat aber unseren Welpen angefasst!“, maulte der Jüngere da aber
schon. Doch die Frau hörte ihm gar nicht zu. War nur zu mir gekommen.
Sie strich mir über die Wange. „Wow, bei euch heilen Wunden wirklich noch
schneller, als bei uns“, meinte sie würdevoll. Was sie wohl damit meinte? Ich war
mir nicht im Ansatz klar, was sie waren. Zumindest keine Menschen! Werwölfe
vielleicht?
„Venanzia, du willst ihn doch jetzt nicht auch noch loben! Seine Art hat dich
damals verstoßen! Nur weil du ein Mischling bist ...“ „Sei still, Koino!“, fiel
sie ihm da aber schon ins Wort, „Sag noch einmal Mischling, dann werde ich dich
wirklich einmal eine Klippe runterwerfen!“ Der Junge senkte den Kopf. „Tut mir
leid, ich meine Hybride.“
Meine Augen weiteten sich. Ein Hybride? Dieses Mädchen war ein solcher. Das ging
doch gar nicht. Es gab keine. Es durfte keine von ihnen geben. Einfach ganz
unmöglich.
Venanzia wendete sich wieder zu mir. „Ich werde dich erst einmal losmachen, auch
wenn es wohl Sotsuganai nicht passen wird.“ Sie löste die Handschellen und half
mir hoch.
„Wo ist Jesko?“, fragte ich, als sie mir bis zum Tisch geholfen hatte, der in
einer Ecke stand. „Jesko? Du meinst den jungen Werwolf. Der wird bei Sotsuganai
sein“, erwiderte sie nur und gab mir ein Glas mit einer roten Flüssigkeit darin.
Meine Nase konnte mir gut genug sagen, was es war.
„Blut. Das wird dir gut tun.“ Ich hatte das eigentlich schon gewusst. Nickte
trotzdem lächelnd. Trank das ganze Glas mit einem Zug leer. Erst einen Moment
danach dachte ich daran, was wäre, wenn die Person, von der dieses Blut war,
nicht mehr lebte. Aber da ich mich so ziemlich gut fühlte, war wohl nichts.
Venanzia legte den Kopf auf die Tischplatte. „Ich kann mir gar nicht vorstellen,
dass du ein richtiger Vampir bist. ... Irgendwie bist du zu niedlich.“ Solche
Sprüche konnte ich nicht ausstehen. Vor allem nicht von Mädchen. Sie hatten dabei
so einen quietschenden Unterton. Und das schmerzte mir nur in den Ohren.
Ich spürte ein paar Finger auf meiner Wange. „Du bist immer noch etwas warm. Noch
ein bisschen Schlaf wäre besser für dich.“
Langsam sah ich auf. Nickte leicht. Doch erst als ich mich umsah, viel mir auf,
dass es hier eigentlich nur wieder den Boden geben würde. Ein Bett war hier
keines. Obwohl mir schon so etwas, wie eine Luftmatratze reichen würde. Nur um
halbwegs bequem liegen zu können.
Ein kalter Luftzug schlug gegen meinen Rücken, als die Tür aufgerissen wurde.
„Venazia, das Wölfchen will seine Fledermaus wieder. Ist der schon ...“ Der
Werwolf – so sicher war ich mir gar nicht – hatte wohl noch fragen wollen, ob ich
schon wach sein. Aber das sah er jetzt höchst wahrscheinlich selbst.
„Na dann kann ich ihn gleich mit zu unserem neuen Wolf nehmen?“ Irgendwie passte
mir der Kerl nicht. Er redete so herablassend. Das wirkte für mich wirklich
seltsam. Noch nicht oft hatte ich so jemanden über mich reden hören. Auch wenn
ich wusste, dass viele über mich hinter meinem Rücken über mich gelästert hatten.
Mühsam versuchte ich mich aufzuraffen. Aber ich kam gar nicht so weit. Meine Knie
zitterten. Fühlten sich an wie Wackelpudding.
„Bring ihn besser her.“ Ein Lächeln hatte sich auf Venanzias Gesicht gebildet.
Irgendwie war sie ein bisschen, wie mein Jesko. Sie könnten mit Leichtigkeit
Geschwister sein. Aber sie war ein Hybride. Ein Richtiger. Dass mein Werwolf das
nicht war, wusste ich wohl.
„Dann hol ich ihn. Der rastet ohnehin bald aus, wenn er ihn nicht wiederbekommt.
Du hättest ihn gerade erleben sollen, als Sotsuganai ihm gesagt hat, dass er
noch nicht zu ihm darf.“ Er lachte knapp auf. Doch verstummte auch gleich wieder.
„Ich hol ihn schon“, meinte der Werwolf schließlich nur und war gleich wieder
weg.
Ich ließ den Kopf auf die Tischplatte sinken. Seufzte einmal. Mir tat der Kopf
noch immer etwas weh.
„Jemil!“ Ich hatte die Tür nicht gehört. Spürte jetzt aber auch nur noch Jesko.
„Hey“, erwiderte ich nur knapp. „Ich werde dich gleich ins Bett bringen.“ So
schnelle konnte ich gar nicht schauen, hatte er mich schon wieder hochgehoben.
Drückte mich so sehr an sich, als ob er mich schon seit Tage nicht mehr anrühren
hätte dürfen.
„Dieses Arschloch hat dich wieder angerührt. Und wieder konnte ich dich nicht
beschützen.“ Ich schmiegte mich als Antwort nur an ihn. Hörte seinen sanften
Herzschlag. Kuschelte mich für einen Moment enger an Jesko. Er war so verdammt
warm.
„Kann ich ihn mitnehmen?“, hörte ich Jesko noch fragen. Dann war ich schon wieder
in einen eigentlich ruhigen Schlaf versunken.
„Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass du was mit so einem hast. Jemil habe ich
immer nur als dieses kalte Etwas in Erinnerung. Genauso wie seinen verfluchten
Bruder, Pio.“
Bei diesen Worten wurde ich gerade wach. Die Stimme klang noch Venanzia. Doch
wirklich sicher war ich mir nicht. Und ich hätte mir auch gar nicht vorstellen
können, woher ich sie sonst kennen könnte.
„Na ja, der gute Pio hat ihn wohl auch ganz schön fertig gemacht. Kein Wunder,
dass er so kalt geworden ist. Aber das hab ich – wie es aussieht – auch schon
geändert.“
Jesko. Ich musste ihn nicht sehen um zu wissen, dass er strahlte. Wahrscheinlich
von einem Ohr bis zum anderen. Er hatte sicherlich dieses unbeschwerte Grinsen
wieder aufgelegt. Obwohl es manchmal wie aufgesetzt wirkte. So überhaupt nicht
echt. Wie, wenn er gleich in tiefste Depressionen versinken wollte.
Aber das wäre dann doch nicht Jesko? Der, der so lebensfroh war. Der es einfach
nur liebte, wenn man ihn nur ein wenig Beachtung schenkte. Nein. Was dachte ich
denn überhaupt? Ein elendiger Idiot müsste ich sein, wenn ich so etwas glauben
würde.
Mühsam raffte ich mich auf. Das war jetzt kein Zimmer mehr, bemerkte ich, als ich
mich umsah. Eher ein Zelt. Ein ziemlich großes. Doch egal, wie riesig es war, ich
sah weder Jesko noch Venanzia. Vielleicht hatte ich mir das aber auch nur
eingebildet. Mein Kopf schmerzte aber auch.
Langsam sank ich wieder zurück. Rollte mich auf der Seite zusammen. Binnen
Sekunden wurden mir die Lider wieder schwer. Und dennoch konnte ich nicht
schlafen. Hatte immer wieder das Gefühl, als ob ich angestarrt werden würde. Aber
es war doch gar niemand da. Wurde ich denn langsam paranoid?
Wahrscheinlich war ich leicht eingenickt. Denn ganz leicht – fast wie aus weiter
ferne – hörte ich jemanden meinen Namen sagen. Ganz sanft hallte es in meinen
Ohren wider.
„Jemil?“
Ganz leicht öffnete ich die Augen und hob den Kopf. Blickte den besorgt drein
schauenden Jesko an. „Ich dachte schon, du wachst gar nicht mehr auf.“ Sein
Gesichtsausdruck jagte mir einen Schauer über den Rücken. Hatte er sich denn
solche Sorgen gemacht?
Ich wollte mich aufsetzen. Doch da drückte der Werwolf mich schon zurück. „Bleib
liegen“, hauchte er mir ins Ohr, das von seinem warmen Atem gestreift wurde.
Willig machte ich, was er sagte. Irgendwie hatten sich etwas unsere Rollen
geändert. Ich fühlte mich nicht mehr, wie sein Herr. Dafür ließ ich mir viel zu
viel von ihm gefallen. Machte zu viel, was er sagte.
„Wieso hast du mich geweckt?“, fragte ich schließlich. Ein sanftes Lächeln
bildete sich auf seinem Gesicht ab. „Ich wollte nur einmal wieder deine Stimme
hören. ... Na ja, und dich fragen, wie es dir geht.“ Leicht hob ich bei dieser
Antwort die Augenbraue. „Wie sollte es mir denn gehen?“ Sein Gesichtsausdruck
sagte mir nur, dass das nicht die richtige Erwiderung war.
„Pio“, konnte ich von seinen Lippen ablesen. Abrupt drehte ich den Kopf weg. Das
wollte ich gar nicht hören. Und wissen erst recht nicht. Nein. Das musste nicht
sein. Ich wollte gar nicht mehr daran denken, dass er mich wieder mit seinen
Fingern berührt hatte. Dieses grässliche Gefühl seiner Hände auf meiner Haut. Es
trieb mir nur den Würgreiz hoch, jetzt wieder daran erinnert zu werden.
Die Tränen, die sich in meinen Augen gesammelt hatten und schließlich über meine
Wangen liefen, hatte ich gar nicht bemerkt.
Erst als Jesko mir mit dem Daumen übers Gesicht wischte wurde es mir bewusst. Ich
heulte hier vor ihm herum. Ich, der doch ach so böse Vampir. Was wäre wohl, wenn
ich letztens Jesko nicht gehabt hätte? Hätte ich mir wieder eine Rasierklinge
genommen und es versucht. Wäre ich wieder nur bei dem bloßen Gedanken, an mein
Blut, zusammengesunken? Oder hätte ich es gewagt? Den letztens Rest Lebenssaft
aus meinem Körper verbannt? Ich hätte es doch ohnehin nicht gekonnt.
Jesko hatte mich in den Arm genommen. Einmal mehr. Leicht wiegte er mich hin und
her. „Wir dürfen eine Weile bei denen bleiben“, meinte er, „da traut er sich
sicher nicht mehr her. Er hat sogar – zumindest so wie es aussieht – vor
Sotsuganai Angst.“ „Wer ist Sotsuganai?“ fragte ich. Schmiegte mich enger an ihn.
Jedes Pochen seines Herzens, das ich verspürte, ließ mich ruhiger werden.
„Der Werwolf, dem du in diesem Dorf letztens begegnet bist.“ Leicht strich mir
Jesko übers Haar. „Letztens? Das war doch erst gestern oder vorgestern.“ Wieso
redete er denn so, als ob das so lange her wäre? „Du hast fast vier Tage
geschlafen. Dein Bruder hat dich so ziemlich fertig gemacht.“ Ich hörte wohl
nicht recht. Wie konnte ich den überhaupt so lange durchgehend schlafen. Das war
mir bis jetzt noch nie passiert.
„Und du warst immer bei mir?“ Ich wollte nur ein Ja hören. Nur ein kleines Ja.
„Bis dich Sotsuganai anketten ließ.“ Daran hatte ich gar nicht mehr gedacht. Die
Handschellen. Für was waren die überhaupt gut?
„Wieso das überhaupt?“ Ich sprach meine Frage einfach aus. Fragen durfte man doch
noch. „Weil er Angst hatte, dass du über seine 'Kinder' herfällst, wenn du so
lange kein Blut mehr trinkst. ... Er hat es immerhin auch gesehen, wie du dieses
Dorf niedergemetzelt hast.“ Ich nickte nur knapp. Vergrub den Kopf in seiner
Halsbeuge. Das Einzige, was ich noch spürte, waren seine Streichelein. Ganz
vorsichtig glitt er nur mit den Fingern über meinen Körper.
Ich keuchte, als Jesko mein Ohrläppchen mit den Lippen berührte. Es schließlich
leicht mit der Zunge liebkoste. Das machte mich ungemein an.
„Bekomm mir jetzt bloß keinen Ständer“, raunte mir Jesko ins Ohr, „wir dürfen
hier nämlich nicht.“ Und trotzdem machte er mit seinen kleinen Spielereien
weiter. Küsste meinen Hals. Mein Schlüsselbein. Überall wo er eigentlich mit den
Lippen hinkam. Dabei hätte mir schon rein das Streicheln gereicht. Doch die
setzte er gerade auch nur noch mit fort.
Erst als mein Keuchen lauter wurde, ließ er wieder von mir ab.
Ich drückte die Beine krampfhaft zusammen. Verdammt. Es ging doch sonst nicht so
einfach.
Kleine Berührungsangst
Lost Angel
Kapitel 27 – Kleine Berührungsangst
Jesko’s PoV
Ich konnte mir das Grinsen nicht verkneifen. Obwohl es gemein war. Verdammt
gemein. Aber sein Gesichtsausdruck war einfach nur ... süß. Und wie er versuchte
krampfhaft die Beine zusammen zu drücken.
„Du bist gekommen“, hauchte ich ihm ins Ohr. Es war ihm richtig anzusehen, dass
da doch irgendetwas war. Egal wie er es jetzt versuchte zu vertuschen.
„Frische Unterwäsche?“, fragte ich nur. Das breite Grinsen konnte ich jetzt auch
nicht mehr verbergen. Er nickte nur schnell. Wie niedlich er doch eigentlich sein
konnte.
Aus einem Stapel Klamotten kramte ich ein Paar Retros heraus. Die würden ihm
schon passen.
Er hatte sich auch in Windeseile umgezogen. Hockte dann schließlich nur in
besagter Unterwäsche und dem von mir wieder zusammen geflickten Shirt vor mir. Er
hatte noch ein paar rote Stellen an den Armen und Beinen. Das aber Pio ziemlich
grob zu ihm war, wusste ich schon.
„Er hat ganz schön zugedrückt“, meinte Jemil, als er wohl meinen Blick bemerkt
hatte. Strich sich leicht über den Oberarm. Sein Blick sprach Bände darüber, was
er dachte.
Sanft drückte ich ihn. „Eigentlich wollte ich auf dich aufpassen. Bin dafür wohl
doch etwas zu doof“, flüsterte ich, als er seinen Kopf an meine Schulter lehnte.
„Deswegen konntest du doch nichts.“
Leicht bohrte er seine Eckzähne in den Stoff meines Shirts. Es machte ihm etwas
Mühe. Konnte es sein, dass sie stumpf geworden waren.
Ich nahm seinen Kopf zwischen die Hände und hob ihn an. Seinen Mund hatte er noch
etwas geöffnet und tippte mit der Zunge immer wieder seine oberen Schneidezähne
an.
Mit dem Zeigefinger glitt ich über einen der eigentlich spitzen Zähne. Und sie
waren wirklich abgestumpft. Verwundert blickte ich ihn an. „Es geht wohl auf die
Wintersonnenwende zu?“, fragte Jemil da auch schon. Er wusste wohl über was ich
grübelte. Zaghaft nickte ich. „Da werden sie immer irgendwie stumpf.“ Ein sanftes
Lächeln bildete sich auf seinem Gesicht.
Mir war das nie aufgefallen, dass er zu irgendeiner Zeit einmal nicht diese
scharfen Eckzähne gehabt hätte. Aber sonst war ich ihm auch nicht so nahe
gekommen. Man lernt wohl jemanden wirklich erst richtig kennen, wenn man mehr
Zeit mit ihm verbrachte.
Meine Finger bannten sich ungehindert wieder ihren Weg über Jemils Körper. Er
summte nur gelegentlich angeregt. Es schien ihm wohl zu gefallen, was ich tat.
Ich wollte aber auch nicht zu weit gehen. Ließ größtmöglichen Abstand von seinem
Schritt und allem drum herum. Bis zu seinem Bauch und nicht weiter. Das hatte ich
mir jetzt vorgenommen. Und ich hatte es auch davor schon nicht getan.
Doch da spürte ich sie schon wieder. Seine Eckzähne. Dieses Mal hatten sie sich
in den Halssaum meines Shirts gebohrt. Für eine Sekunde hielt ich Inne. Sie waren
nicht so spitz wie sonst, also könnten sie mir doch eigentlich nichts anhaben.
Aber wenn er doch mit ihnen durch die Haut kommen würde und anfinge zu saugen.
Was wäre dann? Er könnte mich sicherlich mit Leichtigkeit leer trinken.
Ich zog seine Zähne wieder aus dem Stoff und hielt ihm stattdessen meine rechte
Hand hin. Eigentlich mehr das Handgelenk. „Beiß lieber da“, hauchte ich ihm ins
Ohr, als ich ihn schon das Gelenk direkt vor den Mund hielt. Es sogar leicht
gegen seine Lippen drückte.
Den warmen Speichel spürte ich schon bald. Auch die Zähne. Doch kurz bevor er
wirklich zubeißen wollte, drehte er den Kopf weg. „Das kann ich nicht“, murmelte
er. Drückte den Kopf in meine Halsbeuge.
Sanft strich ich ihm übers Haar. Ich würde ihn wohl von meinem Blut wirklich
trinken lassen, wenn es sein müsste. Lieber wollte ich sterben, bevor er es tun
müsste.
„Dieses Mädchen, Venanzia, sie ist ein Hybride.“ Dass das ging, verwirrte ihn
wohl ganz schön. Aber ich hatte es zuerst auch nicht verstanden, wie das ging.
„Ja, genauso wie der kleine Koinu“, meinte ich nur. Strich übe seinen Rücken. „Es
kann aber keine Hybride geben. Man überlebt den Biss doch normalerweise nicht.“
Er hatte den Kopf auf meine Schulter gelegt, als er das sagte.
„Sie sind auch nicht gebissen worden.“ Ich konnte mir seinen verwirrten Blick
schon vorstellen. „Was soll das denn heißen?“, fragte er da aber schon. Drückte
sich leicht von mir weg um mir in die Augen sehen zu können. So genau konnte ich
mir die seinen noch gar nicht betrachten. Dieses ziemlich helle Blau war richtig
hübsch bei ihm.
„Sie sind geborene Hybride. Beide.“ Den Schock konnte man ihm jetzt vom
Gesichtsausdruck ablesen. Doch so etwas hörte man wohl auch nicht oft. „Dann sind
ihre Eltern ...“ „Ein Vampir und ein Werwolf. Ja, ganz genau.“ Zumindest waren
wir wohl so nicht die einzigen von verschiedenen Rassen, die sich so nahe waren.
Von 'Liebe' wollte ich aber bei uns noch gar nicht reden. Es herrschte zwar bei
mir so etwas, aber bei Jemil war ich mir da nicht so sicher. Meine Streichelein
genoss er zwar, aber auf eine andere Art, als wenn er etwas wirklich Tiefes für
mich empfinden würde.
„Wow“, entfuhr es ihm nur noch. Das was er danach noch flüsterte hörte ich gar
nicht mehr. Wollte ich auch eigentlich gar nicht mehr hören.
Gerade in diesem Moment wurde der Eingang des Zeltes geöffnet und Venanzia
lächelte uns an.
„Sotsuganai will weiter“, meinte sie nur. Es störte sie gar nicht, dass wir hier
in einer innigen Umarmung saßen. Aber davon hatte ich ihr ohnehin schon etwas
gesagt. Und wirklich passen tat es ihr nicht. Sie hatte auch einmal eine Zeit
lang bei Jemils Clan gelebt. Nur ganz kurz. Da hatten sie sie noch als eine von
den Ihren angenommen, bis sie erfahren hatten, dass sie ein halber Werwolf war.
Dann flog sie hochkant raus. Und zu guter Letzt kam sie nur noch bei Sotuganai
unter. Der einzige Werwolf, der wohl etwas von Hybriden hielt. Mir kam es nur so
vor, als ob er sie schon etwas ausnutzen würde. Egal ob Mischling oder reiner
Werwolf.
„Packt er das auch?“, fragte die junge Hybridin noch und warf einen besorgten
Blick auf Jemil, der sich immer noch an mich schmiegte.
„Hoffen wir doch mal das Beste“, gab ich nur knapp zurück. Und schon war sie auch
wieder weg.
Mühsam rappelte ich mich auf. Hatte dabei Jemil von mir wegdrücken müssen.
Interessiert sah er mir dabei zu, wie ich die paar Sachen, die mir jetzt gehörten
zusammen sammelte. Sotuganai hatte mir eigentlich nur ein paar Klamotten für mich
und den Vampir gegeben. Aber das reichte auch schon. Was brauchten wir auch schon
groß mehr?
„Du könntest mir schon helfen.“ Nur sein Blick drückte das Gegenteil aus, von dem
was ich sagte. „Helfen“, murmelte er. Das war wohl nicht gerade das, was er oft
gemacht hatte.
Langsam raffte auch er sich hoch. Schnappte sich nur noch schnell seine Hose.
Doch ich warf ihm schon eine andere zu. „Die wird ganz verklebt sein“, meinte ich
noch mit einem leichten Grinsen.
Und dann half er mir sogar wirklich. Es kostete ihn aber wohl so einiges an
Überwindung. Doch zumindest ging es zu zweit schneller.
Auch das Zelt war schnell abgebaut, auch wenn wir das nicht mehr machen mussten.
Jemil klammerte sich draußen unter dem offenen Sternenhimmel schon regelrecht an
mich. Es waren aber auch so einige Werwölfe. Und die miesen Blicke, die sie ihm
zuwarfen, würden mir wohl auch nicht gerade passen.
„Die tun dir nichts. Dürfen sie nicht einmal“, flüsterte ich ihm zu, was ihn wohl
etwas auflockerte.
Da stürmte aber schon der kleine Koinu an uns vorbei. Machte aber schon nach ein
paar Metern wieder auf den Haken kehrt und kam zu uns zurück.
„Sotuganai will euch sehen.“ Mehr sagte er nicht. Lief dann schon wieder weiter.
Was wollte der jetzt wohl. Ich hatte mich zumindest die ganzen Tage gefügig
seinen Anweisungen gebeugt. Sogar als er Jemil anketten ließ. Gerade dann hätte
ich mich eigentlich auch ganz leicht gegen alles sträuben können. Und dennoch
hatte ich es nicht getan. Aber auch nur, weil ich gewusst hatte, dass es uns
besser bekam, wenn wir eine Zeit lang mit ihnen reisen könnten.
„Na dann schauen wir mal, was er will.“ Ich nahm Jemils Hand. Glitt einmal mit
dem Daumen über seine Fingeransätze und marschierte dann einfach los. Sotuganai
konnte man eigentlich immer ganz einfach finden – das hatte ich schon bemerkt.
Wenn irgendwo jemand Befehle verteilte, dann war er das.
Somit dauerte es auch gar nicht lange, bis wir ihn gefunden hatten.
„Du wolltest etwas von uns?“, meinte ich auch gleich etwas schroff. Jemils
Schlucken hörte ich sofort. Er wusste wohl, wie man mit höheren Leuten umging.
Nur dass das unter Werwölfen manchmal etwas anders ausfallen konnte, war er sich
wohl nicht bewusst.
Es gab eine Rangordnung. Nur gehörten wir in die eigentlich nicht. Somit wären
wir zwar an unterster Stelle, aber so etwas interessierte mich gar nicht. Es war
mir – ehrlich gesagt – völlig egal.
„Nur deinen kleinen Vampir über die Regeln aufklären, mehr nicht, Jesko.“ Der
Unterton von Sotuganai gefiel mir jetzt aber überhaupt nicht. Und dieser Blick
von Jemil erst recht nicht. Er hatte wieder dieses Kalte aufgelegt. Das passte
nicht zu ihm. Und er war doch auch gar nicht so. Doch wie es aussah brauchte er
das gerade jetzt. Nur um stark zu wirken.
„Er soll nur wissen, dass er sich nicht an meinen Wölfen und Hybriden zu
vergreifen hat.“ Jemils Augen verengten sich bei den Worten des Älteren. „Ich bin
durch Zufall anwesend“, zischte er aber auch gleich. Eigentlich wollte ich ihn
schon zu Recht weisen, doch das übernahm auch schon Sotuganai.
„Na und, Blutsauger?“ Es dauerte nicht lang, da warfen sie sich schon gegenseitig
Beleidigungen an den Kopf und wenn ich wohl Jemil nicht weggezogen und mich übers
höchste hinaus entschuldigt hätte, wären sie wohl noch aufeinander los gegangen.
„Das hätte nicht sein müssen“, seufzte ich, als wir weit genug weg waren. „Der
Kerl hat mich aber blöd angemacht“, fauchte da schon mein eigentlich so
schüchtern wirkender Vampir. Er hatte wohl wirklich wieder sein altes Image
angenommen. Das sollte man wohl eigentlich wieder ändern.
Ich drückte ihn abrupt an einen Baum. „Lass das!“, knurrte ich. Erhöhte den Druck
auf seine Schultern noch mehr. Kurz wimmerte er auf. Blickte mich dann fragend
an.
„Was soll ich lassen?“ Die Frage hatte ich nicht wirklich erwartet. Bemerkte er
es denn nicht. Bemerkte er nicht, dass er wieder so wurde, wie früher. Zu diesem
kalten Etwas.
„Das du wieder so wirst“, erwiderte ich knapp. Ließ langsam von ihm ab.
Er ließ schlaff die Arme hängen. Wendete den Blick nach unten. „Scheiße“,
flüsterte er. Jetzt war es ihm wohl doch noch aufgefallen.
Ich war eigentlich einige Schritte zurückgegangen. Doch da schlang er schon die
Arme um mich und zog mich wieder zu sich.
„Tut mir leid“, murmelte Jemil. Küsste mich ganz zärtlich. Ich hatte schon fast
vergessen, wie sich seine Lippen anfühlten. Aber jetzt kam jeder Gedanke an diese
Wärme wieder zurück.
Ich spürte seine Zunge in meinem Mund. Wie sie die meine leicht anstupste.
Unwillkürlich ließ ich mich auf dieses Spiel ein. Rieb über diesen kleinen
Eindringling. Schob ihn schließlich langsam wieder zurück. Aber das passte Jemil
wohl gar nicht. Er wehrte sich strickt dagegen.
Keuchend lösten wir uns schließlich nach Minuten wieder von einander. Ich ließ
den Kopf in den Nacken sinken. Was für ein wunderbar angenehmes Gefühl. Genauso
wie das, seine Fingerspitzen auf meiner Haut zu spüren.
„Was hast du denn vor?“, fragte ich, als er mit seinen Fingern unter mein Shirt
wanderte. „Dich nur etwas streicheln“, bekam ich auch gleich als Antwort. Da
glitt er aber auch schon über meine Brust. Blieb mit seinen Fingerspitzen kurz an
meinen Brustwarzen hängen. Berührte sie nur einmal für einen winzigen Moment.
Ich ließ ihn einfach machen. Er wusste schon, wie weit er gehen wollte. Und zu
weit würde das schon nicht sein.
Er berührte für eine Sekunde noch meinen Hals mit seinen Lippen. Dann ließ er
auch mit seinen Finger bald wieder von mir ab.
„Ich schätze mal, die wollen bald weiter.“ Er blickte zum Himmel auf. Fast schon
suchend. Wahrscheinlich wollte er nach dem Mond Ausschau halten. Einmal mehr.
Aber der hatte sich schon längst wieder in eine Art Ei zurück verwandelt. Und
somit war der nächste Vollmond schon wieder fast so weit entfernt, wie der
Neumond. Somit musste er sich darum keine Sorgen machen. Ich würde ihm ohnehin
kein Haar krümmen können. Und mit der Zeit konnte ich meine Kräfte schon immer
besser kontrollieren. Dann könnte ich ihn vielleicht sogar beschützen. Und mich
wirklich wann ich wollte verwandeln
Wie gerne würde ich ihn doch wirklich immer schützen können. Eigentlich sollte
ihn schon längst niemand mehr falsch anrühren. Jetzt sollte ich das langsam
einmal wirklich durchziehen. Immerhin hätte ich ihm das schon versprochen.
Ich legte noch kurz die Arme um ihn. Dann marschierten wir wieder zu der kleinen
Gruppe aus Werwölfen und Hybriden, die schon die ganze Zeit etwas misstrauisch zu
uns herüber gesehen hatten und dabei miteinander getuschelt hatten. Wir waren
wohl einfach nur für sie ein ungleiches Paar. Obwohl die Hybriden daran
eigentlich gewohnt sein müssten. Ihre Eltern waren auch nichts anderes.
Echte Menschenjagd?
Lost Angel
Kapitel 28 – Echte Menschenjagd?
Jemil’s PoV
Dass es so viele waren hätte ich mir nicht denken können. Auf 10 oder 20 hätte
ich getippt. Aber es waren mehr. Viel mehr. Wenn ich es richtig schätzte,
mindestens um die 50. Davon gut die Hälfte Hybride.
Ich drückte mich immer enger an Jesko. Wenn aber auch so viele böse Blicke auf
einen nieder hagelten. Jeden einzelnen konnte ich fast schon spüren. Und
eigentlich müsste ich mich doch gar nicht wundern. Jeder warf mir nur solche
Blicke zu. ‚Dreckiges Menschenhalbblut’ hatten sie mir einige aus meinem Clan
einmal hinterher gebrüllt. Da wusste ich zumindest, wieso ich so angesehen wurde.
Hier konnte ich es mir nur denken.
Als Vampir unter lauter Werwölfen und Hybriden war ich wohl nicht gerade gern
gesehen. Wie aber auch? Ich war doch für die das reine Böse.
Leicht schüttelte mich Jesko von sich ab. „Du kannst doch selber laufen“, meinte
er auch nur knapp dazu. Ich hätte es schon gekonnt, wenn wir nicht schon die
ganze Nacht über gelaufen wären. Mir begannen die Beine zu schmerzen. Jeder
Schritt jagte nur einen weiteren zuckenden Schmerz durch jeden meiner Beinmuskeln
und meinen Bauch.
„Ich kann nicht mehr.“ Nur Jesko warf mir einen mitfühlenden Blick zu. Von jedem
anderen, der es gehört hatte, kam wieder nur so etwas Herablassendes.
„Bald kannst du dich ausruhen“, hauchte mir der junge Werwolf ins Ohr. Legte mir
den Arm locker um die Schultern. Gerade aufmuntern tat mich das nicht. Lieber
würde ich gleich Pause machen. Aber da hatte ich nicht mitzureden. Und einmischen
wollte ich mich erst recht nicht.
Ich spürte, wie mich Jesko an sich drückte. So würden wir doch nur noch langsamer
vorankommen. Durch die ganzen jüngeren Werwölfe und Hybride – einige waren wohl
noch nicht einmal 6 Jahre alt – ging es ohnehin nicht gerade schnell voran.
Leicht fühlte ich die Zunge des Werwolfes an meinem Ohr. „Hör auf, Jesko“,
zischte ich. Langsam bekam er wohl mit, was mich scharf machte. „Das magst du
doch“, flüsterte er nur und machte genüsslich weiter. Das er so etwas unterm
Laufen überhaupt hin bekam.
„Komm schon, hör auf“, versuchte ich es erneut. Aber wieder bekam ich ihn nicht
dazu, dass er machte, was ich sagte. Schon längst glitt er mit seinen Fingern
über meine Taille. Deswegen nahm mein blasser Teint sogar eine leichte rosa
Färbung an.
„Deswegen musst du doch nicht gleich rot werden“, hauchte mir da Jesko schon ins
Ohr. „Werde ich doch gar nicht“, knurrte ich nur als Erwiderung. Doch darauf
kicherte der junge Werwolf nur. „Und wie.“ Er grinste übers ganze Gesicht. So
stieg mir nur noch mehr die Röte ins Gesicht.
„Turtelt hier nicht so rum!“ Venanzia schenkte uns - trotz dieser schroffen
Unterbrechung - ein nettes Lächeln. Doch gerade dieses ließ mir einen Schauer
über den Rücken laufen. Ihre gut besetzten Zahnreihen waren für einen Moment
aufgeblitzt und die konnten wohl ganz leicht mit denen von Jesko mithalten. Dabei
war sie doch nur zur Hälfte Werwolf. Der Vampir in ihr ließ wohl diese Zähne
wachsen.
„Na, Angst?“, drang da schon wieder Jeskos Stimme an mein Ohr. Ich schluckte
kurz. „Nein. Wieso?“, log ich gekonnt. Noch roter konnte ich ohnehin nicht mehr
werden. „Weil ich dir das nicht glaube.“ Er drückte meinen Kopf gegen seine
Schulter. Blickte mich dabei schon etwas zu verliebt an. Aber gerade das ließ
mich dahin schmelzen. Wie gebannt sah ich ihn an. Es kam mir fast schon so vor,
als ob ich ihn seine Augen versinken könnten.
„Starr mich nicht so an!“ Damit riss er mich wieder aus meiner Trance. Doch
bildete ich mir das nur ein oder war er jetzt auch rot geworden.
Ich leckte mir leicht über die Oberlippe, bevor ich ihn zärtlich auf die Wange
küsste. Sie war ganz war. Kein Wunder. So viel Blut, wie da gerade durchflossen.
Doch gerade dieses Blut trieb mich gerade dazu mich kaum noch von ihm lösen zu
können. Er kam wohl wieder. Dieser ungezügelte Blutdurst. Es stimmte wohl, dass
wenn man einmal damit anfing, nie wieder aufhören konnen.
„Meister! … Meister!“ Ein Junge mit langem blondem Haar lief an uns vorbei. Ich
tippte mal darauf, dass er nach diesem Sotuganai suchte. Ich konnte mir aber auch
nicht vorstellen, wenn diese Werwölfe – bzw. Hybriden – hier ‚Meister’ nennen
würden.
„Das war ein Hybride“, meinte da schon Jesko. Spitze fast sehbar die Ohren. „Na
und?“, fragte ich desinteressiert. War dann eben ein Hybride. Was war denn daran
so interessant?
„Der wird wohl fragen wollen, ob er sich wieder einen Menschen holen darf.“ Ich
zuckte bei dieser Antwort nur zusammen. „Ob er sich einen holen darf?“ Die
Verwirrung konnte man mir wohl von der Nasenspitze ablesen.
„Stimmt. Davon weißt du noch gar nichts. Wenn du fragst, darfst du vielleicht
mit.“ In meine Augen bildete sich ein zustimmender Glanz. Aber das war wohl nur
der Hunger.
„Na wie es aussieht, könntest du das brauchen.“ Jesko zog mich einfach hinter
sich her.
Schon kurz darauf stieß er mich einfach in Richtung Sotuganai, der mich nur etwas
unbeholfen auffing. „Jesko“, zischte ich, als ich mich kurz und knapp
entschuldigt hatte, doch der angesprochene Werwolf grinste nur wieder einmal
übers ganze Gesicht. „Frag doch“, meinte er schließlich.
Etwas verlegen drehte ich mich dann auch zu dem älteren Werwolf um und wollte
auch wirklich zum Reden ansetzen, da kam wir aber eine junge – scheinbar –
Hybridin zuvor. „Könnte ich auch mit?“, fragte sie. Der Blutdurst war ihr
wortwörtlich ins Gesicht geschrieben. „Geh mit“, meinte der Werwolf nur und
winkte ab. Wendete sich dann auch wieder mir zu. „Und was willst du, Vampir?“
„Das Gleiche, wie sie“, erwiderte ich nur. Hob dabei nicht einmal den Kopf.
Und dennoch spürte ich das Grinsen. „Hat der kleine Vampir etwa Hunger?“ Er legte
die Finger unter mein Kinn und drückte so meine Kopf hoch. Zwang mich damit auch
ihn anzusehen. „Ja“, erwiderte ich kaum hörbar. Das fiese Grinsen wurde dadurch
nur noch breiter. „Na dann lauf mal hinterher und nimm deine Schosshünchen gleich
mit, der ist ohne dich hier etwas sinnlos.“
Da knurrte Jesko jedoch schon überdeutlich. „Wenn es doch stimmt“, zischte
Sotuganai. Ich packte den jüngeren Werwolf nur am Arm. Doch er stemmte sich mit
Leichtigkeit gegen mich. „Das lass ich mir nicht sagen“, knurrte er.
Ich verdrehte die Augen. „Wenn ich mich an deinen Blut satt trinken soll, dann
komm!“, hauchte ich ihm ins Ohr und endlich gab er auch nach.
Ich stapfte zu einer kleinen Gruppe Hybriden – mit Jesko als Anhang. Anfänglich
warfen sie mir nur ängstliche Blicke zu. Wagten es kaum mich anzusehen.
„Auf was wartete ihr denn noch?“, fragte ich einfach. Auf Warten hatte ich keine
große Lust. Da wendete sich aber einer der Jüngeren an mich. Sprang freudig vor
mir auf und ab. „Wir dürfen nicht weg ohne einen der Älteren“, meinte er.
Der Kleine war wohl einer der fröhlichen Sorte. „Bist du wirklich ein ganz echter
Vampir?“, fragte er mich lächelnd. „Nicht ganz“, erwiderte ich nur knapp. „Er ist
zur Hälfte Mensch“, meinte Jesko neben mir, der immer noch vor sich hin
schmollte. „Dann bist du ja fast wie wir, nur das deine zweite Hälfte kein
Werwolf ist.“ Die Augen des Kleinen leuchteten vor Freude. „Ja“, antwortete da
Jesko aber schon für mich. Er war immer noch eingeschnappt.
Ich zog ihn ein Stück von der Gruppe weg. „Könntest du einmal wieder etwas netter
sein?“, fragte ich. Ließ meine Lippen sich über seinen Hals hermachen. „Wenn du
damit etwas weiter unten weiter machst“, erwiderte er aber auch gleich. Rieb sich
mit seinen Zähnen über die Zunge. „Wie weit unten denn?“, fragte ich und stellte
mich spielerisch dumm. Ich konnte mir irgendwie vorstellen auf was er hinaus
wollte. Doch da schüttelte er schon den Kopf. „Das dürfen wir gar nicht“,
flüsterte er. Schmiegte seinen Kopf an meinen Hals.
„Hast du dich jetzt wieder beruhigt?“, fragte ich, als er sich immer noch an mich
drückte und ich schon die Blicke der Hybride in meinem Nacken spürte. „Hm“, gab
er knapp von sich. Löste sich langsam von mir. Aber auch nur um meinen Kopf
zwischen seine Hände zu nehmen und mich auch schon wieder zu sich zu ziehen. Nur
das er mich dieses Mal nicht in den Arm nahm. Sonder mir seine Lippen aufdrängte.
Ich erwiderte einfach den Kuss. Musste mich auch schon gleich über seine überaus
stürmische Zunge kümmern. Wie sie sich über meine hermachte. Sie ganz zärtlich
verwöhnte.
Nur ein Speichelfaden verband uns, als wir unsere Lippen wieder voneinander
lösten. Der riss aber auch ab, als ich den Kopf zu der kleinen Hybride-Gruppe
wendete. Die hatte sich in den paar Minuten wieder vergrößert.
„Da haben wohl ganz schön viele Hunger“, meinte Jesko. Legte seinen Kopf auf
meine Schulter. „Sie sind zur Hälfte Vampire. Die haben immer Hunger.“ Ich
schüttelte den Werwolf von mir ab. „Das merkt man aber bei dir nicht.“ Leicht
legte er den Kopf schief. Sah mich interessiert an. „Ich bin von klein auf an die
Blutkonserven gewöhnt worden. Vielleicht liegt es daran.“, erwiderte ich nur.
Marschierte dann langsam wieder zu der stetig wachsenden Gruppe zurück. Jesko
folgte mir sofort.
Wie ich es eigentlich erwartete hatte kam gleich der kleine Hybride wieder zu
uns. „Hast du denn Werwolf lieb?“, fragte er auch gleich. Mir stieg sofort die
Röte ins Gesicht. „Äh … ja“, stotterte ich. Warf einen knappen Blick zu Jesko,
der hatte aber schon wieder die Arme um mich gelegt. „Du hast mich also lieb“,
flüsterte er mir ins Ohr. Hatte er das etwa noch nicht bemerkt. Konnte ich ihm so
schlecht ohne Worte verständlich machen, dass ich etwas für ihn empfand? War ich
wirklich so schlecht darin?
„Ist es auch ein bisschen mehr, als nur ‚lieb haben’?“ Ich wusste nicht, was ich
auf seine Frage erwidern sollte. Ein Ja wollte mir nicht über die Lippen kommen
und Nein wäre nur eine Lüge.
Leicht kuschelte ich mich einfach an ihn. Reichte das für ein Ja? Für mich würde
es sich so anfühlen. Auch wenn ich eben nicht sehr gut darin war, jemand etwas
ohne Worte verständlich zu machen.
„Ihr habt euch wirklich lieb.“ Der Kleine strahlte übers ganze Gesicht, als ich
mich langsam von Jesko löste. „Wie heißt du, Kleiner?“, fragte ich. Versuchte
auch zu lächeln. Aber so etwas schaffte ich wohl noch nicht richtig. „Felix“,
antwortete der kleine Hybride sofort. „Na das passt wohl zu dir!“ Felix legte nur
den Kopf schief. „Versteh ich nicht“, meinte er da auch schon. „Felix bedeutet
der Glückliche“, erklärte ich ihm. Und schon grinste er wieder. „Das passt
wirklich“, freute er sich und lief zu einigen anderen jüngeren Hybriden. Dass
waren wohl seine Freude.
„Zu dumm, dass wir keine Kinder bekommen können.“ Jesko legte wieder die Arme von
hinten um mich. Ich seufzte. „Ich kann mit Kindern gar nicht umgehen“, murmelte
ich. Doch Jesko drückte mich nur noch enger an sich. „Das sah jetzt eben aber
anders aus“, hauchte er mir ins Ohr. Berührte ganz zärtlich mein Ohrläppchen mit
den Lippen.
„Hör auf. Das kitzelt“, keuchte ich. „Kitzeln? Das kitzelt doch nicht. … Soll ich
dir mal zeigen, was kitzelt?“ Ich wollte den Kopf schüttelt. Doch da hatte er mir
schon einen Stoß gegeben und so landete ich auf dem Boden und Jesko auf mir.
„Geh von mir runter!“, krächzte ich, als der Werwolf anfing mich zu kitzeln. Es
war mir wohl noch nie so leicht gefallen zu lachen. Obwohl es mir schon komisch
vorkam, dass ich es überhaupt noch konnte.
„Wollt ihr noch mit?“, fragte uns auf einmal ein älterer Werwolf – älter auf alle
Fälle, als der kleine Felix –, als Jesko und ich zusammen auf dem Boden kugelten.
„Eigentlich schon.“ Mühsam konnte ich Jesko von mir wegschieben. Doch da war der
ohnehin schon wieder aufgesprungen und zog mich mit hoch.
Er lachte trocken auf. „’Tschuldigung“, meinte er auch schon grinsend. Der andere
Werwolf wendete sich nur zu der Gruppe aus Hybriden. „Dann können wir wohl los!“
Als wir ein Stück von der eigentlichen Gemeinschaft weg waren, fragte ich den
Wolf, der uns begleitete: „Wir gehen hier jetzt aber nicht wirklich auf
Menschenjagt?“ Dafür erntete ich nur ein Auflachen. „Was willst du denn sonst für
Blut haben? Das von ein paar Ratten?“
Abrupt blieb ich stehen und schon rempelten mich einige Hybride an. Knurrten dazu
noch einige unverständliche Beleidigungen. „Das war jetzt nur ein Witz?“, meinte
ich, als ich den Werwolf wieder eingeholt hatte.
„Nein, Jemil. … Du bist doch Jemil? Oder?“ Ich nickte langsam. Sah mich aber
sofort nach Jesko um. Er war auf einmal weg.
„Dein Wolf ist da drüben. Ach und ich bin Satôbi.“ Er deutete erst in die
Richtung einiger jüngerer Hybride, wo ich auch wirklich Jesko erkannte – er
tollte mit den Kleineren herum – und hielt mir dann die Hand hin, die ich knapp
nickend annahm.
„Er ist wohl ganz schön verspielt.“ Leicht legte Satôbi den Kopf schief. „Er ist
einfach noch ein Kindskopf“, erwiderte ich. Das Lächeln, das sich auf meinen
Lippen bildete, bemerkte ich gar nicht. Ich war wohl zu sehr damit beschäftigt
Jesko dabei zuzusehen, wie er sich von den Kleinen austricksen ließ.
„Wir sind bald an unserem Ziel. Also mach dich bereit.“ Damit riss mich Satôbi
wieder aus meinen Gedanken. Dann würde ich wohl wieder töten müssen um an mein –
so wichtiges – Blut zu kommen.
Wen würde er beißen?
Lost Angel
Kapitel 29 – Wen würde er beißen?
Jesko’s PoV
Diese kleinen Hybriden waren doch wirklich zu süß. Auch wenn sie auch ein
bisschen nervig waren. Doch so war ich auch einmal. Zumindest irgendwann einmal
früher, als ich noch ganz klein war.. Immerhin hatte ich so eine schöne Kindheit
nie gehabt.
„Jesko!“ Ich spitze die Ohren. Drehte mich auch gleich zu Jemil, der mich da
rief, um. „Was ist denn?“ Da rissen mich aber schon ein paar der Kleinen zu
Boden. „Lasst ihn doch einmal in Ruhe.“
Der Vampir hockte sich vor mich hin, während die keinen Vampir-Werwolf-Mischlinge
auf mir saßen. „Wieso denn?“, fragte da ein kleiner Blonder. „Weil der gute Jesko
mir gehört“, erwiderte Jemil.
„Schade“, seufzte da einige der Kleinen. Ließen auch schon binnen weniger
Sekunden von mir ab. „Danke“, meinte ich grinsend zu Jemil. Doch da schlag der
schon die Arme um mich.
„So anhänglich?“, fragte ich mit gehobener Augenbraue. „Nur hungrig“, flüsterte
er da aber schon als Antwort. Küsste zärtlich meinen Hals. Leckte leicht darüber.
„Du bekommst doch bald was.“ Ich löste seine Umarmung um mich.
Die Blutlust kam ihm wohl irgendwie momentan ziemlich oft. War er denn wegen
diesen paar Tagen, in denen er geschlafen hatte, so ausgehungert?
„Onkel Jemil! Onkel Jesko!“ Ich spürte eine Hand um mein Handgelenk. „Hey,
Felix“, meinte ich nur, als ich den kleinen Hybriden erkannte. Der mich und den
Vampir auch gleich versuchte hinter sich herzuziehen.
„Hat er uns gerade ‚Onkel’ genannt?“, flüsterte mir da auf einmal Jemil zu.
Gefügig folgten wir gerade dem Kleinen. „Lass ihn doch.“ Der warme Hauch meiner
Stimme ließ sein Haar für einen Moment sich in Bewegung setzen.
„Satôbi hat gesagt, wir sind bald da“, wendete sich da Felix an uns, als wir
schon in Mitten der ganzen Hybriden waren. „Das hat er schon einmal gesagt“,
seufzte ich. „Dieses Mal stimmt es aber auch.“ Der kleine Hybride strahlte
wirklich übers ganze Gesicht.
„Ich hoffe mal, dieses Mal passen alle etwas besser auf und ich muss nicht wieder
irgendwelche Zähnen aus irgendwelchen Hälsen ziehen“, meinte da gerade Satôbi.
Irritiert hob ich eine Augenbraue.
„Das letzte Mal sind drei hängen geblieben“, erklärte da aber schon Felix. Immer
noch grinsend. Ich hob noch die zweite Augenbraue. Was waren denn das für
Idioten? Wie schwer war es denn seine Zähne wieder aus dem Hals eines Opfers zu
bekommen und das dann am besten noch daran zu hindern, sich zu verwandeln?
Ich schüttelte leicht den Kopf. Für einen Moment lehnte sich Jemil an mich. Und
ich wendete mich knapp zu ihm. Doch kaum hob ich mein Haupt wieder, war auf
einmal der Großteil der Hybriden schon weg. „Wir sollten uns vielleicht beeilen“,
meinte da schon der Vampir neben mir.
Ich stapfte vor ihm her. Nur einige Hundert Meter vor uns lag ein kleines Dorf.
Das wollten sie wohl ausmeucheln. Jemil seufzte. Er wollte das wohl eigentlich
gar nicht mehr machen. Nie wieder einen Menschen töten. Und jetzt war er doch
wieder so weit. Und es war wohl seine einzige Möglichkeit, dass er sich nicht
völlig planlos auf irgendjemanden stürzen würde.
„Du, Jemil? Willst du das wirklich tun?“, fragte ich ihn einfach. Und er wendete
sich leicht zu mir. „Wieso nicht? Ich muss es immerhin tun.“ Doch kaum hatte er
das ausgesprochen, rannte ihn ein Mädchen fast über den Haufen.
„Bitte! Helft mir!“ Verängstigt blickte sie ihn an. Krallte die Finger in sein
Shirt. Sein Blick schweifte knapp über ihr Gesicht, bevor er sich ihrem Hals
zuwendete. Kurz schrie sie auf, als er schon seine Eckzähne in ihre Kelle rammte.
Ihre Arme wurden langsam schlaff. Und ihr Körper wohl auch immer kälter.
Ich sah Jemil stumm dabei zu, wie er langsam den kostbaren Lebenssaft aus ihr
saugte. Es wirkte aber nicht so, als ob er sie bis zum aller letzten Tropfen
aussaugte. Langsam ließ er ihren Körper auf den Boden fallen. Blickte wie gebannt
in den Himmel, wo die Sterne von einigen Wolken verdeckt wurden.
Langsam wanderte sein Blick wieder zu dem Mädchen, das noch immer an seinen Füßen
lag. „Ciao, Kleine“, flüsterte er sich zu ihr bückte und ein ein Knacken kurz die
Stille der Nacht durchbrach.
„Äh, was hast du mit ihr gemacht?“, fragte ich, als wir weiter gingen.
„Gebissen“, erwiderte er. Knapp schluckte ich, das war aber doch nicht alles.
„Und danach?“, bohrte ich. Das Knacken war schon ein etwas seltsames Geräusch.
Jemil warf mir einen kurzen Blick zu. „Das Genick gebrochen“, meinte er wie
nebenbei. Ich blieb abrupt stehen. „Du hast was getan?“, stieß ich aus. Das hatte
er nie im Leben gemacht.
Der Vampir wendete sich wieder zu mir. „Das hab ich doch schon gesagt. Das Genick
gebrochen.“ Er wollte schon weiter gehen. Doch ihn hielt ihm am Kragen fest.
„Wieso?“, zischte ich. Jemil blickte nur desinteressiert an. „Sonst hätte sie
sich verwandelt. Und da ich keine Lust habe ihr etwas von meinem Blut zu geben,
ist es besser. Oder willst du das dir eine willenlose, Blut saugende, sabbernde
Bestie hinterher rennt?“ Langsam schüttelte ich den Kopf, als er sich wieder von
mir befreite. „Siehst du.“
Etwas irritiert blickte sich der Vampir um, als wir am Marktplatz des Dorfes
angelangt waren. Er setzte sich auf den Rand des Brunnens, der dort in der Mitte
angelegt worden war. „Sieht so aus, als ob sie so gut wie fertig wären“, meinte
Jemil. Streckte sich leicht.
„Wie kommst du darauf?“, wollte ich wissen, als ich mich neben ihm nieder ließ.
„Schau dich doch um. Es treibt sich hier draußen niemand mehr herum, also können
wohl kaum noch viele Menschen leben. Sonst würden sie wohl so weglaufen, wie
dieses Mädchen eben.“
Ich beugte mich zu ihm. Strich ihm einen Haarsträhne aus dem Gesicht. „Und wo
sind dann die anderen?“, hauchte ich ihm ins Ohr. „Vielleicht noch bei der
Müllbeseitigung“, erwiderte er nur.
Ganz vorsichtig glitt ich mit den Fingern an seinem Hals entlang. Zog ihn etwas
näher zu mir. Liebkoste vorsichtig sein Ohr.
Ein Keuchen verließ Jemils Kehle, als ich seinen Schritt berührte. Ihn dort
langsam immer wieder streichelte.
„Wir sollten das hier nicht machen“, flüsterte er. Aber ich spürte es doch ganz
deutlich. Er wollte es. „Nur ganz kurz“, säuselte ich. Jedoch drückte er mich da
schon von sich weg. „Nein“, meinte er bestimmend. So ließ ich mich aber nicht
abwimmeln. Zog ihn auf meinen Schoss. Breitbeinig saß er auf mir. Blickte sich
unsicher um.
„Das können wir doch nicht machen. Hier kann jederzeit irgendeiner von diesen
Hybriden aufkreuzen.“ Bevor er das letzte Wort überhaupt komplett von sich geben
konnte, verschloss ich schon seine Lippen mit den meinen. Vereinigte sie zu einem
leidenschaftlichen Kuss, aus dem er sich dann fast schon nicht mehr lösen wollte.
Jemil keuchte leicht, als ich begann seine Hüfte sanft zu kneten. Er drückte
seinen Kopf gegen meine Brust. Ließ endlich meine Berührungen zu. Auch wenn er
sich wohl auf die Zunge biss, nur damit er nicht zu laut wurde.
„Du unterdrückst es doch sonst nicht so.“ Ich übersäte seinen Hals mit Küssen.
„Aber ich will es nur nicht. … Nicht jetzt“, erwiderte er. Kuschelte sich etwas
an mich.
Er brauchte es wohl in letzter Zeit eigentlich gar nicht. Oder er hielt es
einfach nur nicht aus, dass uns so viele dabei zuhören könnten.
Also fasste ich ihn eben so nicht mehr an. Für die nächste Zeit. Ich
könnte mich schon zurück halten. Unbedingt brauchen tat ich es ja nicht.
„Onkel Jemil und Jesko!“ Die Stimme kannte ich doch. „Hey, Felix!“ Eigentlich
wollte ich aufstehen, aber mit Jemil immer noch auf meinem Schoss ging das nicht
so gut. „Schläft er?“ Der kleine Hybride hatte sich neben mich gesetzt. Beäugte
interessiert den Vampir. „Wie es aussieht.“ Jemil war schon ein Fall für sich. Es
gab schon einiges, was ihn zu sehr erschöpfte.
„Wo sind die anderen?“, fragte ich. Felix blickte mich mit großen Augen an. „Weiß
ich nicht, aber die treiben sich hier sicher irgendwo herum.“ Der Kleine seufzte
und ließ den Kopf hängen. Ließ seine Beine leicht vor und zurück schwanken.
„Und da lassen sie dich ganz alleine?“, wollte ich wissen. Blickte den kleinen
Hybriden fragend an. „Wir trennen uns immer, wenn wir mit auf diese Jagd gehen.
Da ist jeder auf sich selbst gestellt. Und ein anderer würde ohnehin nur stören.“
Als ich antworten wollte durchzog ein Schrei die Stille. Ich blickte auf. Es war
nicht zu sehen, was diesen Laut ausstoßen hätte können. Sofort viel also mein
Blick auf Jemil. Doch der lag immer noch friedlich schlafend in meinen Armen.
„Und wieder einer weniger“, flüsterte aber schon Felix. Ich sah verwirrt zu ihm.
„Da ist wieder ein Mensch weniger“, erklärte er und blickte zu mir. Erst jetzt
bemerkte ich das Blut, das an seinen Mundwinkeln klebte. Also hatte auch er
jemanden ausgesaugt. Ich konnte mir aber gar nicht vorstellen, dass er denn dann
auch so eiskalt getötet hatte, wie Jemil. Der hatte doch gerade eben nicht einmal
mit der Wimper gezuckt.
„Hat er denn auch schon was getrunken?“, fragte aber auf einmal Felix. Riss mich
damit aus meinen Gedanken. „Ja, gerade eben. Das Mädchen liegt noch irgendwo da
vorne.“ Ich nickte in die Richtung, aus der wir gekommen waren.
„Hat er sie auch getötet?“ Der Hybride legte den Kopf schief. Blickte mich
fragend an. „Ja“, gab ich knapp zur Antwort. „Dann ist er wirklich ein richtiger
Vampir. Von uns kann das nämlich keiner so einfach. Ich beiße zwar Menschen, aber
umbringen kann ich sie einfach nicht. Dann tun sie mir viel zu sehr leid.“ Der
Kleine seufzte. Fixierte einen undefinierbaren Punkt auf dem Boden mit seinen
Augen.
„Na ja, das wirst du wohl auch irgendwann einmal können“, versuchte ich ihm Mut
zu machen. „Ich will das gar nicht können.“ – Er zog die Augenbrauen zusammen. –
„Es ist eklig Menschen so töten zu müssen.“ Ich verzog darauf nur leicht das
Gesicht. „Machen tue ich es auch nicht gerne“, stimmte ich ihm zu, aber fügte
dann noch hinzu: „Manchmal muss man es aber eben machen. Wir sind immerhin
eigentlich Monster.“
Der Kleine kauerte sich zusammen. „Eigentlich will ich so was gar nicht machen.
Aber mit dem halben Vampir in mir muss ich das. … Ich finde es eigentlich voll
doof.“ Irgendwie konnte ich ihn verstehen. Mir wäre es auch zu wider einfach so –
grundlos – jemanden töten zu müssen.
„Du musst dich mit dem zufrieden geben was du bist“, meinte ich nur. Und im
Grunde stimmte das doch so. Ich war eigentlich auch nicht gerne Werwolf, aber es
war immer noch besser, als irgendetwas anderes zu sein. Da könnte ich mich jetzt
gar nicht mehr hinein versetzen. Aber wenn man schon 16 Jahre lang Werwolf war
konnte man wohl auch nichts anderes lieber sein.
„Felix!“ Einige Jungen kamen zu uns gelaufen. Alle waren sie blutbefleckt. Also
alles Hybride.
Sie blieben etwas von uns entfernt stehen. Verwirrt hob ich eine Augenbraue und
wie es aussah verstand auch Felix nicht was los war. „Was ist denn?“, fragte er.
Blickte immer wieder zwischen mir und Jemil und seine Freunden hin und her. „Wir
gehen nicht näher an diesen Vampir“, erwiderte ein Junge. Seine Augen glitzerten
fast schon in der Dunkelheit. So wie ich es sah waren sie golden. Ob das daran
lang, dass er ein Mischling war.
„Der tut euch doch nichts und außerdem heißt er Jemil!“ Felix klang wütend.
Wollte er meinen Vampir verteidigen. „Bist du dir da sicher. Was wenn er dich
beißt. Dann gehst du drauf.“ Bei den Worten konnte ich nur die Augen verdrehen.
„Der beißt euch doch nicht. Jemil macht das nicht einfach“, mischte ich mich
einfach ein. Es passte mir ohnehin nicht, dass sie so einfach über ihn redeten.
„Das glaube ich nicht“, rief ein anderer Junge, „Vampire beißen jeden.“ Amüsiert
begann ich zu kichern. „Davon merke ich aber nicht viel.“ Kein einziges Mal hatte
er es bei mir gemacht, auch wenn ich ihn dazu immer wieder animieren wollte, aber
auch nur, weil ihn seine Lust nach Blut ohnehin irgendwann einmal dazu treiben
würde.
„Wahrscheinlich hat er das schon längst und du hast es nur noch nicht bemerkt“,
rief einfach ein Mädchen mit kurzem blondem Haar.
Vorsichtig hob ich Jemil hoch. Nur um ihn gleich darauf an den Brunnen zu lehnen.
Ihm noch kurz über die Wange zu streicheln, bevor ich mich wieder erhob und mich
der kleinen Gruppe an Hybriden zuwendete.
„Ich kann mir kaum vorstellen, dass er sich als erster an euch vergreifen würde,
also müsst ihr euch darum schon mal keine Sorgen machen.“ Die Kleinen gingen ein
Stück zurück. „Und wenn würde er dann zuerst beißen?“, fragte einer mit leuchtend
rotem Haar. „Mich. Und das wohl auch nicht einmal freiwillig.“ Verwirrt sahen sie
mich an.
Knapp wendete ich mich an Felix. „Na dann geh mal wieder zu deinen kleinen
Angsthasen-Freunden“, meinte ich zu ihm und er lief auch gleich los. Drehte sich
aber noch einmal zu mir um.
„Wieso würde er dich unfreiwillig beißen?“, fragte er. „Weil ich ihn dazu zwingen
würde“, antwortete ich auch gleich. Und ich würde das wohl tun. Wenn es sein
müsste, sollte er seine Zähne in meinen Hals rammen und in sonst keinen.
Schneetreiben
Lost Angel
Kapitel 30 – Schneetreiben
Jemil’s PoV
„Vampire!“ Dieses eine geschrieene Wort ließ mich hochschrecken. Verwirt sah ich
mich zuerst nur um. Nur grob konnte ich Umrisse erkennen, dabei war meine Sicht
in der Dunkelheit sonst ziemlich gut.
Abrupt wurde ich aber hochgezogen und nach draußen gebracht. Erst als das
Mondlicht auf ihn viel erkannte ich Jesko. Der mich nur etwas besorgt ansah.
„Sieht wohl aus, als wollte sich da noch jemand einmischen“, meinte er knapp und
wollte mich schon in das Gewusel aus Hybriden und Werwölfen. Doch mir stieg ein
Geruch in die Nase. Der einer bekannten Person. Und dieses Mal war es weder Pio
noch Devin oder Joe.
Ich riss mich von Jesko los. Und lief genau in die gegen gesetzte Richtung, als
alle anderen. Mich trieb es einfach voran. Selbst die Rufe des jungen Werwolfes
ließen mich nicht umdrehen.
Erst als er mich festhielt, blieb ich stehen. „Das ist die falsche Richtung!“
Aber ich hörte ihm gar nicht zu. Wirkte fast wie taub. Dieses blonde Etwas zog
mich in seinen Bann. Ihr langes Haar wehte im Wind, der von leichten
Schneeflocken durchzogen war.
„Jemil“, konnte ich von ihren Lippen ablesen. Ich schluckte. Was machte gerade
sie hier? Wieso sie?
„Mila, was … tust du hier?“ Ich spürte es. Irgendwo in mir platzte gerade eine
Seifenblase. Die, in der meine Hoffnung, nie wieder zurück zu gehen war. Doch
gerade sie ließ das geschehen. Wieso?
„Devin und Joe haben mir erzählt, dass sie es nicht geschafft haben. Und selbst
Pio konnte dich nicht überzeugen. Und da ich ohnehin einmal raus musste, will
ich mein Glück zumindest versuchen.“
Ihr Blick jagte mir einen Schauer über den Rücken. So viel Selbstsicherheit
hatte ich noch nie bei ihr gesehen.
Ein Knurren ließ mich zusammen zucken. Und da sah ich es erst. Dieses hässliche
Tier, das sich da neben Mila durch den Schnee kämpfte.
„Dieses Vieh hat Pio mir mit geschickt. Eine seiner Fledermäuse. Ist ein
grässliches Wesen. Er ist aber wohl weiter gekommen, als dein Vater noch vor ein
paar Monaten.“
Ich schwankte einige Schritte zurück. Fühlte schon bald Jeskos Hände auf meinen
Schultern. Leicht wendete ich mich zu ihm. Sein Blick lag auf diesem etwas, das
Mila da als Fledermaus bezeichnet hatte.
„Sieht aus, wie das Vieh, dem wir begegnet sind.“ War das, das einzige, was ihm
dazu einfiel? Mehr nicht? Was sagte er denn zu Milas Kommentar? Was hielt er
davon?
„Und? Was ist Jemil?“ Die blonde Vampirin kam auf mich zu. Plötzlich war diese
Selbstsicherheit aus ihren Augen verschwunden. Was war auf einmal los mit ihr?
„Mila, auch du kannst mich nicht überzeugen!“ So sicher sagte ich es. Ich war
mir so verdammt sicher. Da zog mich aber auch schon Jesko in seine Arme und ein
Knurren durchfuhr die Stille. Dieses Mal kam es nicht von diesem Fledermaus-Vieh.
„Werwölfe“, flüsterte Mila. Die würden sie zerreißen. Ich löste mich aus Jesko
Umarmung. Atmete einmal tief durch. „Verschwinde von hier! Sonst bringen die
dich um.“
Ich blieb doch wirklich ruhig, bei dem was ich sagte. Oder zumindest versuchte
ich es. „Nein! Ich will, dass du mitkommst!“ Sie packte meine Hand und wollte
mich einfach mitschleifen. Doch das ließ ich gar nicht passieren. Zog sie zurück.
„Tut mir leid! Das geht nicht. Ich bleibe bei Jesko!“ Die Vampirin warf über
meine Schulter einen Blick auf den Werwolf. Er stand einfach nur da. Tat keinen
Zucker. Gerade so, als ob er auf etwas warten würde.
„Du willst das doch gar nicht. Er hat dich doch einfach mitgenommen!“ Tränen
stiegen ihr in die Augen. Liefen ihr schon bald über die Wangen. Tropften in den
weißen Schnee.
Langsam schüttelte ich den Kopf. „Ich bin freiwillig mit. Denn…“ Ich flüsterte
ihr noch etwas ins Ohr. War mir so ziemlich sicher, dass Jesko es nicht hören
würde. Ich würde ihm das einmal ins Gesicht sagen. Dafür brauchte ich aber noch
sehr viel Mut und den hatte ich einfach nicht.
„Aber … Jemil … du …“ Sie brachte wohl nichts dazu heraus. Brach einfach ab.
Aber schon im nächsten Moment hatte sie mich geohrfeigt. „Du bist ein
Arschloch!“, brüllte sie. Immer noch flossen die Tränen über ihre Wangen.
Glitzerten wie kleine Kristalle, wenn sie zu Boden fielen.
„Du verstehst es nur nicht“, seufzte ich. Machte auch gleich auf den Haken
kehrt. Doch wieder hielt sie mich fest. „Er macht dich doch nur traurig. Du
kannst doch gar kein Glück finden.“
Ich riss mich los. „Denk was du willst“, schnaubte ich. Blickte zu Jesko. Jedoch
war er weg. Was sollte das denn jetzt werden? Wollte er mich jetzt hier stehen
lassen. Ich wirbelte wieder zu Mila herum. Die sah sich genauso irritiert um.
Wie es aussah, war ihr kleiner Monsterwächter auch verschwunden.
Ein Aufheulen ließ meinen Blick zu der riesigen Wiese fallen, die hinter uns
lag. Einige Vögel stiegen davon auf. Die hatten aber ganz sicher nicht diesen
Laut von sich gegeben.
„Jesko. Verdammt!“ Ich lief einfach los. Irgendetwas rief Mila mir noch
hinterher. Doch ich hörte einfach nicht darauf. Mir war Jesko viel wichtiger,
als zu wissen, was sie noch von mir wollte. Ja. Jesko war mir wichtig. Verdammt
wichtig. Das wohl Wichtigste, das ich hatte. Das Einzige, was ich noch hatte,
neben meinem Leben.
Das Gras dieser verfluchten Wiese war hoch. Zu hoch. Ich lief doch nur ins
Nichts. Nach Minuten blieb ich aber erst erschöpft stehen. Stützte mich mit den
Armen an den Beinen ab. Keuchte. Völlig hilflos sah ich mich um. Ich würde ihn
nie finden. Und er mich auch nicht.
Da glitt etwas an meinem Bein entlang. Etwas Weiches. Ich versteifte völlig. Das
war sicher keine Katze oder ein Hund. Dieses Etwas verbiss sich in meiner Hose.
Zerrte daran. Erst als wieder etwas aufjaulte, ließ es mich los.
Ich schluckte, als das Gras raschelte. Spürte Arme um meine Schultern. „Mila ist
weg und dieses Vieh mit dazu.“ Er keuchte. Konnte sich kaum noch auf den Beinen
halten. Was war denn mit ihm los?
„Wir müssen zurück“, flüsterte ich. Doch da spürte ich, wie er zusammen sank.
„Jesko!“ Ich wirbelte herum. Fing ihn gerade noch auf. Aber er war mir zu
schwer. Zog mich mit hinunter. Immer wieder wiederholte ich seinen Namen. Bis
ich schon fast in ein Schreien überging. Doch er antwortete einfach nicht mehr.
Sein Atem war auch nur noch ein Röcheln. Nervös durchsuchte ich seinen Körper
nach Bisswunden. Aber davon war keine zu finden. Dann war er zumindest nicht
gebissen worden.
Erleichtert atmete ich auf. Auch wenn es mir nichts half. Ich kam alleine hier
nicht weg. Er war mir einfach zu schwer. Ich könnte ihn nie tragen. Und trotzdem
versuchte ich es. Legte seinen Arm um meine Schultern um ihn etwas zu stützen.
„Verdammt“, zischte ich. Kam nur ein paar Schritte weit. Sank dann wieder
zusammen. Was hatte dieses Vieh nur mit ihm gemacht.
Ich atmete ein paar Mal tief durch. Raffte mich dann wieder hoch. Wieso waren
eigentlich diese ganzen Werwölfe nicht da, wenn man sie brauchen könnte? Zum
Beispiel genau jetzt?
Ich würde doch nur ein paar Hundert Meter weit kommen müssen. Dann würden diese
verfluchten Werwölfe auch schon aufkreuzen. Die könnten mir dann zumindest
helfen.
Doch wieder kam ich nur ein Stück. Sank dann einfach wieder zusammen. Ich war
ein verdammter Loser. Immerhin konnte ich nicht einmal Jesko hier wegbringen.
Gerade jetzt.
Ich blickte gen Himmel. Der Schneefall wurde immer schlimmer. Wenn es so weiter
ginge, würden wir hier noch erfrieren. Mühsam versuchte ich den Werwolf an mich
zu drücken. Aber ich würde ihn nie warm halten können. Wärmen konnte ich mich
doch selbst kaum. Er war doch derjenige, der mich sonst immer aufwärmte.
Ich begann zu zittern. Der Schnee ging mir schon bis zu den Knöcheln. Und es
wollte gar nicht aufhören.
„Onkel Jemil!“ Ich schreckte hoch. Hatte gar nicht bemerkt, dass ich kurz vor
dem Einschlafen war. Verwirrt blickte ich mich um. Das war doch Felix. Unser
kleiner Werwolf. Ich versuchte wieder Jesko hochzubekommen.
„Felix!“, rief ich. Er würde mich schon finden. Nein, er würde uns finden.
„Komm schon, Jesko, hilf mich doch ein bisschen“, flüsterte ich. Doch ich bekam
einmal mehr keine Antwort. Seine Lippen waren schon blau. Ich könnte es mir
nicht verzeihen, wenn er es nicht überstehen würde.
„Onkel Jemil!“ Der kleine Werwolf kämpfte sich durch das hohe Gras und den
Schnee. Blieb dann aber wie gebannt stehen. „Ich hol die anderen“, meinte er nur
noch machte auch gleich wieder kehrt. Ich hatte mich mit Jesko wieder einige
Schritte weiter gekämpft. War wieder zusammen gesackt. Drückte Jesko jetzt an
mich. Ich hörte kaum noch seinen Atem.
„Komm jetzt bloß nicht auf blöde Gedanken“, zischte ich. Bemerkte gar nicht, wie
besorgt ich eigentlich klang. Immer enger drückte ich ihn an mich. Versuchte ihn
wirklich zu wärmen. Aber mein eigener Körper war doch schon nicht mehr richtig
warm. Wie sollte ich das dann bei ihm ändern.
Erst nach Minuten kam Felix wieder mit einigen anderen Werwölfen zurück. Einer
davon war Satôbi, den erkannte ich. Die anderen waren mir unbekannt. Viel hatte
ich aber auch nicht von den Werwölfen zu tun. Noch nicht.
Satôbi zog mich hoch, während die anderen sich um Jesko kümmerten. Erst jetzt
bemerkte ich eigentlich, wie ich selbst zitterte. Die ganze Zeit hatte ich nur
auf meinen Werwolf geachtet. Mich dabei völlig vernachlässigt.
„Was habt ihr hier überhaupt noch gemacht?“, fragte Satôbi. Ich antwortete nur
nicht. Wollte gar nicht. Wie es aussah erwartete er auch gar keine Antwort.
„Ihr zwei Idioten“, hörte ich Satôbi noch sagen. Dann brach ich wohl auch
zusammen. Lange hätte ich das wohl auch nicht mehr durchgehalten. Mein Körper
ächzte gerade zu nach etwas Ruhe. Auch wenn ich die ohne Jesko sicherlich nicht
finden könnte.
Leicht wurde ich von einer sanften Stimme geweckt. Mein Kopf sank zur Seite.
Schon spürte ich auch warme Lippen auf meiner Wange. Und wieder diesen sanften
Klang. „Na Jemil“, konnte mein Kopf die Töne endlich zu etwas wirklich
verständlichen zusammensetzen. „Jesko“, flüsterte ich. Hob das erste Mal eines
meiner Lider. Es war, als hätte ich meine Augen schon seit Jahrhunderten nicht
mehr geöffnet. Jedes bisschen Licht brannte, wie Feuer auf meiner Netzhaut.
Und erst jetzt spürte ich sie. Diese warmen Arme, die sich um mich gelegt
hatten. „Du Dummkopf.“ Langsam hob ich den Kopf. „Wer von uns ist hier ein
Dummkopf. Du bist doch einfach weg.“
Jesko biss sich auf die Unterlippe. „Ich wollte dich doch nur vor diesem
Fledermausvieh beschützen, das Mila mit angeschleppt hat!“ Nein, das wollte er
doch nicht. Nicht mich.
„Wenn du meinst“, murmelte ich.
Ein kalter Windhauch traf mich im gleichen Moment. „Onkel Jemil!“ Der kleine
Felix stürzte sich auf mich. Schlang seine dünnen Arme um meinen Hals. „Ich hab
mir um euch Sorgen gemacht“, flüsterte er mir ins Ohr.
Ein Seufzen ließ mich aufsehen. „Du erdrückst ihn noch“, meinte Venanzia. Hatte
die Arme vor der Brust verschränkt. „Aber …“, fing Felix an. Sah dann nur mich
an. Schob schmollend die Unterlippe nach vorne.
Ich drückte den kleinen etwas von mir weg. „Das macht doch nichts“, meinte ich
nur zu der Werwölfin, die den Kopf schief gelegt hatte. „Er wird euch nur
nerven.“ Felix schnaubte bei diesen Worten von Venanzia. „Bei was denn?“, fragte
er auch gleich. Blickte Venanzia fragend an. „Was eben zwei Liebende so machen“,
erwiderte sie und packte den Kleinen auch gleich am Arm.
„Das werden wir sicher nicht machen“, mischte sich da aber auf einmal Jesko ein.
„Dann kann ich hier bleiben“, freute sich Felix. Riss sich von Venanzia los und
sprang auch gleich wieder auf mich. Legte die Arme um meinen Bauch.
„Geht es dir wieder gut, Onkel Jemil?“, fragte der Kleien auf einmal. „Wieso
sollte es mir denn nicht gut gehen?“, erwiderte ich mit einer Gegenfrage. „Weil
du die ganze Nacht über hohes Fieber hattest“, antwortete die Werwölfin für den
Jüngeren. Ich senkte nur den Kopf. Spürte aber schon Jeskos Arm um meine
Schulter. „Deswegen bist du auch ein Dummkopf“, seufzte der.
„Er hat dich doch nur lieb“, zischte Felix. Blickte Jesko dabei wütend an. Der
kleine Werwolf merkte wohl alles ziemlich schnell. Alles was meinem Wölfchen
nicht auffiel. Von dem Kleinen könnte er noch etwas lernen.
Vergangenheit und seltsamer Geruch
Lost Angel
Kapitel 31 – Vergangenheit und seltsamer Geruch
Jesko’s PoV
Es musste mich die ganze Zeit im Arm gehabt haben. Sonst wäre ich wohl da draußen
aber auch erfroren.
Doch was hätte ich in diesem Moment anderes tun sollen? Dieses Fledermaus-Vieh
wollte auf ihn losgehen. Da war es doch meine Pflicht in zu beschützen. Und auch
nur das hatte ich getan. Mehr nicht. Nur dieses Vieh von ihm weggelockt. Dass es
auch so stark sein könnte, hätte ich doch nicht ahnen können.
Ich strich dem jungen Vampir über die Wange. Er lag mit dem Kopf auf meinem
Schoss und schlief. Das war aber wohl gerade auch das Beste für ihn. Bis in die
frühen Morgenstunden hatte er hohes Fieber gehabt. Was glaubte er eigentlich, was
ich mir für Sorgen gemacht hatte? Um ihn. Meinen kleinen, blonden Vampir.
Wahrscheinlich hatte er sich dabei gar nichts gedacht und nur versucht mich zu
wärmen. Dabei auf seine eigene Gesundheit überhaupt nicht mehr geachtet. Sich
selbst einfach vernachlässigt. Dass hätte er nicht tun müssen. Ich hätte es
sicher besser überstanden, als er. Devin hatte mir doch damals gesagt, wie leicht
er krank wurde. Und das war auch so. Oft genug hatte ich es jetzt schon
mitbekommen und er wusste es mit Sicherheit auch.
Ich seufzte. Wieso machte er so etwas nur gerade wegen mir? Ich war doch nur sein
kleiner, dummer Werwolf.
„Dummkopf“, murmelte ich, „merkst du denn nicht, was ich für dich empfinde?“ Wenn
er wach gewesen wäre, hätte ich mir das wohl nie sagen trauen. Aber so kam es mir
ganz leicht über die Lippen.
Neben mir regte sich etwas. Gähnte herzhaft. „Na Felix, wieder wach?“ Der kleine
Hybride blickte mich verschlafen an. Sah dann auf der Jemil, der immer noch
friedlich – mit dem Kopf auf meinem Schoss – schlief.
„Geht es Onkel Jemil gut?“, fragte der Kleine. Seine Augen drückten so etwas
Trauriges aus. „So lange er schläft“, erwiderte ich nur. Fuhr mit den Fingern
durch das blonde Haar des Vampirs, der vielleicht deswegen leicht die Nase
rümpfte.
„Ich glaube wirklich, dass er dich ganz doll lieb hat“, meinte Felix auf einmal.
Wieder lag etwas Trauriges in seinem Blick.
„Was schaust du mich denn deswegen so an? Darüber solltest du dich doch
eigentlich freuen!“ Ich wuschelte dem Kleinen durchs Haar. Dadurch hellte sich
sein Gesichtsausdruck aber auch nicht auf.
„Weil ihr gar nicht zusammen sein dürft. Es ist mit Vampiren und Werwölfen, wie
bei Romeo und Julia. Und deren Ende kennst du wohl.“ Er seufzte Herz zerreißend.
Natürlich wusste ich, wie es mit Romeo Montague und Julia Capulet ausging.
Immerhin war das doch, das wohl bekannteste Liebespaar. Aber wieso sollte es mit
uns auch so enden? Wir waren doch kein Paar aus einer Tragödie von Shakespeare.
„Red nicht so einen Mist, Felix!“, murmelte ich. Es würde nie so weit mit uns
kommen. Dafür würde ich schon sorgen. Jemil durfte ganz einfach nicht sterben.
Lieber würde ich das übernehmen und wenn es sein müsste, mich sogar für ihn
opfern.
Etwas regte sich jetzt auch von meinem Schoss her. Wie es aussah wurde auch Jemil
langsam wieder wach. Im ersten Moment rollte er sich aber nur andersherum.
Blickte starr gerade aus, bevor er sich zaghaft aufrichtete. Verschlafen sah er
sich um, bis sich unsere Blickte trafen. Seine Mundwinkel zuckten, als ob er
lächeln wollte, es sich aber scheinbar doch noch einmal anders überlegte.
Wir blickten uns einige Minuten nur schweigend an. Eigentlich wollte ich auch gar
nichts sagen. Mehr als Vorwürfe wären ohnehin nicht dabei herausgekommen und die
wollte ich ihm überhaupt nicht machen.
„Hey“, entfuhr es ihm da fast lautlos, was ich auch nur genauso erwiderte. Viel
mehr viel mir gerade auch gar nicht ein. Doch Jemil unterband es auch, dass ich
weiter sprechen hätte können in dem er sich leicht an mich kuschelte. Leise
kicherte da schon Felix. Mit einem knappen, bösen Blick brachte ich ihn aber
schon wieder dazu, dass er ruhig war.
Schweigend saß der kleine Hybride neben uns und sah dabei zu, wie ich immer
wieder an Jemils Rücken auf und ab strich.
Ein weiteres Mal verging Minute um Minute. Eigentlich hätte ich nicht gedacht,
dass Felix so lange ruhig sein konnte. Mir wäre wohl in seinem Alter längst
langweilig geworden. Dabei wusste ich gar nicht, wie alt er überhaupt war.
Einen Moment überlegte ich noch. Dann fragte ich einfach: „Wie alt bist du,
Felix?“ Der Kleine sah abrupt zu mir. „Sieben“, meinte er dann nur knapp. Senkte
langsam den Kopf wieder. „Ah“, erwiderte ich schließlich. Wendete mich für einen
Augenblick wieder Jemil zu. Immer noch lag er eng an mich gedrückt.
„Und was ist mit deinen Eltern?“ Eigentlich sollte man ja nicht einfach Fragen
stellen. Gerade nicht sollte. Aber es interessierte mich, da ich schon lange
einmal wissen wollte, was mit den Verwandten des Kleinen war.
„Die sind vor drei Jahren gestorben“, antwortete Felix, als ob er es schon
hunderte Male erzählt hätte. Er verzog dabei noch nicht einmal die kleinste
Miene.
Und trotzdem – obwohl es so aussah, als ob es ihm nichts ausmachte – blickte ich
ihn mitleidig an. Damals war ich genauso alt wie er, als ich allein gelassen
wurde.
Meine Mutter starb schon kurz nach meiner Geburt. So wie ich es als Kind
mitbekommen hatte, war ihr Körper einfach noch zu Jung um ein Kind zur Welt zu
bringen. Und mein Vater wurde von Vampiren getötet, als ich vier Jahre alt war.
Eigentlich müsste ich diese Blutsauger dafür hassen. Dafür, dass sie mir den
Letzten genommen hatten, dem ich noch wichtig war. Doch ich konnte nicht.
Der erste halbe Jahr über hatte ich bei einem wirklich grausamen Herrn gelebt.
Die älteren Werwölfe – vielleicht ab 12 oder 13 – hatte er einfach vergewaltigen
lassen. So waren sie bald für jede Arbeit gefügig geworden. Ich war wohl einfach
noch zu klein, als das ich nicht einfach alles für etwas zum Essen getan hätte.
Immer wieder war ich nachts vor lauter Hunger wach gelegen. Jedes Mal hatte ich
auf diese älteren Werwölfe gewartet, die immer etwas zum Fressen dabei hatten.
Zwar wollten sie mir oft nichts abgeben. Doch wenn sie meinen hungrigen Blick
gesehen hatten, bekam ich immer etwas ab.
So hatte ich mich ein halbes Jahr durchgekämpft. Dann wurde ich wohl meinem Herrn
zu sinnlos und er hatte mich verkauft. An Jemils Vater. An den eisigen Blick des
Vampirs konnte ich mich heute noch erinnern. Ich wusste auch noch, dass Jemil
dabei war. Verstollen hatte er mich angegrinst. Und dennoch hatte er sich da
schon genauso edle, wie sein Vater, bewegt.
In Erinnerungen versunken blickte ich auf den Vampir hinunter, der mit dem Kopf
wieder auf meinen Schoss gesunken war. Scheinbar war er auch erneut
eingeschlafen.
„Und wie ist es mit dir?“ Felix lächelte mich etwas schüchtern an. Noch einmal
warf ich einen kurzen Blick auf Jemil. Seufzte leise.
„Mit meinen Eltern sieht es wohl genauso aus, wie bei dir“, meinte ich schließlich.
Lange hatte ich sie nicht und meine Mutter erst recht nicht. Das ich überhaupt so
verdammt warmherzig geworden war.
„Und wie sieht es mit Onkel Jemil aus? Und wie alt seit ihr überhaupt?“, bohrte
da der Kleine schon weiter. Im ersten Moment hob ich aber nur eine Augenbraue.
„Wieso ist er eigentlich immer noch ‚Onkel Jemil’, aber mich duzt du schon?“,
erwiderte ich mit einer Gegenfrage.
Felix Blickte schweifte abrupt zu Boden. „Ist halt so“, murmelte er dann einfach,
„beantwortest du jetzt meine Frage?“
Ich seufzte erst nur knapp. „Jemil hat zumindest noch einen Vater. … Aber der
kann ihn wohl nicht sehr gut ausstehen..“ – Ich seufzte erneut. – „Na ja, und in
Sachen Alter bin ich 16 und Jemil 17.“
Und ein weiteres Mal schweifte mein Blick zu dem jungen Vampir hinunter. Sein
Gesichtsausdruck war völlig entspannt, also träumte er entweder gar nichts oder
einmal etwas Schönes. Letzteres wäre wohl auch endlich einmal nett für ihn. Denn
so wie ich es bis jetzt mitbekommen hatte, litt er häufig unter Albträumen. Immer
wieder wälzte er sich im Schlaf hin und her. Dabei konnte er sich doch nie im
Leben erholen.
Ein eisiger Wind traf mich mitten ins Gesicht. Sofort sah ich auf.
„Sotuganai will dich sprechen, Jesko“, schnaubte ein Werwolf, der gerade das Zelt
betrete hatte. Knapp nickte ich und schob Jemil vorsichtig von meinem Schoss.
„Passt du auf ihn auf?“, fragte ich noch Felix, der das sofort bejahte, bevor ich
mit dem anderen Werwolf mitging.
Ohne auch nur ein Wort verloren zu haben, kamen wir bei Sotuganai an. Genauso
wortkarg verschwand der andere Wolf auch, aber nicht ohne mir einen viel sagenden
Blick zuzuwerfen.
Sotuganai wischte sich eine dunkle Haarsträne aus dem Gesicht, bevor er zu
sprechen begann. Seine Stimm klang einfach nur kalt.
„Wie seit ihr beiden Idioten eigentlich auf die Idee gekommen ohne ein Wort zu
sagen euch einfach aus dem Staub zu machen?“ - Ich senkte nur reumütig den Kopf.
- „Wir hätte euch gut und gerne brauchen können!“ - Abrupt hob ich den Blick
wieder. Scheinbar bemerkte Sotuganai wie verwirrt ich war. - „Dein kleiner Vampir
wird wohl noch von ein paar mehr seiner Sippschaft verfolgt“ - Mila hatten wir
schon gesehen. - „und von denen haben sich einige an meinen Werwölfen und
Hybriden vergriffen!“ Meine Augen weiteten sich. Ich konnte mir vorstellen, was
er meinte.
„Es tut mir leid, aber ... Jemil ist plötzlich in die andere Richtung gelaufen.
Da musste ich ihm hinterher, immerhin ... konnte ich ihn nicht ... allein
lassen.“ Wieder hatte ich den Kopf gesenkt. Sotuganai sah zu mir auf. Er hatte
sich auf eine Decke auf dem Boden in den Schneidersitz gesetzt. Gab ein Seufzen
von sich, das für mich so klang, als würde diese Entschuldigung für ihn reichen.
„Wie geht es ihm?“, fragte der ältere Werwolf, als wir uns einige Sekunden
angeschwiegen hatten. Etwas kam es mir so vor, als ob er mich gerade deswegen
eigentlich holen hatte lassen. Ich überlegte für einen Moment meine Antwort.
„Ganz gut“, erwiderte ich dann schließlich. Leicht bildeten meine Lippen ein
Lächeln. Mehr wollte ich gar nicht von der Freude preis geben, die sich dadurch
in mir ausbreitete, dass es Jemil besser ging.
„Na dann geh wieder, bevor der kleine Felix noch denkt, ich hätte dir sonst etwas
angetan.“ Irritiert blickte ich ihn an. Sotuganai lackte knapp auf. „Er hatte mir
schon damit gedroht, dass er mir etwas antut, wenn ich dich zu sehr zusammen
scheiße“, klärte er mich auf. Ich grinste nur verstohlen. So war der kleine
Hybride also drauf.
Ich marschierte kurz darauf zurück zu meinem und Jemils Zelt. Wahrscheinlich
hatte Felix, wie versprochen, auf den jungen Vampir aufgepasst. Etwas anderes
konnte ich aber wohl auch nicht von dem kleinen erwarten.
„Jesko!“ Kaum hatte ich das geräumige Zelt betreten, stürmte der Hybride schon
auf mich zu. Ich blickte aber an ihm vorbei. Jemil hatte sich aufgesetzt und sah
mich intensiv an. Um seine Beine war eine warme Decke gewickelt und eine zweite
bedeckte seine schmalen Schultern.
Ich löste Felix Umarmung um meine Hüfte. Meine Augen waren starr auf den Vampir
gerichtet. Nahm jede seiner auch nur ach so kleinen Bewegungen war.
„Geht die Sonne schon unter?“ Damit riss Felix mich aus meiner Trance. „Äh, ich
glaube schon“, erwiderte ich knapp. Der kleine Hybride konnte wegen seinem
Vampirteil in sich genauso wenig wie Jemil ins Sonnenlicht.
„Ok, dann lass ich euch allein“, meinte der Kleine freudig und lief nach draußen.
Ich tapste auf Jemil zu. Blickte ihm dabei in die Augen, die eine seltsame
leichten goldene Schimmer angenommen hatten. Vielleicht bildete ich mir das aber
auch nur ein.
Als ich mich neben ihn setzte stieg mir ein eigenartiger Geruch in die Nase. Wie
der Duft von Mensch und Vampir, wobei der menschliche extrem überwiegte. Einen
Moment schaute ich mich um, um herauszufinden woher dieses Aroma kam. Doch es
wirkte, als ob es von Jemil ausgehen würde. Aber das ging eigentlich gar nicht.
Sonst nahm ich bei ihm immer nur den Vampirgeruch war. Somit bildete ich mir das
sicher nur ein.
Ich schlang die Arme um den Blonden, der sich sofort an mich klammerte. Leicht
zitterte er. Was aber schon binnen weniger Sekunden nachließ.
„Ich schätze mal Sotunagai wird jetzt bald los wollen, also sollten wir uns wohl
auch fertig machen.“ Jemil nickte darauf nur langsam. Vergrub aber trotzdem erst
einmal das Gesicht in meiner Halsbeuge.
Unaussprechliche Empfindungen
Lost Angel
Kapitel 32 – Unaussprechliche Empfindungen
Jemil’s PoV
Ich wusste nicht, ob er es wahrgenommen hatte. Doch etwas änderte sich bei mir.
Oder wohl eher an mir. Zu gut wusste ich auch an was das lag. Die
Wintersonnenwende kam näher. Von Nacht zu Nacht. Bald würden wir den kürzesten
Tag des Jahres haben. Doch für mich würde es nur der gefährlichste im ganzen
Jahr sein.
Ich war mir sicher, dass Pio sich dem auch im Klaren war. Viel zu oft hatte er
gerade diese 24 Stunden genutzt, um wie ein Raubtier über mich herzufallen.
Wahrscheinlich würde er es in diesem Jahr ganz anders ausnützen. Auch wenn ich
genau genommen ja meinen Beschützer hatte. Und der würde es sich nicht nehmen
lassen Pio den Hals umzudrehen, wenn er mich noch einmal anrührte. So kam mir
der junge Wolf zumindest vor.
Eigentlich sollte ich es wohl Jesko auch sagen. Damit er sich darauf einstellen
könnte. Doch etwas hinderte mich daran. Vielleicht weil ich mir nicht im Klaren
sein konnte, wie er darauf reagieren würde. Einen Tag lang könnte ich für ihn
nur ein Klotz am Bein sein. Ich könnte mich weder gegen Vampire noch gegen
Werwölfe wehren. Wie ein Mensch. Und mehr würde ich wohl auch nicht sein. Nur
das Futter der Wesen der Nacht.
Jedes Jahr war es an diesem einen Tag das Gleiche. Ich musste mir dann meines
schwachen Teiles bewusst werden. Einfach dem Klar werden was ich war. Halb
Vampir und halb Mensch. Doch gerade das konnte ich so einfach nicht ändern. Egal
wie sehr ich es vielleicht wollte. Wie sehr ich doch lieber ein vollblütiger
Vampir wäre. Aber es ging einfach nicht. Nicht einmal die kleinste Möglichkeit
gab es für mich.
Ein Seufzen verließ gerade meine trockene Kehle, als Sotunagai ein – für mich –
erlösendes Wort aussprach. „Pause!“ Jetzt könnte ich mich zumindest einmal
hinsetzen und meinen Füßen etwas Ruhe gönnen.
Doch Jesko hatte mich noch im gleichen Moment am Arm gepackt und hinter sich her
in den naheliegenden Wald gezogen. Richtig realisierte ich nicht einmal, wo er
ich genau hinbrachte. Dafür war mir das Unterholz hier aber wohl auch zu
unbekannt.
„Hier haben wir unsere Ruhe“, meinte der Werwolf, als er sich vor mir in den
Schnee setzte. Ich blieb einige Sekunden wie gebannt stehen und blickte ihn nur
an. Bis er auf seinen Schoss klopfte. „Kannst dich schon zu mir setzen.“ Ein
breites Grinsen bildete sich auf seinen Lippen, als ich mich endlich neben ihm
auf den eisigen Waldboden niederließ. Immer aber darauf bedacht, dass etwas von
meinem Mantel auch wirklich unter meinem Hintern landete.
Ich wagte es nicht ihn anzusehen. Mit ziemlicher Sicherheit konnte ich sagen,
dass ihm schon jemand gesagt hatte, wie ich ihn im Arm gehalten hatte.
Vielleicht wäre es besser für mich gewesen, wenn ich es nicht getan hätte. So
würde es mir jetzt wohl um einiges besser gehen. Das Fieber der vergangenen
Nacht hatte ganz schön an meinem Körper gezehrt. Doch jetzt ging es eigentlich
wieder.
Ich spürte einen von Jeskos Armen um meine Schultern. Kniff auf einmal die
Augen zusammen, als ob die Berührung mir unangenehm wäre. Doch eigentlich war
sie das genaue Gegenteil. Sie fühlte sich gut an. Und egal wie kalt mir zuvor
war, jetzt wurde mir auf alle Fälle richtig warm. Bei ihm wurde mir das aber
auch immer.
Völlig unbewusst kuschelte ich mich an Jesko. Sog jedes bisschen seiner Nähe in
mir auf. Empfand alles als so verdammt gut. Es war wohl doch nur das Einzige was
ich wirklich brauchte. Nur etwas Nähe und Zuwendung. Und gerade das konnte mir
der junge Wolf so gut geben.
Ich fühlte die Nase des Werwolfes an meinem Hals. Selbst nahm ich den extremen
Menschengeruch, der den des Vampires langsam überdeckte, schon längst war.
Vielleicht würde ich jetzt erfahren, wie das bei ihm war. Doch eigentlich müsste
seine feine Wolfsnase den Geruch schon längst erschnüffeln können. Viel mehr
würde es mich schon wundern, wenn es nicht so wäre.
„Du riechst so seltsam“, flüsterte der junge Wolf. Immer noch mit der Nase an
meinem Hals, an den auch sein warmer Atem schlug. Doch der ließ mir jetzt eine
Gänsehaut auflaufen.
Ein leises Seufzen gab ich von mir. Somit roch er es also. Ich sollte es ihm
dann wohl auch sagen. Es wäre wohl das beste. Doch gerade als ich zum Reden
ansetzen wollte, zog Jesko mich auf seinen Schoss. Schlang die Arme eng um mich.
Sanft mit den Fingern über meinen Rücken glitt.
„Wieso?“, hauchte er mir ins Ohr. Also erwartete er erst jetzt eine Erklärung
von mir. Doch jetzt konnte ich nicht mehr. Schmiegte mich nur an ihn und genoss
seine Wärme. Mehr brauchte ich überhaupt nicht.
„Du willst es wohl nicht sagen.“ Da verstand er dann doch sehr schnell. Nur bei
meinen Empfindungen war er scheinbar langsam. Und dabei wollte ich, dass er
gerade die anfing zu spüren. Leider tat er das wohl nicht. Noch nicht.
Ein Schauer fuhr mir durch jedes Glied, als Jeskos Lippen meinen Hals berührten
und er seine Hände über meine Schultern gleiten ließ.
Ganz langsam entspannte ich mich bei seinen Berührungen. Wie sollte es aber auch
anders sein, wenn er schon so sanft zu mir war?
Ich gab einen erschöpften Laut von mir. Drückte meinen Kopf gegen die Brust des
Werwolfes, der mir nun schon die ganze Zeit über leise Liebkosungen ins Ohr
flüsterte. Immer und immer wieder. Wiederholte dabei aber wohl nie ein einziges
Wort.
Langsam hievte Jesko mich hoch. Ich schwankte im ersten Moment leicht. Konnte
mich dann aber an dem Dunkelhaarigen abstützen. Der gab mir genug Halt.
„Geht es dir auch wirklich gut?“ Die Frage kam für mich eigentlich ganz
unverhofft. Nickte aber schließlich doch kurz.
Ich müsste nur alles schön langsam angehen lassen. Dann würde mir das schon
insgesamt nicht zu schwer werden. Aber ich war eigentlich nicht der Typ, der
irgendetwas langsam machte.
„Weißt du eigentlich wo Sotunagai hin will?“ Ich blickte Jesko fragend an. Der
zuckte aber nur mit den Schultern. „Irgendwas von Transsilvanien hat Felix
gestern erwähnt, als du noch geschlafen hast“, meinte der Werwolf schließlich.
Seine Arme lagen jetzt um meine Schultern und seine Hände glitten langsam über
meinen Rücken.
Transsilvanien, das Land meiner Ur-Väter. Was sollten dort Werwölfe und Hybride
wollen. Eigentlich war es der völlig falsche Ort für sie. So würden sie nur noch
mehr zur Zielscheibe von Vampiren. Obwohl gerade die in Transsilvanien wohl
anders auf sie eingestellt waren.
„Dracula nannte Werwölfe 'Kinder der Nacht'.“ Ich sah zu Jesko auf. Eigentlich
wusste ich gar nicht, dass er den ältesten aller Vampire kannte.
„Woher weißt du das?“, fragte ich. Suchte weiter die Nähe und Wärme des Wolfes.
Und die gab er mir sogar. Ganz freiwillig.
„Ich hab mal ein paar Vampiren zugehört, wie sie über ihn geredet haben. Klang
ziemlich herablassend.“ Etwas Irritiertes lag in seiner Stimme. Er konnte sich
wohl nicht vorstellen, wie man so über seinen ältesten Verwandten reden konnte.
„Seit fast jeder weiß, dass er eine Menschenfrau geliebt hatte und sogar von ihr
getötet wurde, wird er nicht mehr sehr edel erwähnt. Dabei sind die meisten
geborenen Vampire Nachkommen von ihm.“
Jetzt blickte er mich erst recht verwirrt an. Es ist aber auch nicht gerade
einfach zu verstehen, wie es bei einem einzigen Vampir noch reinblütige
Nachfahren geben kann.
„Inzest“, meinte ich nur. Vorstellbar war das wohl fast nicht. Doch das wurde
nur getan und eben die Reinheit des Vampirblutes zu bewahren. Auch wenn es
anfänglich öfters auch vorgekommen sein musste, dass Kinder mit Menschen, die
vorher gebissen worden waren, gezeugt wurden. Pio war – so weit ich es wusste –
ein solches Kind. Bei seiner Mutter hatte mein Vater eben noch alles richtig
gemacht, was er bei meiner vergessen hatte.
„Das Vampire so etwas tun würden.“ Jesko schüttelte langsam den Kopf. Drehte
mich schließlich herum und schob mich etwas voran. Doch ich stemmte mich schon
im selben Augenblick gegen ihn.
„Ich möchte noch ein bisschen mit dir allein sein.“ Den flehenden Unterton hörte
sogar ich selbst aus meiner Stimme heraus. Wie weit war ich jetzt nur schon?
Jeskos Hände glitten über meine Schultern und an meiner Brust hinunter. Zärtlich
küsste er meinen Hals. Leckt über mein Schlüsselbein. Ich unterdrücke ein
unnötiges Keuchen, obwohl mein Körper vor Erregung bebt.
Ein weiteres Mal streifte die Nase des Werwolfes meine Kehle. Ich wusste, dass
er den Geruch wahrnahm. Er wollte aber wohl nur von mir hören, wieso ich so
duftete. Doch ich brauchte es nicht über die Lippen. Schwäche gestand ich mir
einfach nicht gerne ein. Und immerhin würde er es von selbst auch noch merken.
Wer wusste aber auch schon, wie viele von den anderen es schon bemerkt hatten?
„Lass uns wieder zurück gehen“, flüsterte mir Jesko ins Ohr. Jeder Gedanke an
meine Veränderung zu jeder Wintersonnenwende verflog abrupt. Rein bei der
ruhigen Stimme des jungen Werwolfe.
Für einen Moment konnte ich noch mit den Fingern über die seinen fahren, die
immer noch auf meiner Brust lagen, unter der mein Herz wie wild schlug. Das
spürte er sicherlich.
„Sag mir erst, was du für mich empfindest!“ Es klang von mir so sehr wie ein
Befehl. Dabei sollte es das gar nicht. Ich wollte es doch nur hören. Aus seinem
Mund.
„Ich bin mir irgendwie noch nicht so sicher.“ Das war doch nur eine Lüge von
ihm. Er wusste es. Traute er es sich etwa auch nicht aussprechen. Eigentlich
waren es doch nur drei kleine, einfache Worte. Und gerade die waren nicht so
einfach.
„Und wie sieht es bei dir aus?“ Seine Finger waren bis zu meinem Bauch hinunter
gewandert. Vorsichtig streichelte er darüber. Für eine Sekunde ließ ich das
einfach nur auf mich wirken.
Ich atmete einmal tief durch. Wenn er damit nicht anfangen wollte, dann sollte
ich das vielleicht tun. So schwer konnte das doch eigentlich gar nicht sein.
„Ich ... ich ... ich ... na ja ...“ - Verlegen kratzte ich mich am Handgelenk. -
„... ich glaube, dass ich ... ... ... wie soll ich sagen ... ich ...“ Er
unterbrach mich einfach in dem er seine Wange an die meine drückte.
„Wenn du nicht kannst, musst du es mir nicht sagen.“ Sanft klang seine Stimme in
meinen Ohren. Ließ mein Herz höher schlagen. Schneller. Ich fühlte mich
erleichtert, dass ich es nicht unbedingt aussprechen musste. Er zwang mich wohl
zu gar nichts.
„Tu es einfach, wenn du kannst.“ Das er beim Sprechen ein sanftes Lächeln auf
den Lippen hatte, musste ich nicht einmal sehen. Man hörte es fast schon aus
seiner Stimme heraus.
Leicht drehte ich den Kopf zu ihm. Vielleicht verstand er mich ja doch auch so.
Ganz ohne Worte. Möglicherweise waren wir uns ganz einfach auch schon so nahe,
dass ich es nicht einmal selbst merkte, was er fühlte.
„Jetzt gehen wir aber wirklich zurück“, flüsterte er. Und ich nickte auch
zustimmend. Was hätte ich aber auch anderes tun sollen. Mich weigern? Wäre wohl
eine dumme Idee.
Behutsam hob Jesko mich hoch. Wie mir die Röte ins Gesicht stieg spürte ich nur
im Ansatz. Ich würde doch selbst laufen können. Da brauchte ich doch nicht so
sehr seine Hilfe.
„Das muss doch nicht sein“, murmelte ich. So schwach war ich nun nach meinem
Fieber über die letzte Nacht hinweg auch wieder nicht. Eigentlich erholte ich
mich von so etwas aber auch schnell. Zumindest kam es mir selbst so vor.
„Ich mach es aber gerne“, säuselte Jesko. Das sanfte Lächeln, das sich dabei auf
seinen Lippen bildete, ließ mich nur noch mehr erröten. Eigentlich war ich mir
noch nicht mal darüber bewusst, dass sich so viel Blut in meinem Körper befand.
Wie konnte ich überhaupt dann so rot werden?
„Felix wird sich ohnehin um dich Sorgen machen. Also ist es besser.“ Irritiert
blickte ich auf. Mochte mich denn der kleine Hybride auch so sehr? Ich war mir
dem die ganze Zeit gar nicht bewusst. Dass sich Jesko überhaupt um mich sorgte
reichte mir eigentlich schon völlig. Früher war es immerhin so gut wie niemand,
dem ich einmal etwas wert gewesen wäre. Die Einsamkeit hat mich damals manchmal
so sehr zerfressen. Jesko konnte diese Wunden schon heilen. Und Felix ist nur
noch das Balsam, das noch zusätzlich aufgetragen wird, damit keine zu sehren
Narben entstehen.
Ein Lied in der Erschöpfung
Lost Angel
Kapitel 33 – Ein Lied in der Erschöpfung
Jesko’s PoV
Langsam verwirrte mich Jemils Geruch immer mehr. Doch er gab nicht einmal im
Ansatz den Grund dafür preis. So musste ich es wohl langsam selbst herausfinden.
Auch wenn ich das immer stärker werdende menschliche Aroma einfach nicht
verstehen konnte. Früher hatte ich es nie bemerkt, dass er in irgendeiner Form
einmal seinen Geruch verändert hätte. Vielleicht war ich ihm aber einfach nie so nah gekommen. Und ich war ihm wohl noch nicht nah genug.
Einige Stunden Fußmarsch reichten für Jemil eigentlich schon aus um ihn völlig
zu erschöpfen – auch wenn er es nicht zugeben wollte – und jeder Schritt, der
über seine Kraftreserven ging, war eine Qual für seinen Körper. Man sah es ihm
Tag für Tag mehr an, wie es an ihm nagte. Nur wollte er sich auch einfach nicht
helfen lassen. Egal wie erschöpft er vielleicht war. Und das war er auf alle
Fälle.
Doch er war sich wohl auch der Gefahr bewusst, wenn wir zu lange an einem Ort
bleiben würden. Er war sich im Klaren, wie leicht uns Pio doch aufspüren könnte,
wenn er nur wollte. Und wer weiß, ob ich das nächste Mal wieder schnell genug
zur Stelle war um ihn vor diesem Arsch beschützen zu können.
Doch Jemil konnte doch nicht auch einfach seine Gesundheit vernachlässigen, dass
hatte er doch jetzt schon wegen mir getan. Und ich fühlte mich bei der Tatsache
schon nicht ganz wohl.
„Jemil! Mach etwas langsamer!“ Ich hielt den Vampir am Arm fest. Er hetzte sich
immer weiter voran. Man konnte aber auch kaum mit den anderen mithalten, wenn
man zu lange stehen bleiben würde um zu verschnaufen.
„Ich bin doch gar nicht schnell.“ Merkte er es gar nicht? Er mühte sich doch nur
ab. Nur um nicht zu weit zurückzufallen und den Schutz der Gruppe zu verlieren.
Das musste doch wirklich nicht sein.
„Onkel Jemil!“ Freudig kam Felix auf uns zugelaufen – oder wohl eher auf Jemil.
Der Blonde blieb stehen, als der Kleine die Arme um ihn schlang. Wenn ich nur
gewusst hätte, dass das so einfach war, dann hätte ich es wohl auch gleich
genauso gemacht. Felix schmiegte sich mit kindlicher Zuneigung an ihn. Summte
leise vor sich hin. Und ich sah es an, wie Jemil es genoss. Er mochte den
Kleinen wohl sehr.
„Sotuganai hat gesagt, dass wir uns bald für den Tag fertig machen.“ Der Vampir
gab ein erlösendes Seufzen bei Felix' Worten von sich. Legte noch im selben
Moment die Arme um den kleinen Hybriden, der sich sofort noch enger an ihn
kuschelte.
Ich sah der Szene nur stumm zu. Jemil war bei Felix richtig fürsorglich, als ob
er sein kleiner Bruder wäre. Ich hätte mir eigentlich nie vorstellen können,
dass er so je mit jemanden umgehen könnte. Wenn er mich jetzt streichelte, kam
es mir sogar immer noch etwas seltsam vor.
Sanft löste der Vampir die Umarmung des Jüngeren. „Helfen wir doch einmal das
Lager für heute aufzubauen.“ Ein sanfter Unterton schwamm in seiner Stimme mit.
Etwas irritiert blickte ich Jemil an, wie der sich von dem Kleinen mitziehen
ließ. Dabei hatte der Vampir den Hybriden doch zum Helfen animiert.
Immer noch ganz perplex sah ich den beiden hinterher. Leicht schüttelte ich den
Kopf. Dieses Geräusch hatte ich mir doch jetzt sicher nur eingebildet oder war
es vielleicht von Felix gekommen? Ganz sicher war ich mir nicht. Aber ganz klar
hatte nicht Jemil so herzhaft kurz aufgelacht. Oder vielleicht doch?
Ich lief den beiden erst nach einigen Minuten hinterher. Sonst ließ ich mich
eigentlich nicht so einfach verwirren. Doch jetzt riss mich das völlig aus der
Bahn.
Zusammen sahen Jemil und Felix aber auch wirklich zu süß aus. Vor noch einiger
Zeit hätte ich mir wohl auch nie vorstellen können, dass er mit einem Kind
umgehen könnte.
Auf einer größeren Wiese wurde schon begonnen Zelte aufzubauen. Und einige der
jüngeren Hybride und Werwölfe waren schon zum Schlafen geschickt worden. Nur
noch vereinzelt liefen noch welche der Jüngeren herum.
Mein Blick schweifte über den Platz. Ich war im Grunde nur auf der Suche nach
'meinem' Vampir. Und normalerweise konnte ich ihn sonst mit Hilfe meines
Geruchsinnes ganz leicht aufspüren. Aber sein Aroma irritierte mich ja leider
momentan so extrem. So konnte ich ihn nicht einmal erschnüffeln.
Ich hielt dennoch meine Nase für eine Sekunde in den Wind. Ein Geruch stieg mir
schon in die Nase. Doch es war der falsche.
Felix' Stimme riss mich schlagartig aus meinen Gedanken. Er kam ganz aufgelöst
auf mich zu. Tränen liefen ihm über die Wangen.
„Was ist denn?“, frage ich ihn verwirrt, als er sich schluchzend an meinem Arm
festhielt und mich wegziehen wollte.
„Onkel Jemil ...“, brachte er nur heraus. Heulte wieder los. Jetzt konnte ich
mir zu mindest im Ansatz vorstellen, was los war.
Um ein halb aufgebautes Zelt scharten sich einige Werwölfe. Wahrscheinlich
hatten die gerade nichts zu tun.
Etwas ruppig kämpfe ich mich durch die Menge. Und natürlich lag dort Jemil.
Eigentlich hätte ich es mir denken können, dass er es einfach nicht so lange
aushalten würde. Sein Körper machte so viel einfach nicht mit.
„Verzieht euch!“, zischte ich und mit der Zeit lichtet sich die kleine Gruppe
wieder. Bis bald nur noch Felix neben mir stand. Ich hatte mich neben Jemil
gesetzt. Sein Kopf lag auf meinem Schoss.
Vorsichtig hob ich den Vampir hoch. „Wart' mal einen Moment“, meinte ich zu dem
kleinen Hybriden, der Jemil immer noch besorgt ansah.
Ich lege den Blonden unter einen nahe gelegenen Baum. So hätte ich ihn für die
nächsten Minuten noch etwas im Augen.
Kurz strich ich Jemil noch über die Stirn. Er war nicht warm, also hatte er sich
wohl wirklich nur überanstrengt. Sein Körper hielt das alles einfach nicht aus.
Im Grunde hatte ich das von Anfang an gewusst. Und das hätte ich auch Sotuganai
klar machen sollen. Doch so weit war ich eben einfach nicht gekommen.
Noch einen Moment fuhr ich über sein weiche Haar, bevor ich mich zu Felix
umdrehte. Der Kleine saß auf dem Boden. Blickte mitleidig zu mir und Jemil
herüber. Einen letzten Blick warf ich noch auf dem Vampir. Dann bewegte ich mich
zurück zu Felix.
Das Zelt stand schnell genug. So konnte ich mich auch bald wieder Jemil widmen.
Der saß mittlerweile unter dem Baum, an dem ich ihn zurückgelassen hatte. Doch
bevor ich überhaupt zu ihm kam, hatte das schon längst der kleine Hybride getan.
Schlang seine Arme um den Vampir.
„Onkel Jemil!“ Krampfhaft klammerte sich der Kleine an den Blonden. Wollte ihn
schon gar nicht mehr loslassen. Erst als ich ihn von Jemil wegzog. Etwas
eingeschnappt sah er mich an.
„Ab ins Bett!“, meinte ich, erhielt darauf aber auch nur einen schmollenden
Gesichtsausdruck.
„Darf ich bei euch schlafen?“, fragte Felix auch schon und ich wollte sofort
ablehnen, doch da bejahte Jemil schon. Völlig geschockt blickte ich den Vampir
an, als er den kleinen einen Stoß in Richtung unseres Zeltes gab. Gerade dieses
hatte Sotuganai eigentlich nur für uns freigegeben, weil ich ihn geradezu darum
angebettelt hatte. Obwohl es eigentlich ohnehin viel zu wenig Platz gab. Und
jetzt musste ich es wieder teilen. Wahrscheinlich sogar Jemil.
Da spürte ich aber schon die sanfte Umarmung des jungen Vampirs um mich. „Ich
mag den Kleinen“, flüsterte er. Es war kaum hörbar und doch fühlte man
regelrecht wie ehrlich er es meinte.
Im ersten Moment hm-te ich nur. Doch dann kam mir ein Gedanke. „Und wie sieht
das bei mir aus?“ So könnte ich ihm wohl das Richtige entlocken.
„Dich auch“, murmelte er. Legte den Kopf dabei an meine Schulter. So recht hatte
das für mich nicht glaubwürdig geklungen.
„Das meine ich ernst!“ Ich zuckte leicht zusammen, als er das von sich gab. Sich
noch enger an mich schmiegte.
Jemil zitterte etwas. Kein Wunder aber auch bei den Temperaturen. Die war er
wohl auch eigentlich gar nicht gewohnt. Im Schloss seines Vaters, irgendwo im
Nirgendwo, wurde aber auch immer gut geheizt, dass hatte ich auch selbst bemerkt.
Mein Blick schweifte in Richtung Horizont. Dort bildete sich gerade ein schmaler
Streifen Licht. Ging also schon die Sonne auf.
„Du gehörst jetzt wohl auch besser ins Bett“, hauchte ich dem Vampir ins Ohr.
Langsam nickte er.
„Kommst du auch mit?“, fragte er, als sich unsere Finger von einander lösten, da
er schon ein Stück vorgegangen war. Ich schenkte ihm ein sanftes Lächeln, das
wohl als Antwort ausreichte. Zumindest schloss ich das grob aus seinem
Gesichtsausdruck. Wirklich Gefühle konnte man da bei ihm irgendwie nie so recht
erkennen..
„Na dann komm!“ Ich nahm Jemil wieder an die Hand. Gefügig kam er auch mit mir
mit.
Ich konnte kurz darauf im Zelt gar nicht so schnell schauen, wie sich der junge
Vampir bis auf die engen Retroshorts auszog und zu Felix, der sich schon unter
die warme Felldecke gekuschelt hatte, kroch.
Eng an eng lagen die beiden nebeneinander, als ich mich zu ihnen gesellte. Sie
wirkten wirklich wie Brüder. Felix vertraute wohl Jemil auch sehr. Sonst würde
er sich aber auch nie so an ihn kuscheln.
Sie flüsterten sich gerade etwas zu, als ich die Arme vorsichtig um den blonden
Vampir legte und ihn leicht zu mir zog. Der kleine Hybride verzog deswegen nur
sein süßes Gesicht. Es passte ihm wohl so gar nicht, dass sich Jemil von ihm
lösen musste.
Doch das interessierte mich einfach einmal nicht. Meine ganze Aufmerksamkeit lag
auf dem jungen Vampir, der sich zaghaft an mich kuschelte.
„Wollt ihr eher allein sein?“, fragte da auf einmal der Hybride. Genauso
verwirrt wie ich blickte auch Jemil in an.
„Wie kommst du denn darauf?“ Irritiert lächelte ich. „Weil ihr was machen wollt,
wobei ihr mich nicht brauchen könnt“, kam da auch gleich die Antwort. Trocken
lachte ich auf. Wie kam der Kleine auf solche Dinge.
„Woher weißt du nur so etwas?“ Liebevoll wuschelte Jemil Felix durch das braune
Haar. Der versuchte sich das natürlich sofort wieder zurecht zu machen.
„Meine Mama und mein Papa haben früher auch immer gekuschelt und dann hat Mama
immer so komisches Zeug von sich gegeben.“ Wie kindlich der Kleine das doch
erzählte und dabei verstand er noch nicht einmal, was seine Eltern da gemacht
hatten. War sich nur so ziemlich darüber im Klaren, dass man ihn dabei nicht
gebrauchen konnte.
„Dafür wäre ich viel zu erschöpft“, seufzte Jemil, bevor ich überhaupt etwas
sagen konnte. Er zog auch schon Felix wieder zu sich. Genüsslich kuschelte der
Kleine sich auch gleich an die Brust des Vampirs.
Und wieder fühlte ich mich fast schon ausgeschlossen. Wie das sprichwörtliche
fünfte Rad am Wagen.
Ich hörte Jemil eine Melodie vor sich hinsummen. Es kam mir vor, als ob er
versuchte sich an den Text eines Liedes zu erinnern. Für einen Moment schloss
ich die Augen. Bemühte mich das Summen einem Lied zuzuordnen. Doch bevor ich
eigentlich darauf kam hörte ich den Vampir schon leise singen.
Schlafe mein Prinzchen, es ruhn Schäfchen und Vögelchen nun.
Abrupt schlug ich die Augen wieder auf. Eigentlich war ich mir gar nicht im
Klaren darüber, dass Jemils Stimme so schön klingen konnte. Und das er singen
konnte, wusste ich auch nicht. Und dann auch noch gerade zu perfekt. War das
denn wirklich der Vampir, der manchmal Werwölfe wie Dreck behandelte? Es konnte
doch gar nicht mehr ein und dieselbe Person sein. Irgendjemand musste mir da
einen anderen Jemil untergeschmuggelt haben.
Selbst mir wurden die Lider schwer, als der junge Vampir seinen sanften Gesang
beendete. Aber ich konnte mich – im Gegensatz zu Felix, der in Jemils Armen
eingeschlafen war – wieder fassen.
Mit offenen Mund starrte ich Jemil an. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen,
dass er so schön singen konnte. Mit so einem intensiven und doch ruhigen Ton.
„Woher kannst du das?“, fragte ich. Meine Augen konnte ich nicht mehr abwenden.
„Meinte Mutter hat es mir früher vorgesungen, als ich noch bei ihr lebte. Ist
schon eine ganze Weile her.“
Er rollte sich mit samt dem kleinen Hybriden auf die Seite. Drückte ihn leicht
an sich. „Das Lied ist das Einzige, an das ich mich noch von meiner Mutter
erinnern konnte“, flüsterte er.
Nur ein...
Lost Angel
Kapitel 34 – Nur ein...
Jemil’s PoV
Noch nie hatte ich mit irgendjemanden auch nur im Ansatz über meine Mutter
geredet. Vielleicht einfach nur, weil ich selbst so gut wie nichts mehr von ihr
wusste. Nur dieses Lied war in meinem Gedächtnis zurückgeblieben. Nicht mal an
ihr Gesicht konnte ich mich erinnern.
Ich spürte, wie Jesko seine Arme um meine Taille legte. Seinen Kopf drückte er
an meine Schulter.
„Ich kann mir vorstellen, dass du nicht darüber reden willst“, hauchte er mir
ins Ohr, „wenn du aber trotzdem willst, dann höre ich gerne zu.“ Ich hörte
regelrecht, wie er sanft lächelte.
Zaghaft drehte ich mich zu dem Werwolf herum. Passte nur auf, dass Felix immer
schön unter der Decke blieb.
Die leichte Wärme, die Jesko abgab, heizte mich schon genügend auf und trotzdem
kuschelte ich mich an ihn.
In jedem Moment in dem ich länger in seinen Armen lag, wurde ich müder. Nur bei
ihm konnte mir das passieren. Sonst fand ich einfach bei niemanden richtig Ruhe.
Einmal atmete ich tief durch. „Eigentlich weiß ich nichts mehr von damals.
Selbst ihr Gesicht hab ich vergessen. Aber ... ich kann mich noch an den Tag
erinnern, an dem sich meine Vampirfähigkeiten das erste Mal gezeigt haben. Das
war eigentlich der letzte an dem ich bei ihr war.“ - Für einen Moment setzte ich
aus. Schloss die Augen um mich noch einmal in diesen Augenblick hineinversetzen
zu können. - „Damals war ich schon kurz vor Sonnenaufgang draußen. War durch das
kleine Dorf in dem ich mit meiner Mutter lebte marschiert. Ich sollte für sie
ein paar Semmeln holen. Weil sie die ganze frischen wohl am liebsten moche.“ -
Ein weiteres Mal hielt ich inne. - „Als ich aus der Bäckerei wieder rausgegangen
bin, war die Sonne schon aufgegangen und das Licht viel auf meine Haut. Im
ersten Moment hatte ich es gar nicht richtig wahrgenommen. Doch es begann
plötzlich zu brennen. Wäre ich wohl nicht schnellstmöglich wieder in den
Schatten gekommen, dann wäre ich verbrannt. Einfach zu Asche zerfallen.“
Ich schluckte. Dass das alles schon so lange her war. Mit der Zeit würden die
Erinnerungen wohl verwischen. Irgendwann würde es weg sein. Und ich würde
einfach vergessen. Ob es wohl wirklich so einfach war?
„Meine Mutter hat mich gesucht, als ich nach einer halben Stunde noch nicht zu
Hause war. Verdammte Sorgen hat sie sich um mich gemacht. Aber als sie mich in
dieser Ecke sitzen sah, wusste sie wohl schon, was passiert sein musste. Es ist,
als ob ich jetzt noch ihr Schluchzen hören könnte. ... Seltsam, dass ich mich
aber sonst nicht an sie erinnern kann.“
Jesko drückte mich an sich. Noch enger. „Und dann hat dich ...“, begann er, doch
ich unterbrach ihn einfach. „Mein Vater hat mich in dieser Nacht zu sich geholt.
Damals hatte ich auch das erste Mal Pio kennengelernt. Mir wurde auch seit
diesem Tag eingeredet, dass seine Mutter auch die meinige wäre. Und ich hatte es
geglaubt, je länger es mir gesagt wurde. Erst vor einem Jahr wurde mir dann
wieder von meiner richtigen Mutter erzählt und dass sie ... ein Mensch war. ...“
Ich legte meinen Kopf an Jeskos Brust. Sein Herzschlag hielt mich regelrecht
davon ab einfach loszuheulen. Er beruhigte mich gerade zu.
Leicht biss ich mir auf die Zunge. „Und was den seltsamen Geruch angeht“,
murmelte ich, „den werde ich jetzt wohl bis so gegen Mitternacht behalten.“ Es
war so weit. Pünktlich zum neuen Tag vor ein paar Stunden hatte ich es bemerkt.
Der Vampir in mir hatte sich komplett meiner menschlichen Hälfte geschlagen
gegeben.
„Wieso?“ Die Frage kam gerade zu gerechtfertigt. Selbst hatte ich es auch erst
verstanden, als ich erfuhr, was meine richtige Mutter war bzw. wieder
erfuhr. „Weil sich einmal im Jahr der menschliche Teil im mir durchsetzt und das
ist heute.“
Ich sah langsam zu Jesko auf. Der Schrecken war ihm buchstäblich ins Gesicht
geschrieben. „Dann bist du jetzt ... dann bist du jetzt nur ein ... ... ...
ein ... Mensch?“ Ich nickte nur langsam. Es war so. Ich war nur ein sinnloser,
schwacher Mensch. Mehr nicht.
„Und das bis heute irgendwann in der Nacht?“, fragte der Werwolf da auch schon.
Ich nickte wieder. Den gesamten Tag über würde ich so bleiben.
Leicht fuhr ich mir mit der Zunge über die Zähne. Selbst meine spitzen Eckzähne
hatten sich zurückgebildet.
„Dann kannst du aber an die Sonne!“ Was lag denn da jetzt so Freudiges in Jeskos
Stimmen. Gefiel ihm die Tatsache vielleicht ein wenig, dass ich nichts mehr von
einem Vampir an mir hatte.
„Kann schon sein“, murmelte ich. Nie hatte ich das ausprobiert, ob ich an diesem
Tag ins Sonnenlicht könnte. Vor allem nicht, seit mich Pio für seine Spielchen
missbraucht hatte. In diesen einen 24 Stunden hatte ich mich aber auch meist
überhaupt nicht aus meinen Zimmer getraut.
Abrupt zog mich Jesko hoch. „Das probieren wir jetzt einfach aus“, bestimmte er
einfach und sammelte schon meine Sachen wieder ein, die er mir auch im hohen
Bogen zuwarf. Etwas irritiert stand ich erst nur da, bevor ich die Klamotten
dann auch nahm und sie mir anzog. So sicher war ich mir gar nicht, ob das jetzt
funktionieren würde.
Kurz darauf hatte mich der junge Werwolf wirklich nach draußen geschliffen. Im
ersten Moment versuchte ich mich noch etwas im Schatten zu halten. Wo mich die
Sonne überhaupt nicht erreichen konnte. Doch da packte mich Jesko schon einfach
am Arm und zog mich ins Licht.
Es brannte nicht. Tat gar nicht weh. Fühlte sich sogar richtig angenehm an. Ganz
warm. Ich hatte dieses Gefühl zwar all die Jahre nie vermisst, aber es war
einmal wieder schön. Eigentlich hatte ich es aber auch gar nicht wirklich
gekannt.
„Du genießt das ja richtig.“ Jesko hatte mir seine Arme um die Schultern gelegt
und seine Kopf auf den meinen. Er war schon ein Stück größer als ich.
„Es ist nur so schön warm“, erwiderte ich schließlich. Blickte gen Himmel.
Einige Wolken hatten sich dort gebildet. Nur kleine. Zum Schneien würde es somit
wohl nicht anfangen. Dabei gewöhnte ich mich langsam an die Kälte und an dieses
wunderbare Weiß.
„Du tust ja gerade so, als ob es Frühling wäre.“ Jesko kicherte leicht. Es
amüsierte ihn wohl sehr, dass ich diese Art von 'Warm' nicht kannte. Die Nacht
war einfach schon immer kälter gewesen, als der Tag. Und für ein Wesen der
Finsternis, wie mich, konnte es doch nur etwas besonderes sein, wenn es einmal
ins Licht durfte.
Ich drückte mich etwas zurück. Spürte ganz leicht das ewige Heben und Senken der
Brust des Werwolfes. Wieder etwas, dass mich so unglaublich entspannte.
Ich begann leicht auf meiner Zungenspitze zu kauen. Eigentlich sollte ich mich
gar nicht erst so an ihn kuscheln. Sonst würde er doch nie damit herausrücken,
was er für mich empfand. Vielleicht sollte ich ihn auf körperlichen Entzug
schicken und es dann aus ihm heraus quetschen.
Aber wäre das nicht eigentlich richtig gemein? Ich gab doch auch nichts von
meinen Gefühlen preis. Außer das ich es ihm vielleicht mit ein paar
Zärtlichkeiten zeigen wollte. Doch das verstand er nicht. Zumindest schien es
nicht so ganz.
Jesko ging einen Schritt zurück und legte seinen Kopf auf meine Schulter. Wie
lange würde es wohl dauern, bis der Wolf in ihm sich nicht beherrschen konnte
und wegen dem Menschengeruch auf mich losgehen würde? Im Grunde war ich gerade
nicht mehr, als sein eigentliches Futter, auch wenn die Werwölfe den einen
Vorteil gegenüber Vampiren hatten, dass sie auch normale Sachen essen konnten.
Mir war es als Halbvampir gerade einmal vorbehalten mich an pflanzlichen Dingen
auch satt essen zu können. Obwohl das wohl manchmal kaum möglich war. Blut war
für mich genauso lebensnotwendig, wie für jeden anderen Vampir.
Jesko seufzte. „Frierst du auch nicht?“, fragte er. Etwas sinnlos, wie ich fand.
Wie sollte mir denn bei ihm je kalt sein.
Ich schüttelte den Kopf. Da schmiegte er aber schon den seinen an meinen Hals.
Es kitzelte ganz leicht, wenn eines seiner Haare meine Haut streifte.
Er flüsterte mir etwas ins Ohr, was ich eigentlich kaum verstand. Aber trotzdem
war es laut genug. „Das sagst du doch nur so!“ Mir stiegen Tränen in die Augen.
Das Einzige, auf das ich eigentlich gewartet hatte einmal von ihm zu hören und
dann fing ich wieder an zu heulen, wenn er es endlich von sich gab.
„Das würde ich nie. ... Verdammt Jemil ... Ich kann einfach nicht anders. ...
Ich ... liebe ... dich!“
Nur drei verflucht kleine Worte. Und sie jagten mir einen solchen Schauer über
den Rücken. Das ich sie gar nicht glauben konnte, könnte man einfach einmal
hinten anstellen.
„Du hast es doch die ganze Zeit schon gespürt, sonst hättest du dich doch nie so
langsam so unglaublich nah an mich herangewagt.“ So begriffsstutzig war er dann
wohl doch nicht, wie ich gedacht hatte.
„Ich dich auch“, hauchte ich nur. Es war viel einfach, als es anders zu sagen.
Da hatte ich aber leider ganz ohne Jesko gerechnet. „Sag es richtig!“ Ich kniff
nur die Augen zusammen. Atmete tief durch. „Ich ... ich ... ...“ Weiter kam ich
einfach nicht. Konnte er es nicht verstehen, wie schwer es für mich war, dass
jemanden zu sagen.
Abrupt ließ er mich los. Stapfte mürrisch an mir vorbei. Er verstand es wohl
wirklich nicht. „Dann tuest du es wohl wirklich nicht.“
Er drehte sich leicht wieder zu mir und biss sich etwas auf die Unterlippe. Doch
es war wohl doch ein bisschen zu viel. Langsam begann das Blut zu tropfen.
Färbte den Schnee zu den Füßen des Werwolfes rot.
Zaghaft berührte ich seine Lippe. Wischte die rote Flüssigkeit von dort weg. Und
wieder widerte es mich an, dass ich es an den Fingern hatte. Dieses verfluchte
rote Zeug. Doch Jesko erlöste mich gleich davon. Leckte es mir von den Fingern.
Wie gebannt sah ich ihm dabei zu. Wie seine Zunge sich über meine Fingerspitzen
bewegte. Immer wieder warf er mir dabei einen kurzen Blick zu.
Es hatte kaum einen Minute gedauert. Da ließ er meine Hand schon wieder sinken.
Aber ich konnte einfach nicht von ihm los kommen. Legte ihm einen Arm um den
Nacken. Drückte meine Stirn gegen seine Brust.
„Ich liebe dich ... ich liebe dich ... ich liebe dich ...“, immer wieder
murmelte ich es vor mich hin, bis er seine Finger um mein Kinn legte und meinen
Kopf leicht anhob. Mein Atem war in ein Stocken übergegangen. Jedoch machte sein
Lächeln das ganz einfach wieder weg.
Doch als er mir mit seinen Lippen näher kam, raste nicht nur mein Herz. Ich ging
einfach auf den Kuss ein. Es fühlte sich sogar gut an, dass uns wohl nur ein
paar Vögel dabei zusahen. Die Werwölfe schliefen alle schon oder noch. Genauso
wie die Hybride. Einmal fühlte sich die Einsamkeit richtig gut an. Obwohl ich
gar nicht alleine war. Jesko war bei mir. Und das sollte sich nie ändern.
Ich keuchte, als sich der Werwolf wieder von mir löste. Seine braunen Augen
konnten sich wohl gar nicht von mir lösen. Mein Herz schlug auch immer noch wie
wild. Was er doch eigentlich alles in mir auslöste. Es hatte noch nie jemand
einfach so geschafft, dass ich Herzrasen hatte. Oder dieses Kribbeln in meinem
Magen. Wie wenn sich dort Tausende von Schmetterlingen tummeln würden.
Auf einmal überkam mich die Müdigkeit wie ein Schauer. Leicht sank ich zusammen.
Krallte die Finger in Jeskos Shirt, nur damit ich nicht ganz auf die Knie
rutschte.
„Wie wäre es jetzt mit ein bisschen Schlaf?“, hauchte mir der Wolf ins Ohr.
Sofort schüttelte ich den Kopf. Ich wollte noch nicht schlafen. Lieber würde ich
auf ewig neben ihm wach liegen. Egal was kommen würde. Doch da widersprach er
mir auch gleich: „Es sieht aber ziemlich so aus, als ob du dich dringend etwas
aufs Ohr legen müsstest.“
Ich konnte gar nicht mehr so schnell schauen, wie er mich auf einmal über seine
Schulter warf. Wie wild begann ich mit den Beinen zu schlagen. Hämmerte mit den
Fäusten auf seinem Rücken. „Lass mich runter!“, fauchte ich, wie eine wütende
Katze. „Entspann dich!“ Wie konnte er denn nur so vergnügt klingen. Und
entspannen würde ich mich jetzt auch ganz bestimmt nicht.
„Verdammtes Arschloch! Lass mich runter!“, brüllte ich. Würde wohl noch das
ganze Lager wieder aufwecken. Doch das war mir gerade so ziemlich egal. Sollten
sie doch merken, was er gerade mit mir machte.
Jesko schüttelte nur leicht den Kopf. Ihn störte mein Gezeter wohl überhaupt
nicht. Er drückte mich nur ganz vorsichtig an sich. „Beruhige dich doch einfach
und lass dich tragen“, meinte er. Klang dabei immer noch so belustigt.
Ich verschränkte schmollend die Arme. Dann würde ich jetzt eben eingeschnappt
sein. Vielleicht passte ihm das ja mehr.
„Plötzlich so ruhig?“, fragte er, als er mich im Zelt auf die Felldecke fallen
ließ. Felix war wohl zum Glück nicht wach geworden.
„Kann doch dir egal sein!“, schnaubte ich. Drehte mit einem wütenden Blick den
Kopf weg. Ich hörte sein überdeutliches Seufzen. Und für das, was er dann sagte,
hätte ich ihm wohl am liebsten den Hals umgedreht: „Führ dich nicht auf, wie ein
trotziges Kind! ... Oder sind das jetzt die Nebenwirkungen des Menschseins?“
Einige Minuten blieb er ruhig. Setzte sich dann neben mich. „War doch nicht so
gemeint.“ Vorsichtig legte er mir einen Arm um die Schulten. Liebkoste leicht
meinen Hals. Als ich ein erregtes Seufzen von mir gab, ließ er abrupt von mir
ab. „Was ist denn?“, fragte ich. Gerade wollte er sich wieder so an mich heran
machen, aber kaum reagierte ich auf seine sanften Küsse ging er auf Distanz.
„Wir sollten das hier nicht machen ... und auch nicht weil du gerade ... na ja,
weil du nur ein Mensch bist.“ Er sah weg.
„Was soll denn das 'nur' heißen? Ich bin immer noch Jemil. Nur weil sich gerade
das Vampirblut eindämmen hat lassen, bin ich kein anderer.“ Reumütig blickte er
wieder zu mir. „Ich weiß. Aber ... vielleicht würde ich dir - so wie du jetzt
bist - wehtun.“
War das sein einziger Grund? Wollte er mich einfach nicht verletzen?
Ich lehnte mich an ihn. Mit der Zeit fielen mir die Augen zu und an seiner
Schulter war es gerade am bequemsten.
Doch durfte ich das eigentlich fühlen, was ich fühlte? Ich war mir doch gar
nicht im Klaren, was es bedeutete jemanden zu lieben oder von jemanden geliebt
zu werden. Wer hatte das denn auch in den letzten Jahren für mich getan?
Niemand. Jesko war der Erste nach so langer Zeit, die mir vorkam, wie eine
Ewigkeit.
Lachen hilft eigentlich gegen alles
Lost Angel
Kapitel 35 – Lachen hilft eigentlich gegen alles
Jesko's PoV
Ich machte mir gerade verdammte Sorgen um Jemil. Bis Mitternacht könnte man ihm
wohl noch wirklich alles antun, was man wollte. Er war so hilflos, wie ein
kleines Kind, das man alleine in einem von wilden Tieren heimgesuchten Dorf
zurückgelassen hat.
Unter solchen 'wilden Tieren' befand sich der junge Vampir wohl gerade auch. Die
Werwölfe – und somit auch ich – waren doch nicht mehr. Wenn sie erst einmal
merken würden, dass er gerade nur ein Mensch war, dann würden sie sich auf ihn
stürzen. Der Wolf in mir wurde doch wegen seines Geruches schon ganz irre. Ich
war mir nicht so sicher, ob ich das den ganzen Tag über aushalten würde.
Meine Finger zitterten, als ich Jemil den Arm um die Schultern legten. Schon
wieder waren wir über zwei Stunden unterwegs. Dadurch, dass es so nah an der
Sonnenwende war, war auch der Tag so verdammt kurz. Somit hatte der junge Vampir
auch kaum Schlaf gefunden.
Mein Blut geriet in Wallung. Ich konnte so gut wie nicht atmen. Sein Geruch ließ
den Wolf in mir ausrasten. Er wollte fressen. Doch das würde ich nicht zulassen.
Jemil würde ich nicht einfach beißen und am Ende vielleicht auch noch umbringen.
Dafür war er nicht geschaffen. Und erst recht hatte ich ihm dafür nicht gesagt,
was ich für ihn fühlte.
„Was siehst du mich denn so an?“ Etwas verlegen blickte er zu mir auf. Das er so
überhaupt schauen konnte. Sein Gesichtsausdruck war einfach nur zu süß.
„Nichts.“ Ich kratzte mich am Hinterkopf. Verdammt. Wenn das immer so sein
würde, wenn ich einen Menschen roch, dann könnte ich mir gleich selbst die Kugel
geben. Das konnte man doch gar nicht aushalten.
„Du kannst dich wohl kaum beherrschen.“ Und obwohl er das wusste, legte er
seinen Kopf an meine Schulter. Kuschelte sich genüsslich leicht an mich.
Ich könnte ihm wohl eigentlich gar nichts antun. Nicht solange er so an mir
hing. Das wäre doch gar nicht gerächt. Er hätte mich auch schon so oft einfach
beißen können. Mich damit so leicht töten können. Und kein einziges Mal hat er
es getan.
Ich blickte von Jemil auf. Vor uns spielten einige junge Hybride und Werwölfe
fangen. Felix war auch darunter. Früher hatte der blonde Vampir auch einmal so
mit Mila gespielt. Oft hab ich ihnen dabei zugesehen. Nur selbst hatte ich nie
mitmachen dürfen. Es war weder ihnen noch mir gestattet zusammen zu spielen.
Auch sonst hatte ich nie jemanden zum Herumtollen. Die anderen Werwölfe waren
alle älter. Hatten sich nur wirklich rührend um mich gekümmert.
Irgendwann – ich war vielleicht 11 oder 12 Jahre alt – hatte das aufgehört. Er
wurde kalt. Eis war vielleicht noch etwas Warmherziges gegenüber ihm. Er hatte
einfach aus Langeweile angefangen sich immer wieder Werwölfe herauszusuchen und
sie zu schlagen und zu treten. Möglicherweise war es keine Langeweile. Es könnte
eigentlich auch sein, dass er einfach seine Wut an uns ausgelassen hatte. Seine
Wut auf sich selbst.
Ich hatte es einmal gesehen, wie er einen anderen Wolf fast zu Tode geprügelt
hatte. Er hatte dabei geweint. Biss dabei aber krampfhaft die Zähne zusammen um
es zu unterdrücken. Aber ich habe es gesehen. Wie gerne hätte ich ihn doch
damals schon in den Arm genommen. Nur hatte ich es einfach nicht gekonnt. Oder
wohl eher ... gedurft.
Jemil seufzte. „Die Kleinen sind wirklich süß“, meinte er. Sah, wie ich, den
kleinen Hybriden und Werwölfen zu. Wie sie durch den Schnee tollten. Es würde
ihm vielleicht sogar gut tun. So ein Kind. Es war doch sogar normal, dass man
Leuten, die in der Psychiatrie waren, nach ihrem Aufenthalt irgendetwas gab, um
das sie sich kümmern konnte. Auch wenn es nicht unbedingt gleich ein Kind sein
müsste.
Immer enger schmiegte sich der Vampir an mich. Und mir stieg wieder so extrem
dieser menschliche Geruch in die Nase.
„Wie lange noch?“, flüsterte ich. Kniff die Augen zusammen. „Noch ein paar
Stunden. ... Du hältst das schon durch.“ So sicher war ich mir da nicht.
Eigentlich war er doch gerade nur noch Futter für mich.
„Würdest du einfach zubeißen?“ Ich drückte seinen Kopf noch etwas weiter an
meine Schulter. Kraulte ihn leicht hinterm Ohr. So wie er es sonst immer bei mir
machte. „Würde ich wohl nicht“, erwiderte ich schließlich. Auch wenn sein Geruch
das ziemlich schnell auch ändern könnte.
„Dann ist es ja gut. Es wird immerhin jedes Jahr wieder passieren, dass ich für
diesen Tag ein Mensch sein werde.“ Gerade das jagte mir aber Angst ein. Ich
könnte einfach über ihn herfallen. Ihn zerreißen. Eigentlich würde ich das nie
wollen. Doch was wenn ich mich einfach einmal nicht unter Kontrolle hätte. Jeder
Zeit könnte ich ihm einfach etwas antun.
„Ich vertraue dir“, hauchte mir da aber schon Jemil ins Ohr. Löste sich schon in
der nächsten Sekunde von mir und stapfte etwas näher zu den Jüngeren, die sich
gerade wie wild mit Schneebällen bewarfen.
„Onkel Jemil!“ - Felix lief auf den jungen Vampir zu - „Spiel ein bisschen mit!“
Abrupt packte der Kleine ihn am Arm und zog ihn einfach mit. Etwas irritiert
blickte ich den Beiden hinterher.
Genauso schnell, wie er sich Jemils Arm gepackt hatte, ließ Felix ihn auch
wieder los. Aber auch nur um sich etwas Schnee zu krallen und ihn zu einen Ball
zu formen. Und schon im nächsten Augenblick warf er ihn nach dem Vampir. Doch
der Schnee flog nur knapp an seinem Kopf vorbei. Es kam mir im ersten Moment gar
nicht so vor, als ob Jemil darauf eingehen würde. Doch da hagelte es nur so
Schneebälle auf den kleinen Hybriden, der ihnen nur mit Mühe und Not ausweichen
konnte.
Ein fieses Grinsen bildete sich auf meinen Lippen. Das würde ich doch jetzt
nicht zulassen, dass er sich einfach so auf den Kleinen stürzen würde. Der hätte
doch nie gegen ihn eine Chance.
Langsam schlich ich mich an Jemil heran. Zuvor hatte ich mir auch etwas von dem
Schnee genommen. Als ich nur noch ein paar Meter hinter ihm war, rief ich
einfach seinen Namen. Natürlich wirbelte der Vampir sofort herum. Da landete das
kalte Weiß aber schon in seinem Gesicht. Auf Anhieb kicherte ich los. Jemils
Gesichtsausdruck war einfach zu goldig.
„Jesko!“, fauchte er da aber schon. Konnte sich aber gar nicht lange aufregen.
Da sich schon Felix wieder auf ihn stürzte. Mit Schnee um sich werfend landeten
die beiden auf dem Boden. Ganz sicher, ob das gerade alles passierte, war ich
mir auf einmal nicht mehr. Jemil lachte. Ja, er lachte richtig. Bekam sich gar
nicht mehr ein.
Da bombardierte ihn der kleine Hybride aber schon wieder mit einer ganzen Ladung
Schnee. Vielleicht sollte ich ihm einmal helfen. Sonst würde er noch unter den
weißen Massen begraben werden.
Ich packte Felix unter den Armen und zog ihn von Jemil weg. Wild schlug der
Kleine um sich, als sich der Vampir aufsetzte. Immer noch kicherte. Schon lange
waren die anderen stehen geblieben. Sahen uns etwas irritiert bei unserem Spiel
zu.
Gerade hatte sich der Blonde wieder halbwegs eingekriegt, als ich Felix wieder
auf dem Boden absetzte. Langsam wollte der Vampir aufstehen. Sank aber wieder
zurück. Kicherte erneut los. Und ich konnte es auch nicht mehr zurück halten.
Der Kleine tat Jemil wohl wirklich gut. Gerade zu, zu gut. So lachen hatte ich
ihn eigentlich noch nie gehört. Einfach so im Schnee hätte er wohl auch nicht
einfach so getobt.
Ein weiteres Mal versuchte der Vampir aufzustehen. Schaffte es auch endlich.
Erst jetzt riss sich auch Felix wieder von mir los. Lief strahlend zu Jemil und
schlang auch gleich die Arme um dessen Taille.
„Das reicht jetzt aber wieder.“ Der Blonde wuschelte dem kleinen Hybriden durchs
Haar. Der aber schon im nächsten Moment das Gesicht verzog. „Lass uns doch noch
ein bisschen spielen.“ Der Kleine schob die Unterlippe nach vorne. Doch Jemil
schüttelte den Kopf.
„Nimm mich nicht so hart ran.“ Der Vampir strich Felix über die Wange. Dann sah
er auch schon zu mir. Er hatte ein leichtes – wirklich leichtes – verschwitztes
Lächeln aufgelegt.
Sanft löste er die Umarmung des Kleinen. Nahm ihm aber auch gleich an der Hand
und kam zu mir zurück. Ihm entfuhr gerade ein kurzes Auflachen, als ich etwas
sagen wollte. „Tut mir leid, Jesko“, entschuldigte er sich. Felix sah nur
zwischen uns hin und her. Grinste dann aber schon. Eine Sekunde später hatte er
schon Jemils Hand losgelassen und war zurück zu den paar jüngeren Hybriden
gelaufen, die sich auch schon wieder eine kleine Schneeballschlacht lieferten.
„Das tut richtig gut.“ Jemil legte mir einen Arm um die Schultern. Stützte sich
scheinbar sogar etwas an mir ab. „Geht's dir gut?“, fragte ich besorgt. Es sah
fast so aus, als ob ihn das bisschen Herumgetolle schon völlig fertig gemacht
hatte.
„Klar. Das hab ich nur seit Jahren nicht mehr gemacht. Bin es wohl einfach nicht
gewohnt“, erwiderte er schnell. Kuschelte sich aber auf einmal an mich.
„Kann es sein, dass du frierst?“ Es war wohl nicht unbedingt unauffällig, dass
er auf einmal wieder so sehr meine Nähe suchte. „Etwas“, gab er zu. Ich legte
ihm einen Arm um die Taille. Wir würden wohl noch die ganze Nacht unterwegs
sein. Also würde es wohl auch noch um einiges Kälter werden.
„Denkst du, dass es Pio noch einmal versucht?“ Ich sah Jemil mit gehobener
Augenbraue an. „Was versucht?“ Sein Halbbruder hatte doch schon so viel getan,
für das ich ihn jede erdenklichen Qualen wünschen könnte.
„Mich zurück zu holen“, erwiderte der Vampir. Ich glitt über seine Finger. „Kann
schon sein. Aber ich pass auf dich auf.“
Langsam löste er sich wieder von mir. Ging ein bisschen schneller, so das er
einen guten halben Meter vor mir hermarschierte. Einmal glitt er mit den Fingern
durch sein blondes Haar. Blickte gen Himmel. Ich folgte seinem Blick. Es
strahlten die Sterne und der Mond hatte eine Sichel gebildet.
„Ich kann mir vorstellen, dass wir bis zu den Sternen müssten, bevor er uns
wirklich in Ruhe lässt.“ Ein Seufzen verlässt seine Kehle, scheinbar um das noch
zu verstärken, was er sagte.
Eigentlich wollte ich ihm noch etwas erwidern. Doch da halt schon Sotuganais
Stimme durch die Nacht. Er rief wieder eine Verschnaufpause ein. Die Jüngeren
waren aber auch zum größten Teil ganz schön außer Puste. Obwohl sie das fast
alle selbst zu verschulden hatten. Aber man konnte ihnen auch nicht einfach das
Spielen verbieten.
Zusammen mit Jemil setzte ich mich in die Nähe einiger Bäume. Wieder erstreckte
sich hinter uns ein Wald.
„Ich geh man schnell für kleine Königstiger“, hauchte er mir ins Ohr und
verschwand auch schon im nächsten Moment in dem Wirrwarr aus Ästen und Zweigen.
Ich schluckte. Eigentlich sollte ich ihn gar nicht alleine gehen lassen. Was
wenn Pio gerade das ausnützen würde. Jemil war doch gerade nur ein Mensch. Er
könnte sich nie im Leben gegen den Vampir wehren. Das konnte er schon so nicht.
Leise seufzte ich. Streckte mich schließlich auch ausgiebig.
Aber Jemil würde sich schon bemerkbar machen, wenn irgendetwas wäre. Das würde
er nicht so stillschweigend über sich ergehen lassen. Wie er brüllen konnte
hatte ich jetzt immerhin auch schon erlebt.
Was aber, wenn Pio ihn bewusstlos schlägt. So das er sich überhaupt nicht mehr
bemerkbar machen könnte. Es würde mich nicht wundern, wenn Pio das machen würde.
Nur damit ich Jemil nicht helfen könnte.
Ich bekam Panik. Ja. Anders konnte ich es gar nicht definieren. Wie lange war
Jemil denn jetzt schon weg? Eindeutig zu lange. Ich sprang auf. Versuchte
krampfhaft den Geruch des Blonden wahrzunehmen. Doch ich konnte einfach nichts
riechen. Eigentlich müsste ich ihn gerade wirklich einfach finden. Er war doch
der Einzige, der nach Mensch roch. Jedoch schnüffelte ich wirklich gar nichts.
Nicht mal im Ansatz.
Was wenn ihm wirklich etwas zugestoßen war? Dann wäre ich schuld! Das könnte ich
mir nicht verziehen. Nie im Leben.
Ich rief seinen Namen. Doch es kam nichts. Keine Antwort.
Wieder rief ich ihn. Und wieder nichts. Nur Stille. Jedoch stieg mir da auf
einmal dieser grässliche Geruch in die Nase. Der reine Vampirgeruch. Konnte das
wirklich sein? Konnte das Pio sein? Würde er ihm wieder etwas antun?
Ich stützte kopflos in das Unterholz. Folgte nur diesem Geruch. Den Hals würde
ich ihm umdrehen, wenn er ihn jetzt noch einmal anrühren würde. Nein. Ich würde
ihn gleich in Stücke reißen. Nur das hätte dieses Arschloch verdient!
Nur mir!
[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]
Nur mir! (Sad End) + Epilog
Lost Angel
Kapitel 36 – Nur mir!
Jemil’s PoV
In meinem Kopf drehte sich alles. Dazukam wohl nur noch der kupferne Geschmack
in meinem Mund. Zumindest konnte ich so sagen, dass es noch nicht Mitternacht
vorbei war. Sonst wäre ich immerhin wieder ein halber Vampir und Blut hätte dann
einen anderen Geschmack für mich.
Ich spürte kaltes Metal an meinen Handgelenken, wodurch diese über meinem Kopf
nah aneinander gehalten wurden. Eigentlich wollte ich schon gar nicht wissen,
wieso das da war.
Mühsam versuchte ich in dem abgedunkelten Raum etwas zu erkennen. Es war
wirklich grässlich, dass Menschen im Dunkeln nicht sehen konnten. Aber mir tat
zudem auch noch der Kopf weh. Von dem immer noch vorhandenen Schwindelgefühl mal
abgesehen.
„Hey, Pio! Er ist wach!“ Ein kalter Wind hatte mich getroffen, bevor das jemand
gerufen hatte. Mir kam die Stimme so seltsam bekannt vor. Aber es war wie
weggeblasen, wer das sein könnte.
Eine eisige Hand berührte meine Wange. Strich leicht darüber. Ein Schauer
durchfuhr meinen Körper. Und das nicht nur wegen der plötzlichen Kälte.
„Hast du ihn unbedingt das antun müssen und dann auch noch angekettet?“, fragt
auf einmal wieder die erste Stimme. Der andere antwortete nicht. Aber das muss
er gar nicht, denn ich erkenne ihn auch so. Pio. Er hat es also wieder
geschafft. Ich hätte nie alleine von Jesko weggehen dürfen. Was war ich denn
auch so dumm?
Doch endlich erwidert mein Halbbruder doch etwas. „Ist es nie einem aufgefallen,
was ich mit ihm mache?“ Ich höre nur ein 'Ähm', als Erwiderung. Dann Stille.
Erdrückende Stille. Erst nach ein paar Minuten gab der andere wieder einen Ton
von sich. „Was hast du denn dann mit ihm gemacht? Ihr seid doch auch nur Brüder.“
Langsam wird meine Sicht klarer. Und ich kann Pios vor Wut funkelnden Augen
direkt vor mir sehen. „Ich bin nicht der Bruder dieses Missgeburt!“, zischte er.
Ich versuchte über seine Schulter hinweg den anderen zu erkennen, der gerade
einige Schritte zurück stolpert.
„Tut mir leid, ich meinte Halbbruder. Wirklich!“ Meine Augen weiten sich. Joe.
Wieso denn gerade er? Es gab jetzt wohl so manchen, den ich jetzt lieber gesehen
hätte. Aber wieso dann gerade er?
Ich spürte Pios Finger zwischen meinen Beinen und erst jetzt viel mir auch
überhaupt auf, was ich anhatte. „Du dreckiges Arschloch“, fauchte ich. Kniff die
Augen zu Schlitzen zusammen.
„Ach, wie niedlich. Du klingst, wie ein kleines Kätzchen.“ - Das hämische
Grinsen konnte er sich wohl auch nicht verkneifen. - „Was wird nur dein Wölfchen
denken, wenn es dich so sieht? Vielleicht, dass du eine verfluchte Transe bist.“
Und wieder dieses verfluchte Grinsen.
„Pio. Das Kleid ist schon ganz schön erniedrigend.“ Wollte Joe mir vielleicht
helfen? Ober mich zumindest aus diesem Fummel befreien? Das wäre doch gar nicht
seine Art. Nein. So war er nicht. Er wollte das sicher nur einmal angemerkt
haben, wie verdammt demütigend das war.
„Wieso denn? Er ist doch nur ein Mädchen, das sich von einem Wolf ficken hat
lassen. ... Das wäre doch einmal ein Einfall für ein Märchen.“ Pio drückte immer
fester gegen meinen Schritt. Und es stiegen mir Tränen in die Augen.
Wieso war ich nur so ein Idiot und hatte mich von Jesko einfach getrennt? Ich
hätte bei ihm bleiben sollen. Er hätte mich beschützt. Auf ewig. Aber jetzt war
es zu spät. Jetzt hing ich hier regelrecht in diesem roten Kleid mit den
unzähligen Rüschen.
Auf einmal bohrte sich ein grauer Flügel durch meine rechte Schulter. Verwirrt
sah ich auf Pio, von dem dieser kamen. Nur ein Ältester könnte solche Schwingen
haben. ... Oder jemand, der das Blut eines Ältesten getrunken hat.
„Die sind hübsch. Nicht?“, fragte er. Ein noch breiteres Grinsen bildete sich
auf seinem Gesicht. „Dafür musste ich nur Verona töten. Ihr Blut war wirklich
ein Genuss“, fügte er noch hinzu.
Mein Atem stockte. Somit hatte er uns auch tagsüber folgen können. Wer weiß, wie
lange er schon wieder so nah an unseren Fersen klebte. Vielleicht seit Mila bei
uns war. Vielleicht sogar noch früher.
Pios Finger glitten unter meine Shorts. Doch er berührte nicht einmal im Ansatz
mein schlaffes Glied. Wanderte schon viel lieber weiter nach hinten. Ich spürte
schon in der nächsten Sekunde einen seiner Finger in mir. Keuchte.
Mir wurde wieder schwindelig. Alles in meinem Kopf drehte sich. Ich konnte kaum
einen klaren Gedanken fassen. Nur eins bekam ich immer wieder richtig zu fassen.
Jesko. ... Jesko. ... Und nochmal Jesko.
„Bis dein Wölfchen kommt, bist du schon längst tot.“ Pio wischte mir etwas von
dem langen, strähnigen Haar von der Schulter. Also wollte er mich wohl sogar mit
einer Perücke noch ganz zum Mädchen machen.
Fast schon andächtig suchte mein Halbbruder an meinem Hals die Schlagader.
Wollte er mich aussaugen? Mich so einfach umbringen. Vielleicht sogar noch,
während er mich wieder vergewaltigte.
Ich kniff die Augen vor Schmerz zusammen, als er mit dem zweiten Finger in mich
glitt. Versuchte krampfhaft einen Schrei zu unterdrücken. Doch es kam dennoch
ein Wimmern zum Vorschein.
„Bleib ruhig, Brüderchen. Dieses Mal tut es nicht so lange weh.“
Mein Kopf lag auf seiner Schulter, als er mit den Zähnen ansetzen wollte. Joe
stand immer noch in einer Ecke und sah uns zu. Da spürte ich es aber auf einmal.
Das Vampirblut kam zurück.
Ich zog meinen Kopf zurück und somit auch meinen Hals von Pios Zähnen weg. Nur
ein paar Minuten würde ich vielleicht brauchen. Dann könnte mir ein Biss
eigentlich nichts mehr anhaben. Nur wenn er zu lange saugen würde.
„Was ist denn, Brüderchen? Gerade hast du doch dein Schicksal noch anerkannt.“
Mit gespielter Freundlichkeit sah er mich an. Das bisschen Zeit würde mir jetzt
reichen.
„Ich lass mich doch nicht einfach von dir beißen“, knurrte ich. Doch da drückte
er mich schon wieder zu sich zurück. Mein Kopf lag wieder auf seiner Schulter.
Direkt neben seinem Hals. Ich spürte schon wieder meine Eckzähne. Die müsste ich
ihm nur in den Nacken treiben. Wenn ich genügend von seinem Blut hätte, würde
auch er schwächer werden. Genauso, wie ein Mensch, der zu viel Blut verlor.
Ohne nachzudenken rammte ich ihm einfach die Zähne ins Fleisch, bevor er
überhaupt wieder meine Schlagader gefunden hatte. Er sprang vor Schreck auf,
aber ich ließ nicht locker. Hatte mich schon längst festgebissen.
„Joe, du Idiot! Hilf mir!“, brüllte er. Doch jetzt wollte es der wohl trotzdem
nicht mehr mit ansehen und war weg. Gut für mich.
Das Blut brannte in meinem Körper. Natürlich. Es war Ältestenblut, das in seinen
Adern floss. Er hatte Verona nur dafür getötet, dass er mich verfolgen konnte.
Vielleicht reichte es, wenn ich sie rächen würde, dass man Jesko verzeihen
könnte, dass er Victor getötet hatte.
„Du Missgeburt wagst es wirklich deine Zähne in meinen Hals zu rammen!“, brüllte
Pio mich an. Immer wieder spürte ich seine dreckigen Finger auf meinem Körper,
wie sie mir tiefe Schrammen zufügte. Seine Nägel waren eben genauso scharf wie
meine. Wenn nicht sogar schärfer.
Als er zusammensackte ließ ich von ihm ab. Stolperte selbst einige Schritte
zurück. „Du Missgeburt“, fauchte er. Jetzt kam er wohl einem Kätzchen gleich.
Eigentlich stärke mich Blut sonst immer nur, aber dieses hatte mir fast meine
ganze Kraft geraubt. Doch es kam mir eigentlich gar nicht vor, als ob es Pio so
viel Lebensenergie gekostet hätte, die ich ihm samt seinem Blut geraubt hatte.
Mühelos stand er wieder auf und kam auf mich zu. „Du denkst doch nicht wirklich,
dass man so einfach jemanden töten könnte, der das Blut eines Ältesten in sich
hat. Köpfen ist meinst die einzige Möglichkeit, Süßer.“
Mit Leichtigkeit konnte er mich wieder hoch drücken. Löste mit einer kurzen
Handbewegung auch die Handschellen. Schlaff sanken meine Arme nach unten. Jetzt
war es wirklich aus. Nur weil ich sein Blut – und wohl auch das von Verona –
getrunken hatte, würde ich das nicht überstehen. Nicht alleine. Ach Jesko, wieso
bin ich Idiot denn nur alleine gegangen?
Wieder spürte ich eine von Pios Händen zwischen meinen Beinen. Die andere
streift mir langsam dieses grässliche Kleid ab. Es ist genauso rot, wie das
Blut, das in meinem Gesicht klebte. Und gerade diese Flüssigkeit widerte mich
gerade nicht einmal mehr an. Vielleicht, weil ich einfach zu viel Angst hatte.
Es ist wohl nicht mehr, als die pure Panik. Pio würde mich nach diesem Mal
umbringen.
„Wieso?“, murmle ich und für einen Moment sah er zu mir auf. Das Kleid lag
längst auf dem Boden. Nur noch meine Shorts würden mich vor ihm schützen, wenn
er seine Finger nicht auch schon unter denen hätte.
„Was 'wieso'?“, fragt er mich, während eine seiner Hände über meine Brust
streife. Immer wieder leicht über meine Brustwarzen glitten. Bei Jesko würde
mich das jetzt wohl verdammt scharf machen. Aber jetzt? Ich fühlte mich so
dreckig.
„Wieso tust du mir das immer wieder an? Hasst du mich denn so sehr?“ Diese eine
Frage. Die Antwort darauf wollte ich schon immer wissen. Es erschien mir jetzt
wohl der richtige Moment dafür zu sein. Vielleicht sogar die letzte Chance es
ihn zu fragen.
„Weil du nur mir gehörst, Brüderchen! Nur mir!“ - Für einen Moment setzte er ab.
- „Ich wusste immer, dass du irgendwann versuchen würdest zu fliehen. Aber dass
du das mit einem Wolf tun würdest hätte ich nie gedacht. Na ja, auch egal. Es
war ohnehin alles geplant. Wenn du versuchen würdest wegzulaufen, dann würde ich
dich verfolgen und umbringen. Nur damit dich kein anderer bekommt.“
Er zwang mir seine Lippen auf. Wollte mit der Zunge in meinen Mund. Doch den
presste ich nur zusammen. War ich denn nur sein Eigentum? Eigentlich gehörte ich
niemand. Wenn es gut kam vielleicht Jesko. Aber bei dem beruhte es sich doch
wenn dann schon auf Gegenseitigkeit.
„Du willst dich doch wirklich dagegen wehren.“ Ein Grinsen umspielte Pios Lippen.
„Jesko wird dich umbringen!“ Es sah nicht so aus, als ob ihn das irgendwie
schocken würde. „Soll es der kleine Wolf doch versuchen.“
Ich schluckte. Jesko würde ihn umbringen, da war ich mir sicher. Aber ob ich das
noch erleben würde, wäre wohl dann noch so eine Sache.
Pio leckte langsam über meine Kehle und biss dann einfach zu. Ich spürte, wie
meine Kräfte immer schwächer wurden, je länger er saugte. Da hörte ich aber auf
einmal ein Knurren.
„Das Wölfchen ist ja doch noch da.“ Mein Bruder ließ abrupt von mir ab. Leicht
konnte ich an ihm vorbei sehen. Ein verwandelter Werwolf stand vor ihm. Das Fell
bedeckt mit Schnee, der langsam zu schmelzen begang.
„Jesko“, flüsterte ich nur, als Pio schon gelassen auf ihn zuging. Egal wie sehr
er knurrte. Ich konnte mir vorstellen, dass der Werwolf sich nie im Leben
beherrschen könnte. Nicht so wütend wie er war. Er würde ihn zerreißen.
„Weißt du, was gegen Werwölfe am besten hilft?“, meinte Pio auf einmal. So
sicher war ich mir nicht, als er sich leicht zu mir herumdrehte. „Silberkugeln!“
Ein fieses Grinsen lag auf seinen Lippen. Da wendete er sich aber schon wieder
dem Werwolf zu.
Ich kniff die Augen zusammen und hörte nur, wie ein Schuss die Hütte erfüllte
und das kurze Aufjaulen des Wolfes. Leicht hob ich wieder ein Lid. Blut
verteilte sich auf dem Boden. Klebte an der Wand. Bedeckten Pio, der sich gerade
wieder zu mir drehte.
Jesko hatte sich wieder zurückverwandelt. Mein Atem wurde schneller. Das hatte
er nicht getan. Pio war nicht so grausam. „Du verfluchtes Arschloch!“, brüllte
ich, bevor ein Heulkrampf über mich kam.
Er wollte mich nur retten. Mich, dieses verfluchte, kleine Halbblut. Ich hatte
es nicht verdient, dass er wegen mir starb. Nicht wegen mir. Ich war es nicht
wert. Mein Leben war sinnlos im Gegensatz zu seinem.
„So und jetzt wieder zu dir, Brüderchen.“ Wie konnte er nur so gefühlskalt sein.
Wieso? Konnte er mich denn nicht glücklich sehen. Wollte er mir denn wirklich so
etwas antun?
„Ich hasse dich!“, zischte ich noch, bevor er es wieder tat, obwohl ich ohnehin
nichts mehr spürte. Jetzt hatte er mich wirklich gebrochen. Hatte er mir denn
nicht das Letzte genommen, was ich hatte?
„Wie willst du sterben, Bruderherz?“, fragte er doch wirklich noch, als er
wieder von mir abließ. Ich sah mit leerem Blick zu ihm auf. Erwiderte nichts.
Hinter ihm knarrte der Dielenboden. „Igitt. Jetzt liegt hier auch noch ein toter
Wolf“, hörte ich Joe angeekelt sagen. Ein zweiter Schuss erfühlte die Stimme.
„Nerviges Vieh“, murmelte Pio und wendete sich leicht um.
„Du bist krank“, flüsterte ich, da beugte sich mein Halbbruder aber schon wieder
über mich. „Denkst du? Nur weil ich dich haben will?“ Langsam nickte ich als
Erwiderung. Genau deswegen. Er konnte doch nur irre sein.
Da machte er mich aber auf einmal los und ließ die Pistole vor mir fallen. „Mach
damit was du willst, Brüderchen.“
Er machte einfach auf den Hacken kehrt und wollte mich allein lassen. „Soll ich
wirklich?“, rief ich ihm aber noch hinterher.
„Stirb doch neben ihm, wie Julia“, gab er noch von sich. Dann ließ er mich
einfach hier zurück. Er war sich wohl im Klaren darüber, dass ich nicht ohne
Jesko leben würde.
Ich kroch neben meinen Werwolf und zog ihn zu mir. Behutsam strich ich ihm übers
Haar. „Wie hübsch du doch bist“, flüsterte ich kaum hörbar und legte seinen Kopf
auf meinen Schoss. In der rechten Hand hatte ich immer noch die Waffe. Sollte
ich es denn wirklich tun? Wie Julia neben ihrem Romeo sterben?
Leise seufzte ich und setzte den Lauf an meine Schläfe an. Noch einmal atmete
ich tief durch, bevor ich abdrückte.
Meinen Aufprall spürte ich schon gar nicht mehr. Keine Sekunde den Schmerz,
obwohl mein Herz davor schon genug geschmerzt hatte. Jetzt hatte es aufgehört.
Endlich.
Genauso, wie mir der Schuss, der noch in der Ferne zu hören, war entging. Pio
hat es in seinem Leben wohl auch nicht mehr ausgehalten. Zumindest würden wir
uns in der Hölle nicht treffen.
~~~
Epilog - Good Bye
Jesko's PoV
Ich kann ihn immer noch spüren. Seine sanfte Umarmung. Seine warmen Lippen.
Dabei steht mein Herz schon längst still. Mein Atem tut nicht mehr seine
Pflicht. Und dennoch fühle ich ihn. Immer noch. Jede seiner zärtlichen
Berührungen. Als ob ich noch leben würde.
Es tut mir so leid, Jemil. Ich kann dich nicht mehr fliegen lassen. Dabei habe
ich dir doch gerade das versprochen. So habe ich es wohl gebrochen. Es tut mir
so unendlich leid.
Doch wenn wir uns irgendwann wieder sehen. In einem anderen Leben. In einer
anderen Zeit. Zu anderen Umständen. Wenn wir uns wirklich lieben dürfen. Dann
bitte, bitte, erkenne mich. Denn ich werde es tun. Ich werde dich immer wieder
erkennen. Deine wunderbaren Augen werde ich in jedem Leben wieder finden können.
Selbst wenn du dich sonst völlig verändern würdest.
Wie gerne würde ich dich aber jetzt wieder sehen. Nur für einen Moment. Doch das
wird mir wohl verwährt bleiben. Mein Leben ist aus. Und ich kann dich nicht
einmal beschützen. Das will ich doch auch tun.
Aber zumindest hast du für eine kurze Zeit meinem Leben einen Sinn gegeben. Ich
hätte wohl auf ewig in Knechtschaft gelebt. Doch du hast mir meine Freiheit
gegeben. Wie gerne hätte ich mich doch dafür auch noch bedankt. Wie gerne.
Es tut mir doch alles so leid. Ich habe dich mit in den Tod gerissen. Nur weil
ich so ein verfluchter Idiot bin.
Aber zumindest kannst du jetzt deine Flügel wieder aufspannen. Du hast sie
wieder. Also im Grunde habe ich dich doch wieder zum Fliegen gebracht. Also
flieg. Und am besten für mich gleich mit. Denn ich würde wohl nur abstürzen.
Good bye, Jemil.
Jemil's PoV
Wie lange hatte ich in Einsamkeit gelebt? Ich habe doch nur niemand an mich
heran gelassen. Niemand sollte mich anfassen. Niemand sollte spüren, wie es mir
geht. Und jetzt werde ich ihn nie wieder sehen. Er hat sich für mich geopfert
und ich stürze mich mit ihm in den Tod. Er wollte mich schützen und ich lasse es
nicht einmal zu.
Oh, Jesko, mit dir hätte ich gerne einmal richtig gelacht. Aber habe ich das
unterbewusst nicht? Ja, du hast mich gelegentlich wirklich zum Strahlen
gebracht. Nur du hast das gekonnt. Du bist der Einzige, der mir je wirklich ein
Lächeln entlocken konnte. Nur du. Kein anderer. Aber wie sollte ich auch anders?
Doch ich hätte mich noch so gerne bei dir für alles bedankt. Alles was du getan
hast. Dabei war es nie wirklich viel. Ein sanftes Lächeln. Doch das hatte sich
immer so gut angefühlt. Jedes Mal hatte mein Herz irgendwie einen kleinen Sprung
gemacht. Aber es sollte wohl nicht sein. Unsere Liebe sollte nicht sein. Dabei
tue ich es doch wirklich. Ich liebe dich über alles.
Aber wieso muss es so enden? Wie gerne hätte ich den Rest meines unendlichen
Lebens mit dir in Frieden verbracht. Doch die Zeit hat es nicht zugelassen.
Unser Stand war zu verschieden. Aber was sagen schon Stände über jemanden aus?
Ich war als Vampir doch eigentlich viel niedriger, als du als Werwolf. Du
konntest dich über dein Leben freuen und ich war immer nur einsam. Wieso hatte
ich dich nicht schon früher so lieben könnten? Wieso habe ich es mir nicht
eingestanden?
Vielleicht war ich einfach nur ein Idiot. Ein verflucht dummer. Dabei hätte ich
der Klügere von uns beiden sein müssen. Und dennoch war es umgekehrt. Du hast
dein Leben gelebt. Das konnte ich nie. Aber du hast es versucht mir zu zeigen.
Versucht mir beizubringen, wie man richtig lebt. Einfach in den Tag hinein. Und
nie auf morgen warten. Am besten auch nie zurücksehen.
Aber du hast mir das Fliegen zumindest wieder beigebracht. So können wir das
endlich zusammen tun. Nur das ich dich nicht sehen kann. Aber ich spüre dich.
Auch wenn ich nicht mehr lebe. Ich spüre dich.
Wie gerne würde ich es dir jetzt in dein strahlendes Gesicht sagen. Danke. Und
... ich liebe dich.
Good Bye, Jesko.
~~~
Eigentlich war das Ende ganz am Anfang so geplant. ôô
Den Epilog hatte ich sogar schon im Juni gehabt, aber irgendwie haben sich dann
die Umstände doch geändert und ich hab es jetzt nur so noch ... na ja, einfach
so noch geschrieben. ôô
Irgendwie gefällt mir der Epilog besser. Nur zum anderen Ende passt er nicht.
Freiheit
Lost Angel
Epilog – Freiheit
Jesko's PoV
Waren wir wirklich frei? Würde uns niemand verfolgen. Nie wieder. Eigentlich
konnte man es sich kaum vorstellen. Aber bis jetzt waren wir frei. Natürlich
würde es noch weit sein bis Transsilvanien. Und dort könnten wir unsere Ruhe
finden. Oder wohl eher Jemil. Auch wenn sein Bruder, der ihn jahrelang gequält
hatte, nicht mehr lebte, die Erinnerungen blieben. Es würde wohl noch lange
dauern, bis die Wunden deswegen wirklich verheilt waren. Und ich konnte ihm
dabei auch nur helfen. Aber irgendwann. Irgendwann könnte er zu vergessen
anfangen.
Und ich würde bei ihm bleiben. Egal, wie lange. Egal, was passiert. Ich würde an
seiner Seite bleiben.
Jemil's PoV
Freiheit? Was war das schon? War nicht jeder in seinem Leben gefangen? Wohl
nicht. Denn wir waren doch gerade aus diesem ausgebrochen. Zusammen. Wir haben
uns den Schranken des Vampir- und Werwolfdasein gesträubt. Und das auch nur,
weil wir zusammen sein wollten. Und ich wollte auch bei Jesko bleiben. Er könnte
mich wohl von dem größten Leid, das mich noch zerfraß befreien. Nur er. Aber
auch nur, weil er mir auch helfen wollte. Und ich ihn das auch tun ließ. Also
war es wohl so am besten.
Und so konnte ich auch bei ihm bleiben. So lange ich wollte. Egal, was passieren
würde. An seiner Seite fühlte ich mich wohl. Und dort wollte ich bleiben.
~~~
Damit hätten wir wohl das geschafft. ôô
Vielleicht kommen ja noch ein paar Abschlusskommentare zusammen. Wäre recht nett.
Wer nicht mag, kann sich ja dann auf die Fortsetzung stürzen, von der ich demnächst den Prolog hochlade. Aber wohl für den Anfang auch nur den, da ich erst
einmal etwas an meinen anderen Stories arbeite.
Und wem das Ende jetzt überhaupt nicht gefallen hat, dem kann ich in den nächsten Tage noch das Sad End anbieten. Dann ist aber Schluss.
Na ja, bis dem nächst zu Lost Angel - Die Flügel wachsen wieder!