Zum Inhalt der Seite

Konoha Side Stories

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Feuerregen 7

Heute
 

Ich war hartes Arbeiten gewohnt. Nicht erst seit ich in Kumogakure Mädchen für alles gespielt hatte, auch in Konoha war meine Stamina zu Genin-Zeiten durch Alltagsarbeiten kontinuierlich aufgebaut worden. Deshalb machte mir die tägliche Routine der nächsten drei Tage nicht viel aus. Auf die Felder gehen und Reis ernten, an den Dämmen helfen, die das Wasser hielten, das Stauwerk des Baches, der das Wasser lieferte warten, Bäume für das Holz der Häuser fällen und bearbeiten, all das waren grobmotorische Arbeiten, die mir leicht von der Hand gingen. Feinere Arbeiten wie Zimmermannsarbeiten und Sägearbeiten - oder gar das Nägelgießen in der Schmiede - verweigerte ich. Ich stellte mich so ungeschickt an, dass man mich die Bretter nicht mehr hobeln, sondern nur noch tragen ließ.

Das Dorf gab sich dabei Mühe, mich hart ran zu nehmen. Ich empfand die Arbeit im Gegensatz zu meiner Zeit in Kumogakure hingegen als leicht. Ich schwitzte eher selten. Allerdings drohte ich zuzunehmen, weil Tsubasa nicht nur eine exzellente Köchin war, sondern auch der Meinung war, ich könnte ohne dreifache Portionen vom Fleisch fallen. Zu dem Zeitpunkt wuchs ich noch, weshalb ich nicht widersprach.

Inari und seine "Familie" zogen bereits am nächsten Tag wieder aus und bekamen die Hälfte eines bereits fertigen Hauses zugewiesen. Die Familie brauchte den Platz nicht. Nicht mehr, seit beide Kinder entführt worden waren. Bis sich bei den beiden also neuer Nachwuchs einstellte oder bis das neue Haus für Inaris "Familie" stand, würden sie dort wohnen können.

Also war ich der einzige Logis-Gast bei Genta und Familie. Und in diesen drei Tagen tat ich mein Möglichstes, um nicht auf Suzumes Provokationen herein zu fallen. Das Biest war erfinderisch und raffiniert. Einmal hätte sie mich fast dran gehabt, als ich sie am dritten Morgen unter meiner Decke gefunden hatte. Erstaunlich, dass ich ihre Annäherung nicht registriert hatte. Zum Glück aber neigte Tsubasa noch immer dazu, eher auf meiner Seite zu sein. Nach der Frage, ob sie fortan immer bei mir schlafen wolle und ob ihr Futon dann weggeräumt werden könne, gab Suzume die Posse auf.
 

Am vierten Tag, der gleich bedeutend mit dem fünften Tag der Reisernte war, bemühte ich mich, Suzume möglichst weiträumig auszuweichen. Offiziell, um ihren Spielchen auszuweichen. Inoffiziell, weil ich einen Zwischenbericht brauchte.

Nachdem ich bis zum Mittag auf den Feldern geschuftet hatte, schnappte ich mir ein paar Onigiri, kaum das Suzume in meine Richtung schaute, und verschwand zwischen den Bäumen auf dem Hügel im Westen. Sie war so verdutzt, dass sie nicht auf den Gedanken kam mir zu folgen, bevor die Bäume mich verschluckt hatten.

Am Fuß einer alten Eiche, die dank ihres zu harten Holzes bisher dem Hausbau widerstanden hatte, ließ ich mich nieder und verschlang mein Mittagessen.

"Also?", fragte ich zwischen zwei Bissen.

Hinata, die Byakugan aktiviert, sprang von der Krone herab und landete direkt neben mir. "Es ist niemand in der Nähe, Mamoru-sempai."

"Gut", sagte ich und schlang meinen zweiten Reisballen runter. "Was habt Ihr über die Topographie rausgefunden?"

"Es gibt fünf potentielle Anmarschwege, die für eine große Reitergruppe ausreichen, aber nur zwei erlauben eine schnelle Passage. Eine überwache ich mit Karin-sempai, die andere haben Kaminari-sempai und Kiba übernommen. Akamaru geht sicherheitshalber regelmäßig die anderen Wege ab, um sicherzustellen, dass sich niemand aus dieser Richtung nähert." Sie machte eine bedeutungsvolle Pause, bevor sie weiter sprach. "Gestern war ein Späher hier. Ich konnte ihn kurz verfolgen, aber da ich ihn nicht neutralisieren durfte, habe ich die Verfolgung aufgegeben, nachdem er den Wald verlassen hat."

"Ein Späher?"

"Ein Shinobi. Oder zumindest jemand, der ähnliche Fähigkeiten wie wir besitzt. Er beherrscht Step und hat am Waldrand die Dorfbewohner gezählt."

"Es könnten weitere kommen. Seid vorsichtig. Wenn sie euch entdecken, kann das unseren ganzen Plan vernichten."

Sie deutete auf die deutlich sichtbaren Narben in ihrem Gesicht, die Begleiterscheinungen des aktivierten Augen-Jutsu waren. "Keine Sorge. Ich habe Erfahrung darin, andere Shinobi mit meinen Byakugan zu finden."

"Da bin ich mir sicher, Hinata-chan. Es bleibt beim Plan. Wir warten, bis die Banditen eintreffen und lassen uns entführen. Ihr folgt uns mit einem halben Tag Abstand zur Basis der Halunken. Wenn Ihr eingetroffen seid, werden wir uns kurz koordinieren und unser weiteres Vorgehen entscheiden. Immerhin dürfen wir nicht voreilig sein. Wir müssen die zehn Kinder finden, die letztes Jahr entführt worden."

"Hoffentlich leben sie noch", sagte das Mädchen mit einem Zittern in der Stimme.

"Na, das sind ja Aussichten für diejenigen, die sie dieses Jahr entführen werden", erwiderte ich barsch.

"E-entschuldige, Sempai."

"Das war nur Spaß, Hinata-chan. Du wirst dir ein erheblich dickeres Fell zulegen müssen, um als Shinobi erfolgreich zu sein. Das gehört genauso dazu wie ein gutes Training."

"Ja, Sempai. Ich... Das Mädchen kommt."

"Das Mädchen?"

"Das Mädchen aus dem Dorf, das sich an dich ranschmeißt, Sempai. Sie ist noch fünfzig Meter entfernt. Sie geht grob in unsere Richtung."

"Verstehe. Du hast die Anweisungen. Zieh dich zurück, Hinata-chan."

"Ja." Die junge Hyuuga schien vor meinen Augen zu verschwinden. Ich spürte sie in der Krone der Eiche, und danach hörte ich, wie sie über die Äste der anderen Bäume hinweg huschte.
 

"Akiraaaa! Wo steckst du? Akiraaaaa, ich will doch gar nichts Böses!"

Das brachte mich dann doch zum Grinsen. Aber auch nachdenklich. Was wollte sie eigentlich von mir? Sie wollte mich kontrollieren, das war mir klar. Sie wollte Macht über mich. Aber was tat sie dann mit dieser Macht? Und warum war sie sich so verdammt sicher, dass es unproblematisch war, in mein Bett zu kriechen oder mir in einen finsteren Wald zu folgen? Gut, es war sicher, aber das konnte sie nicht wissen. Bei Tsubasa spürte ich, dass sie ahnte, warum ihr Mann auf Reisen gegangen war, und wen er da mit zurück gebracht hatte. Aber Suzume? Nein, ihr fehlte die Erfahrung.

"Akiraaaaa! Ich will... AH!" Ein derber Fluch folgte, den ich von dem eigentlich recht hübschen Mädchen noch nicht gehört hatte. Sie versuchte im Allgemeinen schon, den Eindruck einer gebildeten, höflichen jungen Dame zu erwecken, also mehr zu scheinen als zu sein. Deshalb verwunderte mich der wilde Kraftausdruck.

Also erhob ich mich und folgte ihrer Stimme.

Da lag sie, flach auf dem Boden wie beim ersten Mal, als wir uns getroffen hatten. Und sie fluchte wie ein Sake-Brauer, dem die Gärung misslungen war.

"Alles in Ordnung?", fragte ich.

Sie sah auf. Ihre Augen glänzten vor Tränen des Schmerzes. "NATÜRLICH NICHT, DU IDIOT!", blaffte sie. "ICH BIN ÜBER DIE DÄMLICHE BAUMWURZEL GESTÜRZT, DAS SIEHT MAN DOCH!"

Ihre Augen funkelten trotz der Tränen wütend. Dann sah sie von mir fort. "Na los, hau schon ab und lass mich hier liegen. Ich bin dir doch sowieso egal!" Neue Tränen füllten ihre Augen. "Du bist auch nicht anders als die anderen! Nach vorne hin nett und höflich, weil ich Tsubasas Schwester bin, aber nach hinten lacht Ihr über mich! Ich hasse euch! Ich hasse euch alle!"

Ich besah mir die Situation genauer. Ihr rechter Fuß befand sich tatsächlich neben einer Baumwurzel, die leichte Kratzer von ihren Fußnägeln aufwies. Ihr rechter Knöchel war rot und leicht geschwollen. Ihre Geta waren gerissen und lagen neben ihr. Sie musste Schmerzen haben. Und wenn ihre kleine Rede echt gewesen war, dann hatte sie nicht nur körperliche Schmerzen.

Ich setzte mich vor ihr in die Hocke. "Was bist du nur für ein merkwürdiges Mädchen. Wenn du öfters aussprechen würdest was du denkst, dann würden dich sicher auch mehr Menschen verstehen, denkst du nicht?"

"Das ist doch sowieso alles egal", brummte sie. "Ich bin eben Suzume, und nicht Tsubasa. Und weil Genta so knurrig ist, ärgern mich nicht mal die Jungs. Und wenn die Mädchen mit mir reden, dann geht es nur darum, dass Tsubasa so elegant und so hübsch ist. Ich bin das leid. Ich bin doch auch noch da! Und da dachte ich... Da dachte ich, da du doch neu im Dorf bist, da dachte ich... Mit dir könnte es anders sein... Aber du bist auch wie die anderen. Also hau endlich ab."

Ich überdachte die Situation für einen Moment. Dann erhob ich mich. "Also gut, wenn das dein Wunsch ist..." Langsam ging ich an ihr vorbei.

"Ja, lass mich nur zurück. Lass mich hier einfach liegen. Die wilden Tiere werden sich schon um mich kümmern. Wenigstens denen bin ich nicht egal."

"Wie kommst du nur darauf, dass du irgendjemandem egal bist, Suzume-chan? Du müsstest nur einmal die Augen öffnen, um es zu erkennen."

"Worte, alles nur Worte! Verschwinde einfach!" Sie schluchzte leise und vergrub ihr Gesicht im Waldboden.
 

So ließ ich sie zurück. Zumindest bis ich den nächsten größeren Baum erreicht hatte. Ich nahm mir vor, sie ein paar Minuten im eigenen Saft schmoren zu lassen, und ihr erst dann zu helfen, wenn sie versuchte selbst aufzustehen. Was bei einer simplen Verstauchung schmerzhaft, aber möglich war.

Also richtete ich mich gemütlich ein und überwachte sie mit meinen sensorischen Fähigkeiten. Der Schwerpunkt ihres Chakras lag noch immer am Boden, und damit auch ihr Körper. Ich hörte sie noch immer schluchzen. So ging das zwanzig Minuten. Dann kam der Moment, in dem sie mit dem fruchtlosen Weinen aufhörte und trotzig aufheulte. Ich konnte deutlich erkennen, dass sie sich aufrichtete. Sie versuchte sich daran, den verletzten Fuß zu belasten, aber sie scheiterte. Und stürzte wieder zu Boden. Weitere Tränen flossen, aber ihr Trotz war geweckt. Schneller als erwartet richtete sie sich wieder auf. Und plötzlich war alles anders.

Ich bemerkte das zweite Chakra sehr spät, was vor allem daran lag, dass ich so weit von Suzume entfernt war, dass sie beinahe an der Grenze meiner sensorischen Reichweite war.

Ein Schrei aus Entsetzen und Angst ließ mich automatisch reagieren.

"Oho, was haben wir denn hier?", klang eine reife Männerstimme auf. "Man muss im Wald anscheinend nur die Augen offen halten, und schon findet man was hübsches."

Ich eilte heran und erfasste die Situation auf dem ersten Blick. Der Mann von vielleicht vierzig Jahren hatte Suzume ergriffen und am Handgelenk auf die Füße gezerrt. Sie quiekte erschrocken auf, als sie unwillkürlich ihr rechtes Bein belastete.

"Oh, du bist verletzt? Dann läufst du mir ja nicht weg, meine Hübsche."

Auf seinen Zügen lag Erwartung, Gier, und einige andere Ausdrücke, die zusammengefasst nicht sehr freundlich waren. "Wie wäre es denn, wollen wir uns ein wenig die Zeit vertreiben?"

Er bemerkte mich spät. Ich war schon auf acht Meter heran gekommen, und das obwohl ich meine Ninja-Fähigkeiten nicht einsetzte, um meine Tarnung zu schützen.

Er schien ein Shinobi zu sein, aber sicher konnte ich das nicht sagen. Auf jeden Fall warf er eine Handvoll Shuriken in meine Richtung, als er mich nahen sah. Ich wich aus und hielt weiterhin auf ihn zu. "Lass sie los!", blaffte ich.

"Was denn, was denn, bist du der Freund dieser kleinen Kirschblüte? Dann willst du sicher nicht, das ihr etwas passiert, oder?" Mit einem kurzen Griff hatte er ein Kunai gezogen. Er hielt es Suzume an die Kehle.

Ich stoppte. "Das würde ich an deiner Stelle besser nicht tun", grollte ich den Mann an. Er trug kein Stirnband mit dem Zeichen seines Dorfes. Also hatte ich es vielleicht mit einem Nukenin zu tun. Das würde zu den Banditen passen.

"Keine Sorge, ihr passiert nichts Schlimmes, wenn du still hältst. Im Gegenteil, sie bekommt ein wundervolles Geschenk von mir. Aber dabei störst du leider, und deshalb..."

Natürlich sah ich das Kunai kommen. Natürlich wusste ich den Weg, den es nehmen würde. Natürlich wusste ich, wo es mich treffen würde. Etwas unter dem Brustbein, knapp unter den Rippen, wo es mein Herz verletzen würde. Aber ich konnte nichts tun, ohne meine Tarnung zu vernichten. Also tat ich das Einzige, was ich tun konnte. Ich ließ mich treffen, und fiel mit einem Laut der Überraschung zu Boden.

"Was für ein braver Junge. Er muss dich wirklich gemocht haben."

"Akiraa!", rief sie verzweifelt und riss am Griff des Fremden.

"Jetzt wo diese Nervensäge nicht mehr ist, können wir uns ja um den Spaß kümmern, oder?"

Vor Eifer und Gier wurde er unvorsichtig, hielt sie mit einer Hand fest und versuchte die andere unter ihre Kleidung zu schieben, um sie aufzureißen, aber Suzume wehrte sich mit Trotz und mit dem Mut der Verzweifelten. "Nun zier dich nicht so, mein Kätzchen. Es dauert auch nicht lange."

Dies war der Moment, in dem ich dem Mann die Klinge seines eigenen Kunais an den Hals legte. "Das gleiche würde ich von dir sagen. Lass sie los."

Entsetzt öffnete er seine Hände.

"Akira!", rief Suzume erleichtert. Auf Händen und Knien kroch sie von dem Mann fort und suchte hinter mir Schutz.

"W-wie ist das möglich? Ich habe dich..."

"Du hast geglaubt, mich getroffen zu haben", sagte ich mit Hohn in der Stimme. "Aber du hast es nicht nachgeprüft. Du denkst sicherlich, deine geworfenen Kunais sind schnell, aber ehrlich gesagt habe ich schon wesentlich Schnellere als deine erlebt. Ich brauchte deine Waffe nur zwischen beiden Händen zu fangen und so tun, als wäre ich getroffen worden. Du Idiot hast mir die ganze Schmierenkomödie geglaubt, hm? Selbstüberschätzung scheint deine Schwäche zu sein." Ich drückte das Kunai fester an seinen Hals. Blut rann am Schnitt herab. "Mehr Glück im nächsten Leben, du perverser Sack!"

"Warte!", rief er hastig. "Warte! Du kannst mich nicht töten! Ich bin Beamter!"

"So? Beamte laufen aber nicht in finsteren Wäldern herum und vergehen sich an jungen Mädchen, oder?" Ich drückte noch ein wenig fester zu.

"I-ich habe ein Amtssiegel dabei! Ich bin Zweiter Beamter im Dienste von Daimyo Harusame, dem Herrn dieses Dorfes! Der Vorsteher hat ihn letztes Jahr nach der Ernte besucht und ihm berichtet, dass bewaffnete Banditen die Ernte gestohlen und Kinder entführt haben! Meine Mission ist es festzustellen, ob sie in diesem Jahr wieder kommen! U-u-um ihnen eine Falle zu stellen!"

"Zeig mir das Siegel", forderte ich. "Aber langsam."

Er griff mit der Rechten in seine Kleidung und zog ein silbernes Medaillon hervor. Dort war für alle, die des Lesens mächtig waren, gut sichtbar eingraviert, dass dieser Mann dem Daimyo Harusame diente.

"Das erklärt allerdings noch nicht, warum du kleinen Mädchen nachstellst", sagte ich drohend und drückte so fest zu, dass der Mann ängstlich aufquiekte.

"Es ist doch nichts dagegen zu sagen, dass man auch in meinem Alter seinen Spaß hat, oder?", sagte er hastig, und mit einem belustigten Unterton, den ich am liebsten aus ihm heraus geprügelt hätte. "Meine Anwesenheit hier muss geheim bleiben, und das um jeden Preis. Eigentlich müsste ich euch töten."

"Danke für den Hinweis. Ist es dann nicht besser, wenn ich dich töte? Jetzt und hier?"

"Der Daimyo erwartet meinen Bericht. Kehre ich nicht zurück, wird es eine Untersuchung geben!", drohte er, für einen Moment, weil er glaubte, Oberwasser zu kriegen.

"Gut. Hoffentlich fällt diese Untersuchung mit der Ankunft deiner Banditen zusammen. Dann schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe!", drohte ich.

Das entsetzte den Mann genug, um ihn zum zitternden Wrack werden zu lassen.

In diesem Moment nahm ich das Kunai ab. "Du bist erbärmlich. Ich bin mir zu Schade, um einen Feigling zu töten. Geh und komm mir nie wieder unter die Augen."

Für einen Moment zögerte er, doch dann erhob er sich auf seine zitternden Beine. Hastig verneigte er sich vor mir. "Danke! Danke, danke, danke. Ich werde niemals wieder kehren!" Er lief mit zittrigen Schritten in den Wald zurück.
 

Ich atmete erleichtert auf. In der Krone eines Baumes, in dessen Richtung er geflohen war, erkannte ich Hinata. Gut, sie hatte Suzume auch gehört. Ich bedeutete ihr, den Mann zu verfolgen, so weit sie konnte. Das Mädchen nickte und verschwand.

Dies war der Moment, in dem mich ein durchaus schmerzhafter Schlag in den Rücken traf. "Du blöder Kerl! Du Ekel!", rief Suzume. Sie hockte hinter mir, hatte sich in den Rückensaum meiner Jacke gekrallt und weinte schon wieder. "Ich dachte, du bist tot! Wie konntest du mir das nur antun?"

Ehrlich gesagt brachte mich das zum Lachen. "Tut mir leid, aber es ging einfach nicht anders, Suzume-chan. Ich kenne solche Situationen. Wenn man auf der Straße lebt, dann überlebt man nur, wenn man die Stärkeren überlisten kann. Er musste sich sicher genug fühlen, um seine Umgebung zu vergessen. Sonst hätte ich ihn nicht besiegen und dich retten können. Verstehst du das?"

"Du bist trotzdem gemein", hauchte sie und wischte ihre Tränen in meine Jacke. "Das hat so weh getan als ich dachte, dass du stirbst."

Das brachte mich wieder zum Lachen. "Du weißt schon, dass der Herr Beamte ein paar Tricks von Shinobi gelernt hat? Wie hätte ich ihn deiner Meinung nach besiegen sollen?"

"Du kannst das! Du hättest ihn mit links fertig gemacht und mit rechts hättest du mich aus seinem Griff gerettet!" Trotzig sah sie mich an.

Ich lachte erneut, kurz und abgehackt. "Suzume, ich bin leider kein Shinobi."

"Aber du solltest einer sein! Dann wären wir endlich sicher!"

Sie hatte "wir" gesagt. Also hatte sie all die Menschen, denen sie vorwarf, dass sie ihnen egal war, mit eingeschlossen. Sie gab sich zynischer als sie eigentlich war.

"Mein Leben ist bisher ziemlich verrückt verlaufen", sagte ich amüsiert und ging neben dem Mädchen in die Hocke. "Ich dachte eigentlich, wenn ich mit Genta mitgehe, kriege ich da endlich ein wenig Ruhe rein. Ein normales Leben, ein einfaches Haus, Familie, etwas in der Art."

"Familie?" Argwöhnisch sah sie mich an. "Du willst mit Hanako eine Familie gründen?"

Überrascht sah ich sie an. "Wie kommst du denn darauf, Suzume-chan?"

"Es stimmt doch, oder? So wie sie dich immer ansieht, ist das ja wohl klar! Glaubst du, ich habe keine Augen im Kopf?"

Ich tätschelte ihren Kopf. "Familie besteht aus mehr als der Frau die man heiratet. Oder den Mann. Und wenn du dir Mühe gibst, dann rechne ich dich vielleicht eines Tages auch zu meiner Familie, Suzume-chan."

Sie sah auf, mir direkt in die Augen. "Und heiratest mich? Nicht diese aufgetakelte Hanako?"

Ich lachte. Das war etwas, was ich Hana-chan besser nie erzählen sollte. "Nun übertreib mal nicht gleich. Fangen wir damit an, dass du meine kleine Schwester wirst, okay?" Ich drückte ihr etwas in die Hand. "Und das ist das erste Geschenk, das meine kleine Schwester von mir bekommt."

Sie betrachtete den silbernen Gegenstand erstaunt. "Aber das ist das Siegel des Beamten! Wie hast du...?"

"Sieh es als kleine Entschuldigung von ihm, dafür das er versucht hat, mich umzubringen und dich... Na ja. Ich bin jedenfalls sicher, dass er es nicht zurückfordern wird. Er hat Angst vor mir."

Ich wandte mich um und streckte die Hände nach unten. "Und jetzt komm. Ich trage dich nach Hause."

"Okay." Sie war federleicht. Ich hatte keine Mühe, sie auf meinen Rücken zu heben und mit ihr aufzustehen. Ihre warmen, zarten Arme legten sich um meinen Hals, und ihr Kopf ragte über meine rechte Schulter, damit sie mich ansehen konnte.

"Duuu, Akiraaaaa, behältst du das Kunai eigentlich?"

"Willst du das haben? Du hast doch schon das Beamtensiegel bekommen", lachte ich.

"Ich habe die letzten dreizehn Jahre nur ein Geschenk von dir bekommen, großer Bruder", sagte sie mit diebischem Vergnügen in der Stimme. "Da ist ein zweites Geschenk sicher nicht zu viel verlangt, oder?"

Ich lachte erneut. "Das Kunai ist eine Waffe, und hat in deinen zarten Händen nichts verloren, Suzume-chan. Außerdem habe ich von dir in den letzten dreizehn Jahren nicht mal ein Geschenk bekommen."

"Oh, da hast du Recht. Im Moment habe ich aber nur das." Sie lehnte sich vor und küsste meine rechte Wange. Dann schmiegte sie sich enger an mich.
 

Als wir den Wald verließen, wurden die Dorfbewohner auf den Feldern schnell auf uns aufmerksam. Bereits nach kurzer Zeit hatte sich eine bunt gemischte Traube um uns versammelt.

Besorgt erkundigten sich die Männer und Frauen über Suzumes Gesundheitszustand, und wo ihre Getas geblieben waren.

"Keine Sorge", sagte ich, "sie ist nur über eine Baumwurzel gestolpert und hat sich den Knöchel verstaucht."

"Und wo sind ihre Sandalen? Akira-kun, das du darauf nicht geachtet hast."

"Tut mir leid, aber die konnte ich nicht auch noch mitnehmen. Suzume ist ganz schön schwer. Autsch, nicht kneifen."

"Ich bin woll nicht schwer", protestierte sie.

"Du bist leicht wie eine Feder", sagte ich lächelnd.

"Hey, wenn du sie nicht mehr tragen kannst, soll ich dich dann ablösen?", fragte einer der Dorfjungen. Ich glaube, Kenji war sein Name.

"Du bist doch zu schwach und lässt sie nur fallen! Ich mach das dann, klar?", meldete sich ein zweiter Junge.

Eines der Mädchen trat näher heran und griff Suzume ins Haar. "Du hast ja lauter Laub und Stöcke in deinem Haar. Das passt aber nicht. Du hast doch immer so schöne, seidige Haare."

"D-danke", sagte sie verlegen, während das Mädchen, Anko, wenn ich mich nicht irre, den Unrat entfernte, den sie sich auf dem Waldboden zugezogen hatte.

Durch den Pulk besorgter Menschen kamen wir nur langsam voran, und mussten uns etliche Tipps und gute Ratschläge anhören. Aber ich konnte beinahe sehen, wie Suzume aufblühte. Nicht, weil sie der Mittelpunkt des Geschehens war, sondern weil das eingetreten war, was sie nicht mehr erwartet hatte: Sie wurde bemerkt. Nicht Tsubasa, nicht Genta, sondern sie.

"Schaut doch nur, sie hat Schmerzen. Sie weint, das arme Ding. Sei doch vorsichtiger mit ihr, Akira-kun", tadelte mich die Frau, die schon meine Blasen und Schnittwunden verarztet hatte.

"Ich tue was ich kann", erwiderte ich.

"Suzume-chan, sag Tsubasa, dass ich nachher mit einigen Heilkräutern vorbei komme, ja?"

"Ich richte es aus, Tante Mei."

Ja, sie war definitiv glücklich. Und ich war sicher, sie hatte es sich diesmal verdient.

***

Damals
 

Am Morgen des fünften Tages war ich früh wach. Ich war ausgeruht, hatte die Strapazen der letzten Mission und den Angriffs weitestgehend hinter mir gelassen, ich hatte meine Toten begraben und meine verletzten Kameraden im Krankenhaus besucht. Ich hatte all das getan, was man von einem Gruppenführer erwartete. Und irgendwann hatte ich doch den Mut gefunden, Konohamarus Familie zu besuchen. Die Herzlichkeit und die Selbstverständlichkeit, mit der ich in ihre Trauer aufgenommen worden war, hatte mir einiges vor Augen geführt. Nämlich das ich für sie mehr war als nur ein Ninja Konohas. Ich gebe zu, ich habe mich nie als etwas Besonderes gesehen, aber genauso habe ich lange Zeit angenommen, ich müsste für alle anderen Menschen auch gleich unscheinbar ausschauen. Interesse an mir, egal in welcher Form, hatte mich immer zuerst irritiert. Durch die Reaktion der Sarutobis aber wurde mir klar, dass ich mein eigenes Weltbild überarbeiten musste. Und dass es durchaus Menschen gab, die mich schätzten. Auch ohne, dass ich erst etwas Besonderes werden musste.

Der Besuch an sich war nicht so verlaufen wie ich erwartet hatte. Natürlich war die Stimmung durch die Trauer geprägt, aber Sarutobi-sama hatte schon vor langer Zeit verfügt, dass er mit einem Lächeln verabschiedet werden sollte. Darum gedachte man im Haushalt all seiner guten Seiten, erzählte sich Pointen, und ermunterte die Kinder dazu, wie sonst auch zu spielen.

Konohamaru hielt das als angehender Ninja natürlich für unter seiner Würde, also nannten wir und seine beiden Teamkameraden es einfach "Training", und die Welt war wieder in Ordnung.

Eine Zeitlang tollte ich mit den dreien umher, ich wurde zum Nachmittagstee und zum Abendessen eingeladen, und es war erst spät in der Nacht, als ich nach Hause ging. Was vor allem daran lag, das Asuma-sempai auch noch vorbei kam, und wir noch lange nach dem Essen am Tisch saßen und uns heitere Anekdoten über Hiruzen Sarutobi erzählten, den dritten Hokage.

Hinterher, auf dem Heimweg, war ich unheimlich erleichtert über das, was ich erlebt hatte, und ich war dankbar, dass ich doch noch den Mut gefunden hatte, hinzugehen. Ich merkte, ich wusste, nur weil mein Meister fort war, war ich nicht automatisch ein Niemand für die Sarutobis. Allerdings ließ die Mutter schon scherzhaft durchblicken, dass sie erwartete, dass ich Konohamaru zum Kontraktpartner machen würde, wenn seine Zeit gekommen war.

Seiner Meinung nach war das sofort der Fall. Meiner Meinung nach hatte er noch einige Jahre zu warten, um jene Jovialität zu entwickeln, die Affen so sehr liebten. Aber er zwang mich dann mehr oder weniger, seine erfolgreiche Ernennung zum Chunin als Termin festzulegen.
 

Als ich an diesem Morgen in voller Montur in die Küche trat, erwartete meine Familie mich bereits. Der Esstisch war reich gedeckt, meine Leibspeisen überwogen, und ein dreistöckiges Bento stand bereit. Das überraschte mich. Ich war schon öfters zu Missionen außerhalb des Landes des Feuers aufgebrochen, hatte schon oft B-Rang-Missionen erfüllt. Ebenso überraschte mich, dass sich die Frauen vollkommen ungezwungen unterhielten, während Vater stoisch die Zeitung las.

"Morgen", sagte ich und setzte mich dazu. "So viel Aufwand? Für mich?"

"Mach dich nicht lächerlich, kleiner Bruder", sagte Yuriko mit einem frechen Grinsen. "Wir hatten heute einfach Lust, mal ein paar Sachen zu machen, die es lange Zeit nicht gegeben hat."

"So, so", murmelte ich und setzte mich. Neben dem üblichen Morgenmahl Konohas - Reis, Miso und gebratene Makrele - gab es auch Toast, Speck und Würstchen, gebratene Nudeln, Marmelade, Wurst und Käse zu Graubrot, Brötchen und süßen Kuchen. Unmöglich, das wir vier das alles schaffen konnten. "Und? Wie viele Gäste erwartet Ihr noch?"

"Wie jetzt?" Erstaunt wechselten Mutter und Yuriko einen Blick. "Das ist alles für dich. Wir haben gehört, dass du beim Angriff auf Konoha eine Soldatenpille gegessen hast. Das soll uns nicht wieder passieren. Diesmal isst du dich richtig satt."

Ich ließ meinen Blick über die Mengen schweifen. "Tschuldigung, aber ich bin kein Akimichi."

"Aber wir bestehen drauf", fuhr Mutter fort.

Das schlug mir dann doch ein wenig auf den Magen.

"Lass dich doch nicht immer so leicht foppen, Herr Chunin", sagte Vater über den Rand seiner Zeitung hinweg. "Die beiden machen sich nur Sorgen um dich. Auf Missionen bist du schon öfter gegangen, aber diesmal ist es eine Invasion. Außerdem musst du nicht alles alleine essen. Meine beiden Mädchen haben deine beiden Mädchen zum Frühstück eingeladen. Sie müssten eigentlich gleich da sein."

Wie auf Stichwort klopfte es an der Tür. "Ich mache auf!", rief Yuriko und eilte zur Tür.

Für einen Augenblick war Stille, dann herrschte mehrstimmiger Tumult, der sich bis in die Küche zog, als Vater und Mutter die beiden hoch geschätzten Gäste begrüßten.

Ich beließ es mit einem Nicken. Wir drei waren Profis, und wir würden in den nächsten Tagen enger zusammenarbeiten als es eine innige Begrüßung zum Frühstück sein konnte.

"Setzt euch. Wir haben genug für alle gemacht", sagte Mutter stolz, drückte beide Mädchen herzhaft und platzierte sie links und rechts von mir.

"Na dann guten Appetit", sagte ich und griff selbst zu.

"Vielen Dank für die Einladung." Karin schaufelte sich erwartungsgemäß den Teller voll. Als Akimichi und dank ihres Jutsu hatte sie einen Stoffwechsel, der mit einem sehr heißen Brennofen zu vergleichen war. Sie war wie ein Rohr, durch das alles einmal hindurch lief. Doch in letzter Zeit blieb mehr und mehr von dem was sie aß auf der Brust hängen. Aus dem dürren Mädchen wurde... Ein Mädchen.

Hanako war nicht viel zurückhaltender. "Oh, frischer Speck. Und Würstchen. Sonst darf ich das ja nicht, aber wir haben einen langen Marsch vor uns. Und Mamo-chan passt schon darauf auf, das bei uns kein Fett ansetzen kann, nicht?"

Ich linste nach rechts zu ihr herüber in ihren Ausschnitt. "So? Dann war ich aber nicht sehr erfolgreich."

Dafür kassierte ich einen Schlag gegen die Schulter. "Mamoru Morikubo, du bist unmöglich", tadelte sie mich.

"Und genau das macht meinen Charme aus, oder?", erwiderte ich lachend und ergriff die Kanne. "Grüntee?"

"Bitte, ja." "Karin?" "Germme."

Ich schenkte den beiden ein und bewunderte, mit welcher Geschwindigkeit Karin drei dicke Pfannkuchen verschlang. Es war ein Anblick, der am besten mit einem Strudel und einem armseligen Schiff zu vergleichen war, das plötzlich hinein geriet.

"Und? Seid Ihr vorbereitet? Orochimaru wird mit einem Gegenschlag rechnen, oder?", fragte Vater unvermittelt.

"Ich habe keine Bedenken, dass wir auf Orochimaru treffen werden", sagte ich. "Er wird Otogakure aufgegeben haben, und sitzt genau jetzt in einem seiner Geheimverstecke bei seinen biologischen Experimenten."

"Biologische Experimente?" Für einen Moment schien Hanako grün im Gesicht zu werden.

"Unsterblichkeit, oder so. Mein Meister hat mir mal etwas dazu erzählt", sagte ich und betrachtete das junge Mädchen argwöhnisch. Wenn ihr schlecht wurde...

"Danke, geht schon", sagte sie und schluckte kräftig. "Jedenfalls ist das Ziel der Mission, dass Otogakure jede Möglichkeit genommen wird, je wieder Krieg zu führen."

"Das heißt, wir vernichten ihre Schmieden, kappen ihre Handelswege, nehmen ihnen ihre Geldressourcen und verhaften ihre Shinobi. Das ist jedenfalls der Plan für den Idealfall."

"Ich für meinen Teil werde die Augen nach Maria offen halten. Da ist noch eine Rechnung zwischen uns, die ist sehr persönlich", knurrte ich angriffslustig. Es hätte vielleicht cool gewirkt, wenn ich mir dabei nicht ein Brötchen aufgeschnitten hätte.

"Mamoru!", rief Karin entrüstet.

Ich fuhr zusammen. "Was ist? Darf ich nicht mal ein persönliches Rachebedürfnis empfinden?"

"Nein, das geht in Ordnung. Aber was Maria angeht, wirst du dich schön hinten anstellen. Sie hat Katou getötet, den Mann, der mir das Leben gerettet hat!"

Ich sah sie erstaunt an. "Nanu, so blutrünstig kenne ich doch sonst nicht, meine kleine Akimichi."

"Glaub bloß nicht, dass du hier der einzige mit dem Recht auf Rache bist", murrte sie und ließ einen weiteren Pfannkuchen verschwinden. Man musste sich das mal vorstellen. Sie war einen halben Kopf kleiner als ich, wog in etwa nur die Hälfte, hatte das Gesicht eines schwarzhaarigen Engels mit einem kleinen, volllippigen Mund, der wirkte als wäre er schon mit dem Umfang einer Kirsche überfordert, und dann verschwand ein Fingerdicker Zwanzig Zentimeter-Pfannkuchen darin, als hätte es ihn nie gegeben. Man sagte ja, Essen und Atmen wäre für Akimichi sehr ähnlich.

Ich vermutete, es war dasselbe.

"Wir werden sehen, wer sie zuerst zu fassen bekommt", erwiderte ich.

"Hey, vergesst dabei mich nicht!", beschwerte sich Hanako. "Ich war auch mit Katou befreundet. Und ich habe gesehen, wie Maria Lian verletzt hat! Hallo? Meine Freundin Lian? Also, bitte."

"Ihr redet über Suna-Ninjas, oder?", fragte Vater erstaunt.

"Ja. Wir haben mit ihnen die Chunin-Prüfung gemeistert", erklärte ich. "Ich habe davon erzählt."

"Waren sie zu dem Zeitpunkt nicht eure Feinde?", hakte er nach.

"Schon", erwiderte ich nachdenklich. "Und als Feinde haben wir sie behandelt. Aber wir haben sie nicht gehasst."

"Ich denke, das wäre auch eine gute Einstellung, um mit den Oto-Ninjas umzugehen. Was meint Ihr, wie viele von ihnen nur Befehle ausgeführt haben? Die gar nicht gewusst haben, wem sie eigentlich dienen?" Vater schlug seine Zeitung wieder hoch und sagte: "Denkt mal drüber nach. Hitzköpfe gibt es genug auf der Welt, aber es überleben die, die in Ruhe nachdenken können und überlegt handeln."

"Ha, Schatz. Du redest mal wieder über etwas, wovon du nichts verstehst. Du warst noch nie auf einem Schlachtfeld. Wenn man mal von den Angriffen auf Konoha absieht", tadelte Mutter. "Aber du hast Recht."

Sie wandte sich mir und meinen Mädchen zu. "Gerade wenn Gefühle involviert sind, müsst Ihr aufpassen, dass Ihr sie steuert, nicht sie euch. Gefühle können eine mächtige Hilfe sein, Kräfte wecken, die Ihr glaubtet gar nicht zu haben. Aber sie können euch auch unvorsichtig machen, leichtsinnig, verletztlich. Wer sich vom Rausch des Blutes dahin jagen lässt, muss schon ein ziemlich guter Ninja sein, will er seinen Feinden nicht etliche Eröffnungen präsentieren. Und seien wir doch mal ehrlich, Mamoru - du bist kein Sarutobi."

Das war schon richtig. Ich hatte nie mit Asuma mithalten können, geschweige denn von Hiruzen Sarutobi selbst. Das wusste ich. Aber es von der eigenen Mutter gesagt zu kriegen, war sehr demoralisierend. "Danke", erwiderte ich säuerlich. "Das war mir durchaus bewusst."

"Na, na, übertreiben solltest du es aber auch nicht", erwiderte Vater streng. "Immerhin, dein Sohn ist Chunin. Und das wird man nicht als zweitklassiger Ninja. Und ob es für den Jounin reicht werden wir früh genug sehen."

Das war zwar vom Grundtenor eher positiv, aber ich hatte die letzte Spitze wohl bemerkt. "Danke, Vater. Das baut mich jetzt wieder auf."

"Wie dem auch sei, und bevor Ihr beide meinem kleinen Bruder noch mehr zu schaffen macht", ging Yuriko dazwischen, "ich habe ein Bento für euch gemacht. Für euch drei. Ich hoffe, Ihr esst es unterwegs."

Das ließ die Augen der Mädchen strahlen. "Danke, Oneechan." "Ein Bento von Yuriko-Oneechan. Herrlich."

"Na, das will ich ja auch meinen. Ich habe mir richtig Mühe gegeben", sagte sie zufrieden.

Es war nicht verwunderlich, dass auch sie ihren Teil der Aufmerksamkeit genoss und mochte.

"Wir werden dein tolles Essen ausgiebig genießen", versprach ich.

"Gut. Ihr zwei, Ihr passt auf, dass Mamoru anständig isst. Ich will nicht, dass er sich wieder so eine Soldatenpille in den Mund stopft. Man hört ja so viel schlechtes darüber", sagte sie ernst.

"Verstanden!", rief Hanako. "Notfalls bekochen wir ihn!"

"No-notfalls", haspelte Karin, "füttern wir ihn!"

"Hoffentlich nicht Mund zu Mund", brummte ich.

Die darauffolgende Stille machte mich doch etwas nachdenklich. "Was ist los? Ich habe doch nur einen Scherz gemacht."

Vater stieß einen Laut des Missfallens aus und widmete sich wieder seiner Zeitung. Yuriko seufzte lang und ausgiebig, meine Mädchen traten mich heimlich unter dem Tisch, während ihre Gesichter kräftige Röte angenommen hatten, und Mutter schüttelte abfällig den Kopf. "Was, Ihr Götter, habe ich auch anderes von diesem Sohn erwartet?" Es folgte ein mütterlicher Seufzer, so voller Bedauern, aufrichtiger Trauer und unerfüllter Hoffnung, das ich mich unwillkürlich fragte, wen ich umgebracht hatte.

"Esst auf. Euer Treffen ist bald", sagte Vater hinter seiner Zeitungsbarriere. "Und, Hanako, Karin... Niemals aufgeben. Jeder kann dazu lernen. Selbst mein Trottel von Sohn."

"Das machen wir auch nicht, Otoo-sama." "Wir sind hartnäckig, Otoo-sama."

"Ich verstehe gerade gar nichts", murrte ich.

"DAS wundert uns nicht im Geringsten, Mamoru." Mutter seufzte erneut.

Und ich hatte es eilig, mit dem Essen fertig zu werden, um dieser Anti-Mamoru-Stimmung entkommen zu können.

***

Die Tore von Konoha glichen einen Heerlager. Es ging drunter und drüber. Shinobi liefen durcheinander, Melder wuselten durch die Menge, und ANBU waren überall und nirgends.

Ich schätzte die Zahl der sich nach und nach in Neuner-Zellen ordnenden Shinobi auf beinahe zweihundert. Das sollte ausreichen, um Otogakure einzustampfen, vor allem weil davon auszugehen war, dass Orochimaru selbst nicht anwesend sein würde. Und wahrscheinlich hatte er seine stärksten Kämpfer ebenfalls abgezogen. Es ging bei der Mission ohnehin darum, ein Zeichen zu setzen. Als ich das erkannte, begannen bei mir die Magenschmerzen. Ich musterte die Shinobi, und sah, dass der Anteil an Genin ungewöhnlich groß war. Tatsächlich erkannte ich auf Anhieb nur drei Chunin, die ich persönlich kannte, in der Menge, und nicht einen Jounin.

Zum Glück sah ich Asuma-sempai am Torhäuschen stehen. Er unterhielt sich gerade mit den beiden Räten Utatane-sama und Mitokado-sama. Dabei gestikulierte er ausdrucksstark mit den Armen.

Als er mich kommen sah, winkte er mich heran.

Ich nickte den Mädchen zu und gab ihnen damit Anweisung, ihren Platz in der Kolonne zu finden. Irgend einer würde schon wissen, wo wir eingesetzt wurden. Nun, es hätte mich irritieren sollen, dass einige der Shinobi zu ihnen kamen. Aber wahrscheinlich würden wir, wie wir es gewohnt waren, ein Neuner-Team übernehmen.
 

Als ich die kleine Gruppe erreichte, warf mir der alte Mitokado einen finsteren Blick zu. "Zu spät!"

Irritiert verharrte ich. Wir waren mindestens zwanzig Minuten zu früh. Ich konnte doch nichts dafür, dass die anderen Shinobi Konohas noch eifriger waren als ich.

"Ich bin vor dem avisierten Termin gekommen", verteidigte ich mich barsch.

"Als Anführer ist man eine Stunde früher da. Besser anderthalb", sagte er mindestens ebenso barsch.

"Anführer?" Entsetzt starrte ich die drei an. "Wie, Anführer?"

Daraufhin begann Asuma auf seine unnachahmliche Art zu lachen. "Oh, mein Fehler. Ich habe dir die neue Zeit zum Sammeln nicht zukommen lassen, Mamoru. Entschuldigen Sie uns eine kurze Zeit, Utatane-sama, Mitokado-sama. Ich muss ihn kurz instruieren."

Er legte mir eine Hand auf den Rücken und schob mich schnell hinter das Wachhäuschen am Eingang.

"Mamoru, wir befinden uns in einer prekären Lage. Natürlich haben mittlerweile alle Nationen, und damit alle Ninja-Dörfer, vom schweren Angriff auf Konoha erfahren. Und bald werden sie unsere Verlustlisten vorliegen haben. Um zu verhindern, dass irgend eine Nation versucht die Situation auszunutzen, solange wir noch unsere Verluste ausgleichen, müssen wir Stärke zeigen. Wir haben seit dem Überfall überdurchschnittlich viele A-Rang-, und S-Rang-Missionen angenommen. Fast alle Jounin und nahezu alle Chunin befinden sich auf diesen Missionen. Wir müssen der Welt beweisen, dass Konoha noch immer beißen kann. Auch ich muss gleich nachdem ich euch losgeschickt habe zu einer S-Rang-Mission aufbrechen. Die Alternative wäre sich in Konoha einzuigeln, bis wir uns wieder stark fühlen. Aber das würde bedeuten, Aufträge nicht zu erfüllen und keine neuen anzunehmen, die wir dringend brauchen. Gerade jetzt. Verstehst du das? Natürlich verstehst du das. Du bist ja nicht dumm."

Ich nickte langsam. Bis hierhin war es leicht. "Was sollte das mit dem Anführer? Ich bin kein Jounin, und selbst als Chunin erst ein gutes Jahr unterwegs."

"Keine Sorge, niemand macht dich zum Jounin. Du wirst aber bemerkt haben, dass die Chunin, die hier angetreten sind, eher zu den Spezialisten gehören, nicht unbedingt zu denen, die wie du Neuner-Teams angeführt haben."

"Ist so nicht richtig, Tonari ist dabei. Und ich habe Rose-chan gesehen", erwiderte ich. "Und die sind außerdem schon eine ganze Zeit länger Chunin als ich."

Asuma seufzte auf. "Ich will dir reinen Wein einschenken. Wir erwarten nicht, dass Orochimaru Otogakure verteidigen lässt. Aber wir schicken auf diese Mission, wen immer wir an Shinobi entbehren können. Gleicht durch Masse aus, was Ihr an besonderen Fertigkeiten nicht habt. Es wird kein Jounin mitkommen, um euch anzuführen, hast du das verstanden? Und es gibt nur einen Chunin in Konoha, der Erfahrung mit der Führung einer größeren Truppe hat. Das bist du, Mamoru. Dein Angriff auf den Sammelpunkt Otogakures hat gezeigt, dass du es kannst. Wir vertrauen auf dich, Mamoru. Wir brauchen dich. Ich würde es tun, aber möchtest du mit mir tauschen und meine S-Rang-Mission übernehmen?"

"Nein, das würde ich nicht so gerne", erwiderte ich mit einem Schauder in der Stimme.

"Siehst du. Und deshalb führst du die Expedition an. Ich habe dir die detaillierte Anweisungen hier in dieser Schriftrolle aufgeschrieben. Und ich habe dir Genin und Chunin nach den Gesichtspunkten einer Attacke auf verteidigtes Gebiet mitgegeben. Du hast überdurchschnittlich viele sensorische Ninjas, ein ansprechendes Kontingent an Medi-Nins, und du hast überdurchschnittlich viele Katon-Nutzer in deinen Reihen. Das macht deine Leute den Fuuton-Nutzern Otos überlegen. Du weißt, Feuer schlägt Wind. Und wem sage ich das, wenn nicht ausgerechnet dir. Alles was du tun musst, ist nur noch dieses Dorf finden, seine militärischen Möglichkeiten vernichten und seine Shinobi verhaften. Da Otogakure von Orochimaru gegründet wurde, hat das Land der Reisfelder grünes Licht gegeben, die Aktion als Konoha-internes Problem anzusehen und es uns selbst regeln zu lassen. Alle Shinobi, derer deine Leute habhaft werden, kommen bei uns vor Gericht, und anschließend je nach Sachlage in Haft. Komm schon, Mamoru. Konoha kann keine Jounin schicken, aber es kann dich schicken! Ich habe dich persönlich für die Mission ausgewählt. Und glaub mir, an deiner Stelle müssten wir einen Jounin entsenden, den wir nicht haben. Außerdem operieren drei ANBU-Teams im Zielgebiet. Ihr agiert unterschiedlich und habt übereinander keine Weisungsbefugnis, aber Ihr werdet euch koordinieren."

"Ja, ja, du brauchst mich nicht weich kochen, Asuma-sempai! Ich kenne meine Pflicht Konoha gegenüber. Ich hoffe aber, niemand jammert, wenn ich die ganze Truppe in den Untergang führe!"

"Na, na, nicht so pessimistisch, Mamo-chan", mahnte Asuma, jetzt deutlich zufriedener.

"Hat denn Rose-chan nichts dagegen, das ich die Truppe führe?", fragte ich zweifelnd. "Sie ist arrogant, selbstbewusst, anspruchsvoll und... Hatte ich arrogant schon?"

"Ich glaube, ich kann ihre Argumente in einem Satz zusammenfassen", sagte Asuma grinsend. "Du bist der, der Affenkrieger herbeirufen kann."

"Oh." Das leuchtete ein. "Und der Rat hat kein Problem damit, ausgerechnet mich...?"

"Probleme? Die beiden haben Magenschmerzen, seit ich den Plan vorgelegt habe. Sie fürchten, dass du zweihundert Shinobi in eine hoffnungslose Situation führen wirst, und ich habe acht Stunden auf sie eingeredet, um sie vom Gegenteil zu überzeugen. Das heißt, wenn du scheiterst, bin auch ich in der Scheiße."

"Ups. Du kannst dich drauf verlassen, Asuma-sempai, ich tue was ich kann, um das zu verhindern."

Er klopfte mir kräftig auf die Schulter. "Ich wusste, ich kann mich auf dich verlassen. Gehen wir zurück."

"Ist er jetzt ordentlich instruiert, Sarutobi-kun?", fragt Rätin Utatane.

"Er weiß was zu tun ist. Und er kennt den Plan. Und ich vertraue ihm und seinen Fähigkeiten."

"Sie sind optimistisch, Junge", sagte Rat Mitokado. Er musterte mich skeptisch. "Aber er kann Affenkrieger beschwören. Das wird die Situation wohl irgendwie retten."

Das weckte meinen Trotz. "Warum schicken Sie mich dann nicht einfach alleine los, um Oto einzuebnen?"

Für einen Moment schien Mitokado-sama ernsthaft drüber nachzudenken. "Abgelehnt. Die Welt soll wissen, dass Konoha auch wirklich da war. Also, mein Sohn, ich erwarte zumindest einen kleinen Erfolg."

Utatane-sama deutete hinter mich. "Bringen Sie so viele wie möglich wieder, Morikubo-kun. Ihre Truppen, Morikubo-kun."
 

Ich wandte mich um. Mittlerweile war in die Reihen Ordnung gekommen. Aber ich erkannte auf den ersten Blick, dass die Chunin gerade einmal reichten, um rund sechsundzwanzig Genin anzuführen, das Dreifache der üblichen Neuner-Zelle. Aber auch nur, weil Hanako und Karin wieder als Chunin auf Probe agierten.

Neben Rose und Tonari sah ich noch Fei-chan. Die anderen drei Chunin kannte ich nur vom Sehen. Dafür aber erkannte ich fast all die Genin wieder, die mit mir den Sammelpunkt Otos zerstört hatten, und etliche von denen, die durch meine Hände gegangen waren. Das machte keine hundert aus, also nicht mal die Hälfte. Aber es sollte mir genügend Reputation für diesen Angriff geben. Reputation. Mir. Wäre die Situation nicht so skurril gewesen, hätte ich gelacht und gerufen: Genug gescherzt. Welcher Jounin übernimmt ab hier?

Ich tat es nicht. Stattdessen wandte ich mich an Asuma und die beiden Räte. "Ich werde Sie nicht enttäuschen."

"Das weiß ich", sagte Asuma im Brustton der Überzeugung und knuffte mir vertraulich gegen die Schulter.

"Das hoffen wir", sagte Rat Mitokado säuerlich.

"Dann mache ich mich an meine Arbeit." Ich wandte mich ohne ein weiteres Wort ab und winkte die Chunin zu mir. Es sollte ja wirklich ein Spaziergang werden. Aber Sorgen durfte ich mir trotzdem machen. Dennoch, der Angriff begann in diesem Moment. Es gab kein zurück, und ich hatte das Pech, ihn anzuführen.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (4)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Ace_Kaiser
2013-01-09T17:22:55+00:00 09.01.2013 18:22
Keine Sorge, Du wirst Suzume noch mögen lernen. Und das ist gar nicht mal so weit entfernt. ^^

Genau, bedaure ihn mal richtig. Jetzt hat er die Verantwortung für zweihundert Leute. Arme Sau. Da muss doch was schiefgehen. Vor allem bei seinem üblichen Glück. ^^
Ja, das Frühstück hat Spaß gemacht. ^^

Danke für's Feedback zur zweigleisigen Erzählung, Miyu-chan. ^^V
Von:  Miyu-Moon
2013-01-09T11:37:34+00:00 09.01.2013 12:37
Ach ja vergessen. Die zweigleisige Erzählung ist so in Ordnung, auch wenn die Frage schon 2 Staffeln überholt hat.
Von:  Miyu-Moon
2013-01-09T11:36:45+00:00 09.01.2013 12:36
Man versteht Suzume jetzt besser, aber sie ist noch weit entfernt davon von mir gemocht zu werden. Naja, Mamoru und sein Team haben ja auch den Vorsprung von einer gesamten Staffel. Sie vermutlich nur noch 3 Kapitel.

Ja, armer Mamoru. Jetzt darf er nicht nur mitmachen bei der Strafexpedition,-nein. Er findet sich in einer Position wieder, von der er nicht zu träumen gewagt hätte. Die Frühstückseinlage war nett. Und wie schön du hervorgehoben hast, wie das bei normalen Akimichi und bei ihr ist.
Von:  Ace_Kaiser
2011-11-20T17:20:57+00:00 20.11.2011 18:20
Lord_Jin: Danke. ^^ Das motiviert. ^^

Ponta_chan: Ja, sie ist ein kleiner Satansbraten. Aber sie meint es nicht böse. Sie meint es nie böse. Und das ist das Problem.
Du hast doch nicht wirklich Mitleid mit Mamoru? Das gehört alles zu seinem Job. ^^

Da fällt mir ein: Wie kommt eigentlich die zweigleisige Erzählung an? Gut, oder besser nächste Geschichte wieder linear?
Von: abgemeldet
2011-11-20T09:11:37+00:00 20.11.2011 10:11
Ahahahaha ich liebe Suzume :D
Sie ist super lustig und so typisch pubertär :)
Ich mag sie :D

Und ooooh, armer Mamo, dass so viel Verantwortung auf ihm gelastet hat :o
Ich bin gespannt, wie er diese Hürde meistert ^^
Von: abgemeldet
2011-11-19T19:47:49+00:00 19.11.2011 20:47
Ich machs kurz und bündig, wie immer der Hammer.


Zurück