Zum Inhalt der Seite

Sunset over Egypt

Even if tomorrow dies
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Komplexität

Wann nur würde das ein Ende haben? Es schien, als käme sie aus dem Lügen gar nicht mehr heraus. Immer wieder neue Ausreden musste sie erfinden, immer wieder neue Geschichten erzählen, die mit der Wahrheit nur halb zu decken waren. Doch was blieb ihr anderes übrig?

Dieses Kind war unermüdlich, wissbegierig und neugierig. Nie hätte Adalia sich ausgemalt, dass es so schwer sein würde, auf eine ehemalige Priesterschülerin aufzupassen, weil diese ihr Gedächtnis verloren hatte. Nie hätte sie es erwartet. Doch nicht ohne Grund war Mana auf die Priesterschule gegangen: Sie wollte unglaublich vieles wissen, alles verstehen und noch mehr erklärt bekommen. Natürlich. Der Hohepriester hatte kein einfältiges Mädchen für das Leben an seiner Seite gewählt, doch verstehen konnte sie seine Wahl dennoch nicht. Hatte nicht er ihr immer erklärt, wie wichtig es war, einen Ruf zu wahren? Wieso setzte er den seinen dann so tollkühn aufs Spiel? Wer, wenn nicht er, konnte denn die Folgen davon absehen?

Und nun?

Mana würde nie die Aufgaben erfüllen können, die nun von ihr erwartet wurden. Sie war doch im Grunde wie ein Kind. Ohne Erinnerungen oder Erfahrungen auf die sie hätte zurückgreifen können, hatte sie alles neu zu lernen, damit sie wenigstens sich selbst gerecht werden konnte. Wie nur musste es sein für sie?

Die Priesterin konnte es sich nicht vorstellen. All die Bilder ihrer Vergangenheit hatten sie zu dem gemacht, was sie heute war, würde man ihr die Vergangenheit einfach nehmen... Adalia dachte lange nach. Sie würde jede Legitimation für ihre Taten verlieren, jeden Erklärungsansatz im Keim ersticken. Sie würde ihre gesamte Existenz anzweifeln, solange bis sie Zeichen der verlorenen Zeit wiederfände.

Wenn man dies bedachte, so verhielt sich Mana vorbildlich. Sie war in einem gewissen Maße geduldig und einsichtig, sie wollte neues lernen und so vieles verstehen, das es beeindruckte. Doch diese Fragen nach ihrer Vergangenheit. Adalia wusste nicht genau, was sie darauf antworten sollte. Sie wollte sie an die Wahrheit heranführen, so weit es ging, um ihr dann im entscheidenden Moment die entscheidende Information zu verwehren. Es war wirklich verzwickt. Ihr völlig an den Haaren herbeigezogene Dinge zu erklären, wäre vermutlich kontraproduktiv gewesen. Auf diese Weise hatte sie noch die Möglichkeit, im Fall der Fälle einzugreifen, falls jemand versuchen sollte, ihr etwas anderes erklären zu wollen. Sie hatte Raum zu handeln, wenn es sein musste.

„Ich hatte also einen Unfall?“, ungeduldig lief Mana auf sie zu, blieb direkt vor ihr stehen und sah ihr mit großen Augen ins Gesicht. „Und deswegen habe ich alles vergessen? Deswegen kenne ich das alles hier nicht?“ Oh ja, das hatte sie ihr schon erklärt, von dem Unfall hatte selbst Seth gesprochen, daher hielt die Priesterin es für sinnvoll, bei diesem Teil der Geschichte zu bleiben. Sie wollte sie nicht noch weiter verwirren. Doch was das für ein Unfall gewesen sein sollte, wusste auch Adalia nicht. Sie konnte nur hoffen, dass sie auf den Priester traf, bevor die Kleine es tat. Doch vermutlich wäre er sowieso vorsichtig damit, was er zu ihr sagte. Dennoch. Es war besser, sicher zu gehen.

Mana sah sie an. „Was ist das, ein Unfall?“ Ihre Augen waren groß, wissbegierig. „Ist das gut?“

Die Priesterin schüttelte den Kopf. Manas begrenztes Wissen machte die Sache einerseit einfacher, andererseits jedoch enorm schwierig. Dieses Thema war extrem heikel. Zu viel musste konstruiert werden, zu viel musste genaustens überlegt sein. „Nein, ein Unfall ist nichts Gutes“, antwortete sie schließlich, „Aber man kann sich das nicht immer aussuchen, weißt du?“

Schon war das Mädchen wieder Feuer und Flamme. Sie hatte Fragen und sie konnte sie stellen. „Aussuchen?“ Alles zu hinterfragen erschien ihr als das Beste, das sie machen konnte.

Die Größere nickte. „Ob man etwas möchte oder nicht, ja“, fast schon beiläufig erklärte sie die Wörter, mit denen Mana nichts anfangen konnte.

„Und was möchte man?“

Naivität und Unwissenheit lag häufig nahe beieinander, wie Adalia schon hatte feststellen müssen. Doch was konnte dieses Kind dafür? Es war nur gut, dass sie sich im Augenblick nicht der Öffentlichkeit stellen musste, sondern ein Schattendasein führen konnte. Mit etwas Glück konnte man aus ihr vielleicht irgendwann einen Diamanten formen. Ein Mädchen, das dem Hohepriester würdig war.

Sie lächelte die Kleine an. „Oh, man möchte ganz verschiedene Dinge“, sagte sie nachsichtig, „Du möchtest zum Beispiel durch den Palast laufen und dir alles ansehen.“

„Ja! Möchte ich! Darf ich?“ Ein Strahlen bildete sich in Manas Augen, grüner Glanz, der wohl jeden hätte erweichen können. Nicht jedoch Adalia. Diese schüttelte bedauernd den Kopf. „Nein, noch nicht“, sagte sie, „Später kannst du das machen.“ Erst musste ihr Körper heilen, zumindest das hatte sie Seth versprochen. Ihre Seele würde wohl nie wieder so werden wie früher.

Mana ließ den Kopf hängen. „Wann ist denn später?“

„Noch nicht.“

Ein paar Mal hatten sie dies schon durchgespielt, bei jeder Gelegenheit, die sich bot, versuchte die Kleine es aufs Neue. Doch immer wieder lehnte Adalia ab. Mana jedoch ließ sich nicht abschütteln, und war genau so hartnäckig wie die Andere.

Der Priesterin war es nur recht. Auf diese Weise konnte sie Mana beschäftigen, sie bei Laune halten. Viel Zeit noch würde ihnen bleiben, über irgendwelche Sachen zu diskutieren bis Seth zurückkehren würde. Solange würde sie so gut wie jede Sekunde bei Mana sein und solange würde sie sich wohl auch der Frage stellen müssen, wann sie endlich nach draußen durfte.

„Hast du Hunger?“, fragte Adalia, nach dem sie eine Weile aus dem Fenster gesehen hatte, absichtlich das Thema wechselnd. Sie wusste, dass Mana noch nichts im Magen hatte.

„Hunger?“, fragte die Angesprochene, „Was ist das?“ Wieder überraschte es Adalia, welches Wissen nötig war, um einfach nur durch den Tag kommen zu können. Ein gewöhnlicher Ablauf stellte sich als unglaublich komplex heraus, wenn man damit nicht oder viel mehr nicht mehr vertraut war. Doch wie sollte sie das nun erklären? „Nun ja, jeder Mensch muss ab und zu etwas essen“, setzte sie an, brach dann aber ab. Worte allein konnten niemals klar machen, was es bedeutete Hunger zu haben und essen zu können. Sie erhob sich. „Wartest du kurz hier?“, bat sie, „Dann zeige ich dir, was ich meine.“

Mana war einverstanden. Interessiert nickte sie, sah Adalia hinterher, als diese aus der Tür hinaustrat. Dort beauftragte sie einen Diener ihnen etwas zu essen zu bringen, ehe sie sich umdrehte und in Manas erwartungsvolles Gesicht blickte. „Es dauert nicht mehr lang“, versicherte die Priesterin ihr lächelnd.

„Wer war das?“ Sie hatte den Jungen wohl gesehen, mit dem Adalia gesprochen hatte, sofort war in ihrem Kopf ein neuer Berg voller Fragen explodiert.

Und wieder begann die Ältere zu erklären. „Ein Junge“, antwortete sie ohne zu zögern, dies war ein deutlich einfacheres Thema. „Er arbeitet hier im Palast. Er holt uns Essen.“

„Ist er wichtig?“

Adalia lächelte und hatte gleichzeitig das Bedürfnis sich auf die Lippen zu beißen. Sie musste sich unbedingt mehr anstrengen, damit Manas Weltbild nicht völlig aus der Bahn geriet. Sie durfte nicht einfach nur in wichtig und unwichtig unterscheiden, die Welt war nicht schwarz und weiß. Sie musste ihr beibringen, all die Facetten zu sehen, ohne sofort eine Wertung vorzunehmen.

„Aber natürlich“, sagte sie, „Nicht so wichtig wie der Pharao und auch nicht so wichtig wie Seth oder ich oder du. Aber jeder ist auf seine Weise wichtig.“ Wie nur sollte sie ihr alles erklären, ohne nicht selbst Abstriche zu machen, selbst Einschnitte in das große Ganze?

„Ist das hier alles so kompliziert?“, fragte Mana und nahm ihr die Worte damit aus dem Mund.

Sie nickte lachend. „Ich fürchte, das ist es“, gab sie bedauernd zu, kompliziert war wirklich das beste Wort für die Situation. Auch wenn Mana bei weitem nicht deren Ausmaß begreifen konnte, so war es doch zutreffender als alles andere. Adalia wusste, wieso der Hohepriester nicht einfach irgendwem die Aufgabe übertragen hatte. Er kannte sie schon seit Ewigkeiten, er wusste, wie sie dachte und was ihre Art zu handeln war. Er musste genau gewusst haben, was da auf sie zu gekommen war. Nur deswegen hatte er sie erwählt. Sie war die Beste. Sie war es schon immer gewesen und Seth wusste es. Adalias Wangen begannen leicht zu glühen.

Mana stattdessen saß kichernd auf dem Bett, betrachtete sie skeptisch und beschloss dann, sie wollte lieber schlafen. Natürlich hatte die Priesterin nichts dagegen einzuwenden, und natürlich überlegte Mana es sich anders, sobald sie die Möglichkeit dazu hatte, was im Grunde bedeutete, dass es nie ein ernst gemeinter Vorschlag gewesen war. „Ich möchte lieber mehr wissen!“, plapperte das Mädchen fröhlich, „Und... Essen?“

„Das dachte ich mir.“ Hatte sie wirklich die Hoffnung gehabt, dass Mana nur für eine Sekunde zufrieden sein würde, mit dem, was sie hatte? Allein Naivität hätte eine solche Hoffnung begründet und so naiv war Adalia nicht. Sie blickte die Kleine freundlich an. „Wir müssen noch einen Moment auf das Essen warten“, erklärte sie und Mana nickte. Sie versuchte still zu sitzen, versuchte zu warten.

Es war fast niedlich, dachte die Ältere, ihr dabei zuzusehen, wie sie ständig versuchte, irgendwelche Vorsätze zu erfüllen und dann doch auf Grund von Ungeduld daran scheiterte. Wie sie immer wieder aufschaute und hibbelig darauf wartete, dass es etwas Neues passierte, etwas das sie unbedingt verstehen wollte und doch nicht konnte. Und wie sie immer wieder hoffnungsvoll zur Tür sah und auf des Hohepriesters vertraute Schritte lauschte. Eine Weile verging und Mana starrte Adalia wie gebannt an. Ihr Kopf lag leicht schief auf ihrer Schulter, die Hände hatte sie unter ihre Beine geklemmt. Und sie wartete.

Es war ein eigenartiger Anblick für die Priesterin, die es sonst nur gewohnt war, dass man zu ihr aufsah. „Was denkst du?“, fragte sie ehrlich interessiert. Das Mädchen war ihr noch immer ein Rätsel und es konnte gewiss nicht schaden, so viel es ging über sie zu erfahren.

Manas Antwort überraschte sie über alle Maßen: „Ich finde dich toll!“, gab sie fröhlich lächelnd und ehrlich zu und es konnte kein Zweifel aufkommen, dass sie es nicht auch so meinte.

„Wieso denn das?“, fragte Adalia leicht verwirrt, sie hatte erwartet, dass Mana über unzählige Dinge nachdachte, die das Chaos in ihrem Kopf nur größer und unordentlicher werden ließen, nicht jedoch hatte sie damit gerechnet, dass das Kind über sie grübelte.

Mana strahlte. „Du weißt so viel!“, plapperte sie leicht ehrfürchtig ohne zu verhehlen, dass sie ein wenig neidisch auf sie war und doch unendlich glücklich darüber, dass sie selbst einen Grund geben konnte und nicht erst fragen musste.

Adalia war geschmeichelt. „Du weißt auch bald ganz viel“, versicherte sie ihr lächelnd, und war für einen Moment wirklich davon überzeugt, dass sie es schaffen konnte, dieses Versprechen wahr werden zu lassen.

Die grünen Augen glänzten vor Freude. „Ehrlich?“, fragte sie nach und kuschelte sich unbeholfen an Adalia. Diese schloss sie überrascht in die Arme. Wahrscheinlich war sie wirklich wie ein Kind, das sich nach Aufmerksamkeit und Wärme sehnte. Jedenfalls hatte die Priesterin keine Probleme damit diese Geste zu erwidern. Im Gegenteil. Es erleichterte es ihr ungemein Manas volles Vertrauen zu gewinnen – etwas, das unverzichtbar war, wenn sie wollte, dass das Mädchen effektiv lernte, ohne in Angst zu leben. Und das wollte sie definitiv. Leicht verwirrt stellte sie fest, dass nicht Seth allein der Auslöser war, sondern Mana selbst. ihre kindliche Art weckte in der sonst so gefassten Adalia ein Gefühl, das sie nie gekannt hatte und dessen Wucht sie ungeschützt direkt ins Herz traf. Sie wollte dieses Kind beschützen. Sanft zog sie sie auf ihren Schoß und schaukelte sie leicht hin und her, achtete dabei jedoch genau darauf, ihr keine unnötigen Schmerzen zu bereiten.

Ein leichtes Klopfen erregte die Aufmerksamkeit der beiden Frauen, sofort fuhr Manas Kopf entzückt hoch. Adalia setzte sie vorsichtig auf das Bett, sah sie lächelnd an. „Das ist bestimmt das Essen“, flüsterte sie zuversichtlich, drehte sich um, ging zur Tür und öffnete sie.

Der Anblick von feuerrotem Haar ließ ihre Züge versteinern.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  TeaGardnerChan
2009-05-10T12:38:59+00:00 10.05.2009 14:38
Wieder total genial ^^

Ich weis nur nicht wieso mexx mein letztes Kommi zweimal gepostet hat -.-
Das war jedenfalls nicht meine Absicht.
*sich entschuldigt*

Was hat denn Adalia erwartet?
Es ist halt nicht einfach auf nen Wirbelwind wie Mana aufzupassen.
Bin gespannt ob sie eigentlich jemals ihre Erinnerungen wieder bekommen wird.

Du machst es echt spannend und hältst die Story am laufen und du hast schon so viele Kapis O.O
*beneid*
Weiter so ^^
Von: abgemeldet
2009-05-08T12:18:49+00:00 08.05.2009 14:18
>>Doch nicht ohne Grund war Mana auf die Priesterschule gegangen: Sie wollte unglaublich vieles wissen, alles verstehen und noch mehr erklärt bekommen.<< Tja, Mana ist halt nicht immer das, was andere von ihr gedacht haben ^^° Ich find das cool das Adalia da immer wieder drüber stolpert. Einfach ein geiles Kapitel ^^°

>>Der Hohepriester hatte kein einfältiges Mädchen für das Leben an seiner Seite gewählt, doch verstehen konnte sie seine Wahl dennoch nicht.<< Klar, an Adalias Stelle wäre Adalia die bessere Wahl gewesen, aber nett dass sie einsieht das es trotzdem Mana geworden ist. Aktzetiert nicht, aber es wäre schön wenn endlich mal jemand erkennt xD Das es garantiert eine gute Entscheidung war, aber blöde Konsequenzen mit sich zog ^^°

>> Sie würde jede Legitimation für ihre Taten verlieren, jeden Erklärungsansatz im Keim ersticken. Sie würde ihre gesamte Existenz anzweifeln, solange bis sie Zeichen der verlorenen Zeit wiederfände.<< Einfach nur geil Oô

>> Und wie sie immer wieder hoffnungsvoll zur Tür sah und auf des Hohepriesters vertraute Schritte lauschte.<< Ich find das so süß. Es ist doch total niedlich oder? Naja, eigentlich auch mehr traurig, aber ich mag es total! Allein wie sie darauf hoffte, dass er wieder kam. Ich finds so knuffig, vor allem wie logisch Adalia das erfasst. Das Mana sie dann aber gebannt anschaut scheint sie wirklich zu verwirren oder? ^^° Tja, Mana ist vielseitig. Ich mag Adalia, sie wirkt so kalt und unnahbar, aber andereseits kümmert sie sich auch um Mana und um ihr Wissen und darum, dass sie weiter Leben kann ohne starke Probleme zu bekommen ^^ Einfach total cool irgendwie ^^

>> Jedenfalls hatte die Priesterin keine Probleme damit diese Geste zu erwidern.<< Voll knuffig ^^ Adalia wird doch weich ja? ^^

>>Leicht verwirrt stellte sie fest, dass nicht Seth allein der Auslöser war, sondern Mana selbst. ihre kindliche Art weckte in der sonst so gefassten Adalia ein Gefühl, das sie nie gekannt hatte und dessen Wucht sie ungeschützt direkt ins Herz traf. Sie wollte dieses Kind beschützen.<< Ich find das sooo toll! Voll knuffig wie Adalia das so langsam einsieht ^^ Tja, nichts ist so wie es scheint ^^ *kiss* Voll toll! hihi ^^

>>Der Anblick von feuerrotem Haar ließ ihre Züge versteinern.>> Das war nicht der Junge den sie losgeschickt hatte ^-^° Na, wer könnte das wohl sein? ^^


Zurück