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Abweisung!

von

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Nicht mehr alleine!

Autor: littleblaze

E-Mail: little_blaze_2000@yahoo.de
 

Warnung: Shonen Ai / Yaoi

Disclaimer: Alle Rechte an den Charakteren und der Storyline gehören mir und die Geschichte darf nicht ohne meine vorherige Zusage auf anderen Seiten, Portalen oder Foren gepostet werden.
 

Kommentar: Ich freue mich wirklich, dass du den Weg zu mir und meiner Story gefunden hast. Ich hoffe, dir gefällt, was du nun zu lesen bekommst, und ich würde mich freuen, wenn du auch bei den nächsten Parts (oder meinen anderen Geschichten) gerne wieder vorbeischauen wirst.
 

Abweisung – Part 01
 

Suche nicht nach der schnellen Nummer,

sondern einen Menschen, mit dem man

eine gemeinsame Zukunft aufbauen kann.

Chris, 23, 1.82 m, blond, hat das lockere Leben

satt und möchte endlich nicht mehr alleine sein.
 

Als ich die gedruckte Anzeige das erste Mal las, fand ich sie schön formuliert, beim dritten Mal noch passend und beim siebten Mal, fragte ich mich ernsthaft, wie ich so einen Gefühlsscheiß nur schreiben, geschweige denn in einer Ausgabe der Gaynight umzingelt von zahlreichen Sexangeboten bringen konnte.

Die Unmengen von Zuschriften auf meine, eben diese Anzeige ließen mich dann aber doch hoffen. Vielleicht gab es ja doch den ein oder anderen, dem es genau so ging wie mir, jemanden, der auch endlich eine ernsthafte Beziehung eingehen wollte. Aber bei den meisten wurde ich enttäuscht… Schon nach einigen gelesenen Sätzen konnte man bei den Zuschriften deutliche Anspielungen erkennen, manche schrieben auch gar nicht erst um den heißen Brei herum und wogen sofort mit explizierten Sexangeboten auf. Andere taten ihre Absichten lauthals bei Telefongesprächen kund und am Ende blieben gerade mal vier Auserwählte über, bei denen ich ein persönliches Treffen in Erwägung zog.
 

~ * ~
 

Es war Samstag und der leichte Regen versuchte angestrengt, sich in den für die Jahreszeit üblichen Schnee zu verwandeln. Ich stand nervös vor dem großen Brunnen in der 47igsten Straße.

Dem ersten Treffen zugesagt, war ich mir auf einmal nicht mehr ganz so sicher, ob ein Blinddate wirklich das Richtige für mich war. Aber was sollte ich sonst tun?

Wieder durch die Schwulenszene ziehen, wo man dir mehr auf den Arsch als ins Gesicht schaut? Nein, das war nicht meine Welt. Und in den sogenannten normalen Kneipen versuchte jeder noch so schwule Gast seine Vorlieben zu verstecken, sodass auch nur der kleinste Annäherungsversuch in einem Chaos endete.

Um es einfach auszudrücken: Ich war am verzweifeln!

Meine letzte richtige Beziehung lag 4 Jahre, der letzte Sex, der in einem Darkroom stattgefunden hatte, 7 Monate zurück. Für mich, für einen Menschen, der nicht gut alleine sein konnte, war das ein halbes Leben.

Freunde, aber besonders meine Schwester hatten immer wieder versucht, etwas Passendes für mich zu finden, was aus den verschiedensten Gründen immer wieder in die Hose ging und als ich vor einem halben Jahr aus dem Loch, das ich Wohnung schimpfte, auszog, sah ich die Leute aus meiner alten Umgebung nicht mehr so häufig wie zuvor, was die Abnahme dieser Verkupplungsversuche zur Folge hatte. Nicht, dass sie jemals hilfreich gewesen wären, aber fehlen taten sie schon.

Weit weg zog ich nicht, trotzdem fand sich kaum die Zeit, sich ins Auto zu setzen und die 45 Minuten Fahrt hinter sich zu bringen.

Ich mochte die kalte Jahreszeit, die Weihnachtszeit. Alles veränderte sich, alles nahm so einen verträumten Beigeschmack an. Vielleicht ließ auch nur die kaltfrische Luft den Kopf ein wenig klarer werden und uns das Leben intensiver wahrnehmen... ich wusste es nicht genau.

Ich beobachtete die Menschen um mich herum. Ja, es war anders in den Wochen vor Weihnachten. Man sah viel mehr Lachen, sah viel mehr Freude auf den einzelnen Gesichtern. Man blieb öfter einmal stehen und schaute sich etwas an, wofür man sonst niemals genügend Zeit hatte... man schaute öfter in den Himmel hinauf.

Und dann, einen Tag nach den Feiertagen war alles wieder vorbei.
 

Ein Blick auf die Uhr, noch 5 Minuten. Ich war mal wieder viel zu früh, eine Angewohnheit, die ich nicht lassen konnte. Ich hasste Unpünktlichkeit.

Ein weinendes Kind zu meiner Linken, ein Glockenspiel zu meiner Rechten, in diesen Wochen wurde die Stadt selbst zu so später Stunde niemals müde.

Ich drehte mich ein wenig zum Glockenspiel, welches meine Aufmerksamkeit mehr als das weinende Kind erreckt hatte, da erblickte ich den gelben Schirm, den mein Blinddate als Zeichen angegeben hatte.

Ich wusste, dass es ein wenig feige von mir war, auf der anderen Straßenseite zu sein, erst abchecken zu wollen, mit was ich es zu tun bekommen würde, jedoch konnte ich sein Gesicht durch den Schirm und den feinen Schneeregen nicht wirklich erkennen, und so überquerte ich nun doch die Straße mit dem nächsten Grün, auf halbem Wege stockte ich.

Das konnte doch nicht sein? War das wirklich noch…?

Ich war noch gut zehn Meter von ihm entfernt, als er aufschaute und mich direkt ansah. Ich drehte mich ohne zu zögern um und ging wieder auf den Brunnen zu. Dort angekommen, blieb ich erneut stehen, schaute mich nochmals um und erschrak, als er mir immer noch hinterher sah.

Mein nochmaliges Umschauen hatte mich verraten, und so trat er an die mittlerweile rote Ampel heran, schien ungeduldig auf das ersehnte Umschalten zu warten. Ich dagegen machte mich schnell aus dem Staub.

Das konnte doch alles nicht wahr sein... wie alt mochte der gewesen sein? 14, doch höchstens 15… Gott, wollte ich vielleicht als Kinderschänder enden? Vielleicht hätte ich den Punkt Altersvorstellungen in meiner Anzeige doch noch kurz erwähnen sollen.

Gerade noch sehend wie die Ampel umsprang, flüchtete ich in eine kleine, schmale Gasse, durch die ich, wenn ich mich nicht total irrte, geradewegs auf der 52igsten landen müsste.

Meter um Meter wurde es immer dunkler um mich herum. Ich tastete mich vorwärts, während ich den ätzenden Geruch von Müll und Urin aufnahm. Ich rümpfte die Nase und im nächsten Augenblick fand ich mich genau inmitten des ätzenden Gestankes wieder.

„Ah, scheiße verdammt.“

Ich rappelte mich wieder auf, trat in der Dunkelheit nach dem Gegenstand, über den ich gestolpert war, um ihm nicht noch einmal zu erliegen.

„Verdammter Drecksmüll“, unterstützte ich meinen Tritt.

Ein dumpfes Geräusch ließ mich daraufhin zurückschrecken, ich drückte mich gegen die Wand, wenigstens hoffte ich, dass es nur eine ganz normale Wand war.

„Ist... ist da jemand...?“

„Mein Gesicht ist weiter links, wenn du vorhast, das auch noch zu treffen“, durchdrang eine ruhige Stimme die Dunkelheit.

„Ich... es... sorry, ich konnte ja nicht ahnen... ich dachte, es wäre nur Müll.“

„Na, passt doch, alle anderen halten auch nicht viel mehr von mir.“

Ich drückte mich von der Wand ab. Es war ein wenig unheimlich mit jemanden zu sprechen, denn man nicht sah, von dem man nicht einmal die kleinste Vorstellung hatte.

„Ich wollte Sie nicht beleidigen. Wirklich, es tut mir Leid“, antwortete ich höflich.

„Ok, ich hab’s notiert.“

„Oh, warten Sie, ich müsste da noch etwas Kleingeld haben.“

Ich fing an, meine Taschen nach Münzen abzusuchen.

„Kleingeld? Willst mich verarschen? Ich brauch dein Geld nicht. Wenn du mir helfen willst, dann gib mir nen Platz zum Schlafen.“

„Einen Platz zum Schlafen?“, reagierte ich wohl ein wenig schockiert.

Was dachte der sich denn, dass ich einfach so einen Penner von der Straße mit nach Hause nehmen würde? Hatte der denn keine Ahnung davon, in was für einer Welt wir heutzutage lebten?

Doch warum hatte ich zwei Stunden lang meine Wohnung blitzblank geputzt? Warum hatte ich Wein im Kühlschrank, warum meinem Bett neue Bettwäsche zugesprochen? Hatte ich nicht unter Umständen auch vorgehabt, mein Blinddate mit nach Hause zu nehmen?

Wäre er denn nicht auch ein Fremder gewesen, hätte er nicht ebenso ein Verbrecher sein können, wie jeder andere auch?

Meine Mutter sagte mal zu mir: „Die Menschen, die auf der Straße leben, wären keine Verbrecher, sonst würden sie wohl kaum dort leben.“

Das plötzliche Aufflackern eines Feuerzeuges ließ mich wissen, wo sich sein Gesicht befand, erkennen konnte ich es dennoch nicht besonders gut. Ein Auflodern der Glut, das Geräusch entweichenden Rauches.

„Es ist kalt geworden, niemand ist da gerne auf der Straße.“

Ich schaute weiter in seine Richtung und wusste nicht wirklich, was ich darauf antworten sollte. Das Einzige, was mir einfiel, war:

„Bei mir wird nicht geraucht.“
 

Knapp eine halbe Stunde später kamen wir bei mir zu Hause an.

Mir war es peinlich gewesen, mit ihm U-Bahn zu fahren. Er war dreckig, stank und schleppte drei Rücksäcke, in denen wohl seine ganze Habe war, mit sich durch die Gegend. Ich bezahlte die Tickets und lehnte mich gegen die geschlossene Tür, während er sich einen Platz suchte und lauthals in ein Taschentuch schnäuzte. Ich war froh, dass er nicht neben mir stehen geblieben war, und wog die Möglichkeit ab, ob ich bei der nächsten Station kurz bevor sich die Türen schließen würden einfach aus dem Zug springen sollte. Natürlich hatte ich es nicht getan.

Vor der Haustür, trafen wir auf Mr. Jones aus 2B, der meinen Begleiter einen verachtenden Blick zuwarf und mich anschaute als wolle er sagen: „Na, nichts besseres bekommen heute Nacht.“

Ich schloss die Wohnungstür auf und legte meinen Schlüssel nicht wie gewohnt auf die kleine Ablage neben der Tür, sondern steckte ihn in die Hosentasche zurück.

„Du kannst deine Sachen erst mal hier lassen“, deutete ich auf eine kleine Ecke im Flur und schaute ihm dabei zu, wie er sich aus drei Lagen Wäsche, einem Mantel, einer Mütze und einem Schal, der ihm weit über die Nase reichte, wühlte.

Bis jetzt hatte ich nur einen kleinen Teil seines Gesichts zu sehen bekommen, und so war mir meine Überraschung über sein noch sehr junges, relativ gutes Aussehen bestimmt ins Gesicht geschrieben. Ich schätze ihn so auf 18 bis 20.

„Du willst bestimmt erstmal duschen?“

„Baden wäre mir lieber... wenn das möglich ist?“

„Kein Problem.“

Er folgte mir ins Bad und für einen kurzen Moment überkam mich ein wenig Angst. Immerhin hätte er mich jetzt ganz einfach von hinten überwältigen und meine Wohnung leer räumen können. Ein klein wenig erleichtert, als dies nicht geschah, drehte ich den Wasserhahn der Wanne auf und zeigte ihm wo er frische Handtücher fand. Ich holte einen Jogginganzug aus meinem Schrank, reichte ihn ihm und ließ ihn anschließend alleine.

Ich konnte immer noch nicht glauben, was ich mir da angelacht hatte. Wie konnte ich nur einen von der Straße mit nach Hause nehmen, so viel Hilfsbereitschaft Fremden gegenüber, war doch sonst nicht meine Art.

Mein Blick blieb für einige Sekunden an die im Flur liegenden Rücksäcken hängen... ob ich?... nein!

Die Toilettenspülung, das Abstellen des Wasserhahns... und nun?

Der Tag hatte mich ganz schön fertiggemacht, erst das plötzlich einberufene Meeting heute Vormittag im Büro, der Einkaufsbummel mit Ally, da sie es ja auf keinen Fall verschieben wollte, unserer Mom ein passendes Weihnachtsgeschenk zu kaufen, die Sache mit dem Blinddate, und jetzt das hier. Ich war fertig für die nächsten zwei Wochen.

Eine Runde Schlafen war allerdings auch nicht drin, wie stellte ich mir das überhaupt vor? Ich konnte ihn doch nicht unbeaufsichtigt lassen, und wo dachte ich eigentlich, dass er schlafen sollte? Auf der Couch, im Arbeitszimmer? Auf keinen Fall in meinem Bett!

Die stählende Kühlschranktür verschaffte meinem Kopf ein wenig Abkühlung.

„Du bist ein solcher Idiot, hat dir das schon mal jemand gesagt?“

Ich öffnete den Kühlschrank und fischte eine Flasche Bier heraus, ungewöhnlich lange starrte ich sie an.

„Freund oder Feind? Los antworte mir, du langhalsiges, kaltes Scheusal.“

Die ungeöffnete Flasche gab natürlich keinen Mucks von sich. Ich stellte sie ab und fing an, den Kühlschrank zu durchwühlen, er wird doch bestimmt Hunger haben, oder?

Im Tiefkühlfach fand ich Unmengen an Reste von Thanksgiving, aber das wäre wohl ein wenig zu dick aufgetragen, also entscheid ich mich für den Hackbraten, der von gestern übrig geblieben war.

Das Telefon klingelte, ich ging ran.

„Corban!“

„Warum bist du abgehauen?“

Das Blinddate.

Ich legte ohne groß zu überlegen auf. Den hatte ich schon wieder ganz vergessen. Wie konnte er für sein Alter nur so eine erwachsene Stimme haben?

Das Telefon meldete sich erneut, und ohne lange zu überlegen zog ich einfach den Stecker aus der Wand, das brauchte ich jetzt in der Tat nicht auch noch.

Zurück in der Küche kümmerte ich mich ums Essen und versuchte mir vorzustellen, was einen so jungen Typen auf die Straße brachte. Auf Anhieb fielen mir acht Dinge ein.

Im Badezimmer erklang der Fön.

Ich beeilte mich mit dem Essen und war gerade rechtzeitig fertig, als er aus dem Badezimmer trat. Für einen Moment hielt ich inne.

Gott, er war wirklich, kurz gesagt, ein klasse Typ. Seine Haare hatten einen kastanienbraunen Ton und seine Augen waren strahlend grün, so wirklich strahlend. Seine Nase war ganz fein, nicht so ein klobiger Zinken, wie es die meisten Kerle hatten, aber was mir am besten gefiel, waren seine Lippen. Er hatte sie garantiert von seiner Mutter geerbt, sie waren so was von schön, dass man am liebsten sofort hinein beißen würde.

„Hast du Hunger? Ich habe etw-“

„Nein danke, ich will mich nur hinhauen.“

„Aber es ist schon fertig, du könntest-“

„Nein, wirklich nicht“, unterbrach er mich erneut. „Kann ich mich hier hinlegen?“

Er deutete auf die Couch.

„Klar.“

Ich stellte den Herd aus, zog den Topf herunter. Er hätte ja wenigstens ein bisschen was essen können, da ich mir schon die Mühe gemacht hatte.

Er kauerte sich auf der Couch zusammen und sofort machte ich mich auf, ihm die Decke vom Gästebett zu holen.

„Bitte“, reichte ich sie ihn.

„Danke.“

Er fror, obwohl es eigentlich ziemlich warm in der Wohnung war. Ich setzte mich ihm gegenüber und schaute zu, wie er sich langsam entspannte. Was sollte ich denn bitteschön sonst tun?

Kein größeres Anzeichen von Leben kam von seiner Seite, und auch mir fielen immer wieder die Augen zu, obwohl ich mich noch gar nicht entschieden hatte, wo und wie oder besser gesagt, ob ich überhaupt diese Nacht schlafen sollte.

„Was willst du wissen?“

„Bitte?“, war ich sofort wieder hellwach.

„Na, du starrst mich doch die ganze Zeit an.“

Seine Augen blieben beim Sprechen geschlossen.

„Wie alt bist du eigentlich?“, war die erste Frage, die mir einfiel.

„22, und selbst?“

„23. Ich bin Chris, hast du auch einen Namen?“

„Chris? Ist das von irgendwas die Abkürzung?“

„Nein, einfach nur Chris.“

Ich dachte erst, er wollte mit dem vorgespielten Interesse die eigene Namensfrage umgehen.

„Ryan, ich heiße Ryan.“

„Warum lebst du auf de-“

„Sorry Chris, aber ich bin kaputt. Wenn es dir nichts ausmacht, würde ich jetzt echt gerne schlafen.“ Sein plötzlicher Blickkontakt ließ mich verstehen. Er wollte nicht darüber reden und ich hatte ja eigentlich auch gar kein Recht nachzuhaken.

„Ok.“

Es dauerte noch einige Minuten, bis ich mir reichlich blöd vorkam, hier zu sitzen und ihn sozusagen nicht aus den Augen zu lassen. Ich stand auf und ging in mein Schlafzimmer. Ich horchte noch einige Minuten an der Tür, ob sich irgendetwas im anderen Raum tat, er vielleicht doch anfing meine Wohnung nach Diebesgut zu durchforsten. Als nichts geschah, zog ich mich aus und legte mich ins Bett. Ich schlief ungewöhnlich schnell ein, keine Ahnung warum ich plötzlich keine Bedenken mehr hatte.
 

Am nächsten Morgen, war er weg.

Ich fand einen Zettel auf dem stand: Danke! PS: Mehr kann ich leider nicht entbehren. Neben den Zettel lagen drei einzelne Dollarnoten.

Das er einfach so gegangen war, fand ich schon unter aller Sau, aber das er mich für meine Hilfsbereitschaft entlohnen wollte, ließ mich beinahe ausrasten.

Der Jogginganzug sowie die Decke lagen ordentlich gefaltet auf der Couch, seine Habseligkeiten waren verschwunden, nichts deutete darauf hin, dass er jemals hier gewesen war. Ich fühlte mich komisch alleine.

Zuerst schnappte ich mir den Jogginganzug und die Decke und steckte sie in die Waschmaschine. Man weiß ja schließlich nie. Darauf folgte der gewohnte Gang ins Badezimmer und in die Küche. Einige Minuten später fragte ich mich schon, ob es vielleicht nur ein Traum gewesen war.

Ich sollte doch froh sein, dass alles so schnell und einfach über die Bühne gegangen war. Keine Ausraubung, keine unnötigen Kosten, um irgendwas zu ersetzten, was störte mich nur an den Gedanken?

Den Gedanken an den Gedanken, schüttelte ich schließlich ab und verließ kurz darauf die Wohnung.
 

~ * ~
 

Es dauerte genau zwei Tage, bis ich wieder an ihn denken musste. Die Decke, welche sauber und trocken war, lag in meiner Hand. Ich verstaute sie wieder im Arbeitszimmer und fragte mich, wo er wohl die letzten zwei Nächte geschlafen hatte. War noch jemand so blöd gewesen ihn mitzunehmen?

Mein Gesicht wand sich zum Fenster, dicke Schneeflocken fielen herab. So ein Leben auf der Straße war bestimmt kein Zuckerschlecken, selbst wenn man es sich selber ausgesucht hatte. War man da nicht irgendwie auf das Mitleid anderer angewiesen. Hieß es nicht überall, dass man seinen Mitmenschen, die es nicht so gut hatten, wie man selber, helfen sollte, wo man nur kann?

Ich zuckte zusammen… nein, ich wollte doch jetzt nicht tatsächlich darüber nachdenken, ihn für den Winter einen Platz zum schlafen zu geben, oder? War ich jetzt wahrhaftig verrückt geworden? War es wirklich schon so schlimm, dass ich sogar einen Penner aufnahm, nur um jemanden zum nicht-alleine-sein zu haben?
 

Erfolgreich hatte ich die Gedanken an ihn erneut abgeschüttelt. Die Arbeit lenkte mich größtenteils ab. Alles im Büro lief auf Hochtouren, ein Projekt musste nach einigen Aufschüben endlich sein Ende finden. Es war zu einer richtigen Last der ganzen Mannschaft geworden. Ein erleichtertes Seufzen durchzog die Räume, als der Auftragsteller endlich zufrieden gestellt war.

Als die Arbeit dann schwand, in der Mitte der Woche, bröckelte nun auch diese Ablenkung langsam dahin und als die Temperaturen noch mehr fielen und der Schnee sich immer dicker auf den Grund der Stadt ausbreiteten, warf es mich vollends zurück. Die Nachrichten über immer mehr Tote unter den Obdachlosen beruhigte meinen Kopf natürlich auch nicht, eher das Gegenteil war der Fall.

Aber was war es, das mich einfach nicht losließ? Dass ich mir Sorgen um ihn machte? Faszinierte mich auf eine komische Art sein Lebensstil? War da vielleicht doch die Neugier, warum er mich mit diesem eindringenden Blick von der Frage abwarf, warum er dort lebte? Oder hatte ich vielleicht einfach nur Mitleid?

Wollte ich ihm ein Zuhause anbieten, einen Platz wo er leben könnte, einen Platz, damit auch ich nicht mehr so alleine war? Und würde er überhaupt hier sein wollen?

„Verdammte Scheiße... hör auf“, schrie ich mich selbst an. Es konnte doch nicht sein, dass ich diese Möglichkeit wirklich in Betracht zog…
 

~ * ~
 

Am Freitagabend machte ich mich jedoch auf den Weg zur 47zigsten.

Die Gasse, war verlassen. Zuerst hatte ich mir gedacht, dass ich einfach mal vorbei schauen wollte, ihn vielleicht etwas Geld anbieten oder einfach mal fragen, wie es so geht. Doch die verlassene Stelle vor mir, strafte mich sofort Lügen. Innerlich wusste ich auf einmal genau, weswegen ich wirklich hier war.

„Suchst du was?“

Vor Schreck stolperte ich über eine leere Bierflasche, er packte mich am Arm und hielt mich fest.

„Gott, musst du mich so erschrecken?“

„Was machst du hier? Das ist kein Ort für dich.“

„Ich....“

Ich überlegte, während ich mir einen festen Stand suchte.

„Also?“

„Ich wollte dir das zurückgeben.“

Blöde Ausrede. Ich streckte meine Hand aus und hielt ihm die vor Schreck zerknüllten drei Dollarnoten hin. Er schaute erst sie, dann mich an.

„Wenn ich sie dir nicht hätte geben wollen, wären sie noch in meiner Tasche“, drehte er sich weg.

„Ich wollte aber kein Geld von dir.“

Ich griff nach seiner Hand, dass erste Mal, dass ich ihn berührte und drückte ihm die Scheine hinein. Seine Hand war kalt, nicht einmal ein paar Handschuhe bedeckten seine Finger. Verlegen ließ ich ihn schnell wieder los. Sofort fiel das Geld in den Dreck, er ließ es einfach fallen.

„Was willst du wirklich, Chris?“

„Ich wollte dir nur das Gel-“

Er dreht sich weg und ging. Ich stockte sofort.

„Ryan!“

Ich stolperte abermals über die Bierflasche, schaffte es aber diesmal selbst, mich abzustützen und wieder auf die Beine zu kommen. Wie doof musste man eigentlich sein?

„Ryan, warte.“

Ich holte ihn ein und wir blieben beide stehen.

„Ich lebe auf der Straße, höre täglich hunderte von Lügen, da brauche ich nicht auch noch einen reichen Pinkel, der versucht, mich für dumm zu verkaufen. Also, sag was du sagen willst oder geh.“

Reicher Pinkel? Doch in der nächsten Sekunde war seine Aussage unter seinen wütenden Ausdruck schon wieder vergessen. Doch was sollte ich ihm jetzt sagen… so einfach war das nämlich gar nicht. Er lief wieder los, nachdem ich es nicht geschafft hatte, anzufangen.

„Warte.....“

Er blieb abermals stehen.

„Ich möchte, dass du bei mir einziehst.“

Auf einmal war es raus und Gott, hörte sich das blöd an. Er drehte sich um.

„Warum zum Teufel solltest du das wollen?“

„Ich... ich weiß auch nicht...“, stotterte ich vor mich hin.

„Du kennst mich doch gar nicht.“

„Ich weiß.“

„Ich bin nicht schwul, Chris.“

Ich schluckte fest und gewiss waren meine Augen vor Erstaunen weit geöffnet... woher wusste er es?

„Das... das habe ich auch nicht angenommen.“

„Ich werde es auch niemals sein.“

„Das habe ich auch nicht verlangt.“

Dachte er etwa, dass ich deswegen hier war? Er schaute mich prüfend an.

„Gut, dann lass uns gehen.“

Irritiert stand ich da, während er in Richtung Metro ging.
 

~ * ~
 

„Ryan, ich gehe... denk bitte an den Handwerker.“

„Geht klar.“

Ich hob noch kurz die Hand in seine Richtung und war dann auch schon aus der Wohnung verschwunden. Heute fuhr ich zur Abwechslung mit dem Auto zur Arbeit, es ging aus der Stadt heraus. Ein neuer Auftrag, eine Brücke. Es war so etwas ganz Neues für mich.

Natürlich hatte ich die ein oder andere schon einmal aus Spaß entworfen, aber ein richtiger Auftrag in dieser Größenordnung war selbst für mich etwas ziemlich Aufregendes.

Mein Job war mein Traumberuf, ich zeichnete für mein Leben gerne, auch wenn ich am Anfang nicht gerade damit gerechnet hatte, in einem Architektenbüro zu landen.

In den Wochen, die Ryan jetzt schon bei mir lebte, hatte sich einiges in meinem eigenen Leben verändert. In vielen Bereichen, war das Zusammenleben mit ihm ein reiner Glücksgriff gewesen. Er kochte, räumte auf, erledigte Besorgungen und war immer da. Immer!

Oft wurde ich aus den Leuten meiner Umgebung gefragt, ob ich eine neue Beziehung hätte, oder ob irgendwas in meinem Leben passiert wäre. Ich lächelte dann meistens nur und schwieg. Was hätte ich ihnen auch sagen sollen? Dass ich mir einen Penner von der Straße als Haushaltshilfe und als Einsamkeitsbewältigung hielt? Wenigstens würden die meisten es so auffassen, doch für mich war Ryan ein ziemlich wichtiger Mensch in der letzten Zeit geworden. Wenn ich ehrlich war, wollte ich mir nicht einmal vorstellen, dass der Frühling irgendwann einzog und damit alles wieder vorbei sein könnte.

Viele würden es wahrscheinlich auch gar nicht verstehen können oder falsche Motive hinter meinem Tun ziehen. Natürlich… hatte ich schon mal daran gedacht, wie es wäre, ihn zu küssen, diese tollen Lippen, die er sein eigen nannte, und ja, auch von ihm geträumt hatte ich schon einmal, aber das war doch irgendwie normal, oder? Immerhin war ich schwul und lebte mir einem ziemlich attraktiven Menschen zusammen. Aber mehr war es zu diesem Zeitpunkt nicht.

Stundenlang konnten wir zusammen über irgendwelche Entwürfe und Modellen sitzen, daran herumfeilen, bis die Bleistifte glühten. Ich konnte mit ihm lachen und ich fühlte mich ziemlich wohl in seiner Nähe. Er hörte mir zu, wenn mich irgendwas nervte und versuchte dem Grund dafür auf die Schliche zu kommen. Es war fast wie in einer Beziehung, nur eben ohne Beziehung. Er kannte mich bald in- und auswendig.

Von seinem Leben allerdings wusste ich immer noch so gut wie gar nichts. Ein oder Zweimal hatte ich versucht ihm etwas zu entlocken, aber schnell wimmelte er ab. Er wollte, ganz klar, nicht darüber reden.
 

Die Arbeit vor Ort machte Spaß, aber trotzdem konnte ich es kaum erwarten, nach Hause zu kommen. Obwohl ich genau wusste, dass er da sein würde und mich erwarten würde, spielte ich immer mit dem Gedanken, dass es vielleicht irgendwann nicht mehr so sein könnte. Dass ihn vielleicht die Freiheit, die Straße wieder zurückfordern würde, sobald sich das Wetter wieder gebessert hatte und ich irgendwann nach Hause kam und er war, einfach nicht mehr da. Nur ein weiterer Zettel, auf dem er sich bei mir bedankte und ein paar lumpige Dollar als Entschädigung.

Es war mir selbst unbegreiflich, wie schnell ich mich an ihn gewöhnt hatte, ihn anfing zu vermissen, wenn mir bewusst wurde, dass er nicht im Zimmer nebenan war, ich nicht mit ihm reden konnte, wenn mir gerade danach war.
 

Abends gingen wir oft ins Kino oder schauten uns einen Film aus der Videothek an. Wir hatten, abgesehen von einer Ausnahme denselben Geschmack was Filme oder Musik anging, auch hier hatte sich also wieder ein Stück gefunden.

Ich dachte, dass es ewig so weitergehen könnte. Zufrieden, jemanden, mit dem man ein wenig weniger alleine war, als es wirklich zu sein.

Liebe und körperliche Zuneigung, war das denn wirklich so wichtig, wenn alles andere stimmte? Oft hatte ich mir diese Frage mit „Ja“ beantwortet, doch gegen die menschliche Schwäche, welche meist ziemlich unerwartet kam, konnte man in den meisten Fällen nicht viel unternehmen…..

Der ausgesuchte Film war diesem Mal ein grauenhafter Reinfall, nichts besonderes, ziemlich ziehend und ich spürte, dass ich nicht alleine mit dieser Meinung war, da sich Ryans Kopf an meine Schulter drückte.

„Ryan?“, flüsterte ich. „Hey, schläfst du?“

Eine blöde Frage, auf die ich natürlich keine Antwort erhielt.

Der Ausdruck auf seinem Gesicht wurde mir durch viel zu viele Haare verwehrt. Ich hatte ihn noch nie schlafen gesehen, da er immer früher als ich auf den Beinen war. Sein schlafendes Ich, gerne wollte ich mehr davon zu Gesicht bekommen.

Ich rutschte aus diesem Grunde etwas tiefer, verweilte sofort still, als er sich bewegte, rutschte erneut, bis ich ihm seitlich gegenüberlag und ihn endlich anschauen konnte.

Er sah richtig niedlich aus, auch wenn seine tollen Augen nicht zu sehen waren. Mein Blick haftete sich an seine Lippen. Was würde ich dafür geben, sie nur einmal berühren zu dürfen. Sie waren vollkommen, nicht der kleinste Makel. Ob er es merken würde, wenn ich... Keiner würde es wissen und es würde nichts zu bereuen geben, oder? Ich würde auch nur ganz vorsichtig... er würde es bestimmt nicht merken.

Doch so auf seine Lippen fixiert, merkte wiederum ich nicht, wie nah ich ihm schon gekommen war, ebenso wenig wie ich nicht gemerkt hatte, dass seine Augen mittlerweile wieder leicht geöffnet waren.

„Was tust du da?“

Ich fiel vom Sofa, stieß mir den Kopf am Tisch.

„Ahh... scheiße.“

Er setzte sich auf.

„Ich habe gefragt, was du da im Stande warst, zu tun?“

„Ich... ich wollte nur...“

Was sollte ich ihm verdammt noch mal sagen?

Er stand ohne auf Antwort zu warten auf, schaute kurz zu mir hinunter und ging in sein Zimmer.

Toll gemacht, wirklich toll. Ich stand ebenfalls schnell auf meinen Füßen und klopfte an die geschlossene Tür, keine Antwort.

„Ryan! Es tut mir leid... wirklich.“

Ich hatte schon damit gerechnet einen Aufstand vor der Tür hinlegen zu müssen, zu schreien, zu weinen, mich selbst zu verfluchen, aber stattdessen drang nur ein leises: „Tu es nie wieder, ok?“ durch die Tür.

„Ich verspreche es!“

Erleichtert ließ ich mich zu Boden gleiten, und fragte mich, ob ich denn wirklich nichts Besseres zu tun hatte, als alles kaputt zu machen.
 

Am Morgen danach schien alles vergessen.

„Ach übrigens, der Handwerker konnte nichts feststellen. Er meint, die Verstopfung müsste von woanders her kommen.“

Er setzte sich neben mich, eine heiße Tasse Kakao in der Hand. Irgendwas versuchte mich zu überreden, noch mal auf Gesternabend einzugehen. Ich wollte mich noch einmal von Angesicht zu Angesicht für mein Fehlverhalten entschuldigen.

„Ich werde einen Zettel ans Brett hängen, sollen die anderen sich halt drum kümmern“, antwortete ich stattdessen.

Ich zwinkerte ihm zu, er lächelte und sofort verwarf ich mein Vorhaben ganz. Ich hatte einfach zu viel Angst, dass es sich ins Schlechte abwenden könnte.

„Fährst du heute wieder raus oder bleibst du in der Stadt?“, fragte er.

„Wieder raus, wieso?“

„Ich dachte, du könntest mich ein Stück mitnehmen.“

Überrascht schaute ich von meinem Müsli auf.

„Wo willst du denn hin?“

Bis jetzt war er noch nie irgendwo, abgesehen von Einkäufen hingegangen.

„Nichts besonderes, nur eine alte Freundin besuchen.“

„Alte Freundin?“

Er stand auf, spülte seine Tasse aus und stellte sie in den Geschirrspüler.

„Ja, hast du keine alten Freunde?“

„Doch, schon...“

„Ok, ich zieh mich dann mal um.“

„Beeil dich aber, ich will gleich los.“

Alte Freundin also, schon die Bezeichnung ließ mir die Kehle zuschnüren. Warum aber... hatte nicht jeder ein paar „alte Freunde“, das musste doch noch lange nichts heißen, oder? Nur weil er mal jemanden aus der Vergangenheit besuchte, hieß das doch nicht direkt, dass ich ihn verlieren würde, oder?

Verlieren?

Ich besaß ihn doch nicht einmal!
 

Konzentration war an diesem Tag ein eher seltener Begleiter, immer wieder musste ich an Ryan und an das denken, was er vielleicht gerade tat. Packte er vielleicht gerade seine Sachen und verschwand? War seine ganz normale Art nur ein Spiel gewesen, um mich in den Glauben zu lassen, dass alles in Ordnung war, während er versuchte sich eine andere Schlafgelegenheit zu suchen? Überzeugend fand ich meine Überlegungen nicht, trotzdem machten mich die Gedanken innerlich um.

Ich wollte diesen Tag nur noch schnell hinter mich bringen, wollte nach Hause fahren, wollte ihn sehen. Oder war es vielleicht etwas ganz anderes? War es vielleicht… Sex? Wollte er mit jemand schlafen, war er deswegen zu ihr gefahren?

Zum ersten Mal spürte ich wirkliche Eifersucht. Eifersüchtig auf etwas, was ich nicht bekam, aber das er bereit war, jemand anderen zu geben und das ich bis jetzt nicht einmal von ihm gewollt hatte. Nicht mal in Erwägung gezogen hatte. Woher kam dieses Denken auf einmal?
 

Die Zeit bis zum Abend zog sich nur so, und, für mich eigentlich total unüblich, ignorierte ich einige Verkehrsregeln. Ich wollte so schnell wie möglich nach Hause, ihn sehen... ich musste ihn sehen!

Aus der Puste stolperte ich zur Tür herein, riss die Tür zum Arbeitszimmer auf... nichts. Im Bad... nichts. Wohnzimmer... nichts.

„Was zum Teufel ist denn in dich gefahren?“

Er trat aus der Küche, wischte sich die Hände an einem Handtuch ab.

„Ich... seit… seit wann bist du wieder hier“, versuchte ich sprechen und hechelnd Luft holend zugleich.

„Seit wann ich wieder da bin?“

„Ja, verdammt. Seit wann bist du wieder zu Hause?“, schrie ich ihn an... unbewusst, ich wollte es eigentlich gar nicht tun.

„Ganz ruhig, Chris. Ich weiß zwar nicht was in dich gefahren ist, aber komm erst mal wieder runter.“

Er ging zurück in die Küche und ließ mich im Flur stehen.

Was war bloß los mit mir? Was hatte ich versucht in seinem Blick zu sehen? Was wollte ich nicht sehen? Nein, das konnte nicht wahr sein… das konnte es nicht sein, ich war nicht bereit mir diese Möglichkeit tatsächlich auch nur für kurz vor Augen zu führen. Das dürfte einfach nicht passieren.
 

An diesem Abend ging ich Ryan aus dem Weg und verkroch mich in meinem Schlafzimmer. Ich konnte selbst nicht verstehen, wie ich so blöd und unkontrolliert handeln konnte... ich verstand meine Eifersucht nicht, auch wenn mir mein Gehirn eine logische Erklärung dafür bieten wollte, die ich aber noch nicht bereit war, mir einzugestehen.

„Chris?“ Es klopfte. „Darf ich reinkommen?“

Ich antwortete nicht, stellte mich schlafen.

„Ich komm rein, ok?“

Die Tür öffnete sich und ich versuchte mein Gesicht so gut es ging zu bedecken, damit er es nicht sah. Er ging neben dem Bett in die Hocke.

„Chris? Essen ist fertig.“

„Ich habe keinen Hunger“, antwortete ich, mit dem Wissen, dass er eh nicht aufgeben würde.

„Ist heute was passiert, gab's Probleme auf der Arbeit?“

„Nein.“

„Kann ich dir irgendwie helfen?“

„Nein.“

„Möchtest du darüber reden?“

„Nein.“

„Willst du... dass ich dich mal in den Arm nehme?“

„Nei... würdest du das tun?“

„Klar, wenn es dir dann besser geht... und es nicht zur Gewohnheit wird.“

Ein kleines Lachen. Und ehe ich wirklich über diese Möglichkeit der Zuneigung nachdenken konnte, abwiegen, ob dies wirklich gut für mich war, spürte ich schon sein Gewicht auf der Matratze und als nächstes, ihn ganz nah bei mir.

Er zog mich ein Stückchen hoch, nahm mich in den Arm und ich hielt mich in seiner Umarmung fest, weiter war ich nicht bereit zu gehen. Ich durfte nicht weiter gehen.

Die Gerüche, die von meinen Badutensilien stammten, vermischt mit seinem eigenen Geruch, noch nie hatten sie so gut gerochen, noch nie konnte ich dem so nahe sein. Die Wärme, die von seinem Körper ausging, die leichten Berührungen seiner Finger. All das und die Einsicht, dass ich genau das haben wollte, zerrissen mich ohne Vorwarnung.

Ich würde all das... niemals haben können.
 

~ * ~
 

Manchmal fragte ich mich, ob er es spürte... ahnte... wusste? Konnte man wirklich mit jemand zusammenleben und nichts von den Gefühlen des anderen erkennen? War es so leicht, blind zu sein?

Die Gefühle in mir, hatten sich immer tiefer in mich gegraben und irgendwann, nach andauernd neuen Versuchen, sie wieder in den Untergrund zu verschieben, fand ich mich mit der einfachen Tatsache ab, dass ich ihn liebte.

Ich hatte geschafft es über Wochen hinweg zu verbergen, mich selbst zu verleugnen... aber tat ich das auch gut genug? Und was wäre, wenn er es wüsste? Was würde mit uns geschehen?
 

Für Freitag hatte sich Ally mit einigen Freunden angemeldet. Sie war geschockt und enttäuscht, dass ich ihr meine momentane Wohnkonstellation gute vier Monate verschwiegen hatte. Aber wie bitte schön erklärte man einer verwöhnten Primadonna, dass man einen Penner von der Straße aufgelesen hatte und ihn darüber hinaus auch noch liebte?

Im Punkto verwöhnt, machte ich ihr ja keinen Vorwurf, immerhin waren es unsere Eltern, die sie so verzogen hatten. Schöne Klamotten, Empfänge, Opernbesuche und der ganze Schnick-Schnack. Für mich war das nie wirklich was, ich wollte raus, mich mit Freunden raufen, Fußballspielen und auf Bäumen klettern.

Als ich meinen Eltern mit 17 von meinem Schwulsein erzählte, erstaunte mich mein Dad und enttäuschte mich meine Mom. Ich wollte ihre Unterstützung, ihr Geld nicht mehr haben... und hielt mich mit zwei Jobs neben dem College über Wasser. Ich hauste in einem Drecksloch und ernährte mich vorzüglich von irgendeinem Billigfraß. Aber ich stand zu dem, was ich tat... und was ich war.

Nach zwei Jahren schmiss ich das College und lernte durch meine Grandma den Leiter eines Architektenbüros kennen. Er fand meine Arbeiten klasse und nahm sich mir sofort an, auch ohne einen Abschluss.

Monate später starb meine Grandma. Ich erbte ihr ganzes Vermögen, was nicht gerade kleinlich war. Meine Eltern, sowie meine Schwester bekamen nichts, da sie sich außer an den Feiertagen nie hatten blicken lassen. Es störte sie auch nicht wirklich, Geld gab es in unserer Familie mehr als genug.

Und heute sollte es soweit sein, bettelarm traf verwöhnte Snobs. Ich dachte, ich hatte irgendwie meine Gründe gehabt, es so lange zu verheimlichen.
 

Schon am Donnerstagabend kümmerte ich mich um einige Vorspeisen für das Essen. Ich kochte mit Leidenschaft.

Ryan schaute mir zu, schälte unter Anleitung das ein oder andere Gemüse in die richtige Form und fragte mich einige Male, wofür ich so einen Aufwand fabrizierte, man könne doch genauso gut in einem Feinkostladen was bestellen.

„Das wäre aber nicht dasselbe, außerdem mache ich es gerne“, antwortete ich ihm und wirbelte weiter durch die Küche.

Morgen hätte ich neben der Arbeit nicht mehr genügend Zeit, um alles zu schaffen, da musste ich heute wohl oder übel schon einiges vorbereiten.

Mit einer Vielzahl von Gedanken ging ich ins Bett und stieg am Morgen mit noch einer weitaus größeren Anzahl wieder hinaus. Ich hoffte inständig, dass der Abend nicht in einer vollkommenen Katastrophe enden würde.
 

Mit einigen Instruktionen an Ryan gerichtet, verließ ich am Morgen das Haus.

Die Arbeit war überraschend schnell vorbeigegangen und nach Feierabend besorgte ich noch einige Zutaten für das Dessert.

Zu Hause angekommen, stellte ich die Tüten in der Küche ab und ging unter hektischen Schritten auf mein Arbeitszimmer, welches mit der Zeit aber mehr und mehr zu Ryans Zimmer mutierte zu. Die Türklinke hinunterdrückend und mir gleichzeitig die Schuhe von den Füßen streifend, öffnete ich die Tür.

Ich wusste nicht genau, was mich zuerst störte... das in die Höhe gestreckte Frauenbein, die weichen Brüste, das lange blonde Haar oder einfach die Bewegungen, das Stöhnen, das Zusammen an sich.....

Ich weiß auch nicht wie ich es überhaupt fertig gebracht hatte, mich zu bewegen, meinem Schuh dabei zuzuschauen, wie er durch den Raum flog, genau auf Ryans Körper traf.

Entdeckt, geschockt, entblößt... ich verließ den Raum.

Das konnte doch alles nicht wahr sein, oder? Ich bereitete ein Essen für meine Freunde vor und dieser Arsch vergnügte sich mit einer blonden Schlampe in meiner Wohnung.

Ich eilte zurück in die Küche, versuchte einen klaren Gedanken zu fassen. Wie lange ging das schon so… war ich die ganzer Zeit der Blinde gewesen?

„Chris!“

Er tauchte hinter mir auf, halbnackt und ich versuchte in die Küche zu flüchten, aber er versperrte mir den Weg. Ich drehte mich um, lief schnellen Schrittes ins Wohnzimmer, ich wollte ihn nicht sehen.

„CHRIS!“

Er packte mich beim Arm, drehte mich um.

„Was verdammt ist los mit dir?“

Das schlug dem Fass den Boden aus.

„Was mit mir los ist?“, schrie ich ihn an. „Mit mir? Ich bin nicht derjenige, der mit diesem blonden Gift ins Bett hüf-“

„Na und? Seit wann ist es mir verboten, Sex zu haben wann und wie ich will? Habe ich irgendwas verpasst?“, unterbrach er mich.

„Da merkt man mal wieder, wo ich dich gefunden habe, keinen Anstand der Herr, wenigstens ein wenig könnte man ja verlangen, wenn man bedenkt, was ich alles für dich getan habe. Aber nein, stattdessen besudelst du mein Bett mit... mit... na du weißt schon was ich meine...“

Meine kleine Attacke wurde von dem Zuschlagen der Wohnungstür unterbrochen und plötzlich war es still um uns herum. Er schaute mich an.

„Ich kann nichts dafür, dass du niemanden hast, der dich liebt.“

Erst wollte ich trotzig auf diese Aussage reagieren, aber ich bekam kein Wort heraus, stattdessen spürte ich Nässe auf meinen Wangen und versuchte erst gar nicht, sie zu verbergen. Auch wenn ich es nicht sofort gemerkt hatte, aber seine Aussage hatte... nicht genau... es hatte einfach Klick gemacht... so als wäre alles vorbei… vorbei, was niemals angefangen hatte.

„Nicht, das wollte ich nicht.“

Er schaute besorgt.

Es nützte nichts, es folgten immer mehr Tränen, immer mehr Trauer stieg in mir auf. Ich konnte ihn kaum noch sehen, aber ich spürte ihn. Seine Hände, die sich auf meine Augen legten, ein komisches Gefühl. Er wollte es nicht sehen, aber genau dieser Schutz, den er mir gab, ließ mich noch mehr aus mir herausgehen, ließ mich noch mehr meiner Trauer offenlegen.

„Psst... bitte nicht. Ich hab's nicht so gemeint, ehrlich nicht. Es tut mir leid.“

Ich konnte ihm nicht antworten, auch wenn ich wollte...

Seine Finger verkrampften sich leicht auf meiner Haut, fuhren über die nassen Stellen hinweg und dann... spürte ich das, wonach ich mich all die Zeit gesehnt hatte.
 

Part 01 – Ende



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Kommentare zu diesem Kapitel (31)
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Von:  SemeMary
2009-02-11T18:38:19+00:00 11.02.2009 19:38
*.*
mehr, mehr, mehr, mehr, mehr!!!
man, kannst du mir nicht mal deinen schreibstil ausleihen?
*bettel* *hundeaugen*
das ist so geil, die storyline ist so süß
so, kommi lang genug, entschuldige, ich muss noch weiter lesen
*jezz schon süchtig seis*
Von:  Yu_B_Su
2008-12-28T15:38:57+00:00 28.12.2008 16:38
Ich sage es zwar nicht gerne :-D, aber ich habe selten eine so gute Geschichte wie diese gelesen. Das Tempo stimmt, der Wechsel zwischen Zeitraffung und -dehung ist gut, die Schilderung der Details wie der Prozess bei der Ampel am Anfang, die Beschreibung der Stadt, die Stimmung ... irgendwie ist alles ziemlich perfekt. Nur beim Ausdruck haperts manchmal, auch wenn die RG total iO ist. Dass ich nicht so auf amerikanische Handlungsorte und Namen stehe, weil sie das Geschehen meistens automatisch cooler machen, als es unter Umständen ist, was hier aber nicht zutrifft, ist eine subjetive Bewertung ... ansonsten... mal sehen, ob es so gut bleibt :-D

PS: Erinnert mich an Yellow ... i love it!
Von: abgemeldet
2008-11-30T04:44:00+00:00 30.11.2008 05:44
waaaaaaaaaaaahhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhh!!!!!!
das ist ja wirklich so toll geschrieben. ich kann richtig mit chris mitfühlen. ihm muss es ja echt scheiße gehen. und bitte bitte bitte lass das am ende des kapitels ein kuss gewesen sein ^_____^

Von:  Halfangelic
2008-11-12T15:48:50+00:00 12.11.2008 16:48
ich find deine ff einfach nur klasse!
so lebendig geschrieben
besonders die ich-perspektive gefällt mir^^
(leider konnte ich sie bis heute kaum verwenden...)
bin soo gespannt wie es weitergeht und nehm mir gleich das nächste kapi vor
lg
Von: abgemeldet
2008-11-12T14:52:26+00:00 12.11.2008 15:52
Ich mag es total ... TT____________TT
Das ist sooo~ schwierig und doof und toll ... hört sich jetzt komisch an, aber immer wenn man von mir sowas hört wie "Es ist sooo~ tolll, aber so doof! Es ist soo toll!", dann bedeutet es, dass es gut ist, denn wenn ich mich über etwas ärgern kann, ist es sau gut! xD
Und vor allen Dingen muss ich jetzt auch noch weiter lesen! XDDD
Sau gut und ab in meine Favos! x3

LG
PoGo ★
Von:  _Haruka_
2008-10-24T11:52:35+00:00 24.10.2008 13:52
Gefunden, Gelesen, süchtig XD
Von: abgemeldet
2008-10-04T14:38:17+00:00 04.10.2008 16:38
Wow. Echt schön. gut geschrieben. Würde gerne sofort weiterlesen, aber habe wenig Zeit. Freue mich schon auf den Rest.
Von: abgemeldet
2008-09-14T10:28:45+00:00 14.09.2008 12:28
Wow! Tolle FF. Und einige Dinge erinnern mich an mein eigenes Leben o.O irre... >.<
also eine der besten FFs die ich je gelesen habe. So, viel mehr will ich auch garn icht schreiben damit ich weiterlesen kann :)
Aber die Story ist super!!! *lob* Und toll und LESBAR geschrieben :)
Von:  Shunima
2008-03-18T16:09:12+00:00 18.03.2008 17:09
nach stiffys sachen wollt ich hier auch mal vorbei schauen... keine ahnung, warum ich ausgerechnet auf diese geshcichte von dir stieß... aber ich hab sie ienfach aufgemacht und gelesen (wie ein päckchen)...
ich denke, wenn das so weitergeht, ist watashi no sekai ein richtiger spaß und hat merh als nur potenziellen suchtfaktor xD
Von: abgemeldet
2007-07-02T20:09:24+00:00 02.07.2007 22:09
Genial! Klasse! Super!
Hab's grad alles durch & bin hin&weg,
deine Story ist sooooo toll,
total mitreissend,
bitte schreib gaaaaaaaaaaaaaaaaaaanz schnell weiter,
das hält man ja überhaupt nich aus!
Les gleich deine anderen...verkürzt die Wartezeit =)



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