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Walk this World

Run Girl, Run
von

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Tired of Waiting

"Du musst mehr Wasser nehmen," befahl die Betreuerin laut, "sonst werden die Fenster niemals sauber!

-Und gib dir ja Mühe, sonst knallt's!"

Sakura tauchte den Lappen nochmals in den schmutzigen Eimer und schrubbte den Dreck vom Fenster.
 

Das Leben im Jugendheim war nicht immer einfach. Besonders, wenn man zu den Lieblingsopfern der Betreuer gehörte. Sie verteilten unheimlich gerne Strafen, selbst wenn man nichts angestellt hatte.

Aber Sakura hatte den Zorn der Betreuerin auf sich gezogen, als sie einmal vergessen hatte, das Licht im Badezimmer auszuschalten. Sakura war sofort zum Fenster putzen gezwungen worden.

Alles in allem war ihr Leben nicht gerade das aufregendste oder glücklichste gewesen, seit ihre Eltern vor zwölf Jahren bei einem Autounfall starben. Sakura war damals fünf gewesen und lebte von da an im Kinderheim, da sie keine anderen Verwandten hatte, die sich um sie kümmern wollten.

Ihre Großeltern beiderseits waren gestorben und Onkeln und Tanten hatte sie kaum. Zumindest kannte sie die meisten gar nicht. Sie war schon an kinderlose Paare vermittelt worden, aber sie war immer abgehauen. Meistens weil sich diese 'Traumeltern' nachher als wahre Alpträume entpuppten und ganz und gar nicht ihren Vorstellungen entsprachen.

Ausserdem interessierte Sakura sich für die Ring-Kämpfe im Fernsehen -was ihre zweiten Pflegeeltern nicht gerade begeisterte.

Und Blockflöte wollte sie nicht spielen, zum Leide jener Pflegeeltern, die sie als letztes gehabt hatte, denn diese waren Musik-Fanatiker...

Sakura mochte zwar Musik, besaß aber kaum CDs und hatte nur einen alten Discman mit halb kaputten Kopfhörern...
 

Sie wurde durch eine schallende Ohrfeige ins Bewusstsein zurückgerufen.

"Hör auf zu träumen, Mädchen! Mach' lieber weiter, oder soll ich dir den Hintern versohlen?!"

Sakura weinte nicht -das war's nicht wert- sondern wischte sich nur langsam mit dem Handrücken über die Wange.

"Ich bin fertig, Mrs Sonotake. Ich geh ins Bett."

Sakura wollte aufstehen, doch Mrs Sonotake stieß sie grob zu Boden.

"Du wirst gefälligst darauf warten, dass ich dir sage, dass du aufstehen darfst! Hast du das verstanden, du kleine Made?"

Sie strich eine blonde Strähne aus ihrem Gesicht und stand wieder auf.

Mrs Sonotake starrte sie ungläubig an.

"Bist du taub?! Ich habe dir gesagt, dass du mir gehorchen sollst, ungezogenes Gör!"

Sie wollte wieder zu einem Schlag ausholen, aber Sakura hielt ihren Arm fest.

"Ich habe keinen Bock mehr! Ich bin müde und hungrig, ich könnte kotzen wenn das hier so weiter geht!"

Mrs Sonotake zog ihren Arm zurück, als hätte sie einen elektrischen Schlag bekommen.

"Du wagst es, dich mir zu widersetzen? WAS FÄLLT DIR EIN?!"

Diesmal saß die Ohrfeige und Sakura wurde still. Sie senkte ihren Blick und ihre blonden, strähnigen Haare fielen ihr wirr ins Gesicht.

"Du gehst jetzt sofort in den Saal und bleibst da! Erst dann werde ich es mir überlegen, ob du dir ein spätes Abendessen verdienst."

Mrs Sonotake schubste Sakura in den überfüllten dunklen Schlafsaal.

Überall im Saal standen Betten und boten Ruhestellen für die übermüdeten Kinder, die Tagsüber Arbeiten verrichten mussten, um das Gebäude in Stand zu halten. Wenn man die Bruchbude überhaupt noch als anständiges Gebäude der Stadt bezeichnen konnte...

Sakura bahnte sich ihren Weg leise durch die Reihen bis zu ihrem Bett. Sie legte sich drauf und schloss die Augen. Dann hörte sie, wie die Tür wieder abgeschlossen wurde. Mit einem mal war sie hellwach. Sie stand leise auf und hob ihre Matratze an, so dass ein verschlissener, dunkelroter Rucksack zum Vorschein kam. Sie nahm ihn leise und schaute unter ihrem Kissen nach. Sie packte den darunter versteckten Discman in die Tasche, zusammen mit ein bisschen Kleingeld, welches andere im Laufe der Jahre auf dem Flur oder im Hof verloren hatten. Gerade mal zweieinhalb Dollar.

Sakura betrachtete das Geld nachdenklich und verstaute es im kleinsten Fach ihres Rucksacks.

Eine Uhr hatte sie leider nicht, sonst würde sie wissen, dass es bereits nach halb zwei war.

Plötzlich spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter und sie zuckte zusammen. Sie drehte sich um und sah zu ihrer Erleichterung ihre beste Freundin, Serafin.

"Haust du ab?", fragte sie im Flüsterton. Sakura nickte. Serafin zögerte. Dann umarmte sie ihre Freundin weinend. "Ich werde dich vermissen."

Sakura erwiderte tonlos, dass sie es auch täte. Serafin wandte sich ihrem Bett zu, griff unters Kissen und holte ein Bündel heraus.

"Hier ist ein T-Shirt und ein Paar Socken. Damit du was zum wechseln hast."

Sakura bedankte sich und packte die beiden Kleidungsstücke in den Rucksack und nahm ihn auf den Rücken.

Sie zog die Gurte enger und sagte Aufwiedersehen. Dann ging sie zu einem großen Regal an der Wand und kletterte drauf. Sie stieß das kleine Fenster auf und kletterte hinaus. An der Regenrinne runterkletternd, näherte sie sich der Freiheit. Nur leider stand noch ein gut zwei Meter hoher Zaun im Weg. Sie näherte sich einem Strauch, den sie etwas beiseite schob und eine leichte Senke freigab. Sie schob erst den Rucksack drunter und robbte dann selber auf die andere Seite. Dann schob sie den Strauch zurück und setzte den Rucksack wieder auf. Im hohen Tempo lief sie die Straße hinab und hörte erst auf zu rennen, als sie vier Blocks weiter war. Sie keuchte und lehnte gegen eine Mauer, um Luft zu holen. Sie atmete tief ein.

So duftet die Freiheit!, dachte sie und fing an zu lächeln. Sie bewegte sich weiter in Richtung Innenstadt. Sie kannte sich relativ schlecht in der Umgebung aus und hoffte darauf, ein Café oder ein kleines Lokal zu finden. Sonst würde sie wahrscheinlich verhungern oder verdursten.

Am Anfang der Stadt stattete sie einem kleinen Lokal namens Jen's Bar einem Besuch ab. Die Besitzerin, die 22-jährige Jennifer McCauley, brachte ihr ein Glas Wasser.

"Sorry, aber leider musst du für alles andere bezahlen.", sagte Jen bedauernd und stellte das Glas auf die Theke. Sakura nickte und trank aus.

Jen wischte die Theke ab. "Bist du auf Reisen?"

Sakura zuckte die Schultern. "Weiß ich nicht."

"Wieso? Du musst doch wohl wissen, ob du auf Reise bist, oder nur rumtrödelst?"

Sakura stellte das Glas beiseite und erzählte ihr, dass sie aus dem Jugendheim geflohen war, um den Betreuern zu entkommen. Jen nickte zustimmend.

"Bin auch mal dort gewesen. Bin auch von dort abgehauen, weißt du? Sonotake, die olle Schrulle hat mich tierisch genervt."

"Du warst auch dort?", fragte Sakura überrascht.

"Ja, als ich in deinem Alter war, sind meine Eltern gestorben. Flugzeug-Unglück. -Wenn du noch ne Weile hier bleibst und deine Geschichte weitererzählst, gib ich dir ne Coke auf Kosten des Hauses, okay?"

Sakura nickte. Jen schenkte ihr Cola ins Glas und sie nippte eifrig dran.

"Wie bist du dem Alptraum eigentlich entkommen?", fragte Jen neugierig.

Sakura setzte das Glas ab und erzählte, wie sie vom Regal im Schlafsaal aus, durch das Fenster gestiegen, die Regenrinne runtergeklettert und unter dem Zaun gekrochen war. Jen machte einen beeindruckten Gesichtsausdruck und applaudierte.

"Bravo. Ich habe gewartet, bis wir einen Kurzausflug in die Stadt gemacht haben und mich in einer Umkleidekabine eines Geschäftes versteckt. Sie hätten mich beinahe drangekriegt, wenn ich nicht in einen Lüftungsschacht geklettert wäre. Dann war ich auch frei. Ich wurde dann nach einiger Zeit vom Besitzer dieser Bar aufgenommen und als ich volljährig war, habe ich die Bar übernommen. Aber ich hätte viel lieber ein echtes Restaurant, wenn das alles nur nicht so saumäßig teuer wäre. In einem eigenen Restaurant könnte man wenigstens mehr verdienen als in dieser Bude..."

Sakura nickte und leerte ihr Glas. "Ich muss jetzt leider gehen, sonst gibt's nachher vielleicht Probleme.", sagte sie und nahm ihren Rucksack zur Hand.

Jen stoppte sie. "Hey, ich geb' dir meine Adresse. Wenn du Hilfe brauchst, kannst du einfach zu mir kommen."

Sie schrieb ihre Adresse auf einen Untersetzer und gab ihn Sakura, die sich höflichst bedankte.

"Nichts zu danken. Ich helfe gerne bei Leidensgenossen. Tu die Adresse irgendwo hin, wo du sie nicht verlierst."

Sakura trat wieder auf die Straße.

"Scheiße. Wohin jetzt?", fragte sie sich. Sie ging weiter auf den Stadtrand zu.

Plötzlich raste ein Auto über die Straße und bremste neben ihr. Die Beifahrertür öffnete sich und der Fahrer ergriff ihren Arm. Sie schrie verzweifelt. Der Fahrer zerrte sie in den Wagen und zog die Tür rasch zu. Er schlug Sakura K.O. und trat aufs Gaspedal. Dann fuhr er aus der Stadt heraus.

Confrontation with the Enemy

Sakura spürte die wärmende Sonne auf ihrer Wange und kam langsam wieder zu Bewusstsein.

Es musste Morgen sein. Sie setzte sich aufrecht hin und sah sich um. Sie kannte den Fahrer. Er, Mr. Connor, war einer der Betreuer aus dem Jugendheim. Sakura fragte nervös, warum er sie entführt hatte. Sie fuhren auf einer Landstraße, die von hohen Erdwällen mit Maschendrahtzäunen umgeben war. Wahrscheinlich altes Militärgebiet.

"Ich habe recherchiert und herausgefunden, dass deine Eltern vor langer Zeit, bevor sie im Unglück umkamen, eine Lebensversicherung für dich erstellt haben. Eine sagenhafte Summe von 28.000 Dollar. Ich habe die Gelegenheit genutzt, als du abgehauen bist und habe dich aufgesammelt. Sieh's positiv, dann streunst du wenigstens nicht auf der Straße rum."

"Und warum haben sie mich jetzt entführt? Ich will den Grund wissen!"

"Aus einem sehr guten Grund: Ich bin in Geldnot und brauche schnelle Kohle. Und die erhalte ich durch deinen Tod."

Sakura sah ängstlich hoch. Er lächelte kühl.

"Keine Angst. Es wird kurz und schmerzlos sein. Solange du dich nicht wehrst...

Alle werden glauben, du seist von alleine abgehauen."

Sakura griff ihren Rucksack fester. Mit einem Mal öffnete sie die Tür und sprang in den Straßengraben. Sie rollte sich ab und stand sofort auf. Mr Connor hatte gebremst und den Wagen gewendet.

Panisch lief Sakura einen Erdwall hoch und stand vor dem alten Zaun. Er war gerade mal 1,80m hoch und sie kletterte hastig drüber. Auf der anderen Seite rannte sie um ihr Leben. Mr Connor hatte noch versucht, mit dem Auto hochzukommen, aber der Hügel war zu steil. Er war ebenfalls ausgestiegen und feuerte nun mit einer Handfeuerwaffe über den Zaun auf Sakura. Gottseidank war sie ausser Reichweite für die Geschosse und sie rannte unversehrt weiter.

Sie lief noch eine halbe Stunde lang, aus Angst, dass er noch hinter ihr her war. Dann blieb sie stehen, um Luft zu holen und drehte sich um. Es war niemand zu sehen. Sie lächelte glücklich.

Ein weiteres Mal war sie dem Schrecken entkommen und begab sich auf die Suche nach einer Siedlung. Nach weiteren zwei Stunden erreichte sie eine alte Militär-Basis. Dort wurde sie von zwei Soldaten aufgehalten, denen sie erklären musste, dass sie hier abgesetzt worden war. Ein Wächter erklärte ihr, dass sie 13 Meilen von der nächsten Stadt entfernt war und bot ihr an, sie dort hin zu bringen. Sie lehnte ab und bekam einen Kompass und eine alte Landkarte geschenkt. Damit könnte sie sich besser orientieren, hatte der Wächter gemeint. Sie erhielt etwas zu essen und eine Flasche Wasser. In dieser Gegend konnte man schnell verdursten. Einer der Soldaten stellte ihr ein Paar Stiefel zur Verfügung, weil ihre alten Turnschuhe völlig durchgelaufen waren.

Innerhalb der nächsten Stunde verließ sie die Basis und machte sich auf dem Weg in die nächste Stadt. Dort suchte sie eine Unterkunft. Ein älteres Ehepaar erklärte sich bereit, sie über Nacht aufzunehmen. Die alte Dame fand Sakura sympathisch, weil sie ihrer Enkelin ähnelte und kochte ihr ein großes Menü.

"Ui... Das brauchen sie aber wirklich nicht...", sagte Sakura verlegen, als die alte Frau ihr einen großen

Teller hinstellte.

"Ach was, für ein junges Mädchen im Wachstumsalter ist viel Essen sehr sehr wichtig. Ausserdem koche ich gerne!", erwiderte die Dame freundlich.

Sakura stürzte sich dankbar hungrig auf die Portion und aß alles bis auf den letzten Krümel auf.

"Sie kochen fantastisch! Ich habe noch nie so etwas gutes gegessen!", behauptete Sakura, während die alte Frau den Tisch abräumte.

"Möchtest du noch Dessert?", fragte sie. Sakura sank etwas zusammen.

Sakura errötete. "Sie brauchen sich wirklich nicht die Mühe zu machen..."

Kaum hatte sie den Satz beendet, stand eine große Schüssel Vanille-Eis mit geschälten Pfirsichen vor ihr.

Nach der ausgiebigen Mahlzeit schlief sie auf einem Bett im Gästezimmer ein.
 

Am nächsten Morgen nach dem Frühstück verabschiedete sie sich von dem gastfreundlichem Ehepaar und ging weiter.

Es war kaum elf Uhr Vormittags und sie überquerte den Marktplatz mit den vielen Ständen.

Lächelnd ging sie durch die Reihen. Viele Verkäufer baten ihr Kostproben an, was ihr mehr als gelegen kam. Neugierig kostete sie von allem etwas, was nach Gratis-Proben aussah, da sie wusste, dass sie sich nichts teures leisten konnte.

In diesem bunten Treiben war sie abgelenkt von den vielen Farben und den unzähligen Menschen.

Aber sie wurde verfolgt. Noch hatte Sakura ihren Verfolger nicht bemerkt und sie schlenderte gelassen durch den Markt.

Ein großer junger Mann, ungefähr Mitte zwanzig, in schwarzen Sachen tigerte lautlos hinter ihr her.

Die Schusswaffe trug er tief, ausser Sichtweite der Passanten. Seine struppigen, pechschwarzen Haare standen ihm zu allen Seiten ab und seine dunklen Augen nahmen jede von Sakuras Bewegungen genauestens wahr. Katzenhaft bewegte er sich auf sie zu.

Sakura probierte eine Kirsche, die ihr angeboten wurde. Sie schmeckte süß und war sehr lecker. Sakura genoss ihren kleinen Imbiss und freute sich über alles, was ihr angeboten wurde.

Noch immer hatte sie den jungen Mann nicht bemerkt. Die Entfernung zwischen den beiden betrug nur noch wenige Meter. Würde Sakura auch nur ahnen, dass ihr ein Killer auf der Schliche war, hätte sie sofort die Flucht ergriffen. Die Entfernung verringerte sich wieder um einige Meter.

Sakura atmete zufrieden durch und ging zum nächsten Stand.

"Hey, Kosmetika!", sagte sie überrascht und beugte sich über die unzähligen Lippenstifte und Lidschatten. "Dürfte ich das testen?", fragte sie neugierig und zeigte auf einen durchsichtigen Lipgloss.

Der Verkäufer nickte und reichte ihr ein Test-Exemplar. Sie trug ihn auf und bemerkte, wie er ihre schmalen Lippen voller wirken ließ.

"Wie viel kostet er?", fragte sie interessiert.

"Normalerweise 3 Dollar, aber für dich verlange ich nur 1."

Sakura lächelte und kramte eine Münze aus ihrer Tasche.

Ihr wurde erst später klar, dass sie damit eigentlich wertvolles Geld ausgegeben hatte...

Sie frischte den Lipgloss nochmals auf und packte ihn in die Tasche.

Plötzlich nahm sie ein leises Klicken wahr und drehte sich auf der Stelle um. Sie blickte direkt in die Augen des jungen Mannes, der ihr einen knappen halben Meter gegenüber stand. Er schaute verunsichert zurück. Irgendwie bewundernd.

Sakuras erster Gedanke war, wie tief seine dunklen Augen schienen, bis ihr Blick nach unten wanderte

-und die Waffe entdeckte. Sie keuchte erschrocken und lief weg.

Der Mann griff nach ihr, verfehlte sie aber um Haaresbreite.

"Halt! Bleib stehen!", rief er und versuchte sich durch die Menge zu drängen, um ihr hinterherzukom- men. Doch Sakura war kleiner und schneller als er und entkam ihm. Sie war bereits um eine Ecke gelaufen.

"Scheiße!", fluchte der Killer sauer. "Verdammte Sch... Merde!"

Er steckte die Waffe weg und verließ den Marktplatz, ehe er noch mehr Aufmerksamkeit erregte.

Wieder hörte Sakura erst auf zu rennen, als sie vier Blocks weiter gekommen war.

Ängstlich und nervös sah sich um.

"Verdammt, wer war er? Wieso wollte er...?"

Sie schüttelte den Kopf. Entrüstet suchte sie die nächste Telefonzelle auf. Sie fand eine in der Nähe des selben Platzes, wo der Killer aufgetaucht war. Unauffällig schlich sie hinein und wählte Jen's Nummer.

"Jennifer McCauley, wer ist dran?"

"Ich bin's, Sakura!"

"Ach, du! Was gibt's?"

"Ich habe ein großes Problem. Hilfst du mir? Kannst du mich abholen?"

"Äh, klar? Wo bist du? Du klingst, als hättest du gerade jemanden umgelegt?"

"Das nicht, aber beinahe umgekehrt. Hilfst du mir? Ich bin in der Nähe des Marktplatzes in der Stadt!"

"Klar. Warte einfach, ich komme gleich! Ich bin in einer halben Stunde da."

Sakura ging raus und setzte sich auf eine Bank neben der Telefonzelle. Ihr war unbehaglich zumute und sie wartete nervös auf Jennifers Wagen.

Sie erschrak, als ein Auto sie anhupte. Es war Jennifer. Sofort lief sie zu ihr hin und sprang ins Auto.

"Oh Gott, bin ich glücklich, dass du kommen konntest! Ich hatte die ganze Zeit Schiss, dass er mich hier findet!"

"Wer soll dich nicht finden? Sag es schon, dass macht mir Angst, wenn ich es nicht weiß!"

"Ich weiß es selber nicht, aber ich habe den Verdacht, dass es Mr Connor vom Jugendheim ist. Er ist hinter meiner Lebensversicherung her."

"Ach du Scheiße. Und jetzt?"

"Darf ich ne Weile bei dir wohnen?", fragte Sakura flehend. Jennifer starrte sie entsetzt an. "Bitte Jen...", flehte Sakura.

Jennifer atmete tief durch. "Na gut. Aber nur für ne Weile, okay? Ich will keinen Ärger mit mordlustigen Beamten, klar?"

Sakura nickte und Jennifer gab Gas.

Auf dem Weg in den südlichen Teil der Stadt, wo Jen wohnte, kauften sie noch ein paar Sachen ein.

Was die Mädchen nicht wussten, war dass der Killer ebenfalls zur südlichen Hauptstadt gefahren war...

Am Abend hatte Jen eine Couch ausgeklappt, die Sakura als Gästebett nutzen konnte.

Es war kurz vor Mitternacht, als sie sich schlafen legten und Sakura genoss die Sicherheit, die Jennifers Wohnung bat. Um sich ihre Miete zu verdienen, arbeitete sie spät abends in Jennifer's Bar.

Love or Feint?

Innerhalb der nächsten zwei Wochen hörten oder sahen sie weder noch was von dem Killer oder Mr Connor und gerade als sie dachten, die Sache wäre überstanden, verübte wieder jemand einen Anschlag auf Sakura. Der Schuss ging daneben, aber der nächste Vorfall eine Woche später brachte einen leichten Streifschuss auf Sakuras Schulter ein.
 

Wieder vergingen zweieinhalb Wochen. Sakura wohnte mittlerweile bei Jen als ihre Mitbewohnerin und half ihr in der Bar beim Bedienen und Spülen der Gläser. Eines Nachts passierte es:

Um kurz nach drei Uhr morgens wachten beide Mädchen gleichzeitig auf. Geweckt von einem schepperndem Geräusch aus Jennifer's Küche, schräg gegenüber des Schlafzimmers, wo die beiden Mädchen schliefen.

"Hast du das auch gehört?", flüsterte Sakura.

Jen nickte. "Das Fenster in der Küche ist kaputt."

Plötzlich erschraken sie. "Der Killer!"

Tatsächlich war jemand in die Küche eingebrochen. Man hörte seine Schritte deutlich auf dem Boden, als er knirschend auf die Glassplitter trat. Sakura war den Tränen nahe und betete, dass er sie doch nicht

töten würde. Jen kramte unter ihrem Kissen und fand schließlich wonach sie gesucht hatte.

Leise stand sie auf und schlich zum Türrahmen.

"Jen, was zum Teufel machst du da?!", flüsterte Sakura. Jen legte einen Finger auf dem Mund und Sakura schwieg.

Die Schritte näherten sich langsam in Richtung Schlafzimmer. Als er direkt vorm Schlafzimmer stand, hielt Jennifer plötzlich das Pfefferspray in seine Augenhöhe und drückte. Ein Schmerzensschrei war zu hören, als er das Sekret in die Augen bekam und er war vor Schreck nach hinten gewichen, wo er ein Bild von der Wand fegte, als er um sich schlug.

"So ne verdammte Scheiße, brennt das Zeug!", schrie er und versuchte es wegzuwischen. Er stolperte und rappelte sich wieder hoch. In der Küche fiel er nochmals hin und verletzte seine Hand an einer Glasscherbe. Blut tropfte auf dem Boden und er ließ verschreckt die Waffe fallen. Sakura war ebenfalls aus dem Bett gesprungen und hatte eine Tischleuchte in der Hand, die sie ihm auf dem Kopf schlug.

Als der mysteriöse Killer wieder aufwachte, war er mit kräftigen Tüchern an Jennifers Bett gefesselt. Seine Augen tränten vom Pfefferspray und sein schwarzes T-Shirt hatten sie über die Bettkante gelegt. Offensichtlich hatten sie alle seine Waffen entfernt.

Er versuchte sich zu befreien und sah sich nach einem Ausweg um. Plötzlich bemerkte er Sakura, die auf einem Stuhl gegenüber dem Bett eingenickt war. Sie wachte auf und bemerkte, dass er wieder bei Bewusstsein war. Erschrocken stand sie auf.

"Jen! Der Kerl ist wach! Komm schnell!"

Jennifer lief ins Zimmer, mit dem Pfefferspray bewaffnet. "Hat er sich befreit?!", fragte sie nervös.

"Nein, aber er ist wach.", erwiderte Sakura ängstlich und versteckte sich halb hinter Jennifer. Gemeinsam näherten sie sich vorsichtig dem Bett und behielten ihn dabei im Auge. Er versuchte etwas zu sagen, aber Jennifer hatte ihm eine Tennissocke in den Mund gesteckt.

"Er sagt was.", meinte Jen.

"Warum hast du ihm die Socke in den Mund gesteckt?"

"Er sollte nicht rumschreien."

"Ich glaube ich schreie eher als er!", sagte Sakura und lehnte sich vor, um ihm die Socke rauszunehmen. Er spuckte sie aus und holte tief Luft.

"Ihr verdammten Zicken! Wollt ihr mich umlegen oder was?!", keuchte er.

"Dasselbe müssten wir dich fragen!", sagte Jen und hielt ihm das Pfefferspray drohend vor die Nase. "Antwortest du freiwillig, oder soll ich dich wieder einnebeln?"

"Geh mir bloß weg mit dem Zeug!", sagte er und drehte den Kopf weg. "Ich lasse euch dann auch in Ruhe, versprochen!"

"Warum hast du versucht mich zu töten?!", fragte Sakura wütend und gab ihm eine Ohrfeige. "Sag mir den Grund, du mieses Schwein!"

"Reg dich ab! Lasst mich laufen, dann sage ich euch den Grund!"

"Warum sollten wir dir trauen?! Für wen arbeitest du?!", fragte Jen streng und hielt die Dose hoch.

"Geh weg damit! Ein Typ namens Connor hat mich angeheuert! Er hat irgendwas von viel Geld gelabert, dass er bekommen würde, wenn ich sie umlegen würde! Er hat mir die Hälfte versprochen, wenn ich den Auftrag sauber ausführe."

Jen lachte trocken. "Gottseidank bist du nicht die Kohle wert! Sonst hätte Sakura längst ins Gras gebissen!"

Sakura hatte angefangen zu weinen. "Warum sind plötzlich alle hinter mir her? Bloß weil ich nichts von dieser dämlichen Lebensversicherung gehört habe, müssen alle anderen davon wissen, oder was?

-Verdammt, ich will leben und nicht irgendwo tot in der Ecke rumliegen!"

Der fremde Mann sah weg. "Hör auf zu plärren, das kann ich nicht ab!", sagte er.

Jennifer drückte Sakura das Spray in die Hand. "Falls der Kerl Ärger macht, nebel' ihn ein, verstanden? Ich penn im Wohnzimmer."

Jennifer verließ das Schlafzimmer. Sakura setzte sich wieder auf dem Stuhl und schluchzte.

Der Killer seufzte. "Hör auf zu flennen."

"Was weißt du schon davon?"

"Hm. Ich werde gerade von zwei hübschen Mädchen als Geisel gehalten. Nur die Tatsache, dass ich Pfefferspray in den Augen habe und eine Glasscherbe in der linken Hand macht mir etwas sorgen."

"Die Glasscherbe habe ich rausgeholt. Deine Hand ist verbunden."

Er schaute nach links und bemerkte den Verband an seiner Hand. "Oh."

"Mach keinen Ärger.", sagte Sakura und verließ das Zimmer. Wenig später kam sie mit einem Waschlappen wieder. "Halt still, oder ich verpass dir einen Tritt dahin wo's wirklich weh tut."

"Ja ja."

Vorsichtig setzte sie sich neben ihm aufs Bett und versuchte ihm die Augen auszuwaschen.

Er blinzelte mit geröteten Augen. "Wow. Zum ersten mal sehe ich dich ganz deutlich."

"Du hast mich doch schon oft gesehen?"

"Ja, aber es ist alles fast wie beim ersten mal, als ich dich traf."

"Du meinst, als du mir auf dem Marktplatz fast die Knarre in den Bauch gedrückt hast?"

"Nein." Er atmete tief ein. "Du hast dich umgedreht und mir direkt in die Augen gesehen. Du... Du hattest den selben Lipgloss auf wie jetzt."

Sakura erschrak und betastete ihre Lippen. "Ich... Du hast recht. Ich hab' mich nicht abgeschminkt."

Der Mann lächelte und schüttelte den Kopf. "Ich weiß, es klingt vielleicht blöd, aber... Von dem Augenblick an hatte ich eine wahre Hemmschwelle, die ich jedes mal überwinden musste. Ich darf keine Emotionen zeigen oder sentimental sein. Ich weiß nicht wie ich's sagen soll, aber... Ich würde dich lieber küssen, als dich zu töten."

"Du machst Witze.", sagte Sakura kopfschüttelnd und stand auf, um den Lappen wegzubringen. "Solche Witze kann ich echt nicht ab. Sie sind hinterhältig, gemein und verletzen einen seelisch. Du bist doch gar nicht fähig zu lieben, du bist völlig gefühlstot! Nur auf Geld aus! Genau wie alle anderen!"

Den Tränen nahe verließ Sakura das Zimmer.

"Verdammt, was mach' ich nur falsch?...", seufzte er und sank zurück ins Bett.

Als Sakura versuchte wieder einzuschlafen, gingen ihr viele Fragen durch den Kopf.

Hätte er sie tatsächlich umgebracht, wenn Jen sie nicht beschützt hätte?

Wusste Mr Connor vielleicht, dass sie seinen Killer gestellt hatten?

Und wenn ja, würde er dann trotzdem wieder einen Tötungsversuch wagen?

Sakura schüttelte sich. So viele Fragen und keine Antworten. Sie konnte einfach nicht schlafen.

Jen schnarchte auf dem Sofa neben ihr. Sie hatten den Killer allein im Schlafzimmer zurückgelassen, damit er sich auch ausschlafen konnte. Er war ja nicht direkt ihre Geisel, also boten sie ihm auch die nötige Privatsphäre.

Sakura stand auf und rieb sich die Augen. Es war Viertel nach fünf. Er würde bereits schlafen, dachte Sakura und schlich zum Schlafzimmer um nachzusehen. Zu ihrer Überraschung war er immer noch wach. Er sah zwar schläfrig aus, aber er blinzelte noch.

Eine weitere Frage schoss Sakura durch den Kopf: War sein Geständnis echt gewesen, oder wollte er sie nur hinterlistig dazu bringen, ihm die Fesseln abzunehmen?

Mit klopfendem Herzen betrat sie das Zimmer. Der Killer sah zu ihr rüber.

"Oh. Hallo.", sagte er leise.

Sakura nickte. "Ich möchte dir eine Frage stellen."

"Was für eine?"

Sie schluckte leise. "War... War das echt?"

"Was?"

Sie setzte sich auf der Bettkante. "Du hast gesagt...", begann sie, brach aber ab und sah schweigend weg.

"Was ich...? Ach so. Ja."

"Wieso? Wieso gerade mich?"

"Ich weiß es auch nicht. Es hat einfach 'klick' gemacht, als ich dich das erste mal sah. Bitte glaub' mir, dass es keine Lüge ist. Du musst."

Sakura atmete tief durch. "Wie kann ich jemandem vertrauen, der mich töten will?"

"Ich will dich nicht töten. Er will es."

"Sagst du die Wahrheit?"

"Ich lüge nicht. Ich gebe dir mein Wort darauf."

Sakura schluckte einmal und atmete wieder nervös durch. "Habe ich eine andere Chance? Wenn du tatsächlich ein solcher Lügner bist, für den ich dich halte... Dann bring mich auf der Stelle um und lass mich nicht leiden. Und tu Jennifer nichts an. Sie hat nichts mit der Sache zu tun."

Mit tiefer Entschlossenheit band Sakura den Mann frei und schloss die Augen.

Sie erwartete den Moment, wo er sie töten würde, ab. Doch nichts passierte.

Dann, plötzlich, spürte sie, wie er seine Arme um sie schloss und sie sanft umarmte. Sie legte ihren Kopf auf seine Schulter und weinte.

"Ich habe dir doch gesagt, dass ich kein Lügner bin."

"Wie heißt du?", fragte Sakura leise.

"Tales."

"Darf ich bei dir bleiben?"

"So lange du willst."

Zwei Stunden nach Sonnenaufgang betrat Jennifer verschlafen das Schlafzimmer. "Sakura? Hälst du noch Wache?"

Sie kreischte erschrocken, als sie sah, dass Sakura und der Fremde auf dem Bett lagen.

"Sakura! Sakura, geht es dir gut?!"

"Mir geht es hervorragend... Ganz toll.", meinte sie und rieb sich schläfrig die Augen. "Jen, wir müssen zu einer Bank gehen. Ich will endlich wissen, was es mit dem Geld auf sich hat."

Jen schielte zu dem Mann. "Und... Was ist mit ihm?"

"Tales kommt mit. Er hat irgendwas von 'kündigen' gesagt."

"Bist du noch ganz dicht?! -Gestern wollte er dich noch töten!"

"Und er hatte auch die Chance dazu! Aber ich lebe noch und ich glaube, ich sollte einmal versuchen ihm zu vertrauen. Bitte, Jen. Eine Chance."

Jennifer seufzte.

Am Vormittag fuhren sie mit Jennifer's Wagen zur nächsten Bank.

Sakura wendete sich an einen der Angestellten. "Verzeihung, ich habe eine Frage: Wissen sie etwas über einen Lebensversicherungsbeweiß, der auf Sakura Kuchiwasu ausgestellt ist? Bitte, ich muss es dringend wissen!"

Der alte Mann schaute im Computer nach. "Nein. Vielleicht ist er ja bei einer anderen Bank?", meinte er.

Sakura seufzte. Tales legte ihr eine Hand aufmunternd auf die Schulter.

"Hey, ich lass dich nicht hängen. Suchen wir einfach weiter?"

"Halt.", sagte der Angestellte. "Wir haben zwar keine Lebensversicherung auf dem Namen Kuchiwasu, aber ein Konto."

"Ein Konto?", fragte Sakura.

"Ja, der Betrag beläuft sich auf 28.000 Dollar."

Sakura fasste sich ans Herz. "28... Mr. Connor sagte, dass sei der Betrag meiner Lebensversicherung!"

"Tja, dieser Mr. Connor hält sich wohl für besonders schlau. Es gibt nämlich auch ein Schließfach, das auf ihren Namen gemietet ist."

"Ja? Bitte, darf ich es sehen?"

Sakura, Jennifer und Tales folgten dem Angestellten nach hinten zu den Schließfächern.

Das besagte Fach hatte einen Zahlencode.

"Sie müssen den Code knacken, wenn sie an das wollen, was im Fach ist.", sagte der Angestellte.

Sakura überlegte. "Würden sie es bitte mit 21 08 83 probieren? Ich habe ein komisches Gefühl, wenn ich an diese Zahl in Verbindung mit Codes denke."

"Sehr gerne."

Er tippte den Code ein und löste einen Computergesteuerten Öffnungsmechanismus aus. Die drei jubelten.

"Toll, Sakura! Woher hast du die Zahl?", fragte Jennifer.

Sakura wurde verlegen. "Naja... Es ist mein Geburtstag."

Im Schließfach lag ein einzelner Briefumschlag. Sakura öffnete ihn und fand darin einen Brief:
 

An Sakura Kuchiwasu, Tokio, 01.01.1984
 

Als Tochter des leitenden Managers, des Börsenunternehmers Kuno Kuchiwasu und seiner Angetrauten Anzurai Kuchiwasu, steht Ihnen nach dem Ableben ihrer Eltern eine Summe von 28.000 Dollar auf ihrem Privatkonto, so wie das Erbe Ihrer Eltern in Höhe von 3.450.000 Dollar zur Verfügung, sofern sie bereits laut Gesetz volljährig sind.

Sie werden gebeten, sich an das nächste Amt zu wenden und das Erbe persönlich anzuerkennen.
 

M.f.G.

M. Raisoke & H. Ichimae, Anwälte
 

Sakura traute ihren Augen nicht, als sie den Zettel las. Dann fiel sie Tales und Jennifer vor Glück und Freude in die Arme.

Noch am selben Tag fuhren sie zum Rathaus, um Sakura's Erbe anerkennen zu lassen.
 

Einige Wochen später feierte Sakura ihren 18. Geburtstag und konnte erstmals mit Hilfe des Geldes ihrer Freundin Jennifer zu einem Restaurant verhelfen.

Sakura spendete ebenfalls einen großen Teil ihres Erbes an verschiedene Kinderheime, um das Leben der Kinder dort zu erleichtern und ihnen Sachen wie Spielzeug und Lehrmittel zu kaufen.
 

Drei Jahre später heiratete sie Tales.



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