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Warum?

von

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Vergangenheit

Die Feder des Füllers gab leise, kratzende Geräusche von sich, als er das, was der Leiter der Tagung vorne erzählte mitschrieb. Wenn er ehrlich war, dann fand er das Entstehen der blauen Buchstaben auf dem weißen, unlinierten Papiers vor ihm interessanter als das Referat. Das hätte er auch selbst halten können. Regentropfen klatschten in einem regelmäßigen Rhythmus gegen das Fenster neben ihm und liefen dann, immer wieder neue Muster bildend nach unten.

Seufzend legte er den Stift bei Seite und lehnte sich zurück, Interesse heuchelnd. Vielen anderen hier im Saal schien es nicht anders zu gehen als ihm selbst. Aber es galt nun mal eben die Order von der Chefetage, das jeder der Wissenschaftler, egal wie qualifiziert zweimal im Jahr eine solche Fortbildung besuchen musste. Und da er es, wie jedes Jahr bis kurz vor dem Abgabetermin der Wunschseminare vergessen hatte, saß er jetzt in diesem hier - dem letzten, das frei gewesen war. Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, das es noch eine Ewigkeit dauerte bis zu Mittagspause. Entnervt griff er wieder nach dem Stift und fing an Muster auf den Rand des Zettels zu zeichnen, die schließlich zu Schaltkreisen eines Cyborggehirns wurden. Und genau darum ging es in diesem Seminar.

Und er, er der mehr Artikel darüber geschrieben hatte als jeder andere sonst, er saß hier und langweilte sich zu Tode. Seine Gedanken schweiften zu dem Projekt, an dem er gerade arbeitete ab. Wenn es wirklich gelingen würde, dann wäre das eine vollkommene Neuheit auf dem Markt. Herrscher sämtlicher Länder würden ihm seine Arbeiten aus den Händen reißen - und er würde reich werden.

Was schlussendlich mit seinen Cyborgs passierte war ihm egal. So egal, wie es jedem war, der in diesem Bereich arbeitete. Sie dachten schließlich nicht, fühlten nicht, wussten nicht einmal, was sie taten. Cyborgs wurden erschaffen um Befehle auszuführen - die meistens etwas mit töten zu tun hatten. Aber sie hatten ja auch kein Gewissen...

Drei Reihen vor ihm prallte etwas gegen das Fenster, das Glas zersplitterte, regnete auf die umhersitzenden Leute und das Splittern mischte sich mit gellenden Entsetztensschreien, die schnell zu Schmerzensschreien wurden. Eine dunkle, kleine Gestalt saß auf dem Fensterbrett, den abgetrennten Kopf eines Mannes in der Hand. Mit einer Faszination, die er nicht leugnen konnte starrte er einige Sekunden lang auf das groteske Bild, das sich ihm bot, bis sein Gehirn wieder anfing zu denken. Das war ein Cyborg... aber wer hatte ihn geschickt? Was tat er hier? Das war nur eine Sitzung von Wissenschaftlern, was...

Seine Gedanken wurden davon unterbrochen, das der Cyborg sich mit einer eleganten Bewegung vom Fenster abstieß und in der Mitte des Saals landete. Schreiend versuchten die Männer und Frauen vor ihm zu fliehen, drängten zum Ausgang und besiegelten ihr Todesurteil damit noch schneller. Mit einer fließenden, geschmeidigen Bewegung drehte er, nein sie, wie er mit einem weiteren Blick feststellte sich in ihre Richtung, eine gleißende Kugel erschien in ihrer Hand und hüllte die Menschen ein. Geblendet schloss er die Augen und als er sie wieder öffnete hatten diese Leute nie existiert. Langsam rutschte er unter seinen Tisch, als ob dieser ihm Schutz bot, konnte sich aber dem Geschehen nicht entziehen. Der Gedanken, das er ebenfalls zu ihren Opfern zählen würde, kam ihm nicht in den Sinn. Einer der Männer griff den Cyborg verzweifelt mit einem Stuhl an, der an der gepanzerten Armschiene zerbrach. Genauso schnell zerbrach sein Genick, als sie ihre Hände um seinen Hals legte und seine Leiche dann achtlos auf den Boden fallen ließ. Getrocknetes Blut war auf ihrem Gesicht und ihrem Körper, als sie sich nach ihm umdrehte. Er war der letzte, der noch lebte. Wenige Schritte vor ihm blieb sie stehen. Fast ehrfürchtig blickte er nach oben und erstarrte. Tränen glitzerten in ihren Augen, liefen über ihr Gesicht und wurden zu einer dreckigen Masse, als sie auf das Blut trafen, sich damit vermischten und als dreckig braune Tropfen auf ihre Kleidung kamen.

"Warum?" Sie hatte eine sanfte, helle Stimme. "WARUM?" Das Wort prallte gegen die Wände und hallte in dem Raum wieder. Er starrte sie weiter an, nahm ihre Bewegung wahr und dann war da nur noch stechender Schmerz, überall Schmerz, er schmeckte sein eigenes Blut, spürte wie er auf dem Betonboden aufkam und dann noch einmal ein leises Hauchen an seinem rechten Ohr. "Warum...?"
 

Ende Vergangenheit

Gegenwart

Mit spitzen Fingern tastete er über die verunstaltete Hälfte seines Gesichts, das sich in der glänzenden Metallfläche vor ihm spiegelte. Er wusste das die andere Mitglieder des Teams über ihn tuschelten, kannte die erschreckten, geschockten, neugierigen Blicke mit denen andere Menschen sein Gesicht streiften und ihm das Gefühl gaben, ein Monster, etwas unnatürliches zu sein. Die drei langen, weißen Narben, die sich von der Augenbraue bis zum Kinn zogen waren ständig gerötet und dort wo eigentlich ein Auge hätte sein sollen, war nur noch eine schwarze Höhle. Er mochte die Augenklappe nicht und das künstliche Auge, das er sich gebaut hatte war ihm ebenfalls zuwider. Wenn er jetzt schon künstliche Gerätschaften in seinem Körper hatte, wie lange dauerte es dann noch, bis er ebenfalls zu einem Cyborg werden würde? "Äh Doktor?" Eine Frauenstimme riss ihn zurück in die Gegenwart. "Ja?" Er drehte sich zu ihr um, strich sich die Haare aus dem Gesicht und sah sie fragend an. Ihr Blick striff erschrocken seine linke Gesichtshälfte, wie er mit grimmiger Befriedigung feststellte, bevor sie sich wieder fing und ihm eine Akte entgegen streckte. "Ich soll ihnen das geben - der Chef schickt mich." "Was will der Alte den jetzt schon wieder?", wollte er wissen, nahm die Akte entgegen, öffnete sie aber nicht. "Bitte was?", fragte die junge Frau verwirrt und er grinste leicht. "Ich möchte wissen, was der Chef von mir will." "Ach... ach so, nun, das weiß ich nicht. Er sagt es sei streng vertraulich, was in der Akte steht und nur sie sollen sie öffnen und lesen. Oh, und er erwartet sie in drei Stunden vor dem Labortrakt 6 c." "Richten sie ihm aus, das ich da sein werde...", murmelte er und drehte ihr dann, ohne auf ihre Antwort zu achten den Rücken zu und verließ den Raum. Seit dem 'Unfall' damals arbeitete er hier. Eigentlich hatte er mit Cyborgs nicht mehr zu tun haben wollen, aber was sollte er sonst machen?

Offiziell war es ja ein Bombenattentat auf die führenden Köpfe in der Entwicklung von Kriegswerkzeugen... wer wollte schon zugeben, was wirklich passiert war? Das wäre viel zu gefährlich gewesen... würde zum Verlust von Arbeitsplätzen führen, zu Aufständen und das wollte doch keiner. Schließlich gab es ja nur einen Überlebenden und der gab sich mit einer hohen Abfindung und einem guten Posten zufrieden. Offiziell... aber keiner wusste, wie es wirklich in ihm aussah... keiner wusste, das er nachts schreiend aufwachte, weil sein Gesicht schmerzte, weil er den Cyborg vor sich sah, mit diesen großen, traurigen Augen und dass das 'Warum' immer noch in seinem Kopf widerhallte...

Seine Schritte klangen dumpf, als er auf dem weißen Kunststoffboden, mit dem der ganze Gebäudekomplex ausgestattet war, in Richtung des Labortraktes ging. Er hatte keine Ahnung, was ihr erwartete, aber er konnte es sich ungefähr denken. Sicher war wieder irgendein Cyborg kaputt gegangen, das Rückenmark war nicht richtig mit dem Gehirn verbunden oder die Bewegungen ging nicht flüssig genug. Oder irgendeiner hatte einen eigenen Willen entwickelt. Es wäre nicht das erste Mal, das so etwas passierte, aber ein paar kleine Verdrahtungen lösten solche Probleme schneller als man dachte. Aus diesem Grund hatte er sich die Akte auch nicht angesehen.

"Oh Doktor, da sind sie ja endlich, wir warten schon auf sie." Mit einem freundlichen Lächeln, das so echt war wie ein Kunstrasen begrüßte ihn sein Chef.

"Entschuldigen sie meine Verspätung, ich hatte noch etwas zu erledigen.", antwortete er. Gleicher Lächeln, gleicher Tonfall... "Nun, dann wollen wir keine Zeit mehr verschwenden. Da sie die Akte ja gelesen haben, wissen sie ja um was es geht... ich will das sie diesen Fall mit größer Diskretion behandeln, Doktor." "Natürlich." Gott, das klang ja als ginge es um sein Leben. Nun vielleicht wohl eher um seine Position. Ein kleines Lächeln schlich sich auf sein Gesicht. Er konnte den Chef nicht leiden. Genauso wie er den Rest des Teams nicht leiden konnte. "Folgen sie mir Doktor." Die große Flügeltür öffnete sich und die beiden Männer traten ein. Steriles Weiß umgab sie, jemand reichte ihm einen weißen Kittel, in den er kommentarlos schlüpfte und seinem Chef dann weiter folgte. "Das hier ist sie." Eine weitere Tür öffnete sich und sie beide standen vor einem gläsernen Kokon, in dem ein Mädchen mit geschlossenen Augen stand, die Arme über der Brust verschränkt, tausende von Kabeln in dem künstlichen Körper und am Kopf. Er spürte, wie sein Blut zu rauschen begann und suchte nach Halt. Die Stimmen um ihn herum drangen nicht mehr zu ihm durch.

Mit einem Mal stieß eines der Geräte einen markerschütternden Pfeifton aus, das Mädchen riss die Augen auf. Diese großen, traurigen Augen. Ihr Mund bewegte sich und obwohl kein Ton zu ihm gelangte wusste er, was sie sagte. 'Warum?' Sein Blick hing wie hypnotisiert an ihr, Schreie gellten um ihn herum auf, jemand drückte einen Knopf und sie schloss die Augen wieder, das Gerät verstummte. "Sehen sie jetzt Doktor? Doktor, ist ihnen nicht gut?" Sein Chef sah ihn mit echtem Besorgnis an. "Nein, nein, es geht schon...", murmelte er. "Ich bin mir sicher, das sie dieses Problem in den Griff bekommen. Delta 78 ist bei ihnen sicher in guten Händen..."
 

Ende Gegenwart



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Kommentare zu dieser Fanfic (5)

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Von:  DracaTec
2004-10-24T20:19:07+00:00 24.10.2004 22:19
ich finds auch klasse. guter schreibstil und ist auch voll genial den Figuren keine Namen zu geben macht das ganze irgendwie wesentlich interessanter (ja, mir is nix besseres eingefallen...gomen-ne)Also, wie gesagt cool, schreib bald weidaaa!
gruß Draca-chan
Von: abgemeldet
2004-07-07T06:31:09+00:00 07.07.2004 08:31
Hallöchen!!
Der Anfang ist klasse!!!
Das mit der Feder...
Witklich toll, wie du alles beschrieben hast!! Es wirkt ungeheuer intensiv!!
Und der Schluß...Action! ^^
Jetzt bin ich wach! ^^
Das Ende gefällt mir auch sehr. Das "Warum"...ich liebe es, wenn man was zum Nachdenken hat!!!!
Bye

Pitri
Von:  Navaki
2004-04-10T20:50:16+00:00 10.04.2004 22:50
*lol* Du hast die Fanfiction jetzt wohl in >Warum< umbenannt? *gg* Sehr witzig, aber passt echt hervorragend! ^^

Die Geschichte ist einfach nur große Klasse! UND du musst sie umbedingt noch beenden!!!

*verneig*
Navaki
Von:  Kaora
2004-02-26T21:50:43+00:00 26.02.2004 22:50
Ich mag die Geschichte. Schön erzählt, langweilt nicht. Ist auch spannend.
Das macht mich neugierig. ^^
Ich freu mich auf mehr. :)

dat Kaora
Von: abgemeldet
2004-01-18T16:14:39+00:00 18.01.2004 17:14
Meins, meins meins meins meins meins meins.....*häm*
*räusper*
Ja ne, mein absoluter Favorit von Dir Süße, aber das weißt du ja, sonst würde ich mich da ja nicht ans Zeichnen setzen^^
Ich lieeeeeeeeebe es!!!


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