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Back to December

Eine Michi Kurzgeschichte
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr kleinen Weihnachtsmäuse :P

Ich hatte Lust eine kleine Kurzgeschichte zu unserem Lieblingspärchen zu schreiben :>
Der Song, der mich spontan dazu inspiriert hat:
Taylor Swift - Back To December
Ich hoffe, sie gefällt euch und versüßt euch ein wenig die Weihnachtszeit. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Wird ja mal Zeit die längst überfällige Geschichte zu beenden :D Komplett anzeigen

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1 Tag vor Weihnachten - Heute

Meine Beine zittern, als ich den Raum betrete.

Nicht, wegen der wunderschönen Weihnachtsdekoration, die das gesamte Wohnzimmer schmückt. Nicht wegen der vielen Gäste, die sich bereits angeregt unterhalten. Die meisten von ihnen scheinen in Begleitung zu sein und trinken bereits ihren ersten Glühpunsch. Und auch nicht wegen Kari, die aufgeregt neben mir steht und auf eine Reaktion von mir wartet.

„Gefällt es dir?“, erkundigt sie sich neugierig und sieht dabei so aus, als würde sie gleich wie ein kleines Kind auf und ab hüpfen. Sie strahlt übers ganze Gesicht.

Ich schenke ihr ein warmes Lächeln. „Natürlich. Du hast dich selbst übertroffen. Das wird eine ganz wundervolle Verlobungsfeier.“

Ja, ihr habt richtig gehört – Verlobungsfeier.

Kari und Takeru kamen auf die Idee, ihre Verlobungsfeier mit einer Weihnachtsfeier einen Tag vor Heilig Abend zu verbinden. Quasi zwei Fliegen mit einer Klappe. Das Problem daran ist nur: ich mag weder das eine, noch das andere.

„Danke, Mimi“, erwidert Kari stolz und lässt den Blick über den Raum schweifen als wäre es ein Kunstwerk. Überall hängen Lichterketten, die das Haus in warmes Licht tauchen, Mistelzweige, Zuckerstangen und Kunstschnee, wo man nur hinsieht. Der Geruch von Zimt und Nelken hängt in der Luft. Ein wunderschön geschmückter Weihnachtsbaum rundet das weihnachtliche Ambiente ab. Man kann sagen: es ist perfekt!

Nur nicht für mich, denn ich bin schon seit Tagen aufgeregt wegen dieser Feier.

„Du siehst genauso nervös aus wie ich“, stellt Kari mit einem einzigen Blick auf mich fest und legt dabei die Hand auf ihren kugelrunden Bauch. Ich glaube, in 2 Monaten ist es bei den beiden soweit und ihr erstes gemeinsames Kind erblickt das Licht der Welt. Unfassbar wie schnell die Zeit vergeht.

„Ist das so offensichtlich?“, entgegne ich mit einem unsicheren Lächeln.

„Das ist völlig verständlich, Mimi“, versucht Kari mich zu beruhigen und legt einen mitfühlenden Blick auf. „Ihr habt euch schließlich seit 6 Jahren nicht gesehen.“

„7, um genau zu sein“, korrigiere ich sie, während ich mich Frage, wie ich dieses Aufeinandertreffen überstehen soll.

Die letzten Jahre habe ich es erfolgreich geschafft, mich bei solchen Veranstaltungen zu drücken, hatte Ausreden parat oder habe den Job davor geschoben – nur um nicht auf Tai, meinen Ex-Freund zu treffen.

Aber diesmal kam ich nicht umhin, die Einladung anzunehmen. Kari und Takeru werden schließlich heiraten und sie erwarten ein Kind. Ich hätte es nicht übers Herz gebracht, diese Einladung auszuschlagen, auch wenn das bedeutet, dass ich Tai heute das erste Mal seit 7 Jahren wieder sehe. Ich habe tatsächlich keine Ahnung, was er heute macht oder wie es ihm geht oder ob er in Begleitung kommt. Aber ich habe darauf vertraut, dass Kari genug Gäste eingeladen hat, damit ich ihm erfolgreich aus dem Weg gehen kann. Und so wie es aussieht, stehen meine Chancen nicht schlecht.

„Keine Sorge“, merkt Kari an, als sie meinen Blick sieht, der abwesend durch den Raum schweift, auf der Suche nach einer ganz bestimmten Person. „Er ist noch nicht da, er verspätet sich etwas – typisch mein Bruder eben.“

Ich grinse unsicher und nicke, obwohl es die Sache nicht besser macht. Kari schenkt mir noch ein zuversichtliches Lächeln, bevor sie von ihrem Verlobten zurück zu den Partygästen gezogen wird, die ihren Ring bewundern wollen.

Ich atme tief durch und gehe anschließend direkt zu dem festlich gedeckten Buffettisch, um mir ein großes Glas Punsch einzuschenken. Der heiße Alkohol wird hoffentlich meine Nervosität wegzaubern.

In der folgenden Stunde unterhalte ich mich mit verschiedenen Leuten, um mich abzulenken und sogar Sora ist da, die ich ebenfalls lange nicht gesehen habe. Also gehe ich zu ihr und frage, wie es ihr so geht und was sie so macht. Wir versinken schnell in eine angeregte Unterhaltung und ich bin froh, dass ich hier jemanden gefunden habe, mit dem ich mich so gut verstehe.

Unser Gespräch wird jedoch unterbrochen, als ich Kari aufgeregt „Da bist du ja endlich!“ durch den Raum rufen höre. Meine Augen wandern automatisch zu ihr, als sie auch schon nach vorne zur Tür eilt, um ihren großen Bruder zu begrüßen, der gerade hereingekommen ist.

Ich ziehe die Luft ein und halte den Atem an, als meine Augen auf ihm haften bleiben.

Er sieht umwerfend aus!

Noch viel besser als ich ihn in Erinnerung habe. Vielleicht liegt es nur an dem schicken Anzug, den er trägt oder den perfekt sitzenden Haaren. Oder diesem Lächeln. Warm und herzlich, wie immer.

Kari umarmt ihren Bruder zur Begrüßung, der gleich darauf zur Seite tritt, um einer jungen Frau Platz zu machen, die Kari ebenfalls umarmt.

Mein Herz setzt einen Schlag aus.

Scheiße!

Natürlich ist er in Begleitung gekommen. Was auch sonst?

Verdammt! Wieso habe ich nicht irgendjemanden von der Arbeit gefragt? Jetzt stehe ich wie die letzte Idiotin hier, während er seine … wunderschöne Freundin mitgebracht hat.

Sie ist wirklich hübsch. Lange, blonde Haare, groß und schlank und ein makelloses Gesicht. Scheiße, sie sieht aus wie ein verdammtes Model. Wo hat er die denn her?

Zweifelnd sehe ich an mir herab. Ich habe mich zwar auch in Schale geworfen, mit meinem weinroten Kleid und den schicken Stiefeln, aber ich bin lange nicht so attraktiv groß und die vielen Lebkuchen in letzter Zeit haben ebenso ihre Spuren hinterlassen. Nein, mit ihr kann ich definitiv nicht mithalten.

Mithalten?

Spinnst du, Mimi?

Seit wann ist das hier ein Wettbewerb und seit wann musst du Tai beeindrucken?

Hab gefälligst ein bisschen mehr Würde!

Trotzdem kann ich nicht aufhören, die beiden anzustarren. Schon gar nicht, als Tai eine Hand an ihre Taille legt und sie zu den anderen Gästen geleitet.

„Oh man“, weckt Sora mich aus meiner Trance, die die beiden ebenfalls beobachtet hat. „Er kann es nicht lassen.“

Verwundert sehe ich sie an. „Was meinst du?“

„Ach, nichts“, erwidert Sora schnell, als ihr Freund Yamato auch schon auf uns zukommt und sie von mir weg zieht.

„Komm, Tai ist da. Lass uns die beiden begrüßen.“

Die beiden. Würg.

Notgedrungen folgt Sora ihrem Freund und lässt mich allein zurück.

Suchend sehe ich mich im Raum um.

Sehr schön. Und unter welcher Treppe kann ich mich jetzt verkriechen?

Kurzerhand stelle ich mein Glas ab, was ich vorher noch in einem Zug leer getrunken habe und gehe dann zu Kari, die zum Glück gerade weit weg von ihrem Bruder steht.

„Ich gehe mich kurz frisch machen“ sage ich zu ihr. „Kann ich das Bad oben benutzen?“

Kari grinst unsicher und hat mich natürlich sofort durchschaut. „Klar. Oben den Flur entlang, die letzte Tür auf der rechten Seite. Aber das weißt du ja vermutlich noch.“

Ich nicke und verschwinde aus ihrem Blickfeld. Tai und seine Freundin sind zum Glück so abgelenkt, dass sie mich noch nicht bemerkt haben. Umso besser. Oben angekommen steuere ich sofort das Badezimmer an und schließe die Tür hinter mir ab. Ich stütze mich am Waschbecken ab und nehme einige tiefe Atemzüge, bevor ich mir kaltes Wasser über die Hände laufen lasse und ein paar Tropfen davon auf meiner Stirn verteile.

Warum bin ich so nervös?

Ich wusste doch von vorn herein, dass ich heute Abend auf Tai treffen würde. Ich hatte sogar Zeit mich mental darauf vorzubereiten. Ich hatte Zeit, mich so richtig in Schale zu schmeißen, denn mal ehrlich: es gibt doch nichts Schlimmeres, als seiner verflossenen Liebe völlig unerwartet zu begegnen und total unsexy auszusehen.

Und trotzdem konnte es mich nicht darauf vorbereiten, was mich WIRKLICH hier erwartet.

Seufzend stoße ich die Luft aus, nachdem ich das Wasser abgedreht habe und mich mitleidig im Spiegel betrachte.

Das ist Folter.

Keine Ahnung, wie ich einen ganzen Abend in Tai’s Anwesenheit überstehen soll. Unsere Trennung ist 7 Jahre her und trotzdem löst er noch immer was in mir aus.

Das ist voll ätzend.

Wieso kann ich nicht cool und unbeeindruckt sein? Ich bin sicher, er wird es sein – smart wie immer. Vermutlich wird er mich anlächeln, mich höflich fragen, wie es mir geht und mir dann seine zauberhafte Freundin vorstellen.

Ich kotze.

„Reiß dich zusammen, Mimi“, schreie ich mein Spiegelbild an, weil ich nicht fassen kann, dass ich so kindische Gedanken habe. Ich bin schließlich 28 Jahre alt. Ich sollte mich wie die Erwachsene verhalten, die ich bin und erhobenen Hauptes zurück zu der Party gehen.

Entschlossen öffne ich die Tür, nachdem ich noch mal mein Kleid gerichtet habe und trete raus auf den Flur.

Was ich nicht erwartet habe, ist, dass ich direkt in Tai’s braune Augen schaue, als ich den Kopf hebe.

Er steht vor mir im Flur, die Hände in den Hosentaschen seiner schicken Anzughose vergraben und mustert mich eingehend.

Und mit einem Schlag sind alle meine guten Vorsätze über Bord geworfen.

„Hallo Mimi“, sagt er, während mein Herz einen Schlag aussetzt, nur um dann umso schneller weiter zu schlagen.

Der Satz: zur falschen Zeit, am falschen Ort bekommt gerade eine ganz neue Bedeutung …

1 Tag vor Weihnachten - vor 13 Jahren

Irgendwie seltsam, wenn man in seinem eigenen Land niemanden kennt.

Ich war gerade erst wieder mit meiner Familie nach Japan gezogen und kam mir daher noch ein wenig fremd vor. Alles war vertraut und doch irgendwie anders als ich es in Erinnerung hatte.

Damals war ich noch sehr klein, als ich mit meinen Eltern nach New York zog. Jetzt waren wir wieder hier und ich musste mich erst wieder an das Leben in Tokyo gewöhnen.

Zum Glück kam ich auf eine Schule, ganz in der Nähe meiner alten Wohngegend. Ich hoffte darauf, vielleicht ein paar bekannte Gesichter wiederzusehen.

Ich wurde nicht enttäuscht. Sora war die Erste, die ich in der Schule wieder erkannte – eine alte Freundin aus dem Kindergarten. Sie nahm sich meiner an und sagte, sie würde mir nach der Schule die Stadt zeigen. Mir quasi ein wenig unter die Arme greifen und mich einigen ihrer Freunde vorstellen.

Ich hatte nichts dagegen.

Es fiel mir nie schwer, Kontakte zu knüpfen oder Anschluss zu finden, dafür war ich zu redselig. Aber manchmal verunsicherten mich die Blicke der anderen, wenn sie immer noch einen leichten amerikanischen Akzent bei mir raushörten oder sie mitbekamen, dass ich in einigen Fächern schon weiter war als sie, obwohl ich mitten im Jahr, im Dezember, auf ihre Schule gewechselt war.

Man konnte hier schnell abgestempelt werden. Das wollte ich auf keinen Fall.

„Fühlst du dich wohl in Tokyo?“, fragte mich Sora, nachdem wir uns einen heißen Kakao für unterwegs geholt hatten und nun die Gegend erkundeten.

Völlig überfragt zuckte ich mit den Schultern. „Weiß nicht. Es ist anders.“

„Das kann ich mir vorstellen“, gab sie lachend zurück, während ich an meinem Getränk nippte und meine Finger daran wärmte.

„Das wird schon. Du musst dich nur erst mal ein wenig einleben“, versuchte sie mich aufzumuntern und ich schenkte ihr dafür ein zuversichtliches Lächeln.

Sie hatte recht. Ich war bei weitem kein Kind der Traurigkeit und damals in New York hatte ich mich auch schnell zurechtgefunden.

„Morgen ist schon Heilig Abend“, stellte Sora etwas nüchtern fest, ehe sie aufseufzte. „Und ich habe immer noch kein Geschenk für meinen Freund Yamato. Echt peinlich, einen Tag vor Weihnachten.“

„Hmm“, machte ich, als wir an einem öffentlichen Sportplatz vorbei gingen. Ich hatte zwar das Problem nicht, dass ich jemanden etwas schenken musste, denn ich kannte ja sonst hier keinen, aber ich wollte ihr trotzdem gerne helfen.

Plötzlich flog ein Fußball zu uns rüber und landete direkt vor meinen Füßen im Schnee.

Stutzig blieb ich stehen und bückte mich danach, um ihn aufzuheben.

„Wie wär’s damit?“, fragte ich und hielt Sora den Ball mit ausgestreckten Armen entgegen.

Diese kicherte. „Aber Mimi, der gehört uns doch gar nicht.“

Ich zuckte mit den Schultern. „Sei nicht so wählerisch, du hast schließlich keine Zeit mehr, um sämtliche Geschäfte abzusuchen.“

Wieder musste Sora auflachen. „Aber Yamato steht überhaupt nicht auf Fußball.“

„So?“ Fragend beäugte ich den Ball in meinen Händen, während auch schon ein Junge auf uns zugerannt kam.

„Hey, sorry, das ist meiner!“

Er blieb vor uns stehen und raufte sich die Haare. Aus seinem Mund kam weißer Rauch und er schien zu schwitzen, obwohl er nur eine Jogginghose und einen Sweater trug – und das bei den Temperaturen.

„Tut mir leid, ich wollte euch nicht erschrecken“, entschuldigte er sich und legte dabei ein ultra süßes Grinsen auf.

Ich zog eine Augenbraue in die Luft. „Hast du nicht.“

Ich reichte ihm den Ball und musterte ihn eingehend. Dafür, dass es Winter war, war seine Haut dennoch leicht gebräunt, aber vielleicht war das einfach sein Teint. Egal. Es stand ihm unglaublich gut. Genauso wie dieses verschmitzte Grinsen auf seinen Lippen.

„Du trainierst draußen? Mitten im Winter?“, fragte Sora den Typen und so, wie sie ihn ansprach, schien sie ihn gut zu kennen.

Der Kerl zuckte mit den Schultern. „Ich will eben in Form bleiben.“

„Du hättest in die Turnhalle gehen können“, meinte Sora, doch er schüttelte nur den Kopf.

„An der frischen Luft kann ich mich besser konzentrieren.“

Plötzlich glitt sein Blick zu mir und blieb an mir hängen.

„Wer ist das, Sora?“

Neugierde schwang in seiner Stimme mit.

Ich schürzte die Lippen. „Es ist ziemlich unhöflich über jemanden zu sprechen, als wäre er nicht anwesend.“

„Achso?“, erwiderte er mit einem noch frecheren Grinsen.

„Ja!“, entgegnete ich entschieden und verschränkte die Arme vor der Brust. „Du hättest mich auch persönlich fragen können, wer ich bin.“

Ein tiefes Lachen drang aus seiner Kehle. Dann klemmte er sich den Ball unter den Arm und sah mich amüsiert an.

„Na, schön. Wer bist du? Ich habe dich hier noch nie gesehen.“

„Ich heiße Mimi“, antwortete ich mit gestrafften Schultern.

„Mimi …“, wiederholte er langsam, als müsse er sich meinen Namen erst einmal auf der Zunge zergehen lassen. „Ein schöner Name.“

Ich hatte keine Ahnung, was ich darauf erwidern sollte, stattdessen lief ich rot an. Gut, dass man meine roten Wangen auch der Kälte zuschreiben konnte, daher schaffte ich es auch, ihm weiter in die Augen zu sehen, doch dann seufzte er plötzlich auf und warf einen Blick auf seine Armbanduhr.

„Ich muss jetzt weiter“, verkündete er. „War nett, euch zu sehen.“

Dann wandte er sich auch schon von uns ab und wollte davon laufen.

Was denn? So schnell? Wie unhöflich.

Meine Augenbrauen zogen sich wütend zusammen und ehe ich darüber nachdachte, bückte ich mich und formte mit den Händen einen harten Schneeball – dem ich ihm dann auch gleich an den Hinterkopf warf.

„Hey, Idiot!“

Er blieb abrupt stehen, während Sora neben mir zusammen zuckte.

„Und wie heißt du?“, wollte ich wissen, als er sich zu mir umdrehte. Klar hätte ich auch Sora fragen können, aber das hätte ich als ebenso unhöflich erachtet.

Erst wirkte er ein wenig schockiert, weil ich ihn einfach mit einem Schneeball abgeworfen hatte, doch dann grinste er.

„Taichi Yagami. Aber meine Freunde nennen mich Tai.“

Dann, als hätte er es super eilig, drehte er sich erneut um und lief davon.

Taichi Yagami also.

„Er ist der Kapitän unserer Schulfußballmannschaft“, ergänzte Sora, während ich ihm immer noch hinterher sah. „Aber du hättest ihn nicht gleich so abschießen müssen.“

Sie kicherte, als auch wir endlich weiter gingen.

Tai Yagami … ich hatte das Gefühl, dass wir uns noch öfters über den Weg laufen würden.

1 Tag vor Weihnachten - Heute

„Was machst du hier?“, hallt meine ungläubige Stimme durch den sonst menschenleeren Flur.

Oh Gott, Mimi. Das ist ja wohl die dümmste Frage der Welt.

„Ich …“, antwortet Tai sichtlich verwirrt über diese komische Frage. „Ich bin hochgekommen, um mir das zukünftige Kinderzimmer anzusehen. Ich habe ein wenig bei der Renovierung mitgeholfen.“

„Aha …“

Klar, vielleicht hat er ja bereits Erfahrung bei so was. Oh man, daran habe ich ja noch gar nicht gedacht. Vielleicht hat Tai schon Kinder … wunderschöne, kleine Model-Kinder, die aussehen wie eine perfekte Mischung aus ihm und ihr und natürlich hat sie dabei nicht ihre Figur ruiniert und sieht immer noch bombastisch aus.

Mal wieder schüttle ich den Kopf über meine Gedanken. Geht’s noch, Mimi?

„Gefällt dir die Party?“, fragt Tai und innerlich runzle ich die Stirn. Versucht er Smalltalk zu halten?

Ich nicke schwach. „Ja, Kari hat sich selbst übertroffen. Es ist alles wunderschön geworden.“

Tai nickt zustimmend und nun breitet sich Schweigen zwischen uns aus. Aber er geht auch nicht. Genauso wie ich. Wir könnten einfach diese unangenehme Stille durchbrechen, indem wir beide wieder zurück zur Party gehen, nur wir tun es nicht. Stattdessen stehen wir da und sehen uns eine gefühlte Ewigkeit einfach nur an, als würden wir uns heute das erste Mal begegnen. Ich sehe genau, wie Tai mein Gesicht studiert, ich weiß nur nicht, was er darin glaubt finden zu können.

„Ähm, und?“, beginne ich mit kratziger Stimme, weil es mich in Verlegenheit bringt wie er mich ansieht. „Wie geht es dir?“

Tai räuspert sich und wendet endlich den Blick von mir ab, als wäre er gerade aus einem Tagtraum erwacht.

„Mir geht es gut. Sehr gut, um genau zu sein“, antwortet er freundlich, aber distanziert.

„Was macht die Arbeit? Bist du immer noch in dieser Firma für Sportmode angestellt?“

„Ja, ich arbeite immer noch dort“, antwortet Tai. „Es läuft ziemlich gut für mich. Ich bin inzwischen zum CEO gewählt worden und ab nächsten Monat expandieren wir sogar ins Ausland.“ Tai’s Gesicht beginnt zu strahlen und ich finde es wunderbar zu sehen, dass er immer noch so für diesen Job brennt. Als wir uns damals getrennt haben, hat er gerade angefangen dort zu arbeiten und war mit vollem Eifer dabei.

Das habe ich schon immer an ihm bewundert. Wenn er sich für eine Sache begeistert, dann hört er nicht eher auf, ehe er nicht das Beste aus sich rausgeholt hat.

Daher komme ich auch nicht umhin, ihm ein ehrliches Lächeln zu schenken.

„Wow, das ist fantastisch, Tai. Das freut mich wirklich für dich.“

„Danke Mimi.“ Tai erwidert mein Lächeln und dann ist da wieder dieser Blick, der an mir hängen bleibt und mich nervös werden lässt. „Bist du in Begleitung gekommen?“

Innerlich zucke ich zusammen. Warum will er das jetzt wissen? Ich schüttele den Kopf und streiche mir verlegen eine Haarsträhne hinters Ohr.

„Nein, ähm … meine Begleitung hat kurzfristig abgesagt, also … bin ich alleine hier.“

„Verstehe.“

Warum lüge ich?

Ist es so schwer für mich, in seinem Schatten zu stehen?

„Gut, ich werde dann mal wieder nach unten gehen. Sora wartet sicher schon auf mich. Sie wollte mir unbedingt noch was erzählen“, sage ich, weil ich unbedingt aus dieser Situation raus muss, bevor mein Herz noch schneller schlägt als es eh schon tut.

Ich gehe an Tai vorbei und kann für den Bruchteil einer Sekunde seinen Duft einatmen – er ist betörend. Gerade, als ich die Treppe nach unten steigen will, höre ich noch mal seine Stimme hinter mir.

„Mimi?“

Langsam drehe ich mich zu ihm um. „Ja?“

Tai wirkt plötzlich irgendwie verlegen und zieht schüchtern wie ein kleiner Junge die Schultern hoch.

„Es ist schön, dass du gekommen bist.“

Oh, man.

Das war’s.

Das Herz springt mir beinahe aus der Brust, als er das sagt und dabei so verdammt ehrlich klingt.

Warum nur muss er so zauberhaft sein? Ich habe ihn 7 Jahre lang gemieden und dann begegnen wir uns wieder und er ist … einfach nur nett.

Mir wäre es lieber, er würde mich ignorieren. Aber das tut er nicht. Stattdessen sieht er mich an, als würde er nicht wollen, dass ich schon gehe.

Trotzdem tue ich es. Ich nicke ihm zu, drehe mich um und verschwinde auf wackligen Beinen zurück nach unten.

Leider wartet Sora unten natürlich nicht auf mich, denn das war eine Notlüge.

Ich schnappe mir den nächsten Punsch und muss an mich halten, nicht gleich das ganze Glas auszutrinken.

Warum fällt es mir nur so furchtbar schwer, in seiner Nähe zu sein?

Ich bin gerade dabei, mich wieder unter die Partygäste zu mischen, als ich sehe, wie Tai nun ebenfalls die Treppen nach unten kommt. Kari empfängt ihn freudestrahlend und sie plaudern ein wenig, während sich seine Model-Begleitung zu ihnen gesellt, sich neben Tai auf die Zehenspitzen stellt und ihm lächelnd einen Kuss auf die Wange drückt. Tai grinst, greift um ihre Taille und zieht sie enger an sich.

Ich schlucke den bitteren Geschmack von Eifersucht hinunter und wende mich schnell ab.

Ich will mich nicht so fühlen, wie ich mich gerade fühle. Und vor allem will ich nicht eifersüchtig sein …

1 Tag vor Weihnachten - vor 12 Jahren

Weihnachtsgeschenke auf den letzten Drücker zu besorgen war wirklich eine saublöde Idee. Was für ein Stress!

Nun lebte ich schon seit einem Jahr wieder in Tokyo und mein Freundeskreis hatte sich erheblich erweitert. Ich weiß noch, wie ich letztes Jahr niemanden außer Sora kannte und sich das irgendwie befremdlich anfühlte. Aber inzwischen war ich dem Cheerleader Team der Schule beigetreten, beteiligte mich ehrenamtlich an außerschulischen Aktivitäten und hatte es geschafft, viele neue Freundschaften zu schließen – unter anderem mit Kari, die Tai’s jüngere Schwester war. Wir lernten uns bei einem seiner Fußballturniere kennen und trafen uns seitdem regelmäßig. Sie war etwas jünger, aber das störte mich nicht. Für ihr Alter war sie schon sehr reif. Ganz im Gegensatz zu Tai, ihrem großen Bruder.

Apropos Tai. Was würde er sich wohl zu Weihnachten wünschen?

Mit zweifelndem Blick stand ich vor einem riesigen Bücherregal, weil ich gerade für Sora ein Buch gekauft hatte. Aber Tai war sicher nicht der Typ für Bücher. Was mochte er eigentlich? So genau wusste ich das gar nicht. Der Kerl hatte ja nur Fußball und Mädchen im Kopf. Zumindest machte es so den Anschein, weil ihn die meisten Mädchen anschmachteten. Zumindest das wusste ich von ihm: Tai war beliebt, besonders bei der weiblichen Fraktion. Ich wusste noch genau, wie mir neulich eine Klassenkameradin einen Liebesbrief für ihn zugesteckt und mich gebeten hat, ihn ihm zu geben.

„So nahe stehen wir uns nicht“, hatte ich gesagt, aber sie lief nur rot an und ließ sich nicht beirren.

„Na ja, zumindest seid ihr beide im Sportclub und ich sehe euch oft miteinander reden.“

Ja, das stimmte schon. Aber das lag hauptsächlich daran, dass Tai mich ständig um ein Date bat. Allerdings konnte ich das bis jetzt nicht sonderlich ernst nehmen, weil viele Jungs an der Schule mit mir ausgehen wollten. Und Tai war viel zu sehr Macho, um sich nicht in die Schlange einzureihen und allen die Show zu stehlen. Die Trophäe für irgendeinen Typen zu spielen, darauf hatte ich keine Lust.

Wiederwillig hatte ich ihm dann den Brief überreicht, den er direkt vor meinen Augen ungelesen in den Mülleimer geschmissen hatte.

Das sagte doch schon alles darüber aus, wie er mit Mädchen umging.

Nein, nicht mit mir Taichi Yagami.

Allein bei dem Gedanken daran wurde ich so wütend, dass ich mich dazu entschied, ihm ein ganze anderes Geschenk zu besorgen: den hässlichsten Schal, den sie im Geschäft hatten.

Ein diabolisches Grinsen schlich sich auf meine Lippen, als mir die Verkäuferin die Tüte überreichte. Das hatte er verdient.

Als ich das Geschäft verließ und nun endlich alles beisammen hatte, lief ich geradewegs Sora in die Arme.

„Huch“, sagte ich, als ich abrupt vor ihr stehen blieb. „Was machst du denn hier?“

Sora wirkte sichtlich überrascht mich hier zu sehen, als wüsste sie nicht ganz genau, dass ich heute hier sein würde, um die letzten Geschenke zu besorgen. Denn ich hatte sie heute Morgen angerufen und gefragt, ob sie Lust hätte, mich zu begleiten. Umso mehr erstaunte es mich, sie hier zu sehen, denn sie hatte mir erzählt, sie wäre bereits mit Matt verabredet.

Doch nun tauchte jemand völlig anders an ihrer Seite auf.

Tai.

„Und, hast du was gefunden?“, fragte er sie, als er neben sie trat, bemerkte mich jedoch erst danach.

„Oh … Mimi.“

Wieso wirkt er mindestens genauso entsetzt wie sie?

„Ja, hi“, erwiderte ich und hob die Hand zum Gruß. „Ist Yamato auch bei euch?“

Suchend sah ich mich um, konnte ihn jedoch nirgendwo entdecken.

„Nein, äh … der hatte leider doch keine Zeit“, antwortete Sora unsicher.

Wieso kam mir das nicht ehrlich vor? Und wieso waren die beiden zusammen hier? Alleine?

Das kam mir komisch vor.

„Und was macht ihr dann hier?“, hakte ich nach.

„Wir, ähm … also, wir …“

Warum stammelte sich Sora hier einen ab?

„Ich hatte sie gebeten, mit mir ein Weihnachtsgeschenk auszusuchen“, antwortete Tai an ihrer Stelle. „Du weißt ja, ich bin nicht besonders gut in so was.“

Natürlich. Also ging sie lieber mit ihm shoppen als mit mir? Wer’s glaubt.

„Na, wenn das so ist, will ich euch nicht weiter aufhalten. Bis dann“, erwiderte ich nur und ließ die beiden stehen. Ich war ohnehin fertig hier.

„Aber Mimi …“, rief Sora mir noch hinterher, aber ich tat so, als hätte ich es nicht gehört.

Was ich nicht ignorieren konnte war Tai, der ebenfalls meinen Namen rief und eine Sekunde später neben mir auftauchte.

„Hey, warte doch mal.“

„Wieso?“, fragte ich und ging einfach weiter, ohne ihn auch nur anzusehen. Natürlich hatte er kein Problem damit, mit mir Schritt zu halten.

„Du bist sauer“, stellte er nüchtern fest, woraufhin ich auflachen musste.

„Wie kommst du denn darauf?“

„Ist nur so ein Gefühl.“

Nun blieb ich doch abrupt stehen, um ihn wütend anzufunkeln.

„Nein, gar nicht, Tai. Ich verstehe das schon. Sehr gut sogar.“

Tai sah mich zweifelnd an. „Was verstehst du?“

Ich stöhnte genervt auf. „Ich weiß genau, was hier abgeht, ok? Ich weiß, dass es zur Zeit etwas bei Sora und Yamato kriselt. Aber ich hätte nicht gedacht, dass du diese Chance gleich nutzt, um dich an sie ran zu machen. Und ich hätte auch nicht gedacht, dass sie sich auf dich einlässt.“

„Was?“, platzte es amüsiert aus Tai raus. „Aber so ist das doch gar nicht.“

„Ach, und warum lügt sie mich dann an und erzählt mir, sie wäre mit ihrem Freund verabredet, während sie sich dann doch heimlich mit dir trifft?“

„Wir haben uns nicht heimlich getroffen. Was denkst du bitte von uns?“

Ein Zischen kam mir über die Lippen. „Tja, anscheinend genau das. Ich bin echt enttäuscht von euch. Von euch beiden.“

Ich wollte weitergehen und ihn stehenlassen, doch er hielt mich am Handgelenk fest.

„Hey, lass mich los!“

„Okay“, sagte er beschwichtigend und hob die Hände. „Ich verstehe, wie das für dich aussehen muss. Aber so ist es nicht, das schwöre ich.“

Misstrauisch hörte ich ihm zu und verengte dabei die Augen zu Schlitzen, in der Hoffnung, irgendwie in seinen Kopf schauen zu können und rausfinden zu können, ob er log.

Aber soweit ich wusste hatte Tai mich noch nie angelogen. Das passte auch gar nicht zu ihm.

Seufzend fuhr ich mir durch’s Haar und gab mich geschlagen.

„Na, schön“, sagte ich widerwillig. „Aber was sollte das dann eben?“

Nun vergrub Tai die Hände in den Hosentaschen und sah beschämt zu Boden.

„Ich habe sie gebeten, mit mir zusammen ein Weihnachtsgeschenk für dich auszusuchen.“

Sprachlos öffnete ich den Mund.

Ein Geschenk?

Für mich?

„Jetzt schau doch nicht so“, gab Tai kleinlaut von sich. Anscheinend war ihm dieser Umstand äußerst peinlich.

„Wir kennen uns noch nicht so gut und ich weiß nicht, was du magst. Sora kennt dich viel besser, also habe ich sie um Hilfe gebeten.“

Ich stand immer noch da und sah völlig verdattert zu ihm auf. Mir fehlten die Worte.

„Jetzt sag doch etwas“, meinte er irgendwann verlegen, als ich immer noch nichts geantwortet hatte. So schüchtern kannte ich ihn sonst nicht.

„Du findest das sicher total lächerlich, oder?“

Ein Grinsen schlich sich auf meine Lippen.

„Nein, eigentlich finde ich es sogar ziemlich süß.“

Überrascht sah Tai mich an. „Ach ja?“

Ich nickte kichernd. „Ja! Vor allem, weil du sonst immer so tust, als könntest du alles und bei so einer Kleinigkeit brauchst du dann Hilfe von einem Mädchen. Das ist schon irgendwie süß.“

Tai stimmte in mein Lachen mit ein, als er merkte, dass ich es ihm nicht übel nahm.

„Wenn du mich so süß findest, wieso gehst du dann nicht mit mir aus?“

Lachend schüttelte ich den Kopf. Er konnte es einfach nicht lassen.

„Weil du es nicht ernst meinst.“

„Woher willst du wissen, dass ich es nicht ernst meine?“

Mein Lachen verstummte, als ich bemerkte, wie ernst er mich dabei ansah. Für ein paar Sekunden verloren sich unsere Blicke ineinander.

Es war das erste Mal, dass er kein freches, schiefes Grinsen auf den Lippen hatte, sondern mich einfach nur ansah. Genauso wie ich ihn.

Seine braunen, warmen Augen fixierten mich und das erste Mal begann mein Herz schneller zu schlagen.

Ich zuckte zusammen, weil ich vor diesem unbekannten Gefühl, dass sich gerade in meiner Brust ausbreitete erschrak. So hatte ich das noch nie empfunden.

„Ähm … ich habe auch ein Geschenk für dich“, unterbrach ich schließlich die Stille zwischen uns, aus Angst, er könnte irgendwie merken, was ich gerade empfinde. Dann hielt ich ihm die Tüte entgegen.

„Aber Weihnachten ist erst morgen“, meinte Tai daraufhin. Ich zuckte mit den Schultern.

„Ich will aber, dass du es jetzt schon bekommst.“

Tai lächelte und öffnete die Tüte. Als er den Schal rauszog, den ich ausgesucht hatte, erstarb sein Lächeln jedoch schnell.

„Wow“, sagte er ehrfürchtig. „Es war doch gut, dass ich Sora um Hilfe gebeten habe. Ich hatte ja wirklich keine Ahnung von deinem Geschmack.“

Ich musste laut drauf los lachen.

„Tut mir leid“, entgegnete ich. „Ich weiß, er ist super hässlich.“

Tai stimmte in mein Lachen mit ein und grinste dann, als er sich den Schal mit dem übertriebenen Weihnachtsmuster um den Hals warf.

„Da hast du recht, er ist hässlich. Aber ich werde ihn tragen. Jeden Tag, bis du endlich mit mir ausgehst.“

Lachend verdrehte ich die Augen.

„Dann hoffe ich, du stehst im Sommer aufs Schwitzen.“

„Oh, du unterschätzt mich, Mimi Tachikawa.“ Ein siegessicheres Grinsen huschte über sein Gesicht.

Ich nahm meine restlichen Einkaufstüten und verabschiedete mich von Tai.

„Ich muss jetzt nach Hause. Wir sehen uns.“

Tai winkte mir noch zu, als ich mich schon entfernt hatte und noch mal umdrehte. Er grinste über beide Ohren, was irgendwie süß aussah, vor allem mit diesem super albernen Schal um den Hals.

„Ich verspreche es, Mimi. Ich trage diesen Schal so lange, bis du mit mir auf ein Date gehst.“

Zuversichtlich zwinkerte ich ihm zu und glaubte im Traum nicht daran, dass er diese Ankündigung wahrmachen würde.

Doch er tat es.

Er trug diesen verdammt hässlichen Schal jeden Tag, sogar in der Schule und beim Sport.

Er wurde dafür ausgelacht, doch das war ihm egal. Er trug ihn weiterhin, Tag für Tag.

Im kommenden Frühling entschied ich mich dann, ihn von seinem Leid zu erlösen und ging mit ihm aus.

Das war der Anfang von etwas ganz Besonderem.

1 Tag vor Weihnachten - Heute

Es macht mich fertig, ihn mit dieser anderen Frau zu sehen.

Was total bescheuert ist. Denn vermutlich hatte er in den letzten 7 Jahren unserer Trennung schon mehr als genug Frauen an seiner Seite gehabt.

Tai war schon immer beliebt bei Frauen und hatte sicher keine Probleme damit, eine neue Freundin zu finden – wie man unschwer erkennen kann.

Ich gebe mir wirklich die größte Mühe, die beiden nicht die ganze Zeit zu beobachten, aber es fällt mir schwer.

Sie lachen zusammen, unterhalten sich mit den anderen Gästen und haben Spaß. Und ich stehe hier rum und wünsche mir einfach nur, der Boden würde sich auftun und mich verschlucken.

Ach verdammt!

Dabei wollte ich doch super sexy und selbstbewusst rüberkommen, wenn ich ihm schon wieder gegenübertreten muss.

„Hast du Hobbys?“

Die Stimme meines Gesprächspartners reißt mich aus meinen Gedanken.

Verdutzt wende ich mich ihm zu und damit endlich von Tai ab.

„Äh, was?“

Seit einer halben Stunde fragt mich dieser Kerl schon Löcher in den Bauch. Dabei habe ich schon längst vergessen, wer er ist. Ich glaube, irgendein Nachbar.

„Ob du Hobbys hast?“, wiederholt er zwar freundlich, aber auch leicht genervt, weil er selbst merkt, dass ich gar nicht bei der Sache bin.

„Puh, ähm …“, mache ich nur und trinke meinen Punsch aus. Dann halte ich ihm mein leeres Glas vor die Nase. „Das ist mein Hobby. Trinken und gutes Essen.“

Der Typ zieht eine Augenbraue in die Höhe und fragt sich vermutlich gerade selbst schon, ob ich ihn verarschen will.

„Aha, interessant“, sagt er zweifelnd und sieht mich an, als hätte ich nicht mehr alle Tassen im Schrank.

Innerlich verdrehe ich die Augen.

Kannst du nicht einfach gehen und mich in Ruhe lassen? Wobei ich über jede Ablenkung froh sein sollte, aber der Typ ist selbst mir zu viel.

Offenbar sieht er das anders und lässt sich ganz und gar nicht so einfach abschütteln, denn im nächsten Moment fragt er nur: „Willst du tanzen?“

Verzweifelt sacken meine Schultern nach vorne. Will er es nicht verstehen?

„Also eigentlich …“, beginne ich und suche in meinem Kopf noch nach der richtigen Ausrede, als mir jemand zuvorkommt.

„Eigentlich tanzt sie schon mit mir.“

Ich drehe mich um. Tai steht hinter mir. Er kommt näher und legt mir eine Hand an den Rücken. Er lächelt zwar, aber ich erkenne genau, dass er gerade etwas angespannt ist.

„Tut mir leid für dich. Vielleicht ein anderes mal“, entschuldigt sich Tai mit einem Schulterzucken und tritt enger an mich heran. Seine braunen Augen fixieren den Typen und lassen kein Gegenargument zu.

Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, er markiert gerade sein Revier. Was total absurd ist.

„O-okay. Man sieht sich, Mimi“, stammelt der Kerl neben mir und sucht dann auch schon das Weite.

„Wow, das ging schnell“, sage ich anerkennend. „Ich bin ihn einfach nicht losgeworden und dann tauchst du auf und er verschwindet.“

Tai lässt mich los und zuckt belanglos mit den Schultern.

„Er hat deine Signale offenbar nicht erkannt.“

„Ach, und du schon?“ Fragend sehe ich zu ihm auf.

„Natürlich“, grinst er. „Du siehst deinem Gegenüber immer in die Augen, wenn du dich für ihn interessierst. Und du lächelst normalerweise. Aber du hast keins von beidem gemacht. Du hast ihn nicht mal richtig angesehen.“

Moment mal. Das war sehr spezifisch. Heißt das, er hat mich die ganze Zeit beobachtet, ohne, dass ich es gemerkt habe?

„Möchtest du tanzen?“, fragt Tai mich nun völlig unverhofft, als ich nichts auf seine Schlussfolgerungen antworte.

„Wäre doch ziemlich unglaubwürdig, wenn wir jetzt nicht miteinander tanzen würden, oder?“

Erstaunt sehe ich ihn an und er bemerkt offenbar die Überraschung in meinem Blick. Kurz blitzt etwas in seinen Augen auf, was ich nicht richtig deuten kann, im nächsten Moment zieht er mich schon in die Mitte des Raumes.

Die Party ist zwar gut besucht, aber es tanzen trotzdem nicht viele der Gäste, weshalb wir fast alleine sind. Alle anderen reden, trinken und essen.

Ich weiß überhaupt nicht wie mir geschieht, da zieht Tai mich auch schon an sich, greift nach meiner Hand und legt die andere in meinen unteren Rücken.

Mein Herz stolpert einige Schläge lang und hat Probleme seinen Rhythmus wiederzufinden.

„Wird deine hübsche Begleitung nicht ziemlich eifersüchtig sein, wenn sie dich mit deiner Ex Freundin tanzen sieht?“, hake ich unsicher nach und sehe mich nach ihr um, kann sie jedoch nirgendwo entdecken. Aber ich will auf keinen Fall Karis und Takerus Feier sprengen, indem ich eine Beziehungskrise heraufbeschwöre.

„Sie weiß nicht, dass du meine Ex Freundin bist“, antwortet Tai völlig entspannt, doch ich verdrehe innerlich die Augen. Na, das schreit ja schon nach Drama.

„Was hast du die letzten Jahre so gemacht, Mimi?“

Diese Frage kommt irgendwie ziemlich plötzlich und bringt mich ins Wanken.

„Was ich gemacht habe?“, wiederhole ich, während wir uns langsam zur Musik bewegen und ich mich von Tai führen lasse.

„Ja, was du gemacht hast? Du hast nicht viel von dir hören lassen.“ Tai sieht mich interessiert an, doch ich wende schnell den Blick ab. Was ich gemacht habe? Was soll ich darauf antworten?

„Es gab auch keinen Grund, etwas von mir hören zu lassen. Ich war … ziemlich beschäftigt.“

„So beschäftigt, dass du nicht mal anrufen oder eine Karte zum Geburtstag schreiben konntest? Ich wusste nicht, dass wir als Feinde auseinandergegangen sind.“

Ich schlucke schwer, während sich meine Finger um seinen Arm verkrampfen.

„Es gab nichts zu erzählen, Tai.“

Meine Stimme klingt brüchig und ich glaube ihr selbst kein Wort. Natürlich, es hätte eine Menge zu erzählen gegeben. Aber ich wollte Tai nicht noch mehr antun, als ich ihm ohnehin schon angetan hatte. Deshalb beschloss ich, mich aus seinem Leben rauszuhalten. Wir waren zwar nicht als Feinde auseinandergegangen, da hatte er schon recht – aber ich hatte ihm wehgetan. Sehr wehgetan.

Und mit diesem Gedanken lebe ich seitdem.

„Hättest du denn gewollt, dass ich mich bei dir melde?“, frage ich.

Tai hebt den Kopf und sieht an mir vorbei, während wir uns weiter langsam im Kreis drehen und im Hintergrund romantische Weihnachtsmusik läuft.

„Manchmal schon, ja“, gibt er schließlich offen und ehrlich zu. „In wichtigen Momenten meines Lebens hätte ich dich gern dabeigehabt. Du hast mir gefehlt.“

Diese Worte versetzen meinem Herzen einen Stich.

„Das wusste ich nicht“, antworte ich mit brüchiger Stimme und staubtrockener Kehle.

„Doch, natürlich wusstest du es“, gab Tai zurück und ein gequältes Lächeln spiegelt sich auf seinem hübschen Gesicht ab. „Du kanntest mich schließlich besser als jeder andere Mensch.“

Tja, da war ich mir nicht so sicher.

Denn er hatte etwas unvorhersehbares getan und meine Welt damit komplett aus den Angeln gehoben. Hätte ich ihn wirklich so gut gekannt, wie er behauptet, hätte ich es kommen sehen.

„Da bin ich anderer Meinung. Wir kannten uns anscheinend gegenseitig nicht gut genug“, flüstere ich und beiße mir dabei schmerzvoll auf die Unterlippe. Ich hatte überhaupt nicht vor, die Vergangenheit heute Abend wieder aufleben zu lassen. Ich will überhaupt nicht darüber reden. Wieso fängt er ausgerechnet jetzt damit an? Hat er immer noch nicht damit abgeschlossen? Das kann nicht sein. Es ist so lange her …

„Es ist schade, dass du das so siehst“, sagt Tai leise und ich kann einen Hauch von Bitterkeit in seiner Stimme erkennen. Oder ist er gekränkt?

Ich schlucke den schweren Kloß in meinem Hals runter und versuche zu unterdrücken, was das hier mit mir macht.

„Warum konfrontierst du mich ausgerechnet heute damit, Tai?“

Kann er nicht sehen, wie weh mir das tut?

Vermutlich nicht.

Ich war diejenige, die unsere Beziehung von heute auf morgen beendet hat.

Wieso sollte er auch nur im Entferntesten denken, dass es mir leidtut? Dass ich vielleicht sogar so etwas wie Reue empfinde?

„Weil ich nicht weiß, wann ich dich das nächste Mal wiedersehen werde. Das letzte Mal hat es 7 Jahre gedauert.“

Es klingt mal vorwurfsvoll, so wie er es sagt, sondern einfach nur traurig.

Verdammt. Ich will nicht, dass er so fühlt. Ich will auch nicht, dass ich so fühle.

Das ist alles zu viel für mich.

Mitten im Lied löse ich mich aus seinem Griff und trete gleich mehrere Schritte zurück, um Abstand zwischen uns zu schaffen.

„Tut mir leid“, sage ich nur noch, ehe ich die Flucht ergreife, den Raum durchquere und die Treppen nach oben stürme, um allein zu sein.

1 Tag vor Weihnachten - vor 8 Jahren

„Bist du aufgeregt?“, fragte er, während ich auf seiner nackten Brust lag und er mit seinen Fingern sanfte Kreise über meinen Rücken zog.

Tai’s Stimme war das Einzige, was mich davon abhielt durchzudrehen.

„Was denkst du denn?“, entgegnete ich und stützte mich auf, um ihm in die Augen zu sehen. „Ich werde dich so vermissen.“

Er hob die Hand und strich mir eine lose Haarsträhne hinters Ohr. Sein sanftes Lächeln sollte mir Zuversicht spenden, doch ich wusste, dass es in ihm genauso aussah wie in mir.

Er war mindestens genauso aufgeregt wie ich.

„Ich dich auch“, säuselte er und hauchte einen Kuss auf meine Lippen. Seine Hand wanderte in mein Haar und zog mich verlangend zu sich. So als wollte er mich nicht gehen lassen.

Die letzten Stunden hatten wir nur zu zweit im Bett verbracht und uns mehr als nur ein Mal geliebt.

Ich wollte keine Abschiedsparty, keine Umarmungen, kein „Bis bald“. Ich wollte einfach nur bei ihm sein, denn viel Zeit blieb uns nicht mehr. In wenigen Stunden würde mein Flug nach Paris gehen – eine einmalige Chance, die ich mir nicht entgehen lassen konnte.

Ich würde Tokyo und somit auch meinen Freund für genau ein Jahr verlassen.

Mein Vater hatte immer noch genügend Kontakte im Ausland und somit kam ich zu der Gelegenheit ein Praktikum in der Mode Branche in Paris zu absolvieren.

Die Entscheidung fiel mir nicht leicht.

Tai und ich waren seit 4 Jahren ein Paar. Wir kannten uns in und auswendig und ich konnte mir nicht vorstellen, ohne ihn zu sein. Aber Tai wollte von Anfang an, dass ich diese Chance ergriff. Dass ich keine Rücksicht auf ihn nahm und mein Ziel verfolgte. Das war typisch Tai – er dachte immer zuerst an die anderen.

Ich war ihm so dankbar, dass er mich ohne schlechtes Gewissen gehen ließ. Trotzdem zerriss es mir das Herz.

Es war ein Tag vor Weihnachten und wir würden morgen Abend das erste Mal seit Jahren nicht zusammen sein.

„Ich kann immer noch einen Rückzieher machen“, schlug ich vor, als wir uns nach einer Ewigkeit voneinander lösten.

„Auf keinen Fall, du Dummchen“, lachte Tai und schnippte mir mit den Fingern gegen die Stirn. „Das würde ich nicht zulassen. Es ist nur ein Jahr, Mimi. Nur ein Jahr. Das schaffen wir.“

Tränen traten mir in die Augen. Warum war er nur so zauberhaft?

„Womit habe ich dich noch mal verdient?“

„Hmm, keine Ahnung“, meinte Tai spitzfindig und sein typisches, überhebliches Grinsen trat wieder auf seine Lippen. „Ich bin schon wirklich verdammt toll. Das Beste, was du je bekommen wirst. Es wird sich also für dich nicht lohnen, dir in Paris irgendeinen neuen Typen anzulachen.“

Lachend schlug ich mit der Hand gegen seinen Oberarm. „Ich würde sowieso niemanden finden, der so selbstsicher ist wie du.“

„Und so gut aussieht.“

„Und so frech ist.“

„Und so gut im Bett ist“, ergänzte Tai siegessicher, packte mich an der Hüfte und rollte uns im Bett herum, so dass ich nun unter ihm lag.

„Wir müssen zwar bald los, wenn du deinen Flieger nicht verpassen willst“, sagte er und sein Blick glitt anzüglich über mich. „Aber ein bisschen Zeit haben wir noch.“

Dann küsste er mich, wieder und wieder. Wir liebten uns ein letztes Mal, bevor wir uns schweren Herzens voneinander lösten. Es musste sein. Die Zeit des Abschieds war gekommen.
 

„Bitte ruf mich morgen an“, sagte Tai zum Abschied, während er mich im Arm hielt und hunderte von fremden Leuten an uns vorbei eilten, auf den Weg zu ihren Fliegern.

„Das mache ich, versprochen“, erwiderte ich und presste mich noch fester an ihn. Meine Arme umschlossen ihn und am liebsten hätte ich die Zeit angehalten, um ihn nicht loslassen zu müssen. Egal, wie weit ich weg sein würde, mein Herz würde immer hier bei Tai bleiben.

„Gut“, meinte Tai und drückte mir einen Kuss aufs Haar. „Ich bin jetzt schon unfassbar stolz auf dich, Mimi. Du bist der mutigste Mensch, den ich kenne. Du wirst das Jahr rocken, das weiß ich. Und ehe du dich versiehst, bist du wieder hier.“

Ich nickte an seiner Brust und wusste, ich konnte die Tränen nicht mehr lang zurückhalten. Dieser Abschied fiel mir schwerer als erwartet. Ich wusste zwar, es würde nicht leicht werden, aber ich wusste nicht, dass es mich so sehr zerreißen würde.

„Du wirst dich sicher schnell in Paris einleben. Ich will alles wissen, wenn du gelandet bist“, fügte Tai noch hinzu und schob mich nun ein Stückchen von sich. Widerwillig öffnete ich die Augen und sah zu ihm auf.

„Tai?“

„Ja?“

„Wir schaffen das, oder?“

Tai’s Lächeln ging mir wie immer unter die Haut, weil es so verdammt ehrlich war. Niemand konnte wie er mein Herz erwärmen.

„Wir schaffen alles.“ Dann küsste er mich auf die Stirn. Ein letzter, bitterer Abschiedskuss, während mir die Tränen über die Wange liefen.

Eilig wischte ich sie weg. Ich wollte stark sein für Tai.

Ich griff nach meinem Koffer und drehte mich noch ein letztes Mal um. Tai stand immer noch da und sah mir hinterher. Sein Lächeln verfolgte mich auch jetzt noch.

„Heute in einem Jahr bin ich wieder da“, sagte ich und schenkte ihm nun ebenfalls ein Lächeln.

Tai nickte. „Ich werde auf dich warten.“

Dann stieg ich schweren Herzens in den Flieger. Und ließ nicht nur Tokyo, sondern auch die Liebe meines Lebens hinter mir.

1 Tag vor Weihnachten - Heute

Ich flüchte nach oben und platze in das erstbeste Zimmer, das ich finden kann.

Abrupt bleibe ich mitten im Raum stehen.

Babyblau.

Hübsche Gardinen.

Kuscheltiere.

Eine Babywiege.

Super! Ich bin im Babyzimmer gelandet.

Aber völlig egal. Ich brauche einfach nur etwas Raum, um allein zu sein und wieder einen klaren Gedanken zu fassen. Ich gehe hinüber zu dem Sessel, der vor dem Fenster steht und setze mich. Er ist so bequem, dass ich mich gleich seufzend zurückfallen lasse und müde die Augen schließe.

Warum bin ich eben davongelaufen?

Das passt überhaupt nicht zu mir.

Oder doch? Es wäre schließlich nicht das erste Mal. Auch damals schon bin ich vor Tai und seinen tiefen Gefühlen für mich davongelaufen.

Man möchte meinen, ich wäre inzwischen reifer geworden. Aber offenbar überfordert mich seine Sichtweise auf unsere Beziehung immer noch.

Denkt er wirklich nach wie vor, wir wären füreinander bestimmt gewesen?

Das ist ein Trugschluss.

Und trotzdem tut es weh, daran zu denken. In den letzten Jahren habe ich mir oft genug die Frage gestellt, ob ich damals richtig entschieden habe.

Ein Klopfen an der Tür reißt mich aus meinen Gedanken. Erschrocken öffne ich die Augen und erblicke Tai direkt vor mir, der im Türrahmen steht und eine Hand in seiner Anzughose vergraben hat.

Innerlich stöhne ich auf, muss jedoch auch ein bisschen grinsen.

Natürlich ist er es. Hätte nicht zu ihm gepasst, mir nicht nachzulaufen.

Ein zaghaftes Lächeln umspielt seine Lippen. „Denkst du, du kannst schon wieder einfach davonlaufen?“

Ich zucke mit den Schultern. „Hab’s zumindest versucht, oder?“

Tai schnaubt lachend. „Ja, das hast du. Diesmal nicht sonderlich erfolgreich.“ Dann betritt er den Raum, ohne die Tür hinter sich zu schließen. Das Licht des Flures scheint in den Raum und taucht das Zimmer in eine Art Dämmerlicht. Trotzdem kann ich Tai’s Gesicht mehr als gut erkennen, als er rüber zur Babywiege geht, hineingreift und einen kleinen Plüschhund hochhebt. Gedankenverloren dreht er ihn in seinen Händen, während er ihn eingehend betrachtet.

„Hast du Kinder, Tai?“, platzt es aus mir heraus, woraufhin Tai überrascht den Kopf hebt.

„Kinder? Ich?“

Ich nicke zaghaft. Keine Ahnung, warum ich ihn das frage, aber irgendwie interessiert es mich. Ich habe immer noch das Bild von ihm vor Augen, wie er vor 7 Jahren war. Ich würde gerne wissen, welcher Mensch er heute ist und ob sich sein Traum erfüllt hat.

„Nein, ich habe keine Kinder“, antwortet Tai schließlich kopfschüttelnd.

Also keine blonden Model Kinder.

Ich grinse und zucke mit den Schultern. „Schade, du wärst ein guter Vater.“

Tai lacht leise. „Vermutlich.“

„Also, haben du und deine Freundin noch keine Familie gegründet“, schlussfolgere ich und beiße mir sogleich auf die Lippe. „Äh, ich meine, du und deine … Frau? Seid ihr verheiratet?“

Sicher ist Tai längst verheiratet. Er ist definitiv der Typ dafür und hat sich sicher schnell gebunden.

Tai legt den Plüschhund zurück in die Wiege und schiebt beide Hände in die Hosentaschen.

„Wir sind nicht verheiratet. Oder glaubst du ernsthaft, ich habe je wieder den Mut dafür aufgebracht, nachdem du mir so eine Abfuhr erteilt hast?“, entgegnet Tai schief grinsend, als wäre es ein Witz.

Ich kann nicht darüber lachen und sehe ihn einfach nur an.

„Entschuldige“, räuspert er sich, als er mein starres Gesicht sieht und schaut betreten zur Seite. „Und sie ist auch nicht meine Freundin. Wir sind nur Kollegen.“

Jetzt reiße ich doch vor Überraschung die Augen auf. Nur Kollegen? Das sah aber ganz und gar nicht so aus.

„Ich weiß genau, was du denkst“, meint Tai und wirkt plötzlich wieder genauso verlegen, wie der Junge der damals im Einkaufscenter vor mir stand und mich um ein Date gebeten hat.

„Sora hat mich davor gewarnt es nicht zu tun. Aber ich habe sie eigentlich nur mit hierher gebracht, um dich eifersüchtig zu machen. Super kindisch, oder? Wahrscheinlich bist du immer noch erwachsener als ich. Du bist schließlich auch ohne Begleitung hierher gekommen, ohne, dass es dir peinlich war.“

Ha, wenn du wüsstest.

„Ich weiß auch nicht, was ich damit bezwecken wollte“, redet Tai weiter. „Vermutlich wollte ich dir beweisen, wie gut mein Leben ohne dich verläuft. Aber das ist nicht die Wahrheit, ganz und gar nicht.“

Betreten falte ich die Hände in meinem Schoß. „Und was ist die Wahrheit?“

Ich sollte ihm diese Frage nicht stellen. Ich weiß, ich reiße gerade alte Wunden auf. Aber vermutlich waren sie schon vorher offen, bevor wir uns heute Abend wieder gegenüberstanden. Vermutlich waren sie niemals ganz verheilt.

Tai hebt den Kopf und sieht mich mehrere Sekunden lang schweigend an. Ich frage mich kurz, ob er mir überhaupt eine Antwort geben wird oder ob es ihm zu viel ist. Doch dann kommt er um die Babywiege herum und direkt auf mich zu, um sich vor mir niederzuknien. Er sieht zu mir auf und trotz des gedämmten Lichts erkenne ich die Traurigkeit in seinen Augen.

„Was denkst du denn, Mimi“, sagt er mit sanfter Stimme. „Du warst die Liebe meines Lebens.“

Tränen steigen mir in die Augen.

Ich habe es geahnt.

Vermutlich war das auch der Grund, weshalb ich ihn die letzten 7 Jahre gemieden habe. Ich wollte ihm und mir nicht noch mehr weh tun. Dabei habe ich damit alles nur noch schlimmer gemacht.

„Tut mir leid“, sage ich leise, während mir eine stumme Träne über die Wange rollt, die ich schnell wegwische.

„Nein“, entgegnet Tai sofort und legt eine Hand auf mein Knie. „Entschuldige dich nicht dafür. Du kannst nichts dafür, dass ich dich immer noch liebe.“

Mein Herz zerbricht.

Dieser eine Satz bringt gerade alles ins Wanken, wovon ich die letzten Jahre so felsenfest überzeugt war.

„Tai, denkst … denkst du wirklich, wir haben gut zusammen gepasst?“, frage ich mit zittriger Stimme, weil ich meine Gefühle kaum noch verbergen kann.

„Wir waren perfekt füreinander. Das wusste ich, seit ich dich das erste Mal gesehen habe. Ich wusste schon damals, du würdest irgendwann zu mir gehören.“

Und dann habe ich ihm das Herz gebrochen. Genauso wie mir.

Plötzlich seufzt Tai auf und lässt den Kopf hängen.

„Ich habe danach wirklich versucht, neue Beziehungen zu führen. Für eine gewisse Zeit lief es sogar ganz gut“, vertraut er mir nun an, wirkt jedoch ziemlich geknickt dabei. Gar nicht wie der lebensfrohe Tai, den ich in Erinnerung habe.

„Das Problem daran ist nur … wenn du schon ein mal so was Perfektes hattest, wird nichts, was danach kommt auch nur im Entferntesten an das heranreichen. Es wird immer nur halb so gut sein wie das, was du verloren hast.“

Er spricht mir direkt aus der Seele. Wenn er wüsste wie recht er damit hat.

„Geht mir auch so“, flüstere ich mehr zu mir selbst als zu ihm, aber Tai versteht es dennoch. Ein zaghaftes Lächeln legt sich auf seine Lippen, als würde es ihn erleichtern, dass ich ebenso empfinde wie er.

„Das wusste ich nicht“, sagt er und ich beiße mir auf die Unterlippe. Nein, wie könnte er auch?

„Das bedeutet nicht, dass wir dasselbe fühlen, Tai“, werfe ich ein, wische seine Hand von meinem Knie und klinge dabei viel kühler als ich es beabsichtigt habe.

„Du musst damit abschließen.“

Tai’s Blick verfinstert sich. Er wirkt plötzlich wie vor den Kopf gestoßen.

„So wie du meinst du?“

Endlich richtet er sich auf und bringt den dringend benötigten Abstand zwischen uns, indem er einen Schritt zurück tritt. Ich stehe ebenfalls auf und nun stehen wir uns im Halbdunkel gegenüber, zwischen uns ein See an alten Emotionen und stillen Worten.

Ich weiß genau wonach mein Herz sich sehnt, ich kann es deutlich spüren. Aber ich lasse es nicht zu. Ich werde diesem Gefühl nicht nachgeben. Wie könnte ich auch?

Tai’s Blick bohrt sich in mich und droht, mich zu durchschauen. Als wäre er kurz davor die Wahrheit hinter der Lüge zu erkennen.

Doch bevor er mich aufbrechen und mein Innerstes zum Vorschein bringen kann, gehe ich an ihm vorbei.

„Mimi!“, hallt es nun ziemlich laut durch den Raum. Erschrocken bleibe ich stehen, drehe mich jedoch nicht um. Er klingt wütend. Verzweifelt.

„Du kannst nicht für immer davonlaufen.“

Ich schlucke schwer. Meine Hände ballen sich zu Fäusten, weil ich es immer noch nicht zugeben kann. Ich kämpfe mit mir. Er wird mich nicht dazu bringen, jetzt einzuknicken und alles in Frage zu stellen, was vor 7 Jahren passiert ist.

Wahrscheinlich hat er recht.

Wahrscheinlich kann ich nicht für immer davonlaufen.

Aber ich kann es zumindest versuchen.

1 Tag vor Weihnachten - vor 7 Jahren

Gott, ich war so aufgeregt!

Am liebsten wäre ich von meinem Sitz gehüpft und aus dem Flieger gesprungen. Aber wir waren gerade erst am Landen und das Anschaltzeichen war noch nicht ausgegangen. Trotzdem zappelte ich unruhig wie ein kleines Kind auf meinem Sitz herum. Immer wieder schaute ich auf die Uhr. Ob er schon da war?

Schon die letzten Nächte konnte ich kaum schlafen beim Gedanken daran Tai nach einem Jahr endlich wieder zu sehen. Wir hatten die letzten 12 Monate zwar viel telefoniert und geschrieben, aber die Sehnsucht wuchs trotzdem ins Unermessliche. Wir haben uns seit genau einem Jahr nicht mehr gesehen und ich war so gespannt darauf, ob er sich verändert hatte. Ich hatte es auf jeden Fall. Ich war erwachsener geworden, irgendwie reifer. Zumindest fühlte ich mich so. Das Praktikum hatte mich weit gebracht und ich hatte so viel gelernt, dass ich das Gefühl hatte, jetzt die Welt erobern zu können.

Oh ja! Ich würde so was von Karriere machen!

Aber erst ein mal wollte ich zu Tai. Meine Karriere konnte auch noch 2 Tage warten.

Als der Flieger endlich aufsetzte und nach einer gefühlten Ewigkeit zum Stehen kam, sprang ich von meinem Sitz auf. Ich zerrte an meiner Tasche, die über den Sitzen verstaut war und drängte mich an den Leuten vorbei, die offenbar alle die Ruhe weg hatten. Ich wollte einfach nur hier raus.

Ich schaffte es als Erste aus dem Flieger zu gehen und rannte sofort los, um mein restliches Gepäck abzuholen. Gefühlt dauerte das länger als das gesamte letzte Jahr. Natürlich hatten Tai und ich gestern Abend noch telefoniert. Er hatte versprochen, mich abzuholen. Deshalb eilte ich auch wie eine Verrückte über den Airport und hielt nach meiner großen Liebe Ausschau.

Plötzlich kam ich abrupt zum Stehen, als ich breite Schultern und braunes, wildes Haar entdeckte. Er stach aus der Menge hervor wie immer.

Dann drehte er sich zu mir um, als hätte er meine Anwesenheit gespürt. Unsere Blicke tragen sich, das erste mal seit einem Jahr wieder. Sofort formten seine Lippen sich zu einem warmen Lächeln, das nur mir galt.

Mein Herz machte einen Hüpfer und setzte dann gleich mehrere Schläge aus.

Oh Gott, er sah umwerfend aus! Kann es sein, dass er noch attraktiver geworden ist?

Während er da so stand und mich lächelnd ansah, konnte ich nicht mehr anders. Mein ganzes Gesicht erhellte sich und ich musste bis über beide Ohren grinsen, als ich einfach so all mein Gepäck stehen ließ, auf ihn zurannte und ihm in die Arme sprang.

Tai taumelte einige Schritte nach hinten, als er mich auffing und sich mit seinen Armen hochhob.

„Tai“, schrie ich meine Freude hinaus und umarmte ihn so fest, dass ihm die Luft wegblieb.

„Wow, Mimi. Du erdrückst mich ja“, lachte er, dabei war er derjenige, der an Muskelmasse zugelegt hatte, das bemerkte ich sofort. Widerwillig ließ ich von ihm ab, um ihn ganz betrachten zu können.

Mehrere Sekunden standen wir uns einfach nur gegenüber, lächelten einander an und ließen den Moment auf uns wirken.

Tai hatte sich im letzten Jahr wirklich verändert. Als hätte er noch mal einen Wachstumsschub durchlebt. Seine Schultern waren breiter geworden, sein Haar etwas kürzer und sein Gesicht kantiger. Aber sein Lächeln … das war immer noch gleich. Genauso herzerwärmend wie früher.

„Du siehst so …“ Ich legte den Kopf schief und überlegte, weil mir nicht gleich die richtigen Worte einfielen.

„Gut? Umwerfend? Zum Sterben attraktiv aus?“, beendete Tai meinen Satz und fuhr sich dabei lasziv durch die Haare.

Ich lachte auf. „Erwachsen aus, wollte ich eigentlich sagen.“

Tai verdrehte lachend die Augen. „Ich bin mir nicht sicher, ob das jetzt ein Kompliment war.“

Doch das bestätigte mein eifriges Kopfnicken. „War es.“

„Dann bin ich ja erleichtert. Du siehst auch nicht übel aus.“

„Oooh, danke“, sagte ich gespielt beleidigt, woraufhin Tai mich mit einem Ruck an sich zog.

„Wenn ich dich hier so sehe, weiß ich plötzlich nicht mehr, wie ich es tatsächlich ein ganzes Jahr lang ohne dich ausgehalten habe“, flüsterte er an meinen Lippen und gab mir endlich diesen einen Kuss, von dem ich schon seit Monaten geträumt hatte.
 

Was soll ich sagen? Wir schafften es kaum bis nach oben in Tai’s Wohnung. Natürlich fuhren wir auf direktem Wege dorthin, um allein zu sein – und um uns die Klamotten vom Leib zu reißen. Die Sehnsucht, die sich in den letzten 12 Monaten angestaut hatte war groß. Zu groß. Wir verbrachten stundenlang im Bett und genossen jede einzelne Minute miteinander, als könnte uns irgendjemand diese gemeinsame Zeit gleich wieder wegnehmen. Als läge nicht endlich eine gemeinsame Zukunft vor uns.

Was für eine bittere Vorahnung …

„Wie bitte? Es ist schon dunkel draußen?“, sagte ich erstaunt, als ich nur mit einer Decke umwickelt vor dem Fenster stand und gerade die Vorhänge zur Seite geschoben hatte, um hinauszusehen.

Tai trat hinter mich, legte beide Arme um mich und zog mich an sich.

„Nun, wir hatten einiges nachzuholen.“

Seufzend ließ ich meinen Hinterkopf an seine Brust sinken.

„Es ist schön wieder hier zu sein. Das fühlt sich wie zu Hause an. DU fühlst dich wie zu Hause an.“

Ich drehte mich zu ihm um, ging auf die Zehenspitzen und hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen. Tai zog mich noch enger an sich und seufzte in den Kuss hinein. „Weißt du eigentlich, wie abgöttisch ich dich liebe?“

Ich grinste an seinen Lippen, als er mich hochhob. „Ich habe so eine Ahnung.“

Tai ließ mich langsam aufs Bett sinken und beugte sich über mich, während seine Finger sanft durch mein Haar fuhren und er seinen Blick über mich gleiten ließ. „Nein, hast du nicht.“

Ich stutzte, lächelte jedoch. „Ach, nicht?“

„Nein, noch nicht.“

Kurz wirkte es, als wollte er noch etwas hinzufügen, doch dann schüttelte er gedankenverloren den Kopf und setzte sein altbekanntes Lächeln auf.

„Möchtest du was essen? Also ich sterbe vor Hunger.“
 

Ich wollte uns einfach eine Pizza bestellen, aber Tai schlug vor, noch mal raus zu gehen und unser Wiedersehen entsprechend zu feiern und lud mich in ein schickes Restaurant ein. Es schien, als hätte er den Abend lange geplant, denn alles war perfekt – er, das Essen, die Atmosphäre … ich verliebte mich gerade noch mal ganz neu in ihn. Es war ein zauberhafter Abend und ich genoss jede einzelne Minute davon.

Wir gingen gerade noch am Fluss spazieren. Die bunten Lichter der Stadt spiegelten sich im dunklen Wasser und ich erzählte ihm alles von meinem Jahr in Paris, wie viel ich gelernt hatte und was meine Pläne fürs nächste Jahr waren. Ich wollte richtig durchstarten und brannte regelrecht dafür, mein eigenes Business aufzubauen.

„Wow, Mimi“, lachte Tai schließlich anerkennend. „Du bist ja Feuer und Flamme.“

Ich nickte eifrig. „Wärst du auch, wenn du all diese tollen Ideen im Kopf hättest.“

Plötzlich blieb Tai stehen, griff nach meiner Hand und wirbelte mich zu sich herum, so dass ich ihn ansehen musste. Ein warmes Lächeln legte sich auf sein Gesicht, als er sagte: „Ich werde dich bei all deinen Plänen unterstützen, das verspreche ich dir, Mimi.“

Aufrichtig erwiderte ich sein Lächeln.

„Danke“, antwortete ich und fragte mich, womit ich diesen Mann nur verdient hatte. Ich fragte mich, was die Zukunft noch für uns bereit hielt. Es war uns leicht gefallen, wieder zueinanderzufinden. Trotzdem hatten wir uns in dem Jahr verändert. Wir waren gewachsen, reifer geworden, hatten Pläne für die Zukunft. Unser Leben fing gerade erst an. Alles war aufregend und neu.

„Ich bin stolz auf dich, was aus dir geworden ist. Du bist immer noch meine Mimi, nur noch mutiger als früher. Und noch viel schöner.“

„Hey!“, lachte ich und schlug ihm gegen den Oberarm. „Was sollen die ganzen Schmeicheleien? Ich werde ja gleich ganz rot.“

Tai legte ein zuckersüßes Grinsen auf und wirkte plötzlich ganz nervös, regelrecht schüchtern. Ein wirklich seltener Anblick. Was war mit ihm los?

„Du bist immer noch meine Mimi“, wiederholte er leise, mehr zu sich selbst als zu mir. „Jetzt bin ich mir ganz sicher.“

Fragend legte ich den Kopf schief. „Was meinst du damit?“

Plötzlich ging Tai vor mir auf die Knie und mir stockte der Atem. Jetzt wusste ich, was er damit gemeint hatte und seine nächsten Worte bestätigten meine bittersüße Vermutung.

„Ich wollte eigentlich bis morgen warten, weil es unser erstes Heilig Abend ist, an dem wir wieder zusammen sind. Ich habe so lange darauf gewartet, dass du endlich wieder bei mir bist und an jedem einzelnen Tag, an dem du es nicht warst, habe ich dich nur noch mehr geliebt.

Als du heute wieder vor mir standest, wusste ich es einfach. Ich wusste, du bist es immer noch. Du bist immer noch meine Traumfrau, mein ein und alles. Dieser ganze Tag mit dir, unser Wiedersehen … es hätte perfekter nicht sein können. Bitte mach diesen Tag noch perfekter für mich, Mimi. Bitte heirate mich.“

Im selben Moment, als er die Worte aussprach, holte er eine kleine Ringschatulle aus seiner Jackentasche und öffnete sie.

Ein wunderschöner, silberner Ring mit einem Diamanten besetzt funkelte mich an. Er raubte mir förmlich den Atem – aber nicht im positiven Sinne.

Ich hielt die Luft inzwischen so lange an, dass meine Lunge sich schmerzlich zusammenzog, als ich endlich los japste.

„Tai …“, meinte ich sprachlos. „Was soll das?“

„Was?“ Tai stutzte. Aber er kniete weiterhin vor mir, den Ring in seiner Hand, wartend auf eine Antwort von mir. „Mimi …“, lachte er unsicher. „Das ist jetzt der Teil, in dem du Ja sagst.“

Ich schluckte schwer. Ein dicker Kloß hatte sich in meinem Hals gebildet und ich brachte kein einziges Wort mehr heraus. Der leuchtende Diamant strahlte mich an, seine Schönheit legte sich wie eine Schlinge um meine Kehle. Genauso wie Tai’s Worte.

„Mimi?“, riss er mich aus meinen Gedanken und ich blinzelte. „Du … du willst doch ja sagen, oder?“

„Tai, ich … ich …“

Was sollte ich ihm nur sagen? Ich konnte ihm nicht die Antwort geben, die er hören wollte.

Nun begriff auch Tai es.

Sein sonst so warmes Lächeln erstarb und ich wusste plötzlich, dass es nicht wiederkommen würde und dass ich der Grund dafür war. Ich wusste, was uns nun unweigerlich ereilte. Es kam zu früh, viel zu früh, es ging alles zu schnell.

„Du … du willst nicht?“, fragte Tai verwirrt und stand endlich auf. War er sich so sicher gewesen, dass ich seinen Heiratsantrag annehmen würde, dass ihn diese Erkenntnis jetzt so sehr schockierte?

Ich räusperte mich und fühlte mich zugleich unbehaglich in meiner Haut. „Das kam sehr unerwartet, Tai. Mit einem Antrag habe ich nicht gerechnet.“

„Ja, schon klar. Das ist ja auch der Sinn eines Antrags. Es sollte eine Überraschung werden. Ich wusste nur nicht, dass du das nicht willst.“ Sichtlich enttäuscht ließ Tai die Ringschatulle zuklappen und in seine Jackentasche verschwinden.

„Tai“, sagte ich nun mit Nachdruck. „Ich war ein Jahr weg! Ein Jahr!“

„Na und?“, entgegnete Tai und schien nicht nur enttäuscht, sondern auch etwas wütend über meine Antwort. „Was tut das zur Sache? Kann ich dir keinen Antrag machen, nur, weil wir ein Jahr getrennt waren? Ich liebe dich, Mimi.“

„Und ich liebe dich, aber …“

Ein Zischen drang aus Tai’s Kehle, als würde er mir nicht glauben und sein Blick schweifte ab.

„… aber deshalb muss man doch nicht gleich heiraten. Ich habe Pläne, Tai. Hast du mir eben nicht zugehört?“

„Doch, das habe ich, Mimi. Und ich habe auch Pläne, mit dir an meiner Seite.“

„Und wie sehen die aus?“ Ich verschränkte die Arme vor der Brust. Wollte er mich nicht verstehen?

„Wie wohl?“, fragte Tai, als wäre diese Frage völlig überflüssig. „Ich will dich heiraten und eine Familie mit dir gründen.“

Der Schlag traf mich mitten ins Gesicht. Eine Familie gründen? Kinder kriegen? Jetzt?

Ein ungläubiges Lachen drang aus meiner Kehle. „Du willst eine Familie gründen? Ist das dein Ernst?“

„Natürlich. Du etwa nicht?“

Tai war wie vor den Kopf gestoßen, während ich aufgebracht meine Arme in die Luft warf. „Keine Ahnung! Darüber habe ich noch nie nachgedacht.“

Tai’s Augen wurden schmal und Falten legten sich auf seine Stirn. Er verstand mich einfach nicht. Er war der Mann meiner Träume, meine große Liebe. Warum reichte ihm das nicht? War das nicht genug?

Anscheinend nicht, denn Tai wandte den Blick nun gänzlich ab. Er sagte es nicht, aber ich hatte ihn eben verletzt. Sehr sogar.

„Ich dachte nicht, dass wir so unterschiedlich darüber denken“, gestand Tai mir schließlich. Seine Stimme wirkte abwesend. „Es ist nicht schlimm, wenn du noch etwas Zeit brauchst. Ich kann warten, bis du so weit bist.“ Plötzlich ergriff er meine Hand und drückte sie. Er klang hoffnungsvoll, aber ich glaube, er wusste es schon, dass diese Hoffnung keinen Sinn hatte.

Betrübt ließ ich den Blick sinken. Seine Hand auf meiner fühlte sich noch vor einer Stunde wie das Beste auf der Welt an. Mit einem Mal wurde mir klar, dass ich diese Hand loslassen musste.

„Genau das ist der Punkt“, sagte ich, während sich die Tränen einen Weg an die Oberfläche kämpften. Ich sah zu ihm auf. „Ich weiß nicht, ob ich jemals soweit bin. Heiraten … Kinder … ich habe keine Ahnung, ob ich das will. Ich könnte sagen, frag mich in einem Jahr noch mal. Oder in zwei oder in drei oder in zehn. Ich kann dir nicht versprechen, dass meine Antwort dann eine andere sein wird als heute.“

Das traf Tai. Tief.

So tief verletzt hatte ich ihn noch nie gesehen. Es sah so aus, als würde gerade irgendetwas in ihm zerbrechen.

„Verdammt“, stieß ich aus, während mir schließlich eine Träne über die Wange lief. „Wir hätten früher über das alles reden sollen. Aber ich hatte nicht damit gerechnet, dass du … ich dachte, wir wären noch zu jung für das alles hier. Ich hatte keine Ahnung.“

Verzweiflung macht sich in mir breit. Was war nur geschehen? Ich hatte das Gefühl, dass ich Tai plötzlich gar nicht mehr kannte. Wir hatten noch nie über dieses Thema gesprochen, obwohl wir schon so lange zusammen waren. Aber wir waren viel zu jung, wir hatten einfach den Moment gelebt, mehr nicht. Jetzt hatten wir uns ein Jahr nicht gesehen und plötzlich war alles anders. Oder hatte Tai das schon immer gewollt und ich wusste es nur nicht? Ich hatte keine Ahnung, dass er so früh schon heiraten und eine Familie gründen wollte. Ich hatte nie auch nur einen Gedanken daran verschwendet, dass es so sein könnte.

Ein großer Fehler, wie sich eben herausstellte.

Tai sah mich bestürzt an. „Was soll das heißen, Mimi? Machst du Schluss mit mir?“

Ich schluckte schwer und biss mir auf die Unterlippe. Ich hatte ihm meinen Standpunkt klargemacht. Wir hatten nicht dieselben Ziele und Wünsche – hatten wir vermutlich nie gehabt. Nur wurde mir das jetzt erst bewusst. Also nickte ich schweren Herzens.

„Alles andere wäre nicht fair dir gegenüber.“

Zu meiner Überraschung stieß Tai ein lautes Lachen aus und fuhr sich dann gestresst durch die Haare. Aufgebracht sah er mich an.

„Das ist doch ein Scherz, oder?“

Ich konnte ihm keine Antwort mehr darauf geben. Mein Herz zerbrach gerade genauso wie seins.

„Du willst das wirklich?“, fragte Tai. Ich sah ihn an und konnte den Schmerz in seinen Augen erkennen.

„Tut mir leid“, brachte ich gerade noch hervor, merkte aber bereits, wie meine Stimme drohte zu brechen. „Ich kann dir nicht das geben, was du willst.“

Und ich konnte nicht länger hier verweilen. Ich konnte ihn nicht länger ansehen, nicht länger dabei zusehen, wie ich sein Herz ein für alle mal auseinander brach. Es tat mir unendlich weh diese Worte auszusprechen und noch mehr schmerzte es mich, als ich mich umdrehte und davon lief.

Ich flüchtete vor Tai, dem Menschen, für den ich die Welt bedeutete und der mir alles bedeutete. Aber wenn das wirklich Liebe war, dann musste ich ihn gehen lassen. Ich wusste genau, Tai hätte es nicht getan. Er wäre bei mir geblieben und hätte insgeheim jedes Jahr aufs Neue gehofft, dass ich ihn heiraten und Kinder mit ihm bekommen würde. Es hätte mich unter Druck gesetzt. Es hätte unsere Beziehung zerstört. Er konnte es jetzt noch nicht sehen, aber er wäre nicht glücklich mit mir geworden. Er hätte nur seine Zeit verschwendet. Und es wäre meine Schuld gewesen. Das wollte und konnte ich uns nicht antun.

Ich habe Tai nicht wiedergesehen. Bis heute …

1 Tag vor Weihnachten - Heute

„Willst du schon gehen?“, fragt Kari, als ich schnellen Schrittes an ihr vorbei in Richtung Haustür eile.

„Ja, tut mir leid, es ist etwas dringendes dazwischen gekommen“, lüge ich, ohne rot zu werden. Es ist ja auch nur eine Notlüge. Was sollte ich ihr auch sonst sagen? Ich kann die Anwesenheit deines Bruders nicht länger ertragen?

Kari folgt mir zur Tür.

„Schade, ist es was Ernstes?“

„Was?“

„Na, weswegen du weg musst.“

„Ach so, äh … ja, total.“ Oh man, besonders gut lügen konnte ich noch nie. Aber eine wirklich gute Ausrede fällt mir gerade nicht ein. Seit Tai die alten Erinnerungen wieder wach gerüttelt hat, ist mein Kopf wie leer gefegt. Warum musste er das tun?

Am liebsten würde ich schreien. Aber da das nicht geht, weil mich sonst alle für komplett verrückt halten würden, brauche ich dringend frische Luft. Ich werfe mir den Mantel über und schaffe es nicht mal, mich anständig von Kari zu verabschieden, so sehr will ich von hier weg. Nein, nicht weg von hier – weg von Tai!

„Danke, für die schöne Feier. Ich ruf dich an“, rufe ich Kari noch nach, die verdattert an der Haustür stehen bleibt. Doch ihr klappt erst recht der Mund auf, als Tai an ihr vorbei stürmt – und mir auch. Für einen Moment stehe ich wie versteinert da und schaffe es nicht, mich zu rühren, doch noch ehe er die Stufen der Veranda herunter gesprintet ist, erwache ich aus meiner Schockstarre, drehe mich um und setze mich in Bewegung.

Ich renne nicht, aber ich laufe so hastig, dass ich aufpassen muss, in der Dunkelheit nicht irgendwo drüber zu stolpern.

„Mimi, hey!“, ruft Tai mir nach, aber ich beachte ihn gar nicht. Stattdessen lege ich nur noch einen Zahn zu, was sicher total bekloppt aussieht.

„Jetzt bleib doch mal stehen!“

Ja, das hättest du wohl gern. Und dann? Willst du noch mehr schmerzliche Erinnerungen an die Oberfläche zerren? Oh, nein. Nicht mit mir.

„Sag mal, denkst du, das ist ein Wettlauf?“, redet Tai einfach weiter, denn er hat mich schon längst eingeholt und ist nur noch ein paar Schritte hinter mir. Aber ich gebe nicht auf. Ich gehe so schnell, dass meine Beine brennen, genauso wie meine Lunge. Ich bin jetzt schon total aus der Puste. Innerlich stöhne ich auf, weil ich weiß, dass es Tai nicht so geht. Dieser kleine, schnelle Fußmarsch macht ihm nicht das Geringste aus. Er schnauft nicht mal, während ich mich inzwischen anhöre, wie eine 80 jährige Kettenraucherin.

„Wir können das die ganze Nacht lang machen, Mimi. Ich habe kein Problem damit, dir durch ganz Tokyo hinterher zu laufen.“

Ach! Zum Teufel mit dir, Taichi Yagami.

Abrupt bleibe ich stehen und stütze mich hechelnd auf meine Knie ab. Gott, bin ich im Eimer. Und es hat nicht mal was genützt, denn Tai steht nun direkt neben mir. Warum musste er mir auch folgen? Was soll das?

„Was … willst … du?“, krächze ich und schnappe zwischen den Worten hörbar nach Luft.

Tai zieht eine Augenbraue in die Höhe. „Also erst mal will ich, dass du hier nicht mitten auf der Straße krepierst. Brauchst du irgendwas? Was zu trinken? Einen Defibrillator?“

Ich schnaufe. „Sehr witzig.“

Meine Lunge tut zwar immer noch weh und ich atme weiße Wölkchen in die kalte Nachtluft, aber ich richte mich trotzdem auf. „Du musst dich nicht über mich lustig machen.“

„Fällt mir reichlich schwer. Du verhältst dich total kindisch“, antwortet Tai.

„Wie bitte?“, entrüste ich mich.

„Ja, also bitte, Mimi. Wer rennt denn einfach von einer Party davon wie ein kleines Kind, nur, weil es kurz etwas unangenehm wurde?“

Ich beiße mir auf die Unterlippe. Verdammt, er hat recht. Das war absolut daneben.

„Na gut, du willst das wie ein Erwachsener klären?“, entgegne ich und verschränke die Arme vor der Brust. „Dann rede doch. Was hast du mir zu sagen, Tai? Ich bleibe so lange hier stehen, bis du ausgeredet hast.“

Mein Innerstes wehrt sich zwar mit Händen und Füßen dagegen und mein Herz schreit mich an, es nicht zu tun, aber ich habe das Gefühl, dass ich ihm das schulde. Ihm und mir.

Kurz ist Tai etwas sprachlos und wirkt leicht irritiert. Vermutlich hat er nicht damit gerechnet. Aber dann fängt er sich schnell wieder und räuspert sich.

„Na schön, ich … wo soll ich anfangen?“

Gestresst fährt er sich durch die Haare. Dann sieht er mich an.

„Hast du überhaupt eine Ahnung, wie ich mich gefühlt habe, als du damals so plötzlich mit mir Schluss gemacht hast? Es war … die Hölle.“

Ich schlucke schwer und bereue schon jetzt, ihm gesagt zu haben, ich würde mir das alles anhören. Die Wahrheit tut verdammt weh. Aber sie scheint gerade unumgänglich zu sein und auf mich herabzustürzen wie ein Wasserfall.

„Aber das war noch nicht mal das Schlimmste. Selbst, als du meinen Antrag abgelehnt hast, war ich nicht so sehr verletzt, wie du vielleicht denkst. Das wirklich Schlimme daran war, dass du einfach so aus meinem Leben verschwunden bist. Wir haben uns jahrelang nicht mehr gesehen, du hast mich komplett gemieden. Als hätte es mich nie gegeben. Als hätte es UNS nie gegeben. So etwas tut verdammt weh. Du warst meine beste Freundin, Mimi und ich hätte dich so oft an meiner Seite gebraucht. Selbst in dem Jahr, als du in Paris gelebt hast, warst du mir nicht so fremd, wie in der Zeit nach unserer Trennung.“

Okay. Das zu hören ist härter als erwartet. Bereits jetzt spüre ich, wie sich ein dicker Kloß in meinem Hals bildet. Es fühlt sich an, als würde ich ersticken.

Genau deshalb wollte ich dieses Gespräch nicht.

„Ich habe es einfach nicht verstanden“, redet Tai unterdessen weiter. „Du hast mit mir Schluss gemacht, weil du dachtest, du würdest mir in der Zukunft nur weh tun. Aber nach all den Jahren kann ich dir sagen, so wäre es nicht gewesen. Egal, ob du mich irgendwann geheiratet hättest oder nicht. Egal, ob wir eine Familie gegründet hätten … das Schlimmste für mich war, dich nicht mehr an meiner Seite zu wissen. Dass du einfach nicht mehr da warst, war schlimmer als alles andere, was hätte passieren können. Du hast mich nicht gerettet, als du mit mir Schluss gemacht hast, Mimi. Du hast mich zerstört.“

Meine Lippen beginnen zu beben. Tai’s Worte treffen mich so hart, so unvorbereitet, dass es mich völlig aus der Bahn wirft. Ich wusste nicht, dass er so denkt. Dass es ihm so weh tat, dass ich ihn habe gehen lassen. Oder … nein … dass ich ihn von mir gestoßen habe. Ich wusste nicht, dass er so darunter gelitten hat. Ich dachte, es wäre das Beste für uns beide. 7 Jahre später stellt sich heraus, dass es das nicht war.

Ich habe alles kaputt gemacht.

Aufgebracht sieht Tai mich an und wartet auf irgendeine Reaktion von mir.

Doch sie kommt nicht. Ich habe so oft diesen Schmerz unterdrückt, dass ich inzwischen Meisterin darin bin, meine wahren Gefühle zu verbergen. Auch wenn mich seine Worte direkt ins Herz treffen wie ein Messer, werde ich jetzt nicht vor ihm losheulen.

Aber ich kann ihm auch nichts antworten. Meine Stimme würde sofort versagen und dann würde Tai meine Wahrheit sehen. Und dafür ist es schon lange zu spät.

Ungeduldig sieht er mich immer noch an. „Willst du nichts dazu sagen?“

Ich schlucke den Kloß in meinem Hals hinunter. „Bist du fertig?“

„Ja.“

„Gut.“

„Gut? Das ist alles? Mehr hast du nicht zu sagen?“ Tai wirkt fassungslos und ich kann es ihm nicht verübeln. Ich wäre auch sauer. Aber ich muss mich irgendwie selbst schützen.

„Ich habe gesagt, ich höre dir zu, bis du fertig bist. Und das habe ich getan.“

Ich wende mich von ihm ab und gehe weiter. Einfach weiter.

„Also, läufst du wieder weg?“

Darauf muss ich ihm nicht antworten. Es hätte ihm vorher klar sein müssen, dass es so endet.

„Schön, bitte. Dann geh doch“, ruft Tai mir noch hinterher und ich höre die Wut in seiner Stimme.

Was ich hier mache ist nicht fair. Aber was soll ich tun? Ich schaffe es einfach nicht. Tai hat schon zu viele alte Wunden wieder aufgerissen. Ich würde es nicht besser machen für ihn, wenn ich noch länger bleiben würde. Was würde das ändern?

Nichts.

Und das tut am meisten weh. Zu wissen, dass man die Vergangenheit nun mal nicht rückgängig machen kann. Wir können nichts mehr daran ändern.

Eine leise Träne rollt mir über die Wange, während ich meine Schritte im Schnee fortsetze und mich nicht mehr umdrehen will.

Ich höre noch wie auch Tai’s Schritte sich endlich entfernen. Wie der Schnee unter seinen Fußsohlen knirscht. Und dann höre ich die Hupe, die viel zu laut ist, viel zu nah.

Ein Quietschen von Reifen.

Ein lauter Knall.

Ein Schrei.

Tai …

Hastig wirble ich herum. Alles, was ich sehe ist weiß und rot. Die Straßenlaternen werfen einen Schein darauf, als wäre es der letzte Akt in einem Theaterstück auf der Bühne.

Blut sickert in den Schnee und verfärbt ihn.

Ich renne los, rufe immer wieder seinen Namen. Als ich bei ihm bin, lasse ich mich neben ihm auf die Knie fallen, während der Motorradfahrer, der ihn angefahren hat, bereits einen Notruf absetzt.

„Tai? Tai!“, rufe ich, doch er antwortet nicht. Er liegt einfach nur da, hat die Augen geschlossen. Ich fange an zu weinen, weil ich nicht mal weiß, woher das Blut kommt, wo genau die Wunde ist. Stattdessen nehme ich einfach seinen Kopf und bette ihn auf meinen Schoß. Ich weine und rufe seinen Namen.

Tai.

Tai.

Tai …

Weihnachten

Als ich aufwache, fällt mein Blick direkt auf das Fenster mir gegenüber. Ich sehe sofort, dass es schneit. Es ist hell und dicke Flocken fallen vom Himmel. So, wie man sich Weihnachten vorstellt.

Benommen stehe ich auf. Mir tut alles weh. Meine Augen sind geschwollen vom Weinen und fühlen sich völlig ausgetrocknet an. Als hätte ich keine Tränen mehr. Alle meine Tränen liegen auf der Straße, vermischt mit Schnee und Tai’s Blut. Sie liegen auf dem Flur im Wartebereich des Krankenhauses. Sie liegen auf seinem Bett.

Als ich zum Fenster rüber gehe und hinausschaue, kehren die Bilder von gestern Abend zurück in meinen Kopf.

Gott, was habe ich nur getan?

Wäre ich doch geblieben. Hätte ich ihm doch eine Antwort gegeben. Oder wäre ich doch nur auf der Party geblieben. Hätte ich doch irgendetwas anderes getan, als nur wieder davonzulaufen.

Dann wäre alles anders gekommen.

Dass Tai angefahren wurde, war meine Schuld. Nur wegen mir war er zur falschen Zeit am falschen Ort. Der Motorradfahrer hatte ihn in der Dunkelheit zu spät gesehen und es war nass und rutschig. Es war ein entsetzlicher Unfall und allein, wenn ich daran zurück denke, wird mir schlecht. Mein Herz verkrampft sich, als ich plötzlich eine Regung hinter mir wahrnehme.

„Mi- Mimi?“

Ich drehe mich so schnell um, dass mir ganz schwindlig wird.

„Oh mein Gott, du bist wach“, stoße ich aus und eile zu ihm ans Bett. Tai hat gerade das erste mal die Augen aufgeschlagen und ist völlig orientierungslos.

„Wo bin ich?“, fragt er verwirrt.

„Im Krankenhaus. Du hattest einen Unfall.“

„Ein … Unfall?“ Tai’s Hand wandert wie automatisch an seinen Kopf, der noch verbunden ist. „Ich kann mich gar nicht wirklich erinnern. Wir haben gestritten. Du bist gegangen und dann … wurde es dunkel.“

Ich nicke und spreche langsam weiter, um ihn nicht zu überfordern. „Ein Motorrad hat dich angefahren. Du hast eine leichte Gehirnerschütterung und eine Wunde am Kopf, die aber genäht werden konnte. Du warst lange bewusstlos. Aber du hattest Glück. Sonst hast du nur einige Schürfwunden abbekommen. Sie wollen dich nachher noch mal genauer untersuchen, aber die Ärzte meinten, es ist wohl alles in Ordnung.“

Geduldig hört Tai mir zu, zieht jedoch andächtig eine Augenbraue in die Höhe, als ich zu Ende erzählt habe. „Und warum heulst du dann so?“

Erschrocken wische ich mir über die Wange und stelle fest, dass sie nass ist. Mir laufen tatsächlich schon wieder Tränen übers Gesicht, obwohl ich dachte, keine mehr zu haben.

„Was? Oh … ich habe gar nicht bemerkt, dass ich weine. Entschuldige den Schreck, es ist nur … es war alles etwas viel. Es war eine lange Nacht und ich habe mir große Sorgen gemacht.“

Tai’s Blick wandert an mir hinab und erst jetzt bemerkt er, dass ich noch dieselben Klamotten wie gestern Abend trage. „Warst du etwa die ganze Nacht hier?“

„Natürlich, was denkst du denn?“

Glaubt er ernsthaft, das alles geht spurlos an mir vorbei?

Anscheinend ist es genau das, was er denkt, denn plötzlich legt er die Stirn in Falten und wendet den Blick ab.

„Du musst wirklich nicht hier sein. Fühl dich nicht verpflichtet, nur, weil du zufällig dabei warst, als es passiert ist.“

Was?

„Ich bin doch nicht hier, weil ich es muss“, sage ich leise. Tai sieht mich weiterhin nicht an. Ist ihm meine Anwesenheit so unangenehm?

„Richtig, deshalb kannst du auch gerne gehen. Ich weiß sowieso nicht, warum du überhaupt noch hier bist.“

Ich beiße mir auf die Unterlippe. Mein Herz fällt und fällt und ich weiß, es wird gleich auf dem Boden aufschlagen und zerbrechen.

Nach gestern Abend … nach den letzten 7 Jahren, bin ich mir sicher, dass Tai mir keine zweite Chance geben wird.

„Ich kann verstehen, dass du sauer bist“, sage ich betrübt. Mir tut so leid, was ich gestern Abend gesagt habe. Wieso habe ich so kalt reagiert? Ich wollte mich vor meinen eigenen Gefühl beschützen, ohne dabei Rücksicht auf seine zu nehmen. Wie egoistisch von mir.

„Ich habe dich all die Jahre nicht von mir ferngehalten, weil ich dir damit weh tun wollte. Das wollte ich nie“, sage ich zaghaft. „Ich habe wirklich gedacht, dass es das Beste für dich wäre, wenn ich einfach aus deinem Leben verschwinde. Ich hatte keine Ahnung, wie sehr du unter meiner Entscheidung gelitten hast. Aber du weißt auch nicht wie sehr ich gelitten habe. Jedes Jahr an Weihnachten, wenn die Erinnerung daran zurück kam, wünschte ich mir, ich könnte die Zeit zurückdrehen und alles ungeschehen machen.“

Plötzlich schnellt Tai’s Kopf zu mir hoch. In seinen Augen blitzt Überraschung auf.

Ein wehmütiges Lächeln umspielt meine Lippen. „Mit dem Geständnis hast du wohl nicht gerechnet, was?“

Eine Träne rollt mir über die Wange. „Aber es stimmt.“ Nun beginne ich zu weinen, bitterlich. Ich breche förmlich vor Tai’s Bett zusammen und muss mich auf die Kante setzen. Mein Gesicht vergrabe ich in meinen Händen, während ich unaufhaltsam schluchze. Meine Schultern beben und ich spüre Tai’s Blick auf mir ruhen.

„Es tut mir so leid“, sage ich verzweifelt, als ich die Hände endlich wieder von meinem tränenüberströmten Gesicht nehmen kann. „Ich habe die ganze Nacht lang an deinem Bett gesessen und darüber nachgedacht. Du glaubst gar nicht, wie oft ich zu dir gehen und dich um Verzeihung bitten wollte.“

Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie doch Tai’s Finger in sein Laken krallen.

„Warum hast du’s nicht gemacht?“

„Ich fand es nicht fair dir gegenüber. Ich war sicher, du hast bereits damit abgeschlossen. Daher wollte ich mich nicht zurück in dein Leben drängen. Ich habe dich gehen lassen und musste mit den Konsequenzen leben. Aber ich habe es bereut. Jeden einzelnen Tag in den letzten 7 Jahren.“ Eine weitere dicke Träne rollt über meine Wange, als ich endlich eine Regung neben mir verspüre. Tai hat sich aufgerichtet und eine Hand auf meine Schulter gelegt.

„Nicht Tai, du sollst noch liegen bleiben“, fahre ich sofort hoch, aber Tai zieht mich zurück aufs Bett.

„Es geht mir gut“, sagt er mit ernster Stimme und ich schlucke schwer.

„Hast du eine Ahnung, wie dumm du bist, Mimi?“

Ich mache ein empörtes Geräusch und schluchze wie ein kleines Kind, während ich mir die Tränen aus den Augen reibe.

„Jetzt ist nicht die Zeit für Beleidigungen, Tai.“

Wie kann er nur so fies sein? Ich sitze vor ihm und weine und er beleidigt mich.

„Aber du machst mich so unfassbar wütend. Warum hast du mir das nicht eher gesagt?“

„Hast du mir nicht zugehört?“

Ich habe ihm doch schon gesagt, dass ich nicht zu ihm gehen konnte. Wie hätte ich das tun sollen?

„Ich dachte, du würdest mich zum Teufel schicken“, schluchze ich weiter. Die Tränen wollen einfach nicht aufhören.

„Oh, Mimi …“, haucht Tai, beugt sich nach vorne und legt seine Stirn gegen meine Schulter. „… ich könnte dich niemals zum Teufel schicken.“

Ich schlucke schwer. Ist das sein Ernst?

Als Tai wieder den Kopf hebt, sehe ich ihm direkt in die Augen.

„Wirklich nicht?“

Tai schüttelt den Kopf.

„Aber warum nicht? Ich hätte es verdient.“

„Hast du?“, entgegnet Tai und greift nun nach meiner Hand. Ich entziehe sie ihm nicht, auch nicht, als er unsere Finger miteinander verschränkt. Mein Herz beginnt zu schlagen – das erste Mal seit Jahren. Erst jetzt fällt mir auf, wie lang es doch geschwiegen hat. Mein Herz hat in dem Moment seine Stimme verloren, als ich Tai verlassen habe.

Und jetzt hat er es wieder zum Leben erweckt, einfach so. Als hätte es nur darauf gewartet, von ihm wachgerüttelt zu werden.

Ich spüre, wie es schlägt – lauter als je zuvor.

„Ich verstehe dich, Mimi“, sagt Tai und drückt meine Hand. „Du hattest Angst, dass, wenn du zu mir kommen würdest, ich dich so sehr verletzen könnte, wie du mich verletzt hast. Du dachtest, du könntest die Vergangenheit nie wieder rückgängig machen. Und weißt du was? Das kannst du auch nicht. Wir können die Zeit nicht zurückdrehen und die letzten 7 Jahre ungeschehen machen. Egal, wie sehr wir es wollen.“

Schweren Herzens nicke ich. Er hat so recht. Was geschehen ist, ist geschehen. Worte kann man nicht zurücknehmen, Taten nicht ungeschehen machen.

„Das einzige, was wir tun können…“, sagt Tai mit sanfter Stimme und hebt meine Hand an sein Gesicht, um sie an seine Wange zu legen. „… ist, die Zukunft zu ändern.“

Er schließt die Augen und genießt für eine Sekunde meine Nähe, während ich die Wärme seiner Haut auf meiner spüre. Wie lange habe ich davon geträumt, ihm nur noch ein mal so nah sein zu dürfen.

Als er die Augen wieder öffnet, treffen sich unsere Blicke.

„Willst du damit sagen, du gibst uns noch eine Chance?“, frage ich hoffnungsvoller als ich wollte.

„Ach, Mimi“, lacht Tai plötzlich auf und schüttelt ungläubig den Kopf. „Hast du mir denn überhaupt nicht zugehört? Ich würde uns 100 Chancen geben, immer und immer wieder.“ Er rückt näher an mich heran. Mein Herz beginnt wie wild zu flattern.

„Du bist alles, was ich will. Das warst du und das wirst du immer sein.“

Ich kann nicht glauben, dass er das gerade gesagt hat.

„Aber was ist mit … mit …“ Ich schlucke schwer. „… mit heiraten? Eine Familie gründen?“

„Nun“, meint Tai und lächelt plötzlich, als wäre es kein sensibles Thema und nicht der Grund, warum wir uns damals getrennt hatten.

„Alle Optionen sind offen. Ich bestehe auf nichts und verlange nichts von dir. Ich will einfach nur mit dir zusammen sein, Mimi.“

Ich bin zu Tränen gerührt. Tai’s Worte gehen mir direkt unter die Haut. Ich kann nicht fassen, dass das wirklich passiert. Ist es wirklich möglich, dass wir noch mal von vorn beginnen können?

Als Tai bemerkt, wie sprachlos mich seine Worte machen, grinst er. „Hey“, sagt er und wischt mir eine Träne von der Wange. „Hättest du mich damals gefragt, hätte ich dir genau das gleiche gesagt.“

Schweren Herzens müssen wir beide auflachen.

„Hör auf, das ist nicht die Zeit für Witze. Ich fühle mich so schon schlecht genug. Nur meinetwegen waren wir all die Jahre nicht zusammen.“

Tai legt den Kopf schief und sieht mich zweifelnd an. „Das würde ich so nicht sagen. Ich hätte auch mehr um uns kämpfen können. Mehr um dich kämpfen können. Ich hatte einfach Angst, noch mal zurückgewiesen zu werden.“

„Und die hast du jetzt nicht mehr?“, frage ich, während Tai noch ein Stückchen näher rückt. Unsere Finger sind immer noch miteinander verschränkt, als er mir ein Lächeln schenkt und den Kopf schüttelt.

„Nein, jetzt nicht mehr. Direkt, nachdem ich dich gestern das erste Mal wieder gesehen habe, wusste ich, du bist das Risiko wert. Also auch, wenn dieser Unfall jetzt nicht passiert wäre und du nicht selbst wieder zur Besinnung gekommen wärst, hätte ich spätestens heute vor deiner Tür gestanden und dich so lange genervt, bis du uns noch eine Chance gegeben hättest. Wahrscheinlich hättest du, stur wie du bist, wieder nein gesagt. Und ich wäre gezwungen gewesen, deine Wohnung zu belagern, bis mein unwiderstehlicher Charme dich eingelullt hätte …“

Wieder muss ich lachen. Wie kann er nach all dem noch Scherze machen?

„ … aber früher oder später wärst du eingeknickt, da bin ich mir sicher.“ Er zuckt mit den Schultern. „So ist es natürlich wesentlich leichter.“

Lachend wische ich mir die letzte Träne von der Wange und sehe ihn dann unverwandt an. Er hat es tatsächlich geschafft, mir ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern, obwohl ich eigentlich diejenige sein sollte, die ihn tröstet, denn schließlich hatte er einen Unfall.

„Du bist echt unglaublich“, sage ich, woraufhin Tai triumphierend grinst.

„Unglaublich toll?“

„Na klar.“

Ich boxe ihm gegen den Oberarm, doch ehe ich mich versehe, schnappt er sich mein Handgelenk und zieht mich zu sich.

„Wäre ein Kuss jetzt nicht angebrachter?“

Ich grinse. Das lasse ich mir nicht zwei Mal sagen. Ich lege die Arme um seinen Hals und küsse ihn. Als unsere Lippen sich berühren, erwacht endlich wieder etwas in mir zum Leben, von dem ich dachte, dass es für immer tot wäre. Schon jetzt weiß ich nicht mehr, wie ich es geschafft habe, die letzten 7 Jahre darauf zu verzichten.

„Hey, mal langsam, ja?“, meint Tai plötzlich, als ich mich auf ihn werfen will. „Ich hab eine Gehirnerschütterung.“

„Oh, tut mir leid“, entgegne ich sofort und lasse von ihm ab.

Tai grinst amüsiert. „Das war doch nur ein Witz. Komm her!“ Er legt eine Hand in meinen Nacken und küsst mich erneut, diesmal inniger.

Mein Herz beginnt zu flattern, als hinter uns mit einem lauten Ruck die Tür aufgerissen wird.

Wir erschrecken uns so sehr, dass wir beide auseinanderfahren.

„TAI“, poltert eine Stimme drauf los, die ich sofort erkenne. Tai’s Schwester kommt durch den Raum gehetzt und bleibt völlig außer Atem vor uns beiden stehen. Ungläubig sieht sie ihren Bruder an.

„Tai … du lebst …“

Dieser runzelt nur verwirrt die Stirn. „Natürlich lebe ich. Was soll die blöde … Au!“

Kari hat ihn geschlagen. Ziemlich unsanft auf den Hinterkopf.

„Verdammt, was soll das? Ich habe eine Gehirnerschütterung“, beschwert sich Tai lautstark, doch das beeindruckt Kari nicht. Ihrem Gesicht nach zu urteilen, ist sie ziemlich wütend.

„Wieso rennst du einfach so vor ein Motorrad, hm? Bist du lebensmüde? Du musst doch nicht gleich durchdrehen, nur weil Mimi …“ Ihr Blick wandert zu mir. „ … nur weil Mimi … Moment. Warte mal.“ Sie sieht mich an, als würde sie erst jetzt so richtig Notiz von mir nehmen. Argwöhnisch wandert ihre Augenbraue in die Höhe. Dann zeigt sie abwechselnd mit dem Finger auf mich und auf Tai.

„Habt ihr euch gerade geküsst, als ich reingekommen bin?“

Tai und ich sehen uns hilfesuchend an. Wir öffnen beide den Mund, doch finden nicht die richtigen Worte.

Zum Glück, steckt genau in diesem Moment Takeru den Kopf durch die Tür.

Seine Augen suchen nach Kari.

„Äh, Liebling? Das ist nicht der Kreißsaal“, sagt er verwirrt, als er sie entdeckt.

Moment.

Kreißsaal?

Wie auf Kommando fängt Kari an zu stöhnen. Takeru ist sofort an ihrer Seite, um sie zu stützen.

„Oh mein Gott, kommt das Baby etwa?“, ruft Tai und will schon aufspringen.

„Das siehst du doch“, jammert Kari und hält sich den Bauch, während sie die Wehe veratmet.

„Du machst das toll, Liebling“, sagt Takeru und streicht ihr über den Rücken.

„Wie, du bekommst ein Baby und hast trotzdem noch die Zeit, hier her zu kommen und mich zu maßregeln?“, fragt Tai fassungslos.

„Dafür habe ich immer Zeit.“ Kari presst fluchend die Augen zusammen und Takeru schiebt sie nun langsam aus dem Zimmer.

„Wir sollten jetzt wirklich gehen.“

„Wir sind hier noch nicht fertig“, meint Kari jedoch und zeigt anklagend auf uns. „Über den Kuss reden wir noch.“

„Welcher Kuss?“, höre ich Takeru noch sagen, als die Tür hinter ihnen zufällt.

Oh. Mein. Gott.

Fassungslos starren Tai und ich uns an. Dann müssen wir beide loslachen.
 

Ein paar Stunden später ist es tatsächlich soweit und Karis und Takerus kleines Baby ist da – ein kerngesunder Junge.

Da der Arzt Tai bereits untersucht hat und alles in Ordnung ist, besuchen wir die 3 kurz auf ihrem Zimmer.

„Oh mein Gott, er ist so wunderschön“, schwärme ich und bin völlig schockverliebt, als Tai neben Kari auf dem Bett sitzt und das kleine Baby in seinen Armen hält. Ich muss gestehen, er sieht wirklich gut aus mit einem Baby.

„Möchtest du ihn halten?“, fragt Kari und sieht mich an.

„Was? Oh nein, das muss nicht sein“, schüttle ich den Kopf, aber Tai drückt ihn mir einfach in die Hand.

„Stell dich nicht so an, Mimi. Es ist nur ein Baby.“

Nur ein Baby.

Nur ein Baby.

Nur das entzückendste, kleine Wesen, das ich je gesehen habe.

„Oh mein Gott, wer hätte das gedacht“, lacht Takeru plötzlich auf. „Seht sie euch an! Sie ist verliebt!“

Erst jetzt fällt auch mir auf, dass ich bis über beide Ohren grinse.

„Tja, Brüderchen. Da habt ihr euch gerade wieder vertragen und schon bist du abgeschrieben“, meint Kari und tätschelt Tai beruhigend die Schulter.

Als wir die beiden schließlich allein lassen, was mir wirklich schwer gefallen ist, und die Tür hinter uns schließen, lächelt Tai mich sanft an.

„Man“, sagt er fast schon ehrfürchtig. „Diesen Anblick werde ich wohl nie vergessen. Du sahst wunderschön mit einem Baby im Arm aus.“

Das Kompliment kann ich nur zurückgeben, aber das sage ich natürlich nicht, damit er nicht noch mehr abhebt.

„Wer weiß“, entgegne ich stattdessen, während wir über den Krankenhausflur in Richtung Ausgang gehen. „Vielleicht siehst du es ja irgendwann noch mal wieder.“

Abrupt bleibt Tai stehen. Ich drehe mich um und bemerke, dass er mich ungläubig anstarrt.

„Heißt das etwa, dass du … dass du vielleicht doch …“

Ein Grinsen umspielt meine Lippen und ich gehe auf ihn zu. Direkt vor ihm bleibe ich stehen und schaue zu ihm auf.

„Das heißt, dass Kari und Takeru vielleicht irgendwann noch ein Baby bekommen und ich es dann wieder so halten kann.“

Verwirrt blinzelt Tai. Doch dann fängt er sich schnell wieder.

„Oh ja. Na klar, das meintest du.“

Ich kichere. „Ach, Tai.“

Ich gehe auf die Zehenspitzen und lege beide Arme um seinen Hals. Jetzt scheint er noch verwirrter zu sein.

„Ich wollte dich nur auf den Arm nehmen“, gestehe ich lachend. „Ich könnte mir schon vorstellen, so etwas Schönes auch irgendwann mit dir zu haben.“

Man kann förmlich dabei zusehen, wie Tai’s Gesicht sich erhellt.

„Wirklich?“

Nun schlingt er ebenfalls beide Arme um mich und zieht mich eng an sich.

„Ja, wirklich. Aber … wir sollten nichts überstürzen. Alle Optionen sind offen, richtig?“

Tai nickt eifrig. „Richtig.“ Dann küsst er mich. „Du weißt, ich liebe dich. Und was du willst, das will ich auch. Denn ich will nur dich, Mimi. Das wollte ich schon immer und werde es immer wollen.“

Endlich schenkt er mir sein warmes Lächeln, das ich früher so geliebt habe. Das ich so vermisst habe in meinem Leben. Das mein Innerstes zum Leuchten bringt.

Ich will das auch alles. Alles und noch mehr. Aber vor allem will ich Tai.

„Für immer?“, frage ich und Tai nickt.

„Für immer.“

Ein Kuss besiegelt unser Versprechen, das wir diesmal nicht brechen werden, da bin ich mir sicher. Denn wie heißt es so schön?
 

„Was du liebst, lass frei.

Kommt es zurück, gehört es dir – für immer.“

Konfuzius


Nachwort zu diesem Kapitel:
Oh man, ein dickes Sorry geht raus! Klar ist Weihnachten längst vorbei, aber seit ich noch mal Mama geworden bin und nun zwei kleine Mäuse hier habe, spielt mein Leben ein wenig verrückt und es bleibt kaum Zeit für irgendwas. Aber bald geschafft, denn nun kommt nur noch ein Kapitel. 😉 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ok, keine Panik… ein Epilog kommt noch 😅 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Was lange währt, wird endlich gut 😊

Ich hoffe, es hat euch gefallen 💖 Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (13)
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Von:  Hallostern2014
2023-04-08T20:07:50+00:00 08.04.2023 22:07
Huhu Liebes ❤️

Endlich komme ich dazu das Kapitel richtig zu lesen und zu Kommentieren 😍

Beim Anfang dachte ich das sie viel länger bei ihn sitzen würde, aber zum Glück wurde sie ja schnell erlöst. Aber das hätte echt anders ausgehen können.

Ich finde es klasse das Tai und Mimi sich aber auch gleich wieder anzicken. Aber endlich sprechen sie sich in Ruhe aus. Und Mimi wurde klar was sie fast verloren hätte. Der Kuss 😍

Das Kari so rein platz vor Wut auf Tai war so lustig, vorallem wenn man in den Wehen liegt 🤣. Aber die Standpauke hat er sich verdient.

Hehe was ein Baby alles so berwirken kann oder ? Nun ist Mimi verliebt, Tai erst recht als er es sich vorstellt das es ihr Baby sei. Aber Mimi hat es nun zum Glück nicht ausgeschlossen, nicht mehr.

Was für ein schönes Ende 😍😍😍😍😍😍😍
Von:  Tasha88
2023-04-01T06:20:31+00:00 01.04.2023 08:20
💖💖💖
Sieben Jahre.
Schn, dass die Zeit hinter ihnen liegt.
Als. Takari Fan habe ich den kleinen Moment genossen.

Und dann das Baby 🥰
Dieser Moment, wo man ein Baby in die Hand gedrückt bekommt und sich schockverliebt, obwohl man damit noch rechnet, das kenne ich sich.

Ein schönes Ende 😍🥰
Danke dafür 😍
Und danke an die zwerge, dass sie dich die Geschichte zu Ende haben bringen lassen 😂
Ich kümmere mich jetzt mal um meine (Wut) zwerge.
Liebe Grüße
Tabea
Antwort von:  Khaleesi26
01.04.2023 09:16
Ich freu mich, dass dir das Ende gefallen hat 😍
Ich konnte auf den kleinen Takari Moment auch nicht verzichten 🥰

Bedank dich lieber bei meinem Mann, der hat mir heute Morgen beide Kinder abgenommen 😂 hab es grad so geschafft hochzuladen, bis die Babymaus sich wieder gemeldet hat 😂

Viel Erfolg noch mit den kleinen Wutzwergen😅😘
Von:  Hallostern2014
2023-03-28T18:36:39+00:00 28.03.2023 20:36
Huhu meine Liebe

Ich habe solche Tränen in den Augen gehabt, was für ein Ende. Da lässt Kopfkino mal wieder grüßen 😭😭😭😭

Aber erstmal zum Anfang....

Mimi weiß doch das sich Tai nicht so leicht abwimmel lässt, weg laufen war also zwecklos, das Gespräch ist ja aber auch mal wieder brächtig gelaufen. Aber so kennt man Tai wenn er was zu sagen hat dann sag er alles was ihn gerade auf dem Herzen liegt. Und Mimi ? Sie konnte nichts dazu sagen weil er recht hat und sie Angst selbst davor hatte was sie ihn antwortet deswegen der Schluss wo sie einfach geht.

Und was machst du ? Du lässt unsere Herzen und den von Mimi noch schneller schlagen. Ich hoffe er überlebt es und Mimi wird dann klar was sie wirklich für immer verloren hätte und gibt den beiden eine Chance.

Ich gespannt wann du uns Erlöst😭🙈
Antwort von:  Khaleesi26
28.03.2023 20:57
Ohje das tut mir leid 🥲 obwohl… genau das wollte ich ja auch erreichen 😅 wir werden sehen, ob die beiden noch eine Chance haben werden oder ob das Schicksal ein dramatisches Ende für sie geplant hat.
Von:  Tasha88
2023-03-27T07:31:49+00:00 27.03.2023 09:31
Keine Panik???!!!
Bei dem Ausgang?
....
Ähm... Ich hoffe, du lässt uns mit dem epilog nicht zu lange warten 😂
Sag den Zwergen, du musst dringend noch was erledigen 😂
Antwort von:  Khaleesi26
27.03.2023 10:15
Hab’s ihnen ausgerichtet 😂👌🏻
Von:  Hallostern2014
2023-03-12T20:19:47+00:00 12.03.2023 21:19
Huhu Liebes ❤️

Was für ein mega trauriges Kapitel 😭

Dabei war der Anfang doch so schön. Man hatte gemerkt wie sehr sie sich vermisst hatten.

Aber leider haben beide wohl wirklich nie darüber gesprochen was sie in der Zukunft wirklich alles wollen. Was für ein Schlag für Tai, er tat mir so leid. Er war voller Hoffnung.

Gerade deswegen war es wohl leider auch die Richtige Entscheidung von Mimi Schluss zu machen. Auch wenn es uns das Herz bricht. Und Tai sowie Mimi haben nie damit abgeschlossen. Das hat man auch gemerkt. Weder sie noch er sind in einer festen Beziehung. Er wollte sie eifersüchtig machen und sie hatte Angst ihn glücklich zu sehen.

Ich bin jetzt mehr auf das letzte Kapitel gespannt und hoffe auf ein Happy end für beide. Ich freue mich jetzt einfach schon darauf 😍
Von:  Hallostern2014
2023-02-02T20:32:27+00:00 02.02.2023 21:32
Da bin ich 😍

Lieber Babyzimmer als wo anderes 🤣.

Ohman es macht jetzt einen immer Neugieriger was damals los war. Ich schätze Tai hat ihr die Fragen aller Fragen gestellt. Und da Mimi aber lange weg war, war sie sich Nicht mehr so sicher.

Tai findet sie aber immer, er hat recht Mimi kann nicht einfach so weglaufen..

Also Tais Traum war eine Familie zu gründen, das denk ich jetzt jedenfalls nach Mimis Äußerung. Und dann die Frage🙈
Aber ich musste lachen als dann Kam das er keine blonden Models Kinder hat. So was kann auch nur von Mimi kommen 🤣
So aber er hat den Antrag gemacht jetzt bin ich mir sicher, sonst hätte er es doch nicht gesagt. Oder ? Aber schön das er es zugeben hat der er sie nur mit der Frau eifersüchtig machen wollte.

Oh man Tai, nun kommen mir auch die Tränen. Er liebt sie immer noch. Und kann wohl keine richtige Beziehung mehr führen weil es sich falsch anfühlt. Und Mimi ? Sie geht lieber auf Abstand um ihr Herz zu schützen aber vor was ? Wenn beide doch das selbe fühlen, dann ist es doch gerade dann richtig. Was ist bloß mit ihr passiert das sie sich zu selbst verletzt und Tai gleich mit

Ich sag es gerne wieder du machst es echt spannend 🤣
Ich bin sehr gespannt wie da weiter geht.. hoffentlich ist das nächste Kapitel das wo wir erfahren was passiert ist

❤️




Von:  Hallostern2014
2023-02-02T20:16:19+00:00 02.02.2023 21:16
Huhu Liebes

Oh man was für ein trauriger dennoch schöner Abschied. Man merkt wie stark die Liebe der beiden ist. Alleine weil Mimi den letzten Tag nur mit Tai verbringen wollte..

Um den Abschied nicht noch trauriger zu machen macht der Späße. Ich musste an der Stelle etwas schmunzeln, er ist ja so süß zu ihr 😍

Und dann der endgültige Abschied, aber was ist in dem Jahr passiert das beide nicht mehr zusammen sind ? Hatte sie ein festes Angebot bekommen und hat sich so gegen Tai entschieden?

Ich bin echt sehr gespannt was der Grund war.
Bis gleich im nächsten Kapitel 😍
Von:  Smileeveryday
2023-02-01T06:41:03+00:00 01.02.2023 07:41
Ein tolles Kapitel!😍 bin schon gespannt wie es weitergeht! Weiter so!🍀♥️
Von:  Hallostern2014
2022-12-23T21:22:26+00:00 23.12.2022 22:22
Oje, Mimi sollte sich das echt nicht antun..die arme 😥 der Typ scheint sie auch von Tai nicht ab zu lenken sonst würde sie ihn ja zuhören..Naja wir wissen ja warum sie Tai die ganze Zeit beobachtet.

Aber anscheinend hat der Typ seine ,, Arbeit " getan. Tai kam und ist der Retter in der Not. Er hatte sie wirklich die ganze Zeit beobachtet evtl dann wenn Mimi in ihrer Gedanken war und es nicht mit bekommen.

😍 und beide Tanzen wieder mit einander. Aber warum muss Mimi die Begleitung von Tai ansprechen.Sie scheint auch Mimi nicht zu kennen. Sie kann auch meintet wegen weg bleiben.

Oje, Tai will wirklich alles geklärt haben und auch den Grund wissen warum sie sich nicht gemeldet hat. Da merkt man doch wieder das er Mimi nicht vergessen hat..Sonst hätte er es nicht angesprochen..ich kann Mimi aber auch verstehen..Sie wollte Tai nicht noch mehr weh tun wie sie schon sagte.

Ich glaube das die Unterhaltung in die Richtung geht die Tai nicht wollte. Aber ich glaube er merkte schon das es Mimi weg tut von der Vergangenheit zu reden. Es macht einen immer neugieriger warum sie die Beziehung beendet hat.

Denn das beide die Trennung nicht verarbeitet haben hat man ja schon gemerkt. Aber in diesen Kapitel wurde es bei Tai noch deutlicher. Das Mimi geflüchtet ist, ist verständlich. Ich hoffe das Tai hinterher gelaufen ist..

Ich bin gespannt wie es weiter geht. Hoffe so sehr auf ein Happy End für die beiden 😍 aber ehrlich müsste man sich da bei dir keine Sorgen mache
Von:  Hallostern2014
2022-12-23T20:50:36+00:00 23.12.2022 21:50
Wieder ein kleiner Rückblick 😍

Es freut mich das Mimi sich gut wieder in Tokyo eingelebt hat. Und das sie sich mit Kari so gut anfreundet ist auch sehr schön.

Oje, da hatte sie aber kein gutes Bild von Tai gehabt. Naja das mit dem Brief hatte ja wohl seinen Grund. Er wollte Mimi und kein anderes Mädchen. Schade das es Mimi in den Zeitpunkt anderes sah. Das mit dem Schal war trotzdem genial 😂

Buh, sie trifft dann ausgerechnet auf Sora die Mimi vorher abgesagt hat weil sie mit Matt was machen wollte. Es war aber eine Lüge den sie ist mit Tai unterwegs. Klar das Mimi da was anders gedacht hatte. Zum Glück hatte sie aber Tai doch noch zugehört. Wie süß er da wohl stand und es ihr gebeichtet hat das er noch was für sie besorgen wollte. Das konnte ich mir sehr gut vorstellen wie er da so stand.

Tai ist echt verschossen in Mimi. Sonst hätte er es einfach sein lassen. Aber er meinte es die ganze Zeit ernst. Und ich glaube er hat sich gleich beim ersten Treffen sich in sie verliebt..Und das hat er wohl mit dem tragen des Schals bewiesen. Egal was andere sagen er will sie und wenn sie es ihn nur so glaubt dann halt so.

Schade das es schon wieder zu Ende ist. Aber mal sehen was mich im nächsten Kapitel erwartet 😍



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