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Die Wölfe des Nordlichts

von

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Das Medaillon des Windes

Sie sahen in der Ferne schwarze Punkte im Schneeteppich größer werden.

„Das sind Schattenmänner! Schnell ins Zelt mit euch, Frauen und Kinder! Männer, hier zu mir!“

Doch die zierliche Nukka hörte nicht auf den Befehl des Stammesältesten der Kalaallit und stürzte sich mit in den Kampf. Ihre drei Brüder waren, so wie sie alle, volljährig, und so kämpften sie Seite an Seite mit Kaskae dem Ältesten, ihrem Onkel und ihrem Vater. Die Gegner waren eine Bande von Räubern mit Messern bewaffnet und schwarze Wölfe befehligend. Ihre Haut war bleich im Gegensatz zu dem rötlichen Farbton, der die Kalaallit zierte. Beim Kampf zusammen mit den drei dunkelhaarigen Jungs baumelte etwas von Nukkas Hals und klimperte.

„Da ist das Medaillon!“, schrie einer der Räuber, die allesamt zu große schwarze Kapuzen trugen, schwarz wie das Fell ihrer Wölfe, sodass sie an Schatten erinnerten. Er deutete auf Nukkas Hals, an dem das Medaillon des Windes hing, mit dem sie das Wetter nach ihrem Willen ändern konnten.

„Darauf haben sie es also abgesehen“, erkannte der hochgewachsene Dakota mit den markanten Unterkiefer-Knochen und rief seinen Brüdern Miki und Denali zu: „Kommt her und beschützt Nukka mit mir! Miki, wir brauchen deine Wölfe!“

Doch der grimmig entschlossene älteste Bruder wollte nicht vom Kampf gegen die drei gegnerischen Wölfe lassen. Er war Anführer des Rudels von weißen Wölfen. Diese verfügten über die Magie des Eises. Ihre kalten Augen funkelten leuchtend-blau und sie schossen daraus blitzartig einen Eisstrahl auf die Schattenwölfe. Zwei von ihnen froren ein, sodass sie sich nicht bewegen konnten, geschweige denn ihre Feuer-Elementarkräfte verwenden.

Genau in diesem Moment gab es einen lauten Schrei und jemand riss Nukka bei den Händen weg von Dakota. „Ich hab sie! Rückzug!“ Dakotas Hand griff verzweifelt nach dem Handgelenk von Nukka doch verfehlten sie sich um Zentimeter. Unterdessen biss der übrig gebliebene schwarze Wolf den aufblickenden, auf Nukka fixierten Miki in das rechte Bein, und er schrie wie am Spieß. Und schon rannten alle Angreifer und Räuber zielstrebig Richtung Norden davon. Keiner der Kalaallit hatte noch Kraftreserven, ihnen zu folgen und sie hatten einige Verletzte zu beklagen. Und das schlimmste Schicksal erwischte den gerade erst volljährig gewordenen Schmied Yakon, der im Feuer der Schattenwölfe verbrannte und von dessen Leiche nurnoch verkohlte Knochen begraben werden konnten. „Möge das Eis deinen brennenden Körper kühlen“, sprach der alte Kaskae bei Yakons Bestattung. Die Geschwister hatten große Angst um ihre Freundin Nukka. Die Stimmung war zum Zerreißen gespannt. Da brach es aus Dakota heraus: „Das ist alles deine Schuld!“ schrie er Miki an. „Ich habe nach dir gerufen, als sie Nukka und mich bedrohten, aber du hast mir nicht gehorcht!“

Doch Miki drehte nur den Kopf weg und schaute wütend zu Boden. Plötzlich hörten sie einen Laut, der ihre Nackenhaare zu Berge stehen ließ. Es waren ihre Wölfe, die gen Nordlichter heulten. Sie schienen um Yakon und Nukka zu trauern, die sie aus ihrem Rudel verloren hatten.

Das Totem des Wolfsgottes

Die Schamanin Aga sammelte nach dem Kampf Heilkräuter, um die Verletzten zu versorgen. Miki rieb sich gedankenverloren das Rudel-Tattoo, das sie jedem 8-Jährigen in den rechten Handrücken brannten. Es zeigte einen Wolf mit blitzenden Augen. Sein Bein schmerzte wie die Hölle. Aga konnte nichts anderes mehr machen, als es zu amputieren - so schlimm war der Biss. Er erhielt eine Prothese, von seinem Vater aus Eisbär-Knochen geschnitzt

Unterdessen tröstete Dakota die kleine Yuri und hielt den Säugling Nadia in den Armen; die beiden einzigen nicht volljährigen Mitglieder ihres Stammes. Er spielte mit ihnen mit kleinen Moos-gefüllten Fellsäckchen. Der reuige Miki brachte mit gesenktem Haupt das Wolfsjunge Sakari, damit es die Kleinen etwas tröstete.

Unterdessen fischte Denali mit seinem Vater Innuk zusammen im eisigen Wasser. Denali hatte die Gewohnheit, für jedes Familienmitglied einen besonderen Fisch zu fangen. Die Frauen hingegen sammelten Preiselbeeren, während die Schamanin Aga ein Lagerfeuer entzündete - gar nicht so leicht bei der Kälte.

Auf Kaskaes Ruf hin versammelten sich alle beim Lagerfeuer, dankten dem Wolfsgott für ihre Speisen und begannen, herzhaft zu essen - sie waren alle sehr hungrig nach den körperlich anstrengenden Kämpfen. Nach dem Essen stand die Schamanin Aga auf und ging in Richtung des Totems des Wolfsgottes, das ein paar Meter neben dem Lagerfeuer aufgestellt war. Sie kniete nieder, bot einen toten Schneehasen als Opfer für ihren Gott dar und sprach ein langsames, trauriges Gebet. Und wie abgesprochen hielt der gesamte Stamm die Stille, bis sich Aga wieder erhob und zu ihnen setzte. Sie begann, eine Legende von dem eigentümliche Eisfuchs mit den Opal-Augen zu beschreiben, der Wanderern, die vorbeikamen, den rechten Weg wies. Weiter erzählte sie den Anderen, die wegen der märchenhaften Geschichten schläfrig wurden, von einem wundersamen Brunnen, den es in der Gegend geben soll, der Verletzte wieder heilte. Sie gab den Rat, danach zu suchen. Doch das Rudel schien sich im Stillen einig, dass das nur ein Hirngespinst von Aga war. Doch niemand widersprach, aus Respekt und um die Schamanin nicht zu beschämen.

Tiefe Nacht in Qaanaaq

Als sie am nächsten Tag weiterzogen, aus Upernavik weiter in den Norden, sahen sie unter nahen Bäumen eine Gestalt in schwarzem Kapuzenumhang verletzt liegen. Blut troff aus einer Wunde an seinem Oberschenkel. Sie erkannten ihn als einen derer, die sie tags zuvor angegriffen hatten, und gingen dementsprechend hart mit ihm um.

Als sie ihn verhörten, brachte er aus Ermüdung kaum ein Wort heraus. Sie verzichteten glücklicherweise auf Folter oder gar den Tod als Strafe, was sich als Segen erwies. Denn letztlich erfuhr der Stamm der Kalaallit, dass der Verletzte aus Mitleid mit Nukka versucht hatte, sie zu befreien. Doch er wurde erwischt, mit dem Messer aufgeschlitzt und ist ausgestoßen worden. Er konnte den 13 Mitgliedern des Rudels mit Informationen zu den Schattenmännern in den Kapuzen dienen: Ihr Aufenthaltsort war ganz im Norden in Qaanaaq und gut bewacht, darunter auch mit einigen Polar-Tieren. Wenn sie eine Chance hätten, dann bei Nacht, wenn alle schliefen.

Die Wölfe nahmen den Geruch der Kleider des Fremden auf und witterten so die Fährte der Räuberbande. Und so zogen sie von den Nordlichtern in Richtung der sogenannten „tiefen Nacht“ Qaanaaq.

Auf dem Weg stießen sie auf eine riesige Grotte und beobachteten das erhabene Gebilde ganz aus Eis. Die Schamanin Aga ging hinein. „Wartet hier.“ Nach wenigen Minuten ließ sie ihren Kopf am Eingang der Grotte sehen und sagte nur: „So, wie ich es mir dachte. Alle Verletzten hierher!“ Und tatsächlich gab es darin einen Brunnen, dessen seltsam dickflüssiges Wasser die Wunden all derer reinigte und heilte, die mit ihnen die Flüssigkeit berührten. Und sie fielen nacheinander auf die Knie und dankten dem Wolfsgott Alaska für ihre Unversehrtheit.

Bald darauf trafen sie auf unsicheres Terrain, der Eisboden wackelte unter ihren Füßen. Dakota, Denali und Miki gingen voraus, an nichts als die Befreiung ihrer Kindheitsfreundin denkend. Plötzlich gab es hinter ihnen einen kreischenden Schrei. Sie sahen gerade noch Kaskae zupacken, das Eis war gebrochen und die kleine Yuri wäre fast in das eisig kalte Wasser gefallen, was wohl ihren sicheren Tod bedeutet hätte.

Noch ganz schockiert über das, was passierte, registrierten die drei Geschwister, dass sich der Boden unter ihren Füßen bewegte. Die Eisscholle brach ab und trennte die Geschwister von dem Rest des Stammes. Zusammen mit den Wölfen Timber, Shila und dem Welpen Nookie. Die Anderen riefen und brüllten nach ihnen, doch die Scholle trieb weiter weg.

Als sie auf der anderen Seite von einer Art See angekommen waren, schritt der entschlossene Dakota direkt weiter Richtung Norden. „Sollten wir nicht auf die anderen warten?“, fragte Denali nachdenklich. „Nein, dafür ist keine Zeit! Wir müssen Nukka finden, bevor es zu spät ist!“ Eine Träne lief ihm die Wange hinunter, und er wischte sie an seinem Ärmel ab.

Es ist wie früher, dachte Denali. Dakota führt uns an und weist uns den Weg.

Ein Schneehuhn hatte seine Hinterlassenschaften auf Dakotas Kopf fallen lassen. Das ließ der sich nicht gefallen und wies die Anderen an, ihm Folge zu leisten. „Was hast du vor?“, fragten die Brüder. Er befahl dem experimentierfreudigen Denali, das Gatter zu den Wölfen Timber und Shila zu öffnen. „Tut das nicht! Wenn ihr erwischt werdet, wird euer Vater euch umbringen!“ rief ihnen die verängstigte Nukka zu. Doch sie hörten nicht hin. Denali ließ einen von ihm selbst aus Tierknochen geschnitzten Dietrich ins Türloch gleiten und öffnete das Schloss spielend leicht. Dann griff Dakota nach den Leinen der Wölfe und zog sie mit sich, bis die Schneehühner in Sichtweite waren. Dann ließ er sie auf die Vögel los. Fuchsteufelswild versuchten die Wölfe ihre gefiederten Feinde mit den Pranken zu erwischen. Schließlich sprang Yakon knapp 1,50 Meter hoch und verbiss sich dabei in das Schneehuhn, dass den Kopf seines Herrchens als Toilette benutzt hatte. Nur eines ihrer vielen Abenteuer als Jugendliche mit Dakota als Anführer.

Der Polarfuchs

Sie gingen den beschwerlichen Weg mit mächtig frostigem Gegenwind entlang. Er biss ihnen in die Gesichter, machte das Laufen schwer und erlaubte kaum 2 Meter Sicht. Nach einiger Zeit sah Miki etwas blitzen. „Hey, habt ihr das gesehen?“ - „Was denn?“ fragten Dakota genervt und Denali erstaunt. „Da war was. Direkt da vorne! Ein Leuchten!“

„Wir können jetzt nicht auch noch deinen Halluzinationen folgen, los, weiter!“ blieb Dakota stur. „Aber ich sehe es auch!“, gab der jüngste der Brüder zu verstehen. „Dort!“ Er zeigte mit ausgestrecktem Zeigefinger ungefähr Richtung Nordosten. Mit jedem Schritt sahen sie klarer. Es blitzte schneeweiß. Das war das Fell eines kleinen Fuchses, kaum größer als einen halben Meter, mit ebenso langem Schwanz und glänzenden Augen. „Das ist der Polarfuchs, von dem die alte Aga erzählt hatte!“ rief Denali begeistert. „Ach Quatsch, du hörst doch nicht etwa auf diese Märchen?“ entgegnete Dakota. „Aber die Grotte mit dem magischen Brunnen gab es auch!“

Da sie jedoch ohnehin nicht wussten, wohin sie gingen und die richtige Himmelsrichtung nicht ausmachen konnten, folgten sie wie in Trance dem Fuchs nach. Bis sie an einer Hügelspitze ankamen, vor der der Fuchs mit den paralysierenden Augen stehen blieb. Sie blickten hinab ins Tal. Hier war eine Siedlung auszumachen mit vielen angebundenen Wölfen. Ein angeketteter Eisbär brüllte und wollte nicht Ruhe geben, während drei, vier Männer um ihn herum ihm mit Peitschen zusetzten. Die Männer trugen allesamt schwarze Umhänge mit zu großen Kapuzen für ihre Köpfe - das waren die Räuber von vor wenigen Tagen!

„Ihr bleibt hier!“, befahl Dakota und warf sich eines der weißen Bärenfelle um, die die Wölfe getragen hatten. So war seine Silhouette kaum vom weißen Schnee zu trennen. Und er stahl sich hinab hinter ein hölzernes Häuschen und lauschte am Fenster, das einen spaltbreit offen war. Entsetzt hörte er einen Schrei, den einer weiblichen Stimme. Einer vertrauten weiblichen Stimme. Er war so erschrocken, dass er sich beinahe erzürnt zu erkennen gegeben hätte. „Ich will, dass du den aufkommenden Sturm mit deinem Medaillon zügelst!“, knurrte eine tiefe Männerstimme. „Verstanden? Wenn ich dich noch ein zweites Mal bitten muss, dann lasse ich dich ohne Kleider hinaus in den Frost. Und das willst du doch sicher nicht, oder?“

Dakota hatte genug gehört. Das rechte Ohr immernoch nur Zentimeter vom Fenster entfernt, zog er den Kopf wieder zurück und ging die Anhöhe hoch, zurück zu seinen beiden erstaunten, wartenden Brüdern. „Sie haben sie. Ich habe sie gehört. Sie haben sie gefoltert.“ Miki riss die Augen auf und Denali schrie: „Nein!! Worauf wartet ihr noch, lasst uns hinunter und sie befreien!“

„So sehr ich auch mit dir fühle, Bruder, es wäre leichtsinnig und naiv, jetzt da runter zu gehen“, entgegnete Dakota. „Wir warten auf die Nacht, wie der verletzte Kapuzenmann es gesagt hatte. Da sind an die 15 Wölfe plus ein riesiger Eisbär, dagegen können wir mit unserem Pärchen Eiswölfe und dem Welpen nichts ausrichten.“

Und so hielten sie abwechselnd Wache und warteten auf den Einbruch der Dunkelheit.

Fauchender Wolf

Dann kam die Nacht. Sie hatten besprochen, dass Miki bei den Wölfen wartete und auf sie aufpasste, während Dakota und Denali sich hinunterschlichen. Zu dritt oder gar noch mit den Wölfen im Schlepptau, würden sie zu sehr auffallen.

Auf Zehenspitzen tappten die beiden den steinigen Weg hinunter und gelangten hinter das Häuslein, an dem Dakota schon am frühen Abend gelauscht hatte. Alles war mucksmäuschenstill. Sie schlichen herum. Sie fuhren beide mit einem Schreck zusammen, als eine donnernde Stimme knurrte. Es war der schnarchende Eisbär. Er schlief zum Glück. Sie hielten dennoch aus Respekt einen Abstand von einigen Metern zu dem monströsen Tier ein und umliefen es. Dann durfte wieder Denali mit seiner Fingerfertigkeit das Türschloss austricksen. Als er es öffnete, blickten sie zwei Augen aus dem Türspalt heraus an. Zwei schöne haselnussbraune Augen. „Nukka!“ formte Dakota mit den Lippen und winkte sie zu sich. Ihre beiden Brüder hielten ihr die Tür auf. Doch als sie sich umdrehten, fauchte ihnen ein Wolf entgegen und wollte sie beißen, war jedoch zu weit entfernt angebunden. Dann bellte er laut. „Scheiße, der verrät uns noch! Schnell, weg hier!“ rief Dakota. Und alle Vorsicht fahren lassend, rannten sie die Anhöhe hoch zu Miki und entkamen schließlich auf den Rücken ihrer Wölfe.

Und sie waren noch nicht lange geflohen, da trafen sie auf das restliche Rudel. Weinend liefen ihre Eltern auf sie zu und umarmten ihre Ziehtochter Nukka fest. „Wir dachten schon, dir wäre was passiert!“

Auch unter Nukkas Augenlid zeigte sich nun ein Tropfen Tränenflüssigkeit. Da leuchtete das Medaillon smaragdgrün und plötzlich fing es an, zu nieseln. Als würde der Himmel ihre Gefühle widerspiegeln. „Wie kann ich euch dreien nur jemals danken?“ fragte sie. Doch Dakota gab ihr mit einem Wink zu verstehen, still zu sein und streifte ihr die Träne von der Wange. „Wir sind nicht dasselbe ohne dich.“



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