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Das höllische Hotel

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Das höllische Hotel

Wie von der Tarantel gestochen hetzte Luzifer durch die Flure des verfluchten Hotels. Er traute sich nicht, seine Flügel zu zeigen, um zu entkommen, denn er wollte den zahlreichen Dämonen und Höllenkreaturen, die hier wohnten, nicht noch einen Anlass bieten, ihn mit Hohn, Spott und Morddrohungen zu verfolgen. Alles was auch nur entfernt an ein reines, oder gar himmlisches Wesen erinnerte, hätten diese Biester bei lebendigem Leib zerrissen! Aber auch ohne die seidigen Rabenschwingen bot Luzifer genug Gründe, um eine Jagd auf sich herauszufordern: Er war im Verhältnis zu den meisten Bewohnern des Hazbin Hotels winzig mit seinen schmächtigen 166 cm und er war zu hübsch!

Er lief hier Höllenkreaturen in die Arme, die aufrecht gehenden Hunden, Spinnen, Schlangen oder Vögeln ähnlich sahen, Dämonen mit Fernsehern anstatt Köpfen, Klaviertasten anstelle von Zähnen, Uhrwerken als Organen oder rauchigen Gesellen, deren Körper sich nach unten hin in Nebel auflösten.

Zunächst war er mit der grausigen Erscheinung der Hotelgäste noch klar gekommen. Doch dann hatte ihn einer angesprochen und nach seinem Namen gefragt. Da fand Luzifer heraus, dass das einzige, das hier in diesem Höllenhotel noch mehr Aufruhr verursachte, als sein hübsches Gesicht, sein Name war. Mit ohrenbetäubendem Krakeelen ließ der Dämon, der den kleinen Italiener angesprochen hatte, das ganze Stockwerk wissen, dass sich ein Ketzer unter ihnen befand; ein Hoheitsverräter, der sich für seine teuflische Majestät persönlich hielt! Seit diesem Vorfall rannte Luzifer, denn irgendein Witzbold vom Zockertisch hatte sich das Vergnügen nicht nehmen lassen, ein Kopfgeld auszusetzen für denjenigen, welcher ihm das kleine lebensmüde Püppchen brächte, das so große Töne spuckte.

In seiner Hast und Panik hatte sich der Gargoyle inzwischen vollkommen verlaufen. Dieses Hotel war nicht nur von Teufeln bewohnt, sondern auch teuflisch verwinkelt! Allein durch seine Größe hatte er die Verfolger ein paar mal ins Leere laufen lassen können, indem er sich hinter hohen Vasen, in dunklen Treppennischen, hinter Vorhängen und Wandteppichen versteckte. So richtig sicher wäre er wahrscheinlich in einem Lüftungsschacht gewesen. Aber wenn die Hotelgäste schon Monster waren, wollte er die hier ansässigen Ratten und Spinnen lieber nicht kennenlernen. Nein! Er hatte nur eine Chance sich zu retten. Er musste denjenigen finden, der ihn hier her gebracht hatte!

Für einen Moment frei von Verfolgern, schlich Luzifer durch die blutroten Gänge auf der Suche nach ihm. Er hielt sich dicht an den mit filigranem Goldmuster verzierten Tapeten und huschte, wo immer es möglich war, von Deckung zu Deckung.

„Da ist er, Leute!“

Der Ausruf der unmenschlichen Stimme fuhr dem Gamer durch Mark und Bein. Sofort stürzte er aus seinem Versteck und rannte in die entgegengesetzte Richtung des Rufers. Darauf bedacht, auf dem langen Teppichläufer nicht zu stolpern oder zu rutschen, wetzte er um eine Biegung und bremste seinen Lauf scharf ab. In der Mitte des Flurs keine vier Meter vor ihm stand eine Gruppe der über zwei Meter großen Dämonen beisammen und unterhielte sich rauchend. Denen wollte er sicher nicht zwischen die klauen- und krallenbewehrten Beine laufen. Aber wohin dann. Er wich unsicher an die Kante der Biegung zurück. Es gab keinen anderen Weg! Und die tobsüchtigen Höllenwesen streckten schon ihre langen, dürren Finger nach ihm aus.

Der Gargoyle sank in die Hocke und verdichtete sich zu Stein. Sein Körper erstarrte zur wunderschönen, lebensechten Charoit Statue. Die goblinoiden Dämonen packten ihn und stemmten ihn zu sechst über ihren Köpfen in die Höhe, um ihn gackernd und schreiend davonzutragen. Luzifer wusste sich nicht besser zu helfen, als in dieser Gestalt zu verharren. So konnten sie ihm wenigstens nicht die Glieder ausreißen, oder ihm das Fleisch von den Knochen nagen mit ihren großen, spitzen Zähnen. Die Meute brachte ihn zu einem auf ungesunde Weise plüschig wirkenden Eulendämon mit Monokel und Umhang. Oder waren das seine auf dem Rücken gefalteten Flügel, die nur den Eindruck eines Umhangs erweckten, weil sie fast schwarz waren? So wie der Dämon auf seinem Stuhl hockte, wirkte er fast quadratisch mit seinen breiten Schultern und dem tief auf die Brust gesenkten Kopf.

Kaum war die Meute nahe genug heran, streckte er eine riesige dreifingrige Kralle aus und ergriff die Statue damit um die schmalen, violetten Schultern. Es klackte, als die verhornten Krallen auf die glatte Oberfläche des Edelsteins trafen.

„Ist er das? Er kam mir vorhin viel zappeliger vor.“, argwöhnte der Dämon und kam Luzifer mit seinem krummen Raubvogelschnabel bedrohlich nahe.

„Er ist es, Sir! Er ist es! Wir haben selbst gesehen, wie er sich verwandelt hat!“, beteuerten die Goblinoiden mit heraushängenden Zungen, geifernd nach ihrer Belohnung. Ein grauenvolles Quietschen erklang, als der Dämon seine Kralle fester um Luzifers steinernen Leib schloss und die rasiermesserscharfen Spitzen über die feine Oberfläche schabten.

„Wenn er es nicht ist, dann wird er sich auch nicht wehren, wenn ich die Statue zerstöre.“, schlussfolgerte der Eulendämon mit rauchiger Stimme und seine Augen begannen auf einmal weiß zu glühen. Luzifer gab seine Verteidigung auf und wurde in der Klaue des Monsters wieder zu Fleisch und Blut. Jetzt spürte er die Gewalt, die in dem Griff des Ungeheuers lag und ihn fast zerquetschte. Er bekam kaum Luft. Atemlos stieß er hervor:

„Ich bin es! Sie haben recht! Hör auf, du komischer Kauz! Tot bin ich nichts mehr wert!“

Ein Lichtblitz spiegelte sich in dem Monokel des Vogels und die gefiederten Backen kräuselten sich hinter dem scharfen Schnabel zu einem höhnischen Lächeln. Der Dämon warf den Gamer in die Arme der goblinoiden Meute zurück.

„Fesselt ihn. Dann kriegt ihr eure Belohnung.“

Unzählige kleine Hände griffen nach Luzifers schlanken Gliedern und schienen nichts an ihm unbetatscht lassen zu wollen, bis sie ihn mit Hilfe irgendwelcher Stofffetzen verschnürt hatten. Der Eulendämon öffnete mit der Klaue eine Truhe, die am Boden neben seinem Stuhl stand und die Meute warf Luzifer unsanft hinein. Dann wechselte ein Beutel den Besitzer und die kreischenden, gackernden Stimmen entfernten sich. Luzifers Atmung ging rasch und flach. Er musste die Beine anziehen, um in die Truhe zu passen. Wenn dieses Höllenvieh jetzt einfach den Deckel über ihm Schloss und mit der Truhe das Hotel verließ… Luzifer kam ja mit vielem zurecht, aber in den paar Stunden, die er jetzt in diesem Hotel verweilte, hatte er eines gründlich gelernt: Er wollte nicht in dieser Hölle bleiben!

„Mach das ja nicht, du Vogel! Ich gehöre zu jemandem, der dir den gefiederten Arsch bis zum Zäpfchen aufreißt, wenn ...“, an dieser Stelle verstummte Luzifers Schandmaul, weil der mörderische Schnabel der Bestie plötzlich direkt auf sein Gesicht zuschoss.

„Willst du einen Knebel haben, du Rohrspatz? Huh? Willst du?“, drohte die rauchige Stimme mehrere Oktaven höher als zuvor, was der Eule den Anschein von Hysterie gab. Luzifer drückte sich tiefer in die Truhe, im instinktiven Versuch, dem Schnabel auszuweichen, und schüttelte hektisch den Kopf. Der eulenhafte Kopf zog sich langsam wieder zurück und das Gefieder des Dämons glättete sich. Dann knarzte der Truhendeckel, als die Krallen des Biestes daran zogen, um sie zu schließen. Panisch bewegte sich Luzifer in dem engen Gefängnis, doch da hielt die Klaue inne. Der Dämon war angesprochen worden und für einen Moment abgelenkt. Luzifer sah einen pelzigen, dünnen Spinnendämon in weiß und pink. Die gewölbte Brust und die Attitüde ließen ihn weiblich wirken, aber die Stimme schnarrte einige Tonlagen zu tief. Luzifer hatte nicht die Ruhe und den Kopf, um dem Gespräch zu lauschen, sondern prägte sich die Details seines Gefängnisses ein, solange er noch Licht dazu hatte. Der Spinnendämon schien der Eule einen Deal aufschwatzen zu wollen, aber das Angebot machte den Eulendämon zunehmend ärgerlicher, bis er den anderen barsch wegschickte. Eingeschnappt stöckelte die Spinne davon, aber nicht ohne dem Undankbaren einen derben Fluch angedeihen zu lassen. Der hübsche Italiener starrte verängstigt in das aufgebrachte Raubvogelgesicht des Hotelgastes, bis jener den Truhendeckel endgültig schloss.
 

Luzifer begann augenblicklich damit, sich in seinen Stricken zu winden. Er war ziemlich beweglich und schmal. Dennoch dauerte es sehr lange und war anstrengend. Die Luft in der Truhe wurde immer schlechter. Luzifer stieß sich mehrfach den Kopf, die Schultern, die Knie, Hüfte und Ellbogen an dem massiven Holz, bis er endlich eine Hand aus dem Stoff gezerrt hatte. Der Rest war dann nur noch eine Frage der Zeit. Als alle seine Glieder wieder frei waren, suchte er mit den Fingerspitzen, nach der abgenutzten Stelle im Holz, die er sich gemerkt hatte. Er fand sie und kratzte daran herum, bis er vorsichtig einen langen Splitter herausgelöst hatte. Dann tastete er mit der freien Hand nach dem metallenen Schlüsselloch der Truhe und führte den langen Holzsplitter ein. Vorsichtshalber lauschte er auf die gedämpften Geräusche die von draußen kamen. Nichts Verdächtiges zu hören. Also machte er sich daran, das Schloss zu knacken.

Plötzlich fuhr ein Ruck durch die Truhe. Luzifer wurde schmerzhaft gegen die engen Holzwände geschleudert, zog aber gerade noch rechtzeitig den Kopf ein, bevor er sich wieder stieß. Als die Truhe wieder stillstand, wartete er noch einige Sekunden, bevor er weitermachte. Hastig tastete der Dieb nach seinem improvisierten Dietrich und musste frustriert feststellen, dass der Splitter im Schloss abgebrochen war. Mit einer fast übermenschlichen Engelsgeduld stocherte der Italiener mit dem erhaltenen Splitterende im Schlüsselloch, bis er den abgebrochenen Teil daraus entfernt hatte und versuchte dann erneut, das Schloss zu knacken.

Schließlich klickte es leise und der Deckel ließ sich anheben. Vorsichtig spähte Luzifer durch einen hauchdünnen Schlitz nach draußen. Jetzt hörte er die Geräusche um die Truhe herum wesentlich deutlicher. Er erkannte die Stimme seines Kidnappers, der sich am Rouletttisch in einem Spiel zu befinden schien. Und dann sah er ihn auch. Er hockte mehr als zwei Meter weit von der Truhe entfernt immer noch auf demselben Stuhl. Luzifer öffnete den Deckel ein Stück weiter und sah um die Ecken. Ein rot-schwarz-weißer Teufel, nur halb so groß wie der Eulendämon, saß auf einem Hocker direkt neben der Truhe und hatte seinen langen roten Schwanz darum gelegt. Der Eulendämon hatte die Truhe samt Inhalt offenbar als Spieleinsatz gesetzt und verloren. Danach war die Truhe dem neuen Besitzer zugeschoben worden. Der Imp schien glücklicherweise ganz in das Spiel vertieft zu sein und wähnte sich mit dem Schwanz um die Truhe seines Eigentums sicher genug, sodass er nicht bemerkte, wie Luzifer leise und vorsichtig seinem hölzernen Gefängnis entstieg und sich heimlich aus dem Staub machte.
 

Offenbar war inzwischen irgendwas los, weswegen sich so gut wie niemand in den Gängen aufhielt. Vielleicht saßen die alle an den Spieltischen oder in irgendwelchen Shows. Luzifer blieb jedenfalls relativ unbehelligt als er sich wieder auf die Suche nach Aeneas machte. Endlich glaubte er in einem sehr breiten Flur mit Fenstern auf der rechten und Flügeltüren auf der Linken Seite, einen bekannten strohblonden Schopf zu erkennen. Der lavendelfarbene Mantel und die hochhackigen schwarzen Stiefel mit den Schleifchen stimmten auch. Also nahm Luzifer seinen Mut zusammen und rief:

„Jack.“

Keine Reaktion. Luzifer schlich näher.

„Jack!“

Keine Reaktion. Luzifer fluchte.

„Jérôme!“

Die Gestalt am anderen Ende des Flurs verschwamm vor Luzifers Blick und plötzlich war der Gang leer.

„Was?! Gottverfluchter Sucker!“

„Du hast mich gerufen?“

Die hohe ätzende Stimme erklang knapp über Luzifers rechter Schulter. Vor Schreck machte der Gargoyle einen Satz nach vorne, blieb mit dem Bein an irgendwas hängen und fiel auf den blutroten Teppich des Hotels. Mit grimmiger Miene drehte sich der Italiener auf dem Fußboden um und starrte dem Franzosen ins bleiche Antlitz. Jérôme stand mit süffisantem Lächeln und spöttisch vornüber gebeugter Haltung auf einen albernen Spazierstock in schwarz und gold gestützt und blinzelte affektiert auf Luzifer herab, ohne ihm die Hand zu reichen oder sich dafür zu entschuldigen, dass er es gewesen war, der Luzifer mit seinem Stock zu Fall gebracht hatte.

Luzifer fluchte und rappelte sich auf.

„Toll gemacht, du Hohlzahn! Hast du den Bonzen gesehen?“, fragte er, als er wieder stand.

Jérômes süffisantes Lächeln erweiterte sich zu einem boshaften Grinsen, das seine beiden scharfen Reißzähne zeigte.

„Lass mich raten. Er sagte dir, du sollst im Zimmer bleiben, hab ich recht? Aber du bist natürlich ausgebrochen und streunst herum, nicht wahr? Du kannst einfach nicht hören. Aber so wie du aussiehst, hast du dafür schon einiges fühlen müssen, nehme ich an.“

Er packte Luzifer mit einer verblüffend schnellen Bewegung im Nacken und zog ihn nah an sich heran. Dann strich er ihm mit der Hand, die den Stock hielt, eine zerzauste lila Strähne zurecht. Sobald Luzifer kapiert hatte, was abging, stemmte er beide Hände von unten gegen Jérômes dünne Arme und drückte sie nach oben weg. Dann boxte er den Vampir vor die Brust, um nachdrücklich Abstand zu gewinnen.

„Hör auf mit dem Scheiß!“, herrschte Luzifer den Franzosen an, „Weißt du jetzt wo er ist, oder nicht?“

Aber Jérôme grinste nur weiter sein überlegenes Raubtiergrinsen.

„Weißt du, oben in der Welt magst du sein Schmuckstück gewesen sein. Aber in der Hölle, überlebt man nur, wenn man verrückt ist, abartig, blutgierig und hemmungslos triebgesteuert. Hier bin ich sein Prinz und du bist das dreckige, kleine Geheimnis, das man im Zimmer einsperrt. Gewöhn‘ dich lieber dran, sonst passiert dir noch was.“

Er griff nach Luzifers Gesicht und hielt ihn gewaltsam fest.

„Dein glattes Puppengesicht bringt dir hier nur den Tod!“, spöttelte er und lachte hämisch. Luzifer riss sich ein weiteres Mal los, obwohl es weh tat.

„Schön für dich! Hoffentlich vergisst er dich hier, wenn er übermorgen wieder geht, damit du es richtig genießen kannst!“, gab er ebenso hämisch zurück. Dem Vampir verging das Grinsen. Wutentbrannt hob er den Spazierstock, als wolle er Luzifer damit schlagen. Da gingen hinter dem Gargoyle die Flügeltüren auf und große, eindrucksvolle Dämonen strömten in den Gang. Luzifer hörte den Tumult und drehte sich um. Da war er! Zwei Türen von Luzifer entfernt trat Aeneas aus dem Konferenzsaal und richtete sich ein Jackett, das ziemlich gut ins allgemeine Ambiente passte.

Endlich!, dachte Luzifer und wollte auf den Paten zugehen, da erwischte ihn Jérôme von hinten mit dem Stock. Der Schlag stieß den Italiener brutal gegen die Wand, sodass er schmerzerfüllt knurrend mitansehen musste, wie der Vampir wie selbstverständlich an die Seite des Gorgonen stolzierte. Luzifer schluckte den Schmerz. Er hatte jetzt wichtigere Probleme. Der muskelbepackte, erfahrene Gorgone nahm sich zwischen all den Dämonen recht gut aus. Er bildete im Größenverhältnis ein solides Mittelmaß, und stand ihnen auch im Aussehen in nichts nach. Dennoch stach er für Luzifer deutlich aus der Menge hervor. Er musste ihn erreichen. Sich für seinen Ausbruch aus dem Zimmer entschuldigen und ihn bitten, dass er ihn dorthin zurückbrachte. Ärgerlicherweise hatte Jérôme nämlich mit allem was er gesagt hatte recht.

Tapfer ging der kleine Italiener auf seinen riesenhaften Gönner zu, schlängelte sich durch die sich bewegende Menge und wich langen Vogelstelzen sowie drängelnden Dämonen und knurrenden Höllenhunden aus. Die Angst, die ihn dabei beschlich, war kaum zu ertragen. Aber sie war nichts im Vergleich zu dem Gefühl, das ihn kalt erwischte, als er keinen Meter mehr von Aeneas entfernt stand und ansetzte seinen Namen zu rufen. Der Gorgone wandte ihm das weiße Gesicht zu. Ein brutaler Zug lag um seinen bleichen Mund. Luzifer erstarrte und fühlte die eisige Kälte der Zurückweisung in seine Brust sickern. Aber es war mehr als nur Zurückweisung, die er von den Zügen seines Gönners ablas. Es war blanke Ablehnung! Eine grausame Drohung! Der Ausdruck auf dem kalkweißen Gesicht wies Luzifer an, es bei Todesstrafe nicht zu wagen, Aeneas anzusprechen. Unter diesen Umständen war es für Luzifer natürlich nicht mehr sicher, sich überhaupt auf diesem Flur aufzuhalten. Eingeschüchtert und verängstigt trat er den Rückzug an und kauerte sich schließlich in eine Nische in einem verlassenen Sackgassenflur.

Verhurte Scheiße!, dachte er. Was jetzt? Er wartete. Doch dann überkam ihn die Angst, hier zurückgelassen zu werden, Aeneas überhaupt nicht mehr wiederzufinden. Er musste zumindest an ihm dran bleiben!

Glücklicherweise war Aeneas noch nicht weit gekommen, weil einige Dämonen das Gespräch mit ihm suchten. Jérôme schwänzelte, wie ein Schoßhund, um den Gorgonen herum, biss kleinere Dämonen weg und wurde dafür mit beiläufigem Handauflegen belohnt. Viele der großen, einflussreichen Höllenwesen, die an dieser Tagung teilnahmen, hatten Höllenhunde oder ein kleines Gefolge aus niederen Dämonen bei sich, sodass Aeneas ohne den Vampir tatsächlich an Status eingebüßt hätte. Luzifer verstand die Zusammenhänge, während er durch ein Treppengeländer hindurch dem Treiben zusah. Hätte Luzifer ihn inmitten der hochrangigen Mächtigen da unten angesprochen, hätte das dem Ansehen des Gorgonen schaden können. Es war genau, wie Jérôme gesagt hatte: Schönheit war verpönt. Und sich etwas Schönes zum Vergnügen zu halten, glich wirklich einem dreckigen, kleinen Geheimnis, das man besser versteckte.

„Du scheiß Arschloch. Warum hast du Wichser mich hierher mitgenommen?!“, fluchte der Gamer leise vor sich hin, während er den Paten inmitten all dieser furchteinflößenden Kreaturen im Auge behielt. Er schlich ihm mehrere Stunden nach, bis Aeneas endlich auch Jérôme entließ und schließlich alleine durch die Flure ging. Plötzlich erkannte Luzifer den Bereich des Gebäudes wieder, indem sie sich jetzt befanden. Hier war das Zimmer, in dem er hätte bleiben sollen!!

Aeneas blieb auf dem Gang stehen, schloss eine der Türen auf, die davon abgingen und trat hindurch ohne die Tür hinter sich wieder zu schließen. Luzifer nahm diese Geste als Chance. Dennoch rannte er und beeilte sich, durch die offene Tür zu flitzen, bevor es sich der Gorgone doch noch anders überlegte.
 

Luzifer fand Aeneas auf einem Bein am Boden kniend, wo er sich gerade die Schuhe auszog, um sie gegen bequemere zu tauschen. Wie von einer magnetischen Gewalt, bestehend aus Angst und Abhängigkeit, gezogen, lief der Gargoyle auf das riesenhafte, mythologische Monster zu und blieb erst kurz vor ihm stehen. Kniend war Aeneas gerade mal einen halben Kopf kleiner als der Italiener.

„Beeindruckend.“, grollte der Albino ohne aufzusehen und zog mit nahezu gewalttätiger Geste den Knoten seiner Schnürsenkel fest, „Du lebst noch.“

Luzifer folgte seiner ersten Eingebung und die vielen Jahre mit Aeneas ließen es genau die richtige sein. Zu oft hatte sich Luzifer für diversen Ungehorsam entschuldigen müssen, damit Aeneas ihn wieder in Schutz nahm. Die bloßen Worte waren restlos abgenutzt. Darum bedurfte es inzwischen eindrücklicher Gesten und kleiner Opfer. Er fiel vor seinem Gönner auf die Knie, legte die vergleichsweise zierlich wirkenden Hände auf dessen muskulöse Oberschenkel und kam dem Gesicht des Griechen mit Stirn und Nase entgegen. Aeneas reagierte sofort und senkte sein schlangenbewehrtes Haupt. Die schöne, glatte, von seidigem lila Haar überschattete Stirn Luzifers drückte sich, begleitet von schelmisch aufblickenden, violetten Edelsteinaugen, gegen die von tiefen Furchen durchzogene, kalkweiße, schuppige Stirn des Griechen. In der Hoffnung, die kleine Vertraulichkeit würde ausreichen, Aeneas daran zu erinnern, wozu er ihn bei sich behielt, verharrte der hübsche Kerl in dieser Pose. Als von Aeneas aber keine Reaktion kam, die Gnade signalisiert hätte, breitete Luzifer vorsichtshalber seine engelsgleichen Flügel aus. Das seidig glänzende, dunkle Gefieder raschelte leise und komplettierte Luzifers Erscheinung zu dem meisterhaften Kunstwerk, als das sein Bildhauer ihn einst geschaffen hatte.

Endlich atmete der Grieche schwer ein und nahm Luzifers Geste an, indem er ihm die enorme Hand in den schmalen Nacken legte und mit dem Daumen streichelnd über dessen langes Haar fuhr. Er war offensichtlich froh darüber, dass der kleine Idiot noch lebte, auch wenn er ihn bedenkenlos seinem Ruf in der Hölle geopfert hätte. Sein unbedachter Ausflug hätte deutlich schlimmer enden können.

„Warum hast du mich hergeschleppt?“, fragte Luzifer leise und trotz dieses seltenen, einträchtigen Moments vorwurfsvoll, „Die fressen mich hier.“

Aeneas drückte seinen großen, groben Adlerzinken gegen die kleine freche Stupsnase des Italieners und zuckte leicht mit der Schuppenlinie, die er anstelle einer Augenbraue besaß.

„Warum gehorchst du mir nicht?“, fragte er zurück.

Daraufhin behielten beide ihre Geheimnisse und Gründe für sich.

Luzifer befreite sich aus dem zärtlichen Griff des Gorgonen, bevor der riesenhafte Kerl womöglich noch zärtlicher wurde und setzte sich auf seine Fersen, wodurch ihre Oberkörper wieder Abstand zueinander gewannen.

„Noch zwei Tage im Zimmer ohne Konsole halte ich nicht aus, Mann. Ich muss was spielen, sonst werd‘ ich verrückt.“, murrte er verlangend. Aeneas band sich den Turnschuh zu Ende und meinte kaltherzig: „Für deinen Ungehorsam sollte ich dich bis zur Abreise ans Bett fesseln.“

„Vorschlag: Du darfst mich heute Nacht fesseln und besorgst mir dafür für den Rest der Zeit ne Konsole. Deal?“, versuchte es Luzifer anders. Aeneas lachte trocken.

„Wenn ich dich fesseln will, dann tue ich es. Dazu brauche ich deine Erlaubnis nicht.“

In diesem Moment wurden beide von einem seltsam unsteten, orangefarbenen Licht abgelenkt, das plötzlich den Raum erfüllte. Ebenso wie ein beißender Geruch nach Abgasen und Diesel. Aeneas stand auf. Luzifer starrte mit überrascht gehobenen Augenbrauen zur Tür. Der Dämon, der dort stand, hatte kein Gesicht im herkömmlichen Sinne. Es bestand aus schwarzem Qualm, in dem zwei gelb glühende Punkte die Augen und ein glimmender Schwaden den wütend verzogenen Mund anzeigten. Der orangefarbene Schein kam von den lodernden Flammen, die das pechschwarze Gesicht einrahmten und im Kragen der dunkelroten Lederjacke des Typen verschwanden. Auf der Jacke befanden sich Applikationen der Hells Angles. Zu dem Outfit gehörte außerdem eine lederne Hose, ebenfalls in dunkelrot, schwarze Motorradschuhe und schwarze Lederhandschuhe. Zumindest die linke Hand trug einen Handschuh, die andere war ein qualmendes Auspuffrohr. Als der Bikerdämon jetzt loskeifte klang seine Stimme wie Motorengeheul.

„Du hast einen Cherub hier eingeschleust?! Arbeitest du etwa für die Gegenseite?!?!“ Noch bevor ihm irgendwer antworten konnte wuchs in seiner Hand ein Teleskopschlagstock aus Metall in grotesker Übergröße. Luzifer wich routiniert an die hinterste Wand des Zimmers zurück. Bei dem was sich hier anbahnte, wollte er lieber nur Zuschauer, statt Beteiligter, sein.

„Beruhige dich Glan.“, forderte Aeneas ohne sich zu rechtfertigen.

„Beruhigen?! Drauf geschissen, Lefkitís! Ich hatte mir gerade überlegt, das Risiko mit dir einzugehen! Doch über dich Geschäfte in der Oberwelt zu machen! Obwohl wir dir dort hin nicht folgen können, um sicherzustellen, dass du uns nicht über‘n Tisch ziehst! Und jetzt finde ich dich hier mit …“, er gab ein Geräusch von sich wie ein abgewürgter Motor, der mit Maschinenöl gurgelt, „…einem abgefuckten Engel!“, das Heulen der Motorenstimme überschlug sich fast vor Ekel.

„Ich lege keinen Wert auf Geschäftspartner, die mich in meinen Privaträumen überfallen!“, wies Aeneas ihn zurecht. Der wandelnde Motorradunfall lachte auf. Es klang wie das Stottern eines Dieselmotors.

"Der Albino mit der schwarzen Seele, Pah! Der Teufelspaktierer! Der heißeste Draht für Geschäfte in der neutralen Zone! Wenn ich mit dir fertig bin, wird dein Ruf hier unten so gründlich ruiniert sein, dass du dich nicht mal nach deinem Tod wieder hier runter traust!“, drohte Glan und schwang bedrohlich den ausgefahrenen Schlagstock. Die Flammen, die seinen Kopf und Hals bildeten, spiegelten sich flackernd in dem blanken Metall.

„Aber zuerst rotte ich das heilige Geflügel aus!“, heulte er und spurtete auf Luzifer los. Er war unheimlich schnell, als würde er wirklich von einem Motor angetrieben.

Aeneas sprang ihm mit einem Satz in den Weg und fing den Schlag ab. Der Motorraddämon prügelte wie von Sinnen auf den Griechen ein, während aus seinem Auspuffarm vermehrt schwarzer Qualm austrat und dem Gorgonen die Sicht nahm. Er erkannte Glans Position nur durch dessen lodernde Flammen und konnte den Schlagstock nur deshalb immer wieder mit bloßen Armen abwehren, weil das orangefarbene Licht das Metall aufblitzen ließ. Nur der besonderen Beschaffenheit seiner Augen hatte es Aeneas zu verdanken, dass er sie nicht tränend zukneifen musste, bei all dem Qualm. Ganz im Gegensatz zu Luzifer, der in der hinteren Zimmerecke erbärmlich zu Husten anfing, aber dann in seine Edelsteinform wechselte.

Der Kampf bewegte sich durch das ganze Zimmer und zerstörte die erstaunlich liebevoll arrangierte Einrichtung. Durch Glans Eigenart schwelte bald das Bettzeug, kokelte der Vorhang und qualmte der Teppich, Vasen zerbrachen, Glühbirnen zersprangen und Teile der Tapete färbten sich schwarz vom Ruß.

Aeneas fing einen Schlag ab, der ihn rückwärts gegen einen Beistelltisch stolpern ließ, der unter seinem Gewicht splitternd an der Wand zerbarst. Glan nutzte die Gelegenheit sich wieder auf Luzifer zu stürzen. Doch Aeneas spurtete ihm nach und packte den Kragen der Lederjacke, wodurch seine Finger tief in die Flammen eintauchten. Er zog den Dämon zurück und schleuderte ihn zu Boden, bevor der natürliche Hitzeschutz seiner dicken, ledernen Haut von der Lohe aufgezehrt wurde. Dann trat er Glan mit dem Fuß auf die Brust, um ihn unten zu halten. Die Dielen des Zimmers fingen Feuer. Glan lachte röhrend auf und riss sich die Jacke auf. Eine Stichflamme schlug Aeneas von der blanken Brust her entgegen und er musste zurückweichen. Der Dämon kam wieder auf die Beine und setzte Aeneas mit erhobenem Schlagstock nach. Aus seinem schwarzen Gesicht strahlte das hämische Vergnügen eine Existenz zu zerstören, egal auf welche Weise. Aeneas sprang ihm entgegen, mitten in die Flammen und ergriff mit der Rechten den Schlagstock. Er zog die Waffe herunter, drehte Glan den Rücken zu, klemmte dessen Waffenarm unter dem Bizeps ein und verdrehte das in schwarze Leder gehüllte Handgelenk, bis es knackte und den Schlagstock losließ. Sofort riss der Grieche den Stahl aus den schlaffen Fingern, nahm ihn in beide Hände und zerbrach ihn an den Teleskopgliedern in mehrere Einzelteile, die er dann achtlos fallen ließ. Glan knatterte erbost und hob seinen Auspuff um damit zuzuschlagen. Aeneas tauchte mit einiger Mühe unter dem Angriff weg, packte den Dämon an den dunkelroten Ärmeln seiner Lederjacke und verdrehte sie hinter Glans Rücken, sodass der Motorraddämon gründlich festsaß. Vor Ärger ließ er seine Flammen noch stärker lodern und Aeneas musste das Gesicht abwenden, bevor die Gläser seiner Designerschutzbrille sprangen. Mit Gewalt zerrte er seinen lichterloh brennenden Gegner mit sich ins Bad, drückte ihn vornüber in die Wanne und hielt ihm schließlich den Wasserstrahl der Brause über den Kopf. Der Motorraddämon zischte, dampfte und schrie. Erst stieß er derbe Verwünschungen und Drohungen aus, dann aber flehte er kläglich, Aeneas solle aufhören, Gnade walten lassen. Er versuchte sogar zu verhandeln.

„Das … lass uns darüber reden … ich schwöre … ich sage niemandem etwas …“, gluckerte und gurgelte er verzweifelt. Aber der Grieche hörte nicht auf, bis an Glan kein einziger Funke mehr glühte. Selbst seine Augen und sein Mund erloschen. Erst als er komplett zu Asche zerfallen und als schwarzes Rinnsal im Abfluss verschwunden war, ließ Aeneas von ihm ab. Jetzt war nur noch die Lederkleidung und das leblose Auspuffrohr von Glan übrig. Aeneas würde sie schnellstmöglich entsorgen müssen. Im Hazbin Hotel jemanden umzubringen war ganz und gar nicht okay!

Wortlos trat der Hüne aus dem Badezimmer und schätzte das Maß an Zerstörung im Zimmer mit den Augen ab. Es war ein rußfleckiges, schwelendes Trümmerfeld.

"Du brennst.", bemerkte Luzifer trocken. Die Hände tief in den Taschen seiner kurzen Gammlerhose, kickte er ein gebrochenes Tischbein zur Seite und stellte sich lässig neben den wesentlich Größeren. Aeneas sah an sich herunter und bemerkte, dass sein Hemd über der Brust und an den Ärmeln Löcher aufwies, deren glimmende Ränder immer mehr des dunklen Stoffes fraßen. Gemächlich knöpfte er das teure Kleidungsstück auf, knüllte es zusammen und warf es dort auf den Boden, wo die Dielenbretter Feuer gefangen hatten. Anschließend fütterte er die auflodernden Flammen mit diversen brennbaren Trümmerstücken der Einrichtung, bevor er zum Hörer des Hoteltelefons griff und Jérômes Durchwahl eingab.

Kurz darauf stolzierte der Vampir durch die noch immer geöffnete Tür ins Zimmer. Interessiert betrachtete er das Chaos und die zwei Gestalten, die auf dem brennenden Boden herum saßen, wie um ein Lagerfeuer. Auf Aeneas‘ Anweisung hin schloss der Vampir die Tür und setzte sich dazu.

„Wir müssen die Reste loswerden. Jackdaws Geschwindigkeit ist der Schlüssel, aber er kann das Hotel nicht verlassen. Vorschläge?“, fasste Aeneas den Grund ihres kleinen, intimen Kriegsrats zusammen. Glans Überreste lagen neben ihm auf dem Boden. Jérôme besah sich den kleinen Haufen und schnupperte daran. Plötzlich zeigte sich auf Luzifers unheilvoll beleuchtetem Gesicht ein teuflisches Lächeln, das beinahe sofort zu einem verschlagenen Grinsen wurde.

„Ich habe einen Vorschlag. Aber nur im Tausch für eine Konsole!“
 

Als Glan am nächsten Tag nicht zur Tagung erschien, interessierte das niemanden, außer der Hoteldirektion, die den Vermissten suchen ließ. Überall, wo Glan am Vortag noch gesehen worden war, wurden die Zimmer, Koffer und Schränke durchsucht, wofür sich Charlie tausendfach entschuldigte und jedem Gast, der dadurch belästigt wurde, einen Präsentkorb hinterließ. Aeneas meldete die Verwüstung in seinem Zimmer am frühen Morgen als nächtlichen Anschlag des Motorraddämons. Luzifer und Jérôme bestätigten gegenseitig ihre Aussage, Glan wäre in das Zimmer eingedrungen, hätte Luzifer für einen Cherub gehalten und rasend vor Zorn das Zimmer zerlegt. Luzifer sei dem Anschlag nur mit knapper Not entkommen, indem er es geschafft habe, auf den Gang und in Jérômes Zimmer zu fliehen, wo ihn der Motorraddämon nicht mehr gefunden hätte. Dass Aeneas, nach dessen eigener und Luzifers Aussage, zur fraglichen Zeit nicht in seinem Zimmer gewesen war, bestätigten zahlreiche Unbeteiligte, die den Gorgonen im hoteleigenen Fitnessstudio trainieren gesehen hatten. Damit steckten die Ermittlungen erst einmal fest, aber Charlie dankte den Dreien für ihre Aussagen und schenkte ihnen Gutscheine für das Buffet.

Zwei Tage später gewann erneut jemand eine Holztruhe von dem Eulendämon am Roulettetisch. Doch als der Gewinner sie triumphierend öffnete, lag darin die Bikerkleidung und der Auspuff des verloschenen Motorraddämons Glan. Der Eulendämon war Charlie ohnehin schon negativ aufgefallen, weil der arme, kleine, hilflose und verängstigte Gargoyle mit den lieben Augen ihr ganz nebenbei von der Hetzjagd quer durch das Hotel berichtete, die der Dämon auf ihn veranstaltet hatte. Prompt wurde der Verdächtige festgesetzt und so bald wie möglich der zuständigen Dämonenhoheit vorgeführt, die über den Fall Recht sprechen sollte. Zu dieser Zeit befand sich Aeneas mit seinen Jungs längst wieder in der Welt der Lebenden.

Ein geiles Geschäft

Wie immer dämpfte der Teppichboden auf den Fluren des Stripclups das Auftreten der kräftigen Großechsenstampfer. Das Rasseln der Edelstahlkette, welche der abgerissenen Jeans als Gürtel diente, klang dagegen umso deutlicher durch den Gang mit den Garderoben der Darsteller. Getrocknetes Blut klebte an einigen der Kettenglieder, als würde dieser Gürtel auch als Waffe benutzt. Nur der lange, mit stachelartigen Auswüchsen besetzte Teufelsschwanz folgte den Bewegungen seines Trägers vollkommen lautlos. Die zerfetzte schwarze Lederweste über dem schmuddeligen, grauen Unterhemd knarzte dagegen bei jedem Schritt. Definierte, muskulöse Oberarme in sattroter Haut ragten daraus hervor. Sie liefen in von dicker Echsenhaut gepanzerten Unterarmen aus und endeten in spitzen Klauen. Das Biest war von den Fingern bis zur Schwanzspitze großflächig mit schwarzen Mustern tätowiert. Über einem Mund voller spitz zulaufender, knochenfarbener Zähne blickten ein gelbes und ein blaues Auge grimmig in die Gegend und versprachen, was die nach vorn gekrümmten Hörner auf der Stirn zu halten bereit waren. Dieses Prachtexemplar eines Triceratops Dämons hörte auf den Namen Rhip Bosswell und arbeitete seit knapp 9 Jahren als Valentinos Broker.
 

Als Rhip noch lebte und Rhea hieß, hatte sie im zarten Alter von vierzehn Jahren vorsätzlich ihren Bruder ermordet und war ins Jugendgefängnis gekommen. Dort hatte sie sich schnell angepasst und zurecht gefunden, bis sie schließlich als „Besorger" von Dingen eine fest etablierte Größe in der Knastgemeinschaft darstellte. Sie hatte dort sogar ein Mädchen gehabt. Ein intrigantes kleines Ding, das immer auf der Suche nach der stärksten, einflussreichsten Sugarmommy war. Rhip musste sie oft verprügeln, weil sie fremdvögelte oder einen Streit vom Zaun brach, den Rhip dann für sie schlichten musste. Für jede dieser Untaten ritzte Rhip der Kleinen mit einer Scherbe ein „R“ tief in die milchweiße Pfirsichhaut. Doch letztendlich war dieses Mädchen die Ursache für die Messerstecherei gewesen, in der Rhip ihr 28 Jahre junges Leben verlor.

Als sie in der Hölle erwachte und sah, was aus ihr geworden war, gefiel ihr das gar nicht schlecht. Es spiegelte ihr standhaftes und latent gewalttätiges Wesen recht gut wieder, fand sie. Außerdem hatten sich ihre Brüste, die sie seit ihrem elften Lebensjahr nervten, in stramme Brustmuskeln verwandelt, was ihr non binäres Körpergefühl optimal unterstützte. Rhip fühlte sich als Höllenwesen in ihrer neuen roten Echsenhaut so wohl wie nie zuvor und ihre Fähigkeiten verschafften ihr auch gleich den idealen Job.
 

Ein sexy gekleidetes Stripperpaar begegnete dem Triceratops Dämon auf seinem Weg. Das Mädchen war einen Kopf kleiner als Rhip und kurvig gebaut mit langen, weißen Zöpfen und frechem rundem Gesicht. Der Junge war ebenso klein, aber drahtig mit schulterlanger, schwarzer Rasterfrisur. Mit geschmeidigen Bewegungen wichen sie zu den Seiten hin aus, nur um ihre geschickten Hände über die muskulösen, dornenbesetzten, blanken Schultern des rot- und schwarzhäutigen Mitarbeiters gleiten zu lassen, als er zwischen ihnen hindurch stapfte. Neckisch zogen sie an ihm und hielten ihn auf.

„Hey Rhip.“, säuselte sie.

„Wohin des Weges?“, fragte er.

„Kommst du zu unserer Show heute Abend?“, erkundigte sie sich.

„Sag Bescheid, wenn du wieder flüssig bist, ne.“, bat er.

„Ja, wir vermissen deinen ...“, grinste sie anzüglich ohne den Satz zu beenden. Er strich mit spitzen Fingern über Rhips stählernen Gürtel aus Kettengliedern und die Geschwister verfielen in lautstarkes, dreckiges Lachen.
 

Loly und Popp, zwei schwarzweiße Skunkdämonen, die gemeinsam auftraten und damit die Fantasie der bisexuell interessierten Kundschaft beflügelten. Mit ihren niedlichen, frechen Gesichtern gaben sie sich auf der Bühne oft als verirrte Kinder aus und machten auf Hänsel und Gretel im Sündenwald. Sie verkauften sich gut, sodass sie auf ein privatsexuelles Zubrot nicht unbedingt angewiesen waren. Aber Rhip war ein gut zahlender Stammkunde.
 

Der Triceratops Dämon lächelte schmallippig und breitete die massigen Arme aus, um die Klauen gewaltsam in die Wände zu bohren, sodass den beiden, wie mit Schranken, der Weg abschnitten war. Die Geschwister sahen sich für einen Moment unsicher an. Dann setzten sie ihr einschmeichelndes, künstliches Stripperlächeln auf.

„Aw, nu‘ werd‘ doch nich‘ gleich sauer, Ho‘t. Wir lieben dich, das weißt du.“, versuchte Popp zu deeskalieren.

„Yeah, solange du hier bist, wissen wir wenigstens, dass wir auf unseren Absatz kommen.“, frotzelte seine Schwester frech, schmiegte sich aber aufreizend an Rhips Seite, um sie zu beschwichtigen. Rhip hatte die beiden bei der Planung der von Valentino gewünschten Events und Shows immer auf dem Schirm, dafür sorgten die beiden durch regelmäßige nächtliche Besuche, seit ihnen aufgegangen war, dass ein Dreier mit Geschwistern offenbar genau Rhips Fetisch war.
 

„Yeah, Ho‘t.“, klinkte Popp ein und küsste Rhip zärtlich auf die Wange, „Always there to taking your breath and stealing your mind.“, säuselte er ihr ins geneigte Ohr. Loly nahm den Faden auf und fuhr fort, die Textstellen eines Songs aus ihrer Show zu rezipieren.

„We are everything you ever want.“, wisperte sie sinnlich und drückte ihre Möpse an Rhips harte Brustmuskeln.

„And everything you ever need.“, vervollständigte der Bruder, indem er mit tänzerischer Präzision seinen Schritt am muskulösen Oberschenkel des Triceratops Dämons rieb.

Rhip nahm die Hände von der Wand und stieß die beiden unsanft von sich. Die Skunks fauchten empört und warfen Rhip beleidigte Blicke nach, als sie ihren Weg wortlos fortsetzte. Nach ein paar Schritten zwinkerte der rote Dämon den beiden allerdings über die breite Schulter hinweg obszön zu.

Die geldgierigen Avancen der beiden verfehlten ihre Wirkung nicht, aber der Broker hatte ein Ziel und einen straffen Zeitplan. Und außerdem war Rhip für den Monat schon wieder pleite.
 

„Hör auf, Racky! Ich hab nicht vor, dir ans Bein zu pissen! Lass mich verfickt nochmal los!“, drang es halb erstickt aus Angel Dusts Garderobe.

„Das will ich dir auch geraten haben! Du abgefrackte Schande! Und nenn‘ mich nicht Racky, dickshit! Bleib mir aus der Sonne, oder ich füll‘ deinen breitgefickten Nuttenarsch mit Blei, kapische!“

Es krachte und klirrte laut. Rhip blieb etwa einen Meter entfernt von der angelehnten Garderobentür stehen. Sie hörte Angel Dust husten. Kurz darauf wurde die Tür aufgerissen und ein winziger, schwarzer Spinnendämon stampfte hochgradig schlecht gelaunt aus dem Raum. Er war unheimlich dürr, ging vornüber gebeugt und trug einen schwarzen Fedora Hut mit grauem Hutband.

„Was glotzt du so? Kümmer‘ dich um deinen Scheiß!“, fuhr er Rhip an, während er an ihr vorbei stapfte. Rhip sah ihm grimmig nach und bog dann in Angels Garderobe ab.
 

Der hochgewachsene, flauschige Pornostar in pink und weiß lag in den Trümmern und Scherben seines Schminktisches am Boden und zerrte sich hustend eine dünne Stola vom Hals. Er war mit dem pinken Plüsch offenbar gewürgt worden, denn darunter war das Fell scharf eingeschnitten.

„War das ein Freier? Die sollen doch nicht in die Garderoben kommen. Fuck, Angel. Valentino flippt aus, wenn er davon erfährt.“

„Halt‘s Maul!“, heulte die Drag Queen mit kratziger Stimme auf.

„Scheiße! Wie soll ich denn so singen?!“, jammerte sie weiter, während sie aufstand und sich vor den Resten eines Spiegels das weiße Fell glatt strich. Dann begann Angel unter verzweifelten Tränen zu lachen. Seine schmalen Schultern bebten.

„Soll ich ihn beim Chef melden? Du weißt, dass er es nicht ab kann, wenn jemand seine Ware verprügelt.“, bot Rhip in einem Anflug von Sorge um den Sexarbeiter an. Doch Angels Lachen wurde nur schmerzlicher.

„Du meinst, wenn jemand außer ihm selbst das tut?! Verpiss dich, Rhip! Das eben war gar nichts.“, flüsterte der Spinnendämon und wischte sich über die Augen.

Rhip atmete in der stickigen Luft der Kammer tief ein. Dann meinte sie:

„Der Boss schickt mich. Er hat dich für die Show heute Abend im Hazbin eingeplant.“

Angel fuhr erschrocken zu Rhip herum, die aber ungehemmt weitersprach.

„Er meint, wenn du da eh ständig rumgammelst, kann dein dürrer Arsch damit auch ein paar Kröten verdienen.“

Die Drag Queen brach bei dieser Eröffnung völlig entseelt auf dem Boden zusammen. Rhip sah ungerührt auf sie herab.

„Ging es etwa darum vorhin? Die Konferenz im Hotel? Sollst du dich da nicht blicken lassen?“, fragte sie trocken.

„Halt‘s Maul.“, wisperte Angel gebrochen, während er entgeistert vor sich hin starrte. Rhip kickte ein angebrochenes Lippglossfläschchen über den Boden und war froh, dass sie ihre eigenen Probleme hatte.

„Sieh zu, dass du hier aufräumst, bevor der Boss davon Wind bekommt.“, sie warf ihm einen kleinen Plastikbeutel mit Drogen in den Schoß, „Kleine Aufmunterung vom Chef. Du sollst denen ne gute Show liefern. Der Club kann ein paar hohe Tiere mit dem Arsch voller Geld gut brauchen.“

Damit ließ Rhip das Häuflein Elend allein, das sich an die Drogentüte klammerte, wie ein Ertrinkender an einen Strohhalm.
 

-
 

Rhip befand sich seit knapp vier Monaten in der Zwickmühle, der Diener zweier Herren zu sein. Zum einen hatte sie sich von Valentino unter Vertrag nehmen lassen. Zum anderen hatte sie diese unsägliche Abmachung mit dem Baron von Tross! Für Valentino organisierte sie Events, Partys und Shows, damit er sich auf seine hintergründigeren Geschäfte konzentrieren konnte. Er zahlte gut, aber dennoch stand Rhip am Ende des Monats immer mit leeren Taschen da. Das fing damit an, dass Valentino meinte, er müsse sie immer zur Hand haben, darum sei es zweckdienlich, dass Rhip dauerhaft ein Zimmer im Stripclub bezog. Die Miete wurde ihr vom Lohn abgezogen, war aber recht billig. Was ihr zum Monatsende hin immer die Taschen leerte, das war das Warenangebot, mit dem sie hier auf engstem Raum lebte. Valentino hatte sie genauso an den Eiern, wie jeden seiner Mitarbeiter. Nur dass er Rhip nicht mit Drogen an sich fesselte, sondern mit Nutten. Die Verlockung war so groß, dass der Triceratopsdämon trotz seines guten Gehalts bei Valentino schon tief in der Kreide stand. Schließlich arbeitete sie seit ihrem Auftauchen in der Hölle für ihn, also seit knapp neun Jahren. Der Mottendämon hatte offenbar die Gabe, sofort zu erkennen, was für Talente jemand besaß und sich die besten Stücke zu holen, wenn sie noch ganz frisch waren. Rhip hatte nun mal das Talent, Dinge zu besorgen und war leicht zu händeln, wenn man ihr fürs Bett nur genug Ablenkung verschaffte. Was könnte sich ein Sünder mehr wünschen?
 

Die Antwort auf diese Frage fand Rhip, als sie dem Baron begegnete. Denn als er den starren Blick seiner Vogelaugen auf sie richtete, erkannte Rhip, dass sie den Großen und Mächtigen der Hölle lieber nicht auffallen wollte. Bei Baron Anatol Luciowitsch von Tross kam dieser „fromme“ Wunsch jedoch zu spät. Der Albatrossdämon fragte Valentino nach ihr und bot ihr dann immer wieder lukrative Jobs gegen Gefälligkeiten an. Diese Gefälligkeiten wurden schnell immer persönlicher. Für Rhip blieb er nichts als ein Job oder Auftraggeber, aber was Valentino dazu sagen würde, dass sie auch für Tross arbeitete, wollte sie lieber nicht wissen.
 

Daher steckte sie nun in einer brisanten Zwickmühle. Sie hatte die Konferenz der Höllenwesen mit den schlimmsten lebenden Dämonen der neutralen Zone auf Wunsch des Barons organisiert. Einerseits wollte sich der Vogel bei Lucifer einschmeicheln, indem er dessen Tochter half. Die Konferenz würde dem sinnlosen Hotel der kleinen Charlie jede Menge Prestige und Aufmerksamkeit verschaffen, denn wenn die großen Tiere dort gastierten, brachten sie natürlich auch eine Menge Gefolge mit. Das Hotel würde zum ersten und wahrscheinlich auch zum letzten Mal bis oben hin ausgebucht sein. Vollgestopft mit Sündern, an denen die Prinzessin ihr geschmackloses Konzept herantragen konnte, in der Hoffnung, dass der ein oder andere vielleicht einsichtig wurde. Für sie war es eine Werbestrategie. Für Tross war es auf mehreren Ebenen eine politische. Denn mal abgesehen von der Einschleimerei bei der Obrigkeit, hatte er wirkliches Interesse an einer Zusammenkunft all dieser Geschäftsleute. Das Hazbin Hotel brauchte er als Tagungsort, um die sterblichen Gäste nicht der direkten Gefahr der Hölle auszusetzen. Er hatte es da nämlich auf ganz bestimmte Individuen abgesehen, die er wirklich nicht von irgendeinem namenlosen Lump aus Langeweile abgeschlachtet haben wollte! Im Hoheitsgebiet von Lucifers kleiner Prinzessin würden sich diese Barbaren zumindest zurücknehmen! So weit der Plan des Barons.
 

Schwierig würde es für Rhip in dem Moment, wenn sie Valentino erklären müsste, warum und für wen sie ein dermaßen riesiges Projekt leitete! Darum beschloss sie, sich auch von Valentino für genau dasselbe Projekt anheuern zu lassen. Sie musste es ihm nur schmackhaft machen. Also erzählte sie ihrem Boss von gewissen Interessen, die seit Kurzem unter den betuchteren Gästen des Stripclubs aufkamen. Konferenzen hochrangiger Geschäftsdämonen, wo sie sich beschnuppern, sich bespitzeln, bestehlen und wenn nötig ausschalten konnten, oder aber sich geschäftlich zusammentun. Das sei aber nur ein Vorwand, um sich ein wenig Unterhaltung und Abwechslung zu verschaffen. Neben den wirtschaftlichen Kriegshandlungen seien solche Events natürlich eingerahmt von Shows, Bars, Spielen und anderen Vergnügungen. Dies sei natürlich die optimale Gelegenheit auch Valentinos Einfluss massiv auszuweiten, wenn er für dieses spezielle Rahmenprogramm verantwortlich zeichnete, träufelte Rhip ihrem Chef das süße Gift in die Ohren. Er brauche dafür nichts weiter zu tun, als seinen Gästen bei Gelegenheit Rhip als hervorragenden Eventmanager zu empfehlen.
 

Da Valentino nicht erst seit gestern in der Hölle war, wollte er natürlich sofort wissen, was Rhip denn dazu brächte, sich so für sein geschäftliches Vorankommen zu interessieren. Aber auch darauf hatte Rhip eine Antwort. Sie erwähnte verschmitzt grinsend, dass sie natürlich eine fürstliche Provision erwarte, und die Tilgung ihrer Schulden bei Valentino um mindestens 90%. Er lachte sie aus. Dann zog er an seiner Zigarette. Eine gefährlich lange Pause entstand, in der Rhip ernsthaft überlegte, abzuhauen. Schließlich stieß er den roten Rauch seiner Kippe wieder aus. Der Dunst schoss auf Rhip zu und bildete unmittelbar vor ihrem Gesicht eine drohende Hand. Doch die rauchigen Finger strichen nur anerkennend über Rhips Gesicht, bevor Valentino sie auf 40% Tilgung herunterhandelte und auf den Deal einging.

Natürlich saß am nächsten Showabend der Baron von Tross bei Valentino in der Loge und ließ sich bereitwillig Rhip als Projektmanager der von ihm ins Auge gefassten Konferenz vorschlagen.
 

Die nächste Schwierigkeit hatte dann aber unerwarteterweise darin bestanden, Charlie von dem Vorhaben zu überzeugen. Sie war sehr skeptisch, ob sie wirklich all diese hochkarätigen Geschäftemacher in ihrem Hotel haben wollte und Vagatha stimmte ihr da rigoros zu. Es war die Einäugige, die nicht müde wurde, Charlie in den wildesten Farben auszumalen, wie schlecht diese Idee für das Hotel sei und wie überfordert auch das Personal damit wäre. Rhip wandte ein, dass sie für das nötige Personal sorgen würde, alles auf Kosten des Initiators, der Charlies Sache sehr unterstützen würde. Charlie zweifelte. Vaggie schimpfte. Dann betrat Alastor die Bühne und erkundigte sich mit unschuldigem Grinsen, was hier besprochen würde. Rhip sah in der Überzeugungsgewalt des Radio Dämons ihre Chance und holte ihn umgehend mit ins Boot. An Geld war der Gute nicht interessiert, aber als Rhip ihm im Stillen erklärte, es kämen auch Sünder und Dämonen aus der neutralen Zone, da wurden die rotschwarzen Hirschohren hellhörig.

Höllenbewohner und Sterbliche zusammengepfercht in einem Hotel, das voller Versuchungen sein würde. Wie unterhaltsam! Man könnte fast Wetten darüber abschließen, wie viele der sterblichen Gäste es am Ende der drei Tage wieder zurück in ihre Welt schaffen und was wohl Interessantes mit denen passieren würde, die hier in der Hölle hängen blieben. Alastors Gesicht verdunkelte sich vor grausamem Vergnügen und sein Grinsen zeigte nicht mehr nur seine gelben Zähne, sondern auch sein schwarzes Zahnfleisch, so breit wurde es. Rhip wurde ganz anders im Magen, aber sie spürte, dass dieser Ausbruch dämonischer Energie gut für sie war. Schlagartig hellte sich Alastors Miene wieder zu der des freundlichen Moderators auf, bevor er sich vorbeugte und Rhip den dürren Arm um die dornenbesetzten Schultern legte.
 

„Ich kann sagen, meine maskuline Freundin, wir sind im Geschäft!“, meinte er heiter und hielt ihr die Hand hin, „Mit Vergnügen sorge ich für den Presserummel und für die Werbung. Abgemacht?“, beim letzten Wort bekam seine Stimme wieder einen besonders dämonischen Touch und der Raum füllte sich mit grünem Licht, Nebel und schwarzen Schatten. Rhip betrachtete kurz die dargebotene Hand, sah dem Radio Dämon anschließend ins breit grinsende Gesicht und hob müde eine ihrer gekräuselten Augenbrauen.

„Ich bin vielleicht nicht seit 1933 hier, aber ich hab meine Hausaufgaben gemacht, Verehrtester. Behalte deine Hände mal schön bei dir. Sieh lieber zu, dass du die Prinzessin überzeugt bekommst. Was nach der Konferenz mit den Gästen passiert, ist mir bumms.“

Alastor zog gut gelaunt die Hand zurück, auch diejenige, welche um Rhips Schultern lag, und lachte freudig auf.

„Das überlass mal ruhig mir.“, meinte er selbstsicher und streichelte seine Vintage Mikrofonstange.
 

Er schaffte es nicht nur, Charlie zu überzeugen. Nein. Als sie Rhip anrief, um zuzusagen, war sie vor Euphorie fast hysterisch. Alastor hatte ihr die glorreichsten Möglichkeiten vor Augen geführt, ihr das Ganze als fantastischen Spaß verkauft, der das Ansehen ihres Hotels explosionsartig steigern würde. Die Leute würden kommen, weil sie gute Unterhaltung erwarteten und bleiben, weil das Hotel sie überzeugen würde. Nach dieser Tagung würde sie auf einen Schlag hundert neue Klienten haben, die ihr Konzept ausprobieren wollen würden. Wer könnte zu einer kostenlosen Unterkunft, die so viel Abwechslung bot, schon nein sagen?

„Ja, wer könnte das?“, stimmte Rhip teuflisch lächelnd zu und hakte die Location als erledigt ab.
 

-
 

„Hey Boss.“, meldete sich Rhip bei Valentino, der gerade dabei war, eine Mitarbeiterin zurecht zu stutzen.

„Stör mich jetzt nicht. Du siehst doch, ich arbeite.“, knurrte die Motte über das gedämpfte Schluchzen der Prostituierten hinweg, die vor ihm in einer Zimmerecke kauerte und sich die blutende Wange hielt. Rhip erkannte darin die unverwechselbare Handschrift ihres Arbeitgebers. Valentinos pelzgefütterter roter Mantel war geöffnet, aber er drehte der Tür, in der Rhip lehnte, den Rücken zu, sodass sie nicht sehen konnte, ob der Zuhälter plante, die ungehorsame Nutte gleich zu vergewaltigen. Rhip merkte, dass sie bei dieser Vorstellung selber heiß wurde und am liebsten mitgemacht hätte. Verdammte Sexsucht!

„Ich bin jetzt für ne Weile weg. Treffe den Baron im Hotel, um zu sehen wie‘s läuft. Heut‘ ist der erste Tag.“, erklärte sie kühl.

„Ja, ja, ist gut. Verschwinde. Ich komm in einer Stunde nach.“, murmelte er über die schmale Schulter hinweg, während er sich mit der rechten Hand seines oberen Armpaars an der Wand abstützte und mit der linken seines unteren Armpaars brutal in die bereits völlig aufgelöste Hochsteckfrisur der Tänzerin griff, die verzweifelt wimmerte.

„Und mach die Tür zu!“, befahl er Rhip noch, als die sich vom Türrahmen abstieß. Der Triceratopsdämon tat wie geheißen. Dann verließ er den Club und wartete an die Hauswand gelehnt auf seine Mitfahrgelegenheit.
 

Die Limousine des Barons ließ nicht lange auf sich warten. Rhip war allerdings froh, dass Tross nicht darin saß, sondern den Wagen nur geschickt hatte, um sie abzuholen. So konnte sie auf der Fahrt noch einmal in Ruhe ihre Checklisten durchgehen. Sie hatte an alles gedacht und alles hatte mehr oder weniger reibungslos geklappt. Einer der Caterer war kurz vor dem Ereignis ermordet und gefressen worden. Tja, dumm gelaufen. So was passierte in der Hölle jeden Tag. Die Ironie an der Sache war allerdings nicht von schlechten Eltern.

Rhip telefonierte zwei Ausweichfirmen durch und beide erklärten sich bereit einzuspringen, allerdings nur, wenn der jeweils andere den Auftrag nicht bekäme. Rhip entschied, die beiden das unter sich auskämpfen zu lassen und lud sie unwissenderweise beide zu einer Vorbesprechung ein. Sobald sie kämen, würde sie die zwei Rivalen zusammen einsperren und demjenigen den Auftrag geben, welcher am Ende noch lebte. Sie grinste als sie aufgelegt hatte. Manchmal war das echt ein geiler Job!
 

Eine knappe Stunde später stapfte Rhip durch die von Alastor famos hergerichtete Eingangshalle des Hotels. Huskers Bar war erweitert worden und er hatte einige heiße Barmädchen zur Unterstützung dazubekommen, was ihn allerdings nicht weniger mürrisch, faul und apathisch zu machen schien. Rhip sah, wie er mehr sich selbst als die Gäste mit Spirituosen bediente, aber da es noch früh am Vormittag war, bemerkten es die Säufer gar nicht, die an der Theke noch halb ihren Rausch der vergangenen Nacht ausschliefen. Offenbar waren viele der erwarteten Gäste schon früher angereist. Niffty lief Rhip zwischen die Beine. Die winzige Feuerzyklopin war hyperaktiv bestrebt darin, jede herunterfallende Ascheflocke der unzähligen Zigaretten aufzufangen, noch bevor sie den Teppich berührte!

Rhip fluchte. Dann erinnerte sie sich daran, dass Angel Dusts Besucher heute Morgen nur unwesentlich größer gewesen war als die Zwergzyklopin. Wie zum Fick hatte es dieser kleine, dürre Kerl eigentlich geschafft, Angel derartig zu vermöbeln, dass hinterher der ganze Schminktisch in Trümmern lag? Über dieses Mysterium nachgrübelnd, lief sie einem gut gelaunten Radio Dämon vor die Brust. Beziehungsweise weniger vor die Brust, als in den Stock, denn damit lenkte Alastor im letzten Moment Rhips Hörner zur Seite, bevor sie ihm damit den Brustkorb perforieren konnte.

„Hoho, so in Gedanken? Sind wir nervös?“, fragte er grausam und mit blecherner Stimme lachend. Rhip trat einen Schritt zurück und sah das kleine Stück an ihm hoch. Ihr Schwanz schnitt ärgerlich durch die Luft. Fuck, sie hasste dieses Hotel!

„Wer soll hier nervös sein?!“, fragte sie mürrisch und rief sich ins Gedächtnis, das alles wie geplant ablief. Alastor neigte sich wie zu einer Verbeugung vor und zeigte dann aber galant mit seinem Stab auf zwei Personen, die ein Stück abseits in der Halle vor einer Sitzgruppe zusammenstanden.
 

Es waren Vaggie und Charlie. Vaggie wirkte in der Tat sehr angespannt, redete aber unaufhörlich "beruhigend" auf Charlie ein, die vor Euphorie und Tatendrang fast platzte. Als sie Rhip entdeckte, sprang die Prinzessin so leichtfüßig und fröhlich auf sie zu, dass es den Triceratopsdämon nicht gewundert hätte, sie auf einem Regenbogen oder auf Wolken durch den Raum fliegen zu sehen. Völlig entartet…, dachte Rhip bei sich. Charlies strahlendes Lächeln blendete in den Augen und sie schien eine brandneue Galauniform zu tragen. Jetzt erst fiel Rhip auf, dass sie sich vielleicht auch dem Anlass entsprechend hätte kleiden können. Aber andererseits, wer würde schon auf sie achten? Sie hatte die ganze Chose lediglich organisiert. Außerdem interessierte sich der tätowierte Dämon kein Stück für solchen Kram.
 

„Rhip! Ich darf doch Rhip sagen oder?“

Rhip zuckte desinteressiert die Schultern.

„Es ist so schön dich zu sehen. Die Vorbereitungen sind fabelhaft gelaufen. Ich bin allen ja so dankbar für all die Unterstützung. Ich habe es im Gefühl, diesmal wird alles anders! Diesmal bewirken wir wirklich etwas!“

Sie legte Rhip vertraulich beide Hände auf die Schultern und zog sie verlegen lächelnd sofort wieder zurück, als sie sich an den spitzen Auswüchsen daran stach. Doch gleich darauf straffte sie ihre Gestalt und atmete tief durch, um ihren eigenen Enthusiasmus ein wenig zu dämpfen.

„Was ich sagen will ist, Danke. Mit Männern wie dir… oh, ich meine, mit Frauen… da fällt mir ein, bevorzugst du eigentlich eher „er“ oder „sie“ als Anrede? Ich fürchte, ich habe dich das nie gefragt. Wie unaufmerksam von mir. Entschuldige.“, verlegen strich sie sich durch die ordentlich in einem Zopf organisierten Haare. Rhip wurde die Energie dieses Mädchens zu viel. Sie zuckte erneut die breiten Schultern und antwortete reserviert:

„Das ist mir völlig gleich. Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest, Hoheit, ich hab‘ noch zu arbeiten.“, und mit Blick auf den amüsiert hinter Charlie stehenden und lauschenden Alastor fügte sie hinzu: „Viel Erfolg mit eurem... Rehabilitierungs... -kram.“ Charlie lächelte glücklich. Alastor grinste. Und Rhip suchte das Weite.
 

Inzwischen sollten alle Gäste ihre Zimmer bezogen haben. Die erste Zusammenkunft würde in einer knappen Stunde beginnen. Um zu checken, ob im Konferenzraum alles funktionierte und bereit war, stapfte der Broker nun genau dort hin. Außerdem war er dort mit dem Baron verabredet. Der Albatrossdämon war allerdings noch nicht da, was Rhip regelrecht erleichterte. So hatte sie Zeit, die Stühle, Gläser und Getränkeflaschen durchzuzählen sowie die bereitgelegten Blöcke und Stifte. Sie prüfte, ob der Helltop mit dem Projektor verbunden war und ob beides einwandfrei funktionierte. Dann spielte sie darüber ein kurzes Video ab, um sicherzugehen, dass auch der Ton ging. Es war ein 20 minütiger Pornofilm mit Angel Dust in der Hauptrolle, den sich irgendein Witzbold beim Aufbau der Anlage heruntergeladen haben musste. Angels Schauspiel war wirklich sehenswert und stand in hartem Kontrast zu dem verzweifelt zusammengebrochenen Stück Elend, das sich heute Morgen in den Trümmern seiner Garderobe an die Drogen geklammert hatte, wie ein Ertrinkender. Nach acht Minuten inniger Lutschgeräusche, die einwandfrei aus den Lautsprechern drangen, wechselte der Tonstrang zu erregtem Atmen und wenig später zu ekstatischem Fluchen und Stöhnen. Angels Darbietung war hochgradig artifiziell, doch gerade deswegen so heiß, dass Rhip die Augen nicht davon lassen wollte. Was man aber auch mit vier Armen alles anstellen konnte…
 

„Störe ich?“, kam es auf eine elegante Weise anzüglich von der Tür. Rhip sah unwillig auf und erkannte den Baron, der hinter sich die soeben geöffnete Tür zum Konferenzraum wieder schloss.

„Da bist du ja endlich. Was hat so lange gedauert? Konntest du dich nicht zwischen all den affigen Anzügen entscheiden, die zweifellos in deinem begehbaren Kleiderschrank hängen?“, frotzelte der Trizeratopsdämon respektlos.

„Um ehrlich zu sein, legt mir mein Zimmermädchen die Anzüge raus.“, gab der Baron freimütig zu und klang dazu auch noch in sympathischer Weise überheblich.

„Was machst du da, Herzchen?“, fragte er anschließend interessiert und trat auf seinen langen, kräftigen Vogelstelzen zum Kopfende des Tisches. Er sah sich das Video allerdings in der Projektion auf der Leinwand an, statt sich wie Rhip stehend über den Tisch zu beugen, um den Bildschirm des Helltops zu begeiern.

„Ich check die Technik.“, antwortete sie trocken, ohne den Blick von der Pornohandlung abzuwenden. Baron Anatol grinste hinter seinem Schnabel verschmitzt.

„Die Technik hier im Raum, oder seine Technik?“, fragte er präzisierend und deutete mit einem Kopfnicken auf Angel Dust, der gerade in spektakulärer Weise vier Männer gleichzeitig dazu brachte, auf und in ihn abzuspritzen. Im Hintergrund des Videos lief leise einer von Angels eigenen Songs. Es war „Do what you want with my body“.

„Beides.“, hielt ihm der Broker ungeniert entgegen, „Was geht‘s dich an? Sag mir lieber ob deine Oberweltgäste alle heil hier rüber gekommen sind!“

Rhips dünnes, graues Unterhemd kaschierte ihre harten Nippel nur unzureichend, was der Baron natürlich sofort bemerkte. Seine Augen leuchteten in dem weiß gefiederten Gesicht rot auf und jagten blitzende Reflektionen über die zahlreichen Piercings in seinen dünnen, schwarzen Augenbrauen.

Sich anwanzend, stützte er die Hände links und rechts neben Rhip auf die Tischplatte und neigte sich zu ihr herunter, bis sie seine Brust im Rücken spürte. Für einen einfachen Dämon war Rhip mit ihren 1,80 Metern recht gut dabei, aber Anatol maß als Mitglied der royalen Ars Goetia nahezu 2,40 Meter. So etwas im Rücken zu haben, konnte auch einen Triceratopsdämon nervös machen.

„Brich dir darüber mal kein Horn ab. Diejenigen, auf die es ankommt, haben es geschafft. Viel wichtiger finde ich die Frage, was ich hier möglicherweise noch zum Kommen bringen kann.“, seine Stimme wurde immer rauchiger, je länger er sprach und schließlich senkte sich sein gieriger Schnabel in Rhips angespannten Nacken. Sie drehte sich in den Schranken seiner durchtrainierten Arme um und beugte sich rücklings über den Tisch, um ihm anschließend die Stacheln auf ihrem Unterarm frontal gegen die Kehle zu pressen.

„Ich schulde dir nichts, Tross! Du schuldest mir, dass diese Sache hier reibungslos abläuft! Ich bin nicht deine Bitch, Vogel!“, knurrte sie und stieß sich mit Gewalt nach vorne.

Der Baron wich ruckartig zurück, um nicht aufgespießt zu werden, und hob kapitulierend die weißen Hände.

„Sachte, sachte, Dorogoy. Schon gut. Kein Grund biestig zu werden. Habe ich dich jemals zu etwas gezwungen?“
 

Rhip knurrte wie ein Tier und zeigte ihre spitz zulaufenden, weißen Zähne. Wie Angel Dust und Valentino trug auch sie einen goldenen Fangzahn; allerdings saß ihr Exemplar im Unterkiefer und hatte auch nichts mit denen der beiden anderen zu tun. Den Zahn hatte sie bereits als Lebende während einer Knastschlägerei verloren.
 

Sie beruhigte sich wieder, verschränkte die massiven Arme vor der Brust und lehnte sich rücklings gegen die Tischkante. Sie beschloss das Thema zu wechseln.

„Hör zu. Heute Morgen war so ein Kerl im Club. Ziemlich mickrig, schwarzes Fell, Spinnendämon. Trug so‘n altmodischen Mafiahut. Hat bei Angel Stunk gemacht, er soll ihm nicht in die Quere kommen, oder so. Als ich Angel dann sagte, dass er heute hier ne Show hat, ist er fast verrückt geworden vor Angst. Kennst du den mickrigen Kerl vielleicht?“

Der Baron wurde ernst, als er das hörte. Er schien in Gedanken zu versinken und antwortete nicht. Rhip wurde ungeduldig und begann mit den Zehen rhythmisch auf das Parkett zu klopfen.

„Was?“, drängte sie. Anatol erwachte aus seiner Grübelei und sah den Broker an.

„Jetzt hör mir mal zu. Du kümmerst dich um Angel, die Show und das ganze Drumherum. Ich kümmere mich um die Gäste! Je weniger du von denen weißt, desto besser.“, meinte er eindringlich. Rhips Miene verfinsterte sich. Ihre Augen funkelten gefährlich in gelb und blau.

„Je weniger ich von denen weiß? Warum sagst du nicht: Je weniger ich von euch weiß? Tu nicht so, als gehörtest du nicht zu denen! Nur die Ruhe. Es interessiert mich einen Scheiß, was ihr Pack ausheckt. Nur wenn das Pack in meiner Lebenswelt rumpfuscht, werd‘ ich ungemütlich. Got it? Wenn du den Knirps also kennst, dann halt ihn von Angel fern. Und ich halte Angel von den Gästen fern. Deal?“

Der Baron nickte entschieden. Daraufhin stieß sich Rhip vom Tisch ab und stapfte in Richtung Tür davon. Die ersten Gäste betraten bereits den Konferenzraum. Anatol sah ihr nach.

„Rhip!“

Sie blieb stehen und sah halb über die Schulter zu ihm zurück. Er hatte den Schnabel halb geöffnet, als wolle er noch etwas sagen, fände aber die richtigen Worte nicht. Sie nickte und sah wieder nach vorn. Im Gehen hob sie noch eine Hand, um abwinkend damit zu wedeln.

„Schon gut.“, antwortete sie vernehmlich auf die Erklärung, die er ihr nicht geben konnte; wahrscheinlich zu ihrem eigenen Schutz. Und sie meinte es ehrlich.
 

Als sie zu den Spieltischen schlenderte, um zu prüfen, ob für die Vergnügungen nach der Sitzung alles stand, fand Rhip dort schon ein reges Treiben vor. Der Broker sprach gerade mit einer Gruppe Bediensteter, als ein kleiner Tumult die Aufmerksamkeit des ganzen Raumes auf sich zog. An einem der Roulette Tische erhob sich ein kastiger Eulendämon und bot ein stattliches Kopfgeld für denjenigen, welcher ihm "das kleine lebensmüde Püppchen" brächte, das so große Töne spuckte. Rhip hatte keine Ahnung, worum es da ging, aber sie ahnte, dass mit „Püppchen“ wohl der hübsche lilahaarige Junge gemeint sein musste, der kurz darauf, wie von der Tarantel gestochen, an ihr vorbei raste.

Ein destruktiver Deal

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Eine verdammte Vorstellung

Einen Tag zuvor erst war Aeneas Lefkítis durch das Portal des Barons von Tross direkt ins Hazbin Hotel eingetreten. Damit Luzifer kein Aufsehen erregte, hatte er ihn in einem Koffer transportiert, den er einfach in der Hand getragen hatte. Nach dem Check in, bei dem er Charlie Magne und Alastor, den Radio Dämon, kennenlernte, brachte er zunächst seine Lustknaben in ihr Zimmer. Dort wies er den Gargoyle an, nicht nach draußen zu gehen, wenn ihm seine Gesundheit was bedeute, und nahm anschließend den Vampir mit auf sein eigenes Zimmer. Luzifer musste geglaubt haben, seine Aussage wäre eine Drohung gewesen, ihn zu verprügeln, sollte er nicht gehorchen, und hatte sie darum ignoriert. Aeneas schlug Luzifer nicht, dafür gefiel er ihm zu sehr als das Kunstwerk, das er war. Seine Worte waren daher auch nicht als Drohung, sondern als Warnung gemeint gewesen, denn er ahnte, dass alles außerhalb des Hotelzimmers Luzifers Schönheit nicht würde ertragen können. Außer Charlie Magne vielleicht, die offenbar imaginären Regenbögen nachjagte, wenn er das Konzept ihres Hotels richtig deutete.
 

Chorão und Kjósa, die ihn begleiteten, hatten jeweils ihre eigenen Zimmer, auch wenn Aeneas nicht die Hand dafür ins Feuer legen würde, dass sie sich nicht gelegentlich auch im selben Bett wiederfinden könnten. Die Hölle wirkte auf die beiden ebenso stark wie auf ihn selbst. Sogar Jérôme schien die Hölle zu verändern, allerdings zum Positiven. Der Wahnsinn des Vampirs fiel, seit sie hier waren, überhaupt nicht mehr ins Gewicht. Aeneas musste nicht mehr auf ihn aufpassen, im Gegenteil! Der Vampir konnte sich plötzlich konzentrieren und assistierte ihm sogar. Der Gorgone hatte ursprünglich überhaupt nicht vor gehabt, den blonden Franzosen irgendwohin mitzunehmen, vor allem weil er auf der Erde absolut unberechenbar war. Doch hier gedieh er ihm plötzlich zu einem treuen und brauchbaren Diener. Chorão, der Halbdämon, hingegen ließ alle Menschlichkeit von sich abfallen, sobald er die Vergnügungen entdeckt hatte und weg war er gewesen! Blieb nur zu hoffen, dass ihm der Termin mit der Tagung rechtzeitig wieder einfallen würde. Kjósa passte sich ein wenig mühsam, aber bestrebt der neuen Situation an, so wie sie sich auch in ihre Existenz als Banshee eingefügt hatte, nachdem sie als Walküre suspendiert worden war. Es schien Dinge zu geben, die ihr sehr gefielen und Dinge, die sie sehr vermisste, genau wie bei ihrer letzten Umstellung. Aber sie klagte nicht, dafür war sie immer noch zu stolz.
 

Aeneas sah sich erst einmal gründlich im ganzen Hotel um und suchte das Gespräch mit dem Personal. Es war ihm wichtig ein Gespür für die ihm fremde Umgebung zu bekommen, um sich sicher darin bewegen zu können. Darum sammelte er Informationen, knüpfte Bekanntschaften und machte sich ‚Freunde‘ wo immer es sich anbot. Eine dieser Begegnungen verlangte, dass er Jérôme für eine schnelle Nummer an einen fremden Dämon vergab, der den Vampir auf den ersten Blick begehrte. Der Franzose war ja auch nicht zu verachten mit seinem blonden Haar, den großen, babyblauen Augen, den Reißzähnen hinter seinem lüsternen Lippglosslächeln und den jungen, schlanken Gliedern. Aeneas und der Fremde machten sich, wie Zuhälter und Freier, miteinander bekannt und es stellte sich heraus, dass der begehrliche Dämon Verbindungen zu Asmodeus hatte. Großmütig legte Aeneas eine Hand in Jérômes Rücken, beugte sich zu ihm hinunter, grollte ein eindringliches „Brav sein!“, in das blasse Ohr und schob den Jüngling dem Dämon entgegen. Himmelblaue Augen blickten verletzt zu ihm auf, dann schien es sich der Vampir anders zu überlegen und warf sich vor dem Fremden keck in die schmale Hüfte. Gelassen stellte Aeneas nun allerdings die Bedingung, dass er seinen Knaben natürlich nicht allein mit einem Fremden mitgehen ließe. Dem Begehrlichen war es gleichgültig. Er meinte, Aeneas könne auch mit ins Zimmer kommen, das sei ihm schnuppe. Und so stand der riesenhafte Gorgone etwa zwanzig bis dreißig Minuten lang an die Wand eines kleinen Hotelzimmers gelehnt dabei, während sein Lustknabe leise wimmernd durchgenommen wurde. Anschließend tauschten die beiden Herren ihre Visitenkarten aus, während der dünne Vampir seine Wunden regenerierte sowie sich und seine Kleider notdürftig in Ordnung brachte.
 

„Gut gemacht.“, raunte ihm Aeneas zu, als er sich von der neuen Bekanntschaft verabschiedet hatte. Jérôme aber wirkte etwas mitgenommen. Da der Pate noch etwas Zeit hatte, besorgte er sich von einer der angeheuerten Huren des Vergnügungsprogramms eine Spritze und zog sich mit seinem Schützling in die Lounge zurück. Dort bestellte er sich einen Whiskey und stach sich, während er wartete, die Nadel in eine seiner hervortretenden Sportlervenen. Der geknickte Vampir blühte auf, als er das sah. Sofort schmiegte er seinen dünnen Körper an Aeneas, umarmte ihn einschmeichelnd und küsste ihm zärtlich den weißen Hals. Der Blick seiner Unschuldsaugen klebte dabei gierig an der angestochenen Ader. Die Spritze füllte sich mit dunklem Blut. Zehn Milliliter, nicht mehr, aber Jérôme würde sich für diesen Stoff in eine Wanne voll Weihwasser legen. Gorgonenblut tötete augenblicklich alles Lebendige, wenn es damit in Berührung kam. Für einen Vampir jedoch wirkte es, wie reines Heroin. Es löste eine Agonie aus, in der sich ein Untoter lebendig fühlen, vor Qual vergehen und gleichzeitig in Glücksgefühlen ertrinken konnte. Der untote Organismus musste sich einmal komplett neu erschaffen, um das Gift abzubauen, sodass sich der Konsument nach dem Rausch wie neu geboren fühlte. Bis ihn die Erschöpfung und der damit einhergehende Hunger in den Wahnsinn trieb. Aeneas setzte dem Franzosen nur sehr selten einen Schuss, aber die Aussicht auf die Droge hielt den Vampir demütig.
 

Aeneas hob den Arm und sofort tauchte Jérôme geschmeidig darunter hinweg, um sich seinem Herrn quer über den Schoß zu legen. Willig drehte er die bloßgelegten Innenseiten seiner dünnen Unterarme nach oben und legte mit verführerischem Augenaufschlag den Kopf zur Seite, um seinen blassen Hals anzubieten. Aeneas hatte damit die freie Auswahl, wo er dem Junkie die Dosis spritzen wollte. Er entschied sich für den Unterarm. Der Druck seines Griffs reichte aus, um die unter der blassen Haut liegenden Adern blau aufleuchten zu lassen. Die Spritze in der Faust stach er zielsicher und routiniert zu, dann drückte er den Inhalt komplett in die leere Blutbahn. Jérôme stöhnte auf und begann zu zittern. Der Whiskey kam und Aeneas zahlte, ohne sich einen Dreck darum zu scheren, ob die Bedienung Anstoß an dem sich in seinem Schoß windenden und zuckenden Jüngling nahm. Der Rauschzustand dauerte etwa fünfzehn Minuten, in denen sich der Franzose an ihm festhielt, seine Brust küsste, stöhnte, seufzte und sich selbst anfasste. Der Grieche widmete sich derweil in aller Ruhe seinem Drink und beachtete das Treiben auf seinem Schoß nicht mehr, als er die Pythonschlangen auf seinen Schultern beachtete. Als Jérôme unter seinen eigenen Fingern kam, nahm Aeneas eine Serviette vom Tisch und ließ sie dem Vampir in den Schoß fallen. Danach lag der Blonde nur noch reglos mit geschlossenen Augen an der Schulter des Hünen. Er atmete nicht. Er gab keinen Laut mehr von sich und war eiskalt. Aeneas balancierte die Leiche auf seinem Schoß und las sich einen auf dem Tisch herumliegenden Flyer mit Informationen zum Wochenendprogramm durch. Unter der Auflistung der Veranstaltungstermine klebte ein buntes Schildchen, für das eindeutig die Hoteldirektion verantwortlich zeichnete, denn es erinnerte noch einmal daran, dass jeder Dämon Gutes in sich trüge und damit auch die Chance auf Erlösung. Der Albino sah sich das abgeschossene Elend in seinem Arm an und überlegte, ob er an dem Vampir auch nur ein gutes Haar gefunden hatte, seit er ihn besaß. Er war platzsparend in der Haltung, denn man konnte ihn quasi in einer Holzkiste halten. Aeneas hatte ihm trotzdem einen Sarg gekauft. Man konnte ihn mit Resten füttern, sprich mit Delinquenten, die ohnehin entsorgt werden müssten. Aber so etwas meinte die junge Magne natürlich nicht. Aeneas wurde es leid und ließ die Überlegung sein. Kurz darauf lief erneut ein Zittern durch den untoten Körper und Jérôme schlug blinzelnd die Augen auf, die rosa glänzenden Lippen leicht geöffnet. Aeneas küsste ihn mit einer erheblichen Whiskeyfahne ganz wach und fuhr ihm mit den Fingern durch die Haare. Jérômes Augen wirkten immer noch glasig und leicht verschleiert, aber sein Ausdruck zeigte nichts als absolute Zufriedenheit und Glück. Aeneas fragte eine vorbeilaufende Bedienung mit einem Nicken in Richtung des Vampirs, wo er denn seinen Hund mal eben füttern könne. Die Dämonin wies auf einen Automaten, der unter anderem aufgewärmte Blutkonserven ausgab. Aeneas bedankte sich und schickte den Franzosen dann mit einigen Münzen los, sich zu holen, was er brauchte.
 

Trotz all dieser Umwege kam er letztlich als einer der Ersten im Konferenzraum an. Auf dem Projektor war gerade ein Video fertig abgelaufen und am Kopfende des Konferenztisches unterhielt sich der Baron von Tross, der Aeneas eingeladen hatte, mit einem Höllenwesen, dass ihm knapp bis zum Bauchnabel reichte, so der Baron denn einen hatte. Wegen der rot-schwarzen Haut hielt Aeneas das Wesen für einen Imp, auch wenn dessen Unterschenkel äußerst untypisch für die Spezies in saurierartige Stampfer ausliefen. Der Imp wandte sich um und lief den Türen entgegen, doch Tross rief ihn beim Namen.

„Rhip!“

Der Imp blieb stehen und sah sich um, doch von Tross kam nichts weiter.

„Schon gut.“, winkte der Imp schließlich ab und verließ den Raum.

Interessiert verfolgte Aeneas die kleine Szene. Möglicherweise ließ sich dieser Imp ja als Druckmittel gewinnen oder einsetzen, sollte der Baron seine zuvorkommende und enthusiastische Fassade fallen lassen. Er setzte sich und bedeutete Jérôme, sich neben ihn auf den Boden zu kauern. Wenig später witschten auch Kjósa und Chorão herein und setzten sich beide auf die Plätze links von Aeneas.
 

Außer Aeneas nahmen noch dreizehn weitere Geschäftsleute an der Tafel Platz. Anatol Luciowitsch Baron von Tross machte als Initiator dieser Zusammenkunft den Anfang. Er stellte sich als royales Mitglied der Ars Goetia vor, allerdings führte er bescheiden an, nur ein ganz kleines Licht dieser Gesellschaft zu sein. Er besäße nur ein entferntes Baronat und interessiere sich ohnehin mehr für die freie Wirtschaft. Darum unterhalte er einige Produktionsfirmen im Limbus, die sich – aufgrund der idealen Lage verstehe sich – durch Kinderarbeit beinahe selbst tragen würde. So könne er den Markt hemmungslos mit Billigware überschwemmen, die sich jeder noch so klamme Lump in den neun Zirkeln leisten könne. Er habe diese Konferenz angeregt und finanziert, weil er glaube, dass alle hier in diesem Raum davon profitieren würden, in der ein oder anderen Weise zusammenzuarbeiten. Sein spezieller Ehrengast jedoch hätte die Mittel sämtliche höllischen Produkte und Dienstleistungen in die neutrale Zone zu überführen. Eine dezente Geräuschkulisse erhob sich, als alle die Köpfe drehten, um diesen sogenannten Ehrengast ausfindig zu machen. Doch der Baron sah nur Charlie besonders eindringlich an, die absolut deplatziert unter all den Gangstern wirkte und zweifelnd, ob diese Konferenz wirklich so eine gute Idee war, wie Alastor sagte, an ihrer Unterlippe kaute.

„Und umgekehrt, meine Verehrte. Diese Kooperation könnte ebenso gut Euer Produkt in der gesamten Hölle vertreiben und darüber hinaus Hilfsmittel aus der neutralen Zone holen, die Eurem Hotel erstmals eine reguläre Erfolgsquote sichern würden.“, erklärte er freundlich. Charlie machte bei diesen Worten große Augen.

„Was für Hilfsmittel?“, fragte sie hoffnungsvoll, doch der Baron schmunzelte.
 

„Alles zu seiner Zeit, meine Beste. Lassen wir die Anwesenden erst einmal miteinander warm werden. Erzählen Sie uns von sich, Ihren Geschäften und Ihren Zielen. Ich verspreche Ihnen, am Ende dieses Tages werden Sie viel besser verstehen, was ich meine.“

Er erteilte zunächst Vox das Wort, weil er durch seine Filme noch am bekanntesten sein dürfte. Vox‘s Multimedia sei eine Film- und Werbeagentur, erklärte der Dämon mit dem Flachbildschirm anstelle eines Kopfes auf seinem Hals. Während seines Vortrags ließ er unablässig Werbefilme über sein Gesicht flimmern. Sehr vielseitig einsetzbar, fuhr er fort. Vox erwähnte, dass er vor allem Werbung für Produkte bevorzugte, die mit „V“ begännen. Valentino lachte rau, wobei er kleine rote Rauchherzchen aushustete, die exakt zu dem Muster seines Pelzkragens passten.

„Dann verstehe ich nicht, wieso du mich nicht längst promotest!“, meinte er und stand auf. Er verdrängte Vox vom Podium und zwei geschmeidige Dämonendamen in unanständig knappen Outfits und hohen Absätzen folgten ihm. Er stellte die beiden als das vor, was er verkaufte: Pornography. Mit einer lässigen Geste seiner unteren linken Hand spielte er auf dem Projektor Angel Dusts 20 minütigen Pornostreifen ab, während die zwei Damen zu seinen Seiten in nahezu akrobatischen Tanzeinlagen zur Musik des Films strippten. Mehr als nur eine Hand verschwand während dieser Einlage unter dem Konferenztisch und einige grinsten sich wissend zu. Nur einen schien die Darbietung regelrecht in Rage zu versetzen, aber er versuchte es sich nicht anmerken zu lassen.

Genau jener übernahm nach Valentino das Wort. Arackniss, der kleine, schwarzhäutige Spinnendämon mit altmodischem Anzug und Fedora Hut erklärte vornüber auf den Tisch gestützt und sehr ernst, dass er hier sei, um für seine Familie zu sprechen, die den Mafia Sektor der Hölle kontrolliere. Er berichtete von Geschäften und Methoden, die Aeneas nur allzu vertraut vorkamen, wenn sie auch seit knapp hundert Jahren veraltet waren. Inzwischen hatte die Polizei in der Welt der Lebenden einen Großteil dieser Kniffe bereits auf ihrer Agenda. Als Kontrast zu dem altmodischen, ernsten Mafioso stellte sich im Anschluss an ihn eine Dämonin vor, die ein regelrechtes Baby Doll Outfit trug. Sie hieß Velvet und verkörperte eine Art Overlord des Social Media. Als solcher hatte sie nichts eiligeres zu tun, als sich - kaum auf dem Podium stehend – umzudrehen und ein Selfi mit allen anwesenden Gangsterbossen zu machen. Die meisten machten sich instinktiv unkenntlich, indem sie Blöcke, Aktenordner oder ihre Arme vor das Gesicht hielten. Andere suchten direkt unter dem Tisch, bzw. hinter einem anderen Gast Deckung vor der Kamera. Beleidigt und die anderen als „Spießer“ beschimpfend trat die Internetqueen wieder ab. Jetzt hielt es Alastor nicht mehr auf seinem Platz. Er sprang auf und usurpierte die kleine Bühne für sich, um – wie er sagte – die Stimmung zu retten. Mit viel Tamtam, Licht, Schatten und Soundeffekten stellte er sich und seine Radio-basierte Macht singend und tanzend vor, wobei er Charlie involvierte, als er in der Schilderung seiner Geschichte zur Gegenwart kam. Von seinem Schwung mitgerissen, traute sich die Tochter Lucifers dann auch, sich und ihre Idee vorzustellen. Es verkrätzte Alastor ein wenig, als sie seinen Schlussakkord zum Auftakt ihrer Musicaleinlage machte, aber er lächelte eisern weiter. Aeneas registrierte einigermaßen erstaunt, wie viel Musik es in der Hölle gab und wie viel Talent. Doch Charlie kam mit ihrem Song nicht einmal zu Ende, da wälzte sich ein langer Leib auf den Tisch und brach sich Bahn. Charlie verstummte irritiert. Einen mächtigen Schlangenkörper nach sich ziehend und bedrohlich die Hautlappen im Nacken blähend, beugte sich Sir Pentious über die kleine Hotelbesitzerin und erbrach mit ausgefahrener Zunge einen Schwall von Flüchen über sie und ihr lächerliches Vorhaben. Schließlich wandte er sich um und ließ dieselben Nettigkeiten Alastor angedeihen, der nur grinsend den Kopf schief legte. Um ihn herum schien die Luft zu flackern und der Ton zu rauschen, wie bei einer technischen Störung.
 

Baron von Tross ging dazwischen und gebot dem Ausbruch Einhalt. Er nahm Charlie bei ihren winzigen Händen, dankte ihr für die inspirierenden Worte und geleitete sie an ihren Platz neben Alastor zurück, der plötzlich wieder heiter dasaß, als wäre nie etwas gewesen. Der Baron aber tadelte Sir Pentious, wie es nur die adelige Oberschicht vermag und meinte, ein Gentleman seines Stils und Formats würde sich doch wegen ein paar kleiner Showeinlagen nicht gleich vergessen. Pentious richtete sich die Kleidung und stimmte von Tross etwas überrumpelt zu, nur hätten diese Kretins dort hinten..!!!, er zeigte vor allem auf Alastor. Der Baron lachte jovial und schlug der Kobra auf den Rücken. Dann ermutigte er ihn, nun von sich und seinen Geschäften zu berichten. Pentious räusperte sich geschmeichelt. Dann erklärte er, er sei Erfinder und Overlord. Er handele mit technischen Geräten und arbeite hart daran, sein Territorium auszuweiten. Er hatte dazu eine Diashow vorbereitet, die ein paar seiner ei-förmigen Lakaien abspielten und ihn immer wieder lobend unterbrachen. Nicht wenige der Anwesenden gähnten bei diesem öden Vortrag. Aeneas aber schenkte Pentious dieselbe stoische Aufmerksamkeit, die er bisher allen geschenkt hatte. Kjósa machte derweil Notitzen, nur Chorão flirtete lieber mit seiner Sitznachbarin, was deren Ehemann überhaupt nicht gut fand; aber er war so klein, dass er nichts ausrichten konnte. Außerdem wurde er die ganze Zeit von seinem eigenen Boss auch noch damit aufgezogen. Jérôme hatte sich inzwischen unter dem Tisch auf dem Boden kniend mit dem gesamten, dürren Oberkörper in den Schoß seines Herrn gelegt und döste. Aeneas kraulte mit den Fingern verstohlen durch das lockere, strohblonde Haar, während er zuhörte.

Doch endlich machte sich ein genervtes Stöhnen breit. Der Boss, des genervten Ehemanns, den Chorão mit seinem Geflirte dessen Ehefrau gegenüber ganz durcheinander brachte, wuselte unter dem Tisch durch und trat dem Vampir auf seinem Weg auf die Waden. Jérôme fuhr erschrocken auf und stieß sich den Kopf an der Tischplatte. Wütend fauchte er dem wieselflinken Imp nach.
 

„Ja, ja, ja, ganz toll, you fucking dickshit, wir haben‘s kapiert. Gaaaaanz groß in mittelalterlichem Steampunk Technik Bullshit, den keiner braucht. FANTASTISCH! Jetzt mach mal Platz!“

Trotz seiner gewagten Größe – er war einer der Kleinsten im Raum, wenn auch der Größte unter den anwesenden Imps – wedelte er Sir Pentious mit hektischen Handbewegungen beiseite, wie eine lästige Fliege. Wieder war es der Baron, der den Schlangendämon hofierte, bis er sich kochend vor unterdrückter Wut wieder setzte. Der Imp sprang breitbeinig auf den Tisch und hackte auf den Helltop ein, bis auf dem Projektor der Werbefilm seiner Agentur ablief. Blitzø hingegen schwadronierte und gestikulierte auf dem Tisch stehend mit einer kaum zu fassenden Selbstverständlichkeit herum. Seine Mitarbeiter zeigten von anfeuernd hochgereckten Daumen (Millie), über peinlich berührte Ignoranz der ganzen Situation (Loona), bis hin zu latenter Panik (Moxxie) alle emotionalen Spektren. Die Immediate Murder Professionals oder kurz I.M.P. waren die erste Organisation, die bereits in beiden Bereichen opperierte, sowohl in der Hölle, als auch in der neutralen Zone. Und das auch noch relativ unbemerkt, bis auf eine etwas dumm gelaufene, letzte Episode. Allerdings stand die Firma unter dem Schutz eines nicht näher zu benennenden Adligen, der ihr auch das Buch zum öffnen der Portale überließ, wie dem Imp, der sich ein wenig bei dem Thema verzettelte, herausrutschte. Aeneas wurde hellhörig. Es gab ein Buch, mit dessen Hilfe man Portale erschaffen konnte? Interessant! Er ließ es sich nicht anmerken, aber in diesem Augenblick erfasste ihn eine unheimliche Habgier nach dem literarischen Werk dieses anonymen Adligen. Oder zumindest nach einer sehr guten Kopie davon.
 

Ein unangenehmes, bösartiges Kichern und Glucksen wurde laut, nachdem Blitzø den Faden seines Vortrags wiedergefunden hatte.

„Das ist also der tolle neue Job, auf den du so stolz bist, Blitzø? Dafür hast du mich und die Show im Stich gelassen.“ Ein Roboter im Narrenkostüm, wie es schien, erklomm den Tisch und krabbelte – sich unnatürlich auf allen Vieren fortbewegend – darüber hinweg auf den Gründer von I.M.P. zu. Dieser drehte den Kopf weg und murmelte nur ein leises „Oh shit. Ich hasse diesen verfickten Clown!“, vor sich hin. Dann breitete er die Arme aus, als wolle er den anderen freudig empfangen.

„Hey, du sacklutschender Kinderschreck, wie läuft das Geschäft, nachdem dein geliebtes Loo Loo Land ABGEFACKELT ist?“ Aus seinen Augen sprühte die pure Schadenfreude.

„Woran du ja nicht ganz unschuldig bist, Blitzø!“, hielt ihm der animatronische Clown entgegen und schraubte sich zu seiner vollen Größe in die Höhe, nur um sich dann, wie ein Jack in the Box, wieder zu ihm hinunter baumeln zu lassen, als säße sein Oberkörper auf einer Sprungfeder.

„Ich bin heute für meinen Boss Mammon hier. Dem Besitzer des liebreizenden Vergnügungsparks, den DU-Uu-Uu auf dem Gewissen hast.“, hielt er Blitzø vor. Dieser deutete mit erhobenem Zeigefinger auf die Brust des Roboclowns und protestierte.

„Mal langsam du dressierter Mülleimer! Du und ich haben daran mindestens den gleichen Anteil. Du aber mehr! Ich war geschäftlich da.“

Von den hinteren Plätzen ertönte zustimmend Millies enthusiastisches Rufen. Sie legte dazu beide Hände trichterförmig an den Mund, damit ihre Stimme auch ja jeden erreichte.

„Jaaa. Er war mit seinem BOYFRIEND da, dem Prinzen!“

Blitzø vergrub das Gesicht in der Hand.

„Es ist nicht…! Er ist nicht…! Das ist eine rein geschäftliche, sexuelle Interaktion!“, stellte er klar und räumte nach diesem Desaster freiwillig das Podium. Jenes wurde nun von einem glucksenden Roboclown eingenommen, der sich erst mal ehrerbietig vor seinem Publikum verneigte. Er sei als Stellvertreter des vielbeschäftigten Zirkelfürsten der Gier hier, wiederholte er, Mammon! Ja, Loo Loo Land befinde sich zur Zeit unglücklicherweise im Wiederaufbau. ABER das tue der Macht des großen Fürsten keinen Abbruch. Er stehe nach wie vor hervorragend da und seine Besitztümer seien nicht zu schätzen. Dennoch interessiere er sich am Rande für die Geschehnisse hier und habe daher ihn geschickt. Er wolle mal sehen, was es hier Schönes für seinen Herrn zu holen gäbe. Damit faltete er sich hohl lachend und Funken sprühend bei jeder Bewegung in sich zusammen, bis er in einer kleinen Rauchwolke verschwand. Nur um kurz darauf urplötzlich wieder auf seinem Platz zu sitzen, das Kinn in die Hand gestützt und breit grinsend.
 

„Gier!“, nahm da eine weibliche Stimme den Faden auf und stöckelte mit schwingenden Unterröcken nach vorn. „Eure Habgier befriedigt ihr am besten in Rosie‘s Emporium. Der Mega Store im Pentagramm! Und bevor einer fragt: Ja, es ist der Laden, der früher Franklyn and Rosie‘s Emporium hieß. Aber Frank ist bei der letzten Ausrottung draufgegangen, also leite ich jetzt den Laden. Allein. Schaut vorbei.“

Und mit kokettem Winken, stöckelte sie wieder zurück an ihren Platz, wobei sie an Aeneas‘ Sitz vorbei kam und sich verschmitzt zu seiner Schulter vor lehnte.

„Ich wäre übrigens sehr an Waren aus der neutralen Zone interessiert. Melde dich bei mir. Bestimmt kommen wir ins Geschäft.“, raute sie ihm zu und hielt ihm ihre Karte hin, die er nickend annahm.
 

„Wen interessiert denn das?“, kreischte die Stimme von Asmodeus plötzlich auf, „Ich will wissen, warum diese hässliche Statue da sitzt!“ Er deutete auf einen Stuhl am Tisch, auf dem tatsächlich nur eine blau-grau-grün schimmernde Statue hockte. Wer Lovecraft gelesen hatte, wie Aeneas, der wusste sofort, dass es sich um ein Abbild des Dämons Cthulhu handelte. Die tauchten in der neutralen Zone gerade an den verschiedensten Orten immer wieder auf und zogen einen richtigen Hype nach sich. Daher verwunderte es den belesenen Griechen nur mäßig, auch hier in der Hölle ein Exemplar vorzufinden. Anatol von Tross lachte wieder jovial und meinte: „Offenbar hat auch der große Cthulhu einen Stellvertreter geschickt. Verständlich, bedenkt man seine physischen Ausmaße und den von mir gewählten Versammlungsort. Aber jetzt bleibt uns last but not least die Vorstellung unseres Ehrengastes aus der neutralen Zone. Wenn ich Sie auf‘s Podium bitten darf, Herr Lefkítis.“

Aeneas neigte kollegial den Kopf und erhob sich, wobei er Jérôme unter dem Tisch von seinem Schoß schob. In diesem Moment wurde krachend eine der Saaltüren aufgestoßen und drei Biker stürmten in Angriffsformation in den Raum. Ihr Anführer schien eine Lederkluft zu sein, aus der pures Feuer loderte. Flammen bildeten seinen Kopf und sein Gesicht. Eine seiner Hände schien eine Art Auspuff oder Flammenwerfer zu sein. Seine Begleiter erinnerten ebenfalls an Biker, die bei einem Unfall mit Teilen ihrer Motorräder verschmolzen waren. Der eine war eine vollständige Maschine, doch ein menschlicher Oberkörper ragte dort empor, wo man den Lenker vermutet hätte. Der andere hatte eine Armatur als Gesicht, die Griffe des Lenkers ragten ihm wie Hörner aus dem Kopf und ein Reifen bildete sein Mittelstück.

„Wir sind die Hells Devils. Die größte Bikergang im Pentagram. Und wir brauchen keine Einladung, um uns selbst einzuladen! Wir sind dabei.“, verkündete der Anführer ebenso provokant wie wenig geistreich. Der Baron reagierte souverän.

„Interessant. Nun, natürlich möchten wir niemanden ausschließen. Herr Lefkítis, wenn es ihnen nichts ausmacht...“, er lächelte entschuldigend. Aeneas hob deeskalierend die Hände und setzte sich wieder, wobei er sich dem Duktus des Barons anpasste.
 

„Ich bin Glan!“, stellte sich der flammende Biker vor und stapfte ans Kopfende der Tafel.

„Wir vertreten kein Geschäft oder so was gutbürgerliches! Wir sind eine Organisation aus Bikern, die ihren eigenen Gesetzen folgen! Was immer ihr hier auch ausheckt, wir wollen dabei sein! Ich hab‘ gehört, es geht in die neutrale Zone. Dann wird es endlich Zeit, den Scheißern dort oben zu zeigen, wie ein Ghost Rider wirklich aussieht!“ Er schlug mit der lederbehandschuhten Faust auf den Tisch.

„Ey!“, ließ sich Loona von I.M.P. gelangweilt vernehmen, „Du bist nicht das Oberhaupt der Hells Devils! Ich kenne die Jungs. Wer bist du?“

Eine kurze Stille trat ein, in der sich nun alle Köpfe interessiert nach vorne wendeten. Glan schlug erneut auf den Tisch und zeigte dann drohend auf die Höllenhündin.

„Maul halten, Köter! Ich in ein Cousin des Bosses und mehr als befugt hier zu stehen!“, gellte er ein paar Oktaven zu hoch. Aus seiner Auspuffhand röhrte Motorenlärm und seine zwei Kumpane stimmten in das Geräusch ein.

„Wenn das Radio, der Fernseher und der schwarzweißfilm Mafioso hier sein dürfen, dann wir allemal auch!“, bestand er auf sein eigenwilliges Recht.

Alastor, Vox und Arckniss reagierten entsprechend gereizt auf diese Aussage, auch wenn Alastor darüber sein Lächeln nicht verlor. Da erlosch plötzlich das Licht im Raum. Aeneas senkte sofort den Blick hinter seinen dunklen Brillengläsern und verließ sich fortan auf die Sinne seiner Pythons, während er Jérôme unter dem Tisch ins Haar griff. Aber gleich darauf erstrahlten bunte Scheinwerfer, am Kopfende der Tafel und offenbarten Asmodeus, der sich hinter Glan aufgebaut hatte. Er war fast doppelt so groß wie die Biker und trug einen dünnen Clown auf der Schulter, welcher dem Roboter, der Mammon vertreten hatte, irritierend ähnlich sah.

„Ihr macht eine Menge Lärm, aber da steckt nichts als heiße Luft dahinter. Ich spüre Aggression, aber keine Leidenschaft. Keine Lust. Das ist langweilig!“, verkündete Asmodeus und seine Stimme hallte, wie von mehreren Lautsprechern in Stereo wiedergegeben. Aeneas sah wieder auf und ließ Jérômes Haare los. Mit einer ausladenden Geste wischte der Dämon die drei Biker zur Seite und stellte einen Mikrophonständer vor sich auf. Dann tippte er gegen die Spitze, als müsse er die Funktion seines Aufbaus erst testen und räusperte sich dann.

„Ihr kennt mich. Ich bin weithin bekannt.

Den Lustring leite ich mit führender Hand.

Zu mir kommt, wem Liebe zu wenig ist.

Zu mir kommt, wer sinnliche Freuden vermisst.

Bei mir kriegst du Leidenschaft, bei mir kriegst du Lust

im Haus von Asmodeus!“, sang der Riesenhafte. Seine Macht drängte die drei Biker sichtlich in den Schatten, sodass ihnen nichts mehr übrig blieb. Als mit den Zähnen zu knirschen und abzuwarten. Die bunten Lichtkegel aber erfassten derweil Aeneas.

„Doch du, mein Freund mit den Schlangen als Haar,

kamst zu uns aus der Zone der Lebenden gar!

Drum bitt‘ ich dich, fordere, sprich und sag wahr!

Was, frag ich mich, war so mächtig und brachte dich her?

Welch süßes, welch drängendes, lustvoll Begehr?

Komm her! Gib mehr! Erzähl uns, was willst du so sehr?“
 

Aeneas erhob sich langsam und gemessen unter den Augen aller und im Licht mehrerer Scheinwerfer von seinem Platz. Dann schritt er ohne Hast die paar Meter auf Asmodeus zu, der ihn mit breitem Grinsen erwartete und ihm schließlich großmütig das Mikrophon überließ.

„Er wird jetzt nicht singen, oder?“, raunte Chorão Kjósa zu. Die lehnte sich zu ihm und flüsterte:

„Zuzutrauen wäre es ihm.“

Der Gorgone baute sich in voller Größe und mit aktiv umher züngelnden und sich windenden Pythons im Schein der Lichter auf, nahm das Mikrophon vom Ständer und hielt es sich an die Lippen.

„Meine Lust willst du wissen, mein Begehr, mein Entzücken?

Es macht mir Spaß wehrlose Jungs zu beglücken.

Ihr ahnet nicht wie viele Männer so schön,

ich in meiner Zeit habe sterben geseh‘n.

Letztlich lagen sie alle tot und bleich

und tausend furchtbare Gestalten,

wie sie auf der Erde walten,

lebten weiter ganz mir gleich.“, grollte der Grieche in einer Art Sprechgesang, der einem unter die Haut kroch, das Gehirn und die Seele entweihte und dann samtig die Kehle herunter rann, um im Magen absorbiert zu werden und für immer Teil des Organismus‘ zu bleiben. Asmodeus schien zufrieden, auch wenn sich der Grieche ruhig ein bisschen vulgärer hätte ausdrückten können, seiner Meinung nach. Mit wohlwollendem Grinsen klopfte er dem Albino auf die breite, muskelbepackte Schulter und die Lichter im Konferenzraum normalisierten sich wieder. Mikrophon und Ständer lösten sich auf und ließen den Paten ganz auf sich allein gestellt zurück.
 

„Yeah, darf nur der olle Ozzie den Neuen auf die Probe stellen, oder dürfen wir alle?“, fragte Vox mit breitem Bildschirmgrinsen. Das Grinsen breitete sich im Saal aus, wie unter einem Rudel Hyänen, dem die nächste Mahlzeit vorgeführt wurde. An der Seite der Tafel stand Chorão drohend von seinem Sitz auf. Aber Aeneas erwiderte das allgemeine Zähnefletschen und tippte sich gelassen an den Rahmen seiner dunklen Designerbrille.

„Ihr dürft es gerne versuchen, wenn es euch das Risiko wert ist.“, schnurrte er so samtig, dass es einem unwillkürlich unbehaglich wurde. Die Legende von dem Blick, der einen in Stein verwandelt, kam einigen wohl ins Gedächtnis und sie ließen es vorsichtshalber bleiben. Nur Alastor war mutig – oder verrückt – genug aufzustehen und sich Aeneas an die Seite zu stellen, um ihn unnachgiebig lächelnd näher zu prüfen.
 

„Lass mich so dreist sein, mein bleicher Freund. Was haben wir von dir zu erwarten?“, fing er an, Aeneas ganz wie ein Moderator zu interviewen. Er hielt ihm sogar seinen Stab, wie ein neuerliches Mikrophon, entgegen. Der Gorgone wiegte den Kopf und vereinzelt fauchten ein paar der Pythons. Dann wandte er seinen Körper dem Rehdämon zu, ergriff dessen Stab und zog Alastor daran zu sich her. Dann neigte er das Haupt darüber und grollte fast erotisch in gedämpfter Lautstärke hinein, als spräche er nur noch zu dem Radiodämon.

„Mein Name in diesen Tagen lautet Aeneas Lefkítis, aber als Pate meiner Europa und Teile Asiens umfassenden Organisation nennt man mich Sacrosanctus. Meine Familie kontrolliert die Sparten Waffenhandel, Prostitution, Glücksspiel, Wirtschaftsinfiltration, Drogenhandel, Schutzgelderpressung und Menschenhandel. Des weiteren sind wir so groß, dass wir unsere eigene Armee und Schuldeintreibermiliz besitzen. Wir sind weit verteilt, aber tadellos vernetzt. Was immer die Hölle uns anzubieten hat, wir schaffen es in die Welt der Lebenden und machen es zu Geld und Einfluss.“, damit ließ er Alastors Stab los, der unablässig weiter lächelte, und wandte sich wieder der versammelten Gesellschaft zu.

„Von meinem neunköpfigen Offiziersstab habe ich heute Chorão Devorador dabei, meinen Fachmann der Sparte Waffenhandel. Denn wie ich hörte, brechen hier jährlich Ausmerzungen über euch herein, nach denen die Machtverhältnisse neu verteilt werden müssen. Mit Waffen aus der neutralen Zone, wäre eure Fraktion jeder anderen in der Hölle einen Schritt voraus.“, dabei schien er insbesondere Sir Pentious anzusehen.
 

„Valentino.“, er breitete die Arme in dessen Richtung aus, „Du hast ein gerade zu teuflisches Sortiment pornografischer Meisterwerke!“ Der Mottendämon stieß roten Rauch aus und grinste, dass sein Goldzahn glänzte.

„Aber die Oberwelt erfindet täglich neue Fetische, Praktiken und Geräte, die hier eines Tages ankommen werden und deine Vorreiterstellung möglicherweise untergraben könnten. Nicht so, wenn wir dich mit den neuesten Trends versorgen würden.“, stellte er die Möglichkeiten in Aussicht. Valentino zog nachdenklich eine Schnute. Aeneas fuhr gnadenlos fort.

„Ebenso verhält es sich mit dem Fernsehprogramm. Dort oben muss es heftig mit dem Internet konkurrieren. Es gleicht sich an die beliebtesten Plattformen an, wird dafür aber nur ausgelacht oder ignoriert. Die Zukunft scheint den Influenzern zu gehören und den Streaming Plattformen.“ An dieser Stelle feixte Velvet ungeniert und Vox warf sowohl ihr als auch dem Redner drohende Blicke zu.

„Auf diesen Wandel sollte man vorbereitet sein, bevor er hier unten ankommt.“, schloss Aeneas mit einem hartlippigen Schmunzeln.
 

„Was hast du für uns zu bieten?!“, schrie Glan, der Motorraddämon ungefragt dazwischen. Aeneas sah ihn nicht einmal an, antwortete aber dennoch.

„Gangs, Banden und Mafiafamilien mögen selbst entscheiden, was ihnen ein Zugang zu allen kriminellen Bereichen der Oberwelt bieten könnte.“, raspelte er kurz angebunden mit seiner rauen Stimme.

„Was ich Ihnen eröffne, sind Waren, Informationen, Beziehungen und Handelswege. Wir scheuen ebenso wenig davor zurück, uns die Hände schmutzig zu machen, wie Sie, solange es sich für uns lohnt. Es liegt nun an Ihnen, mir ein Angebot zu machen. Ich kam mit meinen Begleitern hier herunter, um mich von Ihrer Kultur zu überzeugen und ich muss sagen...“, hier machte er eine bedeutungsvolle Pause, „… ich bin überzeugt.“

Ein allgemeines Gejohle und Gepfeife hob an, als sei gerade allen Anwesenden ein Preis verliehen worden. Aeneas sprach äußerst charismatisch und das Spiel seiner Tonlagen bewirkte, dass sich jeder Einzelne insbesondere gemeint fühlte. Sogar Alastor klatschte gemäßigten Beifall.

Vox war beleidigt, ebenso wie Arackniss, die Hells Devils und Sir Pentious. Letzterer änderte seine Meinung allerdings ziemlich rasch, als er merkte, dass viele andere nach Auflösung der heutigen Sitzung nach vorne drängten. Sie redeten auf Aeneas ein oder wollten ihn zum Essen einladen. Ebenso erging es Chorão. Ziemlich schnell wurde klar, dass Kjósa als Aeneas‘ Stellvertreterin die Angebote und Terminvorschläge für den Gorgonen entgegennehmen würde. Dennoch schüttelten ihm bis raus auf den Flur einige die Hand, oder legten ihm vertraulich den Arm auf die Schultern und versprachen, sich eine mögliche Kooperation durch den Kopf gehen zu lassen.
 

Aeneas war ziemlich zufrieden mit sich und kraulte Jérôme, der einige Minuten vor ihm den Konferenzraum verlassen hatte und ihm jetzt immerzu kleinere Dämonen von den Beinen fern hielt. Doch dann bemerkte er, dass sich etwas durch die Menge hindurch auf ihn zu arbeitete. Ohne es sich anmerken zu lassen, während er auf dem Gang mit Asmodeus sprach, der ihn ins Ozzies einladen wollte, linste er nach dem Wesen, das sich da zu ihm durchkämpfte und erkannte schließlich Luzifer. Seinen Luzifer! Den Luzifer, der im Zimmer bleiben sollte, damit ihm nichts zustieß und tatsächlich sah der Kleine ganz schön mitgenommen aus! Waren das Fesselmale an den schlanken Handgelenken? Fesselmale, die nicht von ihm stammten?!

Leider konnte es sich Aeneas aber gerade jetzt nicht leisten mit dem hübschen Knaben in Verbindung gebracht zu werden. Er hatte sich gerade erst einen Namen gemacht, Tests bestanden, einen Ruf erworben. Er hatte dafür sogar gesungen!

Sollte sich das himmlische Kunstwerk nun in seiner unverwechselbar frechen, respektlosen und fordernden Art an ihn hängen, müsste er ihn vor den Augen aller sofort ermorden, um seinen aktuellen Stand in der Hölle zu wahren. In diesem Fall ging das Geschäft seinem eigenen Vergnügen vor.
 

Als der Gargoyle schließlich keinen Meter mehr von ihm entfernt stand, konnte er ihm ohne Bedenken das Gesicht zuwenden und ihm eine eindeutige Botschaft schicken. Kalt blickte er auf ihn herab, als sehe er nichts als eine Kakerlake im Badezimmer. Luzifer erstarrte und der Ausdruck auf dem schönen Gesicht bewies, dass er verstanden hatte. Angsterfüllt zog sich der Italiener wieder zurück, bevor er das Opfer eines der Anwesenden werden konnte. Aeneas bemerkte, dass Valentino dem Kleinen angewidert nachsah.
 

Anschließend sprach der Gorgone noch mit diesem und jenem, vor allem aber mit dem Baron von Tross, der ihn feierlich beglückwünschte. Er habe sich als Sterblicher tadellos geschlagen. Außerdem wolle er ganz im Vertrauen unbedingt wissen, wo er seinen Gesang gelernt habe. Aeneas schwieg sich darüber aus und fragte im Gegenzug hinterhältig, wer denn der kleine rothäutige Dämon gewesen wäre, mit dem der Baron vor der Konferenz gesprochen habe; jener, den der Baron "Rhip" gerufen habe. Doch dazu kratzte sich nun Anatol nur verlegen am gefiederten Kopf und meinte, das sei niemand bestimmtes gewesen, nur die Organisatorin der Tagung.

Aeneas nickte. So so.

Die kollaterale Konferenz

Aeneas
 

Als er das Zimmer seiner Lustknaben verließ, erwartete ihn auf dem Flur bereits ein äußerst gereizter Vampir. Jérôme konnte Luzifer immer noch an ihm riechen und das ärgerte den Blutsauger. Gut so. Er brauchte ihn in diesem Zustand. Ohne ein Wort ging er an dem Blauäugigen vorbei und jener folgte ihm, wie ein Hund.

Er war noch nicht weit gegangen, da kam ihm ein weiterer Blondschopf entgegen, diesmal mit grünen Augen und wogendem Busen unter einer weißen Bluse. Kjósa, seine Banshee, war seine rechte Hand. Sie koordinierte seine Termine, leitete seine Befehle weiter, organisierte seine Reisen, besorgte seine Korrespondenz und managte nebenher noch sein Privatleben. Es war nicht ausschließlich seine Schuld, dass die ehemalige stolze Walküre jetzt als niederer Totengeist an seiner Seite bleiben musste, bis er eines Tages das Zeitliche segnete, aber sie war dermaßen nützlich, dass er diesen Umstand nicht bedauerte.

„Da bist du! Ich hätt‘s ahnen können. Du steckst erst mal gediegen einen weg, während mir die Dämonen auf dem Hals sitzen, die mit dir ihre Business Ideen durchsprechen wollen! Danke auch! Da!“, sie drückte ihm einen Stapel Aktenordner in den Arm, den er ohne hinzusehen an Jérôme weiterreichte.

„Sag mal, nimmst du die Chose hier eigentlich ernst, oder verschwenden wir unsere Zeit?“, wollte Kjósa wissen. Sie hatte immer diese recht aggressive Art zu sprechen. Der Gorgone fasste sie gelassen an der Schulter, drehte sie um und ging mit ihr den Weg zurück, den sie gerade gekommen war.

„Das tue ich. Ich war nur eben gezwungen, ein Alibi zu verschaffen.“, raunte er ihr unauffällig zu. Kjósa sah zu ihm auf. Sie verstand sofort.

„Shit. Was ist passiert?“, erkundigte sie sich ebenfalls wispernd. Er kippte gleichmütig den Kopf ein wenig zur Seite, was einige auf seinen Schultern dösende Schlangen in Bewegung versetzte, und richtete ihn dann wieder gerade aus.

„Mn. Glan hielt das Schmuckstück für einen Engel. Hat mein Zimmer in Brand gesteckt. Darum gehen wir beide jetzt zur Hoteldirektion.“
 

Sie erstatteten bei Charlie Bericht über den nächtlichen Einbruch des Motorraddämons, der allerdings nur Luzifer im Raum angetroffen habe und daraufhin offenbar durchgedreht sei. Aeneas erzählte die Begebenheiten so, als habe er sie selbst nur von seinem Jungen gehört. Jérôme bestätigte alles, ohne darüber nachzudenken, sobald er aufgefordert wurde, zu sprechen. Dabei versteckte er sich hinter dem Aktenstapel, den er für seinen Herrn trug, um sein Grinsen zu verbergen. Aber für Charlie musste es so wirken, als sei der Vampir verstört durch die Ereignisse. Schließlich fragte sie den großen Mann voller Mitgefühl, wo er denn zu dem Zeitpunkt gewesen sei, als das alles passierte. Der Grieche gab an, er habe im Fitnessraum des Hotels trainiert. Er trainiere meistens nachts, weil ihm tagsüber durch seine Geschäfte nur wenig Zeit zur Verfügung stünde. Er sei dabei auch gesehen worden, sollte das ihre nächste Frage sein. Anschließend habe er geduscht und dann bis eben seine völlig verängstigten Jungs getröstet. Vor allem Luzifer – ja, der Gargoyle sei ehrerbietig nach Charlies Vater benannt, allerdings schreibe er sich mit „z“ nicht mit „c“ – habe sich ohne ihn nicht mehr sicher gefühlt, nachdem er dem Anschlag des Dämons nur so knapp entkommen sei. Erst jetzt habe er ihn etwas ermüden und dann ablenken können, um hier seinen Bericht abzugeben. Natürlich könne Charlie gerne mit ihm sprechen. Er habe ihn im Zimmer gelassen und zu seiner eigenen Sicherheit eingeschlossen. Vielleicht wäre es allerdings besser, wenn er selbst dabei zugegen wäre, denn wie gesagt, der Kleine reagiere nun ziemlich verängstigt auf Dämonen.
 

Die Hoteldirektorin hörte das alles mit nicht minderem Bedauern an. Sie versprach alles zu veranlassen, dass der Schuldige gefunden würde. Aeneas bat ausdrücklich darum, denn bei dieser blindwütigen Zerstörung seines Zimmers, sei doch einiges an persönlichen Sachen zu Schaden gekommen, das er gerne ersetzt hätte. Sie reichten sich die Hände. Charlies zierliche Finger verschwanden fast unter dem breiten Daumen des Hünen, sodass er sehr vorsichtig nur mit Daumen und Zeigefinger zugriff. Dann entschuldigte er sich, weil er demnächst zur Konferenz müsse und noch keine Zeit gefunden habe, zu frühstücken. Die Tochter des Höllenherrschers wünschte ihm einen wundervollen und erfolgreichen Tag und empfahl ihm, sich auf Kosten des Hauses ans Buffet zu setzen. Er dankte höflich und verbeugte sich sogar vor der Prinzessin. Dann verließ er ihr Büro.
 

Draußen auf dem Flur ging das ungleiche Trio eine Weile schweigend zusammen, bis es weit genug weg war, dann raunte Kjósa: „Warst du gestern Nacht im Fitnessraum?“ Aeneas brummte.

„Jene, die dort waren, werden selbst unter der Folter noch schwören, ich sei schon um acht Uhr da gewesen. Um den Rest hat sich Jackdaw gekümmert.“ Hinter ihm warf sich Jérôme stolz in die Brust und kicherte. Er hatte die Überreste Glans sorgfältig, ungesehen und genau nach Luzifers Plan entsorgt, während der Gargoyle im Zimmer alle Spuren beseitigt hatte, die verraten könnten, dass Aeneas während des Angriffs dort gewesen sein könnte. Sogar die Wanne hatte er sorgfältig gereinigt und hinterher darin geduscht, damit sie benutzt wirkte, wenn das Zimmermädchen kam. In solchen Angelegenheiten kannte sich der ehemalige Dieb, Einbrecher und Toyboy aus. Kjósa nickte. Offenbar hatte jeder getan, was er am Besten konnte, um den Mord zu vertuschen. Sie fragte nicht, wo der Vampir die Leiche hingebracht hatte. Je weniger sie wusste, desto echter würde ihre Überraschung sein, sollte der Leichnam noch während ihrer Anwesenheit im Hazbin Hotel wieder auftauchen.

„Wo ist Chora?“, wollte stattdessen der Gorgone wissen.

„Rate mal. Er hockt am Buffet und verschlingt alles, was nicht schnell genug wegrennt. So wie er sich hier benimmt, wird mit Sicherheit niemandem auffallen, dass er nur ein halber Dämon ist.“, lästerte sie über den für den Waffenhandel zuständigen Boss ihrer Organisation.
 

Chorão Devorador war ein in Peru geborener halber Teufelsdämon. Er bezeichnete es als sein Pech, dass er einen menschlichen Vater gehabt hatte, der von seiner Mutter vergewaltigt worden war. Als sein Glück gab er jedoch an, dass er mehr nach der Mutter kam und zwar in jeglicher Hinsicht. Er verschlang Unmengen an Nahrung, weil sein Körper die Eigenheit besaß, sich den gegebenen Erfordernissen anzupassen, zu wachsen, zu schrumpfen, Muskeln und Gliedmaßen sowohl aus- als auch wieder zurückzubilden, und das verbrauchte eine Menge Energie. Besonders gerne passte sich der Körper des Peruaners den Vorlieben potentieller Geschlechtspartnerinnen an, um auf sie unwiderstehlich zu wirken. Allerdings blieb er dabei den spezifischen Merkmalen seiner Person überwiegend treu, wie seinen rabenschwarzen Wuschelhaaren und seinen bernsteinfarbenen, schwarz umrandeten Augen. Er konnte sich vollkommen überzeugend als Mensch ausgeben und ebenso überzeugend mimte er jetzt den vollwertigen Dämon.

Als Aeneas ihn fand, hatte er sich einen Stuhl direkt ans Buffet gezogen und saß nun breitbeinig darauf, die Lehne vor der Brust, während er sich bergeweise Fleisch ins gewaltige Maul schaufelte. Als er seinen Paten und Kumpan erblickte, sprang er auf und winkte mit vollen Backen. Dann erst schluckte er und kam auf den Gorgonen zu. Sie setzten sich gemeinsam an einen der Tische. Kjósa blieb neben Aeneas‘ Stuhl stehen. Jérôme wurde ausgeschickt, Frühstück zu holen, nachdem Aeneas sich von ihm die Aktenordner hatte wiedergeben lassen.
 

Der Kaffee war nach wie vor grauenhaft, aber Aeneas trank ihn kommentarlos, wobei er sich fragte, ob Hühner auch in die Hölle kamen, denn es gab hier offensichtlich Rührei. Zusammen gingen die zwei Bosse die Angebote durch, die Kjósa gesammelt hatte.

Valentino war möglicherweise an einer diesseitig-jenseitigen Gleichschaltung ihrer Bordelle interessiert. Er müsse den Markt noch eruieren, aber er hielt es für denkbar, dass einige seiner Kunden Nutten aus der Oberwelt geil finden würden, ebenso wie den Zugang zu diesseitigen Porno-Inhalten. Im Gegenzug würde er geschützte Räume anbieten, in denen Kunden aus der Oberwelt seine Angebote vor Ort nutzen könnten. Schließlich war es den Verdammten verboten, in die Welt der Lebenden einzubrechen, aber für Besucher aus der neutralen Zone gab es noch keine Gesetze, weil das schlicht nicht vorkam.

Rosies Emporium war an diesseitigen Waren für ihr Geschäft interessiert. Natürlich. Es würde den Fortschritt in der Hölle massiv ankurbeln, wenn man nicht alles neu erfinden müsste, sondern es direkt aus der neutralen Zone bezöge. Da sich die Währung der Hölle aber noch nicht in Dollar oder Euro umwechseln ließ, sah Aeneas für diese Geschäftsbeziehung eher schwarz, bis sich das Experiment etabliert hatte.

I.M.P. fragte im Auftrag eines stillen Teilhabers, ob sie zukünftig unter dem Schutzmantel seiner Organisation in der Oberwelt agieren könnten. Sie hätten vor Kurzem einigen Ärger mit Agenten der Regierung gehabt und nun zwänge ihr anonymer Geschäftspartner sie dazu, sich einen Deckmantel für ihre Einsätze zu verschaffen, sonst stelle er seine Mittel für Reisen in die neutrale Zone nicht mehr zur Verfügung. Aeneas wusste jetzt schon was er darauf antworten würde. Er musste diesen ungenannten Gönner kennenlernen und mit ihm verhandeln. Seiner Einschätzung nach waren diese Imp-Figuren und ihr Höllenhund nur kleine Fische, die selbst nichts anzubieten hatten. Er musste an den wirklichen Machthaber herankommen, dann würde es erst interessant werden.

Der Baron von Tross versicherte, dass, egal mit wem sich Aeneas letztendlich auf eine geschäftliche Kooperation einließe, er natürlich gerne zur Verfügung stünde, als Dritter im Bunde die Portale zwischen den Welten zu liefern.

Und so ging es weiter bis die Tassen und Teller leer waren und es wirklich Zeit wurde zum zweiten Teil der Tagung aufzubrechen, wo er sich dann mit den Urhebern dieser Angebote auseinandersetzen würde.
 

Charlie

Charlie plagen nach dem gestrigen Tag große Zweifel, ob die Konferenz wirklich eine so gute Idee war, wie Alastor sagte. Denn anstatt positive Elemente von der Oberwelt mitzubringen, eröffnete dieser Gorgo den Overlords und Bossen der Hölle nur breitere Wege, ihrer Verderbnis zu frönen. Das war genau das Gegenteil von dem, was Charlie sich erhofft hatte. Und jetzt war natürlich genau das geschehen, was sie hier im Happy Hotel vermeiden wollte! Die Gäste griffen sich gegenseitig an. Allerdings wäre Charlie nicht die Tochter Lucifers, wenn sie jedem gleich glauben würde, der andere anschwärzte. Wobei es schon äußerst erfreulich für höllische Verhältnisse war, dass jemand überhaupt Anzeige erstattete, statt die Dinge selbst zu regeln und zwar mit Mord! Insofern brachte der weltliche Gast vielleicht doch etwas in die Hölle mit, das es bisher noch nicht gab: Eine Ordnung nach dem Schema von Recht und Gesetz zusätzlich zur höllischen Hierarchie. Der Verzicht auf Selbstjustiz war hier sonst nur jenen vorbehalten, die zu schwach dazu waren. Und dazu gehörte dieser Lefkítis auf keinen Fall. Dennoch war Charlie skeptisch, so sehr sie dem Besucher aus der neutralen Zone auch glauben wollte. Sie musste mit dem Gargoyle sprechen, diesem Namensvetter ihres Vaters. (Noch so ein Ding, dass sich in der Hölle niemand getraut hätte!) Aber sie musste alleine mit ihm sprechen, ohne den Einfluss seines übermächtigen Patrons. Denn dessen Wirkung auf seine Jungs hatte sie ja an dem Vampir beobachten können. Sicher hätte der Blonde auch steif und fest behauptet, er liebe Sonnenbäder, wenn der Albino es von ihm gewollt hätte! Also nahm sich Charlie den Generalschlüssel aus ihrem Schreibtisch und sah im Register nach, welche Zimmer Lefkítis gebucht hatte und welches davon seine Jungs bewohnten, denn dort würde sie mit Sicherheit diesen Luzifer mit „z“ finden.
 

Als sie sich nach vielen Unterhaltungen mit den Besuchern des Hotels, die sie zufällig auf dem Weg traf, endlich bis vor die richtige Zimmertür durchgekämpft hatte, hielt sie inne und biss sich auf den Fingerknöchel. Was wenn sie den Gargoyle wirklich mit ihrem Auftauchen in Panik versetzte, so wie der Albino gesagt hatte? Aber dann atmete sie tief durch und fasste Zuversicht. Ihre Erscheinung und ihr freundliches Wesen würden schon wirken. Sie klopfte. Niemand antwortete. Hatte Lefkítis nicht angedeutet, er habe den Jungen hier eingeschlossen? Dann konnte er doch nicht weg sein. Sie prüfte verstohlen die Türklinke. Es war wirklich abgeschlossen. Sie klopfte wieder.

„Ich bin nicht da.“, behauptete eine gedämpfte Stimme von drinnen. Charlie atmete lächelnd auf.

„Luzifer? Ich bin Charlie. Die Hoteldirektorin? Ich würde dir gerne ein paar harmlose Fragen zu dem Vorfall von gestern stellen. Der mir übrigens unglaublich Leid tut.“, stellte sie sich und ihr Anliegen durch die Tür hindurch vor.

„Kein Interesse. Frag den Großen.“, kam es schnodderig als Antwort zurück. Charlie griff verschlagen zu Plan B.

„Ähm, ich möchte dir aber eine Entschädigung anbieten. Und dazu müsstest du kurz mit mir reden.“, rief sie. Drinnen blieb es für einen Moment still. Sie lauschte.

„Komm rein. Aufmachen musst du dir selber.“
 

Freudig triumphierend und bestärkt in ihren Absichten nahm Charlie ihren Generalschlüssel zur Hand, schloss auf und trat frohen Mutes ein. Dieser Luzifer schien ein nur allzu bekannter Charakter zu sein: habgierig, feige und bestechlich! Damit würde sie spielend leicht fertig werden.

„Ich hoffe, ich störe nicht, aber es ist mir sehr wichtig, dass die Regeln hier im Happy Hotel befolgt werden. Wir wollen hier keine, oh verdammt, du bist ans Bett gefesselt!“, endete der kleine Einstiegsvortrag etwas anders, als sie ihn sich zurechtgelegt hatte.

„Äh, wieso … bist du ans Bett gefesselt?“, entkam ihr die Frage, bevor sie sich beherrschen konnte.

Luzifer war glücklicherweise vollständig bekleidet, wenn auch barfuß. In seinen gefesselten Händen lag eine Spielkonsole und sein schlanker Körper fläzte in lümmelnder Haltung am Kopfende des Bettes. Die lange Kette, die seine Handschellen an den Pfosten schmiedete, floss längs über Luzifers Bauch hinab, wand sich zwischen seinen aufgestellten Beinen hindurch, bog am rechten Oberschenkel scharf ab und schlängelte sich dann über die Matratze, hinunter auf den Boden, um dann zielgerichtet am Bettpfosten wieder hinauf zu streben. Der Gamer zuckte die Achseln.

„Du sagtest was von Entschädigung?“, setzte er nach und legte die Konsole auf den Nachttisch, während er die Beine über den Bettrand schwang und baumeln ließ, um Charlie mehr oder weniger anständig gegenüber zu sitzen. Die höllische Prinzessin schloss die Tür hinter sich und trat näher an das Bett heran. Jetzt da sie Luzifer aufrecht sitzend sah, fiel ihr etwas auf.

„Hey, ich hab dich schon mal gesehen! Bist du nicht gestern durch das Casino gerannt?“, erinnerte sie sich. Die lilahaarige Gestalt nickte mürrisch.

„Ja. Und dafür wäre eigentlich auch eine Entschädigung fällig. Die Flachpfeifen da haben mich zum Freiwild erklärt und eine Hetzjagd auf mich veranstaltet. Ich bin durch‘s halbe Hotel geflitzt, bevor sie mich kriegten! So ne kastenförmige Eule mit Monakel hat mich denen abgekauft und mich gefesselt in ne Truhe gesperrt, um mich als Wetteinsatz zu verspielen! Zum Glück konnte ich wieder entwischen. Wer weiß was sonst noch mit mir passiert wäre.“, erzählte er klagend.

Charlie sparte sich den Kommentar, dass es „Monokel“ hieß und nicht „Monakel“, kaute aber bedrückt an ihrer Unterlippe bei diesem Bericht. Hier ging wirklich alles drunter und drüber, seit diese Konferenz in ihrem Hotel stattfand. Sie selbst wusste leider nur zu gut, was alles mit dieser schwächlichen, kleinen Kreatur hätte passieren können, die zu allem Überfluss auch noch das ekelhaft glatte Gesicht eines Engels trug.
 

„Das … tut mit furchtbar leid. Auch so was kommt hier eigentlich nicht vor. Ich versuche hier im Hotel die Dämonen zu rehabilitieren, damit sie eine Chance haben, in den Himmel aufzusteigen … du wirst das sicher genauso lächerlich finden, wie alle anderen, aber ich glaube ...“, zu ihrer Überraschung unterbrach sie der Knirps. Er sah plötzlich überhaupt nicht mehr schnodderig und desinteressiert aus, sondern vielmehr sehr ernst.

„Nein. Das finde ich nicht lächerlich. Ich bin zwar nicht ‚der Lucifer‘, aber mein Bildhauer hat alles in mich einfließen lassen, was er in Lucifer sah. Einen Engel, der nicht recht ins Gefüge des Himmels passte, weil er zu klug war, zu viele Fragen stellte, zu pragmatisch dachte; aber der es deshalb noch lange nicht verdiente, verteufelt zu werden. Er sah einen standhaften Charakter, der unter allen Umständen seinen Weg findet! Aber etwas in ihm wird sich immer zurück in den Himmel sehnen, weil dort seine Wurzeln liegen. Ich spüre diese Sehnsucht jeden Tag, obwohl es für mich nie einen Himmel gab. Aber genau wie ‚Lucifer‘ habe ich mir auf der Suche nach Ersatz einen eigenen Himmel geschaffen, der eigentlich eine Hölle ist. Wenn alle anderen deinen Versuch mit diesem Hotel lächerlich finden, dann zeigt das nur, wie kleingeistig sie sind. Alle Seelen haben ihren Ursprung doch im Himmel. Und während sie ihre Zeit auf der Erde verleben, müssen sie ihren Weg finden, genau wie Lucifer es musste. Aber das ist ohne Sünde fast unmöglich, darum fallen sie und landen hier und finden sich damit ab. Aber predigen die Priester nicht immer, dass wer fällt auch wieder aufstehen kann, wenn man ihm nur die Hand reicht?“

In Charlies roten Augen glitzerten Tränen. Dass der Junge so reden konnte, hätte sie ihm im Leben und im Tod nicht zugetraut. Er streckte Charlie seine Hand entgegen, was die Kettenglieder melodisch zum Klimpern veranlasste. Etwas in Luzifers Ansprache hatte bei der Prinzessin genau ins Schwarze getroffen. Ihr Herz schwoll an vor Wärme. Endlich fühlte sie sich von jemandem verstanden. Sie trat vor und ergriff voller Rührung die Hand des kleinen Luzifer, der aus violetten Augen offenherzig zu ihr aufsah. Sie konnte nicht anders, als den Metallring an seinem schmalen Handgelenk zu schmelzen und ihn von seinen Ketten zu erlösend. Rasselnd fielen die Handschellen von ihm ab.
 

„Shit, das ist besser.“, schnurrte der Gamer befreit und sein Lächeln erinnerte Charlie unheimlich an das ihres Vaters, als sie noch ganz klein gewesen war und er auf sie herunter gelächelt hatte, mit Stolz in den Augen und so viel Zuversicht, was aus ihr werden könnte. Aber vielleicht bildete sie sich das auch bloß ein. Jetzt traten Charlie plötzlich aus einem ganz anderen Grund die Tränen in die Augen. Rasch hob sie die freie Hand und wischte die Tropfen weg. Sie schniefte und versuchte ihren Gefühlsausbruch lächelnd zu überspielen.

„Gern geschehen.“

Einen Moment lang sahen sie sich gegenseitig in die Augen, hielten sich bei den Händen und schienen ein und denselben Traum zu teilen. Doch dann erinnerte sich Charlie an den Grund, aus dem sie überhaupt hier war und ließ Luzifers Hand verlegen los.

„Tja~ also, deswegen bin ich hier. Rehabilitierung. Um meinem Volk mit diesem Hotel die Hand zu reichen. … was mich zum Vorfall von gestern Nacht führt. Würdest du mir also jetzt ein paar Fragen beantworten?“

Luzifer lächelte eine Spur resigniert, rutschte vom Bett und schlurfte zur Mini-Bar.

„Da es sich offenbar nicht vermeiden lässt. Schieß los.“, murmelte er und durchforstete den Schrank. Er nahm sich etwas heraus, das wie Kekse und ein Energiedrink aussah und machte es sich damit erneut auf dem Bett bequem; wobei er die Kette allerdings von der Matratze herunter schob. Charlie sah ihm dabei zu und deutete dann auf die Bettkante.

„Darf ich?“, fragte sie höflich.

„Ist dein Hotel.“, stellte er achselzuckend fest.
 

Charlie setzte sich Luzifer gegenüber, der die Kekspackung aufriss, wodurch bereits die ersten Krümel auf der Decke landeten.

„Was ist gestern genau passiert.“, fragte sie und hielt sich ganz in der Pose der aufmerksamen Zuhörerin. Luzifer schob sich einen Keks in den Mund, kaute knuspernd und antwortete ohne vorher zu schlucken.

„Du meinst, nachdem ich einem Schicksal als verlorenem Wetteinsatz entkommen bin? Ich bin auf‘s Zimmer vom Boss, weil ich da normalerweise sicher bin. Er war nicht da, aber ich dachte, dem pisst sicher keiner ans Bein. Da platzt dieser brennende Lederfetisch rein, schreit was von wegen „Cherub“ und geht auf mich los. Der jagt mich kreuz und quer durchs Zimmer und versucht mich abzufackeln! Irgendwann konnte ich zur Tür rennen und auf den Flur entwischen. Von da bin ich dann in mein eigenes Zimmer. Hab gehofft, dass er nicht sieht wo ich hin bin und dann die Spur verliert. Das hat dann auch geklappt.“

„Du sagst, du bist zu Herrn Lefkítis ins Zimmer, ja? Wie bist du da reingekommen? Hat er dir den Schlüssel gegeben?“

„Nee, aber mit ner Nadel und 30 Sekunden Zeit komm ich überall rein. Ich dachte halt, die finden mich in meiner eigenen Bude. Brauchen ja nur n Blick ins Gästebuch werfen.“

„Ja, das leuchtet irgendwie ein.“, meinte Charlie, die Luzifers Zimmer ja genau auf diese Weise ausfindig gemacht hatte.

„Weißt du, was der Dämon, der dich angriff, von Herrn Lefkítis wollte? Wieso stand er plötzlich im Zimmer?“

Luzifer überlegte sichtlich, während er klackend und zischend die Getränkedose öffnete.

„Mmh, da war nicht viel Zeit, bevor er auf mich los ging. Aber ich glaube, er sagte was von wegen, er wolle es jetzt doch mit ihm versuchen. ‚Das Risiko eingehen‘, waren, glaub ich, die genauen Worte. Keine Ahnung ob er das geschäftlich meinte, oder ob das n Date werden sollte. Aber dann sah er mich und, tja, da ging‘s dann auch schon los.“

„Wieso hat er dich mit einem Cherub verwechselt?“

Luzifer trank einen Schluck und setzte anschließend die Dose wieder ab. Dann strich er sich den langen Pony von der rechten Gesichtshälfte und breitete hinter seinem Rücken, die wie von Geisterhand erschienenen, glänzenden, dunklen Schwingen aus. Charlie wurde grünlich im Gesicht. So einen Anblick war man als Kind der Hölle einfach nicht gewöhnt. Mit aller Gewalt unterdrückte sie ein Würgen.

„Verstehe. Würdest du...“, presste sie mühsam beherrscht hervor. Sie wollte nicht unhöflich sein, konnte Luzifers Erscheinung aber sichtlich kaum ertragen. Der Gargoyle ließ seine Haare wieder frei über das Gesicht fallen und die Flügel verschwinden. Dass man seinen Charakter zum Kotzen fand, war ihm schon begegnet, aber seine Gestalt? Das war neu.
 

Charlie räusperte sich und ihr Gesicht nahm langsam wieder die gewohnten Farben an.

„Entschuldige, aber Danke.“, blinzelte sie verlegen und strich sich mit den Fingern durch das blonde Haar. Luzifer, der inzwischen begriffen hatte, dass er in der Hölle nicht der Renner war, widmete sich wieder seinen Keksen.

„Wann, ähm, kam denn dann Herr Lefkítis dazu?“, fragte sie, bemüht, den peinlichen Augenblick zu überspielen. Der Gamer schluckte und wischte sich mit dem Daumen einen Krümel vom Mundwinkel.

„Viel später. Da war es schon zwei Stunden oder so her. Er kam zu uns rein und fragte, ob wir wüssten, was mit seinem Zimmer passiert sei. Da hab ich ihm alles erzählt.“

„Uns?“, fragte Charlie aufhorchend.

„Ja, uns. Jérôme und mir.“, der Italiener deutete auf das zweite Bett im Schatten an der Wand gegenüber.

„War Jérôme denn da, als du vor Glan hier herein geflüchtet bist?“, wollte Charlie wissen.

„Nicht sofort. Der begleitet doch immer den Boss zu den Treffen der Obermotze. Ich bin hier rein, schloss die Tür und verkroch mich hinter dem Vorhang. Hab den Motorradfuzzi noch draußen rum wüten gehört. Dann kam Jack dazu. Den hat der Alte dann auch dumm angemacht. Hab gehört wie Jack fauchte. Der lässt sich hier unten von keinem was gefallen. Konnte ihn dann wohl auch abwimmeln. Aber der war trotzdem ganz schön verstört, als er hier rein kam.“

Bis hierher stimmte Luzifers Geschichte mit dem überein, was Lefkítis und der Vampir in Charlies Büro erzählt hatten. Da der Gargoyle überdies einen anderen Wortlaut benutzte, war Charlie gewillt, ihm zu glauben.

„Okay Luzifer. Eine Sache noch, dann lasse ich dich wieder in Ruhe. Was hat Herr Lefkítis getan, nachdem du ihm alles erzählt hattest?“, fragte sie und sah den Kleineren eindringlich an. Luzifer fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, holte leise durch den Mund Luft und sah für einen Moment zur Seite. Dann huschte sein Blick wieder zurück zu Charlie und er grinste.

„Das willst du wissen, huh? Lass mich raten. Er hat dir irgendeine unheimlich diplomatisch formulierte Story erzählt, die eigentlich gar nichts aussagt, aber gut klingt. Und wenn er einen richtigen Lauf hat, dann ist davon nicht ein Wort gelogen. Du willst wissen, was er getan hat? Wie sehr soll ich da für dich ins Detail gehen? Soll ich dir jede verdammte Minute ausmalen oder reicht es dir, zu wissen, dass er das getan hat, wozu er uns dabei hat?“

In Luzifers Blick trat etwas Herausforderndes. Charlie blinzelte irritiert. Das war nicht die Reaktion, mit der sie gerechnet hatte. Irgendetwas lief hier gerade aus dem Ruder. Da sie keine ausgebildete Kriminalistin war, unterlief ihr jetzt ein entscheidender Fehler. Anstatt zu fragen, was genau er damit meinte, gab sie Luzifer den genauen Wortlaut von Aeneas‘ Aussage wieder:

„Ähm, er sagte, er habe euch getröstet. Weil du dich ohne ihn nicht mehr sicher gefühlt hättest. Du hast doch auch gesagt, ihr wart verstört.“

Luzifer grinste. Genau darauf hatte er gehofft. Dieser Teil der Aussage war der einzige, auf den sie sich nicht im Voraus hundert prozentig geeinigt hatten. Jetzt aber konnte er glaubwürdig auf Charlies Frage reagieren.

„Es stimmt, was er sagt. Nachdem ich gestern zwei Mal von verrückten Dämonen gehetzt worden bin, war es mir lieber, ihn in meiner Nähe zu wissen. So gesehen hatte es tatsächlich etwas Tröstliches, dass er blieb, um uns durchzuficken. Nach dem Training ist er meistens rattig.“, schnarrte er.

Charlie brauchte einen Moment, um diese Aussage zu verarbeiten. Tatsächlich passte jetzt alles wieder. Sowohl Luzifers kleiner Ausraster, als auch Lefkítis rätselhafte Andeutung, er habe Luzifer „etwas ermüden und dann ablenken können“.

Als Charlie dergestalt in Gedanken nichts erwiderte, fragte Luzifer vulgär:

„Willst du Beweise sehen?“

Seine Finger strichen anzüglich über die Bettdecke, als bräuchte er sie nur zurückzuschlagen, um die Wahrheit seiner Worte zu enthüllen. Dasselbe taten die Finger seiner zweiten Hand mit den Haaren, die über seinem Nacken lagen. Charlie sprang vom Bett auf.

„Bei allen Zirkeln, nein! Nein, Danke! Das ist dann doch, äh, zu privat, genau, das geht mich gar nichts an! Danke für das Gespräch! U-und deine Offenheit. Ich denke, die Sache ist damit erledigt. H-hab noch einen schönen Aufenthalt im Hotel. Ich muss dann jetzt auch wieder! Die Aufgaben einer Direktorin und so! Äh, tschüss dann!“

Während sie sprach hatte sie sich immer weiter der Tür genähert und verschwand schließlich winkend und grinsend nach draußen.

„Ey! Was ist jetzt mit der Entschädigung?! Ich bin in deinem Hotel gejagt worden! Zwei Mal!“, rief Luzifer ihr nach.

„Ich lass dir was auf‘s Zimmer bringen.“, versprach Charlie, die bereits im Begriff war, die Tür von außen zuzuziehen. Draußen lehnte sie sich mit dem Rücken gegen das Holz und atmete auf. Wer hätte gedacht, dass es so prekär sein würde, in diesem Fall Nachforschungen anzustellen. Die nächste Aussage musste sie sich jetzt wohl von Glan holen. Also ging sie ihn suchen.
 

Rhip

Der Broker saß beim Frühstück, hatte den ersten Drink des Tages vor sich stehen und schlenkerte nervös mit dem langen Teufelschwanz hin und her. Nicht selten geriet das Ding dabei kleineren Dämonen zwischen die Beine und brachte sie zu Fall, woraufhin sich die beiden Parteien giftig anzischten.

Rhip hatte kein gutes Gefühl was Angel Dust anging. Aufgeputscht hatte der Spinnendämon am vergangenen Abend zwar eine glänzende Show abgeliefert, aber hinter der Bühne erlitt er offenbar einen heftigen Anfall von Paranoia, wie man Rhip berichtet hatte. Daraufhin hatte der Triceratopsdämon nun doch Valentino Bescheid gesagt und ihn gebeten, ein bisschen auf seinen Goldjungen aufzupassen. Rhip verriet dem Overlord allerdings nur so viel, dass Angel am vergangenen Morgen bedroht worden war. Es würde gar nichts bringen, wenn der Mottendämon den Tänzer am Ende zusammenschlug, weil er glaubte, Angel nehme sich Freier mit in die Garderobe. Vorausschauend schwächte der Broker die Sache deswegen ab, indem er sagte: „Sicher nur ein eifersüchtiger Fan oder so, aber bevor ihm jemand sein hübsches Gesicht zerschneidet.“

Das sah Valentino ein, aber Rhip wurde dadurch nur wenig ruhiger. Das hier, diese ganze Veranstaltung, war eine große Sache und nichts durfte den Ablauf stören!
 

Zwei Meter weiter brachte einer der von Alastor besorgten Kellner einen armen Sünder an den Nebentisch. Rhip beobachtete die dort versammelten Gäste aus der Oberwelt, einerseits um sich abzulenken, andererseits weil sie das Gefühl als beruhigend empfand, die Fremdlinge im Auge zu behalten. Der recht menschlich wirkende Sünder, den der Kellner anschleppte, sah völlig erschöpft aus. Er wehrte sich nicht, schien aber kräftig genug um sich zumindest auf den Beinen zu halten. Der Kellner brachte ihn zum einzigen Gast am Tisch, der weder einen Sitzplatz noch ein Gedeck erhalten hatte und verkündete schadenfroh: „Darf ich Ihnen das heutige Menü vorstellen? Justin Bergrim, Mitte fünfzig, Vater von vier Kindern, Lehrer für Geschichte und Englisch, ein unheimlich inkompetenter Quälgeist, verbringt seine Freizeit mit Vorliebe essend vor dem Fernseher oder mit Freunden in der Kneipe. Hoffe, er mundet.“

Dem hochgewachsenen, dürren, blonden Bleichgesicht am Tisch begannen die großen, blauen Augen gierig zu funkeln. Er leckte sich die bleichen Lippen. Kurz darauf riss der Vampir das ‚Tagesmenü‘ an sich und stieß geräuschvoll die langen Fangzähne in dessen Hals.
 

Rhip sah gelangweilt zu, wie Justins Haut immer blasser wurde und sein Blick allmählich brach, als ihr plötzlich Arackniss auffiel, der weiter hinten vorbeilief. Verstohlen schlich er in Richtung der Bühnen des Casinos. Wozu er da jetzt hing ging, war leicht zu erraten, denn eine Show fand momentan nicht statt. Rasch stand Rhip auf, um ihm zu folgen und stieß dabei fast mit dem großen, schwarzhaarigen Teufelsdämon zusammen, der gerade vom Nebentisch aufstand, um sich am Buffet Nachschub zu holen. Rhip hatte aber keine Zeit für eine Keilerei und wich dem Größeren aus, anstatt den Zusammenstoß zu provozieren. Arackniss war so klein, dass es sich richtig schwierig gestaltete, ihn zwischen all den Gästen im Auge zu behalten. Gleichzeitig durfte sie nicht so nah aufrücken, dass er seinen Verfolger bemerkte! //Oh nein, du versaust mir das Unterhaltungsprogramm nicht!// dachte Rhip grimmig und stieß die kleine Niffty zur Seite, als sie ihr zufällig in die Quere lief. Der Mafioso stahl sich tatsächlich hinter die Bühne. Rhip beschleunigte ihren Schritt. Sie musste Angel evakuieren, bevor dieser Gnom ihn fand! Als ihr kurz vor dem Ziel ein blond-roter Schemen in den Weg sprang, hätte sie ihn beinahe mit ihren Hörnern einfach niedergemäht, doch im allerletzten Augenblick erkannte sie Charlie. Nun war Rhip allerdings eine Großechse und wenn die mal im Laufen begriffen sind, ist es schwer, ihre Massen wieder zum Stillstand zu bringen. Rhip bremste scharf ab, aber ihr Gewicht trieb sie weiter vorwärts. Wenn sie Charlie nicht niedertrampeln wollte – was wirklich schlecht für ihren Ruf als Broker gewesen wäre – so blieb ihr nur eine Wahl.

Im Laufen hob Rhip die schlanke, junge Frau auf ihre Muskel bepackten Arme und nahm sie die letzten Meter ihres Bremsweges mit. Erschrocken klammerte sich die Prinzessin an den breiten, rothäutigen Nacken des Triceratops. Rhip spürte ihr Gewicht kaum. Dennoch war sie froh, als sie sich endlich mit der Schulter hart gegen einen Stützpfeiler fallen lassen konnte und dadurch abrupt zum Stehen kam.
 

Mühsam ihren Zorn beherrschend, setzte sie Charlie unversehrt ab und sah sich dann hektisch nach Arackniss um. Er war nirgends zu sehen. //Verdammt-verfickte Scheiße!// dachte sie grimmig.

„Entschuldigt, ich muss...“, fing Rhip grimmig an. Sie wollte sich schleunigst davonmachen, als sie Charlies zierliche Hand auf ihrem Unterarm spürte.

„Nenn mich bitte Charlie und das ‚Ihr‘ kannst du auch sein lassen.“, meinte sie freundlich, „Ich muss dich einen Augenblick sprechen! Es geht um die Konferenz.“

Rhip war hin und her gerissen. Natürlich musste sie sich anhören, was die Lokalherrin von ihr wollte, aber sie konnte doch nicht einfach zulassen, dass dieser verrückte Mafioso ihren Startänzer vermöbelte. Ihr gelb-blauer Blick ging zwischen Charlie und dem Bühneneingang hin und her, sie bleckte die Zähne und rümpfte die Nase. Es hätte nicht viel gefehlt und sie hätte unwillig geknurrt.

„Ist es wichtig? Eigentlich muss ich ...“, wieder unterbrach die Prinzessin ihre Ausflüchte.

„Ja, ist es.“

Rhip sah noch einmal zur Bühne hinüber und ließ sich dann von Lucifers Tochter in ein Separee führen, wo sie unter vier Augen miteinander reden konnten. In Gedanken ging der Broker bereits die Listen durch, wer Angel beim heutigen Abendprogramm ersetzen könnte, falls Arackniss ihn nicht heil ließ.
 

„Rhip.“, riss Charlie sie aus ihren Gedanken, „Was du hier auf die Beine gestellt hast, ist beeindruckend. Alle scheinen sich gut unterhalten zu fühlen. Es gibt mehr als genug zu essen und die Getränke fließen unaufhörlich. Mein Hotel war noch nie so voll.“, begann sie.

„Aber?“, fiel Rhip in Charlies Aufzählung ein, um die Sache abzukürzen. Die Prinzessin lächelte bedrückt.

„Wow. Du bist sehr direkt.“, bemerkte sie ein wenig pikiert. Verlegen strich sie sich durch das lange Haar.

„Spart Zeit.“, kam die grobe Antwort von Rhip.

„Nun gut. Mir gefällt nicht, was hier passiert!“, sprach die Hoteldirektion das Problem aus.

„Was genau?“, wollte Rhip wissen, „Ich kann die Schuldigen feuern und was anderes besorgen.“, bot sie an. Charlie hob abwehrend die zierlichen Hände.

„Nein, das ist es nicht. Es ist alles … toll. Aber … es passt nicht hier her.“

Rhip zog fragend die Brauen zusammen und kratzte sich an einem ihrer Hörner.

„Verstehst du?“, drängte Charlie flehend. Aber Rhip verstand sichtlich kein Wort. Charlie seufzte.

„Im Happy Hotel sollen sich die Gäste bessern. Aber ich habe das Gefühl, mit dieser Konferenz sind alle sieben Todsünden hier eingezogen. Es wird gespielt, getrunken, am Buffet herrscht die reinste Völlerei, das Programm besteht aus pornografischen und gewalttätigen Darbietungen und ich bin sicher, ich habe schon mindestens drei Dealer im Hotel gesehen rumlaufen sehen! Das Schlimmste ist aber, dass ich gehofft hatte, dieser Besuch aus der Oberwelt würde einen Hauch von Tugend mitbringen. Stattdessen fahren die Overlords in deren Gegenwart zur Hochform auf. Sie überschütten Lefkítis quasi mit unredlichen Angeboten, um ihre Macht und ihren Einfluss auf die Neutrale Zone auszuweiten. Er ist genau so schlimm, wie jeder hier, er kann es nur besser verbergen.“ Sie seufzte, „Und jetzt fangen die Gäste auch noch an, aufeinander los zu gehen. Gestern hat Glan Lefkítis‘ Zimmer verwüstet und nun kann ich ihn nirgendwo finden. Seine Freunde, die er dabei hatte, sind auch abgehauen. Außerdem hat Hugo einen von Lefkítis Begleitern durch das ganze Hotel jagen lassen, in einen Koffer gesteckt und ihn als Wetteinsatz verspielt!“
 

Rhip hatte während dieser Ausführungen die Arme vor der Brust verschränkt und zugehört. Ihr eingekerbter Teufelsschwanz schlängelte knapp über dem Boden hin und her. Jetzt unterbrach sie Charlies Aufzählung mit einem dreckigen Lachen.

„Hat er die lila Kröte also erwischt! Wer hat den Bengel denn gewonnen?“, wollte sie offensichtlich amüsiert wissen. Charlie starrte sie missmutig an.

„Niemand! Er konnte noch entwischen. Hast du diese Hetzjagd auf ihn etwa mitgekriegt und nichts unternommen?“ Rhip hob gleichgültig die breiten Schultern.

„Die Mehrheit hatte Spaß daran. Ist schlecht für‘s Geschäft, die Party zu stören, wenn sie sich verselbständigt.“ Der Triceratops verstand das Problem immer noch nicht. Was Charlie da aufzählte, hörte sich doch nach einem grandiosen Erfolg an. Wahrscheinlich war die Blondine einfach verrückt, das wusste man ja spätestens nach ihrem Fernsehauftritt, als sie das Hotel zum ersten Mal der Öffentlichkeit vorstellte. Die Prinzessin verzog die Lippen in einer Mischung aus Enttäuschung und Wut. Um den nahenden Gefühlsausbruch zu verzögern, fragte Rhip schließlich, ohne auf Charlies Sorgen einzugehen: „Was sagt denn der Radiodämon dazu?“

Charlie atmete einmal tief durch und regelte ihr Temperament auf ein Level herunter, auf dem sie nur noch traurig über die aktuellen Entwicklungen war.

„Mit Alastor habe ich noch nicht gesprochen. Bei ihm hat sich die Idee mit der Konferenz so vielversprechend angehört. Es sind ja auch wirklich viele Leute da und alle haben Spaß hier, so wie er gesagt hat. Aber sie kommen dem Zweck meines Hotels nicht einen Schritt näher! Alastor scheint das alles auch noch zu genießen.“, teilte die junge Frau ihre Bedenken mit dem Broker. Sie schlang die dünnen Arme um ihren Oberkörper und sah nachdenklich zur Seite.
 

„Ich denke, es ist besser, wenn ich die Tagung hier abbreche, bevor noch etwas wirklich Schlimmes dabei herauskommt.“, meinte sie. Rhip horchte auf. Charlies Überlegung gefährdete den Ablauf ihrer so mühsam durchgeplanten Drei-Tage-Konferenz. Das durfte sie nicht zulassen! Zu viel stand dabei auf dem Spiel, unter anderem Rhip selbst. Sie ließ die massigen Arme aus ihrer Verschränkung fallen.

„Charlie! Vertrau mir. Ich habe alles im Griff. Solche Sachen gehören einfach dazu. Wir sind Dämonen und das hier ist die Hölle. Du kannst nicht erwarten, dass alle durch das bloße Betreten deines Hotels lammfromm werden. Wenn du jetzt durchdrehst, würde das nicht nur deinen Ruf und den deines Hotels endgültig zerstören, sondern auch meinen und den von Baron von Tross! Willst du denn alle Overlords gegen dich aufbringen? Das wäre der reine Wahnsinn!“, erklärte sie mit erzwungenem Lächeln. Diese kleine Göre fing an, an ihren Nerven zu sägen. Aber in Charlies Augen brannte der Trotz.

„Besser ich zerstöre jetzt meinen Ruf, als die Chance auf das Seelenheil meiner Gäste!“, meinte sie entschlossen und ballte die kleinen Fäuste.
 

Rhip packte sie bei den schmalen Schultern und hielt sie fest. Gutmenschen hatte sie schon als Lebende nicht ausstehen können und offenbar kapierte diese Schlampe den Ernst der Lage nicht.

„Deine Gäste? Was für Gäste? Du hast Angel und Alastor, mehr nicht. Keiner von denen meint es ernst mit deinem verrückten Plan! Wir haben jetzt Gäste aus der Neutralen Zone hier, Charlie! Es sind hunderte von Dämonen hier! Der Baron hat ein Vermögen für diese Veranstaltung ausgegeben! Alastor hat dutzende von Gefallen eingefordert! Valentino lässt mich vierteilen, wenn die gebuchten Shows hier platzen! Ganz zu schweigen von all den Overlords, die sich ein dickes Geschäft versprechen! Was glaubst du, von wem die alle ihre Verluste ersetzt bekommen wollen, wenn du plötzlich alles absagst?! Die werden erst mich lynchen, dann dich, dein Hotel dem Erdboden gleich machen und dann zu deinem Vater weiterziehen! Kapierst du das? Wenn du jetzt kneifst, aus einer verfickten Laune heraus, dann kostet uns das beide den Kopf, Mädchen!“, zischte Rhip eindringlich auf die Prinzessin ein, deren Gesichtsausdruck währenddessen immer kühler wurde.

„Ihr denkt alle nur an euch selbst. Ich versuche, der gesamten Bevölkerung zu helfen. Es geht hier um ein höheres Wohl für alle, nicht um Geldmacherei.“, erklärte sie tonlos. Rhip fletschte die Zähne. Dieses Miststück kapierte es offenbar wirklich nicht! Aber Charlie wäre nicht die erste kleine Hure, der Rhip ihr Zeichen in die Haut ritzen und ihr dann Vernunft einprügeln würde.

„Du glaubst, du kannst alles kaputt machen, was ich aufgebaut habe?!“, knurrte sie und ihre scharfen Klauen bohrten sich in die Haut der Prinzessin.

„Du tust mir weh, Rhip. Lass mich sofort los.“, befahl sie.

Rhip ließ sie los, aber nur um ihre Pranke um Charlies dünnen Hals zu schließen und sie rücklings auf das lila Sitzpolster des Separees zu drücken.

„Dir werde ich deine bescheuerten Ideen schon austreiben! Danach wirst du nirgendwo mehr hinlaufen!“, knurrte sie. Mit dieser Drohung auf den Lippen fasste sie nach Charlies Oberschenkel und schob ihr den Rock hoch.
 

Eine Flammensäule peitschte Rhip ins Gesicht und ließ sie schmerzerfüllt vor Charlie zurückweichen. Die ungleichen Augen gegen die beißende Hitze zusammengekniffen schlug sie blind um sich, erwischte aber niemanden. Ihre Haut und Haare fingen so schnell Feuer, dass jeder Versuch, die Flammen auszuschlagen, vergebens blieb. Rasch warf sie sich, brüllend vor Pein, auf den Boden und rollte sich herum, um die Flammen zu ersticken. Von irgendwo aus dem Nichts, kassierte sie einen amtlichen Fußtritt zwischen die Beine, der gegen den brennenden Schmerz der Flammen aber nicht weiter ins Gewicht fiel. Endlich bekam sie den Rand des Fellteppichs zu fassen und rollte sich darin ein. Der dichte Pelz erstickte den Großteil der Flammen, sodass sich der Rest nun doch ausschlagen ließ. Nur ihre dicke Echsenhaut und diese Geistesgegenwart verhinderten, dass sie in der Zwischenzeit nicht längst zu Asche verbrannt war. Dennoch trug Rhip am ganzen Körper Verbrennungen davon und jede Bewegung trieb ihr die Tränen in die Augen. Auf dem angesengten Teppich liegend, mit verschwommenem Blick sah sie sich suchend um, doch Charlie war längst aus dem Separee verschwunden.

„Scheiße...“, stöhnte der Triceratops gepeinigt. Er versuchte sich aufzurappeln, musste sich aber hilflos leidend zurück auf den Boden fallen lassen

„Verdammte Bitch!“, fluchte sie. Unter unsäglichen Qualen kramte Rhip ihr angeschmolzenes Hellphone aus der Tasche, suchte mit verzerrtem Gesicht die Nummer heraus und rief Alastor an. So knapp wie nur irgend möglich informierte sie den Radiodämon darüber, was Charlie vor hatte und drängte ihn, sie aufzuhalten. Anschließend versuchte sie es bei Valentino, doch der ging nicht ran.

„Verfluchter Bockmist!“

Sie konnte Angel nicht einfach seinem Schicksal überlassen, so sehr es dieser ausgelutschte Junkie auch verdiente! Nicht während eine von Rhip organisierte Show lief! Ächzend und teilweise schreiend kämpfte sich der Broker auf die Beine zurück. Der Scheiß an der Hölle war, dass man sich hier alles Mögliche antun konnte, ohne dass man direkt daran starb. Rhips ganzer Körper zog und brannte vor Schmerz. Zitternd stützte sie sich auf dem Sitzpolster ab, doch dann gaben ihre stämmigen Beine nach und sie fiel schmerzhaft zurück auf den Boden.

„Verfluchter ... Fuck!“, keuchte sie, als sie endlich aufhören konnte zu schreien, und der Schweiß trat ihr an den Stellen aus den Poren, die noch welche hatten. Bebend vor Anstrengung wählte sie erneut.

„алло привет. моя дорогая?“

„… hilf … mir ...“, wisperte sie mit letzter Kraft.
 

Rhip ließ zu, dass ihr das Hellphone aus den feuchten Fingern rutschte. Es fiel und landete sanft in einer großen, aristokratischen, weiß gefiederten Hand. Der Baron von Tross tauchte aus dem Nichts auf. Als hätte er seine Hand schon einmal vorausgeschickt, materialisierte sich nacheinander die Hand, in der das Handy lag, dann der Unterarm, der Oberarm, die Schulter, der Kopf und dann darunter, als fließe er aus einer anderen Dimension in diese Realität, der restliche auf dem Boden neben Rhip kniende Körper. Der Triceratops sparte sich den geknurrten Kommentar „Angeber“, denn es war inzwischen schon qualvoll genug zu atmen. Sprechen ging nicht mehr.

„сука блядь.“, stieß der Baron aus. Rhips rot-schwarze Haut war an vielen Stellen bereits mit Blasen und offenen, fleischigen, nässenden Wunden übersät. Tross wagte nicht, den Dämon zu berühren. Hastig zog er ein kleines, dunkelgrünes Notizbuch aus einer Innentasche seines Gehrocks und schlug es mit einer Geste seines Daumens auf. Dann begann er murmelnd daraus vorzulesen, während die langen Finger seiner freien Hand ruhig über Rhips geschundenem Körper schwebten.

Der Triceratops stöhnte leidend. Die verbrannten Finger zucken gequält. Sein Atem ging nun rasselnd. Dann begann er zu wimmern, zu stöhnen und zu schreien, als müsse er die geballten Qualen des gesamten Heilungsprozesses innerhalb von Sekunden ausstehen.

Der Baron sprach die Formel aus dem Notizbuch zu Ende und wiederholte sie.

Ganz langsam wuchs neue rote Haut über die verbrannten Stellen. Die Blasen liefen aus, trockneten ein, die tote Haut fiel ab und offenbarte frisches, geheiltes Fleisch darunter. Schließlich hörte Rhip auf zu zucken und wurde still. Zwar war sie nun von Brandnarben am ganzen Körper gezeichnet, spürte aber keinen Schmerz mehr. Schwer atmend, setzte sie sich auf und hielte sich den Kopf. Der Baron griff einen Humpen aus der leeren Luft und reichte ihn ihr. Rhip nahm ihn und trank ihn in einem Zug aus.
 

„Sind wir jetzt wieder quit, moya lyubimaya?“, fragte er süffisant und eingedenk ihrer Unterhaltung vom Vortag. Rhip sah ihn aus einem gelben und einem blauen Auge heraus grimmig an. Dann packte sie ihn mit einer Hand am Gefieder seines langen Halses, zerrte ihn zu sich hinunter und schob ihm ihre lange, gespaltene Zunge in den Schnabel. Der Baron gab einen leisen, überraschten Laut von sich, schloss dann aber die Augen und genoss den plötzlichen Übergriff. Als Rhip seine Hände auf ihrer Haut spürte, ließ sie ihn los und stieß ihn weg.

„Deine Konferenz hat Probleme, Tross. Mein Starakt wird von einem der Hauptgäste bedroht und die Prinzessin will die Tagung beenden. Um das Erste kümmert sich hoffentlich Valentino, aber ich muss nachsehen gehen. Das Zweite wollte Alastor in den Griff kriegen. Aber du musst schleunigst in den Konferenzsaal!“, erklärte der Broker sachlich, schnell und eindringlich. Anatol verzog den Schnabel und strich sich das Gefieder glatt. Ob er nun enttäuscht war, dass Rhip sich ihm entzog, oder ungehalten über die von ihr aufgezählten Störungen, war schwer zu sagen.

Einvernehmlich gaben sie sich die Hand und zogen sich gegenseitig auf die Beine. Dann nickte Tross dem Broker zu und löste sich wieder auf. Rhip verließ das Separee und spurtete hinter die Bühne zum Umkleideraum der Darsteller.
 

Der Triceratops stampfte ohne Umwege zu der schmalen Tür mit dem aufgemalten Pentagramm darauf, das die Star-Garderobe kennzeichnete. Ohne zu zögern legte Rhip die Hand auf die Klinke und drückte die Tür auf, um nachzusehen, ob sich Angel darin aufhielt. Er befand sich tatsächlich hinter der Tür. Allerdings war er nicht allein. Das Zimmer war schlimm verwüstet. Praktisch alles, was nicht angeschraubt gewesen war, lag auf dem Boden, war zerwühlt oder heruntergerissen worden. Deutliche Spuren eines oder mehrerer Elektrobrände zierten die Wände und den Boden. Angels dünner, plüschiger Leib war einschnürend mit dicken Kabeln umwunden und wurde von schwarz behandschuhten Fingern aufrecht gehalten. In seinem Mund steckte ein Gebilde aus Latex und Elektronik, das Rhip nicht näher identifizieren konnte, doch es schien ihm tief im Hals zu sitzen. Der Pornostar hatte Tränen in den Augen. Er befand sich eingekeilt zwischen Valentino und Vox. Zu Letzterem gehörten auch die Kabel, die aus Angel ein Bondage Opfer machten. Vox‘ Bildschirm wirkte wie rosa getönt, während der TV-Dämon die schlanken Beine der Spinne gespreizt nach oben drückte und sich genüsslich dazwischen bewegte. Er stöhnte leise, aber voller Lust, weil sich ein ganz spezielles Kabel im Hintern des Pornostars verlustierte. Die schwarzen Handschuhe gehörten zum Mottendämon, der Angels gefesselten Oberkörper eng vor seiner Brust aufrecht hielt und ihm grinsend Gemeinheiten ins Ohr säuselte. Auch seine Hüfte stieß rhythmisch gegen den unteren Rücken seines Tänzers und versenkte ein hartes Stück Fleisch in ihm. Angels spitze, hohe Absätze wippten hilflos in der Luft. Der Schauspieler musste sich vollkommen wehrlos diese Doppelpenetration der beiden Overlords gefallen lassen und es sah nicht so aus, als wäre dem eine Vereinbarung vorausgegangen. Rhip leckte sich bei diesem Anblick mit langer Zunge über die Brandnarbe in ihrem Gesicht. Die wollüstigen Geräuschen der Vergewaltigung, Angels gequältes Wimmern und Valentinos samtige, raue Stimme erfüllten den zerstörten Raum. Angels Blick rutschte hilfesuchend zur geöffneten Tür und blieb an Rhip hängen. Entspannt lehnte sie sich in den Türrahmen+. Zumindest war Angel zwischen Vox und Valentino vor Arackniss sicher, dachte sie gemein, falls er diesen Gewaltfick überlebte.
 

Im Konferenzraum

Der hochgewachsene, schwarzhaarige Halbdämon mit den bernsteinfarbenen, schwarz umrandeten Augen hatte den Abend nach der ersten Tagungssitzung damit verbracht, weiter mit Millie zu flirten. Sie war süß, quirlig, sexy und nachdem er seinen Körper mehrfach angepasst hatte, roch er ihr sexuelles Interesse an ihm. Aber jedes Mal, wenn sie zu ihrem Mann hinüber sah, verflog der Geruch. Und sie sah verdammt oft zu Moxxie hinüber; beinahe jeden zweiten Atemzug! Schließlich musste Chorão einsehen, dass Millies Treue außer Frage stand. So eine Schande bei diesen gebärfreudigen Hüften, dachte der Halbdämon verdrossen. Doch als er jetzt seinen Blick durch den Konferenzraum schweifen ließ, fiel ihm ein anderes, begehrenswertes Subjekt auf. Rote Augen, gelbe Iris, ein Becken zum niederknien! Die schlanken Glieder bewachsen von grauem und weißem Fell. Angezogen wie eine nuttige, kleine Rebellin, aber mit Feuer unter dem Pony. Chorão wurde heiß in seiner Haut. Sein Körper begann zu wachsen, Muskeln auszubilden, Reißzähne, Hörner und etwas, das entfernte Ähnlichkeit mit Fell hatte, zu generieren. Sein schlanker Dämonenschwanz wurde dicker und plusterte sich auf, versuchte einer Hunderute zu entsprechen. Derart vorbereitet, schlenderte er in seiner schwarzen Ledermontur hinüber zu der Höllenhündin, lehnte sich neben sie an die Wand und ignorierte sie. Nach einer Weile spürte er ihren Blick, den sie offenbar nur schwer vom Handy losbekam. Dadurch erinnerte sie den Halbdämon an Kjósa, auch so ein Rasseweib mit Kraft in den Schenkeln. Doch er sah gelassen zu Aeneas hinüber, der sich bereits wenige Sekunden nach ihrem Eintreten in den Konferenzsaal wieder von Speichelleckern umringt sah. Vornehmlich waren es Rosie, Asmodeus und Blitzø, die ihn bedrängten. Schon allein beim Zusehen war Chorão heilfroh, dass er hier nicht den Frontmann spielen musste. Die Avancen dieser Schreckschraube Rosie hätte der Peruaner vielleicht noch gefasst ertragen, aber bei ihm wäre es sofort vorbei gewesen mit der Beherrschung, wenn der über einen Meter größere Asmodeus ihn so angefasst hätte! Tatsächlich sah Chorão zu, wie der Herr der Lust seinem Boss lasziv ein paar Schlangenleiber vom Hals zurückstrich und ihm etwas ins Ohr säuselte. Den Halbdämon überlief ein kalter Schauder.
 

„Gehörst du zu dem käsigen Schlangenfuzzi?“, fragte eine patzige Stimme in Höhe von Chorãos Ellbogen. Er ließ den Kopf in ihre Richtung kippen, als bemerke er sie eben erst. Dann zeigte er grinsend sein mörderisches Gebiss.

„Ich bin mit ihm hergekommen, ja. Er ist ein Kollege. Ich beschütze ihn ab und an.“, meinte er leichthin über seine vor der mächtigen Brust verschränkten, muskulösen Arme hinweg. Loona grinste respektlos.

„Wovor? Sich von zu vielen größeren Kerlen auf einmal vernaschen zu lassen?“, feixte die Höllenhündin rotzfrech. Das nahm dem Peruaner für einen Moment tatsächlich den Wind aus den Segeln. Aber als sie lachte fiel er einfach in ihr dreckiges Gekicher mit ein.

„Ha, ja, sicher. Aber ist das nicht dein Boss da drüber, der an seinem Jackettzipfel hängt und ihn ansabbert?“, gab er kernig zurück. Loonas Ohren zuckten nervös, dann ließ sie den gesamten Oberkörper nach vorne fallen und hielt sich die Augen zu.

„Das ist Blitzø.“, gab sie unglücklich zu, „Mein Adoptivvater.“, präzisierte sie, „Aber … also ich war da schon fast achtzehn! Das zählt eigentlich gar nicht mehr!“

„Und du begleitest Daddy auf seiner wichtigen Geschäftsreise, wie ein braves Mädchen, oder ist mit dir noch mehr los?“, provozierte er. Ihre Augen funkelten ihn böse an und sie knurrte.

„Ich bin die Rezeptionistin von I.M.P., ohne mich läuft da gar nichts, und ich leite auch oft die Außenmissionen!“, bellte sie beleidigt. Dass davon nicht alles so ganz der Wahrheit entsprach, merkte er ihr sofort an.

„Ich hatte gehofft, dass du das sagst.“, schnurrte er tief und sein Körper passte sich Atom für Atom mehr ihrem Geschmack an, bis er riechen konnte, dass er ihr gefiel.
 

In diesem Moment tänzelte Velvet an den beiden vorbei. Sie setzte sich neben Kjósa an den Konferenztisch, um ihr sofort zu versichern, wie unmöglich sie aussah. Kjósa stand auf und wollte sich wortlos davonmachen, aber Velvet zog sie auf ihren Platz zurück, machte ungefragt ein Selfie mit ihr und zeigte ihr anhand des Bildes, was der Einsatz von Schönheitskosmetik bewirken konnte. In der ehemaligen Walküre brodelte es und sie musste sich hart zusammennehmen, um der aufgedrehten Social Media Queen ihre Schminktipps nicht mit der dicken Sohle ihrer Kampfstiefel aus dem Gesicht zu treten. Die beiden waren allerdings nicht die einzigen, die sich jetzt setzten, denn Baron Anatol von Tross traf ein und eröffnete feierlich den zweiten Sitzungstag. Chorão und Loona fanden wie zufällig Plätze nebeneinander. Aeneas ließ sich auf Chorãos anderer Seite nieder und damit zwischen ihm und Kjósa, die ungebrochen weiter von Velvet genervt wurde. Als alle saßen fiel erst so richtig auf, dass einige Gäste fehlten, die am gestrigen Tag noch zugegen gewesen waren. Glan und seine Motorraddämonen fehlten, ebenso Vox, Valentino, Charlie und Arackniss. Blitzø, der Aeneas nachgelaufen war, fand sich auf dem zweiten Platz neben Loona ein und wollte ihr erzählen, dass er den „großen, weißen Lutscher“ fast so weit hätte, da ging ihm auf, dass seine Adoptivtochter an einer ganz eigenen Sache dran war.
 

„Wer ist diese halbgare Mischung Loony?“, wollte er skeptisch wissen und ließ Chorão dabei nicht aus den Augen. Doch die Höllenhündin lehnte sich vor und verstellte ihm damit die Sicht.

„Niemand, der dich was angeht, Blitzø!“, meinte sie bissig. Der Imp stöhnte genervt und rollte mit den Augen.

„Geht das jetzt schon wieder los? Genau wie beim Spring Break! Warum fällst du mir dauernd in den Rücken? Du verbündest dich schon wieder mit dem Feind?!“, hielt er ihr vor und gestikulierte theatralisch mit den Armen in der Luft. Loona war so gereizt, dass sich ihr Fell sträubte.

„Ooooaaaarrrr, Mann! Musst du dich in alles einmischen?! Es. Geht. Dich. Nichts. An! Und er ist nicht mal der Feind. Er gehört zu deinem geliebten Schlangenkopf. Boar, geh doch einfach und blas‘ ihm einen, so wie du auch an unser Ticket in die Menschenwelt gekommen bist. Das kannst du doch!“, fuhr sie Blitzø an. Man konnte regelrecht zusehen, wie Loonas Worte den Imp verletzten. Doch dann riss er sich mit einem Mal wieder zusammen und hielt Loona abweisend die flache Hand entgegen.

„Schön! Dann kümmere ich mich eben ohne dich weiter ums Geschäft. Das Geschäft, das auch dir einen Arbeitsplatz bietet und das ich als Familienunternehmen aufgezogen habe, damit du es einmal von mir erbst! Wenn dir das nichts bedeutet, fein. Ich komme damit klar.“, und damit wandte er seiner Tochter gekränkt den Rücken zu. Loona erstarrte plötzlich unsicher geworden. Ihr Fell glättete sich wieder. Sie schien zu überlegen, ob sie das Gespräch noch einmal aufnehmen sollte. Aber sie zögerte einen Moment zu lange. Chorão hatte inzwischen den Aufbau seines Körpers für Loona perfektioniert und legte ihr nun lässig einen Arm um die Schultern.

„Lass dich von dem Typen nicht runterziehen, der kriegt sich wieder ein. Du bist doch erwachsen, oder etwa nicht?“, knurrte er mit Höllenhundvibes in ihren Nacken. Erfreut sah er, dass sich ihr Nackenfell erregt aufstellte.
 

Während die beiden ihre Köpfe zusammensteckten, erteilte Baron von Tross Sit Pentious als dem ersten Redner des Tag das Wort. Aber Asmodeus drückte Sir Pentious unsanft auf seinen Platz und stand an dessen Stelle auf. Er beugte sich so weit über den Konferenztisch, dass er Aeneas hätte anfassen können. Dann eröffnete der Overlord des Lust Rings dem ebenso eisern wie schmallippig lächelnden Gorgonen zum x-ten Mal, was ihm für eine Art geschäftlicher Kooperation vorschwebte.

„Ich spüre, dass du in sexueller Energie geradezu schwimmst, ich will dich für meine Show! Dich und deine Jungs, so viele du willst! Ich bringe euch alle in einem Dschungelsetting auf die Bühne und du wirst unter ihnen wildern, wie ein Jaguar unter Schafen! Das wird ein ‚Todeslustfestival‘! Diese Show wird den ganzen Zirkel um den Verstand bringen. Allein was diese Schlangen alles anstellen könnten!“, geiferte der mächtige Overlord gierig, die leuchtenden Augen weit aufgerissen. Aeneas zeigte seine schlangenhaften Fänge.

„So sehr mir das Angebot schmeichelt, ich muss ablehnen. Ich habe eine kontinentale Organisation zu leiten. Dieser Posten erlaubt mir keinen Jobwechsel in deine Branche. So leid es mir tut.“, blieb er höflich. Asmodeus verzog das Gesicht. Es war ihm deutlich anzusehen, dass er davon nichts hören wollte.

„Aber du bist eine Goldgrube der Lust, das rieche ich! Ich werde dich nicht einfach gehen lassen. Jetzt wo du hier bist, gehörst du ja praktisch in meinen Einflussbereich. Der kleine, dürre Bursche unter deinem Tisch, kann sicher Lieder von deinem Hunger singen.“, sein langer Arm griff unter die Tischplatte und zerrte Jérôme einmal quer darunter hindurch bis auf seine Seite der Tafel, wo er den Strampelnden in die Höhe riss, sodass alle ihn sehen konnten.

„Erzähl uns davon, Kleiner. Nicht so schüchtern. Erzähl uns alles, was er mit dir treibt.“, forderte Asmodeus den Vampir auf, der hilflos in seiner großen Faust zappelte.

„Das hier ist keine von deinen Shows, Asmodeus. Niemand zahlt dafür, zu sehen, wie du einen Lustknaben folterst. Ich erzähle dir nachher gerne selbst das eine oder andere, aber im richtigen Rahmen, bei einer guten Flasche vielleicht?“, intervenierte Aeneas erstaunlich ruhig.

„Ich muss unserem Gast zustimmen, Ozzie. Wir sind zum Verhandeln hier. Bitte gib dem Herrn sein Eigentum zurück. Ihr könnt das Gespräch nach der Tagung fortsetzen.“, bekräftigte nun auch der Baron. Asmodeus zog einen Flunsch, aber er ließ Jérôme fallen. Der Vampir verschwand flux wieder unter der Tischplatte und kauerte sich hinter Aeneas‘ Stuhl zusammen.

„Danke.“, kommentierte der Baron. Er übersprang Sir Pentious und erteilte der Nächsten das Wort.
 

Rosie lehnte sich halb über den Tisch nach vorne und verlangte von Aeneas eine klare Antwort auf ihre geschäftliche Anfrage. Jener blieb gefasst wie den ganzen Tag schon und erklärte ihr, dass er momentan keinen Markt für eine Zusammenarbeit mit ihrem Emporium sähe. Rosie wurde über seine Erklärungen immer wütender. Offenbar hatte sie gehofft, den ausradierten Franklynn durch einen Oberirdischen ersetzen zu können, der ihr in der Hölle nicht ins Handwerk pfuschen, aber ihr dennoch zuarbeiten würde.
 

Währenddessen kamen sich Chorão und Loona immer näher. Endlich rutschte die geschickte, schmale Hand der Höllenhündin in den Schritt des Halbdämons und ihre Pupillen erweiterten sich. Loona gefiel, was sie da spürte. Ungeduldig krümmte sie ihre Finger zu Klauen und riss Chorão mit ihren Krallen den Hosenschlitz auf. Ihre Finger tauchte in den Stoff ab und holten das schwarze Gemächt des Halbdämons hervor, um es sachte zu pumpen. Chorão hatte den Arm auf Loonas Stuhllehne gelegt und zog sie nun noch näher an sich, um ihr schlüpfrige Versprechungen ins erregt zuckende Ohr zu knurren. Sein rutenartiger Dämonenschwanz peitschte ruhelos zwischen seinen Stuhlbeinen. Asmodeus wurde auf die beiden aufmerksam und begann seine Pläne neu zu überdenken. Ein leuchtendes Grinsen erhellte seine Miene. Die Augen der Cthulhu Statue leuchteten rot auf.
 

Endlich erhielt Sir Pentious doch noch das Wort. Er erklärte, sehr an der oberirdischen Waffentechnik interessiert zu sein. Er wolle aber nicht, dass Aeneas die Waffen herunterbrächte. Nur die Baupläne wolle er haben, damit niemand außer ihm die Waffen herstellen könnte. Aeneas gab zu bedenken, dass ihm einiges an Geschäften vorenthalten bleiben würde, wenn er Sir Pentious diese Monopolstellung einräumte. Daher fragte er den Schlangendämon gerade heraus, wie er ihn dafür zu entschädigen gedächte. Pentious bot an, ihm ausgewählte Modelle seiner eigenen Kreationen für die Neutrale Zone zu überlassen. Aber Aeneas setzte ihm auseinander, dass Maschinen, wie Sir Pentious sie gestern vorgestellt habe, in der Oberwelt nur belacht werden würden. Ein Austausch von Bauplänen würde sich auf dieser Basis nicht machen lassen. Daraufhin bot der Overlord an, die Pläne zu bezahlen. Dies scheiterte am fehlenden Wechselkurs der Währung, obwohl sich der Gorgone zuvor bei Baron von Tross erkundigte, ob dahingehend nicht etwas zu machen sei. Die Augen der Cthulhu Statue begannen nun damit, in unregelmäßigen Intervallen aufzuleuchten. Auch wenn dieses Aufleuchten nicht unbedingt der Auslöser für die folgenden Ereignisse gewesen sein musste, so erhob sich doch nur kurz danach Rosie von ihrem Platz und deutete anklagend auf Aeneas.

„Wozu bist du überhaupt hier, wenn all unsere Angebote nicht gut genug für dich sind?! Allein dass wir dich hierbehalten könnten, sollte reichen, damit du allem zustimmst!“, warf sie ihm giftig vor.

„Ich verstehe Ihren Unmut, werte Rosie, aber es ist nicht meine Schuld, wenn Ihre Angebote mir keinen Nutzen bieten.“, erklärte der Gorgone kalt. Er war es offenbar leid geworden, gegen all diese aufdringlich fordernden Höllenwesen, den netten Sterblichen zu markieren. Er blieb weiterhin korrekt und sachlich, aber die freundliche Eingängigkeit seines bisherigen Tonfalls bröckelte.
 

Loona hielt es nicht mehr aus. Innig verschlang sie ihre Zunge mit der Chorãos. Ihre freie Hand krallte sich nun heftig in seinen Bizeps, während der Halbdämon längst an ihrer Brust und ihrem Hintern spielte. Blitzø, der, als das anfing, die Waffe auf Chorão gerichtet hatte, war von dessen Schweif in den Würgegriff genommen worden, ohne dass Loona es bemerkt hätte. Haltlos rutschte das Paar von ihren Sitzen und unter den Tisch. Doch Blitzø war deutlich zäher als gedacht. Anstatt aufzugeben, oder das Bewusstsein zu verlieren, hob er vor Anstrengung bebend erneut die Waffe, die er trotz allem nicht losgelassen hatte. Krachend gab er drei ungenaue Schüsse auf den Halbdämon ab. Keiner traf, aber Kjósa nahm diese Eskalation zum Anlass, endlich ihre Axt zu ziehen und mit wonnevollem Glitzern in den grünen Augen Velvets Hellphone mit der klobigen Schneide zu zertrümmern. Mit Velvet ging daraufhin eine eigenartige Verwandlung vor sich. Sie mutierte zur Furie. Mit gefletschten Zähnen und hysterisch kreischend warf sie sich auf Kjósa, die nun Mühe hatte, sich gegen die Social Media Dämonin zu verteidigen. Während alle anderen im Raum dem Schauspiel der drei Brandherde zusahen – Rosi vs Aeneas, Blitzø vs Chorão und Loona sowie Velvet vs Kjósa -, sprang krachend die Tür zum Konferenzraum auf und eine ebenso atemlose wie zerzauste Charlie platzte herein, gewaltsam um Fassung bemüht.
 

„Es tut mir sehr leid, aber ich muss die Konferenz hiermit offiziell...“, weiter kam sie nicht, denn aus dem Knäul, das Velvet und Kjósa bildeten, löste sich die Axt und flog mit rasender Geschwindigkeit auf Charlie zu. Die Hoteldirektorin ging blitzschnell in die Hocke, die Arme schützend über den Kopf erhoben. Haarscharf trudelte die Waffe über sie hinweg und auf die offene Tür zu. In bester Stimmung wollten dort gerade Valentino und Vox zusammen hinter Charlie in den Konferenzraum eintreten. Sie bemerkten das drohende Unheil nicht mehr rechtzeitig, um auszuweichen. Dennoch reagierte Valentino instinktiv in letzter Sekunde und duckte sich hinter den perplexen Vox. Die Axt schlug mit voller Wucht in Vox‘ Monitor ein und zerstörte ihn. Große und kleine Splitter fielen zu Boden und der TV-Dämon sackte in sich zusammen. Valentino sah den tonlosen Vox fallen. Die Axt klapperte knapp hinter ihm zu Boden und rutschte gegen Valentinos Schuhspitzen. Grimmig verzog der Mottendämon die Mundwinkel, wahrscheinlich dachte er daran, dass dies auch leicht sein Schicksal hätte werden können. Dann stieg er einfach über die Scherben hinweg. Mit zwei Händen zog er ein großes Maschinengewehr unter seinem Mantel hervor.

„Wer war das?!“, rief er schneidend in den Saal.
 

Aus einem Einfall heraus nahm er aufs Geratewohl Aeneas ins Visier. Der Gorgone hatte allerdings einen ganz anderen Kampf zu führen. Asmodeus hatte die Verwirrung genutzt, um wie aus dem Nichts hinter Aeneas‘ Stuhl aufzutauchen. Kraftvoll schlang er ihm den rechten Arm um den Leib und hielt ihn fest gegen seine Brust gepresst, während er dem Albino mit der Linken den Mund zuhielt. So zerrte er den Griechen von seinem Sitz und war drauf und dran, ihn einfach zu entführen, obwohl sich der Gefangene gekonnt wehrte. Jérôme fauchte und griff den riesenhaften Overlord mit Zähnen und Fingernägeln an, wie ein wütender Chihuahua. Der Albino hingegen ließ es auf ein Kräftemessen ankommen und setzte alles daran, Asmodeus‘ Griff zu brechen. Tatsächlich bekam der Dämon damit allerhand Schwierigkeiten, seine Beute festzuhalten. Verhindert wurde die Entführung des Griechen aber letztendlich von Valentino, der in blinder Wut den Abzug seines Maschinengewehrs durchdrückte und wahllos in den Raum zu ballern begann. Vier Kugeln trafen den Herrn der Lust in den Arm, sodass sein Griff einen Augenblick lang schwächelte. Zeit genug für Aeneas, sich von ihm loszumachen und selbst zur Beretta zu greifen. Mit von Zorn erfüllten Augen fuhr Asmodeus zu Valentino herum, doch da hatte es Jérôme bereits geschafft, dem Herrn der Lust in den Nacken zu klettern und biss herzhaft zu. Dabei saß der Vampir so geschickt auf seinem Rücken, dass Asmodeus nicht an ihn herankam. Valentino feuerte haltlos weiter und verhinderte damit einen direkten Gegenangriff durch Aeneas, der die Beretta zwar schon in der Hand hielt, aber bevor er zielen und abdrücken konnte, einen Streifschuss an der linken Schulter und einen Treffer in die Seite kassierte. Nur wenige Schritte daneben griff nun auch Asmodeus‘ Begleiter Fizzarolli in den Kampf ein und zerrte von hinten an Jérôme. Zusammen bekamen sie den blassen Blutsauger schließlich von dem Overlord ab und verpassten ihm anschließend die Prügel seines untoten Lebens. Die Schmerzen durch Valentinos Treffer verzögerten die Reaktion des Gorgonen nur, denn seine Verletzungen ignorierend, feuerte der Mafia Boss schon kurz darauf gezielt zwei Schüsse ab. Beide schlugen unmittelbar nacheinander in Valentinos Waffenarm ein. Die Größe des Kalibers und die gezielten Einschlagpunkte hatten zur Folge, dass Valentino der Arm abgerissen wurde. Blutend und spritzend fiel er mitsamt der Waffe zu Boden. Als die Schüsse aufhörten, ließen Fizzarolli und Asmodeus von Jérôme ab, der keinen Laut mehr von sich gab und stürzten sich stattdessen mit Mordlust in den Augen auf Valentino, als hätten sie nur darauf gewartet, dass ihm die Munition ausging. Angeschlagen konnte sich der Mottendämon nur notdürftig gegen seine Angreifer verteidigen. Es kam ihm allerdings zugute, dass er ja noch drei weitere Arme besaß. Er schaffte es, Asmodeus‘ Hals zwischen seine in Netzstrümpfen steckenden Beine zu klemmen und Fizzarolli mit zwei Armen auf Abstand zu halten. So konnte er mit Hilfe seines dritten Arms an seinem langen Zigarettenhalter ziehen und inhalierte eine mächtige Dosis roten Rauchs. Dann griff nach Asmodeus‘ Gesicht und presste seinen Mund auf die Lippen des Herren der Lust. Von dem Kuss überrascht, ließ Asmodeus versehentlich zu, dass Valentino ihm den gesamten Rauch durch den Mund in die Lunge blies-
 

Valentinos Augen verengten sich zu Schlitzen und ein überlegenes Grinsen breitete sich über sein dunkles Gesicht, als er den Kuss wieder löste. Asmodeus verdrehte bedenklich die Augen. Dünne blassrote Rauchfäden kräuselten sich vor seiner Nase, seinem Mund und seinen Ohren. Dann brach der mächtige, übergroße Overlord high zusammen.

„Ozzie!“, kreischte Fizzerolli entsetzt. Doch bevor er zuschlagen konnte, hatte Valentino seinen Zigarettenhalter wieder an die Lippen gesetzt und blies dem Clown eine geballte Rauchwolke mitten ins Gesicht. Als er Fizzarolli anschließend losließ, schmiegte sich der Helfer seinem Herrn in die stattlichen Arme und teilte dessen Rausch.
 

Währenddessen sich Valentino mit Asmodeus und Fizarolli herumschlug, bahnte sich Baron Anatol von Tross einen Weg zu Aeneas, den er als Oberhaupt des sterblichen Besuches sofort in Sicherheit bringen wollte. Wenn Sterbliche in der Hölle zu schaden kamen und das dränge an die Ohren gewisser höllischer Adliger, dann brächte das den Albatrossdämon in massive Schwierigkeiten.

„Wir müssen Sie evakuieren. Bekommen Sie Ihre Leute zusammen?“, fragte er eindringlich, sobald er an der Seite des Gorgonen ankam und sich abschirmend über ihn beugte. Aeneas nickte.

„да конечно.“, versicherte der Albino. Dann ging er zu Anatols Verblüffung neben Jérome auf die Knie. Der Baron befürchtete schon, es habe den Albino schlimmer erwischt, als es zunächst den Anschein hatte, aber der Grieche hob lediglich den zerschmetterten Leib seines strohblonden Dieners auf seinen Schoß. Schwer atmend schob er den Stoff seiner Kleidung ein Stück weit hoch und entblößte damit die blutende Einschusswunde in seiner Seite. Die Regeneration des Vampirs hatte bereits eingesetzt, aber sie war zu langsam. Aeneas hielt das eingeschlagene, ehemals hübsche Gesicht seines Lustknaben an die Wunde und flößte ihm von dem Blut ein. Nach nicht einmal ganz dreißig Sekunden, schlug er die babyblauen Augen auf. Seine dürren, gebrochenen Finger griffen nach Aeneas und der Vampir zog sich näher an die Wunde heran. Schon leckte seine gierige Zunge die Wunde aus, bis sein Herr ihn nach wenigen Augenblicken mit Gewalt von sich ablöste. Das Blut schien bei dem Vampir allerdings mehr wie ein Aufputschmittel, denn wie ein Heiltrank zu wirken, denn dessen untote Regeneration hatte sich nicht beschleunigt. Der Junge sah immer noch furchtbar aus.
 

„Geh. Hol mein Schmuckstück. Bring ihn her. So schnell du kannst!“, befahl er dem mit großen Augen bettelnd zu ihm aufsehenden Jungen. Knackend richteten sich die gebrochenen Knochen in dem dünnen Leib. Dann zog sich der Vampir zurück und war in einem Wimpernschlag verschwunden. Schneller als das Auge folgen könnte, zwängte sich Jérôme in dem Getümmel zwischen Beinen, fliegenden Fäusten und Leibern hindurch bis zur Wand und huschte dann daran entlang hinter Valentino vorbei zur Tür, der sich gerade bückte, um sein Maschinengewehr wieder aufzuheben. Kaum eine Sekunde später ertönte eine weitere Salve Schüsse. Doch da war Jérôme bereits nicht mehr im Saal. Knapp fünfzehn Sekunden später stoppte der Blonde an der Tür zu seinem Zimmer und betrat es im Normaltempo. Luzifer sah nicht einmal von seinem Spiel auf. Der Vampir durchquerte auf seinen hohen Absätzen stöckelnd den Raum und fasste den Gargoyle am Handgelenk.

„Die untoten Grabscher weg!“, verlangte Luzifer träge ohne den Blick vom Bildschirm der kleinen Konsole zu nehmen. Aber Jérôme packte ihn unsanft am Gesicht und drehte es zu sich, sodass er ihn ansehen musste.

„Wir gehen. Er sagt >so schnell du kannst<.“, informierte er den Gamer. Luzifer blickte nun teils angewidert, teils schadenfroh zu dem Blonden auf.

„Irg. Was haben Sie mit Dir angestellt? Du sieht ja noch toter aus als sonst! Und jetzt soll ich mich wieder von dir tragen lassen, oder was? Vergiss es. So eilig wird es schon nicht sein.“, murrte Luzifer. Er sah dabei aus wie ein unglücklicher Fisch, weil Jérôme ihm die Wangen eindrückte.

„Da unten ist Krieg, du dumme Schlampe. Ace ist angeschossen! Sein kostbares Blut läuft aus!“, begann er aufgeregt zu kreischen, „Komm mit, oder ich sage ihm, ich hätte dich nicht gefungen.“

Luzifers Augen weiteten sich erschrocken. Um nichts in der Welt wollte er hier in der Hölle zurückgelassen werden. Er mochte die Skulptur des gefallenen Engels sein, Verständnis für das Original haben und ähnliche Laster, aber er gehörte der irdischen Welt an! Sein Puls beschleunigte sich. Das Beste, das ihm hier unten passieren könnte, wäre, als Besitz des richtigen Lucifer zu enden und wie er dort wohl behandelt würde, wollte er sich nicht einmal vorstellen. Hastig steckte sich der Italiener die Konsole in den Hosenbund und schlang dann beide Arme um Jérômes Hals. Der Vampir hob ihn sich auf die knochige Hüfte, sodass Luzifer sich an ihm festklammern konnte und er ihn nicht zu stützen brauchte. Dann rannte er wieder zurück. Allerdings war er mit seiner unbequemen Last nicht ganz so schnell und er lag auch nicht mehr so gut in der Kurve wie zuvor. Für seine schmalen 166 cm wog Luzifer nämlich so viel wie ein Charoit von dieser Größe.
 

Rhip kam etwa zehn Minuten nach Valentino und Vox im Konferenzraum an. Sie war nach dessen Akt mit Angel Dust, den sie wie ein Voyeur beobachtet hatte, angewiesen worden, Angel für seinen Auftritt am Abend wieder fit zu machen. Dementsprechend hatte sie den Spinnendämon von dem Vibrator in seinem Mund befreit, ihn vom Boden aufgelesen und ihn in die Dusche geschafft. Er hatte sehr gereizt auf ihre Hilfe reagiert und schrie sie pausenlos an, ihn in Ruhe zu lassen. Er war zickiger als eine schwangere Ziege. Schließlich stellte sie sein Gezeter ab, indem sie ihm einen Beutel seiner Droge vor die Nase hielt und drohte, das Zeug selbst zu behalten, wenn er nicht sofort sein dummes Hurenmaul hielt! Als Rhip den Konferenzraum betrat, verstand sie sofort, was sie sah. Die Konferenz war hier offiziell gescheitert. Charlie kniete paralysiert am Boden. Alastor stand breit grinsend in der Ecke und kommentierte die Geschehnisse, wie ein Sportreporter ein Footballspiel im Radio. Auf dem Konferenztisch prügelten sich Kjósa und Velvet. Chorão und Loona knutschten und fummelten halbnackt darunter. Chorãos Rute hielt immer noch Blitzø im Würgegriff. Moxxie und Millie standen etwas Abseits und wussten nicht so recht, wem sie jetzt helfen sollten. Vox lag zertrümmert am Boden. Sir Pentious hatte zwischen seinen eierförmigen Schergen Schutz gesucht. Asmodeus und Fizzarolli lagen sich high in den Armen. Valentino hatte sein Maschinengewehr mit zwei seiner verbliebenen Hände aufgehoben und feuerte nun erneut auf Aeneas, der mit dem Baron zusammen kurzzeitig Deckung gesucht hatte. Der Zuhälter wollte sich an dem Gorgonen für den Verlust seines Waffenarms rächen. Diesen Zusammenhang kannte die eben erst angekommene Rhip natürlich nicht. Sie sah nur, dass Valentino feuerte, der Baron aufstand und anfing, ihn zurechtzuweisen und dann plötzlich zu Boden ging. Valentino hatte Anatol getroffen!
 

Charlie saß immer noch verzweifelt am Boden, an genau derselben Stelle, wo sie wegen der heranwirbelnden Axt in die Hocke gegangen war. Fassungslos beobachtete sie das Desaster. Ihre Pupillen huschen herum wie panische rote Käfer. Erst als direkt neben ihr Stöckelschuhe anhielten und jemand an ihrer Schulter zerrte, konnte sie sich aus ihrer Erstarrung lösen und sah auf. Rosie stand mit sauer verkniffenem Gesicht über ihr und redete auf sie ein. Charlies Gehirn blendete sie noch eine Weile aus, aber schließlich drang Rosies Stimme doch in ihr Bewusstsein.

„...-fassbar! Ich gehe hier nicht eher weg, als bis ich eine Entschädigung für diese Enttäuschung bekomme! Nicht dass ich etwas anderes von dir erwartet hätte Charlie. Du bist und bleibst eine Lachnummer. Gib endlich auf und überlass das Business Leuten, die ...“

Doch Charlie hatte sich wieder gefangen und Rosies Wut sprang auf sie über. Entschlossen schlug sie Rosies Hand weg und setzte mit einer weiteren Geste Rosies Kleid in Brand. Schreiend und fluchend rannte die Geschäftsfrau brennend aus dem Raum, direkt an Rhip vorbei.
 

Sir Pentious hatte jetzt genug vom Verstecken. Er wuchtete seinen Schlangenleib furchtlos auf den Konferenztisch. Seine Schergen reichten ihm ein enormes Gerät von Waffe nach oben, das sie ihm in Windeseile zusammengebaut hatten. Er zielte auf alles, das sich bewegte. Pentious schien vor allem die Mitarbeiter von I.M.P. im Visier zu haben, die sich nun beeilten, das Weite zu suchen. Blitzø hatte sich aus Chorãos Rute freigebissen und sich auf ihn gestürzt. Nun prügelten sich die beiden unter dem Tisch, während Loona zu Moxxie und Millie kroch. Die unterschiedlichen Körpergrößen der Kämpfer sorgten auf diesem Terrain für den Ausgleich der Kräfte. Chorão stieß häufig von unten gegen die Tischplatte, während Blitzø sich flink wie ein Aal bewegen konnte. Dafür hatte Chorão die größere Reichweite und Kraft. Die halbnackte Loona wurde von Moxxie und Millie in die Mitte genommen. Unter dem irren Dauerbeschuss von Sir Pentios beschwor sie ein Portal, durch dass sich schließlich auch Blitzø mit einem Hechtsprung rettete. Allerdings nicht ohne Chorão noch den Mittelfinger zu zeigen. In dem Trubel bemerkte niemand, wie der Stellvertreter Mammons heimlich die Statue Cthulhus mitgehen ließ und ebenfalls durch das Portal huschte.
 

Rhip hechtete los und wurde als Nächste von dem Schlangendämon unter Beschuss genommen. Sie sprang durch den Kugelhagel, landete seitlich, die Füße voran auf der Hüfte und kam schlitternd bei Tross an. Ohne Zeit zu verlieren, kam sie auf die Knie und schleifte den Baron wieder zu Aeneas in Deckung. Dort riss sie dem Albatrossdämon die Weste samt Hemd auf, um die Wunden zu suchen. Der Baron lächelte scherzerfüllt und ließ zu, dass sie seinen gesamten Oberkörper freilegte.

„Also bin ich dir doch nicht egal.“, mutmaßte er glücklich, nur um schließlich zuzugeben, „Es ist die Schulter.“

Rhip sah zu ihm auf und peitschte ihm mit ihrem Schwanz knallend ins Gesicht. Da ließ er zu, dass sie zuerst seinen halben Körper abtastete, bevor er ihr sagte, dass es nur die Schulter sein?! Arschloch! Durch den peitschenden Schlag zierte nun eine blutende Schramme das Vogelgesicht des Barons, doch er nahm es schweigend hin. Bevor Rhip ihn allerdings noch, wie ein Metzger, zerlegte, um die Kugel zu entfernen, kümmerte er sich lieber selbst mit Magie um die Wunde. Dasselbe bot er anschließend auch Aeneas an, der dankend annahm.
 

„Worauf wartest du noch? Bring die Sterblichen hier raus, bevor diese Wichser sie erschießen!“, drängte Rhip und stieß Anatol fordernd an. Da sich nun aber niemand außer Valentino mehr in Pentious Blickfeld befand, der sich bewegte, nahm er kurzerhand diesen ins Visier. Der Schuss traf den Mottendämon mitten in die Brust. Valentino stolperte rückwärts, ließ die Waffe fallen und sank schließlich an der Wand zu Boden. Blut quoll aus seinem Armstumpf und aus der Brustwunde. Sir Pentious erwischte derweil Chorão, als jener nach der Flucht von I.M.P. kurz unter dem Tisch hervorgerobbt kam, um sich zu Aeneas, Rhip und Tross zu gesellen, deren Deckung sich ein Stück weiter weg befand. Er schaffte es dennoch dort angekommen. In der Deckung lehnte er sich an Aeneas‘ breiten Rücken und griff sich in die Wunde am Bein, um die Kugel herauszuholen. Er unterdrückte ein Ächzen. Doch bald hatte er sie und warf sie weg. Dann stoppte er die Blutung, indem er seinen Körper dementsprechend anpasste. Zu mehr reichte es allerdings nicht. Ein wenig erschöpft sah er den Baron an, dessen Angebot der magischen ersten Hilfe er abgelehnt hatte.

„Normalerweise verschlinge ich Dämonen, um mich wiederherzustellen.“, ließ er Anatol lächelnd wissen. Der Baron lächelte zurück, griff aber instinktiv nach Rhip.

„Dann möchte ich Sie bitten, heute eine Ausnahme zu machen und damit zu warten, bis Sie wieder zu Hause sind.“, entgegnete er freundlich und zog Rhip schützend in seine Arme. Chorão nickte.
 

In diesem Moment tauchte Jérôme bei der Gruppe auf und setzte Luzifer ab.

„Kotz. Das ist echt die beschissenste Art zu reisen, die man…“, fing er an, doch da sauste eine Kugel von Pentious nur knapp an seinem Nacken vorbei und Luzifer ließ sich sofort fallen. Zu Charoit verdichtet kauerte er nun nah am Boden und sah sich vorsichtig um.

„Was ist hier los?“, fragte er sachlich. Er war einst als Statue von Zauberern zum Leben erweckt worden, um an einem magischen Krieg teilzunehmen. Ein Gargoyle-Erweckungszauber hatte ihn wohl versehentlich miterwischt. Aber dadurch war er ziemlich abgebrüht in solchen Situationen, was an der Seite eines Mafia Bosses eine eher nützliche Eigenschaft war. Endlich hob Aeneas den Arm mit der Beretta erneut, zielte lang und schoss. Sein Schuss traf Pentious direkt zwischen die Augen. Der Schlangendämon fiel hinten über und zermatschte dabei ein halbes Dutzend von seinen Schergen. Jetzt hörte man nur noch Kjósas und Velvets Kampfgeschrei, Jérômes sehnsüchtiges Fiepen nach dem Blut und das schwere Atmen diverser angeschossener Männer im Raum
 

Als der Beschuss endlich aufhörte, krempelte Charlie die Ärmel ihrer Bluse hoch, stand auf und begann, aufzuräumen! Sie trennte Kjósa und Velvet voneinander, die sich gegenseitig dermaßen die Kleider zerfetzt und die Gesichter zerkratzt hatten, dass sie aussahen, als hätten sie Monate lang im Urwald überleben müssen. Zwischen den beiden Kämpferinnen stehend entschuldigte sie sich für den Aufruhr und bat Velvet zu gehen. Die Social Media Queen dachte gar nicht daran, bis Charlie sie auf den wie leblos am Boden liegenden Vox aufmerksam machte. Auf der anderen Seite informierte sie Kjósa über den Zustand ihres Bosses. Daraufhin bedachten sich die beiden Frauen noch einmal mit wüsten Gesten und gingen dann wortlos auseinander. Velvet sammelte Vox‘ Bildschirmteile vom Boden auf, legte sich seinen Arm über die Schultern und schleppte ihn aus dem Raum. Für Valentino, der neben dem Eingang am Boden saß, hatte sie im Vorbeigehen nur einen gepfefferten Tritt übrig. Kjósa fand sich an der Seite von Aeneas ein und besah sich dessen bereits versorgte Schusswunde.
 

Da nun alle Kämpfe gestoppt waren, sah sich Charlie erneut im Raum um und erblickte Alastor. Er war Schuld daran gewesen, dass sie erst so spät im Konferenzraum ankam. Aber das ahnte sie nicht.

„Alastor. Kannst du dich um Valentino kümmern? Ich muss nach dem Baron sehen und die Gäste...“, begann sie, als sie auf ihn zutrat. Aber sein breites Lächeln ließ sie irritiert verstummen.

„Es ist doch gerade alles so herrlich interessant gewesen.“, flötete er glücklich. Da begriff sie, dass er sich in all dem Chaos köstlich amüsiert und nicht eine Minute lang daran gedacht hatte, irgendetwas davon zu verhindern. Sie sah ihn streng und enttäuscht zugleich an und seufzte.

„Ich hätte mehr von dir erwartet.“, meinte sie tadelnd, aber es steckte auch ein wenig Resignation in ihren Worten. Sie ging zum Baron und warf einen langen Blick auf Rhip. Sie fürchtete nun, dass Rhip recht gehabt hatte, als sie meinte, dass jene zwei Gäste, die sie vor dem schändlichen Einfluss der Hölle schützen wollte, einen Scheiß auf ihre Bemühungen gaben. Rhip hingegen verengte ihre ungleichen Augen zu Schlitzen und blieb in den schützend um sie gelegten Armen des Barons stehen. Das war immer noch besser, als sich wieder abfackeln zu lassen. Anatol versicherte Charlie, dass sie ruhig gehen und sich um ihr Hotel kümmern könne, er selbst würde die Gäste zurück in die Oberwelt bringen. Die Sterblichen und sogar der Vampir sahen übel mitgenommen aus. Charlie wechselte noch ein paar bedauernde und höfliche Worte mit Aeneas, Kjósa und Chorão und fügte dann hinzu: „Ich denke, es ist besser, wenn wir nach dieser Erfahrung keinen Kontakt mehr miteinander aufnehmen. Es bringt zu viel Unruhe.“

Aeneas gab ihr zustimmend die Hand darauf.
 

Dann wandte sich die Prinzessin unerwartet an Luzifer, der als einziger Gast aus der Neutralen Zone unversehrt geblieben war.

„Ich hoffe, du findest weiterhin deinen Weg, Luzifer. Und ich hoffe, dass irgendwann auch dir jemand die Hand reichen wird.“, wünschte sie ihm und bezog sich dabei auf das Gespräch, das sie am Morgen miteinander in seinem Zimmer geführt hatten. Der Gargoyle verstand was sie meinte.

„Das wünsche ich dir auch.“, antwortete er und wirkte dabei vollkommen aufrichtig. Dann nickte Charlie und lief rasch zu Valentino. Der ließ sich notgedrungen von ihr auf die Beine helfen ließ. Charlie musste ihn sehr stützen. Sie führte ihn aus dem Raum und setzte ihn an die nahe gelegene Bar, wo Husker ihm missmutig einen Drink einschenkte. Valentino stürzte das Gesöff hinunter und verlangte direkt einen weiteren. Husker schenkte nach.

„Kannst du bitte seine Wunden versorgen?“, bat Charlie den Barkeeper.

„Seh ich aus, wie ein verkackter Doktor?“, gab Husker unfreundlich zurück. Da lugte plötzlich ein merkwürdiger, pink-weißer Fellpuschel hinter der Theke hervor. Schlanke Finger griffen nach der Tresenkante und Angel Dust zog sich auf Huskers Seite der Bar hoch, bis er die Arme auf die Platte legen konnte. Er hatte sich offenbar bei Husker versteckt gehalten, wodurch Arackniss ihn in der Garderobe und hinter der Bühne natürlich nicht finden konnte. Nun stützte er sich lasziv auf den Tresen, seufzte theatralisch und rollte mit den Augen.

„Keine Sorge, Prinzessin. Ich kümmere mich um Val und bringe ihn nach Hause.“, versicherte er.

Valentino schenkte ihm ein dreckiges, wenn auch etwas kraftloses Grinsen.
 

Aeneas sah Luzifer durch seine verspiegelten Brillengläser hindurch an, als wolle er ihn fragen, was dessen kurzes Gespräch mit Charlie eben zu bedeuten hatte. Aber er fragte nicht. Eine seltsame Stille legte sich über den Konferenzraum. Nur noch die Sacrosanctus, Tross, Rhip und Alastor waren anwesend und bei Bewusstsein. Alastor trat an die Gruppe heran und wartete breit lächelnd, bis er sicher war, dass wirklich jeder, der konnte, zu ihm aufsah. Dann verbeugte er sich schwungvoll und bedankte sich für die gute Unterhaltung. Anschließend schlenderte er fröhlich hinaus. Kjósa und Chorão sahen sich an und tippten sich dann mit den Zeigefingern gegen die Schläfen. Sie waren sich einig, dass dieser Typ sie nicht mehr alle hatte. Nachdem Alastor weg war, ergriff Anatol von Tross das Wort.

„Nun gut. Es tut mir leid, wie sich das alles entwickelt hat. Offenbar sind Ober- und Unterwelt wohl doch nicht ohne Grund voneinander getrennt. Sie werden daher hoffentlich nichts dagegen haben, wenn ich Sie nun nach Hause bringe.“, meinte der Baron ein wenig geknickt. So hatte er sich das Ganze nun wirklich nicht vorgestellt. Rhip befreite sich aus seinen schützenden Armen, als er das dunkelgrüne Notizbuch hervorholte, um ein Portal zu beschwören. Anschließend packte er das Büchlein wieder in sein Jackett. Er wirkte nun fast niedergeschlagen.

„So sollte die Veranstaltung wirklich nicht enden.“, sagte er ehrlich betrübt. Allerdings schien keiner von den Anwesenden so recht in Stimmung zu sein, ihn zu trösten.
 

Durch das offene Portal in die neutrale Zone ging außerdem mit Jérôme eine beachtliche Wandlung vor sich. Das Blut seines Herren machte ihn plötzlich rasend vor Verlangen. Kjósa musste ihn festhalten, sodass er damit begann, sich selbst zu beißen, weil er seine Gier nicht beherrschen konnte. Kjósa nahm den dürren Kerl bei den Schultern und stieg mit ihm als Erste durch das Portal. Kaum war der Vampir weg, löste Luzifer seine Charoitform auf. Dann ging er zu Rhip und streckte ihr die Hand hin.

„Danke für die Gastfreundschaft. Ich hoffe, wir sehen uns nie wieder.“, meinte er zynisch. Rhip grinste bedrohlich und schüttelte ihm die kleine Hand. Dann ging Luzifer weiter zum Baron und umarmte den knienden Dämon zu jedermanns Überraschung auf Brusthöhe.

„Nimm‘s nicht so schwer, Mann. Das ist die Hölle. Wir haben alle damit gerechnet, dass es hier höllisch abgeht und sind nicht enttäuscht worden. Es war furchtbar!“, meinte er grinsend, „Bitte laden Sie uns nie wieder ein.“ Anatol trug es mit Fassung und Würde. Wenn die Gruppe aber geglaubt hatte, von Luzifer bereits überrascht worden zu sein, dann fielen ihnen jetzt sämtlich die Kinnladen herunter. Anstatt sich, wie erwartet, sofort durch das Portal aus dieser Hölle zu retten, ging Luzifer zurück und tauchte unter Aeneas Arm ab, als wolle er ihn stützen. Das war allein schon wegen des Größenunterschieds lachhaft, ganz zu schwigen davon, dass der kleine Kerl niemals das Gewicht des Gorgonen tragen könnte. Aber Aeneas nahm die Geste als Anreiz, um aufzustehen. Chorão trat an seine andere Seite, sodass sich Aeneas notfalls auf ihn stützen konnte.

„Leben Sie wohl, Baron von Tross.“, verabschiedete sich der Gorgone und stieg dann begleitet von seinem Schmuckstück und seinem Waffenboss durch das Portal, das sich kurz darauf hinter ihnen schloss.
 

Rhip sah zu Tross auf.

„Tja, das war ein sauberer Griff ins Klo. Ich kann froh sein, wenn Valentino mich nach diesem Desaster noch leben lässt.“, meinte sie sauer.

„Ich werde ihn abfinden.“, versprach Anatol traurig, „Ich hatte wirklich geglaubt, ...“

„Und was ist mit mir?!“, fiel ihm der Triceratopsdämon ins Wort. Der Baron blickte verständnislos auf sie herab.

„Wie meinst du das?“, fragte er nach.

„Was ist mit meiner Abfindung? Ich habe drei Tage Konferenz organisiert und muss jetzt einer Menge Leute absagen, die alle ihr Geld wollen.“, erklärte Rhip fordernd. Es hätte nicht viel gefehlt und sie hätte noch dreist die Hand aufgehalten. Anatol seufzte tief.

Regenerierendes Resümee

Das Portal entließ sie direkt im Salon von Aeneas‘ halb unterirdisch gelegener, griechischer Villa an der Apollo Küste wieder in die Welt der Sterblichen. Die Einrichtung erinnerte an einen typischen Mens Club in gehobenem Stil. Große Fenster, vor denen dünne Vorhänge zugezogen waren, Wandleuchter und ein großer Kamin bildeten die Quellen des stimmungsvollen Zwielichts und durch die offene Balkontür wehte eine frische Seebrise die Geräusche des gerade erst angebrochenen Morgens herein.

Schwer seufzend schleppten Chorão und Luzifer Aeneas die paar Schritte zu einem großen Ohrensessel und luden ihren mordsschweren Boss darin ab. Anschließend ließ sich der Halbdämon auf der anderen Seite des daneben stehenden Beistelltischs mit dem Kognak auf ein Sofa fallen.

„Na das war ja mal voll für den Arsch.“, bemerkte der Peruaner frei heraus. Während er sich großzügig und ungezwungen einschenkte, schrumpfte sein Körper auf die Größe und Gestalt eines gut gebauten menschlichen Mannes zurück. Fragend gestikulierte er mit der Flasche in Richtung des Gorgonen, doch jener hob die weiße Hand zum Zeichen, dass er nichts trinken wollte. Luzifer verschweand derweil in den Schatten des großen Sessels und ließ die Schultern von hinten gegen dessen Rückenlehne fallen. So entwand er sich sowohl der Reichweite als auch den Blicken der Mächtigen im Raum, ohne den Saal dafür verlassen zu müssen.

Aeneas lehnte sich in seinem Sessel zur Seite, um seine Schusswunde zu entlasten. Der Baron von Tross hatte sie zwar hervorragend erstversorgt und mit Magie die Heilung bereits weit vorangetrieben, aber das Gewicht des muskelbepackten Hünen lastete doch schmerzhaft darauf. Er hatte das Kinn in die Rechte gestützt und sinnierte über das Geschehene nach. Kjósa mühte sich unweit der Sitzgruppe mit Jérôme ab, dem die Rückkehr ins Diesseits überhaupt nicht bekam. Er fürchtete sich vor dem bisschen morgendlichem Sonnenlicht, das durch die sommergelben Vorhänge und die offene Balkontür ins Zimmer spähte. In der Hölle hatte es kein Sonnenlicht gegeben. Nun da er wieder all den schädlichen Einflüssen einer lebendigen Welt ausgesetzt war, da verzehrte den Blonden ein reißendes Gefühl des Verlusts. Dort unten hatte der Dämon in ihm geführt. Hier oben kämpfte der Vampir in ihm wieder gegen den Menschen, der er mal gewesen war. Jérôme war als Vampir noch sehr jung. Erst zwei Jahre war seine Verwandlung her und die pure Reizüberflutung seiner Sinne, verwirrten ihn oft noch so sehr, dass er quasi Amok lief, wenn Aeneas ihn nicht am kurzen Zügel hielt. Gequält von einer plötzlichen, erdrückenden Müdigkeit angesichts der Tageszeit, verängstigt wegen des Sonnenlichts und gequält von dem Gefühl, aus einem Paradies gerissen worden zu sein, wehrte er sich hysterisch fauchend gegen Kjósa, die ihn zwar körperlich bändigen, nicht aber am Herumlärmen hindern konnte. Als der Vampir begriff, dass sie ihn nicht loslassen würde, begann er zu jammern und zu weinen. Er flehte erst Kjósa und dann Aeneas an, Mitleid mit ihm zu zeigen, denn er konnte seine Pein nicht recht lokalisieren, um exaktere Wünsche zu äußern. Er fühlte sich sehr schlecht und wollte nur, dass dieser Zustand aufhörte.

Schließlich blickte der riesenhafte Albino im Ohrensessel grimmig aus seiner versonnenen Denkerhaltung auf und befahl der Banshee, den Knaben rauszubringen. Von der Fürsorge und Zärtlichkeit, die Aeneas Jérôme in der Hölle hatte angedeihen lassen, war nichts mehr zu spüren. Kjósa tat wie ihr geheißen. Grob zerrte sie den Franzosen an seinen dürren Armen aus dem Salon und bald darauf kehrte endlich Stille ein.
 

Die Stille währte eine ganze Weile, während der Gorgone die vergangenen Ereignisse im Kopf Revue passieren ließ. Nur das gelegentliche Klackern der Eiswürfel im Kognakglas des Halbdämons untermalte die Ruhe. Schließlich machte der Grieche Anstalten, sich aus seinen Business Klamotten schälen zu wollen und sofort kam ein Butler herbei geeilt, der sich bisher respektvoll hinter der Bar gehalten hatte. Die Tatsache, dass der Feenelf einen halben Meter über dem Boden schwebte, erleichterte ihm die Aufgabe, Aeneas aus Jackett und Hemd zu helfen, ungemein. Schließlich nahm er auch noch den Gürtel seines Herr von jenem entgegen und eilte aus dem Zimmer. In Unterhemd und Hose machte der Grieche nun einen wesentlich häuslicheren Eindruck. Auf seinen Schultern sortierten sich die Leiber der Pythons neu, die durch die Aktion nun wie aufgeweckt züngelten und durcheinander krochen. Schließlich erhob er die Stimme.

„So unberechenbar diese Höllenwesen auch sein mögen, ich kann nicht leugnen, dass der Aufenthalt unter ihnen nicht spurlos an mir vorbei ging. Es war eine durchaus interessante Erfahrung.“, gab Aeneas freimütig zu, „Die Sache klang anfangs wesentlich aussichtsreicher, als sie letztendlich gewesen wäre.“, meinte er mit unverändert tiefer, raspelnder Stimme, „Aber um eins ist es dennoch schade. Das Buch, das der Imp erwähnte, jenes, das er von seinem anonymen Gönner ausleiht und welches ihm Portale in unsere Welt öffnet. Ich hätte es zu gerne einmal gesehen.“, gestand der Hüne.

„Wozu denn? Wir sind doch schon hier. Und Scheiße, ich bin darüber nicht unglücklich!“, grummelte der Halbdämon unbedacht. Er leerte sein Glas und schenkte sich nach. Der Gorgone wickelte sich nachdenklich einen langen Python um den massigen Unterarm.

„Rein kulturelles, um nicht zu sagen literarisches Interesse, Colt.“, erklärte Aeneas, wobei er seinen Freund und Kollegen beim Spitznamen nannte, „Ich kann nicht sagen, ob es gut ist, dass die Unterwelt dieses Werkzeug besitzt. Aber ich wüsste zu gerne, wer es verfasst hat. Außerdem schafft es auch Portale zurück in die Hölle. Wer es besitzt, kann demnach ungehemmt zwischen den Dimensionen pendeln.“, schloss er. Chorão hielt mitten im Schluck inne. Jetzt erreichte die Information auch ihn.

„Du meinst, wenn wir dieses Buch hätten, könnten wir uns an den Vorteilen der Hölle einfach bedienen, ohne mit irgendwem einen Handel eingehen zu müssen? Du durchtriebener Hund!“ Er lachte. „Aber was hilft es? Wir haben das Buch nicht. Und jetzt werden wir auch garantiert nie wieder zurück können, um es zu holen. Die Sache ist gelaufen.“, meinte er und sein Tonfall hatte etwas Endgültiges.

Ein leises, dreckiges Kichern, wie der keckernde Ruf einer Elster wurde in der angenehmen Stille des Raumes laut. Chorão sah auf und wandte den Kopf. Er lokalisierte das Geräusch sofort. Es kam hinter dem Sessel hervor, in dem Aeneas saß.

„Ich fürchte, Kjósa hat beim Aufräumen einen vergessen.“, nuschelte Chorão abfällig in sein Glas und rümpfte die Nase.

„Komm raus, Schmuckstück.“, befahl der Gorgone nebensächlich. Er machte nicht den Anschein, als habe er vergessen, dass Luzifer im Raum war und er brauchte den Verursacher des keckernden Lauts auch nicht erst aus seinem Versteck zu zerren. Luzifer trat von ganz allein hinter der Lehne des Ohrensessels hervor, an welcher er gelehnt hatte.

„Kann mir schon denken, dass es ne wertvolle Erfahrung für dich war, zur Abwechslung mal zu den Kleinen und Schwachen zu gehören. Shit, ich dachte, du wärst n abgebrühtes, notgeiles Riesenreptil, aber die Gestalten da, boar ey, die hätten dich locker gefrühstückt.“, feixte der Gargoyle schamlos. Vorsichtig kam er um den Sessel herumgeschlichen, achtete aber darauf, nicht in Reichweite von Aeneas‘ langen, kräftigen Armen zu geraten. Ein dreckiges Grinsen klebte auf seinen Lippen und die violetten Augen funkelten. Der Grieche blieb gelassen sitzen und betrachtete den Gargoyle durch seine dunklen Brillengläser. Er ahnte, dass sein Junge sich diese Spottlieder auf ihn nicht erlauben würde, wenn er keinen schlagenden Trumpf im Ärmel hätte, also wartete er geduldig ab. Für seine Frechheiten bestrafen, konnte er ihn später immer noch.

„Falls du dich fragst, wie mir der Ausflug in die Hölle gefallen hat...“, Aeneas warf an dieser Stelle mit ruhiger Stimmer ein gelassenes „Tue ich nicht.“ ein, „… es war zu Kotzen! Du hast mich allein gelassen! Ich wurde von Dämonen gejagt, gefangen und als Spieleinsatz verzockt! Als ich dich fand und kam, um bei dir Schutz zu suchen, hast du mich abgewiesen! Ein Feuer spuckender Leder- und Abgasfetischist wollte mich meucheln! Ich musste einen Mord vertuschen helfen, den du begangen hast. Und dann lässt du mich wieder im Hotelzimmer allein! Und zwar ans Bett gefesselt!“, zählte er dem Gorgonen all die Vorwürfe auf, die er ihm machte. Chorão stöhnte genervt.

„Hört der Wicht auch irgendwann mal auf zu quaken, oder muss man ihm erst den dürren Hals umdrehen?“, fragte er und stellte schon mal sein Glas ab, als wolle er gleich aufstehen, um seine Drohung wahr zu machen.

„Wo bleibt die Pointe, Schmuckstück, ich warte.“, entgegnete der Grieche gelangweilt und rieb sich mit den Fingerspitzen über die weiße Stirn.

„Die Pointe?“, fragte Luzufer grinsend, „Der Witz ist doch, dass ich all diese Schikanen über mich ergehen lassen musste, während du dich mit der Höllenbrut amüsiert hast und trotzdem kommst du mit leeren Händen zurück.“ Er verstummte und sein teuflisches Grinsen wurde breiter. Aeneas nahm die Finger von der Stirn, als ereile ihn gerade die Erkenntnis.

„Jetzt reicht‘s mir mit dem Wicht, Boss! Wenn du ihn nicht zum Schweigen bringst, tu ich es!“, bellte der Halbdämon gereizt und zeigte mit einer Hand, die plötzlich wieder zur schwarzen Dämonenklaue mutiert war, auf Luzifer, während er sich bereits drohend vom Sofa erhob.

„Setz dich, Colt!“, peitschte Aeneas‘ Befehl durch die ruhige, morgenfrische Luft. Überrascht ließ sich Chorão auf das bequeme Polster zurückfallen und beobachtete den Gorgonen mit gerunzelter Stirn. Aeneas‘ dunkle Brillengläser dagegen fixierten den Gargoyle.

„Was hast du?“, fragte der Albino mit beeindruckender Sachlichkeit. Luzifer legte artig die Hände hinter dem Rücken ineinander und schnalzte tadelnd mit der Zunge.

„Tze, tze,tze. Jetzt stell dir mal vor, mir wäre da unten etwas zugestoßen. Dann würdest du jetzt hier sitzen, Trübsal blasen und dich ärgern, dass der ganze Trip für die Katz war.“, provozierte er, den Oberkörper leicht vorgebeugt und schmierig grinsend, aber immer noch weit außerhalb der Reichweite des Gorgonen. Die Stirn des schwarzhaarigen Halbdämons schlug immer tiefere Falten. Er verstand nicht, was hier vorging. Aber sein Boss hatte diese Art an sich, die Chorão sicher wissen ließ, dass er alles im Griff hatte. Luzifer hob den Kopf und sah den verstummten Chorão kurz an. Dann schwenkte sein violett leuchtender Blick zurück zu Aeneas und plötzlich hielt der Gamer etwas in der Hand, das der Mafia Boss unverwechselbar als das dunkelgrüne Notizbuch des Barons von Tross identifizierte. Offenbar hatte es unter Luzifers weitem Shirt in dessen Hosenbund gesteckt. Mit schelmischem, triumphierenden Lächeln hielt er es neben sein listiges Gesicht, damit Aeneas es sehen konnte.

„Wenn du mich das nächste Mal an einen Ort ohne Internet und Spielkonsole mitschleppst, dann sorg‘ wenigstens dafür, mir gleich was zum Spielen in die Hand zu drücken, bevor du dich aufmachst, um der Herr der Hölle zu werden!“, verlangte er. Um die weißen Lippen des Gorgonen zuckte der Hauch eines Lächelns. Dann ließ er den Unterarm auf die Sessellehne fallen und hielt dem Jungen die geöffnete Hand entgegen.

„Deal?“, fragte Luzifer. Sein Grinsen kippte aufgrund von Aeneas‘ Schweigen auf einmal nervös in Schräglage und seine Augen suchten hibbelig nach irgendeinem Zeichen der Reaktion im Gesicht des Alten. So langsam schien er sein freches Maul doch zu bereuen, als ihm klar wurde, dass Aeneas nur aufzustehen und drei Schritte auf ihn zuzugehen brauchte, um sich das Notizbuch zu nehmen und ihn anschließend einen Kopf kürzer zu machen.

„Komm her.“, rollte der Befehl über die gespaltene Zunge des Griechen.

„Deal?“, fragte Luzifer nun mit deutlich erhöhter Stimmlage. Sein Körper schien eher zurückweichen als dem Befehl Folge leisten zu wollen. An der offenen, weißen Hand krümmten sich wortlos die Finger und winkten den Italiener zu sich. Luzifer wusste aus Erfahrung, dass es nun so oder so unangenehm für ihn werden konnte, dass er für sich die Lage aber deutlich verschlimmerte, wenn er versuchte zu fliehen. Er schluckte, überwand sich und schlurfte auf den Koloss im Sessel zu, der auf ihn wartete. Dann ließ er das Notizbuch in die geöffnete Hand fallen und hoffte inständig, dass Aeneas ihm jetzt zumindest nicht weh tun würde. Der Albino fing das Büchlein geschickt auf und schlug es mit einer Geste seines Daumens auf. Es handelte sich tatsächlich um Tross‘ Notizbuch, in dem die Formel stand, mit der man Portale öffnete.

„Wie?“, fragte der Koloss und hob den Blick, bis Luzifer spürte, dass er ihm in die Augen sah. Er zuckte lässig mit den Schultern. Seine Hände verschwanden in den Taschen seiner kurzen Sporthose und die Gummisohlen der Chucks scharrten lustlos über den Boden.

„Denkst du, ich umarme Fremde immer zum Abschied?“, fragte er murrend zurück.

Die Lippen des Albinos teilten sich und sein Grinsen entblößte die spitzen Schlangenfänge. Dann hielte er das Büchlein hoch, sodass Chorão es sehen konnte und meinte an den Halbdämon gewandt: „Hatte ich dir nicht versichert, dass er nützlich sein wird?“ Chorão knurrte.

„Schon, aber ich dachte, ...“, grummelte der Peruaner vorgeführt vor sich hin. Luzifer war so frei, den Gedanken für ihn zu beenden: „..., ich sei nur zum Reinlunzen gut, was?!“

„Schnauze, Schmuckstück! Meinen Leuten gegenüber hältst du gefälligst dein Maul.“, herrschte Aeneas den Jungen an, streckte den linken Arm vor uns packte Luzifers Gesicht, bevor der Gargoyle ausweichen konnte. Schlanke Zockerfinger krampften sich Angst erfüllt um ein massives, weißes Handgelenk, aber Aeneas ließ nicht locker und schließlich wimmerte das Kunstwerk leise vor Schmerz.

„Ich liebe diesen Körper, aber ich werde dich ohne zu zögern in winzige Juwelen zerbrechen, sollte sich auch nur einer meiner Leute, über dich beschweren. Klar?“, raunte er tief grollend in Luzifers gequetschtes Gesicht.

„Klar, Chef. Sorry.“, wimmerte der Dieb kläglich im Griff des Kolosses. Aeneas ließ ihn los.

„Geh.“, befahl er tonlos, während seine Aufmerksamkeit schon wieder dem Buch galt. Luzifer stand da, massierte sich mit den Fingern den Kiefer und warf dem Albino saure Blicke zu.

„Über deine Belohnung reden wir später.“, fügte der Grieche nebensächlich hinzu. Diese Aussage, so unspezifisch sie auch dahergesagt war, zauberte dem Gargoyle sein Grinsen zurück ins Gesicht. Zufrieden verließ er den Raum.



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Kommentare zu dieser Fanfic (6)

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Von:  SchattenInk
2022-01-30T20:41:31+00:00 30.01.2022 21:41
Bei deinem Vampir muss ich ein klein wenig an Lestat denken xD' und da du den Wahnsinn erwähnst bin ich etwas neugierig was seine Hintergrund Geschichte ist.
Das der Baron Kinderarbeit anpreist ist lustig - ist ja die Hölle, da verkauft sich das gut, so zu reden.
Blizo finde ich sehr gut gelungen!
Und für Aeneas hast du ja ne ordentliche Bühne geschaffen! XD

Du hast wirklich viele original Charaktere benutzt, das ist nicht leicht! ^-^b
Antwort von:  Dollface-Quinn
30.01.2022 22:26
Oh Jérôme hat eine richtig interessante Geschichte. Aber die ist zu lang um sie hier reinzuschreiben. Lies es im RPG in seinem Steckbrief nach. ;D
Blitzø ist auch einfach der Beste! XD
Wegen Aeneas bin ich schuldig. Aber er ist nun mal ein Charakter, den man nicht kennt, also muss ich ihn doch vorstellen, oder? :3

Nein, das ist es wirklich nicht. ^^° Aber ich hab mir total viel Mühe gegeben.
Antwort von:  Dollface-Quinn
30.01.2022 22:26
Danke fürs Kommentieren. ♡
Von:  SchattenInk
2022-01-09T18:07:55+00:00 09.01.2022 19:07
Ich sehe, Luzifer hat ein recht gespaltenes Verhältnis zu Aeneas "hartem Rohr". Er schein zu genießen, wo möglich und den Rest zu erdulden. Ich frag mich, wer von ihnen mehr liebt oder ob es überhaupt liebe gibt.
Übertreibe es nicht mit den Charakterlichen Beschreibungen, anstelle des Namens. Wenn es zu viel wird, finde ich persönlich kann es schnell lächerlich werden. (also ich beziehe mich hier auf: kleinen Unholds, das Schandmaul, kleine Lügner , der Italiener, Gamer) Das "Gamer" nutzt du ja schon viel, es ist quasi etabliert für Luzifer, aber das andre bringt einen etwas ins stocken.

Das Spruch von Luzifer ob Aeneas was in seinem Loch vergessen hatte war gut. XD
Antwort von:  Dollface-Quinn
09.01.2022 20:56
Die Frage kann ich dir frei heraus beantworten. Nein, keine Liebe in dieser Beziehung. Nicht ein bisschen.

Danke für die Anregung. Ich werd drüber nachdenken. Aber mir persönlich gefällt es. Und bei Rhip hat es ja auch nicht gestört.

Über den Einfall hab ich auch noch Tage lang gelacht. Das ist so typisch Luzifer! XD
Von:  SchattenInk
2022-01-03T19:38:32+00:00 03.01.2022 20:38
Erstmal finde ich du hast die Hazbin Charaktere gut eingebunden. Das Gespräch zwischen Rhip und Angel war sehr gut und wie du Angel beschreiben hast, ich mochte das man in seinem Fell den Abdruck gesehen hat sehr. Eich schönes Detail.
Die Interaktion von Rhip mit den Dachs-Geschwistern war auch gut gemacht, man hat sich gleich wie in Valentinos Domäne gefühlt. Es war auch ein schöner Kontrast das Rhip auf der einen Seite als Sexsüchtig dargestellt wird, den Baron aber Ablehnt. Das bringt gut Rhips Wunsch nach Dominanz zum Ausdruck, der sich auch in ihrer Dämonengestallt wieder spiegelt!
Rhip kommt mir auch sehr methodisch und zielgerichtet vor, zwei Eigenschaften die ich sehr schätzen kann und die zu ihrem Beruf als Organisator*Inn passen.

Ich mag auch deine Vorstellung von Alastor. So lang er unterhalten wird, ist es ihm egal wie offensichtlich Rhips Manipulation ist. Ich mochte auch wie er seine Aussetzer hat und reine Boshaftigkeit ausstrahlt, während er seinem Kopfkino frönt was passieren könnte und dann gleich wieder ganz charmant tut. ^^ ich mochte auch die Ansprache von Rhip als "Maskuline Freundin". Man sieht hier gut die parallelen in Alastors Manierismen zu dem Pilot und dem Gespräch von Al mit Angel. Oder als er Charlie einen Deal andrehen wollte. XD

Auch wie Charlie sich Mühe gibt und so enthusiastisch und interessiert ist, das man einfach nur davon laufen möchte.

Ich denke du hast hier einen guten Job gemacht! Und deine Recherche hat sich ausgezahlt. ^.~
Antwort von:  Dollface-Quinn
03.01.2022 23:31
Also wenn anschließend solche Kommentare kommen, dann hat sich das lange Recherchieren und Korrigieren bis in die Nächte hinein für mich gelohnt. *^*
Es freut mich brutal, dass du immer genau siehst, wo ich was zeigen, adaptieren und ausdrücken wollte. Auch dass Rhip im Gegensatz zu Luzifer und Aeneas offenbar gar nicht so schlecht ankommt, ist für mich ziemlich schön zu lesen. :3
Ich brauchte ein*e Protagonist*in, die einerseits voll in der Welt drin steckt, sich andererseits aber flexibel in allen Gesellschaftsschichten bewegen kann; und ich glaube, das ist mit Rhip ziemlich gut gelungen.
Man merkt natürlich, dass ich nur diese eine Pilotfolge als Referenz hatte und sich Alastors Verhaltensmuster daher stark daran orientieren. Ich lege eben immer Wert auf eine originalgetreue Adaption, wenn ich schon bei anderen klaue. ^^°
Also vielen Dank für den schönen, ausführlichen Kommentar. ♡
Von:  SchattenInk
2021-12-29T00:33:45+00:00 29.12.2021 01:33
Ich bin etwas verwirrt... zwar ist es ein Crossover aber man erkennt nicht viel von Hazbin Hotel wieder, was mich sehr enttäuscht hat. Wie du Charlie erwähnt hast, kam mir recht realistisch vor. Ich kann mir gut vorstellen das sie es so übertreibt. Dann kam Angel Dust vor und bei der Eule bin ich mir nicht sicher ob das Stolas sein sollte... Wenn es das erste Kapitel ist (und das Hoffe ich) ist natürlich klar das du erstmal den Fokus auf deine OCs legst, immerhin kennt man sie nicht und sie müssen erstmal vorgestellt werden. Mann merkt das du sie sehr liebst. Ich für meinen Teile finde es fast schon witzig, dass ich niemanden von ihnen mag.... naja den Vampir vielleicht... aber das auch nur, weil er Luzifer nicht zu mögen scheint und ich Luzifer von allen am wenigsten mag... ^^` Du beschreibst ihn so penetrant als Schönling, das man sich als Leser fragt ob du einen für dumm hältst, weil du es einen so aufs Brot butterst... es macht gegen ende mehr Sinn, da du offenbar nur hervorheben willst das die Hölle Schönheit missbilligt... wobei ich sagen muss, dass Luzifer sich mit seinem bisher hässlichen Charakter gut in die Hölle einfügt... um ehrlich zu sein tut es mir etwas leid, das ich niemanden von ihnen mag, ich weis wie sehr ich dazu neige, meine eigenen OCs zu vergöttern oder meine Lieblings Figuren gnadenlos zu romantisieren. Vermutlich ist es nicht sehr schön meinen Kommentar zu lesen... ._.' aber ich kann auch nicht Lügen oder einfach nichts schreiben. XD' ich bin sogar besorgt, das ich vielleicht Andere mit meiner Verehrung für meine Lieblinge genau so nerve, wie ich mich grade genervt fühle. Ich werde das bei meinen eigenen Geschichten prüfen... x.x` ich war immer der Meinung das Schwächen und Makel eine Person erst interessant machen, aber wenn ich daran denke, dass ich bei der Kampfszene mit den Motorrad-Typen dachte das es schön wäre, wenn sie sich alle gegenseitig umbringen, wird mir ganz anders... Auf der anderen Seite: <<bevor die Gläser seiner Designerschutzbrille sprangen.>> solche Sätze machen die Figuren so unsympathisch unter anderem. Wenn ich das lese möchte ich den Typen ins Gesicht treten.

Ach ja - Ich finde auch das du Kampfszenen gut beschreiben kannst. Das ist etwas womit ich gar keine Erfahrung habe. Allgemein war der Anfang, oder die ganze Geschichte sehr dynamisch. Zu beginn hatte mich die Verwachsung mit Luzifer gestört, und ich wollte schon aufhören zu lesen weil ich dachte das es absolut keinen Sinn macht das Luzifer im Hotel seiner Tochter von einfachen Sündern gejagt wird und Angst hat. Ich war sehr erleichtert, dass es nur eine Strategie war um die Aufmerksamkeit des Lesers zu gewinnen. Das war im nachhinein betrachtet sehr geschickt.
Alles im allen finde ich es schön, das mehr Hazbin Hotel Geschichten entstehen, denn da sieht es auf Mexx echt düster aus. Ich fände es nur begrüßenswert, wenn man Hazbin Hotel auch darin erkennen würde, daher hoffe ich, das du die Geschichte weiter führst, auch wenn ich mir nicht sicher bin das ich noch mal reinschauen würde. Macht das Sinn? Naja ich wünsche dir jedenfalls noch viel Erfolg und Kreativität für mehr Projekte~ ^.~
Antwort von:  Dollface-Quinn
29.12.2021 10:04
Hey SchattenInk,

über deinen Kommentar freue ich mich besonders, denn du durchschaust den Text mustergültig. Deine Eindrücke treffen fast immer genau das, was ich beabsichtigte. Die Eule ist nicht Stolas, sondern bloß irgendein Zocker. Ansonsten hast du alle involvierten HH-Charas gefunden.^^
Auch mit der Kritik, dass nicht viel Hazbin Hotel drin ist, hast du recht. Ich habe mir tatsächlich bloß das Hotel als Schauplatz ausgesucht, weil ich das Setting liebe. Voll gekriegt hab ich das Hotel dann unter dem Vorwand der Konferenz/Tagung der hohen Tiere.
Es freut mich sehr, dass du dir eine Fortsetzung wünscht. Der Text ist allerdings als One-Shot gedacht. Aber du bringst mich jetzt auf die Idee, dass ich hieraus vielleicht eine One-Shot-Sammlung anfangen könnte.
*denk*
Dass du meine OCs nicht leiden kannst ist vollkommen berechtigt. Ich gebe mir auch viel Mühe, ihre schlechten Charakter deutlich zu machen, gerade weil der Erzähler sie so liebt. Du hättest meine Horrorgeschichte zu Halloween lesen müssen. Da sind es gleich sieben Charas, die man nicht leiden kann. XD
Aber keine Sorge, ich halte den Leser nicht für dumm. Es ist genau wie du sagst! Wenn ich Luzifers Schönheit nicht so penetrant erwähnen würde, würde man den Ausraster des Motorraddämons am Ende nicht gleich kapieren. Das habe ich also absichtlich so gesteigert. Und der Effekt, dass man beim Lesen von Luzifers Passagen immer genervter wird, weil "Oh mein Gott, ja, wir haben es verstanden! Er ist hübsch! Aber er ist trotzdem so ein Arschloch!", das ist irgendwo mein Privatvergnügen als Autor. XD Aber dass du dachtest, "dass es schön wäre, wenn sie sich alle gegenseitig umbringen", das treibt es auf die Spitze. Da hab ich ja ganze Arbeit geleistet. XD
Der Witz ist, dass genau das die Szenerie der Hazbin Hotel Hölle für mich ausmacht. In der Hölle landen ausschließlich die schlimmsten Seelen, also ist es praktisch unmöglich, da jemanden sympathisch zu finden. So mein Gedanke. Es sollte eine Atmosphäre entstehen, in der keiner sicher ist und das als vollkommen normal empfunden wird.
Danke für das Kompliment wegen der Kampfszenen und meiner dynamischen Schreibweise. Es freut mich immer, wenn das jemand würdigt, denn viele hier auf Mexx lesen halt lieber nette Romanzen als meine humoristisch-gewalttätigen Mythologie-Mafia Stories. XP
Daher ist es vollkommen okay, wenn du sagst, du würdest nicht nochmal reingucken. Ich bin begeistert von deiner Ehrlichkeit. Für die Zukunft kann ich mir jetzt mal merken, es mit dem Kontrast "schwärmender Erzähler vs Hasscharaktere" vielleicht nicht ganz so zu übertreiben. XD
Vielen Dank für die ausführliche Rezension und auch dir alles Gute.

Von mir gibts übrigens auch einen Comic zu Hazbin Hotel. Sa kommen Valentino und Angel Dust vor und keiner der OCs aus diesem Text. ;)

Gruß,
DQ
Von:  Kasperkind
2021-12-28T16:50:10+00:00 28.12.2021 17:50
„Du brennst.“ XD
Das ist so typisch Luzifer. ^^‘
Die Geschichte liest sich in der Tat wie ein Traum. Eine gute Mischung aus Humor und Action. Das Niederschreiben hat sich gelohnt. :D
Antwort von:  Dollface-Quinn
28.12.2021 19:26
Und wo sind jetzt Hohn und Tadel, die du mir versprachst?
Antwort von:  Kasperkind
29.12.2021 07:55
Ich hatte nen guten Tag, da fiel mir nichts zu meckern ein. XD


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