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You'll be in my heart

von

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Was ich dir noch sagen wollte...

Seiya

 

Die Schlacht ist geschlagen. Alles wird gut. Trotz aller Blessuren sitzen wir noch in unserer Wohnung zusammen und man kann deutlich spüren, wie die Opfer jeder einzelnen Kriegerin, uns alle zusammengeschweißt haben. Ich sehe mich in der Runde um, beobachte wie Luna auf Yatens Schoß sitzt und er ihren Kopf streichelt, während er mit Minako lacht. 

 

Die Ausgelassenheit und Unbeschwertheit ist förmlich greifbar. Genauso wie die tiefe Verbundenheit, die nach diesem schier aussichtslosen Kampf vorherrscht. Selbst Kakyuu, die mit ihrer Sanftheit normalerweise eine unglaubliche Ruhe ausstrahlt, hat ihre Zurückhaltung abgelegt und kichert unbeirrt, als Bunny das dritte Stück Torte von Makotos Kuchen verzehrt und Rei sie deshalb tadelt. 

 

Ich könnte mich in diesem Anblick verlieren und versuche jedes Detail des Moments in mein Gedächtnis zu brennen. Ich möchte diesen Augenblick nicht vergessen. Zu viele andere davor habe ich viel zu selbstverständlich hingenommen. Morgen Abend werden wir auf unseren Planeten zurückkehren. Genau das macht mir Angst. 

Schätzchen…

 

Ich spüre den dicken Kloß, der sich in meinem Hals bildet. Ich habe das Gefühl, als würde mir die Zeit davonlaufen. Gott, mir war nie bewusst gewesen, wann ich angefangen habe dieses Leben so sehr zu lieben. Ich weiß, dass es hauptsächlich ihretwegen ist. So viele kleine Momente, die alltäglichen Treffen in der Schule. Es waren Tage und Wochen, die sich nach so viel mehr anfühlen. Es hätten Monate, Jahre und Jahrzehnte sein sollen. Ein Leben. 

An ihrer Seite...

 

Ich muss mir selbst einen Ruck geben, um mich nicht in meinen eigenen Gedanken zu verlieren. Ich erinnere mich daran, dass ich diese letzten Stunden besser nutzen kann.

 

Aber schließlich kommt es, wie es kommen muss.

Haruka und Michiru brechen zuerst auf, in Begleitung von Hotaru und Setsuna. Es ist kurz nach Mitternacht, als auch die übrigen beschließen, dass es Zeit ist zu gehen. Während die anderen vor der Tür warten, stehen Bunny und ich einander gegenüber. 

Ihr Blick ist plötzlich ernst.

Ein weiterer dieser gestohlenen Momente. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ist das der letzte Augenblick, den ich mit ihr allein habe? Ich spüre, wie sich mein Herz bei dem Gedanken zusammen krampft. 

Ich habe dir noch so viel zu sagen...

 

“Ich -”

“Seiya - ,” In Ihrer Stimme schwingt Traurigkeit mit.

Unsere Blicke treffen sich und ich kann sehen, dass es ihr genauso geht wie mir.

“Bunny, kommst du?”, höre ich von draußen Mamorus Stimme. Sie blickt fast erschrocken zur Tür. Ich unterdrücke das plötzliche Bedürfnis sie in die Arme zu nehmen, festzuhalten und nie mehr loszulassen. 

“Geh nicht, bleib hier…,” sind die einzigen Worte, die mir in den Sinn kommen.

 

“Ich bin froh, dass du deinen Freund wieder hast. Ich hoffe, dass ihr glücklich werdet,” höre ich mich stattdessen sagen, in dem Bemühen die Heiterkeit wiederherzustellen.

Und es ist die Wahrheit. Bunny presst die Lippen aufeinander. 

 

“Wir sehen uns morgen.” Ich bin mir nicht sicher, ob es eine Feststellung oder eine Frage ist. Vielleicht bilde ich es mir auch nur ein, aber ich höre eine Bitte. Es hat etwas Flehentliches an sich. 

Ich nicke. “Versprochen, Schätzchen. Wir sehen uns morgen.”

“Dann bis morgen!” Sie lächelt und läuft zu den anderen.

 

Ich bleibe noch in der Tür stehen und sehe wie sie gemeinsam die Straße hinuntergehen. Mamoru legt seinen Arm um Bunny. Meine Augen brennen. Was hätte ich dafür gegeben an seiner Stelle zu sein? Was würde ich dafür geben, dieses Leben weiterleben zu dürfen? Ich verfluche mein Schicksal als Sailor Kriegerin, das mich erst zu ihr geführt hat und mich jetzt brutal aus der Welt reißt, die ich liebe. 

 

***

 

Als ich ins Studio zurückkehre, sitzen dort noch Yaten, Taiki und Kakyuu. Sie sehen müde aus. Aber glücklich. Voller Tatendrang besprechen sie, was vor unserem Aufbruch noch zu erledigen ist. Ich höre nur mit einem halben Ohr zu. Geistesabwesend sehe mich in unserer Wohnung um. Sie war in den letzten Monaten unser Refugium. Der einzige Ort, an dem wir uns nicht verstellen mussten. Wir würden nichts mitnehmen. Dort wo wir hingehen, würden wir nichts davon brauchen. Eine weitere Sache, die wir hinter uns lassen würden. 

 

“Wir müssen die Umlaufbahn berücksichtigen,” höre ich die Prinzessin sagen, “Sonnenuntergang ist ein guter Zeitpunkt.” Ich blicke unvermittelt auf die Uhr. Achtzehn Stunden sind alles was mir noch bleibt. Ich spüre, wie ich innerlich nervös werde. 

Ich kann nicht wie sie einfach nur hier sitzen und sachlich unseren Abschied planen, als wäre es die nächste Tour der Three Lights. Ich sage ihnen, dass ich frische Luft schnappen muss und gehe ohne auf eine Antwort zu warten.

 

Als die Tür hinter mir ins Schloss fällt, atme ich tief ein. Die kühle Nachtluft tut mir gut. Ohne darüber nachzudenken fange ich an zu laufen. Ohne ein Ziel oder eine bestimmte Richtung. 
 

 

 

Bunny

 

Mamoru und ich gehen stumm nebeneinander her. Mir fällt nichts ein, dass ich sagen könnte. In meinen Gedanken hallen noch immer Seiyas letzte Worte wieder. “Wir sehen uns morgen.” Zum letzten Mal. Mein Herz ist schwer. Schon jetzt kommt es mir so vor, als würde ich mich mit jedem Schritt weiter von ihm entfernen. Morgen wird es eine ganze Galaxie sein, die uns trennt. 

 

“Magst du ihn?”, fragt Mamoru, nachdem wir eine Zeit lang stumm nebeneinander hergegangen sind. Seine Frage trifft mich wie ein Schlag in den Magen. Ist es so offensichtlich? 

Ich kann ihm keine Antwort auf seine Frage geben. Ich möchte ihn nicht belügen. Mit der Wahrheit würde ich ihn verletzen. 

 

Ich sage mir, dass es ist egal, was ich für Seiya empfinde oder ob es ihm genauso geht.

 

Denn eine Zukunft gibt es für uns nicht. Ich kann ihm nicht in die Augen sehen, als ich schließlich antworte. “Er war für mich da.” Ich merke selbst, dass meine Stimme brüchig klingt. Ich weiß, dass es der Wirklichkeit nicht einmal annähernd gerecht wird, aber ich habe nicht die Kraft, ihm alles zu erzählen. Mamoru bleibt stehen und sieht mich an. 

“Dann solltest du zu ihm gehen, solange du noch kannst.” 
 

 

 

Seiya

 

Meine Lungen brennen, als ich schließlich langsamer werde. Ohne dass ich es wollte, finde ich mich auf dem Schulgelände wieder. Als würden mich sämtliche Wege immer wieder zu ihr führen.

Was mach’ ich nur?

 

Ich lasse meinen Gedanken einen Moment freien Lauf und schon holen mich unzählige Erinnerungen ein - eine flüchtige Vision von ihrem fröhlichen Lachen überstrahlt alles. Ich sacke kraftlos auf die Knie. Ich kann jetzt schon nicht mehr. Dabei bin ich noch hier. 

Wie soll ich morgen Abschied nehmen?

 

Von Freunden. Von meinem Schätzchen. Von einem Leben, das ich mir nur allzu gut vorstellen kann. Von einer Zukunft, die ich vor ein paar Stunden noch in Frage gestellt hatte. Jetzt habe ich eine. Sie hat sie mit ihrem Licht ermöglicht: eine Zukunft, die ich mir für sie gewünscht hatte. Für die ich bereit gewesen war, alles zu opfern. Abschied nehmen von einer Zukunft, die ich nicht mit ihr erleben werde. 

 

Ich keuche. Nicht vom Laufen, sondern weil es sich anfühlt als würde eine tonnenschwere Last auf meiner Brust liegen. In der Einsamkeit der Nacht lasse ich zum ersten Mal meinen Tränen freien Lauf. 

 

Es dauert eine Weile, aber irgendwann kommen keine Tränen mehr. Ich richte mich auf und gehe weiter. Vor den Tribünen des Softball-Feldes bleibe ich stehen. Auch hier blitzen Erinnerungen auf, aber keine, vor denen ich Angst habe, sondern ein paar meiner liebsten. Ich gehe hinunter auf den Rasen und rufe mir Bunnys fröhliches Gesicht vor Augen, als wir das Spiel gewonnen haben. Bei der Erinnerung muss ich lächeln. 

 

“Seiya,” Der Klang ihrer Stimme trifft mich wie ein elektrischer Schlag und ich fahre herum. Ihre schlanke Silhouette leuchtet fast im sanften Mondlicht. 

“Schätzchen!”, ungläubig starre ich sie an. Es hätte keine schönere Überraschung geben können. 

 

“Ich hatte gehofft, dass ich dich hier finden würde,” antwortet sie auf die Frage, die ich nicht gestellt habe. Sie läuft zu mir hinunter auf das Spielfeld und fällt mir in die Arme. Im ersten Moment bin ich so perplex, dass ich nicht weiß, wie ich reagieren soll. 

“Ich konnte dich nicht einfach so gehen lassen.” Ich schließe sie in meine Arme und vergrabe mein Gesicht in ihrem Haar. Ihr Duft steigt mir in die Nase und für einige Augenblicke verweilen wir beide schweigend in unserer Umarmung. Wenn ich könnte, würde ich in dieser Sekunde die Zeit anhalten. Ich weiß, dass sie Mamoru liebt, aber hier und jetzt, gibt es nur uns beide. 

 

Es dauert eine Weile, bis wir uns voneinander lösen. “Ich wollte mich verabschieden,” sagt sie mit belegter Stimme und ich höre die Traurigkeit, ohne ihr Gesicht zu sehen.

 

 Ich lege ihr sanft einen Finger auf die Lippen.  

“Noch nicht, Schätzchen,” und ich merke, wie mir meine Stimme ebenfalls zu versagen droht. Ich hatte gedacht, es wären keine Tränen mehr übrig. Ich zwinge mich zu einem Lächeln.

“Können wir einfach so tun, als wäre es ein ganz normaler Tag?” 

 

Ich lege mich ins Gras und verschränke die Hände hinter meinem Kopf. Sie lässt sich ebenfalls auf den Rasen sinken und legt den Kopf auf meine Brust. Ich hoffe, dass sie nicht merkt, wie sehr mein Herz gegen meine Rippen pocht.

 

Gemeinsam schauen wir stumm den Sternenhimmel an. 

“Kannst du dich noch an das Softball-Turnier erinnern?”, fragt sie schließlich. Ich nicke. 

“Daran habe ich auch vorhin gedacht.”

“Ich habe mir überlegt, nachdem ich so erfolgreich war, könnte ich nächstes Jahr wieder teilnehmen.” Ich pruste los, als mir die Erinnerung an das erste Training mit ihr in den Sinn kommt. Sie spielt die Empörte. Ich muss ihr Gesicht nicht sehen, um zu wissen, dass sie den Mund verzieht. 

 

“Du könntest natürlich auch versuchen, deine Karriere als TV-Köchin weiter voranzutreiben.” Jetzt muss sie kichern. “Das geht nicht, ich habe Hausverbot,” gesteht sie kleinlaut.

Mir kommen die Tränen bei der Erinnerung an das verwüstete Studio.

 

Wie damals bei Taiki schafft sie es auch bei mir, mich in den schlimmsten Situationen zum Lachen zu bringen…

 

“Du warst aber hartnäckig...nicht zu vergessen, das verbrannte Abendessen, als deine Eltern nicht zu Hause waren…,” füge ich hinzu. Eine weitere meiner liebsten Erinnerungen mit ihr.

 

“Es gibt da jemanden, der mir mal gesagt hat, dass ich nie aufgeben darf,” flüstert sie und ich weiß, dass die Zeit der Verleugnung vorbei ist. “Ohne dich hätte ich es nicht geschafft.” 

Ich weiß, dass sie nicht das Softball-Spiel meint. 

 

“Du hast an mich geglaubt. Mehr als ich jemals selbst an mich. Du warst da, jedes Mal, wenn ich nicht mehr konnte und hast mir geholfen und mich wieder aufgerichtet. Du hast mich in so vieler Hinsicht gerettet. Ich werde dir das niemals vergessen... Ich werde dich niemals vergessen.” Ihre Stimme zittert, ich merke, dass sie noch mehr sagen möchte… aber sie schweigt.

 

Ihre Worte hängen in der Luft und ich weiß nicht, was ich darauf antworten soll. Ich weiß nicht, ob es klug ist, auszusprechen, was mir am Herzen liegt.

 

“Schätzchen, siehst du den Stern hinter Jupiter?”, frage ich anstatt etwas zu erwidern. Als sie verneint, nehme ich ihre Hand und führe sie in meine Blickrichtung, damit sie weiß, welchen Stern ich meine. “Das ist Kinmoku. Er ist nur sehr kurz vor der Morgendämmerung sichtbar. Von dort werde ich auch weiter da sein, wenn du mich brauchst. Und wenn du dich je einsam fühlst, such nach Jupiter. Ich kann ihn auch von meinem Planeten sehen.” 

 

Ich lasse unsere Arme wieder sinken aber sie lässt meine Hand nicht los. Wie zur Bestärkung verschränkt sie ihre Finger mit meinen. Keiner von uns sagt  ein Wort. Wir schauen nur stumm auf unsere verschlungenen Hände. Ich weiß nicht, ob ich mich freuen soll oder ob die Last auf meinem Herzen gleichzeitig noch schwerer wird. 

 

Sie drückt meine Hand und mich übermannt eine Flut von Bildern. 

Es sind Erinnerungen und gleichzeitig noch so viel mehr. Es sind ihre Erinnerungen an unsere gemeinsame Zeit. Ich sehe mich durch ihre Augen: wie ich sie zu Beginn so unendlich genervt habe. Ich muss unwillkürlich lächeln. Wie kann sie auch wissen, dass ich vom ersten Moment an fasziniert von ihr war? 

 

Sie zeigt mir alles, was sie selbst in der Dunkelheit der Nacht nicht auszusprechen vermag. Mir bleibt augenblicklich die Luft weg. Ich sehe, wie sich ihre Gefühle mir gegenüber mit der Zeit verändern. Wie sie angefangen hat, sich in meiner Nähe sicher zu fühlen, wie sie begann mich zu vermissen, wenn ich nicht da war. Wie es ihr fast selbst das Herz gebrochen hat, als ich ihr meine Liebe gestand, weil sie mir nicht das erwidern konnte, was sie eigentlich wollte. Dass ich mehr als nur gut genug war. Mein Herz pocht bis zum Hals.

 

Wir sehen uns stumm an. Im schwachen Mondlicht kann ich erkennen, dass sie versucht zu Lächeln, aber es bleibt bei einem armseligen Versuch. Ich streiche ihr mit meiner freien Hand sanft durchs Haar. 

 

“Nach dem Konzert entführe ich dich in ein wunderschönes Traumland Schätzchen. 

Inzwischen liebe ich dich so sehr,  dass ich mir wünschte ich könnte das tun, was ich eben gesagt habe...“ 

Ich höre meine eigene Stimme in ihren Erinnerungen. Ich spüre einen Stich im Herzen und weiß nicht, ob es ihre Empfindungen sind oder meine.

 

Zu meiner Überraschung folgt dann noch eine zweite Bilderflut. Diese erkenne ich nicht wieder. Sie sind auch nicht so detailliert, wie die ersten Erinnerungen, die sie mir mit mir geteilt hat, sondern vage, fast verträumt. 

 

Es dauert eine Weile, bis ich realisiere, dass dies keine Erinnerungen sind, sondern Wünsche. Ich sehe uns Hand in Hand spazieren gehen, ein Picknick mit den Mädchen, beim Urlaub am Strand, beim Umzug in eine gemeinsame Wohnung, beim gemeinsamen Frühstück. Zu guter Letzt, liegen wir beide im Gras, genau wie wir es jetzt tun. Nur ist es nicht Nacht und wir genießen einfach nur die ersten Sonnenstrahlen im Frühling. 

Es ist ein einfaches Leben und ein glückliches.

 

Es ist das Traumland, das ich eigentlich ihr versprochen hatte. Es hätte genauso gut das meine sein können. 

Stumme Tränen laufen mir über das Gesicht. 

Schätzchen, warum tust du mir das an? Wie soll ich jetzt jemals gehen…?

 

 

Nachdem die letzte Vision verblasst ist, rappelt sie sich auf. Ich bleibe im Gras liegen. Noch immer völlig überwältigt von ihrer Offenbarung, versuche ich meine Fassung wieder zu erlangen.

 

Mittlerweile tastet sich die Morgenröte langsam aber unerbittlich ihren Weg zum Himmel empor. 

Es erinnert mich wieder daran, dass mir die Zeit davon läuft. Jetzt mehr denn je.

 

Als sie neben mir kniet, kann ich im Licht der ersten Sonnenstrahlen erkennen, dass auch sie geweint hat. Ich richte mich auf und will die Hand heben, um ihr die Tränen aus dem Gesicht zu streichen. Sie hebt abwehrend die Hand. 

“Nicht…,” sie senkt den Blick. “Ich muss noch gehen können.”

Wieder versucht sie tapfer zu sein und zu lächeln. 

 

“Ich wollte, dass du weißt, dass wenn wir nicht beide schon ein Schicksal hätten… ich wollen würde, dass du das meine wärst.” 

 

Sie beugt sich zu mir hinunter und küsst mich sanft. 

In dem Augenblick, in dem ihre Lippen auf meine treffen, habe ich das Gefühl innerlich zu explodieren. Während ein lang gehegter Wunsch erfüllt wird, löst es gleichzeitig ein Verlangen nach mehr aus. Ich möchte nach ihr greifen, sie in meine Arme nehmen, noch näher bei mir spüren. Sie nie wieder loslassen. Im gleichen Moment weiß ich, dass diese Sehnsucht niemals in Erfüllung gehen wird. 

 

In der Wirklichkeit passiert alles aber so schnell, dass sie sich von mir löst, noch bevor ich die Chance habe zu reagieren.

 

“Wir sehen uns morgen,” flüstert sie mir zu. 

Dann springt sie auf und läuft davon.

 

Ich halte sie nicht zurück. Es steht mir nicht zu. 

Stattdessen bleibe ich zurück und sehe ihr nach. 

Überwältigt von dem Wissen, dass mein Traumland auch das ihre ist. 

 

Abschied

Seiya 

Sonnenuntergang. Der Zeitpunkt des Abschieds ist gekommen. 

Meine Zeit ist abgelaufen. Viel zu schnell. 

 

“Müsst ihr wirklich schon gehen?”, höre ich Amy sagen. 

Mein Innerstes schreit fast “Nein!”, aber ich sage nichts. Ich blicke einfach betreten zu Boden. Bis zum letzten Augenblick habe ich gehofft, dass uns irgendjemand oder irgendetwas aufhalten würde. Im Stillen habe ich für einen Grund gebetet, der uns zum Bleiben zwingt. Ich kenne den meinen.

 

Doch nichts davon ist geschehen. Ich kann nicht glauben, dass dies das Ende sein soll, auf das wir so lange gehofft haben. Ich weiß, dass ich mich freuen sollte. Die anderen tun es. Wir haben unsere Prinzessin gefunden und kehren nach Hause zurück. Wir werden unseren Planeten wieder aufbauen. 

Alles wird gut. Es ist mein Mantra, dass ich mir die letzten Stunden ständig selbst vorbete. 

Vor uns liegt so viel mehr, als ich vor ein paar Tagen noch zu hoffen gewagt habe. 

Vor kurzem noch war all das vollkommen unvorstellbar. Das alles haben wir dir zu verdanken. 

 

Ich habe vom ersten Moment an gespürt, dass dein Stern heller leuchtet als andere. Ich wusste, dass du etwas Besonderes bist. Besonders liebenswert. Außergewöhnlich selbstlos. Aber ich hätte mir damals nie träumen lassen, dass ausgerechnet du nicht nur diese Welt, sondern die gesamte Galaxie retten würdest. Ich habe auch nicht damit gerechnet, dass du zum Mittelpunkt meiner Welt werden würdest. Inzwischen ist mir dein Glück wichtiger als mein Leben. 

 

Jetzt habe ich dein Gesicht vor meinen Augen. Dein Lächeln. Ich kenne dich zu gut, um auf die Maske herein zufallen, die du trägst. Ich kenne dieses Lächeln. Du versuchst stark zu sein. Wie so viele Male zuvor. Es ist das Lächeln, das du aufsetzt, wenn du andere nicht mit deinen Problemen belasten möchtest. Bin ich der Einzige, der den traurigen Schatten in deinen Augen bemerkt?

 

Mit einem Mal sind wir beide wieder auf dem Softballfeld im Schutz der Dunkelheit der Nacht. Ich spüre deinen Händedruck noch immer fast körperlich. Allein bei der Erinnerung setzt mein Herz für einen Moment aus. Du hast mir das größte Geschenk gemacht. Auch wenn es schmerzt. Schmerzt zu wissen, was hätte sein können. Gleichzeitig hilft es mir ein wenig, meinen Verstand zu bewahren. Zu wissen, dass ich nicht alleine bin…

Dass ich es mir nicht nur eingebildet habe. Zu wissen, dass, wenn wir eine Wahl hätten, all diese Wünsche hätten wahr werden können. Ich weiß, wieviel schwerer es für dich ist. Du hättest es nicht tun müssen.

 

“Ich muss noch gehen können.” 

 

Allein die Erinnerung an deine Worte gibt mir einen Stich ins Herz. Deine Worte hallen in meinen Ohren wieder. Ich hätte es nicht gekonnt -  du hast einmal mehr getan, was nötig war.  Einmal mehr hast du getan, wozu andere nicht fähig waren… wozu ich nicht fähig war. Ein weiteres Mal hast du das Wohl von anderen über deine eigenen Wünsche gestellt. 

 

Einzig und allein, damit es mir besser geht. Damit ich weiß, dass ich mit meinen Gefühlen nicht allein bin. Dass es keine einseitige Liebe ist. Damit ich aufhören kann an mir selbst zu zweifeln.

 

Ich glaube, du weißt bis heute nicht, wie stark du eigentlich bist. Das Mädchen, das die Last der Welt schon viel zu oft auf ihren Schultern getragen hat. Wenn ich dich jetzt sehe, verstehe ich nicht, wie wir je an deiner Stärke zweifeln konnte. Es gibt keinen Zweifel, dass du das Licht der Hoffnung bist.

 

Unser Schicksal als Sailor Kriegerinnen geboren zu werden, hat uns zusammengeführt. Jetzt reißt es mich weg von dir. Wir beide wissen, dass es nicht in unserer Macht liegt. Ich kann nichts dagegen tun. Und so sage ich das Einzige, dass ich dir vor den anderen sagen kann. 

 

“Schätzchen, ich freu mich sehr, dass du deinen Freund jetzt wieder hast!”

Ich hoffe von ganzem Herzen, dass du verstehst, was ich dir eigentlich sagen will. 

“Ich wünsche mir, dass du glücklich bist.” 

 

Ich wünsche dir von Herzen das Beste. Ich will nicht gehen. Aber ich habe keine andere Wahl.

 

“Ja, vielen Dank Seiya...wenn ihr mir nicht Mut gemacht hättet, hätte ich es nie geschafft.”

“Du hast an mich geglaubt. Mehr als ich jemals selbst an mich. Du warst da, jedes Mal, wenn ich nicht mehr konnte und hast mir geholfen und mich wieder aufgerichtet. Du hast mich in so vieler Hinsicht gerettet. Ich werde dir das niemals vergessen... Ich werde dich niemals vergessen.”

 

Einmal mehr habe ich das unendliche Bedürfnis, dich in meine Arme zu schließen und dich nie wieder los zu lassen. Ich darf nicht. 

 

Aber ich kann doch nicht einfach so gehen...

 

“Schätzchen...ich...ähm…”

Was soll ich dir noch sagen? Ich will meine Hand nach dir ausstrecken. Ich will nicht gehen.

 

“Nach dem Konzert entführe ich dich in ein wunderschönes Traumland Schätzchen."

 

“Ich...ähm...ich werde dich bestimmt nie vergessen!"

“Inzwischen liebe ich dich so sehr,  dass ich mir wünschte ich könnte das tun, was ich eben gesagt habe...“ 

 

“Klar,wir sind wir doch jetzt Freunde für immer, oder?!”

“Ich wollte, dass du weißt, dass wenn wir nicht beide schon ein Schicksal hätten… ich wollen würde, dass du das meine wärst.”

 

Die anderen lachen über deine Antwort. In meinem Kopf blitzt die Erinnerung an deine Tränen auf. Ich spüre noch immer die flüchtige Berührung deiner Lippen auf meinen. 

Die Erkenntnis, dass es ein Traumland gibt, in dem wir beide zusammen sein könnten.

“Schätzchen...” 

 

 “Mamoru!”

Er reagiert sofort. “Hmm?”

 

“Ich gebe dir den Rat, pass sehr gut auf Bunny auf! Denn sonst komme ich wieder und dann übernehme den Job,verstanden?!”

 

 “Bitte, weil ich es nicht mehr kann. Pass auf sie auf..., beschütze sie. Ich möchte, dass sie glücklich ist. Ich würde mein Leben für sie geben.” 

 

Wir verwandelten uns. Ich schließe die Augen. Ich weiß, solange ich dich ansehe, werde ich nicht gehen können. Ich weiß auch, dass selbst wenn wir jetzt gehen, ein Teil von mir zurückbleibt. 

 

unverhofftes Wiedersehen

Seiya
 

Es ist die Kraft unserer Prinzessin, die uns nach Hause bringt. Leichtfüßig heben wir vom Dach der Schule ab und innerhalb von Sekunden haben wir die Erde so weit hinter uns gelassen, dass ich es zum ersten Mal wage zurückzublicken. Ich sehe hinunter auf den blauen Planeten, der viel zu schnell immer kleiner wird. Kakyuus Kräfte ziehen mich immer weiter fort. Ich fühle mich wie ein Gefangener. Ich weiß, dass ich in meine Heimat zurückkehre, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich nicht eine zweite gefunden habe. Es fühlt sich an, als würde ich innerlich zerreißen.
 

Die Bedrücktheit über den Abschied lässt bei den anderen nach, je näher wir unserer Heimat kommen. Das einzige, an das ich denken kann ist, wie viel weiter ich mich mit jeder Sekunde von der Erde entferne.

Von meinem Schätzchen…
 

Wir passieren Jupiter und ich sehe uns beide wieder unter dem Sternenhimmel im Gras liegen.

 Ihre Hand in meiner…

“Wenn du zu Jupiter hinauf siehst, weißt du, dass ich ihn auch sehen kann…”
 

Als Kinmoku endlich in unserem Blickfeld erscheint, kann ich die freudige Anspannung der anderen förmlich spüren. Ich gebe mir Mühe den Schein zu wahren, aber ich kann ihren Enthusiasmus nicht teilen.
 

***
 

Als wir in die Atmosphäre von Kinmoku eintreten, überrascht es mich wie ungewohnt meine Heimat auf einmal für mich wirkt. Seit ich denken kann war unser Planet für mich immer ein Spiegelbild unserer Prinzessin. Wenn es ein Wort gibt, mit dem ich Kinmoku beschreiben würde, dann ist es warm .
 

Nach unserem Leben auf der Erde trifft diese Beschreibung für mich noch mehr zu als jemals zuvor. Blau ist auf Kinmoku eine Farbe, die man ausschließlich in den Augen seiner Bewohner findet. Bei unserer Ankunft auf der Erde war ich fasziniert von den unzähligen Blautönen, die wir vorfanden. Gleichzeitig erinnert es mich daran, wie kalt mir die Erde am Anfang erschien; besonders wenn der Himmel mit grauen Wolken bedeckt war und die Stadt auf mich wirkte wie eine riesige Betonwüste.
 

In den letzten Monaten habe mich so an den blauen Erdenhimmel gewöhnt, dass die blassgelbe Atmosphäre Kinmokus mit seinen rötlichen Wolken tatsächlich etwas befremdlich auf mich wirkt.
 

Die Residenz unserer Prinzessin befindet sich auf einer der zahlreichen Inseln vor der Hauptstadt ihres Reiches. Drei Brücken verbinden das Festland mit dem blassroten Steinpalast hinter den Mauern. Jede einzelne von ihnen ist jetzt voll mit Menschen, die seit unserer Ankunft vor die Tore der Festung strömen. Die Begeisterung über die Rückkehr der Prinzessin kennt keine Grenzen.
 

Es wäre nicht Kakyuu, wenn sie nicht anordnen würde, dass die Tore für alle Bewohner offen stehen sollen und so strömen tausende Menschen in den Innenhof der Festung.
 

Ich verstehe ihre Begeisterung.

Aber ich bin nicht in der Stimmung für Menschenmassen. Ich weiß, dass wir unser Ziel erreicht haben. Unsere große Hoffnung, die Prinzessin wieder nach Hause zu bringen, ist erfüllt. Mir ist trotzdem nicht nach feiern zu Mute.
 

Ich selbst bin nach wie vor hin- und hergerissen. Ich erinnere mich daran, was ich zurücklassen musste und habe sofort wieder Bunnys Gesicht vor Augen. Schuldbewusst ertappe ich mich selbst bei der Frage, ob dieses Opfer es wert war. Ich ermahne mich selbst und erlaube es mir nicht meiner Trauer freien Lauf zu lassen. Stattdessen besinne ich mich darauf, dass es hier nicht um mich geht. Dass wir Pflichten haben und es mir nicht zusteht mich jetzt gehen zu lassen.
 

Ich versuche mich darauf einzulassen und beim Blick in das Meer von fröhlichen Gesichtern, keimt auch in mir fast so etwas wie Freude auf. Der Enthusiasmus der Menschen erinnert mich daran, dass wir selbst monatelang nach ihr gesucht haben. Dass jede unserer Handlungen darauf ausgerichtet war, sie wieder zu finden. Ich kann mich noch zu gut erinnern, wie es war, als sie sich endlich zu erkennen gegeben hat. Damals sind bei mir alle Dämme gebrochen. Ich kann nur allzu gut nachvollziehen, was ihre Rückkehr für ihr Volk bedeutet.
 

Viele von ihnen singen. Besonders ein Lied erklingt immer wieder. Auf Kinmoku ist es seit ich denken kann, fast so etwas wie eine Hymne.
 

Die Melodie selbst klingt fast melancholisch und passt eigentlich nicht zu der Jubelstimmung. Es ist der Text, der die Menschen anspricht.

Es handelt von einem gemeinsamen Weg; vom Hinfallen und Wiederaufstehen; vom einander Aufhelfen. “Ve Jidne zajuntes” ertönt es aus allen Richtungen; normalerweise wird es in einem entschlossenen, fast aufsässigen Ton gesungen. Diesmal ist der freudige Unterton nicht zu überhören. “Wir stehen zusammen” .

Ich spüre wie sich auf meinen Armen eine Gänsehaut bildet.
 

Die Atmosphäre ist selbst für mich ansteckend. Es kommt nicht von ungefähr, dass wir als Three Lights so einen unglaublichen Erfolg mit unserer Musik hatten. Es ist seit jeher eine Gabe unseres Volkes mit Gesang unsere Emotionen zu transportieren. Wir wussten von Beginn an, dass Kakyuu unsere Botschaft verstehen würde, die Herausforderung war nur, dass sie uns auch tatsächlich hören und als die unsere erkennen würde.
 

Nach den Entbehrungen der letzten Zeit ist die Rückkehr der Prinzessin ein Symbol der Hoffnung. Hoffnung dafür, dass wir unseren Planeten neu aufbauen werden und alles besser werden wird. Alles wird gut. Ich erinnere mich wieder an mein Mantra.
 

Ich bin wieder zu Hause. Es herrscht Frieden. Ich erinnere mich, dass wir einzig und allein dafür unseren Planeten verlassen haben. Die fröhlichen Gesänge nehmen auch mir einen Teil der Last von meinem Herzen.
 

Als die Festung schließlich bis auf den letzten Platz gefüllt ist, macht sich Kakyuu bereit vor ihr Volk zu treten.
 

Wir nehmen unsere gewohnte Rolle als Garde der Prinzessin ein und bleiben im Hintergrund. Der breiten Treppen hinauf zum freiliegenden Hauptplatz vor dem Hauptgebäude der Festung sind gesäumt von Menschen. Als wir am höchsten Punkt angelangen, ist der Ausblick überwältigend. Selbst jetzt sind die Brücken noch überfüllt und auch am anderen Ufer ist deutlich zu erkennen, wie die Menschen in der traditionellen Festkleidung einen Flickenteppich aus gelb, orange und Rottönen bilden.  
 

Wir folgen der Prinzessin mit einigem Abstand. Uns wird zwar Respekt gezollt, aber die Aufmerksamkeit gilt einzig und allein unserer Prinzessin. Sie ist es auch, von der alle erwarten, dass sie eine Rede hält. Unter tosendem Jubel tritt sie schließlich vor die Menschenmenge.
 

Wir wissen, dass uns jeder auf dem Planeten kennt, das kommt mit unserer Position einher. Und doch ist es eine völlig neue Erfahrung, als uns Kakyuu einzeln aufruft und wir plötzlich im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen.
 

Keiner von uns hat damit gerechnet oder weiß, was wir tun sollen. Wir treten vor unsere Prinzessin und sie lächelt uns dankbar an. Mein erster Reflex ist es, vor ihr in die Knie zu gehen, doch sie deutet uns fast unmerklich an, es nicht zu tun. Dann beginnt sie von unserer Zeit auf der Erde zu erzählen.
 

Aber es wäre nicht Kakyuu, wenn sie nicht ihre eigenen Taten in den Hintergrund stellen würde. Sie erwähnt nicht einmal, dass sie sich für uns alle geopfert hat. Stattdessen erzählt sie die Geschichte, wie wir sie so lange gesucht haben. Sie beschreibt unsere Entschlossenheit, lobt unseren Tatendrang.
 

“Das sind die drei Sterne, denen wir unsere Zukunft zu verdanken haben!”
 

In einer fließenden Bewegung wendet sie sich zu uns um und sinkt auf die Knie. Die tausenden Menschen um uns herum tun es ihr gleich. Es ist wie eine Welle, die sich die Treppen hinunter, über den Innenhof ausbreitet und sich selbst über die Brücken bis hin zum gegenüberliegenden Ufer fortsetzt. Taiki, Yaten und ich sehen uns alle sprachlos an. Damit hat keiner von uns gerechnet. Ich muss nicht in ihre Gesichter blicken um zu wissen, dass beide mit den Tränen kämpfen. Kakyuu hätte hier aufhören können - tut sie aber nicht. Stattdessen wendet sie sich wieder den Menschen, die vor uns zu.
 

Während wir selbst noch nicht wissen, wie uns geschieht, führt Kakyuu ihre Rede fort. Sie beschreibt unsere schwierigsten Momente auf der Suche nach ihr. Die Momente, in denen wir gezweifelt haben. Kakyuu braucht keine großen Worte. Mit Hilfe ihrer Gabe schafft sie es, die Bilder ihrer Erinnerung in unser alle Köpfe zu projizieren.
 

Ich sehe den Ruhm der Three Lights - tausende Menschen umjubeln uns - und gleichzeitig die Einsamkeit, die damit einhergeht, weil die eine, die wir erreichen wollen, uns anscheinend nicht hört.  
 

Ich sehe ihre Perspektive und mir wird zum ersten Mal bewusst, dass sie von Anfang an in unserer Nähe war. Sie hat uns die ganze Zeit gehört…
 

Ich sehe Taiki und Yaten. Meine Gefährten. In der Zeit auf der Erde sind sie wirklich wie Brüder für mich geworden.
 

Ich sehe Taiki, wie er mit seiner Verzweiflung ringt und schließlich ein Zeichen bekommt, das ihm Hoffnung gibt.
 

Ich sehe Yaten, der immer nur dieses eine Ziel vor Augen hatte, koste es was es wolle. Der sich komplett abgeschottet hat. Nur Luna konnte er sich anvertrauen. Bis ihm Minako und die anderen gezeigt haben, dass auch der Weg das Ziel sein kann.  
 

Kakyuus Vision zeigt mir unsere Zeit auf der Erde aus einer völlig anderen Perspektive.

Es macht mir klar, dass trotz unseres gemeinsamen Ziels jeder von uns mit seinen eigenen Dämonen zu kämpfen hatte. Ich fühle mich ein wenig schuldig, dass ich den beiden jemals Vorwürfe gemacht habe.
 

Dann sehe ich plötzlich mein eigenes Gesicht. Obwohl es eigentlich zu erwarten war, bin ich nicht darauf vorbereitet.

Ich kenne meine Geschichte…

Ich weiß, dass man meine Geschichte nicht erzählen kann ohne sie zu erwähnen. Ich bin nicht bereit, ihr Gesicht zu sehen...
 

“Seiya!” durchbricht ein Schrei die respektvolle Aufmerksamkeit der Menge. Ich bin dankbar für die Rettung und gleichzeitig sind meine Sinne davon überfordert.
 

Mein Herz setzt für einen Moment aus. Ich erkenne diese Stimme und doch kann es unmöglich sein. Ich hätte nie erwartet sie je wieder zu hören. Orientierungslos versuche ich, die Herkunft wahrzunehmen.
 

Ich höre noch einmal meinen Namen und blicke in die Richtung, aus der ich glaube, dass die Stimme kommt. Tatsächlich kann ich eine Bewegung in der Menge erkennen. Ich kann kein Gesicht ausmachen, aber ich sehe, wie die Menschen vor mir auseinander gehen, um Platz zu machen. Ich halte den Atem an. Diese Hoffnung habe ich schon vor langer Zeit aufgegeben. Ich höre ein weiteres Mal meinen Namen und obwohl ich mir selbst nicht einmal die Vorstellung daran erlauben will, laufe ich ihr entgegen. Bis ich sie tatsächlich vor mir sehe.
 

Yuuiren.

Meine Schwester.
 

Sie wirft sich in meine Arme und klammert sich an mich. Ich starre ungläubig auf sie hinunter. Es ist der Griff ihrer kleinen Finger, die sich verzweifelt an mich krallen und die Nässe ihrer Tränen, die mich glauben lassen, dass es die Wirklichkeit ist...

Dass sie tatsächlich am Leben ist. Ich klammere mich an sie und sinke mit ihr auf die Knie. Irgendwie habe ich Angst, dass, wenn ich sie loslasse, sich alles in Luft auflöst.
 

Ich spüre Yatens und Taikis Hände auf meinen Schultern. Ich drücke Yuuiren an mich und vergrabe mein Gesicht in ihrem Haar. Ich hatte vor langer Zeit aufgehört dafür zu beten meine Familie wiederzusehen.

Wiedervereint

Seiya

 

Yuuiren… 

 

Als ich mir endlich erlaube zu glauben, dass es die Wirklichkeit ist, dass sie wahrhaftig am Leben ist, überwältigt es mich. Ich sacke auf die Knie mit Yuuiren in meinen Armen. 

“Ich dachte, du wärst tot,” flüstere ich ihr zu, woraufhin sie mich noch fester drückt.

“Das gleiche dachte ich von dir”. 

 

Es sind keine einzelnen Tränen, es sind Ströme, die mir unkontrolliert über die Wangen fließen. Es sind die Tränen, die ich nach Galaxias Angriff auf unseren Planeten nicht weinen konnte. Ich hatte mich nur verbissen in unsere Mission und die Suche nach der Prinzessin gestürzt. 

 

Jetzt halte ich Yuuiren einfach nur fest und streiche ihr beruhigend übers Haar. Von all meinen unerfüllbaren Wünschen habe ich von diesem immer am wenigsten geglaubt, dass er tatsächlich wahr werden könnte. Hätte ich nicht Angst gehabt sie zu erdrücken, würde ich sie noch fester in meine Arme schließen.

 

Ich vergesse, dass wir uns inmitten einer riesigen Menschenmenge befinden. 

 

Bis ich die Stimmen höre. 

 

Zuerst eine einzelne, dann eine zweite und dritte. Mit jedem Wort schwillt der zufällige Chor weiter an, bis es aus allen Richtungen erklingt. Sanft, tröstend und zugleich hoffnungsvoll und fröhlich. Es ist das Lied des Wiedersehens. 

Wir singen es zu Abschieden und Wiedersehen, weil es das eine ohne das andere nicht gibt. 

 

Ich sehe auf und erkenne die Hoffnung in den Gesichtern. 

In dem Moment kann ich einfach nicht anders, auch wenn meine Augen voller Tränen sind, oder vielleicht gerade deswegen; ich muss lächeln. 

 

Kakyuu versucht erst gar nicht, die Aufmerksamkeit der Massen wiederzuerlangen. Stattdessen stimmt das königliche Orchester in die von den Menschen vorgegebene Melodie mit ein. Die Menschen beginnen zu tanzen oder liegen sich in den Armen. Auf improvisierten Tischen wird Essen aufgetischt und die Menschen prosten sich mit den mitgebrachten Flaschen Sirese zu.

 

Wir stehen nicht mehr im Zentrum der Aufmerksamkeit und ich bin dankbar dafür. Mit Yuuiren in meinen Armen richte ich mich auf und gemeinsam mit Yaten und Taiki gehen wir zurück in den Palast. 

 

***

 

Auf dem Weg zu unseren Gemächern brennt mir eine einzige Frage auf der Zunge. Gleichzeitig habe ich Angst davor sie zu stellen. Wie groß ist schon die Wahrscheinlichkeit, dass an einem Tag zwei Wunder passieren? Ich stelle sie nicht. Ich bin noch nicht dafür bereit.

 

Als ich Yuuiren absetze, sind Yaten und Taiki sofort zur Stelle und umarmen sie ebenfalls. 

Wir sind zusammen aufgewachsen. Für die beiden war sie immer wie die kleine Schwester, die sie nie hatten. Besonders für Yaten, der sich sein Leben lang mit fünf älteren Brüdern herumschlagen musste. Er hat sie verstanden und immer wieder aufgeheitert, wenn die Jungen aus der Nachbarschaft sie gehänselt haben oder nicht mitspielen ließen. Sie hat ihn immer dafür vergöttert.

 

Er ist es auch, der mir mit Tränen in den Augen mit seiner Frage zuvorkommt, als er sie in seine Arme schließt.

 

“Wie konntest du das überleben?”

 

Er und Taiki waren bei mir, als die erste Angriffswelle von Galaxia damals das Haus unserer Familie zerstört hat. Es war nur zwei Straßenecken von unserer Unterkunft im Palast entfernt und wir sind sofort losgerannt. Das Bild von dem brennenden Haus verfolgt mich noch jetzt. Yaten und Taiki mussten mich davon abhalten in das einstürzende Haus zu laufen. 

“Du kannst nichts mehr für sie tun.”

Es war nur die erste von unzähligen Detonationen. Yuuiren erzählt uns, dass sie während der Explosion im Keller des Hauses unserer Eltern gewesen ist. Das Gebäude ist über ihr eingestürzt. Außer ihr hat keiner überlebt.

 

Damit beantwortet sie die Frage nach unseren Eltern, ohne dass ich sie stellen muss.

 

Sie selbst wurde erst drei Tage später während Aufräumarbeiten gefunden. 

Zu dem Zeitpunkt waren wir schon auf dem Weg zur Erde…

 

“Was ist mit…?”, will er nach seiner eigenen Familie weiterfragen, aber Yuuiren schüttelt nur traurig den Kopf und presst die Lippen zusammen.

Ihr Blick wandert zu Taiki, der ebenfalls zu einer Frage ansetzt. 

“Es tut mir leid.”

 

Mir rauscht das Blut in den Ohren. Für einen Augenblick herrscht betroffene Stille. 

 

Als wir Kinmoku verlassen haben, hat keiner von uns damit gerechnet unsere Familien je wiederzusehen. Ich selbst habe die Hoffnung in dem Moment aufgegeben, als ich vor dem brennenden Haus aufgehört habe, mich gegen Yatens und Taikis Umklammerung zu wehren. Ich spüre fast körperlich, wie der Funken Hoffnung in meiner Brust, den Yuuirens Erscheinen ausgelöst hat wieder erlischt. Es tut weh. 

 

Gleichzeitig muss ich sie nur ansehen, um mich daran zu erinnern, dass dies mehr ist, als ich je zu hoffen gewagt hatte.
 

 

Taiki ist der erste, der das Schweigen nicht länger aushält. 

Er steht auf und sucht in den Schränken nach Tassen und einer Kanne. Als er die schwere Eisenkanne voll mit Wasser über den Rost im Kamin stellt, um das Wasser zu erhitzen, wird mir wieder klar wie viel einfacher das Leben auf Kinmoku im Vergleich zur Erde ist. Zum ersten Mal sehe ich mich bewusst in dem Raum um.

 

Es offensichtlich, dass sich die Haushälter der Prinzessin besondere Mühe gegeben haben uns willkommen zu heißen. In dem steinernen Kamin brennt ein Feuer und selbst für Essen ist gesorgt. Ich nehme mir vor, mich am nächste Tage bei ihnen zu bedanken.

 

Als uns Taiki schließlich allen einen Becher mit einem Aufguss aus Saresblüten reicht, nehme ich ihn dankbar entgegen.

 

Yuuiren hat sich von uns allen als erstes wieder gefangen. Ich beobachte, wie sie sanft in ihren Becher bläst. Sie ist groß geworden. Aber es ist nicht nur das. Es ist die Art, wie sie spricht. Sie erzählt nüchtern darüber, was in den letzten Monaten auf Kinmoku passiert ist.

Wann ist sie so erwachsen geworden?

 

Nach einer Weile kommt auch Kakyuu hinzu. Als sie eintritt fühlt es sich an, als würde mit ihr die Sonne in den Raum kommen. Es ist als würde sie die Begeisterung der Menschen direkt mit hineintragen. Ich weiß nicht, ob es an ihrer Gabe liegt oder an ihrem eigenen Enthusiasmus. Ich kann spüren wie mein Herz leichter wird. 

 

Sie umarmt Yuuiren mit einer Herzlichkeit, von der ihre sonst so unaufdringliche Art sie normalerweise zurückhält. 

 

Während wir essen, erzählt sie von den Feierlichkeiten und ich merke, wie sich die Anspannung immer mehr löst. Schließlich führt das Gespräch dorthin, wohin es kommen musste. Yuuiren fragt nach unserem Leben von unserem auf der Erde. 

 

“Wie war es?”, man kann es ihren großen Augen ablesen, dass sie darauf brennt mehr zu erfahren.

Hilflos sehe ich die anderen an. Es war ein ganzes Leben, das wir dort gehabt haben. Wo soll ich anfangen? 

 

Mir selbst schießt nur ein einziges Bild durch den Kopf.

 

Es ist Taiki, der schließlich anfängt zu erzählen.

Er beschreibt den blauen Himmel, die unfassbar hohen Bürogebäude. Er erzählt von dem ersten Mal, als ich versucht habe eine Mikrowelle zu bedienen und dabei augenblicklich den Feueralarm ausgelöst habe. Natürlich zieht mich Yaten noch zusätzlich damit auf. 

 

Ich kann mir selbst das Lachen nicht verkneifen. Zumindest jetzt im Nachhinein. Als damals fünf stämmige Feuerwehrmänner vor der verkohlten Mikrowelle standen wollte ich im Boden versinken. 

 

Taikis Einführung hilft mir und ich beginne selbst ein paar Anekdoten einzuwerfen, die unsere ersten Anpassungsschwierigkeiten an die Erde beschreiben. 

 

Yuuiren ist fasziniert von unseren Erzählungen. Ich beschreibe Fernsehen, dass es bei uns ebenfalls nicht gibt und bemerke zufrieden, wie Yuuirens Augen immer größer werden. Selbst Kakyuu, die ja nie ein Alltagsleben auf der Erde hatte, kann sich das eine oder andere Kichern nicht verkneifen.

 

Yaten übertrifft uns alle, als er schließlich von unserem Leben als Three Lights erzählt. Er beschreibt die vollen Konzerthallen, die kreischenden Fans und unseren Alltag als Pop-Gruppe. Hätte Yuuiren ihn nicht schon immer bewundert, wäre es spätestens jetzt der Fall gewesen. 

 

Wir sitzen noch stundenlang zusammen.

Yuuiren ist mir die ganze Zeit keinen Zentimeter von der Seite gewichen. Irgendwann hat sich an mich gekuschelt und ist eingeschlafen. Ihre Hände halten meinen Arm noch immer fest umklammert. Als sich die anderen schließlich verabschiedet haben, winde mich vorsichtig aus ihrem Griff und decke sie zu. 

 

Ich betrachte sie, wie sie friedlich schläft und die Dankbarkeit überkommt mich einmal mehr. Selbst im Nachhinein ist dieser Tag für mich in jeder Hinsicht einfach nur überwältigend. 

 

 

stumme Gespräche

Seiya

 

Nachdem ich sicher bin, dass Yuuiren tief und fest schläft verlasse ich so lautlos wie möglich das Zimmer. Als ich aus unserer Wohneinheit in die kühle Nachtluft hinaus trete kann ich in der Ferne noch immer die Musik des Festes hören. Es klingt nicht so, als würde sie bald verklingen. 

 

Ich wende mich in die andere Richtung und lasse das Hauptgebäude des Palastes hinter mir. Die vielen kleinen gedrungenen Steinhütten, die sich danach aneinanderreihen, sind die Unterkünfte der Palastwachen und Bediensteten. Ich kenne die engen, von großen Pflastersteinen gesäumten Gassen der Festung seit meiner Kindheit. 

 

Es ist eigenartig wieder hier zu sein. In den stillen Straßen kommen in jeder Ecke Erinnerungen hoch. Alles fühlt sich vertraut an und doch irgendwie fremd, obwohl sich nichts verändert hat. Als wäre es aus einem anderen Leben...

 

Ich habe kein bewusstes Ziel und doch laufe ich wie ferngesteuert durch die Straßen, bis ich die Gebäude hinter mir gelassen habe. Noch immer rastlos wandere ich durch die Palastgärten. Als ich mich umsehe wird mir klar, dass die Dunkelheit die größten Unterschiede zwischen Kinmoku und der Erde verschwimmen lässt. Vielleicht war ich deshalb auch auf der Erde so gerne nachts unterwegs. 

 

Die Natur und Umgebung mögen eine andere sein, aber hier wie dort taucht die Nacht Pflanzen und Gebäude in zahllose Schattierungen von Grau. Der Sternenhimmel weist zwar andere Konstellationen auf, aber er erfüllt mich seit jeher mit Ruhe und Sehnsucht zugleich. Das Funkeln der Sterne war für mich schon immer ein Zeichen der Hoffnung.

 

Ich folge ihrem Leuchten hinauf auf den Hügel, an dessen Spitze ein Schrein tront. Weiter kann ich nicht. Auf der anderen Seite des Hügels versperren die Festungsmauern den Weg. Hinter ihnen gibt es nur steile Klippen und den tosenden Ozean. 

 

Ich schaue zurück und sehe hinter mir die funkelnden Lichter der Stadt. Ein Feuerwerk erhellt den Himmel. Ich blicke auf die Weite des Ozeans vor mir. In den Ohren nur das donnernde Geräusch der Wellen, die gegen die Klippen prellen.

 

Hier in der Stille der Nacht gewinnt die Sehnsucht wieder Überhand. 

Ich lasse mich hinter dem Schrein ins Gras sinken und blicke hinaus auf den Ozean.

 

Mein Blick schweift vom Horizont hinauf zum Sternenhimmel. 

Jupiter…

 

Dahinter ist der blaue Planet, dem eigentlich meine Sehnsucht gilt. Aber es ist noch zu früh um ihn zu sehen. 

 

Seit unserem Abschied ist auf der Erde eine Woche vergangen. 

Ob für sie schon wieder der Alltag eingekehrt ist? 

 

Es muss jetzt Montagmorgen sein. Ich stelle mir, vor was ich tun würde, wenn ich noch auf der Erde wäre. Das erste Bild, das ich vor Augen habe ist Bunny... Natürlich wird sie wieder einmal zu spät zur Schule kommen. Wie fast jeden Tag. Bei dem Gedanken muss ich schmunzeln und gleichzeitig krampft sich mein Herz zusammen. 

 

Es tut weh zu wissen, dass das Leben einfach so weitergeht, als wären wir nie dagewesen. Genauso schmerzt die Vorstellung, dass wir es einfach so hätten weiterleben können. 
 

 

Bunny

 

Wie jeden Abend seit eurem Abschied stehe ich auf meinem Balkon und blicke hinauf zu den Sternen. Es ist noch zu früh um Kinmoku zu sehen, deswegen suche ich nach Jupiter und stelle mir vor, dass du gerade das gleiche tust. 

 

Sieben Tage sind vergangen, seit du gegangen bist. Die Menschen können sich nicht daran erinnern was passiert ist.

Deshalb ist mein Leben seitdem mit erstaunlicher Geschwindigkeit wieder zur Normalität zurückgekehrt. Als wäre nichts passiert. 

 

Ich kann die Vorstellung nicht akzeptieren, dass eure Gegenwart so unbedeutend gewesen sein soll.

Als wärt ihr nie hier gewesen... 

 

Am Tag nach eurem Abschied sind wir wieder in die Schule gegangen. Ich bin wieder einmal zu spät gekommen. Als ich in die volle Klasse reingeplatzt bin, ist dein leerer Platz noch mehr aufgefallen…
 

 

Die Mädchen in der Schule machen alle ein Drama daraus, dass Three Lights nicht mehr auftreten. Im Radio spielen sie eure Lieder deshalb fast noch öfter als zuvor. 

Jedes Mal, wenn ich die Melodie unvorbereitet höre, fühlt es sich so an als würde mir jemand einen Hieb in den Magen versetzen...

 

Ich frage mich, wie es dir wohl geht. Seid ihr schon zu Hause angekommen? 

 

Ich versuche mir vorzustellen, was du jetzt wohl machst und dabei wird mir erst bewusst, dass du mir nie von deinem Leben auf eurem Planeten erzählt hast. 

Ich habe keine Ahnung wie dein Alltag aussieht. 

Du hattest ein ganzes Leben und ich weiß nichts davon…
 

 

Seiya

Ach Schätzchen…

Wenn du nur wüsstest...

 

Wenn ich noch auf der Erde wäre… oder sie hier... 

Wenn es einen Ort gäbe, an dem ich sie treffen könnte. 

Ich müsste keine Sekunde überlegen, mein erster Weg wäre zu ihr... 

 

Genauso wie ich damals das Bedürfnis hatte alles aufzuklären, möchte ich sie jetzt unbedingt wissen lassen, dass wir angekommen sind. 

 

Von dem unglaublichen Geschenk, dass ich bei dieser Rückkehr erhalten habe. 

Von der Achterbahn an Gefühlen, die ich seit unserem Abschied durchlebe.

 

Ich stelle mir vor, dass ich mit dir reden kann, wie damals bei dem Konzert, als du uns vom Riesenrad aus zugesehen hat. 

 

Ich erzähle von Yuuiren. Gleichzeitig erkläre ich, warum ich in all unseren Gesprächen nie von Yuuiren oder meiner Familie erzählt habe. Ich habe es nicht übers Herz gebracht an sie zu denken oder gar ihre Namen auszusprechen. Ich habe das Gefühl, dass ich dir diese Erklärung schuldig bin.

 

Ich erzähle von meinen Schuldgefühlen, weil ich Yuuiren einfach zurückgelassen habe. Ich werde es mir nie verzeihen können, dass sie unsere Eltern allein begraben musste. Es macht mich traurig, dass sie viel zu früh und vor allem auf diese Weise erwachsen werden musste. 

 

Jetzt habe ich sie tatsächlich wieder. 

 

 

 

Ich wünschte, du könntest sie kennenlernen. 

Ich wünschte, du hättest die Freude der Menschen heute sehen können.

… weil wir das alles dir zu verdanken haben.

Ich wünschte, du wärst hier...
 

 

Bunny

 

Es ist schon komisch Seiya. Es gibt so viele Fotos, Videos und Lieder von euch. Dein Gesicht ist fast überall. 

Ich erwarte fast, dass du um die Ecke gelaufen kommst, mit einem frechen Spruch auf den Lippen, so wie du es immer getan hast. Du hast mich wirklich manchmal fast zur Weißglut getrieben…

 

Jetzt wäre ich glücklich darüber. 

Ist es nicht komisch, dass man manche Dinge erst vermisst, wenn sie nicht mehr da sind?

 

Es ist nicht nur dein leerer Platz, es ist der Vergnügungspark, das Cafe, der Club, der Park in dem wir uns zum ersten Mal begegnet sind, das Softballfeld.

 

Selbst wenn ich in den Sternenhimmel sehe, habe ich deine Worte im Ohr.

Wie soll ich je zur Normalität zurückkehren, wenn du allgegenwärtig bist?

 

Gestern Nacht habe ich ein Geräusch vor meinem Fenster gehört. 

Mein erster Gedanke war, dass du zurückgekommen bist. 

Aber es war wohl nur der Wind...

“Ich habe dein Gesicht gesehen. Das macht mich glücklich!”

 

Ich starre weiter stumm auf den Himmel, bis ich hinter Jupiter der Stern aufleuchtet, auf den ich gewartet habe. 

“Gute Nacht, Seiya! Ich hoffe es geht dir gut!”
 

 

Seiya

 

Hinter Jupiter fängt ein Stern an zu funkeln und ich stelle mir vor, es ist ein Gruß von dir. 

“Gute Nacht, mein Schätzchen…,” murmele ich und seufze.. 

Ich stehe auf und mache mich auf den Weg zurück. 

 

Als ich mich schließlich schlafen lege ist mein letzter Gedanke die stumme Bitte dich in meinen Träumen wiederzusehen.

 

Mein Leben ohne dich

Seiya
 

Die ersten Tage nach unserer Rückkehr erlebe ich wie in Trance.
 

Es ist schon komisch, ich habe den Großteil meines Lebens auf Kinmoku verbracht. Aber wenn ich jetzt durch die Straßen der Festung gehe, fühlt es sich eigenartig fremd an. Manchmal habe ich das Gefühl, als wäre es nicht mein Körper und ich könnte mir fast selbst dabei zusehen, wie ich orientierungslos umher tappe. So fühlt es sich zumindest an.
 

Ich bin in meine Heimat und doch fühle ich mich wie ein Fremder, der nicht hierher gehört. Fehl am Platz. So oft habe ich mich auf der Erde danach gesehnt zurückzukehren. Meist besonders dann, wenn uns unsere Lage aussichtslos erschien, weil wir die Prinzessin einfach nicht finden konnten. Weil wir uns verstecken mussten und keiner wusste, was hinter der Fassade von Three Lights vor sich ging. Es gab niemanden vor dem ich mich nicht verstellen musste und einfach nur ich selbst sein konnte. Bis zu dem Moment, an dem ich dir alles sagen konnte.
 

Mir sind die Gebräuche und Traditionen meines Volkes bekannt. Wenn wir jetzt mit anderen zusammensitzen, weiß ich, was von mir erwartet wird. Es fällt mir leicht mich wieder einzufügen. Zumindest nach außen hin. Aber irgendwie bereiten mir die Dinge nicht mehr die gleiche Freude, wie sie es früher getan haben. Vielleicht kann ich mich aber auch einfach nicht darauf einlassen. Vielleicht bin ich auch ein anderer...
 

Es ist eine völlig andere Welt und doch gibt es tausend Dinge, die mich an dich erinnern. Du bist mein erster Gedanke, wenn ich morgens aufwache und der letzte bevor ich einschlafe. Dazwischen versuche ich zu funktionieren. Aber in meinen Gedanken bin ich meistens bei dir.
 

Seit unserem Abschied habe ich angefangen in zwei Dimensionen zu denken: Die eine ist hier auf Kinmoku, die andere ist die Erde. Bei jedem Blick auf die Uhr beginne ich mir automatisch auszurechnen, welche Uhrzeit und Wochentag jetzt auf der Erde ist. Genauso oft frage ich mich, was du jetzt wohl machst…?
 

Ich habe jedes einzelnen Gespräch von uns im Kopf. Wenn ich nachts auf dem Hügel sitze und nach Jupiter Ausschau halte, kommen sie alle wieder hoch.
 

Ich muss mich tatsächlich zusammenreißen um mich nicht in den nächtlichen Illusionen mit dir zu verlieren. Es sind zwei Worte, an die sich meine Hoffnung klammert. “Auf Wiedersehen”.
 

Ich habe es ernst gemeint. Ich hoffe du weißt das. Denn der Gedanke, dich nie wieder zu sehen, ist für mich unvorstellbar.
 

Bunny
 

Auf dem Schulhof suche ich nach deinem Gesicht in der Menge. Ich weiß selbst, dass es dumm ist, weil du nicht einmal auf diesem Planeten bist. Aber es ist wie ein Instinkt, den ich nicht einfach unterdrücken kann. Ich sehe in jedem schwarzhaarigen Jungen dein Gesicht.
 

Gestern bin ich an einem Mann vorbeigegangen, der den gleichen Duft verwendet wie du. Mir hat es vor Sehnsucht fast mein Herz zerrissen.
 

Meine Welt ist sie gleiche geblieben, aber du fehlst. Und an jeder Ecke stoße ich auf Erinnerungen, die mich auf ihre Art und Weise darauf aufmerksam machen, dass du gegangen bist.
 

Den Bildern von dir in den Zeitschriften kann ich aus dem Weg gehen. Ich schalte das Radio nicht an, denn eure Songs unvorbereitet zu hören, ist zu viel für mich. Dafür höre ich sie nachts wenn ich allein bin in Endlosschleife. Manchmal rufe ich deine Nummer an, nur um deine Stimme auf dem Anrufbeantworter zu hören.
 

Ich schreibe dir Briefe, weil es noch so viel gibt, dass ich dir gerne sagen würde. Weil ich diese Dinge niemandem sonst anvertrauen kann. Schließlich habe ich jetzt Mamoru wieder. Das ist es, was ich die ganze Zeit wollte. Ich sollte glücklich sein, oder?
 

Jeder einzelne Brief bleibt eine Seite in meinem Notizbuch, weil ich keine Adresse habe, an die ich sie schicken könnte.

Alles was mir bleibt ist Jupiter...
 

Seiya
 

Gerade am Anfang war ich sehr versucht mich gehen zu lassen. Das einzige, was mich davon abgehalten hat ist Yuuiren.

Sie steht für mich über allem. Sie ist mein Ein und Alles und mein Grund morgens aufzustehen und zu versuchen wieder in mein Leben zu finden. Ich tue alles, damit zumindest ihr Leben ab jetzt ein sorgloses sein kann.
 

Nach unserer Rückkehr hat es einige Wochen gedauert, bis Yuuiren schlafen konnte, ohne sich an mir festzuklammern. Ich musste jede Nacht bei ihr bleiben, bis sie eingeschlafen ist. Mit der Zeit hat sie begriffen, dass ich sie nie wieder alleine lassen werde.
 

Taiki, Yaten und ich sind gemeinsam mit Yuuiren in unsere alte Wohneinheit gezogen. Wir sind schon zusammen aufgewachsen, aber nicht einmal auf der Erde waren die beiden so sehr Familie für mich, wie sie es jetzt sind. Wir kümmern uns gemeinsam um Yuuiren.
 

Ich möchte, dass sie die Schatten der Vergangenheit vergessen kann. Sie ist noch immer so viel ernster als ich es in ihrem Alter war. Vielleicht versuchen wir deshalb alle ihr bei jeder Gelegenheit eine Freude zu machen. Sie liebt es, wenn wir für sie als Three Lights auftreten. Manchmal kann ich dann tatsächlich sehen, wie die Unbeschwertheit zumindest für kurze Zeit in ihre Augen zurückkehrt.
 

Für mich selbst ist es eine Überwindung wieder in diese Rolle zu schlüpfen. Zu viele Erinnerung sind damit verbunden. Ich bin Yaten so unendlich dankbar, dass er von Beginn an gemerkt hat, dass ich nicht in der Lage bin den Text über die Moonlight Princess über die Lippen zu bringen. Ein stummer Blick genügte und er hat meinen Part übernommen.
 

Gelegentlich gesellt sich auch Kakyuu zu uns, wenn es ihre Verpflichtungen denn erlauben.

Seit unserer Rückkehr gibt es viel zu tun und Kakyuu gibt von Beginn an ein straffes Tempo vor. Bereits am Tag nach den Festivitäten hatte sie zahlreiche Termine. Sie plant, entscheidet, gibt die Richtung vor. Es ist als wäre sie keinen Tag weg gewesen. Man erkennt an ihrer unbändigen Energie, dass sie in ihrer Rolle vollkommen aufgeht. Ich kann nicht das gleiche von mir behaupten. Aber die Arbeit ist eine Ablenkung und bei jeder Aufgabe habe ich ein Ziel auf das ich hinarbeiten kann.
 

Ein paar Wochen nach unserer Rückkehr hat sie uns das größte Geschenk gemacht:

Sie hat es uns freigestellt zu entscheiden, welche Aufgaben wir künftig übernehmen wollen.
 

Wir sind mit dem Wissen aufgewachsen, dass wir eines Tages als Sailor Krieger für den Schutz der Königsfamilie und des gesamten Planeten verantwortlich sein würden. Eine andere Perspektive hat es für uns nie gegeben. Denn genauso lange wurde unser Planet von Feinden bedroht. Jetzt herrscht zum ersten Mal in unserem Leben Frieden. Die Möglichkeit, die Kakyuu uns jetzt bietet ist überwältigend.
 

Taiki muss dafür nicht lange überlegen. Er entscheidet sich für eine Position in der Wissenschaft. Es ist nicht nur sein persönliches Interesse, er glaubt auch unserem Volk so am besten helfen zu können. Es passt zu ihm. Er kann viel von dem einbringen, was er auf der Erde gelernt hat. Meistens kommt er erst spät abends nach Hause, weil er sich nicht von seinen Forschungen losreißen kann. An der Art wie er bei unseren gemeinsamen Abendessen von seiner Arbeit erzählt kann ich erkennen, wie er voll und ganz darin aufgeht.
 

Yaten hat länger gebraucht um sich zu entscheiden. Ich glaube, er hat sein Schicksal mehr als jeder andere von uns nicht nur akzeptiert sondern auch verinnerlicht. Er hat ihm alles andere untergeordnet. Seine Prioritäten jetzt neu zu ordnen ist ihm schwer gefallen. Eine Zeit lang hat er sich sehr zurückgezogen. Ich habe ihn oft dabei beobachtet, wie er tief in Gedanken versunken in den Palastgärten umher gewandert ist.
 

Bunny
 

Es ist Frühling und man merkt es den Menschen richtig an, dass sie mit den ersten warmen Sonnenstrahlen nicht nur neue Energie schöpfen, sondern auch neue Pläne schmieden.
 

Es sind unsere letzten Monate an der Schule. Zwölf lange Jahre haben wir auf nichts anderes hingearbeitet und jetzt stehen wir so knapp davor. Schulabschluss. Ich kann gar nicht glauben, dass es tatsächlich soweit sein soll.
 

Seit ich Ami kenne, wollte sie immer Ärztin werden. Ich habe sie immer für ihre Zielstrebigkeit bewundert und nie daran gezweifelt, dass sie ihre Ziele auch erreichen wird. Ihre Mutter hat letzte Woche für sie eine kleine Party veranstaltet um zu feiern, dass sie auf der Uni aufgenommen wurde, an die sie wollte - genau wie an allen anderen, für die sie sich beworben hat. Ihr selbst war es fast unangenehm so im Mittelpunkt zu stehen. Ich freue mich so für sie.
 

Minako hat ihren Preis von der Talent-Show doch noch nutzen dürfen - sie wird jetzt einen Song aufnehmen. Sie sagt, dass jetzt wo Three Lights nicht mehr da sind, jemand anders den Menschen mit Musik Hoffnung machen müsste. Und sie ist natürlich davon überzeugt, dass sie das sein wird. Typisch Minako eben.
 

Makoto hat sich bei einigen Konditoreien beworben. Sie möchte dort lernen und irgendwann ihren eigenen Laden aufmachen. Ich glaube, ihr fehlt es einfach noch an Selbstbewusstsein, um diesen Schritt zu gehen, denn sie macht schon jetzt die besten Torten der Stadt. Ich hoffe, dass sie das auch irgendwann selbst begreifen wird.
 

Ich beobachte auch die anderen aus meiner Klasse, wie sie ihr Leben nach der Schule planen.

Viele von ihnen kenne ich seit dem Kindergarten. Manchmal muss mir erst richtig bewusst machen, dass wir jetzt alle langsam erwachsen werden, sonst könnte ich es wohl immer noch nicht fassen, was aus ihnen geworden ist.
 

Umino hat tatsächlich nichts mehr mit dem nerdigen Streber aus der Unterstufe gemein.

Er ist noch immer einer der besten Schüler der Stadt und hat sich nebenbei unter anderem mit Hilfe von Kontaktlinsen zu einem gutaussehenden Typ gemausert. Letzte Woche hat er uns erzählt, dass er in Yale aufgenommen wurde. Ich kann mir nicht vorstellen, was für ein großer Schritt es sein muss, völlig auf sich allein gestellt in einem anderen Land zu leben.
 

Naru ist das komplette Gegenteil von ihm. Von ihr habe ich eigentlich immer gedacht, dass sie, ähnlich wie Ami, einen genauen Plan vom Leben hat. Vielleicht hatte sie den früher auch. Wenn ja, dann hat sie ihn über den Haufen geworfen.
 

Sie hat tatsächlich lange überlegt, was sie nach der Schule machen soll, aber keine Antwort gefunden. Ihre Eltern haben zugestimmt, dass sie sich ein Jahr Auszeit nimmt, bevor sie zu studieren beginnt. Das einzige, das sie jetzt nach unserer Abschlusszeremonie geplant hat ist, dass sie eine Woche später in ein Flugzeug nach Paris steigen wird. One Way.
 

Und dann ist da noch Rei. Yuichiro hat ihr vor ein paar Wochen einen Heiratsantrag gemacht. Sie hat ihn angenommen. Gleichzeitig hat ihr Großvater ihr angeboten den Tempel zu übernehmen. Ich glaube, am Anfang hat sie etwas daran gezweifelt, ob sie tatsächlich diesen traditionellen Weg einschlagen soll.
 

Von ihr habe ich immer gedacht, dass sie irgendwann einmal Karriere in der Geschäftswelt machen würde. Seit ich sie kenne, hat sie schon immer dieses bewundernswertes Selbstbewusstsein und ihr beharrliches Auftreten, mit dem sie Leute dazu gebracht hat, das zu tun, was sie wollte.
 

Aber sie hat ihre Entscheidung getroffen und wenn ich sie sehe, mit welcher Leidenschaft und Begeisterung sie neue Ideen für den Tempel entwickelt und umsetzt, zweifle ich keine Sekunde daran, dass es die richtige war. Ich sehe, wie Yuichiro und sie dabei an der Herausforderung wachsen, sowohl als Paar als auch als Einzelpersonen, ohne sich dabei selbst einzugrenzen. In der letzten Zeit habe ich angefangen zu zweifeln, ob das in unserem Alter überhaupt möglich ist.

Seiya
 

Ich wünschte du hättest heute hier sein können. Ich wünsche es mir jeden Tag, aber an Tagen wie heute besonders. Weil es ein guter Tag war und ich mich nicht erinnern kann, wann ich das letzte Mal so gelacht habe.
 

Einmal die Woche ist Yuuirens Abend und sie darf entscheiden, was es zum Abendessen gibt. Um ehrlich zu sein tut sie das jeden Tag, weil ihr keiner von uns einen Wunsch abschlagen kann, aber an diesem Tag ist es hochoffiziell.
 

Für diese Woche hat sie sich gewünscht, dass wir ein Gericht der Erde zubereiten. Bei ihrer Ankündigung brauche ich nur in Yatens große fragende Augen sehen, um zu erahnen wie ich selbst dreinschaue.
 

Auf der Erde hieß unser Kochbuch Pizzaservice. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass wir mit den Zutaten Probleme bekommen könnten.
 

Natürlich ist es Taiki, der dafür eine Lösung hat. Er ist der einzige von uns, der auf der Erde nennenswerte Kenntnisse im Kochen gesammelt hat. Was im übrigen auch für Kinmoku zutrifft.

Wir haben hier zwar nicht die gleichen Rohstoffe, aber er findet entsprechenden Ersatz und so steht einem gemeinsamen Pizza-Abend nichts mehr entgegen.
 

Er hinterlässt uns eine detaillierte Anleitung, wie wir vorgehen müssen, weil er selbst an diesem Abend länger arbeiten muss.

Unser erster Versuch ist eine klebrige und gleichzeitig bröckelige Teigmasse, die mehr an unseren Händen klebt als sonst wo. Yaten und ich vereinbaren ewiges Stillschweigen über unser Scheitern und starten einen zweiten Versuch nachdem wir die sämtliche Beweise für unser Versagen in der Mülltonne neben dem Hinterausgang entsorgt haben.
 

Es war der dritte Versuch, der uns schließlich gelungen ist. Nachdem Taiki und Kakyuu gemeinsam aus dem Palast gekommen waren, saßen wir zu fünft um den Tisch und die warmen Pizzen. Sie waren nicht wirklich rund und wenn man jemals auf der Erde Pizza gesehen hat, würde man nur entfernte Ähnlichkeit entdecken.
 

Yuuiren ist sowieso hin und weg und das ist für uns beide die Hauptsache. Aber sogar Taiki nickt nach dem ersten Bissen anerkennend, wenn auch überrascht. Auf seine Frage, ob wir Probleme hatten, geben sich Yaten und ich begeistert darüber wie einfach es war. In dem Moment hören wir von draußen einen lauten Knall, bei dem wir alle zusammenzucken.

Taiki sitzt am nächsten zur Tür und lugt vorsichtig hinaus. Er sieht von der Tür zu uns.

Ich kann seinen Blick nicht ganz deuten. “Ihr hattet also überhaupt keine Probleme mit dem Teig?”, fragt er noch einmal und ich verstehe nicht, warum er jetzt ausgerechnet auf die Pizza zurückkommt. Als ich aufstehe, um mich selbst zu vergewissern, wird mir klar warum.
 

Die Wärme der Abendsonne hat den Teig zum Aufquellen gebracht. Die zwei großen Klumpen Teig haben sich mindestens versechsfacht. Der Mülleimer quillt über mit Unmengen an klebriger Teigmasse.
 

Als wir zu fünft vor den Unmengen Teig stehen und ich Yatens verdatterten Blick sehe kann ich nicht anders und ich fange an zu lachen, bis mir die Tränen über die Wangen laufen. Auch die anderen können sich nicht länger zurückhalten. Ich halte mir den Bauch, selbst mein Hals schmerzt bereits.
 

Wir lachen, bis wir alle keine Luft mehr bekommen. Selbst jetzt im Nachhinein, kann ich mich nicht erinnern, wann ich zum letzten Mal so hemmungslos gelacht habe.
 

Als wir uns wieder gefangen haben ist es Yaten, der noch immer nach Luft ringend, Taiki auffordert von seinem Auftritt in der Kochsendung zu erzählen. Taiki greift sich bei der Erinnerung an den Kopf. Das Lachen kann er sich trotzdem, genau wie wir, nicht verkneifen.
 

Als er schließlich zu erzählen beginnt, habe ich sofort wieder dein Gesicht vor Augen. Nicht nur die Erinnerung, sondern ich sehe vor mir, wie es gewesen wäre, wenn du heute hier gewesen wärst. Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie du mit Yaten und mir gemeinsam diesen misslungenen Teig fabrizierst. Ich sehe dein Gesicht vor mir, als Taiki unser Missgeschick aufdeckt und allein bei dem Gedanken muss ich abermals schmunzeln.
 

Gleichzeitig überkommt mich eine Welle der Sehnsucht, wie jedes Mal, wenn eine Erinnerung an dich in mir hochkommt. Das Verlangen nach deiner Nähe. Als würde mein Herz versuchen nach dir zu greifen. Aber du bist außer Reichweite...
 

Wenn wir abends zusammensitzen beginnen wir oft über unser Leben auf der Erde zu reden. Yuuiren hört immer ganz gespannt zu. Genauso wie alle anderen Bewohner von Kinmoku. Es hat sich bei diversen Anlässen so ergeben, dass wir begonnen haben von unserer Zeit auf der Erde zu erzählen und normalerweise wächst die Zahl unserer Zuhörer innerhalb kürzester Zeit. Sie sind fasziniert von dem blauen Himmel, den fremden Tieren, der Technik und den unterschiedlichen Bräuchen der Menschen.
 

Wir zählen Fakten auf und manchmal auch die ein oder andere lustige Anekdote. Wir ernten damit einige staunende Gesichter und etliche Lacher. Ich merke auch, dass die Erinnerungen, die mir wirklich am Herzen liegen, nicht direkt an die Erde geknüpft sind; sondern dass das Wertvolle daran die Menschen in ihr sind und sie genauso gut hier auf Kinmoku hätten passieren können. Und vor allem von dir handeln...
 

Über diese Erinnerungen reden wir nur, wenn Yuuiren eingeschlafen ist und wir unter uns sind.

Vielleicht weil wir die einzigen sind, die einander in dieser Hinsicht verstehen und wir uns nicht erklären müssen, warum dieses Leben für uns noch immer so greifbar ist.
 

Ich kenne meinen Grund für meine Sehnsucht nach der Erde. Aber an der Art, wie Yaten und Taiki manchmal in Erinnerungen schwelgen, merke ich, dass dieses andere Leben auch an ihnen nicht spurlos vorübergegangen ist.
 

Und dann gibt es Erinnerungen, über die ich nicht einmal mit ihnen reden kann.

Weil es die kostbarsten Momente für mich sind. Vielleicht weil ich Angst habe, dass sie mir sagen, dass ich aufhören soll zu träumen. Weil ich dann der Wirklichkeit ins Gesicht sehen und zugeben müsste, dass sie Recht haben?
 

Bunny
 

Mamoru hat mich mit einem Wochenendtrip nach Osaka überrascht. In den letzten Wochen haben wir kaum Zeit füreinander gehabt, weil er neben der Uni noch im Krankenhaus arbeitet und ich für meine Abschlussprüfungen lernen muss.
 

Ich weiß nicht, wann wir das letzte Mal ein ganzes Wochenende gemeinsam verbracht haben. Wir sehen uns gemeinsam die Stadt an und spazieren durch die weitläufigen Gärten des Osaka Castle. Den ersten Abend verbringen wir gemeinsam in einem romantischen Restaurant. Es fühlt sich fast so an wie früher.
 

Ich bin gerührt davon, wie viel Mühe er sich gegeben hat. Er hat alles bis ins kleinste Detail geplant und ich hätte mir kein schöneres Wochenende vorstellen können. Für unseren letzten Tag in der Stadt hat er sogar vorab Eintrittskarten für einen beliebten Freizeitpark besorgt. Als wir vor dem riesigen Eingangsportal stehen, überkommt mich freudige Erwartung auf die Attraktionen und ich ziehe Mamoru fast hinter mir her um so schnell wie möglich zu der ersten Achterbahn zu kommen.
 

Es hätte ein unvergesslicher Tag werden können. Aber ich habe nicht damit gerechnet, dass mich meine Erinnerungen selbst hier, so weit weg von zu Hause einholen würden.
 

Zuerst passiert es in der Warteschlange zur ersten Achterbahn mit der wir fahren wollen.

Kurz nachdem wir uns eingereiht haben, bemerke ich die Unruhe, die mich überkommt. Anfangs schiebe ich meine Gänsehaut auf die Aufregung vor der Fahrt zu.
 

Aber nachdem wir in den überdachten Teil des Wartebereichs ankommen, fügen sich die Puzzlestücke langsam zusammen. Der Innenbereich ist einer Redaktion nachempfunden, die dominierenden Farben um uns herum sind blau, rot und gelb. Erst jetzt erkenne ich, dass die Achterbahn nach dem Thema Superman gestaltet ist.

Genau wie in Tokyo…
 

Es ist die Titelmusik des Films, die in Endlosschleife abgespielt wird, die schon von Beginn weg meine Erinnerungen an unseren gemeinsamen Tag Vergnügungspark angestoßen hat. Ich bin überwältigt davon, dass mein Körper darauf reagiert hat, noch bevor ich die Erinnerung selbst zuordnen konnte.
 

Ich will es nicht, aber sobald ich diese eine Erinnerung bewusst erfasst habe, kommen mit ihr noch so viele andere hoch. Und mit ihnen die Sehnsucht. Es ist ein eigenartiges Gefühl. Du bist nicht da. Aber irgendwie doch. Ich erwarte fast, dass du jeden Moment in der Schlange neben mir auftauchst.
 

Als wir schließlich in der Achterbahn sitzen, ist es nicht die Aufregung über die Fahrt, die mein Herz zum rasen bringt, sondern die Erinnerung an den Moment, als du mich in der Disko schützend an dich gedrückt hast. Dass wir mit einem Wahnsinnstempo abwärts rasen, bemerke ich nur am Rande.
 

Als wir anschließend durch die Schaustellerbuden spazieren blitzen Bilder in meinem Kopf auf. Die bekannten Geräusche und Gerüche verstärken sie nur. Unmengen Süßigkeiten. Die Geisterbahn. Ich kann fast körperlich spüren, wie wir uns damals vor Schreck aneinander geklammert haben. Ich glaube es war der einzige Tag, den wir beide komplett sorglos miteinander verbracht haben. Als ich einen Greifautomat sehe, kommt mir augenblicklich der kleine rosa Teddy in den Sinn, der zu Hause auf meinem Nachtisch sitzt. Ich brauche nichts, um mich an dich zu erinnern. Wenn ich die Augen schließe ist dein Gesicht nach wie vor so präsent in meinen Gedanken.
 

Trotzdem ist es fast wie ein unerwartetes Geschenk, dir auf diese Weise nahe sein zu dürfen. Gleichzeitig habe ich ein schlechtes Gewissen. Mamoru hat sich soviel Mühe gegeben. Hier neben ihm zu stehen, während ich in Gedanken bei dir bin zerreißt mich fast innerlich.
 

Seiya
 

Nüchtern betrachtet haben wir nur ein paar Monate unserer Leben auf der Erde verbracht. Wir sind schon länger wieder zurück, als wir dort waren. Es ist schon komisch, wie eine so kurze Zeit ihre Spuren hinterlassen kann…
 

Die Welt um mich herum ist dieselbe geblieben. Ich wurde mit dem Schicksal geboren, den Planeten zu beschützen. Es war immer klar, wie mein Leben aussehen würde. Ich hatte eine einzige klar definierte Aufgabe. In der Sekunde in der uns Kakyuu uns die freie Wahl ermöglicht hat, zu tun was wir möchten, warst du der erste Gedanke, der mir in den Sinn kam. Aber das ist natürlich keine Option...
 

Seitdem werde ich das Gefühl nicht los, dass ich kein einziges Talent besitze, das hier auf Kinmoku von Nutzen sein könnte. Zumindest nicht, seit es nicht mehr meine einzige Pflicht ist, den Planeten zu beschützen.
 

Es ist das einzige, das jemals von mir erwartet wurde. Jetzt herrscht Frieden und ich weiß nicht, was ich einbringen kann, um unserer Gemeinschaft zu helfen. Ich bin nicht untätig und helfe mit, wo ich kann. Für mich ist es ebenso Pflicht wie willkommene Ablenkung.
 

Gleichzeitig sehe ich wie Taiki und Yaten in ihren neuen Rollen förmlich aufgehen. Als hätten sie nie etwas anderes gemacht. Auch mir steht Kakyuus Angebot noch immer offen - ich kann frei wählen. Aber ich finde nichts, wofür ich mich begeistern kann. Ich bin gut im Sport. Basketball, Football, Softball. Gib mir einen Ball in die Hand und ich laufe zu Höchstleistungen auf. Doch was kann ich hier damit bewirken, wenn es darum geht einen Planeten wieder aufzubauen?
 

Selbst auf der Erde hatte ich in dieser Hinsicht Scheuklappen auf.

Es gab Musik. Sport. Und dich. Es sind Probleme, die du nie hättest. Ich wünschte, ich hätte deine Fähigkeit mich für so viele Dinge begeistern zu können. Du hast die Dinge einfach auf dich zukommen lassen und alles ausprobiert.

Kochen, Musik, Comic zeichen

Kuchen! Egal ob es darum geht ihn selbst zu backen oder zu essen.
 

Ich selbst kann bis heute nicht fassen, dass ich dich zu Softball überreden konnte.

Noch weniger, dass wir tatsächlich gewonnen haben, aber das ist eine andere Sache.
 

Ich sehe dich vor mir, wie du dich um Chibi-Chibi gekümmert hast oder den weinenden Jungen, der im Park hingefallen ist. Deine Fähigkeit, dich in andere hinein zu versetzen.
 

Ich habe keinen Zweifel daran, dass du gut mit Kindern arbeiten könntest.

Na gut, vielleicht wäre es nicht ideal, wenn eine Lehrerin ständig zu spät kommt…

Vielleicht wäre auch Kochlehrerin nicht unbedingt die ideale Wahl…
 

Ich weiß genau, mit welchem empörten Gesichtsausdruck du mich ansehen würdest, hätte ich diesen Gedanken vor dir laut ausgesprochen.
 

Aber ich kann mir auch vorstellen, wie du mit den Menschen am Rand der Gesellschaft arbeitest und vielleicht passt das noch viel besser zu dir. Weil du niemanden aufgibst und auch für sie ein Hoffnungsschimmer sein kannst.
 

Bunny
 

Wir haben seit fast einem Jahr Frieden auf der Erde. Ich werde wie alle anderen in meiner Klasse studieren gehen können. Ein ganz normales Leben führen.
 

Meine Eltern fragen ständig, was ich nach der Schule machen möchte. Vor ein paar Wochen hat mein Vater einen ganzen Stapel Broschüren von verschiedenen Universitäten nach Hause gebracht. Sie fragen, was ich studieren möchte, welche Schulen mich interessieren.
 

Was ich später einmal machen möchte.
 

Früher war diese Frage so einfach. Ich wollte Konditorin werden, Lehrerin, Popstar, Tänzerin, Tierärztin, wie die meisten Mädchen hatte ich im Kindergarten eine Phase, in der ich unbedingt Prinzessin werden wollte. Jetzt frage ich mich, ob es nicht in der Vorstellung viel besser klingt, als es eigentlich ist.
 

Seit Wochen beobachte ich die anderen um mich herum, wie sie Pläne schmieden. Für den Sommer. Die Zeit nach der Schule. Ihr Leben.
 

Bei manchen, wie Ami zum Beispiel, habe ich keinen Zweifel daran, dass sie diese Ziele erreichen werden.

Ich bin mir nicht so sicher wie Minako, ob sie tatsächlich der neue Superstar sein wird. Aber sie probiert es und wird sehen, was passiert. Genau wie Naru, die für ihre Europareise überhaupt keine Pläne gemacht hat und erst nach ihrer Ankunft sehen wird, wohin es sie verschlägt. Ich beneide sie beide um diese Möglichkeit. Denn egal wie ich mich entscheide, ich weiß, worauf es im Endeffekt hinauslaufen wird.
 

Ich kenne meine Zukunft. Für mich wird es keine Überraschungen geben. Im Gegenteil, es wird von mir erwartet, dass ich alles tue, um diese Version der Zukunft zu erhalten. Wie wir es schon so oft getan haben. Es ist etwas, auf das ich mich freuen sollte. Schließlich weiß ich, dass in der Zukunft alles gut werden wird. Alles wird so sein, wie es soll.
 

Früher war das nie ein Problem für mich. Mir war einzig und allein wichtig, dass ich mein Leben mit Mamoru verbringen würde.
 

Jetzt ertappe ich mich manchmal dabei, wie ich mich im Stillen frage, ob das genug ist.

Ein Jahr

Seiya
 

“Hör auf, Seiya! Das kitzelt!”

Ich spüre ihre Hand auf meiner Brust.

Wie sie sich unter meiner Berührung windet und halbherzig versucht mir zu entkommen.

“Lass mich los,” sie kichert und wirft vergnügt den Kopf den Nacken.

“Niemals!” Ich schlinge meine Arme von hinten um sie und ziehe sie noch näher an mich heran. Ich küsse sie noch einmal auf ihrer Halsbeuge, knapp oberhalb ihres Schlüsselbeins.
 

Ihr Duft steigt mir in die Nase. Sie dreht sich zu mir und lächelt mich an.

Mir wird augenblicklich warm ums Herz. Ich weiß nicht, ob ich sie überhaupt schon einmal völlig sorglos lachen sehen habe.  Es ist ein Anblick, an dem ich mich nie werde satt sehen können. Es gibt nur eine Sache, die dieses Bild noch schöner macht: die Tatsache, dass dieses Lachen mir gilt.
 

Zum ersten Mal verstehe ich die Redewendung der Menschen, was es bedeuten soll, wenn das Herz einen Sprung macht. Ich spüre, wie mein Herz gegen meine Rippen hämmert, als würde es jeden Moment zerspringen. Vor Glück. Vor vollkommener Zufriedenheit.
 

Die Sonne blinzelt durch den Spalt zwischen den weißen Leinenvorhängen. Das Bild vor meinen Augen wird unscharf und ich versuche verzweifelt, mich daran festzuklammern.
 

Ich kneife die Augen nur noch fester zusammen und versuche inständig nicht vollkommen aus der Traumwelt abzudriften. Mir jedes einzelne Detail in mein Gedächtnis ein zu brennen, damit ich nichts davon vergesse. Es ist, als würde ich versuchen einen Wasserstrahl festzuhalten.
 

Die Szene verblasst vor meinen Augen - bis auf ihr strahlendes Lachen, das in meiner Erinnerung wieder hallt.
 

Ich bleibe noch eine Weile mit geschlossenen Augen im Bett liegen und atme tief ein. Wie jeden Morgen verfliegen die Erinnerungen an den Traum, egal wie verzweifelt ich versuche sie festzuhalten. Es ist mein immerwährender Kampf, den ich täglich aufs Neue verliere und trotzdem nicht aufgebe.
 

Was bleibt ist ein flüchtiges Echo des Glücks. Es ist mein Rettungsring, der mich weitermachen lässt; die Hoffnung, dass wenn ich den Tag überstanden habe, ich für eine Nacht wieder bei ihr sein kann. Ich bin mir selbst nicht sicher, ob es gesund ist. Ich wünsche mir, dass sie mit Mamoru glücklich ist. Gegen meine Sehnsucht nach ihrer Nähe bin ich trotzdem machtlos.
 

Bunny
 

Ich stehe auf dem Dach der Schule und schaue über die Stadt.

Heute war unser letzter Schultag. Ich wollte noch ein letztes Mal zurückkommen, bevor sich das Tor zu dieser Welt endgültig für mich schließt.
 

Im vergangenen Jahr bin ich hier fast täglich mit traumwandlerischer Sicherheit an jeder Ecke auf dich gestoßen. Oder besser, auf die Geister unserer gemeinsamen Zeit.
 

Du bist noch immer so allgegenwärtig in meinem Leben.

Ich sehe dich, lässig am Baum im Schulhof lehnen. Ich höre euer Lied, wenn ich das Riesenrad im Vergnügungspark sehe. Wenn ich nachts alleine nach Hause gehe, erinnere ich mich daran, wie du dich als Bodyguard angeboten hast.
 

Selbst wenn ich in den Spiegel sehe, habe ich deine Stimme im Ohr.

“Dein Stern leuchtet ganz besonders hell. Deine Ausstrahlung fasziniert mich irgendwie, ich liebe sie.”
 

Was ist es für ein grausamer Scherz, dass mich mein eigenes Spiegelbild an dich erinnert?
 

An guten Tagen sind mir diese Geister willkommene Gefährten, die mich träumen lassen. Die mir für einen Moment Zugang in unser Traumland gewähren.

Was wäre wenn…?
 

Manchmal habe ich tatsächlich Angst mich darin zu verlieren. Gleichzeitig sehne ich mich jede Nacht danach, dir zumindest in meinen Träumen wieder nahe sein zu dürfen.
 

An schlechten Tagen, ist es wie ein Hieb in den Magen und mir bleibt für einen Moment die Luft weg.
 

Heute ist es ein bewusster Streifzug durch die Orte meiner Erinnerung. Irgendwie ist es wohl auch ein Abschied. Ich werde nicht mehr zurückkehren können. Und vielleicht ist es gut so.
 

Weil ich weiß, dass es immer nur Wunschdenken bleiben wird.
 

Seiya
 

Ich stehe vor dieser Marke: ein Jahr.
 

Ich weiß nicht, wie es deuten soll. In all unseren Bemühungen den Planeten wieder aufzubauen, sehe ich einen Fortschritt. Unserem Volk geht es besser. Yuuiren wird größer und überwindet ihren Schmerz. Ich habe so viel erreicht.
 

Ein Jahr seit unserem Abschied. Soll ich mich freuen, dass ich so lange durchgehalten habe? Andererseits, was wäre die Alternative gewesen?
 

Ich gehe immer noch jeden Abend zu dem Hügel hinauf und suche Jupiter. Aber näher gekommen bin ich dir dadurch kein bisschen.
 

Ich rede nachts im Stummen mit dir, eine Antwort habe ich noch nie bekommen. Ich habe auch keine erwartet.
 

Ein Jahr.

Ich habe das Gefühl, dass es für mich keine Entfernung darstellt, sondern eher die Start-Ziel Markierung in einem Kreis, aus dem ich den Ausweg nicht finde.
 

Wir haben uns damals "auf Wiedersehen" und "bis bald" gesagt; nicht "Leb wohl".
 

Ich habe es wirklich so gemeint. Ich weiß nicht, wie es jemals passieren soll. Ob es jemals passieren kann.

Aber irgendetwas in mir hält daran fest, auch wenn ich weiß, dass es unsinnig ist.

Vielleicht in meinem nächsten Leben...
 

Bunny
 

Unsere Eltern haben uns heute eröffnet, dass mein Vater von seiner Firma nach Kyoto versetzt wird. Es stand anscheinend seit Längerem im Raum. Am Ende war es eine zu große Chance, als dass er das Angebot nicht hätte annehmen können. Sie werden gemeinsam mit Shingo die Stadt verlassen. Sie haben mir angeboten, dass ich sie begleiten kann und gleichzeitig Verständnis dafür gezeigt, wenn ich es nicht tun würde.
 

Weil ich jetzt erwachsen bin und Mamoru habe. Weil ich sowieso studieren würde und im Studentenheim wohnen könnte. Weil sie mit ihren Plänen, den meinen nicht im Wege stehen wollen.
 

Ich stimme zu, dass ich in Tokyo bleiben werde. Wie soll ich ihnen auch erklären, dass ich keine andere Wahl habe?
 

In letzter Zeit kommt es mir vor, als würden die Säulen, von denen ich dachte, sie wären das Fundament meines bisherigen Lebens, bröckeln, während meine Zukunft in Zement gegossen zu sein scheint.
 

Sollte es nicht eigentlich umgekehrt sein?
 

Jeder um mich herum, trifft Entscheidungen oder schmiedet Pläne. Ich selbst habe das Gefühl in einer Einbahnstraße gefangen zu sein.
 

Ich blättere in meinem Notizbuch mit meinen Briefen an dich.

Es sind mittlerweile hunderte Seiten. Um ehrlich zu sein, sind es weniger Briefe. Es sind Erinnerungen an meine liebsten Momente mit dir, weil ich kein einziges Detail vergessen wollte. Wenn ich sie jetzt lese, bekomme ich manchmal noch immer eine Gänsehaut. Es sind meine Tagträume, wie es sein könnte, wenn wir uns wiedersehen. Was hätte sein können, wenn du geblieben wärst. Es sind die Dinge, die ich mich nicht getraut habe dir zu sagen.
 

Hätte es etwas geändert, wenn ich dir früher die Wahrheit über meine Gefühle gesagt hätte?

Wenn ich den Mut gehabt hätte dich darum zu bitten zu bleiben?
 

Jedes Mal, wenn ich mir selbst diese Fragen stelle, gebe ich mir selbst die Antwort:

Es macht keinen Unterschied. Weil ich weiß, wie meine Zukunft auszusehen hat.
 

Im Stillen frage ich mich manchmal, wie viele Opfer ich für diese Zukunft noch bringen muss.
 

Ich blicke in die unendliche Weite des Sternenhimmels.

Wie nennt man dieses Gefühl? Ich möchte schreien, aber ich habe nicht die Kraft dazu.

Ich spüre eine Sehnsucht, die mich fast zerreißt. Und gleichzeitig …
 

Nichts.
 

Es ist das einzige Wort, das mir einfällt.

Ein tiefes Loch in meiner Brust, dass sämtliche Emotionen zu absorbieren scheint.
 

Leere.
 

Wie gerne würde ich dich hierher wünschen…

Es ist wahrscheinlich der eigentliche Grund, warum ich hier oben bin. Deine Worte hallen noch immer in meinem Gedächtnis wieder.
 

„Schätzchen... Vielleicht kann ich dir ja helfen. Ich werd’ es jedenfalls versuchen."
 

Ich weiß, dass du es tun würdest. Gleichzeitig habe ich das Gefühl, dass du enttäuscht wärst, wenn du mich so sehen könntest. Ich bin nicht stark, viel mehr habe ich im Moment das Gefühl, dass ich jeden Moment zerbreche. Ich schäme mich fast. Du bist gegangen, weil du meinem Glück nicht im Weg stehen wolltest. Weil du mich vor keine Entscheidung stellen wolltest, die ich nicht treffen konnte. Weil du meiner Zukunft nicht im Weg stehen wolltest.
 

Ich weiß, dass du das ganz sicher nicht für mich gewollt hättest.

ein Hoffnungsschimmer

Seiya
 

“Fighter,”

Als ich kurz vor der Morgendämmerung zu unseren Gemächern zurückkehre, tritt Kakyuu plötzlich aus dem Schatten. Ich halte inne.  

“Prinzessin…?” Ich fühle mich ertappt.

“Hattest du ebenfalls eine schlaflose Nacht?” Sie zwinkert mir zu.

Ich verziehe das Gesicht und muss gleichzeitig ein wenig schmunzeln.

“Würdest du mich noch ein Stück begleiten?” Mir ist klar, dass sie mehr im Sinn hat.

Trotzdem folge ich ihr, ohne etwas zu erwidern.
 

Wir wandern durch die Palastgärten. Die meiste Zeit redet Kakyuu und ich höre stumm zu. Sie erzählt mir von den Plänen für das Jubiläum. Morgen jährt sich unsere Rückkehr nach Kinmoku zum ersten Mal. Zur Feier des Tages ist ein großes Fest geplant.
 

Die ehrliche Vorfreude, die sie dabei empfindet ihrem Volk eine Freude bereiten zu können, ist offensichtlich.
 

Mir wird einmal mehr bewusst, wie sehr ich ihre Freundschaft schätze. Es ist lange her, dass wir beide nur unter uns waren. Ihre Nähe hatte schon immer etwas Tröstliches.
 

Schließlich führt uns der Weg zu dem Schrein. Meinem Zufluchtsort. Unwillkürlich suchen meine Augen den Sternenhimmel ab. “Mir war früher nie bewusst, dass du so gläubig bist,” merkt Kakyuu an und mir wird bewusst, dass sie mich von der Seite mustert. Ich sehe sie an. Ich brauche nichts zu sagen.
 

“Auch wenn du versucht hast es geheim zu halten - wir sind nicht blind, Seiya.”

Es ist das erste Mal, dass sie meinen menschlichen Vornamen verwendet.

“Wir wissen alle, dass du jede Nacht hier hoch kommst.”

Ich senke meinen Blick. Auf einmal fühle ich mich unendlich verwundbar.
 

“Ich mache mir Sorgen um dich und damit bin ich nicht die Einzige,” fährt sie fort.

Mir läuft es kalt über den Rücken. Ist es denn so offensichtlich?

Ich hatte mir solche Mühe gegeben fröhlich zu sein, optimistisch zu wirken… normal zu sein.
 

“Dein Lippen lachen,” erklärt sie mir ohne dass ich gefragt habe, “aber es spiegelt sich nicht in deinen Augen wieder. Im Gegenteil, es ist als würde ein Schatten über ihnen liegen.”

Ich höre in ihrer Stimme, dass sie sich ehrlich sorgt. Sofort habe ich ein schlechtes Gewissen.

Ich möchte ihr keinen Kummer bereiten.
 

Meiner erster Instinkt ist, ihr zu sagen, dass sie sich irrt und dass es mir gut geht. Aber ich will sie nicht anlügen. Ich überlege einen Augenblick, wie ich ihr die Wahrheit sagen kann.
 

“Du brauchst dir keine Sorgen machen. Das wird aufhören,” erwidere ich schließlich.

“Deine nächtlichen Spaziergänge oder deine Gefühle für die Mondprinzessin?”

Ich zucke zusammen. Ihre Direktheit überrascht mich. Für gewöhnlich ist Kakyuu eine Meisterin der Diplomatie. Doch sie trifft damit einen Nerv.
 

Natürlich wissen Taiki und Yaten von meinen Gefühlen für Bunny. Aber seit unserer Rückkehr haben sie es nie wieder zur Sprache gebracht. Wenn wir von der Erde und unseren Freunden gesprochen haben, dann waren es die guten Erinnerungen. Wir haben gelacht. Mehr habe ich nicht übers Herz gebracht.
 

“Bunny…,” flüstere ich.

Im Schutz der Dunkelheit unter dem Funkeln des blauen Planeten bin ich zum ersten Mal in der Lage ihren Namen laut auszusprechen. Es fühlt sich fast fremd an auf meinen Lippen. In meinen Gedanken war sie immer nur mein Schätzchen…

Meine Stimme bebt. Ein Jahr später. Und ich komme immer noch nicht von ihr los.

Kakyuu sagt nichts, sie legt einfach nur ihre Hand auf meine.
 

Es soll eine kleine Geste des Mitgefühls sein, aber sie kann nicht wissen, was es in mir auslöst. Die Erinnerung an ihre Berührung, trifft mich wie ein elektrischer Schlag. Mein Herz quillt über und es bricht aus mir heraus, als würde ein Damm zerbersten.
 

Ich erzähle Kakyuu von meiner letzten Nacht auf der Erde, von Bunnys stummem Geständnis. Die Worte sprudeln aus mir heraus und ich merke wie jedes einzelne von ihnen eine Last auf meiner Brust war, die allmählich leichter wird. Ich erzähle ihr von meinen nächtlichen Gesprächen. Von meiner Sehnsucht nach dem Traumland.
 

Ich versuche zu erklären, wie die Worte “Auf Wiedersehen”  für mich zu meinem Rettungsanker wurden, weil ich nichts anderes habe, an dem ich mich festklammern kann. Dass ich zu Jupiter hinauf sehe, in der Hoffnung auf ein Wiedersehen, von dem ich nicht weiß, ob es je passieren wird. Ich weiß nicht, ob es für sie Sinn ergibt. Sie stellt keine Fragen, unterbricht mich nicht. Sie lässt mich einfach nur reden, bis ich selbst keine Worte mehr finde.
 

Am Ende bin ich erleichtert und erschöpft. Als ich fertig bin, sehe ich, wie das Leuchten der Erde langsam schwächer wird. Wie passend…

Ich sehe sie an.

Was sie jetzt wohl von mir denkt?
 

“Du solltest gehen,” sagt sie schlicht, als wäre es eine einfache Tatsache. Für einen Augenblick steht meine Welt still. Es dauert einen Moment, bis mein Bewusstsein die Bedeutung ihrer Worte verarbeitet und selbst dann bin ich noch nicht fähig darauf zu reagieren. Damit habe ich nicht gerechnet.
 

“Aber Prinzessin…” Ich weiß nicht, was ich erwidern soll. Ich versuche immer noch ihre Worte zu begreifen. Selbst ich kenne genug Gründe, die dagegen sprechen. “Ich werde mich persönlich um Yuuiren kümmern,” entgegnet sie mir, bevor ich überhaupt die Möglichkeit habe, ihren Namen auszusprechen.
 

“Meine Aufgabe…,” setze ich an.

“Du hast schon so viel für uns alle gegeben, Fighter. Dein Planet wird auch eine Zeit ohne dich auskommen. Das sind wir dir schuldig,” kehrt sie meine Argumente beiseite, bevor ich überhaupt angefangen habe.
 

Ich spüre wie in mir die Vernunft einen Kampf mit meinen Gefühlen ausficht.

Mein Verstand verwehrt mir diesen Funken Hoffnung, auch wenn mein Herz sich danach sehnt.
 

“Was würde es für einen Unterschied machen?”, frage ich. Ich bin mir selbst nicht sicher, an wen die Frage gerichtet ist.

“Das musst du für dich selbst beantworten,” erwidert sie mir.

“Es kann ein Wiedersehen von Freunden sein oder die Bestätigung, dass ihr euch richtig entschieden habt.” Sie sieht mich an. Ich weiß nicht, ob ich wirklich so selbstlos bin, wie sie mich einschätzt. Vor allem weiß ich nicht, ob ich mich ein zweites Mal von ihr verabschieden kann. Jetzt, wo ich weiß, was mich danach erwartet.
 

“Es kann ein Abschluss sein. Die Gewissheit für dich selbst, dass das, was du dir für sie gewünscht hast eingetreten ist: sie ist glücklich.” Ich lasse mir ihre Worte durch den Kopf gehen.
 

“Es könnte dir Frieden geben,” sagt sie schlicht.
 

Mir wird einmal mehr die wahre Macht von Kakyuus Gabe bewusst. Sie ist das mitfühlendste Wesen der Galaxis. Diese Eigenschaft erlaubt es ihr in einer Sachlichkeit von Gefühlen zu reden, als würden sie wie Mathematik puren Naturgesetzen folgen. Gleichzeitig weiß sie auch sehr genau, welche Dinge sie nicht auszusprechen braucht.
 

“Es ist deine Entscheidung, Seiya.” Sie steht auf und sieht mich eindringlich an.

“Wir möchten nur, dass du glücklich bist.”
 

Mit diesen Worten dreht sie mir den Rücken zu und macht sich auf den Weg zurück zum Palast. Ich bleibe zurück im Licht der Morgenröte. Überwältigt von der Möglichkeit, die sie mir gerade geboten hat.
 

***
 

Am nächsten Tag versammelt sich die ganze Stadt im Innenhof des Palastes in Erwartung des Festes.
 

Ich habe seit meinem Gespräch mit der Prinzessin kein Auge zugemacht. Noch immer fühlt es sich für mich an, als wäre ich in einem meiner Träume und ich habe Angst, einmal mehr in der Wirklichkeit zu erwachen.
 

Ich habe Zweifel, ob es die richtige Entscheidung ist. So sehr sich mein Herz danach sehnt, ist mir meine Verantwortung gegenüber Yuuiren bewusst. Sie hat gerade erst angefangen darauf zu vertrauen, dass ich bleiben würde. Ich will sie nicht verlassen, nicht einmal für einen Tag.
 

Aber sie ist es, die mich ein weiteres Mal überrascht hat. Wie immer habe ich nach ihr gesehen, bevor ich mich selbst schlafen lege. Doch an diesem Morgen hat sie mich bereits erwartet. Sie selbst war es, die Kakyuu darum gebeten hat, mich gehen zu lassen.
 

"Ich bekomme mit, dass du dich jede Nacht aus dem Haus schleichst. Ich spüre den Schmerz in deinen Liedern. Deine Hände verkrampfen sich zu Fäusten, wenn Yaten oder Taiki von der Erde erzählen. Ich merke, wie du im Himmel zu Jupiter blickst. Ich möchte, dass du findest, was dir fehlt. Was immer es auch ist."
 

"Ich bitte dich, geh!"

Einmal mehr macht mich meine kleine Schwester mit ihrer Erwachsenheit sprachlos. Aber diesmal nicht aus Kummer, sondern weil sie das Beste für mich möchte.
 

Ich weiß nicht, womit ich es verdient habe so warmherzige und fürsorgliche Menschen in meinem Leben zu haben.
 

Ich muss nicht erst fragen, um zu wissen, dass Yaten und Taiki einverstanden sein würden -  und so ist es auch.

In dem Moment, als ich die ehrliche Freude in ihren Gesichtern sehe, wird mein Herz leicht. Ich spüre förmlich körperlich, wie das Gewicht auf meiner Brust verschwindet. Als könnte ich zum ersten Mal seit Monaten wieder atmen. Es ist beschlossene Sache: nach dem Fest werde ich mich auf den Weg machen. Zum ersten Mal erlaube ich es mir, mich zu freuen.
 

 

***
 

Kakyuu hat den Menschen ein rauschendes Fest versprochen. Aber demütig wie sie ist, besinnt sie sich auch in Freudenzeiten, der Menschen, die in den dunkelsten Stunden zu ihr standen.
 

Es ist unglaublich, wie sie es vermag den Menschen Bilder zu vermitteln und damit eine jubelnde Menschenmasse in ehrfürchtiges Schweigen zu versetzen.
 

Wie alle anderen, sehe auch ich die Geschichte der Mondprinzessin. Gestern hatte ich noch Angst vor diesem Moment. Mir hat sich bei dem Gedanken in aller Öffentlichkeit mit diesen Erinnerungen konfrontiert zu sein der Magen umgedreht.

Jetzt lösen sie freudige Erwartung bei mir sind.
 

Ich erkenne auch, dass meine Befürchtung unbegründet war. Es sind Kakyuus Erinnerungen, und sie zeigen die Stärke und den Mut der Mondprinzessin und ihrer Kriegerinnen. Ihre Selbstlosigkeit. Am Ende ist es ihr unerschütterliche Glaube an jeden Einzelnen, der die Menschenmassen beeindruckt.
 

In meinen nächtlichen Gesprächen rede ich nicht mit der Mondprinzessin oder mit Sailor Moon. Ich sehe Bunny vor meinem inneren Auge. Meine Gefühle für sie haben sich entwickelt noch lange bevor ich gewusst habe, wer sie ist. Ihr Leuchten ist mir vom ersten Moment unter die Haut gegangen.
 

Ich rede mit dem schusseligen Mädchen, das ständig zu spät zur Schule kommt und am liebsten Nachmittagskurse belegen möchte, in denen es Kekse essen und singen kann.
 

Das gleiche Mädchen macht einen Footballspieler nieder, der über einen Kopf größer als sie ist, weil er grob zu mir war. Das Mädchen, das mir auf meine frechen Sprüche jedes Mal kontra gibt und doch mit mir meinen freien Tag verbringt, weil sie niemandem einen Wunsch abschlagen kann. Die Frau, die weiß, dass ihr Schicksal alles andere als das einfache Leben ist, nachdem sie sich sehnt und die trotzdem ihre Freunde dazu ermutigt, ihre eigenen Träume zu verfolgen.
 

Das Mädchen, das nachts am Balkon steht und allein ihr Anblick macht mich glücklich...
 

Seit ich weiß, dass ich gehen werde, habe ich dieses eine Bild vor Augen.
 

So stelle ich mir unser Wiedersehen vor…
 

Die Wahrheit ist, dass ich nicht weiß was passieren wird. Ich kenne nur die Vorstellung, auf die mein Herz hofft und eine Zukunft, von der mein Verstand mir sagt, dass es sie nicht geben wird.
 

Das einzige an das ich denken kann, ist das Mädchen auf dem Balkon...

Auf der Suche

Seiya
 

Auf meinem Weg zur Erde kommen in mir wieder die Erinnerungen an unsere Reise vor einem Jahr hoch. Selbst der Gedanke an meine Verzweiflung drückt jetzt noch schwer auf meine Brust. Umso größer wird jetzt meine Vorfreude. Ich ziehe vorbei an Jupiter und es fühlt sich an als würde ich einen alten Gefährten begrüßen. Meinen Fels in der Brandung, der mir stets die Richtung gewiesen hat.
 

Schließlich taucht er vor meinen Augen auf: der blaue Planet.

Ich hatte ihn nicht so leuchtend in Erinnerung.
 

Als ich schließlich am lang erwartenden Ende meiner Reise ankomme, ist es tiefe Nacht. Ich lande auf der Terrasse unseres alten Penthouse-Apartments. Leise und ohne Aufsehen zu erregen. Es ist eigenartig, wie unspektakulär dieser für mich so große Moment in Wirklichkeit ist.
 

Die Nacht ist still. Ich blicke über die Lichter von Tokyo, die in mir schon immer eine Art Ruhelosigkeit ausgelöst haben, als hätte ich den ständigen Drang mit dem Tempo der pulsierenden Metropole mithalten zu müssen.
 

Irgendwo da draußen bist du…

Seit über einem Jahr bin ich dir nicht mehr so nahe gewesen…
 

Ich widerstehe der Versuchung mich sofort auf die Suche nach ihr zu machen, es ist weit nach Mitternacht. Seufzend gehe ich ins Innere der Wohnung.
 

Alles ist so vertraut und gleichzeitig irgendwie fremd.

Wenn man von der dicken Staubschicht absieht, erweckt das Apartment den Eindruck, als wären wir nie weg gewesen.
 

Oder als hätte es auf unsere Rückkehr gewartet…
 

Während ich mich umsehe, erklingt in meiner Erinnerung das fröhliche Gelächter und die ausgelassene Stimmung unseres letzten gemeinsamen Abends. Wenn ich die Augen schließe, kann ich uns alle fast sehen. Diesen einen Moment, den ich so unbedingt im Gedächtnis behalten wollte.
 

Ich versuche mich hinzulegen und wenigstens ein paar Stunden zu schlafen, aber ich bin so aufgewühlt, dass ich mich nur hin- und her drehe und keine Ruhe finde. Durch das Terassenfenster blicke ich zu Kinmoku hinauf, der mit seinem Erscheinen einmal mehr die Morgenröte ankündet. Im Stillen schicke ich Grüße an Yuuiren, an Yaten und Taiki, an Kaykuu; und bete, dass ich sie nicht umsonst allein gelassen habe.
 

Ich greife nach meiner Gitarre und spiele gedankenverloren eine Melodie, während ich beobachte, wie die Sonne den Himmel in tausend verschiedene Farbtöne verwandelt. Vom dunklen Nachtblau ausgehend verschmilzt Violett mit Rot und Orange bis ein sanftes Gelb schließlich wieder in das leuchtende satte Blau des Himmels übergeht. Ich hätte mich darin verlieren, können wenn ich nicht die ganze Zeit ihr Gesicht vor Augen hätte.
 

Schließlich gebe ich auf. Es ist noch immer sehr früh, aber ich mache mich trotzdem auf den Weg. Schon nach wenigen Schritten verfluche ich meine unvorbereitete Abreise. In Japan hat inzwischen der Winter begonnen. Mir wird klar, dass ich noch keinen Winter auf der Erde erlebt habe.

Ich habe auch noch nie so eine eisige Kälte erlebt…
 

Ich spaziere durch die Stadt und finde mich wie von selbst auf unserem früheren Schulweg wieder. Einen Moment lang verfalle ich der Hoffnung, dass sie mir über den Weg laufen könnte, aber als ich bei der Schule ankomme, wird mir klar, dass Ferien sein müssen und die Mädchen mittlerweile die Schule abgeschlossen haben.

Noch etwas, das ich nie erlebt habe…
 

Mein nächstes Ziel ist das Haus von Bunnys Familie. So wie ich Bunny kenne, wird sie sicher noch schlafen, vor allem wenn noch Ferien sind. Ich sehe sie vor mir, damals, mit ihrer Strickjacke und dem rosa Häschen Pyjama. Bei dem Gedanken kann ich mir ein Grinsen nicht verkneifen.

Nur Bunny könnte so etwas anziehen....
 

Als ich beim Haus der Familie Tsukino ankomme, erwartet mich die nächste Enttäuschung. An dem Tor zum Garten ist ein Schild angebracht “zu Verkaufen”

Das Gebäude und der Garten wirken verwaist. Als hätte sich seit Monaten keiner mehr darum gekümmert. Die nächste Spur, die ins Nichts verläuft. Damit habe ich auch keine Möglichkeit sie anzurufen, um ihr zu sagen, dass ich da bin. Der Gedanke daran hat mir ohnehin nie gefallen.
 

Ich sage mir, dass es keinen Unterschied macht. Wir sind uns früher ständig zufällig über den Weg gelaufen, so haben wir uns überhaupt erst kennen gelernt. Im Nachhinein muss ich bei dem Gedanken schmunzeln, dass Bunny am Anfang wahrscheinlich sogar versucht hat, mir aus dem Weg zu gehen.

Ich laufe weiter durch die Stadt. Es fühlt sich an wie ein Streifzug durch meine Vergangenheit. Ich freue mich fast darauf.
 

In Gedanken gehe ich meine Liste mit Orten durch, die ich mir vorab zurecht gelegt habe. Das Crown Café. Die Mädchen haben sich dort täglich nach der Schule getroffen. Ich bezweifle, dass sie ihre Gewohnheiten so schnell geändert haben. Es ist noch früh, aber ich beschließe trotzdem, dass es meine beste Chance ist.
 

Das Café hat gerade erst aufgemacht als ich eintrete, außer mir sind lediglich zwei andere Gäste da. Ich suche mir einen Platz in der Nähe des Eingangs, von dem aus ich auch einen guten Überblick über den Rest des Lokals habe. Erst als der Mann neben mir sein Frühstück serviert bekommt, merke ich, wie hungrig ich bin. Vor lauter Aufregung habe ich keinen Gedanken an Essen verschwendet. Da ich vermutlich noch länger warten werde müssen, bestelle ich mir das größte Frühstücksmenü auf der Karte.
 

Nach einer Stunde weiß ich nicht mehr wo ich hinstarren soll, ohne eigenartig zu wirken und nehme mir eine Zeitung. Wirklich konzentrieren kann ich mich nicht. Jedes Mal, wenn die Tür aufgeht, legt mein Herzschlag kurz zu, bis ich merke, dass es niemand ist den ich kenne. Schließlich überwinde ich mich und frage die Kellnerin, ob sie eine Gruppe Mädchen kennt, die regelmäßig hier vorbei kommt. Sie schüttelt nur den Kopf, sie kennt niemanden auf den die Beschreibung passt und verweist mich auf ihren Kollegen von der Nachmittagsschicht. Vielleicht hält sie mich auch nur für einen eigenartigen Stalker.
 

Am Nachmittag stochere ich noch immer in den nicht mehr ganz so ansehnlichen Resten meines Frühstücks herum. Der Hunger ist mir schon lange vergangen. Nach der dritten Tasse Kaffee bin ich auf Limonade umgestiegen. Mittlerweile blickt mich auch der Kellner aus der Nachmittagsschicht schon misstrauisch an. Auch er hat mit meiner Beschreibung der Mädchen nichts anfangen können. Als schließlich die Abenddämmerung eintritt, verlasse ich das Kaffee. Heute wird sie nicht mehr kommen.
 

Ich durchquere den Park, in dem wir uns zum ersten Mal getroffen haben, oder besser sie mich zum ersten Mal wahrgenommen hat.
 

Vielleicht liegt es an der Dämmerung oder dicken Wolkendecke, durch die kein einziger Sonnenstrahl durchdringt, doch irgendwie scheint es als hätte der Park seinen Glanz verloren. Die Springbrunnen sind abgeschalten und statt des fröhliche Geplätschers blicke ich auf das dunkle Wasser, in dem einige verwelkte Blätter treiben. Es sind kaum Menschen hier. Die blattlosen Äste der Bäume ragen wie mahnende Finger in die Luft.

Vielleicht verhöhnen sie mich auch einfach, denke ich.

Weil ich so dumm war zu glauben, dass sie mir einfach in die Arme laufen würde...
 

Am anderen Ende des Parks befindet sich der Eingang zum Vergnügungspark, aber das Tor ist mit einem Vorhängeschloss versperrt. Der Park wird erst im Frühjahr wieder aufsperren. Aus Frust trete ich gegen das schmiedeeiserne Tor.
 

Ich zermartere ich mir den Kopf, wo wir noch gemeinsam gewesen sind. Mir fällt erst jetzt auf, dass ich nie bei einem der anderen Mädchen zu Hause gewesen bin. Mir kommt die Spiele-Arkade in den Kopf, wo der Wettkampf stattgefunden hat, bei dem Amy gewonnen hat.  Aber als ich ankomme, muss ich feststellen, dass die Spielhalle mittlerweile geschlossen hat. Das ganze Gebäude ist mit einem Gerüst abgesperrt und Renovierungen in vollem Gange. Eine weitere Niederlage.
 

Es ist kalt und spät und ich beschließe, es für den heutigen Tag sein zu lassen.

Als ich die Tür zu unserem Penthouse öffne, erwartet mich dort ein dunkles Apartment. Ich lege die Schlüssel auf den Tisch neben der Tür. In der Stille klingt es unnatürlich laut. Mir ist die Wohnung noch nie so trostlos erschienen wie jetzt. Gestern Nacht hat es sich noch angefühlt, als hätte es auf mich gewartet. Heute fällt mir das Fehlen jeglicher persönlichen Gegenstände mehr auf den je. Selbst in unseren verzweifelsten Zeiten wusste ich, dass hier Freunde auf mich warten. Jetzt bin ich allein.
 

Obwohl ich noch immer durchgefroren bin, gehe ich hinaus auf die Terrasse.
 

Ach Schätzchen...

Wo bist du nur?
 

Ich lasse noch einmal den Tag Revue passieren. So hatte ich ihn mir ganz sicher nicht vorgestellt. Ich hatte immer nur ihr Bild auf dem Balkon im Kopf. Das wird dann wohl auch nur ein Traum bleiben...
 

Mir wird wieder einmal bewusst, dass ich das Tempo des Wandels in dieser ständig pulsierenden Stadt einmal mehr unterschätzt habe. Meine Erinnerungen werden mir hier nicht weiterhelfen.
 

Zu meinem Frust und meiner Enttäuschung gesellt sich Wut über meine eigene Naivität.

In meiner Sehnsucht war die ganze Zeit mein größtes Problem, zurück zur Erde zu kommen. Weiter hatte ich nicht gedacht.
 

Ich dachte, ich könnte glücklich sein, ohne etwas dafür tun zu müssen...
 

Ich schaue hoch zu Jupiter und auf einmal habe ich Yuuirens Worte wieder in den Ohren.

“Ich merke, wie du im Himmel zu Jupiter blickst. Ich möchte, dass du findest, was dir fehlt. Was immer es auch ist."
 

Ich nicke. Es war nur ein Tag. Morgen werde ich es weiter versuchen. Bis ich dich finde.
 

Bis dahin habe ich zumindest die Gewissheit, dass wir Jupiter aus der gleichen Perspektive sehen.

Ich weiß, dass du ganz in meiner Nähe bist.

Zurück auf der Erde

Seiya
 

Über eine Woche ist seit meiner Ankunft auf der Erde vergangen und ich bin meinem Ziel keinen Schritt näher gekommen.
 

Die Abende verbringe ich damit im Internet nach ihr zu suchen. Im Telefonbuch ist immer noch ihre alte Adresse vermerkt. Nachdem ich über Bunny nichts gefunden habe dehne ich meine Suche nach den anderen Mädchen aus. Aber auch mit ihren Namen finde ich keine Informationen, die mich weiterbringen. Das Einzige, das ich finde sind ein paar Einträge aus dem Jahrbuch unserer Schule, sie stammen allerdings noch aus der Zeit an der wir selbst an der Schule waren und helfen mir daher ebenso wenig.
 

Als ich ein Foto von uns beiden entdecke, wird mir trotzdem warm ums Herz. Es ist ein unerwartetes Geschenk, auf das ich nicht mehr zu hoffen gewagt habe. Das Bild wurde nach dem Softball-Turnier aufgenommen, Bunny lächelt unbeschwert. Ich erinnere mich, dass ein Mädchen von der Schülerzeitung es aufgenommen hat. Ich hatte mir damals vorgenommen, sie um das Foto zu bitten. Weil ich kein einziges Foto von dir hatte…
 

In dem Chaos danach hatte ich keine Gelegenheit mehr dazu.
 

Ich streiche mit dem Finger sanft über ihr Gesicht.

Der vergnügte Ausdruck in ihren Augen…

Es ist nur ein Foto, aber es genügt um mich einmal mehr in ihrem Blick zu verlieren.

Mein Gedanken führen mich einmal mehr auf Reisen und finde ich mich wie so oft auf dem Softballfeld wieder.
 

“Ich wollte, dass du weißt, dass wenn wir nicht beide schon ein Schicksal hätten… ich wollen würde, dass du das meine wärst.”
 

Die Worte die mich seit einem Jahr bis in meine Träume verfolgen. Wird es jemals aufhören?
 

***

Am nächsten Morgen starte ich meine mittlerweile gewohnte Routine erneut.

Jeden Tag gehe ich aufs Neue zu den Orten, von denen ich weiß, dass sie gerne und oft dort ihre Zeit verbracht hat. Ich ändere die Reihenfolge und Tageszeit und jedes Mal frage ich mich, ob es die richtige Entscheidung war oder ob ich sie nicht vielleicht gerade verpasst habe.
 

Die Nachmittage verbringe ich meistens im Crown Café, irgendwie habe ich das Gefühl, dass es meine größte Chance ist. Wäre ich damals in dieses Café gekommen, wäre wahrscheinlich sehr schnell voller Fans gewesen. Bis jetzt habe ich einmal mitbekommen, das zwei Mädchen hinter vorgehaltener Hand über mich getuschelt haben. Ansonsten hat mich niemand erkannt. Vielleicht interessiert es aber auch einfach niemanden. Es ist erstaunlich, wie schnell man in Vergessenheit geraten kann.
 

Mittlerweile kennen mich im Café aber alle Kellner, sie grüßen mich freundlich, wenn ich komme. Zumindest sagt keiner etwas dagegen, dass ich immer so lange den Tisch besetze. Vielleicht halten sie mich aber auch wirklich nur für einen eigenartigen Typ und sagen nur nichts, weil ich jedes Mal ein großzügiges Trinkgeld gebe. Gebracht hat es mir bis jetzt nichts; keines der Mädchen hat sich im Café blicken lassen.
 

Ohne viel Hoffnung klappere ich den letzten Ort auf meiner heutigen Route ab: das Haus der Familie Tsukino. Anfangs habe ich versucht bei den Nachbarn nachzufragen, ob jemand weiß, wohin die Familie gezogen sei, aber niemand konnte oder wollte mir darüber Auskunft geben.
 

Vor ein paar Tagen habe ich dann einen Brief mit einer Nachricht für Bunny in den ohnehin schon überfüllten Briefkasten gestopft. Als ich heute ankomme, ist der Briefkasten unverändert voll. Über dem Verkaufsschild klebt jetzt ein Hinweis, dass das Haus verkauft wurde. Ich versuche, es gleichgültig hinzunehmen. Jetzt gibt es wohl wirklich keinen Grund mehr für sie hierher zurückzukehren. Ich atme schwer aus.
 

Auf dem Weg zurück zur Wohnung gehe ich im Kopf meine weiteren Optionen durch.

Unwillkürlich kommen mir auch jedes “Nein”, jeder Besuch im Café oder Spaziergang im Park in den Sinn. Jede einzelne verlorene Chance. Ich habe das Gefühl als würde ich mich an Strohhalme klammern, von denen mir jeden Tag ein weiterer entgleitet.
 

Ich bin so voller Hoffnung aufgebrochen. Aber seit meiner Ankunft habe ich das Gefühl jeden Tag ein kleines bisschen kleiner zu werden. Als wir gegangen sind hatten wir ein Leben.
 

So groß unsere Schwierigkeiten als Starlights manchmal waren. Das Leben als Three Lights hingegen war einfach und mühelos. Tausende Fans kamen zu unseren Konzerten. Die größten Probleme im Leben des Seiya Kou waren schlechte Noten, wenn ich aufgrund unserer Musik-Karriere nicht gelernt hatte. Ein Umstand, den ich mit Leichtigkeit jedes Mal wieder hinbiegen konnte. Wenn es ein zweites gab, dann war es unsere Privatsphäre zu schützen. Ansonsten wurden die meisten Hindernisse schon von anderen beseitigt, bevor wir sie überhaupt wahrnehmen konnten.
 

Das ganze letzte Jahr lang hatte ich mich nach diesem Leben gesehnt. Jetzt fühlt es sich an als würde es mich jeden Tag mit Füßen treten.
 

***

Noch bevor ich den Schlüssel in das Schloss der Apartment-Tür stecke, merke ich das etwas anders ist. Ich spanne mich an und öffne vorsichtig die Tür. Das Licht brennt und Musik dröhnt aus den Lautsprechern.
 

Als ich in die geräumige Wohnküche trete traue ich meinen Augen nicht: es sind Taiki und Yaten.
 

Auf dem Küchentisch stehen volle Einkaufstaschen, Taiki steht am Herd und kocht, während Yaten neben ihm auf der Küchentheke sitzt, als wäre es das normalste auf der Welt. Als wären sie nie weg gewesen.
 

Einen Augenblick bin ich zu verblüfft um etwas zu sagen und erstarre förmlich.

"Was macht ihr denn hier?", stoße ich ungläubig hervor.

Ohne auf eine Antwort zu warten, überwinde ich die paar Schritte, die uns trennen und und umarme sie beide. Mir ist bis jetzt nicht klar gewesen, wie sehr ich ein freundliches Gesicht vermisst habe. Wie sehr mir die beiden gefehlt haben.
 

"Warum seid ihr hier? Yuuiren ist sie…"

"Keine Sorge, ihr geht es bestens," versichert mir Taiki bevor ich meine Frage beenden kann. Wir setzen uns im Wohnzimmer hin.

“Warum dann?”

“Wir hatten Angst, dass du dich in etwas verrennst und wir dachten, dass du vielleicht jemanden brauchst, der dir hilft die Dinge klar zu sehen.” Seine Antwort macht mich betroffen.
 

“Warum habt ihr vor meiner Abreise nichts gesagt?”

“”Hättest du denn auf uns gehört?”, erwidert Yaten statt einer Antwort. Er verzieht den Mund und verdreht die Augen. Ich höre den zynischen Unterton in seiner Aussage mitschwingen. Es ist seine nette Art zu sagen “weil du ein verdammter Sturkopf bist, der ohnehin macht was er will.”
 

“Denkt ihr, ich bin dabei einen Fehler zu machen?”, ich muss mich überwinden die Frage laut auszusprechen. Seit mir Kakyuu die Möglichkeit eröffnet hat, habe ich sie mir im Stillen immer wieder gestellt, besonders in den letzten Tagen. Ich habe mich selbst gefragt, ob mich einfach nur die Sehnsucht antreibt und mein inständiger Wunsch, mir die klare Sicht auf die Dinge verwehrt. Ist es ein Zeichen, dass ich sie nicht finden kann? Soll ich es hinnehmen, dass es einfach nicht sein soll? Ich weiß nicht, wie viele Niederlagen ich noch einstecken kann. Ich habe Angst vor seiner Antwort; Angst, dass er genau das sagt. Taiki sieht mich bestimmt an.
 

“Du warst schon immer impulsiv und hast dich immer nur von deinen Instinkten leiten lassen. Ganz besonders, wenn es um Bunny ging, hast du mehr als einmal gehandelt ohne Nachzudenken.” Ich kann ihm nicht widersprechen. Er hat Recht. Es ist typisch Taiki, dass er die Situation nüchtern und rational behandeln.
 

“Wir haben immer gewusst, dass du Gefühle für sie hast. Aber wir hätten nicht gedacht, dass es dich so mitnehmen würde,” fährt Yaten fort. In seiner Stimme fehlt jede Spur von Zynismus. Ich bemerke, dass er sich ehrlich sorgt. “Das ganze letzte Jahr hast du dich total zurück gezogen. Du hast keinen mehr an dich heran gelassen außer vielleicht Yuuiren. Und bis vor deiner Abreise hast du uns nie die ganze Wahrheit dazu erzählt.”
 

“Wir hätten wir dir deine Bitte niemals abschlagen können, Seiya,” fährt er fort.

“Deshalb wollten wir, dass du gehst. Wir sind nicht gekommen, um dich davon abzuhalten, sondern weil wir nicht wollten, dass du das allein durchstehen musst.” Ich sehe überrascht zu ihm auf. Von ihm hätte ich das am wenigsten erwartet.
 

“Wir sind nicht mehr im Krieg. Es gibt noch viel mehr als unsere Pflicht zu erfüllen. Jetzt kannst und solltest du auch tun, was du wirklich tun willst.”

Diesen Satz hätte ich eher von Bunny oder Minako erwartet.

Nicht von Yaten, der seit ich ihn kenne seine Pflicht über alles gestellt hat.
 

Als ich zu Taiki blicke nickt er zustimmend und deutet zur Bekräftigung ein Lächeln an. Ich merke, wie sich in meinem Hals ein dicker Kloß bildet.
 

“Außerdem kennen wir dich. Du bist sicher ohne jeden Plan einfach drauf losgelaufen und hast erwartet, dass sie dir über den Weg läuft,” fügt Yaten trocken hinzu. Er klingt todernst, aber seine Mundwinkel zucken leicht.

Ich zucke zusammen, meine Ohren werden augenblicklich heiß.

Woher zum Teufel…?
 

“....weil du das immer tust, wenn du dir etwas in den Kopf gesetzt hast.”erklärt Taiki, ohne dass ich meine Frage laut aussprechen muss. “Du wolltest schon immer einfach mit dem Kopf durch die Wand.”
 

“Wir haben uns außerdem gefragt, ob du dich noch daran erinnerst, wie es war, als wir hier zum ersten Mal angekommen sind? Warum wir überhaupt die Idee hatten mit dem singen anzufangen. Wir waren Niemande. Keiner wollte etwas von uns wissen oder hat auf uns gehört,” fügt Yaten trocken hinzu, “So wie du das Leben auf der Erde in leuchtenden Farben beschrieben hast, waren wir uns ziemlich sicher, dass du den Teil erfolgreich verdrängt hast.”
 

Ich erwidere nichts, aber ich spüre wie meine Wangen noch röter werden. Die beiden bemerken es sofort und lachen, weil sie wissen, dass sie mit ihren Vermutungen genau ins Schwarze getroffen haben.
 

Ich muss selbst über mich lachen und es tut gut.
 

Während die beiden noch über mich lachen halte ich einen Moment inne und blicke mich um.
 

Ich bin von Dankbarkeit erfüllt und mit ihr überkommt mich eine angenehme Ruhe.

Wir sind zurück auf der Erde.

Ich habe noch immer keine Ahnung, ob oder wo ich sie finden kann.

Aber jetzt weiß ich, dass ich damit nicht länger allein bin.
 

Three Lights werden noch einmal singen.

Am Ziel

Seiya
 

Wir sitzen am Abend noch lange zusammen und ich erzähle Yaten und Taiki von meiner bisherigen Suche. Ein wenig ärgere ich mich über mich selbst, dass ich so vorhersehbar von einer Enttäuschung in die nächste gelaufen bin. Yaten zieht mich noch ein wenig damit auf, bis ihm Taiki schließlich mit einem strengen Blick zu verstehen gibt, dass es genug ist.
 

Dann nimmt er ein Stück Papier und wir erstellen gemeinsam eine Liste.

Sie ergänzen die mir bekannten Orten und Informationen um Punkte, von denen ich nicht gewusst habe. Taiki erzählt von dem Mädchen, das er im Krankenhaus besucht hat. Er glaubt, dass wir dort eventuell Amis Mutter finden könnten. Yaten möchte bei den Organisatoren für den Talent-Wettbewerb nach Minako fragen. Schließlich hat sie den Wettbewerb damals gewonnen und möglicherweise arbeiten sie noch zusammen. Vielleicht kennen sie aber wenigstens ihre Adresse.
 

Es sind weitere Strohhalme. Aber es sind Chancen.

Über allem steht für mich unsere größte Hoffnung: Das Comeback als Three Lights.
 

***

Als wir am nächsten Tag gemeinsam beim Frühstück sitzen, hat Taiki bereits alles organisiert. Er hat unseren alten Manager angerufen und ihm gesagt, dass wir gerne wieder auftreten möchten. Er war hellauf begeistert und hat uns gebeten, so schnell wie möglich in sein Büro zu kommen, damit wir die Details klären können. Das wird auch unser erster Weg sein für den Tag. Ich bin noch immer überwältigt, wie viele Möglichkeiten sich für mich auftun.
 

Als wir schließlich vor die Tür unseres Apartment Gebäudes treten, begrüßt uns der wolkenlose Himmel in sattem Blau. Als ich wegen der blendenden Sonnenstrahlen meine Sonnenbrille heraus hole, fällt mir auf, dass es das erste Mal seit meiner Ankunft ist, dass ich die Sonne überhaupt sehe; sonst war der Himmel immer wolkenverhangen und grau. Ich nehme es als ein gutes Zeichen.
 

Wir machen uns zu Fuß auf den Weg. Die Büros unserer Plattenfirma befinden sich in Marunouchi. Es ist nicht weit von unserem Apartment entfernt. Wir spazieren an den steinernen Wassergräben entlang. Die Kanäle sind auf beiden Seiten gesäumt von grünen Parkanlagen. Es ist wie eine kleine Oase, in der man dem Tempo des geschäftigen Treibens das rund um die hohen Bürogebäude herrscht, kurz entgehen kann.
 

Ich genieße die Ruhe und es fühlt sich fast an, als würden die Sonnenstrahlen neue Lebensgeister in mir erwecken. Ich recke mein Gesicht noch weiter der Sonne entgegen, als könnte ich so noch mehr von ihrer Energie in mir aufsaugen.
 

Als wir an der Tokyo Station vorbeikommen, kommt Taiki ins Schwärmen. Er erzählt uns von den architektonischen Details und der Geschichte des Bahnhofs. Ich staune einmal mehr, woher er all das Wissen hat und noch mehr darüber, wie es sich so genau merken kann. Aber ich muss ihm Recht geben. Das alte Gebäude inmitten der gläsernen Fassaden der Hochhäuser ist wie ein kleines Juwel, besonders nachts, wenn das warme Licht es imposant wirken lässt und gleichzeitig eine unheimliche Ruhe ausstrahlt.
 

Als wir nur noch zwei Straßen von unserem Ziel entfernt sind, spricht Yaten schließlich  aus, was uns wohl alle beschäftigt: dass es eigenartig sein wird wieder aufzutreten. Besonders nach dem beschaulichen Leben, das wir im letzten Jahr geführt haben. “Ich muss ehrlich sein, die kreischenden Fans an jeder Ecke habe ich nicht wirklich vermisst,” pflichtet Taiki ihm bei.
 

“Aber die Musik,” wirft Yaten ein und seine Stimme bekommt einen schwärmerischen Unterton. Ich bekomme eine Gänsehaut, als ich mich daran erinnere, wie es war, vollkommen mit der Musik zu verschmelzen. Wie wir Gefühle und Sehnsüchte damit transportieren wollten. Die Ekstase in der Stimmung vollkommen aufzugehen. War das der Grund warum wir so erfolgreich waren? Weil die Menschen spüren konnten, dass es ehrlich war?
 

“Ich hoffe vor allem, dass wir diesmal nicht wieder so lächerliche Aktionen liefern müssen, wie beim letzten Mal. Manches war da ja echt vollkommen übertrieben. Deine Haustier-Show zum Beispiel,” er zwinkert und boxt Yaten mit dem Ellenbogen in die Rippen. “Oh Mann, war das nervtötend.” Yaten greift sich an den Kopf und verdreht theatralisch die Augen.
 

Auch wenn sie es nicht aussprechen, ich merke, dass sie sich insgeheim darauf freuen wieder als Three Lights aufzutreten. Vielleicht möchten sie es sich auch nicht eingestehen, weil es im besten Fall nur von kurzer Dauer sein wird. Wenn wir wieder damit aufhören müssen, ist es leichter davon als eine lästige Pflicht zu sprechen.
 

“Halt, wartet Leute, da ist sie!”, platzt es aus Yaten auf einmal heraus. Er hätte mir genauso gut einen Stromschlag versetzen können. Er stoppt so abrupt, dass ich in ihn hinein laufe. “Bunny?”, fragt Taiki und versucht in Yatens Blickrichtung ein bekanntes Gesicht in der Menge auszumachen.
 

“Nein, Minako! Dort!” Er deutet auf die andere Straßenseite. Und tatsächlich.

Für einen Moment bin ich wie erstarrt. Aber bevor wir noch die Möglichkeit haben, nach ihr zu rufen, verschwindet sie im Inneren eines Cafés.
 

Der Verkehr ist zu dicht, als dass wir einfach die Straße überqueren hätten können.

Die Zeit bis die Ampel auf Grün springt, fühlt sich wie eine Ewigkeit an. Es darf nicht sein, dass wir sie jetzt wegen einer verfluchten Ampel wieder verlieren.
 

Als ich auf der anderen Seit ankomme, suche ich schon durch das Fenster des Cafés nach Minako und ich finde sie im hintersten Teil des Lokals, sie steuert zielstrebig einen Tisch in der Ecke an.
 

Mir bleibt die Luft weg.
 

Da ist sie.  

Einfach so.

Nachdem ich sie tagelang gesucht habe.
 

Für einen Moment steht meine Welt still und ich höre nur mein eigenes Herz, das mir mit einem Mal bis zum Hals schlägt.
 

Ich starre fassungslos durch das Fenster, um mich zu vergewissern, dass ich es mir nicht einbilde. Aber das tue ich nicht. Sie ist es. Sie sind alle da. Ami, Rei, Makoto, Minako und Bunny. Meine Augen brennen. Ich schicke ein stummes Dankesgebet in den Himmel.  

Wie oft habe ich mir diesen Moment vorgestellt?
 

“Na los, gehen wir rein!?”, höre ich Yaten dicht neben mir sagen und er reißt mich damit aus meiner Trance. Auch er hat die Mädchen inzwischen bemerkt.
 

Ich nicke nur. Ich bin mir nicht sicher, ob ich überhaupt einen Laut herausbekommen würde. Ich mache zwei Schritte zur Eingangstür.
 

Durch die Fenster des Cafés sehe ich wie sie alle zusammen sitzen. Ich sehe Bunny, die offensichtlich über einen Kommentar von Makoto herzlich lacht. Vor der Tür halte ich inne.
 

“Du warst schon immer impulsiv und hast dich immer nur von deinen Instinkten leiten lassen. Ganz besonders, wenn es um Bunny ging, hast du mehr als einmal gehandelt ohne Nachzudenken.”
 

Ich weiß nicht, warum mir Taikis Worte ausgerechnet jetzt wieder in den Sinn kommen.

Aber es hält mich zurück. Genau wie mich allein ihr Anblick unwiderstehlich zu ihr zieht.
 

“Nach dem Konzert entführe ich dich in ein wunderschönes Traumland Schätzchen. Inzwischen liebe ich dich so sehr,  dass ich mir wünschte ich könnte das tun, was ich eben gesagt habe...“
 

Durch meinen Kopf jagen wieder einmal meine Erinnerungen an dich. Unsere erste Begegnung im Kampf als Sailor Kriegerinnen. Du hast dich gegen uns und vor dieses Monster gestellt, weil du andere immer beschützt.und dich für sie einsetzt. Egal, ob es das kleine Mädchen ist, dass dir auf der Straße nachläuft oder eine gute Freundin, die du ermutigst, ihre Träume zu verwirklichen. Genauso wie im Kampf um Leben und Tod. Ich sehe, wie du dich immer und immer wieder vor andere gestellt hast. Wie oft du dich vor mich gestellt hast.
 

“Ich wollte, dass du weißt, dass wenn wir nicht beide schon ein Schicksal hätten… ich wollen würde, dass du das meine wärst.”

Dieser Hauch von einem Kuss. Der Geschmack ihrer Tränen, den ich jetzt noch schmecken kann. Ich beiße mir unwillkürlich auf die Lippen.
 

“Ich muss noch gehen können.”

Noch heute zerreißt es mir bei dem Gedanken an deinen Schmerz fast das Herz.

Tränen, die du meinetwegen geweint hast, weil du wolltest, dass es mir besser geht.
 

Du hast deine Entscheidung bereits vor einem Jahr getroffen. Du warst dir deiner Gefühle damals bewusst.

… und bist trotzdem gegangen.
 

Du hast dich gegen deine eigenen Wünsche entschieden. Weil deine Selbstlosigkeit die Eigenschaft ist, die dich am meisten ausmacht.
 

Im nächsten Augenblick habe ich Yuuirens flehentlichen Gesichtsausdruck vor Augen.

"Bitte geh!"
 

Ich habe jetzt Yuuiren in meinem Leben. Vor einem Jahr noch hätte ich nie zu hoffen gewagt, sie jemals wiederzusehen. Wie gern würde ich dir von ihr erzählen. Als ich mich auf den Weg zur Erde gemacht habe, habe ich ihr geschworen, dass ich wiederkommen würde.
 

In dem Moment zerbricht etwas in mir.
 

Es steht mir nicht zu, dich noch einmal vor diese Wahl zu stellen.

Wäre es denn überhaupt eine Wahl? Es war von Anfang klar, dass mein Aufenthalt nicht von Dauer sein würde. Was würde es für einen Unterschied machen, wenn ich jetzt wieder in dein Leben treten würde?
 

Ich höre Kakyuus sanfte Stimme in meinem Ohr, als ich ihr damals genau diese Frage gestellt habe.
 

“Es kann ein Wiedersehen von Freunden sein.”
 

“Die Bestätigung, dass ihr euch richtig entschieden habt.”
 

“Es könnte dir Frieden geben.”
 

Damals habe ich nur das gehört, was ich hören wollte.

Jetzt wird mir klar, dass sie für uns beide nie eine Zukunft gesehen hat.
 

Wenn ich jetzt hineingehe, wäre es purer Egoismus um mein Verlangen nach deiner Nähe zu stillen. Es würde uns in die selbe Situation bringen wie vor unserem Abschied.  Ein uns  wird es nie geben. Es würde dir nur unnötigen Schmerz bereiten, denn deine Entscheidung wäre wieder dieselbe. Du stellst das Wohl von anderen immer über dein eigenes. Es wäre der ultimative Beweis, dass ich dich niemals verdient habe.
 

“Es kann ein Abschluss sein. Die Gewissheit für dich selbst, dass das, was du dir für sie gewünscht hast eingetreten ist: sie ist glücklich.”
 

Mein Herz sträubt sich gegen die Entscheidung, die mein Verstand bereits getroffen hat. Oder ist es umgekehrt?
 

“Ich wünsche dir von Herzen das Beste. Ich wünsche mir, dass du glücklich bist.”

Noch mehr wünschte ich, ich könnte dir das persönlich sagen. Dich in die Arme nehmen. Dich nie wieder loslassen.
 

Es kostet mich meine ganze Kraft meine Hand von der Türklinke zurückzuziehen. “Was ist jetzt? Wollen wir nicht reingehen?”, fragt Yaten ungeduldig. Ich drehe mich zu ihnen um.
 

Ich senke den Blick und schüttle den Kopf. Ich kann ihnen nicht in die Augen sehen.

“Nein, es ist Zeit nach Hause zu gehen...nach Kinmoku.”
 

Schon bei den wenigen Worten, droht mir die Stimme zu versagen. Ich habe nicht die Kraft mehr zu sagen oder es laut auszusprechen. Stattdessen konzentriere ich mich darauf, einen Fuß vor den anderen zu setzen.
 

Weder Taiki noch Yaten stellen eine Frage, sie folgen mir stumm.

Ich kann ihre betroffenen Blicke in meinem Rücken spüren.
 

Als wir auf der anderen Straßenseite sind, drehe ich mich ein letztes Mal um und blicke zurück.

“Leb wohl, Schätzchen…”

Weitermachen

Seiya
 

Wir gehen schweigend zurück. Ich laufe einfach stur gerade aus, ohne nach links und rechts zu blicken.
 

Bei jedem Schritt ringe ich mit mir selbst nicht auf der Stelle kehrt zu machen und zurückzulaufen, so lange sie noch in dem Café ist.
 

Ich tue es nicht.

Stattdessen konzentriere ich mich darauf immer einen Fuß vor den anderen zu setzen.
 

Als ich für einen Moment den Fokus verliere, überrumpelt mich meine eigene Wunschvorstellung, was hätte sein können…

...wenn ich die Türklinke nicht losgelassen hätte. Wenn ich diese paar Schritte doch gemacht hätte. Ich kann fast körperlich spüren, wie sie mir in die Arme fällt; die Wärme ihres Körpers; ihr Duft, der mir in die Nase steigt.
 

Ich bekomme fast Panik, dass ich es irgendwann bereuen werde und diese unverhoffte Chance zu einer weiteren verpassten Gelegenheit wird. Werde ich je aufhören können mich zu fragen, was wäre wenn…?
 

Ich tue, was ich schon letztes Jahr getan habe, wenn wir auf der Suche nach unserer Prinzessin verzweifelt waren und jede unserer Bemühungen hinterfragt haben: Ich besinne mich auf das "Warum?”, denn auf diese Frage kenne ich die Antwort.

Weil für mich dein Glück über meinem steht; wenn du glücklich bist, kann ich es auch sein.

Wie ein Mantra wiederhole ich es in Gedanken immer und immer wieder. Nach ein paar Atemzügen beruhige ich mich tatsächlich wieder.
 

Als ich wieder klar sehe, erinnere ich mich daran, dass ich noch eine letzte Sache zu erledigen habe bevor wir gehen und wir ändern kurzerhand unser Ziel. Auf dem Weg kommen wir am Gelände unserer ehemaligen Schule vorbei. Ich kann nicht umhin die sehnsüchtigen Blicke der beiden zu bemerken. Mir wird wieder bewusst, dass sie noch nicht einmal einen Tag hier sind.
 

Sie haben sich das alles sicher auch anders vorgestellt. Noch bevor unser Abenteuer richtig begonnen hat, ist es auch schon wieder vorbei. Gestern Abend noch haben wir gemeinsam Pläne geschmiedet. Gelacht. Wir wollten wieder singen. Ich habe mitbekommen, dass ihre Vorfreude auf die Konzerte genauso groß war wie meine eigene. Sie wollten mir helfen Bunny zu finden. Ich glaube sogar ein Teil von ihnen hat insgeheim ebenfalls gehofft die Mädchen wieder zu sehen. Stattdessen akzeptieren sie meine Entscheidung ohne sie zu hinterfragen.
 

Mit einem mal habe ich wieder ihre Worte im Ohr.

“Wir hatten Angst, dass du dich in etwas verrennst und wir dachten, dass du vielleicht jemanden brauchst, der dir hilft die Dinge klar zu sehen.”

 

“Wir sind nicht gekommen, um dich davon abzuhalten, sondern weil wir nicht wollten, dass du das allein durchstehen musst.”
 

"Ihr habt gewusst, dass ich mich so entscheiden würde, nicht wahr?"

Als mir die Worte schließlich über die Lippen kommen ist es mehr eine Feststellung als eine Frage.
 

Sie müssen nichts sagen. Ich kann die Antwort in ihren Gesichtern lesen.
 

“Ich wünschte, wir...,” presst Yaten hervor und ringt nach Worten, die ausdrücken, was er eigentlich sagen möchte, “Wir hätten es dir gerne ersparen wollen.”
 

Ich merke wie er nach den richtigen Formulierungen tastet, als hätte er Angst auf ein Minenfeld zu treten. “Aber die Entscheidung musste von dir kommen.”
 

“...weil ich ein verdammter Sturkopf bin, der sowieso nicht auf euch gehört hätte,” beende ich seinen Satz. Als mir die Bitterkeit in meiner Stimme auffällt, tut es mir augenblicklich leid. Das haben sie nicht verdient.
 

“Manchmal ist der Wunsch der Vater des Gedanken,” erwidert Taiki. “Du hast dich im letzten Jahr so sehr darin verrannt, was hätte sein können, dass du die Realität komplett ausgeblendet hast; das was tatsächlich geschehen ist. Du wusstest es schon letztes Jahr und hast genau diese Entscheidung schon einmal getroffen. Genau wie sie. Du musstest herkommen und es für dich selbst erkennen.” Wenn er es sagt klingt es, als wäre es ein Naturgesetz; ein Satz aus einem seiner Lehrbücher. Ich höre trotzdem das Mitgefühl, dass in seiner Stimme mitschwingt. Sein Bedauern.
 

“...weil ich es sonst nie akzeptiert hätte. Ich sonst nie damit abschließen hätte können.”  
 

Als mir das ganze Ausmaß ihrer Unterstützung klar wird, spüre ich wie sich ein Kloß in meinem Hals bildet, den ich vergeblich versuche runterschlucken.
 

Ich rufe mir das letzte Jahr ins Gedächtnis.

Sie haben Recht und sie haben es schon lange vor mir gewusst. Das ganze letzte Jahr habe ich mich zurückgezogen; anderen die Rolle des glücklichen Seiya vorgespielt und das nicht einmal gut. Ich hätte mich wahrscheinlich selbst nicht ausstehen können, wenn ich mich selbst gesehen hätte. Sie haben nicht nur unter meine Maske geblickt. Sie haben mich gut genug gekannt, um mich den Ausweg selbst finden zu lassen. Jetzt halten sie mir beide Hände hin um mir wieder aufzuhelfen.
 

Ich nicke. "Ihr habt Recht. Ich war nicht ganz ich selbst. Das wird sich ändern."
 

Nicht sofort. Nicht von heute auf morgen. Aber irgendwann.

Ich kann nicht beschließen, sie nicht mehr zu lieben.

Aber ich kann die Perspektive ändern. Ich kann nach vorne blicken.

Und ich habe Hoffnung, dass ich irgendwann zurückblicken kann.

Ohne Sehnsucht oder Bedauern. Ohne was wäre wenn…
 

“Nicht auszuhalten warst du, eine echte Trantüte,” wirft Yaten ein.

Ich weiß dass es seine Art ist zu sagen “Schon in Ordnung.”

Obwohl mir nicht danach ist, muss ich unwillkürlich schmunzeln. Die Zeit der Samthandschuhe ist wohl vorbei. Es wäre nicht Yaten hätte sie lang angedauert.

Außerdem lag es ihm wahrscheinlich schon seit Monaten auf der Zunge...
 

Die Sonne geht bereits unter und färbt den Himmel in ein tiefes Orange als wir endlich am Haus der Tsukinos ankommen. Yaten und Taiki halten Abstand als ich zum Briefkasten gehe und nach dem Brief angle, den ich vor ein paar Tagen dagelassen habe. Das letzte Puzzlestück. Für einen Moment starre ich stumm Bunnys Namen an.

Dann falte ich ihn behutsam zusammen und stecke ihn ein.
 

Der letzte Strohhalm.

Ich lasse ihn los.
 

Dann wende ich mich meinen Brüdern zu.

“Gehen wir nach Hause…”

Ein neues Leben

Seiya
 

Wir brechen noch am gleichen Abend nach Kinmoku auf.
 

Als wir uns auf der Terrasse unseres Penthouses für die Abreise bereit machen, kommt es mir wie eine Ewigkeit vor, dass ich hier gelandet bin. In Wirklichkeit sind seitdem nur ein paar Tage vergangen.
 

Trotzdem kommt es mir vor, als wäre es damals und ich ein anderer gewesen. Und vielleicht ist das auch wirklich so.
 

Ich erinnere mich an den Enthusiasmus und die Vorfreude.
 

Wenn ich jetzt daran zurückdenke, muss ich wieder mit mir kämpfen. Gegen das Gefühl es als eine Niederlage anzusehen. Als hätte ich aufgegeben. Sie aufgegeben. Auch wenn ich weiß, dass es so nicht ist und nie sein wird.
 

Gleichzeitig ist mir bewusst, dass es die richtige Entscheidung ist.
 

Ein ganzes Jahr lang war es mein größter Wunsch zurück zu kommen. Aber was ich mir wirklich wünsche, war nie Realität und wird es auch nie sein. Jetzt verstehe auch die Notwendigkeit herzukommen, um es selbst zu sehen. Ich bin froh, zu wissen, dass es ihr gut geht. Wie Kakyuu gesagt hatte…
 

Sie wird immer einen besonderen Platz in meinem Herzen haben. Genauso wie meine Erinnerung an unser Traumland. Aber es ist ein Traum der größer ist als ich.

Und ich habe lange genug in einer Traumwelt gelebt.
 

Als wir dieses Mal abheben ist niemand da, um uns zu verabschieden. Wir gehen, wie wir gekommen sind: in aller Stille. Während unser Gebäude und die Stadt unter uns immer kleiner werden, sehe ich bewusst zurück. Ich erhasche einen Blick auf unsere Schule und die Lichter des Riesenrads funkeln aus der Ferne.
 

Ich kann nicht sagen, dass es dieses Mal nicht weh tut. Aber es ist leichter, weil ich weiß, dass ich zu Hause meine Familie haben werde.
 

Auf der Reise habe ich sehr viel Zeit nachzudenken. Über das Gefühlschaos der letzten Tage, Wochen und Monaten. Dass ich nach vorne blicken möchte und je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr kristallisiert sich eine Idee heraus.
 

Als wir endlich auf Kinmoku ankommen, sehe ich meine Heimat diesmal mit anderen Augen.

Jetzt fühlt es sich tatsächlich wie nach Hause kommen an. Als hätte ein Teil von mir im Jahr davor die Reise nicht mitgemacht.
 

Bei meinem Abschied vor einem Jahr habe ich noch gedacht, dass dies auch das Ende meines Lebens als Seiya sein würde. Mittlerweile bin ich mir nicht sicher, ob es nicht Fighter war, die in all der Zeit gefehlt hat.
 

Jetzt wird mir bewusst, dass es kein entweder oder ist. Nicht sein soll. Und auch nicht sein kann. Diese Zeit hat in so vieler Hinsicht Spuren hinterlassen, dass keiner von uns als derselbe zurückgekehrt ist. Wir kamen damals auf die Erde als Sailor Starlights mit einer Mission.
 

Gleichzeitig war es das erste Mal in unserem Leben, dass wir ein Leben abseits unseres Schicksals hatten, auch wenn es anfangs nur zum Schein war. Ein Leben in dem wir selbst frei bestimmen konnten, was wir tun möchten. Ich weiß nicht, wann aus Seiya mehr wurde als eine Tarnung.
 

Im letzten Jahr habe ich mich so in meine Trauer verrannt, dass ich diese Perspektive nie gesehen habe. Denn ich habe es sorgsam vermieden Erinnerungen an dieses Leben zu nahe an mich heranzulassen.
 

Aber unsere Rückkehr auf der Erde hat mir eines bewusst gemacht: es war die ganze Zeit das Größte für mich Musik zu machen. Jedes Mal, wenn ich nicht mehr weiter wusste; wenn ich einsam oder wütend war, war die Musik mein Zufluchtsort. Alleine die Aussicht darauf, wieder Three Lights sein zu können, hat fast freudige Ekstase in mir ausgelöst.
 

Als ich den anderen beim Abendessen von meiner Idee erzähle, wieder spielen zu wollen, kann ich die Aufregung darüber in ihren Gesichtern ablesen. Ich weiß nicht, ob sie insgeheim die ganze Zeit darauf gehofft haben.
 

Es wird nicht so sein wie Three Lights. Wir werden keine Stars sein oder davon Leben können. Aber im Grunde ging es auch nie um die vollen Konzerthallen. Es ging darum, in der Musik aufzugehen.
 

Ich möchte singen. Es ist etwas, auf das ich mich freue.
 

Und das ist ein Anfang.

Von dort werde ich weitersehen.
 

***

Wir sitzen noch lange zusammen, trinken Sirese und erzählen Yuuiren und Kakyuu unsere Erlebnisse von der Erde und irgendwann schlafe ich mit Yuuiren in meinen Armen ein.  
 

Als ich aufwache geht gerade erst die Sonne auf und taucht den Himmel in tausend verschiedene Rottöne. Es wird noch Stunden dauern, bis die anderen ebenfalls aufwachen. Ohne lange nachzudenken schnappe ich mir meine Gitarre und verlasse so lautlos wie möglich das Haus.
 

Hinter den Festungsmauern taucht die aufgehende Sonne den Horizont in ein Meer an Farben und lässt die Grenze zwischen Ozean und Himmel verschwimmen. Ich lasse mich auf meinem üblichen Platz nieder.
 

Anfangs zupfe ich nur gedankenlos die Saiten.

Irgendwann bemerke ich, dass ich selbst eine Melodie im Kopf habe und diese vor mich her summe. Als es mir bewusst wird, probiere ich verschiedene Akkorde aus.
 

Es kostet mich fast ein wenig Überwindung aber irgendwann fange ich an zu singen. Anfangs ist es kaum mehr als ein krächzendes Murmeln. Aber ich schließe die Augen und mache weiter. Es dauert eine Weile aber irgendwann fühlt sich meine Stimme nicht mehr fremd für mich selbst an und meine Finger fliegen fast wie von selbst über die Saiten. Ich muss nicht mehr nachdenken, die Melodie fließt von selbst.
 

***
 

“Seiya,” dringt irgendwann Yuuirens Stimme in mein Ohr und holt mich wieder in die Wirklichkeit. Ich kann sie nicht sehen, weil die Hügelkuppe mir die Sicht versperrt.

“Ich bin hier,” rufe ich ihr zu, obwohl ich mir sicher bin, dass sie weiß, wo ich bin.
 

Als ich auf die Uhr sehe, merke ich, dass ich seit Stunden hier sitze. Die Zeit ist wie im Flug vergangen. Es wundert mich fast, dass sie mich nicht eher gesucht hat. Es ist wohl Zeit für Frühstück. Mit einem Seufzen stehe ich auf und streiche mir den Staub von der Hose.
 

Als ich wieder aufblicke, bleibt mir das Herz stehen.
 

Yuuiren kommt fröhlich lächelnd auf mich zu.

Aber sie ist nicht allein.
 

An ihrer Hand führt sie Bunny mit sich.
 

Meine Welt steht still.  
 

Ich halte die Luft an und wage es nicht, mich zu bewegen oder auch nur blinzeln.

Keine Sekunde möchte ich sie aus den Augen lassen.
 

Kann es denn Wirklichkeit sein?

Wie oft bin ich schon in der gleichen Situation aus meinen Träumen erwacht?

So kurz vor dem Augenblick, in dem ich sie in meine Arme schließen konnte.
 

Jetzt steht sie vor mir.

Ein zaghaftes Lächeln umspielt ihre Lippen.
 

In meinem Kopf habe ich mir unzählige Szenarien ausgemalt, wie es sein würde, wenn ich sie wiedersehe. Nachts am Balkon. Im Riesenrad. Am Ende der Rolltreppe auf dem Flughafen. In dem Café, wenn ich nur diese letzten Schritte gemacht hätte. Die Träume eines ganzen Jahres. Ich sehe sie vor mir, wie sie über das Softballfeld auf mich zuläuft und mir in die Arme fällt. Ich kann den Geist ihrer Umarmung noch immer fast körperlich spüren.  
 

Sie hier unter dem gelben Himmel von Kinmoku zu sehen, ist eine Vorstellung, die ich nicht mal in meinen kühnsten Träumen zu hoffen gewagt hatte. Vielleicht fühlt es sich auch deshalb so unwirklich an.
 

“Auf Wiedersehen” waren die zwei Worte an die ich meine ganze Hoffnung geknüpft hatte obwohl es immer unmöglich schien.

Ich hatte angefangen zu akzeptieren, dass es niemals soweit kommen würde.

Und trotzdem stehst du jetzt hier vor mir. Einfach so.
 

Das orange Sonnenlicht gibt ihrem Gesicht einen Ton, der zu dem warmen Ausdruck ihrer Augen passt. Sie hat nie schöner ausgesehen.
 

Ich habe tausend Fragen im Sinn. Aber ich bin unfähig eine einzelne auszuwählen und noch weniger sie tatsächlich laut auszusprechen.
 

“Wie?”, ist das einzige Wort das ich über die Lippen bringe.

Die Antwort kann ich ihren Augen ablesen.
 

Es ist der gleiche warme Blick, der sich in mein Gedächtnis eingebrannt hat.  

“Ich wollte, dass du weißt, dass wenn wir nicht beide schon ein Schicksal hätten… ich wollen würde, dass du das meine wärst.”
 

Sie gibt mir keine Antwort. Stattdessen nimmt sie meine Hand und verschränkt meine Finger mit den ihren. Sie zeigt es mir.

Epilog: Wirklichkeit

Seiya
 

Mit ihrer Berührung übermittelt sie mir ein Bild. Ich sehe wie sie zu Jupiter aufsieht.

Ihr Gefühl dabei ist wie ein Spiegelbild meiner eigenen Sehnsucht.
 

“Wir haben uns ein Wiedersehen versprochen,” sie lächelt mich fröhlich an. Sie sagt es, als wäre sie mal eben aus der Nachbarschaft vorbeigekommen und nicht gerade durch die halbe Galaxie gereist.
 

Aus den Augenwinkeln nehme ich eine Bewegung wahr und erinnere mich wieder daran, dass Yuuiren bei uns ist. Als wir beide zu ihr hinuntersehen, schenkt sie uns ihr strahlendstes Lächeln.
 

"Du hast meine Schwester schon kennengelernt?", frage ich, obwohl es offensichtlich ist.

Bunny nickt. “Kakyuu meinte, dass sie mich zu dir führen würde.”
 

Yuuiren fordert uns auf zurück zu unserem Haus zu gehen, um dort gemeinsam zu essen.
 

Ich beiße mir auf die Lippen.

Eigentlich will ich nicht. Ich möchte hier bleiben, mit ihr. Verstehen, wie es auf einmal dazu kommt, dass sie hier ist und was es zu bedeuten hat.
 

Aber wann konnte ich Yuuiren je etwas abschlagen? Außerdem genügt ein Blick zu Bunny um zu sehen, dass sie sehr wohl hungrig ist. Ich bin immer wieder fasziniert, wie sie mit ihrer zarten Figur so viel essen kann. Allein bei bei dem Gedanken muss ich unwillkürlich den Kopf schütteln und gebe mich geschlagen.
 

Auf dem Weg zurück erzählt Yuuiren Bunny von Kinmoku, erklärt ihr die markantesten Gebäude der Festung und zeigt ihr die Wiese, auf der wir oft picknicken. Ich gehe neben ihnen her und frage mich, ob es an Yuuirens Bewunderung für die Mondprinzessin liegt oder es einfach Bunnys Gabe ist Menschen für sich zu gewinnen, denn die beiden gehen miteinander um, als würden sie sich schon lange kennen.
 

Als wir unsere Wohneinheit betreten sind Yaten und Taiki bei Bunnys Anblick zuerst genauso fassungslos wie ich es wohl war, nur um sie dann mit einer Überschwänglichkeit zu begrüßen, die ich von keinem von ihnen gewohnt bin. Yaten schließt Bunny in eine wortlose Umarmung und lässt sie lange nicht mehr los. Es macht mir wieder einmal bewusst, wie sehr dieser letzte Kampf alles verändert hat.
 

Taiki mag nicht gut darin sein, seine Gefühle in Worte zu fassen. Aber ich sehe, was er alles auftischt. Es ist seine Art sich um Menschen zu kümmern. Wir sitzen um den Tisch und ich beobachte Bunny, wie sie sich von Yuuiren die einzelnen Gerichte erklären lässt und von allem etwas probiert. Es sieht so selbstverständlich und behaglich aus, als würde sie schon immer hierher gehören.
 

Ich kann mich noch immer nicht davon abhalten sie anzustarren.

Sie hier auf Kinmoku zu erleben, ist die unwirklichste Sache, die ich mir vorstellen kann. Ein Teil von mir kann noch nicht immer glauben, dass es tatsächlich passiert. Als ob mein Gehirn nicht in der Lage wäre, diese zwei Welten - oder Leben - zusammen zu fügen.

Und doch es ist wahr.
 

Nachdem sich der erste Trubel gelegt hat, fühlt es sich fast so an, als wäre es nur eine längere Reise gewesen, die uns getrennt hat. Kein Jahr oder eine ganze Galaxie.
 

Bunny fragt, wie es uns seit unserem Abschied ergangen ist und Yaten und Taiki erzählen von unserer Rückkehr und unseren neuen Aufgaben. Sie deuten an, dass ich sie vermisst habe und ziehen mich ein wenig damit auf. Aber sie kommen damit nicht einmal annähernd der Wahrheit nahe. Sie erwähnen nicht, dass wir auf der Erde waren. Ich bin mir nicht sicher, ob ich ihr davon erzählen möchte. Zumindest nicht, bevor ich weiß was ihre Anwesenheit zu bedeuten hat.
 

Umgekehrt fragen Taiki und Yaten nach dem Leben auf der Erde.

Bunny fängt an von den Schlagzeilen zu berichten, die der Rückzug von Three Lights verursacht hat. Unser letztes Album hat als Folge davon wohl alle Rekorde geknackt. “Sie haben euer Lied pausenlos im Radio gespielt,” vielleicht bilde ich es mir ein, aber in ihrer Stimme klingt Wehmut mit.
 

Als sie beschreibt, was für ein Drama manche Mädchen wegen unserem Abschied gemacht haben, greift sich Taiki an den Kopf und Yaten verdreht theatralisch die Augen.
 

Als Yaten nach den anderen fragt, starrt sie einen Moment in ihre Teetasse, als könnte sie daraus die richtigen Worte lesen. Dann fängt sie an von der Schulabschlussfeier zu erzählen und den Plänen der anderen.
 

Ich bemerke, dass sich Taiki fast erleichtert zurücklehnt, als sie erwähnt, dass Ami an ihrer Wunsch-Universität angenommen wurde. Sie erzählt voller Begeisterung, dass Minako tatsächlich einen Plattenvertrag bekommen hat und von ihrem ersten Konzert in einem Club. Bunny war natürlich in der ersten Reihe dabei, um ihrer Freundin beizustehen. Ich sehe den Stolz in Yatens Augen aufblitzen. Mir kommt wieder seine Ungeduld in den Sinn als wir vor dem Café gestanden sind und ich frage mich, ob ich vielleicht nicht der Einzige war, für den es damals schwer war wieder zu gehen.
 

Mir fällt auch auf, dass sie nicht von sich selbst erzählt.
 

Irgendwann im Laufe des Nachmittags kommt auch Kakyuu zu uns. Sie ist es, die schließlich von unserem Pizza-Abend erzählt. Yaten läuft sofort puterrot an. Bunny kichert bei der Vorstellung von unseren missglückten Pizza-Versuchen. Während Kakyuu erzählt drifte ich mit den Gedanken wieder ab. Wie sehr habe ich mir damals gewünscht, dass sie hier wäre…
 

Ich hätte nie gedacht, dass ich dir diese Geschichte je erzählen könnte.

Jetzt sitzt du tatsächlich hier...
 

Bunny holt mich wieder in die Wirklichkeit, als sie mir leicht mit dem Ellbogen in die Rippen boxt und mich gleichzeitig mit gespielter Empörtheit von der Seite ansieht.

“Und ausgerechnet du hast dich über meinen Auftritt in der Kochsendung lustig gemacht…”
 

Danach kommt es, wie es kommen muss und wir schwelgen zusammen in Erinnerungen. Die Kochsendung, unsere Ausflug an den See, das Softball-Spiel.
 

Während die anderen reden, legt sie unter dem Tisch ihre Hand auf meine. Mein Herz fängt allein durch ihre Berührung an schneller zu schlagen. Ich verschränke wie zur Bestätigung meine Finger mit den ihren.
 

Yaten redet unterdessen weiter von dem chaotischen Abend in Bunnys Haus. Ich nehme es nicht wirklich wahr.
 

Für einen Moment sehen wir beide nur stumm auf unsere verschlungenen Hände hinunter, bis wir uns schließlich in die Augen sehen. Sie deutet ein Lächeln an. Mir geht das Herz auf.
 

Den anderen scheint es nicht entgangen zu sein, denn mit einem Mal kommt Unruhe auf und es geht plötzlich sehr schnell, dass sie versuchen Gründe zu finden, um ihren Abschied zu erklären. Kakyuu hat noch Termine wahrzunehmen und bittet Taiki sie zu begleiten. Yaten redet davon, dass er mit Yuuiren noch Besorgungen machen möchte. Sie hätten kaum weniger subtil sein können.
 

Innerhalb von ein paar Minuten bleiben Bunny und ich plötzlich alleine zurück. Ich habe tausend Fragen und bin gleichzeitig sprachlos. Die Stille im Raum ist plötzlich ohrenbetäubend.

“Möchtest du noch etwas Tee,” frage ich, unschlüssig was ich tun soll.

Sie schüttelt nur stumm den Kopf.
 

“Vielleicht könnten wir spazieren gehen.”

Ich nicke und bin insgeheim dankbar dafür.
 

****
 

Als wir aus der Tür treten, geht die Sonne bereits unter und bei dem Anblick kommt mir ein Gedanke.

“Komm mit,” fordere ich sie auf "ich möchte dir etwas zeigen." Sie folgt mir den kurzen Weg hinauf auf die Festungsmauern.
 

Es ist mein Lieblingsplatz um diese Tageszeit. Die Fenster der roten Sandsteingebäude auf dem Festland spiegeln die schwächer werdenden Sonnenstrahlen wieder und erwecken den Eindruck, als würde die Stadt einschließlich des Wassers zwischen der Festung und dem Land in Feuer stehen.
 

Ich bin jedes Mal fasziniert, wie diese letzten schwachen Strahlen die Stadt in eine magische Stimmung hüllen. Ich sehe zu Bunny. Das Staunen in ihren Augen verrät mir, dass es ihr genauso geht. “Es ist wunderschön,” murmelt sie und stützt sich mit den Unterarmen auf die Festungsmauern. Eine Zeit lang verweilen wir einfach nur stumm und beobachten das Schauspiel.
 

“Du hättest sehen sollen, was hier los war, als wir zurückgekommen sind,” sage ich ihr und beginne von dem Tag unserer Rückkehr zu erzählen. Von den Menschenmassen, die sich nicht nur in der Festung sondern auch auf den Brücken und in der Stadt versammelt haben. Ich versuche, ihr den Enthusiasmus zu beschreiben und erzähle von den Liedern, die sie gesungen haben. Bunny hört aufmerksam zu. “Ich habe mir die ganze Zeit gewünscht, dass du all das selbst sehen könntest,” sage ich ihr. Es ist die Wahrheit und doch drückt es nicht einmal annähernd aus, was ich ihr wirklich sagen möchte.
 

“Ich habe oft versucht mir vorzustellen, wie es in deiner Heimat ist,” erwidert sie ohne mich anzusehen. “Ich hatte keine Ahnung.” Es klingt nicht wie eine bloße Feststellung, sondern als würde Bedauern in ihrer Stimme mitschwingen.
 

“Auf der Erde war von einem Tag auf den anderen alles wie immer. Die Menschen konnten sich nicht erinnern. Wir sind am Tag nach eurem Abschied zur Schule gegangen, als wäre nichts gewesen...” Einen Teil davon hat sie schon vorhin beim Essen erzählt. Jetzt klingt es, als würde sie noch etwas sagen wollen. Ihre Worte hängen in der Luft. Aber sie sagt nichts.
 

Wir gehen langsam weiter. Ich beginne von Yuuiren zu erzählen, und dass ich mir nie erhofft hätte, sie wieder zu sehen. Ich versuche ihr zu erklären, wie es mir geholfen hat wieder in mein Leben zu finden, einen Alltag aufzubauen. Mir fehlt der Mut ihr zu gestehen, dass ich ihr all das in so vielen Nächten oben auf dem Hügel bereits erzählt habe.
 

Seit unserem ersten Treffen habe ich mein Herz auf der Zunge getragen. Jetzt hält mich etwas davon zurück. Vielleicht ist es Angst. Denn wie viel Glück kann ein Mensch schon haben? Ganz besonders dann, wenn selbst das Schicksal gegen mich ist.
 

Seit sie mir ihre Gefühle offenbart hat, habe ich nie an ihren Worten gezweifelt.

Aber ich weiß, dass sie Mamoru hat, dass sie ihn trotz allem liebt und dass er ihr Schicksal ist.

Was macht es für einen Unterschied, wenn ich ihr ein weiteres Mal mein Herz ausschütte?

Wir haben uns ein Wiedersehen versprochen. Mehr nicht.
 

Ich erinnere mich daran, dass ich schon aufgegeben hatte, sie je wieder zu sehen und sage mir, dass ich glücklich darüber bin, dass sie hier ist. Dass es nicht mehr braucht. Dass es mir immer genügt hat in ihrer Nähe zu sein.
 

Ich glaube es ist Selbstschutz, der es mir nicht erlaubt, auf mehr zu hoffen. Genau wie er mich davon abhält mehr zu sagen, weil ich dann nicht nur mir selbst eingestehen würde, dass ich mich selbst belüge.
 

Deshalb erzähle ich weiter von unserem neuen Leben auf Kinmoku. Ich beschreibe ihr wie Yuuiren seit unserer Rückkehr mit jedem Tag ein wenig mehr aufblüht und dass Taiki in seiner neuen Aufgabe vollkommen aufzugehen scheint. Mir kommen viele kleine Anekdoten aus unserem Alltag in den Sinn. Noch während ich sie erzähle, bin ich mir nicht sicher, ob sie sie genauso lustig findet wie ich oder sie überhaupt nachvollziehen kann. Ich erzähle sie trotzdem, weil ich mir so oft gewünscht habe, dass sie dabei gewesen wäre und weil sie es in gewisser Weise auch die ganze Zeit war. Bunny hört die ganze Zeit meist schweigend zu.
 

Inzwischen haben mir auf unserem Weg entlang der Festungsmauern, den hinteren Teil der Insel erreicht und stehen am Fuße des Hügels, unterhalb des Schreins.
 

Als ich sie jetzt unter dem Sternenlicht ansehe, wird mir bewusst, dass gerade ein weiterer meiner Wünsche in Erfüllung geht, wie so viele andere auch im Laufe des Tages.
 

Ich wünschte, du könntest sie kennenlernen.

Ich wünschte, du hättest die Freude der Menschen heute sehen können.

… weil wir das alles dir zu verdanken haben.

Ich wünschte, du wärst hier...
 

Als ich fertig bin, beginnt sie im Gegenzug vom Leben auf der Erde zu erzählen. Am Anfang wiederholt sie, was sie zuvor schon den anderen erzählt hat. Und dann auch wieder nicht. Sie vermischt die Geschehnisse aus dem letzten Jahr mit Erinnerungen an unsere gemeinsame Zeit. Wenn sie davon redet, fühlt es sich an, als wäre ich auf einer Zeitreise. Anders als vorhin, sind es auch nicht bloß Fakten, die sie aufzählt. Jetzt, wo wir allein sind, beginnt sie auch zu erzählen, wie es ihr dabei gegangen ist und auf einmal beginnt alles eine ganz andere Farbe anzunehmen.
 

“Die Mädchen in der Schule machen alle ein Drama daraus, dass ihr nicht mehr auftretet.”

Es ist die Version, die sie auch den anderen erzählt hat.
 

“Dabei kennen sie euch nicht mal. Sie wissen nicht, dass ihr nicht mehr auf der Erde seid. ”, fügt sie jetzt hinzu, und ihr genervter Unterton weicht Traurigkeit.

Mir wird klar, was sie vorhin ungesagt ließ.

“Sie haben überall euer Lied gespielt. Ihr wart in jeder Zeitschrift, auf Postern, im Fernsehen... Aber du hast gefehlt.”

Bei ihren Worten habe ich wieder ihre Erinnerung vor Augen, als sie nachts am Balkon zu Jupiter sieht.
 

In dem Moment merke ich auch, dass sie mit ”Du hast gefehlt.” das gleiche meint, wie ich mit ”Du warst die ganze Zeit hier.”

Es macht mich mutig und ich nehme mir ein  Herz.
 

“Ich war da,” platzt es aus mir heraus und noch bevor ich weiter darüber nachdenken kann, beginne ich ihr von meiner Suche zu erzählen.
 

Ich beginne nicht bei meiner Reise zur Erde, sondern am Anfang. Ich erzähle von dem Abend, als wir nach Kinmoku zurückgekehrt sind. Als ich mich rausgeschlichen habe und meinen Weg zu dem Schrein gefunden habe. Von stummen Gesprächen. Von Träumen und Sehnsucht. Sie macht große Augen als sie hört, dass ich auf der Erde war, aber lässt mich weiter erzählen ohne mich zu unterbrechen
 

Bis ich schließlich bei dem Moment vor dem Café angekommen bin. Anfangs bin ich mir nicht sicher, ob ich es richtig ausdrücke. Ob sie meine Beweggründe auch richtig versteht.
 

Ich bin mir selbst nicht sicher, ob ich es überhaupt in Worte fassen kann.

"Du hattest dich schon einmal entschieden und ich habe gesehen, was es dir abverlangt hat. Ich wollte dich nicht noch einmal in diese Situation bringen." Im dem Moment als mir die Worte über die Lippen kommen, hätte ich sie am liebsten wieder zurück genommen - weil es selbst für mich viel zu banal klingt.
 

Aber sie beginnt zu reden, noch bevor ich mich erklären kann.

"Ich war vierzehn als mir Luna von meiner Bestimmung erzählt hat," flüstert sie. "Und keine zwei Jahre später habe ich erfahren, wie meine Zukunft aussehen wird. Mein ganzes Leben lang wurden mir Entscheidungen abgenommen. Und ich habe es geschehen lassen." Sie sieht mich nicht an sondern blickt hinaus aufs Meer. “Mittlerweile bin ich mir nicht sicher, ob es immer das richtige war.”
 

Sie verstummt für einen Moment.

Spätestens jetzt ist mir klar, dass sie diesen Part nie vor den anderen erzählt hätte.

"Vielleicht war es unser Schulabschluss. Bisher hat es immer eine ganz klare Linie gegeben, die für alle gleich war. Nach der Grundschule kam die Mittelschule und danach die Oberstufe. Es ist immer weitergegangen. Dann haben auf einmal alle angefangen Pläne zu schmieden... für danach.” Wieder nimmt ihre Stimme einen melancholischen Klang an.

“Auf einmal hatten alle die Wahl. Ami wird endlich studieren und Makoto irgendwann ihre eigene Konditorei eröffnen, das war schon immer klar. Aber vielleicht finden sie auch etwas anderes, das ihnen gefällt, wer weiß? Wir sind ja schließlich alle noch jung, oder?”

In ihrer Stimme klingt eine Ironie mit, die ich nicht von ihr gewohnt bin. Es beunruhigt mich.

Noch bevor ich weiß, was ich erwidern kann oder sollte, fährt sie fort.
 

“Ich beneide Minako darum, dass sie den Mut hat, es mit einer Musikkarriere zu versuchen, ganz egal wie es ausgeht... Kannst du dich noch an Umino erinnern? Vor ein paar Jahren war er der schrulligste Streber auf der ganzen Schule. Er wird nach Yale gehen - keiner wird dort davon wissen, er kann sich völlig neu erfinden und sein wer auch immer er will. Naru ist in Europa. Sie schickt mir regelmäßig Fotos und erzählt mir die verrücktesten Geschichten. Letzte Woche ist sie im Interrail-Zug eingeschlafen und wusste nicht einmal in welchem Land sie war, als sie aufgewacht ist.”
 

Langsam wird mir klar worauf sie hinaus will und mich überkommt das Bedürfnis sie in die Arme zu nehmen.
 

“Meine Eltern fragen mich die ganze Zeit, was ich machen möchte. Aber ich kann mich für nichts begeistern, weil ich die ganze Zeit im Hinterkopf habe, dass es egal ist. Wenn ich so weit wäre, das Studium abzuschließen, steht Crystal Tokyo kurz bevor. Mir wurde immer nur gesagt, dass ich die Zukunft beschützen muss. Ich hatte nie eine Wahl. ”
 

Sie so reden zu hören, allein ihr Anblick, tut mir selbst im Herzen weh. Aber sie lässt mich ein weiteres Mal nicht zu Wort kommen.
 

“Rei hat mich gebeten ihre erste Brautjungfer zu sein,” fährt sie fort und ich versuche zu verstehen, wie das mit den anderen zusammenhängt. Sie versucht mir zu beschreiben, wie sehr sie die Beziehung der beiden, besonders in den letzten Monaten fasziniert.

“Sie sind so komplett unterschiedlich. Sie streiten sich ständig, diskutieren und gleichzeitig arbeiten sie doch Hand in Hand. Mehr noch, sie spornen sich gegenseitig zu Höchstleistungen an.” Ich kann die Bewunderung in ihrer Stimme hören. “Ich freue mich wirklich für die beiden, dass sie heiraten.”
 

“Sie war es, die mich hergeschickt hat,” fügt sie nach einer kurzen Pause hinzu aus und damit überrascht sie mich. Ich kann mich noch gut erinnern, dass gerade Rei sie immer wieder an Mamoru erinnert hat.
 

“Wir waren bei ihr zu Hause, um die Hochzeit zu planen und ich habe ihr das gleiche gesagt, wie dir gerade. Und dann hat sie mich darauf angesprochen, ob ich mir nicht das gleiche wünsche…mit Mamoru”, ich merke, dass es ihr nicht leicht fällt, es auszusprechen. Sie spricht trotzdem weiter und erzählt, wie Rei ihr in ihrer typischen beinharten Art und Weise einen Spiegel vorgehalten hat.
 

“Sie hat mich damit konfrontiert und mir klar gemacht, dass es Dinge gibt, die ich nicht beeinflussen kann. Ich werde immer besondere Kräfte haben und das ist eine Tatsache. Diesen Pflichten werde ich nie entgehen können.” Wir sehen uns an und es ist klar, dass wir beide wissen, dass sie mir nicht erklären braucht, wie es ist als Sailor Kriegerin geboren zu werde.

“Aber sie hat auch gesagt, dass es meine einzige Pflicht ist, die Menschen und ihren Planeten zu beschützen und sie mich gut genug kennt, um zu wissen, dass ich das immer tun werde.”
 

Sie verstummt abermals und ich kann merken wie sie nach Worten sucht. “Sie hat auch gesagt, dass ich genauso, wie jeder andere das Recht habe mein Glück zu finden.”
 

Schließlich bleibt sie stehen und nimmt meine Hand.
 

In meinem Kopf hallt plötzlich Reis Frage wieder. “Was möchtest du wirklich Bunny?”

Daraufhin sehe ich in Bunnys Reaktion hunderte Bilder an ihrem inneren Auge vorbeiziehen. Ich kenne sie alle. Ich habe sie jede Nacht vor Augen.
 

Es dauert nur den Bruchteil einer Sekunde, aber diese eine Erinnerung genügt, um all die unsichtbaren Barrieren niederzureißen, die mich bis jetzt zurückgehalten haben.
 

Diesen einen letzten fehlenden Schritt aufeinander zu, machen wir gleichzeitig.

Ich ziehe sie an mich. Wahrscheinlich heftiger, als ich gewollt habe und umschließe ihr Gesicht mit beiden Händen.
 

Es ist nicht unser erster Kuss und trotzdem fühlt es sich neu an.

Weil es mich diesmal nicht überrascht. Weil es nicht im Bruchteil einer Sekunde passiert.

Ich kann spüren, dass es nicht nur meine Sehnsucht ist.
 

Es ist kein “Was wäre wenn...” oder “Ich wünschte…” .

Es ist “Ich will…”
 

Dieses Mal fühlt es sich an, als würden wir wie zwei Magnete voneinander angezogen.

Genauso schwer ist es auch mich wieder von ihr zu lösen.
 

Aber schließlich geht auch dieser Kuss irgendwann zu Ende.
 

Unsere Gesichter sind nur Zentimeter voneinander entfernt.

Ich weiß nicht, auf welche Reaktion ich hoffe oder warte. Wir sehen uns an. Sie lächelt mich an und der warme Ausdruck in ihren Augen beseitigt meine sämtlichen Zweifel.
 

Wie ganz selbstverständlich lässt sich Bunny im Gras nieder und ich tue es ihr gleich.

Wir beginnen über Nichtigkeiten zu reden und gleichzeitig habe ich das Gefühl ihr zum ersten Mal ehrlich erklären zu können, wie es mir wirklich gegangen ist. Mit einem Mal scheint es, als wäre ein Bann gebrochen und die alte Vertrautheit wieder da. Wie damals auf dem Softballfeld, als wir uns alles sagen konnten. Vielleicht ist es auch einfach die gegenseitige Gewissheit, dass sich zwischen uns nichts geändert hat.
 

Noch sicherer bin ich mir dessen, als wir aufhören zu reden und einfach nur stumm die Nähe des anderen genießen. Bunny hat ihren Kopf auf meine Brust gelegt und liegt in meinem Arm. Während wir beide schweigend den Sternenhimmel beobachten fährt sie mit ihren Fingerspitzen sanft über meine Hände.
 

“Schätzchen…?”, frage ich in die Dunkelheit nachdem ich endlich den Mut gefasst habe, die Frage zu stellen, die mir schon den ganzen Tag auf der Zunge brennt.
 

“Hmm?”, höre ich eine schwache Reaktion von ihr und mir fällt auf wie müde sie nach ihrer Reise sein muss.
 

“Wirst du bei mir bleiben?”
 

Ihre Antwort ist ein kaum hörbares Murmeln, bevor sie endgültig in den Schlaf fällt.

Mehr brauche ich auch nicht.
 

Bevor mich selbst die Müdigkeit übermannt und ich ebenfalls in den Schlaf abdrifte, blicke ich ein letztes Mal zu Jupiter und schicke in Gedanken ein stummes “Danke” in die Unendlichkeit.
 

Im Geiste hake ich einen weiteren Punkt auf meiner Liste von unserem Traumland ab. Einen unter vielen, die im Laufe eines einzigen Tages wahr geworden sind.
 

Zum ersten Mal klammere ich mich nicht an Träume, sondern möchte im Augenblick versinken.



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Kommentare zu dieser Fanfic (4)

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Von:  Seiya_
2024-03-16T23:55:13+00:00 17.03.2024 00:55
Was für eine wundervolle Geschichte über Seiya und Bunny <3 Ich bin fast ein bisschen traurig dass sie schon zu Ende ist :)
Du hast einen tolle Art zu schreiben, von dir würde ich tatsächlich gerne noch mehr lesen :)


Von:  Sanguisdeci
2020-12-16T20:45:18+00:00 16.12.2020 21:45
Waaaaah, Zucker! Einfach nur Zucker *.* Sehr schön geschrieben! Danke für diese wundervolle Überraschung heute!
Antwort von: abgemeldet
16.12.2020 23:08
:):):) Schön, wenn ich dir damit eine Freude machen konnte! Solche Kommentare sind für mich die schönsten :)
Von:  Sanguisdeci
2020-12-11T08:23:24+00:00 11.12.2020 09:23
Jetzt hab ich Pipi in den Augen ;-;

Sehr schön geschrieben! Ich bin gespannt, wie es weitergehen wird. Und ich bin gespannt, ob dieses Kapitel noch einen Namen erhält.

Mach weiter so <3
Antwort von: abgemeldet
11.12.2020 20:13
Huch, jetzt hab ich doch glatt den Kapitelnamen vergessen - ist schon ausgebessert :) Vielen Dank für deinen Kommentar, ich hab mich sehr darüber gefreut :)

Antwort von:  Sanguisdeci
11.12.2020 21:41
Mit Schrecken sehe ich, dass ich tatsächlich erst nun nach Kapitel 11 etwas schrieb. Und dann auch noch sträflich kurz O_o SORRY! Du hast etwas Ausführlicheres verdient!

Wie bereits oben erwähnt, finde ich deine Geschichte sehr schön geschrieben. Der Lesefluss ist toll und ich kann mich jederzeit hervorragend in die Personen hineinversetzen. Ebenso finde ich es sehr schön, wie du durch den Verlauf und die Perspektivwechsel Spannung erzeugt hast und sie aufrecht erhälst!

Ich hoffe, an dieser Stelle wird die Geschichte nicht enden. Immerhin scheint der Titel ja nicht nur auf eine Person zuzutreffen. Zugleich bin ich aber sehr gespannt, wie du die Geschichte von hier an weiterentwickeln wirst (und ich hoffe, das wirst du °.°). Ich werde zumindest weiterhin mitlesen (auch wenn ich meist selten kommentiere). Bis hierhin habe ich mich an jedem Kapitel sehr freuen können :-)


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