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NOT HIM

von

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Salat

Jun schob seine Brille wieder etwas höher auf die Nase und versuchte sich angestrengt auf den Bildschirm vor sich zu konzentrieren, dann flogen seine Finger nur so über die Tastatur.

Gerade als er richtig schön im Fluss war wurde er natürlich mal wieder unterbrochen.

"Hast du schon gehört mit wem du ab Morgen zusammen arbeiten wirst?", fragte Nancy schadenfroh und trank einen Schluck Kaffee wobei sie am Tassenrand einen leuchtend roten Lippenstift Abdruck hinter lies.

Nun hatte sie doch seine volle Aufmerksamkeit.

"So schnell? Ich dachte das Bewerbungsverfahren läuft noch 4 Wochen?"

Er wartete schon ewig auf ein wenig kompetentere Unterstützung. Auch wenn er lieber allein arbeitete.

Jemanden zum delegieren zu haben wäre mal ganz angenehm.

Natürlich lies sie sich unangenehm viel Zeit mit der Antwort.

News und Tratsch waren wohl in jedem Büro wertvolles Gut und gerade Nancy war bekannt für ihre dramatischen Pausen.

Jun wurde langsam ungeduldig.

"Sagst du es mir jetzt oder lässt du mich weiter arbeiten? Ich muss das hier bis morgen fertig haben."

Sie hätte es sowieso nicht mehr länger für sich behalten können.

"Es geht so schnell, weil sie es intern besetzten. Die schicken uns-"

Plötzlich drehte sich Jun der Magen um.

"Bitte sag es nicht...", stöhnte er und rieb sich über die Stirn. Schon seit er morgens um 5:30 aufgewacht war hielten diese nervtötenden Kopfschmerzen an.

"Sie schicken uns Eric runter.", strahlte sie und klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter.

"Neiiinnn....", ächzte Jun und lies seine Stirn auf den Schreibtisch sinken, "Womit hab ich das verdient?!"

Nancy zuckte mit den Schultern:

"Freu dich doch. Du hast dich doch permanent beschwert dass euch hier in der Abteilung Leute fehlen und Eric ist ein Genie und...", sie zwinkerte ihm zu, "und sein wir ehrlich er ist zum Anbeissen."

"Du kannst ihn gerne anbeissen. Iss ihn gleich ganz auf! Wenn der zu uns wechselt kündige ich nämlich.", murrte Jun resigniert.

"Das hast du diesen Monat schon 6 Mal gesagt und ...du bist immer noch hier. Sie lieber zu, dass du den Schreibtisch da aufräumst damit er Platz hat."

Jun's Augen weiteten sich:

"Er kommt neben mich?!"

So hatte er das mit dem neuen Personal nicht gemeint. Er wollte allein arbeiten und in Ruhe. Da waren doch noch genug andere freie Plätze!

"Jepp, das war meine Idee. Du breitest dich hier viel zu viel aus seit Kelly nicht mehr da ist."

"Ich will Kelly zurück...", jammerte er.

"Ich dachte mit der konntest du auch nicht?"

"Alles ist besser als Eric!"

Sie grinste nur und stöckelte weiter: "Das wird schon!"
 

Ja, jetzt war es endgültig vorbei mit der Konzentration.

Für den auch noch aufräumen?!, Jun sah argwöhnisch auf den Schreibtisch der direkt an seinen grenzte, sie würden sich also direkt gegenüber sitzen...Bildschirmrückseite an Bildschirmrückseite...

Was für ein Albtraum!

Sein Blick wanderte weiter über den anderen Schreibtisch auf dem er aktuell alles mögliche zwischenlagerte.

Der Platz würde ihm wirklich fehlen....

Vielleicht hätte er lieber die Klappe halten und sich nicht andauernd über die Personalsituation beschweren sollen.

Manchmal war das gewohnte Übel doch viel angenehmer als neues Übel vor allem wenn es Eric hieß...

Seit er Eric kannte hatte er nur unangenehme Begegnungen mit ihm gehabt.

Außerdem hatte der Typ vor einem Jahr die Stelle bekommen auf die Jun sich ebenfalls beworben hatte.

Und jetzt lies er sie einfach so wieder fallen?

Jun zerknüllte einen Zettel in der Hand. Was er direkt danach bereute weil er die darauf notierten Daten noch dringend brauchte.

Heute war nicht sein Tag.

Das war's....Blackout....

Es hatte gerade einfach keinen Sinn mehr.

Widerwillig rollte er mit seinem Stuhl zurück und ging in die Mitarbeiterküche um eine kurze Pause zu machen und seinen ....

Er blieb mitten in der Tür stehen.

Eric lehnte gegen die Küchenzeile gleich neben der Kaffeemaschine und .....aß Salat. Jun's Salat.

Wenn es möglich wäre vor Wut zu explodieren, dann war er gerade definitiv kurz davor.

Er räusperte sich und musterte den anderen so vorwurfsvoll wie möglich.

Es dauerte einen Moment bis dieser zu ihm rüber sah.
 

Zum ersten Mal bemerkte Jun, dass Eric zwei verschiedene Augenfarben hatte.

Das lies ihn kurz zögern, doch dann atmete er tief durch und kam näher:

"Hast du den Zettel nicht gesehen? Das ist meiner.."

"Oh sorry. Willst du ihn wieder haben?"

"Nein jetzt nicht mehr. Was machst du hier?"

"Ich fange morgen hier an und wollte mir schon mal alles ansehen. Ich muss jetzt auch wieder hoch. Letztes Meeting oben.", er wandte sich zum Gehen, natürlich mit dem Salat.

"Eric warte.", rief Jun.

"Kennen wir uns?"

Jun fiel alles aus dem Gesicht.

War das jetzt sein beschissener Ernst?!

"Ähm Ja?! Ich bin's Jun. Wir haben uns schon dutzende Male getroffen."

"Wirklich?", Eric hob skeptisch eine Braue. "Sorry es ist ein großes Unternehmen."

"Wir haben uns vorgestern erst im Fahrstuhl über das neue Programm unterhalten...."

"Sorry ich kann mir wirklich nicht jedes Gesicht merken."

"Wieso bleibst du nicht oben? Den Job hast du doch erst ein Jahr.", war Jun's verzweifelter letzter Versuch dieses Unheil abzuwenden.

Eric wollte gerade antworten, als er einen Blick auf die Uhr warf und es auf einmal sehr eilig hatte:

"Tut mir leid Kleiner, ich muss wirklich los. Wir sehen uns John."

"JUN!", rief Jun ihm noch hinter her doch Eric hörte ihn schon gar nicht mehr.

Darauf brauchte er jetzt erstmal einen Kaffee.

Wie erniedrigend...während er Eric aus der Ferne verabscheute wusste der nicht einmal mehr seinen Namen...

Für einen kurzen Moment zog er ernsthaft in Erwägung sich morgen krank zu melden.

Das hatte er noch nie getan. Wirklich noch nie.

Was sagte man da so wenn man nicht wirklich krank war?

Statt weiter zu arbeiten begann er glaubwürdige, plötzliche Erkrankungen zu googlen.
 

"Und freust du dich schon auf Morgen?", flötete Nancy, die ihm etwas zum unterschreiben vorbei brachte.

"Er war eben hier....und wusste nicht mehr wer ich bin....."

"Vielleicht wegen der Brille. Die hast du doch erst ein paar Wochen."

"Nancy willst du mich verarschen ich bin der einzige Asiate in der Abteilung."

Ich habe Wiedererkennungswert

"Zur Hälfte.", meinte sie.

Und er rollte mit den Augen.

Derweil stand Eric Salat essend im Fahrstuhl und dachte an Jun's aufgebrachtes Gesicht zurück. Man, er liebte es den Kleinen zu provozieren. Natürlich konnte er sich erinnern. Aber es machte viel mehr Spaß den anderen auf die Palme zu bringen.

Um die interne Versetzung hatte er tatsächlich wegen Jun gebeten. Trotz all der Neckereien glaubte er daran, dass Jun wirklich etwas auf dem Kasten hatte und ihn weiter bringen könnte. Außerdem störte es ihn dass Jun sich vieles verbaute weil er am liebsten allein arbeitete. Davon würde er sich jetzt allerdings verabschieden müssen, denn so leicht wie Kelly lies Eric sich ganz bestimmt nicht vergraulen.

Grinsend stieg er aus dem Fahrstuhl und klopfte kurz an, ehe er die Tür des Besprechungszimmers öffnete.

Endlich das letzte Meeting hier oben.

Das war wirklich das langweiligste Jahr seiner ganzen beruflichen Laufbahn gewesen und wieso Jun damals so scharf auf den Posten gewesen war konnte er sich beim besten Willen nicht erklären, der wäre hier nämlich aufgefressen worden.

Ob Jun morgen überhaupt zur Arbeit kommen würde?

Eric schmunzelte und drehte einen Kugelschreiber in seiner Hand.

Vermutlich nicht.

A long long long day

Nancy schüttelte verständnislos den Kopf:

"Eric steht doch auch auf Männer ich dachte ihr versteht euch."

"Verstehst du dich mit allen heterosexuellen Menschen auf dieser Welt?", manchmal wusste Jun wirklich nicht wieso er sooft und soviel Zeit mit ihr verbrachte. Auf der anderen Seite konnte es auch manchmal ganz erfrischend sein wenn jemand einfach so unbedarft erzählte was er eben so dachte.

"Jetzt sei nicht so zickig!", schmollte sie und zog ihren Trenchcoat an.

Draußen wirbelten bunte Herbstblätter über den Gehweg.

"Ich muss meinen Bus bekommen. Wir sehen uns morgen früh!", rief er und rannte los.

Von wegen morgen früh! Ha! Morgen früh würde er ganz überraschend eine schwere Erkältung entwickeln.

Keine Zehn Pferde würden ihn morgen ins Büro bekommen.
 

Zu Hause angekommen lief Jun erstmal direkt zur Heizung und drehte sie auf.

Eben war doch noch Sommer gewesen?

Und jetzt war der Herbst schon da mit allem was dazu gehörte.

Nachdenklich lies er seine Sachen fallen und ging sich in der Küche eine heisse Schokolade machen.

"Hey du bist ja schon da.", rief Lena aus dem Bad und steckte kurz ihren Kopf raus.

Auf dem Gesicht hatte sie eine gräuliche Gesichtsmaske aufgetragen, ihr rosa Bademantel war offen und darunter trug sie lediglich Hotpants.

Jun verdeckte sich die Augen:

"Was haben wir übers Nackt-sein in der Wohnung gesagt?"

"Man bist du Prüde...", murrte sie und schloss den Bademantel schnell.

Er fand sich nicht prüde. Er kannte sie nur noch gar nicht so lange und war sowas einfach nicht gewöhnt.

Natürlich hätte er auch allein eine Wohnung finanzieren können, aber durch das WG-Leben ging das Sparen viel schneller und er hatte noch ein paar Ziele, auf die er nicht allzu lange warten wollte.

So richtig nach Reden und sozialem Umgang war ihm heute irgendwie gar nicht mehr, also verzog er sich gleich in sein Zimmer, trank seine Tasse leer und war mit den Gedanken bereits beim nächsten Tag.

Der kam dann auch noch viel schneller als im lieb war.
 

Um 5:30 schaltete er den Alarm aus und quälte sich förmlich aus dem Bett.

Natürlich brachte er es nicht fertig sich heute einfach krank zu melden.

Und wirklich besser machen würde es ja auch nichts. Immerhin würde Eric ja auch morgen noch da sein.

Furchtbar..

Eine Weile später schlich er sich unwillig an seinen Arbeitsplatz und war erleichtert, dass er hier noch allein war.

Hatte er zumindest gedacht.

Gerade als er den Rechner hoch fuhr, kam Eric mit hochgekrempelten Ärmeln und ungewohnter weise nicht im Anzug um die Ecke. Im Arm hielt er einen Karton voller Akten, den er gleich neben seinem Schreibtisch absetzte.

"Morgen Jake.", grinste er und lieh sich ohne zu fragen Jun's Locher aus.

"Jun...", murmelte Jun mal wieder. Zum gefühlt hundertsten Mal.

Eric sah zu ihm rüber: "Hast du was gesagt?"

"Nein..."

"Hey komm mal rum du musst mir was freischalten. Mein Zugang wurde noch nicht aktiviert."

"Oh sorry ich muss auf Toilette.", war Jun's knappe Antwort und dann lief er auch schon mit eiligen Schritten weg.

Ha! Endlich war Eric mal auf ihn angewiesen. Na den würde er jetzt aber zappeln lassen.

Grinsend kam Jun von der Toilette wieder, schon fiel ihm die Kinnlade runter.

Eric war regelrecht umzingelt. Nancy, Vanessa, Isabelle, Mike, Melly, Thomas, Tina, sogar Ricky?!

VERRÄTER allesamt!, dachte Jun und sank in seinen Stuhl zurück.

Natürlich hatte Nancy sich direkt Zeit genommen und das volle Programm für ihn aktiviert.

Da war er hin sein einziger Joker..denn eingearbeitet werden musste Eric nicht.

Als die Meute endlich abgezogen war., versuchte Jun seinen Bildschirm so zu verschieben, dass er wenigstens nicht die ganze Zeit Eric's Gesicht sehen musste.

Die Zeit verging so unglaublich langsam

3 Stunden später musste Eric wenigstens mal nach oben.

Endlich Ruhe...

Jun tastete nach seinem Kugelschreiber...

Verärgert stand er auf ging um seinen Schreibtisch rum.

Dabei blieb sein Blick an dem Bild hängen, dass Eric neben dem Bildschirm aufgestellt hatte und das er bis jetzt nur von hinten gesehen hatte.

Darauf war Eric mit einem anderen Mann zu sehen und zwischen ihnen stand ein kleines Mädchen, vielleicht 10 Jahre alt? mit Sommersprossen und wuscheligen blonden Haaren.

Was......?

Bisher hatte er Eric immer für einen unausstehlichen, arroganten Einzelgänger gehalten.

Die drei sahen sogar recht glücklich aus.

"Hey was machst du da?", rief Eric.

Jun schnappte sich schnell den Kugelschreiber zurück und ging eilig wieder auf seine Seite.

"Wenn du nicht dauernd meine Sachen benutzen würdest müsste ich das gar nicht machen.", schnaubte er und tat als wäre er wieder ganz in seine Arbeit vertieft.

Eine Weile später schlich Vanessa an ihm vorbei und lies unauffällig ein pinkes Zettelchen auf seine Tastatur fallen.

Er wollte sie gerade fragen was es war, doch sie konnte gar nicht schnell genug wieder verschwinden.

Jun faltete das duftende Papier auseinander. Sie hatte das doch nicht ernsthaft eingesprüht oder?

Darauf stand:

Besorg mir Eric's Nummer, dann bin ich dir was schuldig! Kussi ❤❤❤

Jun verdrehte die Augen.

Was fanden nur alle an dem Typen??

Erneut betrachtete er den anderen von oben bis unten.

Ja ok ...an den verschiedenfarbigen Augen blieb man hängen...aber sonst?

Dunkle Haare halt...nicht zu lang, nicht zu kurz....breite Schultern...okay...ganz nett...

immer perfekt angezogen....

Okay ...vielleicht sah er wirklich gut aus. Aber von innen ganz bestimmt nicht und wie sagte man noch gleich? Das Aussehen entscheidet wer zusammen kommt, aber der Charakter wer zusammen bleibt!Ha!

Wahrscheinlich legte der Typ auf dem eingerahmten Foto morgens die Klamotten für den raus.

Jun nahm einen Stift und schrieb unter Vanessa's Nachricht:

Gay!

Dann malte er einen kleinen Regenbogen daneben, faltete den Zettel wieder zusammen und brachte ihn zwei Zimmer weiter zu ihr rüber.

Er wartete nicht bis sie die Nachricht auseinander gefaltet hatte, sondern verschwand schnell. Allerdings hörte er sie noch hinter sich "Oah typisch!", seufzen.

"Hey Jan, kannst du mir einen Kaffee holen?"

"Seh ich aus wie dein Praktikant? Außerdem heiße ich Jun!", fauchte er genervt und überlegte für einen Moment sich ein Namensschild zu basteln.

"Bist du heute irgendwie gestresst? Mach doch schon mal Pause. Ich hab dir diesmal auch nichts weg gegessen.", lächelte Eric.

Jetzt sei nicht freundlich wenn ich sauer auf dich bin.., dachte Jun.

Klar dass der andere ihm diesmal nichts weg futtern konnte, heute hatte er sich zum ersten Mal seit 8 Monaten auch nichts eigenes mitgebracht. Nur gut, dass auf der anderen Straßenseite so ein Fast Food Laden war. Nicht gerade das Idealste aber vielleicht war es ja auch ganz gut mal richtig das Gebäude zu verlassen.

"Ich glaub....ich mache echt Pause..", mit diesen Worten sicherte er flink sein Projekt und stand auf.

"Ach weißt du was? Ich komme mit... ich bin eh schon fertig und ich hab langsam Hunger."

Jun erstarrte in der Bewegung. Wie zur Hölle konnte Eric schon fertig sein? Sie machten doch heute das gleiche?

und er selbst war noch nicht einmal halb fertig.

Und was wollte er? Mit in seine Pause?! Mit Eric war die Pause dann doch keine Pause.

Jun seufzte tief.

"Ähm ich will aber rüber in diesen Fast Food Laden und sowas isst du ja nicht."

"Ach ich kann mal eine Ausnahme machen."

"Toll.............." =_="

Wieso war Eric gerade nett zu ihm und begleitete ihn sogar?

Jun dachte an das Foto zurück auf dem Eric mit diesem anderen Mann und dem Mädchen zu sehen war.

War der Typ vielleicht eigentlich gar nicht so mies?

Nein so konnte er sich nicht geirrt haben. Immerhin ging es hier um Eric.

Da steckte doch irgendwas hinter....

Jun traute diesem Braten ganz und gar nicht und er konnte sich in diesem Moment nur schwer vorstellen, dass es irgendwo auf der Welt einen Menschen gab, der sich den Feierabend mehr herbei sehnte als er.

"Wo bleibst du denn??Der Fahrstuhl ist schon da!", rief Eric.

"Jaja ich komm ja schon...man.."

Jun schob sich gerade noch mit rein, dann ruckelte er los.

Und....blieb mit einem Ruck stehen.

Jun sah auf das Anzeigefeld...

Sie waren doch noch gar nicht unten...

Das bedeutete......

Der Fahrstuhl war stecken geblieben...

Mit verärgert funkelnden Augen sah Jun zu Eric rüber. Konnte es sein, dass dieser Mann ihm permanent nur Pech brachte?!

Schnell begann er immer wieder auf die Notruftaste zu drücken.

Wieso meldete sich da denn nicht sofort jemand?!

Ok jetzt wurde er doch etwas nervös.

"Hallo?", rief er und klopfte gegen die fest verschlossene Tür.

Eric zog ihn leicht von der Tür weg:

"Wenn ich mich nicht irre dürfte da gerade nur Beton hinter sein."

Jun hätte sich am liebsten einfach in eine Ecke gekauert

Das durfte doch alles nicht wahr sein.

Blöder Neid

Wie die Ruhe selbst stand Eric mit den Händen in den Hosentaschen da.

"Wie kannst du nur so ruhig bleiben?! Da hätte sich längst jemand melden müssen!", schimpfte Jun und ging weiter wie ein kleiner nervöser Tiger im Kreis.

Eric zuckte mit den Schultern:

"Panik bringt uns ja auch nicht weiter. Außerdem ist mir das hier schon ein paar Mal passiert."

"Mir noch nie und ich arbeite hier viel länger als du", schnaubte Jun und fühlte sich in seiner Theorie, dass dieser Mann ihm Pech brachte, irgendwie mit jeder weiteren Minute nur bestätigter.

Resigniert lehnte er sich gegen die Fahrstuhlwand und spürte wie ihm der Magen knurrte.

Er hatte sich ja gedacht, dass dieser Tag blöd laufen würde...aber so viel Mist hatte er nun auch nicht erwartet.

Auf einmal kam Eric ziemlich schnell auf ihn zu und blieb sehr nah vor ihm stehen.

"Ähm w-was machst du...", stammelte Jun überrumpelt.

"Halt still.", befahl Eric und griff in Jun's Haare.

Doch die Spinne krabbelte schnell weiter nach unten.

Schließlich strich Eric über Jun's Rücken und lies sie auf seinen Handrücken wandern.

"Fass mich nicht an...", murmelte Jun etwas durcheinander.

"Sorry aber du hattest da was.", lächelte Eric und hielt dem anderen die recht große Spinne direkt unter die Nase.

Sofort machte Jun einen riesigen Satz zur Seite:

"MACH DIE WEG! UM HIMMELSWILLEN MACH DIE WEG!!!"

Eric lachte nur und lies sie von seiner Hand auf die gegenüberliegende Wand krabbeln.

Letztendlich verschwand sie oben durch ein kleines Gitter.

"Spinnen also...hast du sonst noch vor etwas Angst?", wollte er wissen und verschränkte abwartend die Arme vor der Brust.

"Davor noch länger hier mit dir eingesperrt zu sein. Davor hab ich Angst!"

"Und ernsthaft?", lies Eric nicht locker.

Jun zögerte, doch dann begann sein Widerstand langsam zu bröckeln.

Immerhin wusste er nicht wie viel Zeit er hier noch verbringen musste.

"Also naja...ich steh nicht so auf Gewitter...und du?", murmelte er und schämte sich ein wenig dafür. Aber mit Krabbeltierchen und Donner konnte man ihn wirklich jagen.

Eric ging auf das Tastenfeld zu:

"Also ich habe...warte ich probiere erst etwas aus.", er drückte eine Taste, es ruckelte kräftig und auf einmal fuhr der Fahrstuhl weiter, "Klappt fast immer."

"Wieso hast du das nicht gleich gemacht?", Jun sah ihn fassungslos an.

bevor Eric antworten konnte gingen die Türen auch schon auf und er machte einen Schritt nach Draußen, während Jun förmlich ins Freie sprang und versuchte Eric im Gedränge in der Eingangshalle los zu werden.

Tatsächlich schaffte er es sogar, denn Eric ging nochmal kurz wegen dem Fahrstuhl Bescheid sagen.

Um auf Nummer Sicher zu gehen wich er sogar von dem Plan ab sich gegenüber etwas aus dem Fast Food Laden zu holen und nahm den etwas weiteren Weg zum nächsten Café in Kauf um sich dort einen Espresso und einen Bagel zu kaufen.

Er biss einmal ab und sah dann auf sein Handy.

Eigentlich wollte er die Pause nutzen um sich von dem Scheiß mit Eric abzulenken, doch dann wanderten seine Gedanken wieder zu dem Bild auf dessen Schreibtisch zurück.

Der Mann neben Eric hatte echt nett ausgesehen. Sie wirkten sehr vertraut und dann das kleine, süße Mädchen dazwischen.

Adoptiert?

Jun biss erneut in den Bagel und las sich die neuen Nachrichten auf seinem Handy durch.

Es war schon schlimm genug jetzt mit Eric noch mehr zusammen arbeiten zu müssen, er sollte nicht auch noch seine Pause an ihn verschwenden.

Leider musste er sich ein wenig widerwillig eingestehen, dass Eric heute gar nicht so ein arrogantes Arschloch gewesen war wie er sonst im Flur rüber kam.

Seine Gedanken fanden ein jähes Ende da jemand versehentlich Kaffee auf seine Schulter kippte.

"Au verdammt.", Jun sprang vom Stuhl hoch.

"Oh du bist das. Entschuldige ich wurde angerempelt.", erklärte Eric.

"Was machst d- Egal. Schon gut.", Schnell packte Jun seine Sachen zusammen und verschwand zu den Toiletten.

Eric lies den Kaffeebecher, der jetzt eh so gut wie leer war, stehen und lief ihm hinterher.

Jun stand vor den Waschbecken und besah sich den großen Fleck.

Na ganz toll.

"Warte..", Eric rieb ihm mit einem Taschentuch über die Schulter.

"Ich hab im Büro noch ein Ersatzhemd...das geht schon.", murmelte Jun etwas versöhnlicher.

"Das war wirklich keine Absicht."

"Zugetraut hätte ich es dir."

"Was soll das? Ist das immer noch wegen dem beschissenen Job?"

"Nein."

"Na dann ist ja gut.", meinte Eric und wollte gerade gehen.

"Aber unfair war es schon! Jeder weiß dass ich mich schon ewig darauf bewerbe und hart dafür gearbeitet habe und dann nehmen sie dich, nur weil du-"

"weil ich qualifizierter bin.", beendete Eric nüchtern den Satz.

"Arschloch."

"Das ist einfach nur die Wahrheit, du wärst die komplette Fehlbesetzung gewesen. DAS weiß jeder.", konterte Eric gerade heraus.

Jun öffnete den Mund um etwas zu erwidern, dampfte dann aber wütend ab, weil ihm darauf dummerweise nichts einfiel.

Blöder, arroganter, bescheuerter Idiot!

Eric hatte eigentlich gerade noch sagen wollen wieso Jun nicht geeignet war. Er meinte damit keineswegs, dass Jun in irgendeiner Weise schlecht war. Nur hatte Jun ganz eindeutig ein falsches Bild von der oberen Etage.

Jun wollte etwas bewegen, allerdings ging es dort oben nicht nur um die Arbeit selbst, sondern auch um dein Auftreten und Eric konnte sich beim besten willen nicht vorstellen wie Jun irgendetwas erfolgreich präsentierte.

Eigentlich hatte er Jun noch ein Kompliment machen und ihm erklären wollen, dass sie ihn dort wo er war wirklich brauchten, doch der Kleine war ja bereits abgehauen.

Was dem wohl wieder für eine Laus über die Leber gelaufen war.
 

Zurück auf der Arbeit zog Jun sich in seinem Büro das schmutzige Hemd über den Kopf.

Genau in diesem Moment kam auch Eric wieder.

Für einen Moment trafen sich ihre Blicke, dann griff Jun hastig nach dem neuen Hemd und zog sich so schnell wie möglich wieder an. Eric hatte dafür nur ein kurzes Grinsen übrig, dann griff er nach einem USB-Stick und verschwand damit raus auf den Flur.

Melly kam mit einem Kaffee vorbei:

"Hey ich hab neuen aufgesetzt und dachte ich bring dir auch einen. Interesse?"

Sie lächelte lieb.

"Ne, nett von dir aber ich hatte heute genug Kaffee..", murrte Jun, der trotz neuem Hemd immer noch nach Kaffee roch und irgendwie gern geduscht hätte.

Sie zuckte nur mit den Schultern und nippte dann eben selbst daran. Dabei fiel ihr das Foto auf.

"Oh, hey Eric hat aber eine hübsche Familie. Wusste gar nicht, dass er eine Tochter hat. Und der Typ hmm..dann stimmt es also echt, dass er-"

Jun nickte nur.

"Oha die arme Vanessa. Die hatte schon ein Auge auf ihn geworfen."

"Ich weiß..."

Wahrscheinlich nicht nur sie., dachte er verbittert.

"Sag mal wenn Eric jetzt hier ist...ist seine Stelle oben dann nicht wieder offen?", überlegte Melly und zwinkerte ihm zu.

Jun starrte sie an. Der Gedanke war ihm ja noch überhaupt nicht gekommen.

Sofort sprang er auf, packte ihr Gesicht und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.

"Melly du bist ein Genie!"

"Ich weiß."

Workaholic

Jun verschwendete keine Zeit.

Die Bewerbung war ja bereits fertig. Er musste nur das Datum mal wieder ändern, danach brachte er sie persönlich nach oben.

Diesmal durfte und konnte nichts dazwischen kommen!

Als er wieder an seinen Platz kam hatte sich seine Laune deutlich gebessert, ohne Eric im Rennen hatte er doch mit Sicherheit keine allzu ernste Konkurrenz.

Sein Ehrgeiz hatte in seinem Leben bisher dafür gesorgt, dass er ohnehin nie abgelehnt wurde. Das war ihm wegen Eric tatsächlich zum ersten Mal passiert. Vorher hatten sie ihn nur nicht genommen, weil es zu dem Zeitpunkt noch eine Initiativbewerbung gewesen war und sie noch keine Stelle anbieten konnten. Dann hatte sich eine auf getan und auf einmal war Eric zur Stelle gewesen, um sie ihm weg zu schnappen.

"Du grinst so gruselig, habe ich was verpasst?", Eric war gerade dabei seine Sachen zusammen zu packen um Feierabend zu machen. Zumindest lies er es so aussehen.

"Wirst du bald merken..", erwiderte Jun ohne aufzusehen.

"Na gut Justin es ist soweit. Wir können nach Hause. Kommst du?"

Jun, der sich wirklich anstrengte das Justin einfach zu überhören, schüttelte den Kopf:

"Ich bleibe noch ein bisschen länger heute. Bis Morgen."

"Wir sind doch schon länger hier....es ist 20 uhr..Mach Schluß für heute."

"Schon okay. Wir sehen uns morgen früh. Ich mag keine halbfertigen Sachen."

Daraufhin nickte Eric nur und verschwand. Sie und Ricky waren die letzten gewesen. Jetzt herrschte eine Totenstille.

Das Ticken der Uhr an der Wand schien auf einmal doppelt so laut zu sein.

Jun hätte am liebsten die Batterien raus genommen.

Verdammt es war wirklich schon sehr spät. Aber er konnte nicht auf sich sitzen lassen, dass Eric bereits so viel erreicht und erledigt hatte und das obwohl er gerade erst angefangen hatte.

Er würde nicht gehen ehe er nicht ein wenig aufgeholt hatte. Er wollte morgen direkt etwas vorweisen können und sich nicht weiter blamieren nur weil er mit dem Kopf nicht bei der Sache gewesen war.

Tief im Inneren wusste er dass es eigentlich professionell wäre Eric's Fähigkeiten strategisch zu nutzen und nicht so viel Zeit damit zu verschwenden Fehler an ihm zu suchen.

Das war aber nicht so leicht einzusehen geschweige denn umzusetzen.

Wie hatte er ihn bisher genannt? Jan, Jake, Justin, Jerry..

Hilfe...

Vielleicht sollte er ihm ja auch mal einen neuen Namen geben. Ethan vielleicht oder Elias.Eddy or Elliot..

Verdammt schon wieder dachte er nur über unsinniges nach.

Schnell vertiefte er sich in das Programm vor sich und als er das nächste Mal auf die Uhr sah zuckte er ungläubig zurück.

22:30?!

Das ganze Gebäude war längst dunkel und sein Schreibtisch der einzige erleuchtete Ort.

Fuck er hatte sich da total reingesteigert ...

Gähnend fuhr er den Rechner runter und stand auf.

Mit dem Handy fand er heraus, dass der letzte Bus längst gefahren war.

Für ein Taxi hatte er nicht genug Geld dabei und seine Karte lag zu Hause...

Jun seufzte leise und gab natürlich auch hierfür innerlich Eric die Schuld.

Erschöpft ging er in den Aufenthaltsraum.

Irgendwie gruselig hier so allein durch die dunklen und stillen Flure und Räume zu schleichen.

Selbst das Reinigungspersonal war längst wieder weg.

Jun klopfte sich die Kissen auf der alten Eckcouch zurecht und legte sich dort hin.

Dann würde er eben hier bleiben.

Trotzig legte er sich hin und deckte sich mit seiner Jacke zu, die er mit rüber gebracht hatte.

Statt Schäfchen zu zählen versuchte er auf so viele Namen wie möglich mit E zu kommen.

"Edward...Emanuel...Emil...Enrique...Enzo..."

Er war gerade bei Ezra und Evan als er Schritte hörte und von seinem provisorischen Lager hochschreckte.

Doch noch Reinigungspersonal?

Leise stand er auf und schlich zur Tür. Mit pochendem Herzen spähte er in den Flur hinaus.

Reinigungspersonal hätte das Licht angemacht, doch der Trakt blieb weiterhin dunkel. Am hintersten Ende leuchtete einzig und allein das grüne Notausgang-Symbol.

Die Schritte kamen näher.

Etwa hierher?!

Jun sah sich hektisch um und griff dann nach einem zusammen geklappten Regenschirm den jemand hier vergessen hatte.

Wäre das gerade der Start der Zombieapokalypse hätte er sich wohl eine der dümmsten ersten Waffen ausgesucht.

Oh man er musste aufhören diese Serie zu schauen.

Aber die Dunkelheit regte eben die Fantasie an, vor allem wenn man wusste, dass man um diese Uhrzeit hier allein sein müsste.

Die Schritte verstummten und dann wurde die Tür des Aufenthaltsraums aufgestoßen.

Sofort sprang Jun auf den Eindringling zu und schlug mit dem Regenschirm auf ihn ein.

"Au was zum Teufel?!", Eric tastete nach dem Lichtschalter und kurz darauf flackerte es und der Raum wurde hell.

Jun blinzelte ins grelle Licht und lies den Schirm peinlich berührt sinken.

"Eric spinnst du mich so zu erschrecken?! Was machst du hier?!"

"Das selbe könnte ich dich auch fragen!", konterte er zurecht.

Jun atmete erstmal erleichtert aus und lehnte den Schirm gegen die Wand, er hatte Eric gegen die Schulter getroffen.

"Du hättest ja auch ein Einbrecher sein können..."

"und dann nimmst du einen Regenschirm? Hat Vanessa heute nicht so ein selbst gebackenes Baguette mit gebracht? Das ist viel härter."

Jun wollte es nicht, musste aber kurz lachen. Auch Eric musste grinsen.

"Ich hab die Zeit vergessen und es fährt kein Bus mehr und naja ich bin auch ziemlich müde...und für die paar Stunden nach Hause fahren lohnt sich auch irgendwie nicht mehr, weil ich schon um 6:30 wieder hier sein muss..", erklärte Jun schließlich und unterstrich das ganze mit einem leisen Gähnen. Er war wirklich fix und alle.

Statt sich auch zu erklären sah Eric auf die Couch und die Jacke darauf:

"Ich hab wenigstens eine richtige Decke mit gebracht. Die Heizung hier drin ist doch kaputt."

"Selbst im heimlich im Büro übernachten musst du besser sein?!"Jun sah ihn fassungslos an, war aber zu müde um sich ernsthaft aufzuregen.

Eric grinste nur und ging zur Couch.

"Hey warte. Die hatte ich zu erst.", Jun kam ihm sofort hinterher.

"Ich hab jetzt echt keine Lust zu diskutieren und hier ist nun mal der beste Platz. Sie ist breit genug für uns beide."

"Sie ist was?...für was?! Was hast du eben gesagt?! Ist das dein Ernst?!"

Eric legte sich einfach hin und deckte sich zu.

"Kannst du mal das Licht wieder ausmachen?", bat er als wäre das gerade die normalste Situation der Welt.

"Ich...", begann Jun schwach, ging es dann aber tatsächlich ausschalten und kam zögerlich zurück.

Wo sollte er jetzt auch sonst hin?

Außerdem war die Couch doch zuerst seine Idee gewesen.

Mürrisch legte er sich ebenfalls hin und somit auch viel zu dicht neben seinen Rivalen.

Wenigstens war Eric still und nervte ihn nicht noch mit peinlichen, geflüsterten Gesprächen im Dunkeln.

Jun schloss die Augen und wünschte sich möglichst schnell einzuschlafen. Doch natürlich musste der andere ja Mal wieder recht behalten, denn nach ungefähr einer Dreiviertelstunde begann er erbärmlich zu bibbern.

Na das konnte ja eine lange Nacht werden.

Fröstelnd rieb er sich über die Arme.

Gerade als er grübelte wie er sich warme Gedanken machen könnte, spürte er wie Eric ein Stück seiner Decke abgab und über ihn legte.

Huch...?!

Kurz darauf musste Jun eingeschlafen sein, denn als er gegen 3 Uhr nachts nochmal aufwachte lag er in einer anderen Position und es war nicht mehr kalt. Es war sogar ziemlich, ziemlich warm.

Als er die Wärmequelle identifizierte bekam er beinahe einen Herzinfarkt.

Um genau zu sein wachte er nämlich in Eric's Armen auf, an dessen Brust gekuschelt.

Warum war der Mann so unglaublich warm?

Vermutlich, weil man ihn direkt aus der Hölle geschickt hatte um ihm das Leben schwer zu machen.

Jun murrte leise. Allerdings lag Eric's Arm schwer über ihm und nach einem weiteren halbherzigen Befreiungsversuch gab er schließlich auf. Seine Augen waren immer noch unglaublich schwer und müde.

Unbewusst rutschte er wieder näher an Eric ran und schlief wieder ein während er dessen Atem lauschte.

Vielleicht hätte er sich einen Wecker stellen sollen denn...

Um 6:00 Uhr wurde Jun von einem schrillen Kreischen geweckt.

Just another day at the office

Ein schrilles Kreischen lies Jun am Morgen (natürlich viel zu spät) hoch schrecken.

Das war ebenfalls der Moment in dem ihm einfiel, dass er hier im Büro ja nicht einmal eine Zahnbürste hatte.

Langsam begann er seine Umgebung ein wenig bewusster wahrzunehmen.

Jody stand entsetzt vor ihrem lädierten Regenschirm:

"Wer tut so etwas?! Den habe ich aus dem Urlaub mitgebracht!!"

Nancy war gerade dabei frischen Kaffee aufzusetzen und sah verständnislos zu ihr rüber:

"Wer kauft sich denn einen Regenschirm als Souvenir?"

Hatten die beiden ihn überhaupt schon bemerkt?

Jun rieb sich über die Augen, streckte sich und gähnte.

Dann fuhr er zusammen. Eric?!

Schnell sah er neben sich. Da war niemand mehr. Na Gott sei Dank..

Moment! Wieso hatte der Idiot ihn nicht geweckt?!

Müde setzte er sich auf und fuhr sich durch die wuscheligen Haare.

Wo war seine Brille? Und war das wirklich passiert?! Und gibt es in dem Laden zwei Häuser weiter auch Zahnbürsten?

Eine Weile tastete er umher und fand sie schließlich, wie durch ein Wunder unversehrt,hinter sich auf der Couch.
 

Eric hatte sich längst im Bad frisch gemacht und war schon seit einer guten Stunde am Arbeiten.

Dummerweise musste er heute oben noch ein paar Dinge erledigen, dadurch kam er auch an dem Schreibtisch vorbei, auf dem die Bewerbungen für seine alte Stelle lagen.

Er zögerte einen Moment, dann zog er wahllos eine Mappe heraus.

Erst warf er einen Blick über die Schulter dann blätterte er sie durch, dann die nächste und...schließlich Jun's.

Mit gerunzelter Stirn überflog Eric das Anschreiben und den Lebenslauf, dann legte er sie wieder auf den Tisch und gab ihr einen kleinen, fast beiläufigen Stubs mit der Handkante, der aber ausreichte um die Mappe vom Tisch runter in den Datenmüll zu befördern, bereit um geschreddert zu werden.

Er war überzeugt Jun damit einen gefallen zu tun und....vielleicht wollte er ihn auch einfach in seiner Nähe behalten.

Warum auch immer. Immerhin waren sie oft wie Katze und Hund.

Wer von ihnen war wohl die Katze?

Eric warf noch einen letzten Blick in den Müll.

Danach richtete er sein Jackett und verlies den Raum, als hätte er nur eben schnell nach dem Rechten gesehen.
 

Auf dem Weg nach unten bekam er ständig irgendwelche Aufträge zugesteckt und stand schließlich voll beladen im Fahrstuhl. Ausgerechnet in diesem Moment begann sein Handy zu vibrieren und ein freundlich lächelnder Mann mit haselnussbraunen Haaren im olivgrünen Poloshirt leuchtete darauf auf. Der Mann von seinem Foto auf dem Schreibtisch.

Eric balancierte den Stapel von Mappen und Zetteln auf seinem Arm herum und klemmte sich das Handy zwischen Gesicht und Schulter:

"Was gibt's?"

"Ich wollte nur fragen, ob du noch dran denkst, dass du-"

"Jaja ich mache früher Feierabend und hole Luna vom Kinderturnen ab.", unterbrach Eric ihn schnell, weil der sprichwörtliche Berg von Arbeit ihm aus dem Arm zu rutschen drohte.

"Könnt ihr dann noch was zu Essen mitbringen?

"Oh man Philip ich hab zu tun. Ja, mach ich. Bis später.", ehe der andere noch etwas sagen konnte, beendete Eric das Gespräch und steckte das Handy wieder ein, dann eilte er zurück zu seinem Schreibtisch auf dem er den ganzen Stapel endlich abladen konnte.

Irgendwer hatte die Heizung wieder viel zu hoch aufgedreht und er begann sich wie ein Gast in der Sauna zu fühlen.

Schnell zog er sein Jackett aus und blätterte durch eine der gefühlt 30 Mappen.

"Dir auch Guten Morgen.", murrte Jun hinter dem Stapel, der ihn jetzt fast verdeckte.

Eric nickte nur kurz und schenkte ihm weiter keine Beachtung.

"Wieso hast du mich nicht geweckt?!", zischte Jun stur.

Eric lies die Mappe zu fallen und sah ihn an:

"Hätte ich dir auch noch einen Kaffee bringen sollen?"

Jun öffnete den Mund, doch da stürzte Ruby ins Zimmer:

"Eric ein Anruf für dich. Konnte ich aus irgendeinem Grund nicht zu dir durchstellen."

Er eilte ihr sofort hinter her und .... kam nicht wieder zurück.

Irgendwann wurde Jun ungeduldig und machte sich auf die Suche.

Eric fand er zwar nicht doch Ruby konnte ihm etwas weiter helfen:

"Dass war ein Anruf von irgendeiner Schule und er ist nach dem er das Gespräch beendet hatte sofort los. Ich hatte nicht das Gefühl, dass er nochmal wieder rein kommt."

Man konnte beinahe sehen wie Nancy's Ohren ein paar Meter weiter immer größer wurden.

Jun verschränkte frustriert die Arme vor der Brust:

"Er hat sich gefälligst ordentlich abzumelden. Er kann doch nicht einfach gehen. Das ist erst sein zweiter Tag in unserer Abteilung, verdammt!"

Ruby legte sanft ihre Hand auf seine Schulter:

"Jetzt sei doch nicht immer gleich so streng."

"Vielleicht sollte ich auch einfach nach Hause gehen?"

Sie zuckte mit den Schultern:

"Genügend Überstunden hättest du.."

"Du weißt genau wie ich das meinte!", murrte er, richtete seine Brille und ging zurück an seinen Platz.

Sie hatte schon irgendwie Recht und das ärgerte ihn noch mehr.

Eric musste ja einen Grund gehabt haben.

Schule....vielleicht seine Tochter?

Jun sah auf das Jackett das Eric hier vergessen hatte und aus irgendeinem Grund wanderten seine Gedanken ungewollt zur letzten Nacht zurück. Vielleicht war Eric ein doofer Idiot...ein arroganter noch dazu aber man irgendwas hatte der Typ einfach an sich ...

wenn es nicht Eric wäre.....würde Jun vermutlich ziemlich auf ihn stehen....

aber es war nun mal Eric! Punkt! Aus! Ende!
 

Völlig in Gedanken versunken und noch immer mit Eric's Duft in der Nase zuckte Jun heftig zusammen, als das Telefon neben ihm klingelte.

Er wartete einen Moment, doch das Klingeln brach nicht ab.

Schließlich nahm er das Gespräch widerwillig an.

Hey ich bin's Eric. Es ist was vorgefallen und ich schaff's heute nicht mehr ins Büro zurück. Kannst du die blaue Mappe neben meiner Tastatur nach oben bringen? Frag nach Theresa. Sie weiß was das ist, sag ihr es fehlen noch zwei Stempel und Unterschriften auf den markierten Seiten. Ach und wenn du schon oben bist geh bitte ins Archiv und besorg mir alles aus dem Schließfach ganz hinten. Der Zahlencode steht auf dem Pin Up Poster an der Wand. Mein Programm ist noch offen , bevor du los gehst log mich also bitte aus. Die Mails checke ich selbst von hier aus. Wenn Vanessa merkt dass ich nicht da bin, dann sag ihr dass sie das auch alleine schafft und dass wir das Meeting tausend Mal durch gegangen sind. Schon als ich noch oben war. Sie wird dir dann sagen, dass sie es nie packt und ihr schlecht vor Aufregung ist, gib ihr die Karteikarte, die in der zweiten Schublade von oben in meinem Schreibtisch liegt und sag ihr sie soll sich zusammenreißen und bei Fragen, die sie nicht beantworten kann meine Nummer weiter geben."

Jun wurde beinahe etwas schwindelig:

"Halt Stopp. Nicht so schnell! Wieso sollte ich das machen?"

"Weil sonst Chaos ausbricht. Weil es dein Job ist. Weil du mein Assistent bist. Reicht das nicht?"

"Streng genommen sind das deine Aufgaben. Was ist überhaupt passiert? Hast du gerade Assistent gesagt?!"

...kurze Stille....

"Eric? Eric bist du noch dran?"

"Luna hatte einen Unfall auf dem Schulhof."

"Wer ist Luna?"

Ich habe jetzt wirklich keine Zeit für Smalltalk. Blaue Mappe nach oben und Theresa auf Markierungen hinweisen , Mich ausloggen, Schließfach leeren und auf meinen Schreibtisch legen, das kann inzwischen offen liegen, Vanessa beruhigen und ihr die Karteikarte geben. Bis morgen Jannik."

"JUN!", bellte Jun in den Hörer, doch Eric hatte aufgelegt.

Dann begann er sich schnell alles auf einen Zettel zu schreiben, weil er selbst noch so viel im Kopf herum schwirren hatte.

Jetzt bekam Eric es auch noch hin, dass er Aufgaben für ihn übernahm.

Klar es waren mehr oder weniger schlicht Botengänge. Trotzdem waren es Botengänge, die ihm Zeit stahlen und die überhaupt nicht in seinen Zuständigkeitsbereich fielen und wer zur Hölle war überhaupt Theresa?!

Oben war kein Empfangstresen oder dergleichen. Das bedeutete er würde sie wirklich suchen müssen und das kotzte ihn jetzt schon an. Vielleicht könnte er etwas davon auf Nancy abwälzen oder Vanessa. Er müsste ja bloß sagen dass es für Eric war.

Jun spürte wie ihm eine Erkenntnis ziemlich sauer aufstieß. Eric verhielt sich hier bereits wie der Abteilungsleiter. Er hatte seine Finger immer noch in der oberen Etage und schien hier bereits jetzt neue Fäden zu greifen. Wann hatte das begonnen?

Vermutlich bereits lange bevor er hier runter gekommen war..
 

Als Luna auf ihn zu gelaufen kam, wich Eric's Anspannung sofort großer Erleichterung.

Seine ganze Haltung änderte sich und er lächelter sogar, als sie ihm irgendwie stolz ihren pinken Verband präsentierte.

Es stellte sich raus, dass sie den Schreck inzwischen schon beinahe überwunden hatte und dass es am Telefon mal wieder schlimmer geklungen hatte, als es letztendlich war. Trotzdem würde er sie jetzt natürlich nicht hier lassen.

Immerhin hatte er durch diesen Vorfall nun etwas mehr Zeit sich um das Essen zu kümmern.

Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr, dann wechselte er noch ein paar Worte mit Luna's Lehrerin.

Ja er hatte Zeit gewonnen trotzdem war sein Kopf voll von Aufgaben, Terminen, Deadlines.

Essen kaufen, Essen machen, Wäsche waschen, Zahnarzttermin für Luna, das Regal im Wohnzimmer reparieren, Philip vom Bahnhof abholen, [...] Die Liste war unendlich lang.

Zumindest würde das Kinderturnen heute ausfallen.

Ob Jun wenigstens die Sachen erledigt hatte, die er auf ihn übertragen hatte?

Vermutlich sollte er morgen gleich eine Stunde früher zur Arbeit fahren und es kontrollieren.

Sein Handy vibrierte und er öffnete Philips Nachricht:

»Bring bitte Tahin mit«

Eric lies das das Handy zurück in die Tasche gleiten, öffnete die Autotür und sah dann zu Luna:

"Weißt du was zum Teufel Tahin ist?!"

"Seh ich so aus?", erwiderte sie frech, woraufhin er ihr durch die Haare wuschelte und einstieg.

Langsam fuhr er vom Parkplatz der Schule und war mit dem Kopf bereits wieder bei der Arbeit.

Luna bemerkte das sofort und schnipste ihm gegen den Arm.

"Wir haben in der ersten Mathe geschrieben."

"Gutes Gefühl?, wollte er wissen und schielte ungeduldig zur roten Ampel rüber.

"Ohja ich glaub es könnte diesmal eine 4 werden.", strahlte sie.

"Ich kann meinen Stolz kaum im Zaum halten.", brummte Eric trocken.

"Ich hab eben andere Prioritäten.", schmollte sie und sah aus dem Fenster.

"Hast du das Wort von Philip?"

Endlich wurde die Ampel grün und Eric fuhr etwas zu schnell über die Kreuzung.

Fast hätte er die Einfahrt zum Supermarkt verpasst.

"Wenn ich dann später Sängerin werde brauche ich eh gar kein Mathe."

"Google lieber was Tahin ist.", mit diesen Worten warf er ihr sein Handy in den Schoß und fluchte dann über den grauen BMW, der ihm gerade den Parkplatz weg geschnappt hatte.
 

Jun hatte derweil brav alle Aufgaben erledigt. Sachen schleifen zu lassen war eben leider gegen seine Natur auch wenn es um Eric's Zeug ging.

Nancy reichte ihm gerade eine Tasse Kaffee:

"Sag mal hast du hier übernachtet?"

Jun zuckte zusammen:

"Quatsch wie kommst du denn auf sowas?"

"Na weil du heute schon so früh hier auf der Couch-"

"Ah! Ich hab was im Kopierer vergessen!"

Jun eilte aus dem Raum und durch den Gang davon.

Dann blieb er neben einer angelehnten Bürotür stehen, weil er ungewollt ein paar Gesprächsfetzen aufgefangen hatte:

"Ich habe gehört Eric hat den Job oben nur wegen dem Gehalt genommen. Er wollte eigentlich immer zu uns, aber er hatte wohl ein ziemlich hartes letztes Jahr und brauchte dringend mehr Geld. Jetzt wo er alles wieder im Griff hat, hat er eben die erste Chance ergriffen.", sagte Ricky gerade.

"Ja da war wohl diese schreckliche Sache mit seinen Eltern...und angeblich wollte er auch um jeden preis zu J-", das war Vanessa's Stimme.

Doch mehr konnte Jun nicht verstehen, weil die Tür auf einmal zu gezogen wurde.

So richtig einzuordnen wusste er diese neuen Informationen noch nicht.

Oh man wieso hatte er lauschen müssen?!

Jetzt machte er sich natürlich Gedanken.

Erst Sekunden später bemerkte er, dass er die Tasse schräg gehalten hatte und der halbe Inhalt nun als kleine braune Pfütze vor ihm am Boden schimmerte.

"Mist.."

Nur ein kleines Dankeschön

Eric rieb sich mit einem Handtuch übers Gesicht.

Nachdenklich lies er den Blick durchs Fitnessstudio schweifen.

Das hier war das einzig egoistische in seinem Leben. Sein Zufluchtsort. Das Training war wichtig um mal etwas Abstand von allem zu bekommen und um den Kopf frei zu kriegen.

Luna war ziemlich sauer auf ihn. Er sollte mit ihr Mathe lernen, aber heute würde sie mit Philip vorlieb nehmen müssen.

Vielleicht könnte er sich später nach der Arbeit noch Zeit für sie nehmen, aber er hatte einen ausgedachten Termin vorgeschoben.

Ja, auf der Arbeit war er der Problemlöser. Es lag ihm einfach und er mochte es auch. Das änderte aber nichts daran, dass er dringend Urlaub brauchte. Nicht nur von der Arbeit.

War es schlimm sich einzugestehen, dass man eigentlich auch mal Urlaub von seiner Familie brauchte? Von all den Erwartungen? Vom Haushalt? Das hatte ja nichts mit seinen Gefühlen ihnen gegenüber zu tun.

Seit der Sache mit seinen Eltern hatte sich die Last auf seinen Schultern quasi verdreifacht.

Das würde er ihnen nur nie sagen können. Er hatte zu funktionieren und er konnte von keinem der beiden erwarten, dass sie alles allein hinbekommen würden. Sie würden es nicht. Sie brauchten ihn. Er hatte keine Wahl.

Eric seufzte leise und ging zu den Dumbbells rüber.
 

2 Stunden später saß er im Auto vor der Ampel und trank schnell einen Schluck aus seinem Thermobecher.Es waren die letzten ruhigen Minuten.

Als er kurz darauf die Türen des großen Bürogebäudes durchschritt stürmten sofort 5 Leute auf ihn ein, hielten ihm Dokumente unter die Nase und löcherten ihn mit Fragen.

Es war immer dasselbe egal in welchem Bereich er sich befand. Scheinbar schien er etwas auszustrahlen, das die Kollegen anzog. Möglicherweise war es seine Art mit Stress umzugehen und seine Fähigkeit Situationen schnell zu analysieren und zu lösen. Wenn er sich etwas neues aneignete wollte er nie einfach nur okay darin sein, sondern immer so gut wie möglich.

Im Gehen blätterte er alles durch, delegierte die wichtigsten Aufgaben und verschwand schnellstmöglich in den Fahrstuhl.

Vielleicht sollte er die Beförderung wirklich annehmen.. die entsprechenden, leitenden Funktionen übernahm er ohnehin schon....

Das würde Jun garantiert sauer aufstoßen. Aber dessen Abteilung könnte ein wenig mehr Struktur wirklich nicht schaden.

Innerlich sah er seinen Urlaub immer weiter in die Ferne rücken und stieß als er aus dem Fahrstuhl stieg auch direkt mit seinem Kollegen zusammen.

Jun murrte irgendetwas unverständliches und wollte sich vorbei drängeln. Doch Eric hielt ihn fest:

"Hast du alles erle-"

"Ja.", unterbrach der Kleinere ihn und verschwand.

Eric sah ihm nach und musste leicht schmunzeln. Vielleicht sollte er Jun mal ein Paar Tage gönnen, an denen er ihm das Leben etwas weniger schwer machte.

Aber das wäre langweilig und irgendwie hatte er sich an die böse funkelnden Blicke gewöhnt.
 

Tatsächlich erreichte Jun es mit Headset und gefühlt tausend Botengängen Eric fast den gesamten Arbeitstag über aus dem Weg zu gehen.

Und beinahe hätte er es auch ohne weiteren Kontakt nach Hause geschafft.

Beinahe.

"Hey was stehst du denn noch hier rum?", wollte Eric wissen und hielt seinen Regenschirm über Jun's Kopf.

"Der Bus kommt irgendwie nicht, dabei war ich rechtzeitig hier."

"Ah..du kannst gern bei-"

"Nein danke."

"Lass mich doch erst einmal ausreden. Ich wollte jetzt noch etwas essen und könnte dich auf dem Weg dahin bei dir absetzten oder du...begleitest mich.", schlug Eric kurzum vor.

Jun zögerte:

"Ich weiß nicht...außerdem bin ich schon total nass."

Eric zuckte mit den Schultern: "Na und? ich lad dich auch ein und bringe dich danach nach Hause.."

"Wieso solltest du das tun?"

"Jetzt hör auf zu diskutieren und steig ins Auto...ich parke gegenüber."

Jun brummelte noch leise etwas und wollte gerade auf die Straße treten, als Eric ihn zurück zog und ein roter Maserati viel zu schnell an ihnen vorbei schoss.

Statt sich zu bedanken wischte Jun nur Eric's Hand von seiner Schulter ,wie eine lästige Fliege.

Es war ihm eher unangenehm, dass er nicht geguckt hatte, ob die Straße frei ist.

Stumm stiegen sie ins Auto, während der Regen draußen immer stärker wurde.

Herbst.

Bald schon Winter. Wann wohl der erste Schnee kommen würde?

Jun musste an Weihnachtsbäume und Glühwein denken.

Schließlich wurde er von Eric aus seinen Gedanken gerissen:

"Also Jun, was sagst du? Kommst du mit?"

"Wie hast du mich gerade genannt?"

"Jun."

"Ich wusste du kennst meinen Namen!"

"Mist..", Eric grinste leicht und merkwürdigerweise entschied Jun in exakt diesem Moment das Angebot anzunehmen.

Zu Hause wartete andernfalls ein eher experimentelles Essen seiner Mitbewohnerin auf ihn.
 

30 Minuten später saßen sie sich also auch schon in einem Restaurant gegenüber.

"Aber einladen musst du mich nicht. Wieso willst du das überhaupt?", murrte Jun, der wirklich nicht recht wusste wieso zur Hölle er mit gegangen war.

Es war einfach so ein Gefühl gewesen. Eric nervte ihn, aber da war trotzdem diese Neugier.

War Eric privat anders? Und was war mit seinen Eltern passiert? Wieso wollte er noch in ihre Abteilung?

verdammt er hätte das Gespräch nie belauschen dürfen.

"Ich hab' dich gestern mit allem sitzen gelassen.", Eric sah in sein Weinglas und nahm dann einen Schluck.

Er hatte kein schlechtes Gewissen und auch nicht das Gefühl, dass er seinem Kollegen in irgendeiner Form etwas schuldig war. Aber es war die einfachste Erklärung. Die Wahrheit wäre zu kompliziert.

"Naja ...da konntest du ja nichts dafür...immerhin ging es um deine Tochter...", lenkte Jun etwas widerwillig ein.

Eric sah ihn irritiert an und lies sein Glas sinken:

"Meine Tochter?"

Der Glückskeks

Eric sah irritiert aus und lies sein Weinglas langsam sinken:

"Meine Tochter?"

"Naja ja ich hab sie doch auf dem Foto auf deinem Tisch gesehen und deinen Mann..", murmelte Jun.

Eric lachte leise.

"Was denn?", wollte Jun wissen.

"Das sind meine Geschwister.. Philip und Luna."

Auf einmal schien sich alles was Jun bisher von dem Mann vor sich gewusst hatte zu ändern.

Wusste er eigentlich überhaupt etwas?

Unsicher nahm er seine Brille kurz ab um sie zu säubern und wieder aufzusetzen.

"Deine..."

"Meine jüngeren Geschwister...sie wohnen bei mir seit...", begann Eric und entschied sich dann doch lieber dafür seinen Rotwein zu leeren.

Jun hob schnell die Hand:

"Du musst nicht darüber reden."

Eigentlich meinte er das auch so. Eigentlich. Größtenteils.

Natürlich zerfraß ihn die Neugier.

"Vielleicht ein anderes Mal..", murmelte Eric ungewöhnlich abwesend.

Auch schien er ein wenig blasser geworden zu sein.

Was war da nur vorgefallen?

Jun wollte gerade den Mund öffnen als ihnen ein kleines Körbchen mit zwei Glückskeksen gereicht wurde.

Sie bedankten sich und jeder nahm eines heraus.

"Glaubst du an sowas?", wollte Eric wissen und fixierte sein Gegenüber mit diesen ungewöhnlich schönen Augen.

Im Hintergrund spielte jetzt wieder leise Musik und man konnte das Unwetter draußen beinahe vergessen.

Jun schüttelte den Kopf:

"Eigentlich nicht..."

Trotzdem öffneten sie beide den Keks und zogen jeweils einen kleinen, schmalen Zettel heraus.

Hmm ..

"Es ist an der Zeit ihre Komfortzone zu verlassen", las Jun vor.

"Oh das passt zu dir..", grinste Eric und wollte aufstehen.

Doch Jun hielt ihn zurück:

"Warte. Was steht auf deinem?"

Eric zögerte.

"Es wird ein gutes Jahr oder so.", las er schließlich, faltete den Zettel und legte ihn neben sein leeres Weinglas, dann stand er auf,"Bin kurz auf Toilette."

Oder so?

Jun sah seinem Kollegen nach.

Er wusste nicht warum er es tat, aber kaum war Eric nicht mehr zu sehen, griff Jun nach dessen Glückskekszettel. Faltete ihn auf und las : Die Liebe Ihres Lebens ist ganz nah

Wieso hatte Eric etwas anderes gesagt? Und wieso fühlten seine Wangen sich gerade so warm an?
 

Am nächsten Morgen herrschte absolutes Chaos.

Jun versank schon innerhalb der ersten halben Stunde in Arbeit und auch wenn er durchaus fleissig war, wurde es selbst ihm sehr schnell viel zu viel und wo zur Hölle blieb Eric?!

Nancy kam mit gerunzelter Stirn auf ihn zu und presste ihre Brüste zurück in den etwas zu kleinen BH:

"Es tut mir so leid, aber ich hab hier noch ein paar Aufträge für euch. Eigentlich für Eric aber ich kann ihn nicht finden. Also müsstest du....es tut mir leid."

Jun seufzte leise und nahm den Zettel an, den sie ihm entgegen streckte.

"Schon ok, schätz ich..."

Nancy sah ihn irritiert an:

"Heute kein böses Wort für ihn übrig?"

Jun zuckte mit den Schultern: "Zu viel zu tun..."

Sie lächelte nur nochmal entschuldigend und stöckelte zurück auf den Gang, der heute einer Autobahn in der Ferienzeit glich. Aber solche Tage gingen auch wieder vorüber und leider musste Jun sich eingestehen, dass alles etwas geschmeidiger lief seit Eric hier unten war. Das machte so einen Stresstag ebenfalls erträglicher.

Nur wo war er heute?

Gegen Mittag warf Jun schließlich das Handtuch und musste einfach eine Pause machen. Andernfalls würde er sowieso nur noch Mist schreiben und der einfachste Code wollte ihm nicht mehr einfallen.

Mit schmerzendem Nacken schlenderte er zu den Toiletten, öffnete die Tür und erstarrte.

Eric stand vor den Spiegeln und stützte sich mit den Händen auf den Rand des Waschbeckens vor sich.

Jun kam rasch näher: "Eric? Was machst du hier? Bist du schon die ganze Zeit h- ich meine...gehts dir gut?"

Eine Weile hörte man nur das Tropfen des äußersten Wasserhahns.

Dann fuhr Eric sich schnell mit dem Arm übers Gesicht.

Er hatte doch nicht etwa....?

Nein, das konnte nicht sein. So war Eric nicht.

Jun wusste nicht was er sagen oder was er tun sollte.

Schließlich begann Eric sich die Hände zu waschen.

Erst als er sie abtrocknete kam eine Antwort über seine Lippen:

"Es war heute..."

Ein Kollege kam rein. Sie warteten regungslos bis er wieder verschwunden war.

"Was war heute?"

"Es ist das Datum..."

"Welches Datum? Das von heute?", Jun wurde nur immer verwirrter.

"Heute wiederholt sich das Datum an dem ich sie gefunden habe.."

Jun schluckte schwer:

"Gefunden? Wen?"

Eric fand wieder zu seiner eigentlichen Größe zurück, atmete tief ein und schüttelte dann den Kopf:

"Schon gut. Wir haben viel zu tun und Melly braucht meine Hilfe wegen der-"

"Stopp!", rief Jun und sowohl er selbst als auch Eric wirkten überrascht darüber.

Eric hob fragend eine Braue.

"Was war an diesem Datum Eric?", blieb Jun hartnäckig und versuchte sich von Eric's Blick nicht einschüchtern zu lassen.

Der Typ konnte doch nicht so dramatisch anfangen und dann nicht mit der Sprache raus rücken.

Ein weiterer Kollege wollte rein kommen, doch Jun schimpfte: "Jetzt nicht! Geh unten!" und knallte ihm die Tür vor der Nase zu.

"Wen hast du gefunden? Was war an diesem Datum?", wollte Jun erneut wissen und griff Eric leicht an die Schulter.

"Meine Eltern..oder...was von ihnen übrig war..."

"Das...ich...Oh man Eric...ich...", stammelte Jun hilflos.

Doch Eric winkte ab: "Schon gut. Niemand weis was er dazu sagen soll.", mit diesen Worten lies er Jun vor den Waschbecken stehen und ging nach Draußen auf den Gang, wo er sofort mit Fragen überschüttet wurde, da man ihn ja den ganzen Vormittag über gesucht hatte.

"Scheiße...", murmelte Jun und schob die Brille auf seiner Nase zurecht.

Was von ihnen übrig war?

Es dauerte noch ganze 5 Minuten bis er selbst auf Toilette ging und dann schließlich grübelnd zurück an seinen Arbeitsplatz. Er erwartete, dass die Stimmung angespannt sein würde, doch als er sich zurück vor seinen Rechner setzte und zu seinem Kollegen rüber sah wirkte Eric wie immer und war gerade in irgendetwas sehr vertieft.

"Wenn du drüber sprechen möchtest....", begann Jun ungewohnt versöhnlich.

"Vanessa braucht die Unterlagen zurück, die sie dir wohl vorhin rein gereicht hat."

"Eric...du kannst mit mir darüber sprechen. Ich weiß wir hatten nicht immer das beste Verhältnis aber-"

"Ich geh mir einen Kaffee holen. Willst du auch einen?", Eric stand auf.

Jun nickte nur besorgt.

"Gern."

Er beschloss das Thema ruhen zu lassen.

Es ging ihn ja auch gar nichts an was außerhalb der Arbeit in Eric's Leben passierte.

Als Eric mit zwei dampfenden Tassen zurück kam war dann alles wie gewohnt.

Und gleichzeitig war nichts wie vorher.

Jun hatte Eric immer verabscheut...immer gedacht er würde ihn kennen...ihn hassen.

Aufeinmal kannte er ihn doch nicht so gut und....wo war der Hass geblieben..?

Was war da jetzt stattdessen?

"Jun?", Vanessa tippte ihm auf die Schulter.

"Hm?"

"ich habs grad gehört. Sie haben die in Frage kommenden Bewerbungen zum Gespräch geladen. Für oben meine ich. Ich drück dir die Daumen!"

Jun sah sie entsetzt an:

"Was? Ich hab keine Einladung bekommen!"

"Wie jetzt?"

"Wirklich nicht."

"Dann ruf mal lieber gleich an. Nicht, dass das ein blöder Fehler war."

Jun nickte und griff gleich zum Telefon:

"Das muss ein Fehler sein...", murmelte er während er die Nummer eintippte.

Kurz darauf lies er den Hörer fassungslos sinken.

"Was ist los?", wollte sie wissen.

Jun hätte beinahe seine Kaffeetasse vom Tisch gestoßen:

"Sie sagen sie haben meine Bewerbung nie bekommen..."

Antworten

"Es ist spät wir sollten wirklich langsam gehen.", Eric schloss das offene Programm und lies den Rechner runter fahren.

Jun tippte noch schnell etwas zu Ende und tat es ihm dann nach:

"Ich versteh einfach nicht wieso die meine Bewerbung nicht bekommen haben. Hoffentlich kann ich sie noch nach reichen."
 

"Es ist spät. Alle sind schon gegangen. Wir sollten auch nach Hause und zwar jetzt. Für diese Stunden werden wir gerade nicht einmal mehr bezahlt..", versuchte Eric wieder das Thema zu ändern.

Aufeinmal verharrte Jun mitten in der Bewegung und starrte den Anderen an:

"Bitte sag, dass du damit nichts zu tun hast..."

"Womit?", wollte Eric ausdruckslos wissen.

"Du weißt genau womit. Mit meiner verschollenen Bewerbung. Mit dem Job in der oberen Etage."

Draußen jaulte der Wind und ein kleiner Ast schlug gegen eine der Scheiben.

"Ich hab es nur getan, um dich zu bechützen. Das ist nichts für-", Eric konnte den Satz nicht beenden, weil er haarscharf einem Tacker ausweichen musste , den der Kleinere nach ihm warf.

"ARSCH! DU VERDAMMTER ARSCH!"

"Jun...du weißt nicht worauf du dich einlassen würdest."

"ACH?! Woher willst du das wissen?! Gerade hab' ich angefangen dich in einem anderen Licht zu sehen, aber du bist....",

Jun suchte nach dem richtigen Wort, "...aber du bist einfach der Teufel! Du machst mein Leben kaputt. Alle meine Ziele. Macht dich das irgendwie geil?! Macht dich das geil mich immer und überall auszuspielen?!!!"
 

Eric sah Jun ungläubig an. Noch nie hatte er den anderen so die Fassung verlieren sehen.

Schnell hob er beschwichtigend beide Hände:

"Hör mir zu Jun. Lass mich bitte erklären...Ohne Grund würde ich das doch nie tun."

"Komisch dass du dir aufeinmal meinen Namen so gut merken kannst.", giftete Jun bitter.

"Jun.."

"Halt die Klappe! Bring das besser in Ordnung! Egal wie!"

"Ich stehe zu der Entscheidu- Hey!", diesmal musste Eric einem Kugelschreiber ausweichen.

"ICH HASSE DICH!", Jun griff nach dem Locher.

Doch ehe er auch diesen über die Tische rüber werfen konnte, war Eric herum gekommen und hielt sein Handgelenk so fest, dass er den Locher widerwillig fallen lassen musste.

"Lass los...", murrte Jun, doch Eric hielt ihn weiter fest.

"Beruhig dich erst einmal....du wirst mir im Nachhinein noch dankbar dafür sein.."

Draußen begann es zusätzlich zum Sturm zu regnen. Wild peitschten die Wassertropfen gegen die Scheiben und das Licht flackerte kurz.

"Ich hab....ewig darauf hingearbeitet....ich bin nicht hier um für immer auf der gleichen Stelle zu treten...vielleicht hast du keine Ambitionen mehr aber ich-"

"Ich habe heute früh die Abteilungsleitung angenommen."

Jun starrte Eric kurz mit offenem Mund an.

"Und du dachtest JETZT ist der Zeitpunkt um mir mitzuteilen, dass du nun auch noch mein Chef bist?!"

Eric zuckte mit den Schultern:

"Ich bin nicht durch mein Feingefühl soweit gekommen."

"Nein das sicher nicht....", fauchte Jun und riss sich los.

"Die da oben würden dich zerfleischen. Hier unten wirst du gebraucht."

"Du willst mich nur nicht auf deinem Posten sehen..!"

"Soetwas interessiert mich wirklich nicht."

"Klar...", schnaubte Jun.

"vertrau mir. Du willst nicht da oben arbeiten und du würdest nichts erreichen. Nichts was du hier unten nicht viel besser-"

"Man halt endlich den Mund! Tu' nicht so, als würdest du mich kennen. Als wüsstest du was das beste für mich ist!"

"Ich-"

"HALT DEN MUND!", rief Jun, drehte sich schwungvoll zum Gehen um und stieß dabei versehentlich das eingerahmte Foto von Eric's Tisch. Unzählige kleine Scherben schimmerten auf dem hellen Parkett.

"Oh scheiße...das wollte ich nicht...", stieß er schnell hervor, hockte sich hin und versuchte das Foto zu retten, wobei er sich sofort an einer größeren Scherbe schnitt.

Blut tropfte auf den Bilderrahmen.

"Lass es liegen....", befahl Eric schnell und zog Jun nach oben um sich dessen Verletzung anzusehen.

"Das tut mir leid, aber du bist trotzdem ein Idiot.", murmelte Jun.

Eric antwortete nicht, holte nur den Verbandskasten und begann in aller Seelenruhe damit den Schnitt zu verarzten.

Die Uhr hinter ihnen zeigte inzwischen 21:34 Uhr an.

Jun wollte jetzt weder in seine WG zu Lena und ihrem Irrsinn zurück noch wollte er gerne hier bleiben.

Doch sich einfach in Luft auflösen war auch nicht drin.
 

Schließlich saßen sie im Aufenthaltsraum auf der Couch.

Jun zupfte an dem Verband an seiner Hand:

"Ich kann hier unten mehr erreichen?"

Eric nickte und lächelte sogar leicht.

"Ich brauche dich hier. Ich bin auch wegen dir runter gekommen."

Da war sie. Die Antwort auf die Frage, die Jun sich lange gestellt hatte.

"Wegen ....mir?", wollte er verdutzt wissen.

"Du weißt dass du gut bist. Aber du weißt nicht wie gut.", erklärte Eric nüchtern.

Jun spürte wie sein Herzschlag sich beschleunigte.

War dieser Satz gerade wirklich aus Eric's Mund gekommen?! Hatte Eric ihm tatsächlich ein Kompliment gemacht?

"Außerdem...", fügte Eric hinzu, doch brachte er den Satz nicht zu Ende.

"Außerdem?", hakte Jun nach.

"Außerdem...", begann Eric und beugte sich leicht zu Jun rüber.
 

"Mensch! Gott sei dank ich bin doch nicht alleine!", jubelte Nancy und stürmte auf die beiden zu.

Ohne sie zu beachten sah Jun zu Eric rüber:

"Was...was meintest du eben noch?"

Doch der Moment war vorbei.

"War nicht wichtig. Ich muss dringend los. Philip macht sich sonst Sorgen."

Schnell eilte er aus dem Raum und lies Jun allein mit Nancy zurück.

Irgendwie zog sich Jun's Bauch unangenehm zusammen.
 

"Jun es ist so gut, dass du so spät noch da bist. Hör mal ich hab vorhin echt Mist gebaut und bin wieder hier um es heimlich in Ordnung zu bringen ehe es jemand merkt...", begann Nancy aufgeregt.

"Oh man....worum geht es?", stöhnte er und spürte wie sich ein kleiner fieser Kopfschmerz anbahnte.

"Naja ich hab da eventuell was runtergeladen...und jetzt ähm spinnt mein Rechner und ich hab da doch alles drauf und..."

"Ich komm ja schon mit...", stöhnte Jun und ignorierte dieses bescheuerte Gefühl, das sich ungewollt in ihm ausgebreitet hatte und einfach nicht wieder weggehen wollte.

"Du bist mein Held wirklich. Ach hast du gehört, dass Eric jetzt unser Abteilungsleiter ist? Und was macht eigentlich deine Bewerbung für Oben? Ich mein bei deinem Lebenslauf wären die schön blöd dich nicht zu nehmen oder?"

Jun beschleunigte seine Schritte ungefähr um das Dreifache.

"Juuuuuun niiiiiicht soooo schneeeeeelll diese Schuhe bringen mich schon den ganzen Tag lang um!"
 

Eric rief derweil den Fahrstuhl.

Während er wartete zog er sich das Jackett aus. Irgendwie war ihm warm geworden.

Waren die Heizungen nicht schon abgeschaltet?

Und wieso ging ihm dieser bescheuerte Glückskeks nicht aus dem Kopf.

Hoffentlich hatten Luna und Philip zu Hause alles im Griff. Er hätte vielleicht wenigstens kurz anrufen sollen, dass es später werden würde. Sicher lag Luna längst im Bett zwischen all ihren Plüschtieren.

Er wollte gerade einsteigen, als er hinter sich schnelle Schritte hörte.

"ERIC! WARTE!"

Der Horror

Nancy stolperte regelrecht auf Eric zu, der sich eigentlich schon auf sein heimisches Bett gefreut hatte.

"Eric! Warte! Du musst ...du musst mir helfen. Jun ist-", keuchte sie außer Atem.

Sie musste sich sehr beeilt haben ihn noch zu erwischen.

Wieso war sie überhaupt noch oder schon wieder hier?

Hatte sie nicht bereits vor 8 Stunden Feierabend gemacht?!

Am liebsten hätte er so getan, als hätte er sie gar nicht mehr gehört und wäre schnell in den Fahrstuhl verschwunden, doch die Türen waren bereits dabei sich zu schließen und er hatte zu lange gezögert.

Moment wie war das?

"Was ist mit Jun?!", wollte er wissen und eilte bereits zurück in die Richtung aus der sie gekommen war.

"Also ich hatte ein Problem mit meinem Rechner und ...Ach Herrje du bist ja jetzt Abteilungsleiter, das möchte ich dir eigentlich gar nicht sagen....was mir da passiert ist. Ich kann wirklich fast nichts dafür."

"Nancy was ist mit Jun?!", fragte Eric erneut ohne sich beim laufen zu ihr umzudrehen.

"Naja...", begann sie langsam und versuchte sich neuen Lippenstift aufzutragen während sie angestrengt bemüht war mit ihrem neuen Chef Schritt zu halten.

"Komm zum Punkt!"

"Naja also Jun sollte mir bei diesem kleinen Problemchen helfen und er ist-"

Eric riss bereits die Tür auf, hinter der sich Nancy's Arbeitsplatz befand und hätte sie für den Schreck am liebsten gewürgt. Äußerlich bewahrte er aber Ruhe.

"Und er ist eingeschlafen.", beendete sie schließlich ihren Satz.

Jun lag mit dem Kopf auf dem Schreibtisch und atmete leise und friedlich. Die Brille lag zwischen seinem Kopf und der Tastatur.

Eric fuhr sich durch die Haare und seufzte.

"Und jetzt soll ich dir helfen?"

"Das wäre toll.....", lächelte sie zerknirscht.

Eric seufzte erneut und sah sie dann etwas friedlicher an:

"Nancy geh ruhig nach Hause. Ich kümmer mich um alles."

Sie konnte ihm sowieso nicht helfen und er war defnitiv zu müde, um sie die ganze Zeit über in seinem Nacken zu ertragen.

Natürlich nahm sie das Angebot schnell an.

"Ist das wirklich in Ordnung? Vielen, vielen Dank! Bis Morgen!"

Er nickte nur und sie verschwand dankbar und ohne ein weiteres Mal nachzufragen aus der Tür.

Für gewöhnlich blieb sie wirklich niemals länger als nötig und ihr Taxi wartete nach wie vor an der Straße.

Eric zog sich einen eigenen Stuhl heran und begann mit der Problembeseitung. Nancy hatte leider ganze Arbeit geleistet, aber es lies sich noch beheben.

Eine Weile später schaltete er auch ihren Rechner ab und lehnte sich im Stuhl zurück.

Automatisch wanderte sein Blick zum noch immer schlafenden Jun.

Klar, irgendwann musste der ja auch mal erschöpft sein. Es war eine ziemlich harte Woche gewesen und Jun stellte ebenso harte Ansprüche an sich selbst. als würde er die Verantwortung für alles was in der Abteilung passierte auf seinen Schultern tragen.

Wann kapierst du endlich, dass es meine Verantwortung ist? Wann entspannst du dich endlich?, dachte er mürrisch.

Eric war so in Gedanken, dass er gar nicht direkt merkte, wie er mit der Hand durch Jun's Haare strich.

Ob er ihn zur Couch tragen sollte?

Nein...dann würde er doch garantiert aufwachen.

Stattdessen, verschwand er kurz und kam wenige Minuten später mit einer zusammen gefalteten Decke wieder, die er neben Jun's Kopf auf den Schreibtisch legte.

Außerdem stellte er eine Flasche Wasser dazu, dann schlich er aus dem Raum und machte sich erneut auf den Weg zum Fahrstuhl und nach Hause.

Es wurde wirklich Zeit. Auch wenn es ein ungutes Gefühl war, Jun hier allein zu lassen.

Das konnte so nicht weiter gehen. Für den nächsten Tag nahm er sich fest vor Jun früher nach Hause zu schicken oder ihn dazu zu überreden Überstundenfrei zu nehmen. Klar, würde der Kleine sich zunächst dagegen streuben aber irgendwie würde er es ihm schon beibiegen. Außerdem war er nun immerhin dessen Vorgesetzter.
 

Jun wachte erst zwei Stunden später mitten in der Nacht und mit Nackenschmerzen auf.

Verwirrt sah er sich um.

Dann kam die Erinnerung wieder und er bewegte die Computermaus. Doch der Rechner war ausgeschaltet.

War er etwa schon fertig gewesen?

Irgendwie war die ganze große Erschöpfung mit einem Schlag gekommen und alles war etwas verschwommen.

Gähnend sah er zur Seite und auf die Decke und das Wasser neben sich.

Na immerhin ...das war doch nett von Nancy.

Allerdings wäre es ihm irgendwie lieber gewesen wenn sie ihn geweckt und mit nach Hause genommen hätte.

Gerädert stand er auf, nahm die Decke unter den Arm und die Flasche in die Hand und schlurfte den langen Weg zurück in den Aufenthaltsraum, wo er sich mit wenigen Handgriffen erneut häuslich einrichtete.

Furchtbar.

Das durfte auf keinen Fall zur Gewohnheit werden.
 

Jun wollte gerade die Augen schließen als er den großen Umriss in der Tür bemerkte.

Sofort saß er wieder aufrecht:

"Wer...wer ist da?"

"Keine Angst. Ich bin's..", sagte Eric leise, warf sein Jackett über einen Stuhl und kam näher. Er war letztendlich gar nicht bis nach Hause gefahren, hatte nur Philip eine Nachricht geschrieben und war durch die nächtlichen Straßen gelaufen nur um sich nach zwei Stunden wieder vor der Arbeit wieder zu finden.

Langsam setzte er sich zu Jun auf die Couch. Es war nicht leicht darüber zu sprechen.

In den Therapiesitzungen hatte er bisher immer geschwiegen.

Er kam ja zurecht. Er arbeitete, er sorgte für seine Familie. Natürlich war nicht alles gut. Aber das konnte es ja auch nie wieder werden. Das hatte er irgendwie still und leise ganz privat für sich akzeptiert.

"Ich dachte du bist schon längst zu Hause und schläfst?", flüsterte Jun und krallte die Finger tiefer in die Decke.

Eric seufzte leise.

Ein, zwei Minuten schwiegen sie nur, dann begann er leise zu sprechen:

"Ich hab ihnen versprochen, dass ich mich mal wieder blicken lasse..", seine Stimme wirkte ungewohnt brüchig.

Jun sah Eric nur im dunklen an. Sah gerade so seine Umrisse.

Er wollte ihn jetzt auf gar keinen Fall unterbrechen. Er wusste sofort worum es ging.
 

Eric setzte erneut an, es schien als wäre es harte Arbeit die Worte aus seinem Mund zu bekommen:

"Natürlich bin ich zu spät gekommen, weil ich unbedingt noch dieses scheiß Programm zu Ende schreiben wollte..

sie laufen ja nicht weg hab ich mir gesagt....Gott...ich kann mich an jede Minute dieses Tages erinnern.

Ich hab als ich vor ihrem Haus geparkt habe noch in ruhe einen Espresso getrunken, weil ich keine Lust auf das Treffen hatte."

Jun bemerkte, dass er während Eric erzählte die Luft angehalten hatte. Leise atmete er tief ein und aus und schwieg weiter.

Gab dem anderen einfach Zeit.

Er hätte auch gar nicht gewusst was er sagen sollte und er bekam eine Gänsehaut wenn er daran dachte was er schon wusste: Ich habe sie gefunden.....oder das was von ihnen übrig war..
 

Eric lies sich neben Jun auf die Couch fallen. Auf dem Rücken liegend starrte er hoch zur Decke, obwohl dort im Dunkeln natürlich nicht wirklich etwas zu sehen war. Er sah ohnehin nur wieder die Bilder dieses längst vergangenen Tages vor sich erscheinen.

"Ich bin aus dem Auto ausgestiegen und hab noch schnell mit einem Geschäftspartner telefoniert.

Dann hab ich beim Telefonieren die leicht geöffnete Tür bemerkt.

Das war der Moment in dem mich dieses komische Gefühl überkam, dass irgendetwas nicht stimmte.

Ich hab das Gespräch beendet und bin rein gegangen. Als erstes..."

Eric hielt inne.

Jun spürte eine leichte Beklemmung in seiner Brust.

Eric's Stimme wirkte jetzt noch leiser:

"Als erstes...hab ich ein Ohr gefunden....es war so abstrakt.... da lag einfach nur ein Ohr auf dem Teppich...dann hab ich das Blut gesehen...gerochen....mir wurde übel und trotzdem war alles noch so unwirklich..."

Eric begann etwas schneller zu sprechen als würde er es einfach hinter sich bringen wollen:

"Der ....Torso meiner Mutter....lag auf dem Küchentisch.....sie war ausgenommen worden wie ein....", Eric brach ab.

Ach du Scheiße..., schoss es Jun durch den Kopf.

Er konnte sich an soetwas erinnern.

Er hatte damals etwas in der Zeitung gelesen über ein älteres Ehepaar, das im eigenen Haus-, er konnte den Gedanken nicht einmal zu Ende denken so schrecklich war es.

Aber jetzt zu wissen, dass es Eric's Eltern gewesen waren.

Vielleicht hätte er es lieber doch nicht gewusst.

Eric schien fertig zu sein. Er konnte einfach nicht weiter darüber sprechen und Jun wollte ihn auf keinen Fall dazu zwingen. Stattdessen setzte er sich auf, wartete bis Eric es ihm nachtat und nahm ihn einfach in den Arm.

Eric erwiderte die Umarmung.

"Wenn ich früher gekommen wäre ...hätte ich vielleicht...."

"Nein so darfst du gar nicht denken ...bitte..", warf Jun schnell ein.

"Ich geh besser...", beendete Eric schließlich als erster die Umarmung und stand auf.

Jun hätte ihn am liebsten festgehalten:

"Bist du sicher, dass du fahren kannst? Bleib lieber hier..."

Eric schüttelte den Kopf:

"Das wäre nicht gut....wir sehen uns morgen. Außer du möchtest dir frei nehmen."

Da war er wieder sein normaler Ton, als hätte er die Alltagsmaske wieder aufgesetzt.

"Nein ich werde da sein...bin ja sowieso schon hier und es ist ohnehin fast Wochenende.."

"Dachte ich mir....dann geh morgen aber wenigstens mal pünktlich."

"Eric....bitte bleib hier...", Jun konnte es kaum fassen, dass so ein Satz mal aus seinem Mund kommen würde.

"Ich kann nicht..."

"Wieso denn nicht?"

"Schlaf gut.", lächelte Eric und zog sein Jackett von der Stuhllehne, dann verschwand er so leise wie er gekommen war.

An Schlaf war für Jun jetzt nicht mehr zu denken.

Es dauerte eine Weile bis er merkte, dass ihm eine Träne über die Wange lief.

Wie schrecklich. Es war ja schon schrecklich genug überhaupt jemanden tot vorzufinden aber so....auf diese Art und weise. In diesem Zustand....unvorstellbar.

Tagsüber merkte man Eric gar nicht an was er für ein Trauma mit sich herum schleppte.

Jun dachte an den Artikel zurück. Nach all der Zeit konnte er sich natürlich nicht an jedes Wort erinnern, was er aber wusste war, dass es sich wohl um einen Psychopathen...einen Serienmörder gehandelt hatte.... sie hatten ihn ungefähr drei Monate später gefasst. Aber das brachte die Opfer nicht zurück. Jun seufzte tief und schwer.

Was für eine Scheiße...

und das war das Ereignis welches Eric dazu gebracht hatte den Job oben anzunehmen...weil er auf einmal seine Geschwister bei sich hatte.....weil seine Eltern....

Scheiße..
 

Eric war inzwischen bei seinem Auto angekommen.

Seine Gedanken hingen immernoch bei diesem einen schwarzen Tag seines Lebens.

Philip und Luna kannten die Wahrheit bis heute nicht. Gott sei Dank waren beide an dem Tag des Grauens nicht zu Hause gewesen. Wie durch ein Wunder.

Sie dachten es wäre ein Autounfall gewesen...

auch nicht schön...aber besser als die Bilder mit denen er leben musste.

Und er würde sie nie vergessen.

Das Blut in der Spüle.....die Gedärme seiner Mutter die vom Tisch hingen... Sein Vater der mit dem Kopf im Kamin lag.

Die zerhackten Glieder...die aufgerissenen Augen........die Augen.....

Eric ging um sein Auto rum und übergab sich in den Busch dahinter.

Sein Handy klingelte.

"Ja?"

"Ich kann nicht schlafen....wieso bist du nicht zu Hause?"

"Luna es tut mir leid es ist einiges dazwischen gekommen. Ich bin gleich da."

"Du arbeitest zu viel!", maulte das kleine Mädchen am anderen Ende und man hörte wie sie die Decken zurecht zog.

Eric lächelte leicht:

"Ja du hast vielleicht Recht. Aber jetzt beeil ich mich und ich komm nochmal hoch zu dir, ok?"

"Wehe wenn nicht.", mit diesen Worten legte sie auf.

Eric lächelte immer noch. Luna , Philip und die Arbeit hielten ihn wirklich auf Trab und das war gut so.
 

Jun dachte diesmal daran sich einen Wecker zu stellen und als der ihn am Morgen weckte, wirkte alles nur wie ein Traum.

Trotzdem machte er sich sorgen um Eric.

Ob der schon wieder da war?

Eilig und ohne sich frisch zu machen hetzte er zu seinem Arbeitsplatz.

Trotz der Beförderung war Eric dort geblieben.

Als Jun rein stürmte, sah er kurz auf:

"Morgen Jay.", lächelte Eric.

Die Sorgen wurden schlagartig weniger.

Salty

Vanessa saß neben Jun's Bildschirm auf dem Schreibtisch und blies ab und zu eine Kaugummiblase vor ihrem Gesicht auf:

"Und du bist dir sicher, dass er schwul ist? Ich meine....jetzt wo das auf dem Foto doch nicht sein Mann ist, sondern sein Bruder?"

Jun's Kugelschreiber gab seinen Dienst auf und er warf ihn ohne hinzusehen in den Mülleimer:

"Naja ich denke schon. Aber...ich hab in letzter Zeit vieles über ihn gedacht, was letztendlich...nicht richtig war..."

Vanessa's Miene hellte sich auf:

"Du denkst schon, aber sicher bist du dir nicht. Ha!"

Sie strahlte übers ganze Gesicht.

Jun sah sie an und entschied sich dann für den direkten Weg:

"Vanessa du bist doch viel zu jung für ihn. Selbst wenn er doch nicht schwul sein sollte. Er sieht dich doch nichtmal richtig. Mach dich nicht so zum Affen wie die anderen."

Sie sah ihn zutiefst erschüttert an und schob ihren Hintern vom Tisch runter:

"Ich bin gar nicht zu jung und er hat mir sehr geholfen bei meinem wichtigsten Meeting!"

"Vanessa....das ist sein Job... du hast uns dort präsentiert ...natürlich sorgt er dafür, dass du gut dastehst...ich mein das doch nicht böse....ich sitze hier neben ihm...er hat sich noch nie weiter nach dir erkundigt. Er weiß deinen Namen, das ist alles..."

Unbeirrt band Vanessa ihre glänzenden, vollen Haare zu einem dicken Pferdeschwanz:

"Dann wird es vielleicht einfach Zeit, dass er mich besser kennenlernt!"

"Wenn du meinst.", seufzte Jun. Irgendwie tat sie ihm leid. Aber vielleicht hatte er ja auch unrecht. Vielleicht stand Eric ja auch auf Frauen und vielleicht war sie ja doch sein Typ und er hielt sich am Arbeitsplatz lediglich sehr zurück.

Nur wirklich glauben konnte er das irgendwie nicht.

Ob er es einfach tun sollte? Ob er ihn mal fragen sollte?

Aber was machte es für einen Unterschied auf wen Eric so stand?
 

Eric kam erst zurück, als Vanessa bereits seit einer guten Stunde wieder weg war.

Still saßen sie sich gegenüber und tippten bis es aufeinmal aus Jun rausplatzte:

"Eric bist du-"

"Hm?"

"Bist du....also..stehst du auf Männer?"

Stehst du auf Männer....?! Wie blöd...Man das hätt ich irgendwie anders sagen können...

Eric grinste nur, nahm einen Stapel Akten in den Arm und ging zur Tür.

"Was grinst du so?!...ich frag für Vanessa. Nicht für mich. Wieso auch für mich. Sie steht eben auf dich und."

"Ich bin das hier kurz weg bringen.", grinste Eric erneut und verschwand aus der Tür.

"Hey!", rief Jun ihm hinterher, "Hey das war keine Antwort!!"

Eric schien es nicht mehr zu hören. Zumindest kam er nicht wieder rein.

So ein Mist.

Jetzt hatte er sich blamiert und noch nicht einmal eine Antwort bekommen.

Jun sah auf den Bildschirm vor sich.

Seine Bewerbung.

Nachdenklich schwebte er mit dem Mauszeiger über "Drucken".

Schließlich klickte er drauf und heftete die Zettel, die kurz darauf aus dem Drucker kamen in eine Bewerbungsmappe.

Mit einem flüchtigen Blick versicherte er sich, dass Eric auch ja immer noch weg war und das nicht mit bekam.

Dann griff er die Mappe und machte sich heimlich auf den Weg nach oben.

Vielleicht war es ja noch nicht ganz zu spät. Zumindest war noch kein Nachfolger bekannt gegeben worden.
 

Zaghaft klopfte er oben an die Tür mit der Nr. 314.

Als keine Antwort kam, nahm er sich vor die Mappe einfach still und leise auf den Schreibtisch zu legen.

Er öffnete die Tür und wäre vor Schreck fast in die Luft gesprungen.

Das Büro war doch nicht leer.

Eric stand mit nacktem Oberkörper hinter dem Schreibtisch.

Mjam...

Allerdings war er nicht allein.

Eine Frau stand vor ihm und eine ihrer Hände lag direkt auf seiner Brust.

"Ich ähm...", stammelte Jun verlegen und ärgerte sich gleichzeitig, dass Eric hier war und nich Theresa, der er seine Bewerbung schnell zu stecken wollte.

"Kann ich dir helfen?", fragte Eric ungeniert. Dann sah er die Mappe in Jun's Hand, "Nicht doch...."

"das....das geht dich überhaupt nichts an!", bellte Jun und stürmte aus dem Zimmer.

Er wollte die Tür hinter sich zu schlagen, doch leider rutschte ihm der Griff zu früh aus der Hand, also blieb auch das einfach nur ein peinlicher, lächerlicher Abgang.

Scheiß Eric..., dachte er genervt und sah sich weiter nach Theresa um. Mit der Mappe würde er nicht wieder runter gehen und wenn er sie hier einfach irgendwem übergab.

Wieso zur Hölle war Eric hier oben? Wieso in dem Büro? WIESO HALBNACKT?! und wieso mit dieser....dieser....Frau.

Wer war das überhaupt?!

Jun hatte sie noch nie gesehen.

War das das Büro in dem hier die heimlichen Techtelmechtel liefen?!

Jun schnaubte wütend. War er hier eigentlich der einzige, der seine Arbeit ernst nahm?!

Es hätte ihn nicht gewundert wenn es ihm gleich aus den Ohren gedampft hätte, so aufgebracht war er.

Immer stand Eric irgendwie im Weg.

Jetzt auch noch so....

Er wollte doch nur kurz die Mappe hinlegen.

Aber sie Eric geben, war wie die Mappe direkt in den Müll zu schmeißen.

Ein junger Mann mit gepunktetem Hemd schlenderte mit einer Kaffeetasse in der Hand auf ihn zu:

"Kann ich ihnen helfen?"

Jun sah ihn erleichtert an: "Kennen sie Mrs Anderson?"

Der Mann blieb stehen: "Natürlich. Sie ist gerade außer Haus kann ich ihr etwa-"

"Hier.", Jun streckte ihm die Mappe entgegen.

"Soll ich ihr das geben?"

"Ja. Bitte.", Jun war knapp angebunden, weil er so schnell wie möglich wieder nach unten wollte. Weil es eilte und weil er nicht noch einmal in Eric laufen wollte. Der würde ihm nur Vorwürfe machen und-

"JUN!", Eric kam auf sie zu gelaufen. Er hatte sich immerhin inzwischen ein Hemd übergeworfen es allerdings noch nicht zu geknöpft.

"Nein danke.", murrte Jun und steuerte schnellstmöglich auf den Fahrstuhl zu.

"Cedric gib mir das.", mit diesen Worten zog Eric dem verwirrten jungen Mann auch schon die Mappe aus der Hand.

"Das darfst du nicht", fauchte Jun erbost und kam wieder zurück.

"Sei mal ehrlich wie stellst du dir das hier vor? Ist es wegen dem besseren Gehalt?"

Jun errötete: "Nein....nein ist es nicht."

"Dann lohnt es sich nicht."

"Ich möchte es versuchen."

Eric seufzte: "Sicher?"

Jun nickte.

Daraufhin gab Eric Cedric die Mappe zurück.

"Das ist ein Fehler und die Stellen unten werden schneller besetzt und zwar von mir. Ein Zurück gibt es dann vielleicht nicht."

"Schön.", sagte Jun.

"Schön.", meinte Eric.

Dann standen sie wortlos dicht nebeneinander im Fahrstuhl, starrten auf die Anzeige und es fühlte sich wie eine Ewigkeit an.

Kaum unten angekommen, ging einer nach links und einer nach rechts ohne noch ein weiteres Wort zu wechseln.

So war es wohl am besten.

Jun war nämlich kurz davor gewesen seinem Chef wortwörtlich die Augen auszukratzen.
 

In seinem Büro angekommen warf Jun ein Radiergummi gegen die Wand:

"Dieser Esel!!"

Nancy die gerade da war zuckte zusammen und sah ihn verwirrt an:

"Hassen wir ihn jetzt doch wieder?"

"Er hat es einfach auf mich abgesehen!"

"Ich glaube das bildest du dir ein. Eric weiß dich sehr zu schätzen und er wirkt nicht wie der Typ, der-"

"jaja ihr himmelt ihn doch alle an. Euch verdirbt er ja auch nicht jede Chance auf Weiterentwicklung. Ihr seid ja zufrieden wo ihr seid."

"Hey! Jun ich hab dich gern. Aber jetzt werd nicht unfair!", Nancy hatte ihm eigentlich einen Milchkaffee gebracht doch den nahm sie jetzt beim Gehen wieder mit. So als kleine Strafe.

"Meld dich, wenn du dich beruhigt hast und kümmer dich um den Auftrag für Smith. Die werden unegduldig!", war ihr letzter Satz, dann sah er sie den Rest des Tages nicht wieder.
 

Das schlimmste für sein Ego war, dass er gerade eigentlich Eric's Hilfe brauchte.

Der war garantiert bloß drüben bei wiederrum seinem Chef. Es gab ja immernoch jemanden über einem.

Er könnte ihn problemlos holen.

Aber heute stand Jun sich einfach selbst im Weg und es half auch nicht, dass es sich anfühlte als würde ein Gewitter aufziehen.

Und wieso hatte Nancy den Kaffee nicht einfach hier lassen können.

Ein wenig selbstmitleidig schlurfte Jun in die Küche und besorgte sich eben selbst eine frische Tasse, dann blieb sein Blick an den Zucker und Salzpäckchen hängen.

Grinsend und etwas beschwingter schlenderte er zurück an seinen Platz und machte auf dem Weg kurz neben Eric's Wasserflasche halt um heimlich ein Salzpäckchen darin zu entleeren.

Dann lies er sich zufrieden auf seinen Platz fallen und machte sich endlich wieder an die Arbeit.

5 Minuten später hatte er ein übel schlechtes Gewissen.

Schlimmer noch wurde es als er die Notiz auf Eric's Tastatur bemerkte....

Er las sie und kam sich dann plötzlich ziemlich dumm vor.

Wieso hatte er die vorher nicht gesehen....

Nachdem er die Notiz gelesen hatte, wollte er schnell das Wasser austauschen, doch in diesem Moment kam Eric zurück.

"Was machst du an meinem Platz?"

Annäherungen

"Was machst du an meinem Platz?", Eric verschränkte die Arme vor der Brust.

Jun sah peinlich berührt auf die Notiz, die er auch schon vor dem blöden Treffen oben hätte sehen können.

(Notiz: »Bin irgendwann kurz oben. Katja ist heute da und hat angeboten mich in ihrer Pause schnell auszumessen. Neuer Anzug.«)

Das war also die Frau gewesen...

Dann sah er auf die Flasche mit dem versalzenen Wasser.

"Ich ähm....ich....sterbe vor Durst ...darf ich...darf ich...?", murmelte Jun.

Er konnte Eric, das jetzt auf keinen Fall mehr trinken lassen. Was hatte er sich nur bei einem so blöden Kinderstreich gedacht. Aber er war vorhin eben noch so wütend gewesen und frustriert und Eric war nackt gewesen und...

er hatte die Notiz ja nicht gesehen.

Eric sah ihn verwundert an, immerhin war gleich im Flur ein großer Wasserspender.

Dann zuckte er aber nur mit den Schultern: "Klar, bedien dich."

Jun sah auf die Flasche als wäre dort purer Essig drinnen.

Dann nahm er sie in die Hand.

"Danke..."

Fest entschlossen nahm er einen großen Schluck, verzog das Gesicht und spuckte alles in den Mülleimer aus.

Er konnte es einfach nicht bei sich behalten. Schon gar nicht runter schlucken.

Eric sah ihn nur an:

"Stimmt was nicht mit dem Wasser?.. Geht's dir nicht gut?"

Jun wischte sich mit rotem Gesicht über den Mund und schüttelte hastig den Kopf:

"Nein äh alles gut ich....bin sehr empfindlich bei Wasser...und es war schon...ziemlich...warm..."

Was redete er da nur für einen Schwachsinn???!!!

Wenn Eric ihn bisher nicht für einen Trottel gehalten hatte, dann vermutlich ab heute.

Glücklicherweise ging Eric nicht weiter drauf ein...meinte nur kurz:

"Oooook...", und wandte sich wieder seiner Arbeit zu, die sich heute bereits in Form von zwei hohen Türmen vor ihm stapelte.

Als Eric einmal länger telefonierte goss Jun das restliche Wasser dann heimlich in den Topf der Zierpalme und hoffte inständig, dass der Pflanze das nicht schaden würde.

Zumal er sich auch immernoch nach all der Zeit nicht zu 100% sicher war ob es eine echte oder eine Kunstpflanze war.

Irgendwie peinlich.

Er setzte sich gerade an seinen Platz zurück, als Eric zu ihm rüber sah:

"Du sagst Vanessa steht auf mich?"

Erst jetzt bemerkte Jun so wirklich bewusst was ihm da rausgerutscht war:

"Ähm...also nein..also..vielleicht...also stehen nicht irgendwie alle auf dich also...ich hab halt so etwas in der Art gehört...stimmt vielleicht ja auch gar nicht.."

"Alles klar..", meinte Eric nur kurz und sah wieder auf seinen Bildschirm.

Jun schielte zu ihm rüber und erinnerte sich daran wie er ihn vorhin halbnackt oben angetroffen hatte und wie Eric mit offenem Hemd durch den Flur auf ihn zu gelaufen gekommen war.

Dabei merkte er nicht dass er leicht an seinem Stift nagte.

Unweigerlich dachte er an den Abend zurück an dem sie zusammen Wein getrunken und diese Glückskekse geöffnet hatten. Wie sie sich die Couch teilen mussten, wie sich Eric die eine Nacht über sein Privatleben geöffnet hatte.

Trotzdem wirkte dieser Mann unendlich weit entfernt und dabei saßen sie sich direkt gegenüber.

Jun seufzte. Moment. Wieso seufzte er?

Eric war der Freind. Der gehasste Kollege...sein Abteilungsleiter, der bestrebt war alle seine Bemühungen auf eine Versetzung zu verbauen.

Aber....

aber diesmal hat er meine Bewerbung durch gelassen, weil es mir wichtig war, weil ich nicht locker gelassen habe.

Neuerdings schien Jun's Bild von Eric immer mal wieder ein bisschen zu verschwimmen, ein bisschen weicher zu werden.

Es war ihm unerklärlich wie und wann es passiert war aber spätestens seit heute schien Jun seine Immunität Eric's Anziehungskraft gegenüber verloren zu haben.

Er hatte sich nie von Eric's Aussehen und Charme beeinflussen lassen doch neuerdings......

Er war ja schon irgendwie ein toller Mann....

WUAH!

Jun schüttelte den Kopf und versuchte sich wieder auf die Arbeit zu konzentrieren.
 

3 Stunden später beendete Jun das Programm an dem er ewig gesessen hatte und ging in Richtung des Fahrstuhls. Eigentlich wollte er nur kurz runter fahren und sich irgendwo mal einen anderen Kaffee gönnen, als den, den er hier immer bekam. Er hatte den Fahrstuhl beinahe erreicht als er Stimmen hörte. Eric's Stimme und die einer Frau...Moment!...war das Vanessa?!

Keine Minute später traten die beiden auch schon auf den Gang hinaus und Jun versteckte sich hinter einem Mahagonischrank.

Wieso hatte er sie nicht einfach kurz gegrüßt und war weiter gegangen.

Jetzt wo er sich bereits reflexartig versteckt hatte konnte er schlecht aus eben diesem Versteck wieder hervor springen. Wie würde das aussehen? Als hätte er sie belauschen wollen. Wobei......war das nicht tatsächlich das was er gerade tat.....?
 

Eric hatte die Hände in die Hosentaschen gesteckt und wirkte ganz entspannt, während Vanessa's Finger ständig nervös in Bewegung waren. Mal drehte sie an ihren Haaren, mal zupfte sie an ihrem Rock oder ihrer Bluse.

"Hör mal. Ich möchte dich wirklich nicht in Verlegenheit bringen. Ich schätze dich als Kollegin und es schmeichelt mir, dass du mit mir ausgehen willst aber ich halte nichts von Beziehungen am Arbeitsplatz. Das hat nichts mit dir persönlich zu tun. Ich empfinde es als unprofessionell."

Vanessa wurde puterrot.

"Entschuldige ich...das kann ich natürlich verstehen. Ich dachte ich versuch's halt mal..."

Sie lachte verlegen.

"Es tut mir ehrlich leid."

"Nein. um gottes Willen. Eric. Das brauch es nicht. Danke, dass du dir kurz Zeit genommen hast.", meinte Vanessa schnell und versuchte die Fassung zu bewahren.

Irgendwie hatte sie ja schon mit einer Abfuhr gerechnet aber jetzt war es ausgerechnet auch noch so eine vernünftige, nette Abfuhr, dass sie nicht mal sauer auf ihn sein konnte.

Trotzdem war sie stolz drauf ihn wenigstens mal gefragt zu haben.
 

"Aber was wenn dich hier jemand interessieren würde...? Würdest du verzichten nur wegen diesen Prinzipien?", platzte es dann in letzter Sekunde doch noch aus ihr raus.

"Das sollte einen nicht ablenken."

"Ja, aber was wenn du hier auf deine große Liebe treffen würdest, würdest du sie einfach ziehen lassen nur weil du sie am falschen Ort kennengelernt hast?", fragte Vanessa inzwischen ziemlich aufgebracht. Man merkte ihr ihre Liebe für Seifenopern durchaus an.

"Würdest du nicht darum kämpfen?", fügte sie noch hinterher.

Eric zuckte mit den Schultern:

"Wie kann man in so einem oberflächlichen Umfeld denn schon erkennen hinter welchem Flirt wirklich etwas großes stecken könnte? Man lernt sich doch hier nie wirklich persönlich kennen.", das war schon mehr als er eigentlich hatte sagen wollen.

"Eric du....bist viel zu vernünftig....gibt es hier denn niemanden ....den du ...nunja...anziehend findest?", wollte sie wissen.

Eric zog die Hände aus den Hosentaschen.

"Ich glaube es gibt wichtigere Dinge über die wir sprechen müssten. Zum Beispiel über das Meeting am-"

"Oh Gott. Ich hab ins Schwarze getroffen oder? Du gehst nicht wegen der Arbeit und der Moral nicht mit mir aus. Du gehst nicht mit mir aus weil...weil da schon jemand ist, oder? Ich hab recht, oder?", jetzt war sie trotz der Enttäuschung völlig aus dem Häuschen. Wiegesagt Tratsch war in Büros Gold wert.

"Nein.", war Eric's nüchterne Antwort.

"Wer ist es? Oh wer ist es?"

Eric seufzte leise und beugte sich schließlich ein wenig vor. Dann flüsterte er ihr etwas ins Ohr.
 

Jun der um den Schrank herum spähte sah das zwar, konnte jedoch kein Wort verstehen.

So ein verdammter Mist! Was hatte er ihr gesagt???Was gab es da zu tuscheln?!

Und wie sollte er es aus Vanessa raus quetschen ohne gleichzeitig zu zugeben, dass er gelauscht hatte?!

Wieso interessierte ihn das jetzt überhaupt so?

Vanessa kicherte leise und verschwand zurück in einen der Büroräume.

Eric zupfte sein Jackett zurecht und wandte sich zum Gehen, doch ehe er sich in Bewegung setzte sagte er laut und ohne in Jun's Richtung zu sehen:

"Du kannst jetzt wieder raus kommen."

Dann ging er den Gang runter und verschwand um eine Ecke.

In vino veritas

Selbst kurz vor Feierabend grübelte Jun noch darüber nach was Eric Vanessa wohl ins Ohr geflüstert hatte.

Eric selbst war längst zu Hause.

Irgendwie wollte heute nichts mehr funktionieren.

Es hatte einfach keinen Sinn mehr.

Doch gehen konnte er auch nicht einfach solange er das Problem vor sich noch nicht gelöst hatte.

Dann wäre er verantwortlich für immense Verluste...

Jun stöhnte genervt. Er war es wirklich nicht gewöhnt etwas nicht alleine lösen zu können.

Für gewöhnlich baten die anderen Kollegen ihn um Hilfe und nicht anders herum.

Doch heute war einfach irgendwie der Wurm drin.

Das Programm schien ihn heute nicht zu mögen.

Jun zögerte sehr lange ehe er sich von Nancy Eric's Privatnummer (nur für Notfälle) rausgeben lies und ihn anrief:
 

"Hey Ich bins Jun...entschuldige die Störung. Ich würde nicht stören wenn es nicht wichtig wäre..."

Er begann Eric das Problem zu schildern und auch gleich was er bereits alles versucht hatte.

Damit sie möglichst nicht zu viel Zeit verschwenden mussten.

Als er fertig war schwieg Eric am anderen Ende eine Weile und dann sagte er etwas furchtbares:

"Das kann ich dir nicht übers Telefon erklären.

Ich kann hier aber auch gerade nicht weg. Lass dir von Nancy meine Privatadresse geben und komm vorbei. Bring das Programm auf einem Laptop mit oder so. Du brauchst am Haus nicht zu klingeln, geh gleich ums Haus rum in den Garten."

"Aber ich-", begann Jun.

"Keine Sorge du kannst dir das als Überstunden aufschreiben."

"Aber-", begann Jun erneut.

"Bis gleich.", unterbrach Eric ihn und beendete das Gespräch.

Jun sah auf den Telefonhörer.

"Was zum...", murmelte er.

Alles in ihm sträubte sich dagegen zu Eric zu fahren. Und überhaupt: Wie sollte er da jetzt hin kommen.
 

"Nimm mein Fahrrad.", rief Ricky 10 Minuten später.

Jun bedankte sich zwar. War aber nicht gerade glücklich mit dieser Lösung.

Auf dem Fahrrad musste er erst einen steilen Berg hoch strampeln und brauchte ganze 45 Minuten bis zu Eric nach Hause.

Nervig war auch darauf den Laptop und einen Stapel Dokumente und seine Privatsachen zu transportieren.

Wenigstens war heute Mal ein trockener und etwas milderer Tag.

Vor dem Haus angekommen lehnte er das geliehene Fahrrad gegen die Hauswand und betrachtete die Tür.

Er wollte gerade auf die Klingel drücken, als ihm wieder einfiel, dass er das ja nicht tun sollte.

Aber wieso in den Garten?

Es genügte ein Blick um die Hauswand herum um diese Frage zu beantworten.

"Ah da bist du ja. Sehr gut.", rief Eric und drehte ein Stück Fleisch auf dem Grill um.

Jun sah ihn perplex an.

Grillen im Herbst?...

"Ich weiß was du denkst. ich kann eben besser grillen als kochen und es regnet doch nicht.", grinste Eric und übergab den Grill dann an Philip, der neben ihm stand.

Philip hob zum Gruß kurz die Grillzange, sagte aber kein Wort. Fremden gegenüber war er extrem schüchtern.

Er sah irgendwie aus wie ein Lehrerkind.

Keine Ahnung wieso Jun direkt auf diesen Vergleich kam und er meinte es auch nicht abwertend oder so. Es war einfach das erste was ihm zu Philip einfiel. Wobei Kind natürlich übertrieben war. Wie alt mochte Philip wohl sein.

Jun betrachtete dessen blasses Gesicht und die haselnuss farbenen Haare. 23 vielleicht? Oder doch noch jünger? Immerhin wohnte er noch bei Eric? 19? Allerdings wirkte er schon sehr reif.

Luna passte derweil überhaupt nicht ins Bild. Sie war so jung. Wie ging das? Hatten Eric's Eltern so spät noch ein drittes Kind bekommen? Ging das überhaupt?

Fragen mochte er allerdings auch nicht. Das war viel zu persönlich.

Wo war Luna überhaupt? Spielverabredung vielleicht?
 

Jun grüßte Philip kurz zurück. Woraufhin der schnell und konzentriert wieder auf den Grill sah.

Innerhalb der Familie war er ganz anders, doch kaum war jemand neues anwesend schnürte es ihm die Brust und die Kehle zu. Er war so ganz anders als sein großer Bruder.

Und der kam jetzt auch auf Jun zu:

"Hast du alles mit?", fragte er geradeheraus und wies auf den Tisch auf der Terrasse.

Jun nestelte noch immer in Gedanken an seinem Schal, ging dann aber rüber und begann auszupacken.

Auf der Terrasse stand eine Art Heizstrahler. Sofort wurde Jun mit all seinen Zwiebelschichten und direkt neben dem Strahler muckelig warm.

"Ich hab erzählt, dass ein Kollege vorbei kommt und Luna wollte dich unbedingt sehen. Sie war richtig sauer als sie eben schon abgeholt wurde.", erzählte Eric während er den Laptop zu sich rüber zog.

Jun lächelte nur und beobachtete den anderen wie dessen Finger emsig über die Tastatur flogen.

"Und das hast du nicht hinbekommen?"

"Scheinbar nicht....", murmelte Jun und sah zu Philip rüber.

"Sag mal wieso hast du mich und Vanessa belauscht?", Eric sah über den Laptop hinweg.

Jun zuckte zusammen, als hätte er gerade eine Ohrfeige bekommen. Irgendwie hatte er gehofft sie würden das einfach nicht mehr ansprechen.

"Ich ....hab euch nicht belauscht ich....hatte so ein bisschen Kreislaufprobleme und musste mich auf....dem Flur kurz hinsetzen...."

"Ach na dann...", schmunzelte Eric.

Eine Weile hörten sie nur das Brutzeln vom Grill und den bellenden Hund ein Grundstück weiter.

Dann hielt Jun es nicht mehr aus:

"Was hast du ihr ins Ohr geflüstert?"

"Wieso willst du das wissen?"

"Will ich gar nicht ....einfach so."

Eric lies sich nervenaufreibend viel Zeit mit seiner Antwort.

Erst nahm er noch einen Schluck aus der Wasserflasche auf dem Tisch. Tippte zwei, drei Sätze zu Ende und streckte sich genüsslich.

"Ich hab ihr gesagt, dass sie nicht nach schauen soll aber, dass du hinterm Schrank hockst und uns belauschst."

Jun lief rot an und stand auf:

"Bist du fertig? Ich möchte wieder los."

Eric klappte den Laptop zu:

"Klar. War kein Problem. Hab es ihnen auch schon rüber geschickt. Du brauchst also nicht nochmal zur Arbeit zurück.

Mit meinem Zugang geht das ohne die ganzen Umwege."

"Danke....na dann..."

"Wieso bleibst du nicht noch? Zum Essen? Ich hab gehört bei deiner Mitbewohnerin gibt es hauptsächlich Nudeln mit Ketchup.", grinste Eric.

Jun wollte gerade empört etwas erwiedern, doch.....es stimmte halt.

"Ich weiß nicht..."

"Danach könnte ich dich nach Hause fahren."

"Geht nicht ich bin mit dem Fahrrad hier.."

"Das bekomm ich hinten rein."

"Aber-"

"Ja?"

"Na gut."

Am Grill stöhnte Philip leise auf.

Er hatte das Gespräch mit bekommen und war wirklich nicht scharf auf Gesellschaft.

Eigentlich hatte er mit Eric allein reden wollen.

Und jetzt war da dieser Kollege. Wie hieß er? Jun?

Philip nahm das fertige Grillgut runter auf einen Teller.

Er meinte es nicht böse. Da war einfach etwas das er jedes Mal bei jedem neuen Kontakt erstmal irgendwie wieder überwinden musste.

Eric wusste das eigentlich. Wieso musste er ihn in diese Situation bringen?
 

"Es....", begann Philip und Jun und Eric wandten ihm sofort die Köpfe zu.

Philip atmete tief durch und versuchte seinen Herzschlag zu beruhigen.

Das hier war keine Prüfungssituation sondern eine normale Alltagssituation.

Sein Kopf sagte ihm permanent, dass es lächerlich war sich wegen sowas so zu verspannen, aber sein Körper sah das leider anders.

"Es...h-hat micht gefreut sie kennen zu lernen. Ich... e-ess drinnen.", presste er hervor, Eilte mit seinem Teller durch die Terrassentür und schnappte hinter der schützenden Wand erstmal nach Luft.

In seinem Kopf drehte es sich.

Ob sich das jemals ändern würde?
 

Eric nickte nur und sah Philip dann hinter her.

"Das hat nichts mit dir zu tun.", sagte Eric nur knapp.

Jun lächelte verständnisvoll:

"Schon okay."

Sie aßen gemeinsam und irgendwann vergaß Jun, dass er es eillig gehabt hatte weg zu kommen.

Die Sonne war bereits dabei unter zu gehen, als sie die Teller zusammen räumten und Eric Jun noch etwas Wein nach schenkte.

Eigentlich war Jun nicht so der Weintrinker aber der hier war fantastisch.

"Egal wie dringlich. Nancy hätte niemals Arbeit zu mir nach Hause gebracht.", Eric sah über den Rasen rüber zum Teich.

"Ich mache keine halben Sachen. Außerdem wollte ich die Konsequenzen nicht tragen."

"Du denkst viel weiter als die anderen.. vielleicht hättest du die Abteilungsleitung übernehmen sollen."

Jun musste ausnahmsweise mal leise lachen:

"Nein...ich ...kann nicht vor vielen Leuten sprechen..Ich will mein eigenes Ding durch ziehen."

"Hab ich gemerkt.."

Sie sahen sich eine Weile in die Augen und dann mussten sie plötzlich beide gleichzeitig lächeln.

Unglaublich wie die Stimmung sich über die letzte Stunde gewandelt hatte.

"Ich will ehrlich mit dir sein. Ich wurde gefragt was ich von deiner Bewerbung halte..", begann Eric.

Jun seufzte:

"Und du hast ihnen von mir abgeraten...."

Eric schüttelte den Kopf:

"Nicht direkt. Ich habe lediglich gesagt wie unentbehrlich du für meine Abteilung bist. Du wirst es noch verstehen. Du fühlst dich angegriffen aber so denke ich nicht. Das hat mit dir persönlich nichts zu tun."

Jun musste das erstmal sacken lassen:

"Ich hoffe du hast Recht..", murrte er und leerte sein Glas.

"Ich weiß, dass du mich nicht sonderlich magst Jun. Aber du solltest zumindest Vertrauen in mein Urteilsvermögen haben. Ich weiß was ich tue und ich habe mich für nichts leichtfertig entschieden."

"Das ist wohl wirklich kein Geheimnis."

"Was meinst du?"

"Das ich dich nicht mag.", schmunzelte Jun.

"Nein wirklich nicht.", lachte Eric.
 

Auch eine weitere Stunde später als es schon dunkel war saßen sie noch da und tranken zusammen.

"Noch einen Schluck?", wollte Eric wissen.

Sie waren inzwischen auf der Bank zusammen gerückt.

Irgendein Tier huschte im Dunkeln vorbei. Vermutlich eine Katze.

"Ich glaub ich...darf nicht mehr ich bin ....schon ziemlich angetrunken..", nuschelte Jun und hielt sich reflexartig an Eric's Arm fest, weil er das Gefühl hatte, dass sich alles leicht zu drehen begann.

Er war sonst gar nicht der Typ, der mal ein Glas zu viel trank.

"Mir fällt grad auf, dass....ich dich ja jetzt gar nicht mehr fahren kann... du musst hier bleiben.", stellte Eric schließlich fest.

"Nein ich f...fahr Fahrrad.", verkündete Jun und ihre Blicke trafen sich.

"Du bleibst hier...", sagte Eric leise.

Jun merkte, dass er sich immer noch an dem anderen festhielt.
 

"Ich hab doch gar nichts mit...", murmelte Jun, als Eric ihn bereits rein und ins Wohnzimmer führte.

Dort wartete eine wirklich extrem große und einladende Couch.

"Das macht jetzt einmal nichts und morgen hab ich alles da..."

"Was wenn ich verschlafe...", nuschelte Jun weiter, während er schon auf die Couch sackte.

"Ich pass auf dich auf.", versprach Eric und beugte sich runter um Jun aus seinem Hemd zu helfen.

Weit kam er allerdings nicht, denn Jun schlang die Arme um seinen Hals.

"Was machst du denn...", schmunzelte Eric. Lies sich aber wehrlos runter ziehen.
 

Schließlich lag Jun auf dem Rücken auf der Couch und Eric kniete über ihm.

"Du hast so schöne Augen..", flüsterte Jun beschwippst, "Schade dass du auf Frauen stehst..."

Scheiße. Das war der Wein, der seine Zunge löste.

Hätte er nicht auch etwas getrunken, hätte Eric jetzt vermutlich nichts gesagt...stattdessen sah er Jun an und gab dann zu:

"Wäre das der Fall würd mir das hier gerade nicht so schwer fallen...."

"Was fällt dir schwer...?", wollte Jun wissen und spürte wie sein Herz sich beinahe überschlug.

"Dich nicht zu küssen."

"Mich nicht zu-", begann Jun, doch konnte er den Satz nicht zu Ende bringen.

Ihre Lippen berührten sich erst ganz zart nur....dann verschmolzen sie zu einem innigen Kuss....

Automatisch schlang Jun seine Beine um Eric's Hüfte und griff mit beiden Händen dessen Gesicht.

Vielleicht war es auch der Alkohol aber verdammt konnte dieser Mann gut küssen.

Ineinander verschlungen rollten sie über die Couch, bis sie schließlich hitzig voneinander ab liesen, nur um sich direkt wieder zu küssen.
 

Es war 5:30 Uhr als Jun mit pochenden Kopfschmerzen und zerzausten Haaren auf der fremden Couch aufwachte.

Und sein erstes Wort war:

"FUCK!!"

Affection

Verstört und sehr verärgert über sich selbst zog Jun sein Hemd wieder an, das er auf dem Teppich gefunden hatte, dann lauschte er ins stille Haus und schlich aus der Terrassentür nach Draußen.

Dort lag dann auch seine Jacke.

Mürrisch und nach wie vor mit hämmernden Kopfschmerzen sah er auf die leeren Flaschen auf dem Tisch und verfluchte seine eigene Dummheit.

Er hoffte inständig, dass er das mit dem beschwippsten Kuss nur geträumt hatte.

Es konnte nicht sein, dass sie sich wirklich....

und doch spürte er immernoch Eric's Wärme, dessen Nähe und Hände und Lippen...

UWAH!!Ich IDIOOOOOT!!!

Und wie zum Kuckuck sollte er Eric auf der Arbeit erstmal aus dem Weg gehen bis Gras drüber gewachsen war, wenn sie im selben Büro saßen?!

So schnell wie er heute davon sauste, war er noch nie Fahrrad gefahren.
 

Eric tastete im Flur nach dem Lichtschalter.

Ein beissender Geruch trieb ihm beinahe Tränen in die Augen.

Immer wieder drückte er auf den Schalter, doch erst beim vierten Versuch flackerte das schummrige Licht auf und offenbarte was sich vorher so rutschig unter seinen Füßen angefühlt hatte.

Blut...Gedärme und Augen.

Eric spürte wie sein Magen rebellierte und stützte sich an der Wand ab.

Als er die Hand wieder von ihr löste war auch sie voller Blut.

Langsam bahnte er sich einen Weg durch den Flur immer weiter auf eine schwarze Tür zu.

Irgendetwas knackte unter seinen Füßen, doch er wagte nicht mehr nach unten zu sehen.

Endlich hatte er die Tür erreicht und schloss die Finger um den Türgriff.

Sie öffnete sich knarrend.

Seine Mutter kauerte am Boden und zitterte.

Das Blut aus ihrer Nase tropfte über ihre Lippen auf den Boden.

Eine schwarze Gestalt trat vor sie und ob eine Axt.

Seine Mutter schrie und flehte und schrie.

Eric stürzte los, rutschte auf blutigen Gedärmen aus und...
 

...wachte mit nassem Rücken und rasendem Herzen in seinem Bett auf.

Philip stand bereits besorgt in der Schlafzimmertür.

"Du hast wieder um Hilfe geschrien...", sagte er leise.

"Scheiße...es tut mir leid...", sagte Eric heiser.

"Ich hab Kaffee gekocht...."

"Danke..", murmelte Eric und fuhr sich durch die feuchten Haare.

Dann zwang er sich direkt aufzustehen und zog sich aus.

Nackt ging er ohne Umwege direkt ins Bad und unter die Dusche.

Als erstmal das warme Wasser auf seine Schultern prasselte ging es ihm schon ein ganzes Stück besser.

Zumindest bis die Erinnerungen an den Abend mit Jun mit einem Schlag wieder kamen.

"Fuck.."

Wenigstens hatte der Alkohol dafür gesorgt, dass es beim Küssen geblieben war, denn Jun war ziemlich schnell eingeschlafen. Immerhin.
 

Eric trat aus der Dusche, trocknete sich ab und betrachtete sich im Spiegel.

Er könnte jetzt anfangen alles auf den Alkohol zu schieben. Allerdings hatte er deutlich weniger getrunken als Jun...und er konnte nicht leugnen, dass seit einer Weile diese Fantasien durch seinen Kopf geisterten...

Jun war intelligent, attraktiv...schlagfertig...

Ja, verdammt da war irgendetwas.

Aber er hätte Jun's Zustand nicht ausnutzen dürfen. Ganz egal ob es nur ein Kuss oder mehr war.

Das war kein ehrlicher Kuss gewesen. Das war der Alkohol der aus Jun gesprochen und ihn dazu bewegt hatte.

Jun konnte ihn doch gar nicht leiden.

Eric seufzte leise.

Ihn beschlich das ungute Gefühl, dass er Jun nur jeden Tag mehr mochte.

Während Jun ihn scheinbar jeden Tag weniger mochte....

Wieso hatte er ihn gestern nur gebeten noch zu bleiben..

Als er wieder ins Schlafzimmer ging hatte er einen Entschluss gefasst, er würde das Thema begraben. Jun nicht unnötig auf die Pelle rücken.

Einfach so tun, als wäre das gestern Abend nicht passiert.

Haltung bewahren.
 

Dein Kaffee wird kalt!", rief Philip von unten.

"Ich komme!", rief Eric zurück und war irgendwie dankbar keine Zeit mehr zu haben um noch weiter über die Sache mit Jun zu grübeln.

Es war ein leidiges Thema.

Eric war es eigentlich nicht gewohnt sich etwas, das er haben wollte, nicht einfach zu nehmen.

Aber wenn Jun ihn nicht mochte, konnte er ihn auch nicht dazu zwingen.

So war das eben und vielleicht war das gerade der Reiz an der Sache.

"JETZT KOMM!", rief Philip wieder.

Eric zog sich eillig an und nahm auf dem Weg nach unten dann immer gleich zwei Treppenstufen auf einmal.

Auf dem Weg zur Küche sah er kurz ins Wohnzimmer zur Couch.

Jun war weg.

Das hatte er aber auch gar nicht anders erwartet und es war definitiv besser so.
 

Philip streckte Eric bereits seine Tasse entgegen, als dieser in die Küche geschlurft kam.

"Das ist nicht nur ein Kollege oder?"

"Geht dich nichts an..", brummte Eric und nippte am leider inzwischen lauwarmen Kaffee.

"Ich hab Luna schon zur Schule begleitet."

"Danke.."

"Du hast ewig niemanden mehr nach Hause gebracht..", Philip biss von seinem Croissant ab.

"Es ging nicht anders es war was für die Arbeit."

"Na klar, das kannst du ihm vielleicht erzählen aber nicht mir...", stichelte Philip mit vollem Mund.

"Ist es so offensichtlich?"

Philip nickte.

"Er hat aber kein Interesse.", versuchte Eric das Thema abzuschließen.

"Seit wann hält dich das auf. Du hast dich solange für niemanden mehr interessiert. Er muss was besonderes sein."

"Ich laufe niemandem hinterher. Und er ist ein Kollege.", brummte Eric und beendete das Gespräch in dem er den Kaffee leerte, seinen Autoschlüssel griff und sich verabschiedete. Er war ohnehin spät dran.
 

Philip sah auf sein Handy und auf das Foto, das er gestern Abend heimlich von Jun und Eric gemacht hatte.

Wie sie da so am Tisch saßen und so taten als würden sie nichts füreinander empfinden.

Schmunzelnd lies er das Handy wieder in die Hosentasche gleiten.
 

Als Eric das Büro betrat tat Jun so als hätte er es nicht bemerkt.

Also knallte Eric ihm direkt einen Arbeitsauftrag in Form einer prall gefüllten Mappe auf den Tisch:

"Dafür hast du bis 12 Uhr Zeit."

Jun sah ihn entsetzt an:

"Es ist schon 10:30! Ich hab höllische Kopfschmerzen und bereits was anderes angefangen."

"Bis 12 Uhr.", wiederholte Eric nur und verschwand zu einer Besprechung.
 

Jun blätterte kurz durch die Mappe und hätte sie danach am liebsten verbrannt.

Was sollte die Schikane denn jetzt?

Oder war Eric einfach wie immer und er nahm das jetzt nach gestern nur sensibler auf.

Jun seufzte.

Vielleicht sollte er doch mal mit Eric darüber sprechen was passiert war. Immerhin waren sie keine Teenager mehr sondern erwachsen und arbeiteten viel zu dicht zusammen, als dass sie sich ewig anschweigen könnten.
 

"Na was ziehst du denn für ein Gesicht? Viel zu tun?", Nancy war so leise rein gekommen, dass Jun heftig zusammen zuckte, als sie auf einmal neben ihm stand.

"Kurze Nacht gehabt...und Eric hat mir eben noch was aufgebrummt."

"Was war denn gestern Nacht noch los bei dir?", grinste sie neugierig und lehnte sich gegen seine Schreibtischkante.

"Nichts."

Doch sie lies nicht locker:

"Ich kenn das Gesicht. Lief was?"

Jun zögerte:

"Nicht direkt ....ich....naja es gab einen Kuss und ich hab was getrunken und ich trink doch sonst so gut wie nie.."

"EINEN KUSS?! Mit wem? Mit wem? sag schon!"

Jun sah sie erschrocken an:

"Spinnst du?! Nicht so laut. Mit wem geht dich nichts an Nancy."

Sie grinste breit:

"Wenn du es mir verrätst dann bring ich dir wieder Kaffee."

"Du musst es für dich behalten...das musst du versprechen."

"Na klar. Von mir erfährt keiner was."

"Eric hat mich ge-"

"WAS?!"

"Ich sagte nicht so laut. Verdammt Nancy!", zischte Jun und hoffte inständig, dass Eric noch ein bisschen weg bleiben würde.

"Ich dachte du hasst ihn? Bist du dir sicher, dass du das nicht bloß geträumt hast."

"Naja hassen ist vielleicht etwas übertrieben....ich habe ihn etwas besser kennen gelernt und-"

Nancy starrte ihn an:

"Jun ....stehst du auf Eric?"

"Nein ich...", dann sah er sie verunsichert an, "....vielleicht?"

"Gott verdammt wieso hast du mir das erzählt, wie soll ich das für mich behalten??", stöhnte Nancy auf.

Jun seufzte nur leise:

"Bitte sag es wirklich niemandem..."

"Was hast du jetzt vor?"

"Na nichts....es vergessen. Heute nervt er mich auch schon wieder. Das alles hier soll ich bis 12 fertig haben."

"Meinst du er mag dich auch?"

"Ich hab nicht gesagt dass ich ihn mag. Ich hab vielleicht gesagt. Außerdem ....wieso sollte er mich mögen?"

"Jun ich erkenn dich grad kaum wieder...", schmunzelte Nancy und verschwand richtung Tür.

"Nancy das bleibt unter uns!"

"Jaha", flötete sie und bog um die Ecke.
 

Im selben Moment kam Eric wieder rein:

"Was wollte Nancy denn hier? Und wie weit bist du?"

"Sie wollte nur kurz was fragen....und nein ich schaffe das definitiv NICHT bis zwölf."

Jun hasste es etwas nicht beenden zu können, aber das hier war einfach unrealistisch und pure Schikane!

"Das ist dein Job und auf keinen Fall zu viel verlangt.", gab Eric kühl zu verstehen.

"Natürlich ist das zuviel verlangt! Ich habe auch noch andere Aufgaben. Das ist ...das kann doch Ricky machen!"

"Ich habe es aber DIR zugeteilt!"

"Und ich mache es nicht. Ich muss Prioritäten setzen."

"Und wo die liegen entscheide ja wohl ich!", erwiderte Eric nun deutlich strenger.
 

Jun kam näher und schlug Eric die Mappe vor die Brust: "Mach es selbst!"

Eric griff, die Mappe warf sie zur Seite und zog Jun an sich.

Küssend stolperten sie ein paar Schritte durchs Büro bis Eric Jun packte und auf den Schreibtisch hob.

Ein paar Stifte rollten zur Kante und fielen unbemerkt auf den Boden.

Es dauerte einen Moment bis sich ihre Lippen wieder lösten.

Schnell atmend sahen sie sich in die Augen.

"Ich muss in ein Meeting.", stellte Eric nüchtern fest.

"G..Gut...", hauchet Jun undgewohlt leise und richtete Eric's Krawatte.

Eric war schon fast aus der Tür als er nochmal innehielt und sich kurz umdrehte:

"Heute Abend um acht bei mir..?"

Jun nickte nur und das mit so stark pochendem Herzen, dass er Angst hatte man könnte es hören.

Was....war....gerade.....passiert....?

"W-warte...was ...was ist mit der Mappe..?"

Eric winkte ab: "Das schaffst du nie bis 12."

Dann verschwand er.

Jun saß noch eine ganze Weile auf dem Schreibtisch und starrte auf die Tür.

Hatte Eric ihn gerade um ein Date gebeten?...

Heat

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Green Eyes

Jun saß hinten im Taxi.

Es fühlte sich an als hätte er getrunken, obwohl er komplett nüchtern war.

Er hatte sich ziemlich knapp verabschiedet.

Natürlich hatte Eric ihm angeboten über Nacht zu bleiben.

Aber war das ehrlich gemeint gewesen?

Jun zweifelte etwas daran.

Ob es für Eric einfach nur ein Kick gewesen war, weil Jun sich so lange gesträubt hatte?

Wieso war es sonst so schnell passiert?

Jun seufzte leise.

Ihm machte viel mehr Sorgen, dass ihn diese Vermutung so sehr bedrückte.

Er hatte sich irgendwie dran gewöhnt Eric nicht leiden zu können, das war einfach gewesen.

Doch jetzt schien er langsam Gefühle zu entwickeln und das war weniegr einfach.

Gleichzeitig musste er an Philips grüne Augen denken.

Verwirrt und erschöpft lehnte er den Kopf gegen die Fensterscheibe.

Er wollte nur noch nach Hause und in sein Bett.

Einfach schlafen.
 

Eric hatte in der Zwischenzeit frisch geduscht und sich umgezogen und sah jetzt aus der Terrassentür.

Wieso war Jun eben so fluchtartig abgehauen?

Es war doch gut gewesen und morgen war Wochenende.

Eigentlich hätte er tatsächlich gern noch mit ihm gekuschelt und ein bisschen länger und privater geredet, als es auf der Arbeit möglich war.

Aber mehr als ihm anzubieten zu bleiben konnte er ja schlecht.

"Ist er schon weg?", Philip lehnte ihn der Tür.

Eric nickte nur ohne sich umzudrehen.

"Du magst ihn oder?", Philip kam näher.

"Ja."
 

4 Wochen später..
 

Jun hatte seine Sachen bereits alle gepackt und trank jetzt noch mit Vanessa, Ricky und Nancy einen letzten Kaffee.

Nancy wirkte wohl am unglücklichsten:

"Es ist so scheiße, dass du gehst.."

Jun drückte sie kurz:

"Ich werd's auch vermissen. Ich werd' euch vermissen. Aber ich brauche Veränderung und das Angebot war wirklich gut."

"Ich kann's mir hier ohne dich irgendwie noch gar nicht vorstellen.", seufzte Vanessa.

Heute schmeckte nicht einmal der Kaffee besonders gut.

"Eric hat doch viel auf dich gegeben...du hättest hier große Chancen gehabt und ihr wolltet doch noch so viel-", begann Ricky.

Doch Jun unterbrach ihn gleich:

"Meine Entscheidung ist gefallen. Wir sehen uns bestimmt nochmal wieder."

"Das will ich auch hoffen.", rief Eric aus dem Flur und kam zu ihnen herein.

Die anderen umarmten alle Jun noch einmal, wünschten ihm das beste und machten sich nach und nach vom Acker.

"Ruf mal an. Du hast ja meine Nummer.", lächelte Nancy noch.

Dann war Jun mit Eric allein.

"Und? Gutes Gefühl?"

"Du weißt, dass es nicht wegen dir war oder?"

"Natürlich..aber gut finde ich es nicht. Ich gönn's dir. Ich hätte es mir nur anders gewünscht."

"Tut mir leid...", Jun kam einen Schritt näher.

Eric fuhr sich durch die Haare:

"Du bist mir den ganzen letzten Monat aus dem Weg gegangen wir müssen endlich darüber sprechen.."

Jun zuckte nur mt den Schultern:

"Wieso denn? War doch nichts.."

Eric sah ihn sprachlos an.

"Wie war doch nichts?"

"Das war doch nur ein ....einmaliges Ding für dich ein...One Night Stand...was weis ich....du hast dein Ziel doch erreicht.."
 

Jun war leider nach wie vor verletzt und statt das Gespräch zu suchen, war er dem anderen schlicht aus dem Weg gegangen. Was ziemlich schwierig gewesen war und jetzt ergriff er die Flucht in den neuen Job. Das hatte aber auch noch andere Gründe. Er war aus der WG ausgezogen. Hatte es einfach nicht mehr ausgehalten und die neue Wohnung war jetzt ziemlich weit weg von dieser Stelle hier.
 

Eric packte Jun an den Schultern:

"Wie kommst du auf so einen Mist?"

"Naja du wolltest ja gleich ...und ich dachte..."

"Ich dachte dir hat es auch gefallen."

"Ja aber es war eben nur...was es war....lassen wir das einfach.., murrte Jun und drehte sich weg, doch Eric drehte ihn wieder zu sich herum:

"Es war nicht nur Sex für mich und auch nicht mein Ziel...ich hatte einfach Lust in dem Moment und hab mir gar nicht so viel dabei gedacht wie du denkst. Und ich wollte wirklich sehr, dass du bleibst, um noch mit dir zu reden."

Jun erstarrte und wurde etwas rot: "Wie...wirklich..?"

"Wirklich. Jun du bedeutest mir was und ich möchte dich immernoch besser kennen lernen. Auf Spielchen habe ich gar keine Lust."

Jun hatte das Gefühl ihm würde jeden Moment das Herz stehen bleiben:

"Oh nein und jetzt geh ich weg ich...."

"Na und? Das ist kein Problem. Das Poblem ist, dass du gleich mit mir reden musst verdammt."

Dann würde es zumindest nicht so leicht zu solch dämlichen Missverständnissen kommen.

Jun bereute auf einmal die letzten 4 Wochen unendlich.

"Ich...vielleicht...können wir das eventuell heute abend nachholen?...also..das mit dem Reden?.."

Eric atmetete einmal tief durch, nickte dann aber:

"Ja....das wäre gut..."
 

Der Rest des Tages schien sich wie Kaugummi zu ziehen.

Immer wieder sah Jun auf die Uhr in seiner sonst noch extrem leeren Wohnung.

Er wollte endlich los.

Als es schließlich soweit war stürzte er nur so aus der Tür und die Treppen runter und winkte das erste Taxi, das er sah zu sich rüber. Es klappte und eine Weile später sprang er dann vor Eric's Haus raus auf den Bürgersteig.
 

Mit wild pochendem Herzen aber entschlossenen Schritten ging er auf die Tür zu und klingelte sofort, ehe er darüber nachdenken konnte.

Philip öffnete:

"Hey. Tut mir leid Eric hat grad angerufen. Er kommt noch nicht weg es gibt Probleme auf der Arbeit, aber er beeilt sich. Komm doch rein."

Verdammt..., schoss es Jun durch den Kopf.

Warten löste bei ihm nur wieder Kopfkino und Zweifel aus.

Er hatte gleich sofort mit Eric sprechen wollen.

Das war ja mal wieder so typisch.
 

"Ich hab grad Tee gekocht. Möchtest du eine Tasse?", wollte Philip wissen, der inzwischen deutlich sicherer wirkte, als noch beim ersten und zweiten Aufeinandertreffen.

Jun nickte: "Gerne, Danke."

Dann saßen sie erstmal etwas unangenehm berührt am Küchentisch, weil sie nicht so recht wussten worüber sie reden sollten.

Irgendwann schlug Philip vor ins Wohnzimmer zu gehen.

Dort saßen sie dann nebeneinander und wussten auch nicht mehr.

Schließlich versuchte Jun es:

"Gehst du hier zur Schule?"

Philip lehnte sich auf der Couch zurück:

"Ich studiere Informatik."

"Interessant.", lächelte Jun.

Gerade wollte er noch eine Frage stellen, als Philip sich rüberbeugte und ihn küsste.

Jun löste den Kuss sofort und sah ihn entsetzt an:

"Was sollte das denn jetzt?! Spinnst du?!"

Philip sah ihn aus seinen Smaragd Augen an und sagte dann leise:

"Ich mag dich..."

Jun war komplett fassungslos.

Gott sei dank war Eric noch nicht zu Hause.

Was sollte er jetzt sagen?!

"Wir...wir kennen uns doch gar nicht richtig...", stammelte er schließlich und berührte ungläubig seine Lippen.

Mit soetwas hatte er nun überhaupt gar nicht gerechnet.

Eric's kleiner Bruder lies sich jetzt jedoch nicht mehr beirren und rückte wieder näher.

"Ich glaub ich hab mich in dich verliebt."

"Nein hast du nicht.", war die beste Antwort, die Jun dazu einfiel.

"Doch hab ich.", versicherte Philip und nahm Jun's Hand in seine.

Jun starrte ihn nur an:

"Das....das geht aber nicht...."

In diesem Moment hörten sie einen Schlüssel in der Haustür.

Eric!



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Kommentare zu dieser Fanfic (10)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Morphia
2020-08-18T20:25:45+00:00 18.08.2020 22:25
😍 Das war überraschend.
Super wie Eric den Ton angibt. 🤭
Von:  Morphia
2020-08-17T21:49:37+00:00 17.08.2020 23:49
Wow... O.O wow... :D gefällt mir. XD
Von:  Morphia
2020-08-16T13:29:30+00:00 16.08.2020 15:29
Was stand auf dem Zettel? Ich bin ich gespannt wie sich das zwischen den beiden entwickelt.
Von:  Morphia
2020-08-15T04:55:17+00:00 15.08.2020 06:55
Cool. Es geht weiter. :)
"Was von Ihnen übrig blieb" klingt aber sau gruselig. 🙈
Von:  Onlyknow3
2019-12-16T11:28:31+00:00 16.12.2019 12:28
Ja was hat Eric erwartet, das es Jun denkt es wäre seine Schwester oder so? Vielleicht ist dem so, doch so Auffälig und schnell wie er die Arbeit verlassen hatte? Weiter so, freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3
Von:  Onlyknow3
2019-12-16T11:16:14+00:00 16.12.2019 12:16
Ach ja die Liebe, bis man sie erkennt, dauert es oft und das kann weh tun.
Jun hat da wohl was gehört, was nicht für ihn bestimmt war.
Hoffe kan jetzt wieder dran bleiben, weiter so freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3
Von:  Onlyknow3
2019-10-22T08:28:38+00:00 22.10.2019 10:28
Das war sicher Nancy, die die beiden gefunden hat.
weiter so, freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3
Von:  Onlyknow3
2019-10-17T08:36:38+00:00 17.10.2019 10:36
Wird Jun sich jetzt noch mal Bewerben für diesen Job? Na da wünsche ich ihm jetzt mehr glück.
Weiter so, freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3
Von:  Onlyknow3
2019-10-17T08:24:59+00:00 17.10.2019 10:24
Hatte Jun Platzangst? Das wäre schlimm, gerade im Fahrstuhl.
Jun sollte sich nicht so aufregen, und Eric ihn einfach mal in ruhe lassen.
Weiter so, freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3
Von:  Onlyknow3
2019-10-15T09:25:04+00:00 15.10.2019 11:25
So fängt es immer an, erst necken und ärgern um dann als Paar zu enden.
Bin gespannt, wie leicht Jun es Eric macht oder auch nicht.
Weiter so, freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3


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