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STAR TREK - AFTERMATH - 01

Eiskalt erwischt
von

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Prolog

„Was genau will der Chef eigentlich von uns? Kann der uns nicht einfach ganz in Ruhe unsere Arbeit machen lassen? Und warum bestellt er uns in diese graue, hässliche Gegend, die von den Menschen dieser Region, in früher Zeit, mal Ruhrpott genannt wurde?“

Der tellaritische Fragesteller wirkte gereizt, was bei ihm nicht weiter erwähnenswert war, entsprach es doch seinem Grundcharakter. Nervös trommelte er mit den drei Fingern seiner rechten Hand auf der Armlehne seines Kontur-Sessels herum. Dabei sah er seine vulkanische Begleiterin, die in würdevoller Gelassenheit neben ihm im Shuttle saß und es mit ruhigen Bewegungen ihrer Finger steuerte, ungeduldig und auf eine Antwort wartend an.

Die Frau mit den spitz zulaufenden Ohren wirkte in ihrer dunkelblauen Robe beinahe surreal. Wobei ihre ruhige Gelassenheit diesen Eindruck verstärkte. Ihr rabenschwarzes Haar trug sie nicht traditionell kurz, sondern es reichte, als breites, schweres Geflecht in ihrem Rücken, fast bis zu ihrer Gürtellinie. Die samtbraune Haut der 1,86 Meter großen, gertenschlanken Frau wies einen deutlich dunklen und weniger grünlichen Ton auf, als der vieler anderer vulkanoider Frauen. Dabei war sie nur zur Hälfte Vulkanierin, doch das wusste niemand, außer ihr selbst. Wie ihr Begleiter trug auch sie einen auffälligen Ring mit dem Symbol dreier Sonnen am Ringfinger ihrer linken Hand. Mit den verschnörkelten, schwarzen Buchstaben T und S - aus ebenso seltenem wie kostbarem Onyx-Diamant.

Nach einem Moment antwortete sie, ohne den Tellariten zu ihrer Rechten dabei anzusehen: „Der Chef wird seine Gründe haben, für seine Ortswahl. Es ist im Übrigen wenig hilfreich, wenn Sie mich nach Dingen fragen, deren Antwort ich nicht kenne. Oder glauben Sie etwa, ich hätte eine besondere Verbindung zum Chef, Kral?“

„Etwa nicht, T'Viran?“, grollte der bullige Tellarit. „Immerhin sind Sie seine Nummer Zwei. Andererseits ist dieser blaublütige Eisklotz vermutlich eine eiskalt funktionierende Maschine – kein lebendes Wesen. Das vermute ich zumindest.“

„Immerhin hat der Chef THARAN-INDUSTRIES zum führenden Hersteller von Hochenergie-Waffen, innerhalb der Föderation, gemacht“, hielt T'Viran ihrem Begleiter entgegen. „Jeder führende Angestellte unserer Firma hat davon profitiert. Auch Sie.“

„Ja!“, knurrte der Tellarit finster. „Aber mir gefallen die Machenschaften dieses Andorianers nicht. Wenn man uns dabei auf die Schliche kommt, wie wir unsere Konkurrenten, bei der Ausschreibung zur Lieferung der Waffensysteme, für die brandneue DAEDALUS-KLASSE, aus dem Feld geschlagen haben, dann geht es uns an den Kragen. Warum überhaupt leitet dieser hässliche Kerl seine Geschäfte von der Erde aus?“

„Sie kennen die Antwort“, beschied ihm die Halbvulkanierin. „Seit der Gründung der Vereinten Föderation der Planeten, vor knapp drei Jahren, hat sich Terra zum wirtschaftlichen Zentrum der Föderation entwickelt. Jede Firma, die im Konzert der ganz Großen mitspielen will, hat ihre Hauptniederlassung auf Terra.“

„Allein diese Vormachtstellung der Terraner in der Föderation ist eine Frechheit!“, grollte Kral. „Diesen Emporkömmlingen, die gerade einmal den Sprung ins Weltall geschafft haben, steht dieser Rang nicht zu!“

Zum ersten Mal, seit sie von San Francisco aus in Richtung Europa gestartet waren, sah die Hochgewachsene ihren Begleiter an. „Ich kenne einige Firmenangehörige, die Ihrer Meinung sind, Kral. Aber eine solch emotionale Einstellung ist für die weitere Entwicklung der Firma gefährlich. Besonders für jenen Zweig der Firma, für den wir einstehen. Wie ich hörte, haben Sie dem Chef ziemlichen Druck gemacht, dass er Sie in den Vorstand aufnimmt. Es entstand sogar der Eindruck, dass Sie ihn mit Ihrem Wissen erpresst hätten, nachdem Sie von unserer kleinen Unterabteilung erfuhren. Ihnen genügte es nicht, Mitglied bei einer wesentlich wichtigeren Organisation zu sein.“

„Was reden Sie da, von Erpressung?“, ereiferte sich der Tellarit. „Ich habe lediglich meinen Vorteil genutzt. Immerhin arbeite ich seit mehr als zehn Jahren loyal für die Firma.“

„Diskutieren wir darüber, wenn es zwanzig Jahre sind“, konterte die Frau, ohne dabei eine Miene zu verziehen. Sie selbst war so lange für THARAN-INDUSTRIES tätig. Dabei verspürte sie innerlich eine stille Heiterkeit. Eine Menschenfrau hätte wohl in diesem Moment hintergründig gegrinst, befand T'Viran im Stillen.

Es wurde wieder still im Cockpit, was der Halbvulkanierin ganz recht war. Nach kurzer Zeit hatte der Luftgleiter sein vorläufiges Ziel erreicht.

Die Stadt Duisburg.

Ehemals eine schmutzige Bergarbeiter-Stadt, zeichnete sie sich gegenwärtig durch großzügig angelegte Grünanlagen aus, zwischen denen sich schlanke, gläserne Bauten mit modernen, hellen Häusern in ausgeklügelt angelegten Wohnanlagen ablösten. Die gegenwärtige Lebensqualität in dieser Region übertraf jene die es hier vor einhundertfünfzig Jahren gegeben hatte bei Weitem.

Einige der über zweihundert Jahre alten Fördertürme ehemaliger Kohlezechen prägten dabei auch heute noch das Stadtbild. Sie gehörten seit mehr als einhundert Jahren offiziell zum Welt-Kultur-Erbe.

Bei der zweiten dieser Stahlkonstruktionen, die sie ansteuerten, in der Nähe der Hafengegend, deutete die Halbvulkanierin mit dem Zeigefinger ihrer Linken zum Frontfenster und sagte ruhig: „Dort vorn liegt unser Ziel.“

„Mich wundert immer noch, dass Sie es geschafft haben, alle unsere Konkurrenten dazu zu bewegen, an dieser Zusammenkunft teilzunehmen“, grollte der Tellarit. „Ich möchte wetten, die warten bestimmt schon auf uns und den Chef, um sich ihr Stück vom Kuchen zu sichern. Die sind schlimmer, als rigelianische Aasgeier!“

„Ich wusste nicht, dass Sie auch Ornithologe sind“, spöttelte T'Viran emotionslos.

Sie landete das Shuttle auf einem dafür vorgesehenen Platz, neben einem verwinkelten Gebäude, das der Firma als Konferenzstätte diente. Hier hatten nur Firmenangehörige und geladene Gäste Zutritt. Anhand der Anzahl von zehn Privat-Shuttles, die den Platz bereits füllten, erkannte die Halbvulkanierin, dass sie, abgesehen vom Chef selbst, als Letzte erschienen.

T'Viran und Kral verließen das Shuttle. Vor der breiten Eingangstreppe wandte sich die um fast einen Kopf größere Halbvulkanierin an ihren Begleiter. „Gehen Sie schon hinein, Kral. Ich werde hier auf den Chef warten, um ihn in Empfang zu nehmen.“

Die dunklen, beinahe schwarz wirkenden, Augen der Halbvulkanierin folgten dem Tellariten, bis er im Innern des Foyers verschwunden war. Gedankenverloren ihre Rechte auf einen Bereich unter ihrer linken Brust legend, richtete sie ihre Gedanken auf den Andorianer, der THARAN-INDUSTRIES leitete. Niemand erahnte auch nur im Entferntesten ihre Verbindung zu ihm. Er hatte ihr beigestanden, kurze Zeit nachdem sie für die Firma tätig geworden war. Damals, bei ihrem zweiten Pon Farr. Niemand wusste davon und niemand würde je davon erfahren.

Ein helles, singendes Geräusch, über ihr, veranlasste T'Viran dazu ihren Blick gen Himmel zu richten. Sie erkannte augenblicklich das Privat-Shuttle ihres Chefs, Uly'Khuen Tharan. Unübersehbar prangte das Logo der Firma an den Seiten der schneeweißen Maschine, die sich aus dem strahlend blauen Himmel herabsenkte.

Nachdem die Maschine, nur wenige Schritte von ihr entfernt gelandet war, stieg ein kräftig gebauter, annähernd sechzig Jahre alter, Andorianer, durch die Seitenschleuse des Shuttles aus. Hoch aufgerichtet kam der Andorianer, der noch um einen Fingerbreit höher gewachsen war, als die Halbvulkanierin, auf T'Viran zu.

„Es sind bereits alle Gäste anwesend“, empfing die Frau ihren Vorgesetzten ohne Umschweife. Dabei bemerkte sie bei ihrem Gegenüber eine ähnliche Handbewegung, wie jene, die sie selbst eben ausgeführt hatte.

Mit einem deutlich sardonischen Grinsen erwiderte der Andorianer, dessen Antennen sich dabei auf die Halbvulkanierin richteten: „Danke, T'Viran. Diese Robe steht Ihnen ausgezeichnet muss ich sagen. Sie unterstreicht Ihre gesamte Erscheinung.“

T'Viran war klar, dass der Andorianer wusste, wie unempfänglich sie für derlei Schmeicheleien war. Dass er dennoch nicht darauf verzichtete war seiner Emotionalität zuzuschreiben. Ein Fehler, den er mit fast allen anderen Spezies dieser Galaxie teilte. Dennoch wusste sie was sich gehörte und sie verneigte sich leicht in Richtung ihres Vorgesetzten, als sie erwiderte: „Ich bedanke mich.“

T'Viran schien es dabei zu keinem Zeitpunkt befremdlich, dass sie sich siezten, obwohl sie bereits vor vielen Jahren zum ersten Mal miteinander geschlafen hatten. Jedoch seitdem nicht zum letzten Mal. Dabei amüsierte es sie auf eine intellektuelle Art, wie der Andorianer sie immer noch leicht unwillig dabei ansah, wenn sie ihn so unpersönlich ansprach. Letztlich würde der Andorianer sie in ihrem Kern nie wirklich verstehen. Was es ihr leichter machte an das zu denken, was schon bald passieren würde.

Nebeneinander durchschritten sie das breite Eingangsschott, nachdem die Individual-Taster des Eingangsbereiches sie gescannt und als legitimiert eingestuft hatte. Rasch durchquerten sie das Foyer und schritten die breite Treppe zur ersten Etage hinauf, ohne auf die Bilder an den Wänden zu achten, die vom Aufstieg der Föderation erzählten.

Die Köpfe aller elf Anwesenden wandten sich ihnen zu, als sie gemeinsam den prunkvoll eingerichteten Konferenzraum betraten. Wie auf ein geheimes Kommando hin erhoben sie sich während der Andorianer rechts des Tisches und die Halbvulkanierin links des Tisches zum Kopfende schritten.

Die hohen Fenster, die vom Boden bis zur Decke des Raumes reichten, hinter sich blieben Tharan und T'Viran stehen. Auf ein Zeichen des Andorianers ergriff die Halbvulkanierin das Wort und sagte, mit klarer Stimme: „Wir freuen uns, dass Sie unserer Einladung zu dieser Zusammenkunft gefolgt sind. Sie erweisen unserer Firma damit nicht nur Respekt sondern auch ihr Vertrauen, meine Damen und Herren.“

Bei diesen Worten glitt die Rechte der Halbvulkanierin mit einer geschmeidigen Bewegung unter die Falten ihrer Robe. Der Andorianer zu ihrer Linken tat es ihr nach, nachdem sie die entscheidenden Worte gesagt hatte. Beide zogen je eine EM-37 Handwaffe, eine verbesserte Versionen der EM-33, hervor und legten damit auf die Anwesenden an.

Mit tödlicher Präzision erschossen Uly'Khuen Tharan und T'Viran die am Tisch versammelten Männer und Frauen. Kral starb dabei als Letzter, als ihm die Halbvulkanierin, über den Tisch hinweg, erbarmungslos in den Kopf schoss. Die Augen ungläubig aufgerissen stürzte er nach vorne und sein Kopf prallte dabei auf die Tischplatte, bevor er zu Boden sank. Doch das spürte Kral schon nicht mehr.

Die beiden Schützen ließen die Waffen sinken und mit heiserer Stimme sagte der Andorianer in verächtlichem Tonfall zu den Leichen gewandt: „Hätten Sie uns doch nur vertraut und uns respektiert, meine Damen und Herren.“

„Vertrauen ist Ihre größte Schwäche!“

Überrascht sah der Andorianer zu T'Viran, die ihre Waffe auf seinen Kopf gerichtet hatte, wobei sich seine Antennen in alle Richtungen bewegten.

Mit unbewegter Miene erklärte die Halbvulkanierin: „Sie vertrauen mir seit vielen Jahren, Mister Tharan. Dafür sorgte ich, indem ich Ihre Emotionen gegen Sie benutzt habe. Sie haben Ihren Rubikon überschritten und Sie werden niemals begreifen, dass man für diese Art von Geschäften keine störenden Emotionen gebrauchen kann.“

Bevor Tharan etwas tun oder sagen konnte feuerte die Halbvulkanierin. Zu ihm hinab sehend feuerte sie noch eine Serie von sechs weiteren Energieschüssen in seinen Kopf, bis seine Gesichtszüge nicht mehr zu erkennen waren. Erst danach zog sie ein Tuch aus andorianischer Seide aus einer Tasche ihrer Robe und wischte den Griff ihre Waffe damit ab. Tharan hatte ihr dieses kostbare Tuch, dass sie mit einer speziellen Flüssigkeit präpariert hatte, vor vielen Jahren einmal geschenkt. Mit der Waffe schritt sie zielstrebig zur Leiche von Tral um sie ihm in die Hand zu drücken.

Mit einem kalten Glitzern in den Augen sah die Halbvulkanierin auf die Leichen zu ihren Füßen. Sie empfand dabei weder Schuld noch Reue. Wohl aber Hass, denn zur Gänze hatte sie ihre Emotionen nicht in der Gewalt. Das romulanische Erbe ihrer Mutter.

All diese Toten, die vor ihr auf dem Boden lagen, hatten zu Lebzeiten weder Skrupel, noch Ehre, oder Respekt gekannt. Solchen Figuren konnte man nicht vertrauen und man durfte ihnen nicht die Führung der größten und einflussreichsten Firmen der Föderation überlassen. Das hatte der Krieg gegen die Romulaner gezeigt, an dem diese Leute sich eine goldene Nase verdient hatten.

T'Viran wandte sich gleichmütig ab und begab sich, gemessenen Schrittes, hinunter zum Foyer des Gebäudes. Mit weit ausholenden Schritten eilte sie durch das sich öffnende Schott, hinaus zum Parkplatz. Da sie vorbereitend, auf Uly'Khuen Tharans Weisung hin, alle Überwachungsinstallationen geschickt manipuliert hatte, gab es keine Aufzeichnungen von dem Verbrechen, das sich eben in dem Gebäude abgespielt hat. Es gab des Weiteren keinerlei Hinweise darauf, dass sie selbst je hier gewesen war. Dafür hatte sie zuvor gesorgt.

Offiziell befand sie sich in ihrem Chalet, in den Schweizer Alpen. Dorthin würde sie nun umgehend fliegen, denn sie ahnte, dass man sie dort schon bald aufsuchen würde. Um ihr von diesen Ereignissen zu berichten und sie dazu zu befragen. Doch darum machte sie sich keine Sorgen. Der Sicherheitsdienst der Föderation war erst im Aufbau begriffen und die lokalen Beamten der Kriminalpolizei, die innerhalb der nächsten Jahre von ihnen abgelöst werden würden, hatten, ihrer Einschätzung nach, nicht das Format um die komplexen Zusammenhänge dieser Aktion zu durchschauen. Doch selbst wenn, so würde es zu spät sein. Denn nun gehörte die Firma und die damit verbundene Unterabteilung von TRIPLE-STAR ihr. Die Föderation mochte den Krieg gegen Romulus vielleicht gewonnen haben, aber es gab immer die Chance einer Revanche.

Das Team

„Was genau rührst du da eigentlich zusammen, Henriette? Dieses komisch grünlich schillernde Gebräu sieht ja geradezu lebensgefährlich aus.“

Der Andorianer Kri´Styan Taner sah seiner Partnerin beim Dezernat der Kriminalpolizei Duisburg interessiert dabei zu, wie sie einen Cocktail mixte, dessen Rezept sie, einmal mehr, selbst entwickelt hatte. Wobei er unbewusst den Schnurrbart malträtierte, der für seine Spezies absolut untypisch war. Aber Taner war als solcher auch kein typischer Andorianer, weshalb man bei ihm nicht die üblichen Maßstäbe anlegen konnte.

„Immer noch Henrike, wenn´s kombiniert!“, verbesserte die hochgewachsene, schlaksige Eurasierin ihren Freund und Kollegen erbost. Mit einer linken Hand vorsichtig die Flüssigkeit umrührend, fuhr sich Henrike Xi Manski, mit der Rechten, durch das lange und bereits früh ergraute Haar, dass sie hinter dem Kopf mit einem breiten, schwarzen Band aus andorianischer Seide gebändigt hatte. Einem Geschenk von Taner, zu ihrem letzten Geburtstag. „Ich erfinde ja auch keine willkürlichen Namen für dich, Dicker.“

„Ach!“, schnappte der etwas beleibte Andorianer düster und betastete dabei unwillkürlich seine Magengegend. „Aber mich als Dicken zu verunglimpfen ist in Ordnung?“

„Ne, ne, ne, du!“, widersprach die flotte Zweiundfünfzigjährige grinsend und zwinkerte dem Andorianer dabei keck zu. „Das ist Tatsache und keine Verunglimpfung.“

Beide maßen diesem kleinen Geplänkel keine allzu ernste Bedeutung bei. Sie waren Kollegen seit drei Jahren und fast ebenso lange gut miteinander befreundet. So gut, wie man überhaupt miteinander befreundet sein konnte, ohne eine intime Beziehung zu führen.

Taner musterte Henrike, die sich heute Morgen offensichtlich für eine eng sitzende, anthrazitfarbene Hose und einen dünnen, schwarzen Pulli entschieden hatte. An den Schultern schimmerte ihre helle, fast elfenbeinfarbene Haut durch mehrere, zwei Finger breite, Öffnungen, die durch silberne Zierklammern eingefasst waren. Irgendwie ein Tick zu neckisch für eine Frau ihres Alters, nach der Meinung Taners. Obwohl sie solche Sachen, bei ihrer schlanken Statur, zweifellos sehr gut tragen konnte.

Die Frau hingegen konzentrierte sich wieder auf ihren Cocktail. Dabei fragte sie nach einer Weile abwesend: „Ist dir mal der Gedanke gekommen, dass selbst dieses Gesöff hier lediglich eine Ansammlung verschiedener Atome ist?“

„Na, dann pass du bloß auf, dass du am Ende nicht noch davon in die Luft fliegst“, spottete der Andorianer hämisch.

„Blödmann!“, fauchte Henrike gespielt finster. „Aber zu deiner Information: Wenn dieser Drink nicht aus verschiedenen alkoholischen Getränken und Fruchtsaft, sondern aus Uran bestehen würde, dann könnte man davon tatsächlich in die Luft fliegen, wenn man davon die kritische Menge… ja… weiß auch nicht… irgendwie…

„Was?“

„Jetzt habe ich den Faden verloren“, beschwerte sich die Frau. „Wenn man die kritische Menge von diesem Cocktail… irgendwie… verkasematuckelt hätte.“

Verkasematuckelt?“, echote der Andorianer verständnislos.

„Ja, verkasematuckelt“, bestätigte die Hagere, erneut etwas gereizt. „Das ist ein ganz normales Wort in dieser Gegend, Dicker. Jetzt erzähl mir nicht, dass du seit drei Jahren hier bist und das Wort noch nie gehört hast.“

Einen Moment später hatte die Frau ihre Mischung fertig und sie machte eine weiten Satz zurück, bei dem sie ihren Kollegen beinahe umgerannt hätte. „Jetzt pass auf! Gleich gehen dir die Augen, oder besser, die Ohren über!“

Es dauerte nur einen Moment. Dann gab es einen ohrenbetäubenden Knall, bei dem der Andorianer spürbar zusammenzuckte.

„Was, bei der schwarzen Kreatur der Verdammnis, war denn das?“, brüllte der Andorianer aufgebracht, während ihn Henrike triumphierend ansah. „Willst du das gesamte Dezernat in die Luft jagen, oder was?“

Ohne dem Gemütszustand des Andorianers besondere Beachtung zu schenken rief die Frau begeistert aus: „Hast du das miterlebt? Das hat funktioniert! Gleich mein erster Test mit dem von mir neu kreierten Terror-Cocktail hat…“

„Du willst Terror?“, blaffte Taner wütend. Danach immer lauter werdend, fuhr er seine Kollegin an: „Ich geb´ dir gleich Terror! Ständig, während der Dienstzeit, nebenbei dein Gemache und dein Getue! Ich will Ruhe haben!“

Bevor die Situation eskalieren konnte, wurde von Nebenan die Tür aufgerissen und Hans van Gökhen sah, teils neugierig, teils perplex in den Raum und erkundigte sich, mit schleppendem Tonfall: „Was treibt ihr Zwei hier eigentlich?“

„Raus!“, brüllte ihn Kri´Styan Taner aufgebracht an und der etwas beleibte Niederländer schloss ganz schnell wieder die Tür.

Inzwischen hatte Henrike Xi Manski das funkelnde Cocktail-Glas in die Hand genommen und hob es lachend in Richtung des Andorianers an, auf dessen Gesicht sich Erschrecken widerspiegelte.

„Keine Sorge, Dicker. Der Cocktail ist jetzt vollkommen ungefährlich. Allerdings muss man erst einmal abwarten, bis sich die langsam immer stärker aufbauende Oberflächenspannung des Cocktails explosiv entspannt hat. Das verursacht übrigens den lauten Knall. Deshalb auch der Name Terror-Cocktail.“

„Mich wundert, dass das Glas das aushält“, gab Taner knurrig zurück. Offensichtlich war sein anfänglicher Zorn ebenso schnell verraucht, wie er zuvor über ihn gekommen war. Aber so sprunghaft kannte ihn Henrike, weshalb sie seinen lauten Ausbruch mit einer fast aufreizenden Gleichmut hinnahm.

Die Frau lachte amüsiert. „Ein normales Glas hätte es voll zerrissen. Ich habe jedoch die kristalline Struktur dieses spezielle Kristallglases, vor zwei Tagen, durch Partikelbeschuss hochverdichtet. Das kannst du aus dem Fenster werfen und es würde nicht kaputtgehen.“

Henrike Xi Manski prostete dem Andorianer zu und leerte das Glas mit einem Zug. Sich mit der Zunge genießerisch über die Lippen fahrend meinte sie, während sie das Glas auf den Schreibtisch stellte: „Ein herrlicher Tropfen.“

Schneller, als die Frau reagieren konnte, schnappte sich der Andorianer das Glas, holte aus und warf es dann schwungvoll gegen die Wand. Zu seiner Überraschung zersplitterte es dort nicht, sondern prallte mit einem dumpfen Laut ab, wobei es eine Delle im Kunststoffbelag der Wand hinterließ. Mit hellem Klirren prallte es zu Boden, und Splitter von einer der Steinfliesen schwirrten über den Boden des Büros. Das Glas hingegen wies keinerlei Beschädigung auf.

Während der Andorianer mit verblüffter Miene von der Wand zu dem Glas sah, bückte sich seine Kollegin, hob das Glas auf und schüttelte dann vorwurfsvoll den Kopf. „Du glaubst mir wohl gar nichts, was?“

Bevor der Andorianer darauf etwas erwidern konnte, ging erneut die Bürotür auf und Hans van Gökhen kam einen halben Schritt in den Raum hinein.

Henrike kannte den bärtigen Mann lange genug um an seinem Blick abzulesen, dass etwas passiert war und so fragte sie sachlich: „Was gibt es, Hänschen?“

Fast etwas traurig wirkend fuhr sich der Mann durch das dichte, gelockte Haar und erwiderte mit Leidensmiene: „Was soll es schon geben, wenn man uns alarmiert? Tote gibt es. Wann immer wir alarmiert werden – irgendwer ist gestorben. SO sehe ich ständig nur Leid um mich und…“

„Komm endlich zur Sache!“, forderte Henrike Xi Manski scharf. „Sie wusste, dass Hans van Gökhen oft kein Ende fand, bei solchen Tiraden.

Der Mann mit den braunen Haaren hob beschwichtigend seine riesigen Hände. „Tote Geschäftsleute. Gleich ein Dutzend. Unten, im Hafenviertel!“

Von einem Moment auf den anderen wieder ganz bei der Sache hakte Kri´Styan Taner nach: „Könnte es ein Unfall gewesen sein?“

„Hörte sich eher an, wie Mord“, verneinte der Niederländer.

Henrike Xi Manski hatte sich erhoben und war bereits auf dem Weg zur Tür. Achtlos das Glas auf ihren Schreibtisch stellend warf sie Taner einen auffordernden Blick zu. „Komm mit, Dicker. Das sehen wir uns an.“
 

* * *
 

Bereits zehn Minuten später saßen die beiden ungleichen Kriminal-Ermittler in einem ihrer Dienstgleiter und flogen zum Tatort. Während die schlangen Finger ihrer gepflegten Hände über die Steuerkonsole huschten, fragte Henrike Xi Manski den Andorianer an ihrer Seite: „Hänschen sagte mir, vor Verlassen des Dezernats, dass bereits ein gutes Dutzend Männer und Frauen vom Trachtenverein vor Ort sind. Ich hoffe nur, dass die sich darauf beschränken werden, alles weiträumig abzuriegeln.“

Taner lachte humorlos. „Deine Ausdrucksweise könnte auch etwas respektvoller sein. Nur weil die Kollegen in Uniform…“

„Vergiss es einfach“, murmelte ihm die hagere Frau gedankenverloren. „Was wirklich unsere Aufmerksamkeit erfordert ist die Tatsache, dass der Firmengründer selbst unter den Opfern sein soll. Hat zumindest Hänschen behauptet. Dieser Uly´Khuen Tharan – verdammt wie schaffst du es eigentlich solche Namen auszusprechen, ohne dir dabei die Zunge zu verknoten – ist einer der reichsten Männer innerhalb der Föderation gewesen.“

„Vermutlich auch außerhalb“, meinte Taner, wobei sich seine Antennen unwillkürlich nach Innen bogen. „Dieser Kerl ist der schlagende Beweis dafür, dass auch heute noch die Kohle nach oben fällt und nicht nach unten.“

Henrike lachte hell auf und drückte kurz den Unterarm des Andorianers: „Klasse, du lernst ja doch so langsam, wie man in dieser Gegend redet. Aber zurück zum Job. Wer hat eigentlich den Mord, oder besser gesagt die Morde, gemeldet?“

„Ein anonymer Anruf. Hans meinte, der Anrufer sei sehr beherrscht gewesen.“

„Seltsam“, grübelte Henrike, wobei sie sich abwesend eine Haarsträhne, die sich aus der Schleife, hinter ihrem Kopf, gelöst hatte, hinter das linke Ohr schob. „Da ruft einer, ganz trocken, die Kriminalpolizei an und meldet einen mehrfachen Mord. Wenn ich so etwas zum ersten Mal sehen würde, dann würde ich mich zuerst übergeben und wäre danach total aufgelöst. Aber dieser ominöse Anrufer bleibt ruhig genug, um darauf zu achten, uns seinen Namen nicht zu nennen. Also, entweder hat der Anrufer nicht zum ersten Mal Leichen gesehen, oder aber er hatte selbst damit zu tun.“

Die Antennen auf dem Kopf des Andorianers richteten sich auf die Eurasierin, als Taner sie zweifelnd ansah. „Wer wäre denn verrückt genug, uns mit der Nase drauf zu stoßen, wenn er mehrere Morde begeht?“

Henrike Xi Manski wedelte mit der Linken durch die Luft, ohne den Andorianer anzusehen. „Genau das ist hier die Frage, Dicker. Natürlich kann es auch sein, dass ein Veteran aus dem Irdisch-Romulanischen Krieg die Leichen fand. Das würde dann zwar die Ruhe des Anrufers erklären, nicht aber, dass er sich nicht identifizieren wollte. Die von der Sternenflotte halten doch etwas auf sich und ihren Ehrenkodex, wenn ich mich nicht irre.“

„Das musst du doch am besten wissen“, schnaubte Taner. „Du warst doch dabei. Bis kurz vor dem Krieg jedenfalls. Du hast nie darüber geredet, warum du da weg bist. Ist dir die Sauferei zum Verhängnis geworden?“

Mit der verkehrten Rechten schlug die hagere Frau ihrem Begleiter fest auf den Bauch, bevor sie grimmig meinte: „Ganz vorsichtig, ja?“

Während sich Taner, ein wenig überrumpelt, den Bauch rieb, deutete Henrike durch die Frontscheibe des Dienstgleiters und sagte ablenkend: „Benimm dich, wir sind gleich da.“

Taner vergaß das vorangegangene Geplänkel und beugte sich vor. „Da unten herrscht ja bereits ein mächtiger Betrieb. Die warten bestimmt nur auf uns, und hoffen garantiert, dass wir schnell damit durch sein werden uns die Leichen anzusehen, um sie endlich ins Medi-Zentrum der Stadt schaffen zu können.“

„Hoffentlich ist die Spusi schon weitgehend fertig, sonst werden wir es sein, die auf Andere warten müssen.“

„Die was?“

„Spurensicherung, Dicker! Kurz: Spusi.“

Der Andorianer gab ein leises Seufzen von sich wobei sich seine Antennen leicht nach Innen krümmten. Ein sicheres Zeichen von Verärgerung. „Du und deine ewigen Abkürzungen. Das machst du nur, um mich zu ärgern, stimmt´s?“

„Du bist gar nicht so blöd, wie du aussiehst“, versetzte Henrike mit breitem Grinsen. „Wir sind unten, also los. Ich habe nicht vor hier den gesamten Vormittag zu vertrödeln.“

Am Tatort

Zehn Minuten später standen Henrike Xi Manski und Kri´Styan Taner am Ort des Geschehens. Oder besser gesagt, am Ort des Verbrechens. Denn dass ein Verbrechen stattgefunden hatte, das stand bereits nach der ersten Minute ihres Hierseins fest, für die beiden Ermittler der Polizei.

Entgegen ihrer Befürchtung waren die Kollegen in Uniform sehr sorgfältig beim Absperren des Tatorts vorgegangen und das verbesserte die Laune von Henrike Xi Manski zusehends. Der Andorianer, der sich aufmerksam umsah, bemerkte den Stimmungswechsel.

„Bringen dich die Leichen hier so in Laune, oder wirkt der Cocktail noch nach?“, erkundigte sich Taner spöttisch und so leise, dass nur seine Kollegin die Worte verstehen konnte. Etwas lauter fuhr er fort: „Sieht für mich nach einer kleinen Kabbelei unter Gangstern aus, wenn du mich fragst.“

„Kleine Kabbelei?“, echote Henrike und warf ihrem Kollegen einen irritierten Blick zu. „Wir haben hier immerhin ein Dutzend Leichen.“

„Dann war es vielleicht doch eher ein handfester Zoff.“

Die letzte Bemerkung ihres Kollegen übergehend deutete Henrike Xi Manski mit dem Zeigefinger ihrer Rechten abwechselnd auf Kral und den toten Andorianer. Dabei fragte sie gedehnt und jetzt ganz bei der Sache: „Wie ist das Ganze, deiner Meinung nach, abgelaufen, Dicker? Haben die sich wirklich gegenseitig das Licht ausgeblasen?“

Auch Taner wirkte jetzt angespannt. Einen intensiven Blick auf das unkenntliche Gesicht des toten Andorianers werfend, meinte er nachdenklich: „Das würde mich stark wundern. Die hätten sich nur gegenseitig töten können, wenn sie annähernd gleichzeitig gefeuert hätten. Aber dann hätte der Tellarit kaum die Chance gehabt, derart oft auf sein Gegenüber zu feuern. Und Tharan hätte noch weniger die Gelegenheit gehabt, den Tellarit zu töten, nachdem der ihm bereits ein paar mal ins Gesicht geschossen hat.“

Henrike nickte zufrieden und erwiderte zustimmend: „Genau das ist der Punkt. Es gibt als noch eine Person, die hier mitgemischt hat. Eine Person, die zudem entweder Tharan oder aber dem Tellarit später die eigene Waffe in die Hand gedrückt hat. Ich glaube zwar nicht, dass der Täter so dämlich war, Spuren zu hinterlassen, aber ich will dennoch, dass die beiden Waffen untersucht werden. Zumindest sollten wir herausfinden, woher sie stammen. Oder noch besser: Wem sie gehören. Darüber hinaus finde ich es ziemlich dreist, dass uns der Mörder eine derartige Nachricht zukommen lässt. Seht her, ihr kriegt mich nicht!“

Der Leiter der Uniformierten überreichte Henrike Xi Manski ein Daten-PADD und erklärte: „Hier sind alle getöteten Personen und ihre Vita aufgelistet. Offensichtlich handelt es sich um die Leiter der sechs führenden Waffenhersteller der Föderation und deren Stellvertreter, Frau Kommissar.“

Henrike Xi Manski nahm das PADD entgegen und dankte lächelnd. Interessiert warf sie einen Blick auf die einzelnen Dateien. Nach einem Moment runzelte sie die Stirn und zog ihr Kommunikationsgerät von der Magnethalterung am Gürtel ihrer Hose. Nachdem sie Kontakt zum Dezernat aufgenommen hatte ließ sie sich mit Kommissar Hans van Gökhen verbinden und bat ihn, in knappen Worten, zu ermitteln, wo sich die Stellvertretende Leiterin von THARAN-INDUSTRIES momentan aufhielt. Sie dankte, bevor sie die Verbindung unterbrach und das Gerät wieder am Gürtel befestigte. Sich zu ihrem Kollegen wendend fragte sie den Andorianer: „Wen hättest du zu einem solchen Treffen mitgenommen, wenn du an Tharans Stelle gewesen wärst, Dicker?“

Der Tonfall seiner Kollegin ließ Kri´Styan Taner aufmerksam werden. Seine Antennen streckten sich steil nach oben und richteten sich dann auf seine Kollegin, während er zögernd erwiderte: „Ich würde wohl meinen Stellvertreter mitnehmen.“

Henrike Xi Manski nickte heftig. „Exakt! Genau das haben alle der Anwesenden auch getan, mit Ausnahme von Tharan. Der war mit einem untergeordneten Mitglied des Vorstandes hier. Der ist nicht einmal der Stellvertreter des Stellvertreters gewesen. Nach diesen Unterlagen ist die Rechte Hand von Tharan eine Vulkanierin, namens T´Viran. Aber ich habe hier keine Vulkanierin entdeckt. Tharans Stellvertreterin war also nicht bei diesem Treffen anwesend und da ist es doch legitim zu fragen: Warum nicht?“

„Vermutlich hatte sie einen anderen, wichtigen Auftrag“, orakelte Taner. „Immerhin ist THARAN-INDUSTRIES mit Abstand Marktführer. Soweit ich mich auskenne produziert diese Firma die Waffensysteme an Bord der neuen DAEDALUS-KLASSE. Obwohl es im Föderationsrat deswegen einige Widerstände gegeben haben soll.“

Etwas überrascht kniff Henrike Xi Manski ihre Augenlider etwas enger zusammen und erkundigte sich verwundert: „Woher weißt du das? Wenn ich dich nicht so gut kennen würde, dann würde ich glatt vermuten, dass du für Tharan gearbeitet hast.“

Die Antennen des Andorianers bogen sich rasch zur Seite, bevor sie sich, gleich darauf, wieder aufrichteten und Taner belustigt zurück gab: „Ja, klar. Nein, es ist viel mehr so, dass ich mit jener Andorianerin befreundet bin, die als Persönliche Assistentin für den andorianischen Botschafter der Föderation arbeitet.“

„Aha“, machte Henrike. „Die Dame plaudert wohl gerne?“

Kri´Styan Taner wand sich etwas, bevor er entgegnete: „Allgemein nicht. Aber unsere Beziehung ist eben… speziell. Sehr speziell.“

Henrike Xi Manski sah ihren Kollegen in ehrlicher Überraschung an. „Ach, das ist ja interessant. Wie lange geht das denn schon? Und vor allen Dingen: Warum hast du mir das verschwiegen, Dicker?“

Der Andorianer machte eine verteidigende Miene, während sich seine Antennen zugleich nach Innen bogen. „Moment mal, was heißt hier verschwiegen? Einerseits hast du mich nie gefragt und zweitens reden Andorianer über solche Dinge nicht so freizügig, wie es offensichtlich bei euch Menschen der Fall ist. Da wir gerade beim Thema sind: Was ist eigentlich mit dir? Normalerweise sind doch Frauen in deinem Alter längst verheiratet. Halten die Männer deine Sauferei nicht aus?“

Eine sichtlich Röte überflog die Wangen der hageren Frau bei diesem unsachlichen Angriff. Ihre Augen funkelten gefährlich, als sie heftig erwiderte: „Komm, komm, komm, du! Lass mich da mal schön raus, ja? Ihr verdammten Kerle hättet mich doch schon längst geschasst! Egal, welche Farbe! Und eins merk dir gut, Kri´Styan Taner: Ich saufe nicht!“

Das Aussprechen seines vollen Namens sagte Taner, mehr als das unnatürliche Absenken ihrer Stimme am Ende des letzten Satzes, dass Henrike ernsthaft wütend war. Er war zu weit gegangen. Taner wollte etwas sagen, um die Lage wieder zu entspannen, doch seine Partnerin ließ ihm keine Gelegenheit dazu.

Mit veränderter Tonlage meinte sie: „Für Gewöhnlich kommt kein Zivilist an eine so moderne und gleichzeitig tödliche Hochenergie-Waffe, wie es die EM-37 ist. Verbessertes Standard-Modell für MACO´s. Gleichzeitig sagt mir der Einsatz dieser Waffe, dass es nie den Plan gab, Irgendwen am Leben zu lassen. Wer kommt also sehr einfach an diese Waffen und für den Einsatz solcher Waffen in Frage?“

„MACO´s“, erwiderte Taner prompt.

Henrike Xi Manski presste ihre Lippen fest aufeinander, bevor sie fassungslos herausplatzte: „Blödsinn, Dicker! Die Hersteller dieser Waffen kommen am einfachsten an diese verdammten Waffen! Und welches Mitglied der Waffenproduzenten fehlt hier?“

In den Augen des Andorianers spiegelte sich Unglaube wider. „Du denkst ernsthaft, dass die Stellvertretende Leiterin von THARAN-INDUSTRIES für all diese Morde verantwortlich ist. Oder sie gar selbst ausgeführt hat?“

Henrike Xi Manski griff in die Beintasche ihrer Hose und förderte ein schmales Etui hervor. Sie entnahm ihm, etwas in Gedanken, einen Zigarillo, steckte das Etui wieder fort und förderte dafür ein altmodisches, goldenes Feuerzeug zutage. Nachdem sie das Zigarillo angezündet hatte stopfte sie das Feuerzeug in die rechte Hosentasche, nahm sie einen Zug, atmete den Rauch langsam aus und sah Taner grüblerisch an: „Ich sag dir was, Dicker – ich weiß nicht, was ich glauben soll. Irgendwie ergibt das Alles hier keinen Sinn für mich. Ich meine, wenn Jemand, der offensichtlich intelligent ist, Wert darauf legt, nicht nur einen Konzern zu übernehmen, sondern einen ganzen Produktionsbereich, um möglicherweise ein Monopol zu erlangen, der stößt uns doch andererseits nicht mit der Nase darauf, dass es etwas an der Geschichte zu kontrollieren gibt.“

Taner machte eine zustimmende Geste. „Eben!“

Henrike sog erneut an dem Zigarillo und stieß den Rauch aus. „Irgendwie sehe ich hier so rein gar kein Motiv und das macht mich nervös. Denn es gibt immer ein Motiv.“

„Ja“, knurrte der Andorianer und hustete unterdrückt. „Geld, Macht oder Liebe. Wobei ich geneigt bin, Letzteres auszuschließen. Besonders, wenn wir schon eine vermutlich komplett von Gefühlen befreite Vulkanierin verdächtigen.“

„Was nicht für einen willigen Helfershelfer gelten muss“, hielt Henrike dagegen. „Diese ganze Geschichte ist bisher zu undurchsichtig, um etwas auszuschließen.“

In demselben Augenblick summte ihr Kommunikator.

Kri´Styan Taner beobachtete das Mienenspiel seiner Kollegin während sie sich mit Van Gökhen unterhielt. Den spärlichen Worten, die Henrike von sich gab, entnahm der Andorianer, dass Hänschen herausbekommen hatte, wo sich T´Viran gegenwärtig aufhielt.

Als Henrike Xi Manski diesmal das Kom-Gerät wieder am Gürtel befestigte, sah sie ihren Kollegen entschlossen an. „Die Vulkanierin hält sich gegenwärtig in der Schweiz auf. Etwas außerhalb des Ortes Chur, im Kanton Graubünden. Wir fliegen hin, Dicker.“

Auf der Stirn des Andorianers bildete sich eine steile Falte. „Sind wir da überhaupt zuständig, Henrike? Du weißt hoffentlich noch, was der Chef beim letzten Mal sagte, als du eine Extratour gedreht hast.“

„Die Morde sind in meiner Stadt passiert und damit hat sich Irgendwer mit der falschen Polizistin angelegt, Dicker.“

Die hagere Frau sah sich suchend um, ohne dass sich Taner den Grund dafür vorstellen konnte. Im nächsten Moment packte ihn Henrike am Oberarm und zog ihn mit sich. „Hier kommen wir nicht weiter. Ich will ja auch diese T´Viran gar nicht offiziell vernehmen. Nur einige unverfängliche Fragen stellen.“

„Oh, ja“, ätze Taner. „Wie das abläuft kann ich mir lebhaft vorstellen. Fällt ja gar nicht auf zu fragen: Ach übrigens, Ihr Chef wurde ermordet – wissen Sie etwas darüber? Das wird bestimmt eine Superunterhaltung.

„Wann war ich jemals so unsensibel?“

Auf dem Weg nach Draußen lachte Taner trocken. „Willst du eine ehrliche Antwort?“

„Nein.“

Vor dem Eingang seufzte Henrike leise und streifte endlich die Asche von ihrem Zigarillo ab. Dabei fing sie den missbilligenden Blick ihres Kollegen auf.

„Was ist jetzt schon wieder, Dicker?“

„Mit dem Glimmstengel lasse ich dich nicht in den Gleiter“, erwiderte der Andorianer bestimmt. „Das letzte Mal stank es im Innenraum eine ganze Woche, nach dem Knaster. Von dem Zeug kriegt man bestimmt die Schwindsucht. Deshalb bist du bestimmt auch so mager.“

„Ah, du liebst es also eher mollig, vermute ich mal“, konterte Henrike, ob seiner Worte von Vorhin, bewusst grob. „Ist deine neue Freundin mollig? Du weißt schon, diese Persönliche Assistentin des Botschafters.“

Taners Antennen bogen sich nach Hinten, als er seufzend erwiderte: „Also schön, ich wollte mich schon eben für meine harschen Worte von Vorhin entschuldigen. Bevor du so abrupt das Thema gewechselt hast. Also, es tut mir leid. Ich weiß, dass du kein Problem mit Alkohol hast.“

Als er das zufriedene Lächeln seiner Kollegin bemerkte ritt Taner bereits wieder der Teufel und mit einem hintergründigen Lächeln fügte er, auf dem Weg zum Gleiter, grinsend hinzu. „Aber vielleicht hast du ja ohne Alkohol Probleme.“

Die Rückhand der Frau landete schmerzhaft auf seinem Bauch. Dabei drohte die Frau, gespielt finster: „Heute noch so ein Ding und ich garantiere für gar nichts mehr.“

Vor dem Gleiter nahm Henrike einen letzten Zug von ihrem Zigarillo und sah bedauernd auf den beträchtlichen Rest, den sie, ob der hohen Qualität des Tabaks, gerne noch geraucht hätte, bevor sie ihn zu Boden fallen ließ. Das Zigarillo missmutig austretend, bevor sie in den Gleiter stieg, dachte sie mürrisch: Dieser blauhäutige Kerl ist schlimmer, als meine Mutter. Kein Tabak, kein Alkohol, kein Gemache und Getue – ich darf ja gar nichts.

Unter Verdacht

Der Flug in die Schweiz verlief zwischen den beiden so unterschiedlichen Kriminalermittlern schweigsamer, als ansonsten üblich. Erst wenige Minuten bevor Taner den Gleiter zur Landung in Chur ansetzen ließ, wandte sich die hagere Frau nachdenklich an ihren Kollegen: „Wie wird diese Vulkanierin wohl darauf reagieren, wenn wir sie mit dem Mord an ihrem Chef konfrontieren?“

„Emotionslos, würde ich vermuten.“

Kri´Styan Taner sah Henrike Xi Manski von der Seite an. Mit verändertem Tonfall meinte er: „Um nochmal auf diese Widerstände im Föderationsrat zu sprechen zu kommen, von denen ich erfahren habe. Meine Freundin wusste zu berichten, dass viele Mitglieder im Rat es lieber gesehen hätten, wenn alle Systeme nicht von privaten Firmen hergestellt würden, sondern ausschließlich von staatlichen Betrieben. Über Kurz oder Lang will man wohl auch erreichen, dass Geld ganz abgeschafft wird.“

Henrike Xi Manski machte ein etwas überraschtes Gesicht. „Soll das etwa heißen, dass ich mich zwar nach wie vor jeden verdammten Tag voll reinhängen soll, in meinem Job, aber dafür zukünftig nicht einmal mehr bezahlt werde? Sind die irre?“

„Ich vermute, die wissen selbst noch nicht genau wie das funktionieren soll“, spottete der Andorianer. „Vermutlich werden wir zwei das gar nicht mehr erleben.“

„Besser wär´s“, knurrte Henrike. „Denn ich werde garantiert nicht für Lau arbeiten.“

Für einen Moment blieb es still in der Gleiterkanzel, bis Henrike nachdenklich überlegte: „Verstehen kann ich den Rat allerdings, wenn ich daran denke, was vor dem Dritten Weltkrieg auf der Erde passierte. Damals hatten die Großkonzerne mehr Macht in sich vereinigt, als die Regierungen der Erde. Unser Planet wurde von Finanzmagnaten regiert und nicht mehr von demokratisch gewählten Regierungen, deren Abgeordnete zu der Zeit kaum noch mehr gewesen sind, als die Marionetten von Milliardären. Die Eugenischen Krieger hatten sich das seinerzeit zunutze gemacht. Nicht zuletzt waren es machthungrige Manager von Großkonzernen, wie AURIC-ENTERPRISE und einiger anderer, die den Augments in die verbrecherischen Hände spielten. Ohne sie wäre der rasche Aufstieg der Augments wohl nie in diesem Umfang machbar gewesen.“

„So war das also“, murmelte Taner. „Ich habe darüber bisher nur unzureichende Informationen gehabt. Offenbar versucht man auf der Erde, über dieses dunkle Kapitel nicht allzu viele Informationen öffentlich zu machen.“

„Viel Wissen über diese Zeit ging während des post-apokalyptischen Horrors wohl auch einfach nur verloren“, erklärte Henrike. „Aber einige meiner Vorfahren haben diese Zeit überlebt und ihr Wissen, zumindest innerhalb der Familie, weitergegeben. Mein Großvater warnte mich einmal davor, solchen Tendenzen so tatenlos zuzusehen, wie es die Generation seines Vaters und seines Großvaters getan hat.“

„Die hatten keine andorianischen Freunde an ihrer Seite“, erwiderte Taner ernsthaft. „Auf meine Hilfe kannst du immer zählen, wenn es um das neuerliche Verhindern einer solchen Katastrophe geht.“

Impulsiv legte die hagere Frau ihre Hand auf den Unterarm des Andorianers. Der kleine Zwist von vorhin war vergessen, als sie sagte: „Darauf verlasse ich mich, Dicker. Ach, noch etwas, was ich dich schon seit dem Start fragen wollte. Ist dir eigentlich dieser seltsame Ring aufgefallen, den der Tellarit trug? Obwohl der, wegen der Knubbelfinger des Tellariten, anders gearbeitet wurde, hatte er dasselbe Symbol, wie der von Tharan. Drei Sonnen und in der Mitte die Buchstaben T und S. Ziemlich auffälliges Ding.“

„Darauf habe ich nicht so geachtet, bei all den Leichen am Tatort“, gab der Andorianer zu. „Ich hielt das auch bisher nicht für wichtig. Aber ich verlasse mich auf deinen Instinkt, Henrike.“

In Henrike Xi Manski verursachte es ein gutes Gefühl, zu spüren, dass nicht das geringste Bisschen ihrer bereits Jahre andauernden Freundschaft verlorengegangen war. Denn tief in ihrem Innern mochte sie Kri´Styan sehr. So, wie auch er sie sehr mochte. Nicht zuletzt deshalb war sie bester Laune, als der Gleiter endlich aufsetzte.

Als die schnittige Maschine sicher auf dem weiten Landefeld des Chalets stand, eröffnete Henrike ihrem Kollegen: „Bitte lass mich zuerst mit dieser T´Viran reden. Du behältst die Vulkanierin währenddessen scharf im Blick. Erst wenn ich dich nach deinem Befinden frage, dann übernimmst du es, die Unterhaltung zu führen. Ach und wundere dich nicht, wenn ich bei der Unterhaltung nicht ganz bei den Tatsachen bleibe.“

„Die Antennen des Andorianers richteten sich auf Henrike. „Ich verstehe. Du willst ihr eine Falle stellen. Aber wird sie hineintappen?“

„Probieren kann man es“, entgegnete die Frau leichthin.

Sie stiegen aus und sahen sich um. Das Chalet lag etwa zweihundert Meter oberhalb des Ortes Chur. Zu beiden Seiten der unter ihnen liegenden Ortschaft konnte man bis weit in der Ferne die schneebedeckten Gipfel der beiden einschließenden Bergketten sehen.

Henrike Xi Manski breitete ihre Arme aus. „Tolle Aussicht von hier oben, was?“

Bevor der Andorianer etwas darauf erwidern konnte, öffnete sich die verglaste Holztür des Chalet-Eingangs. Ein dunkel gekleideter Security-Offizier kam zu ihnen heraus und Henrike rief ihm entgegen: „Entschuldigen Sie unser unangemeldetes Erscheinen. Wir sind Kriminal-Ermittler aus Duisburg und wir würden gerne mit Frau T´Viran reden. Es handelt sich um eine Sache, die T´Viran beruflich betrifft. Bitte melden Sie uns an.“

Der kräftige Bedienstete blieb stehen und beobachtete die beiden Ermittler scharf. Dann aktivierte er ein Kom-Gerät am Kragen seiner dunklen Kombination und sprach leise mit jemandem im Innern des Hauses, wie Henrike vermutete.

Nach einem Moment hellte sich die Miene des Mannes sichtlich auf und er bat Henrike Xi Manski und Kri´Styan Taner ins Haus, das einen recht betagten Eindruck auf die beiden Ermittler machte. Zweifellos war es aber in bestem Zustand.

Über eine breite, nach unten führende, Holztreppe erreichten die beiden Ermittler den Haupt-Wohnraum, der gut und gerne einhundert Quadratmeter besaß. Was etwas mehr, als die halbe Bodenfläche des Chalets ausmachte. Eine hochgewachsene, schlanke Frauengestalt stand vor dem riesigen, kunstvoll unterteilten Panoramafenster, das zum Ort Chur zeigte und einen tollen Ausblick bot. Gegen das einfallende Licht konnte man die Frau vor dem Fenster im ersten Moment nur als Schemen erkennen. Erst nach einem Moment erkannten die beiden Ermittler deutlichere Details, nach der Adaption ihrer Augen.

Als die beiden Ermittler sich dem Schreibtisch näherten, der vor dem Fenster stand, stellte Henrike Xi Manski fest, dass die Vulkanierin, gut und gerne, eine Handbreit höher gewachsen war, als sie. Die Kommissarin vermutete, dass ihr das deshalb sofort auffiel, weil es nur sehr selten vorkam, dass sie, zumindest in körperlicher Hinsicht, zu einer anderen Frau aufsehen musste. So, wie in diesem Fall.

Die Vulkanierin, hinter dem Schreibtisch, trug eine dunkelblaue Robe, auf der sich goldene Symbole in der alten, verschnörkelten Schrift des Volkes von Vulkan abhoben. Die Polizistin hatte solche Symbole, während ihrer Zeit bei der Sternenflotte, bereits gesehen.

Das Gesicht der hochgewachsenen Frau am Fenster wurde dabei von einer weiten Kapuze verdeckt. Erst, als die beiden Kommissare vor dem Schreibtisch stehen blieben, hob die Vulkanierin die Hände und zog den Stoff von ihrem Kopf. Dabei blinkte am Ringfinger ihrer linken Hand kurz in dem von draußen einfallenden Licht auf.

Für einen kurzen Augenblick wechselte Henrike einen Blick mit Taner. Er wirkte in höchstem Maß warnend.

Die Antennen des Andorianer richteten sich zur Bestätigung steil auf, bevor er wieder zu der gertenschlanken Vulkanierin sah. Wobei er kritisch überlegte, dass Gertenschlank momentan wohl gerade IN zu sein schien. Zumindest auf der Erde.

Mit klarer und etwas dunkler Stimme fragte die Vulkanierin: „Ich muss Sie bitten, sich kurz zu fassen, da ich sehr viel zu tun habe. Wer also sind Sie und was wollen Sie hier?“

„Wir sind Ermittler der Mordkommission, von der Kriminalpolizei Duisburg“, eröffnete Henrike Xi Manski das Gespräch.

Da die Vulkanierin ihnen keinen Platz angeboten hatte, blieb sie stehen, wie auch ihr Kollege und ihre unfreiwillige Gastgeberin. „Ich habe Sie davon zu unterrichten, dass ihr Chef heute Vormittag ermordet worden ist. Zusammen mit zehn weiteren, hochrangige Geschäftsleuten, der Waffen produzierenden Industrie. Einen Schwerverletzten haben wir in ein Medi-Zentrum der Polizei bringen und retten können. Wir hoffen darauf, durch ihn Klarheit darüber zu erlangen, was sich während der Zusammenkunft ereignete.“

Kri´Styan Taner achtete auf jede Bewegung der Vulkanierin. Dabei stellte er nebenbei fest, dass sie ihr Haar entgegen der klassischen Mode auf Vulkan lang trug. Er musste zugeben, dass ihr das ausgezeichnet stand. Wäre da nur nicht die vollkommen emotionslose Miene gewesen, die sie zur Schau trug.

Mit einer ruhigen, beherrscht wirkenden Geste schob T´Viran eine Haarsträhne hinter ihr linkes Ohr. Dabei erwiderte sie, gleichgültig klingend: „Das ist tragisch. Haben Sie bereits Spuren gefunden die etwas zum Tathergang aussagen?“

Etwas enttäuscht darüber, dass die T´Viran, bei der Anzahl der Opfer und der Erwähnung eines Überlebenden nicht die geringste Reaktion gezeigt hatte, gab Henrike zurück: „Das kann man nicht sagen. Aber wir haben den Überlebenden. Er befindet sich an einem sicheren Ort, der nur wenigen Männern und Frauen der Polizei bekannt ist.“

T´Viran verschränkte die Finger ihrer gepflegten Hände vor dem Leib und erkundigte sich: „Sie sind also sicher, dass der Überlebende bald aussagen wird? Wenn dem so sein sollte, dann bitte ich Sie, mich umgehend zu informieren. Jetzt entschuldigen Sie mich bitte, denn was Sie mir eben eröffnet haben grenzt meine Zeit noch mehr ein. Ich werde den Rest des Tages ganz sicher in meinem Büro in Chur verbringen müssen. Denn de facto führe ich jetzt THARAN-INDUSTRIES. Zumindest für eine gewisse Übergangszeit.“

Kri´Styan Taner wurmte es etwas, dass die Vulkanierin ihren Besuch hier so rasch abgewürgt hatte. Somit war er selbst nicht zum Einsatz gekommen.

Noch während sich die Antennen von Taner leicht nach Innen bogen, umfasste die rechte Hand seiner Kollegin sein linkes Handgelenk und drückte zu. Dabei hörte er Henrike sagen: „Natürlich haben wir dafür Verständnis, Frau T´Viran. Wir verabschieden uns.“

Henrike zerrte kurz am Handgelenk des Andorianers, bevor sie los ließ und zur Treppe schritt. Kri´Styan Taner folgte ihr, wobei er das Gefühl nicht loswurde, vollkommen umsonst hergekommen zu sein.
 

* * *
 

Erst im Gleiter sitzend, ergriff Henrike Xi Manski wieder das Wort, während Taner die Aggregate der Maschine hochfuhr. „Mir sind zwei Dinge aufgefallen, bei diesem Gespräch. Und was ist mit dir, Dicker?“

„Sie trägt ihr Haar lang, was ziemlich aufregend aussieht.“

Damit wären es drei Dinge“, spottete die Hauptkommissarin. „Nun, zuerst einmal war da der Ring, den sie am Ringfinger der Linken trägt. Einerseits habe ich noch nie einen Vulkanier oder eine Vulkanierin mit Schmuck gesehen und andererseits könnte ich schwören, für einen kurzen Moment dasselbe Symbol erkannt zu haben, wie ich es bei den Ringen von Tharan und diesem Tellariten gesehen habe.“

„Und sie ist eitel“, ergänzte Taner, zur Überraschung seiner Kollegin und grinste, beinahe jungenhaft. „Mir fiel das auf, als sie sich in Gedanken mit der Hand über das Haar strich. Ich hatte es bereits mit Vulkaniern zu tun und darum weiß ich eins ganz sicher. Keiner aus diesem Volk ist eitel. Das passt nicht zu ihrem grundsätzlichen Wesen.“

Henrike Xi Manski beobachtete Taner dabei, wie er den Gleiter vom Boden abheben ließ und ihn in Richtung Chur steuerte. Dabei meinte sie. „Na, sieh mal an. Du bist also doch zu was zu gebrauchen. Was also schließt du nun daraus, und was tun wir als Nächstes?“

Der Andorianer machte ein etwas ratloses Gesicht. „Ich weiß es nicht.“

„Zum Glück weiß ich es“, schmunzelte die Frau. „Wir werden diese Frau beobachten und sehen, ob sie wirklich den ganzen Tag in ihrem Büro hocken wird.“

„Du willst sie beschatten? Ohne Genehmigung?“

Die Frau lachte spitzbübisch. „Aber wer redet denn von beschatten, Dicker. Wir sehen uns nur mal ganz allgemein in der Nähe des Bürogebäudes um. Und sollte uns dabei diese T´Viran über den Weg laufen, so ist das natürlich reiner Zufall. Also los.“

„Ob der Chef das wohl auch so sehen wird?“

„Er muss es nicht erfahren“, erwiderte Henrike gedehnt.

Seufzend gab Taner das Ziel ihres Fluges in das automatische Navigationssystem des Gleiters ein. Währenddessen erklärte Henrike verschwörerisch: „Hör zu, du besorgst uns zwei Zimmer in einem nahegelegenen Hotel, während ich das Bürogebäude im Auge behalte. Außerdem könntest du dich im Ort umsehen und mal herausfinden, welche Bankverbindungen THARAN-INDUSTRIES in Chur nutzt. Um 20:00 Uhr löst du mich ab.“

Der Andorianer machte eine zustimmende Geste, obwohl ihm nichts Gutes schwante. Düster meinte er: „Das nimmt bestimmt kein gutes Ende.“
 

* * *
 

Nachdem Kri´Styan Taner den Gleiter an einem Platz gelandet hatte, von dem aus man den Eingang der THARAN-INDUSTRIES Handelsniederlassung sehr gut einsehen konnte, und er sich von ihr verabschiedet hatte, stellte Henrike Xi Manski einmal mehr fest, dass polizeiliche Überwachungen zu 98 Prozent aus purer Langeweile bestanden.

Kurz nach ihrem Eintreffen hier war der Privatgleiter von T´Viran auf dem Firmenlandeplatz niedergegangen. Rasch war die Vulkanierin in dem Gebäude verschwunden und seitdem nicht wieder aufgetaucht. Das war vor geschlagenen sieben Stunden gewesen.

In den letzten Stunden hatte sie über die Begegnung mit T´Viran nachgedacht. Diese Vulkanierin passte so gar nicht in das Schema für diese Spezies. Außerdem hatte sie die Datenbank aufgerufen und sich vom Bordcomputer die Geschichte der Firma vorlesen lassen. Doch das hatte für keinerlei bahnbrechende Erkenntnisse gesorgt.

Danach hatte sie versucht, das Symbol des Rings zu entschlüsseln. Auch hier hatte sich zuerst ein Misserfolg abgezeichnet. Doch dann hatte sie die Suchparameter erweitert und vom Computer die Auskunft erhalten, das in der Vergangenheit des vulkanischen Volkes, vor dem Atomkrieg auf Vulkan, ein politischer Bund existiert hatte, der drei Sonnen als Symbol benutzt hatte. Ein Bund von Extremisten. Doch einerseits gab es zu dieser Zeit, da die Vulkanier da noch nicht ihre Emotionen beherrscht hatten, quasi nur Extremisten auf Vulkan und andererseits war das ziemlich weit her geholt. Außerdem schien der Ermittlerin der Gedanke an eine Verbindung schon deshalb abwegig, weil seitdem rund zweitausend Jahre irdischer Zeitrechnung vergangen waren. Den historischen Dateien nach, war dieser Bund zu jener Zeit untergegangen und hatte danach nie wieder Erwähnung gefunden.

Die Ermittlungen schienen in eine Sackgasse zu laufen.

Zwischendurch hatte Henrike Xi Manski etwas gegessen und getrunken. Doch eher lustlos und mit wenig Appetit.

Als sie endlich von Taner abgelöst wurde, teilte sie ihm in knapper Form mit, was sie herausgefunden hatte und dass sich T´Viran immer noch im Gebäude aufhielt. Danach nahm sie den Impulsschlüssel von ihm in Empfang, der zur Suite eines Hotels, ganz hier in der Nähe gehörte. Mit einem leisen Seufzen stopfte sie ihn in ihre Hosentasche und meinte: „Wird Zeit, dass ich unter die Dusche komme. Und danach brauche ich dringend Ruhe.“

„Ausgerechnet du?“, spöttelte Taner. „Du, die Party-Löwin von Duisburg, redest davon, Ruhe zu brauchen? Fräulein Dingeling? Du setzt deinen Ruf auf´s Spiel.“

„Pass du lieber auf, dass dir die Vulkanierin nicht durch die Lappen geht“, beschied ihm seine Kollegin und stieg schnell aus dem Gleiter. Dabei rief sie ihm noch schnell zu, bevor sie das Schott verriegelte: „Ich löse dich morgen Früh um 06:00 Uhr ab, Dicker.“
 

* * *
 

Es dauerte nur wenige Minuten, bis Henrike Xi Manski das Hotel erreicht hatte. Mit Wohlwollen stellte sie fest, dass es sich nicht um eine billige Absteige handelte, sondern um ein Hotel das auch gehobenen Ansprüchen genügte.

Vermutlich wird Dezernatsleiter Königsberg einen Tobsuchtsanfall bekommen, wenn er die Spesenabrechnung zu Gesicht kriegt, dachte die Frau ironisch. Aber was soll der Geiz, der Laden wird ohnehin in knapp zwei Jahren dichtgemacht. Und danach kann ich beim Sicherheitsdienst der Sternenflotte anheuern. Scheiße, genau von der Truppe wollte ich weg.

Mit langen Schritten durchquerte sie das Foyer und erkundigte sich an der Rezeption, bei einer freundlichen Bediensteten, nach der Lage ihres Zimmers.

„Machen Sie auch Urlaub in Chur?“

Die sonore Männerstimme riss Henrike Xi Manski aus den Gedanken. Neben ihr stand ein freundlich lächelnder Mittvierziger, der sie auffallend intensiv musterte. Er trug lockere Freizeitkleidung, so wie sie. Auf den ersten Eindruck wirkte der gutaussehende Dunkelblonde sympathisch.

„Könnte man sagen“, erwiderte die Ermittlerin und bedankte sich mit einem verbindlichen Lächeln bei der Bediensteten, für die Auskunft. Da sie hier offiziell nicht ermittelte war das nicht einmal gelogen. Dabei fuhr sie sich mit der linken Hand über das Haar. „Verraten Sie mir auch, mit wem ich die Ehre habe?“

Der Fremde besann sich auf seine Manieren und erwiderte: „Entschuldigen Sie. Mein Name ist Bondorkan. James Bondorkan. Und Sie sind…?“

„Henrike Xi Manski.“

Die Frau wandte sich dem Mann zu. „Sehr erfreut, Sie kennenzulernen, Mister Bondorkan. Sprechen Sie übrigens jede Frau, die Sie an der Rezeption eines Hotels treffen, so zwanglos an?“

„Der hochgewachsene, athletisch wirkende Mann verneigte sich leicht und erwiderte mit gewinnendem Lächeln: „Nur, wenn sie so außergewöhnlich hübsch ist, wie Sie.“

Trotz ihres Alters war Henrike in diesem Moment nicht davor gefeit, dass sich ihre Wangen leicht röteten, bei diesem galant vorgebrachten Kompliment. Außerdem war es bereits einige Zeit her, dass sie ein solches Kompliment bekommen hatte.

„Na, Sie sehen ja auch ganz gut aus“, wehrte die Kommissarin verlegen ab. „An willigen Begleiterinnen, die jünger sind als ich, dürfte es Ihnen bestimmt nicht mangeln.“

„Aber die besitzen doch weder Ihre Ausstrahlung, noch Ihre Klasse, Madame. Begleiten Sie mich zur Bar und trinken etwas mit mir?“

Für einen Moment war Henrike unentschieden. Doch dann fragte sie sich, was schon dabei war, diesen Abend in Chur angenehm ausklingen zu lassen. Darum antwortete sie, mit einem zufriedenen Lächeln: „Sehr gerne, Mister Bondorkan.“

Der Mann lächelte warm. „Nennen Sie mich Jim.“

„Gerne, Jim“, erwiderte die Frau und hakte sich bei dem Mann unter, als er ihr seinen Arm anbot. „Sie gefallen mir.“

James Bondorkan geleitete Henrike zum Tresen der Hotelbar, wo sie sich auf bequemen Barhockern niederließen. Dabei bedauerte die Frau es ein wenig, den körperlichen Kontakt zu dem Mann zu verlieren.

Nachdem der Athletische zwei Wodka-Martini für sie bestellt hatte, wandte er sich Henrike zu und fragte: „Sind sie in festen Händen, Henrike? Es wäre mir ziemlich unangenehm, wenn plötzlich ein eventueller Partner von Ihnen bei uns auftauchen, und uns eine Szene machen würde.“

„Nein, ich bin ungebunden“, gab die Frau bereitwillig Auskunft. „Was ist mit Ihnen Jim? Gibt es da eine Ehefrau, die von diesem Abend nichts erfahren darf?“

„Keine Ehefrau, keine Verlobte und keine Freundin“, entgegnete der Mann. „Ich bin wohl beruflich zu sehr eingebunden und zu viel auf Reisen. Wenn ich Sie so ansehe, dann schätze ich, dass Ähnliches auf Sie zutrifft?“

„Da liegen Sie richtig.“

Sie tranken von ihren Drinks und Henrike sah etwas überrascht auf. „Der geht ganz schön ins Blut. Welche Absichten verfolgen Sie?“

Der Mann stellte sein Glas neben dem der Ermittlerin auf den Tresen und seine linke Hand legte sich sanft auf ihre Rechte, die sie auf den Tresen gelegt hatte. Fast gehaucht streichelte sein Daumen über ihren Handrücken. „Ist das so schwer zu erraten? Sie sind eine tolle Frau und es wäre beinahe dumm, Sie nicht verführen zu wollen.“

Ein Kribbeln zog sich von ihrer Hand, den Arm hinauf und schien ihren gesamten Körper zu erfassen. Lächelnd legte sie ihre Linke auf die Wange des Mannes und raunte ihm leise zu: „Dann sollten Sie nicht noch mehr Zeit vergeuden, Jim.“

Sie tranken noch einen Schluck von ihren Drinks, bevor James Bondorkan geschmeidig von seinem Hocker stieg und Henrike ungezwungen an die Hand nahm. „Zu deiner Suite, oder zu meiner?“

„Gehen wir zu mir“, entschied Henrike und der Mann an ihrer Seite lächelte amüsiert.

„Das gefällt mir. Eine Frau, die weiß, was sie will.“

Hand in Hand verließen sie die Bar, in Richtung der Aufzüge. Wobei ihnen beiden entging, dass sie dabei von einem schwarzhaarigen, markant aussehenden, Mann sehr aufmerksam beobachtet wurden.

Bereits in der Aufzugkabine drängte sich Henrike gegen den festen Körper des Mannes und näherte sich mit ihrem Gesicht ganz nah dem seinen. Für einen Augenblick sah sie ihn nur forschend an, bevor sich ihre Nasenflügel gerade eben berührten und sich ihre Lippen auf seine legten. Sie küsste ihn sanft, bevor sie sich wieder von ihm löste und ihn etwas von sich schob. Dabei zwinkerte sie ihm verführerisch zu.

Gleich darauf hielt der Aufzug und sie traten auf den Korridor hinaus. Sie beeilten sich, die Suite zu betreten. Für eine Weile standen sie eng umarmt und küssten sich, bevor sich Henrikes linke Hand zum Lichtkontakt vortastete. Etwas geblendet die Augen schließend hauchte sie: „Ich schlage vor, wir duschen zuerst einmal.“

„Gute Idee“, befand der Mann und ließ sich von der Polizistin willig ins Bad ziehen.

Als Henrikes Blick durch den Raum schweifte änderte sie rasch ihre Meinung und raunte heiser: „Nein, ich lasse uns ein Bad ein. Dieser Whirlpool ist schlicht ein Traum.“

Es dauerte fast genauso lange, sich gegenseitig zu entkleiden, wie es dauerte, bis der Pool sich mit angenehm temperiertem Wasser gefüllt hatte. Ein automatisch zugegebener Zusatz sorgte dabei für jede Menge Schaum.

Wenig später lagen Henrike und James, splitternackt und eng umschlungen, in dem großen Whirlpool im Wasser und schickten ihre Hände auf Erkundungstour. Dabei gab die Frau ein leises Gurren von sich, als der Mann ihre Brüste streichelte und seine Linke sich an ihrem straffen Körper hinunter bewegte, weiter zu ihrer Hüfte und zu ihrem Po.

Unter zahllosen Küssen tastete sich ihre Rechte schließlich zu seiner Männlichkeit vor und leise sagte sie schließlich: „Wow, das nenne ich eine Waffe.“

Ein leises Lachen des Mannes war die Antwort, als Henrike ihn mit sanfter Gewalt auf den Rücken drehte und sich über ihn schob. Dabei jauchzte sie, als er seine kräftigen Hände auf ihre Pobacken legte und sie fest drückte.

Die schlanke Frau bäumte sich leicht auf, als sie sich mit Jim vereinigte und schmiegte sich dann eng gegen ihn. Für einen Moment verharrte sie so, während sie ihn leidenschaftlich küsste, bevor ihre Hüften damit begannen, langsam und sinnlich zu kreisen.

Nach einer Weile packte James die Frau fest in den Hüften und gab den Takt vor. In dem Moment, in dem sie beide, fast gleichzeitig, Erfüllung fanden, richtete sich Henrikes Oberkörper auf und sie legte ihre Hände hinter den Kopf. Mit weit geöffnetem Mund warf sie ihr Haar zurück und einige heisere, raue Töne entfuhren ihrer Kehle, als sie spürte, wie auch James in ihr kam. Mit einem schwebenden Gefühl sank sie schließlich wieder auf James hinunter und sie legte ihren Kopf an seine breite Schulter. Dabei küsste sie immer wieder sanft seinen Hals, bis er ihr sein Gesicht zuwandte und sich ihre Lippen zu sanften, langen Küssen fanden.

Erst, als das Wasser nur noch lauwarm war, flüsterte Henrike: „Das war klasse, Jim. Komm, trocknen wir uns ab und wiederholen das Ganze nochmal im Bett.“

„Klingt verlockend“, gab der Mann ebenso leise zurück.

Sie stiegen aus dem Pool, trockneten sich gegenseitig, unter zahllosen Küssen und anderen Zärtlichkeiten, ab um anschließend, eng umschlungen, zum Schlafraum hinüber zu gehen. Dabei verzichteten sie darauf das Licht zu aktivieren, als sie den Schlafraum erreichten und ihn betraten. Henrike spürte etwas Kaltes, das sich gegen ihre Halsschlagader drückte. Sie wollte noch etwas sagen, als ihr bereits die Sinne schwanden. Dass sie langsam zu Boden sank bemerkte sie schon nicht mehr.
 

* * *
 

Mit einem Gefühl, als würden winzige Geschöpfe in ihrem Kopf, mit Hämmern von Innen gegen ihre Schädeldecke klopfen, erwachte Henrike auf dem breiten Bett ihrer Suite. Durch das Fenster schien das erste, fahle Licht des anbrechenden Tages. Während die Frau dies alles wahrnahm, versuchte sie sich daran zu erinnern, wie sie ins Bett gekommen war.

Sie erinnerte sich noch daran mit Jim das Bad verlassen zu haben. Sie hatten gemeinsam das Schlafzimmer betreten. Etwas Kaltes hatte ihren Hals berührt und dann… Ja, was war dann passiert? Henrike erinnerte sich nicht.

Die Frau fasste sich an die schmerzende Stirn und drehte sich dabei auf die rechte Seite. Dabei berührte sie etwas, das sich wie eine Hand anfühlte. Sie war kalt.

Ihre linke Hand ertastete einen Körper und ein Gesicht. Das musste Jim sein. Erst einen Moment später setzte ihr gewohnt analytisches Denken wieder ein. Der Körper neben ihr schien seltsam starr. Mit einem Gefühl als würden sich Eisklumpen in ihrem Magen befinden, richtete sich die Kommissarin ruckartig auf und sah entsetzt in das leblose Gesicht des Mannes, mit dem sie eine heiße Affäre im Bad gehabt hatte. Seine leblosen Augen sahen starr zur Decke hinauf und es brauchte nicht die Tatsache, dass sich sein Körper nicht hob und senkte, um zu erkennen, dass er tot war.

Henrikes Augen füllten sich unaufhaltsam mit Tränen, die schließlich über ihre Wangen rannen, während sie, mit kratziger Stimme, leise zu sich selbst sagte: „Das kann doch nicht wahr sein. Das kann doch Alles nicht wahr sein. Warum…?“ Erst nach einem Moment realisierte sie, dass jemand ihre Schleife aus andorianischer Seide um den Hals des Mannes, mit dem sie kurz zuvor noch glücklich gewesen war, gewickelt hatte. Er war offenbar damit erdrosselt worden. Doch weshalb?“

Endgültig wieder zu sich findend, wischte sich Henrike die Tränen von den Wangen. Ein Mord war passiert und sie musste die lokalen Behörden einschalten. Zunächst wollte sie sich jedoch ankleiden. Ihre Sachen mussten sich noch im Badezimmer befinden.

Als sie das Bad betreten wollte erwartete sie eine unangenehme Überraschung, denn das Schott ließ sich nicht öffnen, egal was sie auch versuchte.

Na toll, was ist denn hier nur los?, fragte sich Henrike verwirrt. Einen Moment später hörte sie vor dem Schott der Suite schnelle Schritte. Gleich darauf pochte Jemand heftig gegen das verriegelte Schott und rief mit lauter Stimme: „Öffnen Sie das Schott! Hier ist die Polizei von Chur! Ich wiederhole! Öffnen Sie das Schott, oder ich lasse die Verriegelung von einem Angestellten überbrücken und es öffnen!“

Fieberhaft begannen sich die Gedanken von Henrike zu jagen. Außer ihr und dem Mörder konnte unmöglich schon Jemand von dem Mord wissen. Das bedeutete, dass ihr Irgendwer eine Falle gestellt hatte. Auch wenn dieser Gedanke völlig absurd schien.

„Ja, ja!“, rief sie in Richtung des Schotts. „Geben Sie mir eine Minute! Ich bin nackt!“

Während von Draußen eine ungeduldig klingende Stimme bestätigte, sah sich Henrike fieberhaft um und wägte ihre Optionen ab. Sich ihren Kollegen zu stellen kam nicht in Betracht, denn wer ihr diese Falle gestellt hatte, der würde dann auch einen Weg finden die zuständigen Beamten zu bestechen.

Auf dem Boden des Raumes lag lediglich ein Handtuch. Darin hatte sie ihr Haar eingewickelt, als sie mit Jim das Bad verlassen hatte. Da sich auch seine Sachen und die Badetücher im Bad befanden, war es das Einzige, mit dem sie ihren Körper bedecken konnte.

Rasch klaubte die Frau das Handtuch vom Boden auf, wickelte es sich um die schmalen Hüften und schloss es notdürftig. Danach eilte sie zum Fenster des Wohnraumes, öffnete es und blickte hinaus. Ein kalter Morgenwind ließ sie erschaudern und sie spürte, wie sich ihre Brustwarzen fest zusammenzogen. Die einzige Möglichkeit, vorerst zu entkommen, um vielleicht den Gleiter zu erreichen, in dem Taner auf sie wartete war, über den Sims, unter den Fenstern dieser Etage. Sie musste versuchen, eine andere Suite zu erreichen und sich an den Beamten, draußen auf dem Gang, dann irgendwie vorbei zu mogeln.

Nur mit einem Handtuch um den Hüften, schoss es Henrike dabei durch den Kopf. Sie blickte bei diesem Gedanken kurz zum Schott des Schlafraumes hinüber und leistete in Gedanken Abbitte dafür, sich so sang und klanglos aus dem Staub zu machen. Tut mir leid, James Bondorkan. Du warst zur falschen Zeit am falschen Ort. Ich werde dich nie vergessen.

Henrike war dabei aus dem Fenster zu klettern, als es wieder gegen das Schott klopfte. Dabei dachte sie: Ihr könnt mich mal. Barfuß, frierend und Oben ohne stand sie auf dem schmalen Sims und begann, sich auf ihm entlang zu tasten. Dabei schwor sie sich zornbebend, fürchterliche Rache an der Person zu nehmen, die ihr diese Falle gestellt hatte.

Flach mit dem Rücken gegen die Hauswand gepresst, und dabei die rechte Hand ebenfalls dagegen gelegt, während sie mit der Linken, in dem auffrischenden Wind verzweifelt das Handtuch festhielt machte sie einen Schritt nach dem anderen, auf dem Sims. Dabei jubelte sie innerlich, als sie erkannte, dass das übernächste Fenster geöffnet war.

Henrike Xi Manski hatte das Fenster fast erreicht, als die Luft vor ihr scheinbar flüssig zu werden begann. Zuerst dachte die Frau an eine Sinnestäuschung, doch gleich darauf bildete sich aus dieser Erscheinung in der Luft ein Ball leuchtender Partikel der rasch expandierte um im nächsten Moment die Konturen eines uniformierten Mannes anzunehmen. Ein Commander der Sternenflotte, in der typisch dunkelblauen Uniform, mit rot abgesetzten Schulterstücken. Das Alles nahm Henrike innerhalb eines Wimpernschlags wahr.

Unbewusst ließ Henrike Xi Manski das Handtuch los, während der Schwarzhaarige bei ihrem Anblick unmerklich schmunzelte. Eine heftige Windböe fegte unter das Handtuch und riss es ihr in dem Augenblick von den Hüften, als der Sternenflottenoffizier nach ihrer rechten Hand griff. Entsetzt sah Henrike dem Handtuch hinterher, als es davon segelte.

Ihr mit seinen dunklen Augen ernst in die Augen sehend, meinte der Mann, nicht ohne ein flüchtiges Lächeln, ob des kleinen Handtuch-Missgeschicks: „Ich finde, Sie sollten es lieber mit mir versuchen, als mit denen, Ma´am.“ Dabei aktivierte er mit der anderen Hand den Kommunikator, den er darin hielt und sagte, deutlich vernehmbar: „Energie!“

Jeffrey Gardner

Etwas verwirrt fand sich Henrike Xi Manski auf einer Transporterplattform wieder. Sie war lange genug bei der Flotte gewesen, um das Gerät sofort zu erkennen. Erst hier wurde sie sich wieder ihrer Blöße bewusst, die sie, so gut es eben ging, mit den Armen und Händen zu verdecken.

Der Schwarzhaarige seinerseits eilte sofort von der Transporterplattform und verschwand durch ein Schott aus dem Transporterraum, in dem sich des Weiteren nur eine Frau mittleren Alters aufhielt.

Kaum eine halbe Minute später tauchte der Mann wieder bei ihr auf und legte ein paar Kleidungsstücke auf die Plattform, die Henrike sehr vertraut waren. Der jungen Transporter-Technikerin einen Wink gebend sagte der Schwarzhaarige: „Wir lassen Sie allein, damit Sie sich anziehen können. Einer meiner Leute hat Ihre Sachen aus der Hotelsuite geholt und dort ein geruchloses und völlig ungefährliches Gas verströmt, das alle DNA-Spuren unbrauchbar macht. Sie wollen doch dort bestimmt keine Spuren hinterlassen. Sobald sie sich angezogen haben kommen Sie bitte nach Nebenan. Ich habe mit Ihnen zu reden.“

Damit wollte sich der Mann abwenden, doch Henrike Xi Manski war nicht bereit, sich so rasch abspeisen zu lassen. Fordernd fragte sie: „Wer, zur Hölle, sind Sie und was wollen Sie von mir, Commander?“

Ein flüchtiges Lächeln umspielte die Lippen des Mannes, als er erwiderte: „Ich bin Commander Jeffrey Alexander Gardner, vom Sicherheitsdienst der Sternenflotte. Den Rest erfahren Sie wenn Sie angezogen sind, Commander a. D. Xi Manski.“

Der scheint ja bestens informiert zu sein, dachte die Polizistin nachdenklich, während sie dem nicht unsympathisch wirkenden Mann nachsah. Als sich das Schott hinter ihm geschlossen hatte, machte sie sich daran, die Sachen, die der Commander ihr zurück gebracht hatte anzuziehen.

Nachdem sie sich auch ihre Schuhe wieder an die Füße gezogen hatte, marschierte Henrike Xi Manski schließlich zum Schott. Ihre Haarschleife hielt sie dabei fest in der linken Hand. Die würde sie für eine Weile sicherlich nicht tragen können.

Bereits während des Ankleidens hatte sie sich ständig gefragt, warum dieser schwarzhaarige Kerl, der sich ihr als Jeffrey Gardner vorgestellt hatte, so überraschend und per Transporter auf dem Sims des Hotels aufgetaucht war. Welchen Grund mochte er haben, ihr aus der Klemme zu helfen? Und woher wusste der Kerl, dass sie bei der Flotte gedient hatte und im Rang eines Commanders entlassen worden war? Für Gewöhnlich wurden Dienstakten ehemaliger Mitglieder der Sternenflotte unter Verschluss gehalten. Irgendetwas war hier sehr seltsam. Außerdem fragte sie sich, wohin man sie transportiert haben mochte.

Als sie den Transporterraum verließ blieb Henrike wie angewurzelt stehen. Einerseits weil ihr Partner, Taner neben dem Commander stand. Andererseits, weil sie sofort erkannte, dass sich dieser Gang unzweifelhaft auf einem Raumschiff befinden musste. Die Energieverteiler an den Wänden ließen keinen Zweifel daran.

Als sie zu Gardner sah, lächelte der Mann und meinte: „Wie ich an Ihrem Blick sehen kann, erkennen Sie ihre alte Wirkungsstätte wieder. Ja, Sie befinden sich auf dem Raumschiff COLUMBIA. Allerdings steht es schon seit zwei Jahren, nicht mehr unter dem Kommando von Erika Hernandez, die mittlerweile zum Commodore befördert wurde. Der aktuelle Kommandant, Captain Derrick Storm, war mir noch einen Gefallen schuldig. Momentan befinden wir uns in einem hohen Orbit, über der Erde. Etwa zehntausend Kilometer. Hier können wir in Ruhe darüber reden, woran Sie und ihr Kollege Taner, ohne davon zu ahnen, gerührt haben. Dass die Angelegenheit jedoch höchst gefährlich werden könnte, das haben Sie ja mittlerweile am eigenen Leib erfahren. Kommen Sie bitte mit.“

Damit schritt Gardner den Gang hinunter wobei er wohl als ganz selbstverständlich ansah, dass Henrike Xi Manski und Kri´Styan Taner ihm folgten. Unterwegs raunte die Ermittlerin ihrem Partner zu: „Wie kommst denn du hierher?“

„Ich wurde, am frühen Morgen, sehr freundlich und sehr nachdrücklich, von zwei Mitgliedern der Sicherheit darum gebeten. Sehr sehr nachdrücklich gebeten, wenn du verstehst, was ich meine.“

„Hat man dir gesagt warum?“

Die Antennen des Andorianers bogen sich stark nach Innen als er entgegnete: „Nein, ich weiß auch nicht mehr, als du. Außer, dass…“

„Was?“

Der Andorianer druckste etwas verlegen herum, bevor er leise zugab: „Na ja, der Commander deutete da etwas an, weshalb du in der Klemme gesteckt hast.“

„Na, klasse!“, knurrte die Frau finster. „Wenn ihr Kerle zusammen seid, dann ist das Getratsche schlimmer, als bei einem Kaffeekränzchen mit alten Tanten.“

„Reg dich ab“, riet Taner. „Ich bin froh, dass er es mir erzählt hat. Wie geht es dir?“

„Ich bin okay.“

Das Gesicht des Andorianers verriet Henrike sehr deutlich, wie gering er den Wahrheitsgehalt dieser Aussage erachtete, doch er schwieg und nickte ihr nur aufmunternd zu, wofür sie ihm sehr dankbar war. Momentan verspürte sie wirklich kein gesteigertes Verlangen über den Mord an einem Mann zu reden, mit dem sie im Bett gewesen war.

Unauffällig ließ Henrike Xi Manski die Schleife, in ihrer linken Hand, in ihrer Hosentasche verschwinden, als sie vor einem Schott anhielten.

Sie betraten einen Konferenzraum, der Henrike nur zu bekannt vorkam. Während ihrer Dienstzeit auf der COLUMBIA war sie des Öfteren hier gewesen. Sie glaubte für einen kurzen Moment tatsächlich, Erika Hernandez am Kopfende des Tisches sitzen zu sehen und ihre etwas rauchige Stimme hören zu können.

Jeffrey Gardner deutete auf zwei Sessel an der Fensterseite des Raumes wobei er sich galant bei seinen beiden Begleitern erkundigte: „Möchten Sie vielleicht einen Kaffee?“

„Gute Idee“, gab Henrike Xi Manski ironisch zurück und konzentrierte sich wieder auf den Moment. „Verleiht Energie und hilft hervorragend beim…“

Kri´Styan Taner sah seine Kollegin so missbilligend an, dass sie das letzte Wort dieses Satzes nicht aussprach. Stattdessen setzte sie sich, kramte etwas in der Hosentasche herum und zog schließlich ein Haargummi hervor, dass sie sich über das linke Handgelenk zog. Dabei drehte sie sich mit dem Rücken zu Taner und meinte keck: „Du könntest dich mal nützlich machen und mein Haar flechten. Hat beim letzten Mal doch super funktioniert.“

Der Andorianer sah mit finsterer Miene von seiner Kollegin zu Gardner, wobei sich seine Antennen deutlich nach Innen bogen. Dabei kam aber gleichzeitig ihrer Aufforderung nach. Allerdings nicht, ohne an einer der drei Strähnen, die er separierte, etwas fester zu ziehen, als es notwendig gewesen wäre.

Während Taner sich um ihr Haar kümmerte, beobachtete Henrike Xi Manski den schwarzhaarigen Commander aus den Augenwinkeln.

Er wirkte markant, was hauptsächlich an dem wachen Blick seiner dunkelbraunen Augen lag. Die Ermittlerin zögerte einen Moment, bevor sie Gardner ruhig fragte: „Was ist der Grund dafür, dass sich der Sicherheitsdienst der Sternenflotte für diesen Fall interessiert? Mord fällt momentan noch nicht in Ihren Bereich, Commander, da die polizeilichen Aufgaben noch nicht von Ihrer Organisation übernommen worden sind. Also hatten Sie wohl einen anderen Grund, derart rasch vor Ort zu sein und sich darüber hinaus für meine und Taners Ermittlungen zu interessieren? Zu welcher Abteilung des Sicherheitsdienstes gehören Sie überhaupt?“

Jeffrey Gardner sah die beiden Ermittler abwechselnd an. Zunächst ohne auf die Fragen einzugehen goss er seinen beiden Gästen Kaffee ein und danach sich selbst, bevor er sich im Sessel zurücklehnte und ruhig antwortete: „Zunächst will ich klarstellen, dass das, was hier in diesem Raum besprochen wird, unter die höchste Geheimhaltungsstufe fällt, Miss Xi Manski. Die Abteilung, für die ich tätig bin, ist für Sie ohne Belang. Ich fürchte, dass Ihre Ermittlungen an etwas rühren, das weitreichender ist, als Sie beide es sich vielleicht vorstellen. Zunächst will ich von Ihnen und Ihrem Kollegen das Versprechen haben, dass Sie nicht weiter gegen T´Viran ermitteln werden. Womit Sie Ihren Zuständigkeitsbereich ohnehin weit überstrapaziert haben dürften, schätze ich.“

Taners Hände schossen nach Vorne, als Henrike rasch ihren Kopf wandte. Mit einem unterdrückten Schmerzlaut, weil er, den halb fertigen Zopf fest in seinen Fingern haltend, dennoch nicht schnell genug hinterher kam, sah die Ermittlerin Gardner forschend an. „Diese Frau ist, aller Wahrscheinlichkeit nach, in einen zwölffachen Mord verwickelt. Für einen weiteren Mord dürfte sie die Anweisung gegeben haben. Und da kommen Sie mir mit der Zuständigkeit, Commander Gardner?“

Jeffrey Gardner stellte seine Tasse etwas zur Seite und beugte sich leicht vor, wobei er die gefalteten Hände auf die schwarz spiegelnde Tischplatte legte. „Sagen Sie mal, haben Sie vorhin nicht mitgekriegt, was passiert ist? Falls nein: Jemand hat erfahren, dass Sie ihm, oder ihr, auf den Fersen sind und hat umgehend gehandelt. Dabei hat der Verantwortliche keinerlei Hemmungen gehabt, einen Unschuldigen zu töten, um Ihnen den Mord anzuhängen. Man will Sie aus der Gleichung nehmen und da frage ich mich: Warum? Was haben Sie gehört, gesehen oder gesagt, dass man Sie zwar kaltstellen wollte, aber nicht kaltmachen? Man sollte meinen, dass Jemand, der dreizehn Morde auf dem Gewissen hat, nicht vor einem weiteren Mord zurückschrecken würde. Finden Sie nicht auch?“

Gedankenverloren nahm Henrike Xi Manski ihrem Partner den fertig geflochtenen Zopf aus der Hand und spannte das Haargummi um das Ende. Dabei sah sie zu Gardner und gab nachdenklich zurück: „Wenn Sie es so formulieren, dann ergibt es wirklich keinen Sinn, dass ich noch lebe. Andererseits hätte eine ermordete Polizistin vielleicht zu viel Aufmerksamkeit erregt, die man an anderer Stelle lieber vermeiden würde. Und hätte der Plan dessen, der James Bondorkan auf dem Gewissen hat, funktioniert, so hätte man diesen Mord mir in die Schuhe geschoben und es wäre keine Verbindung zu den zwölf anderen Morden hergestellt worden.“

Gardner lächelte schwach: „Ein anderer Sicherheitsoffizier, als ich, hätte Sie vielleicht trotzdem wegen Mordes festgenommen. Jedoch bin ich schon länger einer Sache auf der Spur, in die THARAN-INDUSTRIES verwickelt sein könnte. Es hat, erstmalig vor etwa zwei Jahren, gewisse Unregelmäßigkeiten bei der Auftragsvergabe für die Modernisierung von Waffensystemen der DAEDALUS-KLASSE Kreuzer gegeben. Zunächst schien es sich dabei nur um Gerüchte zu handeln, die von der Konkurrenz gestreut wurden, doch nach einigen Monaten intensiver, hoch geheimer, Ermittlungen verdichteten sich die Verdachtsmomente. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass nur ein kleiner Teil der Geschäftsführung von diesen geschäftlichen Unregelmäßigkeiten Kenntnis hat.“

Gardner griff in seine Hosentasche und zog einen Gegenstand hervor, den er in die Mitte des Tisches legte. „Haben Sie Zwei so etwas schon einmal gesehen?“

Die Augen der beiden polizeilichen Ermittler weiteten sich gleichermaßen. Der goldene Ring besaß ein silbernes Zentrum mit den Buchstaben T und S, aus Onyx-Diamant. Eingerahmt von drei Sonnen.

„Das dachte ich mir“, antwortete Gardner anstelle der beiden Ermittler. „Es handelt sich um das Symbol einer geheimen Vereinigung, die mir, in den letzten beiden Jahren, unter dem Namen TRIPLE-STAR bekannt geworden ist. Angeblich handelt es sich um einen sehr alten, vulkanischen Geheimbund. Warum sich dieser Bund dazu entschieden hat, sich ausgerechnet einen irdischen Namen zu geben? Nun, da bin ich vorläufig noch überfragt.“

„Tharan selbst trug einen solchen Ring, als wir ihn tot auffanden“, konstatierte Henrike Xi Manski nachdenklich. „Außerdem ein getöteter Tellarit aus dem Firmenvorstand und diese T´Viran selbst. Diesem Bund gehören also aktuell nicht nur Vulkanier an. Warum mischen da überhaupt Vulkanier mit? Ich dachte immer, das geht gegen ihre Logik?“

Jeffrey Gardners Miene versteinerte bei den Worten der Frau. „Was sagten Sie eben? Tharan selbst war Mitglied dieser Organisation? Wurde er dann vielleicht von seinen eigenen Leuten umgebracht?“

„Das hoffe ich“, warf Taner ein. Als ihn sowohl Gardner, als auch seine Partnerin fragend ansahen, erklärte er: „Na ja, falls nicht, dann gäbe es noch eine weitere Verbrecherbande, die nicht vor Mord zurückschreckt und die wir dann erst einmal noch identifizieren müssten. Mir wäre es lieber, wir hätten es nur mit einer Mordbande zu tun.“

Henrike verzog das Gesicht und trank einen Schluck von ihrem Kaffee, bevor sie sich zu Gardner wandte und meinte: „Vielleicht sollten wir gemeinsam an diesem Fall…“

„Nein!“

Das Wort kam messerscharf von Jeffrey Gardner und mit einem Tonfall, der Endgültigkeit ausdrückte. „Sie beide werde ich per Transporter in Duisburg absetzen. Für die Rückführung Ihres Dienstgleiters wird von mir gesorgt. Um TRIPLE-STAR und seine Mitglieder wird sich ab jetzt ausschließlich der Sicherheitsdienst der Sternenflotte kümmern. Habe ich mich da unmissverständlich ausgedrückt, Miss Xi Manski?“

„Unmissverständlich ist gar kein Ausdruck“, murrte die Frau und bedachte den Schwarzhaarigen mit einem giftigen Blick. „Aber da wir nicht wissen, wer genau für die Morde in Duisburg verantwortlich ist, obliegt die dortige Ermittlung immer noch meinem Partner und mir, Commander Gardner.“

Gardner seufzte unmerklich, bevor er ernst sagte: „Die dortige Ermittlung. Wenn Sie mir dabei nochmal in die Quere kommen, dann wird man Sie jedoch… vermissen.“

Henrike Xi Manski verstand die unterschwellige Warnung und sie spürte gleichfalls, dass Gardner seine Worte ernst meinte. Sie stieß den Andorianer an ihrer Seite an, erhob sich und grollte verstimmt: „Komm, Dicker. Hier haben wir nichts mehr verloren.“

Die Zusammenkunft

In einem perfekt abgeschirmten Untergeschoss ihres Chalets stand T´Viran, in demselben Moment vor einer durchsichtigen Röhre. Sie besaß eben genug Durchmesser, dass ein Humanoider darin stehen konnte, ohne die Wände zu berühren. Ein helles, singendes Geräusch durchdrang den halbdunklen Raum. In der Röhre selbst befand sich ein Mensch, der sich vor Qualen wand, immer wieder verkrampfte und gellend schrie vor Schmerzen.

Die Halbvulkanierin stand mit unbewegter Miene neben ihrem Sicherheits-Chef, der an einer Konsole stand und von Zeit zu Zeit die Einstellungen änderte. Mitleidlos beobachtete sie die Folterung des splitternackten Mannes, der sich in der annähernd hermetisch geschlossenen Röhre befand. Seine gellenden Schreie wurden durch die Röhrenwandung auf ein erträgliches Minimum abgedämpft.

Mit einem beinahe diabolischen Grinsen sagte T´Viran nach einer ganzen Weile zu ihrem Untergebenen: „Foltern sie diesen Mann noch mindestens vier Stunden. Er sollte dafür sorgen, dass ich diese neugierige Ermittlerin loswerde und er hat versagt. Diese verdammte Ermittlerin ist aus der Falle, die ich ihr gestellt habe, entkommen. Danach wird dieser Kerl sich hüten nochmal einen ähnlichen Fehler zu machen. Ich hasse Versager.“

„Ja, Erei´Khrein!“

Der Mann sprach die Frau, da sie unter sich waren, mit ihrem militärischen Rang an, den sie inne hatte. Dabei legte er seine rechte Faust auf seine Brust. Obwohl der Mann selbst weder Romulaner war, noch der Romulanischen Kriegsflotte angehörte.

T´Viran erwiderte den Gruß des Untergebenen und wandte sich ab. Sie musste nun einige Dinge einleiten, für die sie gerne noch eine längere Vorbereitungszeit gehabt hätte. Sie schritt gemessen auf den mechanischen Lift, im Hintergrund des Raumes zu. Dabei drehte sie sich, als sie die gläserne Kabine erreichte, zu ihr um. Diese Agonie-Röhre hatte schon so manchen Versager wieder in die richtige Spur gebracht.

Noch bevor die Liftkabine hinter einer getarnten Wandtür im Erdgeschoss ankam, richteten sich die Gedanken der Frau bereits wieder auf das, was nun vor ihr lag. Dabei ballten sich ihre gepflegten Hände zu Fäusten. Die Kabine des Lifts rasch verlassend durchschritt sie die Bibliothek des Chalets und eilte in den angrenzenden Arbeitsraum.

Vor vier Jahren war ihr Mentor umgekommen. Bei der finalen Raumschlacht des Krieges zwischen den Menschen dieses Planeten und den Romulanern. An Bord seines Flaggschiffs. Khrein Valdore i´Kaleh tr´Irrhaimehn – den selbst die meisten Romulaner nur unter seinem Familiennamen Valdore gekannt hatten. Tatsache war, dass er für sie wesentlich mehr gewesen war, als nur ihr Mentor. Er hatte sie geschützt, gefördert, geliebt.

Ja, Valdore hatte sie geliebt – so, wie sie ihn geliebt hatte.

Praetor D´deridex hatte Valdore seines Ranges als Senator entkleidet und ihn aus dem Senat ausgeschlossen, als er die Lehre von der unbegrenzten Ausdehnung in Frage stellte. Erst danach hatte er seine, bis dahin unterbrochene, militärische Laufbahn fortgesetzt.

Als später der ehrgeizige Khrein Khazeran Praetor D´deridex tötete und selbst die Macht im Sternenimperium ergriff, da hatte sie das mit grimmiger Genugtuung erfüllt. Fast der gesamte Stab der Romulanischen Flotte stand zu diesem Zeitpunkt hinter Khazeran. Auch sie selbst. Hauptsächlich deswegen, weil Khazeran, anders als D´deridex, stets den Krieg gegen die Menschen der Erde befürwortet hatte. In ihnen sah Praetor Khazeran die größte Gefahr für die Existenz und für die Ausdehnung des Romulanischen Sternenimperiums

Auf Befehl des neuen Praetors hin, hatte eine Kriegsflotte des Romulanischen Sternenimperiums, am 7. März des Jahres 2156, unter dem Oberkommando von Khrein Valdore, einen terranischen Handelsposten auf dem Planet Draylax angegriffen. Der Handelsposten wurde bei diesem Angriff vollkommen zerstört und mehr als eintausend Menschen fanden dabei den Tod. Als Folge dieses Überfalls, ohne vorangegangene Kriegserklärung, brach damals der Irdisch-Romulanische Krieg aus.

Als sich die Halbvulkanierin, deren Rang in der Romulanischen Kriegsflotte vergleichbar war mit dem Rang eines Commodore der Sternenflotte, hinter ihren Arbeitstisch setzte, dachte sie an die Ironie all dieser Geschehnisse. Begonnen hatte Valdore mit einer Aktion, die dazu gedacht gewesen war, die Spezies des Alpha-Quadranten zu entzweien. Sie in einen Krieg zu stürzen, damit das Romulanische Sternenimperium später die Scherben zusammenkehren und über all diese Spezies würde herrschen können.

Heute stand als Ergebnis das genaue Gegenteil am Ende all seiner Pläne. Die vier mächtigsten Spezies der Region hatten die Vereinte Föderation der Planeten gegründet. Eine Flotte war im Entstehen, die schon bald in der Lage sein würde, der Romulanischen Flotte nicht nur Paroli zu bieten, sondern sie vernichtend schlagen zu können. Ihrer Meinung nach, würde die Föderation dann die Gunst der Stunde nutzen und das Volk der Romulaner endgültig in die Knie zwingen und versklaven.

An dieser Stelle ihrer Überlegungen lachte T´Viran humorlos auf. Ihr kam überhaupt nicht der Gedanke, dass die Völker der Föderation nicht ebenso brutal vorgehen würden, wie ihr eigenes Volk.

Ja – die Föderation behauptete zwar, dass die Sternenflotte einen Forschungsauftrag habe, doch wer rüstete Forschungs-Raumschiffe mit den besten Offensiv- und Defensiv-Systemen von gleich vier Sternenreichen aus?

Nein, das Romulanische Volk war in Gefahr. Das Volk, von dem sie zur Hälfte abstammte. Die Hälfte, für die sie selbst sich entschieden hatte. Denn sie hasste die Schwäche der Vulkanier, die nicht einmal in der Lage waren, sich ihren eigenen Emotionen zu stellen. Sie verkrüppelten sich lieber emotional.

In einem Moment der Unbeherrschtheit schlug T´Viran so heftig mit der rechten Faust auf die Platte ihres Arbeitstisches, dass sie schmerzhaft das Gesicht verzog. Im nächsten Moment hatte sie sich bereits wieder in der Gewalt. Sinnend sah sie für einen Moment lang auf den Ring an ihrem Finger, während sie ihre schmerzende Hand massierte. Die Bezeichnung TRIPLE-STAR war sinngemäß, die annähernd exakte, terranische Übersetzung des alt-romulanischen Begriffes eh´Trih isaehj´ey stealm.

Der Name eines der stärksten und einflussreichsten politischen Bündnisse, nach dem Exodus vom Heimatplanet Vulkan. Aufgrund des Betreibens seiner Mitglieder hin, kam es in späterer Zeit zum Krieg gegen die Vulkanier. Doch nicht das gesamte romulanische Volk stand hinter eh´Trih isaehj´ey stealm, so dass der Erfolg ausblieb. Man gab den Mitgliedern dieses Bundes im Anschluss die Schuld an der Misere, weshalb er ab diesem Zeitpunkt ausschließlich im Geheimen operierte. Außerhalb des Sternenimperiums wusste Niemand, dass der uralte vulkanische Bund, bei den Romulanern die Jahrtausende überdauert hatte.

Ein kaltes Lächeln überflog das Gesicht der Frau, die zur Hälfte Vulkanierin und zur Hälfte Romulanerin war. Bald schon würde der Geheimbund rehabilitiert sein. Man würde seinen Namen mit Achtung und Respekt aussprechen. Zumindest sobald man sich der niederen Mitglieder dieses Geheimbundes entledigt haben würde. Darunter fielen alle Mitglieder, die nicht zumindest zum Teil romulanischer Abstammung waren. Den Anfang hatte sie bereits gemacht, als sie Tharan und diesen tellaritischen Veruul eliminierte.

T´Viran machte sich endlich daran, eine gesicherte Subraum-Verbindung herzustellen. Eine Verbindung, durch welche ihre Gesprächspartner holografisch anwesend sein würden, sobald sie stabil lief. Die Technik der Menschen war zu primitiv um eine solche Verbindung anmessen zu können. Bisher jedenfalls waren diese Verbindungen geheim geblieben, was dieser Einschätzung recht gab. Ebenso wenig waren bisher die getarnten Subraum-Relais geortet worden, die eine Funk-Strecke bis nach Romulus ermöglichten.

Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis fünf bläuliche, halb-transparente Romulaner im Raum zu stehen schienen.

T´Viran erhob sich von ihrem Platz und schritt zu ihnen. Bei den holografischen Personen handelte es sich ausnahmslos um Flaggoffiziere der Romulanischen Kriegsflotte. Darunter der Kommandeur der Kriegsflotte selbst. Khrein Ulldaron eh´Koral t´Airrhimaon.

Mit den holografisch Anwesenden Admiralen der Romulanischen Kriegsflotte einen Kreis bildend verneigte sich T´Viran respektvoll und sah abwartend zu Ulldaron.

Die akustische Übertragung, von Romulus bis hierher funktionierte so hervorragend, dass T´Viran für einen kurzen Moment den Eindruck gewann, Khrein Ulldaron würde wirklich neben ihr stehen, als er mit dunkler, bedächtig klingender Stimme fragte: „Was haben Sie zu berichten, Erei´Khrein?“

T´Viran fasste effizient zusammen, was sich in den letzten vierundzwanzig Stunden zugetragen hatte. Dabei beschönigte sie nichts und sie ließ nichts aus.

Nachdem sie geendet hatte, meldete sich die einzige Frau in der Runde zu Wort. Ihr Rang, als Arrain´Khrein, entsprach dem eines Vizeadmirals der Sternenflotte. „Wieviel wissen diese Ermittler der Polizei? Kann man diese beiden Ermittler unauffällig verschwinden lassen?“

„Schwierig, aber nicht unmöglich“, erwiderte T´Viran. „Wenn der Befehl so lautet, dann werde ich mich persönlich darum kümmern, Arrain´Khrein Te´Larin.“

„Lassen Sie es wie einen Unfall aussehen“, beschied ihr Ulldaron und machte damit aus der Frage von Te´Larin einen offiziellen Befehl für sie. Mit einem finsteren Unterton fügte er an: „Und beseitigen Sie jede ermittelnde Person, mit der die beiden Kriminal-Ermittler möglicherweise sonst noch gesprochen haben könnten. Sie wissen, dass Sie notfalls auf sich gestellt sein werden. Offiziell weiß weder der Praetor, noch der Flottenstab, irgendetwas von dieser Aktion.“

„Das ist mir klar, Khrein Ulldaron.“

„Wie steht es in Bezug auf die Sabotage der neuen DAEDALUS-KLASSE Kreuzer?“, warf Khrein Alarik ein, der zu Ulldarons Rechter stand. „Können Sie gewährleisten, dass die neuartigen Phaserkanonen explodieren, sobald sie abgefeuert werden?“

Ein beinahe vergnügtes Grinsen überflog T´Virans Gesicht. „Inzwischen hat der Konzern, den ich nun kontrolliere und der durch mein Einwirken zuvor den Zuschlag erhalten hatte, die manipulierten Waffensysteme an die Sternenflotte ausgeliefert.“

Ein baumlanger Romulaner mit hagerem Gesicht, der vor Wochen erst vom Rang des Erei´Khrein zum Aendeh´Khrein befördert worden war, und sich bislang im Hintergrund gehalten hatte, fragte kritisch: „Wird das nicht fraglos beim ersten Waffentest auffallen? Wenn ja, wird man danach sehr schnell darauf kommen, dass Sabotage im Spiel ist und auch alle übrigen Raumschiffe der DAEDALUS-KLASSE untersuchen.“

„Nein, das denke ich nicht!“, widersprach T´Viran mit fester Stimme. „Denn die Waffen werden bei den ersten Tests ganz hervorragend funktionieren. Die Steuer-Prozessoren sind nämlich so eingestellt, dass die Sonderprogrammierung erst greift, nachdem das Raumschiff insgesamt mehr als zwanzig Lichtjahre zurückgelegt hat. Also selbst wenn ein Raumschiff bei Axanar gebaut und vor dem Waffentest zu einer der vier Gründerwelten überführt wird, verhält sich jedes Waffensystem an Bord ganz normal. Nachdem die Raumschiffe jedoch mehr als zwanzig Lichtjahre hinter sich haben, würde ich bei einem Waffeneinsatz nur sehr ungern an Bord weilen.“

„Ein diabolisch guter Plan“, stimmte der zweite Aendeh´Khrein in der Runde lobend zu. T´Viran wusste, dass er Teralak hieß. „Man wird selbst nach dem Verlust des ersten Raumschiffs keinen Verdacht schöpfen und noch ein oder zwei weitere Raumschiffe verlieren. Und danach gehen sich vermutlich die Vertreter der vier verschiedenen Gründerspezies an die Kehlen und werden sich gegenseitig beschuldigen, dass es an einer mangelhaften Anpassung ihrer Technik liegt.“

„Das ist der Plan hinter dem Plan“, bestätigte T´Viran. „Nach meinen Recherchen war die Entwicklung der Multikreuzer-Klasse bereits schwierig genug. Bei der Forschungs-Klasse wurden nochmals sehr viele Modifikationen des ursprünglichen Konzeptes dieser Raumschiff-Klasse vorgenommen. Dass sich die Konstrukteure der verschiedenen Komponenten gegenseitig die Schuld am Versagen zuweisen werden ist sehr wahrscheinlich. Unter günstigsten Umständen kommt es dadurch in der Folge zu schweren diplomatischen Verwicklungen, die meine Organisation natürlich noch befeuern wird.“

„Sie denken wirklich, dass die Föderation so schnell zerbrechen könnte?“ Te´Larins Tonfall ließ keinen Zweifel daran, dass sie die Lage weitaus weniger optimistisch betrachtete, als T´Viran. „Trauen Sie da der Föderation vielleicht nicht doch viel zu wenig zu?“

„Allein für sich wird das kaum reichen“, gab die Halbvulkanierin unumwunden zu. „Allerdings wurden bereits hochrangige Manager großer Konzerne ermordet. Wenn es, nach der Zerstörung der ersten Kreuzer der DAEDALUS-KLASSE, zusätzlich zu Attentaten und Sprengstoffanschlägen auf allen vier Hauptwelten der Föderation kommt, dann wird die momentan noch sehr fragile Allianz wahrscheinlich schnell beendet sein.“

Khrein Ulldaron spreizte zustimmend die Finger seiner Rechten. „Ihre Pläne finden meine ungeteilte Zustimmung. Ich ermächtige Sie also hiermit, PHASE-2 anlaufen zu lassen. Töten Sie den Gefangenen und auch Ihren Sicherheits-Chef. Letzterer weiß bereits zu viel. Damit ist diese Zusammenkunft beendet.“

Ohne zu zögern bestätigte T´Viran. Sie verließ den Kreis und deaktivierte die Verbindung, woraufhin die durchscheinenden Hologramme verschwanden. Wieder allein in ihrem Raum aktivierte die Halbvulkanierin die Beobachtungsanlage für das Haus und aktivierte die optischen Scanner des Kellerbereiches.

Ihr Sicherheits-Chef folterte noch immer den Gefangenen in der Agonie-Röhre. Auf einen Knopfdruck von T´Viran hin schoben sich zwei verborgene Disruptor-Geschütze aus der Decke und nahmen ihren Angestellten ins Visier. Grell-grüne Strahlenbündel fuhren durch die Brust und den Kopf des Mannes. Er starb, ohne es zu wissen.

Mit einem fast bedauernden Zug aktivierte T´Viran eine zweite Schaltung. Im nächsten Moment glühte die Agonie-Röhre grell auf und zerschmolz samt Inhalt. Wobei das Bedauern der Halbvulkanierin nicht dem Mann in der Röhre galt, sondern der Röhre selbst. Sie hatte ihr so manch guten Dienst geleistet.

Sich langsam aus ihrem Sessel erhebend aktivierte die Frau eine dritte Schaltung. Damit hatte sie die Thermit-Ladung unter dem Keller des Chalets scharf geschaltet. Sobald sie das Chalet verlassen hatte, würde das Sicherheitssystem des Hauses dafür sorgen, dass die Ladung hochging, sobald ein Unbefugter in das Haus eindrang.

T´Viran sah sich noch einmal nachdenklich um, bevor sie zu einer verborgenen Transporterkammer schritt. Nachdem das Wandsegment zur Seite geglitten war, aktivierte sich das System. Es war denen der Föderation weit überlegen. Zudem sorgte eine perfekte Abschirmung dafür, dass Niemand auf der Erde den Transportvorgang anmessen konnte. Ohne zu zögern trat die schlanke Frau auf die kleine Transporter-Plattform, drehte sich herum und gab das Stimmenkommando: „Ziel: Ausweichstützpunkt-II. Energie!“

Eine grün-goldene Lichtspirale hüllte den Körper der Frau ein. Im nächsten Moment wurde der Körper durchsichtig und das Leuchten verblasste. Zurück blieb das Chalet mit seinen technischen Wunderwerken. Seine Zeit war so gut wie abgelaufen.

Das Attentat

Um TRIPLE-STAR und seine Mitglieder wird sich ab jetzt ausschließlich der Sicherheitsdienst der Sternenflotte kümmern, hat dieser Sülzkopp gesagt“, regte sich Henrike Xi Manski auf, als sie sich wieder im Dezernat befanden. Aus funkelnden Augen sah die Frau ihren Partner, über die beiden Schreibtische die sie trennten, hinweg an. Wobei sie zu ihrem Verdruss feststellte, dass Taner sich anscheinend köstlich über sie amüsierte.

„Immerhin hat er dich aus einer ziemlichen Notlage herausgehauen“, gab der Andorianer zu bedenken. „Ohne ihn würdest du jetzt ziemlich in der Klemme stecken.“

„Ach was! Das hätte ich auch ohne den geschafft“, konterte die Frau giftig.

Die Antennen des Andorianers bewegten sich schnell zur Seite um sich gleich darauf wieder aufzurichten. „Ja klar. Splitternackt und fern der Heimat, mutterseelenallein auf dem Fenstersims eines Hotels.“

Ohne auf die Bemerkung Taners einzugehen zeigte Henrike mit dem Zeigefinger auf ihn und gab zurück: „Du, ich sag dir jetzt mal was. Entweder weiß dieser Commander Gardner sehr viel mehr, als er preisgegeben hat, oder er weiß einen Scheißdreck.“

Der Andorianer erwiderte ernst: „Ich denke, der Commander hat mit einigen Dingen hinter dem Berg gehalten. Der weiß bestimmt mehr, als er uns erzählt hat. Eigenartig, dass er nicht einmal mit der Sektion herausrücken wollte, für die er arbeitet. Ich tippe auf irgendeinen ganz neuen Geheim-Verein.“

Henrike nickte. „Bei anderen Leuten würde man das Behinderung einer polizeilichen Ermittlung nennen“, fauchte die Ermittlerin. „Doch dieser neuen, allgegenwärtigen und ach so edlen Sternenflotte gibt man ziemlich viel Spielraum. Zu viel, wenn du mich fragst!“

Kri´Styan Taner lehnte sich nachdenklich in seinem Sessel zurück und bedachte seine Partnerin mit einem prüfenden Blick. „Reden wir noch von den laufenden Ermittlungen oder reden wir bereits von dir und deinem Problem mit der Sternenflotte?“

„Ich habe kein Problem mit der Sternenflotte - die haben eins mit mir!“, brauste die hagere Frau auf. Sie hatte sich bereits halb aus dem Sessel erhoben, überlegte es sich jedoch dann anders und ließ sich langsam wieder auf den Sitz zurücksinken.

„Vielleicht solltest du endlich mal mit mir darüber reden, was damals wirklich los war. Warum hast du den Dienst bei der Flotte wirklich quittiert?“

Die Frau erwiderte den fragenden Blick ihres Partners und seufzte schließlich: „Na schön, du Nervensäge. Als ich 2131 meine Ausbildung an der Akademie der Irdischen Sternenflotte begann, da hatte ich das klar definierte Ziel vor Augen, irgendwann mein eigenes Raumschiff zu kommandieren. Als Captain. Achtzehn Jahre lang diente ich auf der NEPTUN, einem betagten Patrouillen-Raumschiff der NR-KLASSE. Während wir stets nur um den Block flogen, hörte ich nach dem Start der ENTERPRISE immer wieder, wie weit die raus gekommen waren und was die Crew alles erleben durfte. Als dann, zu Beginn des Jahres 2154, die COLUMBIA in Dienst gestellt wurde, wechselte ich auf dieses brandneue Raumschiff. Als Erster Offizier eines solchen Raumschiffs hatte ich mich kurz vor dem Ziel meiner Wünsche gesehen. Doch dann wurde mir 2155 gesagt, dass man mich zur weiteren Beförderung für untauglich hält. Also konnte ich meinen Traum, irgendwann ein solches Raumschiff zu kommandieren, begraben. Und ewig als Erster Offizier wollte ich auch nicht dienen. Darum habe ich, zugegebenermaßen ziemlich frustriert, den Dienst quittiert. Bist du jetzt fasziniert, Dicker?“

„Irgendwie schon“, gab der Andorianer trocken zurück. „Doch da ist noch mehr, das spüre ich. Etwas, weshalb man dich für nicht zur weiteren Beförderung geeignet einstufte.“

Die hagere Frau nickte und lächelte bitter. „Ja. Die gesamte Zeit über wuchs, zuerst nur unmerklich, dann jedoch immer stärker, das Gefühl in mir, eingesperrt zu sein. Zuerst dachte ich mir, ich komme damit klar und an Bord der NEPTUN herrschte auch ein sehr familiärer Umgang. An Bord der COLUMBIA war das anders. Da wurde sehr viel mehr nach den Protokollen und Bestimmungen der damals noch Irdischen Sternenflotte verfahren. Innerlich habe ich mich aufgelehnt und jeden Tag dagegen rebelliert. Nicht wenige Male geriet ich deshalb mit Captain Hernandez aneinander. Meine Vorstellung von der Auslegung der Protokolle war eine signifikant andere, als ihre. Leider sah und sieht das Oberkommando die Anwendung der Protokolle ebenso, wie Hernandez und nicht, wie ich sie sah und immer noch sehe. Das war für mich die eigentliche Enttäuschung, denn ich habe die Sternenflotte viel weniger militaristisch gesehen, bei meinem Beitritt, als Hernandez oder auch deren Mann, Konteradmiral Jonathan Archer.“

„General Shran hat Archer, vor wenigen Wochen erst, zum Ehrenmitglied der Andorianischen Garde ernannt“, warf Taner ein. „Das allein spricht für sich.“

Henrike Xi Manski brummte zustimmend: „Ja. Ich bin einerseits froh, dass ich bei Ausbruch des Krieges nicht mehr dabei war. Andererseits hatte ich für eine Weile das schreckliche Gefühl, meine ehemaligen Kameraden im Stich gelassen zu haben.“

„Hast du nicht“, beruhigte sie der Andorianer. „Du wolltest eben nie Soldat sein.“

„Ich wollte auch nie Polizistin sein“, erwiderte die Frau ironisch. Dann änderte sich ihr Tonfall und sie meinte: „Schluss jetzt mit der Tratscherei, Dicker. Überprüfe du doch mal die finanziellen Transaktionen der letzten Monate, von THARAN-INDUSTRIES. Ich werde Hänschen inzwischen mal darauf ansetzen, wann Tharans Konzern den Zuschlag von der Sternenflotte, zur Produktion der Waffen für die DAEDALUS-KLASSE erhielt.“

Während sich die Frau erhob und zum Schott hinüber ging, erkundigte sich Taner rasch: „Gehört das nicht zur Ermittlung dieses Commander Gardner?“

Henrike Xi Manski sah Taner mit unschuldigem Augenaufschlag an. „Nicht, dass ich wüsste. Noch haben wir einen zwölffachen Mord aufzuklären und das Ermitteln der Finanzströme gehört ja wohl dazu, um ein mögliches Motiv offenzulegen.“

Damit verschwand die Frau nach Nebenan und Kri´Styan Taner brummte entsagungsvoll: „Ja klar, was denn sonst.“
 

* * *
 

Die Konsole, an der T´Viran arbeitete, gab einen Alarmton von sich. Mit leicht angehobenen Augenbrauen blickte die Halbvulkanierin auf die Anzeigen und rief schließlich die grün unterlegte Warnmeldung auf. Schnell stand fest, dass Irgendwer sich eben, mit polizeilicher Berechtigung, Zugang zu den Finanzdaten der Firma verschafft hatte.

Die schlanken Finger der Frau huschten über die Sensortasten der Konsole und eine zweite Anzeige erschien auf der frei konfigurierbaren Oberfläche der Konsole. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis feststand von wo aus der Zugriff erfolgt war.

Kriminaldezernat-Duisburg, las T´Viran auf der Anzeige ab. Dabei dachte sie wütend: Diese knochige Schlampe und ihr andorianischer Wasserträger fangen an, mir mächtig auf die Nerven zu gehen. Um diese beiden verdammten Ermittler werde ich mich besser persönlich kümmern.

T´Viran änderte die Einstellung der Konsole und auf einem Bereich zu ihrer Linken wurde der Hangar angezeigt, in dem ihr Shuttle untergebracht war. Das aus grünlich schimmerndem Metall bestehende Kleinraumschiff besaß für seine Größe, von nur knapp dreißig Metern Länge, eine erstaunliche Reichweite. Mit ihm konnte sie notfalls sogar Romulus erreichen, doch an diese Option dachte sie momentan nicht. Nur sie allein wusste von der Existenz dieses Shuttles. In einem Anflug von Melancholie hatte sei dieses Shuttle auf den Namen ihres früheren Geliebten getauft.

VALDORE.

Für einen Moment glaubte T´Viran die sonore Stimme des Admirals zu hören – wie der charismatische Mann so unglaublich sanft ihren Namen sagte. Dieser Moment verging und als sich T´Viran von der Konsole abwandte drückten die Züge ihres fein geschnittenen Gesichts wieder Unnahbarkeit aus.

Nachdem die Halbvulkanierin über die enge Wendeltreppen zum Erdgeschoss hinaufgestiegen war, schritt sie durch den freundlich eingerichteten Wohnraum zur Fensterfront des Hauses. Es lag einige Kilometer nordwestlich von Horta, der größten Ortschaft auf der Azoreninsel Faial. Sie blickte nachdenklich über die Wasserfläche des Atlantiks. Süd-östlich erkannte T´Viran die dunkle Silhouette der Nachbarinsel Pico.

Der Anblick erinnerte die Frau an die Gegend rund um die Uulma-Inseln, auf der nördlichen Halbkugel von Romulus. Obwohl die Meere von Romulus in einem deutlich grünlicheren Farbton schillerten. Eine Folge der zahllosen Mikrolebewesen in den romulanischen Meeren, die das einfallende Sonnenlicht in dieser Farbe reflektierten. Auf einer der Uulma-Inseln stand ihr Haus. Seit Jahren schon war sie nicht mehr dort gewesen und für einen Moment sehnte sie sich dorthin zurück.

Bald. Schon sehr bald, dachte T´Viran und wandte sich von der Fensterfront ab. Zuerst musste sie diese Ermittlerin eliminieren, die ihre Nase allzu neugierig in ihre Angelegenheiten steckte, ohne zu ahnen, mit wem sie sich einließ.

Bei diesem Gedanken sah die Frau, deren Handeln und Fühlen einzig von dem Wunsch bestimmt wurde, die terranischen Emporkömmlinge für die Schmach, die sie den Romulanern angetan hatten, auf den Ring an ihrem Finger. Er war weitaus mehr, als nur ein protziges Schmuckstück. Doch das wussten nur Jene, die TRIPLE-STAR angehörten.

T´Virans Hände ballten sich zu Fäusten. Sie wollte die Menschen der Erde, insbesondere für den Tod von Khrein Valdore, büßen lassen. Niemals wieder würde sie einen Romulaner so sehr lieben, wie sie Valdore geliebt hatte. Die Menschen hatten ihn ihr genommen, während der Schlacht von Cheron. Valdore war zu keinem Zeitpunkt bereit gewesen, sich den Menschen zu ergeben und genauso empfand auch sie. Sie würde das zu Ende bringen, was er begonnen hatte. Damals vor fast zehn Jahren.

Die Frau riss sich endlich von dem Anblick los. Es wurde Zeit, die ersten Vorbereitungen zu treffen, um die beiden lästigen Ermittler loszuwerden.
 

* * *
 

Bis zum späten Abend saßen Henrike Xi Manski und Kri´Styan Taner im Büro und sahen mit brennenden Augen auf die Bildschirme ihrer Schreibtischkonsolen. Das Gesicht des Andorianers wirkte wie versteinert und selbst Henrike verzichtete auf ihr ansonsten übliches, spöttisches Gehabe. Dazu nagten die Ereignisse dieses Tages zu sehr an ihr.

Irgendwann sah sie entnervt auf und fragte Taner: „Ich steige da nicht mehr durch, Dicker. Was ist mit dir? Irgendwelche Unregelmäßigkeiten?“

Die Antennen des Andorianers bogen sich leicht nach hinten, bevor er zu seiner Partnerin sah und verdrießlich erwiderte: „Abgesehen von einer ausgesprochen kreativen Buchführung werden wir THARAN-INDUSTRIES nicht sehr viel nachweisen können, schätze ich. Zumindest, wenn wir nicht deutlich mehr zum Vorschein bringen, als bisher. Wenn es irgendwelche Mauscheleien gegeben hat, dann wurden die Spuren dazu sehr gut verwischt. Vielleicht haben wir morgen mehr Glück.“

Henrike nickte und spielte gedankenverloren mit dem Zopf, den ihr der Andorianer geflochten hatte. Nach einer Weile schaltete sie entschlossen die Konsole ab und sah zu Taner: „Ich habe heute den ganzen Tag malocht, wie ein Weltmeister, aber es hat zu nichts geführt. Lass uns Feierabend machen und zu Paul gehen.“

Der Andorianer machte eine zustimmende Geste und folgte ihrem Beispiel.

Bei Paul war eine urige Eckkneipe, unweit des Kriminal-Dezernats, deren eigentlicher Name Zum Blanken Nagel lautete. Doch wer Stammgast dort war, der nannte diese Kneipe nur Bei Paul. Einfach deswegen, weil der Wirt Paul Küppers hieß.

„Du brauchst bestimmt ein großes Bier, nach diesem Tag.“

„Nein – Fünf!“

Taner nickte. „Soll mir auch recht sein. Nach zwei Tagen, wie den letzten beiden, ist das vielleicht gar keine schlechte Idee.“

„Kann ja nur besser werden“, murrte Henrike leise. Hätte sie geahnt, dass sie gegen Mitternacht in einer Blutlache liegen würde, wäre sie vermutlich weniger rasch bereit gewesen, den Tag vor dem Abend zu verfluchen. So aber war sie ahnungslos. Sie erhob sich, reckte ihre Arme in die Luft und sah abwartend zu Taner.

„Bist du soweit?“

Der Andorianer gab ein Schnaufen von sich. „Langsam, Frau Kollegin – ein alter Mann ist ja schließlich kein lichtschneller Partikelstrahl.“

„Komm schon, du alte Träne. Mach los!“, drängelte Henrike, zum Teil auch deswegen, weil sie wusste wie wenig der Andorianer diese Art mochte. Momentan war ihr eben danach, sich mit der gesamten Welt anzulegen. Sie zwinkerte dem Andorianer jedoch keck zu, als er entsprechend grimmig zu ihr sah, um ihren vorangegangenen Worten die Spitze zu nehmen. Erleichtert darüber, endlich das Dezernat zu verlassen und einen Strich unter die beiden letzten Tage machen zu können.

Sie brauchten zu Fuß nur knapp zehn Minuten bis zur Kneipe, in der heute nicht ganz so viel los war, wie sonst. Wie üblich setzten sich die beiden Ermittler an den Tresen und erfreut über ihren Besuch kam Paul Küppers zu ihnen, um sie zu begrüßen.

„N´Abend, ihr Zwei. Alles im Lack?“

„Schleiflack Weiß“, gab Henrike Xi Manski tonlos zurück und der Sechzigjährige hinter dem Tresen hob fragend seine buschigen Augenbrauen. „Wat has´se denn, Mädel?“

Paul Küppers war nicht gerade für überbordende Eloquenz bekannt. Doch Henrike wusste von ihm eins ganz genau. Er hatte kein Fach studiert, doch dafür hatte er das Leben studiert. Darum sah Paul ihr auch an der Nasenspitze an, dass etwas an ihr nagte.

Die Ermittlerin bekam kaum mit, wie sich Taner bei ihr entschuldigte um zwei Bekannte aus dem Dezernat zu begrüßen, die sich an diesem Abend ebenfalls hierher verirrt hatten und an einem der Tische saßen.

Henrike deutete auf die Zapfanlage. „Okay, ich erzähle es dir, aber mach erst mal ein U-Boot fertig. Das habe ich jetzt nötig.“

Die Augen des Wirts weiteten sich etwas. Während er ein großes Bier zapfte und dabei nebenbei einen Korn einschenkte, sah er zu Henrike und meinte ernsthaft. „Dann scheint es härter gewesen zu sein, als üblich.“

„Das kannst du laut sagen“, erwiderte Henrike düster.

Als Paul Küppers das Bier und den Korn vor ihr auf den Tresen stellte, trank die Polizistin etwas von dem Bier ab. Danach stellte sie das Glas zurück auf den Tresen, ergriff mit Daumen und Zeigefinger das Schnapsglas und versenkte es, mit einem leisen Plutsch im Bierglas. Nach einem ordentlichen Schluck setzte Henrike das Glas ab und sah kurz über die Schulter, zu Taner, der sich inzwischen angeregt mit den beiden Kollegen unterhielt. Danach wandte sie sich wieder Paul Küppers zu und erzählte ihm, soweit es ihre Schweigepflicht erlaubte, was sich in den letzten beiden Tagen ereignet hatte. Lediglich ein paar Details ließ sie aus. Dabei trank sie nicht nur ein U-Boot sondern derer fünf.

Nachdem Henrike sich bei Paul ausgesprochen hatte, sah sie wieder zu Taner. Dabei meinte sie, beinahe etwas melancholisch: „Weißt du was, Paul. Ich denke, ich behandele meinen Freund Kri´Styan nicht so gut, wie er es verdient hätte. Er ist der beste Freund, den man haben kann. Ich meine, als guten Freund. So´n richtig guter Freund.“

Der Wirt nickte und lächelte nachsichtig. „Hat sich Big-Blue denn jemals darüber bei dir beschwert, Rike?“

Henrike lächelte schwach. Nur Paul nannte sie Rike und Taner Big-Blue, und das, seit sie sich kannten. „Nein, der Dicke trägt es mit Fassung.“

„Dat macht er, weil er dich inzwischen ganz gut kennengelernt hat, Rike. Er nimmt dich so, wie´se bis´. Sowas tun gute Freunde.“

Die Frau griff spontan über den Tresen und drückte die, im Vergleich zu ihrer eigenen, riesige Hand des Mannes. „Danke, Paul.“

„Nich´ dafür“, wehrte der Mann rasch ab und deutete mit den Augen zur Seite.

Als Henrike in die entsprechende Richtung sah, bemerkte sie, dass sich Taner wieder näherte. Die beiden Bekannten von ihm zahlten ihre Deckel bei Paul und verließen die Kneipe, während Taner missbilligend auf den Tresen deutete und kritisierte: „Du vernichtest heute anscheinend eine ganze U-Boot Flotte, wie es den Anschein hat.“

Hier wird der Krieg gewonnen“, spottete die Frau. „Aber das ist kein Grund, dass du dich plötzlich aufführst wie meine Mutter, Dicker. Ich bin lediglich etwas angetütert.“

„Ist trotzdem Zeit, von Deck zu verschwinden“, ging Taner auf ihren Tonfall ein. „Wir haben fast Mitternacht.“

„Aye“, erwiderte Henrike ironisch, legte ein paar Scheine auf den Tresen und winkte zu Paul hinüber. „Wir sind dann auch mal weg, Paul!“

„Kommt gut nach Hause!“, gab der Wirt röhrend zurück.

Auf der Straße fröstelte Henrike etwas. Tagsüber war es warm genug gewesen um ohne Jacke herumzulaufen, doch jetzt war es empfindlich kühl geworden. Dabei sagte sie, zu Taner gewandt und tief durchatmend: „Tut das schlecht.“

„Mach kein Drama daraus“, gab der Andorianer rau zurück. „Ist ja nicht weit, bis zu dir. Komm - andocken.“

Henrike kam Taners Aufforderung nach und hakte sich bei ihm unter.

Auf dem Weg zu ihrem Haus sprachen sie kein Wort. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Erst nach mehreren Minuten, als ein einsamer Bodengleiter sich näherte, meinte Taner nachdenklich: „Irgendwie seltsam. Dieser Gleiter da vorne hat ein ziemliches Tempo drauf. Außerdem sind seine Positionsleuchten aus.“

„Hör auf, Dicker, ich habe Feierabend“, forderte Henrike mit schwerer Zunge. „Den schnappen sich die Kollegen schon noch.“

Einen Augenblick später wurde die Frau von Taner unsanft zur Seite gestoßen. Noch bevor sie sich wegen dieser rüden Behandlung beschweren konnte, realisierte sie, dass ein heulender Schemen an ihnen vorbei huschte. Dabei sah sie entsetzt mit an, wie Taner vom Rand des Gleiters erfasst und hart gegen eine Mauer geschleudert wurde. Einige Meter weiter erst kam sein Körper zur Ruhe.

„Taner!“ schrie Henrike Xi Manski gellend und verwünschte die Tatsache, dass sie nicht ein oder zwei Gläser weniger getrunken hatte. Als sie zu dem bewusstlosen Andorianer rannte drehte sich in ihrem Kopf alles. Das Schlimmste befürchtend kniete sie sich zu Taner ab und bemerkte eine dunkle Flüssigkeit, die sich langsam unter ihm ausbreitete. Dabei entging ihr die schlanke Person, die sich aus dem Schatten eines Hauseingangs auf der gegenüber liegenden Straßenseite löste und sich ihr lautlos näherte. Vielleicht auch deshalb, weil es in ihren Ohren entsetzlich rauschte.

Henrike Xi Manski stöhnte unterdrückt auf, als sie von hinten, mit dem Kolben einer Strahlenpistole, niedergeschlagen wurde. Mit dem Gesicht nach unten landete sie in der Lache des Blutes, das Kri´Styan Taner verlor.

Über den beiden bewusstlosen Polizisten stand eine schlanke Frau, mit spitz zulaufenden Ohren. Kalt sagte sie: „Ihr werdet meine Pläne nicht länger durchkreuzen.“

Damit legte sie die Waffe auf Henrike Xi Manski an.

Für einen Augenblick stand ein grell leuchtender Partikelstrahl in der Luft. Mit einem Schrei riss die dunkel gewandete Frau ihren Kopf herum, als ihr der Strahler von der auftreffenden Waffenenergie aus der Hand gerissen wurde.

Der Uniformierte, der ihr die Waffe aus der Hand geschossen hatte, näherte sich nun rasch ihrer Position. Um sie herum leuchteten im nächsten Moment, im Abstand von weniger als zwanzig Metern, drei grelle Energiesäulen auf. Der Uniformierte bekam Verstärkung.

Die Halbvulkanierin erkannte mit größter Geschwindigkeit, dass sie ihren Plan, Henrike Xi Manski und ihren Kollegen zu töten, vorerst nicht mehr in die Tat umsetzen konnte. Dennoch blieb sie vollkommen beherrscht.

Rasch griff T´Viran zu ihrem Ring und drückte schnell nacheinander die drei Edelsteine, im Zentrum der drei goldenen Sonnen. Ein Wunder romulanischer Mikrotechnik wurde aktiviert und in einer grün-goldenen Lichtspirale löste sich ihr schlanker Körper auf, bevor die vier Uniformierten sie erreichen konnten.

Nachbeben

Als Henrike Xi Manski wieder zu sich kam dröhnte ihr Kopf, als hätte ein Riese ihn als Trommel benutzt. Sie wippte für einen Moment mit dem rechten Fuß in dem imaginären Takt und schlug dann die Augen auf. Erst jetzt fühlte sie, dass sie auf dem Rücken lag. Außerdem lag sie weich, was bedeutete, dass sie nicht mehr auf der Straße lag. Doch wo war sie? Und vielleicht noch wichtiger: Wer hatte sie hierher gebracht?

Eins war Henrike Xi Manski klar: Der Attentäter war es keinesfalls, denn der, oder die, hätte sich wohl kaum so einen Umstand mit ihr gemacht. Immer noch reichlich verwirrt sah sie nach oben – direkt auf den sich langsam drehenden Propeller eines Deckenventilators. Als die Umgebung wieder vor ihren Augen verschwamm stöhnte sie auf und fragte kratzig: „Was, zur Hölle, mache ich in einem Hubschrauber?“

An ihrer linken Seite klang ein leises, amüsiertes Lachen auf. „Kein Hubschrauber, Miss Xi Manski. Das nannte man früher Air-Condition. Sie befinden sich nicht mehr in Duisburg. Ich hielt es für sicherer, Ihren Kollegen und Sie in ein Krankenhaus zu schaffen, dass ganz in der Nähe des Sicherheitsdienst-Hauptquartiers liegt.“

„Der Andorianer ist mein Freund“, ächzte die Frau und drehte sich ahnungsvoll auf die Seite. Wie erwartet sah sie dort die Gestalt eines schwarzhaarigen Mannes. Etwas gereizt erkundigte sie sich: „Sie schon wieder, Gardner. Werde ich Sie denn gar nicht mehr los?“

„Ich kann auch nichts dafür, dass Sie sich permanent in Dinge einmischen, die sie in Teufels Küche bringen“, erwiderte der Commander gutmütig. „Zum Glück hatte ich einen kleinen Peilsender an den Rand Ihrer Seidenschleife eingehakt, bevor ich Sie Ihnen auf der COLUMBIA zurückgab. Sonst hätte mein Team und ich Sie beiden nämlich nicht rechtzeitig erreichen und retten können. Das soll natürlich in keinster Weise eine Erinnerung an Ihre selbstverständliche Dankespflicht sein.“

Henrike funkelte den Mann unwillig an, ob seiner ironischen Bemerkung, ging aber nicht weiter darauf ein. Stattdessen kam sie auf das Naheliegende zu sprechen, indem sie sich bei Gardner erkundigte: „Wie geht es Kri´Styan? Ist er…“

„Er lebt“, beeilte sich der Commander ihr zu versichern. „Seine Verletzungen werden ihn zwar für einige Wochen ans Krankenbett binden, doch er wird wieder gesund werden. Sie können sich beruhigen. Sie selbst haben lediglich eine große Beule und eine leichte Gehirnerschütterung davongetragen. Sie werden schnell wieder auf Deck sein, Ma´am.“

„Sie wissen aber schon, dass das gleich klingende Mhäm bei Tellariten ein ziemlich übles Schimpfwort ist, Commander Gardner?“

Der Mann nickte. „Ja, aber zum Glück sind Sie ja keine Tellaritin und es ist außer uns beiden sonst niemand hier.“

„Ein Punkt für Sie“, grummelte die Frau und erkundigte sich dann unvermittelt: „Darf ich aufstehen, oder bin ich auch ans Bett gefesselt?“

Der Commander lächelte fein. „Oh, es spricht nichts dagegen, dass sie aufstehen, meinte der Arzt. Allerdings sollen Sie es, für einige Tage ruhig angehen lassen. Da sich Ihre Sachen noch bei der Forensik befinden müssen Sie allerdings mit der Uniform, die dort auf dem Nachttisch liegt, Vorlieb nehmen. Und aus einem weiteren Grund, den ich Ihnen mitzuteilen habe wenn Sie sich angezogen haben. Ich werde vor der Tür warten.“

Noch während der Commander sich erhob, schlug Henrike die leichte Bettdecke zur Seite und schwang ihre langen Beine aus dem Bett. Dabei meinte sie spöttisch: „So ein Blödsinn. Sie haben mich doch schon splitternackt gesehen. Es reicht, wenn Sie sich umdrehen, falls es Ihnen damit besser geht.“

Gardner legte wortlos die Hände auf den Rücken und wandte sich, mit einem leisen Räuspern, zum Fenster des Krankenzimmers um. Erst, als sich Henrike ihrerseits ziemlich laut vernehmlich räusperte, drehte sich Gardner wieder zu der Frau um. Er grinste jungenhaft, als er sagte: „Die Uniform scheint wie für Sie gemacht, Miss Xi Manski.“

„Der Schein trügt“, konterte die Frau trocken und sah den Commander fragend an. „Jetzt würde ich gerne meinen Freund besuchen, Commander.“

Gardner, der dem Klang ihrer Stimme nach horchte, erlaubte sich ein Schmunzeln und gab friedfertig zurück: „Natürlich dürfen Sie zu ihrem… Freund.“

Dabei dachte der Mann, dass der Schein vielleicht gar nicht so sehr trog, wie es diese Frau ihm einreden wollte. Er schritt voraus, öffnete galant das Schott für Henrike und ließ ihr den Vortritt, beim Verlassen des Krankenzimmers. Solche Kavalier-Verhaltensregeln wirkten im 22. Jahrhundert mitunter verstaubt. Doch seine Großmutter mütterlicherseits hatte große Stücke auf Gentleman-Manieren gehalten – und auf Männer, denen sie zu eigen waren. Jeffrey Gardner, der seine Großmutter, zu ihren Lebzeiten, sehr gern gehabt hatte, hatte sich schon allein deshalb solche geschliffenen Manieren zugelegt. In späteren Jahren war er dann zu der Überzeugung gelangt, dass dies auch ansonsten nicht verkehrt war.

Als sie in den Gang einbogen, der zum Krankenzimmer des Andorianers führte, wie Gardner ihr erklärt hatte, bemerkte Henrike Xi Manski ein halbes Dutzend Sicherheits-Leute, die auf dem Gang Wache hielten. Erstaunt blickte sie zu Gardner, der ihren Blick auffing und bemerkte: „Wir wollen jegliches Risiko ausschließen. Vielleicht versucht es der Attentäter noch einmal. Sie müssen an irgendeiner wichtigen Sache gerührt haben.“

„Wir haben die normale Ermittlung aufgenommen, Commander. Vielleicht haben wir bei der Kontrolle der Finanzen von THARAN-INDUSTRIES etwas Wichtiges gesehen, aber bisher nicht die richtigen Schlüsse daraus gezogen.“

Gardner nickte nur und Henrike überkam das unbestimmte Gefühl, dass er etwas zurückhielt. Doch im Moment war keine Zeit nachzuhaken, da sie vor dem Schott zum Krankenzimmer des Andorianers anhielten. Da das Schott zur Hälfte aus transparenten Elementen bestand sah Henrike ihren Freund und Kollegen bereits von hier draußen. An einige Medizinische Scanner angeschlossen lag er in einem weiß bezogenen Bett.

Gardner gab den Sicherheitscode für das Schott ein und die beiden Hälften glitten zischend zur Seite. Wieder ließ er der Frau den Vortritt.

Henrike Xi Manski schritt langsam zum Fußende des Bettes, in dem ihr andorianischer Freund, mit geschlossenen Augen ruhte. Seine Antennen bewegten sich im Schlaf träge in verschiedene Richtungen und der Frau wurde in diesem Moment bewusst, dass sie zum ersten Mal in ihrem Leben einen schlafenden Andorianer sah.

Nachdem es eine ganze Weile still geblieben war in dem Krankenzimmer, sagte Henrike mit leiser Stimme: „Es sieht gar nicht so schlimm aus.“

Gardner, der einen halben Schritt hinter der Frau, zu ihrer Rechten, stehengeblieben war, erwiderte ebenso leise: „Die Ärzte haben seine Abschürfungen und Blutergüsse sehr rasch behandelt. Mit neuester Technik. Gefährlicher waren die Brüche der verschiedenen Knochenplatten. Dabei hat ihr Freund das Glück gehabt, Andorianer zu sein. Ein Mensch hätte den Anprall des Gleiters vermutlich nicht überlebt. Die andorianische Statur ist jedoch, besonders was das Skelett betrifft, wesentlich robuster. Die Ärzte halten derzeit ihn in einem künstlichen Koma, um den Heilungsprozess zu beschleunigen. Er wird wieder.“

Henrike wandte sich bei diesen Worten des Commanders zu ihm um. Tränen rannen über ihre Wangen. Sie wollte etwas sagen, doch die Stimme versagte ihr.

Gardner, der ahnte, was in Henrike Xi Manski vorgehen musste, trat zu ihr heran und sagte leise: „Kommen Sie.“

Damit nahm der Schwarzhaarige sie in die Arme und Henrike klammerte sich an ihn, wie eine Ertrinkende. All das, was sie in den letzten Tagen in sich hineingefressen hatte, brach sich nun Bahn. Zuerst der Tod eines Mannes, mit dem sie geschlafen hatte. Dann das Attentat auf ihren besten Freund. Diese Ereignisse hatte ihre Spuren hinterlassen und nun musste sie irgendwo hin, mit ihren überbordenden Emotionen. Genau das schien dieser Commander Gardner instinktiv gespürt zu haben. Er war wohl etwas sensibler, als es zunächst den Anschein gehabt hatte. Sie brauchte im Moment eine Schulter zum Anlehnen und er bot sie ihr. Ohne Hintergedanken, dessen war sie sich ganz sicher.

Als sie sich beruhigte, ließ sie den Commander los und Gardner trat einen halben Schritt zurück. Ihr dabei sein Taschentuch reichend.

Henrike nahm es dankbar, wischte sich die Tränen ab und schnäuzte sich danach vernehmlich, so dass Gardner sich dazu berufen sah zu sagen: „Behalten Sie es.“

Mit einem gezwungenen Lächeln stopfte Henrike sich das Tuch in die Uniformtasche. Erst jetzt fiel ihr Blick dabei auf die drei Rang-Balken auf der rechten Schulterseite und mit leicht hochgezogenen Augenbrauen fragte sie Gardner: „Was ist denn das? Die Rangabzeichen eines Commanders? Nur weil ich mit diesem Rang entlassen wurde?“

Der Commander setzte ein entschlossenes Gesicht auf. „Nein, das gehört zu dem, worüber ich Sie in Kenntnis zu setzen habe. Bevor Sie erwachten habe ich ein längeres Gespräch mit ihrem Vorgesetzten geführt. Dezernatsleiter Kronenberg versicherte mir seine volle Kooperation. Und Ihre ebenfalls, Commander Xi Manski. Sie wurden uns von Ihrem Vorgesetzten sozusagen überstellt. Ihr Offizierspatent ist, und zwar mit sofortiger Wirkung, wieder in Kraft gesetzt.“

Es dauerte volle drei Sekunden, bis Henrike Xi Manski die Sprache wiederfand. Sie, die sonst nie um ein Wort verlegen war. „Das können Sie nicht!“

„Oh doch. Ich kann und ich habe, Commander Xi Manski. Sie werden mir bei der Aufklärung der Ereignisse, rund um die mysteriöse Auftragsvergabe von Seiten der Föderation an THARAN-INDUSTRIES, zur Seite stehen. Das sollte auch in Ihrem eigenen Interesse sein, da sich Ihr Fall und meiner überlappen. Außerdem schlafe ich ruhiger, wenn ich Sie in meiner Nähe habe. Denn irgendwie glaube ich nicht, dass Sie aufhören werden in dieser Angelegenheit herumzustochern. Wenn Sie also ohnehin ermitteln, dann lieber mit mir zusammen, haben Sie mich verstanden?“

Ein Glitzern lag in den dunklen Augen der Frau, als sie heftig entgegnete: „Aber ich wollte weg von der Sternenflotte!“

„Die Sternenflotte will Sie auch gar nicht wiederhaben“, konterte Gardner trocken. „Um aufrichtig zu sein, mein Vorgesetzter war gar nicht begeistert, als ich ihn von meiner Entscheidung in Kenntnis gesetzt habe.“

„Warum hat er es dann nicht verhindert?“

„Weil Konteradmiral Vincent Kuehn meinem Instinkt vertraut“, antwortete Gardner, ohne dass es überheblich klang. „Ich bin sicher, dass wir uns in dieser Angelegenheit positiv ergänzen werden, was unsere Fähigkeiten und Anlagen betrifft. Ich war so frei, Einblick in ihre Dienstakte zu nehmen, Commander.“

„Aber… Die sind doch für Gewöhnlich verschlossen, wenn man den Dienst quittiert hat.“, gab die Frau fassungslos zurück und stemmte ihre Fäuste in die Hüften.

„Sicherheitsüberprüfung bei Wiederindienstnahme“, beschied ihr der Schwarzhaarige mit entschuldigender Miene. „Sie haben doch nicht ernsthaft erwartet, dass ich mit ihnen zusammenarbeite, ohne zu wissen, worauf ich mich dabei einlasse?“

„Misstrauischer Haufen“, knurrte die Frau, ohne jedoch ernsthaft böse zu sein. Im Grunde freute sie sich, dass sie den Fall nun ganz offiziell weiter verfolgen durfte. Nur Taner hätte sie zu gerne mit dabei gehabt.

Auf eine entsprechende Frage der Frau gab Gardner Auskunft, dass Taner, sollten die Ermittlungen seinerseits länger andauern, als gedacht, als ziviler Sonderermittler des Sicherheitsdienstes daran teilnehmen würde. Das stellte Henrike Xi Manski zufrieden.

„Kommen Sie, Commander Xi Manski. Lassen wir Ihrem Freund seine Ruhe. Vorerst können wir nichts weiter für ihn tun.“

Commander Jeffrey Gardner grinste unmerklich, bevor er hinzufügte: „Außerdem wundern sich die Leute, dass wir immer noch hier herumstehen.“

Befremdet sah die Frau den Commander an. „Von welchen Leuten reden Sie da?“

„Von den Lesern dieser Geschichte.“

Der Schwarzhaarige nickte bedeutungsvoll, bis das verblüffte Gesicht der Frau ihn zum Lachen reizte. Schnell erklärte er: „Entschuldigen Sie den kleinen Scherz, aber ich lese gerade ein Buch von Edgar Allan Poe. Im Vorwort äußert er die Vermutung, das Leben könnte vielleicht nur ein Traum sein – innerhalb eines Traumes. Wenn er damit Recht gehabt haben sollte, so wäre es doch denkbar, dass wir nur Charaktere in einer Geschichte sind, die sich irgendein abgedrehter Hobby-Autor ausgedacht hat. Was halten Sie von dieser Idee?“

Henrike Xi Manski legte wie zufällig ihren rechten Zeigefinger gegen ihre Schläfe und meinte kopfschüttelnd: „Das wäre wirklich zu verrückt, oder Commander?“

Gardner nickte zustimmend. „Zweifellos. Kommen Sie.“

Sie verließen das Krankenzimmer. Draußen auf dem Gang fragte Henrike, nun wieder vollkommen ernst: „Wo werde ich wohnen, solange ich unter Ihrer Sternenflotten-Fuchtel stehe, Commander Gardner?“

„An meiner Seite“, verbesserte der Mann in nachsichtigem Tonfall. „Sehen Sie, das ist der positive Aspekt dieses Arrangements mit der Sternenflotte. Sie bekommen ein großzügig dimensioniertes Appartement. Hier in Presidio. Mit einem tollen Ausblick auf die Bucht von San Francisco. Wir werden quasi so etwas wie Nachbarn. Was sagen Sie dazu?“

Henrike grinste schief. „Ich bin ganz weg.“

Gardner runzelte die Stirn und die Frau gab sich einen Ruck. „Ich danke Ihnen, dass Sie sich für mich eingesetzt haben und an mich glauben, Commander Gardner.“

„Geht doch“, murmelte der Sicherheitsoffizier leise, aber mit Betonung. Als sie die Turbolifts erreichten, von denen sie einer zur Haupthalle des Krankenhauses bringen würde, meinte er, etwas lauter und mit verändertem Tonfall: „Commander, natürlich steht es mir, als dem Jüngeren, nicht zu das vorzuschlagen, doch es wäre mir lieb, wenn wir uns nicht ganz so förmlich anreden würden. Vielleicht kommt das Ihrer eigenen Art ja etwas entgegen.“

Henrike Xi Manski warf Gardner einen dankbaren Blick zu. „Vielen Dank. Das käme mir sogar sehr entgegen, Mister…“

„Nennen Sie mich bitte Jeffrey.“

Henrike nickte zustimmend und reichte dem Mann spontan die Hand. „Gerne, Jeffrey. Für Sie dann also Henrike.“

Während sie zum Erdgeschoss hinunter fuhren, fragte die Frau: „Sie selbst stammen hier aus der Gegend, Jeff?“

„Bitte nicht Jeff, Henrike. So wurde ich mal von jemand Anderem genannt.“

Henrike bemerkte den leicht melancholischen Ausdruck in den Augen des Mannes und sie hütete sich, weiter zu bohren, wer es gewesen war. Sie tippte auf einen Menschen, der Gardner sehr viel bedeutet hatte. „In Ordnung.“

Sie verließen das Krankenhaus über eine breite Freitreppe und nach einigen Schritten blieb Henrike stehen und genoss für einen Moment den Ausblick auf die Bucht, deren Wahrzeichen auch heute noch die Golden-Gate-Bridge war. Dann erinnerte sie sich wieder an ihre Frage und sie sah Jeffrey Gardner auffordernd an.

Der Mann lächelte verlegen und sagte: „Ich wollte Ihnen die Antwort auf Ihre Frage nicht schuldig bleiben. Nein, ich bin kein gebürtiger Amerikaner, sondern Brite. Mein Vater hätte es noch mehr eingegrenzt und gesagt: Engländer.“

„Zwei Europäer in Amerika“, sinnierte die Frau. Was halten Sie davon?“

„Noch mehr halte ich von: Zwei Bürger der Föderation auf der Erde.“

„Ja, das klingt sehr gut.“ Wieder in die Ferne blickend fragte die Frau gedehnt: „Was werden wir also zuerst machen, Jeffrey?“

Die Augen, wegen der bereits tiefstehenden Sonne mit der Hand abschirmend entgegnete Jeffrey Gardner auf diese sprunghaft gestellte Frage: „Heute gar nichts mehr. Ich bringe Sie mit meinem Dienstgleiter zu Ihrem Appartement und danach fliege ich nach Hause. Sie und ich brauchen etwas Ruhe. Ab morgen werden wir dann voll einsteigen.“

Mit grimmiger Miene stimmte Henrike zu: „Diese Verbrecher werden sich bald wünschen, sie hätten sich nie mit mir angelegt.“

„Vermutlich“, stimmte Gardner mit schwer zu deutendem Tonfall zu, während sie nebeneinander zu seinem Dienstgleiter schritten. „Aber das wird keine persönliche Vendetta, haben Sie gehört? Im Krieg habe ich Kollegen verloren, die nicht der letzte Einsatz getötet hat, sondern der vorletzte Einsatz. Wir werden uns dabei schon diese Verbrecher schnappen, die Ihnen und Ihrem Freund an den Kragen wollen. Doch da ist noch etwas Anderes im Spiel. Das spüre ich in jedem Knochen. Etwas viel Größeres, als ein Wirtschaftsbetrug oder ein zwölffacher Mord, ein anschließender Einzelmord und ein doppelter Mordversuch. Nein, da ist etwas ganz Großes im Gange.“

„Was haben Sie an gesicherten Fakten?“

Gardner deutete auf seinen Gleiter, als sie ihn erreicht hatten. Dabei schüttelte er den Kopf. „Nur sehr wenig. Aber was uns fehlt, das werden wir in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten schon herausfinden.“

„Monaten?“, echote Henrike erschrocken. „So lange wollte ich diese Uniform eigentlich nicht tragen.“

„Seien Sie froh, dass ich nicht Jahre gesagt habe“, erwiderte Gardner ungerührt. Mit einem Schuljungen-Grinsen gab er per Stimmenkommando den Befehl, dass sich die Gleitertüren öffnen sollten.

Nachdem sie eingestiegen waren und sich die Türen automatisch schlossen fragte Henrike: „Sagen Sie mal, Jeffrey, rauchen Sie?“

Das strafende Gesicht des Mannes sagte Henrike alles, noch bevor er sagte: „Nein, und damit Sie gleich Bescheid wissen: Hier, in meinem Gleiter…“

„Ja, schon gut! Sie haben bestimmt andorianische Vorfahren und Sie mögen kein Gemache, kein Getue und kein Rauchen, stimmt´s?“

„Bis auf die andorianischen Vorfahren korrekt. Gibt es dazu eine Geschichte?“

Henrike, die sich an Taners Worte erinnerte, als sie vor einigen Tagen ihren letzten Zigarillo geraucht hatte, nickte lebhaft. „Aber Hallo! Doch die erfahren Sie heute Abend nicht mehr. Vielleicht morgen.“

„Okay.“

Gardner startete den Antrieb des Gleiters und ließ ihn rasch auf Höhe steigen. Es dauerte keine zwei Minuten, bis die Maschine bereits wieder zur Landung ansetzte. Als sie gelandet waren, meinte die Frau: „Gut, dass das Krankenhaus nicht so weit weg ist. Dann bin ich nach Dienstschluss rasch da.“

„Welcher Dienstschluss?“, wunderte sich Gardner augenzwinkernd. „Sie sind nicht mehr Erster Offizier auf einem Kreuzer, sondern bei der Sternenflotten-Sicherheit. Werfen Sie mal einen Blick auf die roten Schulterbesätze. Bei der Sicherheit hört der Dienst nie auf. Da heißt es schuften, schuften und mehr schuften.“

„Wenn das der typisch britische Humor ist, dann verzichte ich.“

Gardner schmunzelte und setzte den Gleiter am Rande eines kleinen Parks auf. „Daran werden Sie sich gewöhnen, Henrike.“

Der Mann stieg mit der Frau aus und brachte sie bis direkt vor das Schott ihres Appartements. „Da wären wir. Die Verriegelungsmechanik des Schotts besitzt einen zusätzlichen Handscanner, der bereits auf ihren rechten Handabdruck geeicht ist. Das Schott öffnet sich nur zusammen mit ihm – ein einfaches Stimmenkommando reicht nicht. Sie können sich also ganz sicher fühlen.“

Henrike Xi Manski nahm die Hand, die er ihr zum Abschied reichte. Zur Überraschung des Mannes legte sie jedoch ihre andere Hand auf seine Schulter und gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange. „Danke. Für Alles, Jeffrey.“

„Keine Ursache“, wehrte der Mann ruhig ab. „Ich werde Sie morgen Früh um Punkt acht Uhr abholen. Gemeinsam fliegen wir dann zum Hauptquartier der Sicherheit und in einer ersten Lagebesprechung werde ich Sie dort mit allen Fakten vertraut machen, die meine Untergebenen und ich im letzten Jahr zusammengetragen haben.“

Henrike legte ihre Rechte auf den Handscanner und gab das Stimmenkommando zum Öffnen des Schotts. Das System funktionierte. „Also, bis morgen Früh. Gute Nacht, Jeffrey.“

„Gute Nacht, Henrike. Ihr Freund ist bei den Ärzten in den besten Händen und meine Leute stehen Tag und Nacht Wache.“

Damit wandte sich Gardner ab und ging.

Mit etwas gemischten Gefühlen sah ihm Henrike nach, bevor sie ihr Appartement betrat. Schnell stellte sie fest, dass Gardner nicht übertrieben hatte. Es war großzügig dimensioniert und aus dem Panoramafenster des Wohnraumes, aus Panzer-Duralum, hatte man einen fantastischen Ausblick auf die Bucht von San Francisco.

Für einen Moment stand sie am Fenster und sah auf die Landschaft, bevor sie sich abwandte um sich zur Ruhe zu begeben. Dabei spürte sie die Anstrengungen der letzten Tage.

Morgen… dachte sie. Morgen wird für mich und Jeffrey die Jagd beginnen.

Epilog

In dem Moment, als Henrike Xi Manski an die bevorstehende Jagd dachte, startete auf der Azoreninsel Faial unbemerkt ein Shuttle, das entfernt an einen Raubvogel erinnerte. Gegenwärtig war es getarnt. Das entsprechende Schott durch welches das Shuttle aufstieg war durch holografische Emitter perfekt gegen eine optische Entdeckung geschützt. Einem zufälligen Beobachter wäre also rein gar nichts aufgefallen.

Rasch stieg das Shuttle auf. Dabei dachte T´Viran, die am Steuer des Shuttles saß, daran, dass der geringe Energieausstoß fast vollkommen durch das Tarnfeld absorbiert wurde. Also war auch eine energetische Ortung so gut wie ausgeschlossen. Doch selbst wenn man ihr Shuttle geortet hätte, so wäre es zu schnell gewesen, um es zu verfolgen.

Als das Kleinstraumschiff die oberen Schichten der irdischen Atmosphäre durchstieß richteten sich die Gedanken der Halbvulkanierin auf das, was vor ihr lag. Sie musste für etwa zwei Wochen die Erde verlassen, um dem Chef ihrer Organisation Rede und Antwort zu stehen. Der Kodex ihrer Organisation ließ nicht zu, das über ein abgeschirmtes Subraumnetz zu tun. Sie hatte einen Fehler gemacht und nun war die Zeit da, um dafür geradezustehen.

Niemand im Romulanischen Sternenimperium hätte es gewagt, dem Mann an der Spitze von TRIPLE-STAR den Respekt zu verweigern, der ihm zukam. Denn Tal´Shiar stand, im Rang eines Khrein, an der Spitze einer weiteren Organisation. Erst vor wenigen Jahren waren in ihr die beiden, bis dahin völlig getrennt operierenden, romulanischen Geheimdienste vereint worden. Damit war die Macht von Tal´Shiar größer geworden, als die des Praetors selbst, munkelte man im Senat. Momentan besaß diese neue und schier übermächtige Organisation noch keinen endgültigen Namen und man munkelte, dass es Khrein Tal´Shiar selbst war, der gegenwärtig eine Namensgebung verhinderte.

Tal´Shiar selbst galt beinahe als eine Art Mythos, denn kein lebender Romulaner kannte sein Gesicht. Es hieß, es wäre im Krieg mit den Menschen entstellt worden. Deshalb trug Tal´Shiar eine Gesichtsmaske, die er in der Öffentlichkeit nie ablegte. Niemand stellte dieses Gehabe infrage. Jene, die es versucht hatten, waren spurlos verschwunden.

Der rasante Aufstieg von Tal´Shiar hatte jedoch erst mit Ende des Krieges begonnen. Vorher war er so gut wie nicht in Erscheinung getreten und kein lebender Romulaner konnte sagen, wer er vor dem Irdisch-Romulanischen Krieg gewesen war, oder als was er in der Flotte fungierte. Noch warum er eine Organisation, wie TRIPLE-STAR, gegründet hatte.

Nach fünf Tagen erreichte das Shuttle, dass im Dauerbetrieb bis zu Warp-8,4 erreichen konnte, das 128-Trianguli-System, dessen gelber Hauptreihenstern von lediglich vier Planeten umlaufen wurden. Während der erste Planet, eine heiße, kleine Welt vom Merkur-Typ, bei ihrem Anflug auf Romulus auf der anderen Seite des Fixsterns stand, blieb der äußere, vierte Planet, ein Gasriese von hellblauer Färbung, weit rechts hinter dem Shuttle zurück, nachdem es unter Warp gefallen war.

T´Viran steuerte das Shuttle nicht nach Romulus, dem zweiten Planeten des Systems, sondern sie setzte einen Kurs nach Remus. Dort lag das geheime Hauptquartier der Organisation TRIPLE-STAR und niemand auf Romulus ahnte etwas davon. Deshalb flog das Shuttle auch weiterhin im Tarnmodus. Auf Remus gab es einen ähnlichen Hangar, wie den auf Faial, aus dem sie das Shuttle gestartet hatte.

Nachdem sie sich der Basis weit genug genähert hatte, strahlte sie das eng gebündelte Codesignal ab. Mit geringster Sendestärke. Selbst auf Remus würde man dieses Signal nur in einem Radius von etwa eintausend Metern empfangen können.

Es vergingen einige Sekunden, bis die Bestätigung einlief und eine Codegruppe ihr zu verstehen gab, dass sie Einflugerlaubnis für den Geheimhangar hatte. Mit einer gewissen Anspannung schaltete die Frau auf Autopilot und tippte zusätzlich die Codegruppe ein.

Ohne ihr Dazutun senkte sich das Shuttle der schroff zerklüfteten, dunklen Oberfläche der Sonnen abgewandten Seite von Remus entgegen. Die großen Dilithium-Minen lagen deutlich weiter in Richtung Zwielichtzone. Da Remus eine gebundene Rotation aufwies lag dieser Teil des Planeten permanent im Dunkel einer ewigen Nacht.

Scheinbar direkt auf die Felsoberfläche zu fallend, durchstieß das Shuttle schließlich das Holofeld und senkte sich in einen beeindruckend großen, unterirdischen Hangar.

Gleichzeitig erleichtert und mit einem unguten Gefühl behaftet deaktivierte T´Viran die Systeme ihres Shuttles und es wurde nun auch wieder optisch sichtbar.

Nachdem T´Viran das Shuttle verlassen hatte durchschritt sie eilig den Hangar, in Richtung des einsam da stehenden Offiziers, der sie offenkundig erwartete. Ein hagerer Mann im Rang eines Aendeh. Er grüßte respektvoll und bedeutete ihr, ihm zu folgen.

Ein schneller Blick zu seinen Händen genügte T´Viran um festzustellen, dass auch er den Ring von TRIPLE-STAR trug. T´Viran war klar, wie hilflos sie ohne den Aendeh gewesen wäre. Sie hatte sich hier nur einmal für einen halben Tag aufgehalten und sie hätte sich in dem Labyrinth von grünlich schimmernden, nur mäßig beleuchteten Gängen zweifellos verlaufen, wäre sie allein gewesen. Das gleichmäßige Echo ihrer Schritte, auf dem metallenen Bodenbelag besaß beinahe etwas Gespenstisches.

Es dauerte nicht lange, bis sie ihr Ziel erreicht hatten. Vor einem breiten Panzerschott hielt der Aendeh an, trat zwei Schritt zur Seite und gab einen Kommando-Code ein, der die Sperre für das Schott deaktivierte. Geräuschvoll glitten die beiden, mindestens 25 Zentimeter dicken, Schotthälften auseinander.

T´Viran sammelte sich innerlich und trat ein um dem Chef von TRIPLE-STAR Bericht zu erstatten und ihm ihr Versagen, in Bezug auf die Beseitigung der beiden Kriminalermittler, einzugestehen.

Der große Raum beinhaltete, neben einem gewaltigen Schreibtisch mit zugehörigen Sessel, nur einige Statuen die entlang der Wände standen. Dazu zwei breite, gegenüber liegende Regale mit alten, noch auf Kunstpapier gedruckten, Schriften in Buchform. Besondere Kostbarkeiten zweifellos. Einige riesige Gemälde mit Szenen aus dem Irdisch-Romulanischen Krieg, die zwangsläufig jüngeren Datums sein mussten, aber ebenso alt wirkten wie die Bücher, rundeten das Bild ab.

Eine breitschultrige, hochgewachsene Erscheinung stand vor dem großen, kreisrunden Fiktivfenster, auf der gegenüberliegenden Seite des Panzerschotts. Es gaukelte den Anwesenden vor direkt auf die Oberfläche von Romulus zu blicken.

Sofort identifizierte T´Viran die Uniform des Unbekannten. Es handelte sich um die gleiche, die auch sie selbst trug. Die Hände hatte er auf den Rücken gelegt.

Während sich T´Viran der Gestalt näherte bemerkte sie, dass sein Gesicht auch jetzt von der Maske bedeckt war, die sein Gesicht vollkommen verbarg. Sie verlieh ihm etwas Roboterhaftes. Und dennoch spürte sie, dass er Romulaner war. Irgendetwas an seiner Haltung schien ihr vertraut. Obwohl sie Khrein Tal´Shiar bisher nie persönlich begegnet war. Drei Schritt vor dem wuchtigen Schreibtisch blieb die Halbvulkanierin stehen. Hoch aufgerichtet und dazu bereit, die Konsequenzen ihrer Handlungen zu tragen.

Der Chef von TRIPLE-STAR wartete nicht darauf, dass die Frau das Wort ergriff, sondern seine dunkle Stimme donnerte, kaum dass sie stehengeblieben war: „Habe ich dich gelehrt, deine Aufgabe schlampig zu erfüllen, T´Viran!“

„Khrein?“

„Du hast mich verstanden!“

Mit diesen harschen Worten verließ der Mann hinter dem Schreibtisch seinen Platz und umrundete den Tisch. Mit langsamen, beinahe bedacht wirkenden Schritten. Jedoch wirkte die Gestalt deswegen weder unsicher noch weniger imposant, als bisher.

T´Viran beobachtete, wie der Mann zur Maske griff und wieder schien ihr sein Bewegungsablauf seltsam vertraut zu sein. Was passierte hier?

Der Mann, zweifellos handelte es sich um einen männlichen Romulaner, nahm die Maske ab und legte sie auf den Schreibtisch. Er trat näher zu der Frau, die in diesem Moment wusste, warum ihr seine Haltung eben vertraut vorgekommen war. Zu ihrer maßlosen Überraschung wies sein Gesicht keinerlei Entstellung auf.

„Ich frage dich erneut, T´Viran! Habe ich dich gelehrt schlampig zu arbeiten?“

T´Virans Augen weiteten sich ungläubig und auch nach einer ganzen Weile bestand alles, was sie erwidern konnte, aus nur einem einzigen Wort.

„Du…?“
 

ENDE
 



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