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Soul-Crushing Crimson

von

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Der Seelenzerstörer


 

Vor langer Zeit, in einem Land, so ähnlich wie diesem, herrschte Krieg. Jahrein, jahraus bekämpften einfallende Truppen die Bevölkerung, die sich stets bemühte, die Verluste gering zu halten und ihren Grund und Boden nicht zu verlieren.

Doch der Druck der Invasoren wurde immer unerbittlicher.

In ihrer Not wandten sie sich an ihren König, der nicht minder verzweifelt war. Seine Soldaten fielen schneller als sie eingelernt werden konnten, die feindlichen Truppen näherten sich immer mehr der Hauptstadt. Ginge es so weiter, bliebe bald nichts mehr von seiner harten Arbeit übrig.

Gemeinsam mit den Einwohnern des Landes betete er für einen Helden, der sie aus dieser Situation befreite, doch keiner kam. Kein Gott sandte ihnen die Hilfe, die sie so dringend benötigten.

Derart in die Ecke gedrängt und verzweifelt, suchte der König nach einer anderen Möglichkeit. So erfuhr er von einem mächtigen Zauber, der jegliches Lebewesen zerstören konnte, und sich im Besitz eines Eremiten innerhalb seines Landes befand. Er schickte Boten aus, um diesen Einsiedler zu finden.

Es dauerte nicht lange, bis einer von ihnen erfolgreich war und ihn in einem kleinen verlassenen Tempel in den Bergen fand. Dort ernährte er sich von den Opfergaben der Gottesanhänger, die wöchentlich hinterlassen wurden.

Ein Bote brachte die Bitte des Königs vor. Der Mann lehnte jedoch jegliche Hilfe ab und gab vor, nicht zu wissen, wovon gesprochen wurde. Auch von den Einwohnern eines nahen Dorfes wurde er lediglich als kauziger Sonderling betrachtet, der im Tempel geduldet wurde.

Doch der Abgesandte beschloss, nicht aufzugeben. So suchte er den Eremiten ein zweites Mal auf, diesmal mit Geschenken, und bat ihn erneut um Hilfe. Doch wieder wurde er enttäuscht: Der Mann gab ihm zu verstehen, dass die Magie, nach der er suchte, zu gefährlich in der Hand der Menschen sei; der König solle sich lieber seinem Feind ergeben, wenn er ihn derart fürchte.

Diese Aussage entmutigte den Botschafter, der selbst in diesem entlegenen Dorf nachts die Donnerschläge der Kanonen hören konnte. Der Krieg rückte selbst diesem Ort immer näher.

Bevor er aufgeben und heimkehren wollte, besuchte der Bote den Eremiten ein drittes Mal. Der Einsiedler erwartete ihn auf einer umgestürzten Säule sitzend, den Mund zu einem Grinsen verzogen, so dass die Lücken zwischen seinen Zähnen sichtbar wurde. Aber noch immer machte er keinerlei Anstalten, dem Reich zur Hilfe zu eilen.

Nachdem der Abgesandte noch einmal um Hilfe gebeten hatte, lachte der Mann, ehe er mit ernster Stimme sprach: »Sage deinem König, dass er mit Aristeas in Redwater sprechen soll. Dann bekommt er, was er sich wünscht.«

Von diesen Worten mit neuer Zuversicht erfüllt, eilte der Bote in jene Stadt, um Aristeas aufzusuchen. Dieser wurde von seinen Mitmenschen als Alchemist bezeichnet und auch als solcher gefürchtet. Doch er empfing den Botschafter freundlich, als hätte er ihn bereits erwartet. Schon nach einem kurzen Gespräch führte er seinen Gast in seine Arbeitsstätte, wo er ihm den Homunkulus präsentierte; ein künstlicher geschaffener Mensch, der als Gefäß für den mächtigen Zauber dienen sollte.

Aristeas erklärte sich bereit, den König in seinem Kampf zu unterstützen, indem er sich gemeinsam mit dem Homunkulus seiner Armee anschlösse. Doch warnte er noch einmal eindringlich vor den Gefahren, die mit der Nutzung dieses Zaubers einhergingen.

Noch immer dem Druck der Invasoren ausgesetzt, blieb dem König aber trotz der Hinweise nichts anderes übrig, als den Homunkulus in der nächsten Schlacht einzusetzen.

Das Wesen, ausgestattet mit dem Körper eines Kriegers, betrat das Kampffeld. Sofort war es allen Anwesenden, als stünde ein Gewitter unmittelbar bevor. Sämtliche Augen richteten sich auf ihn, während er durch die erstarrten Kämpfer schritt.

In der Mitte angekommen, wo sich die Truppen zuerst getroffen hatten, und wo nun die meisten Leichen lagen, hielt der Zerstörer wieder inne. Die in der Luft vibrierende Spannung raubte allen Anwesenden fast den Atem.

Dann hob der Homunkulus seinen Arm. Von seiner Hand ging ein helles Licht aus, das wie eine Sense über das Schlachtfeld hinwegfegte. Seine Verbündeten kniffen geblendet die Augen zusammen und hielten schützend ihre Arme vor ihr Gesicht. Schreie echoten zwischen ihnen, sie konnten nur hoffen, dass es nicht ihre Kumpanen waren, die ihre Leben ließen.

Schließlich erlosch das Licht wieder. Zögerlich öffneten die Soldaten ihre Augen wieder – und sahen sich mit einem überraschenden Anblick konfrontiert. Ihre Verbündeten standen allesamt noch aufrecht und waren im selben Grad überrascht wie auch erfreut. Die Freude steigerte sich, als sie die leblosen feindlichen Soldaten auf dem Boden entdeckte. Nicht jeder von ihnen war mit einer tödlichen Wunde versehen, manche sogar mit gar keiner. Der Homunkulus musste die Seelen selbst zerstört haben, ohne die Körper auch nur anzukratzen.

Jegliche Aufmerksamkeit widmete sich wieder ihm, der ruhig inmitten der Leichen stand und die Hand langsam senkte. Für einen Moment herrschte angespanntes Schweigen – dann zerrissen Jubelschreie die eingetretene Stille und die Menschen feierten ihren Sieg über die Eindringlinge, den sie nur dem Homunkulus verdankten.

Es folgten weitere Schlachten gegen die Invasoren, die dank ihm siegreich für die Menschen dieses Landes verliefen. Dabei verlor er kein Wort und seine Miene änderte sich kein einziges Mal, auch nahm er nie an den Siegesfeiern teil. Stattdessen wurde beobachtet, wie Aristeas ihn nach jeder Schlacht in eine kleine fensterlose Kammer führte, aus der er nur entlassen wurde, wenn ein neuer Kampf anstand. Was er darin tut, was er denkt oder was er gar fühlt, blieb für jeden unergründlich, selbst für den König, der dem Homunkulus aus Dankbarkeit den Namen Kazic verlieh.

Es heißt, er sitzt heute noch in der Kammer, in der vollkommenen Dunkelheit, in der nicht einmal seine eigenen Gedanken ihm Gesellschaft leisten. Wartend auf den Moment, in dem sich die Tür öffnet, ein Lichtstrahl den finsteren Vorhang zerreißt und eine neue Schlacht ankündigt.

 

Prolog.jpg
 

Dunkelheit und Licht


 

Es heißt, einen Menschen tagelang in einen dunklen Raum zu sperren, erzeuge bei diesem lebhafte Wahnvorstellungen. Hätte Kazic davon gewusst, wäre es ihm möglich gewesen, das auf die Vorstellungskraft der Menschen zu schieben. Ihm lag etwas Derartiges fern, deswegen sah er nur vollkommene Schwärze. Es war egal, ob er die Augen öffnete oder schloss, immer war er umgeben von Dunkelheit, in der sich absolut nichts regte, nicht einmal Dämonen. Keinerlei Geräusch zerbrach die Stille, die lediglich ein leises Rauschen in seinen Ohren zurückließ.

Ihn störte das alles nicht. Er wusste nicht, was Beschäftigung war, wofür sie diente, weswegen er sich darum Gedanken machen sollte. Zeit war ein Konstrukt, das ihm unsinnig erschien, er alterte nicht, warum also um etwas sorgen, das ihn nicht interessieren musste? Langeweile war ihm unbekannt, denn wer sich nicht um dieses Konstrukt kümmerte, den konnte es auch nicht stören, wenn es nichts zu tun gab.

Er starrte auf die Tür, die er in der Finsternis kaum ausmachen konnte. Nach all der Zeit hatten seine Augen sich zwar daran gewöhnt, doch noch immer gelang es ihm nicht, sie wirklich zu erkennen. Fast als wäre auch sie ein Konzept, das für Freiheit stand und ihm vollkommen unbekannt war, so dass er sich nicht einmal etwas darunter vorstellen konnte.

Wie gut, dass er nicht zum Philosophieren neigte und seine Zeit nur mit einem leeren Gehirn verbrachte.

Plötzlich wurde die vorherrschende Stille in seiner Zelle unterbrochen. Ein leises Knirschen erklang, dann öffnete sich quietschend die Tür. Ein Lichtstrahl zerschnitt die Dunkelheit und ließ die entstehenden Schatten dunkler als schwarz erscheinen.

Kazic kniff die Augen zusammen, während sie sich an die neuen Verhältnisse gewöhnten. Der undeutliche Umriss einer Person stand mitten in diesem hellen Schein. Erst als der Besucher seine Stimme erhob und ihn ansprach, erkannte Kazic ihn als Aristeas.

»Es wird wieder Zeit für dich«, sagte sein Meister. »Ein neuer Krieg steht bevor.«

Ein neuer Krieg? Was war mit dem alten geschehen?

Diese Fragen verflüchtigten sich fast sofort wieder, sie waren unwichtig. Jedenfalls im Moment.

Er stand auf. Nach einer derart langen Zeit, in der er sich nicht bewegt hatte, wäre ein normaler Mensch nicht mehr in der Lage gewesen, seine Gliedmaßen derart koordiniert zu gebrauchen, aber für ihn war es keinerlei Problem. So ging er mit wenigen Schritten auf Aristeas zu.

An seinem Meister hatte, im Gegensatz zu ihm, der Zahn der Zeit genagt. Das ehemals dunkelgraue und sorgsam gestutzte Haar war nun weiß und schwebte wie eine eigenartige Wolke um seinen Schädel, der Kazic schon immer etwas zu groß vorgekommen war. Auch seine Augen wirkten eingefallen und dunkler als früher, genau wie die Schatten darunter.

Er musterte Kazic von oben bis unten, dann nickte er schließlich zufrieden. »Du bist wirklich ein gelungener Homunkulus.«

»Wenn Ihr das sagt.« Seine eigene Stimme klang kratzig, aber er war auch nicht dafür geschaffen worden, zu sprechen. Vielleicht wäre es sogar besser gewesen, ihm diese Fähigkeit gar nicht zu geben, dann hätte er sich auf andere Dinge konzentrieren können.

Aristeas ging den Gang hinunter, Kazic folgte ihm ohne jeden weiteren Befehl. Dabei entdeckte er, dass neue Banner an den Wänden. Die einst stolzen roten Löwen waren von anmutigen blauen Vögeln verdrängt worden.

»Seit du das letzte Mal schlafen gegangen bist, vor über dreißig Jahren, haben sich viele Dinge verändert«, erklärte Aristeas, in seiner Stimme schwang Wehmut mit. »Wir arbeiten jetzt für ein anderes Königreich. Aber das ändert nichts an deiner Aufgabe, du musst nur deine Macht einsetzen, um die Gegner zu besiegen.«

Das war derart einfach, dass ihm selbst nach all diesen Jahren noch gelingen sollte.

Sie hielten an einem Raum inne, der sich als eine Art Waffenkammer entpuppte. Kazic konnte nur einen kurzen Blick hineinwerfen, aber es genügte ihm, um zu erkennen, dass hier besondere Waffen ausgestellt wurden. Sie waren nicht nur in Regalen verwahrt, sondern thronten auf Vorrichtungen, die es einem möglich machten, sie ausgiebig zu bewundern, oder lehnten an der Wand, falls es sich um Stangenwaffen handelte. Ein Diener, der vermutlich für die Pflege all dieser wertvollen Gegenstände verantwortlich war, nahm behutsam eines der Schwerter von seinem Sockel herunter. Kazic erkannte es als seines wieder – normalerweise benötigte er keines, denn seine Feinde starben bereits nach Einsatz seiner Fähigkeit, aber dennoch trug er immer eines mit sich, wenn er aufs Schlachtfeld ging.

Vor Kazic ging der Diener in die Knie und bot ihm das Schwert wortlos dar. Er fragte sich, ob der Kampf auch für diese Leute ernst war oder ob sie sich bereits siegreich wähnten; jedenfalls war an diesem Mann keinerlei Nervosität feststellbar.

Er nahm das Schwert wieder an sich und befestigte es an seinem Gürtel, wo es auch hingehörte. Damit fühlte er sich bereit für die Schlacht, was er Aristeas auch sofort mitteilte. Sein Meister wirkte darüber erleichtert. »Dann bringe ich dich zum Kampf.«

Doch statt das umzusetzen, blieb er weiterhin stehen und sah Kazic einfach nur an. Der Diener kümmerte sich derweil nicht weiter um sie und widmete sich wieder seinen eigenen Aufgaben.

Schließlich seufzte Aristeas. »In Ordnung, wir sollten los. Ich zähle auf dich, Kazic.«

Der Angesprochene nickte. Für ihn bestand kein Zweifel, dass er auch diesen Kampf gewinnen würde. Aber da wusste er noch nicht, mit welchem Feind er es an diesem Tag zu tun bekäme.

 

Das Schlachtfeld war ihm vertraut. Schon als er den ersten Schritt zwischen die verbündeten Soldaten tat, spürte er eine Verbundenheit zu diesem Ort, die dem Gefühl von Heimat, so wie es ihm erzählt worden war, nahekommen musste. Das Geräusch aufeinanderprallenden Metalls, die Schreie der Kämpfenden, der schwere Kupfergeruch des vergossenen Blutes, all das weckte fast schon Sentimentalität in ihm. Selbst die angespannte Atmosphäre war ihm ein vertrautes und willkommenes Gefühl.

Aber da war noch etwas anderes, das ihm absolut unbekannt war: Es kam ihm vor als rufe etwas nach ihm. Der Ruf war derart mächtig, dass er sogar ein Ziehen in seinem Oberkörper verspürte, das ihn in die passende Richtung führen wollte, und mit jedem Schritt wurde es stärker.

Die Soldaten sowohl verbündet als verfeindet, an denen er vorüberkam, hielten geradezu ehrfürchtig in ihren Kampfhandlungen inne. Sie alle starrten ihn an. Spürten sie seine eigene Kraft oder wussten sie von diesem Ruf, dessen Quelle er sich immer weiter näherte?

Nur unter Aufwendung großer Willenskraft gelang es ihm schließlich, stehenzubleiben, um nicht zu tief in das Gebiet des Feindes zu geraten. Dessen Truppen hatten sich zu einer eindrucksvollen Defensive versammelt, die Kazic erklärte, weswegen er hierfür geweckt worden war: Obwohl zwischen seinen eigenen Truppen bereits fast hundert Soldaten gefallen oder noch in Kämpfe verstrickt waren, blickte er von seiner Position aus auf mindestens noch einmal das Zehnfache. Die Situation war hoffnungslos für seine Verbündeten. Deren Zahl kannte er zwar nicht, aber sie waren deutlich weniger und nicht sehr kampferfahren, wie er schon an der Art erkannte, wie sie ihre Waffen hielten.

Sein Blick richtete sich wieder auf die Feinde. Der Ruf kam eindeutig irgendwo von dort, aber zwischen all den Soldaten konnte er den genauen Ursprung nicht ausmachen. Er musste diese Störenfriede also erst einmal aus dem Weg räumen.

Ohne weiter darüber nachzudenken, hob er seine Hand und aktivierte die Fähigkeit in seinem Inneren. Hitze strömte aus seinem Brustkorb durch seinen ganzen Körper, erfüllte jeden noch so kleinen Raum in ihm. Aber er fürchtete sich nicht, denn er kannte dieses Gefühl, er lebte dafür – und er wollte es auch niemals aufgeben.

Die Energie verließ als gleißendes Licht, heller als jeder Stern, seinen Körper. Die Soldaten stießen allesamt einen erschrockenen Ruf aus, während sie ihre Augen bedeckten. Kazic dagegen sah direkt in das Strahlen hinein. Trotz der Helligkeit, die einen starken Kontrast zur Dunkelheit seines Gefängnisses bildete, schmerzte es ihn nicht, er genoss es vielmehr.

Selbst als das Licht endlich wieder erlosch, blieb ein Abbild davon auf seiner Netzhaut zurück. Er blinzelte mehrmals, um diesen Schimmer wieder loszuwerden. Als er endlich wieder richtig sehen konnte, stellte er zufrieden fest, dass die angreifenden Soldaten reglos auf dem Boden lagen. Nur in der Entfernung standen noch einige von ihnen, was ihn aber nicht weiter kümmerte; vielleicht reichte die Macht einfach nicht derart weit, doch das könnte er noch später herausfinden oder bei einer anderen Schlacht – die Erfahrung zeigte ihm, dass der feindliche General hiernach meist seine Truppen zurückzog.

Seine Verbündeten brachen bereits in Jubelstürme aus. Die angespannte Atmosphäre ließ sofort nach – anders als der Ruf, der nun stärker als noch zuvor an seinem Inneren zog, weiter über das Schlachtfeld, in das fremde Terrain hinein.

Er ließ den Blick in jene Richtung wandern. Dort entdeckte er nicht nur besonders große, stark aussehende Ritter in eindrucksvollen Rüstungen, sondern auch Personen, die genau wie er keine Ausrüstung für den Kampf trugen. Und eine der beiden versuchte gerade, die andere davon abzuhalten, loszurennen.

Obwohl er sie nur aus der Ferne sehen konnte, wusste er, dass der Ruf von einem der beiden stammen musste. Und kaum war ihm das bewusst geworden, wurde das Ziehen noch einmal stärker. Er musste diese Person treffen, komme, was wolle.

Darum setzte er sich wieder in Bewegung, schneller als zuvor. Seine Verbündeten riefen ihm etwas zu, doch er verstand es nicht einmal, da der Wind zu laut in seinen Ohren kreischte. Der Boden unter seinen Füßen schien geradewegs unter ihm hinwegzufliegen. Er konnte sich nicht daran erinnern, jemals in seinem Leben so schnell gelaufen zu sein.

Auch die andere Person wurde nun endlich losgelassen und rannte ihm entgegen.

Das erste Mal zog er sein Schwert aus der Scheide. Es nahm ihm etwas von seiner Geschwindigkeit, weil es den Luftwiderstand erhöhte, aber er störte sich nicht daran. Im Moment war es nur wichtig, vorbereitet zu sein.

Nur wenige Sekunden später trafen sie bereits aufeinander. Ihre Schwerter kollidierten klirrend miteinander, Funken sprühten, dann konnte er die andere Person endlich sehen. Es war eine Frau, was ihn erstaunte, aber nichts an seiner Kampfeslust minderte. Ihre Kleidung war rot und gesprenkelt mit Blut, das es fast schwarz erscheinen ließ. Ihr schwarzes Haar flatterte um ihren Körper, während sie immer wieder aufs Neue versuchte, ihn anzugreifen. Doch jeden einzelnen Hieb wehrte er mit seinem eigenem Schwert ab. Ihre Geschwindigkeit und ihre Kraft waren erstaunlich, ihr geradezu fanatischer Blick aus den dunklen Augen war dafür eher besorgniserregend. Aber solange er mit ihr in diesem Kampf steckte, war ihm das egal. Dies hier war gerade alles, was ihn erfüllte und ihn zum ersten Mal regelrecht glücklich machte.

Deswegen war er nicht sonderlich erbaut, als plötzlich eine Stimme erklang, die sich einmischte: »Das reicht jetzt, Kurenai.«

Auf dem Rücken der Frau glühte ein eigenartiges Licht, dann ließ sie ihre Waffe sinken. Da sie den Kampf beendete, hielt auch Kazic inne, war aber bereit, jederzeit erneut zuzuschlagen, falls sie Anstalten dazu machte, noch einmal anzugreifen. Doch sie stand ganz still da.

Ein Mann trat neben sie. Er war eine der Personen ohne jede Form von Kampfausrüstung, abgesehen von den zwei Schwertern an seiner Hüfte, die Frau war die andere, aber auch sie trug nur ein solches mit sich. Seine stechenden goldenen Augen musterten Kazic abschätzig. »Du bist also der Seelenzerstörer? Ich fühle mich geehrt, dir zu begegnen.«

Seine Stimme triefte vor Spott. Die Frau reagierte darauf ebenfalls, indem sie ein leises Geräusch von sich gab. Ihr Blick ließ keine Sekunde von Kazic ab.

Der Mann wandte sich ihr zu, dann gab er mehrere Laute von sich als ob er mit ihr kommuniziere. Von ihr kam dagegen kein Ton mehr.

»Du willst also, dass wir ihn mitnehmen?«, fragte der Mann und sah wieder Kazic an.

»Das geht nicht«, erwiderte dieser sofort. »Ich muss zurück zu meinem Meister.«

So wie er nach jeder Schlacht dorthin zurückkehrte, um wieder in seiner Kammer zu schlafen, bis man ihn erneut benötigte. Kein erstrebenswertes Leben, aber jenes, für das er erschaffen worden war.

»Dein Meister ...« Der Mann sah in Richtung der Stadt. »Ist es zufällig Aristeas?«

Kazic nickte.

»Dann werden wir ihn noch früh genug wiedersehen. Zuerst solltest du aber mit uns kommen.«

Seine Loyalität vergessen und seinen Meister betrügen? Nein, das konnte er nicht tun. Er fuhr herum und wollte davongehen – als plötzlich jemand seinen Arm packte und ihn zurückhielt.

»Scheint als wolle Kurenai dich nicht so einfach gehen lassen«, sagte der Mann.

Als Kazic über seine Schulter sah, entdeckte er ebenfalls, dass die Frau es war, die ihn gerade festhielt. Sie hätte ihn angreifen können, sich aber stattdessen dafür entschieden, ihn festzuhalten. Wie eigenartig.

»Es ist sinnlos«, sagte der Mann spöttisch. »Wenn Kurenai sich etwas in den Kopf gesetzt hat, kann man es ihr nicht mehr ausreden.«

So einfach wollte Kazic es ihr dennoch nicht machen. Also riss er sich los und lief mit weit ausholenden Schritten davon – nur um diesmal von selbst wieder stehenzubleiben. Das Ziehen in seinem Inneren war plötzlich derart stark geworden, dass er nicht weiterlaufen konnte. Es ließ erst wieder nach, als er sich umdrehte und so den beiden Feinden gegenüberstand. Für einen kurzen Moment sah es so aus als ob der Mann die Stirn runzelte, aber da wurde sein Gesichtsausdruck schon wieder neutral.

»Du solltest lieber mit uns kommen«, sagte er. »Wie es aussieht, bleibt dir ohnehin nichts anderes übrig. Aber mach dir keine Sorgen, dein Meister wird dir schon bald folgen. In gewisser Weise.«

Kazic verstand nicht, was das bedeuten sollte, aber er wusste, dass er sich nicht von dieser Frau entfernen konnte, auch wenn er sich nach wie vor fragte, woran das liegen mochte.

Lediglich seine Loyalität hielt ihn bislang noch davon ab, doch wenn sein Meister ihm folgen würde, wäre das in Ordnung, dachte er. Also nickte er.

»Gut«, sagte der Mann und verzog die Mundwinkel zum Ansatz eines Lächelns. »Dann bist du ab heute ein Teil meiner Armee, Seelenzerstörer. Du wirst es nicht bereuen.«

Damit gab er den Befehl zum Rückzug. Kazic warf einen letzten Blick in Richtung des Palasts zurück, auch wenn dieser ihm gar nichts bedeutete. Sein Meister wartete irgendwo dort hinten – aber bald würde er ihm auch folgen. Alles war genau so, wie es sein sollte.

Und so folgte er der Frau, als sie seinen Arm hinter sich herzog, ohne den Hauch eines schlechten Gewissens.
 

Das neue Heim


 

Der Name von Kurenais Mann war Lances, und er lebte nicht in einem Schloss, dafür aber in einem großzügigen Anwesen, das er sich mit mehreren seiner Schüler teilte. Das alles lernte Kazic noch auf dem Weg zu seiner neuen Heimat von einem dieser Schüler. Obwohl dieser Lances ehrfürchtig Meister nannte und behauptete, er sei ein großartiger Magier, legten sie alle den Heimweg auf Pferden zurück – abgesehen von Lances selbst, der gemeinsam mit Kurenai in einer edlen Kutsche fuhr. Für Kazic war das nicht weiter verwunderlich, er kannte das so bereits: die Generäle reisten stets in solchen Wägen, mit seinen engsten Untergebenen auf Pferden und den einfachen Soldaten zu Fuß, genau wie es hier der Fall war.

Unbewusst ritt Kazic in der Nähe der Kutsche, um ein Auge auf Kurenai haben zu können, diese seltsame Frau, die er immer noch nicht verstand. Die meiste Zeit starrte sie vor sich hin, aber hin und wieder wandte sie den Blick zum Fenster; sobald sie ihn sah, schien sie zufrieden, denn dann fixierte sie erneut die Wand vor sich.

Er verstand es nicht wirklich. Was ging hier nur vor sich, dass er sogar seinen Meister verließ, nur wegen dieser Frau? Woher stammte dieser Ruf, den er spürte? Wer sollte ihm jetzt noch Antworten geben können?

Das Anwesen des Magiers lag nicht in der Nähe einer Stadt, dafür aber inmitten eines tiefen Waldes, der von einer seltsamen Form von Magie durchzogen war. Sie resonierte mit seinem Inneren, doch einzuschätzen, worum es sich handelte, gelang ihm nicht. Noch nie war es notwendig gewesen, sich um solche Dinge zu bemühen.

Das Gebäude bestand aus einem großen Haupthaus mit ausladenden Flügeln und geradezu unzähligen Fenstern. Die matte Fassade wurde von den Fenstern überstrahlt, so dass selbst der Stuck, auf den irgendein Architekt vermutlich einmal stolz gewesen war, kaum noch wahrnehmbar war, weil man die Augen abwenden musste, um nicht geblendet zu werden. Weiter abseits schien es noch andere kleinere Gebäude und auch einen Stall zu geben, aber dafür interessierte er sich nicht.

Kazic folgte dem Beispiel der anderen und stieg von seinem Pferd ab. Sofort wurden ihm die Zügel von irgendjemandem abgenommen, und das Tier wurde fortgeführt. Er sah ihm nicht hinterher, sondern widmete seine Aufmerksamkeit sofort wieder Kurenai, die aus der Kutsche ausgestiegen war. Sie blickte ebenfalls in seine Richtung, was ihrem Mann offensichtlich nicht entging. Der Magier wandte sich ihm mit einem schrägen Lächeln zu, und winkte ihn zu sich herüber.

Er ging einige Schritte auf Lances zu, behielt jedoch einen respektvollen Abstand, der ihm von seinem Meister beigebracht worden war.

»Kurenai hat mir mitgeteilt, dass sie sich wünscht, dass du ein gutes Zimmer bekommst.« Auch wenn seine Stimme nicht mehr voller Sarkasmus war, blieb etwas Spott darin zurück, als betrachte er andere Personen seiner Zeit und seiner Worte nicht für würdig – oder als wäre er überzeugt, dass andere nicht einmal ansatzweise verstanden, was er für sie gerade tat. Als wäre er ein überirdisches Wesen, das sich nur aus Spaß mit irdischen Angelegenheiten befasste.

Im Grunde, so kam es Kazic vor, waren sie sich gar nicht so unähnlich.

»Ein Diener wird dich drinnen erwarten«, fuhr Lances fort. »Wende dich ruhig an ihn, falls du etwas benötigst.«

Bei diesen Worten legte er einen Arm um Kurenais Schultern.

Kazic nickte zur Antwort.

Darüber zufrieden wandte Lances sich endlich von ihm ab und ging davon. Dabei zog er seine Frau mit sich, die noch einen letzten Blick über die Schulter warf, ehe sie durch den Haupteingang im Anwesen verschwand, geradezu verschluckt von der Dunkelheit, die seltsamerweise darin herrschte.

»Du solltest auch reingehen.« Es war der Schüler, der ihm zuvor bereits von diesem Anwesen erzählt hatte. Mit seinem blonden Haar und den hellen Augen schien er absolut nicht an diesen Ort zu passen. »Hier draußen gibt es ohnehin nichts zu sehen.«

Er zuckte mit den Schultern, dann lief er an Kazic vorbei und verschwand auch im Inneren.

Nach einem kurzen Blick umher stellte er fest, dass der Schüler recht haben musste. Außerdem war er noch nie darauf versessen gewesen, sich irgendetwas einfach nur anzusehen. Es war unnötig und lenkte ihn lediglich von seiner primären Aufgabe ab.

Die restliche Truppe hatte sich bereits verstreut, als er endlich die drei Stufen zum Haupteingang hinaufging und selbst in die Dunkelheit trat.

Innen war es erstaunlicherweise heller als es von draußen wirkte. Kazic konnte problemlos den schwarz-weiß gemusterten Boden erkennen, sowie den roten Teppich, der manche Bereiche bedeckte und die beiden Treppen hinaufführte. Hier standen noch einige andere Personen herum, allesamt viel zu jung, um eine vernünftige Armee zu bilden. Selbst der schwarzhaarige Junge, der auf ihn zukam, sah aus als wäre er gerade erst volljährig geworden.

»Du musst der Neue sein«, sagte er. »Mir wurde aufgetragen, dir ein Zimmer zuzuteilen.«

Kazic nickte ihm lediglich zu, dann schloss er sich dem anderen an, als dieser ihn die Treppe hinaufführte. Dabei sprach er auch weiter: »Ich dachte, die anderen erobern irgendetwas, ich hätte nicht gedacht, dass sie mit dir zurückkommen.«

Er schielte in Kazics Richtung. »Wer bist du überhaupt?«

Kazic nannte ihm seinen Namen.

»Du redest nicht sonderlich viel, was?«

Darauf antwortete Kazic nicht. Er sah keinerlei Sinn darin, schon allein, weil er nicht dafür geschaffen worden war, mit Leuten zu plaudern.

Der Junge stieß Luft durch seine geschlossenen Lippen aus. »Wie auch immer. Ich bin Blaine, so etwas wie der Hausdiener hier. Falls du also irgendwas brauchst, kommst du einfach zu mir.«

Er benötigte nichts, also gab er immer noch keine Antwort.

Blaine hob in stummer Frustration die Arme und sprach einfach weiter. »Nächstes Mal wäre es aber nett, wenn du wirklich ausgefallene Wünsche mit ein wenig mehr Vorbereitungszeit ankündigst. Es war nicht einfach, dir so schnell ein Zimmer fertigzumachen.«

»Ich brauche nur eine Kammer«, erwiderte Kazic.

»Die sind alle belegt«, wehrte Blaine ab. »Außerdem habe ich es jetzt schon fertig.«

Mit diesen Worten blieb er vor einer Tür stehen. Er öffnete sie und winkte Kazic hinein.

Der Raum war ihm schon auf den ersten Blick zu groß und zu hell. Durch ein Fenster strömte ungehindert Sonnenlicht herein, daneben stand ein Tisch mit einem Stuhl, an der anderen Wand noch dazu ein großzügiges Bett, gegenüber von einem Schrank.

Blaine stand neben ihm und sah ihn abwartend an.

»Es ist zu groß«, sagte Kazic.

Der andere verzog sein Gesicht. »Das ist sogar noch eins der kleineren Zimmer.«

»Ich brauche nur eine Kammer«, wiederholte Kazic.

Blaine stieß ein Geräusch aus, das wie eine Mischung aus Ächzen und Seufzen klang. »Ich sagte doch, die sind belegt. Ich räume bestimmt nicht unsere Putzsachen um, damit du in irgendeiner Kammer herumsitzen kannst. Das ist ohnehin nicht gesund.«

Bislang hatte es ihm nicht geschadet, deswegen verstand er den letzten Satz nicht so recht. Kazic ging nicht weiter darauf ein, Diskussionen erschienen ihm überflüssig, besonders da er sie bislang nie hatte führen müssen. Stattdessen musterte er den Schrank, dessen aufwendige Schnitzereien er erst auf den zweiten Blick bemerkte. Menschen mochten schöne Dinge, das war ihm beigebracht worden, und deswegen – so hatte sein Meister erklärt – war auch sein Körper nach diesem Prinzip geschaffen worden: Ein angenehm anzusehender Krieger brachte den Feinden Verwirrung, den Verbündeten Anerkennung, weswegen Kampfhandlungen oftmals eingestellt wurden, sobald er das Schlachtfeld betrat. Ohne diesen Fakt wäre er vermutlich mehrmals bereits verletzt worden.

Doch um die Schnitzereien ging es ihm gar nicht.

Er öffnete den Schrank. Das Innere verfügte über genug Platz für ihn, also könnte er einfach darin schlafen, bis er wieder gebraucht wurde.

»Hey«, meldete Blaine sich wieder, »was ist so interessant an dem Schrank? Er ist bislang noch leer, aber das können wir in der nächsten Zeit noch ändern.«

Kazic schüttelte den Kopf. »Ich brauche nichts. Ich werde im Schrank schlafen, bis die nächste Schlacht kommt. So wie immer.«

Auch wenn er früher nicht in Möbeln, sondern in Kammern gewartet hatte.

Blaine zog die Brauen zusammen. »Du bist echt eigenartig. Menschen schlafen nicht in so was.«

Er deutete zum Bett hinüber, um das vermutlich als Gegenangebot zu bringen.

»Ich bin kein Mensch.« Kazic störte sich nicht daran, als eigenartig bezeichnet zu werden, solche Worte verfügten für ihn über keine Bedeutung. »Ich bin ein Werkzeug.«

Nun offenbar endgültig genervt, rieb Blaine sich die Stirn. »Du bist wirklich nicht einfach, was? Aber für dich wiederhole ich es gern noch mal.«

Er hob die Hände und sah Kazic direkt an. »Mir wurde gesagt, du sollst ein Zimmer bekommen. Also stell dich nicht so an, und akzeptiere endlich, dass du hier wie ein Mensch leben sollst.«

»Ich verstehe das nicht.«

»Da bist du nicht der einzige.«

Für einen Moment schwiegen sie sich beide an.

Irgendwo auf dem Gang unterhielten sich mehrere Leute lachend über etwas, das Kazic fremd war. Auch diese Stimmen kamen ihm wieder viel zu jung vor, und es waren einige Frauen dabei, wie es ihm schien. Das erinnerte ihn wieder daran, weswegen er eigentlich hier war. »Wo ist Kurenai?«

Der Magier hatte sie mit sich genommen, aber sie musste irgendwo hier sein. Wenn er hier mit ihr sprach oder zumindest in ihrer Nähe war, fand er vielleicht heraus, was es mit diesem Ruf auf sich hatte. Inzwischen spürte er ihn nicht mehr, aber das lag möglicherweise nur daran, weil sie in der Nähe war – oder weil er sie nicht sehen konnte.

»Für dich immer noch Lady Kurenai«, erwiderte Blaine mit erhobenem Zeigefinger. »Und ich nehme an, sie ist mit Meister Lances in seinem Schlafzimmer. Da gehen sie immer hin, wenn sie von einer Schlacht wiederkommen.«

Das klang sinnvoll. Nach dem Kampf waren sie bestimmt beide erschöpft, auch wenn sie es bislang nicht gezeigt hatten. Sie mussten sich erst einmal ausruhen.

»Warum fragst du nach ihr?«, hakte Blaine nach.

»Ich wollte nur etwas herausfinden.«

Der Junge sah ihn mit gerunzelter Stirn an. »Du solltest vorsichtig sein – besonders, wenn du Interesse an ihr zeigst. Das dürfte Lances nicht gefallen.«

Das verstand Kazic wieder nicht. Er interessierte sich ja gar nicht für diese Frau, nur für das, was sie anscheinend miteinander verband. Doch er fühlte sich auch nicht willig, das Blaine zu erklären. Es war eine Sache zwischen ihm und Kurenai, andere waren dafür unwichtig.

Blaines Stirnrunzeln schwand überraschend schnell wieder. »In Ordnung, kann ich sonst noch etwas für dich tun? Hast du noch irgendwelche Fragen?«

»Warum sind hier so viele junge Leute?« Die Worte verließen seinen Mund, bevor er darüber nachdenken konnte, ob es überhaupt wichtig war.

»Meister Lances versammelt nur junge Leute um sich. Die meisten sind seine Schüler. Er hat da eine Vorliebe, glaube ich. Wahrscheinlich hält ihn das jung.« Blaine musterte ihn. »Du bist neben den Köchen und Gärtnern vermutlich einer der ältesten hier. Deswegen bin ich so überrascht, dass du hier bist.«

»Kurenai wollte das so.«

Für den Bruchteil einer Sekunde sah es so aus als ob Blaine die Augenbrauen hob. Doch es war so schnell vorbei, dass Kazic sich nicht sicher war – und möglicherweise war es lediglich ein Muskelzucken gewesen, nicht weiter wichtig.

»Ist das so?«, fragte Blaine. »Na dann, das wird schon seinen Grund haben.«

Er warf einen Blick auf den Gang, ehe er die Tür schloss und sich dagegen lehnte. »Wie muss ich mir das eigentlich vorstellen? Du bist einfach mitgegangen?«

Noch immer wollte er ihm nichts von der Verbindung erzählen, deswegen nickte Kazic nur.

»Weißt du dann überhaupt, wo du hier bist? Oder worum es geht?«

»Ein Schüler hat mir bereits gesagt, dass Lances ein Magier ist. Und dass er hier lebt.«

»Das meine ich nicht!« Blaine wirkte plötzlich aggressiv, auch wenn sein Gesicht keinerlei Hinweis darauf gab. »Weißt du, wofür du kämpfen sollst?«

Kazic schüttelte mit dem Kopf. »Es ist mir egal. Es ist meine Bestimmung und mein einziger Lebenszweck, das Schlachtfeld ist mein Zuhause.«

»Und trotzdem bist du jetzt hier«, erwiderte Blaine unbeeindruckt. »Weit weg von einem Kampf, weil eine Frau das so wollte.«

Der Spott in seiner Stimme, während er den zweiten Satz aussprach, erinnerte Kazic an Lances. Wurde man so, wenn man viel Zeit mit diesem Mann verbrachte?

»Sieht zumindest so aus.«

Blaine deutete ein Kopfschütteln an. »Du bist echt ein eigenartiger Kauz. Aber sei es wie es sei: Das hier ist jetzt erst mal dein neues Heim. Und du solltest aufpassen, was du tust, wenn du hier lange überleben willst.«

Kazic sah wieder in den Schrank hinein, doch Blaine schloss eine der Türen. »So einfach kannst du dich nicht aus der Affäre ziehen. Es wird ihm nicht gefallen, wenn man dich nie zu Gesicht bekommt. Solange du hier bist, musst du dich an seine Regeln halten.«

»Die von Lances?«

Blaine nickte seufzend, die Frustration war derart deutlich spürbar, dass Kazic glaubte, sie anfassen zu können. Er versuchte es jedoch gar nicht erst.

»Und«, fuhr Blaine fort, »wenn du wegen Lady Kurenai hier bist, wird er dich nur umso besser im Auge behalten. Er mag es nämlich nicht, wenn man ihm Konkurrenz bietet.«

Inwiefern sollte Kazic ihm etwas streitig machen wollen? Das verstand er nicht so recht. Aber er sah auch keinerlei Sinn darin, Blaine danach zu fragen; Kazic hatte nicht vor, etwas zu tun, also musste er es auch nicht genauer wissen, vermutlich würde es ihn ohnehin nur verwirren.

Er hob die Schultern. »Ich weiß nicht, was hier vor sich geht, aber wenn er das von mir verlangt, werde ich versuchen, wie ein Mensch zu leben.«

Im Endeffekt war Lances wohl sein neuer Meister, also sollte er sich seinen Forderungen anpassen.

Blaine nickte, dann sah er Kazic schweigend an. Dieser erwiderte den Blick, ohne zu wissen, was der andere von ihm wollte. Nach wenigen Sekunden seufzte Blaine. »Willst du wirklich nicht fragen, wofür Meister Lances kämpft?«

»Ich muss das nicht wissen. Meine Aufgabe ist es, Seelen zu zerstören, nicht zu wissen, warum ich das tue.«

»Wenn man mit dir redet, hat man das Gefühl, sich ständig im Kreis zu drehen.« Blaine schüttelte den Kopf. »Aber das soll nicht mein Problem sein. Benimm dich einfach anständig, und wenn du was brauchst, frag mich.«

»In Ordnung.«

Blaine öffnete die Tür zum Gang wieder. Sofort floss das Summen zahlreicher Gespräche in den Raum zurück, als hätte es nur darauf gewartet.

»Wenn du nicht weißt, wie du dich normal verhalten sollst«, sagte Blaine, als er schon halb draußen war, »halte dich einfach an die anderen hier. Am Anfang waren sie auch alle seltsam.«

Damit verließ er das Zimmer und schloss die Tür hinter sich.

Nun wieder allein in der Stille ließ Kazic den Blick schweifen. Er war sich noch nicht sicher, wie dieses neue Leben aussehen könnte, besonders wenn er es normal versuchen sollte. Doch wenn das von ihm erwartet wurde, konnte er sich nicht dagegen wehren. Also blieb ihm nur, diese neue Heimat kennenzulernen – und vielleicht zu verstehen, was es mit dem seltsamen Ruf auf sich hatte.
 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Das Bild am Ende hat noch einen tieferen Sinn, vorerst soll es aber den "Jemand erzählte diese Geschichte"-Charakter haben.
Es ist aus Caligula © Satelight/FuRyu. Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (3)

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Von:  LeanaCole
2020-09-04T12:44:58+00:00 04.09.2020 14:44
*tief Luft hol*
BLAINE! *wie ein Fangirl kreisch*
*räusper*
Sorry, das musste sein *lol*

Nach langer Zeit war das ein ruhiger und guter Einstieg in die Geschichte. Wir lernen Kazs neues Zuhause kennen, aber vor allem treffen wir meinen Liebling Blaine *__*
Und ich muss dich loben, weil du ihn genau getroffen hast. Ich hätte es nicht besser machen können. Ich habe jeden Moment mit Blaine genossen und konnte sogar seine Frustration spüren. Kazic macht es einem auch nicht leicht, ha ha. Ich bin schon gespannt, was du für Blaine noch in petto hast.
Allgemein kann ich es kaum erwarten zu sehen, wie die ganze Geschichte weitergeht und wer noch alles in dieser Geschichte auftauchen wird. Hach, ich bin schon ganz aufgeregt X3

Ich wollte noch einmal erwähnen, dass ich deine Beschreibungen richtig gut finde. Die Art, wie du das Haus beschrieben hast, fand ich sehr interessant und gab mir ein gutes Bild davon. Und ich muss sagen, dass es genau dem Geschmack unseres Magiers trifft *lach*
Antwort von:  Flordelis
04.09.2020 18:14
Danke für deinen Kommentar~.
Und danke, dass ich Blaine benutzen darf (und alle anderen natürlich). Ich glaube, es war das erste Mal, dass ich Blaine geschrieben habe. Das war nice. :,D

Im nächsten Kapitel wird der eine Schüler, der Kazic während der Heimkehr zugelabert hat, näher beleuchtet. Ich kann aber schon mal sagen, dass er ein neuer Chara ist. Und ich mag ihn schon. =)
Jetzt brauche ich nur noch die Konzentration zum Schreiben. ಠ_ಠ
Von:  LeanaCole
2018-10-02T00:44:34+00:00 02.10.2018 02:44
Ich finde diese Version besser, als die andere, weil das echt was von Exposition hatte. Hier ist Lances noch schön geheimnisvoll *lol*
Mir gefällt besonders der Moment, wo Kazic und Kurenai aufeinander treffen. Voneinander angezogen ziehen sie in den Kampf gegeneinander... hach ja~ Was ein guter Kampf doch alles ausmachen kann *grins*
Jetzt bin ich natürlich total neugierig, wie es jetzt weitergeht, weil Kazic ja jetzt mit unserem Magier mitgegangen ist. Das wird sicher soooo awesome und ich kann es kaum erwarten. Hoffentlich erfahre ich es bald :D
Wieder einmal super geschrieben und vielen Dank, dass du dir die Zeit dafür nimmst, wo du wegen dem Studium doch so wenig Zeit hast X3
Von:  LeanaCole
2018-08-18T06:05:49+00:00 18.08.2018 08:05
Happy Birthday to me~
Happy Birthday to me~

Ich war heute morgen sehr überrascht, weil ich gar nicht damit gerechnet habe. Umso geiler finde ich es~ X3
Allein schon eine eigene Geschichte zu Kazic und Kurenai lohnt sich für mich ungemein. Und ich mag die Art, wie der Prolog aufgebaut wurde. Der Anfang unseres Seelenzerstörers... klingt schon fast ein bisschen traurig, dass er über keinerlei Emotionen verfügt. Aber das wird sich ja bald ändern, he he~
Jetzt bin ich heiß drauf und kann es kaum erwarten zu sehen, wie es erst richtig losgeht. Warten ist ja sooooo dooof XD
Danke, danke, danke für dieses tolle Geschenk!
Antwort von:  Flordelis
18.08.2018 16:46
Ich hab auch extra nichts gesagt. >:D
Aber ich wollte schon ewig mal was zu den beiden schreiben und da passte dein Geburtstag als Startschuss wunderbar. <3
Danke für deinen Kommentar~.


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