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Wolfsmond

von

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Kapitel 1

Er wusste weder wo er war noch wie viel Zeit verstrich während er hier stand. Sein Atem stieg in kleinen Nebelschwaden in die eisige Luft und voller Orientierungslosigkeit blickte der junge durch die Bäume umher. Mitten auf einer Waldlichtung, die Bäume knarzten und knacksten, über ihm ein leuchtendes Rot von der Verfärbung des Himmels. Wurde es Tag oder Nacht?
 

Unter seinen Füßen knirschte der Wald, der Boden war mit Zweigen und Blättern überseht, soweit er es sehen konnte. Dunkelblonde Strähnen fielen ihm in die Augen und mit einem genervten Handstrich wischte er sich diese aus dem Sichtfeld. Dabei fiel ihm etwas auf. Auf seiner Handfläche war ein merkwürdiges Mal zu sehen, von der Farbe sehr dunkel und die Form so seltsam, doch irgendwie auch bekannt. Das Zeichen war wie ein keltisches Kreuz geformt, dicke Linien wurden an den Stellen, wo sie sich mit anderen Linien trafen, dünner bis sie sich miteinander zu verschlingen schienen. Hatte er das schon immer so gehabt? Er konnte sich nicht daran erinnern, es schien einfach nichts einen Sinn zu ergeben. Und es war niemand hier, der ihm Antworten zu seinen vielen Fragen geben konnte. Mit dem Daumen seiner anderen Hand versuchte er, das dunkelblaue bis schwarze Muster weg zu reiben, angestrengt starrte er dabei auf seine Hand doch es tat sich nichts. Das Ding blieb einfach dort, als ob es sich an ihm fest gefressen hatte. Das gefiel ihm ganz und gar nicht, das konnte doch nur ein böses Omen sein, das ihm auferlegt worden war von den Göttern. Bei Thors Namen, wenn er jemals aus diesem Albtraum erwachen würde, er würde sich hemmungslos betrinken und Odin danken, dass er doch nicht verrückt geworden war. Aber es schien nicht, als würde er aufwachen. Und er glaubte, dass er nicht so bald nach Hause kommen würde, wo auch immer das sein mag.
 

Etwas klirrte und sofort sah er in die Richtung, aus der es kam. Jemand oder etwas kam auf ihn zu, was ein leises Knurren aus seiner Kehle entlockte. Doch über das Geräusch, das ihn doch etwas verwirrte,konnte er nicht lange nachdenken, denn eine gebeugte Silhouette tauchte aus den Bäumen aus und je näher diese kam, umso besser konnte er erkennen, um wen es sich da handelte.
 

„Junge, du bist hier falsch!" sagte die alte Frau mit den silbernen, langen Haaren und den graublauen Augen. Ihre Stimme klang rau und doch schwang Wissen in dieser Stimme mit, vor dem er sich eigentlich hätte fürchten müssen. Doch je näher sie ihm kam umso neugieriger wurde er. „Ich weiß doch noch nicht einmal, wo ich hier bin."antwortete er während er den Kopf leicht neigte und sie von oben nach unten musterte. Sie wirkte in ihrem langen Kleid und den vielen bunten Ketten irgendwie wie eine Zauberin oder Hexe, doch etwas an ihr war seltsam vertraut. Er kannte sie nicht, darüber war er sich sicher, doch wie sie auf ihn zuging mit dem Stab in ihrer Hand ließ ihn kurz den Kopf schütteln. „Dann musst du gehen, gehen musst du!" An der oberen Spitze ihres Stabes waren Steine, Scherben und kleine Utensilien festgemacht, die bei jedem Schritt, den sie ging,klimperten. Man hätte ihn wunderbar zum Musik machen benutzen können, wenn man die Lust dazu hätte aber der junge Mann wusste gerade nicht, wo sich oben und unten befand. „Wohin soll ich denn gehen?" fragte er deswegen die alte Frau, die sich vor ihm hinstellte und mit dem Ende des Stabs auf ihn zeigte. „Sie kommen,du dummer Junge. Lauf, lauf so schnell du kannst!" schrie die Hexe,oder was auch immer sie war, weswegen er die Beine in die Hand nahm und lief. Er lief so schnell und so weit, dass es dunkel geworden war als er bei einem kleinen Bach stoppte um zu verschnaufen. Wo war er denn nun? Irgendetwas hatte ihn hierher getrieben, von weitem hörte er lautstarkes Gebrüll und doch wusste er, dass ihm hier nichts passieren konnte. Eigentlich sollte er sich wundern, wer diese Leute dort waren und doch war er für den ersten Augenblick froh, sich in Sicherheit gebracht zu haben.
 

Langsam beugte er sich zu dem klaren Wasser des Baches hinunter und schöpfte etwas mit seinen beiden Händen hinaus, damit er es trinken konnte.Um ihn herum war es finster, doch er sah noch gut genug um sich zurecht zu finden. Es war, als kannte er jeden Stein und jeden Ast hier, doch er selbst war noch nie an diesen Ort gewesen. Er kannte ja noch nicht einmal seinen eigenen Namen oder sein Alter. Alles was ihm Aufschluss über sich selbst geben konnte, waren die Sachen an seinem Leib. Mittlerweile war die Nacht wieder ruhig geworden, nur einzelnes Rascheln kam von den Bäumen über ihm. Langsam richtete er sich wieder auf, er betrachtete seine Kleidung die zwar nicht mehr die Neuste war, dennoch immer noch einen guten und stabilen Eindruck machte. Seine Schuhe sahen schlimmer aus, sie wirkten abgetragen und würden wohl nicht mehr lange durchhalten. Um seinen Hals hing ein Lederband, das er wohl noch nicht so lange hatte, es wirkte neu und unten baumelte ein silberner Ring mit eingebrannten Runen darauf.Wenn er nur wüsste, was diese bedeuteten, dann könnte er vielleicht raus finden, was er hier sollte?
 

Auch in seinen Taschen befand sich nichts außer ein kleiner Metallschlüssel, der schon leichten Rost angesetzt hatte. Der Schlüssel würde eher zu einer Kiste passen, als zu einer Tür.Vielleicht, wenn er das passende Schloss fand, fand er auch etwas über sich selbst raus? Möglich wäre alles und so formte sich ein Plan in seinem Kopf, der nur noch ausgeführt werden musste. Der erste Punkt war, sich etwas Nahrung zu besorgen und dann in die nächste Stadt zu gehen, in der er möglicherweise etwas Arbeit fand und sich so sein Essen verdienen konnte. In dieser Zeit würde er alle möglichen Kisten versuchen zu öffnen mit dem kleinen Schlüssel in seiner linken Tasche. Das hörte sich doch wirklich gut an, anders konnte er es nicht beschreiben.
 

Um sich etwas zu orientieren, blickte er sich um und biss sich auf die Unterlippe, er konnte nicht einmal sagen, in welche Richtung er musste. Schon etwas verzweifelt, schaute er nach oben und entdeckte dort die Sterne. Wenn er sich so nicht weiterhelfen konnte, dann mussten ihm diese leuchtenden Dinger eben den Weg weisen.
 

Zuerst würde er nach Norden gehen, vielleicht traf er dabei sogar auf eine kleine Siedlung. Auf jeden Fall würde er sich etwas besorgen müssen, um jagen zu können. Vielleicht würde er sich einen Speer oder so etwas machen, er musste ihn nur spitz genug kriegen um durch Fell zukommen. Das Fell könnte er irgendwo verkaufen, es würde sich bestimmt ein Käufer dafür finden. Und vielleicht auch etwas Fleisch, man musste eben nur sehen, an wen man sich dafür genau wendete.
 

Stunden später hatte der junge Mann einen relativ großen Stock gefunden,den er mit Steinen und viel Geschick spitz machte. Um ihm noch zuschmücken, band er ein paar Federn, die er am Boden gefunden hatte,um den Schaft. Das sollte verdeutlichen, dass dieser Speer jemanden gehörte und zwar ihm allein. Donner sollte denjenigen treffen, der es wagte, ihm diese Waffe wegzunehmen oder zu stehlen.
 

Langsam wurde es wieder hell, als er sich auf die Suche machte. Doch vielleicht konnte ihm das einen Vorteil geben, wenn die meisten Tiere träge und müde nach einem Schlafplatz suchten während er noch hellwach war. Um nicht gleich gesehen zu werden, ging er in die Hocke und kroch zielführend den Büschen entlang, so leise wie nur möglich. Doch er hatte einfach kein Glück, egal wie lange er suchte oder wartete, es war einfach kein Tier zu entdecken. Fluchend gab er nach stundenlanger Suche auf. Ihm knurrte der Magen mittlerweile,Beeren und Kräuter würden ihn zwar am Leben halten aber es würde nicht wirklich dauerhaft seinen Magen füllen. Mittlerweile sehnte er sich nach einem köstlichen Stück Fleisch, aber auch eine schön warme Suppe würde es gerade tun. Mittlerweile müde geworden ging er auf die Suche nach einem Schlafplatz, an dem er sich ausruhen konnte um danach erneut sein Glück auf der Jagd zu versuchen. Das Letzte,was er noch mitbekommen hatte, war ein zischendes Geräusch, wie von einem Pfeil, der die Sehne eines Bogens verließ, als er in die Bewusstlosigkeit fiel.
 

Luft! Er musste atmen, er brauchte Sauerstoff, der seine Lungen füllte und ihn am Leben hielt. Als er dazu die Gelegenheit bekam, zog er ihn mit raschen Zügen ein als wäre, dass das Einzige, was er noch tun konnte, bevor er starb. Er trug wohl eine Augenbinde und seine Hände waren hinter ihm gefesselt, so dass er weder wusste, wo er war, noch konnte er sich informieren, wer da bei ihm stand. Kurz kniff er seine Lippen zusammen, diese Situation hier war alles andere als behaglich.„Er ist wach..." hörte er eine weibliche Stimme flüstern, sie klang rauchig und mit einem Geheimnis belegt, das ihn zu sich locken wollte. „Ich sehe es. Geh zu Goliath und sag ihm Bescheid."erwiderte eine dunkle Männerstimme, die ihm kalte Schauer über den Rücken jagte. Irgendetwas an seiner Sprechweise sagte ihm, dass der Jäger nichts Gutes zu erwarten hatte von diesem Mann. Trotzdem hob er fragend den Kopf in die Richtung der Stimme, damit er besser lauschen konnte. Irgendetwas, ein Wort oder ein Geräusch, konnte ihm schon verraten wo er war oder wenigstens, mit wem oder was er es zu tun haben würde. Denn er würde nicht einfach klein beigeben. Der Stofffetzen, der als Augenbinde gedient hatte, wurde ihm vom Kopf gerissen und für einen Augenblick musste er sich an das helle Licht des Tages gewöhnen. Es waren also mehrere Stunden vergangen, seitdem er zu Boden gefallen war. Mit einem Ruck blickte er zu seiner Schulter, dort tat ihm eine Stelle weh als hätte ihn eine Biene dort gestochen. Man musste ihm wohl einen Giftpfeil hineingejagt haben,der zur Bewusstlosigkeit führte.

Lautes Klappern, die von der Tür gegenüber ihm herrührte, ließ ihn seinen Blick zu dem großen Mann führen, der mit dunklen Augen auf ihn hinunter starrte. So richtig wohl war ihm bei dessen Anblick nicht und sein Magen zog sich vor Furcht und Respekt regelrecht zusammen. Seine ganze Statur schien nur eins zu sagen: Zerstörung. Allein würde er es niemals schaffen,diesen Kerl irgendwie zu umgehen, geschweige denn zu bekämpfen. Was sollte er denn gegen diesen riesengroßen Kerl schon machen? Dunkle Haare, die in langen Strähnen durcheinander hingen, gaben ihm noch mehr den Eindruck eines Wilden, der nur auf eines wartete, nämlich zu zertrümmern, was auch immer ihm unter die Nase kam. Der Junge auf jeden Fall hatte nicht vor, dass seine Knochen das waren, was dieser Riese als nächstes brechen wollte. Selbst der Käfig, in dem er gerade hockte, wirkte schmal und klein bei dem Anblick des Mannes,der in der Tür stand. Doch bevor auch nur ein Wort gesprochen werden konnte, schellte eine Glocke, so laut, dass man es vermutlich noch Kilometer weit hören konnte. Jeder Einzelne schreckte auf, man hatte wohl nicht damit gerechnet und damit sollte der dunkelblonde Schopf recht behalten.
 

„Wir werden angegriffen!" schrie jemand, niemand den er sah aber doch nah genug um gehört zu werden. Der Gefangene zerrte an seinen Fesseln, er musste hier raus, denn nochmal wollte er das nicht mitmachen. Der Riese wendete sich selbst ab um zu sehen, was da genau vor sich ging, er schien der Anführer des ganzen Trupps zu sein und er würde das auch nicht mal hinterfragen. Alles an ihm schrie Anführer, Chef und Autorität zugleich. Doch diese Sache beschäftigte ihn wirklich nur einige Sekunden, denn er sah wie Flammen sich über die alten Gemäuer hochbäumten, in denen er fest saß. Der Käfig war nicht mehr abgeschlossen und wenn seine Entführer nicht mehr daran dachten, dann wäre er wohl schneller frei als die Typen auch nur denken konnten. Unruhig blickte er zu den merkwürdigen Flammen nach oben, die am oberem Rand der Mauern entlang züngelten. Sie waren von einer merkwürdig hellen blauen Farbe und schienen alles zu vernichten, was ihnen entgegenkam. Der junge Mann wollte nicht unbedingt Teil des Futters für die seltsame Hitze werden, weswegen er kurz an seinen Fesseln zerrte. Verdammt, wenn er hier nicht bald raus kam, würde er so Enden wie die armen Kerle dort am Tor, von denen nichts mehr übrig war außer Knochen. Blanke, weiße Knochen.
 

Währender fieberhaft überlegte, wie er seine Fesseln lösen könnte,verschwand der riesige Mann aus der Zelle, in dem der Blonde gefangen war, und mit ihm gingen auch alle anderen. Seufzend schloss der Junge die Augen und atmete tief ein und aus bevor er gleich versuchen würde, sich auf den Boden zu werfen und so irgendwie weiter zukommen. Das würde schmerzhaft werden. Langsam und auch etwas ängstlich schaukelte er den Stuhl auf und ab, er wusste nicht wann genau er sich zu Boden schubsen sollte aber irgendetwas in ihm wollte das gar nicht. Doch er konnte nicht einfach abwarten, bis diese Kerle wiederkamen und ihn köpften oder sowas dergleichen. „Das ist wirklich dumm, was du da versuchst." raunte eine feminine Stimme hinter ihm, seine Handfesseln wurden durchgeschnitten und mit einem erleichterten Ausstoß hob er den Blick an. Ein Mädchen, das ungefähr sein Alter haben musste, stand mit einem Umhang schräg hinter ihm, in ihrer linken Hand ein Messer. Ihrer rechten fehlte ein Zeigefinger und der kleine noch dazu. Ihn interessierte die Geschichte zu den verlorenen Fingern wirklich sehr, doch bevor er darauf zu sprechen kam, schnappte er sich das Messer aus ihrer Hand und löste das dicke Seil an seinen Füßen, das ihn an den Füßen festgebunden hatte. Als er den Kopf wieder hob, wurde ihm das kleine Messer mit dem hölzernen Griff aus der Hand gerissen. „Fass nie die Waffe eines Räuberkindes an." hörte er die warnende Stimme des Mädchens, doch bevor er darüber nachdachte, wurde er am Arm gepackt und gezogen.
 

Widerwillig ließ er es zu, dass das Mädchen mit den kupferroten Haaren und dem wilden Blick ihn steuerte, denn er kannte sich hier nicht aus. Erhörte nur Schreie, grobe Flüche und er konnte es nicht mit Sicherheit sagen, aber bestimmt lagen auch ein paar Tote und Verletzte hier rum. War das ein Überfall? Oder hatte er gerade einen sehr wilden Traum und würde in wenigen Augenblicken schweißgebadet in einem weichen, gemütlichen Bett aufwachen? Er war sich nicht wirklich sicher.
 

Das Räubermädchen sah nur für ein paar Sekunden zu ihm zurück, wohl um zu gucken ob bei ihm alles in Ordnung war. Aber das war es nicht,er war verstört. Irgendetwas hier stimmte einfach nicht, zuletzt weil es eben auch ein Überfall war. Oder eine Entführung? War er das Ziel? Nein, ganz bestimmt nicht, so viel wusste er einfach.Trotzdem kam es ihm einfach merkwürdig vor. „Das Feuer...!"schrie er auf als er die tobenden Flammen erblickte, die sich weiter nach vorne gegraben hatten. Sie züngelten nach unten über das Gemäuer und schienen nur auf die nächste nahrhafte Speise für sie zu warten, die sie mit vergnügen verschlingen würden. Das Mädchen hatte ihn wohl nicht gehört, oder aber, was er eher vermutete, sie ignorierte ihn einfach. Sie kannte sich ja wohl damit aus, er aber so überhaupt gar nicht. Er hatte sowas noch nie gesehen und fast war erstehen geblieben um das Schauspiel zu verfolgen. Die Rothaarige zog ihn mit sich und durch das große Steintor nach draußen in die Freiheit des Waldes. Da sie endlich stehen geblieben waren, einige Meter von dem Tor entfernt, atmete er zum ersten Mal, seit er in diesem Käfig aufgewacht war, richtig durch. Er stemmte seine Hände gegen seine Knie, das war doch alles einfach so verrückt!
 

„W...wie heißt du überhaupt?" kam atemholend von ihm an das Mädchen vor ihm gerichtet. Dieses schien gerade die Gegend mit ihren Augen abzusuchen, wohl um alles abzusuchen. Dabei betrachtete er die dünne Gestalt in den dicken Klamotten aus Fell und Leder. Ihre Haare waren zusammengebunden und unter einer Kapuze versteckt. „Lehy...und jetzt rede nicht so viel!" befahl sie ihm mit verkniffenem Mund. Sie schien unruhig zu sein, alles was sie tat war die Gegend abzusuchen als würde sie auf etwas warten und schon Sekunden später erhellte sich ihre Miene als sie der Ruf einer Eule zu hören war. Eine Eule mitten am Tag? Ein seltsames Gefühl machte sich in seinem Bauch breit, dass ihm sagte, dass dieser Tag noch sehr lange andauern würde. Würde er denn jemals seine Ruhe haben um für einen Moment zu verschnaufen? So wie er das sah, nicht. Einige Männer in dunklen Gewändern kamen auf sie zu, er setzte schon zurück um weg zulaufen, doch er stockte weil Lehy dasselbe nicht tat. Sie kannte wohl diese Gestalten, was ihn verwirrte und zugleich verschreckte.
 

„Dalaha."meinte einer der Männer unter den Kapuzen zu dem jungen Mädchen, wohl eine Art Begrüßung oder dergleichen. Das kam ihm seltsam vor, denn das schien eine ganz andere Sprache zu sein als die, die erkannte und doch kam sie ihm irgendwie bekannt vor. Doch aus seinem erinnerungsleeren Kopf wollte einfach kein Hinweis dazu kommen. Vielleicht konnte er bei diesen Menschen mehr über sich herausfinden, deswegen folgte er den Wink der Rothaarigen, die ihn dazu aufforderte, ihnen hinter her zu gehen. Also ging er mit, folgte ihnen über gewaltige Felsen und steile Hänge bis er zu einer Baumstadt gelangte. Und wenn er Baumstadt sagte, meinte er nicht in Bäume hineingeschlagene Häuschen, sondern riesige Häuser auf den Wipfel der Fichten, Tannen und zahllosen Laubbäumen, die es hier anscheinend sehr häufig gab und sich in grüner Pracht der Sonne entgegenstreckten. Geblendet von dieser Pracht bemerkte er nicht, wie sich alle vor einer Gestalt verneigten, die auf sie zu ging und nur der scharfe Klang einer Stimme brachte ihn dazu, sich der merkwürdigsten Gestalt zu zuwenden, die er jemals in seinem Leben gesehen hatte, darin war er sich absolut sicher.
 

„Wer ist das?" erklang eine sehr albern klingende Stimme, die zu einem sehr albernen Mann gehörte. Beinahe hätte er gelacht, doch er riss sich zusammen und verneigte sich ebenfalls vor dem Mann mit diesem lächerlichen bunten Hut auf seinem Kopf. Das braune Kinnbärtchen und die blassblauen Augen verliehen ihm einen fahlen Teint, der ihn wie eine bunt angezogene Leiche wirken ließ. Der junge Mann kräuselte die Lippen, es fiel ihm wirklich schwer, den anderen nicht auszulachen. Einer der Kapuzenträger erhob sich etwas und berichtete dem komischen Kauz davon, wie der Überfall stattgefunden hatte. Nun wurde ihm klar, wer oder was ihn vor diesem unheimlichen Riesen gerettet hat, auch wenn ihm Lehys Rolle dabei nicht ganz klar war. Denn sie wurde in dem ganzen Bericht nicht einmal erwähnt. Vorsichtig schielte er zu der Rothaarigen neben ihm, die sich selbst den Zeigefinger auf die Lippen legte. Also sollte er wohl nicht verraten, dass sie bei ihm gewesen war.
 

„Wie ist dein Name, Junge?" hörte er die nasale Stimme ihn fragen, erhob augenblicklich den Kopf und blickte den Mann mit der krummen Nase an. „Ehm..." machte er nur, denn er hatte ja selbst keine Ahnung,wie er hieß. Sollte er sich einen Namen ausdenken? Aber welchen?Welcher würde nicht komisch klingen und zu ihm passen? Weil seine Überlegungen schon viel zu lang dauerten, richtete er sich vollkommen auf. Das war wohl nicht die normale Umgangsweise mit diesem Kerl da drüben aber das interessierte ihn wirklich wenig.„Ich kenne meinen Namen nicht." antwortete er deswegen wahrheitsgemäß, was der bunten Leiche wohl nicht zu gefallen schien.
 

„Das glaube ich dir nicht! Sag mir, wie du heißt oder ich lasse dich köpfen!" fing er an zu keifen, vielen der Männer stockte für einen Moment der Atem. Warum nur hatten diese Menschen vor so einem Trottel Angst? Was brachte sie dazu, diesen Mann dort zu fürchten,obwohl er für den jungen Wanderer nur eine Witzfigur war. „Ich lüge nicht!" erwiderte er, seine Augen bohrten sich in die des anderen, was den Harkennasenmann zurückfahren ließ. Er war wohl wirklich nicht daran gewöhnt, dass man ihm widersprach. Ob er wohl der König der Narren war? Jedenfalls ließ seine bunt gemischte Kleidung ziemlich gut darauf schließen, doch so wie er sich verhielt war das genaue Gegenteil der Fall. „Hängt ihn, hängt ihn. Der König der Räuber befiehlt es euch!" schrie der Leichenmann und da hatte er auch schon die Rolle, die er ausfüllte. Narrenkönig würde wohl besser zu ihm passen, doch auch diesen Kommentar verbiss er sich, denn er wollte nicht noch mehr Ärger provozieren als er eh schon hatte. Ob er gehängt wurde oder nicht, hing jetzt ganz alleine von der Reaktion der Männer um ihn herum ab. Diese schienen ratlos zu sein, sie waren es wohl nicht gewohnt solche Befehle entgegen zunehmen. „Ich habe keinen Namen und weiß nicht wer oder wo ich bin.Glaubt mir doch!" bat er alle Menschen, die er sehen konnte, erblickte um sich herum um die verschiedenen Gesichter sehen zu können.Was würde nun kommen? Was würde mit ihm geschehen, würde er heute sterben obwohl er noch nicht einmal seinen eigenen Namen wusste?
 

Stille herrschte, die minutenlang nicht unterbrochen wurde, nicht einmal dieser königliche Idiot rührte sich. Lautes Pochen von Holz auf Stein unterbrach die Stille vor dem Sturm, die ihn beinahe getötet hätte. Alle Blicke, auch der seine, wanderten zu der Person, von der das laute Geräuschen gekommen war. Gebeugt und mit einem Mantel vermummt stand sie da, doch dem blonden Jüngling kam sie auf eine eigenartige Weise bekannt vor. Hatte er sie schon mal gesehen? Jetzt wo er genauer hinsah, kam ihm dieser Umhang wirklich bekannt vor. Mit angehaltenem Atem sah er zu, wie die Person langsam ihren Kopf enthüllte.

Kapitel 2

„Habe ich dir dummer Junge nicht gesagt, du sollst laufen." sprach die raue Stimme der alten Frau. Er hatte sie im Wald gesehen, als er verwirrt nach einem Weg suchte, der irgendwie nach draußen führte. Nun war er, gefühlte Tage danach, noch tiefer im Wald als zuvor. Und noch mehr in Gefahr. Hilflos zuckte er mit den Schultern, er wusste nicht so recht was er nun darauf antworten sollte. Denn an sich war er auch gelaufen, doch wohl in die völlig falsche Richtung, den die, vor denen sie ihn gewarnt hatte, waren wohl direkt um ihn herum. Oder ging es wirklich nur um den da vorne?
 

Langsam schob sich die alte Hexe nach vorne, ihre Ketten klimperten bei jedem Schritt und der König der Räuber zuckte zusammen als der Stab neben ihm auf den Boden klopfte, er wich sofort einen Schritt zur Seite. „Ich bin mir sicher, du hast was zu sagen, Mama Birga, aber..." versuchte er zu sagen, doch verstummte er sofort als sie ihm ihre freie Hand entgegenstreckte.
 

„Ich verweigere euch, diesen jungen Mann dort zu töten. Er steht unter dem Schutz der Götter und die Sterne haben sein Erscheinen prophezeit!" kam herrisch von der unbekannten Dame, die hier wohl sehr viel Autorität genoss. Sogar dieser sogenannte „König der Räuber" schluckte und neigte sein Haupt. Bei Thors Hammer, wenn er nur wüsste, wo er hier hineingeraten war? Er kannte keinen dieser Menschen, er wusste noch nicht einmal, woher er selbst stammte. Und doch stand diese alte Frau dort vorne für ihn ein, als wäre er ihr eigen Fleisch und Blut. Mit Wut im Bauch ballte er seine Hände zu Fäusten, ihm gefiel es einfach nicht, so zu sein...so unbekannt und ohne Namen. Doch bevor er seinen Gefühlen Luft machen konnte, sah er wie Birga ihn zu sich winkte und er folgte ihrer Aufforderung, indem er unsicher nach vorne ging. Die ältere Frau stupste mit dem Finger gegen seine Stirn und blickte ihm in die Augen. Es kam ihm vor, als würde er in die Tiefen der ihren versinken und doch nichts entdecken. Es gab keine Klarheit.
 

„Ich bin Mutter der Mütter und ich sehe, dass du keine hast. Deswegen nehme ich dich auf und gebe dir einen Namen." begann sie zu sprechen, ihm wurde ganz flau im Magen. Eigentlich wollte er gar keine Mutter, doch hätte er gerne jemanden gehabt, der ihm sagte, worauf es im Leben ankam. Mit hoffnungsvollen Augen blickte er auf, der Stab, den sie die ganze Zeit in ihrer Hand hielt, rasselte. Die Gestalt ließ eine Hand in den Beutel gleiten, die um den Stab hing und zog einen Stein heraus. Er trug eine Rune darauf, die schwarz gemalt war und leicht im Licht schimmerte. „Ich nenne dich Sian, mein Kind. Und von nun an stehst du unter meinen Schutz und unter den Schutz der Götter, die dich auf deinen noch weiten Weg begleiten werden."
 

Ein warmes Gefühl machte sich in seinem Herzen bereit und er nahm die Rune entgegen, die er mit leuchtenden Augen betrachtete. Er hatte einen Namen! Er drehte sich zu dem „König der Räuber" um und hielt ihm die Rune entgegen. „Mein Name ist Sian und ich knie nicht vor dir!" entkam seinen Lippen, mutig begegnete er den Blick des Königs, der fassungslos zu sein schien. Etwas schien ihn zu beunruhigen, doch der junge Mann mit dem Namen Sian fragte nicht nach. Ob Götter oder Schicksal, was es auch sein mag, etwas hatte ihn hierhergeführt.
 

Der Mann mit der Harkennase grinste, er wusste, dass er sich das nicht gefallen lassen würde. In seiner Welt war er ein hohes Tier, alle hier hörten auf ihn und er besaß die Macht. Doch nicht in Sians Welt, er war ein Außenstehender und gehörte nicht zu ihnen. Er war frei, er brauchte keine Regeln, die ihn fesselten und zum Bleiben verurteilten. So wie ein Rabe würde er sich seinen Weg finden und wie ein Wolf würde er dafür kämpfen. Ungerührt blickte der blonde junge Mann in das Gesicht vor ihm, doch er würdigte ihm kein Wort mehr. Er hatte gesagt, was er sagen hatte wollen. Niemand würde ihn dafür noch verurteilen, denn es war sein Recht. Mit einem Namen konnte er sich Gehör verschaffen ohne sich peinlichst berührt zu fühlen, weil ihm kein Name zugedacht war. Und doch, obwohl er diesen Moment gerade triumphierend genoss, ergab sich ein bitterer Nachgeschmack. Wer war er eigentlich? Wieso war er hier auf dieser Welt? Hatte ihn jemand geschickt oder verlassen? Enttäuschung kroch in ihm hoch und verscheuchte jedes Zufriedenheitsgefühl, dass noch vor wenigen Augenblicken sein ganzes Sein erfühlt hatte.
 

Augenblicke jagten den vorherigen nach und mit jeder Minute, die verging, fühlte er sich unwohler. Sein Magen wurde ganz flau als er daran dachte, dass er weder Vergangenheit noch Zukunft hatte. Denn was wollte er eigentlich hier in diesem Dorf, wenn er noch nicht mal die Frage nach seiner Herkunft beantworten konnte. Nein, hier gehörte er nicht hin und deswegen blickte er zu Mama Birga auf, die schon zu wissen schien, was ihm durch den Kopf ging.
 

„Du hast das Herz am rechten Fleck und den Verstand eines Fuchses. Du bist schlau und wirst deinen Weg finden." Die Worte der alten Frau rührten hin und zaghaft nickte er. Er konnte nicht bleiben, es musste einen Weg geben um heraus zu finden, weshalb er überhaupt hier auf dieser Welt war. „Doch bevor du gehst..." kam von der rauchigen Stimme der Alten. „...bleibst du diese eine Nacht noch hier. Du solltest dich vorbereiten auf eine lange Reise, die die Götter für dich erdacht haben. Nichts wird einfach aber das Ziel wird es wert sein." Sian biss sich auf die Unterlippe, Mama Birga hatte recht und doch konnte es ihm gar nicht schnell genug gehen bis er von hier fortgehen konnte. Doch er brauchte eine Pause von den Dingen, die um ihn geschehen waren. Ereignisse hatten sich aneinander gejagt und ihn völlig erschöpft, er würde ein wenig Schlaf brauchen. Und auch etwas Essen. Bei dem Gedanken daran knurrte sein Magen laut und entlockte damit Mama Birga und einigen Menschen in seiner Nähe ein Lächeln. Beschämt wurden seine Wangen rot, er senkte den Blick und biss sich auf die Unterlippe, doch wurde seine Scham durch den Geruch des Essens vertrieben. Ja, er hatte wirklich Hunger und wenn es nach ihm ginge, dann könnte er einen ganzen Berg voll Nahrung zu sich nehmen.
 

Sich nach dem Ursprung des Essensgeruchs umsehend, erblickte er das junge Mädchen mit den rötlichen Haaren. Ihr Blick war intensiv, wissend und dennoch unergründlich, so dass er sich fragte, was sich wohl in ihrem klugen Kopf abspielte. Mehr doch rätselte er, ob sie wusste, was das hier alles bedeuten sollte. Er hatte keine Ahnung, welchen Weg nun seine Reise nehmen würde und ob er das auch alleine schaffen würde. Ein mulmiges Gefühl machte sich in seinen schlanken Bauch breit, doch wollte er über diese ganzen Sachen wirklich keinen einzigen Gedanken mehr verschwenden. Wenigstens nicht heute Abend, denn es erwartete ihn ein Festmahl, dass er sich in seinen kühnsten Träumen nicht ausmalen hätte können.
 

Die alte Frau mit dem Namen Birga geleitete ihn zu einem sehr großen Tisch, versetzt standen viele kleinere, doch kam er gar nicht dazu, sich einen Platz davon auszusuchen. Sofort wurde er auf die harte Bank gedrückt, vor ihm erschien wie durch Zauberei ein voller Teller. Fleisch, Brot, Wein und Met, mit verschiedensten Gewürzen gekocht, gebraten, gebraut und gebacken. Ihm lief das Wasser im Mund zusammen, es fiel ihm wirklich schwer, sich noch zurück zu halten. Mit einem fast schon flehenden Blick sah er hinauf zu der krumm gebeugten Frau, die mit einem amüsierten Lächeln nickte.
 

Also warum sich jetzt noch zurückhalten?
 

Der erste Bissen schmeckte so köstlich, dass er beinahe gestöhnt hätte. Das Fleisch lag zart in seinem Mund und mit schnellen Bissen schluckte er es hinunter um sich ein Stück Brot zwischen die Zähne zu legen. Mann...er wusste gar nicht, wann er zuletzt etwas gegessen hatte, geschweige den so etwas Leckeres. Plötzlich hatte er das Gefühl, angestarrt zu werden und mit unsicherem Blick wanderte sein Kopf nach oben. Doch nur ein paar andere lachten wegen ihm, die meisten anderen waren selbst auf das Essen konzentriert. Kein Grund sich zu schämen, sagte er sich selbst, doch wollte sich sein Körper nicht mehr weiter zum Essen überreden lassen. Um nicht weiter aufzufallen, aß er noch ein paar Gabeln voll, ehe er das Essen beendete um sich einen Ort zu suchen, an dem er sich ausruhen konnte. An dem er allein war um einfach mal durchzuatmen.
 

Der Wein hatte seinen Kopf etwas schummrig gemacht, so dass er nicht klarsah, doch wusste er ganz genau, wer dort in der Ecke saß und auf ihn wartete. Stolpernd hielt er sich an einem der Baumstämme fest während er die Gestalt mit den kupferroten Haaren musterte. „Lehy." murmelte Sian mit schwerer Zunge, er musste schlafen. Ja, schlafen klang gerade wirklich gut und trotzdem hatte der blonde Knabe nicht das Gefühl, als würde ihm das bald gelingen. „Sian also, ja?" Ihre Stimme klang anders als sonst, vorwurfsvoll und auf eine Weise sehr verachtend. Was ihm weh tat, denn er mochte die kleine flinke Gestalt mit dem großen Herz. Seit sie ihn gerettet hatte, war er das Gefühl nicht losgeworden, dass sie beide etwas verbinden würde, das weit über eine bloße Freundschaft hinausgehen könnte. Doch natürlich konnte er sich mit seiner Vorahnung irren und die beiden jungen Leute verfeindeten sich vielleicht bis zum bitteren Ende. „Ja, Sian." Seine eigene Stimme klang hohl und auch etwas angetrunken, als würde sie gar nicht zu ihm passen. So wie der ganze Rest an ihm, irgendetwas stimmte gewaltig nicht, er gehörte hier nicht hin. Er fühlte sich fremd in einem Land, wozu er eingeladen wurde, doch sein Verstand weigerte sich, es als sein Zuhause zu betrachten. Nein. Er hatte zwar einen Namen, der ihm aber nicht gehörte und war in einem Land, das niemals seine Heimat sein würde.
 

Als hätte die junge Frau vor ihm erkannt, was ihm durch den Kopf ging, kam sie zu ihm rüber und streichelte durch sein verwildertes Haar. „Du bleibst nicht." raunte sie, worauf er den Kopf schüttelte. Nichts hielt ihn hier außer der Tatsache, dass hier sein Anfang war. Doch auch wenn ein Anfang anstand, musste es ja irgendwie weitergehen. Nach dem Anfang kam nämlich vieles mehr und dazu musste er sich aufraffen. Ihre Berührung wurde tröstender als Lehy über seine Wange streichelte und beinahe hätte er die liebevolle Geste ausgekostet, wenn hinter ihm nicht laute Schritte auf ihn zugekommen wären. Wie ein Geist verschwand seine Gesprächspartnerin und er holte tief Luft, um sich aufzurichten und nicht wie ein betrunkener Trottel zu wirken, der er gerade war. Mit einem tiefen Atemzug nahm er den Geruch nach Bier war, frisch gebrautes Bier, und nasser Hund, was ihn mehr als verwunderte. Er hatte hier weder Hund noch Wolf gesehen, deswegen verwirrte ihn die Anwesenheit dieses Dufts. Eine schwere Pranke legte sich auf seine Schulter und nur mit viel Überwindung konnte er es vermeiden, zusammen zu zucken.
 

Als er zögernd nach oben sah, um den Ursprung dieser massiven Hand zu sehen, erblickte er einen rothaarigen Bären. Nicht, dass es ein richtiger Bär war, aber diesen Mann dort konnte man nur als solchen bezeichnen. Er war massiv, muskulös und bestimmt sehr schwer. Der Kleinere von den beiden Männern musste es nicht ausprobieren um zu wissen, dass dieser massive Fels von einem Mann alles widerstehen konnte, was ihm über den Weg lief. Der Blonde sah eine Ähnlichkeit mit Lehy, die man einfach nicht leugnen konnte. Die gleichen wissenden Augen mit der bodenlosen Tiefe, in der man sich verlieren konnte. Doch anders als bei seiner Tochter waren seine Augen nicht grün, sondern tief-braun. Was für eine seltsame Kombination, rotes Haar und braune Augen. Und aus einem unerfindlichen Grund wünschte sich der junge Mann, dass dieser Brocken ihn akzeptierte. Als Mensch, als Abenteurer und Krieger. Doch davon war er wirklich weit entfernt.
 

„Komm schon, Kleiner. Ich zeig dir dein Lager." tönte die tiefe Stimme, die reine Männlichkeit ausdrückte und Beschützergeist. Dieser Krieger würde alles für seinen Stamm und seine Familie tun, das sah man ihm sofort an. Ob er freiwillig ein Räuber war, das konnte der Junge nicht erkennen, doch schien ihm das Stehlen nicht wirklich viel auszumachen. Er war einer der Männer, der diesen seltsamen Ort überfallen hatte, an dem Sian gefesselt in diesem Käfig sein Ende erwartete.
 

Nickend ging er also Lehys Vater hinterher, dass er das war, daran war nicht zu zweifeln. Seine großen Schritte ließen den Neuankömmling zwei schnelle nacheinander machen, damit er überhaupt hinterher kam. Er wollte ihn irgendetwas fragen, zu Lehy oder zu dem Harkennasenmann, vielleicht auch zu diesem seltsamen Ort hier. Doch fiel es ihm nicht nur schwer, klar zu denken, sondern auch irgendwelche Sätze zu formulieren, die nicht danach schrien, dass er ein Trunkenbold war. Er konnte sich ja nicht mal erinnern, ob er jemals vor diesem Abend etwas getrunken hatte. So wie er sich gerade fühlte, war das nicht der Fall und eine böse Vorahnung sagte ihm, dass er nicht heil aus der Sache herauskommen würde.
 

Der Weg war nicht weit, doch kam es dem Wanderer wie eine Ewigkeit vor, als sie an der Holzhütte ankamen. Sie musste schon ziemlich alt sein, etwas morsch aber für seine Bedürfnisse völlig ausreichend. Er wollte ja nur drin schlafen und nicht gleich darin wohnen. Wehmütig dachte er daran, dass jeder hier in diesem Räuberdorf seinen festen Platz hatte, er aber würde lange Zeit danach suchen müssen bis er sich wirklich irgendwo dazu gehörig fühlte.
 

Müde ließ er sich auf das kleine Lager fallen, das gut duftende Stroh hieß ihn fast schon willkommen. Der große, starke Mann, der ihn hierhergeführt hatte, legte schmunzelnd eine Decke auf ihn, ehe er endlich allein gelassen wurde.
 

Ruhe. Selige Ruhe.
 

Ein Schrei weckte ihn aus seinen so erholsamen Schlaf und verärgert stand er auf, weil er zu gerne einfach weitergeschlafen hätte. Doch ein flaues Magengefühl ließ ihn ahnen, dass etwas Grauenvolles passiert war, vielleicht war es aber auch nur das Endergebnis der durchzechten Nacht. Um sich irgendwie selbst zu verteidigen, falls es eine Bedrohung war, die ihn aus dem Schlaf geweckt hatte, nahm er sich die nächstbeste Waffe, die er fand. Ein Bogen aus wunderschönem dunklen Holz und dazu ein Köcher mit genau 12 Pfeilen. Das konnte er wirklich gut gebrauchen, wenn Gefahr im Verzug war. Noch verwirrt und benebelt vom Schlaf öffnete er die Tür der kleinen Unterkunft, in der er geschlafen hatte. Dabei hörte er leises, bitterliches Weinen. Etwas stimmte hier nicht, ganz und gar nicht. Mit schnellen Schritten lief er zurück zu dem großen Platz, den er gestern bei seiner Ankunft gesehen hatte. „Nein..." flüsterte er bestürzt als er das gesamte Grauen vor sich erblickte. Fragend sah er sich um bis er Mama Birga entdeckte, verwundet, doch dank allen Göttern lebend. Er wollte nicht nochmal auf den Leichenberg hinter sich sehen, der Anblick hatte sich in seinen Verstand gebohrt und wollte niemals mehr weichen. Ihm wurde schlecht bei dem Gedanken daran, dass das alles Menschen waren, die gestern noch mit ihm gegessen und gelacht hatten. Lebendige Menschen aus Fleisch und Blut, deren nun leere, starre Augen ihn bis in sein Grab verfolgen würden. Auf ewig.
 

„W...was..." stammelte er voller Furcht, doch keiner gab ihm eine Antwort, sie schwiegen. Ihn fröstelte, den Wald umgab einen merkwürdigen Schatten, der nicht weichen wollte. Es stimmte hier einfach nichts, trotzdem sah es so aus wie gestern. Schwere Schritte kamen auf sie zu, dumpf, bedrohlich und Sian sehr wohl bekannt. Sie waren wegen ihm her, er hatte diese Menschen getötet, unbewusst, doch die Schuld lastete wie ein großer Brocken auf ihm und nahm ihm schirr den Atem.
 

„Sian..." hörte er die rasselnde Stimme seiner alten Beschützerin. Neben ihr saß Lehy wie betäubt, ihre Haare waren zerzaust und wenige Strähnen schienen Bekanntschaft mit Feuer gemacht zu haben. Sie sah aus wie jemand, der etwas sehr Wichtiges verloren hatte und ihm wurde klar, dass dieses Etwas nicht gerade unbedeutend war. „T...tut mir..." begann er, doch wurde er von lautem Lachen unterbrochen. Seine Nackenhaare stellten sich sofort auf, denn er erkannte diesen Mann hinter ihm. Allein seine bloße Anwesenheit ließ ihn unbehaglich fühlen, wie aus Reflex spannten sich sämtliche Muskeln in seinem Körper an als warte er nur auf die Gelegenheit, weg zu laufen. Aber auch wenn ihm sein Körper, sogar sein Verstand, das Rennen befahl, so würde er dies nicht machen.
 

Mit standfester Entschlossenheit, die aus dem Nichts kam, drehte er sich zu der gigantischen Gestalt um. Muskeln über Muskeln bespannten den Körper des Riesen und obwohl ihm eigentlich die Knie bei dem Anblick schlottern müssten, so wich er nicht einen einzigen Zentimeter zurück. Er war kein Feigling. Selbst wenn er nichts über sich wusste, so war das das Einzige, was völlig klar war für ihn.
 

Das dröhnende Gelächter erschall aus dem Mund des gefährlich aussehenden Riesen. Und doch war da etwas, was Sian beim ersten Mal gar nicht gesehen hatte. Angst. Moment, blitzte da wirklich Angst in seinen Augen auf? Mit allem hatte er gerechnet, Wut, Mordlust, Spaß an dieser Grausamkeit, doch niemals etwas wie Furcht. So ein Gigant wie Goliath durfte doch keine Angst vor etwas oder jemanden haben, eigentlich fürchtete man sich doch eher vor ihm. Das schien nicht nur ihm aufgefallen zu sein, denn auch die alte Frau neben ihm schien nicht gerade beeindruckt. Vielleicht, aber auch nur vielleicht, wusste die alte Frau mehr über diesen Mann.
 

Das Lachen wurde unterbrochen von einem durchschneidenden Geräusch in der Luft. Niemand sagte etwas, sondern sah nur mit großen Augen auf den Speer, der zwischen dem großen Hünen und ihnen aufragte. Das zischende Geräusch bevor der Speer aufgekommen war, hatte sich in den Kopf des blonden Jungen gebrannt und auch Goliath schien wie gebannt auf den noch wippenden Schaft der Waffe zu sehen. Alle wussten, was dies zu bedeuten hatte: Gefahr! Hier war es nicht sicher und obwohl der erste Gedanke es zu ließ, dass es sich um Goliaths Leute handeln musste, so schien sich dieser ebenfalls mit an zu schicken, von hier zu fliehen. Mama Birga, das erstaunte alle, war schneller auf den Beinen, als man es sich von ihr vorstellen konnte. Diese Frau war flink, wo man Gebrechen erwartete und agil, wo man bei anderen älteren Leuten Langsamkeit und Vorsicht vorfand. Doch diese Frau schien noch viel mehr auf dem Kasten zu haben als es den Anschein hatte. So langsam fragte sich Sian, ob diese Frau überhaupt zu diesem Volk der Räuber gehört hatte, von denen die Mehrheit abgeschlachtet und vom Feuer verbrannt auf dem Boden herumlagen. Traurig, weil er ihnen allen kein Begräbnis zukommen lassen konnte, sah er noch einmal nach hinten, bevor er sich ebenfalls von diesem Platz entfernte.
 

Sie liefen so schnell, dass der Wind beinahe schon neidisch auf die Schnelligkeit wurde, die sie erreichten. Hinter ihnen hörte man ein Zischen, ein enttäuschtes Knurren und diese Mischung aus Geräuschen ließ Sians Nackenhaare steil aufragen. Doch er blieb bei seinen Kameraden, er würde nicht zurück blicken um heraus zu finden, was das war. Erst als sie nichts mehr hörten, keinen Lärm, kein Zischen oder Beben, da blieben sie endlich stehen. Sian fühlte sich...leer. Wenn er es wirklich beschreiben müsste, dann war, dass das passende Wort. Menschen waren gestorben, die Leichen hatten sich in seinen Kopf gebrannt. Seine Gedanken wurden zu einer tödlichen Spirale, die sich immer weiter ins Negative zog bis er fast schon weinte. Doch da lag eine Hand auf seiner Schulter, ganz plötzlich, und ehe er wusste was das sollte, merkte er das tröstliche Gefühl, der ihm ausgerechnet der Mann mit der Harkennase schenkte.
 

Moment! Wo kam er denn bitte her? Ungläubig blickte er in die blaublassen Augen, die ihn scheinbar aufmuntern oder trösten wollten. Sollte er die anderen Fragen? Doch diese schienen mit sich selbst beschäftigt sein. Nun gut, wenn der einstige König der Räuber mit ihnen gehen wollte, dann ließ er ihm eine Chance. Nur mulmig war ihm dabei, denn dieser Mann hätte ihn vor 24 Stunden gerne tot gesehen.
 

„Sollen wir Feuer machen?" fragte die vernünftige Stimme der jungen Frau, die ungefähr in seinem Alter sein musste. Obwohl Lehy wirklich erschöpft aussah, würde sie an ihre Grenzen gehen und noch viel weiter, damit alle sicher waren und es ihnen gut ging. Fragend blickte sie in die Runde, um nach Zustimmung zu suchen und diese bekam sie auch.
 

Sian und sie suchten also etwas Feuerholz, was ihnen schnell gelang während Mama Briga zusammen mit Enar, so hieß der Mann mit der Harkennase wie Sian nun herausfand, das Nachtlager herrichtete. Nicht viel später versammelten sich alle um das Feuer, das mit leisem Knacksen und Ächzen vor sich hin brannte. Tröstende Wärme überfiel die vier Personen, die nun nach dieser Nacht den nächsten Morgen beinahe schon herbeisehnten um zu vergessen, was ihre Augen erblickten. Das Feuer prasselte noch als nach und nach die Augen eines jeden einzelnen zufielen. Die Erschöpfung und die Pein war zu groß um sie noch länger im wachen Zustand ertragen zu können und so begleitete nur die Geräusche des Walds den Schlaf, der ihnen zum Glück zuteil wurde.



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Kommentare zu dieser Fanfic (4)

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Von:  Uran
2018-10-29T23:09:50+00:00 30.10.2018 00:09
wow... ich hab selten so gelacht beim Lesen xDD also schreibe ich einen Kommentar ^^
bin mir relativ sicher, dass ich den anfang schon mal gespielt habe... bei skyrim xDDDDD
Harkennasenmann? Es ist eine Hakennase. Eine Harke ist ein Gartengerät. Oh, ich will diese Nase sehen xDDD
Meine zweitliebste Stelle:
"Auf jeden Fall würde er sich etwas besorgen müssen, um jagen zu können. Vielleicht würde er sich einen Speer oder so etwas machen, er musste ihn nur spitz genug kriegen um durch Fell zukommen. Das Fell könnte er irgendwo verkaufen, es würde sich bestimmt ein Käufer dafür finden. Und vielleicht auch etwas Fleisch, man musste eben nur sehen, an wen man sich dafür genau wendete.
Stunden später hatte der junge Mann einen relativ großen Stock gefunden,den er mit Steinen und viel Geschick spitz machte. Um ihm noch zuschmücken, band er ein paar Federn, die er am Boden gefunden hatte,um den Schaft. Das sollte verdeutlichen, dass dieser Speer jemanden gehörte und zwar ihm allein. Donner sollte denjenigen treffen, der es wagte, ihm diese Waffe wegzunehmen oder zu stehlen."
Du hast noch nie auch nur an einem Stock geschnitzt, würde ich sagen. Geschweige denn ein Tier gejagt/erlegt oder auch nur davon gelesen...oder einen Film gesehen. Solche Dinge sollten man recherchieren, bevor man sie schreibt.
Dasselbe mit diesen random Göttern und Kelten? Die kommen nicht mal aus demselben Kulturkreis. Das ist, als würde ein Buddhist "Insch Allah!" rufen - und wo wir schon dabei sind: Dalaha heißt in einigen arabischen Dialekten Melonen/Titten. xDDD
Lamina hat sich ja offenbar schon mit den Details auseinandergesetzt - du solltest dich dringend an ihre Kritik halten.
Immerhin versuchst du dich an Umgebungsbeschreibungen, das beweist guten Willen...
Allerdings haben deine Figuren keine Dimensionen und Sian ist von Anfang an unsympathisch und so schreibst du ihn auch.
Naja, ich würd dir ein paar gute Betaleser empfehlen, wenn du an der Story denn noch arbeitest. Lamina hilft dir da sicher gerne (?) ^^
Meine Lieblingsstelle ist aber diese hier:
"Also ging er mit, folgte ihnen über gewaltige Felsen und steile Hänge bis er zu einer Baumstadt gelangte. Und wenn er Baumstadt sagte, meinte er nicht in Bäume hineingeschlagene Häuschen, sondern riesige Häuser auf den Wipfel der Fichten, Tannen und zahllosen Laubbäumen, die es hier anscheinend sehr häufig gab und sich in grüner Pracht der Sonne entgegenstreckten. Geblendet von dieser Pracht bemerkte er nicht, wie sich alle vor einer Gestalt verneigten, die auf sie zu ging und nur der scharfe Klang einer Stimme brachte ihn dazu, sich der merkwürdigsten Gestalt zu zuwenden, die er jemals in seinem Leben gesehen hatte, darin war er sich absolut sicher."
Der plötzliche Wechsel von Skyrim zu Lothlorien und dann taucht Mama Birga/Galadriel auf und ist einfach nur alt. Sie und Sian (Siam? Wie die Katzenrasse?) haben wesentlich mehr Chemie als Paar als der offensichtliche Ship mit wie-spricht-man-das-aus-Leichi...^^ ich weiß immer nicht, ob du die angehende Epicness mit absicht oder unabsichtlich tötest, aber es war wirklich extrem lustig xDDD
Vielleicht solltest du etwas weniger offensichtlich von anderen Franchises klauen, ich bin sicher, dass es noch GoT/Vikings Einflüsse gibt, aber das weißt du sicher selbst am besten.
Naja, wenn es dir Spaß macht, lass dir den Spaß nicht nehmen, aber wie schon gesagt: Such dir Leute, die dir damit helfen, damit die Story lesbar wird. ^^
Von:  Lamina
2018-10-22T09:31:07+00:00 22.10.2018 11:31
Achja, was ich noch los werden wollte, du kannst dich gern bei mir melden, wenn du Fragen hast oder ich dir helfen kann. Entweder hier in den Kommentaren oder per ENS. Bis jetzt hast du ja nichts von dir hören lassen, deswegen dachte ich, ich erwähne das mal ^^
Von:  Lamina
2018-10-20T14:51:46+00:00 20.10.2018 16:51
So da bin ich wieder. Also, schön, dass jetzt auch ein Name im Spiel ist und Sian als Name klingt ja schon mal ganz cool ^^ Jetzt zu meiner Kritik.
Du tust dich zum Teil echt schwer mit der Grammatik und würfelst etwas sehr mit den Fällen umher. Schon der erste Satz ist grammatisch falsch weil „dummer Junge“ falsch ist. Und mir ist auch aufgefallen, dass du nach einer direkten Rede kein Komma setzt, was leider auch falsch ist. Also „Ich bin müde“, sagte er. und nicht „Ich bin müde.“ sagte er. Da muss echt ein anderer über deinen Text drüber lesen, weil dir diese Fehler leider entgehen und das liest sich zum Teil anstrengend. Was du auch gern machst ist sehr lange Sätze zu schreiben, als würden dir unterm Schreiben noch Infos einfallen, die du da noch rein drücken willst. Absatz 1 der vorletzte Satz ist so ein Beispiel. Man liest ihn sich durch und muss danach erst mal überlegen, was du gemeint hast (grammatisch ist er leider auch nicht ganz korrekt). Ich möchte mich in der Kritik aber nicht nur auf die Grammatik und Rechtschreibung beziehen, du weißt ja jetzt, dass du da noch einige Male drüber gehen musst oder eben jemanden findest der das macht (da gibt es hier einige gute Leute, die das übernehmen). Mir ist es wichtiger auf deine Charaktere einzugehen und die Handlung. In dem Fall ja vier Figuren, Sian, Birga, Lehy und Enar (oh das muss ich noch los werden, wenn, dann hat er eine Hakennase, keine Harkennase ist sowas wie ein Rechen, ich hoffe mal, dass seine Nase so nicht aussieht.)
Was es so mit Birga auf sich hat, weiß ich ehrlich gesagt nicht. Sie erinnert mich etwas an Rafiki aus dem König der Löwen, der hat auch immer verwirrende Sachen von sich gegeben und manchmal auch mit seinem Stab geraschelt. Ist sie eine Wahrsagerin? Wie eine Hexe kommt sie mir nicht wirklich vor, eher wie eine Schamanin, die scheinbar im ständigen Kontakt zu den Göttern steht. Was ist ihre Motivation? Sie redet auch etwas krass überspitzt als würde sie erzwungen episch wirken wollen (also wenn jemand so mit mir reden würde, als „Mutter der Mütter“, würde ich ihn schon sehr verwirrt anschauen und der ständige Verweis auf Götter und Schicksal mit dir die Pointe aus deinem Werk schon etwas zu früh raus).
Enar kommt hier ja nicht so stark vor, dennoch muss ich zugeben, dass ich ihn gut finde. Es wirkt fast so, als hättest du einen krassen Umschwung mit ihm gemacht, weil er im ersten Kapitel doch sehr verrückt und impulsiv rüber kam (ein bisschen wie die Herzkönigin), hier aber, obwohl er nicht stark vorkommt, gut rüber kommt. Wenn ich auch nicht ganz verstehe, wieso er Sian Trost spendet, obwohl er ihn im Kapitel zuvor noch umbringen wollte, aber gut, er hat gerade alle seine Leute verloren, da ändert sich die Lage doch sehr.
Lehy finde ich an sich auch echt gut, bis auf eine Szene in der ersten Hälfte. Was ist ihr Problem und warum wirkt sie so angepisst?
So und nun zu Sian. Mit ihm habe ich so meine Differenzen. Dafür, dass er kein Gedächtnis hat scheint ihn nichts wirklich zu interessieren. So richtig spricht er mit niemandem, er folgt einfach nur, denkt sich zwar, dass er seinen Weg finden wird, versucht aber gleichzeitig nie etwas herauszufinden. Kann auch sein, dass du einfach nicht gern Dialog schreibst, aber so ist es echt schwer irgendeine Form von Nähe zu deinen Charakteren aufzubauen. Mich würde mehr interessieren wie er mit den anderen spricht, als die Handlung rein über seine Gedanken zu verfolgen und die sind zum Teil etwas sprunghaft. Einerseits will er keine Mutter, dann aber doch. Auch wenn Sian ein guter Name ist, nimmt er einfach so den Namen von einer wildfremden alten Frau an, statt sich selbst einen auszudenken, wenn es ihm doch so hart wichtig ist einen zu haben. Auch hier wird – zumindest am Anfang – wieder deutlich wie sehr man Enar als König anzweifeln soll. Dass Sian, nachdem er seine Namen bekommen hat, extra zu Enar noch sagen muss, dass er nicht vor ihm kniet, wirkt auf mich nicht mutig, sondern wie eine Trotzreaktion, damit er ihm ja auch rein würgen kann, dass er ihn nicht leiden kann. Sian müsste an einigen Stellen vernünftiger rüber kommen, wenn du willst, dass man ihn für mutig und schlau hält. So kann man ihn leider nicht nachvollziehen. Er tut irgendwie auch alles was Birga ihm sagt, ohne das in Frage zu stellen oder überhaupt nachzufragen. Ich meine er muss sich doch wundern, dass eine alte Frau sich so in sein Leben einmischt, statt es einfach hinzunehmen, als wäre es völlig normal.
So wie sich das liest, wird er wohl auch mit Lehy zusammen kommen. Das finde ich an der Stelle in Kapi 2 auch etwas verfrüht, dass er sich denkt „Seit sie ihn gerettet hatte, war er das Gefühl nicht losgeworden, dass sie beide etwas verbinden würde, das weit über eine bloße Freundschaft hinausgehen könnte.“ Er hat kaum ein richtiges, tiefgründiges Gespräch mit ihr geführt, wie kann er dann also so eine Verbindung fühlen?

Eigentlich hatte ich nicht vor, dass es so lang wird, deswegen mach ich hier mal den Cut und komme zum Fazit. Ich finde nach wie vor, dass es eine gute Idee ist mit Potential zu einer richtigen Handlung, daran hat sich nix verändert. Aber so, wie die zwei Kapitel bis jetzt sind, stehst du noch am Anfang. Hol dir dringend jemanden, der da über die Grammatik und Rechtschreibung drüber geht und die Fehler ausbügelt, das ist ja noch das Leichteste. Dein Charakterkonzept vom Protagonisten ist leider nicht nachvollziehbar und auch fragwürdig. Aber wie gesagt, ich weiß nicht, ob du das nicht auch einfach willst. So wie er sich in manchen Situationen benimmt ist er mir immer noch unsympathisch und irgendwie verurteilt/urteilt er viel zu schnell. Wenn du möchtest, dass er wie der mutige, standhafte und schlaue Kerl rüber kommen soll, musst du seinen Charakter neu umschrauben und ihn auch mehr reden lassen. Generell brauchst du wirklich mehr Dialog, deine Charaktere wirken so zu flach, weil man ihre Gedanken nicht vor sich hat, sondern nur die Einschätzungen von Sian.

So, ich hoffe das hilft dir weiter. Bleib auf jeden Fall am Ball, vielleicht kommt hier ja auch noch mehr, ich würde es jedenfalls lesen :)
Von:  Lamina
2018-10-18T22:49:41+00:00 19.10.2018 00:49
Ok, ich hoffe du nimmst mir das nicht übel, ich versuche mich auch kurz zu fassen. Die Idee finde ich gut, man möchte gern wissen, was deine Figur so durchmacht und wer er ist. Deine Art zu schreiben macht es aber etwas schwer es zu lesen und es zieht sich auch, weil deine Figuren zu wenig miteinander reden und du von einem Geschehen zum anderen springst und alles runter erzählst. Ich hab auch ehrlich gesagt keine Ahnung wie es da so aussieht, da hätte ich gern mehr Beschreibung. Und, ich weiß nicht, ob das von dir so gewollt ist oder nicht, aber dein Hauptcharakter kommt irgendwie unsympathisch und auch ein bisschen dümmlich rüber, besonders wenn er mit dem König spricht. Wenn ich einem König gegenüber stehen würde, der scheinbar echt Aggressionsprobleme hat, würde es mich schon interessieren, um er die Umgangsweise gewöhnt ist oder nicht. Ich mein er ist kurz davor geköpft zu werden und dem Kerl ist das offenbar total egal ob er lebt oder stirbt. Man merkt auch, dass du den König echt nicht leiden kannst. Er ist eine Art König, oder eben Anführer, aber du stellst ihn echt negativ da als sei er hyper impulsiv ein "Narrenkönig" "königlicher Idiot" usw. das macht deine Hauptfigur wie gesagt irgendwie unsympathisch und man fragt sich auch ein wenig, warum der König überhaupt König ist, wenn er scheinbar so unbrauchbar und lächerlich ist. Irgendwas wird er ja drauf haben, sonst wär er kein Anführer, denk ich mal. Grammatik und Rechtschreibung sind hier und da auch ein bisschen holprig und solche Sachen wie "Stunden später hatte der junge Mann einen relativ großen Stock gefunden", haben mich auch gewundert weil er doch im Wald ist und Stunden braucht um einen Stock zu finden. Wie gesagt, an sich finde ich die Idee gut und ich hoffe, dass dir das irgendwie weiter hilft (manche nehmen Kritik ja eher zu negativ auf, aber mir ist es wichtig die richtigen Denkanstöße zu liefern). Wenn du dich dahinter klemmst und daran arbeitest, wirst du die Schwachpunkte sicher schnell ausbügeln. Ich spring mal weiter zu Kapitel 2 ^^


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