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Something Worth Fighting For

»[AcexOC]«
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo und herzlich Willkommen zu meiner allerersten Fanfiction. :D

Um ehrlich zu sein - ich hab gar nicht so viel zu sagen haha

Außer, dass ich lange genug gezögert habe meine Geschichte online zu stellen. Jetzt will ich einfach nur auf 'Geschichte speicher' drücken, bevor ich noch einen Rückzieher mache. :)

Sonst noch was? Aja. Ich habe 20 Kapitel + einem Special vorgeschrieben. Geplant sind ca. 30/höchstens 40. Ich werde sie auf jeden Fall beenden und hoffe, dass ihr mich bei meiner ersten öffentlichen Geschichte begleitet. Posten werde ich vermutlich immer Montags, einfach weil wegen Montag haha

Wie jeder andere auch würde ich mich mega auf jegliche Art von Rückmeldung freuen. Lasst ruhig alles raus was euch so stört/auffällt/gefällt.

Ein Cover gibt es in meinem Profil. Für alle die es interessiert. :)

Joah. Zum Schluss sag ich nur noch: Viel Spaß mit dem ersten Kapitel! :D Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Das Kapitel hat ganze 5.763 Wörter. Ich wünsch auch viel Spaß mit jedem einzelnen ;) Komplett anzeigen

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Beloved Daughter

„Nie im Leben werde ich mich von einer Frau herumkommandieren lassen! Wie alt ist sie? 19? Die kann mir höchstens im Bett Befehle geben!“ Daraufhin ertönte ein verhaltenes Gelächter auf dem Übungsplatz, als ein überaus mutiger Soldat meinte, große Töne spucken zu müssen.
 

Garp, der mit verschränkten Armen neben der jungen Frau stand, musterte den Auszubildenden eingehend, der mit seinem Spruch für unangebrachte Stimmung sorgte. Genauso unerfahren wie alle anderen hier und doch mangelte es ihm nicht an Selbstbewusstsein. Das waren ihm die Liebsten.
 

Mit einem abwartenden Gesichtsausdruck sah er nach links unten und musste sich ein Schnauben verkneifen. Die Göre – so bezeichnete er sie gerne trotz ihren 18 Jahren - zeigte keinerlei Gefühlsregungen. Niemand konnte wirklich sagen was sie im Moment dachte. Wie ihr Vater – und das war keineswegs positiv gemeint…
 

Während also Vizeadmiral Garp über die Tochter des roten Hundes nachdachte, kam Bewegung in die Rothaarige. In ihren schwarzen Boots schritt sie auf die Soldaten zu, die akkurat in einer Reihe standen. Es waren nicht viele. Dieses Jahr Dreißig die es bei der Marine versuchen wollten. Und diese angehenden Soldaten sollten heute unter Nikiras Obhut sein, aber anscheinend gab es einige, die ein Problem damit hatten.
 

Mit einem finsteren Ausdruck im Gesicht besah sie sich jeden einzelnen der blutigen Anfänger. Keiner von ihnen hatte Ahnung was sie noch erwarten würde und das entlockte der jungen Frau ein trockenes Lächeln. Sie würden sich noch wundern…
 

„Wer von euch hat denn noch ein Problem damit von mir trainiert zu werden?“, fragte Nikira eisig und wandte sich mit dem Oberkörper zu den Männern in der Uniform.
 

Sofort schoss ein Arm nach oben; von wem war unschwer zu erraten, doch die 18-Jährige achtete nicht auf ihn. Sie beobachtete stattdessen, wie sich die anderen zaghafte Blicke zuwarfen und sich unsicher waren, ob sie es ihm gleichtun sollten. Schlussendlich wurden vereinzelt ein paar Arme gehoben, doch der Großteil behielt sie unten.
 

Wusste sie es doch. Ein verächtliches Schnauben verließ ihren Mund.
 

„Kommt schon, Jungs! Gebt es doch zu, dass sie euch höchstens das Essen an den Tisch bringen kann“, stachelte der aufmüpfige Junge von vorhin und ging provokant einen Schritt nach vorne.
 

Der Blick den Garp dem Auszubildenden zuwarf, war schon beinahe mitleidig. Er hatte einfach keine Ahnung wer da mittlerweile vor ihm stand.
 

Nikira, die keinen Meter von ihm weg stand, verschränkte die Arme vor ihrer Brust. Sie war bis jetzt überraschend ruhig geblieben, aber jetzt hatte sie ihre Grenze erreicht.
 

„Fertig?“, kam es ihr kühl und unbeeindruckt über die Lippen. Sie hatte genug von seiner Großspurigkeit.
 

Der junge Mann fing jedoch nur an zu grinsen und straffte die Schultern. „Erst, wenn du vor mir auf die Knie gehst.“ Dabei streckte er mit einem anzüglichen Lächeln die Hand nach ihrer Wange aus. Das hätte er nicht sagen sollen. Schneller als er schauen konnte, packte Nikira zwei seiner Finger und schlug mit einer gezielten Bewegung an einen Punkt unter seinem Hals.
 

Mit einem erschreckend ausdruckslosen Gesicht sah sie dabei zu, wie er mit einem schmerzverzerrten Gesicht zu Boden ging und panisch anfing zu zappeln. Er bekam keine Luft mehr. Sie sah auf ihn herab und genoss den Anblick, wie er seine gebrochenen Finger an sich drückte und mit seinen Füßen strampelte. Das Röcheln war wie Musik in ihren Ohren und zauberte ein unheimliches Grinsen in ihr Gesicht.
 

Sie wandte schließlich ihren Blick von ihm ab und betrachtete die anderen, die die Situation mit großen ängstlichen Augen verfolgten. „Jemand ein Problem damit von mir ausgebildet zu werden?“, stellte sie dieselbe Frage wie vorhin und entfernte sich ein wenig von dem am Boden liegenden Mann. Langsam lief er blau an, aber das interessierte sie nicht wirklich.
 

Nach ihren Worten kam Bewegung in die anderen zukünftigen Soldaten. Hektisch stellten sie sich in Position, spannten deren Körper an und starrten stumm gerade aus. Keiner wagte sich zu bewegen; sie hatten zu sehr Angst, dass ihnen dasselbe passierte wie dem Mann auf dem Boden.
 

Bei dem Anblick durchfuhr die 18-Jährige ein Hauch an Zufriedenheit, den Garp zunichtemachte. „Nikira! Ich glaube es reicht.“ Seine mahnende Stimme ertönte über den Übungsplatz und ließ keine Widerrede zu. Sie sah desinteressiert zu ihm, doch ihr Interesse lag auf dem jungen Mann, der auf sie zugelaufen kam.
 

Keuchend blieb er ein paar Meter von Garp entfernt stehen, salutierte und meinte schluckend: „Vizeadmiral Garp. Die Admiräle lassen ausrichten, dass sie unverzüglich mit Nikira reden müssen. Es ist dringend.“ Der Angesprochene nickte und schickte ihn wieder fort.
 

„Du hast es gehört. Sorg dafür, dass der Jungspund wieder atmen kann und dann hau ab“, brummte Garp und kam auf sie zu, doch sie dachte gar nicht daran, dass zu tun was er sagte.
 

Deswegen wandte sie sich von dem am Boden liegenden Mann ab und schritt an dem alten Mann vorbei. Dieser knirschte mit den Zähnen. „Nikira! Bleib sofort stehen!“
 

Diese hob ihre Hand ohne sich umzudrehen. „Zweieinhalb Zentimeter unter dem Kinn. Starker Druck“, kam es trocken über ihre Lippen und ließ damit einen wütenden Garp und panische Soldaten zurück, die prompt auf den erstickenden Mann zu liefen und versuchten ihm zu Helfen.
 


 

Während Garp mit den anderen versuchte zu verhindern, dass der Mann starb, ging Nikira auf das Besprechungszimmer zu. Dort wurden ebenfalls die Versammlungen mit den anderen Vizeadmirälen abgehalten, aber diente auch als Büro für die Admiräle. Nur der Generalkommandant Kong und der Großadmiral Sengoku hatten einen eigenen Raum. Der Weg dorthin war geschmackvoll und hell eingerichtet. Ganz anders als einen Stock tiefer, wo die Verhöre durchgeführt wurden. Dort glich es schon beinahe Impel Down.
 

Die zwei Soldaten die vor der großen Tür positioniert waren, salutierten hektisch vor ihr und öffneten eilig die Barriere. Die Rothaarige würdigte die zwei Männer keines Blickes und setzte ihren Weg fort, bevor das Tor ganz geöffnet wurde.
 

Kaum kam sie vor der großen Couch, den zwei Sesseln und dem Glastisch zum Stehen, ging sie wie mechanisch in die Knie und senkte ihren Kopf. Wie es ihr beigebracht wurde. Sie hatte zu warten, bis einer der Männer vor ihr seine Stimme erhob. Erst dann durfte sie den Mund aufmachen. Wie es sich gehörte. Die Rothaarige vernahm das Rascheln von Stoff und war sich sicher, dass ihr Vater gerade in seine übliche Position verfiel.
 

„Nikira, meine geliebte Tochter“, raunte ihr Vater, während sie sich sicher war, dass ein süffisantes Grinsen sein Gesicht zierte. Auch wenn er das Wort ‚Tochter‘ benutzte, so war es keinesfalls liebevoll. Vielmehr kam es lächerlich und kalt aus seinem Mund. Jede andere wäre vermutlich gekränkt über diese Tatsache, doch nicht Nikira. Viel zu früh hatte sie gelernt mit der Ablehnung ihres Vaters zurecht zu kommen.
 

Ohne ihren Blick zu heben antwortete sie: „Vater.“ Ihre Stimme klang eiskalt. Beherrscht.
 

„Erhebe dich, Tochter.“
 

Sie tat wie ihr befohlen und blickte starr in die Runde. Wie zu erwarten waren auch Kizaru und Aokiji anwesend. Es schien tatsächlich von Belangen zu sein, wenn sich alle drei Admiräle hier befanden. Ob sie sich endlich der Öffentlichkeit zeigen durfte? Nach all der Zeit im Marineford und der ganzen Geheimnistuerei um ihre Person, wollte sie endlich aufs Meer. Hier konnte sie nichts ausrichten. Unbewusst presste sie bei dem Gedanken ihren Kiefer fest zusammen und wartete gespannt auf die Worte ihres Vaters. Dabei klopfte ihr Herz bis zum Hals.
 

„Sag, Nikira. Was ist dein größter Wunsch?“, fing stattdessen Kizaru höhnisch an und schob seine Lippen dabei nach vorne. Sie straffte ihre Schultern und blickte ihm direkt in die Augen, ehe sie zu einer Antwort ansetzte.
 

„Eine gerechte Welt, Admiral Kizaru. Eine Welt, in der Recht und Ordnung herrscht. Eine Welt, in der die Gesetze der Weltregierung eingehalten werden und die Marine als Symbol der Gerechtigkeit verehrt wird. Eine Welt ohne Piraten.“ Das Wort ‚Piraten‘ spuckte sie förmlich aus und ballte währenddessen ihre Hände zusammen. Wie so oft flammte in ihr eine unbändige Wut auf, die sie nur schwer kontrollieren konnte. Dieses Gesindel war ihr zuwider. Raubten und mordeten ohne schlechten Gewissens. Sie hatten es nicht verdient zu leben.
 

„Sehr schön. Diese Antwort bekräftigt uns in der Annahme, dass du die richtige Wahl für die kommende Mission bist.“ Akainu lehnte sich bei der kurzen, aber durchaus erkennbaren Gesichtsregung seitens Nikira zufrieden nach hinten und legte seinen rechten Arm auf die Lehne.

Jeder im Hauptquartier der Marine wusste, dass die junge Rothaarige es kaum erwarten konnte auf See zu fahren.
 

Nikira straffte ihre Schultern und reckte ihr Kinn ein wenig nach oben. „Was wird meine Aufgabe sein?“, fragte sie hart und konnte ein aufregendes Pochen ihres Herzes nicht unterdrücken. So sehr sie sich auch bemühte ihre Gefühle im Griff zu haben, gegen diese unglaubliche Freude, nach 18 Jahren endlich diese Insel verlassen zu dürfen, war sie nahezu machtlos. Nahezu, denn trotz innerer Unruhe blieb ihr Gesichtsausdruck ausdruckslos.

Auf eine Antwort wartend, ließ sie ihren Blick von Mann zu Mann wandern.
 

Der gelbe Affe hatte wie immer ein merkwürdiges Lächeln im Gesicht. Ihr Vater, der rote Hund, schien mit der Situation höchst zufrieden zu sein. Doch derjenige, der für ein paar Millisekunden länger ihre Aufmerksamkeit zuteil bekam, war der blaue Fasan. Grund war seine unergründliche finstere Mine. Doch Nikira hatte nicht lange Zeit darüber nachzudenken, denn ihr Vater zog durch seine Bewegung nach vorne ihr Interesse auf sich.
 

Mit Argusaugen verfolgte sie jeden Millimeter den er tätigte, als er mit seiner Hand eine Akte auf dem Tisch in ihre Richtung schob. Darauf war groß und in roter Farbe ein ‚X‘ gezeichnet. Ihre Neugier wuchs und nur mit Mühe konnte sie ihren Blick davon losreißen, als ihr Vater abermals die Stimme erhob.

„Du wirst uns Feuerfaust Ace ausliefern.“ Seine Stimme war ungewöhnlich laut in dem sonst so leeren Raum und dennoch brauchte die Rothaarige einen Moment, um die gesagten Worte zu verstehen.
 

‚Du wirst uns Feuerfaust Ace ausliefern‘
 

Immer wieder wiederholte sie diesen Satz in ihrem Kopf. Wort für Wort. Buchstabe für Buchstabe.
 

‚Du wirst uns Feuerfaust Ace ausliefern‘
 

Sie hatte sogar aufgehört zu atmen, um sich eben Gesagtes zu verdeutlichen.
 

‚Feuerfaust Ace‘
 

Das sollte also ihre erste Mission werden. Ein düsteres Grinsen zierte langsam ihr Gesicht. Sie hatte schon viel von dem Mann gehört, der es schaffte allein durch seine Abstammung die gesamte Wut der Marine auf sich zu ziehen.
 

„Tod, oder lebendig?“, fragte sie daher kühl. Wie sehr hoffte sie, dass die Antwort zu ihren Gunsten ausfallen würde.
 

„Lebendig natürlich. Die ganze Welt soll dabei zusehen, wie Feuerfaust Ace der Gerechtigkeit unterliegt.“ Ihr Vater reckte sein Kinn in die Höhe. Wie sie zuvor auch.
 

Bei dieser Antwort bröckelte das Grinsen der Rothaarigen. Stattdessen presste sie ihr Kiefer fest aufeinander. Das war nicht das was sie hören wollte. Ganz und gar nicht. Dennoch würde sie es nicht wagen ihre Gedanken laut auszusprechen.
 

„Wo befindet er sich?“, wollte sie wissen.
 

„Auf der Moby Dick natürlich.“ Leicht überrascht zog sie bei dieser Antwort eine Augenbraue nach oben. Sie hatte eher damit gerechnet ihn derzeit auf irgendeiner Insel zu finden. Bei einem Auftrag oder dergleichen. Stattdessen wurde ihr gerade erzählt, dass er sich auf dem Schiff von Whitebeard, einem der vier Kaiser, befand.
 

Sie verschränkte ihre Arme. „Und wie soll ich ihn euch ausliefern, wenn er sich auf diesem Schiff befindet? Whitebeard wird ihn mir wohl kaum so mir nichts dir nichts überlassen.“

Ihn unbemerkt außer Gefecht setzen war ein Ding der Unmöglichkeit.
 

„Korrekt. Und genau deswegen wirst du ein Mitglied seiner Crew.“ Akainu hatte ein überlegenes Grinsen im Gesicht und war sichtlich stolz auf seinen Plan. Doch nicht so Nikira. Diese lachte zur Überraschung aller kurz und freudlos auf.
 

„Unmöglich“, kam die kurze, aber prägnante Aussage von der 18-Jährigen. Ihr ging nicht ganz ein, wieso der Kaiser sie in seine Mannschaft aufnehmen sollte. Sie war von der Marine. Der natürliche Feind der Piraten.
 

„Nicht, wenn du eine gefangene Piratin der Marine bist und auf der Schwelle des Todes stehst“, lautete die Antwort und ließ einen Schatten über das Gesicht von Nikira huschen. Es war nicht der zweite Teil der ihr prompt zu denken gab, sondern der erste. Sie sollte zu einer dieses Abschaums werden? Unbewusst hatte sie sich verkrampft und warf Kizaru einen wütenden Blick zu, der bei ihrer Reaktion angefangen hatte zu lachen. Sie hasste es ausgelacht zu werden. Vor allem, wenn es jemand von den Admirälen tat.
 

Doch statt darauf zu reagieren, schwieg sie für einen Moment, nahm die Akte von dem Tisch und sagte dann: „Gut. Wann beginnt meine Mission?“
 

„In drei Wochen. Du wirst gemeinsam mit Vizeadmiral Kranich auf See fahren. Es wird vermutlich ein paar Tage dauern, bis du auf Whitebeards Schiff treffen wirst. Alles Weitere steht in der Akte.“ Akainu lehnte sich nach vorne, stützte seine Ellenbogen auf den Knien auf und faltete seine Hände zusammen. Ohne eine Antwort zu geben, salutierte sie, drehte sich auf dem Absatz um und verschwand mit wehenden Haaren zügig aus dem Raum.
 

Sie wusste nicht was sie von dieser Mission halten sollte. Die bisherigen Details die sie wusste waren zwar nicht genug um etwas darüber sagen zu können, aber dass sie sich anscheinend als Piratin ausgeben sollte reichte ihr. Ihr wäre etwas mit mehr Action um einiges lieber gewesen, aber sie befand sich nicht in der Position um zu reklamieren.
 

Wie von selbst wanderten ihre Augen zu dem Gegenstand in ihrer Hand. Darin sollten sich alle zusätzlichen Details befinden. Von einer möglichen neuen Identität, bis hin zu Informationen jeder wichtigen Person der Whitebeard-Piraten. Eine Welle der Neugierde machte sich in ihr breit. Sie konnte es gar nicht abwarten, bis sie die Akte öffnen konnte, aber damit musste sie sich bis heute Abend gedulden. Jetzt musste sie sich erstmal zum Trainingsgelände begeben.

Her Duty

Die nächsten Tage vergingen für Nikira wie im Flug. Durch das Training, welches verdoppelt wurde, fiel sie abends immer erschöpft ins Bett. Auch hatte sie für ihre Mahlzeiten immer nur begrenzt Zeit und so passierte es ab und zu, dass sie ihr Frühstück oder Mittagessen ausfallen lassen musste. Wenn dies nur ein paar Mal so kommen würde, wäre alles nur halb so schlimm, doch auch gestern war sie nur mit ein paar Bissen ihres Apfels ins Bett gegangen.
 

Deswegen stand sie heute schlecht gelaunt beim Ankerplatz und wartete auf Vizeadmiral Kranich, um endlich zu ihrer Mission aufzubrechen. Zuvor hatte sie noch andere Kleidung bekommen, da sie durch ihr übliches Outfit schnell als Marinemitglied entlarvt worden wäre. Jetzt trug sie eine kurze schwarze Shorts und ein schlichtes weißes Shirt mit Trägern. Ihre praktischen schwarzen Stiefel, die sie im Kampf nicht behindern würden, durfte sie zum Glück behalten. Es war ungewohnt nach all den Jahren normale Kleidung zu tragen. Sonst hatte sie immer ihr Marineoberteil an und dazu den typischen Umhang. Sie musste sich erst daran gewöhnen, soviel stand fest.
 

Als sie an ihr neues Outfit dachte, bemerkte sie nur aus dem Augenwinkel, wie ihr alle neugierige Blicke zuwarfen. Klar, es war nicht nur für sie aufregend. Auch alle anderen hatten mittlerweile mitbekommen, dass die Tochter von Akainu ihre erste Mission hatte. Hinzu kam noch, dass außer den hohen Tieren der Marine und Nikira selbst niemand Bescheid wusste, um was es bei diesem Auftrag überhaupt ging. Also nicht verwunderlich, dass die Rothaarige von allen Seiten angestarrt wurde. Doch die kümmerte diese Tatsache herzlich wenig. Statt sich weiterhin darüber Gedanken zu machen, schulterte sie ihren Sack mit all ihren Habseligkeiten und ging auf die alte Frau zu, die gemeinsam mit Garp dabei war zu ihrem Schiff zu gehen.
 

„Vizeadmiral Kranich, Garp“, begrüßte sie beide salutierend etwas kühl. Mittlerweile wunderte sich niemand mehr über ihre Distanziertheit. So war sie nun mal.
 

„Wie ich sehe bist du bereit um aufzubrechen. Sehr gut“, kam es von Kranich ruhig und musterte die Rothaarige von oben bis unten. Nikira entging dies keineswegs, jedoch sagte sie nichts dazu und ließ sie machen. Deswegen nickte sie nur und festigte den Griff um die Schnur ihres Beutels. Ihr Blick traf sich mit dem von Garp, der einen ernsten Gesichtsausdruck machte.
 

„Dein Vater - er kann leider nicht kommen“, meinte Garp mürrisch und man konnte ihm deutlich ansehen, dass er diese Nachricht nicht gerne überbrachte. Doch Nikira nahm sich diese Botschaft alles andere als zu Herzen. Im Gegenteil. Sie hatte mit nichts anderem gerechnet. Deswegen schenkte sie dem Vizeadmiral einen ausdruckslosen Blick und nickte ihm nur kurz zu, ehe sie sich umwandte und der alten Frau folgte.
 

Doch sie hielt bei der Hälfte leicht überrascht inne, als er ihr etwas hinterherrief. „Komm mir ja heil wieder, Kleine. Und tritt denen kräftig in den Hintern.“
 

Nach diesen Worten hatte sie Anzeichen eines kleinen Lächelns im Gesicht und hob, ohne sich umzudrehen, die Hand zum Gruß.
 

„Mach dir nicht ins Hemd, ojii-san“, waren ihre letzten Worte, die Garp alles andere als passend fand.

„Wen nennst du hier alter Mann?! Komm her und ich prügle dich windelweich, du nichtsnutzige Göre!“, schrie er aufgebracht und ließ alle umstehenden lachen. Jeder hier wusste, wie er auf diesen Kosenamen reagierte. Auch Kranich, die sich gemeinsam mit Nikira an die Reling stellte und dabei zusah, wie das Schiff abfuhr und Garp noch immer am wüten war.
 

„Wir werden einige Wochen unterwegs sein. Du weißt, was du zu tun hast nehme ich an?“, fragte Kranich nebenbei und wandte ihren Blick vom Marineford nicht ab.
 

Nikira tat es ihr gleich; fand die Frage aber unnötig.
 

„Natürlich“, war ihre kurze Antwort und somit war für Nikira das Gespräch beendet. Deswegen machte sie sich auch auf zu ihrer Kajüte und ließ Kranich mit einem nachdenklichen Blick stehen.
 

~
 

In den nächsten Wochen trainierte Nikira. Entweder alleine, oder mit irgendwelchen unbedeutenden Soldaten. Bei der Frage, ob Kranich nicht auch mal mit ihr trainieren wollen würde, lachte diese nur auf und nahm sich einen Schluck aus ihrer Sakeflasche.
 

So blieb ihr nichts Anderes übrig, als sich mit den Soldaten zu begnügen.
 

Als dann die vierte Woche auf See anbrach und Kranich die Nachricht erhielt, dass sich die Whitebeard Piraten nur noch einige Tage entfernt befanden, war Nikira bereits mitten in ihren Vorbereitungen. Sie musste wie eine Gefangene der Marine aussehen und das konnte sie nicht, wenn sie kerngesund auf dem Deck herumhüpfte.
 

Deswegen sah der erste Teil ihrer Mission so aus, dass ihr Hab und Gut von der Marine konfisziert worden war und sie von nun an mit ihren Händen an den Mast festgebunden wurde. Sie durfte nur losgemacht werden, um auf die Toilette zu gehen und sich notdürftig zu waschen. So stand es in der Akte und so würde sie es auch machen. Es würde alles andere als einfach werden, doch sie würde die paar Tage ohne Nahrung aushalten. Immerhin war sie durch die ganzen Strafen, die sie von ihrem Vater erhalten hatte abgehärtet und somit am besten für diesen Auftrag geeignet.
 

So saß sie also auf dem Boden; mit Händen, die um den Mast festgemacht worden waren. Sie langweilte sich jetzt schon und da half es auch nicht, dass die gesamte Besatzung um sie herum angefangen hatte zu Essen. Ihr Magen knurrte bereits so laut, dass sie sich sicher war Seeungeheuer anzulocken. Bereits seit Stunden verharrte sie in derselben Position und langsam aber sicher fingen ihre Gliedmaßen an zu brennen wie Feuer. Um auf andere Gedanken zu kommen, richtete sie ihren Blick starr aufs Meer und versuchte ebenfalls nicht daran zu denken was wäre, wenn sie bereits bei dem ersten Teil ihrer Mission scheiterte. Nämlich auf das Schiff der Whitebeard-Piraten zu kommen. Es bestand immerhin noch die Möglichkeit, dass die Crew auf die Idee kam einfach weiter zu segeln und sie zurückzulassen. Inständig hoffte sie, dass dem nicht so war.
 

„Wieso tust du dir das an, Nikira?“, fragte Kranich wie aus dem Nichts und riss so die Rothaarige aus ihren Gedanken. Diese hob ihren Blick und starrte die alte Frau von unten herauf an. Dabei versuchte sie nicht allzu sehr die Fleischkeule in ihrer Hand anzuglotzen.
 

Nikira runzelte die Stirn; wusste nicht genau was sie damit meinte.
 

„Wieso lässt du dich an den Mast binden, obwohl wir noch Tage brauchen bis wir auf Whitebeard treffen?“, formulierte Kranich genauer, als sie den fragenden Blick der jungen Frau bemerkte. Doch ihr Blick änderte sich nicht. Sie wusste nicht, wieso sie so etwas fragte. Es stand immerhin in der Akte die auch sie gelesen hatte. Es war ihre Pflicht. Und genau das sagte sie der Grauhaarigen auch.
 

Dafür erntete sie einen unverständlichen Blick der alten Frau. „Nein. Es ist Pflicht, dass du eine Gefangene bist. Nicht, dass du halb verhungerst.“, kam es härter als gewollt. Doch dies beeindruckte Nikira nicht. Sie musste alles tun, was für diese Mission notwendig war und das tat sie auch. Auf ihre Art und Weise.
 

„War das alles was du wissen wolltest, oba-chan?“ Die Kälte in ihrer Stimme war kaum zu überhören und bei der Anrede zuckte verärgert das rechte Auge von Kranich. Anscheinend hatte sie noch nie jemand alte Hexe genannt.
 

„Ja. Fürs erste.“ Gleichzeitig mit ihren Worten brummte Nikiras Magen laut auf und verursachte einen leichten Rotschimmer auf ihrem Gesicht, den sie nur schwer ignorieren konnte und mit einem Schlag ihre Gelassenheit untergrub. Kranich schaute mit der Keule im Mund verdutzt auf und fing an zu lachen. Sehr zum Leidwesen Nikiras, die es ja bekanntlich absolut nicht mochte, wenn man sie auslachte.
 

Das Grinsen der alten Frau blieb auf ihrem Gesicht, auch als sie belustigt meinte: „Schön, dann lass ich dich und deinen leeren Magen mal alleine. Der Sake wartet auf mich.“ Mit diesen Worten drehte sie sich um und ließ eine peinlich berührte Nikira zurück.
 

*9 Tage später*
 

Nikiras Augen brannten und ihre Lippen fühlten sich an, als ob sie jeden Moment bröckeln würden. Sie war jetzt nun seit ganze neun Tage hier angebunden und hatte nur selten etwas zu trinken, geschweige denn zu essen bekommen. Ihre Haare hingen ihr ungepflegt ins Gesicht und ihre Haut war bedeckt mit Salz und Schweiß. Hinzu kam noch, dass ihre gesamten Muskeln brannten und sie bestimmt um einige Kilo leichter war.
 

Angestrengt versuchte sie nicht wieder in Ohnmacht zu fallen und konzentrierte sich auf den strahlenden Mond und die unzähligen Sterne, die in der klaren Nacht gut zu sehen waren.
 

Ihre Gedanken waren wirr und abgehakt, doch sie erinnerte sich noch gut daran, als ihr Vater sie für das Zuspätkommen vor allen anderen Soldaten in dieselbe Position gebracht und jedem verboten hatte ihr etwas zu trinken zu geben. Für vier Tage. Länger wäre ihr Körper nicht fähig gewesen und schlussendlich hatte Akainu sich erbarmt und sie losgebunden. Auch wenn zuerst mahnende Worte seitens Aokiji notwendig gewesen waren.
 

Und jetzt war sie in beinahe derselben Situation, nur, dass sie dieses Mal zu trinken bekommen hatte und sich auf einer Mission befand.
 

Wie aus dem nichts hustete sie wie wild drauf los und ließ sie am ganzen Körper zittern. Ihr Magen verkrampfte sich schmerzhaft und schrie beinahe um etwas Nahrung. Ihr wurde abermals schwindelig und für einen kurzen Moment sackte sie in sich zusammen, nur um sich mit aller Kraft wieder etwas aufzurichten. Sie durfte nicht schlafen. Nicht, wenn das Schiff sich in unmittelbarer Nähe befand. Das hatte ihr Kranich vor gut einer Stunde mittgeteilt, als diese nachsah ob die Rothaarige noch lebte. Das tat sie noch. Mehr oder weniger.
 

Mit zusammengekniffen Augen legte sie ihren Kopf in den Nacken und ignorierte den Protest, den ihre Knochen dabei taten. Es war nichts zu hören. Die meisten Soldaten schliefen, oder hielten Wache. Nur leise Musik und Gelächter war zu hören. Moment! Was? Mit einem Mal fing ihr Herz schmerzhaft an zu rasen und verursachte einen kurzen Adrenalinschub. Sie rekte ihren Kopf um irgendwie über die Reling sehen zu können. Doch mit verbundenen Händen ging dies nicht und so war sie auf ihr Gehör angewiesen. Angestrengt lauschte sie in die Ferne hinaus und unterdrückte krampfhaft einen weiteren Hustenanfall.  
 

Doch wie als wäre nichts gewesen, war außer ihrer eigenen abgehackten Atmung nichts zu hören. Hatte sie sich das gerade etwa eingebildet? Wäre aufgrund ihrer Dehydrierung nicht verwunderlich. Musste sie also doch noch weitere Tage in dieser Position verharren? Dieser Gedanke verursachte in Nikira ein unangenehmes Brennen, welches dieses Mal nichts mit ihrer physischen Beschaffenheit zu tun hatte. Erschöpft ließ sie ihren Kopf sinken, als das Adrenalin verschwand und die altbekannte Müdigkeit zurückkam.
 

Aus diesem Grund bekam sie nur verschwommen mit, als das Mondlicht verdeckt und dadurch das gesamte Deck des Marineschiffes in Dunkelheit gehüllt wurde. Wie ein Rauschen vernahm sie Stimmen die in einer hitzigen Diskussion zu sein schienen. Sie mussten ganz nahe sein, denn sonst wäre es ihr in ihrem Zustand nicht möglich jemanden zu hören. Mit aller Kraft versuchte sie ihren Kopf zu heben, der tausend Tonnen zu haben schien und wäre sie bei klarem Verstand, würde ihre Reaktion anders ausfallen als in diesem Moment. Denn als sie sah wer da vor ihr stand, zierte schon beinahe ein Lächeln ihr Gesicht.
 

Noch ehe sie darüber nachdenken konnte was sie sagte, kam ihr ein gehauchtes ‚Hilf mir‘ über ihre spröden Lippen und als wäre dies das Stichwort für das Durchschneiden ihrer Armfesseln gewesen, kippte ihr Oberkörper wie von selbst nach vorne. Halb bei Bewusstsein erwartete sie den harten Aufprall, doch der Schmerz den sie bereits kommen gesehen hatte kam nicht. Stattdessen wurde sie von jemanden aufgefangen der eine unglaubliche Wärme ausstrahlte. Erschöpft wollte sie ihre Augen öffnen, doch sie gehorchten ihr nicht. Vielmehr schlich eine Dunkelheit durch ihren Körper, die sie nach ein paar Sekunden komplett einnahm. Die letzten Worte welche sie mitbekam waren: „Keine Sorge. Jetzt bist du in Sicherheit.“
 

*eine unbestimmte Zeit später*
 

Nikira hörte weit entfernt Stimmen. Viele auf einmal. Doch sie konnte nicht sehen zu wem die Stimmen gehörten und das wurmte sie. Es war alles schwarz um sie herum und dies kam ihr nur allzu bekannt vor. Deswegen versuchte sie mit aller Kraft ihr Bewusstsein wieder zu erlangen, um den Stimmen ein Gesicht zuordnen zu können.
 

Denn jetzt vernahm sie nur einzelne Gesprächsfetzten aus denen sie sich keinen Reim machen konnte.
 

„...woher…wer…spinnst du….“
 

„….nein….hübsch…bei mir schlafen….“
 

Ohne es zu merken zuckte sie mit ihrem Zeigefinger und erregte so die Aufmerksamkeit der Anwesenden. Die Stimmen wurden lauter und irgendjemand war dabei sie an ihrer Schulter zu berühren. Und das war der Anstoß für Nikira aufzuwachen. Schneller als man schauen konnte, packte sie die Hand, welche sie minimal berührte am Gelenkt und setzte sich gleichzeitig ruckartig auf. Sie hatte tief Luft geholt und ließ ihre Augen nervös umherwandern.
 

Ihr Herz raste unangenehm, als sie drei Männer überrascht ansahen. Viele Gedanken rasten durch ihren Kopf, aber ein Wort stach immer wieder heraus – Piraten!
 

„Woah. Keine Panik, Süße“, sagte einer der drei mit einer merkwürdigen Haartolle und einem schwarzen Bart. Wachsam verfolgtes sie jede seiner Bewegung. Sie war auf alles gefasst.
 

„Thatch hat Recht. Beruhig dich erstmal und leg dich wieder zurück. Schnelle Bewegungen sind nicht sehr förderlich für deine Gesundheit.“ Nikiras Blick wanderten zu dem Arzt des Schiffes. Zumindest verriet dies seine weiße Kleidung und das Stethoskop um seinen Hals. Auch war er derjenige, dessen Handgelenk sie fest umklammert hielt. Schnell ließ sie es los und nahm stattdessen das Glas Wasser entgegen, welches sie gereicht bekam. Nikira rief sich in Erinnerung, dass diese drei Personen zwar Piraten waren, aber im Moment nicht wirklich zu ihren Feinden zählten.
 

Der dritte im Bunde hatte sie bis jetzt nur angesehen und kein Wort gesagt. Seine Frisur glich einer Ananas von der sie schnell wieder den Blick nahm, als sie bemerkte, dass sie ziemlich lange gestarrt hatte. Ihn in echt zu sehen war wieder etwas komplett anderes, als nur seinen Steckbrief vor Augen zu haben.
 

Die ganze Zeit hatte Nikira die drei nicht aus den Augen gelassen. Sie wusste nicht wie sie sich fühlen sollte. In den ganzen Jahren hatte sie sich immer nur vorgestellt, wie es wäre Piraten gegenüberzustehen und dabei endete es immer so, dass sie ihr Schwert in den Körper des Abschaums versenkte und nicht, dass sie ein Glas Wasser trank während sie schon beinahe lächerlich besorgt gemustert wurde.  
 

Doch wenigstens eine Tatsache erfüllte sie mit einer gewissen Erleichterung. Feuerfaust Ace befand sich nicht in diesem Raum. Diese Erkenntnis ließ sie sich langsam wieder zurück ins Bett legen. Sie fühlte sich so ausgelaugt sehr hilflos und mit zwei Kommandanten der Whitebeard-Piraten in unmittelbarer Nähe, unwohl. Würde sie einen Fehler machen und ihre wahre Identität preisgeben, wäre es ihnen ein leichtes sie auf der Stelle umzubringen. Sie musste sich zusammenreißen.
 

„Wer seid ihr?“, fragte sie deshalb mit krächzender Stimme zögerlich und erntete daraufhin zwei grinsende und ein gelangweiltes Gesicht. Natürlich kannte sie jeden von ihnen, doch Unwissenheit war in ihrer Situation am sichersten und würde ihr keine unangenehmen Fragen bescheren.
 

Auf ihre Frage hin verbeugte sich Thatch beinahe lächerlich tief und antwortete mit einem Grinsen im Gesicht: „Thatch. Kommandant der vierten Division. Stets zu Ihren Diensten holde Maid.“ Nach dieser feierlichen Vorstellung konnte Nikira nicht anders als ihre Augenbrauen nach oben zu ziehen. Sie konnte nicht glauben, dass dieser Mann vor ihr zur gefürchtetsten Piratenbande der Welt gehörte. Er war so…lächerlich.
 

Als nächstes war der Arzt an der Reihe. „Tao. Arzt am Bord des Schiffes. Freut mich dich kennenzulernen.“ Er lächelte sie freundlich an und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. Nikira nickte ihm langsam zu und befand ihn als unwichtig für die Mission. Auch, wenn er ihr vermutlich das Leben gerettet hatte.
 

Der Phönix Marco, wie man ihn in der Marine nannte, hatte seine Arme verschränkt und schien als einziger nicht so gut drauf zu sein. „Marco. Kommandant der ersten Division. Doch viel wichtiger ist die Frage wer du bist.“ Seine Stimme klang ruhig und Nikira musste sich ein verächtliches Grinsen verkneifen. Er gehörte also zur skeptischen Sorte.
 

„Ich heiße Nikira und ich danke euch dafür, dass ihr mich gerettet habt. Ohne euch wäre ich nie von diesem Marineschiff gekommen. Danke“, sprach sie mit Bedacht und versuchte so glaubwürdig wie möglich rüber zu kommen. Dankesreden waren nicht ihre Stärke. Vor allem nicht an Piraten und so konnte sie es nicht verhindern, dass ihre Stimme die übliche Emotionslosigkeit aufwies. Doch anscheinend wirkte es trotzdem, denn Thatch und Tao winkten die Sache ab.
 

„Kein Ding. Bei so einer Schönheit wie dir konnte ich gar nicht anders. Auch wenn du in dem Moment alles andere als lebendig ausgesehen hast“, kam es von Thatch, der ihr kurz zugezwinkert hatte. Sie nickte ihm zu. Wenn er wüsste wen er da ‚gerettet‘ hatte.
 

„Red‘ keinen Scheiß, Thatch. Ace war derjenige der sie heldenhaft gerettet hat. Du hast nur zugesehen“, kam es augenverdrehend von Marco und ließ Nikira aufmerksam werden. Ace hatte sie hierhergebracht? Interessant.
 

Sie schreckte leicht auf, als ihr jemand die Hand auf die Schulter legte. Nur mit Mühe konnte sie unterdrücken die Hand unwirsch von ihr zu wischen. „Alles ok, Nikira? Du wirkst so angespannt.“ Der besorgte Unterton in Tao’s Stimme war kaum zu überhören und ließ Nikiras Alarmglocken schrillen.
 

„Ehm, nein. Alles ok. Ich bin nur furchtbar müde. Das ist alles“, räusperte sie sich und rieb sich die Augen um glaubwürdiger zu wirken. Verflucht nochmal! Sie musste wirklich besser aufpassen. Sie durfte sich keine Fehler erlauben.
 

„Oh, natürlich. Wie unhöflich von uns. Wir sollten jetzt gehen und dich schlafen lassen“, kam es sofort von Thatch und machte sich schon daran Marco vor sich nach draußen zu schieben.
 

Auch Tao folgte ihnen und winkte ihr nochmal, ehe sie hinter sich die Tür schlossen und sie alleine war. Die Anspannung fiel prompt von ihr ab und erleichtert ließ sie sich zurückfallen. Sie fuhr sich mit ihren Händen übers Gesicht. Tief in ihr fragte sie sich, wie sie ihre Mission schaffen sollte. Die paar Minuten waren für sie eine Herausforderung gewesen. Wie sollte sie also Tage, Wochen und Monate überstehen?

Mighty Whitebeard

Die nächsten Tage verbrachte Nikira noch auf der Krankenstation und erhielt ab und zu Besuch von Thatch. Anfangs war es ihr zuwider, da seine gute Laune ihr auf die Nerven ging und die Tatsache, dass er Pirat war all ihre moralischen Ansichten untergrub. Doch irgendwann hatte sie gelernt einfach auf Durchzug zu schalten. Ab und zu nicken reichte vollkommen, auch wenn ihr dies schwerer fiel als zugegeben. Immerhin verabscheute sie Piraten zu tiefst und dabei war der Fakt, dass sie ab jetzt für eine unbestimmte Zeit auf einem Piratenschiff leben musste, nicht sehr förderlich. Sie konnte sich zwar gut beherrschen, aber auch sie hatte Grenzen.
 

Und heute würde sie sehen, wo diese Grenze lag. Denn heute war der Tag, an dem sie den berühmtberüchtigten Edward Newgate gegenübertreten würde. Sie wusste nicht mal, ob sie überhaupt von ihm aufgenommen werden würde. Wenn nicht, wäre dies eine Katastrophe.
 

Unbewusst hatte sie ihre Hände zusammengeballt und funkelte ihr Spiegelbild wütend an. Sie war gerade duschen gewesen und hatte von den unzähligen Krankenschwestern etwas zum Anziehen bekommen. Jetzt stand sie in blauen Shorts und einem schwarzen T-Shirt da. Ihre Boots hatte sie zum Glück behalten können. Ihre Kleidung war recht human, wenn man bedachte wie die Krankenschwestern sonst so angezogen waren.
 

Nichts desto trotz änderte diese Tatsache nichts an ihrer Stimmung. Sie musste in weniger als einer Minute nach draußen und vor allen Kommandanten zu Whitebeard reden.
 

Dieses Gespräch entschied über ihre Zukunft und auch über die von Portgas D. Ace.
 

Das Öffnen der Tür unterbrach Nikira in ihren Gedanken. Es war Thatch, wie nicht anderes zu erwarten. In der ganzen Zeit in der sie hier war hatte sie gehofft, dass sie die Gelegenheit haben würde Ace kennenzulernen. Doch sie hatte ihn kein einziges Mal zu Gesicht bekommen. Sogar der Phönix Marco hatte sich blicken lassen und der schien sie nicht besonders zu mögen.
 

„Kommst du, Nikira? Pops wartet nicht gerne“, sagte der Mann mit der Tolle ungeduldig und lächelte wie immer. War er denn nie schlecht drauf?
 

„Stress mich nicht“, zischte sie unfreundlich und brachte Thatch unbegründeter Weise zum Lachen.

Sie drängte sich an ihm vorbei und wartete, bis er voranging, da sie keine Ahnung hatte wo sie hinmusste. Dieses Schiff war auch einfach zu groß!
 

Schweigend gingen sie nebeneinander und so hatte Nikira Zeit ihre ausgedachte Geschichte in Gedanken zu wiederholen. Keine Fehler. Er würde es sofort merken.
 

Sie hatte immer gelernt ihre Gefühle zu beherrschen und den Anweisungen der Admiräle Folge zu leisten, doch nie hatte ihr jemand beigebracht wie es war einem Piraten gegenüberzustehen, geschweige denn einem der vier Kaiser. Jetzt war sie auf sich alleine gestellt.
 

Sie biss sich auf ihre Lippen. Das tat sie oft, wenn sie nervös war. So auch jetzt als sie den riesigen Mann sah. Allein seine Erscheinung war beeindruckend und es war, als könnte sie seine Macht förmlich in der Luft knistern hören. Sie versuchte an etwas anderes als seine unglaubliche Aura zu denken und so sah sie sich etwas um. Sie erkannte jeden der Kommandanten, doch bei einer Person blieb sie länger hängen. Portgas D. Ace saß neben Marco und lachte über etwas was der Phönix ihm zugeraunt hatte. Es war vermutlich nur halb so lustig, denn sie wagte zu bezweifeln, dass der Ananaskopf so etwas wie Humor besaß.
 

Als hätte der Schwarzhaarige ihre Blicke gespürt, verstummte sein Lachen und seine Augen fanden die ihre. Aus Angewohnheit reckte sie ihr Kinn in die Höhe. Bei vielen verursachte diese Geste alles andere als Sympathie, doch Ace hob zu ihrer Überraschung grinsend den Hut und hieß Nikira auf seine Art und Weise willkommen. Sie hatte schon oft Gerüchte gehört, dass er eine leicht verrückte Person war. Sie wandte langsam ihren Blick wieder ab, verschwendete keinen Gedanken mehr an den Mann mit den Sommersprossen und starrte in das ernste Gesicht Whitebeards. Er hatte sie eine Weile nur gemustert und verursachte bei der Rothaarigen ein mulmiges Gefühl. Sie fühlte sich, als wüsste er etwas. Aber das war unmöglich.

„Wie geht es dir, mein Kind?“, kam es schließlich ruhig von dem Riesen und überraschte damit Nikira ein wenig. Nicht nur, dass er sie allen Ernstes nach ihrem Befinden fragte, er nannte sie ‚mein Kind‘. Das war merkwürdig. Trotzdem offenbarte sie nicht ihre wahren Gefühle.
 

„Mir geht es gut. Dank Tao“, erwiderte sie und nickte in Richtung des Genannten. Der Angesprochene schenkte ihr ein Grinsen und einen Daumen nach oben.
 

Sie hätte ihm dafür liebend gerne eine reingehauen, wenn dies nicht gerade sehr unpassend wäre.

„Das freut mich zu hören, Nikira“, fing er an, nahm einen Schluck aus seiner Flasche voll mit Sake und setzte dann fort, „Also, was hattest du auf dem Marineschiff zu suchen?“
 

Sie wusste, dass er diese Frage stellen würde. Zu ihrem Glück. Sie war gut darauf vorbereitet. Deswegen schloss sie kurz die Augen, als ob sie Vergangenes nochmals verdauen musste.
 

Als sie die Augen wieder öffnete, sah sie Whitebeard neugierig an und so fing sie an ihre erfundene Geschichte zu erzählen.

„Vor ein paar Wochen bin ich von meiner Heimat Sunnyclowd losgesegelt, um meinen Traum zu leben. Ich wollte Piratin werden. Naja, genauer gesagt bin ich Piratin. Leider hat meine Reise nicht lange angedauert, da ich auf die Marine gestoßen bin. Ich hab‘ ein wenig Chaos auf ihrem Schiff verursacht und das hat ihnen nicht gefallen. Jetzt bin ich hier. Dank eurer Hilfe.“
 

Nikira hatte durchwegs den Blick von Whitebeard standgehalten, auch wenn ihr dies schwerer gefallen war als sie zugeben würde. Angespannt wartete sie auf seine Worte und beobachtete seine Reaktion. Er legte seinen Unterarm auf seinem Fuß ab und beugte sich ein wenig nach vorne. „Und wegen ein wenig Chaos haben sie dich, festgebunden an den Mast, halb verhungern lassen?“
 

Nikira zuckte daraufhin mit den Schultern. „Die alte Hexe war ziemlich nachtragend.“ Damit hatte sie gar nicht so unrecht...

Zum Glück der Rothaarigen schlich sich ein leichtes Grinsen ins Gesicht des Captains, ehe er interessiert antwortete: „Was hast du jetzt vor?“
 

Nikira war froh über diese Frage. Sie hatte die letzten Wochen genug Zeit um sich etliche Konversationen durch den Kopf gehen zu lassen. Jene, die nie stattfinden würden und solche, die tatsächlich passierten. Und die Antwort auf diese Frage hatte sie bereits seit Tagen im Kopf. Um ein wenig unsicherer zu wirken spielte sie mit ihren Fingern. „Ich weiß es nicht. Mein Schiff wurde zerstört und eine Crew hatte ich noch nicht. Ich bin…völlig alleine.“ Ihre Stimme klang zögerlich und beinahe hätte die Rothaarige über sich selbst gelacht. Dieses Auftreten passte überhaupt nicht zu ihrer sonst so kühlen Art. Deswegen räusperte sie sich und blickte in der Runde umher. Doch niemand schien etwas sagen zu wollen. Alle schwiegen. Langsam aber sicher wurde Nikira nervös und fing an auf ihrer Lippe herum zu beißen.
 

„Sag, mein Kind. Kannst du kämpfen?“, erhob Whitebeard dann doch seine autoritäre Stimme.
 

Die Rothaarige nickte. „Hai. Ich kann ganz passabel mit einem Schwert umgehen“, fing sie monoton an. Das entsprach sogar der Wahrheit. Sie hatte keine Teufelskräfte, daher musste sie alles andere perfekt beherrschen. Von den drei Haki-Arten beherrschte sie das Rüstungshaki, wie auch das Observationshaki. Es war beinahe ein Muss, dass sie es konnte. Immerhin war sie die Tochter des roten Hundes.
 

Nur des Königshaki war sie nicht mächtig. Dies störte sie aber nicht allzu sehr, da es bekanntlich nur jeder millionste Mensch besaß. Auch wenn es natürlich unheimlich aufregend wäre zu den wenigen zu gehören die es einsetzen konnten.
 

„Außerdem bin ich ziemlich gut im Nahkampf“, setzte sie fort und noch bevor sie Luft holen konnte riss sie ihren linken Arm nach oben, um ein kleines Wurfmesser abzufangen. Es wäre zwar nur vor ihrem Gesicht vorbeigerauscht, aber aus Reflex hatte sie es aufgefangen. Abgesehen davon, dass sie es im Vorhinein gespürt hatte, konnte sie deutlich die Bewegung in ihrem Augenwinkel sehen. Vermutlich beabsichtigt.
 

Mit zusammengekniffenen Augen drehte sie ihren Kopf nach links und betrachtete das Messer. Es war schlicht mit wenigen Verzierungen. Doch das ‚A‘ darauf war deutlich zu erkennen.
 

„Guahahaha. Beeindruckend. Ich schätze das war gerade so etwas wie ein Aufnahmeritual. Willkommen in der Crew“, lachte Whitebeard und brachte Nikira für einen kurzen Moment aus der Fassung. War das gerade sein Ernst? So einfach war es in die berühmtberüchtigte Whitebeard-Piratenbande aufgenommen zu werden?
 

„Was?“, fragte sie daher mit gerunzelter Stirn und brachte ihn somit wieder zum Lachen.
 

„Schon richtig gehört. Ich denke du passt hier gut rein. Und nenn mich von jetzt an Paps. Jeder einzelne in dieser Crew gehört zu meinen Kindern. Von jetzt an auch du.“, meinte er jetzt etwas ernster was allerdings seine Wirkung verlor, als er die große Sakeflasche auf ex trank.
 

Und das sollte der stärkste Mann der Welt sein? Sie konnte es noch immer nicht glauben. Jahre lang hatte sie sich immer vorgestellt wie er so sein könnte. Blutrünstig, gemein, rücksichtslos. Doch er war weit davon entfernt. Zumindest in dem Moment.
 

Etwas perplex antwortete sie daher einfach mit: „Ok.“
 

„Na dann, Kinder! Lasst uns unser neues Crewmitglied feiern!“ Der alte Mann hob seine neue Flasche voll mit Sake und grinste in die Runde. Zustimmendes Gejohle war die Antwort und prompt fingen ein paar der Piraten an Musik zu machen. Mehr schlecht als recht, doch es verfehlt nicht seine Wirkung. Wenn dies bereits so anfing dann dauerte es bestimmt nicht lange, bis der Großteil betrunken war. Und das noch vor der Abenddämmerung.
 

Sie war so in Gedanken versunken, dass sie beinahe vorne überfiel, als ihr Thatch gut gelaunt auf die Schulter klopfte. Wütend biss sie ihre Zähne zusammen, verkniff sich aber ein unfreundliches Wort…oder auch zwei.
 

„Ha! Ich wusste es! Willkommen in der Mannschaft, Nikira.“ Der Mann grinste ihr entgegen und Nikira schenkte ihm ein halbherziges Lächeln, welches mehr einer Grimasse glich. Sie hatte bereits jetzt genug von dem Trubel hier und dabei war sie noch nicht lange unter Menschen. Doch sie hatte noch etwas zu erledigen.
 

„Entschuldige mich kurz.“ Mit diesen Worten ließ sie Thatch überrascht stehen und ging stattdessen zu Ace, der gemeinsam mit Marco mit Flaschen anstieß.
 

„Vermisst du nicht etwas?“, fragte sie kühl und legte ihren Kopf leicht schief. Dabei hielt sie das Messer an der Spitze fest und reichte es ihm so mit dem Griff voraus. Sie versuchte nicht in Marcos Richtung zu sehen, der wie immer einen eher teilnahmslosen Blick draufhatte.
 

Ace hingegen sah sie überrascht an, fing an zu grinsen und nahm ihr das Messer aus der Hand. „Ah, ja! Danke und sorry für die hinterhältige Attacke, aber die hast du ja mehr als gut gemeistert. Respekt übrigens.“ Er rieb sich den Nacken, grinste und sah nicht so aus als würde es ihm leidtun. Daraufhin zuckte sie nur mit den Schultern und somit war für sie die Sache erledigt. Es war das erste Mal, dass sie mit ihm geredet hatte und sie musste zugeben, dass sie es sich schlimmer vorgestellt hatte.

Es war für sie auch der Moment indem sie ihn musterte. Immerhin trug er im Moment kein T-Shirt und so konnte Nikira nicht abstreiten, dass seine Muskeln echt um einiges beeindruckender aussahen. Unbewusst fragte sie sich, ob sie sich so hart anfühlten wie sie aussahen. Kein Wunder also, dass unzählige Frauen von ihm so angetan waren. Er sah nicht übel aus. Das konnte sogar Nikira behaupten und die hatte absolut keine Ahnung von Männern – außer wie man mit ihnen im Kampf fertig wurde.
 

„Unauffällig starren gehört nicht so zu deinen Stärken, was?“, grinste ihr Marco von der Seite zu und brachte sie so mit Absicht in eine unangenehme Situation. Doch Nikira wäre nicht Nikira, wenn sie sich durch so etwas aus der Ruhe bringen lassen würde.
 

„Neidisch, oder was? Ein bisschen mehr trainieren und du hättest keinen Grund dazu, Phönix“, sagte sie mit einem trockenen Lächeln und schnipste gegen seine, zugegebenermaßen ebenfalls muskulösen Brust.
 

Ace fing daraufhin an zu lachen und boxte Marco, dessen Grinsen leicht bröckelte aber nicht komplett verschwand, auf den Oberarm. „Tja, Marco. Damit hättest du jetzt nicht gerechnet, was?“
 

Der Angesprochene brummte gespielt beleidigt, nahm einen Schluck aus seiner Flasche und antwortete: „Schön. Das war kein schlechter Konter und ich glaube du bist doch nicht so übel, Kleine.“ Etwas überrascht über diese ehrlichen Worte hob Nikira eine Augenbraue.
 

„Ich fühl mich geehrt, aber nennst du mich noch einmal Kleine muss ich dich leider töten“, kam es von der Rothaarigen kälter als beabsichtigt, doch keiner der beiden schien dies aufzufallen, denn sie lachten einfach nur und wuschelten ganz zu ihrer Missgunst durch ihre Haare. Zähneknirschend ließ sie es über sich ergehen. Ihr gefiel es nicht wie sie hier behandelt wurde. Es hielt sie jeder für ein kleines Kind, welches nicht auf sich selbst aufpassen konnte. Dabei war sie alles andere als schwach, auch wenn sie zugeben musste, dass sie gegen die beide keine Chancen hätte. Trotz Haki und jahrelanger Erfahrung.

Immerhin waren sie nicht umsonst Kommandanten in Whitebeards-Piratenbande. Immer wieder musste sie sich in Erinnerung rufen, dass sie hier Undercover unterwegs war und keinesfalls Aufsehen erregen durfte. Es würde ihren sicheren Tod bedeuten. Wenn nicht von Whitebeard, dann von ihrem Vater.
 

Während Nikira also die Prozedur über sich ergehen ließ, wurde sie plötzlich an der Hand gepackt und von den beiden weggezerrt.
 

„Was zum…!“, meinte sie leicht wütend und zog ihren Arm ruckartig zurück.
 

„Sorry, Nikira. Aber Pops will etwas mit den beiden bereden. Das heißt du musst jetzt leider mit uns etwas trinken gehen“, kicherte Tao und erfreute sich sichtlich an Nikiras Leid.

Doch die Rothaarige hatte im Moment ganz anderes Problem, denn die Tatsache, dass Whitebeard mit den zwei reden musste gefiel ihr nicht besonders. War ihm etwas aufgefallen?

Sie biss sich abermals auf ihre Lippen, als Tao sie zu den anderen schleifte und ihr einen Bierkrug in die Hand drückte.

„Kuck nicht so mürrisch, Nikira. Trink lieber“, rief jemand von weitem und erntete zustimmendes Gebrüll.

Nikira verdrehte die Augen. Sie gab nicht viel auf Alkohol; hatte in ihrem Leben höchstens ein paar Schlucke getrunken. Er schmeckte ihr nicht. Vor allem kein Bier. Es war ein absolut abscheuliches Getränk. Dennoch, und dies forderte eine Menge Überwindung, setzte sie den Krug an und kostete ein wenig. Prompt verzog sie das Gesicht.
 

„Sag bloß du magst kein Bier“, lachte Marco der anscheinend wieder zurück war. Lange hatte das Gespräch anscheinend nicht gedauert.
 

„Nein“, gab sie eine kurze Antwort, setzte aber nochmals an. Sie konnte wirklich nicht verstehen warum man so ein Gesöff freiwillig trank.
 

Unsanft wurde sie beiseite gedrängt, als sich jemand zwischen ihr und Tao quetschte. Dabei verschüttete sie etwas von der Flüssigkeit.
 

„Pass doch auf“, zischte sie, warf Ace einen bösen blick zu und rutschte ein wenig auf die Seite, damit so etwas nicht nochmal passierte.
 

„Sorry, Kleine, aber du solltest dich nicht so breitmachen“, lachte er ihr entgegen und stieß seinen Krug mit dem von Tao zusammen, der ebenfalls ein fettes Grinsen im Gesicht hatte.

Ihnen schien der mörderische Blick von Nikira nichts auszumachen. Vielmehr kam es ihr so vor, als würden sie sich über sie lustig machen. Und verdammt nochmal! Sie war nicht klein und schon gar nicht machte sie sich breit!
 

„Falls es dir nicht entgangen ist, aber der einzige der sich hier breit macht bist du, Flammenhirn. Und nenn mich nicht klein.“ Der Mann strapazierte ihre Nerven!
 

Während ihrer ‚Rede‘ verstummten die meisten Gespräche und die Aufmerksamkeit wurde amüsiert auf die Rothaarige und den Schwarzhaarigen gerichtet.
 

„Hast du mich gerade Flammenhirn genannt?“ Ace deutete ungläubig auf sich selbst und starrte Nikira mit großen Augen an. Diese starrte, mit erhobenem Haupt, zurück.
 

„Ja, oder beeinträchtigt dein Hitzkopf dein Gehör etwa auch noch?“ Sie rief sich immer wieder in Erinnerung, dass sie hier nicht so kalt sein durfte wie bei der Marine. Sie musste Vertrauen gewinnen, auch wenn das hieß unnötige Konversationen zu führen. So wie diese gerade.
 

Mittlerweile kugelten sich die anderen vor Lachen und auch Marco hielt sich den Bauch. Ace schien nämlich nicht so, als würde ihm etwas Passendes darauf einfallen und so stammelte er nur vor sich hin.
 

„Verflucht nochmal. Ich glaub ich muss mich betrinken“, kam es nur genuschelt von dem Schwarzhaarigen und schon hatte er seinen Krug geleert.
 

Die Rothaarige schaute ihm dabei nur skeptisch zu und blickte sich anschließend in der Runde um. Es waren alle anwesend, nur Whitebeard selbst fehlte. Es wunderte sie nicht wirklich. Als sie vorhin bei ihm war, war er an unzählige Schläuche und Geräte angeschlossen. Ihm durfte es nicht besonders gut gehen. Er war auch nicht mehr der Jüngste und hatte schon einige Kämpfe hinter sich. Das nagte mit der Zeit an der Kraft.
 

Abwesend nahm sie wieder einen Schluck von dem Bier und beschloss nachher nichts mehr zu trinken. Ihr grauste es. Mit verzogener Miene sah sie sich weiter in der Runde um. Jozu, der wirklich verdammt riesig war, zwinkerte ihr zu, als sie ihn offensichtlich anstarrte. Nikira nickte nur und machte sich gedanklich eine Notiz, dass sie trainieren musste unauffälliger zu starren. Darin war sie, wie Marco schon sagte, nicht die beste.
 

Als ihr jemand laut ins Ohr schrie, zuckte sie zusammen und wandte den Blick von dem Teufelsfruchtnutzer ab, der belustigt lachte.
 

„Yo! Nikira! Hat dir schon jemand gesagt, dass du in meiner Division bist?“ Ace grinste sichtlich zufrieden und trank wieder eine riesige Menge seines Getränks das verdächtig nach Sake roch. Von seiner vorherigen Niederlage war keine Spur mehr.

Nikira wurde wachsam. Das war gut. Sehr gut sogar. Sie setzte sich ein wenig aufrecht hin und räusperte sich. „Nein“, kam es langsam von ihr und sah Ace dabei zu, wie er einen Arm um Tao legte, der bereits mächtig angeheitert schien.

„Schön, dann weißt du ja sicher, dass du ab jetzt alles machen musst was ich dir sage.“ Er lachte wieder laut auf und prostete mit dem Schiffsarzt zu. Die Rothaarige zog nur eine Augenbraue nach oben. Es war abartig bereits um diese Zeit betrunken zu sein. Das würde es bei der Marine nie geben. Sie nahmen das Leben um einiges ernster als dieses Pack hier. Aber damit musste sie in der nächsten Zeit wohl leben.
 

Mit der Erkenntnis verdüsterte sich ihr Gesicht, bevor sie antwortete: „Was heißt ‚alles‘?“ Sie wusste, dass sie mit jeglicher Art von Arbeit fertig wurde. Härter als im Marinehauptquartier konnte es nicht sein.
 

„Najaaaa, einfach alles. Wenn du verstehst?“, sagte Ace und warf ihr grinsend einen zweideutigen Blick zu, den Nikira nicht ganz verstand.
 

„Nein. Tu ich nicht.“ Die Rothaarige antwortete ruhig und merkte nicht wie naiv sie in dem Moment war. Sehr zu Belustigung der gesamten Besatzung, die wieder amüsiert der Konversation folgten. Das Gespräch der zwei jungen Crewmitglieder war einfach unterhaltsamer als deren eigenes.
 

Ace war ganz offensichtlich ziemlich betrunken, als er sich ein wenig nach vorne lehnte und der hübschen Nikira ein charmantes Lächeln schenkte.
 

„Ich klär dich gerne auf, aber…nö. Das ist nichts für kleine Mädchen“, beendete er zwinkernd seinen Satz und sah gerne dabei zu, wie sich ihr Blick verdüsterte und ihre Wangen einen dezenten Rotschimmer annahmen.

Nikira fand dies allerdings alles andere als lustig.
 

„Kleines Mädchen?“, presste sie zwischen zusammengekniffenen Lippen hervor und brachte Ace zum Lachen.
 

„Klar.“ Mit diesen Worten tat er sich keinen Gefallen und wäre Nikira nicht gut darin ihre Gefühle zu beherrschen, hätte er jetzt ihre Faust im Gesicht. Doch stattdessen atmete sie einmal tief ein, stellte ihren Krug ab und stand auf.
 

„Entschuldigt mich.“ Schneller als man schauen konnte, war sie unter Deck verschwunden. Sie brauchte eine Pause. So lange unter Piraten zu sein machte ihr zu schaffen. Vor allem, wenn sie ihnen nichts tun durfte. Stattdessen musste sie zusehen, wie sie scherzten und soffen. Wie zum Teufel sollte sie es hier Wochen aushalten, wenn sie nach einem Tag bereits die Lust verspürte jedem ein Messer in den Rücken zu rammen? Sie wusste, dass diese Mission alles andere als leicht werden würde. Doch es nagte an ihrem Ego, dass sie es nicht schaffte hart zu bleiben. Statt sie größtenteils zu meiden, trank sie mit ihnen Bier und machte sich über die Feuerfaust lustig – und dass alles nach nur einem Tag!
 

„Verflucht, Nikira! Reiß dich zusammen“, zischte sie und schlug mit ihrer Hand in die Holzwand links von ihr. Diese knackste ein wenig, nahm aber sonst keinen Schaden.
 

„Nikira? Alles ok?“ Die Angesprochene zuckte zusammen und drehte sich abrupt zu der Person die sich als Ace herausstellte.
 

„Eh, ja klar. Hab mich nur verlaufen“, meinte sie ruhig und versuchte zu lächeln, wobei es sogar dem Teufelsfurchtnutzer auffiel das es nicht echt war. Doch er erwähnte es nicht.
 

„Wo willst du denn hin? Ich zeig dir den Weg.“ Er rieb sich den Nacken und erinnerte Nikira an einen kleinen Jungen und nicht an einen Piraten der ein Kopfgeld in schwindelerregender Höhe hatte.
 

„Auf die Toilette.“
 

„Da bist du ja ziemlich falsch. Komm. Hier entlang. Das ist übrigens auch eine gute Gelegenheit dir deine Kajüte zu zeigen.“ Er grinste sie an und schob sie in einen Gang den sie nicht mal in Erwähnung gezogen hatte. Schweigend gingen sie also nebeneinander und das war Nikira nur recht.
 

„Also das wegen vorhin tut mir leid. Ich weiß du bist nicht soooo klein. Ich hoffe du bist mir nicht böse“, unterbrach er schließlich doch die Stille und beinahe hätte die Rothaarige genervt aufgestöhnt. Irgendwie konnte hier niemand die Klappe halten wenn es mal nötig war. Vor allem Thatch hatte den Drang ständig zu reden.
 

Sie sah ihn nicht an. „Als ob ich wegen so einer Kleinigkeit böse wäre. Da braucht es schon mehr um mich wütend zu machen“, kam es ausdruckslos von ihr und ließ Ace überrascht aufsehen. Er hatte bereits mitbekommen, dass sie eher eine distanziertere Person war und relativ schlecht gelaunt war, aber dieser Ton irritierte ihn dann doch ein wenig. Er verursachte einen leichten Schauer bei Ace und zu gerne hätte er gewusst, was sie mit ihrem letzten Satz meinte, doch da waren sie schon vor ihrem angeblichen Zimmer angekommen.
 

„Ich warte solange hier. Nicht, dass du dich nachher wieder verläufst“, meinte Ace und lehnte sich lässig an die Holzwand.

Ihr Zimmer war logischerweise einfach eingerichtet. Darin befanden sich ein Einzelbett, ein kleiner Kasten und ein Bad mit einer Toilette und einem Waschbecken. Anscheinend gab es Gemeinschaftsduschen. Kein großes Ding, sie hoffte nur, dass man den Waschraum abschließen konnte. Diesen Piraten vertraute sie nicht. In keiner Weise.
 

Nachdem sie alles inspiziert hatte – was relativ zügig ging – trat sie wieder auf den langen Gang. Er stand in der gleichen Position wie vorher da. Gemeinsam machten sie sich wieder auf den Weg nach draußen. Dieses Mal schweigend.
 

Mittlerweile wurde es auch schon dunkel, was bedeutete, dass die meisten am Deck sturzbetrunken waren. So wurde Nikira überschwänglich von Tao und Thatch begrüßt, die sich als ihre besten Freunde auserkoren hatten. Ohne ihr Einverständnis natürlich. Nie im Leben würde sie sich mit Piraten anfreunden. Dennoch ließ sie sich missmutig mitziehen.
 

‚Nicht ausrasten, Nikira. Du darfst deinen Vater nicht enttäuschen‘, redete sie sich selber ein und setzte sich abseits der Gruppe hin. Zu ihrem Glück respektierten die anderen ihren Wunsch alleine zu sein und tranken munter weiter.
 

Und während alle gemeinsam Binks‘ Sake mehr schlecht als recht zum Besten gaben, beachtete niemand die Rothaarige, wie sie Feuerfaust Ace mit ihrem Blick durchdrang. Niemand wusste, dass die Tochter des Admirals Akainu just in diesem Moment darüber nachdachte, wie sie den Kommandanten der zweiten Division am besten der Marine ausliefern konnte.  

Annoying

Am nächsten Tag wurde sie durch ein stetiges Klopfen geweckt, welches trotz dem Kissen auf ihrem Kopf einfach nicht enden wollte. Schlecht gelaunt – und das noch bevor sie einen Fuß aus dem Bett gesetzt hatte – zog sie zusätzlich ihre Decke über den Kopf, um dem Lärm zu entgehen.
 

Tock, Tock.
 

‚Schlaf einfach weiter, Nikira‘, dachte sich die Rothaarige.
 

Tock, Tock, Tock.
 

‚Du darfst niemanden umbringen, Nikira‘
 

Tock. „Nikira!” Tock. „Mach…“ Tock. „…sonst…“ Tock.
 

Das reichte ihr! Wütend sprang sie auf und riss kraftvoll die Tür auf. Mit chaotischen Haaren und alles andere als bereit jemandem gegenüber zu treten, zischte sie ein gefährliches: „Was?“
 

Vor ihr stand ein verdutzter Ace, der wohl nicht mit so einer heftigen Reaktion gerechnet hatte. Doch statt zu antworten, starrte er sie nur von oben bis unten an und schien seine Sprache verloren zu haben. Genervt umgriff Nikira den Türrahmen fester und funkelte den Mann vor ihr ärgerlich an. Im Hauptquartier hatte es nie jemand gewagt sie zu wecken. Nicht mal Garp war auf die Idee gekommen. Zumindest nicht nach dem ersten Mal.
 

„Hey! Streichholz“, keifte sie und erweckte so Ace wieder zum Leben. Dieser riss seinen Blick von ihren nackten Beinen los und suchte stattdessen ihre Augen, die wahrlich Funken sprühten.
 

„Ehm, Frühstück?“, kam es zögerlich von dem Schwarzhaarigen, der ein wenig eingeschüchtert wirkte. Sie konnte aber auch wirklich bedrohlich wirken! Zumindest für ihre Grüße...
 

Nikira presste ihr Kiefer aufeinander. „Du hast mich geweckt nur weil es Frühstück gibt?“ Sie sagte es leise und ruhig. Kein gutes Zeichen. Das fand auch Ace, der nur unschuldig grinsend die Schultern hob und meinte: „Naja, ja.“
 

Die Rothaarige murmelte etwas zu sich selbst, bevor sie unfreundlich die Tür vor seiner Nase zuschlug und ihn perplex stehen ließ. Das war bestimmt das letzte Mal, dass Ace sie wecken wollte.
 

Nikira zog sich also schlecht gelaunt die Jeans vom Vortag und ein neues dunkelblaues T-Shirt an und verließ in ihren Boots die kleine Kajüte, die sie zum Glück für sich alleine hatte. Sie konnte sowieso nicht mehr schlafen, wenn sie mal auf den Beinen war. Deswegen machte sie sich auf zu dem riesigen Essensaal in dem bereits ein ordentlicher Lärmpegel herrschte.

Wenigstens hatte sie sich den Weg hierhin eingeprägt. Jedoch nur, da er auf dem Weg zum Deck lag. Dieses Schiff war einfach zu groß!
 

Mit einem Gesicht wie drei Tage Regenwetter, ging sie auf einen der wenigen freien Plätze zu, der ‚glücklicherweise‘ direkt neben Thatch und Tao lag. Die zwei hatten ihr gerade noch gefehlt.
 

„Yo! Nikira! Einen wunderschönen guten Morgen wünsch ich dir.“ Tao strahlte sie anfangs an, als hätte er gerade ein Haufen Berrys umsonst bekommen. Allerdings wurde er immer zögerlicher, nachdem er ihren Blick gesehen hatte. Anstatt zu antworten, nahm sie sich ein Stück Toastbrot und beschmierte es mit Marmelade. Wortlos knabberte sie darauf herum und ignorierte die Tatsache, dass sie rundherum skeptisch gemustert wurde. Man konnte förmlich die düstere Aura um Nikira sehen. Sie war wirklich kein Morgenmensch.
 

Und als wäre ihre Laune nicht genug, kam schon der nächste der meinte, er müsste sie um diese unmenschliche Zeit verärgern. „Ist hier etwa jemand schlecht gelaunt?“ Marco hatte ein fettes Grinsen im Gesicht, als er eine Hand auf ihren Kopf legte und sich nach unten beugte, um sie von der Seite zu betrachten. Dabei ignorierte er die warnenden Gesten und Blicke seiner Crewmitglieder nicht. Mit einer ekligen guten Laune wuschelte er ihr durch ihre Haare und das brachte dann das Fass zum Überlaufen. Schneller als der Phönix reagieren konnte, hatte Nikira ihn am Hinterkopf gepackt und sein Gesicht in der Müslischüssel versenkt, die großgenug war, dass zehn Personen davon satt wurden.
 

Während alle sprachlos das mehr als ungewöhnliche Bild betrachteten, tat Nikira so als wäre nichts passiert. Langsam nahm sie die Hand von seinem Hinterkopf, nur um sich ein Glas mit Orangensaft zu greifen. Es dauerte einen Moment bis das erste Lachen ertönte und es kam definitiv nicht von Marco. Stattdessen brüllte Whitebeard durch den gesamten Raum und schon bald stimmten alle anderen mit ein. Vor allem Tao und Thatch hatten nach kurzer Zeit Tränen in den Augen, als Marco seinen Kopf hob und einen wirklich erbärmlichen Anblick abgab.
 

„Das...kam gerade wirklich unerwartet“, brachte der Blonde schließlich heraus, als er sich daran machte die Sauerei aus seinem Gesicht zu wischen. Nikira schenkte ihm einen kurzen Blick und widmete sich wieder ihrem Frühstück. Sie wusste nicht, ob er ihre Aktion wirklich so locker sah wie er tat, aber es war ihr auch egal. Um diese Zeit wollte sie sich keine Gedanken über solche Dinge machen.
 

Schlussendlich wurde sie von jedem in Ruhe gelassen und so konnte sie still ihr Frühstück genießen, bevor sie sich auf den Weg zum Deck machte. Sie stieß die Tür auf und streckte sich, während ihr vereinzelt Sonnenstrahlen ins Gesicht fielen. Es war so gut wie keine Wolke am Himmel zu sehen und auch die Temperaturen waren angenehm warm. Sie mussten sich in der Nähe einer Sommerinsel befinden, soviel stand fest. Sie war zwar noch nie außerhalb der Marinebasis gewesen, wusste aber über ein paar wichtige Dinge Bescheid. Wie, dass es auf der Grand Line verschiedene Arten von Inseln gab.
 

Mit dem Gedanken ging sie auf die Reling zu, an der Ace gelassen lehnte und ihr entgegen grinste als er sie sah.
 

„Weißt du wann wir zur nächsten Insel kommen? Ich brauch neue Klamotten“, fing Nikira ohne Umschweifen an und stützte sich mit den Ellbogen ab. Dabei sah sie aufs Meer und fragte sich, ob ihr Vater auch nur einen Gedanken an sie verschwendete.
 

Ace tat es ihr gleich und sah sie gut gelaunt von oben herab an. „Jap. Um genau zu sein – in zwei Stunden.“ Diese Antwort überraschte Nikira. Sie hatte nicht damit gerechnet bereits so schnell auf eine andere Insel zu treffen. Es gehörte wieder zu den Dingen, die ihr völlig neu waren.
 

„Hn. Vielleicht find ich ja auch ein neues Schwert“, überlegte sie leise und meinte es ernst. Auch, wenn sie ihr altes ein wenig vermisste, brauchte sie doch irgendwann eines um zu kämpfen. Es war einfach praktischer, als oft nur mit ihren Händen und Füßen zu kämpfen.
 

„Sieh mal! Man kann die Insel sogar schon sehen.“ Ace deutete aufgeregt nach vorne und sah aus wie ein kleines Kind, welches gerade Geburtstag hatte. Nikira folgte seinem Blick und kam zu einer Erkenntnis. Sie sah gar nichts außer Wasser. Das sagte sie auch dem Schwarzhaarigen, der kurz zu überlegen schien und sie urplötzlich am Handgelenk packte und sie in Richtung Hauptmast zog.
 

„Was soll das?“, kam es stirnrunzelnd von Nikira, der nichts Anderes übrigblieb, als ihm zu folgen. Er hatte ganz schön viel Kraft.
 

„Wir zwei werden da jetzt hochklettern.“ Ace schenkte ihr ein strahlendes Lächeln, als er nach oben deutete.
 

Die Rothaarige hingegen konnte absolut nicht verstehen was er an seiner Idee so toll fand. „Wieso?“, fragte sie daher ungläubig. Er war ziemlich merkwürdig.
 

Der Angesprochene verdrehte die Augen. „Frag nicht, sondern komm einfach.“ Mit diesen Worten fing er an die elend lange Leiter hinauf zu steigen. Nicht, dass Nikira Höhenangst hatte, aber sie sah absolut keinen Sinn in dieser Aktion. Dennoch folgte sie ihm mürrisch. Immerhin musste sie sein Vertrauen gewinnen auch, wenn sie dafür so dämliche Sachen machen musste wie das hier. Sie könnte sich wirklich spannendere Missionen vorstellen.
 

Nach gefühlten Stunden kamen sie oben an und geduldig wartete Nikira darauf, dass Ace die Luke öffnete und sie endlich nach oben konnte. Als Ace sie wie immer fröhlich angrinste, konnte Nikira nicht anders als die Augen zu verdrehen. War hier denn nie jemand schlecht drauf? Ständig blicke sie in lachende und zufriedene Gesichter. Das war ja abartig. Ob hier jemand von der Lach-Lach-Frucht gegessen hatte? Wäre eine Erklärung.
 

Nikira wurde aus ihre Gedanken gerissen, als der Schwarzhaarige mit beiden Händen ihre Schultern ergriff und in eine Richtung schob. Und die 18-Jährige staunte nicht schlecht, würde allerdings nicht zugeben, dass sie das beeindruckte. Vor ihr erstreckte sich Meilenweit das strahlend blaue Meer der Grand Line und glitzerte aufgrund der Sonnenstrahlend wie tausend kleine Diamanten. Es war wirklich schön und erst jetzt wurde ihr bewusst, was sie in den letzten Jahren alles verpasst hatte. Viele der meisten Marinesoldaten fuhren bereits seit Jahren mit Schiffen in der Welt herum - nur sie nicht. Sie durfte den Marinestützpunkt auf Befehl ihres Vaters nicht verlassen. Ein Grund um ihn zu hassen, doch das tat sie nicht. Unverständlich, selbst für sie, aber so war es nun mal. Er war immerhin noch immer ihr Vater.
 

Während sie wieder gedankenverloren aufs Meer hinaus starrte, bekam sie nicht mit, wie sie von der Feuerfaust nachdenklich gemustert wurde. Erst, als er sich räusperte richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Mann neben ihr.
 

„Siehst du? Dort drüben ist die Insel“, sagte er zufrieden und deutete abermals auf den Horizont. Und tatsächlich. Jetzt konnte es selbst Nikira sehen. Ein schwarzer Punkt der mit Sicherheit die nächste Insel darstellte.
 

„Ach ja“, kam es unbeeindruckt von der Rothaarigen und brachte Ace zum Seufzen. Anscheinend waren ihre kurzen Antworten nicht jedermanns Ding. Das hatte ihr auch Vizeadmiral Kranich gesagt und ihr den Tipp gegeben etwas gesprächiger zu sein. Kurz dachte sie über die Worte der alten Frau nach und fügte ein „Tatsächlich“ hinzu. Das musste reichen.

Sie legte ihren Kopf auf ihre Arme und genoss noch ein wenig die Sonnenstrahlen, die ihr Gesicht erwärmten, ehe sie wieder nach unten kletterten.
 

Noch bevor sie den Boden berührt hatte, tauchten zwei der Kommandanten auf.

„Na ihr zwei? Was habt ihr da oben so getrieben?“, kam es schelmisch von Thatch und Marco neben ihm grinste bedeutend.
 

„Das, was man auf einem Aussichtsturm so tut“, gab Nikira kühl zurück und strich sich eine Strähne zurück, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatte.
 

„Ihr habt‘s gehört, Jungs. Das, was man so tut.“ Ace grinste und klopfte Thatch auf die Schulter, der nicht ganz recht wusste wie er auf diese kalte und naive Antwort reagieren sollte. Schlussendlich entschied er sich dafür zu lachen.
 

„Ach was. Nikira ist bestimmt nicht so unschuldig wie sie tut. Oder, Nikira?“ Marco grinste sie verschwörerisch an. Die Angesprochene zog nur eine Augenbraue nach oben und sagte dazu nichts. Sie wusste ohnehin nicht was die drei von ihr wollten.
 

„Schön! Keine Antwort ist auch eine Antwort. Seht ihr? Ich hab‘ Recht. Stille Wasser sind tief.“ Ace und Thatch lachten und diskutierten noch weiter über Marcos Ansicht, während Nikira sich abwandte und sich sitzend an die Wand lehnte. Sie hatte keine Nerven für solch banalen Gespräche. Lieber genoss sie die Wärme, bis sie die Insel erreichen würden. Und das tat sie auch.
 

Sie wurde erst gestört, als viele der Crewmitglieder an Deck kamen und voller Freude endlich wieder Land unter den Füßen zu haben, herumbrüllten. „Nerviges Piratenpack“, murmelte Nikira zu sich selbst und erhob sich weniger elegant. Sie streckte sich und gesellte sich zu Ace, der grinsend eine Hand auf seinen Hut gelegt hatte.
 

Auf dem riesigen Blauwalkopf stand gelangweilt Marco und schien etwas sagen zu wollen. Allerdings höre ihm keiner zu.
 

„Klappe halten alle miteinander!“, brüllte er und brachte somit endlich die Meute zum Schweigen.
 

„Also, wir werden hier bis morgen Anker lichten. Ich erwarte von allen, dass sie sich benehmen und nicht unnötig Aufsehen erregen. Soweit ich weiß gibt es hier nur eine geringe Anzahl an Marinesoldaten. Versucht sie nicht zu verärgern. Das war‘s eigentlich. Über alles andere wisst ihr Bescheid.“ Er beendete seine monotone Rede und sprang leichtfüßig von der Erhebung, um mit allen anderen an Land zu gehen.
 

„Was bedeutet alles andere?“, fragte Nikira Ace als sie gemeinsam den anderen folgten.
 

„Hm? Das betrifft uns nicht.“ Er grinste sie an und zwinkerte ihr zu.
 

Nikira zog ihre Augenbraue nach oben. „Wieso?“ Immerhin gehörte sie genauso zur Crew wie alle anderen.
 

„Na ich bin Kommandant der zweiten Division. Sprich – wenn ich mich nicht um die Einkäufe kümmern will, tu ich das auch nicht. Außerdem musst du doch einkaufen, oder? Wir schlagen also zwei Fliegen mit einer Klappe.“
 

Sie wollte gerade eine patzige Antwort geben, als ihr jemand zuvorkam.

„Marco! Ace drückt sich schon wieder vor der Arbeit und zieht dabei die unschuldige Nikira mit rein!“, petzte Tao laut, der das Gespräch anscheinend mitangehört hatte und nun mit seinem Finger auf die beiden deutete.
 

„Oh oh“, meinte Ace kleinlaut und noch ehe die Rothaarige reagieren konnte wurde sie bereits zum zweiten Mal an diesem Tag an ihrem Handgelenk gepackt und eilig von der Gruppe weggezogen. ‚Verfluchter Pirat‘, dachte sich Nikira nur zähneknirschend und musste aufpassen nicht über irgendwelche Wurzeln zu stolpern.
 

Außer Puste kamen sie mitten in der kleinen Stadt zum Stehen und wurden rundherum gemustert.

„Ok. Was genau sollte das?“, meinte Nikira zischend und verschränkte ihre Arme.
 

Ace hingegen grinste verlegen und rieb sich seinen Nacken. „Naja, ich wollte nicht alleine flüchten.“ Ziemlich erbärmliche Ausrede, fand Nikira.
 

„Was auch immer. Ich gehe jetzt mal einkaufen. Mir egal was du machst.“ Mit diesen Worten drehte sie sich um und ließ Ace stehen. Dachte sie zumindest.
 

„Und mit welchem Geld?“, rief er ihr besserwisserisch hinterher und traf Nikiras wunden Punkt. Daran hatte sie gar nicht gedacht. Kurz schloss sie die Augen, ehe sie nach hinten sah ohne sich komplett umzudrehen.
 

„Kommst du endlich?“ Sie tat so, als hätte sie seine Frage überhört, was den Schwarzhaarigen zum Grinsen brachte.
 

Nikira hatte recht schnell all ihre Einkäufe erledigt und war mittlerweile dabei Ace zu ignorieren, der ihr weismachen wollte, dass es sich so gehörte, dass der Mann die Einkaufstüten trug. Doch die Rothaarige sah keinen Grund darin ihm diese Aufgabe zu übertragen. Sie konnte das sehr gut alleine.
 

„Komm schon, Nikira. Die Leute kucken schon blöd. Gib sie mir einfach!“, jammerte er.
 

„Nein“, kam die kurze Antwort der Rothaarigen - bereits zum fünften Mal. Es war nervig. Er war nervig. Sie würde ihre Einkäufe viel lieber alleine erledigen, aber aus irgendeinem Grund sah die Feuerfaust das anders.
 

„Schön, dann kannst du mir mein Geld ja wieder zurückgeben. Du brauchst es doch nicht mehr, oder?“ Ace grinste sie hinterhältig an, als er zu drastischeren Mitteln griff. Nikira warf ihm einen bösen Blick zu und drückte ihm hart die Tüten an die nackte Brust die er schnell ergriff.
 

„Hier. Und jetzt halt endlich die klappe“, zischte sie mittlerweile mehr als genervt und wandte sich zu jenem Stand, der bereits vorher schon ihre Aufmerksamkeit erregt hatte.

Das zufrieden Grinsen in Ace‘ Gesicht ignorierend, besah sie sich die ganzen Schwerter, die hier ausgestellt waren.
 

Eines hatte es ihr besonders angetan. Es war im Gegensatz zu allen anderen zur Hälfte schwarz und war ziemlich schlicht. Ohne zu überlegen nahm sie es in die Hand und besah es sich von allen Seiten.
 

„Sehr gute Wahl, junge Frau. Das Schwert der Schlange ist wirklich ein außergewöhnliches Katana.“ Ein kleiner alter Mann lächelte sie an und sagte nichts dazu, dass sie es ohne zu fragen genommen hatte.
 

„Wieso?“, fragte sie ohne den Blick von der Klinge abzuwenden.
 

Der Standbesitzer verschränkte hinter ihm seine Hände. „Nun, es stammt aus dem Körper einer achtköpfigen Schlange und beherrscht angeblich den Wind. Ob das der Wahrheit entspricht sei dahingestellt.“
 

„Ich nehme es.“ Sie hatte es bereits beschlossen, als sie es in der Hand hielt. Es gefiel ihr.
 

Ace schien allerdings alles andere als begeistert. „Willst du nicht zuerst wissen wieviel es kostet?“
 

Als Antwort bekam er wieder nur ein Schulterzucken. Nikira überreichte dem kleinen Mann das Geld und brachte ihr neuerrungenes Schwert an ihrer Hüfte an. Zusätzlich kaufte sie noch einen kleinen Dolch. Den konnte man immer gebrauchen.

Zufrieden schenkte sie dem Verkäufer ein halbherziges Lächeln und ging mit einem mürrischen Ace weiter.

„Normale Leute hätten wenigstens versucht zu handeln.“ Er klang vorwurfsvoll, als er ihr einen Blick von der Seite zuwarf.
 

„Wieso? Der Preis war angemessen.“ Außerdem war es ihr egal. Es war ja nicht ihr Geld.
 

Der Schwarzhaarige sah sie entgeistert an. „Angemessen? 700.000 Berry sind doch nicht angemessen für so ein mickriges Schwert.“ Er deutete auf das Katana.
 

Als Antwort bekam er nur einen vernichtenden Blick, den er nicht beachtete. „Du kannst froh sein, dass ich hier bin. Marco hätte dir nie so viel Geld gegeben.“ Er murmelte diese Worte nur, doch Nikira verstand sie trotzdem. Ja, sie war froh, dass nicht der Phönix hier bei ihr war sondern die Feuerfaust - aber nicht aus dem Grund aus dem er dachte.
 

Während Nikira in ihren Gedanken versunken war, bekam sie nicht mit, wie ihr Begleiter neugierig auf einen Stand zu ging und die dort ausgestellten Gegenstände betrachtete.

Erst als er laut lachte und rief: „Das sieht ja cool aus!“ drehte sie sich zu ihm um und hätte sich beinahe, wenn sie nicht so beherrscht wäre, mit der flachen Hand auf die Stirn geschlagen. Stattdessen presste sie nur ihr Kiefer aufeinander. Wie konnte sich ein 20-jähriger Pirat in einer der gefährlichsten Banden der Welt sich so sehr über eine lächerliche Spielfigur freuen, nur weil der Kopf viel größer war als der Rest des Körpers? Es war für Nikira ein Rätsel. Ein Rätsel, welches in ein paar Monaten unwichtig werden würde.
 

Nach außen hin geduldig, wartete sie darauf, dass er endlich genug von den Gegenständen bekam und musterte ein wenig die Gegend. Es war recht viel los, aber noch immer überschaubar. Marinesoldaten hatte sie noch keine entdeckt und das war gut so. Sie konnte hier keine inkompetenten Schwächlinge gebrauchen, die möglicherweise noch ihre Mission gefährdeten.

Mit mangelndem Interesse sah sie einem Kind dabei zu, wie es begeistert seine Zuckerwatte in der Hand hielt, als irgendjemand ihren Namen rief. Ruckartig hob sie ihren Kopf und sah sich um. Sie konnte niemanden erkennen. Und wieder. Jemand rief ihren Namen. Hektisch sah sie die Straße entlang und glaubte sie sah nicht richtig.
 

Der Idiot Corby kam winkend auf sie zu gerannt und grinste über das ganze Gesicht. Für einen Moment war sie fassungslos. War das gerade sein ernst? Wollte er, dass sie starb? Mit einem kurzen, schnellen Blick stellte sie fest, dass Ace noch immer vertieft in diese bescheuerten Spielfiguren war. Zu ihrem Glück. Nikira machte eine Geste die dem rosahaarigen Marineoffizier klarmachen sollte, dass er die Klappe halten sollte.
 

„Was tust du da?“, kam es plötzlich von Ace, der sich mit einer Figur in der Hand zu ihr gedreht hatte und sie jetzt skeptisch musterte.
 

Untypisch für die Rothaarige antwortete sie hektisch: „Gar nichts. Da war nur eine Fliege.“ Sie betete, und das tat sie sonst nie, dass er ihr das abkaufen würde.
 

„Ok? Muss ich mir sorgen machen?“, harkte er nach und klang ein wenig belustigt.
 

„Nein!“, antwortete Nikira viel zu laut und zu hart. Verdammt! Sie sollte sich wirklich zusammenreißen.

Gerade wollte die Feuerfaust etwas erwidern, als wieder jemand ihren Namen rief. Doch dieses Mal bekam der Schwarzhaarige es sehr wohl mit. Überrascht wollte er sich umdrehen, wäre da nicht Nikira, die das einzige tat was ihr gerade in den Sinn kam. Schon beinahe überschwänglich machte sie einen Satz nach vorne, breitete die Arme aus und schlang sie um Ace. Sie hatte ihre Zähne fest aufeinandergepresst und machte eine Handbewegung, die Corby anscheinend endlich klarmachte, dass er hier einen verdammten Fehler machte.
 

Erst, als der Rosahaarige wie versteinert stehen blieb und sich bewusstwurde, dass er gerade dabei war ihre Mission zu gefährden, realisierte Nikira was sie hier gerade tat. Die Feuerfaust war wie versteinert; ähnlich wie Nikira. Seine Hände waren starr in der Luft und unfähig sich zu bewegen.
 

„Ich, wollte nur danke für das Geld sagen.“, kam es konzentriert von der Rothaarigen, die sich keinen Millimeter bis jetzt von ihm wegbewegt hatte. Erst, als sie sah wie der Marinesoldat sich schnell aus dem Staub machte, löste sie sich von ihm. Steif schob sie ihn ein wenig zurück. Für die 18-Jährige war dies eindeutig zu viel Körperkontakt.
 

Seine Wangen zierte ein leichter Rotschimmer und es dauerte ein wenig, bis er sich wieder fing.
 

„K-Keine Ursache. War sowieso nur das Geld für die anfälligen Einkäufe.“ Er schien wieder normal zu sein, als er sich grinsend am Hinterkopf kratzte.
 

„Schön. Dann können wir ja zurück zum Schiff.“ Nikira wollte einfach nur weg von hier. Beinahe wäre sie aufgeflogen, hätte sie nicht so schnell gehandelt. Doch jetzt dämmerte es ihr, was sie da gerade getan hatte.
 

Ohne auf eine Antwort des Schwarzhaarigen zu warten, ging sie zügig in Richtung der Moby Dick. Sie war wütend. Auf sich selbst, aber vor allem auf den Vollidioten Corby. Was erlaubte er sich solch eine unüberlegte Dummheit? Sie würde dies ihren Vater melden, da war sie sich sicher. Er würde schon eine passende Bestrafung für ihn parat haben. Seinetwegen war sie gezwungen, einem widerlichen Piraten näher zu kommen als es gut für sie war.
 

Schlecht gelaunt ging sie aufs Schiff und wollte in Richtung ihrer Kajüte gehen, als ihr siedend heiß einfiel, dass Ace noch all ihre Sachen hatte. Sie stieß die Luft aus und drehte sich um. Ace war ihr die ganze Zeit stumm gefolgt und fragte nicht nach, warum sie denn so stress machte.

Stattdessen reichte er ihr ohne Worte ihre Taschen, die sie schon beinahe an sich riss, nur um dann unter Deck zu gehen und sich in ihrer Kajüte zu verbarrikadieren.
 

Außer sich vor Wut schmiss sie die Tüten in die Ecke und schlug mit ihrer Faust gegen die Wand. Der Schmerz den sie prompt in ihrer Hand spürte befriedigte sie ungemein. Er verdeutlichte ihr nur, dass sie gehandelt hatte ohne wirklich nachzudenken. Nicht typisch für sie. Natürlich wusste sie, dass sie sich nicht verhalten konnte wie bei der Marine, aber das war noch lange keine Ausrede für ihre Aktion von vorhin.
 

„Verflucht noch mal!“, zischte sie und ballte ihre Hände zu Fäuste. Sie war erst ein paar Tage auf der Moby Dick und dennoch zweifelte sie daran, ob sie dieser Mission gewachsen war. Wie sollte sie es schaffen monatelang mit Piraten zu leben, wenn sie seit Jahren den Wunsch einer piratenlosen Welt hatte? Es viel ihr unglaublich schwer normal mit diesem Pack zu reden, mit ihnen zu trinken und so etwas wie Spaß zu haben. Es war absolut gegen Nikiras Moral und sie fragte sich, wieso ihr Vater gerade ihr so eine aussichtlose Aufgabe gegeben hatte. Wollte er sie scheitern sehen?
 

Nikira wusste es nicht. Wollte es auch nicht wissen. Sie durfte nicht daran denken und sollte sich zusammenreißen. Es waren erst zwei Tage vergangen in denen sie unter Gesellschaft war. Sie hatte noch genug Zeit. Ja, es war noch nicht vorbei. Für Nikira begann die Mission erst jetzt so richtig uns sie würde nicht so einfach aufgeben.
 

Ein kleines und erschreckend böses Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht, als sie sich an den Holztisch setzte und anfing an ihren Vater zu schreiben. Sie würde noch heute den Brief abgeben – koste es was es wolle.

From Marine And Bars

Nachdem Nikira mit ihrem Brief fertig war und ihn sicher versteckt hatte, war es bereits Mittag. So unauffällig wie möglich war sie in den riesigen Speisesaal gegangen, hatte sich dort etwas genehmigt und war anschließend wieder zurück in ihre Kajüte verschwunden. Von da an grübelte sie darüber nach, wie sie ihre Mission am besten in die Wege leiten sollte. Doch wie in den Wochen davor, kam sie auf kein vernünftiges Ergebnis. Am liebsten wäre es ihr, wenn sie ihn bei Gelegenheit einfach umbringen könnte. Doch da sie ihn lebend zur Marine bringen sollte, kam diese Option nicht in Frage. Sehr zur Missgunst der Rothaarigen. Es würde ihr so viel erleichtern.
 

Genervt davon, dass sie auf keine Lösung kam, lehnte sie sich in dem ungemütlichen Schreibtischsessel zurück und legte ihren Kopf in den Nacken. Die Admiräle hätten ihr wenigstens ein paar Ideen liefern können, statt alles auf sie zu schieben.

Fest presste sie ihre Augen zusammen, als ein Klopfen sie aus den Gedanken riss.
 

„Nikira? Bist du da?“, kam es gedämpft von der anderen Seite der Tür. Der Stimme nach konnte es nur der Phönix sein.
 

„Ja“, antwortete die Rothaarige. Sie wollte nicht gestört werden. Ein Wunsch der hier auf der Moby Dick alles andere als respektiert wurde.
 

„Kommst du mit? Wir wollen in die Stadt ein bisschen feiern gehen.“ Sie hörte deutlich sein Grinsen heraus, als er ihr weiß machen wollte, dass sie ‚ein bisschen‘ feiern gehen wollten.
 

Nikira schnaubte deswegen. „Bestimmt nicht.“ Es klang ziemlich unfreundlich.
 

„Sicher? Das wird bestimmt lustig.“
 

Klar. Weil es ihr so viel Spaß machte, mit einem Haufen Piraten, früh abends zu trinken.
 

„Ich sagte nein und jetzt verzieh dich!“, zischte sie halblaut und stand auf um auf ihr Bett zuzugehen. Konnte man sie nicht einfach in Ruhe lassen? Sie wollte wirklich keine Zeit mit diesem Pack verbringen, wenn es nicht sein musste.
 

„Ok“, fing er an und für einen Moment dachte sich Nikira, dass er endlich verschwand. Doch sie hatte sich getäuscht. „Wir sind in der Kneipe am Hauptplatz falls du dir es anders überlegst.“ Würde sie bestimmt nicht…
 

Kurz darauf vernahm die Rothaarige Schritte und konnte sich endlich entspannt ins Bett werfen. Sie konnte nicht verhindern, dass sie sich über das Verhalten der Piraten hier wunderte. Sie verhielt sich alles andere als nett zu ihnen und trotzdem waren alle freundlich zu ihr. Auch wenn sie erst mit ein paar so richtig geredet hatte, staunte sie nicht schlecht. Vor allem Thatch, Tao, Ace und Marco behandelten sie so, als wäre sie bereits jahrelang auf diesem Schiff.
 

Sie wusste nicht wirklich was sie davon halten sollte. Piraten hatten ihr alles genommen. Ihre Mutter und auch auf eine bestimmte Art und Weise ihren Vater. Es war schwer für sie zu verstehen, dass sie hier wie ein Familienmitglied angesehen wurde. Seit Jahren wollte sie gegen Piraten kämpfen und deren Leben nehmen und jetzt, da sie endlich auf See war, konnte sie es nicht. Wegen ihrer verfluchten Mission.
 

Ruckartig erhob sie sich und raufte sich mit einer Hand ihre Haare. Sie konnte nicht mehr stillsitzen. Sie musste sich bewegen. Schnell schnappte sie sich ihr Schwert und rannte förmlich nach draußen, um ans Deck zu kommen. Nicht viele waren hiergeblieben. Der Großteil war am Feiern, schlief, oder hielt Wache. Gut für Nikira. So hatte sie ihre Ruhe, wenn sie trainierte. Die letzten Tage waren schon beinahe eine Qual. Nichts tun zu können war die Hölle für sie.
 

Umso gelöster war sie, als sie nach ihrem Training aus dem Duschraum kam und sich wieder in ihre Kajüte begab. Sie überlegte nicht lange, als sie sich anzog, ihren Brief schnappte und sich in die Stadt aufmachte. Sie wollte zu Corby. Er würde ihre Nachricht sicher zum Marinehauptquartier bringen.
 

In Shorts, ihren Boots und einem grünen Hoodie ging sie durch die Straßen. Nur wenige waren noch unterwegs. Viele davon waren Einheimische, aber auch einige der Whitebeard-Piraten liefen betrunken herum. Nikira begutachtete dies mit einem verächtlichen Blick. Abschaum.
 

Mit ihrem Katana an der Hüfte und dem Brief in ihrer Hosentasche ging sie auf den Hauptplatz zu, von dem Marco geredet hatte. Nicht, dass sie vorhatte ebenfalls zum Trinken in diese Kneipe zu gehen, aber sie musste irgendwie herausfinden wo sich die Marine befand.

Deswegen machte sie sich etwas wiederwillig auf zur besagten Bar. Bereits davor kam ihr schiefer Gesang und Geschrei entgegen.
 

Sie hielt kurz inne bevor sie langsam die Tür öffnete. Noch bevor sie einen Schritt machen konnte, kam eine Flasche auf sie zu, der sie genervt auswich. Sie musste wirklich zusehen, dass sie hier schnell wieder wegkam. Kurz sah sie sich um. Es waren nur die Whitebeard-Piraten anwesend. Kein Wunder. Vermutlich hatten sich die anderen alle aus dem Staub gemacht, als sie die Kommandanten sahen. Apropos Kommandanten. An einem Tisch saßen Ace und Marco, die bereits mehr als betrunken waren. Vermutlich würden die beiden Nikira nicht mal bemerken, wenn sie genau vor ihnen stand. Dennoch leise und mit gesenktem Kopf ging sie zur Schank und setzte sich auf einen der Barhocker.
 

Sie bestellte einen Sake. Außer Bier gab es hier vermutlich gar nichts. Nachdem sie einen Schluck genommen hatte, stützte sie ihren Kopf mit ihrer Hand ab und beugte sich leicht nach vorne.
 

„Sie da! Wo befindet sich die Marine?“ Ihre Stimme klang herrisch, weswegen der Barkeeper sie finster ansah. Vermutlich war er es nicht gewohnt, dass jemand mit ihm so redete. Doch davon ließ sich Nikira nicht einschüchtern. Ihr Vater war immerhin Akainu. Sie lebte seit Jahren mit seiner finsteren und kaltherzigen Art. Dagegen war der Fettklops vor ihr gar nichts.
 

„Wer will das wissen?“, raunte er und spuckte auf den Boden. Nikira verzog keine Miene, auch wenn ihr dieses schäbige Verhalten missfiel.
 

„Offensichtlich ich.“ Nikira nahm einen Schluck von ihrem Sake und verfolgte jede noch so kleine Bewegung des Barkeepers. Sie bemerkte bei ihren Worten, dass sein Gesicht sich vor Wut leicht verzog. Wenn sie ehrlich war, gefiel der Rothaarigen die Reaktion des Mannes vor ihr. Sie hatte den Anblick schon lange nicht mehr gesehen.
 

Der Typ schmiss sich seinen dreckigen Lappen über die Schulter und legte seine Hände auf die Arbeitsfläche, um sich anschließend zu ihr zu beugen. Ein unangenehmer Geruch stieg Nikira in die Nase, die sie daraufhin leicht rümpfte. Sie wollte gar nicht wissen, wann er das letzte Mal geduscht hatte.
 

„Ganz schön eingebildet, Kleine.“ Der Mann grinste dreckig und leckte sich über die Lippen. Bei dem Wort ‚Kleine‘ zuckte Nikiras Auge verdächtig.
 

„Wo ist nun die Marine?“, presste sie heraus und versuchte ruhig zu bleiben. Der Barkeeper strapazierte ihre Nerven.
 

„Ohne Gegenleistung läuft hier gar nichts, Süße.“ Sie brauchte nicht seine Gedanken lesen zu können, um zu wissen, dass seine gerade nicht jugendfrei waren. Und das widerte sie an. Als wäre das nicht genug, hob er seine Hand und bewegte sie grinsend in ihre Richtung. Sie legte ihren Kopf leicht schief und fing zur Überraschung des Mannes an zu grinsen. Doch es war kein freudiges Grinsen. Es sah angsteinflößend aus und das war es auch. Schneller als er schauen konnte, hatte sie seine Hand gepackt, nach vorne gezogen und ihren Dolch neben seiner Hand in die Holztheke gestochen.
 

Der ungepflegte Kerl starrte geschockt von seiner Hand zu Nikiras finsterem Gesicht.

„Wo befindet sich die Marine?“, zischte die Rothaarige leise. Ihre Geduld war zu ende.
 

„S-Sie sind v-vermutlich auf dem Schiff. Am a-anderen Ende d-der Stadt“, stammelte er und Nikira konnte beobachten, wie sich auf seiner Stirn langsam Schweißperlen bildeten. Widerwertig.

Gemächlich zog sie das Messer aus dem Holz und starrte ihm in seine kleinen Augen. Sie war sich nicht ganz sicher, ob er die Wahrheit sagte, aber er hatte auch keinen Grund zu lügen.
 

Deswegen packte sie den Dolch wieder weg, setzte sich gerade hin und tat so, als wäre nie etwas gewesen. Genau im richtigen Moment, denn plötzlich legte jemand einen Arm um ihre Schulter. Noch bevor sie reagieren konnte, wurde sie nicht gerade sanft an den Übeltäter ran gezogen. Sie konnte nichts sehen, da ihr Gesicht an die Halsbeuge gedrückt wurde. Trotzdem wusste sie genau wer das war.
 

„Kiiiiiira. Wir habn dch vermisst“, lallte Ace und drückte sie nur noch fester an ihn. Nikira biss die Zähne aufeinander und versuchte ihn von sich wegzuschieben. Sie fühlte sich unwohl. Er war ihr zu nahe. Viel zu nahe. Nikira wurde warm; fühlte die Wut in ihr aufsteigen. Noch einmal drückte sie ihn von sich weg und dieses Mal klappte es auch.
 

Finster blickte sie in sein grinsendes Gesicht. Er roch nach Alkohol und war offensichtlich ziemlich betrunken. Es machte Nikira nur noch wütender. Sie musste gehen bevor sie etwas Dummes tat. Schnell trank sie ihren Sake aus und stand auf.
 

„Wo willstn duh hn?“, murmelte Ace und packte sie am Arm. Unwirsch riss sie sich los.
 

„Ich geh zurück zum Schiff.“
 

„Was? Du gehörst zu der Bande?“, kam es geschockt von dem Barkeeper, der noch immer ganz rot im Gesicht vor lauter Aufregung war.
 

„Türlich. Sie is sogahr in meiner Divi-Divischion“, lallte Ace stolz und hatte seine Probleme damit das Wort Division auszusprechen.
 

„Ein Problem damit?“, kam es hart von Nikira mit zusammengekniffenen Augen.
 

Der Typ hob abwehrend die Hände. „N-Nein. Natürlich nicht.“ Er klang noch immer nervös. ‚Was für ein Loser‘, dachte sich die Rothaarige und wandte sich um, um diese Kneipe zu verlassen.
 

„Kommst duh wida?“, rief ihr auf einmal die Feuerfaust hinterher. Undeutlich wie eh und je. Sie stoppe bevor sie durch die Tür ging und drehte sich halb um. Er grinste sie unschuldig an und stützte sich leicht schwankend an der Theke ab. Nikira zog eine Augenbraue nach oben. 550.000.000 Berry. Kaum zu glauben.
 

„Eher nicht“, antwortete sie und ging ohne sich nochmal umzudrehen.
 

Zügig schritt sie durch die mittlerweile leere Stadt. Es war angenehm wieder ein Ziel zu haben. Nach fünf Minuten konnte sie das Schiff auch schon sehen. Vereinzelt standen Marinesoldaten davor um Alarm zu geben, falls etwas passieren sollte. Wenn sie darüber nachdachte, waren die paar Personen recht armselig. Keiner von denen könnte einen erfahrenen Kämpfer aufhalten, geschweige denn einen Teufelsfruchtnutzer.
 

Als sie sahen, dass jemand auf sie zu kam, hoben sie alarmierend ihre Waffen, doch als sie bemerkten wer es war, senkten sie sie wieder und salutierten. Schweigend ging sie an ihnen vorbei. An Deck waren nur vereinzelt Soldaten zu sehen die entweder Karten spielten, oder einfach nur herumstanden. Jeder salutierte hektisch, als sie Nikira bemerkten. Es bescherte ihr ein zufriedenes Gefühl wieder ernstgenommen zu werden.
 

Krachend riss die Tür zum Besprechungszimmer auf, als sie unter Deck gegangen und durch die schmalen Gänge gestreift war. Vier Gesichter sahen sie überraschend an. Ohne auf sie zu achten ging Nikira auf den Rosahaarigen zu, der sie ängstlich ansah. Er wusste was ihm jetzt blühte. Mit großen Schritten ging sie auf ihn zu, zog währenddessen ihr kleines Messer und packte ihn am Hals. Die anderen im Raum schrien kurz auf, als sie ihn an die Wand drückte. Unsanft prallte er mit zusammengekniffenen Augen dagegen. Sie hielt ihm das Messer vors Gesicht.
 

„Ich sollte dir für deine dämliche Aktion die Kehle aufschlitzen, Corby“, zischte sie leise und genoss das leichte Wimmern von dem jungen Soldaten vor ihr.
 

„Nikira! Das reicht! Lass ihn los“, ertönte es laut hinter ihr. Kurz verweilte sie in der Position und drückte noch einmal kurz zu, bevor sie ihn losließ. Sie packte das Messer weg und nahm stattdessen ihren Brief aus der Hosentasche. Verärgert schmiss sie ihn auf den Tisch und verschränkte ihre Arme. Verfluchte scheiße! Manchmal hasste sie es, dass sie den Vizeadmirälen unterstellt ist.
 

„Was ist das?“, fragte Maynard und deutete auf den Umschlag.
 

„Ein Brief an meinen Vater“, antwortete sie abwesend und starrte auf Corby, der sich noch immer nicht von der Wand wegbewegt hatte.
 

„Gut. Wir werden ihn überbringen.“ Der Vizeadmiral musterte sie von oben bis unten, was Nikira nicht entging. Dennoch nickte sie nur. Sie konnte sich nicht allzu lange hierbleiben. Sie durfte nichts riskieren.
 

„Fällt es nicht auf, wenn sie hier ist?“, fragte Corby krächzend und vermied es sie direkt anzusprechen.
 

„Nein. Tut es nicht.“ Nikira antwortete kalt, woraufhin der Rosahaarige zusammenzuckte. „Und jetzt entschuldigt mich. Ich habe eine Mission zu erledigen.“ Mit diesen Worten verließ sie wieder das Schiff und kehrte zurück zur Moby Dick. Auch wenn sie mit diesem Brief nicht wirklich weitergekommen war, so fühlte sie sich schon besser. Das bemerkte sie auch, als sie ohne Kopfschmerzen und viel Grübelei in ihrem Bett lag und binnen weniger Minuten einschlief.

Finally A Little Bit Action

Am nächsten Morgen wurde Nikira nicht geweckt. Was ihr nur recht war, denn so konnte sie sich ausgeschlafen auf den Weg machen um zu frühstücken. Gegen ihre Erwartungen war es dieses Mal recht ruhig im Saal, was vermutlich daran lag, dass alle eine harte Nacht hinter sich hatten. Alle außer Nikira, die es sich nicht nehmen ließ ein extra lautes ‚Morgen‘ zu rufen. Wenn sie schon keine Piraten bekämpfen durfte, musste sie eben einen anderen Weg finden um sie zu quälen. Die erwünschte Reaktion blieb auch nicht lange aus, als sie sich neben der Feuerfaust niederließ.
 

„Scheiße, Nikira.“ – Marco.
 

„Was soll der Mist, Nikira?“ - Thatch.
 

„Spinnst du, Nikira?“ – Tao.
 

„Halt die Klappe, Nikira.“ – Ace.
 

Ein gehässiges Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. Selber schuld und somit auch kein Mitleid. Obwohl Mitleid würde sie mit Piraten wohl nie haben.

Ganz zufrieden schmierte sie sich ein Toastbrot mit Marmelade und amüsierte sich über den erbärmlichen Anblick der sich ihr bot. Alle drei Kommandanten, plus der Schiffsarzt, hingen wie Leichen am Tisch. Einer sah schlechter aus, als der andere.
 

„Hör auf so schadenfroh zu grinsen“, kam es von Ace, der seine Wange auf die Tischplatte gelegt hatte und sie von unten hinauf ansah. Kauend erwiderte Nikira kurz den Blick und stellte dabei fest, dass ihm seine Sommersprossen etwas Kindliches verliehen. Zumindest wenn er, so wie in diesem Moment, ein Hemd trug. Denn mit freiem Oberkörper wirkte er selbst für Nikira außerordentlich männlich…
 

„Alles ok, Nikira?“, kam es von Marco mit einem halbherzigen Grinsen, der bis jetzt kaum etwas vom Essen angerührt hatte.
 

Leicht zuckte die Rothaarige zusammen und wandte den Blick von dem Schwarzhaarigen ab. „Klar“, sagte sie langsam und aß weiter.
 

„Wieso geht es dir nicht auch so dreckig?“ Tao, der links von ihr saß, wandte sich zu ihr und sah aus, als müsste er sich gleich übergeben. Angewidert rutschte sie ein wenig von ihm weg und damit näher an Ace.
 

„Weil ich nicht so dumm bin wie ihr“, meinte die Rothaarige trocken und erntete empörte Blicke.
 

Thatch, der als einziger versuchte etwas zu essen, meldete sich nun auch zu Wort: „Warts nur ab. Irgendwann wirst du auch einen Kater haben und dann erinnere ich dich an deine Worte.“

So etwas würde nie passieren, denn Nikira hatte nicht vor sich zu betrinken. Sie war auf einer Mission und da war es nicht förderlich, wenn sie nicht wusste was sie tat. Deswegen warf sie Thatch nur einen kurzen Blick zu und genoss anschließend in Ruhe das Frühstück.
 

Von da an vergingen die Tage eher schleppend. Es passierte nichts Aufregendes. Auch hatte sie keine Ahnung, wie sie ihre Mission vorantreiben sollte und das würde ihrem Vater gar nicht gefallen. Mit diesem Gedanken saß sie nach dem Mittagessen im Schneidesitz an Deck und polierte ihr Schwert. Schon wieder.
 

In den letzten Tagen hatte sie entweder geholfen das Schiff zu putzen, oder sah den anderen dabei zu wie sie sich betranken. Sie war absolut nicht ausgelastet. Früher war sie es gewohnt gewesen mit blauen Flecken und Prellungen schlafen zu gehen, doch jetzt konnte sie nicht mal einschlafen, da sie sich so wenig bewegte.

Gelangweilt befestigte sie ihr Schwert wieder an ihrer Seite und beobachtete stattdessen Ace dabei, wie er immer wieder eine Flamme in seiner Hand erscheinen ließ. Teufelsfrüchte waren schon ziemlich faszinierend. Vor allem Logia-Früchte fand Nikira beeindruckend.
 

„Hör auf mich anzustarren, Nikira. Du machst mich nervös“, meinte plötzlich der Schwarzhaarige über das ganze Deck. Ein klein wenig fühlte sich die Rothaarige ertappt, aber nur ein klein wenig. Das Gelächter der anderen ignorierend, stützte sie ihren Kopf mit der Hand ab und starrte weiter. Einfach, weil die Flammen in seiner Hand sie fesselten. Sie fühlte sich schon immer sehr zu Feuer hingezogen. Vielmehr als zu Wasser. Denn das heiße Element war gefährlich und mächtig. Ein kleiner Funke reichte, um das Leben vieler Menschen auszulöschen.
 

Ganz gefangen von dem Feuer, welches sich nun um seinen ganzen Arm schlängelte, hob sie ruckartig den Kopf, als jemand aus dem Krähennest rief, dass fremde Schiffe auf sie zusteuerten. Schneller als man schauen konnte, hatte sich Nikira aufgerappelt und war zur Reling gelaufen. Mit hartem Blick lehnte sie sich etwas weiter nach vorne.

Bei dem Anblick, welcher sich ihr bot, fing ihr Herz an schneller zu pochen. Drei Schiffe steuerten auf sie zu. Eines, welches beinahe so groß war wie die Moby Dick und zwei andere, die etwas kleiner waren. Alle mit derselben Flagge.
 

Der Griff um ihr Schwert wurde kräftiger. Sie hoffte inständig, dass es sich bei dieser Bande um eine feindliche handelte. Sie wollte kämpfen. Jetzt sofort!

Anscheinend sah man ihr an, dass sie aufgeregt war, denn die Feuerfaust grinste sie von der Seite her an; lässig an die Reling gelehnt.
 

„Seit wann so hibbelig, Nikira?“, meinte Ace schelmisch.
 

Doch die Rothaarige bedeutete ihm nur still zu sein, was die Feuerfaust zum Lachen brachte. Seit Tagen hatte man die Piratin nicht so aufgeweckt gesehen. Es war also eine willkommene Abwechslung.
 

Mittlerweile waren die Schiffe schon sehr nah und gerade als die 18-Jährige ungeduldig fragen wollte, ob es sich dabei um feindliche Piraten handelte, kam eine Kanonenkugel auf die Moby Dick zugeflogen. Ehrlich gespannt was jetzt passierte, sah sich Nikira die Kommandanten an, die natürlich in erster Reihe standen. Alle waren mehr als nur entspannt und grinsten vor sich hin. Klar, so eine kleine Kugel würde denen doch nichts anhaben. Vor allem fragte sich Nikira insgeheim, wer so blöd sein konnte und die Whitebeard-Piraten angriff. Das war purer Selbstmord.
 

Aus dem Augenwinkel nahm sie wahr, dass Jozu nach vorne schritt und mit den Fingern knackste. Grinsend sprang er auf die riesige Galionsfigur, ging in die Knie und sprang hoch. Und zwar verdammt hoch für so einen Riesen wie Jozu. Ein wenig beeindruckt sah sie ihm dabei zu, wie seine rechte Körperhälfte nach und nach mit Diamanten überzogen wurde, er mit der Hand ausholte und die Kugel damit zerstörte. Die Explosion verursachte eine kleine Druckwelle.
 

Während sich Jozu und jetzt auch Haruta um die Kanonenkugeln kümmerten, wandte sich Marco mit seinem typischen gelangweilten Blick dem Rest zu. „Ich übernehme das große Schiff. Ace? Du das Rechte und Tha-.“ „Das Linke gehört mir“, unterbrach Nikira Marco und zog ihr Schwert.
 

Der Phönix schien zuerst verärgert darüber, dass sie ihn einfach so unterbrach, doch als er sich die Rothaarige ansah, schien er zu überlegen. Schließlich richtete er das Wort an Thatch: „Wäre das ein Problem für dich?“
 

Dieser schüttelte grinsend den Kopf. „Absolut nicht! Ich wollte Nikira sowieso mal in Action sehen“, kam es amüsiert von dem Mann mit der Tolle.
 

Das war für Nikira das Zeichen. Mit pochendem Herzen sprang sie auf den Blauwal und ging zügig nach vorne. Dort atmete sie noch einmal tief ein, ehe sie sich abstieß und auf jenes Schiff sprang, welches ihr ‚gehörte‘. Leichtfüßig kam sie auf dem Deck an und stand ca. Dreiduzend Piraten gegenüber, die anfingen zu lachen als sie die Rothaarige sahen.
 

„Was soll das? Schickt Whitebeard jetzt schon kleine hilflose Mädchen vor?“, rief einer laut. Nikira schnaubte. Sie würde jeden einzelnen von ihnen zeigen, dass sie alles andere als hilflos war.
 

„Dieses kleine hilflose Mädchen wird dir gleich die Kehle aufschlitzen“, raunte sie leise mit einem sadistischen Grinsen im Gesicht. Das war er. Der Moment auf den sie ihr ganzes Leben lang gewartet hatte. Sie spürte förmlich, wie das Blut durch ihre Adern rauschte und Unmengen an Adrenalin durch ihren Körper pumpte.
 

„Na dann zeig mal was du so drauf hast, Süße.“ Wieder ein andere glaubte sie einschüchtern zu können. Ganz zur Freude von Nikira. Sie würde sich jeden Gesichtsausdruck einprägen, wenn sie vor Überraschung keinen Laut über die Lippen bekamen und erst zu spät realisierten, dass sie ein Schwert im Bauch stecken hatten.
 

„Das werde ich“, murmelte sie leise und ging in Position. Ein letztes Grinsen und schon stieß sie sich ab. Jahrelang hatte sie mit Garp trainiert. Schnelligkeit, Ausdauer, Kraft. Sie war gut. Das wusste sie und das bemerkten auch schnell die Piraten. Keine drei Minute später lag die Bande blutend am Boden. Nur das erste Großmaul von vorhin kniete noch vor ihr.
 

„W-Was z-zum Teufel war das?“, stotterte er und spuckte Blut. Sie grinste; genoss den panischen Blick in seinen Augen, als er realisierte, dass er sterben würde.
 

Nikira beugte sich ein wenig zu ihm hinunter und packte ihn bei seinen fettigen Haaren. „Das war der Teufel und Tochter des Admirals Akainu höchstpersönlich.“ Beinahe hätte sie gelacht, als er geschockt seine Augen aufriss und sie immer wieder von der Moby Dick zu ihr wanderten.
 

„W-Was? A-Aber du gehörst d-doch zu den W-Whitebeard-Piraten.“ Es war ihm anzusehen, dass er die Situation nicht ganz begriff.
 

„Nicht wirklich, aber pscht. Das ist ein Geheimnis“, verriet ihm Nikira mit einem amüsanten Grinsen im Gesicht.
 

„Was zur H-Hölle hast du vor?“ Seine Stimme zitterte vor Angst und Ungläubigkeit.
 

Nikira beugte sich zu ihm hinab; berührte beinahe mit ihren Lippen sein Ohr, als sie flüsterte: „Das wirst du leider nie erfahren.“ Und ehe er darauf reagieren konnte, hatte sie ihm ihr Katana in den wulstigen Bauch gerammt.
 

Sie zog es heraus und ließ den Körper nach vorne fallen. Seufzend richtete sie sich auf. Das hier war viel zu schnell vorbei.
 

Zurück auf der Moby Dick fiel ihr auf, dass die anderen beiden feindlichen Schiffe lichterloh brannten.
 

„Du hast ziemlich lange gebraucht“, grinste ihr Ace entgegen, der wie zuvor auch, lässig an der Reling lehnte.
 

„Ich hab‘ nur ein wenig gespielt“, erwiderte Nikira mit einem schiefen Grinsen und sprang aufs Deck.
 

Ace zog daraufhin nur seine Augenbraue nach oben, als er ihr blutiges Schwert in der Hand betrachtete. Nikira bekam seinen skeptischen Ausdruck durchaus mit, doch sagte nichts dazu. Stattdessen ging sie wieder auf ihren Platz von vorhin zu und fing abermals an ihr Schwert zu polieren. Dieses Mal war es wirklich nötig. Und eine Zeit lang funktionierte dies sogar.
 

Denn für die Piraten war es nach diesem ‚Kampf‘ wieder einmal Zeit für eine Party. Was für Nikira bedeutete in ihre Kajüte zu verschwinden. Dachte sie zumindest. Gerade als sie sich erheben wollte, wurde ihr ein Krug voller Sake in die Hand gedrückt. Natürlich von Ace, der es sich nicht nehmen ließ ihre Privatsphäre zu missachten. Schon wieder.
 

Mit einem beinahe schon leeren Blick nahm sie das Getränk in die Hand und rückte anschließend ein wenig nach rechts, da er sich deutlich in ihrer Komfortzone befand. In den wenigen Tagen wurde Nikira klar, dass Piraten absolut keine Berührungsängste hatten. Eins der Dinge, die die Rothaarige nicht bedacht hatte.
 

„Kennst du das Spiel ‚20 Fragen‘?“ Er hatte sein linkes Bein ausgestreckt; das andere stellte er auf, damit er seinen Arm darauf ablegen konnte.
 

„Nein und es interessiert mich auch nicht wirklich.“ Mit diesen Worten lehnte Nikira ihren Kopf an die Wand hinter sich. Was wollte er schon wieder von ihr? Sie konnte nicht mal annähernd verstehen warum er sich zu ihr setzte, statt mit seinen Freunden zu trinken.
 

Der Schwarzhaarige seufzte und für einen kurzen Moment dachte die 18-Jährige, dass er endlich aufgeben würde – doch falsch gedacht.
 

„Komm schon. Wenigstens fünf Fragen. Ich weiß so gut wie nichts über dich. Das wäre doch eine gute Gelegenheit für uns sich besser kennenzulernen.“
 

Nikira drückte ihre Zähne fest aufeinander und antwortete schließlich gepresst: „Was, wenn ich dich nicht besser kennenlernen will?“
 

„War das gerade eine der fünf Fragen?“ Grinsend sah der junge Mann mit den Sommersprossen auf sie herab und trank einen großen Schluck von seinem Krug. Er nahm sie schon wieder nicht ernst. Wie ihr der Kerl auf die Nerven ging!
 

„Halt einfach die Klappe.“ Nikiras Stimmung sank und sank.
 

„Du weißt, dass ich das nicht kann“, er lachte und stumm stimmte Nikira ihm zu, ehe er fortsetzte, „außerdem werde ich dich solange nerven, bis du mit mir spielst. Also?“
 

Er hatte ein fettes Grinsen im Gesicht, als die Rothaarige finster schauend aufsah. „Gut. Frag, wenn du es nicht lassen kannst.“
 

„Sehr schön, dann erzähl mal. Wo hast du so kämpfen gelernt?“

Layla

Nikira schwieg kurz, obwohl die Frage in ihr kein Unbehagen auslöste. All diese Sätze inklusive Antworten standen in der Missionsakte. Es war beinahe schon zu leicht, wäre da nicht die Tatsache, dass sie keine Ahnung hatte wie sie Ace der Marine ausliefern sollte.
 

„Mein Großvater hat es mir beigebracht.“ Die Rothaarige klang alles andere als begeistert. Sie wollte nicht mit der Feuerfaust reden. Sie wollte mit niemandem reden.
 

„Wow. Der muss ja einiges draufhaben.“ Er nickte anerkannt.
 

„Das…hat er.“ Nikira musste unweigerlich an den alten Sack Garp denken und wie oft sie ihn zur Weißglut getrieben hatte. Ihre echten Großeltern kannte sie nicht und auch, wenn er nicht ihr biologischer Großvater war - irgendwie kam er dem am nächsten.
 

„So! Du bist an der Reihe. Frag mich was.“ Wie ein kleines Kind grinste er über beide Ohren und schien sich wirklich auf ihre Frage zu freuen.

Ohne wirklich viel nachzudenken, fragte sie das Erste, was ihr in den Sinn kam. „Wieso bist du Pirat geworden?“
 

Ace sah überrascht aus, als hätte er nicht mit solch einer Frage gerechnet. Dennoch schien er nicht lange zu überlegen. „Naja. Zuerst wollte ich König der Piraten werden. Ich hatte sogar eine eigene Crew. Doch dann traf ich auf Whitebeard und meine Pläne haben sich geändert. Von da an wollte ich nichts anderes, als Pops zum Piratenkönig zu machen. Also nachdem ich versuchst hab ihn zu töten. Was sichtlich schiefgelaufen ist, aber das ist eine andere Geschichte. Außerdem liebe ich das Meer, die damit verbundene Freiheit und das tun zu können was ich will. Und das Beste daran ist, dass meine Freunde und Familie immer bei mir sind.“ Während er sprach hatte der Schwarzhaarige ein Lächeln im Gesicht.
 

Doch für Nikira ergab seine Antwort nicht viel Sinn. Wieso wollte man ein Leben ohne geregelte Tagesablauf, oder Verpflichtungen? Und frei konnte man an Land genauso sein. Kurz herrschte zwischen den beiden Stille. Nur das Gelächter und Gegröle der anderen drang zu ihnen und wenn man genau hinhörte, konnte man die Wellen wahrnehmen, die gegen den Bug des Schiffes schlugen.
 

Erst nach einer Weile trank er seinen Krug in einem Zug aus. „Warst du schon mal verliebt?“, stellte er ihr die zweite Frage und wackelte gespielt mit den Augenbrauen. Nikira hingegen runzelte die Stirn. Ob sie schon mal verliebt war? Bei weitem nicht. Abgesehen davon, dass die Soldaten der Marine alles inkompetente Idioten waren, hatte sie auch keine Zeit für so etwas Lächerliches.
 

„Das ist eine dumme Frage“, antwortete Nikira deswegen trocken und stellte ihren Krug auf die Seite. Die Hälfte hatte sie getrunken.
 

„Wieso?“ Er grinste sie an.
 

Die Rothaarige warf ihm einen kurzen Blick zu. „War das gerade eine deiner fünf Fragen?“ Sie benutzte bewusst dieselben Worte wie er zuvor und brachte damit Ace zum Lachen.
 

„Verflucht, Kira! Hast du gerade einen Witz gerissen?“ Er lachte laut und hielt sich den Bauch. Währenddessen huschte ein Schatten über Nikira’s Gesicht, als er ihren Namen abkürzte. Mit düsterem Blick wartete sie darauf, dass er sich endlich beruhigt hatte.
 

„Sorry. Also? Warst du schon mal verliebt?“ Er versuchte sich zusammenzureißen, doch das Beben seines Körpers verriet ihn.
 

Sie wandte den Blick von ihm ab und starrte in den Nachhimmel. „Nein.“
 

Ganz klar nahm sie wahr, wie er sie beobachtete, ehe er ohne etwas dazu zu sagen meinte: „Du bist dran.“
 

„Wieso trägst du so selten ein Oberteil?“, kam es von der Rothaarigen desinteressiert. Sie wollte einfach nur die Fragen hinter sich haben, aber um ehrlich zu sein fragte sie sich das schon eine Weile. Das war ja nicht normal, oder?
 

Ace neben ihr grinste und zuckte mit den Schultern. „Naja, ich bin ein Feuermensch. Ich friere nicht. Nie. Ziemlich praktisch. Außerdem stehen die Frauen drauf“, er zwinkerte ihr zu und erntete einen ‚dein Ernst‘-Blick, „oder soll ich deiner Meinung nach ein Oberteil tragen?“, ergänzte er und sah an sich herab.
 

Stirnrunzelnd folgte sie seinem Blick und kam nicht umhin festzustellen, dass sein Oberkörper nicht übel aussah, aber auch nichts Besonderes war. Viele Männer trainierten bei der Marine oben ohne und hatten ebenfalls Muskeln.

Sie zuckte mit den Schultern, wandte ihren Blick von Ace ab und sah stattdessen zu der Meute Piraten, die gerade Binks‘ Sake anstimmten. Selbst unter den Marinesoldaten war dieses Lied bekannt.
 

„Ich nehm‘ das mal als ein ‚Nein‘ auf.“ Nikira vernahm deutlich den amüsierten Unterton und entschied sich ihn einfach zu ignorieren.
 

„Bist du froh hier zu sein?“ Ehrliches Interesse schwang in seiner Frage mit.
 

Nikira hob ihren Kopf. „Ich denke schon“, kam es schließlich langsam von ihr. Allerdings war dies eine große Lüge und sie hoffte inständig, dass Ace dies nicht bemerkte.

Stur sah sie ihm in die Augen und hatte nicht vor weg zu sehen. Würde sie den Blick abwenden, wäre dies ein Zeichen von Schwäche. Ace jedoch sah skeptisch aus.
 

Als er keine Anstalten machte etwas zu erwidern, fragte sie schnell: „Was bedeutet das durchgestrichene S auf deinem Arm?“
 

Mit Argusaugen beobachtete sie seine Reaktion. Vergessen war ihre Antwort von vorhin, als er sich nach hinten lehnte und betrachtete den Krug in seiner Hand, während er mit seiner rechten Hand abwesend über das Tattoo fuhr. Sein Gesicht hatte einen nachdenklichen Ausdruck angenommen.
 

„Sabo“, kam es leise über seine Lippen und Nikira hatte Mühe ihn zu verstehen, „das S steht für meinen Bruder Sabo.“
 

Eine Weile musterte die Rothaarige den jungen Mann neben ihr, ehe sie schweigend an ihrem Sake nippte. Sie wusste nicht, dass er einen Bruder hatte. Es stand nicht in der Akte. Ein Detail, welches ihren Vater vermutlich interessieren würde.
 

Kurz herrschte Stille. Mehr oder weniger geduldig wartete Nikira darauf, dass er endlich die nächste Frage stellte. Sie war eindeutig kein Fan von solch kindischen Spielen.
 

„Wieso…wieso bist du so?“, kam es erst später ruhig und mit gerunzelter Stirn von dem Kommandanten der zweiten Division. Ihn schien diese Frage wirklich zu beschäftigen. Nikira allerdings wusste nicht, was er damit meinte. Deswegen zog sie eine Augenbraue nach oben und sah ihn stumm an.
 

„Na so! Distanziert, kalt und unnahbar. Wieso?“ Unbeeindruckt hatte die Rothaarige der Feuerfaust dabei zugesehen, wie er einige Eigenschaften aufgezählt hatte. Zuerst war sie, und das musste sie sich eingestehen, etwas überrascht über seine Worte. Sie hätte nicht gedacht, dass ihr Verhalten ihn so störte.
 

Sie wusste nicht was sie darauf antworten sollte. Noch nie hatte sich jemand über ihr Verhalten ausgelassen. Sie wusste zwar, dass viele sie aufgrund ihrer ständigen schlechten Laune mieden, aber es hatte bis jetzt niemand gewagt ihr das ins Gesicht zu sagen – und deswegen wurde sie wütend. Sie wusste nicht wirklich auf wen. Auf Ace, der sie anscheinend nie ernst und kein Blatt vor den Mund nahm, oder auf die Marinesoldaten, die allesamt Angst vor ihr, der Tochter Akainus, hatten und ihr somit nie ins Gesicht sagten, was sie von ihr hielten.
 

Sie wollte gerade etwas darauf erwidern, als sie zu ihrem Glück jemand unterbrach. Sie hätte ohnehin nicht gewusst was sie auf seine Frage antworten sollte.
 

„Hey, ihr zwei. Wollt ihr weiter flirten oder die Geschichte von Layla hören?“, kam es plötzlich von Marco, der leicht angetrunken zu ihnen rüber winkte.
 

Nikira verdrehte die Augen über Marcos Worte und warf stattdessen einen irritierten Blick zu Ace. „Layla?“
 

„Ja. Layla.“ Er hatte ein Lächeln im Gesicht, welches aber nicht seine Augen erreichte.
 

„Layla wer?“, fragte sie wieder etwas ungeduldiger. Unwissenheit konnte sie gar nicht leiden.
 

„Hör dir die Geschichte einfach an.“ Er lächelte sie an und gemeinsam setzten sie sich auf zwei freie Plätze, die zu Nikiras Glück nicht neben Tao und Thatch waren. Wie nicht anders zu erwarten, wurde ihr gleich ein Krug voll Sake in die Hand gedrückt. Hier saß man wirklich nie auf dem Trockenen.
 

Als sich Marco räusperte, wurde es prompt still, was einem Wunder nahekam. Mit mäßigem Interesse trank Nikira ihren Sake und lauschte der nasalen Stimme des Kommandanten.
 

„Vor ungefähr 30 Jahren lebte in dem Dorf Rainbow-Village eine anmutige und hübsche Frau namens Layla. Jeder Bewohner kannte sie und freute sich, wenn sie durch die Straßen des Dorfes ging. Sie war stets freundlich, hilfsbereit und hatte für die Probleme anderer immer ein offenes Ohr. Auch wusste jeder, dass sie mit dem legendären Piraten Edward Newgate liiert war, doch dies störte niemanden. Dieser Pirat hatte ihnen nie etwas Böses getan. Im Gegenteil. Er brachte den Dorfbewohnern Geschenke von seinen Reisen mit und erzählte den Kindern die aufregendsten Geschichten. Leider besuchte er Rainbow-Village sehr selten. Zweimal im Jahr, wenn überhaupt.

Eines Tages, als Layla wie so oft sehnsüchtig aufs Meer hinausblickte, ertönten aus dem Dorf laute Schüsse und markerschütternde Schreie. Mit pochendem Herzen lief die hübsche Frau durch den Wald hinab ins Dorf. Und was sie dort sah, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Blut, leere Augen, regungslose Körper und verängstigte Gesichter. Es war ein grausamer Anblick.

Panisch lief sie zu dem Dorfältesten, der dem Tode nahe, die Hand nach ihr ausstreckte.

„Was ist passiert?“, fragte sie atemlos.

„L-Lauf Layla. V-Versteck d-dich. Sie sind hier um d-dich zu t-töten“, brachte der alte Mann zwischen seinen Atemzügen hervor. Der blonden Frau zerbrach bei dem Anblick beinahe ihr Herz. Doch sie hatte keine Zeit länger darüber nachzudenken.

„Sieh dir das genau an, du Teufelsweib! Du alleine bist dafür verantwortlich.“ Der Marinesoldat erhob seine Stimme, so dass ihn jeder der noch Lebenden gut verstehen konnte.

Mit vor Schreck geweiteten Augen sah Layla dem Mann mit dem weißen Umhang direkt in die Augen. Zufriedenheit loderte in ihnen. Verursachten bei der Frau jedoch nur eins – schier endlose Wut.

„Was habt ihr getan?! Nennt ihr das etwa Gerechtigkeit? Ein ganzes Dorf auszulöschen, nur wegen einer Person? Was seid ihr für Monster?“, schrie die mutige Layla ihm ins Gesicht.

„Wir? Wir sind die Monster? Das ich nicht lache! Du bist hier die Hexe, die die Macht beherrscht jemanden mit einer einzigen Berührung das Leben zu nehmen.“ Er sagte dies so verächtlich, dass Layla für einen Moment die Luft wegblieb. Tränen sammelten sich bei seinen Worten in ihren Augen und machten sie nur noch wütender. Sie hatte doch nie jemanden geschadet! Wieso wollte man sie für etwas bestrafen, dass sie nie getan hatte? Hatte die Marine wirklich so große Angst vor ihr?

„Ja. Sieh es ein du Ausgeburt der Hölle! Wegen dir wird dieses Dorf dem Erdboden gleichgemacht!“, lachte er schadenfroh und machte eine Handbewegung, die seinen Männern das Signal gab weiterzumachen.

Energisch lief sie auf den Vizeadmiral zu und ignorierte die panischen Rufe der Bewohner. Sie wollte das nicht. Wollte nicht, dass wegen ihr andere sterben mussten.

„Hört auf! Bitte! Ich tue alles, nur lasst dieses Dorf in Ruhe!“, versuchte sie unter Tränen die Situation zu entschärfen. Verzweifelt stolperte sie und fiel unsanft der Länge nach auf den Boden. Erschöpft rappelte sie sich auf und stützte sich mit den Händen am Boden ab. Mit geneigtem Kopf flehte sie ihn an seine Männer zurückzurufen, erntete aber nur Gelächter.
 

Brutal wurde sie an den Haaren gepackt und herumgerissen. Sie schrie auf, aber nicht aufgrund des Schmerzes. Vielmehr war es der Anblick, der ihr diesen qualvollen Laut entlockte. Kindern wurde der Kopf abgetrennt, Frauen wurden in Hütten gezerrt und Männern wurde würdelos ein Messer in den Rücken gerammt. Es war schrecklich und mit jedem weiteren Schrei starb etwas in Layla.

„Sieh dir das an, Todesengel. Sieh dir an was du getan hast. Sieh genau hin, denn das wird das letzte sein was du je sehen wirst.“ Und mit diesen Worten legte der Mann seine Hand auf ihren Rücken und benutzte seine Teufelskräfte, um ihr unter markerschütterndem Geschrei einen Großteil ihrer Haut zu verbrennen. Nur, um ihr einen langen und qualvollen Tod zu bescheren.

Layla sackte zusammen und bekam in Trance mit, wie jedem einzelnen Bewohner von Rainbow-Village das Leben genommen wurde. Sekunden, Minuten, Stunden vergingen, in dem sie wehrlos auf dem schmutzigen Boden lag und flehte, dass Edward nun an ihrer Seite wäre. Und als hätte jemand ihre Gebete erhört, spürte sie wie jemand ihre Hand nahm und sanft drückte.
 

„Edward? Liebling? Bist du das?“, kam es leise und matt von der Frau mit der klaffenden Wunde.
 

„J-Ja. Layla, mein Engel.“ Der Mann flüsterte nur. Seine Stimme zauberte Layla ein verzerrtes Lächeln ins Gesicht. Er war hier. Er war tatsächlich hier.
 

„E-Es tut mir so l-leid. I-Ich hätte eher hier sein s-sollen. E-Es tut mir l-leid, Liebling.“ Er unterdrückte ein verzweifeltes Schluchzen, was ein Stechen in Laylas Brust verursachte. Etwas Nasses tropfte auf ihre Hand und sie war sich sicher, dass es die Tränen ihres Geliebten waren.
 

„Weine nicht um mich, Edward. Weine um die unschuldigen Opfer, die hier das Leben lassen mussten“, sagte sie schwach und musste sich anstrengen, um einen vernünftigen Satz zustande zu bringen.
 

„I-Ich liebe dich, Layla. B-Bitte verlass mich n-nicht.“ Edward konnte nicht anders als zu flüstern.
 

„Ich verlasse dich nicht, mein Geliebter. Ich werde immer bei dir sein. Tag und Nacht“, Layla hustete und spürte, wie ihre Lebensenergie verschwand, „tu mir nur einen Gefallen und lebe nicht in Trauer um mich. Das würde ich nicht wollen. Genieße das Leben, Edward.“ Ein glückliches Lächeln zierte ihr Gesicht, als ihre Atmung immer langsamer wurde und ihr Herz aufhörte das Blut durch ihren Körper zu pumpen.
 

„Das kann ich nicht versprechen, Layla. Das kann ich nicht.“ Leise und mit gebrochenem Herzen legte er seine Stirn auf ihre und verweilte so bis in die Nacht.“
 

Auf dem Deck herrschte betretenes Schweigen. Vereinzelt wurden Tränen vergossen, doch keiner machte Anstalten etwas zu sagen.

Auch Nikira war sprachlos, um nicht zu sagen geschockt. Sie hatte nicht mit dieser Geschichte gerechnet.
 

Ein Teil dieser Worte waren ihr durchaus bekannt und sie war sich sicher, dass diese Piraten die Geschichte zu ihren Gunsten verdrehten.
 

„Wieso erzählt ihr so etwas Trauriges und tut so, als wäre es erfreulich?“, kam es unverständlich von Nikira, die in Wahrheit etwas ganz anderes Fragen wollte.
 

„Es soll uns daran erinnern jeden Tag zu leben, als wäre es unser letzter.“ Ace neben ihr lächelte sie an.
 

Kurz überlegte sie. Sie musste es einfach sagen, auch wenn sie sich damit möglicherweise verdächtig machte. „Ich kenne die Geschichte anders.“
 

„Du meinst du kennst die falsche Geschichte“, schnaubte Thatch verächtlich und erhielt zustimmendes Gemurmel.
 

Nikira runzelte leicht verärgert die Stirn. Die Marine würde doch nie ein Dorf mit einer solch lächerlichen Begründung auslöschen. Viel logischer erschien ihr die Tatsache, dass diese Frau namens Layla mit ihrer Kraft die Menschheit gefährdet und die Marine mutwillig angegriffen hatte.
 

„Woher wollt ihr wissen, ob diese Erzählung der Wahrheit entspricht?“, sagte sie deswegen und versuchte nicht allzu sehr ihre wahren Gefühle preiszugeben. Ihr missfiel es, dass hier jeder annahm, dass die Marine die Bösen waren.
 

„Weil dies meine Geschichte ist“, brummte eine tiefe Stimme hinter ihnen und ließ alle Anwesenden aufschrecken. Auch Nikira drehte sich um und war wieder einmal überwältigt über diese Kraft die von ihm ausging.
 

Whitebeard war aus seiner Kajüte gekommen; mit zahlreichen Schläuchen in seinem Körper. Er gab trotz seiner Größe und Kraft einen erbärmlichen Anblick ab. Die Augen der Rothaarigen weiteten sich ein wenig und ihr Mund wurde trocken. Diese Information war ihr neu. Sie wusste über das Dorf, die Frau und ihre Macht Bescheid, aber nicht, dass ihr Geliebter der Kaiser Whitebeard war.
 

„Niemand wusste, dass diese Frau meine Geliebte war. Nicht mal die Marine. Nur das Dorf selbst kannte unser Geheimnis.“ Er sagte dies überraschend ruhig, wenn man bedachte, um was es hier gerade ging.
 

Nikiras Herz setzte für einen Moment aus. Sie konnte natürlich nicht mit Sicherheit sagen, dass dies der Wahrheit entsprach, doch Whitebeard hatte auch keinen Grund dafür seine gesamte Crew anzulügen. Wieso…Wieso wurde also in der gesamten Marine etwas Anderes erzählt? Wieso tat man dies? Nikira wusste nicht was sie denken sollte. Deswegen fragte sie ungläubig: „Wieso hast du dich nie dafür gerächt? Sie haben dir deine Liebe genommen! Ich…Ich versteh das nicht.“ Die Rothaarige klang schon beinahe energisch.
 

Doch zu ihrer Verwunderung lächelte der große Mann nur. „Wieso? Damit ich auch Blut teilweise unschuldiger an meinen Händen kleben habe? Damit ich zum Mörder werde, wie der Konteradmiral, der das Leben meiner Frau auf dem Gewissen hat? Nein, mein Kind. Das hätte Layla nicht gewollt und auch ich werde mich nicht dazu herablassen.“ Er sah sie sanft an.
 

Nikira jedoch war geschockt über seine Worte und konnte nicht anders, als ihren Blick abzuwenden und auf den Boden vor ihr zu richten. Sie festigte den Griff um ihren Krug. Wieso wurde sie jahrelang belogen? Wieso erzählte man sich bei der Marine Lügengeschichten? Das konnte nicht sein. Angespannt saß sie da und versuchte ihre Rolle zu wahren. Würde sie jetzt davon stürmen, wäre dies fatal für ihre Mission. Deswegen setzte sie eine gleichgültige Maske auf, obwohl es in ihrem Inneren brodelte.
 

„Pops? Entschuldige die Frage, aber wer war der Soldat der...du weißt schon. Der Layla…“ Ein Mitglied der Crew stellte drucksend eine Frage und man konnte ihm sichtlich ansehen, dass er sich dabei unwohl fühlte nach dem Mörder von Whitebeards Geliebten zu fragen. Nikira, die die Antwort schon kannte, presste ihre Kiefer fest aufeinander und mied jeglichen Blickkontakt.
 

Whitebeards Gesichtsausdruck verhärtete sich ebenfalls, als er sich auf den Boden setzte und die Flasche Sake in einem Zug austrank.
 

„Akainu. Admiral Akainu. “

Her Type Of Man

Die darauffolgenden Tage waren schwer für Nikira. Sie kam nicht darüber hinweg, dass ihr Vater sich jahrelang für etwas feiern ließ, dass er so nie getan hatte. Wieso hatte man das getan? Wieso tötete man Unschuldige, obwohl diese Frau mit dem Namen Layla ihre Macht nie genutzt hatte? Sie konnte es sich nicht erklären. Genauso wenig, wie das was Whitebeard gesagt hatte. Er wollte kein Mörder sein. Aber waren Piraten das nicht? Mörder? Nikira wusste es nicht; wusste im Moment gar nichts.

Mit einer Hand fuhr sich die Rothaarige über ihr Gesicht und richtete sich auf. Seit Stunden verbrachte sie ihre Zeit in ihrem Zimmer. Sie hatte sogar das Mittagessen ausgelassen. Ihr war klar, dass ihr Verhalten inakzeptabel war und noch dazu höchst auffällig. Doch sie wollte mit niemandem reden. Sie brauchte einfach Zeit für sich.
 

Schlussendlich stand sie trotzdem auf und wechselte ihre bequeme Kleidung zu einer blauen Shorts, einem weißen Shirt und einem schwarzen Kapuzenpullover. Ihr Schwert brachte sie wie immer an ihrer Hüfte an. In ihren Boots verließ sie ihren Zufluchtsort und machte sich auf an Deck. Dort tummelten sich wie immer zahlreiche Piraten. Auch Ace konnte sie ausmachen. Er saß am Boden und lehnte sich mit dem Rücken an die Reling. Die Arme hatte er hinter dem Kopf verschränkt und seinen Hut hatte er tief ins Gesicht gezogen. Er schien zu schlafen. Wie leicht es wäre ihn jetzt zu töten…
 

„Hey, Nikira. Komm mal her. Wir brauchen deine Hilfe“, kam es plötzlich laut von Tao, der gemeinsam mit Thatch, Marco und einem äußerst ungepflegten Kerl beisammensaß. Kurz wog sie ab, ob sie einfach in die andere Richtung gehen sollte, doch dann kam ihr, dass sie in den letzten Tagen ohnehin auffällig genug gehandelt hatte. Deswegen stieß sie missmutig die Luft aus und ging auf die kleine Gruppe zu.
 

„Was gibt’s?“, fragte sie miesepetrig in die Runde. Ihr Blick blieb etwas länger bei dem Schwarzhaarigen mit der langen Nase und den fehlenden Zähnen hängen. Er grinste sie an und betrachtete lüstern ihren Körper. Nikira verzog das Gesicht. Dieser Mann war widerlich.
 

„Alsoooooo. Du bist doch eine Frau, hab‘ ich recht?“ Tao übernahm das Reden und erntete prompt einen Schlag auf den Hinterkopf von Thatch.
 

„Eine attraktive, talentierte und kluge Frau meine ich natürlich“, fügte er eilig hinzu. Die Rothaarige zog nur abwartend eine Augenbraue nach oben und verschränkte ihre Arme. Sie bereute es gerade hierhergekommen zu sein. Ihr hätte klar sein müssen, dass die Gruppe nichts Sinnvolles von ihr wollte.
 

„Was wir eigentlich fragen wollten – wie sollte deiner Meinung nach der perfekte Mann sein?“ Endlich rückte er mit der Sprache raus und schien sich plötzlich ziemlich unwohl unter dem angepissten Blick der 18-Jährigen zu fühlen.
 

„Seht ihr? Wir hätten doch Haruta fragen sollen“, flüsterte Thatch zweifelnd zu Marco, der die Augen verdrehte.
 

„Haruta ist aber schon alt. Ihrem Urteil können wir nicht vertrauen.“ Marco sagte dies lässig, sah sich aber paranoid und unauffällig um. Wenn die einzige Kommandantin davon Wind bekam was hier geredet wurde, wären alle vier bestimmt einen Kopf kürzer; beziehungsweise um einen anderen Körperteil ärmer…
 

„Also, Nikira?“ Tao lächelte sie unschuldig an.
 

Die Angesprochene rieb sich genervt die Schläfe. Sie könnte jetzt einfach sagen, dass sie sich noch nie Gedanken darüber gemacht hatte, doch sie konnte nicht ständig bei Konversationen das Weite suchen. Nicht nach den letzten Tagen. Auch nicht, wenn es sich um ein wirklich bescheuertes Thema handelte wie gerade von Tao verkündet. Deswegen warf sie all ihre Hemmungen über Bord und setzte sich zu ihnen auf den Boden. Unter den skeptischen Blicken der Männer zog sie ihren Dolch und fing abwesend an mit ihm zu spielen.
 

„Ich denke…er sollte stark sein. Keiner kann einen Schwächling gebrauchen auf den man im Kampf aufpassen muss“, sagte sie ehrlich und erntete einen triumphierenden Blick von dem ungepflegten Mann.
 

„Seht ihr? Ich hab‘s euch gesagt.“ Er lachte rau auf und trank sein Bier. Nikira rümpfte die Nase.
 

„Gepflegt sollte er auf jeden Fall auch sein“, fügte sie hinzu und warf dem fragwürdigen Piraten einen zweifelnden Blick zu.

Jetzt waren es die anderen die lachten. „Sieht aus als wärst du aus dem Rennen, Teach.“ Marco klopfte ihm spielerisch auf die Schulter.
 

‚Teach heißt er also. Gut zu wissen‘, dachte sich die Rothaarige und wandte den Blick wieder ab.

Dieser Teach grummelte nur und widmete sich wieder seinem Krug.
 

„Und weiter? Was noch?“ Thatch schien ungeduldig.
 

Kurz runzelte die junge Frau die Stirn. „Loyalität ist auch wichtig. Er sollte seine Familie mit dem Leben beschützen.“

„Meine Rede“, grinste Marco. Nikira ignorierte seinen Ausruf und drehte den Dolch mit der Spitze im Boden hin und her. Sie überlegte was sie noch sagen konnte, um wie ein normales Mädchen rüberzukommen, das sich über solch banale Dinge den Kopf zerbrach. Was hatten damals die Köchinnen und Ärztinnen gesagt? Sie glaubte, es war irgendetwas mit Humor.
 

„Ich denke, er sollte auch Humor besitzen“, sagte sie deswegen und legte stirnrunzelnd ihren Kopf schief. Wenn sie darüber nachdachte, fand sie diese Eigenschaft nicht besonders wichtig, aber wenn mehrere Frauen der Meinung waren musste etwas dran sein.
 

„Und was ist mit dem Aussehen? Irgendwelche Präferenzen?“ Tao zwinkerte ihr zu. Nikira hingegen zog nur eine Augenbraue nach oben. Was war denn das für eine Frage?
 

„Keine Ahnung? Darüber habe ich noch nie nachgedacht“, antwortete sie augenverdrehend und erntete ungläubige Gesichter.
 

„Nicht? Darüber hat doch jede 18-Jährige schon mal nachgedacht.“ Thatch‘ Weltbild schien zerstört zu sein.
 

„Ich bin nicht jede 18-Jährige.“ Die Rothaarige zuckte mit den Schultern und bohrte ihren Dolch tiefer in das Holz.
 

Marco grinste und stützte seinen Kopf mit der Hand ab. „Ist uns auch schon aufgefallen. Aber wenn du spontan antworten müsstest – gefallen dir schwarze Haare?“
 

Thatch hatte ebenfalls seine Mundwinkel nach oben gezogen, als er weiter fragte: „Und wie sieht’s mit einer dunklen Augenfarbe aus?“
 

„Gefallen dir Hüte?“, kam es unschuldig von Tao, der seine Arme hinter dem Kopf verschränkte.
 

„Wie stehst du zu Sommersprossen?“, setzte Marco die Fragerei fort, wobei sein Grinsen kaum schelmischer sein konnte.

Abwechselnd sah sie in die amüsierten Gesichter der Männer. Sie wusste genau worauf sie hinaus wollten. Sie war zwar nicht gut im Umgang mit ihren Mitmenschen, aber sie war nicht dumm.
 

Deswegen kniff sie die Augen zusammen und meinte: „Versucht ihr gerade herauszufinden, ob Ace meinem Typ entspricht?“ Wenn ja, dann war sie hier fertig.
 

„Waaaaas? Wir doch nicht. Wie kommst du denn darauf?“, tat Thatch die Sache ab.
 

Augenverdrehend stand Nikira auf und strich sich ihre Haarsträhnen zurück. Sie hatte es doch geahnt.
 

„Schön, dann stört es euch doch sicher nicht, wenn ich jetzt gehe.“ Mit diesen Worten drehte sie sich um und setzte sich auf ihren Platz. Sie hatte gerade zehn Minuten ihres Lebens verschwendet. Allerdings war sie stolz auf sich, dass sie diese unnötige Konversation gelassen überstanden hatte.
 

Sie setzte sich auf den Boden. Mit dem Kopf an die Wand gelehnt, döste sie ein wenig herum und genoss die Sonnenstrahlen auf ihrer Haut. Doch das wurde ihr nach einer halben Stunde eindeutig zu langweilig. Mit abgestützten Kopf sah sie sich um und überlegte was sie tun konnte. Als sie jedoch die Feuerfaust erblickte, die in derselben Position verweilte wie sie zuvor auch, kam ihr eine Idee.
 

Sie rappelte sich auf und nahm sich währenddessen ihren Dolch. Theoretisch müsste das Messer durch seinen Körper hindurchgehen. So war das doch bei einem Logia-Frucht-Nutzer, oder? Kurz sah sie zwischen dem Schwarzhaarigen und dem Gegenstand in ihrer Hand hin und her. Ach was soll’s.
 

Mit ihrer rechten Hand holte sie aus und warf das kleine Messer in Richtung des Schlafenden. Wie gedacht bohrte sich das Messer nur durch eine Flammenwand und blieb schließlich im Holz stecken. Ace, der bis eben noch gepennt hatte, schreckte auf und fasste sich an die scheinbar getroffene Stelle an seiner rechten Schulter. Mit offenem Mund starrte er Nikira an, die ein wenig entfernt von ihm stand und ihn erwartungsvoll musterte.
 

„Was zum…? Was sollte das denn, Nikira?“ Empört schnappte er sich das Messer und rappelte sich auf.

Dies Angesprochene zuckte allerdings nur unbeeindruckt mit ihren Schultern und nahm den Dolch aus der Hand der Feuerfaust, um ihn wieder an ihrem Oberschenkel anzubringen.
 

„Mir ist langweilig“, kam die nüchterne Antwort der Jüngeren.
 

„Langweilig? Und da beschließt du mich mit einem Messer zu bewerfen?“ Ungläubig musterte er sie.
 

„Es ging doch durch dich hindurch, oder nicht? Also alles bestens.“
 

„Du weiß schon, dass du mich auch normal hättest wecken können, oder?“, meinte er mittlerweile belustigt und verschränkte seine Arme hinter seinem Kopf. Zu erwähnen, dass er kein Oberteil trug war unnötig.
 

„Möglicherweise“, antwortete sie langsam nickend.
 

Ace grinste. „Ok, also was schwebt dir so vor um gegen die Langeweile anzukämpfen?“
 

Nikira dachte nicht lange nach und sagte klar und deutlich: „Kämpf gegen mich.“
 

Der Schwarzhaarige sah sie überrascht an und ließ seine Arme wieder sinken. „Ich soll was? Wieso?“
 

„Langeweile“, kam es kurz und knapp von der Rothaarigen. Das hatte sie doch schon gesagt.
 

„Wieso fragst du nicht Marco? Oder Thatch?“ Anscheinend ging dem 20-Jährigen noch immer nicht auf, warum genau er. Nikira stieß gereizt die Luft aus.
 

„Weil mich die anderen schon genug genervt haben. Also?“ Ungeduldig strich sie sich eine Strähne aus dem Gesicht.
 

„Schön, aber wenn ich gewinne, musst du nächstes Mal mehr als einen Krug Sake trinken“, stimmte Ace zu und stellte schelmisch grinsend eine Bedingung. Nikira überlegte nicht lange. Zwei Krüge konnte sie schon verkraften.
 

„Und wenn ich gewinne?“ Sie reckte ihr Kinn ein wenig in die Höhe um zu zeigen, dass sie sich durchaus eine Chance einrechnete.
 

Doch zu ihrer Missgunst lachte der Schwarzhaarige. „Das wird nicht passieren, Kleine.“

Nikiras Auge zuckte verdächtig bei seinem Kosenamen für sie. Das hatte er mit Absicht gesagt. Er wollte, dass sie wütend wurde. Doch nicht mit ihr. Sie hatte ihre Gefühle weitgehend im Griff. Das würde er schon noch sehen.
 

Mit Bedacht legte sie ihr Schwert und ihren Dolch beiseite. „Keine Teufelskräfte, Feuerfaust.“ Würde er sie einsetzten, hätte sie so gut wie keine Chance. Das war ihr klar. Ihr Gegenüber nickte nur grinsend, als er seinen Hut neben ihren Waffen ablegte. Spielerisch knackte er mit seinen Knöcheln.
 

Nikira verdrehte nur die Augen und zog sich ihren Pullover über den Kopf. Dabei rutschte ihr Top etwas nach oben, was den anderen Crewmitgliedern und besonders Ace nicht entging. Man konnte über die distanzierte und kalte Rothaarige sagen was man wollte, aber sie war unglaublich heiß, auch wenn es nicht so schien als wäre sie sich dessen bewusst. Oder als würde sie sich darüber Gedanken machen.
 

Während sie den störenden Stoff unachtsam auf die Seite warf, bekam sie die Blicke der Anwesenden nicht mit.

Noch einmal strich sie ihre langen roten Haare zurück und ging dann in Position. Wie es ihr Garp gelehrt hatte. Den rechten Fuß stellte sie nach hinten, während sie ein wenig in die Knie ging. Ihre Arme hatte sie angehoben und angewinkelt. Ihre Hände zu Fäusten geballt.
 

Ace grinste ihr amüsiert entgegen und schien sie nicht so richtig ernst zu nehmen.

Dies machte Nikira wütend. Jedes Mal dasselbe.
 

Energisch machte die Rothaarige zwei große Schritte auf ihn zu und wandte sie das an, was ihr beigebracht wurde. Setzte Hände und Füße ein, nutzte ihre Schnelligkeit und Beweglichkeit. Wie auch jetzt, als sie sich unter seinem Schlag hinwegduckte, mit einem Fuß in die Knie ging und mit dem anderen seine Beine wegtrat. Unsanft prallte er auf den Boden auf und brachte Nikira zum Grinsen. Diese Position des Piraten gefiel ihr ungemein gut.
 

Mit Genugtuung sah sie ihm dabei zu, wie er ohne Anstrengung aus dem Liegen aufsprang und machte sich wieder bereit.

„Das war nicht nett, Nikira“, meinte Ace grinsend und rieb sich spielerisch die Seite.
 

„Ich bin auch nicht nett“, antwortete sie trocken und fing noch während dem Reden an auf ihn zuzugehen. Konzentriert wehrte sie seine Angriffe ab, doch in einem Moment der Unachtsamkeit bekam sie seinen Tritt voll ab und stieß hart gegen den Mast hinter ihr. Im selben Augenblick machte sich ein heftiger Schmerz in ihrem Kopf breit. Doch sie hatte nicht lange Zeit sich darüber Gedanken zu machen, denn schon raste eine Faust auf sie zu, der sie gerade so entkommen konnte, indem sie mit ihrer Hand sein Handgelenkt packte. Mit der anderen holte sie von unten aus und schlug ihm mit der Faust gegen sein Kinn. Überrascht ging er ein paar Schritte zurück und rieb sich die getroffene Stelle.
 

„Nein. Du bist wirklich nicht nett“, murrte er leise und brachte Nikira zum Grinsen, die wieder ihre Hände hob und versuchte eine störrische Strähne aus dem Gesicht zu blasen. Mittlerweile ging ihre Atmung aufgrund der Anstrengung um einiges schneller und auch ihre Haare klebten teilweise an ihrer Haut. Doch es machte ihr nichts aus. Vielmehr erinnerte sie dies an die zahlreichen Trainingseinheiten mit Garp. Erinnerungen, die sie nur zu gerne in ihrem Kopf abspielte.
 

‚Nie unachtsam werden. Sei mit dem Verstand genauso beim Kampf wie mit dem Körper‘, halte es in Nikiras Kopf, gerade zum rechten Zeitpunkt. Um Haaresbreite hätte Ace‘ Faust sie getroffen. Doch davon ließ sie sich nicht beirren.

Energisch holte sie zu einem Gegenangriff aus, jedoch brachte das Grinsen der Feuerfaust Nikira aus dem Konzept. Wie sie zuvor bei ihm, packte auch er sie beim Handgelenkt und hielt es mit Leichtigkeit umklammert. Zähneknirschend setzte sie ihre andere Hand ein, allerdings hatte er andere Pläne als sich von ihr treffen zu lassen. Schneller als sie schauen konnte, hatte er sie umgedreht, so dass sie mit dem Rücken und verschränkten Armen zu ihm stand.
 

Vor Überraschung weiteten sich ihre Augen. Was zum…? Zähneknirschend versuchte sie sich von ihm zu lösen, doch dies war schier unmöglich. Die Rothaarige gab es ungern zu, aber Männer hatten bezüglich körperlicher Kraft einfach einen enormen Vorteil. Leider.
 

„Du spielst mit dem Feuer, Nikira“, raunte ihr Ace ins Ohr und berührt dabei mit seinen Lippen leicht ihre Haut. Der leichte Lufthauch verursachte ihr noch dazu eine Gänsehaut und langsam begann Nikira sich unwohl zu fühlen. Doch statt ihre Unruhe zu zeigen schnaubte sie nur und meinte: „Wirklich? Eine Anspielung auf deine Teufelskraft?“
 

Bei ihren Worten lachte er nur leise auf. Sie versuchte dabei sich wieder aus seinem Griff zu lösen, allerdings stieß sie dabei immer wieder gegen seine Brust, die viel näher war als ihr lieb war.
 

„Komm schon, Kleine. Das kann doch nicht alles gewesen sein“, hauchte er schon beinahe spöttisch; wollte sie damit provozieren, als er vor allem ihren Kosenamen, welchen sie indirekt von ihm am ersten Tag unter der Bande bekommen hatte, betonte.
 

Doch zu Ace‘ Verwunderung reagiert sie ganz und gar nicht wie erwartet. Stattdessen nahm er von der Seite wahr, wie sich ihre Mundwinkel nach oben zogen.
 

„Nein. Das war nicht alles.“ So fest sie konnte stieg sie auf einen Fuß, woraufhin sie ein leises Zischen vernahm. Wie erhofft löste sich dabei sein Griff ein wenig, so dass sie sich losreißen konnte. Hart stieß sie ihm ihr Ellbogen in den Bauch, drehte sich zu ihm und konnte es nicht lassen ihm hochnäsig in seine unglaublich dunklen Augen zu sehen. Anschließend packte sie dieses Mal sein Handgelenk mit beiden Händen, machte noch eine halbe Drehung und schmiss ihn über ihre Schulter, so, dass er mit dem Rücken krachend auf dem Holzboden landete.
 

Wäre sie nicht Nikira, hätte sie über den verdutzten und leicht vor Schmerz verzerrtem Gesichtsausdruck gelacht. Doch stattdessen beugte sie sich nur nach vorne und blickte von oben auf den Schwarzhaarigen herab. Dieser hatte seine Arme von sich gestreckt und sah Nikira fast schon beleidigt an.
 

„Komm schon, Kleiner. Das kann doch nicht alles gewesen sein“, wiederholte sie seine Worte höhnisch und grinste diabolisch. Sie würde es nie laut sagen und auch kostete es sie viel Überwindung es sich selbst einzugestehen, aber dieser kleine Kampf hatte ihr Spaß gemacht.
 

„Schon gut. Ich geb‘ mich geschlagen.“ Ace grinste sie am Boden liegend an und machte keine Anstalt sich zu erheben.

Stirnrunzelnd richtete sie sich wieder auf. „Schlechter Verlierer, was?“, fragte sie spöttisch und verschränkte die Arme.
 

„Ach was. Gar nicht.“ Er lachte und streckte seinen Arm nach ihr aus, als Zeichen, dass sie ihm aufhelfen sollte. Ohne nachzudenken ergriff sie seine Hand und bereute es sofort. Ruckartig wurde sie nach unten gezogen und fand sich wenige Sekunden später unter der Feuerfaust wieder; festgenagelt durch seine Hände, die ihre Arme mit leichter Gewalt auf den Boden drückten.
 

„Mieser Trick, Feuerfaust“, zischte ihm Nikira entgegen, blieb jedoch ruhig liegen. Es half sowieso nichts. Wenn er nicht wollte würde sie nicht freikommen.
 

„Wir sind Piraten, Nikira. Miese Tricks gehören zum Leben“, raunte der Schwarzhaarige und war der Rothaarigen gefährlich nahe.
 

Mit einem leichten Anflug von Wut funkelte die 18-Jährige ihn an. Sie war verdammt nochmal keine Piratin, aber das konnte sie ihm schlecht sagen.
 

Stattdessen sagte sie gepresst: „Wärst du so freundlich und könntest von mir runtergehen?“

Ihr war die Situation mehr als unangenehm, doch das schien der junge Pirat gar nicht zu merken.

Im Gegenteil. Er grinste und meinte: „Nur, wenn du sagst das ich gewonnen habe und du bei der nächsten Insel deine Wettschulden einlösen wirst.“
 

Die Rothaarige wandte ihren Blick ab. „Du hast gewonnen.“ Diese Worte kamen ihr unglaublich schwer über die Lippen. Nicht nur, weil sie es hasste zu verlieren - auch wenn es nur durch einen miesen Trick so gekommen war -, sondern auch, weil sie gegen einen verfluchten Piraten den Kürzeren gezogen hatte. Und das alles nur wegen ihrer eigenen Dummheit. Sie hatte gehandelt ohne nachzudenken. Für diesen Fehler hätte ihr Vater sie vor versammelter Mannschaft grün und blau geschlagen.

„Uuuuuund?“
 

„Und ich werde bei der nächsten Insel meine Wettschulden einlösen“, brummte sie missmutig und war mehr als froh, als Ace endlich von ihr abließ und sie ihren geliebten Freiraum hatte. Reflexartig rieb sie sich ihre Handgelenke.
 

„War das jetzt so schwer?“, fragte die Feuerfaust amüsiert und verschränkte wieder seine Arme hinter dem Kopf. Ihm schien der düstere Blick von Nikira gar nicht aufzufallen, oder er übersah ihn einfach absichtlich.
 

„Halt einfach deine Klappe.“ Noch bevor sie diese überaus freundlichen Worte zu Ende gesprochen hatte, war ein lauter Knall zu hören, woraufhin das Schiff gefährlich anfing zu schwanken. Alarmiert sahen sich Nikira und Ace an; keine Spur mehr von der Feindlichkeit seitens der jungen Frau, oder der Belustigung des 20-Jährigen.
 

„Wir werden angegriffen! Sie kommen von allen Seiten!“, rief jemand laut und brachte fast alle Anwesenden dazu hektisch über das Deck zu laufen. Marco, der sich die Lage schnell von oben angesehen hatte, gab nun Befehle.
 

„Ace? Du verteidigst das Schiff. Der Rest kümmert sich um die Schiffe um uns herum!“ Sofort wurde Folge geleistet. Nikira war klar, dass es sich bei Ace auch um seine gesamte Division handelte. Deswegen schnappte sie sich ihre Schwerter inklusive dem Hut von dem Kommandanten, der bis eben noch auf dem Boden gelegen hatte.
 

Ihren Dolch steckte sie in ihre Boots; ihr Schwert hielt sie in ihrer rechten Hand. Gemächlich schritt sie auf Ace zu und stellte sich rechts neben ihn. Schweigend reichte sie ihm seinen orangen Hut, den er auch sogleich aufsetzte.

Ein Blick nach vorne und man konnte sehen, dass sich bereits viele fremde Piraten auf dem Deck der Moby Dick befanden und dabei waren die Whitebeard-Bande anzugreifen.
 

„Bereit ein paar Idioten in den Arsch zu treten?“, fragte Nikira vorfreudig und hob ihr Schwert an. Sie freute sich richtig darauf und vergaß dabei die Tatsache, dass sie gerade gegen den Schwarzhaarigen im Zweikampf verloren hatte.
 

„Klar, auch wenn ich bezweifle, dass es nur halb so viel Spaß macht wie bei dir. Immerhin…gefällt mir dein Arsch um einiges besser.“ Mit diesen Worten umhüllte er seinen Arm komplett mit Flammen und grinste sie unverschämt an. Unter dem finsteren Blick seitens Nikira lief er lachend auf ein paar Piraten zu, nur um sie hochkant über die Reling zu befördern. Manche von ihnen sprangen bei dem Anblick der gefürchteten Feuerfaust bereits freiwillig über Bord.
 

„Idioten“, murrte die Rothaarige abwertend und stieß sich dann selbst ins Getümmel.

A Message From Daddy

Nikira kämpfte bereits seit einiger Zeit und egal wie viele Piraten sie ausschaltete - es schien kein Ende nehmen zu wollen. Eigentlich waren diese Kämpfe genau das, was sie jahrelange gewollt hatte. Immerhin trugen sie zur absoluten Gerechtigkeit bei, aber da bei diesen drittklassigen Seeräubern niemand dabei war, der ihr auch nur annähernd gefährlich werden konnte, hatte sie langsam genug davon.
 

Fluchend über diese Tatsache duckte sie sich unter einem Schwerthieb hinweg, stieß ihr Katana in den wulstigen Bauch eines Abschaums und zog es anschließend zähneknirschend wieder heraus. Nein. Es machte wirklich keinen Spaß, wenn ihr keiner die Stirn bieten konnte.
 

Genervt darüber fuhr sie sich mit dem Handrücken über die Stirn. Ihre Haare klebten seit dem spielerischen Kampf gegen Ace an ihrer Stirn. Nur einige Blutspritzer waren neu hinzugekommen. Blutspritzer, die definitiv nicht ihr gehörten, aber das war im Moment nur Nebensache.
 

Statt sich länger um ihr Äußeres zu kümmern, konzentrierte sie sich wieder auf das Geschehen an Deck. Um die Lage zu analysieren, ließ sie ihre Augen wachsam von Mann zu Mann wandern. Dabei entgingen ihr nicht die vielen schlaffen Körper, die auf den Holzdielen der Moby Dick lagen. Ob es sich dabei um Crewmitglieder der Whitebeard-Piraten, oder um die Angreifer handelte, konnte sie nicht sagen. Doch diese Tatsache rückte in den Hintergrund, denn jemand anderes erregte zur Gänze ihre Aufmerksamkeit.

Es war Ace, der bis zur Hälfte in Flammen gehüllt dastand und mit jemandem redete. Genauer gesagt mit einem kleinen dicken Mann, der überraschenderweise vor Selbstbewusstsein nur so strotzte. Es musste der Kapitän der anderen Crew sein.
 

Während sie die zwei Männer skeptisch musterte, vernahm Nikira plötzlich in ihrem Augenwinkel eine hektische Bewegung. Aus Reflex hob sie ihren rechten Arm, mit dessen Hand sie ihr Schwert fest umklammert hielt. Gerade rechtzeitig konnte sie einen gegnerischen Angriff parieren und ihn dadurch zurückstoßen. Daraufhin nutzte sie das Taumeln des Piraten, um sich um ihre eigene Achse zu drehen und ihm mit einer gekonnten Bewegung ihr Schwert durchs Herz zu bohren.
 

„Verfluchtes Piratenpack“, zischte sie leise und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Gesprächspartner von Ace. Wie zuvor auch, zeugte seine Haltung von Selbstbewusstsein. Er schien sich sicher zu sein, bei dem was er gerade tat. Das wunderte Nikira. Niemand der bei Verstand war konnte jemandem wie Portgas D. Ace so selbstsicher gegenüberstehen. Da musste mehr dahinterstecken. Wachsam scannte die 18-Jährige den Mann von oben bis unten.
 

Und erst da fiel ihr etwas Gravierendes auf. Sein Schwert. Es war grün und nur ein Material auf der Grand Line hatte diese Farbe. „Seestein“, murmelte sie leise und überrascht zu sich selbst. Mit Argusaugen beobachtete Nikira jede seiner Bewegungen. Der Captain der feindlichen Crew grinste, als er langsam auf den Schwarzhaarigen zuging. Ace sah nicht so aus als hätte er Angst – oder Ahnung.
 

„Dieser Idiot hat keinen blassen Schimmer.“ Nikira wurde es in dem Moment klar, als der Schwarzhaarige provokant dem kleineren Mann entgegenging.

Die beiden trennte nicht mehr viel und die Schritte des Feindes wurden größer und schneller; bis er anfing zu laufen. Ace jedoch setzte seinen Weg lässig fort.
 

Nikira fluchte und fackelte nicht lange. So schnell sie konnte lief sie los. „Ace! Nicht!“, versuchte sie ihn dabei auf sich aufmerksam zu machen. Erfolglos, denn der Lärm war einfach zu groß.

Zähneknirschend sah sie, wie sich der Abstand zwischen der Schwertspitze und Ace‘ Körper verringerte. Sie hob ihr Schwert leicht an, überbrückte die letzten Meter und verfolgte, wie die Spitze die Haut der Feuerfaust berührte. Wie von selbst riss sie ihr Schwert nach oben und wehrte so jenes aus Seestein ab. Doch ein wenig zu spät. Die Waffe der Marine hatte sich bereits in das Fleisch gebohrt und durch die Aktion von Nikira einen tiefen Kratzer, quer über die Brust des Schwarzhaarigen, hinterlassen.
 

Mit aufgerissenen Augen griff sich Ace auf die Wunde und betrachtete anschließend seine blutverschmierte Hand. Man konnte ihm ansehen, dass er nicht damit gerechnet hatte.

Aufmerksam beobachtete sie ihren Kommandanten, als er taumelnd auf die Knie fiel. Anscheinend war der Schnitt tiefer als gedacht. Doch darum konnte sie sich noch später Gedanken machen. Der Schwarzhaarige würde diese Verletzung schon wegstecken. Jetzt hatte sie erstmal einiges mit dem Captain der feindlichen Crew zu regeln.
 

Fuchsteufelswild drehte sie sich energisch zu dem Mann, der dreckig lachend etwas Abseits stand. Mit großen und zügigen Schritten ging die Rothaarige auf ihn zu und entwaffnete ihn. Wie bereits gedacht ging dies recht schnell. Wie der Rest dieser Leute war er einfach nur schwach und da sie keine Teufelsfruchtnutzerin war, hatte sie sowieso leichtes Spiel.
 

Wütend schlug sie ihm mit dem Griff ihres Katana ins Gesicht, so dass er zischend zu Boden fiel. Finster packte sie ihn mit ihrer freien Hand an die Kehle und drückte zu, bis er anfing zu röcheln.

„Woher hast du dieses verdammte Schwert?“, zischte sie ihm ins Gesicht und musste sich

zusammenreißen, um ihn nicht hier und jetzt zu erwürgen.
 

Er lachte – soweit dies in seiner Situation möglich war – und machte so Nikira nur noch rasender.
 

„Ich weiß nicht. Vielleicht von der Marine?“, kam es von dem Mann gespielt unschuldig. Nikira drückte daraufhin fester zu. Sie wurde nicht gern verarscht. Soviel stand fest.
 

„An deiner Stelle würde ich aufpassen was ich sage. Du befindest dich nicht ganz in der Position, um Spielchen zu spielen.“ Gefährlich ruhig erklärte sie ihm seine offensichtlich missliche Lage.
 

Der Pirat hustete; machte aber keine Anstalten sich zu wehren.
 

„Aber, aber. Wieso so wütend?“ Er lachte ihr ins Gesicht und das sah Nikira als Zeichen ihm einen Anstoß zu geben auszupacken. Sie schnappte sich ihren Dolch und rammte ihn in seine Schulter. Sie spürte, wie sich das Messer durch Fleisch bohrte und anschließend im Boden stecken blieb. Mit Genuss drehte sie es hin und her, um diesen Abschaum leiden zu sehen.
 

„Nochmal: Woher hast du dieses Schwert?“
 

„V-Vielleicht sagt dir der Name roter Hund etwas?“ Der Mann keuchte vor Schmerz auf; verlor aber nicht sein Grinsen.
 

Nikira zeigte keinerlei Gefühlsregung, was der Kapitän als Zeichen dafür sah, dass sie diesen Namen nur zu gut kannte.
 

„Er hat mir eine N-Nachricht für dich m-mitgegeben. Er sagte: solltest du nicht bald die Mission erledigt haben, würde es Konsequenzen geben.“ Die Rothaarige sah ihm an, dass es ihm Freude bereitete ihr diese Information zukommen zu lassen.
 

„Das war’s? Und dafür hat er dir ein Schwert aus Seestein gegeben?“ Kalt deutete sie mit einer Kopfbewegung auf das Schwert, welches ein paar Meter weiter auf dem Boden lag.
 

„E-Er meinte das würde deine A-Aufmerksamkeit erlangen.“ Abermals hustete er. Dabei ran ihm das Blut aus dem Mund und anschließend sein Kinn hinab.
 

„Aha. Und was ist mit der Tatsache, dass du ihn beinahe getötet hättest, obwohl ich ihn lebend zur Marine bringen sollte?“ Sie waren doch alle gleich. Jeder einzelne von ihnen war nur auf den eigenen Vorteil aus.
 

„E-Er hat gesagt ich solle s-so handeln. E-Er hat es mit befohlen.“ Es war klar, dass er mit ‚ihm‘ ihren Vater meinte. Und es war klar, dass er die Wahrheit sagte. Zumindest klang das ganz nach ihrem Erzeuger.
 

„Wie auch immer“, murmelte die Rothaarige abwesend und stand auf, „wenn das alles war kann ich dich ja jetzt töten.“ Sie richtete das Schwert auf seinen Hals. Beinahe im selben Moment fing der Mann hektisch an zu zappeln und an ihrem Dolch herumzuzerren.
 

„W-Was? N-Nein! Er hat gesagt du w-wirst mich nicht t-töten. Er hat g-gesagt-“ Noch bevor er zu Ende reden konnte, hatte sie einen sauberen Schnitt an seiner Kehle gezogen, woraus nun das dunkelrote Blut wie in Bächen floss. Armselig versuchte er den Strom zu stoppen, indem er seine Hände auf die Wunde presste, doch vergebens. Innerhalb von Sekunden war er verblutet. Sie nahm ihren Dolch aus seiner Schulter und steckte ihn wieder zurück in ihre Boots. Dann wandte sie sich um, ging ein paar Schritte und kniete sich neben den Schwarzhaarigen, der seitlich am Boden lag und seine Hand auf die Wunde drückte. Er war ziemlich weiß im Gesicht.
 

„Kein Wunder. Selbst kleine Seesteinwunden beeinflussen den Körper eines Teufelsfruchtnutzers bereits enorm. Mich wundert es, dass du noch bei Bewusstsein bist“, murmelte Nikira leicht erstaunt. Sie konnte nicht verhindern, dass sie seine Stärke ein wenig bewunderte. Sie hatte schon viele Männer gesehen, die bei dem kleinsten Schnitt umfielen wie ein Dominostein.
 

Als sie ein leises Lachen vernahm, sah sie auf und hob überrascht eine Augenbraue.

„Siehst du? Mich kann nicht mal Seestein so schnell umhauen. Da schaffst du es schon gar nicht…obwohl du ziemlich umwerfend bist.“ Ein schwaches Lächeln zierte sein blasses Gesicht, als er diesen wirklich dämlichen Witz riss.
 

Schnaubend drückte sie absichtlich fest auf seine Wunde, was ihm ein Zischen entlockte.

„Anscheinend beeinflusst Seestein auch den Verstand“, presste sie mürrisch hervor. Sogar wenn er halb bewusstlos war, ging er ihr auf die Nerven.

Dennoch sah sie sich nach Hilfe um und stellte fest, dass nur noch ein paar feindliche Piraten am Schiff waren. Gut so, denn alleine würde sie Ace nicht in die Krankenstation bringen könne. Wie aufs Stichwort kam Marco auf sie zu, der beim Anblick der zwei die Augenbrauen hob.
 

„Was habt ihr zwei den angestellt?“ Er sah nicht so aus, als wäre er um den Schwarzhaarigen besorgt.
 

„Seestein“, kam die knappe, aber aussagekräftige Antwort der Rothaarigen, woraufhin der Blonde überrascht aussah.
 

„Wie kommt das denn hierher?“ – „Später. Bringen wir ihn zuerst in die Krankenstation“, tat Nikira die Sache murmelnd ab und nickte in Richtung der Tür die unter Deck führte. Für dieses Schwert brauchte sie eine gute Ausrede.
 

„Gute Idee“, stimmte der Phönix zu, warf noch einen kurzen merkwürdigen Blick zu Nikira und half der Rothaarigen Ace hochzuheben, um ihn anschließend stützend zu Tao zu bringen.
 

Dieser hatte alle Hände voll zu tun, denn in der Krankenstation war bereits mächtig was los. Haufenweise Krankenschwestern liefen herum und irgendwo darunter konnte Nikira auch Tao ausmachen. Dieser war innerhalb weniger Sekunden bei ihnen und war ziemlich überrascht.
 

„Woah. Was ist denn mit dem passiert?“ Er zog seine Augenbrauen nach oben und deutete auf das leere Bett neben ihm. Marco legte die Feuerfaust dort ab.
 

„Das sieht mir ganz nach einer Schwertwunde aus. Wie kommt’s?“ Fachmännisch nahm er irgendein Glas in die Hand, befeuchtete mit dem Inhalt ein Tuch und desinfizierte den Schnitt. Ace zischte und bäumte sich auf; sank aber augenblicklich wieder zusammen. Anscheinend setzte ihm dieses Material mehr zu als angenommen.
 

Während die Rothaarige ihre Arme verschränkte und nicht so aussah als würde sie dem Arzt antworten, übernahm Marco die Erklärung.
 

„Nikira meinte es war ein Seestein-Schwert.“ Aufmerksam sah der erste Kommandant Tao dabei zu, wie er zusätzlich eine Salbe auf seine Verletzung schmierte.
 

„Seestein“, murmelte der Arzt leise, „leider kenn ich mich damit absolut nicht aus. Dieses Material ist viel zu selten. Außerdem hütet die Marine jegliche Information darüber wie einen Schatz. Ich kann nicht mehr tun als es wie eine normale Wunde zu behandeln.“
 

Tao schien die Tatsache nicht zu gefallen, dass er nicht alles gegen diese Wunde tun konnte. Auch Nikira konnte nicht viel mehr dazu beitragen. Auch wenn sie die benötigten Informationen über dieses Gestein hätte, würde sie nichts preisgeben. Wäre auch zu schön, wenn Piraten eines der größten Geheimnisse der Marine in den Händen halten würden.
 

In Gedanken versunken, musterte sie den Schwarzhaarigen, der ziemlich mitgenommen aussah. Er war extrem blass und Nikira wunderte sich abermals, dass dieses Material einen Teufelsfruchtnutzer so sehr mitnahm. Im Grunde eine interessante Tatsache.
 

„Woher hatte er das Schwert, Nikira? Konntest du etwas Nützliches von dem Mann erfahren?“ Nikira hob den Kopf, als Marco sie so direkt anredete und überlegte kurz. „Nicht wirklich. Er sagte, dass er das Seesteinschwert von der Marine hat. Es ist vermutlich gestohlen. Anders kann ich es mir nicht erklären.“ So ganz war ihre Antwort nicht gelogen und deswegen kam ihr diese Aussage relativ leicht über die Lippen. Und anscheinend wirkte es, denn Marco nickte verstehend.
 

„Wir sollten mit Pops reden“, meinte er schließlich nachdenklich. Und das taten sie auch. Oder besser gesagt die Kommandanten taten dies. Währenddessen verschwand Nikira aus dem Krankenzimmer, um duschen zu gehen. Sie wollte sich endlich von dem Schweiß und dem Blut befreien und da sie hier sowieso nicht mehr gebraucht wurde, ging sie einfach. Ihr war der Blick vom Phönix durchaus aufgefallen und machte ihr klar, dass jeder Fehler ihr letzter sein konnte. Vor allem bei Marco sollte sie aufpassen. Von Anfang an war ihr klar, dass er eher zu den skeptischen Menschen gehörte. Vielleicht sollte sie ein wenig an seinem Vertrauen zu ihr arbeiten.
 

Mit diesem Vorsatz öffnete sie die Tür zu ihrer Kajüte und schnappte sich ihre Wechselkleidung. Wie sehr sie sich auf das heiße Wasser auf ihrer Haut freute!

Mrs Specialists

Zwei Wochen waren seit dem Angriff vergangen und jeder auf der Moby Dick ging wieder seinen Tätigkeiten nach. Marco besprach mit dem Navigator die weitere Route, Thatch grübelte über das Menü für die nächste Woche nach und Haruta informierte sich mit Jozu über die neusten Nachrichten der Grand Line. Und Ace war in eine hitzige Diskussion mit Fossa verwickelt.
 

Auch Nikira hatte eine neue Beschäftigung gefunden. Lesen. Sie hatte sich ein Buch von Tao ausgeliehen und hatte Gefallen daran gefunden. Deswegen saß sie auf ihrem Platz, hatte ein Glas Orangensaft in ihrer Hand und konzentrierte sich auf die Worte in dem Roman auf ihrem Schoß.
 

In den letzten Tagen hatte sie sich nicht nur über ihre Mission den Kopf zerbrochen, sondern auch darüber, wie sie Marco dazu bringen konnte ihr zur Gänze zu vertrauen. Ein paar Mal hatte sie den Vize in ein normales Gespräch verwickelt. Dabei hatte sie sich bemüht möglichst neutrale Themen aufzugreifen und nur ab und zu private Dinge über sich zu erzählen. So, dass es nicht zu gezwungen rüberkam. Nikira fand, dass es recht gut funktioniert hatte und musste ehrlich sagen, dass er durch seine jahrelange Erfahrung als Pirat ein wirklich interessanter Gesprächspartner war. Vor allem war er im Vergleich zu Ace um einiges ernster und klopfte nicht ständig dumme Sprüche. Über das Seesteinschwert hatten sie nicht geredet, aber Nikira nahm sich vor, dass sie ihn darauf ansprechen würde. Auffälliges Verhalten hin oder her – sie wollte wissen zu welchem Ergebnis er und Whitebeard gekommen sind.
 

Während ihre Gedanken zum blonden Kommandanten übergegangen waren, hatte sie unbewusst aufgehört zu lesen und ihr Gesicht grüblerisch verzogen. Als ihr das bewusst wurde, entspannte sie ihre Muskeln und richtete ihren Blick von den vergilbten Seiten mit der schwarzen handgeschriebenen Schrift, auf das große Deck vor ihr. Genau zur richtigen Zeit, denn vom Krähennest wurde laut und deutlich verkündet, dass Land in Sicht war. Das war für viele das Zeichen in ihren Tätigkeiten inne zu halten und sich auf den Weg zum Abendessen zu machen.
 

Auch Nikira erhob sich, streckte ihre müden Glieder und folgte den anderen. Sie freute sich schon beinahe darauf wieder Erde unter ihren Füßen zu haben. Herumzusegeln war für sie zwar etwas Neues und Aufregendes, aber ein wenig vermisste sie den ruhigen Untergrund dann doch.
 

Nach dem Abendessen machte sich ein Großsteil auf in die kleine Stadt. Wie immer hatte die Crew vor, eine Bar aufzusuchen. Auf Dauer wurden die Partys auf dem Schiff anscheinend eintönig. Behauptete zumindest Ace.
 

Etwas abseits schlenderte sie also hinter den Piraten her. Sie war nicht unbedingt angetan von dem Gedanken, sich mit der feierwütigen Crew in einer Bar herumzutreiben, aber andererseits wollte sie nicht alleine in ihrer Kajüte sitzen. Deswegen folgte sie den anderen; mit einer Laune, die um einiges schlechter hätte sein können.
 

Die Straßen dieser unbedeutenden Stadt waren wie leergefegt und aufgrund der schäbigen Häuser wirkte die Gegend alles andere als einladend. Also ein idealer Ort für Piraten.
 

Nikira musterte noch eine Weile die Umgebung, bis Ace stehen geblieben war und ihr sein typisches Grinsen schenkte. „Ich hoffe du hast nicht vergessen was du versprochen hast“, erinnerte er sie an die Wette.
 

„Hab ich nicht. Keine Sorge“, meinte sie tonlos und starrte stur geradeaus. Wettschulden waren Ehrenschulden. So war es sogar bei der Marine und deswegen würde sie diese zwei Krüge ehrenhaft hinter sich bringen.
 

Er grinste trotz der nicht vorhandenen Begeisterung in ihrer Stimme. „Sehr gut.“
 

Danach herrschte Stille. Solange, bis sie die Tür zur Bar öffnete. Ein unangenehmer Geruch kam ihr entgegen. Es war eine Mischung aus Schweiß, Schimmel, und Alkohol. Nikira rümpfte ihre Nase, ging aber zielstrebig auf den Tisch ganz hinten zu. Dort hatten sich auch Marco, Tao, Thatch und Jozu niedergelassen. Unelegant ließ sie sich auf den Stuhl nieder, der aussah als würde er jeden Moment zusammenbrechen. Typisch für eine Spelunke.
 

„Nikira! Hör auf so finster zu schauen. Du verschreckst die ganzen hübschen Kellnerinnen“, kam es empört von Tao.
 

Die Rothaarige warf dem Arzt einen merkwürdigen Blick zu. „Und das sollte mich stören, weil…?“
 

Dieses Mal war es Thatch, der sich nach vorne beugte und sie amüsiert ansah. „Weil du uns sonst die ganze Nacht an der Backe hast. Also versuch ein wenig zu lächeln und möglicherweise schleppst du auch jemanden ab.“
 

Die anderen grinsten sie an. Selbst Marco, dessen Gesichtsausdruck sonst so nichtssagend war, rang sich zu einem Schmunzeln durch. Nikira hingegen verdrehte nur die Augen.
 

Trotzdem hob sie einen Mundwinkel an und meinte spöttisch: „Besser?“
 

Thatch zog amüsiert eine Augenbraue nach oben. „Nicht wirklich. Das sieht eher so aus als hättest du einen teuflischen Plan.“
 

Noch bevor sie etwas dazu sagen konnte, hielt ihr jemand einen Krug entgegen. Sie sah auf und blickte geradewegs in das Gesicht des immer gutgelaunten Portgas D. Ace.
 

„Für die miesepetrige Nikira, um sie nicht mehr miesepetrig zu machen.“ Der Tisch lachte über den Witz auf Kosten der Rothaarigen. Ohne darauf zu reagieren nahm sie ihm das Gesöff ab. Was waren das nur für Idioten? Und wieso verschwendete sie ihre kostbare Zeit in einer heruntergekommenen Bar? Mit diesen Gedanken nahm sie einen großen Schluck von dem Sake.
 

„Woah, Kira! Für das, dass du nicht gerne trinkst haust du ganz schön rein.“ Ace ließ sich auf den Platz neben ihr nieder und grinste vor sich hin. Die Tatsache, dass er ihren Namen abkürzte, ignorierte sie einfach. Er würde eh nichts daran ändern.
 

Stattdessen trank sie den ersten Krug bis zur Hälfte aus und stellte ihn dann unsanft auf dem Tisch ab, wobei der Inhalt bedrohlich herumschwappte. Nicht gerade lady-like wischte sie sich mit dem Ärmel ihres Pullis über den Mund.
 

„Danke übrigens, dass du uns auch etwas mitgebracht hast, Ace“, meinte Thatch plötzlich gespielt nett.
 

Angesprochener zuckte nur unbeteiligt mit den Schultern. „Konnte nicht mehr tragen. Und für was gibt es Kellnerinnen?“ Jetzt grinste er und deutete auf eine recht spärlich begleitete Frau, die gerade ein ganzes Tablett voll mit Getränken balancierte.
 

„Stimmt. Ich lasse mich eh lieber von ihr bedienen als von dir. Da hab‘ ich wenigstens etwas Hübsches anzuschauen.“ Thatch lehnte sich zufrieden nach hinten, als er den Bediensteten dabei zu sah, wie sie hüftschwingend Bestellungen aufnahmen.

Nikira hob ihre Augenbraue und sah den Männern am Tisch zu, wie sie es dem Koch gleichtaten und die Frauen förmlich mit ihren Blicken auszogen. Ziemlich geschmacklos, fand sie. Aber was erwartete sie von Piraten?
 

Sie überschlug ihre Beine und stützte sich mit einem Ellbogen am Tisch ab. Mehr oder weniger interessiert beobachtete sie, wie eine recht hübsche Kellnerin ihre Haare nach hinten strich, ihre Kleidung zurecht schob – wobei sie ihr Oberteil recht weit nach unten zog, so dass ihre Brüste gut zur Geltung kamen – und sich anschließend mit einem strahlenden Lächeln den Weg zum Tisch der Piraten bahnte. Nikira konnte genau sehen, wie die junge Frau jeden einzelnen der Männer am Tisch abcheckte, wobei ihre Augen vor allem die Feuerfaust musterten.
 

Selbstbewusst grinsend stand die Brünette mit einer beeindruckenden Oberweite vor ihnen, aber nicht ohne der Rothaarigen einen giftigen Blick zuzuwerfen. Vermutlich war sie neidisch, dass Nikira hier an dem Tisch saß und nicht sie selbst. Grinsend nahm die 18-Jährige einen Schluck aus ihrem Krug. Wenn sie wüsste. Nikira war absolut keine Bedrohung. Wenn die Kellnerin unbedingt wollte, könnte sie gerne alle auf einmal ins Zimmer mitnehmen. Dann hätte sie wenigstens für kurze Zeit Ruhe von den Piraten.
 

„Hey. Was darf’s sein?“ Sie hielt ihr Tablett in den Händen und drückte ihre Arme zusammen. So pushte sie ihre Brüste nach oben. Nikira besah sich das Spektakel mit hochgezogener Augenbraue. Was sollte das werden?
 

Marco legte lässig einen Arm auf seine Lehne und setzte ein schiefes Grinsen auf. „Am besten dein Arsch auf meinem Schoß, Süße.“ Während die Bedienung bei seinen Worten rot anlief, stieß Nikira einen leisen ungläubigen Lacher aus. Sie verstand absolut nicht viel vom Flirten, aber nie und nimmer würde das funktionieren. Wer fiel auf so einen billigen Spruch herein?
 

Sie nahm gerade einen Schluck aus ihrem Krug, als die Kellnerin ernsthaft anfing zu kichern. Perplex setzte sie ihr Gesöff wieder ab und sah sich um. Keiner außer ihr schien überrascht zu sein, dass das wirklich gut ankam.
 

„Vielleicht später. Erstmal bring ich euch etwas zu trinken. Also?“ Noch immer lächelnd nahm sie schließlich die Getränkewünsche auf und machte sich dann wieder an die Arbeit.
 

„Was kuckst du so, Kira?“, kam es von Ace amüsiert und wieder kürzte er ihren Namen ab. Und wieder ignorierte sie es.
 

„Wieso funktioniert das?“
 

Jozu war derjenige, der antwortete. „Dafür gibt’s mehrere Gründe, Rotschopf.“ Der Riese zwinkerte ihr zu und betonte besonders das letzte Wort. Was hatten sie nur mit den idiotischen Spitznamen?
 

„Jozu hat recht. Grund Nummer eins ist, dass wir einfach unglaublich gut aussehen.“ Tao fuhr sich grinsend durch seine merkwürdigen Haare.
 

„Oh ja. Wir sind verdammt heiß“, rief Ace dazwischen und lachte über Nikiras zweifelnden Blick. An Selbstbewusstsein mangelte es ihnen nicht. Soviel stand fest. Sie wandte ihren Blick vom Schwarzhaarigen ab und sah auffordernd in die Runde. Sie wollte die anderen Gründe auch erfahren.
 

„Der zweite Grund ist, dass wir irgendwie berühmt sind. So gut wie jeder kennt uns. Sprich – jeder will uns.“ Thatch zwinkerte der Rothaarigen zu. Doch diese zweifelte daran. Sie mögen zwar recht bekannt sein, aber viele hatten auch panische Angst vor Piraten.
 

„War das alles? Wenn ja, kann ich es noch immer nicht nachvollziehen.“ Mit diesen Worten nahm sie einen großen Schluck aus ihrem Krug und stellte fest, dass er beinahe leer war. Vielleicht sollte sie einen Gang hinunter schalten. Sonst würde dieser Abend noch böse enden.
 

„Sei nicht so ungeduldig“, meinte Ace tadelnd, „der dritte Grund ist logisch. Wir sind Piraten. Wir sind böse, stark und haben viel von der Welt gesehen. Und ob du‘s glaubst oder nicht, aber Frauen finden so etwas anziehend.“ Der Schwarzhaarige hatte das Wort ‚böse‘ unter Anführungszeichen gesetzt. Diese Gründe klangen selbst Nikira einleuchtend. Etwas Ähnliches hatte sie schon von den Köchinnen und Krankenschwestern bei der Marine gehört.
 

Gerade als sie den leeren Krug abstellte und weiter nachfragen wollte, kam auch schon die Kellnerin mit der Bestellung an den Tisch und warf Ace wieder einen eindeutigen Blick zu. Dieser grinste ihr nur entgegen und wandte sich dann zu der Rothaarigen.
 

„Du willst doch bestimmt auch noch etwas, Kira. Hab‘ ich recht?“ Seine Stimme klang unschuldig, da er wusste sie konnte nicht nein sagen.
 

„Liebend gerne“, antwortete die 18-Jährige, obwohl ihre Mimik und Tonlage überhaupt nicht zum Gesagten passten. Könnte er aufhören sie Kira zu nennen? Das war nicht ihr Name.
 

Gut gelaunt stellte er ihr einen Krug hin, den er vorher für sie unbemerkt mit angeschafft hatte. Dabei ignorierte er die Bedienung, die nicht gerade begeistert darüber war, dass er sie nicht weiter beachtete.
 

Nikira grinste leicht über das empörte Gesicht der Frau. Sie wusste nicht warum sie das amüsierte, aber vermutlich liegt das an dem Alkohol, der sich langsam bemerkbar machte.
 

Die nächste Runde wurde schneller getrunken, als für Nikira gut war. Sehr zur Belustigung der anderen. Sie war jetzt zwar nicht total betrunken, aber trotzdem wurde sie redseliger.
 

Deswegen brachte sie sich sogar in unnötige Diskussionen ein. So wie auch jetzt, als Jozu, Thatch und Ace darüber redeten, wer von den Kellnerinnen am attraktivsten war.
 

„Also die Kleine die vorher hier war, war schon ziemlich heiß“, meinte Thatch und erntete ein nicken von Jozu.
 

„Stimmt. Die würde ich definitiv nicht von der Bettkante stoßen“, brachte sich auch Tao ein, der anscheinend dem Gespräch gelauscht hatte.
 

„Also irgendwie sehen die alle gleich aus.“ Nikira runzelte die Stirn als sie das sagte und sah sich alle Bedienungen nochmal an. Jede trug dasselbe Outfit und hatte die gleiche Frisur. Keine Spur von Individualität.
 

Tao legte den Kopf in den Nacken und stöhnte frustriert auf.
 

„Das war so klar, dass so etwas von dir kommt. Wo sehen diese Frauen gleich aus?“ Auch Thatch schien ihre Meinung nicht nachvollziehen zu können. Er hatte seinen Kopf auf die Tischplatte gelegt und murmelte irgendetwas vor sich hin.
 

„Sieh nochmal genau hin. Die eine hat doch viel größere Brüste als die andere. Und der Arsch von der ist viel heißer als der von den beiden.“ Ace hatte sich zu ihr gelehnt und versuchte ihr die Unterschiede klar zu machen. Doch Nikira sah das irgendwie nicht. Dennoch nickte sie langsam und tat so, als wäre das alles total logisch.
 

„So sieht’s aus. Du musst nur auf die wesentlichen Dinge achten“, warf Marco altklug ein und brachte die Rothaarige Frau zum Schnauben.
 

„Und dann? Sagt ihr ihnen das auch? “, kam es von der Rothaarigen spöttisch.
 

„Natürlich nicht.“ Ace verdrehte die Augen.
 

„Ok. Verstanden. Ihr kennt euch aus. Ihr seid die totalen Frauenspezialisten.“ Die Stimme der 18-Jährigen triefte nur so vor Sarkasmus.
 

„Klar. Das ist unser Spezialgebiet“, meinte Marco ernst und erntete von den anderen zustimmendes Nicken.
 

Nikira nahm ein Schluck von ihrem Sake. „Schön. Dann demonstriert mir doch mal euer Können. Bei ihr.“ Mit diesen Worten deutete sie auf eine bestimmte Kellnerin. Sie hatte die Bedienung vorhin in ihrem Tun beobachtet und sie konnte mit Sicherheit sagen, dass sie ihren Job hasste. Bei jedem Spruch verdrehte sie die Augen und bei jedem Annäherungsversuch der Piraten hatte sie einen ruppigen Spruch auf den Lippen. Sie hatten keine Chance.
 

„Das ist doch keine Herausforderung. Aber gut.“ Marco winkte besagte Kellnerin her, die mit einem gespielt fröhlichen Lächeln auf sie zu kam. Mit einem charmanten Lächeln im Gesicht lehnte er sich zurück.
 

„Hey, Süße. Wie geht’s dir so?“ Beinahe hätte Nikira aufgelacht. Was sollte das denn werden?
 

Die Bedienung zog ihre Augenbraue nach oben. „Gut“, kam es langsam von ihr. Vermutlich wusste sie auch nicht was das sollte, „was darf ich euch denn bringen?“ Man merkte ihr an, dass sie wegwollte. Konnte ihr Nikira nicht verübeln.
 

„Wie wär’s mit deiner Gesellschaft?“ Er deutete auf den leeren Sessel neben sich.
 

„Tut mir leid, aber ich muss arbeiten“, sagte sie abweisend und wollte sich schon genervt abwenden.
 

„Warte! Du könntest…doch mich bearbeiten?“, kam es schließlich von dem Blondhaarigen, der sich am Hinterkopf kratzte. Es hörte sich vielmehr wie eine Frage an. Man merkte, dass er selbst nicht ganz wusste was er da gerade sagte.
 

Nikira sah ihn zweifelnd an und warf dann Ace einen skeptischen Blick zu. Was zum Teufel war das gerade? Der Schwarzhaarige sah genauso irritiert aus wie sie selbst. Auch die anderen wussten nicht ganz was gerade so abging.
 

„Hast du…hast du das gerade wirklich gesagt? Wow. Das war gerade echt billig.“ Sie sah ihn ungläubig an und fing anschließend an zu lachen. Sie lachte ihn aus. Tatsächlich. Irgendwie wurde sie Nikira gerade etwas sympathisch. Irgendwie. Sie sollte wirklich keinen Alkohol mehr trinken.
 

Marco räusperte sich. Man konnte ihm ansehen wie unangenehm ihm das gerade war.
 

„Sorry, aber ich muss jetzt wirklich weitermachen. Das nächste Mal ruft mich jeder, nur nicht dieser Typ, ok?“, warnend deutete sie auf Marco und verschwand dann wieder.
 

Das war das Startzeichen um loszulachen. Tao, Thatch, Jozu und Ace konnten sich nicht zusammenreißen und hielten sich schon den Bauch. Nikira hatte ihr spöttisches Grinsen im Gesicht, als sie den Phönix musterte.
 

„Das war gerade wirklich traurig.“ Die Rothaarige tätschelte die Schulter ihres Sitznachbern und widmete sich dann wieder ihrem Getränk, welches beinahe leer war.
 

„Alter! Das war alles, nur kein Frauenspezialist“, kam es lachend von Ace.
 

Marco brummte mürrisch. „Ich hab’s selber bemerkt, dass das gerade peinlich war. Haltet die Klappe.“
 

Tao lachte. „Ich glaub das hätte sogar Nikira besser gemacht.“
 

„Also das bezweifle ich aber stark“, kam es überzeugend von Ace, der grinsend seinen Krug leerte.
 

„Ach ja?“, sagte die Rothaarige trocken und zog eine Augenbraue nach oben. Woher konnte er sich da so sicher sein? Nikira würde es nicht zugeben, aber irgendwie nervte es sie, dass er glaubte sie würde eine genauso armselige Show abliefern. Die Feuerfaust grinste die 18-Jährige nur unschuldig an.
 

„Das wissen wir gar nicht. Also warum demonstrierst du uns nicht mal deine Künste, Kleine?“, machte Jozu den Vorschlag und zwinkerte dem einzigen Mädchen am Tisch zu. Sie war sich nicht sicher, ob er ihr helfen, oder sie einfach nur scheitern sehen wollte.
 

„Gute Idee. Dort drüben. Der Typ hinter der Bar sieht doch ganz akzeptabel aus“, fing jetzt auch noch Marco an. Vermutlich um von sich selbst und seiner schwachen Performance abzulenken.
 

„Was? Der? Der hält es doch keine fünf Minuten mit Nikira aus.“ Ace lachte und ärgerte damit unbewusst die Rothaarige.
 

Das einzige Mädchen am Tisch kniff ihre Augen zusammen. „Was soll das denn heißen?“ Wollte er damit sagen, dass niemand mit ihr reden wollte?
 

„Na, dass ich nicht glaube, dass er länger als fünf Minuten mit dir redet.“ Der Schwarzhaarige grinste sie provokant an und lehnte sich zufrieden zurück. Anscheinend machte es ihm Spaß sie zu ärgern. Und Nikira fiel voll drauf rein.
 

„Wetten nicht?“ Sie wusste nicht ganz, warum sie sich darauf einließ, aber vermutlich lag das alles nur an dem Alkohol den sie einfach nicht vertrug.
 

„Schön. Wetten wir. Du wirst ohnehin verlieren.“ Selbstsicher exte er sein Gesöff und stellte es energisch auf dem Tisch ab.
 

Nikira beugte sich ein wenig nach vorne. „Was bekommt der Gewinner?“ Ohne einen Anreiz ging mal gar nichts.
 

„Das bereden wir, wenn es so weit ist.“ Die Rothaarige überlegte kurz und beschloss, es hinter sich zu bringen.
 

„Mach ihm nicht zu viel Angst“, lachte Tao. Nikira verdrehte nur die Augen, zog sich ihren Pulli über den Kopf und schmiss ihn achtlos auf ihren Platz. Ihr Schwert, welches sie immer bei sich trug, lehnte sie behutsam an den Sessel. Sie wollte ihn nicht zu sehr einschüchtern.
 

Dann ging sie langsam in Richtung Bar. Mit jedem Schritt fragte sie sich mehr und mehr, warum sie sich dazu hatte überreden lassen. Das passte absolut nicht zu ihr. Außerdem lag es nicht wirklich in ihrer Intention mit dem Barkeeper zu reden. Doch trotz allem straffte sie ihre Schultern und räusperte sich, als sie sich versucht lässig an die Theke lehnte.
 

Wenn ihr Vater sie jetzt sehen würde, würde er sie wieder an den Mast binden und sie nicht wieder losmachen. Komischerweise war ihr das aber egal. Ihr Vater war nicht hier und konnte sie auch nicht kritisieren. Was jetzt zählte war, dass sie diesen unnötigen Typen dazu brachte mit ihr zu reden. Ganze fünf Minuten lang und deswegen würde sie jetzt all ihre üblichen Verhaltensweisen über Bord werfen und sich komplett anders verhalten.
 

Deswegen räusperte sich Nikira und sagte langsam: „Hallo.“
 

Der Mann hinter der Schenke sah überrascht auf und fing prompt an zu lächeln, als er sie sah. War das ein gutes Zeichen? Nikira war sich nicht sicher. Vielleicht war es aber auch ein Mitleidslächeln. Sie war echt nicht gut in diesen Sachen.
 

Sie warf einen schnellen Blick zu den anderen und wandte ihn gleich wieder ab. Die Jungs konnten das Lachen nur schwer zurückhalten.
 

„Was kann ich für dich tun?“ Er stellte das Glas ab, welches er bis eben gereinigt hatte und warf sich sein Putztuch über die Schulter. Nikira hatte ein Déjà-vu Erlebnis. Nur dieses Mal war der Mann hinter der Theke um einiges gepflegter und sah besser aus.
 

„Ehm…ich glaube ich möchte etwas zu trinken.“ Es kam eher etwas zweifelnd über ihre Lippen. Dies bemerkte auch der Mann vor ihr.
 

„Du glaubst?“, harkte er nach und hob belustigt seine Augenbrauen.
 

Dieser Kommentar verursachte, dass die Rothaarige ihre Augen ein wenig zusammenkniff. Er machte sich über sie lustig.
 

„Nein. Ich weiß es natürlich“, kam es etwas unwirsch von ihr. Ihr ‚Zielobjekt‘ hob abwehrend die Hände.
 

„Sorry. War nicht so gemeint.“ Er sah ein wenig verunsichert aus und Nikira schlug sich in Gedanken gegen die Stirn. So würde das nie etwas werden.
 

„Eh, nein. Du brauchst dich nicht entschuldigen. Mein Fehler“, gab sie schließlich ungern zu und seufzte, „gib mir einfach einen Krug Sake.“
 

Ihr Gegenüber winkte jetzt wieder lächelnd ab und machte sich daran ihre Bestellung zu bearbeiten. „Einen Sake für die hübsche Lady“, meinte er anschließend und stellte das Getränk vor ihr auf den Tresen.
 

Sie nickte ihm dankend zu und nahm gleich einen großen Schluck. Das brauchte sie unbedingt.
 

Vor allem, als er sie hübsch nannte. Mit Komplimenten konnte sie nicht umgehen. Deswegen tat sie das was sie immer tat – es einfach ignorieren.
 

„Ich muss jetzt wieder an die Arbeit. War nett mit dir zu reden“, kam es plötzlich von dem Typen und verursachte bei Nikira Hektik.
 

„Eh, warte! Kannst du mir einen Gefallen tun?“, sagte sie deswegen eilig, bevor er verschwand und sie die Wette verlor.
 

Er sah sich kurz um – vermutlich um zu sehen ob Arbeit anstand - und wandte sich wieder zu ihr. „Klar. Solange es legal ist.“ Er grinste. Zu ihrem Glück.
 

„Gut. Rede mit mir. Nur noch ein paar Minuten.“ Wie immer klang es mehr nach einem Befehl als nach einer Frage, aber das schien den Mann nicht zu stören.
 

„Oh, ok. Hätte mir schlimmeres vorgestellt. Ich bin übrigens Riku“, stellte er sich vor und verursachte bei Nikira ein triumphierendes Grinsen. Sie hatte die Wette so gut wie im Sack.
 

Sie drehte sich ganz zu Riku. „Nikira. Mein Name ist Nikira.“

One Hundred Attempts

Mit erhobenem Haupt und einem triumphierenden Grinsen im Gesicht ging Nikira zurück zu ihrem Platz. Ihr war deutlich anzusehen, dass sie die kleine Wette gewonnen hatte. Zusätzlich dazu erhitzte der Alkohol Nikiras sonst so kalte Fassade und ließ ihre Abneigung gegenüber den Piraten zumindest ein kleines bisschen schwinden.
 

Unelegant ließ sie sich auf ihren Platz fallen und genoss die Niederlage von Ace. Auch die anderen waren etwas baff. Damit hatten sie nicht gerechnet. Nur Jozu lachte vor sich hin und zwinkerte ihr zu. Anscheinend war er der einzige, der an sie geglaubt hatte.
 

„Sag es“, forderte Nikira von dem Schwarzhaarigen und lehnte sich zufrieden zurück.
 

Ace sah stur in eine andere Richtung und hatte die Arme verschränkt. Er war wirklich kein guter Verlierer, aber das war die Rothaarige auch nicht. Sie gab es nicht gerne zu, aber in dieser Hinsicht waren sie sich sehr ähnlich.
 

„Komm schon, Ace. Sie hat die Wette gewonnen.“ Thatch nippte grinsend an seinem Gesöff. Daraufhin schielte der schwarzhaarige Verlierer zu ihr und murrte schließlich: „Du hast gewonnen.“
 

Prompt fingen die anderen an zu lachen und untermalten so Nikiras Sieg nur noch mehr. Es war für die anderen nur ein unbedeutendes Erfolgserlebnis, aber für die Rothaarige war es mehr. Denn wenn sie schon nicht ernsthaft gegen die Whitebeard-Piraten kämpfen durfte, dann wollte sie wenigstens bei dämlichen Wetten gegen sie gewinnen.

Mit diesem Gedanken strich sich die Rothaarige eine Strähne aus dem Gesicht und verneinte die Frage nach einem neuen Getränk. Die drei Krüge Sake waren eindeutig genug. Zumindest für sie, denn die anderen ließen es sich nicht nehmen noch weitere Runden anzuschaffen.
 

Eigentlich hatte Nikira vor zurück zum Schiff zugehen, aber irgendetwas hielt sie hier. Vielleicht war es die Einsamkeit, die sie auf der Moby Dick überkommen würde; vielleicht war es die Ausgelassenheit, die sie hier hielt; vielleicht war es aber auch der Jahrestag, welcher nicht mehr in weiter Ferne lag. Sie wusste es nicht.
 

Deswegen legte sie ihre verschränkten Arme auf der Tischplatte ab und verwickelte Jozu in ein Gespräch. Es stellte sich heraus, dass der Hüne ein sehr angenehmer und unterhaltsamer Gesprächspartner war. Zumindest machte er im Vergleich zu den anderen nicht ständig Witze auf ihre Kosten. Das bescherte ihm einige Pluspunkte bei der distanzierten 18-Jährigen.

Jedoch nahmen Ace und Haruta den großen Jozu nach einiger Zeit in Beschlag, um mit ihm Karten zu spielen. Nikira allerdings zweifelte daran, dass das Vorhaben der beiden reibungslos funktionierten würde, denn die zwei Kommandanten waren mittlerweile ordentlich bedient. Aber was interessierte es sie? Streckend lehnte sie sich nach hinten und bemerkte den Kommandanten der ersten Division erst, als sie ihren Blick durch die spärlich beleuchtete Bar wandern lies. Er stand mit dem Rücken zur Schenke und schien sich mächtig zu langweilen. Da es Nikira gleich ging, stand sie auf und schlenderte zu dem blonden Vize.
 

„Du wirkst ziemlich nüchtern“, meinte die junge Frau und begab sich in dieselbe Position wie der Phönix. Nämlich mit dem Rücken zur Theke und die Unterarme auf das schäbige Holz gelegt.
 

Marco legte den Kopf leicht schief, aber sah sie nicht an. „Das liegt daran, dass ich nüchtern bin. Irgendjemand muss doch auf diese Idioten aufpassen, wenn sie stockbesoffen sind.“ Trotz seiner Worte klang er nicht genervt. Vielmehr hörte es sich so an, als würde er gerne den Aufpasser spielen, aber sie konnte sich auch irren. Es war schwer seine wahren Gefühle zu erraten, wenn sein Gesicht immer denselben gelangweilten Ausdruck aufwies. Dass viele bei ihr dasselbe Problem hatten, kam ihr jedoch nicht in den Sinn.
 

„Wo du Recht hast…“, stimmte die Rothaarige ihm zu.
 

„Und du? Wieso bist du nicht schon längst betrunken?“ Mit einer minimalen Spur an Neugier stellte er ihre diese Frage.

„Ich behalte gerne die Kontrolle über meine Sinne und will vermeiden, dass ich Dinge tue, die ich im Nachhinein bereue.“ Nikira änderte ihre Position und verschränkte die Arme.
 

„Hm,“, der Blonde fuhr sich durch die Haare, „ein guter Grund, um die Finger vom Alkohol zu lassen, aber wo bleibt denn dann der ganze Spaß?“ Mit einem schiefen Grinsen sah er auf sie herab.
 

Die 18-Jährige erwiderte skeptisch seinen Blick. „Braucht man denn Hochprozentiges, um Spaß zu haben?“
 

Marco zuckte mit den Schultern. „Zumindest trägt es dazu bei.“
 

„Kann sein“, murmelte die junge Frau. Sie wusste nicht ob dem so war, denn sie selbst war noch nie betrunken gewesen.

Kurz herrschte Stille zwischen den beiden, in der sie die anderen Piraten in der Bar beobachteten. Gerade stimmten einige Binks Sake an.
 

Marco war der, der das Schweigen brach: „Das Seesteinschwert…was hältst du davon?“ Bei dem Wort Seestein sah Nikira überrascht auf. Sie hätte nicht gedacht, dass er zuerst davon anfangen würde. Vor allem wunderte es sie, dass er ihre Meinung dazu hören wollte.

Stirnrunzelnd ließ sie ihre Arme sinken. „Ich weiß nicht so recht. Es war ziemlich dumm von ihnen ein Seesteinschwert der Marine auf ein Piratenschiff zu bringen. Noch dazu auf das Schiff von einem der vier Kaiser.“
 

„Das hab‘ ich mir auch gedacht. Ich glaube da steckt mehr dahinter als ein schlichter Angriff, oder?“ Marco sah sie fragend an, als würde er ihre Zustimmung erwarten. Doch Nikira hatte andere Pläne.
 

„Naja. Der Käpt’n der feindlichen Bande erschien mir nicht gerade intelligent. Was, wenn es wirklich nur ein unüberlegter Schachzug seinerseits war? Wenn er tatsächlich geglaubt hat, er könnte mit dem Schwert an euch vorbei und Whi-,“ kurz stockte sie und korrigierte, „Pops damit verletzten?“ Neugierig musterte die Rothaarige ihn von der Seite. Sie war gespannt, was er zu ihrer Theorie sagen würde. Auch wenn sie wusste, dass es kompletter Blödsinn war.
 

„Ehrlich gesagt hoffe ich, dass deine Vermutung stimmt. Ich hab‘ keine Lust auf weitere Waffen aus Seestein. Außerdem“, er drehte sich zu ihr und legte seinen Arm auf den Tresen, „würde Ace mit seiner Unvorsichtigkeit und Selbstüberschätzung bei einem weiteren Angriff vermutlich nicht so glimpflich davonkommen.“ Er grinste schief, aber man konnte ihm ansehen, dass er sich um den Hitzkopf sorgte.
 

„Vergiss nicht seine Angeberei“, fügte Nikira spöttisch grinsend hinzu und brachte Marco dazu kurz aufzulachen.
 

„Stimmt. Mich wundert es ja, dass er sich mit diesen Eigenschaften noch nicht in größere Schwierigkeiten gebracht hat.“ Kaum hatte er den Satz fertig gesprochen, wurde er nachdenklich. Die Rothaarige hingegen wurde neugierig.
 

„Wie lange kennst du Ace schon?“
 

„Ungefähr drei Jahre, aber es fühlt sich um einiges länger an“, antwortete er und deutete anschließend dem Barkeeper mit zwei Fingern. Kurz darauf stellte er zwei Krüge vor ihnen hin. Es war unschwer zu erraten, dass es sich dabei um Sake handelte. Ohne zu protestieren ergriff sie einen Henkel und zog das Gesöff zu sich.
 

Vage erinnerte Nikira sich an etwas, das der Schwarzhaarige zu ihr gesagt hatte. „Ace hat mal erwähnt, dass er damals versucht hat Pops zu töten. Wie kam er auf diese bescheuerte Idee?“ Während ihrer Frage hatte sie zu Whitebeard bewusst Pops gesagt. Auch, wenn sie ihn insgeheim nicht als Vater sah, nannte sie ihn so; der Mission wegen.
 

„Hauptsächlich Selbstüberschätzung“, fing Marco an und grinste, „er wollte König der Piraten werden und um der Welt zu beweisen wie stark er war, legte er sich zuerst mit Jimbei und anschließend mit Pops an. Im Grunde hätte Pops ihn mit einem Finger töten können, aber er hat es nicht getan.“
 

„Wieso nicht?“, harkte Nikira leicht ungeduldig nach.
 

Betont langsam wischte er sich mit der Hand über den Mund und antwortete anschließend: „Weil er beeindruckt war. Ace hat ganze fünf Tage gegen Jimbei gekämpft, seine Crew beschützt und Pops angegriffen, obwohl er massive Verletzungen am ganzen Körper hatte. Davon war Pops so beeindruckt, dass er Ace einen Platz bei den Whitebeards angeboten hat.“
 

„Und Ace hat das einfach so akzeptiert?“
 

Bei ihrer Frage lachte der Blonde auf. „Natürlich nicht! Pops hat ihn K.O. geschlagen und wir haben ihn mitgenommen,“, er nahm wieder einen Schluck aus seinem Krug und schüttelte plötzlich ungläubig den Kopf, „100 Mal hat er versucht Pops zu töten. Kannst du dir das vorstellen? 30 Mal über Bord zu gehen, nur, weil du nicht mit dieser hirnrissigen Vorstellung, den stärksten Mann der Welt zu töten, aufhören kannst? Ace‘ Willenskraft war und ist wirklich beeindruckend.“
 

„In der Tat beeindruckend“, murmelte Nikira leise und ehrlich. Automatisch wanderte ihr Blick zu dem Mann, der bei ihnen Gesprächsthema war. Der Schwarzhaarige hatte einen Arm um Thatch gelegt und trank seinen Sake in einer Geschwindigkeit, die von jahrelanger Übung zeugte.
 

„Hast du gewusst, dass ihm ein Platz bei den Sieben Samurai angeboten wurde? Er hat abgelehnt.“ Marco schien diese Tatsache zu amüsieren und die Rothaarige konnte darüber nur ungläubig den Kopf schütteln. Sie hatte schon davon gehört. Er wäre das jüngste Mitglied aller Zeiten gewesen und dieser Irre hatte die Anfrage einfach abgeschlagen.
 

„Im Endeffekt musste ich all meine Überredungskünste auspacken, um seinen Arsch zu den Whitebeards zu bringen. Heute ist er Kommandant der 2. Division und vermutlich eines der loyalsten Mitglieder“, beendete Marco die Geschichte schon beinahe stolz. Man konnte ihm ansehen, dass er froh darüber war, dass Ace seine Meinung geändert hatte.
 

Dazu sagte Nikira nichts mehr. Sie fand diese Erzählung von dem Phönix wirklich interessant und auch wenn es nicht so aussah; für sie war das Verhalten der Feuerfaust bemerkenswert. Nicht mal bei der Marine konnten alle ein derartiges Durchhaltevermögen vorweisen. Portgas D. Ace kämpfte wahrlich für seine Ziele…
 

Marco entschuldigte sich nach einer Weile und gesellte sich zu einer jungen Frau, die ihm schon die ganze Zeit schöne Augen gemacht hatte. Diese Tatsache störte die Rothaarige nicht. Sie wollte ihren Krug in Ruhe austrinken und später zurück zum Schiff gehen. Dafür brauchte sie keine Gesellschaft.
 

Nach einer Dreiviertelstunde waren die Piraten so bedient, dass sie aufpassen musste nicht jedem eine reinzuhauen. Irgendwie wurden die Crewmitglieder mutig, denn einige versuchten Nikira in ihre Ideen miteinzubeziehen. So wie jetzt auch, als sie Thatch genervt von sich schob.
 

„Nikiraaaa. Lass uns taaaaanzen“, lallte er daher und grinste ihr mit glasigen Augen entgegen.
 

Die Angesprochene verdrehte ihre Arme und keifte: „Sicher nicht.“
 

„Wiesooo?“ Niedergeschlagen ließ er seine Arme hängen. Sie wusste echt nicht wieso er seine Wörter immer albern langzog, aber es nervte Nikira unheimlich.
 

„Thatch. Lass doch die arme Kira in Ruhe.“ Ace kam ihnen grinsend entgegen und schien recht nüchtern…zumindest solange, bis er gegen den Tisch lief, der ziemlich offensichtlich im Weg stand.
 

„Hey! Wer hat den Tisch dha hingestllt?“, rief er unnötigerweise über seine Schulter. Dieses Möbelstück hatte sich seit ihrer Ankunft keinen Millimeter bewegt.
 

Ihn ignorierend lehnte sie sich an die Wand. Sie hätte einfach weiter trinken sollen, denn langsam aber sicher wurden ihre Augenlider schwer. Aus dem Augenwinkel beobachtete sie, wie der Schwarzhaarige auf sie zu kam. Gewollt lässig wollte er sich mit einer Hand neben ihr an der Wand abstützen. Wie gesagt – er wollte. Statt Halt zu finden rutschte er ab und prallte mit seinem Kopf unsanft gegen die Mauer. Nikiras Mundwinkel zuckte. Das hatte gerade sehr schmerzhaft ausgesehen. Schmerzhaft und lustig.
 

„Aua“, kam es etwas verzögert und perplex von Ace. Er rieb sich seinen Kopf, schüttelte ihn kurz und grinste Nikira an, als wäre nie etwas gewesen. Abwartend hob diese eine Augenbraue. Was wollte der denn schon wieder?
 

„Wieso mhachst duh das?“ Sichtlich verwirrt sah er sie mit seinen dunklen Augen an.
 

„Was?“ Die 18-Jährige hatte keine Ahnung wovon er redete.
 

Er deutete auf eine Stellte über ihrem Auge. „Na, nhur eine Augenbraue nach ohben ziehn.“
 

Sie zuckte über seine unsinnige Frage nur ihre Schultern. Was weiß sie!
 

„Also ich mhag dhich liebr, wenn duh leicht betrunkn bhist“, meinte er und schwankte kurz, als er das Standbein ändern wollte.

Genervt seufzte die Rothaarige auf. War klar, dass so etwas kommen musste. Zu ihrem Glück rief in dem Moment Marco von vorne: „Hey, Ace. Kommst du mit?“ Synchron folgten beide mit ihrem Blick der Stimme. Der Phönix hatte einen Arm um eine Frau gelegt, die die ganze Zeit vor sich hin kicherte und mit ihrer Hand an seinem Oberkörper auf und abfuhr. Daneben stand die eine von vorhin, die Ace so schamlos angeschmachtet hatte. Sie hatte ein verführerisches Grinsen im Gesicht und spielte mit einer ihrer Haarsträhnen. Ob sie wusste wie dämlich sie dabei aussah?
 

Nikira hatte zwar null Erfahrung auf diesem Gebiet, aber selbst sie verstand was Marco damit meinte. Deswegen richtete sie ihren Blick auf Ace, der zu ihrer Verwunderung nachzudenken schien und immer wieder von Marco zu ihr schaute. Die Rothaarige runzelte die Stirn über sein Verhalten. Was überlegte er denn jetzt schon wieder?
 

Da sie das aber ohnehin nicht betraf, zog sie ihren Pullover an und schnappte sich das Schwert, welches bis eben noch an der gleichen Stelle wie zuvor gelehnt hatte. Es war wirklich Zeit fürs Bett.
 

„Eh, ja. Ich komm‘ schon“, vernahm sie neben sich und sah auf. Die Feuerfaust warf ihr noch einen letzten Blick zu und ging dann Richtung Ausgang. Kopfschüttelnd zog sie ihren Pullover zurecht und machte sich dann ebenfalls auf den Weg nach draußen. Gierig zog sie die frische Luft ein und sah nach oben. Unzählige Sterne waren zusehen und funkelten um die Wette. Müde rieb sich Nikira die Augen und drehte ihren Kopf nach rechts. Gekicher war zuhören und schemenhaft konnte sie vier Figuren ausmachen.
 

„Ace! Lass das!“, gackerte eine Frau mit viel zu hoher Stimme und ließ die Rothaarige ihre Augen verdrehen. Was man an solchen Piraten bloß fand, würde sie vermutlich nie verstehen. Vor allem diese lächerlichen Gründe konnte sie nicht nachvollziehen. Gutaussehen, stark, böse, berühmt? Für die 18-Jährige noch lange kein Grund mit einem von ihnen das Bett zu teilen. Deswegen war sie froh, als sie endlich in ihrer Kajüte war; alleine.
 

Alleine wie größtenteils in ihrem Leben.

Awkward²

Nikira hatte Wachdienst; ihre Lieblingsaufgabe. Abgesehen davon, dass sie Ruhe von allem und jedem hatte, konnte sie die atemberaubende Aussicht genießen. Bis eben hatte sie fasziniert das Meer beobachtet, was sie in diesem Ausmaß im Hauptquartier nie gekonnt hatte. Leider war auch diese Aufgabe viel zu schnell vorbei und ehe sie sich versah, wurde sie von irgendjemandem abgelöst. Missmutig sprang sie die letzten Sprossen der Leiter hinunter und kam leichtfüßig zum Stehen. Mit den Händen in den Taschen ihres Pullis, wollte sie sich in ihre Kajüte aufmachen. Mittlerweile sanken die Temperaturen immer weiter und kündigten somit eine Winterinsel an. Ganz zu Nikiras Leiden, denn die Rothaarige mochte heiße Tage viel lieber, als in einer dicken Jacke zu frieren.
 

Mit diesen Gedanken schlurfte sie an Marco vorbei; dachte sie zumindest.
 

„Ah, Nikira! Du gehst bestimmt in dein Zimmer, oder?“, fing er an während sie stehengeblieben war und wartete gar nicht auf ihre Antwort, „Kannst du Ace bitte Bescheid geben, dass ich mit ihm etwas besprechen muss?“ Halbherzig nickend, setzte sie ihren Weg fort. Seit dem Gespräch in der Bar verstand sich die Rothaarige mit dem Vize um einiges besser. Auch waren seine skeptischen Blicke weniger geworden. Diese Tatsache beruhigte die Marinesoldatin ungemein.
 

„Danke“, kam es noch schnell von dem Blonden, ehe er sich wieder einer ausgebreiteten Karte zuwandte. Den letzten sichtbaren Atem beobachtend, öffnete sie die Tür und schlüpfte eilig hindurch in die angenehme Wärme.
 

Inzwischen kannte sie den Weg vom Deck zu ihrer Kajüte in- und auswendig. Somit auch den zu Ace, da dieser ja nur ein paar Türen weiter wohnte. Ein wenig mürrisch, da sie als Botin missbraucht wurde, stampfte sie die letzten Meter auf Ace‘ Tür zu und riss diese ohne zu klopfen auf.
 

„Hey. Marco will-“, wollte sie ohne Umschweife anfangen, jedoch blieben ihr die anderen Worte förmlich im Hals stecken. Ihre Augen huschten von Ace‘ Hinterkopf weiter nach unten, über seinen von Muskeln gekennzeichneten Rücken, zu dem Handtuch, welches er sich gerade um seine Hüfte schlang und somit das Nötigste verdeckte. Der Schwarzhaarige drehte sich bei der leicht emotionslosen Stimme überrascht um und runzelte prompt bei dem Anblick der jungen Frau, mit einem amüsierten Grinsen im Gesicht, die Stirn.
 

Nikira öffnete indes ihren Mund, doch kein Laut kam über ihre Lippen. Stattdessen verfolgte sie gespannt den Wassertropfen, welcher sich just in dem Moment aus Ace‘ Haaren löste. Millimeter für Millimeter legte er auf dem Oberkörper der Feuerfaust zurück und hinterließ eine feuchte Spur. Nikira konnte sich nicht daran erinnern, dass sie Wasser jemals so sehr fasziniert hatte. Erst, als der Tropfen auf seiner überdurchschnittlich warmen Haut, kurz vor dem tiefsitzenden Handtuch verschwunden war, sah sie langsam auf und wäre bei dem Blick, den ihr die Feuerfaust schenkte, am liebsten im Holzboden versunken. Sie war so perplex, dass sie sich nicht mal über sich selbst und ihr absurdes Verhalten ärgerte.
 

Während Nikira nicht wusste was sie tun sollte, fuhr sich Ace mit seiner Hand durch seine noch nassen Haare und nahm schon beinahe zufrieden zur Kenntnis, wie die hübsche Rothaarige nur mühselig den Blick von seinem spärlich bekleideten Körper nehmen konnte und ihre Wangen sich langsam aber deutlich rötlich färbten. Ace musste sich bei diesem seltenen Anblick das Lachen verkneifen. Stattdessen zierte ein riesiges Grinsen sein Gesicht. Die sonst so beherrschte und kühle Nikira wurde doch tatsächlich rot! Dass er das erlebte!
 

Noch immer amüsiert über diese Situation, stützte der Schwarzhaarige seine Hand an seinem Schreibtisch ab und räusperte sich. „Was braucht Marco denn?“
 

Nikira verschränkte die Arme und versuchte so zu tun, als hätte sie nicht vor ein paar Sekunden auf seinen Körper gestarrt. „Du sollst an Deck kommen. Es geht um die weitere Route, oder so“, meinte die Rothaarige schnell und mied seinen Blick. Man konnte es ihr mehr als nur ansehen, dass sie sich gerade unwohl fühlte. Sehr zur Freude von Ace, denn wie oft sah man diese Frau in einer Situation, die sie nicht voll und ganz im Griff hatte? Die Feuerfaust würde lügen, wenn er behaupten würde, dass ihm die Blicke der sonst so kalten Rothaarigen nicht gefallen hatten. Und wie…
 

„Alles klar. Danke.“ Ace grinste und wartete. Wartete darauf, was sie jetzt tat.
 

Die Rothaarige sah kurz zu ihm, besah ihn noch einmal von oben bis unten und wiederholte anschließend teilweise seine Worte: „Alles klar.“ Bevor die Situation noch schlimmer werden konnte, drehte sie sich auf ihren Absätzen um und verschwand zügig durch die Tür; nicht, ohne sie lauter als nötig zuzuschlagen.
 

Während Ace leicht lachend den Kopf schüttelte, verschwand Nikira mit einem erhitzten Kopf in ihre Kajüte. Mit dem Rücken an die verschlossene Tür gelehnt, raufte sie sich mit einer Hand die Haare.
 

„Was zum Teufel war das?“, murmelte sie leicht fassungslos. Deutlich spürte sie die Hitze in ihrem Kopf und war sich sicher, dass ihr ganzes Gesicht eine unangenehme Röte angenommen hatte. Verständnislos versuchte sie diese merkwürdige Situation von vorhin irgendwie zu verarbeiten, aber immer wieder tauchten Bilder von dem Schwarzhaarigen auf, die ihr ganz und gar nicht weiterhalfen. Es war schwer für Nikira ihre eigene Reaktion zu verstehen. Sie hatte ihn schon so oft oben ohne gesehen, aber irgendwie war das gerade etwas Anderes. Ihr wurde urplötzlich heiß und sie konnte die Augen nicht von seiner nackten Haut nehmen.
 

Frustriert legte Nikira ihren Kopf in den Nacken und ignorierte den kurzen Schmerz, als sie gegen das Holz der Tür schlug. Tief atmete sie ein und anschließend wieder aus, um wenigstens annähernd einen freien Kopf zu bekommen. Noch immer kam sie sich so unglaublich dumm vor. Inständig hoffte sie, dass die Feuerfaust niemandem von diesem Vorfall erzählen würde. Es war ihr einfach zu peinlich.
 

Kopfschüttelnd ging sie auf ihr Bett zu und verdrängte eben Geschehenes. Anschließend ließ sie sich darauf nieder und lehnte sich an die Wand, um gemütlich ihr Buch weiter zu lesen. Erst, als es Zeit fürs Abendessen war, legte sie das Geschreibsel bei Seite und machte sich auf zum Essenssaal. Auch nicht, als sie mit dem Blick stur auf den Boden gerichtet auf einen leeren Platz zu ging, fiel ihr auf, dass sie in der ganzen Zeit nicht einmal daran gedacht hatte, dass Ace ein Pirat und somit ihr Feind war. Nicht wie sonst machte sie diese Tatsache wütend, sondern schlicht und einfach, dass sie sich gerade vor ihm blamiert hatte. Ihm, der sie ständig zur Weißglut brachte und sie herausforderte.
 

Mit diesen Gedanken schob sie eine Kartoffel lustlos auf ihrem Teller hin und her und sah auch nicht auf, als sich die üblichen neben ihr Fallen ließen. Nur ein unverständlicher Laut verließ ihren Mund, als die anderen sie fröhlich wie immer grüßten. So bekam sie zwar nicht mit, wie der Kommandant der 2. Division sie grinsend und neugierig musterte, konnte es sich aber denken.
 

Eine Zeit lang wurde sie von allen wirklich ignoriert, bis sich Marco dachte, dies ändern zu müssen. „Wieso so schlecht gelaunt, Nikira?“ Mit einem dümmlichen Grinsen biss er von der riesigen Fleischkeule in seiner Hand ab. Die Angesprochene hob ihren Kopf und sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. Sie scannte sein Gesicht um herauszufinden, ob er etwas von der Begegnung zwischen Ace und ihr wusste, aber sie konnte einfach nicht aus seinem Ausdruck lesen. Vielleicht lag das auch daran, dass er immer aussah als wäre er in einem anderen Universum. Noch einmal sah sie ihm in die Augen, ehe sie sich wieder den Kartoffeln widmete.
 

„Ok. Keine Antwort. Jemand eine Idee warum unsere Prinzessin so mies drauf ist?“, fragend sah er in die Runde und erhielt nur Gelächter von den anderen. Anscheinend fanden sie ihren neuen Spitznamen besonders lustig – Im Gegensatz zu Nikira. Die konnte gar nicht verstehen, wie man sie mit solch einem Namen anreden konnte.
 

„Seh‘ ich etwa so aus wie eine verdammte Prinzessin?“, raunte die einzige Frau neben Haruta in der Gruppe gefährlich leise.

„Nein. Ehrlich gesagt siehst du aus wie die Tochter des Teufels.“ Schief grinsend stützte er seinen Kopf mit der Hand ab.

Nikira hob eine Augenbraue. Wenn er wüsste, wie richtig er damit eigentlich lag. Vermutlich würde er dann nicht so dämlich vor sich hin grinsen.
 

Deswegen erwiderte sie trocken: „Schön. Immerhin besser, als auszusehen wie eine Ananas.“ Kurz herrschte daraufhin Schweigen, ehe Ace als erstes laut anfing zu lachen. Der Riese Jozu verschluckte neben ihr ein Stück Hühnchen, als er, wie der Schwarzhaarige zuvor auch, anfing zu lachen.
 

„Das war gerade richtig gemein“, kam es empört von Marco. Nikira zuckte daraufhin nur mit den Schultern. Mittlerweile müsste er sie gut genug kennen, um zu wissen, dass Gemeinsein eine ihrer Eigenschaften war.
 

„Ehrlich Marco. Hast du etwa etwas Nettes erwartet? Wir reden hier von Nikira.“ Thatch verdrehte die Augen und wuschelte belustigt durch die Haare der Rothaarigen, was sie nur mit einem genervten Blick quittierte.
 

„Ach. Sie ist nicht immer gemein.“ Bei den Worten von Ace hob Nikira alarmiert den Kopf und betrachtete den Schwarzhaarigen mit zusammengekniffenen Augen. Dieser grinste ihr nur schelmisch entgegen.
 

Diese Aussage weckte natürlich Interesse bei den anderen. „Wirklich? Wann denn?“ Tao schien ehrlich überrascht. Auch die anderen sahen so aus, als könnten sie sich eine nette Nikira nicht vorstellen.
 

„Naja, wenn ihr etwas furchtbar unangenehm ist, zum Beispiel“, antwortete die Feuerfaust wissend, während ein leichtes Grinsen sein Gesicht zierte. Auf den warnenden Blick von Nikira achtete er dabei nicht.#
 

Tao stöhnte ungeduldig. „Geht das auch ein wenig konkreter? Nikira ist ziemlich vieles unangenehm.“ Er erhielt einstimmiges Nicken von den Kommandanten, worüber die Rothaarige nur die Augen verdrehte.
 

Jozu grinste. „Stimmt. Sie mag es nicht, wenn man sie Kleine, oder Prinzessin nennt.“
 

„Und wenn man ihre Haare anfasst“, fügte Thatch hinzu und dachte an ihren wütenden Blick vorhin, als er ihre Haare verwuschelte.
 

„Außerdem kann sie es nicht leiden, wenn man sie betrunken zum Tanzen auffordert“, lachte Haruta laut und schlug Thatch fest auf die Schulter. Dieser räusperte sich nur und rutschte auf seinem Platz peinlich berührt hin und her. Anscheinend hatte die Szene aus der Bar doch noch jemand mitbekommen.
 

„Und sie mag es gar nicht, wenn man über sie redet als wäre sie nicht hier.“ Nikira stellte ihren Krug laut auf den Tisch ab und warf einen mürrischen Blick in die Runde. Daraufhin erhielt sie nur unschuldiges Schulterzucken, ehe sich Marco an Ace wandte, der Nikira die ganze Zeit über belustigt beobachtet hatte. „Also Ace. Wann war sie denn nicht gemein?“
 

Doch zur Verwunderung der Rothaarigen, tat der Schwarzhaarige nur eine wegwerfende Handbewegung und meinte: „Egal. War eh nicht so spektakulär. Trinken wir lieber auf all die Dinge, die Nikira nicht mag.“
 

„Da können wir aber lange trinken…“, murmelte Tao leise, so dass es nur sein Sitznachbar hörte. Nämlich Marco, der lachend seinen Krug nach oben hielt, um mit den anderen anzustoßen. Nur Nikira stieß abfällig die Luft aus und widmete sich wieder ihrem Essen. Auch wenn sie insgeheim froh war, dass Ace nichts von der peinlichen Situation preisgegeben hatte, fiel es ihr schwer ihre Laune zu heben. Dafür war sie viel zu müde und zu kalt war ihr auch noch. Sie würde definitiv ein heißes Bad nehmen – und das tat sie dann auch.
 

Nachdem sie dem Piratenhaufen entkommen war, ging sie dieses Mal ohne Ace – Gott sei Dank – zu ihrer Kajüte. Wie auch zuvor schwirrten ihre Gedanken um den Schwarzhaarigen und der Hoffnung, dass er diese Begegnung mit ins Grab nehmen würde. Auch dachte sie kurz daran was wohl wäre, wenn ihr Vater von ihrem unreifen und inkompetenten Verhalten erfahren würde. Doch diesen Gedanken verwarf sie ganz schnell wieder. Ihr wurde schlecht, wenn sie daran dachte, was er mit ihr anstellen würde. Immerhin kannte sie seine Foltermethoden nur zu gut.
 

Als sie ihr Zimmer verließ, wusste sie nicht, ob die Gänsehaut von der Kälte, oder von ihrem Vater kam, an den sie gerade denken musste. Fröstelnd eilte sie durch das Labyrinth der Moby Dick und stieß zufrieden die Tür zu den Waschräumen auf. Zu ihrem Glück war er leer, denn die gackernden Krankenschwestern konnte sie im Moment wirklich nicht gebrauchen. Bereits vorher hatte sie beschlossen, dieses Mal ein Bad zu nehmen. Immerhin gab es ein riesen Becken, in dem das heiße Wasser bereits vor sich hin dampfte.
 

Die Rothaarige entkleidete sich also und schmiss ihr Gewand unachtsam auf den Boden neben der Tür. Geschickt band sie sich die Haare nach oben und ging dann auf den Beckenrand zu, um anschließend langsam ins Wasser zu gleiten. Augenblicklich entspannte die Hitze ihre steifen Muskeln und ließ die unzähligen Gedanken in ihrem Kopf verschwinden.
 

Sie dachte nicht an ihre Mission; nicht an ihren Vater und am allerwichtigsten – nicht an den unverschämten Kommandanten der 2. Division. Auch als die Tür aufging und eine schüchterne Krankenschwester fragte, ob sie ihre Wäsche mitnehmen sollte, dachte sie nicht nach und antwortete nur mit einem abwesenden „Jaja.“
 

Erst viel später, als sie zufrieden aus dem Wasser stieg und sich nach dem Abtrocknen ihr frisches Gewand anziehen wollte, fiel ihr auf, dass sie überhaupt keine saubere Kleidung mitgenommen hatte. Durch die ganzen wirren Gedanken hatte sie einfach nicht daran gedacht. Auch ihre alte Kleidung war logischerweise nicht mehr hier.
 

„Das darf doch nicht wahr sein“, stöhnte sie genervt über ihre Dummheit. Fluchend überlegte sie. Ihre einzige Möglichkeit wäre, nur mit einem Handtuch bekleidet den Raum zu verlassen – und anschließend durch das gesamte Schiff zu laufen, um zu ihrer Kajüte zu kommen. Halbnackt. Wütend über diese Tatsache kniff sie die Augen zusammen. Die Gelassenheit von vorhin war längst verschwunden.
 

Doch was sollte sie machen? Sie hatte keine andere Wahl. Gefasst band sie ihre provisorische Kleidung fester um den Körper und öffnete dann die Tür. Sie spähte um die Ecke und schlich dann lautlos nach draußen. Bei jedem Geräusch erwartete sie das Schlimmste. Es wäre nicht auszudenken was wäre, wenn sie jemand so sehen würde. Zwei solch peinliche Situationen würde die eiskalte Nikira nicht überleben.
 

Mit zusammengepressten Lippen huschte sie um die vorletzte Ecke. Ein beinahe erleichtertes Seufzen verließ ihren Mund, als sie halb rennend noch ein letztes Mal abbiegen wollte.
 

Doch wie so oft, seit sie hier auf der Moby Dick war, passierten Dinge die sie nicht erwartete. Unsanft prallte sie gegen etwas Hartes. Ein erschrockener Laut kam ihr dabei über die Lippen und aus Reflex schloss sie die Augen. Leicht panisch bemerkte sie, wie die Person taumelte und schlussendlich stolperte und nach hinten fiel – und Nikira mit sich riss. Ihr war es schleierhaft, wie dies passieren konnte, doch als sie die Augen langsam öffnete und in das perplexe Gesicht von Ace sah, erklärte dies einiges. Unfähig sich zu bewegen, starrte sie blinzelnd den Schwarzhaarigen an, dessen Hände noch immer auf ihren Schultern weilten.
 

Erst als die Rothaarige bemerkte, wie seine Augen etwas weiter nach unten wanderten, reagierte sie. Sie folgte langsam seinem Blick und kniff augenblicklich die Lippen zusammen. Das Handtuch verdeckte zum Glück alles Notwendige, allerdings sah die Feuerfaust noch immer mehr als Nikira lieb war. Deswegen rappelte sie sich auf; bedacht, dass der geringe Stoff alles verbarg. Mit roten Wangen, aber wieder völlig klar im Kopf, starrte sie Ace wütend an.
 

„Kannst du nicht aufpassen?“, zischte sie gereizt und hielt das Handtuch mit beiden Händen umklammert. Ace tat es ihr gleich und stand auf. Er schien allerdings noch immer nicht bei der Sache zu sein und musterte sie nochmals eindringlich von oben bis unten.
 

Nikira schnaubte daraufhin nur und drückte ihre Hände fester an den Stoff. Erst da schien sich der Schwarzhaarige die Worte der Frau bewusst zu werden.
 

Er schüttelte stirnrunzelnd den Kopf, räusperte sich und deutete anschließend mit dem Finger auf sich selbst. „Ich soll aufpassen? Du bist doch in mich rein gerannt.“
 

„Na und? Du warst derjenige, der nicht stehen bleiben konnte und umgefallen ist. Schon mal was von Balance gehört?“ Nikira war genervt. Noch dazu zierte ihre Haut langsam aber sich eine Gänsehaut.
 

„Schon klar“, er verdrehte die Augen, „warum trägst du eigentlich nur ein Handtuch?“ Jetzt grinste er sie breit an und erinnerte Nikira daran, dass sie hier nur knapp bekleidet vor ihm stand. Augenblicklich kam die Hitze in ihrem Gesicht zurück. Sie war schon mal in so einer ähnlichen Situation, nur, dass es dieses Mal sie war, die nicht viel trug.

„Was glaubst du denn? Ich war baden“, meinte sie leicht aus dem Konzept gebracht, „was rede ich überhaupt mit dir?“ Genervt fuhr sie sich durch die Haare und überlegte nicht lange, als sie sich bei ihm vorbei drängte und schließlich in ihrer Kajüte verschwand.
 

Ace, der noch immer im Gang verweilte, steckte seine Hände in die Hosentaschen und grinste vor sich hin. Er würde lügen, wenn er behaupten würde, ihm hätte dieser kleine Zwischenfall leidgetan. Immerhin hatte er mehr von ihrem Körper gesehen als sonst und was er gesehen hatte, hatte ihm gefallen. Sehr sogar. Noch dazu machte es ihm unheimlich Spaß, sie erröten zu sehen. Es zeigte, dass hinter der kalten Fassade auch eine normale Frau steckte, der solche Dinge peinlich waren. Leider verweilte diese Fassade viel zu oft. In der ganzen Zeit, die sie bereits hier war, hatte er sie kein einziges Mal lachen gesehen. Höchstens ein leichtes Grinsen, welches meist nur in Verbindung mit Kämpfen und Schadenfreude entstanden war.
 

Er würde sie schon noch zum Lachen bringen. Nicht heute und nicht morgen, aber irgendwann. Zuversichtlich sah Ace noch einmal auf die Tür, durch welche Nikira gerade verschwunden war und ging dann in seine eigene Kajüte. Er hatte sich ein Ziel gesetzt. Ein verdammt schweres. Aber Ace hatte noch nie aufgegeben und damit würde er jetzt auch nicht anfangen.

Icy

Fröstelnd trat Nikira von einem Bein aufs andere. Nur halb lauschte sie den Worten von Marco, der wie immer die Aufgaben verteilte, wenn sie eine Insel ansteuerten. Schon beinahe böse beobachtete sie den sichtbaren Atem, der ihre Lungen verließ und in den Himmel aufstieg. Sie hasste Kälte. Abgrundtief.
 

Mit einem angespannten Körper schlang sie ihre Arme um sich. Die viel zu große Jacke von einem der Crewmitglieder ging ihr bis zu den Knien und dennoch fror sie sich hier den Arsch ab. Auch die Mütze, die sie trug, rutschte ihr ständig bis zur Nase. Im Grunde war sie selber schuld, dass sie keine eigenen Wintersachen besaß. Sie hatte damals beim Einkaufen schlicht und einfach nicht an warme Kleidung gedacht und musste sich jetzt mit einem überdimensionalen Mantel und einer riesigen Haube zufriedengeben. Nikira seufzte. Naja, wenigstens hatte sie etwas zum Anziehen. Jedoch würde sie ziemliche Schwierigkeiten bekommen, sollte es zum Kampf kommen. Sie konnte sich nur mühselig bewegen.
 

Während sich die Rothaarige über die Nachteile der großen Kleidung Gedanken machte, hatte Ace bei ihrem Seufzer angefangen sie zu mustern. Grinsend betrachtete er die um einen halben Kopf Kleinere. Es war amüsant zu beobachten, wie sich ihre Mimik ständig von nachdenklich zu unzufrieden und wieder zurück veränderte.
 

Wie sie da etwas abseits stand, mit der riesigen Jacke und der Mütze, die ihr ständig ins Gesicht rutschte, sah sie richtig verloren aus. Verloren und süß. Sonst sah man sie nur mit dem kühlen Blick und der aufrechten selbstbewussten Haltung. Jetzt erinnerte Nikira Ace an ein zerbrechliches Mädchen in einer zu großen Welt. Ein Mädchen, welches beschützt werden musste. Ein Mädchen mit einem verdammt heißen K- „Hast du gehört, Ace?“, kam es auf einmal etwas lauter von Marco und ließ Ace ertappt zusammenzucken.
 

„Hm?“ Gespielt interessiert und aufmerksam richtete der Schwarzhaarige den Blick zu seinem besten Freund, der ihn nur wissend angrinste. Die Feuerfaust verdrehte darüber nur die Augen und sah den Blonden abwartend an.

Während Marco dem Kommandanten der 2. Division nochmals geduldig alles erklärte, hätte Nikira beinahe laut geflucht. Als wäre es nicht schon kalt genug, hatte es angefangen zu schneien. Und wie als wäre die Schneeflocke auf der Nase der Rothaarigen der Auslöser, musste sie laut niesen.
 

Amüsierte Blicke richteten sich prompt auf die junge Frau, die diese einfach ignorierte. Sie wollte einfach nur schnell diese dämliche Insel betreten, ihre zugeteilte Aufgabe erledigen und wieder in ihr warmes Bett verschwinden.
 

„Ich sag’s euch nochmal, Leute. Diese Insel ist nicht so harmlos wie sie scheint. Abgesehen von den unvorhersehbaren Schneestürmen gibt es nur einen Weg in die Stadt. Little Winter wird von vier Berge eingekreist – sprich, der einzige Weg führt unter den höchsten dieser vier hindurch. Bleibt zusammen. Die Sicht ist nicht gerade die beste. Hinzu kommt, dass die Temperaturen von einer Sekunde auf die andere rasant fallen können. Alleine hat man hier nur geringe Chancen zu überleben.“ Marco sah jeden warnend an, ehe er sich als erstes aufs Festland aufmachte. Nikira folgte der Gruppe bibbernd und warf Ace nur einen ungläubigen Blick zu, der außer einer dünnen Jacke und einer langen Hose keine weiteren warmen Sachen trug.
 

Noch eine Weile musterte die Rothaarige den Feuermenschen und musste gestehen, dass sie im Moment furchtbar neidisch auf seine Kräfte war. Wie schön wäre es, wenn sie die Kälte nicht spüren würde... Grummelnd wandte sie den Blick ab, zog ihre Jacke bis zur Nasenspitze und folgte der Meute.
 

Während Nikira versuchte nicht im tiefen Schnee zu versinken, hatten sich die großen Schneeflocken von vorhin zu einem schmerzhaften Eisregen verwandelt. Durch den starken Wind fühlte es sich an, als würden tausend Nadeln in ihre Haut stechen. Die Rothaarige war zwar hart im Nehmen, aber bei diesem Wetter hätte sie nichts gegen eine heiße Tasse Tee, während sie in ihrem gemütlichen Bett lag.
 

Angestrengt versuchte sie Schritt zu halten, doch durch ihre kleine und zierliche Gestalt fiel es ihr schwerer als gedacht. „Jahrelanges Training…und dann hab‘ ich hier…Probleme?“, murrte die Rothaarige zu sich selbst. Ihre Lungen brannten bereits von dem kalten Wetter und sie spürte ihre Zehen gar nicht mehr. Auch war ihr schon die ganze Zeit schwindelig. Doch diese Tatsache tat sie einfach ab.
 

„Alles klar bei dir, Kira?“, rief Ace, der stehen geblieben war und auf sie wartete. Genervt musterte sie ihn, wie er mit seiner luftigen Kleidung lässig dastand. Allerdings grinste er nicht wie üblich, sondern sah eher besorgt aus.
 

„Alles bestens“, presste Nikira hervor.
 

Daraufhin zog Ace nur skeptisch seine Augenbrauen nach oben. Er glaubte ihr nicht, wusste aber, dass sie viel zu stur war, um umzukehren. Deswegen schwieg er und blieb sicherheitshalber in ihrer Nähe. Auch, als sie den Tunnel betraten. Er bestand aus Stein, aber auch aus Eis. Das Wasser, welches bei den milderen Temperaturen von der Decke tropfte und seitlich hinabrann, gefror wieder und bildete so gigantische Zapfen und Wände aus Eis.
 

Hier war es zwar noch immer verdammt kalt, aber Nikira war erleichtert dem Schnee entflohen zu sein. Dennoch blieb sie nach außen gelassen. Sie wollte keine Schwäche zeigen. Das passte nicht zu ihr. Stattdessen schüttelte sie die Schneeschicht auf ihrer Kleidung ab und folgte wieder den anderen, die sich prächtig zu amüsieren schienen. Zumindest deutete das Lachen darauf hin.
 

Mit etwas Abstand bildete die Rothaarige das Schlusslicht. Sie wollte in keine unnötigen Konversationen verstrickt werden. Auch Ace schien dies zu bemerken und ging ein paar Meter vor ihr.
 

Nach einiger Zeit hatten sie zirka die Hälfte des Tunnels hinter sich und umso näher sie der Stadt kamen, umso besser wurde die Stimmung. Immerhin bedeutete Stadt auch Alkohol und jede Menge hübscher Frauen. Wäre es nicht so, hätten die Männer keinen Grund für ihre Launen. Am meisten schien sich Teach zu freuen, dessen Lachen von den Wänden widerhallte.
 

„Teach. Geht das auch ein wenig leiser? Du bringst noch die Decke zum Einsturz“, kam es monoton von Marco.
 

Der Mann aus Ace‘ Division sah ihn nur hämisch an und lachte wieder dreckig auf. „Ach was! Mach dir nicht ins Hemd. Passiert schon nichts.“ Den letzten Satz schrie er laut und erntete teilweise Gelächter, teilweise Kopfschütteln.
 

„Seht ihr? Gar nichts.“ Er lachte schallend auf und klopfte grinsend auf die Eismauer neben ihm. Es knackste laut, doch das schien niemanden zu beunruhigen. Ace hingegen hob skeptisch seine Augenbrauen und sah nach oben. Stirnrunzelnd beobachtete er, wie an der Decke ein kleiner Riss entstand.
 

„Teach! Halt besser die Klappe. Die Decke könnte jeden Moment einstürzten“, zischte Ace halblaut und ließ den Spalt nicht aus den Augen.
 

Doch der ungepflegte Typ schien andere Pläne zu haben. „Was? Was hast du gesagt? Ich kann dich nicht verstehen“, brüllte er scherzend und brachte Ace zum Fluchen. Teach gehörte noch nie zu denen, die das taten was man ihnen sagte. Alarmiert verfolgte er den Riss, welcher rasant größer wurde und sich immer weiter an der Decke entlang zog. Doch das war gerade sein kleinstes Problem.
 

Seine Augen huschten zu der Rothaarigen, die von all dem anscheinend nichts mitbekommen hatte und gedankenverloren mit etwas Abstand der Gruppe folgte. Jetzt schienen auch die anderen zu realisieren, was hier gerade passierte. Die Eisschicht an der Decke fing an unter lautem Krachen zu bröckeln – direkt über ihnen. Nikira, die nicht wusste was gerade abging, sah irritiert nach oben und weitete überrascht ihre Augen.
 

Dann ging alles irgendwie viel zu schnell für Nikira. Während die restlichen Crewmitglieder fluchend Richtung Ausgang liefen, raste auf die Rothaarige ein spitzer Eiszapfen zu. Sie machte erschrocken einen Schritt nach hinten, wusste aber, dass sie viel zu spät reagiert hatte. Reflexartig schloss sie die Augen und hob ihre Hände nach oben.
 

Sie war sich sicher, dass das ihr Ende war. Ein erbärmliches, um ehrlich zu sein. Doch irgendwie durchbohrte sie kein Eisspeer. Stattdessen spürte sie, wie jemand gegen sie prallte und sie anschließend unsanft auf dem Boden aufschlug. Kurz blieb sie regungslos liegen, ehe sie stöhnend die Augen öffnete und sich an den Hinterkopf fasste.
 

Sie blickte geradewegs in das schuldbewusste Gesicht von Ace und wäre am liebsten bewusstlos geworden.
 

„Sorry für den harten Aufprall, aber anders ging es nicht.“ Er deutete nach hinten und erst jetzt sah Nikira was genau passiert war. Hinter den beiden war ein großer Teil der Decke eingestürzt. Nicht nur das Eis, sondern auch Stein war heruntergebrochen und versperrte nun ihren weiteren Weg. Frustriert ließ sie ihren Kopf wieder sinken und hielt sich die Stirn.
 

„Nikira? Alles ok?“, leicht panisch tastete Ace ihren Kopf nach einer Platzwunde ab. Die Rothaarige stieß seine Hände unwirsch weg und richtete sich langsam auf.
 

„Finger weg. Meinem Kopf geht es gut.“ Augenverdrehend stand sie ganz auf, hielt kurz inne da ihr etwas schwarz vor Augen wurde und besah sich die Lage.
 

„Sicher? Du hast gerade ausgesehen als hättest du Schmerzen.“ Ace musterte sie stirnrunzelnd.
 

Nikira drehte sich zu ihm. „Das liegt daran, dass der Weg versperrt ist und ich hier mit dir alleine bin“, meinte sie nüchtern und hustete zum Schluss.
 

„Sehr lustig. Dank mir lieber dafür, dass ich dir den Arsch gerettet habe“, fing er an und fügte grinsend hinzu, „um den es übrigens sehr schade wäre.“
 

Darüber verdrehte die junge Frau nur die Augen, konnte aber nicht verhindern, dass ihre Wangen heiß wurden. Sie musste unweigerlich an den Zusammenstoß im Gang denken. Damit es Ace nicht auffiel, drehte sie sich in Richtung Eingang, doch der hatte längst gesehen, dass sie rot anlief und genoss es so richtig.
 

Nikira räusperte sich, hielt sich kurz den Kopf der noch immer leicht pochte und wartete kurz, bis das Schwindelgefühl ganz verschwand. „Schön, dann steht es ja jetzt zwei zu zwei.“ Darauf sagte Ace nichts mehr, stattdessen trat er neben sie.
 

„Wir sollten zurück zum Schiff gehen und auf die anderen dort warten. Hier erfrierst du mir noch.“ Die Angesprochene nickte nur und gemeinsam gingen sie den Weg des Tunnels wieder zurück. Er hatte sie daran erinnert, dass es hier immer noch Minusgrade hatte. Deswegen fing sie wieder an zu frieren. Je näher sie dem Ausgang kamen, desto schlimmer wurde es.
 

„Ich glaube, wir sollten wieder umkehren“, rief Ace.
 

Nikira, die bis jetzt durchgehend auf den Boden gestarrt hatte, sah auf und traute ihren Augen nicht. Während sie im Tunnel waren, musste es unheimlich viel geschneit haben. Vor ihnen lag eine beinahe drei Meter hohe Wand aus Schnee. Außerdem hatte sich der Wind verstärkt und die Temperaturen waren um einiges gefallen. Das war ihr in dem Tunnel gar nicht richtig aufgefallen, doch jetzt, wo sie hier standen, spürte sie es überall. Zähneklappernd nickte sie und vergrub ihre in Handschuhe gepackten Hände in den Taschen der Jacke.
 

Beinahe rennend legte sie wieder dieselbe Strecke zurück. Erschöpft lehnte sie sich an die Wand und schloss die Augen. Erst als sie eine kleine Wärmequelle vernahm, öffnete sie die Augen und starrte verwundert auf die faustgroße Flamme, welche Ace in seiner Hand ‚hielt‘.
 

Er stand ihr gegenüber und lächelte sie an. Wie praktisch seine Kraft sein konnte. Um sie ganz auszunutzen, zog sie sich ihre Handschuhe aus und hielt ihre Handflächen dagegen. Nikira seufzte bei der Wärme wohlig auf und erntete ein Grinsen von dem Schwarzhaarigen. Das tat sie so lange, bis sie wieder ein Gefühl in den Fingerspitzen bekommen hatte.
 

„Danke“, murmelte sie erschöpft und vergrub ihre Hände wieder in den Jackentaschen.
 

„Kein Ding. Du bist die, die friert.“ Ace setzte sich auf den Boden und Nikira tat es ihm gleich. Mit einem zwei Meter Abstand zu ihm lehnte sie sich gegen die Wand und zog ihre Beine an den Körper. Dann herrschte für eine Weile Stille, die nur von Nikiras Zähneklappern untermalt wurde. Bis es Ace anfing zu nerven.
 

„Entweder hörst du damit auf, oder du kommst hier her, damit ich dich anwärmen kann“, meinte er genervt und deutete auf den Platz neben sich.
 

Bei seinen Worten sah Nikira ihn an und schnaubte. „Sicher nicht.“ Nach diesen Worten fing sie wieder stark an zu husten, was wieder das Pochen in ihrem Kopf zurückbrachte.
 

„Stell dich nicht so an. Du erfrierst hier noch“, sagte Ace eindringlich und stützte seine rechte Hand auf seinem Knie ab, so wie er es immer tat.
 

Daraufhin verdrehte sie nur die Augen und wandte den Blick wieder ab. Sie würde sich sicher nicht an ihn kuscheln. Lieber fror sie hier.
 

Nikira wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war. Seit einer gefühlten Ewigkeit hatte sie mit starker Müdigkeit zu kämpfen. Nur nebenbei bemerkte sie, wie Ace ab und zu nachgesehen hatte, ob der Sturm nachgelassen hatte. Anscheinend nicht, denn er setzte sich immer nur wieder auf seinen Platz, ohne ein Wort zu verlieren.
 

Wie auch jetzt, als er zurückkam und sich etwas entfernt von ihr niederlies. Aus dem Augenwinkel nahm sie wahr, wie er sie ansah. „Mein Angebot steht übrigens noch“, kam es plötzlich von Ace. Als Antwort bekam er nur einen kurzen Blick.

Der Schwarzhaarige verdrehte nur die Augen darüber. Manchmal war die Sturheit der Frau kaum auszuhalten. Dabei war er sich sicher, dass sie am liebsten sofort nachgeben würde. Wäre da nicht zusätzlich ihr Stolz, der ihr das verbot. Mit dem Kopf im Nacken lauschte Ace schließlich dem Rauschen des Windes, welcher stetig durch den Eingang und anschließend durch den Tunnel zog.
 

Erst, als er eine Bewegung im Augenwinkel wahrnahm, bewegte er sich wieder. Überrascht hob er seine Augenbrauen und beobachtete Nikira dabei, wie sie langsam in seine Richtung rutschte - den Blick starr nach vorne gerichtet. Zu ihrem Glück sagte er nichts dazu.
 

Sie schlang einfach ihre Arme wieder um ihre angezogenen Beine und genoss die kleine Wärmequelle, welche von Ace‘ Hand kam. Er hatte wieder eine Flamme heraufbeschworen und hielt sie in ihre Richtung. Das hatte er vorher schon getan, immer mit kleinen Pausen dazwischen. Allerdings half das auch nicht wirklich viel, denn Nikira fror trotzdem unheimlich.
 

Die Kälte kroch immer weiter nach oben und machte die Rothaarige schläfrig. Immer wieder fielen ihr die Augen zu, doch sie zwang sich sie offen zu halten. Sie durfte hier nicht einschlafen. Erschöpft lehnte sie ihren Kopf an die Steinmauer. Die Müdigkeit ummantelte sie, doch sie gab ihr nicht nach. Sie schaffte dies auch einige Zeit, bis sie einfach nicht mehr konnte. In Dunkelheit gehüllt, rutschte ihr Kopf nach rechts und landete auf der Schulter von Ace, der alarmiert ihre Schulter packte und leicht daran rüttelte.
 

„Nikira? Hey! Du darfst nicht einschlafen!“, Ace‘ besorgte Stimme ließ sie zusammenzucken und aufsehen. Blinzelnd sah sie ihn an. Ihre Augen brannten. „Hm?“, gab sie leise von sich.
 

„Du siehst gar nicht gut aus, Kleine“, flüsterte der Schwarzhaarige leise und legte seine Hand auf ihre Stirn.
 

„Wie nett“, kam es währenddessen schwach von Nikira, die anfing zu husten. Ihr kam es vor, als würde ihr alles schmerzen. Dabei verstand sie nicht wieso. Es war doch nur Schnee und Kälte. Nichts, was Nikira so schnell umhauen sollte.
 

„Du weißt wie ich das meine. Aber im Ernst. Du hast Fieber. Noch dazu ziemlich hohes und es sieht nicht so aus, als würden wir schnell von hier verschwinden können.“ Leicht frustriert sah er den Tunnel entlang und folgte den vereinzelten Schneeflocken, die es sogar bis zu ihnen geschafft hatten. Er brauchte schnell eine Lösung. Sie musste in eine warme Umgebung, aber wie sollte er das schaffen? Die einzige Wärme die er hatte war… „Natürlich!“, rief er euphorisch und schlug sich mit der flachen Hand auf die Stirn. Dass er da nicht schon vorher draufgekommen war.
 

Von seinem Plan überzeug öffnete er seine Jacke und meinte zu der Rothaarigen: „Nikira? Du musst jetzt deine Berührungsängste beiseitelegen und herkommen.“
 

Auffordernd sah er die Kleinere an, die ihn nur verwirrt musterte. „Was?“, kam es rau von ihr. Ihre Augen huschten hin und her und ihr Gehirn versuchte zu verstehen, was er von ihr wollte. Nur langsam dämmerte es ihr.
 

„Nein. Auf…keinen Fall. Mir…geht’s gut“, sagte sie heiser und versuchte sich aufzurichten. Allerdings war dies keine gute Idee, denn ihre Kraft lies nach und ihr wurde schwarz vor Augen. Sie sackte in sich zusammen und wäre unsanft gegen die Steinmauer geprallt, wäre da nicht Ace der reagierte und sie auffing.
 

„Ja. Ich sehe wie gut es dir geht“, meinte er sarkastisch und setzte sich wieder ordentlich hin. Jedoch nicht, ohne die störrische Frau seitlich auf seinen Schoß zu ziehen. Umständlich zog er sich seine Jacke aus und legte diese über ihre angezogenen Beine. Anschließend umschlang er ihren dickeingepackten Körper mit seinen Armen und drückte sie an seinen Oberkörper.
 

Durch sein offenes Hemd und seiner Teufelskraft erhielt sie so die größtmögliche Hitze von ihm, die er ihr geben konnte. Natürlich erforderte es viel Energie, seine Körpertemperatur so weit zu steigern, dass sein Körper nicht in Flammen aufging, aber er beherrschte seine Kraft perfekt. Wenn es sein musste, würde er auch bis an seine Grenzen gehen, wenn das hieß, dass es Nikira dadurch besserging.
 

Wachsam sah er auf sie herab. Sie blinzelte leicht benommen und drückte ihr Gesicht an seinen Körper. Ein wohliges Seufzen verließ ihren Mund und Ace musste grinsen.
 

„Hör auf…so dämlich zu grinsen“ Nikira murmelte diese Worte nur leise, aber Ace verstand sie trotzdem.
 

„Gib doch zu, dass das eine gute Idee war“, erwiderte er und lachte leise vor sich hin, als er als Antwort nur ein armseliges Schnauben bekam.
 

Kurz war es still, bis Nikira leise meinte: „Wenn du…hiervon jemandem erzählst, muss ich…dich leider…töten.“

To Help Out

Ace hatte in dem Moment beschlossen Nikira zum Schiff zu bringen, in dem sie anfing unregelmäßig zu atmen und ihre Stirn trotz der enormen Kälte schweißbedeckt war. Er konnte nicht mit ansehen, wie sie hier unter hohem Fieber litt.
 

Ungern versuchte er sie daher zu wecken. Es dauerte ein wenig bis sie reagierte. Mit glasigen Augen und roten Wangen sah sie ihn an. „Nikira? Ich trag dich zum Schiff, aber du musst dich an mir festhalten, ok? Ich nehme dich huckepack. Schaffst du das?“, erklärte er ihr den Plan und schob eine rote Strähne hinter ihr Ohr. Er war besorgt um sie, denn sie sah nicht gut aus.

Nikira indes nickte matt und wurde von Mal zu Mal wieder schläfriger. Doch sie versuchte ihr Bestes zu geben, als er sich kniend mit dem Rücken zu ihr drehte.
 

In dem Moment dachte sie nicht ein einziges Mal daran, dass er ihr natürlicher Feind und ihr Missionsziel war. Auch dachte sie nicht daran, dass sie gerade seine Hilfe brauchte, weil sie schlichtweg schwach war.

Schlaff hob sie also ihre Arme und legte sie über die Schultern von Ace. Mit der Hilfe von ihm schaffte sie es irgendwie fertig zum Aufbruch zu sein.
 

„Alles klar?“, fragte Ace leise, woraufhin sie nur ein leichtes Nicken zustande brachte.

Als sie die immer stärker werdende Kälte wahrnahm, presste sie ihre Augen fester zusammen und drückte ihr Gesicht an den Hals des Schwarzhaarigen.
 

Ace hatte währenddessen stark mit dem Wetter zu kämpfen. Er bahnte sich stetig den Weg mit seinem Feuer frei, doch das zerrte gewaltig an seinen Kräften, da er seine Körpertemperatur auch noch immer für Nikira regulierte. Mühsam stapfte er durch den Schnee und versuchte gegen die schlechte Sicht und den Wind anzukommen.

Er hätte unter normalen Umständen aufgegeben, aber Nikiras Atmung verschlechterte sich zunehmend und erinnerte ihn daran, dass er es einfach schaffen musste.
 

„Halte durch, Kleine“, presste er leise hervor und senkte seinen Blick, um dem erbarmungslosen Eisregen zu entgehen.

Er wusste nicht wie lange er so unterwegs war, aber als er die letzten Meter zum Schiff überbrückte, war Nikira bereits seit geraumer Zeit wieder ohnmächtig.
 

Ohne Umschweife eilte er zur Krankenstation, in der Tao am Tisch saß und einige Daten durchging. Als Ace krachend die Tür aufschlug, hob dieser den Kopf und stand prompt auf um zu den beiden zu eilen.
 

„Tao? Du musst etwas unternehmen! Ihr geht es echt schlecht. Sie hat hohes Fieber und ist ohnmächtig geworden“, brachte Ace beunruhigt heraus und sah den Schiffsarzt leicht verzweifelt an. Dieser bedeutete ihm ruhig zu sein und Nikira aufs Bett zu legen. Ungeduldig beobachtete Ace Tao dabei, wie er sie seelenruhig untersuchte.
 

„Geht das auch ein wenig schneller?“, kam es harsch von dem Schwarzhaarigen und brachte den Arzt dazu seine Augen zu verdrehen.
 

„Reg‘ dich ab, Ace. Ich habe bereits alles vorbereitet.“ Leicht genervt holte er alle notwendigen Dinge und fing an Nikira zu behandeln.
 

„Was heißt du hast schon alles vorbereitet?“ Irritiert setzte er sich auf den Stuhl und fuhr sich durch die schneenassen Haare. Er wusste echt nicht, wovon Tao da redetet. Fragen folgte Ace daher jeder Bewegung von Tao; nicht, ohne der Rothaarigen immer wieder sorgenvolle Blicke zuzuwerfen.
 

Dieser schob sich seine Brille weiter nach oben. „Weil ich sie bereits im Vorhinein gewarnt habe, dass so etwas passieren könnte.“ Schon beinahe tadelnd kamen ihm diese Worte über die Lippen.
 

Ace hingegen verstand noch immer nicht. „Was? Im Vorhinein?“
 

„Sie hat mir heute geholfen etwas aus dem Lager zu holen. Dabei habe ich gemerkt, dass es ihr nicht gut ging. Natürlich hat sie das abgestritten, aber als sie beinahe ohnmächtig geworden ist, konnte sie es nicht leugnen“, erklärte er Ace abwesend und verabreichte der 18-Jährigen ein fiebersenkendes Medikament. Erst dann hob er den Blick und ergänzte: „Sie hatte heute Vormittag schon Fieber.“
 

„Und natürlich wollte sie nicht hierbleiben“, Ace schnaubte wütend, „Sie ist so verdammt stur.“ Er stöhnte auf und fuhr sich durch die Haare.
 

Daraufhin lachte Tao. „Da kenn ich noch so jemanden.“
 

Ace verdrehte nur die Augen. Er würde es nicht zugeben, aber Tao hatte recht. Er hätte dasselbe getan wie Nikira.
 

„Naja, auf jeden Fall solltest du dich auch etwas ausruhen. Nikira wird ohnehin nicht so schnell aufwachen.“ Der Arzt begutachtete nochmal die Rothaarige. Noch war keine Besserung zu sehen, aber das würde schon kommen.
 

Zur Bestätigung gähnte Ace. „Gute Idee. Sag Bescheid, wenn sie wach ist.“ Mit diesen Worten erhob sich der Schwarzhaarige und verließ den Raum.
 

Nikira wusste nicht wie lange sie geschlafen hatte, aber als sie aufwachte, fühlte es sich an, als hätte sie ein tagelanges Training hinter sich. Mit verzerrtem Gesicht richtete sie sich auf. Ihr Kopf pochte noch ein wenig, aber damit konnte sie umgehen. Sie hatte schon schlimmeres erlebt. Erst jetzt sah sie sich im Zimmer um. Außer ihr lag niemand auf der Krankenstation, nur eine Person erregte ihre Aufmerksamkeit. Ace schlief in einem der Sessel. Seine Position dabei sah alles andere als gemütlich aus.
 

„Was macht der denn hier?“, murmelte die Rothaarige leise und schwang ihre nackten Beine aus dem Bett. Vorsichtig berührte sie mit ihren Zehen den Boden und zupfte an ihrem Oberteil herum. Sie trug nur ein weites T-Shirt. Ihre alte Kleidung lag feinsäuberlich auf dem Nachttisch.
 

Sie wandte den Blick von dem Stapel ab und sah wieder zu Ace, der irgendetwas vor sich her nuschelte. Es war zu leise, als dass Nikira etwas davon verstehen hätte können, aber vermutlich wollte sie das gar nicht. Stattdessen wollte sie ihn wecken und ihm ein paar Fragen stellen. Ihre Erinnerungen an den Vorfall waren ein wenig schwammig. Sie wusste nicht Mal, wie viel Zeit vergangen war, seit sie aus der Höhle zurückgekommen waren.
 

Deswegen schnappte sie sich ihr Kissen und warf es in Richtung der Feuerfaust, die direkt neben der Tür saß. Sie traf und musste leicht grinsen, als er panisch die Augen aufriss und innerhalb von Sekunden auf den Beinen war. „Was?!“, fragte er verwirrt und fuhr sich durch die Haare. Erst, als sein Blick auf Nikira fiel, die hinterhältig grinsend auf ihrem Bett saß, atmete er erleichtert aus und ließ sich zurück auf den Sessel fallen. „Jag mir nie wieder so einen Schrecken ein! Ich hatte gerade beinahe einen Herzinfarkt!“
 

„Übertreib mal nicht, Flammenhirn“, meinte die Jüngere spöttisch. Seine Reaktion war herrlich gewesen. Sie sollte ihn öfters erschrecken.
 

„Jaja“, fing er mürrisch an, „Warum hast du mich überhaupt geweckt? Ich hatte gerade einen herrlichen Traum.“ Jetzt grinste Ace verschmitzt und brachte Nikira dazu skeptisch die Augenbrauen hochzuziehen.
 

„Will ich wissen, worum es ging?“ Die Rothaarige nahm sich während ihrer Frage das Glas Wasser, welches neben ihrer Kleidung stand. Ihr Hals war verflucht trocken und kratzte unangenehm.
 

Ace lachte leise. „Eher nicht. Ich will dich nicht in Verlegenheit bringen.“ Nikira hörte bei seiner Antwort auf zu trinken und setzte langsam das Glas ab, um es mit beiden Händen zu umgreifen. „Ok, dann verrat mir lieber, wie lange ich geschlafen habe.“
 

Der Schwarzhaarige verschränkte seine muskulösen Arme hinter seinem Kopf. „Eigentlich ziemlich lange. Fast 18 Stunden um genau zu sein.“
 

So lange? Es fühlte sich an, als wären es erst ein paar Stunden gewesen. Seufzend stellte sie das Wasser wieder auf den ursprünglichen Platz. „Wie genau sind wir von der Höhle zum Schiff gekommen? Meine Erinnerungen sind ein wenig vage “, fragte sie und räusperte sich. Sie wusste nicht warum, aber ihr war es irgendwie unangenehm darüber zu reden.
 

Ace‘ Grinsen wandelte sich zu einem Lächeln. „Naja. Ich hab dich getragen. Es war nicht einfach, aber ich hab’s geschafft“, er klang ziemlich stolz, aber wurde gleich darauf nachdenklich, „Weißt du? Für einen kurzen Moment dachte ich wirklich, du würdest nicht mehr aufwachen.“ Er sah sie an und prompt fühlte sich Nikira unter seinem intensiven Blick unwohl. Sie biss sich auf die Lippen und fixierte einen Punkt auf dem Boden.
 

Er sollte aufhören sie anzusehen, als würde es ihn so schwer treffen, würde sie nicht mehr aufwachen. Er kannte sie nicht gut genug dafür. Sie und den wahren Grund, weshalb sie hier war.
 

Sie räusperte sich, um den Klos in ihrem Hals loszuwerden und auch, um ihre aufkeimende Wut zu ersticken. „Mir geht’s gut wie du siehst“, brachte sie hervor und um ihre Worte zu verdeutlichen, stand sie auf. Fest blickte sie Ace an, der ihr zweifelnd dabei zu sah, wie sie sich an den Bettrand klammerte. „Sicher?“, harkte er deshalb nach, dachte aber nicht daran ihr zu helfen. Sie würde seine Hilfe sowieso nicht annehmen. Deswegen blieb er sitzen und amüsierte sich stattdessen prächtig über die sture junge Frau.
 

„Ja. Alles bestens.“ Mit erhobenem Haupt ging sie ein paar Schritte und versuchte angestrengt das Pochen in ihrem Kopf zu ignorieren.
 

„Wo willst du hin?“, fragte Ace misstrauisch und richtete sich ein wenig auf.

Genervt sah Nikira ihn an. „Duschen, oder ist das nicht erlaubt?“ Sie hatte nur Fieber und keine lebensbedrohliche Verletzung. Sie brauchte keinen Babysitter.
 

Der Schwarzhaarige lachte. „Doch schon, aber woher soll ich wissen, dass du nicht abhaust?“
 

Die 18-Jährige verdrehte die Augen über seine dumme Annahme. „Gut, dass das gar nicht möglich ist.“
 

„Naja. Du könntest durchs Bullauge springen. Was ziemlich dumm wäre, aber immerhin eine Möglichkeit.“ Ace grinste wie so oft. Manchmal fragte sich Nikira, ob er jemals schlecht drauf oder jemals wütend war. Bis jetzt hatte sie ihn immer nur lachen gesehen. Manchmal auch besorgt…
 

Sie stieß die Luft aus und zuckte mit den Schultern. „Und wenn schon. Was willst du jetzt tun?“
 

„Wenn du schon so fragst. Ich könnte ja mitkommen.“ Unverschämt zwinkerte er ihr zu und lachte über den empörten Gesichtsausdruck der Rothaarigen. Die verzog ihr Gesicht, murmelte irgendetwas und verschwand anschließend im Bad. Nicht ohne die Tür lauter zuzuknallen als notwendig. Dass sie ihn auch immer so ernst nehmen musste…
 

Gut gelaunt lehnte er sich zurück und verschränkte die Arme wieder hinter seinem Kopf. Es machte einfach zu viel Spaß, die 18-Jährige zu ärgern.
 

Als Nikira aus dem Bad kam, war Ace zum Glück bereits verschwunden. Viel länger hätte sie seine Anwesenheit nicht ertragen. Leicht erschöpft legte sie sich zurück ins Bett. Sie hatte vergessen zu fragen, warum er überhaupt hier gewesen war. Aber sie hatte auch nicht die Möglichkeit darüber nachzudenken, denn ihre Augen wurden immer schwerer, bis sie schlussendlich zufielen.
 

In den darauffolgenden Tagen kurierte sich Nikira aus und kam schnell wieder zu Kräften. Das war auch nötig, denn sobald sie die Krankenstation verlassen durfte, wurde sie eingeteilt mit den anderen das Deck zu putzen.
 

Während sie also mit dem Mopp auf einer Seite anfing zu wischen, dachte sie über die letzten Tage nach. Ace hatte sie noch öfters besucht, als sie das Bett hüten musste. Auch wenn sie nicht viel redete, saß er dennoch meistens neben ihr und döste vor sich hin. Sie hatte nicht gefragt warum er das tat. Und sie hatte es auch nicht vor. Er würde doch sowieso nur einen idiotischen Grund nennen. Auch hatte er kein Wort mehr über den Zwischenfall in der Höhle gesagt. Das war ihr nur recht, denn sie wollte es so schnell wie möglich wieder vergessen. Es war ihr peinlich.
 

Mit dem Handrücken wischte sie sich über die Stirn. Mittlerweile waren sie weit weg von der Winterinsel, worüber Nikira unheimlich froh war. Jedoch stiegen die Temperaturen nun ziemlich rasch und machten die Arbeit auf dem Schiff anstrengender, als sie eigentlich waren.
 

Gelangweilt entschied sie sich für eine kurze Pause, hielt das Ende des Besens mit beiden Händen und stützte anschließend ihr Kinn darauf ab. Ein wenig genervt sah sie übers Deck. Es halfen zwar viele – selbst Marco packte mit an – aber das Schiff war einfach riesig. So würden sie bis zum Abendessen brauchen, bis sie fertig waren.
 

Auch wenn diese Arbeit Nikira noch nie verrichten musste, so hatte sie ohne Murren ihre Aufgabe entgegengenommen und begonnen. Sie sah es als ihre Pflicht an; fühlte sich irgendwie als Teil der Crew, auch, wenn sie das ganz und gar nicht war…

Mit diesen Gedanken tunkte sie ihren Mopp in den Eimer mit Wasser und machte weiter. Erst, als sie bei der Hälfte des einen Teils war und die Tür, die nach Innen führte, krachend aufflog, hielt sie kurz inne. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Ace gähnend an Deck kam und sich anscheinend nicht verpflichtet fühlte zu helfen, denn er ging ohne einen Finger zu rühren zur Reling.
 

„Wieso hilft der eigentlich nicht?“, murrte Nikira leicht schnippisch zu Jozu, der mit zwei Fässern unter den Armen bei ihr vorbeiging. Dieser hielt überrascht inne und folgte dem Blick der Rothaarigen.
 

„Wer? Ace? Der hilft nie bei so etwas.“ Der Riese mit den Diamantkräften zuckte mit seinen breiten Schultern und ging dann seinen Tätigkeiten weiter nach.
 

Als hätte er einen schlechten Witz gemacht, sah sie ihm nach und anschließend wieder zu Ace, der gelangweilt schien. Ungläubig schnaubend stapfte sie mit dem Mopp in ihrer Hand auf ihn zu. Es nervte sie nicht nur, dass er sich für etwas Besseres hielt und meinte nicht helfen zu müssen, sondern auch, dass er mit einer gewissen Genugtuung jedem Einzelnen dabei zusah, wie sie hier in der Hitze schufteten.
 

„Hey! Streichholz!“, keifte Nikira ungewohnt launisch.
 

Bei ihrer Stimme sah Ace überrascht auf, stieß sich von der Reling ab und grinste sie an. Allerdings verwandelte sich dieser Blick in einen fragenden, als er ihren wütenden Gesichtsausdruck sah. Was hatte er jetzt schon wieder falsch gemacht?

Die Rothaarige blieb mit einem sicheren Abstand zu ihm stehen, stemmte die eine Hand in ihre Hüfte und funkelte ihn von unten wütend an. „Wie wär’s mit helfen?“
 

Verdutzt sah er sie an und fing anschließend an zu lachen. Ach, darum ging es ihr.
 

Grinsend verschränkte er die Arme und lehnte sich wieder an die Reling. „Nein, danke. Ich seh‘ lieber zu und genieße die Aussicht.“ Er zwinkerte ihr zu und tat sich damit keinen Gefallen.
 

„Du siehst lieber zu?“, wiederholte sie gefährlich leise.
 

Ace nickte. „Jap. Und jetzt“, fing er an, griff sie bei ihren Schultern und drehte sie um, „solltest du weitermachen. Sonst werden wir bis zum Abendessen nicht fertig.“ Sachte schob er sie ein wenig weiter und ließ sie dann los. Nikiras Miene verdüsterte sich zunehmend. Langsam drehte sie sich wieder zu ihm um und stand recht dicht vor ihm.
 

„Wir werden nicht fertig? Wir, im Sinne von du und der Rest?“, harkte sie gespielt interessiert nach und deutete auf ihn und dann nach hinten zu den anderen.
 

„Ja, wir. Sag ich doch.“ Ace grinste ihr unverschämt entgegen und steckte seine Hände in seine Hosentaschen. Währenddessen hatte Nikira den Stiel des Besens fest umklammert und musste sich zusammenreißen, ihm nicht sofort ins Gesicht zu schlagen. Stattdessen grinste sie kurz und ehe er reagieren konnte, hatte sie ihm mit dem Besen seine Füße weggeschlagen. Unsanft krachte er auf den Boden und stieß nur einen Laut der Überraschung aus. Perplex sah er die Rothaarige an, die sich nach vorne gelehnt hatte.
 

„Dann genieß mal die Aussicht dort unten“, meinte sie hämisch und wandte sich ab.
 

„Was zum-?“ Ace blinzelte und sah Nikira nach.
 

Stöhnend vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Eigentlich hätte er es wissen müssen, dass mit ihr nicht zu spaßen war, doch er mochte es, wenn sie ihn wütend anfunkelte. Um ehrlich zu sein, war es sogar verdammt heiß. Leise lachend richtete er sich auf. Sitzend lehnte er sich nach hinten, stellte die Beine auf und legte seine Arme lässig darauf ab. Schmunzelnd beobachtete er Nikira, die wieder ihrer Arbeit nachgegangen war und so tat, als wäre nie etwas passiert.
 

Diese Frau gab ihm wahrlich den Rest.

Pretend To Be Ok

Nikira war bereits seit zwei Monate auf der Moby Dick. In dieser Zeit hatte sie Befehle befolgt, sich mit anderen unterhalten, mit Whitebeard geredet und – mehr oder weniger freiwillig - Zeit mit Ace verbracht. Während dieser ganzen Zeit, hatte sie nicht viel an ihre Mission gedacht, oder daran, dass sie Piraten aufs Tiefste verabscheuen sollte. Diese zwei Aspekte rückten in den Hintergrund und wurden ihr egal. Beinahe.
 

Auch jetzt, als sie mit den anderen beim Abendessen saß und mit mäßigem Interesse den Gesprächen lauschte, dachte sie daran, dass diese Crew bis jetzt nichts getan hatte was man sich im Marinehauptquartier so erzählte. Das Gegenteil war der Fall. Wie Marco damals erzählt hatte, standen einige Inseln unter Whitebeards Schutz und somit auch die Bewohner. Nie hatte sie etwas Derartiges gehört. Piraten schützten unschuldige Menschen? Ein absurder Gedanke. Für Nikira zumindest. Aufgezogen von Piratenhassern konnte sie nichts anderes glauben und doch fing sie an zu zweifeln und stellte sich Fragen. Waren alle Piraten gleich? Wieso hatte ihr Vater die Wahrheit über Rainbow-Village verschwiegen? Und warum zum Teufel fing sie an sich hier wohl zu fühlen? Fragen über Fragen rasten durch ihren Kopf. Fragen auf die sie keine Antworten wusste.

Diese Tatsache frustrierte sie ungemein und veranlasste sie dazu mit abgestütztem Kopf ihr Fleisch auf dem Teller hin und her zu schieben.
 

„Hey, Nikira? Lust heute Abend mit uns Party zu machen?“, fragte Ace mit vollem Mund und riss somit Nikira aus ihren Gedanken. Statt auf seine Frage zu antworten, sah sie ihn angewidert an. „Das ist echt widerlich.“ Trocken sah sie dabei zu, wie er grinsend hinunterschluckte.
 

„Besser, Prinzessin?“ Höflich lächelte er sie an und bekam im Gegenzug nur einen offensichtlichen Blick von der Rothaarigen. „Nein? Schließlich bist du noch immer hier“, meinte sie trocken.
 

Die anderen begannen zu lachen und Ace verzog beleidigt sein Gesicht. Gespielt verletzt legte er seine Hand an die Brust. „Das hat mich gerade wirklich sehr getroffen, Nikira.“
 

„Vermutlich“, antwortete Nikira und verdrehte die Augen über seine kindische Art. Wenn sie recht überlegte, hatte sie sowieso noch nicht viele ernsthafte Gespräch mit ihm.
 

„Also? Kommst du heute mit, oder nicht?“
 

Nikira zuckte mit den Schultern. „Vielleicht etwas später.“ Damit war die Diskussion und das Abendessen beendet. Sie war voll und entschied in ihre Kajüte zu gehen.
 

Dort verweilte sie eine Zeit lang, machte ein Nickerchen und beschloss in die Stadt zu gehen, als ihr langweilig wurde. Sie gab es nur ungern zu, aber letztes Mal war es sogar unterhaltsam gewesen mit den Piraten unterwegs zu sein.
 

Mit ihren Händen in der Jackentasche betrat sie die breite, aus Stein gepflasterte, Straße. Mittlerweile war hier niemand mehr unterwegs. Nur noch betrunkene Männer und leicht bekleidete Frauen waren zu sehen.

Nikira ging weiter die Hauptstraße entlang und versuchte die anzüglichen Kommentare der Männer zu ignorieren. Von weitem konnte sie den Hauptplatz und eine Schar Marinesoldaten sehen. Moment! Was? Überrascht hielt die Rothaarige inne. Sie sahen aufgebracht aus.
 

„Hey! Nikira!“, ertönte es plötzlich leise aus einer undefinierbaren Richtung und brachte Nikira dazu irritiert die Stirn zu runzeln. Hatte sie sich das gerade eingebildet? Etwas verstört sah sie sich um, konnte aber niemanden ausmachen. Schulterzuckend setzte sie ihre Schritte fort, ging aber in der Nähe der Mauern, um nicht sofort entdeckt zu werden. Auch wenn es nur halb so schlimm wäre. Immerhin war sie gar keine echte Piratin.
 

„Nikira! Hier her!“ Abermals stockte sie. Schon wieder! Dieses Mal lauter als zuvor. Sie drehte ihren Kopf nach rechts und kniff ihre Augen zusammen. Bildete sie sich das ein, oder stand da jemand im Schatten der Gasse? Erst, als die Person einen Schritt nach vorne ging, konnte sie sehen wer sich versteckte.
 

„Was soll das denn werden, Feuerfaust?“, fragte Nikira leicht spöttisch und ging ein wenig auf ihn zu.
 

Der Angesprochene sah hektisch um die Ecke und dann wieder zu der Jüngeren. „Die Marine hat mich irgendwie entdeckt und jetzt verstecke ich mich vor ihnen“, erklärte er flüsternd.
 

„Und wieso bekämpfst du sie nicht einfach? Sind doch nicht viele.“
 

Ace stöhnte genervt auf. „Würde ich ja, aber Marco und Pops haben gesagt ich darf nicht.“
 

Nikiras Mundwinkel zuckte bei seinen Worten verdächtig. Er hörte sich an wie ein kleines Kind. Noch bevor sie etwas erwidern konnte, ertönte auf einmal lautes Gerede. Mit geringem Interesse wandte sie den Kopf nach links und sah, wie die Soldaten sich aufteilten und nun teilweise in ihre Richtung liefen um Ace zu suchen. Noch bevor die Rothaarige überlegen konnte, wurde sie von Ace in die Gasse gezogen und an die Wand gedrückt. Seinen linken Arm hatte er dabei an der Wand abgestützt.
 

Sie wollte protestieren, doch er hatte seine Hand auf ihren Mund gedrückt. „Pshh! Wenn sie uns entdecken, haben wir ein großes Problem“, raunte der Schwarzhaarige gefährlich nahe. Vollkommen erstarrt, blickte Nikira ihm direkt in die Augen. Jeder Muskel in ihrem Körper spannte sich an, als ihr die körperliche Nähe zu ihm immer mehr bewusst wurde. Er war höchstens eine Handbreite von ihr entfernt und wäre es ein wenig heller, hätte sie seine Sommersprossen abzählen können. Um sich auf etwas anderes zu konzentrieren, lauschte sie den Geräuschen. Außer dem Getrampel der Soldaten, einem entfernten Grillenzirpen und ihrem unnatürlich laut schlagendem Herzen war nichts zu hören.
 

Erst als sich Ace sicher war, dass Nikira keinen Mucks machen würde, zog er seine Hand zurück; verharrte aber weiterhin in seiner Position. So warteten sie, bis die Marinesoldaten an der Gasse vorbeigelaufen waren und beide nicht entdeckt hatten. Doch auch als sie außer Reichweite waren, wagte Nikira es nicht sich zu bewegen. Gelähmt von der geringen Distanz zwischen ihnen, war es der jungen Frau unmöglich auch nur einen klaren Gedanken zu fassen.
 

Doch nicht nur ihr erging es so. Auch Ace war für einen kurzen Moment gefangen. Gefangen von Augen, die sonst so ausdruckslos waren, glühten jetzt so intensiv, dass ihm der Atem stockte. Dies war der Anblick, den er bei ihr vermisste. Den er sich, nachdem er ihn gesehen hatte, viel öfters wünschte. Doch wie jeder Augenblick verging auch dieser und schneller als ihm lieb war, war der kühle und unnahbare Gesichtsausdruck der Rothaarigen zurück.
 

Abrupt riss sie sich von seinen Augen los und senkte ihren Blick. Sie hatte sich endlich zur Besinnung gerufen, als ihr klar wurde, dass vor ihr nicht nur ein Pirat mit einem Kopfgeld von 550.000.000 Berry stand, sondern auch ihr Missionsziel. Brutal wurde sie dabei auf den Boden der Tatsachen zurückgebracht und reparierte ihre Mauer aus Eis, die während diesem intensiven Blickkontakt Risse bekommen hatte.
 

„Wir sollten zu den anderen gehen“, kam es deshalb distanziert von ihr, als sie sich schnell unter seinem Arm hinwegduckte. Dabei drückte sie ihre Nägel in die Handflächen, um sich auf etwas Anderes zu konzentrieren. Auf etwas Essenzielles.
 

Ace verharrte in seiner Position, fuhr sich durch seine schwarzen Haare und sah ihr nach. Erst als sie um die Ecke bog, rührte er sich und folgte ihr – mit den Händen in seinen Hosentaschen. Nachdenklich musterte er sie, als sie schweigend vor ihm herging. Ihm war klar, dass sie nicht darüber reden würde. Aber ihm war auch klar, dass sie das gespürt haben musste. Diese Spannung zwischen ihnen hatte er sich nicht eingebildet. Auch hatte sie ihm eine Seite gezeigt, von deren Existenz sie vermutlich selber nicht wusste. Diese Augen hatten es ihm bewiesen. Tief in ihrem Inneren loderte ein Feuer, das nur darauf wartete die Eisschicht zu durchbrechen.
 

Abermals fuhr sich Ace durch die Haare, seufzte und folgte der schweigsamen Rothaarigen frustriert in die Bar. Laute Musik und Gejohle dröhnten ihnen entgegen. Um sich auf andere Gedanken zu bringen, war das erste was er tat sich ein Krug mit Bier zu holen.
 

Auch Nikira bestellte sich etwas und zur Überraschung des Schwarzhaarigen war es Alkohol. Mit einem wachsamen Blick folgte er ihr abermals. Dieses Mal zu dem Tisch von Marco und dem Rest.
 

Grinsend wurden die beiden begrüßt, doch keiner erwiderte die gute Laune. Nikira bekam davon nicht wirklich etwas mit. Sie war viel zu beschäftigt damit sich auf ihren Sake zu konzentrieren und die kichernden Frauen zu ignorieren. Ihr war es bis jetzt schon öfters aufgefallen, dass überall wo Ace war, jede Frau sofort anfing zu gackern, sich aufreizend in Pose zu werfen und ihm eindeutige Blicke zuzuwerfen. Vor allem zwei Frauen an der Bar nervten die Rothaarige tierisch.
 

Doch davon ließ sie sich nicht beirren. Mit einer nichtsagenden Miene setzte sie sich auf den leeren Stuhl zwischen Marco und Haruta. Nikira beteiligte sich nicht wirklich an den Gesprächen am Tisch, sondern nippte nur ab und zu an ihrem Sake. Ihre Gedanken schwirrten noch immer ein wenig um die Situation von vorhin. Auch wenn sie vehement versuchte nicht daran zu denken.
 

Um schnell von diesem Tisch wegzukommen, leerte sie ihren Krug in einem rasanten Tempo. Wie aufs Stichwort meldete sich ihre Blase zu Wort. Um keine unnötigen Fragen beantworten zu müssen, nuschelte sie ein: „Ich geh mal auf die Toilette.“

Gesagt, getan. Vor dem Spiegel stehend, warf sie einen kurzen Blick in das verdreckte Rechteck. Ihr Aussehen war ihr nicht komplett egal, aber sie war niemand der seine Haare checken, oder auch den Lippenstift nachziehen musste. Abgesehen davon trug sie nicht mal etwas dergleichen.
 

Nikira senkte ihren Blick aufs Waschbecken. Mechanisch drehte sie den Wasserhahn auf, der komische Geräusche machte und anschließend verschmutztes Wasser freigab. Die Rothaarige verzog keine Miene dabei. Mit so etwas hatte sie schon gerechnet. Immerhin war sie hier in einer heruntergekommenen Bar, die all die Einnahmen in leicht bekleidete Bedienungen steckte. Und wie als wäre dies das Zeichen gewesen, betraten zwei Kellnerinnen die Toilette. Kichernd umrundeten sie Nikira und stellten sich vor den Spiegel.
 

Tuschelnd trugen sie Puder auf und pushten sich ihre Brüste nach oben. Die vorgegebene Piratin konnte ein abfälliges Schnauben nur schwer unterdrücken.
 

Sie war richtig froh, als sie dabei war ihre Hände abzutrocknen. Nicht, weil ihr dieses dreckige Handtuch einen Grund dazu gab, sondern weil sie endlich von diesen Weibern wegkam, die wirklich unnötiges Zeug von sich gaben.

Doch irgendwie hatte eine höhere Macht andere Pläne. „Hey! Du da“, kam es von einer der zwei Frauen unhöflich. Die Rothaarige blieb widerwillig stehen und sah nach hinten. „Hm?“
 

„Du könntest uns sicher etwas über deine Freunde erzählen, oder?“ Die schwarzhaarige Bedienung lehnte sich mit ihrer Hüfte an die Ablage und betrachtete ihre Nägel. Das Wort Freunde betonte sie spöttisch.
 

Nikira ließ sich dadurch nicht beirren und zog eine Augenbraue nach oben. „Können schon. Nur…wollen nicht.“ Ausdruckslos drehte sie sich wieder um, als sich eine Hand auf ihre Schulter legte und sie von ihrem Vorhaben abhielt.
 

„Ich glaube du willst sehr wohl, Süße. Oder hast du etwa Angst, dass wir deinem Freund besser gefallen könnten als du? Obwohl das durchaus berechtigt wäre.“ Süffisant grinsend betrachtete sie Nikira von oben bis unten. Damit wollte sie der Rothaarigen wohl klarmachen, dass sie keine Chance gegen die beiden Kellnerinnen hatte.
 

Unbeeindruckt schüttelte sie die Hand ab und ignorierte das Gekicher der anderen gekonnt. „An deiner Stelle würde ich die Hände bei mir behalten, wenn du nicht willst, dass sie dir abhandenkommen.“ Bei Nikiras kalten Drohung verrutschte das Grinsend der beiden Frauen kurz. Die Rothaarige wartete gar nicht auf eine Antwort, sondern verließ die Toilette, durchquerte den kurzen Gang und wollte wieder den Barbereich betreten – doch sie hatte nicht mit der Hartnäckigkeit der Kellnerin gerechnet.
 

„Hey, du Miststück! Glaubst du ernsthaft, du kannst mir drohen und dann einfach abhauen?“, rief die Bedienung verärgert und war ihr gefolgt.
 

Nikira verdrehte die Augen und sah nach hinten ohne stehen zu bleiben. „Ja? Was kannst du schon dagegen unternehmen?“ Ihre Lippen zierte ein spöttisches Lächeln. Diese Frau konnte höchstens Corby etwas anhaben; und das auch nur, weil sie eine Frau war und er immer beinahe in Ohnmacht fiel, wenn das andere Geschlecht mit ihm redete.
 

Die Schwarzhaarige ballte ihre Hände zu Fäusten, während sich ihre Freundin aus der Sache raushielt. „Du arrogante Kuh“, knurrte sie und griff aus Reflex nach dem Handgelenk der kalten Piratin.
 

Abrupt blieb Nikira stehen und wandte ihren Kopf wie zuvor nach links. Ihr war klar, dass viele Augenpaare auf ihnen Lagen. Sogar Marco und der Rest der Whitebeard Crew hatten deren Gespräche unterbrochen und verfolgten ihre ‚Schwester‘. Doch davon ließ sie sich nicht beirren. Viel zu fixiert war sie auf die Hand der Kellnerin, die ihre manikürten Nägel trotz Warnung gerade in ihre Haut bohrte.
 

„Nimm deine Hand weg, oder du wirst es bitter bereuen“, zischte Nikira gefährlich leise. Ihre Finger berührten den Dolch an ihrer Hüfte und nur mit Mühe konnte sie sich beherrschen. Sie war bereits kulant genug ihr nicht gleich beim ersten Mal die Kehle aufzuschlitzen. Verdient hätte sie es durchaus. Stattdessen war sie ruhig geblieben. Bis jetzt. Manchmal wäre es besser seine Grenzen zu kennen und diese nicht zu überschreiten.
 

„Ach? Werde ich das? Glaubst du wirklich jemand würde dir helfen, wenn du erbärmlich um Hilfe schreist? Ich glaube kaum, dass sich wegen dir jemand die Hände schmutzig macht. Vermutlich will nicht Mal dieser heiße schwarzhaarige Typ mit dir das Bett teilen. Hab ich recht?“, spekulierte sie überheblich und grinste; nicht klar, in welcher Situation sie sich gerade befand.

Nikira hatte ihr indes ruhig zugehört, obwohl es in ihrem Inneren brodelte. Sie wusste nicht, ob ihr Gegenüber wirklich blöd war, oder nur so tat. Jeder der auch nur einmal die Zeitung in der Hand gehalten hatte, wusste über die Whitebeard-Piraten Bescheid – folglich auch über Ace und das neue Mitglied Nikira. Aber diese Bedienung hatte anscheinend wirklich keine Ahnung wer da vor ihr stand.
 

„Natürlich hab ich das. Und weißt du was noch?“, abfällig grinsend drückte die Schwarzhaarige ihre Nägel fester in die Haut von Nikira, „Du bist nur halb so attraktiv wie du glaubst. Nur weil du mit einem Haufen heißer Männer rumläufst, heißt das nicht, dass du deswegen begehrenswerter bist. Eigentlich bist du sogar-“ Die letzten Worte blieben ihr im Hals stecken. Nikira hatte endgültig genug. Mit zusammengepressten Kiefer hatte die Rothaarige ihr Gegenüber an die Wand gedrückt und ihr kleines Messer neben ihr in die Wand gesteckt. Mit Genugtuung betrachtete sie das vor Schreck verzerrte Gesicht.

Das Gekreische der anderen Kellnerinnen nahm sie nur gedämpft war. Viel zu sehr war sie damit beschäftigt, die Mimik der Schwarzhaarigen zu studieren. Diese wechselte von panisch zu wütend und wieder zurück. Noch immer schien sie die gesagten Dinge nicht zu bereuen.
 

„Deine scheiß Arroganz macht mich so unglaublich wütend, dass ich dir hier und jetzt am liebsten dieses Messer in den Schädel rammen würde! Aber ich tu es nicht und weißt du wieso? Weil du es nicht wert bist“, raunte Nikira leise in das Ohr der Bedienung. Diese brachte nur einen unverständlichen Laut über ihre Lippen, woraufhin die Rothaarige den Griff um ihr Messer festigte. Die Wut, die sie den ganzen Tag über aufgestaut hatte, machte sich jetzt bemerkbar. Und auch die Ratlosigkeit über ihre Gefühle trugen dazu bei, dass die verängstigte Bedienung die geballte Wucht ihrer Aggressivität zu spüren bekam.

Blind vor Zorn drückte Nikira fester mit der Hand zu, die sich um ihren Hals gelegt hatte und wiederholte zischend: „Verstanden?“
 

Reflexartig hob die Schwarzhaarige die Arme und umgriff den Arm von der Piratin. Angestrengt nickte sie, doch Nikira lockerte ihren Griff nicht. Wie gerne würde sie die Sache zu Ende bringen. Wäre da nicht plötzlich die Hand von Ace, die sich beruhigend auf den Arm der Rothaarigen legte und ihn mit leichter Gewalt nach unten drückte. Ohne die Schwarzhaarige aus den Augen zu lassen, ließ sie langsam den Hals los.
 

Augenblicklich rutschte die Kellnerin auf den Boden und hielt sich die Stelle, an der vor kurzem noch Nikiras Finger gelegen hatten.
 

Ace schob die Rothaarige ein wenig von der verängstigten Frau weg. Nikira jedoch betrachtete das Häufchen Elend weiterhin mit einem spöttischen Blick. „Glück gehabt“, meinte sie trocken und ließ sich dann von Ace nach draußen ziehen. Dabei war sie noch immer so sehr in die Geschehnisse von gerade vertieft, dass sie gar nicht dazu kam sich über die Hand an ihrem Handgelenk aufzuregen.
 

Kaum waren sie im Freien, schritt Nikira stur in Richtung Hafen; dicht gefolgt von Ace, der über ihr Verhalten nur seufzten konnte. Die Rothaarige dachte gar nicht daran stehen zu bleiben.
 

„Ok. Ich nehm‘ Mal an, dass du nicht darüber reden willst?“, fing er schließlich vorsichtig an und beschleunigte seine Schritte, um mit ihr gleichauf zu sein.
 

Als Antwort bekam er nur ein Schnauben. Ace seufzte darüber. Zuerst dieser Moment in der Gasse und jetzt das! Nikira war wahrlich keine normale Frau und Frauen waren generell schon ziemlich schwierig…
 

Dennoch überlegte er, wie er diese heikle Situation angehen konnte, ohne eine Faust von der Rothaarigen zu kassieren. Nach kurzem Grübeln, versuchte er es mit einer Taktik, die bei ihm funktionierte. Unschuldig meinte er: „Wenn das so ist, sollten wir eventuell an deiner Selbstbeherrschung arbeiten.“ Gespannt musterte er sie und musste ein Grinsen unterdrücken, als Nikira abrupt stehenblieb und sich energisch zu ihm drehte.
 

„Meine Selbstbeherrschung war verdammt nochmal nicht das Problem.“ Mit geballten Fäusten funkelte die Rothaarige ihren Gegenüber an. Wie kam er auf die verwerfliche Idee, es wäre ihre Schuld gewesen?
 

„Ach? Und was dann?“ Ace zog seine Augenbraue nach oben. Jetzt hatte er sie.
 

Aufgebracht deutete sie mit ihrem Finger auf das Gebäude, in dem sich die Bar befand. „Dieses eingebildete Miststück, das meinte ich wäre arrogant.“
 

Ace‘ Mundwinkel zuckte verdächtig. Im Moment wäre es furchtbar unangebracht zu lachen. Das wusste er und deswegen hielt er sich zurück.
 

„Was? Mehr war da nicht?“, harkte er stattdessen ehrlich ungläubig nach. Das konnte doch nicht alles gewesen sein. Nikira fuhr zwar schnell aus der Haut, aber nicht wegen ein paar leerer Worte einer eingebildeten Schnepfe.
 

Nikira verschränkte ihre Arme und wirkte auf einmal Defensiv. Interessiert beobachtete er ihr Verhalten. So hatte er sie auch noch nicht gesehen. Es war, als würde er jeden Tag einen neuen Teil von ihr entdecken und das gefiel ihm.
 

„Doch, aber im Nachhinein betrachtet war das nur Unsinn“, gab sie schließlich zu und fuhr sich mit ihrer Hand durch die Haare.
 

„Komm schon, Kira. Wegen Unsinn bedrohst du doch nicht einfach eine unschuldige Bedienung.“

Bei seinen Worten musste Nikira schnauben. Wie wenig er sie doch kannte.
 

„Sag schon. Was hat sie gesagt?“, drängte er nochmal.
 

„Nichts Relevantes. Nur irgendetwas davon, dass ihr mir nicht helfen würdet, oder so“, murmelte sie und tat die Sache damit ab. Die anderen Sätze, die sie ihr an den Kopf geworfen hatte, erwähnte sie nicht. Irgendwie wäre es ihr unangenehm.

Kurz schwieg der Schwarzhaarige und fragte sich, worüber die zwei Frauen noch geredet hatten, wenn so etwas zur Sprache gekommen war.
 

„Du weißt aber hoffentlich, dass das nicht stimmt, oder? Wir würden dir immer zur Seite stehen, Nikira. Jeder einzelne von uns. Immerhin sind wir eine Familie“, versuchte er ihr sanft deutlich zu machen.
 

Nikira hatte während seiner Worte den Kopf gesenkt und starrte vehement den Boden an. Ihre Mimik hatte sich verhärtet, als sie sich auf die Lippen biss. Zum ersten Mal seit Jahren wurde ihr gesagt, dass sie nicht alleine war. Dass sie eine Familie hatte, die auf sie aufpasste. Noch nie hatte ihr Vater etwas Derartiges gesagt. Nicht, seit ihre Mutter damals gestorben war. All die Jahre hatte sie sich solche Worte von ihrem Vater erhofft – vergebens. Nur, um sie dann von einem Piraten gesagt zu bekommen. Welch Ironie, dachte sich Nikira.
 

„Hast du gehört, Nikira?“, fragte Ace nach, der die Reaktion der Rothaarigen stumm beobachtet hatte. Wie gerne würde er wissen was sie dachte. Was sie wirklich dachte.
 

„Ja. Ja habe ich“, antwortete sie schließlich leise und sah so aus als wäre für sie das Thema erledigt.

Anniversary

Es gab für Nikira eine Zeit im Jahr, in der ihre sonst so sorgfältig verschlossenen Gefühle die Oberhand gewannen. Diese Zeit war schmerzhaft, denn es war schwer die starken Emotionen zu unterdrücken. Vor allem, wenn rundherum unzählige besorgte Blicke zu sehen waren. Um diese zu vermeiden, lag sie mit einem nichtssagenden Blick in ihrem Bett und starrte die Decke an.

In ihrem Inneren herrschte ein gewaltiges Chaos und doch fühlte sie sich merkwürdig leer. Nur ihr regelmäßiger Herzschlag erinnerte sie daran, dass sie keine inhaltslose Figur war. Das und der enorme seelische Schmerz, der beinahe unerträglich war. Mit einem dumpfen Gefühl in ihrem Körper krallten sich Nikiras Nägel in das weiße Laken. Dabei schloss sie kurz ihre Augen. Ein Fehler.
 

Wie als würde es gerade vor ihr passieren, flackerten die Bilder vor ihren Augen auf. Zähneknirschend presste sie die Augen fester zusammen und legte ihren Arm über das Gesicht; in der Hoffnung, dass diese Bilder verschwinden würden, aber das taten sie nicht. Stattdessen spielte sich die Tragödie von vor 13 Jahren immer wieder in ihrem Kopf ab. Immer wieder hörte sie den Schrei ihr Mutter; das panische Rufen ihres Vaters und sah ihr fünfjähriges Ich mit weit aufgerissenen Augen vor sich.

„Verschwindet aus meinem Kopf“, murmelte Nikira leise und presste ihren Arm fester auf ihre Augen.
 

„Verschwindet aus meinem Kopf“, wiederholte sie mit Nachdruck, zog ihre Beine an und stieß ihre Nägel in die nackte Haut ihres Beines. Sie wollte körperlichen Schmerz spüren, um dem seelischen zu entgehen. Es funktionierte aber nicht.
 

Nachgiebig ließ sie ihren Arm schlaff auf die Seite fallen, um sich auf die Seite zu drehen. Ihr Gesicht vergrub sie im Kissen.

„Verschwindet.“ Ihre Stimme klang brüchig und sie verspürte das seltene Brennen, welches sich von ihrer Nase zu den Augen bahnte. Verbissen weigerte sie sich zu weinen. Sie wollte nicht schwach, sondern für ihre Mutter stark sein.
 

Nikira wusste nicht wie lange sie so dalag. Die Minuten waren einfach so an ihr vorbeigezogen. Erst die aufkeimende Übelkeit machte ihr klar, dass sie wieder etwas zu sich nehmen musste. Schwerfällig erhob sie sich und schlurfte zum Waschbecken, welches sich in der kleinen Kajüte befand. Mit beiden Händen umklammerte sie den Keramikrand und hob ihren Kopf. Ihre Haare waren durcheinander und hingen ihr glanzlos ins Gesicht. Auch ihre Augen waren geschwollen, obwohl sie keine Träne vergossen hatte.
 

Ausdruckslos betrachtete sie sich noch eine Weile im Spiegel, ehe sie sich ein wenig kaltes Wasser ins Gesicht spritzte und anschließend das Zimmer verließ. Lustlos machte sie sich auf den Weg zum Speisesaal und setzte sich tonlos auf ihren üblichen Platz. Langsam aß sie ein paar Bissen und ignorierte die heimlichen Blicke der anderen. Es war kaum zu übersehen, dass sie keinen großen Drang verspürte mit jemandem zu reden. Deswegen hielten sich die Piraten zurück und dachten sich ihren Teil über ihr Verhalten. Auch Ace sah der Rothaarigen grüblerisch nach, als diese wortlos ihren Teller wegschob und wieder aus dem Saal verschwand.
 

Erst, als Marco ihm auf die Schulter klopfte, wandte sich der Schwarzhaarige zu den Anwesenden am Tisch. „Ich hab gefragt, ob du schon den heutigen Wachdienst eingeteilt hast.“ Auf seine Frage schüttelte Ace den Kopf. „Nein. Ich übernehme ihn selbst.“ Er erhielt ein leichtes Nicken und wandte sich damit wieder seinem Essen zu.
 

Es war spät abends, als Ace gähnend den schwach beleuchteten Gang entlangging. Er hatte einige Stunden auf dem Krähennest verbracht und war dabei beinahe eingeschlafen. Es war definitiv Zeit für eine Portion Schlaf.
 

Träge bog er um die Ecke und betrat den Flur, den er selbst im schlimmsten Rausch erkennen würde. Seine Schritte trugen ihn wie automatisch an den unzähligen Kajüten seiner Divisionsmitglieder vorbei, wurden schlussendlich langsamer und stoppten endgültig, als er an Nikiras Kajüte vorbeikam. Kurz richtete er seinen Blick auf die hölzerne Tür, ehe er seinen Weg seufzend fortsetzte. Er sollte aufhören sich seinen Kopf über die Rothaarige zu zerbrechen. Bereits in den letzten Stunden waren seine Gedanken immer wieder zu der 18-Jährigen gedriftet. Es war zwar nicht so, dass er nicht gerne an sie dachte, aber ihr derzeitiges Verhalten bereitete ihm Kopfschmerzen.
 

Mit gerunzelter Stirn wollte er gerade seine Tür öffnen, als auf einmal ein lautes Scheppern ertönte. Irritiert zog Ace seine Hand zurück und drehte sich um. Das kam doch gerade aus Nikiras Kajüte. Skeptisch überbrückte er die paar Meter und lauschte vor dem Zimmer angestrengt. Nichts. Anscheinend hatte er sich das gerade nur eingebildet und stand jetzt bescheuert vor der Tür herum.
 

„Was tu ich hier eigentlich?“, fragte er sich murmelnd und wollte sich kopfschüttelnd abwenden. Plötzlich ertönte ein Schrei und legte in Ace einen Schalter um. Alarmiert drehte er sich um und riss ohne zu zögern die Tür auf. Mit wachsamen Augen musterte er zuerst die Scherben auf dem Boden und anschließend das Bett.
 

Fassungslos betrachtete er die junge Frau. „Was…?“
 

Die Rothaarige wälzte sich in ihrem Bett unruhig hin und her. Ihre Haare klebten ihr an der Stirn und ihr Gesicht war zu einer schmerzhaften Maske verzogen. Zwischendurch verließ ein panischer Laut ihre Lippen. Doch das war nicht das, was Ace dazu veranlasste überrascht inne zu halten. Es waren die Tränen, die nasse Spuren auf ihren Wangen hinterließen.

Schnell fasste er sich wieder und ging eilig auf sie zu um sich auf das Bett zu knien. Sachte umfasste er ihre Schultern.

„Nikira? Wach auf. Du hast einen Alptraum. Hast du gehört?“ Er versuchte sie wachzukriegen, doch sie reagierte nicht.

„Nikira! Komm schon! Wach auf!“, zischte er und rüttelte etwas fester an ihrer Schulter. Wieder nichts. Etwas überfordert sah Ace auf sie herab und überlegte, ob er nicht einfach ein Glas Wasser holen sollte, als die Rothaarige sich plötzlich keuchend aufrichtete.
 

Panisch wanderten ihre Augen durch den Raum. Unzählige Gedanken schossen ihr durch den Kopf und ihr Herz raste. Es wollte sich nicht beruhigen und verursachte einen unangenehmen Druck in ihrer Brust. Erst, als Ace sanft ihr Gesicht mit seinen Händen umfasste, begann ihr Puls zu sinken und auch ihr Herz wieder im normalen Rhythmus zu schlagen.
 

„Alles ok?“, fragte der Schwarzhaarige sachte und suchte besorgt in ihrem Gesicht nach irgendeinem Anzeichen, was sie geträumt haben könnte. Natürlich vergebens.
 

„Was…?“ Die Rothaarigen war verwirrt und suchte leicht abwesend den Blickkontakt zu Ace, der keine dreißig Zentimeter von ihr entfernt saß. Seine Hände verursachten ein angenehmes Prickeln auf ihrer Haut und für einen kurzen Moment verschwand das beklemmende Gefühl. Allerdings nicht für lange, denn Ace zog seine Arme zurück und schaffte ein wenig Abstand zu der Frau. Zur selben Zeit war das Chaos in ihrem Inneren zurück.
 

„Du hast schlecht geträumt und geschrien“, erklärte er ihr und musterte sie prüfend. Ihre Augen waren leer. Kein Anzeichen von der Nikira, die er kannte und das beunruhigte ihn.
 

Und es wurde nicht besser, als sie ihren Kopf senkte und eilig aufstand, ohne etwas zu sagen. Die Tränen waren bereits getrocknet, als sie sich langsam in Bewegung setzte und aus der Kajüte verschwand. Verwirrt und gleichzeitig besorgt, ging Ace ihr hinterher. In diesem Zustand konnte und wollte er sie nicht alleine lassen.
 

Stumm folgte er ihr aufs Deck und beobachtete Nikira mit einem Abstand dabei, wie sie auf den Walkopf stieg und sich einfach hinsetzte. Er haderte mit sich selbst, da er nicht wusste, ob er es ihr gleichtun sollte. Wirklich helfen konnte er ihr nicht, aber wenn er daran dachte, dass sie in den letzten Tagen oft genug alleine war, wurde ihm schwer ums Herz. Entschlossen ging er auf Nikira zu, die gar nicht richtig wahrnahm, dass er sich ebenfalls auf den Walkopf setzte.
 

Ace sagte nichts; wollte sie nicht dazu zwingen ihm zu erzählen, was hinter dem ganzen steckte. Deswegen wartete er einfach. Untypisch geduldig für den Piraten, lauschte er einfach dem Meeresrauschen und hing seinen Gedanken nach.
 

Keine Ahnung wie lange es dauerte, aber irgendwann fing sie an zu erzählen. Ihre Stimme war dabei leise. „Vor genau 13 Jahren ist meine Mutter gestorben. Meinetwegen.“ Ohne etwas zu erwidern, sah Ace sie von der Seite an. Ihm kam es vor, als würde Nikira ihn gar nicht richtig wahrnehmen. Als wäre sie gerade in ihrer eigenen Welt, die voller Trauer und Schmerz war. Er konnte nur erahnen, wie sie sich fühlen musste.
 

Tonlos setzte sie schließlich fort: „Es war ein ziemlich warmer Sommertag und mein Vater war seit längerem wieder mal zuhause. Aufgrund seiner Arbeit war er oft unterwegs, deswegen wollten wir den Tag auskosten und in die Stadt gehen. Es war ziemlich viel los.“ Kurz machte sie eine Pause, zog ihre Knie an ihren Körper und umschlang diese mit beiden Armen. Es hatte etwas Tröstendes an sich, fand sie.
 

„Meine Mutter…Minako. Sie wollte nie, dass ich mich mehr als zehn Meter von ihr entferne. Das hat mich immer furchtbar genervt. Immerhin haben sich meine Eltern einfach nicht beeilt.“ Nikira lächelte bitter, wurde aber gleich wieder ernst. „Irgendwann bin ich dann einfach vorausgelaufen und habe die Rufe meiner Eltern ignoriert. Wenn es um Ballons ging, habe ich schon immer alles stehen und liegen gelassen. Als ich fasziniert die verschiedenen Formen betrachtet habe, hörte ich auf einmal lautes Geschrei. Naiv wie mein 5-jähriges Ich war, mied ich nicht den Lärm, sondern suchte ihn. Ihn und meine Eltern. Ich drängte mich durch die Menge. Es war nicht einfach mit meiner Größe durch all die Erwachsenen zu kommen und wenn ich recht überlege, wäre es mir lieber gewesen, ich wäre nie bis nach vorne gekommen.“
 

„Du musst nicht weitererzählen“, meinte Ace auf einmal sachte, doch Nikira ignorierte ihn einfach bewusst. Sie musste es einfach erzählen.
 

„Ich weiß noch wie ich dort stand. Mit großen Augen sah ich ihn die Mitte des Kreises, wo ein großer Mann meine Mutter mit einer Waffe bedrohte. Sie stand mit dem Rücken dicht bei ihm und umklammerte panisch den Arm des Mannes, der sich um ihren Hals gelegt hatte. Mein Vater hat währenddessen alles versucht ihn zu beruhigen und eine Lösung auszuhandeln, aber er hörte nicht. Ohne über mögliche Konsequenzen nachzudenken, nahm ich den erstbesten Gegenstand vom Boden und schmiss ihn an den Kopf des Mannes der meine Mutter bedrohte. Natürlich wurde er dadurch noch wütender, aber das verstand ich nicht wirklich. Deswegen blickte ich ihm trotzig ins Gesicht. Nur meine Tränen verrieten meine Furcht. Aber das war nichts im Vergleich zu der Angst, die meiner Mutter ins Gesicht geschrieben war. Plötzlich hatte nämlich ich die ungeteilte Aufmerksamkeit des Mannes.“
 

Nikiras Stimme klang bitter und Ace hatte eine ungefähre Ahnung was als nächstes kam.
 

„Er schrie mich an, fuchtelte mit seiner Pistole herum und auf einmal zeigte der Lauf der Waffe in meine Richtung. Das war der Moment, indem meine Mutter sich dafür entschied, ihr Leben für meines zu geben. Unfähig mich zu bewegen sah ich zu, wie sie sich losriss und sich ihm einfach in den Weg stellte. Wie sie einfach beschloss zu sterben, ohne auch nur einmal zu fragen, ob das für meinen Vater und für mich in Ordnung war.“ Die Rothaarige wurde zum Schluss hin wütend. „Sie war weg. Einfach so. Und es war meine Schuld“, brachte sie abwesend heraus.
 

Ace wollte seinen Arm um sie legen, überlegte es sich aber anders. „Es war nicht deine Schuld, Nikira.“
 

„Versuch nicht mich vom Gegenteil überzeugen zu wollen, Ace“, fing sie an und wandte anschließend ihren Kopf zu ihm. Der Schwarzhaarige erwiderte ihren Blick und war überrascht über den Ausdruck in ihren Augen. „Ich weiß wie die Realität aussieht und in dieser Realität ist es nun Mal mein Verschulden. Das seh ich so und mein Vater erst recht.“
 

Der Blick von Nikira war voller Überzeugung und Ace fragte sich wieso. Mag sein, dass sie unüberlegt gehandelt hatte, aber sie war verdammt nochmal ein Kind gewesen! Es war nicht ihr Fehler und doch nahm sie all die Schuld auf sich. Aber ihr Vater sah das anscheinend anders. Der Schwarzhaarige seufzte. Er hatte so viele Fragen an die junge Frau neben ihm, doch dafür war nicht der richtige Zeitpunkt und deswegen saßen sie stumm nebeneinander und genossen einfach die Brise und das Rauschen des Meeres auf dem Blauwalkopf der Moby Dick.

Water And Mud

Nikiras Kopf war frei von jeglichen Sorgen, als sie den schmalen Waldweg entlang schlenderte. In ihrer rechten Hand hielt sie ein Badetuch umklammert, während ihre Linke bei jedem ihrer Schritte mitschwang. Bereits zum dritten Mal legte sie ihren Kopf in den Nacken und blickte nach oben. Die Sonne schien hier nur gering auf den Boden, da die riesigen Bäume zum Teil die Sicht zum Himmel versperrten. Vereinzelt flogen Vögel von Ast zu Ast und zwitscherten fröhlich vor sich hin.
 

Die Rothaarige schloss für einen längeren Moment die Augen, als ein angenehmer Windhauch durch ihre Haare fuhr und ein paar Blätter aufwirbelte. Mit dem Ansatz eines Lächelns richtete Nikira wieder den Blick auf den steinigen Boden. Sie war auf dem Weg zu einem kleinen See in der Mitte des White-Forrests. Gestern hatten sie an einer Sommerinsel angelegt und die Temperaturen waren so unerträglich, dass sie beschlossen hatte schwimmen zu gehen. Alleine. Sie hatte sich zwar mittlerweile an die Präsenz der Piraten gewöhnt, aber brauchte ab und zu Zeit für sich.
 

Nach dem kurzen Fußmarsch, der weg von der Stadt führte, trat die 18-Jährige auf eine große Lichtung.
 

„Nicht übel“, murmelte sie beeindruckt, als sich vor ihren Augen der kleine See und die große Grünfläche erstreckte. Auf der Wiese blühten unheimlich viele Wildblumen, die Nikira noch nie gesehen hatte. Es war ein wahres Farbenspiel. Etwas überrascht über die Schönheit des Ortes, wanderten ihre Augen weiter zu dem Wasserfall, der, gepaart mit dem Zwitschern der Vögel, die einzigen Geräusche verursachte. Neugierig ging sie auf das Gewässer zu und besah sich die schimmernde Oberfläche. Das Wasser war so klar, dass man bis zum Boden sehen konnte.
 

Nikira fackelte nicht lange und zog sich ihr T-Shirt über den Kopf. Anschließend folgten die Hose und ihre Schuhe. Sie legte alles beiseite und stieg in ihrem schlichten schwarzen Bikini ins Wasser. Es war nicht so kalt wie erwartet, aber noch immer eine willkommene Abkühlung.
 

Vorsichtig ging sie bis zur Mitte des Sees, um die Tiefe zu erkunden. Sie konnte zwar schwimmen, aber ihre Bahnen wollte sie dort drehen, wo sie stehen konnte. Deswegen tastete sie sich langsam voran und hielt inne, als das Gefälle vor ihr überraschenderweise stark zunahm. Nikira ging ein paar Schritte zurück und fing dann an die Breite des Sees abzuschwimmen. Während sie das tat, waren ihre Gedanken auf die Hand- und Fußbewegungen fixiert. Es war eine gute Möglichkeit, um einen freien Kopf zu bekommen.
 

Völlig vertieft in ihrem Tun hörte sie erst auf, als ihre Muskeln anfingen zu brennen. Etwas außer Atem strich sie sich eine Strähne aus dem Gesicht, welche sich aus ihrer Hochsteckfrisur gelöst hatte. Langsam ging sie auf einen Stein zu und setzte sich darauf. Das Wasser reichte ihr damit bis über ihren Bauchnabel und sie konnte gemütlich ihren Arm auf einen weiteren Brocken ablegen. Zufrieden schloss sie ihre Augen und lauschte dem Tosen des Wasserfalls. Sie war selten so entspannt. Aber wie so oft in ihrem Leben dauerte diese Phase nicht lange.
 

Lautes Gelächter brachte sie unsanft auf den Boden der Tatsachen zurück. Seufzend drehte sie sich im Sitzen um und legte ihr Kinn auf den Unterarm. Mit wenig Begeisterung musterte sie die kleine Gruppe, welche auf sie zukam. Selbst Marco war mit von der Partie und hatte anscheinend seine Pflichten als Vizekapitän für kurze Zeit an den Nagel gehängt.
 

„Yo, Nikira!“ Ace grinste ihr in seinen Badeshorts entgegen und schlenderte gemütlich auf sie zu. Sein Badetuch hatte er lässig über die Schulter geworfen.
 

Für die Rothaarige bedeutete das Auftauchen der Whitebeard-Piraten, dass ihre Ruhe vorbei war. Deswegen erhob sie sich und stieg aus dem Wasser. Kurz streckte sie sich und ging dann zu ihrer Kleidung, die sie feinsäuberlich auf einen breiten Stein gelegt hatte. Kaum war sie dort angekommen, standen auch schon zwei der Kommandanten vor ihr.

„Wir haben dich heute vermisst, Nikira“, meinte Marco schmunzelnd und verschränkte seine Arme vor der Brust. Die Rothaarige zog nur eine Augenbraue nach oben.
 

„Achja?“, kam es trocken von ihr.
 

Ace, der seine Augen kaum von Nikira abwenden konnte, seit sie aus dem Wasser gestiegen war, meldete sich nun auch zu Wort. Grinsend legte er einen Arm um ihre Schultern und drückte sie an sich. „Natürlich haben wir das. Du bist doch unser Goldstück.“ Dabei wuschelte er mit der anderen Hand durch ihre Haare.
 

Nikira spürte deutlich die Hitze, die von ihm ausging und konnte nicht verhindern, dass ihr Gesicht beinahe dieselbe Temperatur annahm, wie Ace‘ Körper. Schnell schob sie seinen Arm von ihren Schultern und drückte sich von ihm weg. Dabei entging ihr das belustigte Grinsen von Marco dem Phönix.
 

„Ich weiß ja nicht was ihr jetzt tut, aber ich schmeiß mich mal ins Wasser“, meinte Marco plötzlich und wollte verschwinden, hielt aber nochmal kurz inne und kam nochmal zurück, „Achja. Ace?“
 

Der Schwarzhaarige sah auf, worauf Marco grinsend seine Hand ausstreckte und ihn so fest schubste, dass er nach hinten taumelte. Aus Reflex ergriff er das erstbeste was in seiner Nähe war. Und das war Nikiras Hand. Erschrocken weiteten sich die Augen der jungen Frau, als sie die Haltung verlor und mit Ace ins Wasser stürzte. Automatisch kniff sie die Augen zusammen, denn keine Sekunde später tauchte sie zischend in das kühle Nass, welches ihr an dieser Stelle im Stehen vermutlich bis zu den Knien reichte. Dabei bekam sie dennoch jede Menge Wasser ins Gesicht.
 

Verärgert wischte sie sich mit geschlossenen Augen die Haare aus dem Gesicht. Als das erledigt war, blinzelte sie die letzten Tropfen weg und rappelte sich auf. Wütend funkelte sie Ace an, der verdutzt im Wasser saß.
 

„Bist du bescheuert?“, fauchte sie und ballte ihre Hände zu Fäuste. Ihre Haare hingen ihr teilweise feucht ins Gesicht.
 

„Hey! Ich kann nichts dafür! Marco hat mich gestoßen“, versuchte er sich zu verteidigen und zeigte zu dem Phönix, der verhalten lachte.
 

Belustigt antwortete er: „Ja, aber ich war nicht so bescheuert und halte mich an Nikira fest.“
 

Ace zuckte unschuldig mit den Schultern und sah sie von unten an. Nicht ohne sie eingehend zu betrachten. Sie sah einfach verdammt heiß aus. Sie sollte öfters einen Bikini tragen, wenn sie wütend war…
 

„Sag Mal, Flammenhirn? Wie schnell ertrinkt wohl so ein Teufelsfruchtnutzer?“, fragte die Rothaarige auf einmal erschreckend trocken und musterte den Schwarzhaarigen.
 

Die Feuerfaust lachte nur und rappelte sich anschließend auf. „Als ob du die nötige Kraft dafür hättest, Kiralein.“
 

„Warts nur ab“, murmelte sie augenverdrehend. Gut. Er hatte recht. Körperlich war sie ihm einfach unterlegen, aber das würde sie natürlich nicht zugeben.
 

„Naja. Ich werde mich mal bei Marco für diese miese Aktion rächen. Vielleicht hab ich Glück und er ertrinkt.“ Ace grinste hinterhältig und ging dann in Richtung des anderen Kommandanten, der bei Jozu und Thatch stand. Er brachte sich lieber in Sicherheit, denn mit einer wütenden Nikira war nicht zu spaßen.
 

Die sah ihm noch nach und runzelte die Stirn. Weg war die Wut. Ob ihm bewusst war, dass er ebenfalls nicht schwimmen konnte?
 

Schulterzuckend ging sie durchs Wasser und lehnte sich abermals an denselben Stein wie zuvor. Sie konnte ja noch eine Weile hierbleiben. Auf dem Schiff wäre ihr doch nur wieder viel zu heiß.
 

Mit schiefgelegtem Kopf verfolgte sie die kindischen Spielereien der Männer, oder eher Jungs. Marco und Ace testeten wer länger unter Wasser bleiben konnte, Thatch und Fossa kletterten um die Wette die Steinwand hinauf und Jozu ließ sich von dem Wasserfall berieseln. Sogar Haruta war hier und ließ sich, mit den Füßen im Wasser, sonnen. Es war ziemlich friedlich für Piraten, fand Nikira.
 

Sie hatte immer geglaubt, dass das Piratenleben aus Kämpfen, Saufereien und Morden bestand, aber das gerade war das komplette Gegenteil. Sie sahen aus, wie eine Familie. Eine Familie zu der sie auch gehörte – wenn man von ihrem eigentlichen Grund absah weswegen sie in der Bande war.
 

Der Ansatz eines Lächelns stahl sich auf ihr Gesicht. Allerdings kein Fröhliches. Sie war nicht hier, um Freundschaften zu schließen oder eine Familie zu finden. Sie war hier, weil sie einen Auftrag hatte. Insgeheim fragte sie sich, was die Kommandanten und vor allem Whitebeard dazu sagen würden, wenn sie die Wahrheit über sie erfahren würden. Vermutlich würde sie nicht lange leben. Whitebeard duldete keinen Verrat. Er war nicht umsonst einer der vier Kaiser.
 

„Oi, Nikira. Warum so nachdenklich?“, rief Ace und kam auf sie zu. Er hatte sein typisches Grinsen im Gesicht. Nikira verschränkte ihre Arme. Dabei wurden ungewollt ihre Brüste nach oben gepusht – was Ace natürlich sehr genoss. Wenn sie nicht so verdammt attraktiv wäre…
 

„Bist du hier um mich wieder zu nerven, oder willst du etwas Bestimmtes?“ Nikira sah ihn fragend an und riss den Schwarzhaarigen somit aus den Gedanken.
 

„Bin nur zum Nerven hier“, antwortete er grinsend.
 

Die Rothaarige verdrehte die Augen und deutete anschließend zu den anderen. „Was tun die da?“
 

Ace drehte sich um. „Sieht so aus als hätten sie Seegras entdeckt und dazu noch jede Menge Schlamm.“ Er lachte kurz. Nikira hingegen verzog das Gesicht, als Marco das Stück Matsch gepaart mit Gras auf Fossas Rücken warf, der daraufhin fluchend dem grinsenden Marco nachlief.
 

„Wie geht’s dir eigentlich?“, kam es plötzlich ernst von der Feuerfaust.
 

Nikira sah ihn mit einer unergründlichen Miene an. „Mir…geht’s gut“, antwortete sie langsam.
 

„Ich frage wegen…du weißt schon. Du warst damals so aufgewühlt.“ Ace fuhr sich durch die nassen Haare und sah aus, als wüsste er nicht was er sagen sollte. Er war nicht unbedingt gut in solchen Dingen.
 

„Ich habe gesagt mir geht’s gut“, meinte sie mit Nachdruck und wandte ihren Blick ab. Natürlich hatte sie nicht vergessen, dass sie den wichtigsten Part ihrer Vergangenheit preisgegeben hatte. Ihm, der Grund weshalb sie überhaupt hier war. Und komischerweise verspürte sie keine Reue. Im Gegenteil. Ein kleiner Teil der Last, welcher schwer wie Blei auf ihren Schultern lag, war von ihr abgefallen. Sie hätte nicht gedacht, dass es so gut tun würde darüber zu reden. Nach all den Jahren, in denen sie dieses Geschehen immer weiter in sich hineingefressen hatte, hatte sie einem Außenstehenden davon erzählt. Und dabei war die Tatsache, dass es sich bei diesem Außenstehenden um Portgas D. Ace handelte, mittlerweile nicht mehr relevant. Eine Weile war sie wütend auf sich selbst, da sie schwach war und nicht über mögliche Konsequenzen nachgedacht hatte. Aber ein kleiner Teil von Nikira, den sie selbst nicht wahrnahm und auch nicht wahrnehmen wollte, vertraute Ace. Hätte sie ihm denn sonst ihr prägendstes Ereignis offenbart?
 

Ace musterte die Rothaarige und murmelte: „Wenn du das sagst.“ Nikira mied den Blickkontakt zu ihm und das war ein eindeutiges Zeichen dafür, dass sie bezüglich ihres Gemütszustandes gelogen hatte. Aber er sagte nichts weiter dazu. Sie würde ja sowieso nicht antworten.
 

„Hey, Ace! Sieh mal her!“, rief auf einmal jemand hinter ihm. Der Angesprochene drehte sich fragend um. Mit großen Augen wich er reflexartig aus, als irgendetwas schnell auf ihn zuflog. Sich duckend folgte er dem Geschoss und zog etwas schuldbewusst seinen Kopf ein. Wissend was jetzt kam, ging er sicherheitshalber auf Abstand. Von Marco und den anderen kam nur ein kleinlautes: „Oh-oh.“ Nikira stand ungläubig da und hatte ihre Hände pikiert erhoben. Langsam fuhr sie sich mit ihrer Hand über das Gesicht, um den Schlamm weg zu bekommen. Verärgert, und das war noch untertrieben, sah sie Marco an, der verdächtig dreckige Hände hatte.
 

Als er ihren Blick merkte, tauchte er schnell seine Hände unter Wasser und machte einen auf unschuldig. Ace musste sich währenddessen das Lachen verkneifen. Er war gespannt wie sein bester Freund da wieder rauskommen wollte. Nikira hatte sich derweil in Bewegung gesetzt und stapfte mit geballten Fäusten auf den Phönix zu, der mit erhobenen Händen rückwärts ging und sich anschließend hinter Jozu versteckte. Dieser schob den Blonden belustigt wieder nach vorne. Die Show wollte er nicht verpassen.
 

Amüsiert beobachteten sie die Szene, wie Nikira Marco fertigmachte. Auch auf seine Hilferufe hörte keiner und so musste Marco eine Niederlage einstecken, die sich gewaschen hatte. Natürlich hatte die junge Frau einen enormen Vorteil, da sich der Teufelsfruchtnutzer im Wasser befand.
 

Vor sich hin fluchend versuchte Nikira anschließend den Schmutz wegzubekommen, aber so ganz wurde das nichts. Er klebte in ihren Haaren und auch an ihrer Kopfhaut. Sie ekelte sich zwar nicht schnell vor solchen Dingen, aber sie wusste, dass sich in dem Schlamm immer kleine Tiere tummelten.
 

Alles dank Marco. Genervt sah sie sich um und kam dabei auf eine Idee. Sie schwamm in Richtung Wasserfall, kletterte geschickt auf einen Stein und stellte sich unten das Wasser. Es war kälter als gedacht, aber immerhin war es wie eine Dusche. Aufgrund des Druckes ließ sich auch der hartnäckigste Dreck herauswaschen. Mit geschlossenen Augen fuhr sie sich durch die Haare, um den letzten Rest an Matsch loszuwerden.
 

Währenddessen folgte Ace jeder Bewegung von Nikira. Im seichten Wasser sitzend sah er ihr dabei zu, wie sie mit geschlossenen Augen unter dem Gewässer stand. Es war schwer die Augen von ihr zu lassen. Vor allem wenn sie nur einen Bikini trug. Ob sie sich bewusst war, welche Wirkung sie auf das andere Geschlecht hatte?
 

„Das ist heute schon das zweite Mal, dass du sie anstarrst“, kam es plötzlich grinsend von Marco, der mit verschränkten Armen neben ihm stand.
 

Ace, der sich mit seinen Händen hinter ihm abgestützt hatte, zuckte nur mit seinen Schultern. „Ich starr sie gerne an.“
 

„Ich weiß.“ Der Blonde grinst. „Wir gehen übrigens zurück und suchen die nächste Bar auf.“, teilte er dem Schwarzhaarigen mit und machte sich nach einem unbeteiligten Nicken von Ace auf den Weg.
 

Nikira hatte sich mittlerweile all den Dreck abgewaschen und stieg mit nassen Haaren von der Erhebung hinunter. Langsam schwamm sie wieder zur seichten Stelle, aber nicht ohne vorher nochmal unterzutauchen.
 

Anschließend strich sie sich die Haare nach hinten. „Wo sind die anderen?“, fragte sie Ace, der noch immer in derselben Position verharrte. Außer den beiden war niemand mehr hier.
 

„Die tun das was sie immer tun.“ Ace grinste sie an und stand anschließend auf. Rückwärts ging er in Richtung Wasserfall. Nikira hob eine Augenbraue.
 

„Du solltest nicht so nah dort rangehen. Du kannst nicht schwimmen, schon vergessen?“
 

Ace sah kurz nach hinten. „Ach was. Ich glaub nicht das d-“ Schneller als sie schauen konnte, war er auf einmal verschwunden. Nikiras Augen weiteten sich überrascht. Schnell schwamm sie auf die Stelle zu, an der der Schwarzhaarige gerade noch gestanden hatte.
 

Leicht panisch versuchte sie zu erkennen, wo er gerade untergetaucht war. „Ace? Das ist nicht witzig“, zischte sie und sah sich um. „Verflucht nochmal! Wenn du nicht gleich auftauchst, kannst du nur hoffen, dass du ertrinkst.“
 

Sie biss sich fest auf die Lippen. Sie würde es nicht laut sagen, aber sie machte sich sorgen. Er war schon ziemlich lange unter Wasser. Und noch länger für einen Teufelsfruchtnutzer. Nikira fuhr sich gerade durch die Haare, als auf einmal direkt vor ihr prustend Ace auftauchte. Ihr kam ein verdammt weibliches Quieken über die Lippen, als sie einen Schritt zurückging und mit rasendem Herzen auf die Person vor sich starrte.
 

„Sag mal bist du bescheuert?!“, keifte sie und schlug ihm auf die Brust. Ihr Herz raste, während Ace vor lauter Lachen kaum Luft bekam.
 

„Du hättest dein Gesicht sehen sollen.“ Er hielt sich seinen Bauch. Nikira fand das allerdings alles andere als lustig. Wütend starrte sie ihn an und überlegte, ob sie ihn gleich oder erst später umbringen sollte.
 

„Das war absolut nicht lustig“, zischte sie und drehte sich um. Genervt stapfte sie aus dem Wasser und schnappte sich anschließend ihre Kleidung.
 

Ace, der ihr folgte, musste immer wieder lachen. „Was? Hast du dir etwas Sorgen um mich gemacht?“, fragte er belustigt, doch als er ihr verärgertes Gesicht sah stutzte er. „Du…hast dir tatsächlich Sorgen gemacht?“
 

„Nicht in tausend Jahren, Streichholz“, kam es von ihr mürrisch, als sie sich im Gehen ihr T-Shirt über den Kopf zog.

Ace grinste und verschränkte seine Arme hinter dem Kopf. „Und wie du dir Sorgen gemacht hast.“ Sichtlich zufrieden mit dieser Erkenntnis musterte er die Jüngere.
 

„Tu mir einen Gefallen und halt einfach die Klappe“, murmelte Nikira und konnte nicht verhindern, dass ihre Wangen einen untypischen Rotton annahmen. Für einen kurzen Moment war sie wirklich besorgt, aber das würde sie ihm nicht sagen. Nie im Leben.
 

Genauso wenig würde sie ihm sagen, dass sie anfing ihn zu mögen.

Amusement Park

„Ich liebe Vergnügungsparks!“, rief Ace, der wie ein kleines Kind zu jedem Stand gelaufen war und nun fünf verschiedene Leckereien in den Händen hielt. Eine riesige rosa Zuckerwatte war nur eine davon.
 

Die Whitebeard-Piraten hatten sich allesamt gefreut, als der Kaiser und Captain der Crew verkündet hatte, dass sie einen weiteren Tag auf der beliebten Insel bleiben würden. Hier gab es alles was das Herz begehrte. Von guten Bars bis hin zu einem riesigen Vergnügungspark. Er war zwar bei weitem nicht so groß wie der auf dem Sabaody Archipel, aber durchaus wert besucht zu werden.
 

Selbst Nikira freute sich auf ein wenig Ablenkung von ihrer Mission und dem gespielten Piratendasein. Ihre Freude kam allerdings bei Weitem nicht an die von Ace ran, der glücklich grinsend seine mit Schokolade überzogenen Erdbeeren verschlang. Kopfschüttelnd wandte die Rothaarige den Blick von der Feuerfaust ab und betrachtete stattdessen die unzähligen Lichter, die in den verschiedensten Farben leuchteten und auf die vielen Fahrgeschäfte hinwiesen. Viele Leute hatten dieselbe Idee wie die Piraten und tummelten sich dementsprechend auf der steinigen Straße. Von überall her ertönte Gelächter und auch Geschrei, wenn kleine Kinder mit schnellen Karussellen fuhren.
 

Der Ansatz eines Lächelns stahl sich auf Nikiras Gesicht. Bis jetzt hatte sie einen Vergnügungspark nur in Zeitungen gesehen. Selbst einen zu besuchen und durch die vollen Straßen zu schlendern war allerdings ganz was anderes. Früher wollte sie ständig zu so etwas, aber nach dem Tod ihrer Mutter war dieser Wunsch schnell verblasst und ihrem Vater hätte sie nie um eine solche Nichtigkeit gebeten.
 

Nachdenklich musterte sie ein kleines Kind, welches auf den Schultern ihres Vaters saß und sich lachend in seinen Haaren festklammerte. Es war das typische Bild einer harmonischen und zufriedenen Familie. Wie es wohl war eine normale Familie zu haben?
 

„Yo, Nikira! Wir müssen unbedingt in ein Geisterhaus!“, riss Ace sie aus ihren Gedanken und brachte sie dazu, mit gerunzelter Stirn ihren Blick von dem Kind abzuwenden.
 

„Wieso ich? Was ist mit Marco?“ Nach dem Warum fragte sie schon gar nicht mehr. Mittlerweile wusste sie, dass ein kleiner Teil von Ace noch immer Kind war.
 

„Marco hat Schiss davor und alle anderen wollen nicht“, antwortete er mit Eiscreme im Mund.
 

„Ach. Und du glaubst ich will?“ Nikira sah ihn skeptisch an. Wie kam er auf diese bescheuerte Idee? Das war das Letzte was sie machen wollte. Und was hieß ‚Marco hat Schiss davor‘?
 

„Das glaube ich nicht nur, sondern ich weiß es.“ Grinsend wartete er auf sie, damit sie zu ihm aufschließen konnte.
 

„Dann weißt du aber ziemlich wenig, denn ich werde bestimmt nicht mit dir dort hineingehen“, kam es nüchtern von der Rothaarigen.
 

Ihre Aussage tat dem Grinsen von Ace keinen Abbruch. Vielmehr verwandelte es sich in ein triumphierendes. „Und wenn ich dir sage, dass ich deinen nächsten Putzdienst übernehmen werde, wenn du mitkommst?“
 

Nikira sah ihn von der Seite an. Das hörte sich allerdings nicht übel an. „Die nächsten drei und ich überlege es mir.“
 

Ace schien nachzudenken, ehe er sagte: „Die nächsten zwei und ich gewinne für dich eines dieser riesigen Stofftiere.“ Verschmitzt deutete er auf einen der Stände, an dem viele verschiedenen Tiere in allen Größen hingen.
 

„Was will ich mit so einem Zeug?“, fragte sie und runzelte die Stirn. Inzwischen musste er sie doch kennen und wissen, dass sie nicht so eine Art von Mädchen war.
 

„Na, kuscheln natürlich“, antwortete er lachend und zog die Rothaarige zu diesem Spiel. Widerwillig ließ sie es über sich ergehen.
 

„Genau“, fing sie augenverdrehend an, „das ist es mir wert, dass ich mit dir in ein bescheuertes Geisterhaus gehe.“ Sie verschränkte ihre Arme und ignorierte den Ladenbesitzer, der freudestrahlend auf die beiden zu kam.
 

„Na klar. Es sei denn du willst mit mir kuscheln, dann ist das Stofftier natürlich überflüssig.“ Grinsend wackelte er bedeutend mit seinen Augenbrauen.
 

Nikira verzog bei dieser dämlichen Aussage ihr Gesicht. „Da nehme ich doch lieber das Plüschtier.“
 

Ace lachte und wollte noch etwas sagen, doch er wurde von dem Ladenbesitzer unterbrochen, der strahlend zu ihnen meinte: „Was für ein süßes Paar!“
 

Nikira blickte den alten Mann verärgert an, konnte allerdings nicht verhindern, dass ein leichter Rotschimmer ihre Wangen zierte. Wie konnte man bloß glauben, dass sie ein Paar waren? Genervt darüber blaffte sie: „Wir sind kein Paar und jetzt Klappe halten und her mit den Bällen!“
 

Dem Mann hinter der Theke verrutschte bei dem ruppigen Ton der schönen Rothaarigen das Lächeln, doch er fing sich schnell wieder und reichte ihr drei Bälle. Nikira hielt sie Ace erwartungsvoll entgegen. Dieser grinste und nahm sie ihr ab.

„Wenn ich alle treffe und du das Tier bekommst, gehst du mit“, sagte er bestimmend und schmiss einen der Bälle nach oben, um in anschließend wieder zu fangen.
 

„Versuch erstmal wenigstens eine Dose zu treffen. Dann reden wir weiter.“ Nikira verdrehte über seine Selbstsicherheit die Augen und stützte sich mit ihrem Ellbogen an der Theke ab.
 

Ace grinste sie an, warf den ersten Ball und…schmiss sowas von daneben. Perplex sah er abwechselnd von den Dosen – die noch immer so perfekt in einer Pyramide standen wie zuvor –, zu den Bällen. Nikira hob währenddessen ihre Augenbraue und grinste schamlos.
 

Der Schwarzhaarige kniff die Augen zusammen und warf wieder. Und dieses Mal traf er tatsächlich. Nur nicht die Dosen, sondern den Ladenbesitzer, der neben der Pyramide stand.
 

„Was zum…? Wieso zum Teufel treffe ich nicht?“ Ungläubig sah er zu Nikira, die weiterhin ein spöttisches Grinsen im Gesicht hatte.
 

„Einen Versuch hast du ja noch, um alle Dosen zu treffen“, kam es von der Rothaarigen höhnisch.
 

Ace schnaubte nur, holte aus und warf den Ball mit so einer Wucht, dass die eine Dose die er traf, eine Delle bekam.

„Was soll der Mist? Eine Dose? Eine verfluchte Dose? Das Spiel ist doch total für’n Arsch! Voll die Abzocke!“, regte er sich auf und funkelte den Ladenbesitzer wütend an, der mit einem ängstlichen Gesicht abwehrend seine Hände gehoben hatte.

„W-Was? Nein. I-Ich betrüge n-nicht.“ Eingeschüchtert von Ace, kramte er eilig in einer kleinen Kiste herum und hielt Nikira anschließend ein kleines Stofftier entgegen.
 

„Sieh Mal, Flammenhirn. Du bekommst einen Trostpreis.“ Schadenfroh hielt ihm Nikira das kleine Geschenk entgegen und genoss es richtig, dass Ace ein verdammt schlechter Verlierer war. Auch wenn diese Eigenschaft eine der wenigen war, die sie gemeinsam hatten…
 

„Das kannst du gerne behalten“, brummte er, blickte den Mann hinter der Theke noch einmal böse an und drehte sich dann um.
 

Belustigt folgte sie dem Schwarzhaarigen, der auf Marco und die anderen zuging.
 

„Sieht aus als wärt ihr erfolgreich gewesen.“ Thatch grinste, deutete auf das Tier in ihrer Hand und nahm einen Schluck aus seinem Krug. Sie waren wieder einmal nur am Trinken und langsam glaubte Nikira, dass es ihr einziges Hobby war.
 

„Kommt drauf an, ob man eine Dose als Erfolg sehen kann,“ spöttelte die Rothaarige, die mit dem Spielzeug in Form eines kleinen Pumas spielte.
 

Gelächter und viele gemeine Witze auf Kosten von Ace waren die Folge, welche Nikira sichtlich genoss. Doch ihr Grinsen bekam einen Dämpfer, als Ace sie beim Arm packte und zum Geisterhaus zerrte.
 

„Was soll das?“, fragte sie launisch und zog halbherzig ihren Arm zurück. Allerdings brachte dies gar nichts.
 

„Für deine fiese Art und deine Schadenfreude gehst du jetzt mit mir da hinein.“ Er bezahlte die Eintrittskarten und sah sie bestimmend an.
 

Nikira lieferte sich ein kurzes Blickduell mit der Feuerfaust, ehe sie nachgab. „Schön, aber vergiss die drei Putzdienste nicht.“
 

Er würde sie doch eh wieder nur solange nerven bis sie ja sagen würde. Also ging sie an ihm vorbei und huschte durch den Eingang. Ace folgte ihr. Die Rothaarige wusste, dass er triumphierend grinste und verdrehte darüber die Augen.
 

Im Inneren war es dunkel. Nur ein rot blinkendes Licht spendete ab und zu Helligkeit in dem engen Gang. Bei der künstlichen Geräuschkulisse runzelte Nikira belustigt die Stirn. Schreie und irres Gelächter. Es erinnerte sie ein wenig an Impel Down.
 

„Ein Berry für deine Gedanken“, brachte Ace‘ Stimme sie zurück in die Realität.
 

„Die sind schon um einiges mehr wert“, meinte Nikira abwesend, als sie die kunstvoll verzierten Wände betrachtete. Sie hatten sich hier viel Mühe mit dem Gruselfaktor gegeben, stellte Nikira sarkastisch fest.
 

Für die Rothaarige war die Ruhe – wenn man von dem Geschrei und Gelächter absah – ziemlich angenehm, aber auch sehr ungewohnt. Deswegen wandte sie sich zu Ace, der nicht dort stand wo er sein sollte.
 

„Ace?“, fragte sie und sah sich um. Wo war dieser Idiot schon wieder?
 

Seufzend drehte sie um und tastete sich langsam den dunklen Weg zurück. Das rote Licht war dabei nicht wirklich förderlich. Fluchend sah sie in einen der Räume, in dem eine verkleidete Frau gerade die…Augen ihres Babys zunähte?

Nikira schüttelte den Kopf und scannte den Raum ab, als plötzlich jemand ihre Schulter berührte. Aus alter Gewohnheit holte sie mit ihrer Faust aus und drehte sich um. Ace reagierte schnell und fing ihre Hand auf.
 

„Wolltest du mich gerade schlagen?“, fragte er mit großen Augen und deutete auf ihre Faust, die noch immer von seiner Hand umschlossen war.
 

Nikira zog ihren Arm zurück und brachte nur ein intelligentes „Ähm…“ heraus.
 

„Ich glaub’s nicht! Du wolltest mich tatsächlich schlagen“, murmelte er fassungslos und folgte der Rothaarigen, die sich bei ihm vorbeigedrängt hatte.
 

„Hätte ich nicht getan.“ Nikira verdrehte die Augen und folgte weiter dem Gang, der nach rechts führte.
 

„Natürlich hättest du. Jedes andere Mädchen hätte einfach nur gekreischt, aber du schlägst erst mal zu.“ Ace sah sie tadelnd von der Seite an.
 

Die Angesprochene schnaubte. „Soll ich das nächste Mal im Kampf auch einfach aufschreien?“
 

„Natürlich nicht, aber glaubst du ernsthaft, dass dich hier jemand angreifen würde?“
 

„Keine Ahnung. Möglicherweise“, nuschelte sie. Gut. Ihre Reaktion war ein wenig übertrieben, aber das würde sie nicht zugeben.
 

„Du könntest dich wirklich mal wie ein Mädchen benehmen, Kira“, kam es von dem Schwarzhaarigen mit einem Grinsen im Gesicht.
 

Nikira, die dieses Gespräch für sinnlos hielt, wollte schon zu einer patzigen Antwort ansetzten, als auf einmal direkt rechts vor ihr jemand laut aufschrie. Erschrocken zuckte sie zusammen und drehte sich mit geweiteten Augen zu der Lärmquelle. Mit rasendem Herzen starrte sie in das Gesicht eines Zombies, welcher den Mund weit aufgerissen hatte und sich mit beiden Händen an den Gitterstäben festhielt.
 

„Verflucht nochmal!“, brachte Nikira atemlos heraus und schloss kurz ihre Augen. Sie hatte sich schon lange nicht mehr so erschreckt. Sie blies Luft hinaus und öffnete wieder ihre Augen. Ihr Hirn realisierte langsam, dass es sich um kein echtes Monster handelte und erst dann stellte sie fest, dass sie sich in ihrer Kurzschlussreaktion mit ihrer rechten Hand in die von Ace gekrallt hatte. Sie biss sich auf die Lippen und ließ peinlich berührt Ace‘ Hand langsam los.
 

„Sorry“, murmelte sie und räusperte sich. Ihr war das gerade furchtbar unangenehm und sie war froh, dass er ihr Gesicht in dem Licht nicht wirklich sehen konnte. Sie war nämlich knallrot; und das nicht nur vor Schreck.
 

Der Schwarzhaarige musste sich währenddessen ein Lachen verkneifen. Er hätte nicht gedacht, dass sie seine Aussage so wörtlich nehmen würde, denn ihre Reaktion war gerade mehr als mädchenhaft gewesen. Schlussendlich konnte er nicht anders und lachte los.
 

„Ich hätte echt gerne dein Gesicht gesehen“, brachte er mühselig heraus und folgte Nikira, die stur weitergegangen war.
 

„Halt bloß die Klappe“, nuschelte sie genervt von seinem Gelächter und war froh, als sie nach kurzer Zeit das Gebäude verlassen konnte. Wie sie es hasste ausgelacht zu werden!
 

Draußen warteten bereits die anderen und sahen beide Piraten fragend an, als die Rothaarige ohne Worte an ihnen vorbeirauschte und Ace sich sichtlich zufrieden zu ihnen gesellte.
 

„So krass?“, fragte Marco amüsiert.
 

Der Kommandant der 2. Division lachte, als er an ihre panische Reaktion dachte. „Viel krasser.“
 

Damit war der Besuch im Freizeitpark beendet, aber nicht für Ace. Dieser suchte nämlich einen ganz besonderen Stand auf.

„Ich hätte gerne alles.“ Ace grinste.
 

Der Besitzer stockte kurz. „Alles?“, fragte sicherheitshalber nach, denn das war mehr als ungewöhnlich.
 

Ace hielt ihm das Geld entgegen. „Jap.“ Sein Grinsen wollte nicht verschwinden.
 

„Na dann. Das muss ja jemand ganz besonderes sein.“ Lächelnd überreichte er dem jungen Mann das Gewünschte und nahm ihm das Geld ab.
 

„Ist sie“, antwortete der Schwarzhaarige leise und verabschiedete sich.

Fancy

Nikira hatte Ballons geliebt; liebte sie noch immer. Auch wenn die kindliche Freude dafür verschwunden war und diese bunten Dinger stattdessen Erinnerungen wach werden ließen. Erinnerungen, die nicht nur positiv waren und dennoch zu jenem Lebensabschnitt gehörten, in dem auch ihre Mutter vorkam. Und jeder dieser Gedanken war unheimlich kostbar für die Rothaarige. Sie wollte jede Emotion, jede Geste und jede noch so kleine Handlung von ihr in Erinnerung behalten. Wollte sie nicht vergessen. Und einer dieser Momente war, dass Nikiras Mutter ihr damals immer einen Ballon vom Markt mitgebracht hatte.
 

Egal ob besonderer Anlass oder nicht. Jedes Mal, wenn Minako auf den Handelsplatz gegangen war, hatte sie ihrer Tochter eines dieser bunten Dinger mitgebracht. Währenddessen hatte sie immer neugierig zu Hause gesessen und gerätselt, welche Farbe es heute wohl sein würde. Am liebsten waren ihr immer die Roten. Sie hatten nämlich den gleichen Ton wie ihre Haare und das fand sie immer besonders toll. Heute würde sie behaupten eine Lieblingsfarbe bei Luftballons zu haben wäre idiotisch und kindisch, doch das wäre gelogen. Die Roten waren ihr noch immer die Liebsten.
 

Nikira hätte nicht gedacht, dass sich ihre Gedanken jemals wieder so sehr um die ovalen Dinger drehen würden. Immerhin war sie mittlerweile 18 Jahre alt. Aber wer konnte auch ahnen, dass irgendwann zwei Dutzend Ballons in ihrer Kajüte landen würden? Bestimmt nicht sie, sonst würde sie nicht gerade ungläubig blinzelnd auf ihrem Bett sitzen und sich fragen, ob sie noch träumte.
 

„Was zum…?“, murmelte sie und fuhr sich fahrig über die Augen – nur um sicher zu gehen.
 

Anschließend strampelte sie sich die Decke von den Beinen und stand langsam auf; nicht ohne diese farbige Überraschung aus den Augen zu lassen. Erstaunt, und das war noch milde ausgedrückt, berührte sie mit ihrem Finger vorsichtig einen blauen Ballon und stupste ihn an. Dabei zierte ein leichtes Lächeln ihr Gesicht. Sie konnte noch immer nicht glauben, dass das die Realität war. Woher kamen diese Dinger überhaupt?
 

Rätselnd riss sie sich von diesem ungewöhnlichen Anblick los und zog sich langsam um. Weiter hier rumstehen und starren würde ihre Frage nicht beantworten. Deswegen putzte sie sich ihre Zähne, band ihre Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen und verließ das Zimmer.
 

Mit gerunzelter Stirn ließ sie sich im Speisesaal auf ihren Platz nieder und starrte kurz nachdenklich auf ihren noch leeren Teller. Dabei bekam sie nicht mit, wie sie von den anderen verwirrt gemustert wurde. Nur einer saß gut gelaunt wie sonst auch auf seinem Platz.
 

Nikira, die zu dem Entschluss gekommen war einfach zu fragen, sah auf und meinte: „Wer von euch hat 24 Luftballons in meiner Kajüte abgelegt?“ Ihre Stimme klang dabei sehr neutral und nicht genervt wie so oft.
 

Sie wollte wirklich wissen, wer das war. Nikira musste zugeben, dass diese Geste, von wem auch immer sie gekommen war, ihre Gefühlswelt ein wenig durcheinandergebracht hatte. Die Ballons weckten in ihr alte Erinnerungen. Alte und schöne. Deswegen war sie demjenigen dankbar dafür, dass er ihr ein glückliches Lächeln ins Gesicht gezaubert hatte. Ohne ein Wort zu verlieren, hatte er es geschafft einen schönen Teil ihrer Kindheit zurückzubringen.
 

Marco sagte als erstes: „Ich war’s nicht. Dafür war ich gestern zu betrunken.“
 

Zustimmendes Nicken war die Folge. Anscheinend waren sie gestern noch lange unterwegs gewesen. Was ihr erst jetzt auffiel war, dass alle verdammt verkatert aussahen und nur halbherzig das leckere Frühstück genossen.
 

Nur Ace schien ein wenig ausgeruhter als die anderen. „Wer kommt denn eigentlich auf so eine merkwürdige Idee?“, fragte er und stützte seinen Kopf mit der Hand ab. Dabei zierte ein amüsiertes Grinsen sein Gesicht.
 

Nikira verdrehte über seine Frage die Augen. „Würde ich das wissen, würde ich nicht fragen, Baka.“ Diese Worte kamen der Rothaarigen etwas frustriert über die Lippen. Wenn es niemand von den Kommandanten war mit denen sie sich größtenteils abgab; wer war es dann?
 

Seufzend beschloss sie die Sache erstmal ruhen zu lassen. Stattdessen nahm sie sich etwas von dem frisch gepressten Orangensaft und widmete sich voll und ganz dem Frühstück.
 

Auch am Nachmittag, als sie an Deck ging um etwas frische Luft zu schnappen, dachte sie nicht darüber nach. Derjenige würde sich schon zu erkennen geben.
 

Gerade, als sie sich an die Reling lehnte, kam ein aufgeregter Ace auf sie zu. Er hatte ein fettes Grinsen im Gesicht und ein Stück Papier in seiner Hand. Nikira runzelte ihre Stirn. Was hatte er jetzt schon wieder?
 

Mit einem schon beinahe stolzen Gesichtsausdruck hielt er ihr das Blatt entgegen. Doch im Vergleich zum Schwarzhaarigen war die 18-Jährige alles andere als begeistert. Schon beinahe verärgert riss sie ihm den Steckbrief aus der Hand und starrte zerknirscht auf das Foto, auf dem sie selbst zu sehen war. Ihre Finger krallten sich in das dünne Papier und zerknitterten es.

Sie konnte nicht glauben, dass er das getan hatte! Wie konnte vor allem ihr Vater einen Steckbrief über seine eigene Tochter auszustellen? Bei allem Respekt gegenüber der Marine, aber das konnte nicht deren verdammter Ernst sein. Tarnung schön und gut, aber das ging ihrer Meinung nach zu weit. Auch wenn sie anfing die Taten der Regierung in Frage zu stellen – dieses Papier war ihr öffentliches Todesurteil. Ausgestellt von ihrem Vater. Der Steckbrief war schlichtweg eine Warnung an sie. Nicht mehr und nicht weniger.
 

„Schau nicht so verärgert. Freu dich lieber! Du bist jetzt offiziell eine gesuchte Piratin.“ Er schien richtig stolz darauf zu sein; im Gegensatz zu Nikira. Diese schloss leicht frustriert ihre Augen und rieb sich den Nasenrücken. Er hatte recht. Eigentlich sollte sie sich freuen. Immerhin war sie Piratin. Glaubte er zumindest. Deswegen seufzte sie.
 

„Tu ich auch, aber ich war nur etwas überrascht. Außerdem sollte ich an meinem Kopfgeld arbeiten. Ich bin mehr wert, als 15.000.000 Berry“, murmelte die Rothaarige.
 

„Da hast du Recht.“ Ace grinste und verschränkte seine Arme hinter seinem Kopf. Kurz musste Nikira auf seine Unterarme starren, die dadurch mehr als gut zur Geltung gebracht wurden. Räuspernd sah sie schnell weg und gab Ace den Steckbrief zurück.
 

Was sollte das denn, Nikira? Noch nie einen Mann gesehen?
 

Sie schüttelte leicht den Kopf, um die Hitze aus ihrem Gesicht zu bekommen. Natürlich half es nicht, deswegen nahm sie es hin und hoffte, dass der Schwarzhaarige es nicht bemerkte.
 

„Aber keine Sorge. Ein paar Mal der Marine in den Arsch treten und dein Kopfgeld ist so hoch wie meines“, fügte er hinzu und grinste wie so oft. Mittlerweile hatten ihre Wangen wieder einen normalen Ton angenommen.
 

„Klar. 550.000.000 bekommt man auch so einfach.“ Sie streckte sich und machte sich auf zur Tür, die unter Deck führte. Dort trennten sich ihre Wege, denn Ace wollte in den Gemeinschaftsraum um mit den anderen Poker zu spielen. Nicht ihr Fall, deswegen verschwand sie in ihrem Zimmer.
 

Der Log-Port brauchte auf dieser Insel außerordentlich lange um sich wieder aufzuladen. Eine Woche, wenn man es genau nahm. Dementsprechend wurden die Vorräte am letzten Tag nochmal aufgestockt, da man morgen recht früh weitersegeln wollte. Da die Piraten wie üblich lange gefeiert hatten, war es schon recht spät, als sie das Schiff verließen.
 

„Wieso muss ich Babysitterin spielen?“, murrte Nikira und verschränkte die Arme, als sie nach der Aufgabeneinteilung neben Marco herging.
 

„Weil Ace Ärger automatisch anzieht, wenn er alleine unterwegs ist.“
 

„Ja, aber wieso muss ich auf ihn aufpassen?“ Etwas genervt musterte sie den Phönix von der Seite. Sie hätte sogar lieber Lebensmittel mit Thatch eingekauft. Und das war schon nicht wirklich lustig.
 

Marco zog amüsiert seine Augenbrauen nach oben. „Ich bin Vizekapitän. Ich muss keine Drecksarbeit erledigen“, er grinste kurz bei Nikiras fassungslosem Blick, „außerdem musst du Ace erst seit zwei Monaten ertragen. Wir haben ihn schon länger an der Backe.“
 

„Ich glaub’s nicht“, murmelte sie und legte ihren Kopf in den Nacken.
 

Marco, der ihre Reaktion verstehen konnte, klopfte ihr belustigt auf die Schulter. „Du packst das schon, Nikira. Sei einfach…du selbst.“

Die Rothaarige blieb stehen, als der Kommandant der ersten Division zu anderen Mitgliedern ging. Sie sollte sie selbst sein? Was sollte das denn bedeuten? Seufzend wollte sie weitergehen, doch eine Stimme hielt sie davon ab.
 

„Yo, Nikira!“ Ace kam neben ihr zum Stehen und grinste. „Ich hab gehört wir zwei machen die Stadt unsicher?“
 

„So etwas in der Art.“ Die 18-Jährige strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. Ob er wusste, dass sie praktisch seine Aufpasserin war?
 

Gemeinsam machten sie sich auf den Weg in die Stadt. Sie wussten weder wohin sie gehen wollten, noch wo sie gerade hingingen.

Ace erzählte ihr ein paar peinliche Geschichten von Marco und wenn Nikira ehrlich war, dann fand sie die Gesellschaft von dem Piraten gar nicht so übel. Außerdem waren die Geschichten wirklich amüsant.
 

„Das hat er tatsächlich getan?“, harkte Nikira leicht ungläubig nach und grinste bei der Vorstellung. So taff wie er immer tat, war er anscheinend nicht.
 

„Oh ja! Wir haben ihn noch tagelang damit aufgezogen.“ Ace lachte und auch Nikira konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Sie konnte sich nur schwer vorstellen, dass der sonst so beherrschte Kommandant von einer alten Frau davonlief. Und dennoch war der Gedanke daran wahrlich amüsant.
 

„Verständlich“, antwortete Nikira schmunzelnd und beobachtete ein wenig die Gegend. Dabei fielen ihr mehrere Dinge gleichzeitig auf. Die Straßen waren gepflastert und die Häuser waren allesamt schön verputzt. Die Leute hier trugen hochwertige Kleidung und sahen schon beinahe edel aus. Und langsam dämmerte es der Rothaarigen, dass sie auf unerklärlicherweise in den Stadtteil der Reichen gelangt waren.
 

„Was starren die Leute so dämlich?“, fragte Ace und strafte jeden einzelnen mit einem finsteren Blick.
 

„Vermutlich sind ihnen Piraten zu schäbig.“ Nikira musterte eine Gruppe von Personen, die in prunkvoller Kleidung und mit übertriebener guten Laune die Straße entlangging. Die Frauen trugen hohe Schuhe und gewagte Kleider. Auch die Männer hatten elegante Smokings an.
 

„Eingebildete Bonzen.“ Ace‘ Mimik war abwertend, als er seine Hände in seine Hosentaschen steckte.
 

„Sollen wir einen anderen Weg suchen?“, fragte die junge Frau.
 

„Nein. Sonst haben die ja nichts mehr zu gaffen.“ Ace grinste sarkastisch und Nikira zuckte mit den Schultern.
 

Schweigend gingen sie noch ein Stück, bis sie von einer energischen Stimme aufgehalten wurden. Verwundert blieben beide stehen und beobachteten einen Mann in Uniform, der auf sie zugelaufen kam. „Hey! Ihr zwei! Ihr dürft hier nicht durch!“ Er stellte sich vor sie und reckte das Kinn in die Höhe, als wäre er eine äußerst wichtige Person. Ace und Nikira warfen sich einen kurzen eindeutigen Blick zu, denn sie waren beide nicht der Meinung, dass der Kerl von belangen war.
 

„Und wieso nicht?“
 

„Seht ihr das riesige Gebäude und die vielen schicken Leute?“ Er deutete nach hinten auf ein pompöses Haus, das mit Scheinwerfern in verschiedene Farben beleuchtet wurde. „Das nennt sich geschlossene Gesellschaft.“ Er grinste überheblich und sah beide abwertend an. Damit machte er unmissverständlich klar, dass sie hier nicht willkommen waren.
 

Nikira musste sich trotz dem eingebildeten Mann ein abfälliges Grinsen verkneifen. Sie hatte solche Blicke zur Genüge ertragen müssen. Viele glaubten, dass sie die Position bei der Marine nur aufgrund ihres Vaters hatte. Dabei hatte sie hart für ihren Posten gearbeitet. Aber nicht nur Soldaten sahen sie so an. Manchmal zierte Verachtung auch das Gesicht ihres Vaters und verursachte ein undefinierbares Gefühl in ihrem Inneren. Sie hatte irgendwann gelernt damit zu leben und mittlerweile prallten solche Blicke einfach von ihr ab. Bei Ace war das allerdings nicht der Fall.
 

Der Schwarzhaarige sah wütend aus. Zumindest ließen seine Fäuste und seine angespannte Haltung darauf schließen.

„Ich glaube du hast keine Ahnung wer da gerade vor dir steht“, zischte Ace. Ein wenig wunderte es Nikira, dass er so sehr auf die Provokation des Mannes einging. Normalerweise machte er Scherze und sah über solche idiotischen Aussagen hinweg. Seine Reaktion kam vermutlich nicht von irgendwo. Mit verschränkten Armen beobachtete die Rothaarige die Situation genau. Sie wollte Ärger vermeiden und wollte einschreiten, wenn es brenzlig wurde.
 

Argwöhnisch sah Nikira zu dem Mann, der sein dämliches Grinsen anscheinend nie aus dem Gesicht bekam. „Doch. Ich weiß sogar sehr genau, wer vor mir steht. Ein Möchtegern-Pirat, der sich vermutlich kein Shirt leisten kann und eine junge Frau, die nicht wirklich intelligent sein kann, wenn sie sich mit so einem Typen einlässt.“ Bei seinen Worten zog die Rothaarige ihre Augenbrauen nach oben. Sie hätte nicht gedacht, dass er einen Kommandanten der Whitebeards nicht erkannte. Wo hatte er die letzten Jahre gelebt?
 

„Möchtegern-Pirat? Mal sehen ob du noch der Ansicht bist, wenn ich mit dir fertig bin“, raunte er leise und hob seinen Arm langsam an. Nikira, die ahnte was er vorhatte, machte einen Schritt nach vorne und legte anschließend ihre Hand auf seinen Unterarm. Es war eine zögerliche Geste und wirkte augenblicklich, denn die Anspannung von Ace verschwand sofort, als ihre Finger seine Haut berührten.
 

Sachte drückte sie seinen Arm nach unten, schenkte dem Mann einen kalten Blick und meinte: „Lass es, Ace. Er ist es nicht wert.“
 

Dieses Mal war sie es, die ihn einfach an seinem Handgelenk packte und wegzog.
 

„Hey! Was soll das? Wieso hältst du mich davon ab ihm eine reinzuhauen?“, murrte Ace, ließ sich aber bereitwillig mitziehen.

Ohne sich umzudrehen, antwortete sie: „Du meinst warum ich dich davon abhalte etwas Dummes zu tun?“ Dabei verdrehte sie leicht die Augen und versuchte krampfhaft nicht an das Kribbeln in ihren Fingerspitzen zu denken, die noch immer um Ace‘ Handgelenkt geschlungen waren.
 

„Wow. Abgesehen davon, dass das nicht dumm gewesen wäre, kann ich nicht glauben, dass du es gerade bist, die mich davon abhält jemanden zu schlagen.“ Er klang sehr erstaunt über diese Tatsache und ein wenig verstand Nikira ihn dabei. Sie konnte manchmal wirklich…impulsiv sein. Das gab sie zu.
 

„Ich ehrlich gesagt auch nicht“, murmelte sie und ließ sein Handgelenk los, als sie in eine Seitenstraße abbogen. Aus Reflex umklammerte sie mit ihrer rechten Hand die Finger der anderen. Seine Haut war überdurchschnittlich warm. Noch wärmer als sonst, da er kurz davor gewesen war seine Teufelskraft zu nutzen.
 

„Aber mal ehrlich. Wie konntest du so ruhig bleiben? Dieser Typ war ein komplettes Arschloch.“ Ace ärgerte sich noch immer darüber, dass er diesem Mann keine Abreibung verpassen konnte. Er verschränkte seine Arme hinter dem Kopf und schmollte.

Nikira atmete hingegen tief ein, bevor sie ihm antwortete: „Blicke und Aussagen wie die von gerade eben prallen einfach von mir ab. Ich bin sie…gewohnt.“ Sie war sich bewusst, dass sie Dinge sagte, die sie gar nicht sagen durfte. Aber es waren Dinge, die sie sagen wollte.
 

„Was soll das heißen du bist sie gewohnt?“ Ace sah sie stirnrunzelnd an und verlangsamte seine Schritte. Man hörte deutlich seine Neugier heraus.
 

Die Rothaarige konzentrierte sich währenddessen auf den Boden. Auch wenn sie gerne darüber reden wollte, fiel es ihr dennoch schwer. „Sagen wir mal es gäbe einen Preis für den besten Vater des Jahres. Meiner hätte ihn in den letzten 13 Jahren nicht gewonnen.“ Die Antwort kam ihr trocken über die Lippen.
 

„Wieso?“, entkam es ihm überrascht und schlug sich prompt innerlich gegen die Stirn. Diese Frage war total bescheuert gewesen. Sie hatte ihm ja schon den Grund verraten. Allerdings wollte er nichts ergänzen, denn dieses Gespräch führte in eine Richtung, bei der er mehr über die hübsche Rothaarige erfahren konnte. Das wollte er auf keinen Fall vermasseln!
 

„Wieso?“, wiederholte Nikira, „Weil es schwierig ist ihn zufriedenzustellen.“ Im Gegensatz zu Ace dachte sie nicht über die Sinnlosigkeit seiner Frage nach, sondern ging näher auf die kalte Vater-Tochter-Beziehung ein. Seit sie mit dem Piraten über ihre Mutter gesprochen hatte, verspürte sie den Drang, ihm noch mehr über sich zu erzählen. Dabei war es ihr egal, ob sie gefährlich viele Details preisgab. Es tat nämlich gut darüber zu reden, denn diese ganze Geheimnistuerei setzte ihr mehr zu als sie sich eingestand. Und der Schachzug mit dem Steckbrief war auch nicht ohne…
 

Erst die Stimme von Ace brachte sie zurück ins Hier und Jetzt: „War er denn wenigstens zufrieden, als du Piratin werden wolltest?“
 

Nikira sah bei seiner Frage auf und hatte ein amüsiertes Grinsen im Gesicht. „Ansichtssache.“
 

„Wieso ist das Ansichtssache?“, fragte der Schwarzhaarige. Ihre Antwort verwirrte ihn.
 

Das Grinsen der 18-Jährigen wurde breiter. Wenn ihr Vater wüsste, dass sie hier ein gefährliches Frage-Antwort-Spiel spielte, würde er sie augenblicklich von ihrer Mission abziehen. Dennoch reizte genau dieser Gedanke die Rothaarige und aus dem Grund änderte sie auch nichts an ihrer nächsten Antwort.
 

„Weil mein Vater bei der Marine ist.“ Zufrieden nahm sie wahr, wie Ace kurz überrascht stehen geblieben war und anschließend schnell wieder zu ihr aufholte.
 

„Warte! Dein Vater ist bei der Marine?“ Fassungslos sah er sie an und konnte nicht glauben, was sie da gerade gesagt hatte.

Nikira zuckte mit den Schultern. „Ja. Nichts Besonderes. Er hat keinen wichtigen Posten.“ Oder so. Die ganze Wahrheit konnte sie ihm auch nicht erzählen. Sie wollte nicht aus der Crew geschmissen werden. Grund dafür war allerdings nicht nur ihre Mission…
 

Der Pirat fuhr sich durch die Haare. „Nichts Besonderes? Scheiße! Das ist sogar sehr besonders!“ Er murmelte noch irgendetwas vor sich hin, doch sie verstand es nicht.
 

„Da bin ich anderer Meinung. Ich seh ihn nicht sehr oft. Deswegen ist es vermutlich nichts Besonderes.“ Das stimmte sogar. Auch wenn sie sich fast täglich auf dem gleichen Areal befanden, lief sie ihm selten über den Weg. Er hatte viele Besprechungen und Treffen mit anderen hohen Tieren der Regierung. Da blieb kaum Zeit für sie. In den letzten Jahren hatte sie mehr Zeit mit Garp verbracht, als mit ihrem Vater. Diese Tatsache störte sie auch nicht.
 

„Wie kann es sein, dass ich das erst jetzt erfahre?“, fragte Ace verblüfft.
 

Wieder zuckte Nikira mit den Schultern. „Du hast nicht gefragt.“
 

Er schwieg kurz, aber sie war sich sicher, dass er gerade die Augen verdreht hatte. „Schon klar. Weißt du was? Von dem Gerenne habe ich Hunger bekommen. Holen wir uns etwas zu essen.“ Ace grinste und sah sich um. Weit und breit war kein Restaurant oder eine Bar. Sie waren noch immer in dem Viertel, in dem unzählige Hotels standen. Er hatte diese Information anscheinend recht schnell verkraftet.
 

„Sieht nicht so aus, als gibt es hier etwas zu essen“, murmelte Nikira und wollte zurück zum Hafen gehen. Doch Ace hatte anscheinend andere Pläne. Er fing an zu grinsen und bog nach links ab. Er ging geradewegs auf eines dieser teuren Hotels zu, sah sich abermals um und lief an dem Gebäude vorbei.
 

„Was soll das denn schon wieder?“, fragte sich die Rothaarige und ging ihm schnell nach. Ein paar Sekunden der Unachtsamkeit und schon verlor man ihn aus den Augen. Wie bei einem kleinen Kind.
 

„Ace! Lass den Unsinn und komm her!“, zischte Nikira und sah sich um. Es war niemand zu sehen, als sie dem Schwarzhaarigen folgte, der geduckt ums Haus verschwunden war. Fluchend schlich die 18-Jährige um die Ecke und wäre am liebsten sofort umgekehrt. Ace kletterte gerade über ein pompöses Balkongeländer und sah nicht so aus als würde er seinen Plan ändern. Als sich ihre Blicke trafen, wank er ihr zu und grinste dabei fett. Wieder stieß sie einen Fluch aus und ging ihm eilig nach. Sie konnte ihn schlecht alleine lassen. Wer weiß, was dann passieren würde?
 

Mit Leichtigkeit stieß sie sich hoch und schwang ihre Beine elegant über das Betongeländer. Sie überquerte die Fläche und huschte durch die Balkontür. Nikira war ein wenig verwundert, dass die Tür anscheinend offengelassen wurde. Diese Tatsache ignorierend ging sie weiter und stand in einem großzügigen Schlafzimmer. Ace war nicht zu sehen, aber er hatte das Licht angemacht.
 

Beeindruckt musterte sie die luxuriöse Einrichtung. Ein riesiger Kronleuchter hing von der Decke und jede Menge exklusive Gemälde waren an den Wänden befestigt. Sogar eine verflucht riesige Badewanne mit goldener Verzierung stand mitten im Schlafzimmer. Die Rothaarige schüttelte über diese Sinnlosigkeit den Kopf. Nachdem sie alles eingehend betrachtet hatte, griff sie in die Obstschale und nahm sich ein paar Weintrauben. Gedankenverloren schob sie sich eine Traube in den Mund, als aus dem anliegenden Raum eine Stimme ertönte: „Yo, Nikira! Du musst unbedingt das Essen probieren. Die haben Hummer bestellt und den nicht mal angefasst!“ Er klang begeistert.
 

So musste es sich also anhören, wenn man sich über die kleinen Dinge im Leben freute, dachte sich Nikira und lächelte über die Tatsache. Dabei stach ihr allerdings etwas anderes ins Auge. Zögerlich ging sie ein paar Schritte näher und hob ihre Hand. Langsam strich sie über den weichen Stoff von einem beeindruckenden Kleid, welches am Kasten hing. Es war beinahe komplett schwarz. Nur an der Taille hatte es silberne Verzierungen.
 

Nikira legte ihren Kopf leicht schief. Sie hatte in ihrem ganzen Leben noch nie ein Kleid getragen. Sie hatte nie einen Grund dazu gehabt. Wo hätte sie es tragen sollen? Beim Training mit Garp? Wohl kaum. Früher als Mädchen hatte sie immer davon geträumt auf einen Ball zu gehen und in einem wunderschönen Kleid stundenlang zu tanzen. Es war der idiotische Traum einer 7-Jährigen, der nie in Erfüllung gehen würde. Nachdenklich steckte sie die letzte Traube in den Mund. Der Drang dieses Kleid anzuprobieren wurde größer, je länger sie es ansah.
 

Was sprach dagegen, dass sie es ganz kurz anzog? Vermutlich kostete es ein Vermögen, aber das war wahrlich kein Grund ihrem Drang nicht nachzugeben. Abermals streckte sie ihre Hand aus und nahm schließlich das Kleid von seiner Halterung. Sie drehte es in ihrer Hand, biss sich auf die Lippen und murmelte: „Was soll’s.“ Eilig zog sie sich das Shirt über den Kopf. Der Rest folgte.
 

Währenddessen hatte Ace so gut wie alles verputzt was sich auf dem Servierwagen befunden hatte. Zufrieden und voll wusch er sich seine Hände im Bad. Dabei blieb sein Blick bei einem glänzenden Gegenstand hängen. „Woah! Das sieht teuer aus.“ Ace schüttelte seine Arme um die Nässe loszuwerden und griff anschließend nach der Halskette. Sie funkelte im Licht, war recht schwer und kostete vermutlich mehr als sein ganzes Leben.
 

Grinsend verließ er mit dem Schmuckstück das Bad und ging zurück ins Schlafzimmer. Er hielt den Schmuck nach oben und meinte: „Hey! Sieh mal! Lust eine verflucht teure Kette zu tragen?“ Gut gelaunt sah er auf und stockte bei dem Anblick, der sich ihm bot. Nikira hatte gerade ihren Reißverschluss geschlossen und sah ertappt auf. Sie hatte nicht so schnell mit Ace gerechnet. Es war ihr ein wenig unangenehm, dass er sie in dem Kleid sah. Deswegen richtete sie ihren Blick auf den Boden.
 

Der Schwarzhaarige hingegen konnte die Augen nicht von der 18-Jährigen lassen. Er versuchte sich jedes einzelne Detail in kürzester Zeit einzuprägen. Sein Blick glitt von ihrem Hals zu ihren Schlüsselbeinen und hinunter zu ihrem Dekolleté. Von dort weiter über ihre wohlgeformten Brüste zu dem flachen Bauch und ihrer schmalen Taille. Ein Schlitz an der Seite des Kleides reichte von ihrem Oberschenkel bis zum Ende des Kleides und zeigte genug Bein, um Ace‘ Fantasie anzukurbeln. Hitze stieg in ihm auf und das kam nicht von seiner Teufelskraft. Er schluckte und rieb sich mit seiner freien Hand den Nacken. Er hatte die Rothaarige schon immer unglaublich hübsch gefunden, aber sie in einem engen eleganten Kleid zu sehen war etwas anderes.
 

„Du solltest die Kette wieder zurücklegen. Der Preis dafür ist bestimmt höher als dein Kopfgeld“, murmelte Nikira und verschränkte ihre Arme. Sie hatte seine Blicke durchaus bemerkt, versuchte diese Tatsache aber zu ignorieren.

Ace wandte nur schwer den Blick von ihr ab und richtete ihn stattdessen auf den Schmuck in seiner Hand.
 

„Ich finde eher, dass du ihn wirklich tragen solltest. Nur für einen kurzen Moment zumindest.“ Lächelnd hob er seinen Kopf und sah Nikira auffordernd an.
 

„Wieso?“, fragte die Rothaarige unverständlich.
 

„Es würde das Bild perfekt machen“, fing er an, stockte und fügte eilig hinzu, „also nicht, dass du nicht schon perfekt…ehm gut aussehen würdest, aber…du weißt schon was ich meine.“ Ace räusperte sich und schlug sich in Gedanken gegen die Stirn. Was sollte das denn? Normalerweise hatte er auch keine Probleme damit Frauen ein Kompliment zu machen. Aber bei ihr war das anders. War alles anders…
 

Nikira hatte ihn während seinem Gerede mit hochgezogener Augenbraue angesehen und ignorierte die Hitze, die in ihren Kopf stieg. Noch nie hatte jemand sie hübsch genannt.
 

Deswegen murmelte sie ein „Schon klar“ und drehte sich weg, damit er ihre roten Wangen nicht sah.
 

„Also? Darf ich?“, fragte er ruhig und hielt die Kette ein Stück höher, um sein gewünschtes Vorhaben zu verdeutlichen.

Nikira musterte den Schwarzhaarigen, wie er mit einem zaghaften Lächeln dastand und sie darum bat, ihr den Schmuck umzulegen. Diese zurückhaltende Erscheinung passte nicht zu dem sonst so selbstsicheren Piraten, aber irgendwie gefiel ihr dieser Ace. Deswegen seufzte sie und meinte: „Wieso nicht?“ Sie drehte sich mit dem Rücken zu ihm und wartete geduldig, bis er hinter ihr stand.
 

Tief atmete sie ein, als sie seine Präsenz dicht hinter sich wahrnahm. Als Ace die Kette über ihren Kopf hob, biss sie sich unbewusst auf die Lippe und genoss das kalte Material, das auf ihre erhitzte Haut traf. Beim Schließen der Kette berührte Ace mit seinen Fingern ihre Haut und verursachte an den Stellen ein Kribbeln, welches Nikira angestrengt versuchte zu unterdrücken. Allerdings scheiterte sie und so bildete sich ein angenehmer Schauer, der sich über ihren gesamten Rücken zog. Sie würde lügen, wenn sie behaupten würde, dass ihr erhöhter Puls, die Hitze und das merkwürdige Gefühl von irgendeiner Krankheit kamen. Diese ‚Symptome‘ traten meist mit der Anwesenheit von Ace auf und das machte der Rothaarigen zu schaffen.
 

Schon beinahe erleichtert stieß sie die Luft aus, als der Pirat ein paar Schritte zurückging. Sie versuchte sich nichts anmerken zu lassen, als sie sich umdrehte und eine Hand auf die Kette legte. Federleicht ließ sie ihre Finger über die kleinen Kristalle gleiten. Sie hatte die Befürchtung, dass sie wirklich unheimlich viel wert war und traute sich nicht den Druck zu erhöhen. Deshalb ließ sie lieber schnell davon ab.
 

„Ich wusste doch, dass sie dir steht.“ Ace grinste und schmiss sich auf das übertrieben große Bett.
 

„So ein Teil steht doch jedem“, murmelte die 18-Jährige und betrachtete ihre Erscheinung in dem großen Spiegel, der an dem Kasten angebracht war.
 

„Stimmt. Mir würde sie auch sehr gut stehen.“ Der Schwarzhaarige lachte leise und selbst Nikira konnte ein leichtes Grinsen nicht verhindern. Die Vorstellung von Ace mit so einer glänzenden Kette war wahrlich amüsant.
 

„Wow. Ich glaube ich muss mir auch so ein Bett zulegen“, kam es unzusammenhängend von der Feuerfaust. Die Rothaarige drehte sich fragend zu ihm und hob ihre Augenbrauen, als sie den Kommandanten begutachtete. Er hatte sich auf den Bauch gelegt und sein Kopf in den unzähligen Kissen vergraben. Dabei hatte er seine Gliedmaßen von sich gestreckt und so aus wie ein Seestern. Ein Seestern mit einem äußerst ansehnlichen Rücken…
 

Kopfschüttelnd versuchte sie ihre Gedanken zu ordnen und sagte: „Wer braucht schon so ein großes Bett?“
 

Ace drehte sich langsam um, richtete sich auf und stützte sich mit seinen Händen ab. „Ich stell es mir ziemlich praktisch vor…wenn du verstehst.“ Er warf ihr einen eindeutigen Blick zu und lachte, als Nikiras Gesicht rot wurde. Doch dieses Mal hatte er nicht vor still zu sein. „Wieso so rot, Nikira? Willst du mir nicht Gesellschaft leisten?“ Grinsend klopfte er auf die Stelle neben sich.
 

„Halt die Klappe“, murrte sie und verfluchte ihn. Ihn und seine dämlichen Anspielungen. Sie hatte schon oft solch zweideutige Aussagen ertragen müssen, aber bei ihm war das anders. Bei ihm war alles anders. Dessen war sie sich bewusst und sie konnte nichts dagegen tun. Es war nichts, was sie mit körperlicher Verausgabung oder Ignorieren lösen konnte. Sie musste diese Tatsache einfach hinnehmen.
 

Ace wollte gerade etwas sagen, als urplötzlich Stimmen ertönten. Stimmen außerhalb des Raumes. Alarmiert kreuzten sich ihre Blicke und beide verharrten in der derzeitigen Position. Die Gespräche wurden lauter und kamen immer näher. Kurz darauf traf Metall auf Metall und ein Schlüssel wurde in das Schloss gesteckt. Schneller als sie reagieren konnten, wurde die Tür aufgerissen und eine hübsche Frau mit dunklen Haaren stand im Zimmer. Sie lachte, sah auf und stockte. Ihre gute Laune schwand urplötzlich und ihre Augen weiteten sich geschockt, als sie die zwei Piraten sah. Es dauerte nur einen Moment, bis sie aus Reflex laut aufkreischte. Damit riss sie Nikira und Ace aus deren Starre.
 

„Lauf!“, rief Ace panisch, rappelte sich auf und schnappte sich Nikiras Hand. Die war so perplex, dass sie nicht mal daran dachte ihre eigentliche Kleidung aufzuheben und stattdessen dem Schwarzhaarigen hinterherstolperte. Auf dem Balkon ließ er sie los und sprang sicher über das Geländer. Nikira war bei weitem nicht so schnell, denn sie trug noch immer dieses enge Kleid. Zischend verlangsamte sie ihre Schritte und zog das Ende des Stoffes nach oben, um mehr Beinfreiheit zu erlangen.

Umständlich kletterte sie ebenfalls über die Balustrade und strauchelte kurz, als sie auf dem Gras aufkam.
 

Zu ihrem Glück hatte sie keine hohen Schuhe an und war ohne unterwegs. So konnte sie zumindest schnell laufen. Kurz drehte sie sich noch einmal um und sah, wie die Frau auf sie deutete und augenblicklich zwei großgewachsene Männer hinter ihr her waren.

Fluchend beschleunigte sie ihre Schritte und hatte beinahe Ace eingeholt, der auf sie gewartet hatte. Gemeinsam rannten sie durch die ganze Stadt, benutzten Seitengassen und kamen schlussendlich am Hafen an. Ihnen wurden skeptische Blicke zugeworfen, denn hier war der Lebensstandard um einiges niedriger. Keuchend hielt sich Nikira die Seite und ignorierte die tuschelnden Leute.
 

„Das war…knapp“, brachte Ace heraus und richtete sich auf.
 

Die Rothaarige lächelte leicht, als sie ihm antwortete: „Aber auch ein wenig lustig.“ Bei ihren Worten sah der Kommandant überrascht auf und musste ebenfalls lächeln.
 

„Hey! Wo wart ihr denn die ganze Zeit und wieso siehst du so schick aus, Nikira?“, kam es plötzlich laut über den Hafen. Die beiden sahen in Richtung der Lärmquelle. Einige Crewmitglieder kamen auf sie zu.
 

„Wir waren…unterwegs.“ Ace grinste und setzte sich seinen Hut auf.
 

„Ernsthaft. Was habt ihr getan?“, hakte Thatch neugierig nach und betrachtete die 18-Jährige skeptisch.
 

Nikira zuckte mit den Schultern. „Ich schätze wir sind in ein Hotelzimmer eingebrochen und haben eine ziemlich teure Kette geklaut.“ Sie sagte dies, ohne eine Miene zu verziehen und erntete reihenweise ungläubige Blicke.
 

„Ihr habt WAS?“

Inside Out

Abwesend drehte Nikira das kleine Stück Papier mit ihren Fingern hin und her. Das Material wies keine Risse oder andere Einwirkungen auf, die aufgrund von Unachtsamkeit entstehen hätten können. Auch die Schrift darauf war akkurat und kam ihr unheimlich vertraut vor. Dennoch hatte sie seit einer geraumen Zeit aufgehört sich zu viel über den Verfasser dieser kurzen Notiz Gedanken zu machen. Es nervte sie, dass ihr die Antwort auf der Zunge lag, aber nicht über ihre Lippen kommen wollte.

Nachdenklich runzelte sie deshalb die Stirn, stützte den Unterarm auf der Reling ab und sah hinab auf den mittlerweile leeren Hafen der Insel Clover Island. Der kühle Wind wirbelte ihre Haare auf und verursachte eine leichte Gänsehaut auf ihren Armen, doch ihr war nicht kalt. Hinter sich vernahm sie Gelächter und Musik. Zum Feiern war ihr absolut nicht zumute.
 

In letzter Zeit hatte sie viel über ihre Mission nachgedacht. Sie konnte nicht leugnen, dass sie die enorme Bedeutung ihres Auftrags abtat und stattdessen diese familiäre Atmosphäre, welche sie auf der Moby Dick zu spüren bekam, mit all ihren Sinnen aufsog. Anfangs war sie sich sicher, dass sie ihre Pflichten ohne Probleme erledigen konnte. Sie hatte nicht einmal daran gezweifelt und der Gedanke daran, dass sie jemals Sympathie für Piraten empfinden würde, war einfach nur absurd. Er war ihr zuwider gewesen, doch mittlerweile sah die Sache anders aus.
 

Ihr gefiel es, wenn man sie hier auf dem Schiff brauchte. Sei es am Wachposten, bei der Inventur der Vorräte oder nur als Mitspieler der gängigen Pokerrunden. (Sie war sichtlich stolz gewesen, als sie dieses Spiel nach kurzer Zeit beherrschte und sogar Fossa eine kleine Menge Berrys abnehmen konnte) Für viele waren dies nur banale Dinge, aber für Nikira waren sie von Bedeutung.
 

Stets verspürte sie dieses angenehme und neue Gefühl in ihrem Inneren, wenn man sie wie ein Familienmitglied behandelte. Bei der Marine hingegen wurde sie gemieden und ihr Alltag bestand daraus, dass sie andere trainierte, oder sich selbst einem harten Training unterzog. Ab und zu war sie auch in der Stadt, aber dort nervte sie das Getuschel der Bewohner. Kurz gesagt waren die letzten 13 Jahre ihres Lebens nicht besonders aufregend und durch ihren Vater sehr eingeschränkt. Dies war, neben ihrer Verachtung gegenüber Piraten, ein Grund für ihre Freude gewesen, als sie von ihrer Mission erfahren hatte. Nach langer Zeit durfte sie endlich weg von der Marinebasis.
 

Seufzend nahm sie zur Kenntnis, dass sie den Zettel in zwei Hälften gerissen hatte, als sie in ihren Gedanken versunken war.

Plötzlich ertönten neben ihr schwere Schritte und eine Person stellte sich neben sie. Die Rothaarige brauchte nicht aufzusehen um zu wissen, wer ihr Gesellschaft leistete. Seine enorme Präsenz hatte sie bereits vor einiger Zeit wahrgenommen. Wie konnte sie auch nicht bei einem der vier Kaiser?
 

„Warum so nachdenklich, mein Kind?“ Whitebeards Stimme klang tief und selbst bei diesen einfachen Worten jagte ein Schauer über ihren Rücken. Trotz seines geschwächten physischen Zustandes schaffte er es, all ihren Respekt zu erhalten. Sie konnte nur erahnen, wie stark er gewesen sein musste, als ihm gesundheitlich nichts fehlte.
 

Nikira wechselte ihr Standbein und sah kurz auf. Sein Blick war wie ihrer zuvor auf die kleine Stadt gerichtet. „Sieht man mir es so sehr an?“, stellte die Rothaarige eine Gegenfrage und spielte wieder mit den zwei kleinen Papieren in ihrer Hand. Sie hatte die Nachricht bewusst auf die andere Seite gedreht. Dabei versuchte sie das wachsende schlechte Gewissen zu unterdrücken, welches seit geraumer Zeit immer stärker wurde. Sie hätte nie gedacht, dass ihr das Lügen so unheimlich schwerfallen würde…
 

„In der Tat“, lachte der Hüne, „Normalerweise bist du immer in Gesellschaft meiner Kommandanten. Besonders oft sehe ich dich mit Ace.“ Belustigt sah er sie von oben herab an und trank aus seiner Sakeflasche, die ihr erst jetzt auffiel.

Nikira musterte sie kurz und wandte den Blick wieder ab. „Eher unfreiwillig“, antwortete sie nüchtern.
 

Als der Kaiser anfing laut zu lachen, zuckte sie zusammen. „Gurarara. Du verbringst also nicht gerne Zeit mit ihm?“ Schalk schwang in seiner Stimme mit und es war klar, dass er auf etwas Bestimmtes hinauswollte.
 

Bei seiner gerissenen Frage erhitzten sich die Wangen der Rothaarigen und prompt fühlte sie sich unwohl. Sie sah auf die Holzdielen zu ihren Füßen und zerknitterte das Papier in ihren Händen. Mit so einer direkten Frage hatte sie nicht gerechnet. „Ich…eh.…naja so schlimm ist es nicht…keine Ahnung“, brachte sie heraus und kam sich blöd vor. In ihrem ganzen Leben hatte sie noch nie gestottert und bei einer solch unsinnigen Frage brachte sie keinen normalen Satz zustande? Wie erbärmlich, aber er hatte sie schlichtweg überrumpelt.
 

Wieder lachte er, doch prompt wurde sein Blick sanft. „Sei ruhig ehrlich zu dir selbst, Nikira. Ich denke es ist leicht die Zeit mit Ace zu genießen, oder?“
 

„Ja. Ich glaube schon“, gab sie langsam zu. Er hatte nicht Unrecht. Jedes Mal, wenn sie mit dem Teufelsfruchtnutzer unterwegs war, vergaß sie den Grund warum sie hier war und das, obwohl sich die gesamte Mission um ihn drehte. Sie mochte es Zeit mit ihm zu verbringen. Sie mochte es sogar sehr.
 

„Weißt du? Ace denkt immer mit seinem Herzen. Das ist wirklich beeindruckend."
 

„Er denkt mit seinem Herzen?“, hakte sie etwas verwirrt nach. Sie verstand nicht ganz, worauf der alte Mann hinauswollte.

Whitebeard schmunzelte über den ratlosen Blick der jungen Frau. „Ja, mit dem Herzen. Er entscheidet intuitiv. Er entscheidet, wie es sich für ihn richtig anfühlt und nicht, wie es laut Logik richtig wäre.“
 

Nikira runzelte die Stirn und dachte über seine Worte nach. Ace handelte nach Gefühl. Er tat das, was für ihn richtig war und ging nicht nach dem, was die Norm vorschrieb. Das hatte sie bereits gemerkt, konnte es aber zum Teil nicht nachvollziehen. Seit sie bei der Marine war, hatte sie nicht mehr nach Gefühl gehandelt. Dafür hatte sie sich im Inneren viel zu leer gefühlt. Wie war es, das zu tun was das Herz einem sagte?
 

„Ich sehe schon, dass ich dir etwas zum Nachdenken gegeben habe.“ Whitebeard lachte belustigt und setzte fort: „Jetzt mag es dir noch unlogisch erscheinen, aber irgendwann wirst du es verstehen.“ Mit diesen Worten trank er seine Flasche aus und starrte in den Himmel. Nikira musterte den Kaiser währenddessen von der Seite. Er schien plötzlich in Erinnerungen zu schwelgen und die Rothaarige fragte sich, ob er gerade an Layla dachte und wie es war zu wissen, dass der Mörder einer geliebten Person für sein Vergehen nicht bestraft wurde. Wie es war zu wissen, dass er sich stattdessen von der Marine feiern ließ. Bei dem Gedanken wurde ihr übel und ein Gefühl stieg in ihr auf, welches sie sonst nur von damals kannte, als sie alle Piraten abgrundtief hasste.
 

Das Gefühl war pure Verachtung.
 

Die 18-Jährige ballte ihre Hände zu Fäusten, atmete einmal ganz tief ein und versuchte sich wieder zu entspannen. Es funktionierte auch besser als sie gedacht hatte. Sie seufzte und stützte sich mit ihren beiden Unterarmen auf der Reling ab.

„Ich gebe Bescheid, wenn ich es verstanden habe“, meinte sie mit einem leichten Lächeln im Gesicht und brachte Whitebeard dazu, sie amüsiert anzusehen.
 

„Sehr schön. Allerdings muss ich jetzt leider unser Gespräch beenden. Meine abendlichen Untersuchungen stehen an.“ Er grinste und schmiss seine Flasche achtlos auf die Straße des Hafens, wo sie mit einem lauten Klirren in unzählige Teile zersprang. „Eine Sache noch, Nikira“, fing er auf einmal ruhig an und drehte sich halb zu ihr um, „Ich toleriere die Privatsphäre meiner Kinder, aber Geheimnisse akzeptiere ich nicht.“ Seine Gesichtszüge wirkten plötzlich hart und machten deutlich, wie ernst er eben Gesagtes meinte. Nikira hatte jedoch keine Zeit auch nur ansatzweise auf diese überraschende Aussage zu reagieren, denn er hatte sich bereits umgedreht und ging nun zu einer Krankenschwester, die ihn prompt an der Hand packte und nicht so aussah, als wäre sie begeistert davon, dass er sich dem Saufgelage angeschlossen hatte.
 

Die Rothaarige stand währenddessen wie versteinert da, starrte ihm fassungslos nach und versuchte seine Worte zu verarbeiten. Ihr Herz hatte urplötzlich angefangen schneller zu schlagen und ihr wurde unnatürlich heiß. Wieso hatte er das gesagt? „Nein“, murmelte sie, „Er weiß es nicht. Er kann es gar nicht wissen.“ Sie schluckte ihre Angst hinunter und fuhr sich durch die Haare. Wenn er etwas wusste, dann hätte er doch schon längst etwas gesagt, oder? Er hätte kein normales, ja sogar vertrautes Gespräch geführt, wenn er etwas wusste.
 

Nervös sah sie zu der Gruppe von Piraten, die lachend beisammensaßen und sich prächtig zu amüsieren schienen. Keiner von ihnen sah aus, als hätte er etwas von dem Gespräch mitbekommen. Zu vertieft waren sie in den Alkohol, der wie so oft in Strömen floss.
 

Nikira umklammerte mit ihrer linken Hand ihren rechten Oberarm. Das beklemmende Gefühl wollte nicht verschwinden. Im Gegenteil. Es wurde größer, je mehr sie an seine Worte dachte. Ihr war klar, dass es eine Art Drohung an sie gewesen war. Er wusste etwas und sie hoffte inständig, dass es sich dabei nicht um ihre Mission handelte. Angespannt stieß sie die Luft aus und versuchte sich zu beruhigen.
 

Sie sollte sich jetzt nicht verrückt machen und stattdessen ihre Emotionen wieder ins Gleichgewicht bringen. Kurz schloss sie die Augen um sich wieder zu sammeln und betrachtete anschließend die kleine Notiz in ihrer Hand. So sehr sie auch wollte, sie konnte das Stück Papier nicht ignorieren. Sie hatte eine vage Ahnung, von wem die Nachricht war und sollte ihre Vermutung stimmen, sollte sie sich schnellstmöglich auf zum Treffpunkt machen.
 

Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend sah sie noch einmal zu der Gruppe hinter ihr und verließ mit einem versteinerten Gesicht das Schiff. Mit schweren Schritten durchquerte sie die leeren Straßen der kleinen Stadt sowie den kurzen Waldweg. Erst als ihr Blick den feinen Sand unter ihren Boots wahrnahm, hob sie ihren Kopf. Die Kulisse hätte sie als idyllisch bezeichnet, wäre da nicht eine Sache, die das kitschige Bild störte. Mit einer düsteren Mimik war sie stehengeblieben und betrachtete kurz das imposante Marineschiff, welches friedlich Anker gelichtet hatte.
 

Sie war nicht überrascht darüber, denn damit hatte sie bereits gerechnet. Wer sonst sollte sich mit ihr treffen wollen? Die Frage war nur, welcher Offizier sich dazu bereit erklärt hatte. Aber egal wer es war – es würde kein erfreuliches Gespräch werden.
 

Mit geringer Motivation überbrückte sie den Abstand zwischen dem Waldrand und dem Schiff. Einige Soldaten hielten davor Wache und sahen sie mit unergründlicher Miene an. Nikira würdigte die Männer keines Blickes und setzte ihren Weg stur fort. Sie wusste wo sie hinmusste. Alle Kampfschiffe der Marine waren gleich aufgebaut.
 

Keine fünf Minuten später stand sie vor der Tür, die sie zum Befehlshaber führen würde. Nikira hob langsam ihren Arm, zögerte aber kurz. Sie hatte keine Ahnung, wer sich in dem Raum befand. Bei Garp würde sie sich beinahe freuen. Bei allen anderen nicht. Sie holte noch einmal mit geschlossenen Augen tief Luft und öffnete dann eilig die Tür.

Es dauerte genau drei Sekunden, bis sie realisierte wer hinter dem Schreibtisch saß. In dieser Zeit hatte ihr Herz für einen kurzen Moment aufgehört zu schlagen. So kam es ihr vor.
 

„Vater“, kam es ihr atemlos über die Lippen und sie hatte Mühe, ihre Gesichtszüge zu kontrollieren. Dabei hielt sie die Türklinke fest umklammert, als das lebensnotwendige Organ das Blut schnell durch ihren Körper pumpte. Sie hatte jeden erwartet, aber nicht ihren Erzeuger, der sie ausdruckslos musterte. Nie hätte sie gedacht, dass er die Marinebasis verlassen würde nur um sie zu treffen. Das war alles andere als gut. Verkrampft löste sie den Griff und schloss langsam die Holztür hinter sich.
 

Sie versuchte ihre schnelle Atmung regulieren und ihre chaotischen Gedanken zu ordnen. Es gelang ihr nur schlecht, denn dafür war sie zu aufgewühlt. Dennoch straffte sie ihre Schultern und verfiel in eine respektvolle Haltung. Auch wenn sie bereits seit Wochen auf dem Piratenschiff war, so hatte sie die Regeln, die bei der Marine herrschten, nicht vergessen. Allerdings fiel es ihr unheimlich schwer sich so unterwürfig zu zeigen. Vor allem ihrem Vater gegenüber. Es…fühlte sich plötzlich falsch an.
 

„Nikira“, ertönte seine tiefe Stimme und es war, als würde sie die Luft zerschneiden. Ein unangenehmer Schauer jagte über ihren Rücken und ließen alle Alarmglocken bei ihr schrillen. Ihr Name aus seinem Mund klang verächtlich und abwertend. Schlimmer als vor ihrer Mission.
 

Nach außen hin ruhig, beobachtete die Rothaarige den Admiral dabei, wie er aufstand und seinen Tisch umrundete. Er musterte sie einen Moment und wandte dann den Blick ab. Langsam ging er auf das Bullauge zu und verschränkte seine Hände hinter dem Rücken. „Ich bin nicht sehr zufrieden mit dem Verlauf deiner Mission.“ Er klang emotionslos und eiskalt. Wie sie es von ihm kannte.
 

Sie legte gedanklich ihre Antwort zurecht und meinte konzentriert: „Es besteht kein Grund dazu. Ich bin-“ „Versuch nicht mich zu belügen, Tochter!“, unterbrach er sie zischend und schlug mit seiner Faust gegen die Wand, die durch die Wucht splitterte. Wie als wäre nichts gewesen, wischte er sich die Holzsplitter von der geballten Hand und verschränkte dieses Mal die Arme vor der Brust. Die junge Frau war sofort verstummt und wandte nun mit angespanntem Kiefer den Blick ab. Vehement starrte sie stattdessen auf den Boden. Aus dem Augenwinkel achtete Nikira wachsam auf seine Bewegungen. Sie war nicht dumm. Sie wusste, dass er skrupellos war. Selbst zu ihr.
 

„Weißt du? Ich dachte wirklich, dass diese Mission wie geschaffen für dich wäre. Immerhin bist du meine Tochter.“ Das letzte Wort spuckte er förmlich auf den Boden und machte ihr klar, dass sie für ihn nur Mittel zum Zweck war. Nikira ballte bei dieser Erkenntnis ihre Hände zu Fäusten und sah langsam auf. Sie musste sich zusammenreißen, um ihm kein Konter zu geben. Auf der Moby Dick hätte sie widersprechen können, ohne dafür ernsthafte Konsequenzen tragen zu müssen. Bei ihrem Vater sah das anders aus. Ganz anders.
 

„Aber anscheinend…bemühst du dich nicht wirklich und ich frage mich, wieso? Wieso bist du eine verdammte Enttäuschung, Nikira?“ Akainu drehte sich zu ihr und sah sie an. Seine dunklen, gefühlskalten Augen trafen ihre, die so viel mehr Emotionen ausstrahlten als zu Beginn ihrer Mission, aber dies bemerkte weder Akainu, noch Nikira selbst.
 

Sie zwang sich standhaft zu bleiben und nicht unter seinem Blick einzuknicken. Doch seine Worte machten es ihr nicht leicht. „Du hattest nur eine Aufgabe. Eine einzige, welche du nicht gelöst und stattdessen Schande über mich gebracht hast.“ Er schlich langsam auf sie zu. Unter seinem Blick fühlte sich Nikira klein. Klein, bedeutungslos und unwürdig zur Marine zu gehören. Auch fühlte sie sich unwürdig auf dieser Welt und vor allem unwürdig seine Tochter zu sein.
 

Er hatte sie schon oft so angesehen, aber noch nie lag so viel Verachtung in seinen Augen. Aber das schockierende an all dem war, dass es sie tatsächlich störte. Es störte sie, dass er sie als Enttäuschung ansah. Es störte sie, dass er keine aufmunternden Worte für sie übrighatte und es störte sie, dass er sie nicht so behandelte wie Whitebeard es tat - wie ein richtiger Vater.
 

Unweigerlich musste sie dabei an Ace‘ Worte denken. Er meinte sie wären eine Familie und erst jetzt kam ihr der Gedanke, dass er recht hatte. Vom ersten Tag an wurde sie von den anderen behandelt wie eine Schwester. Sie wurde aufgenommen, ohne dass jemand ihre Vergangenheit kannte. Niemand hatte ein Problem damit, dass sie distanziert und unhöflich war. Im Gegensatz zur Marine, bei der sie aufgrund ihres Vaters und ihrer kalten Art gemieden wurde. Jahrelang hatte sie sich eingeredet, dass sie keine Freunde brauchte. Dass es ihr egal war, wenn ihr Vater sie nicht wie sein eigen Fleisch und Blut behandelte.
 

Aber es störte sie und tat weh. Mehr als sie gedacht hatte und diese Erkenntnis traf sie hart und unvorbereitet. Es war wie eine enorme Welle, die krachend über sie einbrach und ihr die Luft abschnürte, indem sie sie gewaltvoll auf den Boden drückte. Die Gefühle, die sie jahrelang zurückgehalten hatte, drohten Überhand zu nehmen. Es war für sie ein komplett neues Gefühl, mit welchem sie nicht umgehen konnte. Fest biss sie sich auf die Lippe und vernahm augenblicklich den typischen metallischen Geschmack. Das lenkte sie kurz ab und verhinderte, dass sie etwas Dummes sagte und es anschließend bereute.
 

Akainu stand ein wenig weiter weg von ihr, als er fortfuhr: „Spätestens nach deinem Brief war ich mir sicher, dass du nicht scheitern würdest. Du hast mir ein paar Informationen geliefert und mir versichert, dass du nicht länger als zwei Monate brauchen würdest. Also wieso verdammt nochmal, ist dann dieser Bastard von Gol D. Ace nach drei Monaten noch immer auf der Moby Dick?“ Der Admiral spannte seine Arme an. Die Sehnen traten deutlich hervor und unterstrichen seine Wut über ihr Versagen.
 

Nikira sah ihm mit hartem Ausdruck direkt in die Augen. Sie wusste, dass sie die folgenden Worte stark bereuen und damit der Geduldsfaden ihres Vaters endgültig reißen würde, aber sie hatte schlichtweg genug. Sie hatte genug davon von ihm niedergemacht zu werden. Sie hatte genug davon, dass er sie für den Tod ihrer Mutter verantwortlich machte und sie hatte genug davon, dass er sie nicht wie seine Tochter behandelte.
 

Deswegen sagte sie kalt und mit einer Spur Verachtung: „Vielleicht liegt es daran, dass die Marine eine 18-Jährige losschicken muss, um eine Aufgabe zu erledigen, für die sie selbst anscheinend zu inkompetent ist.“ Der enorme Schmerz, den sie kurz darauf verspürte kam nicht überraschend. Die Wucht des Schlages war allerdings so heftig, dass sie sich nicht auf den Beinen halten konnte und stolperte. Fest presste sie ihre Hand auf ihre Wange, die brannte und gleichzeitig glühte. Mühsam rappelte sie sich wieder auf und sah mit angespanntem Kiefer stur auf den Holzboden. Das Pochen nahm stetig zu, doch sie hatte gelernt mit körperlichen Schmerzen umzugehen. Viel schlimmer waren die psychischen Qualen, die für die Rothaarige komplett neu waren.
 

Sie versuchte sich auf das Brennen zu konzentrieren um jenes im Inneren zu entgehen. Und es funktionierte. Zu gut. Trotzig sah sie auf und hob ihr Kinn. Ihr Vater stand mit einem vor Wut verzerrtem Gesicht da und zeigte keinerlei Reue seine Hand gegen seine Tochter erhoben zu haben.
 

„Du vorlautes, unnützes Miststück!“, zischte er, „Pass auf was du sagst!“
 

Seit dem Schlag durchfluteten Nikira Unmengen an Adrenalin und veranlassten sie dazu, kaum noch Respekt gegenüber dem Admiral zu verspüren. Diese Tatsache war gefährlich; das wusste sie.
 

Trotz dem Wissen konnte sie folgende Worte nicht zurückhalten. Auch wenn sie nur leise über ihre Lippen kamen. „Wieso? Tötest du mich dann etwa auch? So wie Layla und die gesamten Inselbewohner?“ Der Rothaarigen war klar, dass sie ihn provozierte, aber es war ihr egal. Sie fühlte sich innerlich leer; fühlte keinen Schmerz und hatte keine Angst vor Konsequenzen.

Ehe sie sich versah, war Akainu im rasanten Tempo auf sie zugegangen und hatte mit seiner Hand ihren Hals umgriffen. Er drückte so fest zu, dass er Nikiras Luftröhre zuschnürte. Röchelnd und mit geweiteten Augen umgriff sie mit beiden Händen seinen Arm. Sie bekam keine Luft. Hektisch versuchte sie seinen Griff zu lösen; scheiterte allerdings kläglich.
 

„Du solltest jetzt besser deinen Mund halten, denn ich bin kurz davor dich zu töten, Nikira“, meinte er gefährlich ruhig. Sie schnappte nach Luft und richtete ihren Blick auf seine Schulter vor ihr, die langsam zu Magma wurde. Mit den Augen verfolgte sie die heiße Substanz, die langsam auch den Oberarm hinabwanderte. Sie spürte deutlich die extreme Hitze in ihrem Gesicht und musste blinzeln, um ihre Augen vor der Trockenheit zu bewahren.
 

War es das? Würde ihr Vater sein eigen Fleisch und Blut töten? Nur weil sie einmal in ihrem Leben das gesagt hatte, was sie wirklich dachte? Fest senkte sie die Lider, als ihr Gehirn immer weniger Sauerstoff bekam. Zu wenig. Kurz bevor sie das Bewusstsein verlor, verschwand der Druck um ihren Hals. Er hatte sie losgelassen. Unsanft fiel sie dadurch abermals auf den Boden, da ihre Beine sie nicht tragen konnten. Sie hustete wie wild und zog immer wieder gierig die Luft ein. Dabei hielt sie ihren Hals, der sich anfühlte, als wären seine Finger noch immer um ihn geschlossen. Verständnislos sah sie von unten hinauf zu ihrem Vater, der sie spöttisch musterte.
 

„Solltest du noch länger als zwei Wochen für deine Mission benötigen, brauchst du gar nicht daran zu denken jemals wieder zur Marine zurückzukehren. Ich will keine Enttäuschung als Tochter haben. Hast du verstanden? Und bedank dich bei Kuzan. Ihm verdankst du dein Leben.“ Mit diesen Worten drehte er ihr den Rücken zu und begab sich wieder hinter den Schreibtisch. Er hatte die Ellbogen abgestützt und sein Kinn auf die verschränkten Hände gelegt. Dabei verdeckte seine Marinekappe die Hälfte seines Gesichts.
 

Nikira hatte sich währenddessen umständlich aufgerappelt und schwankte gefährlich, als der Raum anfing sich heftig zu drehen. Kurz hielt sie inne, um das Schwindelgefühl abzuschwächen.
 

Schwer atmend warf sie dem Admiral einen letzten, verstörten Blick zu, ehe sie sich umdrehte und eilig aus dem Raum verschwand. Die Soldaten, die sie auf den Weg nach draußen traf, sahen sie skeptisch an, doch niemand wagte es sie anzusprechen.
 

Ihr Gesichtsausdruck war verwirrt, genauso wie ihr Inneres. Sie hatte sich bei seinem Anblick gedacht, dass das Gespräch, wenn man es denn so nennen konnte, schlimm werden würde, aber es hatte all ihre Erwartungen übertroffen. Seit geraumer Zeit hatte allerdings ein Gedanke die Oberhand gewonnen. Und zwar, dass er sie umgebracht hätte. Daran zweifelte sie nicht. Ohne Reue hätte er sie mit seinen Teufelskräften getötet. Aber er hatte es nicht getan. Nicht, weil er vielleicht doch so etwas wie Vatergefühle für sie übrighatte, sondern weil sie Teil dieser Mission war und anscheinend Aokiji seine Finger mit im Spiel hatte. Sie wusste nicht was das zu bedeuten hatte, aber darüber machte sie sich jetzt keine Gedanken.
 

Je weiter sie sich von dem Schiff entfernte, desto größer wurde die Wut. Denn sie war wütend darüber, dass ihr Vater nicht wie Whitebeard war. Sie war wütend darüber, dass sie ihre Gefühle und ihre Mission nicht voneinander trennen konnte. Sie war wütend darüber, dass sie Ace nicht der Marine ausliefern wollte und sie war wütend darüber, dass sie anfing sich auf der Moby Dick wohl zu fühlen.
 

Dabei stand sie durchgehend im Zwiespalt. Sie gehörte noch immer zur Marine, aber fühlte sich bei den Whitebeard-Piraten unheimlich wohl. Wohler als auf der Marinebasis, wenn sie ehrlich war. Dennoch verabscheute sie Freibeuter, die wahllos töteten, vergewaltigten und raubten. Aber tötete die Marine nicht auch unschuldige Leute?
 

Plötzlich blieb sie stehen, als ihr etwas klar wurde. „Er hat es nicht abgestritten“, flüsterte sie und starrte fassungslos auf den Boden. Der kleine Hoffnungsschimmer, dass die Piraten ihr eine erfundene Geschichte aufgetischt hatten, war endgültig verschwunden. Bis zum Schluss hatte ein Teil von ihr gehofft, dass es nicht stimmte. Doch sie haben es getan. Sie haben eine ganze verfluchte Insel ausgelöscht, wegen einer einzigen Person! Wie oft ist dies bereits vorgekommen, ohne, dass die Bevölkerung davon Wind bekommen hatte?
 

Wütend ballte sie ihre Hände zu Fäusten und rammte dadurch ihre Nägel in die empfindliche Haut. Mit einem Mal riss sie ihren Kopf hoch und setzte energisch ihren Weg fort. Sie wollte alles vergessen. Sie wollte nicht mehr an die verhängnisvolle Begegnung denken. Viele Möglichkeiten, um ihre missliche Lage zu verdrängen, spielten sich in ihrem Kopf ab. Dabei hatte sie nicht mitbekommen, dass sie sich bereits wieder auf der Moby Dick befand. Abermals blieb sie stehen und löste ihre verkrampften Fäuste.
 

Sie beobachtete kurz die kleine Gruppe, die zum Großteil aus den Kommandanten bestand. Dabei stach ihr etwas besonders ins Auge. Ein kleines Grinsen stahl sich in ihr Gesicht. Es war weder von fröhlicher Natur, noch verhieß es etwas Gutes. Zielstrebig ging sie auf die Piraten zu. Bevor jemand reagieren konnte, griff sie nach der grünen Flasche auf dem Tisch, setzte sie an und nahm einen großen Schluck daraus. Sie verzog keine Miene, denn das dezente Brennen in ihrem Hals tat überraschend gut und die aufkeimende Idee, ihre Wut und Probleme mit Alkohol wegzuschwemmen, gefiel ihr immer mehr.

Sie erntete einige fassungslose Blicke, die sie allerdings nicht richtig wahrnahm. Stattdessen schluckte sie das Gebräu hinunter, besah sich kurz die weitere Auswahl vor Marco und entschied sich für zwei weitere Flaschen, die mit Sicherheit Hochprozentiges beinhalteten.
 

„Was ist denn mit dir passiert?“ Marco sah sie argwöhnisch an. Dabei starrte er auf ihre Wange, die rot leuchtete und sich bereits bläulich verfärbte. Auch an ihrem Hals sah man deutlich die Druckstellen.

Nikira warf ihm einen kurzen Blick zu. „Kleine Auseinandersetzung“, antwortete sie finster und trank abermals einen kräftigen Schluck von dem Rum.
 

„Woah, Nikira! Mach mal langsam!“, meinte Thatch skeptisch, der selbst einen Krug in der Hand hielt. Er wirkte leicht besorgt, als er ebenfalls ihre Wange und ihren Hals musterte.
 

Wäre die Rothaarige nicht so in ihren Gedanken vertieft, wäre ihr durchaus aufgefallen, dass Ace bis jetzt kein Wort über ihr Verhalten verloren hatte und stattdessen wütend auf die roten Abdrücke starrte. Dabei umklammerte er seine Sakeflasche, als wollte er sie mit Absicht zerdrücken.
 

„Entschuldigt mich. Ich habe noch etwas Wichtiges zu tun“, kam es plötzlich von der jungen Frau. Sie bemühte sich nicht mal den eisigen Unterton zu vermeiden. Mit den Flaschen in der Hand entfernte sie sich mit großen Schritten von der Gruppe.

Erst unter Deck fiel ihr auf, dass sie mit ihren Händen viel zu fest die Flaschenhälse umgriff und dass ihr jemand folgte.

Kurz vor ihrer Kajüte wurde es ihr dann zu blöd. „Wenn du mitgekommen bist, nur um mich zu nerven, dann kannst du auch gleich wieder gehen.“ Nikira war stehengeblieben und hatte sich zu Ace gewandt, der mit verschränkten Armen dastand.

„Eigentlich wollte ich dir sagen, dass es bestimmt eine bessere Lösung gibt, als sich zu betrinken.“ Ernst sah er sie an und wirkte dabei alles andere als entspannt.
 

Die Rothaarige schnaubte. „Wenn das dann alles war…“, brachte sie heraus und wollte ihren Weg fortsetzen, jedoch hatte sie nicht mit der Feuerfaust gerechnet, die sie an ihrem Handgelenk zurückhielt.
 

„Nein, war es nicht. Was auch immer los ist – du kannst mit jedem von uns reden. Das weißt du. Du musst das nicht tun.“ Er deutete auf den Sake in ihrer Hand und machte mit seiner Aussage Nikira rasend.
 

Unwirsch riss sie sich los und fing wütend an: „Lass den Mist, ok? Hör auf, ständig mit diesen sinnlosen Sprüchen anzukommen. Hör auf mich immer anzusehen, als würdest du dir bei jeder Kleinigkeit sorgen um mich machen. Hör auf damit!“ Ohne es zu bemerken, hatte sie angefangen zu zittern. Sie war einfach so unglaublich wütend. Auf ihren Vater, auf die Marine und auf sich selbst.
 

Und Ace, der nichts erwiderte und ihr ruhig zuhörte, half ihr nicht wirklich. „Du nervst mich, Ace! Alles hier nervt mich! Die Vertrautheit, die Unbeschwertheit, die gute Laune. Das bin ich alles nicht gewohnt und ich weiß einfach nicht, wie ich damit umgehen soll. Und du machst es nicht besser, indem du mich so ansiehst. Und weißt du wieso? Weil ich es mag so angesehen zu werden.“ Außer Atem ließ sie ihre angespannten Schultern sinken und sah ihm direkt in die Augen.
 

Und Ace? Der handelte mit seinem Herzen.

It's Ok, Isn't It?

Nikira war noch nie gut darin die Gefühle anderer zu deuten. Auch tat sie sich schwer ihre eigenen zu zeigen. Was sie aber wusste war, dass sie im Moment Ratlosigkeit und Verzweiflung verspürte. Gefühle, die auch nicht besser wurden, als Ace einen Schritt auf sie zu ging und so dicht vor ihr stand, dass sie seine überdurchschnittliche Wärme spüren konnte. Sein Gesichtsausdruck war nicht mehr wütend, sondern sanft, als er seinen Arm hob und ihr eine ihrer Strähnen aus dem Gesicht strich, die sich aus ihrem hohen Zopf gelöst hatte.
 

Von der plötzlichen Nähe irritiert, wollte sie Abstand zu Ace schaffen, doch ein bedeutender Teil in ihr weigerte sich diesem Gedanken nachzugehen und so blieb sie in einer verkrampften Haltung stehen. Ihr Herz klopfte noch immer stark in ihrer Brust und das Pochen wurde stärker, als seine Fingerspitzen ihre Haut berührten. Verkrampft umklammerte sie die Flaschen in ihrer Hand eine Spur fester.
 

„Es ist ok“, meinte Ace auf einmal ruhig und lächelte aufmunternd.
 

Doch Nikira fühlte sich nicht so, als wäre alles in Ordnung. Im Gegenteil. Es war falsch und deswegen verursachten diese drei Worte ein merkwürdiges Gefühl in ihrem Bauch. Fest presste sie deshalb ihre Lippen aufeinander, als sich ein verdächtiges Brennen ihre Nase entlang zog.
 

Beinahe hektisch schüttelte Nikira den Kopf, wandte den Blick aber nicht von ihm ab. „N-Nein. E-“, fing sie krächzend an; wollte irgendetwas sagen. Doch sie konnte den Satz nicht beenden. Stattdessen riss die junge Frau überrascht die Augen auf und verkrampfte sich um einiges mehr, als sich Ace‘ Arme vorsichtig um ihren Körper schlangen. Sie war so überrascht, dass sie unfähig war auch nur einen Finger zu rühren.
 

Ihre Gedanken überschlugen sich und schafften in ihrem Kopf Chaos. Auch in ihrem Inneren sah es nicht anders aus. Doch von all diesen wirren Gedanken, war einer so klar wie kein anderer. Seine Umarmung nahm ihr auf unerklärliche Art und Weise all die Wut und Verzweiflung. Wie durch einen Magneten wurde der dunkle Teil aus ihrem Inneren herausgezogen, woraufhin der Druck in ihrer Brust langsam nachließ.
 

Zögerlich hob sie ihre Arme und schlang sie um Ace, der sie bei ihrer Reaktion etwas fester an sich drückte.

„Es ist ok“, wiederholte er leise, woraufhin Nikira die Augen schloss und ihr Gesicht in seine Halsbeuge vergrub. Es war, als würde eine große Last von ihren Schultern abfallen und alles was dafür nötig war, war eine einfache Umarmung des Schwarzhaarigen. Eine Umarmung, die sich so unheimlich gut anfühlte.
 

So schön manche Dinge auch waren, irgendwann realisierte man, dass sie nicht richtig waren. Auch wenn sie sich richtig anfühlten. So auch Nikira, für die nicht die Tatsache, dass ihr ein Pirat so nahe war das Problem war. Das Problem war, dass sie nicht wusste worauf das hinauslief.
 

Deswegen löste sie sich aus seiner Umarmung und brachte Abstand zwischen ihn und sich selbst. Sie mied seinen Blick und betrachtete die Flaschen, die sie noch immer in ihrer Hand hielt. Verkrampft, wie schon die ganze Zeit.

Die Rothaarige räusperte sich. „Ich…gehe dann mal in mein Zimmer“, murmelte sie leicht irritiert über das Geschehene und wandte sich langsam um.
 

Allerdings hatte sie Ace‘ Sturheit vergessen. „Und ich leiste dir dabei Gesellschaft.“ Er sah nicht so aus, als würde er Widerworte dulden.
 

Nikira sah auf. „Ich brauch dafür keine Gesellschaft.“ Es klang härter als beabsichtigt, aber sie wollte alleine sein. Außerdem war die Umarmung noch immer klar und deutlich in ihrem Kopf. Das und die Tatsachse, dass sie sie mehr genossen hatte als sie sollte.
 

„Und wie du Gesellschaft brauchst!“, brummte Ace und verschränkte seine Arme. Dabei war sein Gesichtsausdruck ernst.
 

„Tu ich nicht.“ Sie warf ihm einen genervten Blick zu und trank einen großen Schluck aus der Flasche, die bald zur Gänze geleert war. Es war, als hätte es diesen vertraulichen Moment zwischen ihnen nicht gegeben. Zumindest verhielt sich die junge Frau so. Das störte Ace. Sehr.
 

Aus diesem Grund seufzte er und sagte ruhig: „Mehr als du denkst und jetzt hör auf so böse zu schauen und geh schon mal in deine Kajüte. Ich komm gleich nach.“ Mit diesen Worten schob er sie in Richtung Tür und drehte sich um.
 

„Kommandier mich nicht rum!“, ärgerte sich die Rothaarige leise, doch Ace hörte sie trotzdem.
 

„Ich sagte, du sollst nicht so böse schauen!“
 

Augenverdrehend stieß sie die Tür zu ihrem Zimmer auf und murmelte: „Tu ich doch gar nicht.“ In ihrer Kajüte stehend, blies sie eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht und stellte die Flaschen auf dem kleinen Holztisch ab, der im Eck des Raumes stand und direkt ans Bettende angrenzte. Anschließend verweilte sie ratlos vor dem Stuhl und sah sich um. Dabei stach ihr etwas Bestimmtes ins Auge.
 

Langsam ging Nikira darauf zu. Sie stellte sich vor ihren kleinen Spiegel und beugte sich ein wenig nach vorne. Mit einer ausdruckslosen Miene drehte sie ihren Kopf nach rechts und strich vorsichtig über die dunkle Stelle, welche sich von ihrer Wange bis übers Jochbein zog. Selbst in dem spärlichen Licht konnte man die Spuren seines Schlages deutlich erkennen. Demensprechend konnte sie sich denken, wie es morgen aussehen würde und diese Tatsache erweckte die altbekannte Wut in ihrem Bauch.
 

Dennoch versuchte sie das starke Gefühl zu unterdrücken, atmete einmal tief ein und stellte sich wieder in eine aufrechte Position. Kurz schloss sie die Augen und zählte innerlich bis zehn. Es half. Bedingt. Sie straffte ihre Schultern und betrachtete sich wieder im Spiegel. Bei dem Anblick stieß sie frustriert die Luft aus. Sie hatte ganz ihren Hals vergessen, der gut sichtbare Fingerabdrückte aufwies. Die Rothaarige reckte ihr Kinn nach oben, zögerte einen Moment und umfasste anschließend leicht ihre Kehle, so wie es ihr Vater getan hatte. Mit ihren Nägeln kratzte sie über die roten Striemen. Dabei fühlte sie noch immer die Präsenz ihres Erzeugers, als würde er direkt neben ihr stehen und sie mit diesem abwertenden und höhnischen Blick betrachten.
 

Während ein unangenehmer Schauer über ihren Rücken lief, presste sie ihre Kiefer fest aufeinander. Unterdessen erhöhte sie schon beinahe unbewusst den Druck ihrer Nägel, die sich dadurch unsanft in ihre empfindliche Haut bohrten.

Sie konnte es nicht. Sie konnte diese starken negativen Gefühle einfach nicht unterdrücken. Vor allem seit Ace sie kurz alleine gelassen hatte, drangen sie immer weiter an die Oberfläche. Schuld trug die Konfrontation mit ihrem Vater und seiner eindeutigen Drohung. Beides hatte tiefe Spuren bei ihr hinterlassen und zusammen mit den verwirrenden Gefühlen gegenüber der Piratenbande war es für Nikira zu viel.
 

Unweigerlich musste sie an die Worte ihres Erzeugers denken. „Ich bin eine Enttäuschung“, murmelte sie deshalb und fühlte, wie sich eine Leere in ihr ausbreitete, die sie nur zu gut kannte. Allerdings lange nicht mehr so intensiv gespürt hatte.

Plötzlich umgriff jemand vorsichtig ihr Handgelenk. Überrascht zuckte Nikira zusammen und riss sich von ihrem Spiegelbild los. Stattdessen drehte sie ihren Kopf nach links. Ace stand besorgt neben ihr und musterte sie akribisch. Verwirrt richtete sie ihre Augen auf seine Finger, die ihr Handgelenk sachte umschlungen hatten. Mit einer gewissen Faszination richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf das Kribbeln, welches von seiner Berührung ausging und sich in ihrem gesamten Körper ausbreitete. Es fühlte sich wie unzählige kleine Stromstöße an. Stromstöße, die die aufkeimende Dunkelheit vertrieben.
 

Erst als Ace sie losließ, wurden ihre Gedanken wieder klar. Sie rieb sich aus Reflex das Handgelenk und sah den Schwarzhaarigen an, der sie noch immer mit einem undefinierbaren Blick musterte.
 

„Sieh‘ mich nicht so an“, murmelte die Jüngere; meinte es allerdings nicht böse. Vielmehr klang es wie ein schwacher Versuch die Sache abzutun.
 

Ace seufzte und stellte wie sie auch die Flaschen auf den Tisch, die er anscheinend geholt hatte. „Ich mach mir Sorgen um dich, Nikira.“
 

Die Rothaarige schüttelte leicht den Kopf. „Musst du nicht.“
 

Er schnaubte. „Natürlich muss ich! Du verschwindest, kommst wieder und hast diese Verletzungen im Gesicht und am Hals. Wie kann ich nicht besorgt sein?“ Er hatte wie zuvor auch die Arme verschränkt und sah wütend aus.
 

„Sei es einfach nicht.“ Ihre Antwort kam ihr etwas harsch über die Lippen und stieß bei Ace auf Unverständnis. Verstand sie denn etwa nicht, dass sie ihm wichtig war? Verstand sie denn nicht, dass sie zur Familie gehörte?
 

Dementsprechend verärgert meinte er: „Ich soll es nicht sein? Verdammte Scheiße! Hast du…Hast du überhaupt eine Ahnung wie viel Selbstbeherrschung es mich kostet, nicht sofort nach diesem Mistkerl zu suchen und ihm den Hals umzudrehen?“ Seine gesamte Haltung war angespannt und sein Gesicht zeigte deutlich, wie sehr er sich zusammenriss um nicht irgendetwas kaputtzuschlagen.
 

Nikira, die nicht damit gerechnet hatte, dass ihn diese Sache so störte, wandte verbissen den Blick ab und umklammerte fest den Rand des Waschbeckens, neben dem sie noch immer stand.
 

„Sag mir wer das war, Nikira“, forderte er plötzlich gepresst. Die Rothaarige hatte sich schon gewundert, warum er sie das noch nicht gefragt hatte.
 

„Niemand und jetzt hör auf wegen einer Kleinigkeit so wütend zu sein.“ Sie fuhr sich unbewusst über ihren Hals. Ihr typischer eisiger Ton machte Ace rasend. Er hasste es, wenn sie bei wichtigen Dingen einfach abblockte. Vor allem, wenn sie vorhin noch so offen über ihre Gefühle gesprochen hatte.
 

„Kleinigkeit? Das ist keine Kleinigkeit! Du-“, er stoppte seufzend und rieb sich den Nasenrücken, „Ich weiß, dass du deine Probleme alleine lösen kannst, aber wenn dir jemand wehtut, dann betrifft das auch mich. Denn ich kann es nicht leiden, wenn jemandem aus meiner Familie Schaden zugefügt wird, ok? Und so geht es auch Marco, Thatch und allen anderen auf der Moby Dick.“
 

Nikira, die durchweg auf einen Punkt auf dem Boden gestarrt hatte, sah langsam auf. Ihre Blicke trafen sich. Die Rothaarige wusste, dass er es nur gut meinte. Das tat er immer, aber ihm war ihre Situation nicht bekannt. Niemandem war ihre Situation bekannt und daran war sie selber schuld, denn sie verschwieg die Wahrheit. Sie log hier alle an und das, obwohl sie hier wie ein Familienmitglied behandelt wurde.
 

Deshalb brachte sie nur ein nachgiebiges: „Schon gut. Ich habe es verstanden“, zustande.
 

„Schön. Also? Wer war das?“ Sein Gesicht zeigte keinerlei Gefühlsregungen.
 

Nikira schwieg vorerst. Sie hatte schon oft darüber nachgedacht, wie viel sie ihm verraten konnte, ohne dass er hinter ihr Geheimnis kam. Ace war im Vergleich zu Marco nicht so skeptisch, deswegen hatte sie ihm auch gesagt, dass ihr Vater bei der Marine war. Sollte sie ihm sagen wen sie getroffen hatte? Dass ihr Vater seine eigene Tochter schlug? Dass sie eigentlich Mitglied der Marine war und sie nur wegen einer Mission hier war?
 

Sie schüttelte leicht den Kopf, als ihr der Gedanke kam und begab sich zu den Flaschen und nahm sich eine. Um die Antwort noch ein wenig hinauszuzögern, setzte sie sich an das Kopfende ihres Bettes, lehnte sich gegen das Gestell und trank erstmal von dem Sake.
 

Anschließend meinte sie beiläufig: „Ich hatte heute ein Gespräch mit meinem Vater und es lief nicht so wie geplant.“

Ace‘ harter Gesichtsausdruck entgleiste, als er ihre Antwort hörte. „Das war…dein Vater?“, harkte er ungläubig nach und vergaß für einen kurzen Moment seine Wut.
 

„Mhm.“ Nikira hatte seine Frage beantwortet und wollte nicht viel mehr dazu sagen. Eigentlich wollte sie an das Geschehene nicht mehr denken. Dennoch fügte sie etwas hinzu, da sie sah wie er verärgert seine Muskeln anspannte und sich seine Gesichtszüge vor Wut verzerrten. „Bevor du etwas sehr Dummes tust, solltest du dir lieber eine Flasche nehmen und dich hinsetzen.“
 

Aus dem Augenwinkel nahm sie wahr, wie der Kommandant verbissen die Tür musterte und zu überlegen schien. Sie wusste genau was er sich im Moment dachte und hoffte, dass er seinen Gedanken nicht nachgehen würde. Er hätte so gut wie keine Chance gegen ihren Vater.
 

Deswegen war sie ungemein erleichtert, als er sich durch die Haare fuhr und ihrer Aufforderung schließlich nachkam. Weniger elegant ließ er sich auf ihr Bett fallen, lehnte sich an die Holzwand und nahm einen kräftigen Schluck von dem Gesöff. Mit hochgezogener Augenbraue beobachtete sie ihn dabei, wie er den Inhalt zur Hälfte leerte. Würde sie es ihm gleichtun, könnte man sie gleich zur Krankenstation bringen. Man war zu so etwas nur fähig, wenn man Übung hatte. Und das hatte er. Reichlich.
 

„Sollte ich deinen Vater jemals zu Gesicht bekommen, kann ich nicht versprechen, dass ich mich zurückhalte.“ Sein Blick war hart, als er sie eindringlich ansah.
 

Nikira hob ihren Kopf und trank ebenfalls aus der Flasche, während sie ihm in die Augen sah. Der Inhalt brannte ihren Hals entlang, doch das störte sie nicht. Nachdem sie die Flüssigkeit geschluckt hatte, antwortete sie: „Dazu wird es hoffentlich nicht kommen.“ Das tat sie wirklich. Ihr war bereits seit einiger Zeit klar, dass sie den hitzköpfigen Piraten niemals der Marine ausliefern konnte. Dafür war er ihr zu wichtig geworden.
 

„Wieso hat er das getan?“, fragte er auf einmal.
 

Nikira legte ihren Kopf schief und überlegte kurz. Tja, wieso? „Vermutlich um seiner Enttäuschung Ausdruck zu verleihen.“

„Nur weil du Piratin bist und nicht wie er bei der Marine?“ Er runzelte die Stirn. Für ihn war dies kein Grund seine eigene Tochter zu schlagen. (Den gab es ohnehin nicht!) Garp hatte Ruffy und ihm auch öfters eine verpasst, aber eine Kopfnuss konnte man nicht mit einem Schlag ins Gesicht vergleichen.
 

Bei seinen Worten hätte die Rothaarige beinahe freudlos aufgelacht. Wenn es nur das gewesen wäre. Stattdessen zuckte sie mit den Schultern. „Man kann sich seinen Vater nicht aussuchen.“ Kaum hatte sie das gesagt, wandte Ace den Blick ab und betrachtete vehement die grüne Flasche in seiner Hand. Erst als sie seine Reaktion bemerkte, wurde ihr bewusst, was sie da gerade gesagt hatte. Sie wusste wer sein Vater war.
 

Es war damals nur Zufall gewesen, dass sie an diese Information gekommen war. Oder besser gesagt – sie verdankte es Garps Schusseligkeit, dass sie es wusste. Er hatte vor einiger Zeit fröhlich vor sich hingeplappert und dumme Witze gerissen. Dabei hatte er Ace und Ruffy erwähnt und unabsichtlich den Erzeuger von dem Schwarzhaarigen genannt. Sie war noch recht jung gewesen, aber natürlich wusste sie wer dieser besagte Gol D. Roger war. Jeder wusste das. Damals hatte sie noch irgendwie versucht Sympathie für Piraten zu empfinden und deswegen konnte sie nicht verstehen, warum man diesen Mann so hasste. Heute sah die Sache schon anders aus. Sie verachtete ihn dafür, dass er ein Zeitalter geschaffen hatte, in dem viele Unschuldige ihr Leben lassen mussten und es zu unzähligen Überfällen gekommen war.
 

Mit diesen Gedanken beobachtete sie Ace, der abwesend auf den Sake starrte. Sie würde gerne wissen, was ihn beschäftigte. Dass es um seinen Vater ging, konnte sie sich denken, aber wieso schwieg er? Normalerweise war seine Laune immer unerträglich fröhlich. Selten hatte er kein Grinsen im Gesicht und das war etwas, was Nikira so an Ace gefiel. Er schien sein Leben zu genießen. In vollen Zügen.
 

Die Rothaarige setzte ihre Flasche an und nahm einen großen Schluck. Gerade, als die Flüssigkeit ihren Hals hinabrann, drehte sich Ace plötzlich zu ihr. Dabei war sein anfängliches ernstes und nachdenkliches Gesicht verschwunden. Stattdessen zierte ein winziges Lächeln sein Gesicht. Es war nichts im Vergleich zu seinem üblichen Grinsen, aber immerhin etwas.
 

„Lass uns anstoßen!“, verkündete er und stieß bei Nikira auf Irritation.
 

Schnaubend hob sie eine Augenbraue. „Auf was? Auf tolle Väter?“ Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, was es zu feiern gab.
 

Ace verdrehte seine Augen. „Natürlich nicht!“ Er hob seinen Arm und deutete auf die Flasche in seiner Hand. „Auf Alkohol. Das beste Mittel um Spaß zu haben!“
 

„Ist es nicht irgendwie traurig, wenn man Alkohol braucht um Spaß zu haben?“, fragte Nikira zweifelnd. Dennoch konnte sie nicht verhindern, dass sich ihre Mundwinkel ein wenig nach oben zogen.
 

Der Schwarzhaarige legte stöhnend den Kopf in den Nacken. „Mach‘ meine Ansprache nicht kaputt, Nikira! Natürlich kann man ohne Alkohol Spaß haben, aber manchmal ist er ein gutes Hilfsmittel dafür.“ Ace fing an zu schmunzeln. Es war nicht sein typisches unbeschwertes Grinsen, aber immerhin war der nachdenkliche Ausdruck aus seinem Gesicht verschwunden.
 

Die junge Frau legte ihren Kopf leicht schief und hob ihre Flasche leicht an. „Na dann! Auf den Alkohol!“
 

„Auf den Alkohol!“

Inner Child

„…und deswegen endete unser Streich damit, dass Dadan uns nackt hinterherlief“, erzählte Ace und verzog kurz das Gesicht, als er an den runzligen Anblick dachte. „Naja. Auf jeden Fall wussten wir von da an, dass Dadan kein Seeräuber, sondern eine Seeräuberin war.“ Grinsend beendete er seine Geschichte und trank darauf erstmal einen ordentlichen Schluck von seinem Sake.
 

„Hört sich an, als hättet ihr eine lustige Zeit bei Dadan gehabt.“ Nikira lächelte leicht. Sie fühlte dabei einen kleinen Stich an der Stelle, an der ihr Herz zu finden war. Seinen Erzählungen zu lauschen war schön, aber wenn sie hörte, wie er voller Freude von den Erlebnissen mit seinen Brüdern erzählte, wurde sie wehmütig. Nachdem ihre Mutter gestorben war und sie nach Marineford ziehen musste, war sie meistens alleine. Und in die Stadt, in der die Familien der Marinemitglieder lebten, durfte sie nicht.
 

Ace lachte plötzlich leise und riss somit Nikira aus ihren Gedanken. „Die hatten wir. Naja, bei dem Anblick nicht wirklich. Aber genug von mir. Erzähl mir etwas von dir.“ Sichtlich neugierig setzte er sich etwas auf und sah sie auffordernd an.
 

Nikira richtete daraufhin ihren Blick auf die Flasche in ihrer Hand. Das billige Etikett hatte sie bereits zur Gänze abgekratzt. Stirnrunzelnd überlegte sie was sie ihm erzählen könnte. Ihr Leben war nicht besonders aufregend. Dennoch kramte sie aus ihren Erinnerungen eine Geschichte heraus. Dabei würde sie penibel darauf achtete müssen nicht das Falsche preiszugeben.
 

„Ich denke zwar nicht, dass mein Leben so unterhaltsam ist wie deines, aber gut“, fing sie schließlich an, „Ich habe irgendwann Mal erwähnt, dass mir mein…Großvater damals das Kämpfen beigebracht hat. Er konnte ziemlich streng sein und ich hatte immer großen Respekt vor ihm, auch wenn er manchmal sehr merkwürdig sein konnte. Als er mich eines Tages einem so harten Training unterzogen hatte, dass ich ohne Essen ins Bett gehen musste, wollte ich es ihm irgendwie heimzahlen. Ich wusste, dass er einen ziemlich tiefen Schlaf hatte, also habe ich mir einen Stift besorgt und bin in sein Zimmer eingebrochen. Anschließend habe ich ihn angemalt. Im ganzen Gesicht. Er hat es erst gemerkt, als ihm am nächsten Tag spät abends jemand darauf hingewiesen hat.“
 

„Er ist den ganzen Tag so herumgelaufen?“, fragte Ace ungläubig nach und lachte, als Nikira nickte. „Wie alt warst du da?“
 

Die Rothaarige überlegte kurz. „Ich glaube, ich war damals ungefähr zehn Jahre alt.“
 

Der Kommandant grinste belustigt und stellte seine leere Flasche auf den Tisch neben dem Bett. „Wie niedlich. Die kleine zehnjährige Nikira hätte ich gerne kennengelernt. Scheint, als wäre sie ziemlich hinterhältig gewesen.“
 

Sie lächelte leicht und trank ihren Sake. Langsam spürte sie den Alkohol. Er verursachte ein Kribbeln auf ihrer Haut. Fast so wie die Berührungen von Ace. Auch erhitzte er ihr Gesicht. Es war ein altbekanntes Gefühl, welches sie bereits erfahren durfte, als sie damals in der Bar ihre Wettschulden einlösen musste. Dementsprechend wurde sie wieder redseliger.
 

„Ich glaube kaum, dass du mein zehnjähriges Ich überlebt hättest.“ Das Lächeln verwandelte sich in ein Schmunzeln. Dabei genoss sie das Brennen in ihrem Hals, welches von dem Sake verursacht wurde.
 

„Locker! Ich kann ziemlich gut mit Kindern“, meinte Ace sichtlich stolz.
 

„Irgendwie fällt es mir schwer das zu glauben.“ Nikira gefiel diese Art von Unterhaltung. Sie hatte etwas Ungezwungenes an sich. Das war oft der Fall, wenn sie sich mit dem Schwarzhaarigen unterhielt. Er machte es einfach, dass sie sich gut fühlte. Noch dazu war es eine weitere neue Erfahrung, die sie erleben durfte. Nicht bei der Marine, sondern bei den Piraten.
 

„Ich kann es dir zwar nicht beweisen, aber du kannst mir ruhig glauben.“
 

„Dann…tue ich das mal.“ Damit schien Ace zufrieden, denn er fing wieder an die wildesten Geschichten aus seinem Leben vorzutragen. Nikira lauschte aufmerksam und trank dabei mehr Sake als gedacht.
 

Dementsprechend konnte sie sich nicht daran erinnern, wann sie den Punkt erreicht hatte, an dem man sagte, dass man betrunken war. Auf jeden Fall war sie es. Sie musste die ganze Zeit grinsen, was wirklich untypisch für sie war und auch ihre Zunge wurde immer schwerer, sodass sie sich wirklich zusammenreißen musste, um einen vernünftigen Satz zustande zu bringen. Noch dazu drehte sich die Umgebung und dass, obwohl sie im Bett saß. Es war ein merkwürdiges Gefühl. So leicht und locker. Als könnte ihr nichts auf der Welt etwas anhaben. Als gäbe es keine negativen Gefühle, die sie niederreißen könnten.
 

„Weißt du, wer von der Crew einen ziemlich tiefen Schlaf hat?“, fing Nikira leicht lallend wie aus dem Nichts an und brachte Ace dazu sie verwirrt zu mustern.
 

„Was?“ Er verstand nicht ganz auf was sie hinaus wollte.
 

„Wer aus der Crew hat einen tiefen Schlaf?“, wiederholte sie bemüht deutlich und sah ihn an, als wäre er ein kleines Kind, welchem man alles doppelt erklären musste.
 

„Marco schläft wie ein Stein, aber wieso willst du das wissen?“ Skeptisch musterte er sie. Ihm war bereits aufgefallen, dass sie betrunken war. Ihre roten Wangen und ihre leicht zerzausten Haare verrieten sie. Außerdem war sie bereits bei ihrer zweiten Flasche, die zur Hälfte geleert war. Diese Tatsache war für jemanden, der sonst nie trank gar nicht wenig.
 

Statt zu antworten, legte sie ihr Kinn auf ihre angezogenen Beine. „Marco also“, nuschelte sie und begann auf einmal zu grinsen.
 

Gerade als Ace seine Frage wiederholen wollte, sah sie ihn plötzlich ernst an und meinte: „Hast du einen Stift in deiner Kajüte?“ Der Schwarzhaarige musste sich zusammenreißen, um die Piratin zu verstehen. Doch sobald er ihre Worte realisiert hatte, weiteten sich seine Augen und ein ungläubiges Lachen verließ seinen Mund. Hatte sie das gerade wirklich gesagt?
 

„Ist das dein Ernst? Ich hoffe du weißt, dass es lebensbedrohlich sein kann, Marco einen Streich zu spielen.“ Verflucht! Er hätte nie gedacht, dass Nikira jemals vorschlagen würde, seinen besten Freund anzumalen. Im Schlaf.
 

„Hast du etwa Angst?“ Übertrieben schockiert weiteten sich ihre Augen. Mit ihrer Aussage hatte sie einen wunden Punkt bei der Feuerfaust getroffen. Man unterstellte einem Mann nicht einfach Angst zu haben!
 

„Natürlich nicht!“, brummte er deswegen beleidigt und erhob sich vom Bett, „Ich hol‘ den Stift.“
 

Nikira grinste und trank den Rest zügig aus. Kurz verzog sie das Gesicht, als der letzte Tropfen die Flasche verließ. Anschließend stand sie auf und hielt kurz inne, als die Umgebung verschwamm. Sie kniff die Augen zusammen und fasste sich an den Kopf. Natürlich wurde es dadurch nicht besser und es dauerte eine Weile, bis sich ihr Körper mit dem konsumierten Alkohol an den schnellen Positionswechsel gewöhnte.
 

„Alles ok?“, ertönte es plötzlich belustigt aus Richtung der Tür. Bei dem Klang von Ace‘ Stimme sah Nikira schnell auf und grinste.
 

„Klar.“ Sie ging auf ihn zu und schob sich an ihm vorbei. Dabei schwankte sie kurz, fasste sich aber schnell wieder. „Bereit deine künstlerische Ader an Marcos Gesicht auszuleben?“ Dabei verschränkte sie ihre Finger hinter dem Rücken und warf ihm einen schelmischen Blick zu.
 

Der Schwarzhaarige lachte. Nicht nur, weil er absolut nicht kreativ war und das die Sache um einiges interessanter machte, sondern auch, weil ihm das Grinsen der Rothaarigen gefiel und ansteckend war. Ihre Laune wurde zwar größtenteils durch den Alkohol verursacht und würde morgen mit ziemlicher Sicherheit verschwunden sein, aber er wollte den Moment einer unbeschwerten Nikira genießen. Deshalb folgte er ihr gut gelaunt. Bewaffnet mit einem Stift.
 

Auf dem schwach beleuchteten Gang war es ruhig. Die meisten schliefen bereits tief und fest, denn es war spät abends. Vermutete die 18-Jährige zumindest, denn sie hatte keine Ahnung wie spät es war. Während sie mit Ace geredet hatte, hatte sie der Zeit keinerlei Beachtung geschenkt. Auch jetzt war sie ihr egal. Einerseits weil sie betrunken war und andererseits, weil sie absolut keine Müdigkeit verspürte. Sie war schon die ganze Zeit hibbelig.
 

Das bemerkte auch Ace, der sein Grinsen nicht ablegen konnte. Er selbst war nicht ganz so betrunken wie die Rothaarige vor ihm, aber den Alkohol in seinem Blut spürte er trotzdem klar und deutlich.
 

Während sich der Kommandant prächtig über die junge Frau zu amüsieren schien, ging diese unbeschwert den komplizierten Weg zum Vize der Whitebeard-Bande. Mittlerweile kannte sie den Weg selbst dann, wenn sie betrunken war. Grund dafür war, dass sie hier oft als Botin missbraucht wurde. Ständig wollte jemand von ihr, dass sie dem Phönix über alle möglichen Dinge Bescheid gab. Dieser verbrachte überraschend viel Zeit in seiner Kajüte. Keine Ahnung was er dort trieb und eigentlich war es ihr ziemlich egal. Gut war gerade nur, dass sie ohne Hilfe zu ihm fand.
 

„Für das, dass du betrunken bist, kennst du den Weg ziemlich gut“, meinte Ace plötzlich grübelnd und vergrub seine Hände in seinen Hosentaschen. Irgendwie missfiel ihm die Tatsache, dass sie ohne Probleme zu ihm fand. Dass es dafür unheimlich viele Gründe geben konnte, kam ihm nicht in den Sinn. Vielmehr glaubte er dem kleinen Funken Eifersucht, der sich pulsierend in ihm breitmachte.
 

„Ich bin doch nicht betrunken.“ Beinahe schon verärgert sah sie über ihre Schulter, schwankte dabei abermals und ignorierte unbewusst seine eigentliche Aussage.
 

„Du doch nicht“, murmelte er sarkastisch und sagte anschließend etwas lauter: „Also wieso kennst du den Weg so gut?“
 

Nikira zuckte unbeteiligt mit den Schultern. „Ich bin ziemlich oft bei Marco.“ Ihr war nicht ganz klar, dass das genau das war, was Ace nicht hören wollte.
 

Für einen Moment stockte Ace deshalb perplex über ihre Aussage. Ihre Worte halfen nicht wirklich dieses eigenartige Gefühl loszuwerden. Sie machten es noch schlimmer.
 

„Wieso bist du ziemlich oft bei Marco?“, hakte er gepresst nach.
 

„Ich berichte ihm nur ab und zu Dinge von anderen.“ Kaum hatte sie ihm ehrlich geantwortet, verflog das ungute Gefühl.

„Oh. Ok.“ Augenblicklich kam er sich blöd vor. Was hatte er sich denn gedacht? Dass sie sich trafen um Spaß zu haben? Er schüttelte leicht den Kopf um diesen Gedanken zu verdrängen. Nein. So war sie nicht. Und das beruhigte ihn, denn er wollte sich das nicht weiter ausmalen. Die Vorstellung, dass Nikira jemanden auf diese Weise berührte machte ihn rasend. Niemand hatte das Recht darauf, außer - Plötzlich prallte er gegen die Rothaarige und wurde so in die Realität zurückbefördert.
 

„Was“, fing er perplex an, wurde allerdings von Nikira unterbrochen, die ihm deutete still zu sein. Sie schob ihn mit leichter Gewalt zurück und drückte ihn anschließend mit ihrer Hand auf seinem Oberkörper gegen die Wand. Vorsichtig spähte sie dabei um die Ecke. Ein paar Männer standen in dem Gang, in dem auch Marcos Kajüte lag.
 

„Was ist denn da?“ Ace runzelte die Stirn, wollte sich aber nicht bewegen. Er versuchte angestrengt nicht nach unten zu sehen, denn Nikira stand so dicht bei ihm, dass sich ihre Brüste gegen seinen Körper drückten. Der Schwarzhaarige schluckte. Verdammt…vielleicht sollte er ihr doch keinen Alkohol mehr geben, denn dabei minimierte sich ihre eigentliche Toleranzgrenze was Berührungen angeht ganz schön. Andererseits…war es auch nicht übel von ihr berührt zu werden. Ace stockte, schüttelte abermals seinen Kopf und rief sich zur Besinnung. Was dachte er denn da? Vorsichtig legte er seine Hände auf ihre Schultern und schob die Rothaarige ein wenig von sich weg. Auch wenn er ihre Nähe genoss, so wäre es ihm lieber, sie würde sie suchen, wenn sie keinen Alkohol intus hatte. So fühlte es sich falsch an.
 

Nikira legte bei seiner Aktion ihren Kopf in den Nacken. Ihre Augen, mit denen sie Ace groß ansah, waren glasig und glänzten im schwachen Licht der Lampe. In ihrem Blick lag dabei so viel Leidenschaft, dass Ace für einen kurzen Moment vergaß, weshalb sie hier waren. Erst als die Rothaarige ihre Hand langsam von seiner Brust nahm, wurde sein Kopf wieder klarer.
 

Es war die Jüngere, die ihre Stimme zuerst erhob und auf seine Frage antwortete, nachdem sie abermals um die Ecke gespäht hatte: „Niemand. Gehen wir weiter.“ Kaum hatte sie die Worte gesagt, lächelte sie und setzte ihren Weg fort.
 

Ace sah ihr etwas sprachlos nach. Es war, als hätte er eine komplett andere Nikira vor sich. Sie war…nett. Das fand er ungemein gruselig. Dennoch hörte er auf sich darüber Gedanken zu machen und folgte ihr. Er schloss zu ihr auf, als sie vor Marcos Kajüte stand. Für einen kurzen Moment trafen sich ihre Blicke, ehe die Rothaarige vorsichtig die Tür öffnete. Dabei ging sie für ihren alkoholisierten Zustand wirklich vorsichtig vor. Dachte er zumindest. Aufgrund der Dunkelheit lief sie gegen das Bett und stolperte. Dabei entfloh ihr ein verzögertes „Au.“ Ace zog indes seinen Kopf ein und erwartete schon das Schlimmste, doch es blieb aus. Vorsichtig sah er zu Nikira, die sich an das Knie griff und sich gleichzeitig am Bettende festhielt. Anschließend wanderte sein Blick zu Marco, der sich kurz regte, aber nicht wach wurde. Ein erleichtertes Seufzen kam über seine Lippen.
 

Die 18-Jährige stellte sich aufrecht hin und sah zu Ace. Ihre Lippen verzogen sich zu einem bösen Schmunzeln, als ihr der Schwarzhaarige den Stift entgegenhielt. Freudig nahm sie ihn entgegen und schlich bemüht leise auf den blonden Kommandanten zu. Er lag auf dem Rücken und hatte einen Arm über seinem Kopf platziert. Damit war er ein leichtes Ziel.
 

„Weißt du schon was du malen wirst?“, flüsterte der Kommandant der zweiten Division, der auf der anderen Seite des Bettes stand und sich ebenfalls über den Schlafenden gebeugt hatte.
 

Statt zu antworten, überlegte sie kurz und fing dann an seine Stirn anzumalen. Als Ace sah was sie da schrieb, musste er sich ein Lachen verkneifen. „Marco wird uns umbringen.“
 

„Kann er gerne versuchen“, nuschelte sie und malte das Herz fertig. Anschließend hielt sie ihm den Stift entgegen.

Auf seinen verwirrten Gesichtsausdruck meinte sie: „Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass du nur zusehen kannst?“

Bei ihren Worten grinste er und nahm ihr den Gegenstand aus der Hand. Er legte all sein künstlerisches Können in die Linien. Ein paar Mal musste er pausieren, da sich der Vize gefährlich bewegte. Konzentriert beendete er seinen letzten Strich und besah sich zufrieden das Gesamtwerk. Sie hatten ganze Arbeit geleistet, doch jetzt sollten sie verschwinden.
 

„Ich hoffe, dass er morgen in den Speisesaal kommt und noch immer bemalt ist.“ Nikira klang hoffnungsvoll, als sie Marcos Zimmer verlassen hatten und zurück zu ihrem gingen.
 

„Oh, dass wird er wenn er nicht verhungern will. Dieser Stift ist nämlich wasserfest.“ Er hatte ein durchtriebenes Grinsen im Gesicht, als er das Ding vor sich hielt.
 

„Wow. Ich wusste nicht, dass du so hinterhältig sein kannst.“ Die Rothaarige musterte ihn belustigt von der Seite. Der Alkohol in ihrem Körper hatte ein wenig nachgelassen, was aber nicht bedeutete, dass sie nüchtern war.
 

„Siehst du? Dein zehnjähriges Ich hätte mich gemocht“, kam es von Ace grinsend und auch ein wenig triumphierend.
 

„Ich glaube auch.“ Nikira schmunzelte. Ihre Aussage war nicht gelogen. Ihr junges Ich hätte den Schwarzhaarigen bestimmt vergöttert. Immerhin war er groß, stark, sah gut aus und war humorvoll. Welches zehnjährige Mädchen hätte dem widerstehen können? Ganz in Gedanken versunken, bemerkte sie erst recht spät, dass sie wieder vor ihrem Zimmer standen.
 

„Irgendwie will ich noch nicht schlafen gehen“, stellte sie leicht überrascht fest und legte ihren Kopf schief.
 

Dieser verschränkte stirnrunzelnd seine Arme hinter seinem Kopf. „Was hast du dann vor? Noch eine deiner Ideen überstehen wir nicht.“ Als Antwort bekam er ein Grinsen, ehe sich die junge Frau in ihre Kajüte begab und mit zwei Flaschen in der Hand wieder herauskam.
 

„Und was jetzt?“ Neugierig musterte er sie.
 

„Komm mit!“, befahl sie murmelnd und packte ihn überraschenderweise bei der Hand. Perplex blickte Ace auf sein Handgelenk, welches von ihren Fingern umklammert wurde. Nach und nach zogen sich seine Mundwinkel nach oben.
 

Oh ja. Sie hatte eindeutig keine Berührungsängste, wenn sie etwas getrunken hatte.

Guilty As Charged

Es war eine so klare Nacht wie schon lange nicht mehr. Nikira saß gemeinsam mit Ace auf der gewaltigen Galionsfigur und tranken jeweils eine Flasche Sake. Seit geraumer Zeit herrschte Stille zwischen den beiden. Nur das Rauschen des Meeres war zu hören, wenn enorme Wassermassen gegen den Bug des Schiffes krachten.
 

Nikiras Mund entfloh bei dem Geräusch und dem Anblick des Ozeans ein leises Seufzen. Bei Nacht fand sie das Meer beeindruckender als ohnehin schon, denn es hatte etwas Unheimliches an sich. Etwas Unheimliches und zu gleich Befreiendes. Das Wort, mit welchem sie dieses unglaubliche Gefühl beschreiben konnte, lag ihr auf der Zunge.
 

„Freiheit“, murmelte sie mit einer Spur Begeisterung. Dabei vergaß sie völlig Ace, der sie verwirrt ansah, als sie das Wort aussprach bei ihrem Wort verwirrt ansah.
 

„Was?“ Der Schwarzhaarige war sich nicht sicher, ob er sie richtig verstanden hatte.
 

Mit einem Grinsen, welches einem Strahlen glich, wandte sie sich zu ihm. „Das Meer! Es ist das Symbol für Freiheit.“ Dabei hörte sie sich an, als wäre sie auf eine großartige neue Entdeckung gestoßen und nicht auf etwas, dessen Ace sich bereits seit Kindheitstagen bewusst war. Dennoch musste er schmunzeln. Nikiras kindliche Begeisterung für etwas so Offensichtliches war niedlich.
 

„Ja. Es steht für Freiheit“, gab er deshalb zur Antwort, stellte die Flasche beiseite und ließ sich nach hinten fallen. Er verschränkte seine Arme unter seinem Kopf und musterte die junge Frau, die mit dem Rücken zu ihm saß. Sie starrte wieder abwesend aufs Meer hinaus. Wie zuvor auch.
 

„Hast du dich jemals frei gefühlt, Ace?“ Die Frage der Rothaarigen klang sehnsüchtig.
 

Der Angesprochene schmunzelte. Die Antwort lag doch auf der Hand! „Klar. Das Piratendasein ist der Inbegriff von Freiheit.“
 

„Das meine ich nicht. Nicht nur“, fing sie an, wandte sich vom Anblick des Ozeans ab und drehte sich ganz zu dem Kommandanten, „Mit frei meine ich auch, dass du nie Gedanken hast, die dich bedrücken. Dass du keine Sorgen hast, die dich immer wieder nach unten ziehen. Dass es einfach nichts gibt, was dich an deinem Leben zweifeln lässt.“ Nikira benutzte ihre Hände, um ihren Worten Ausdruck zu verleihen. Dabei vergaß sie völlig, dass sie noch immer ihre Flasche in der Hand hielt. Sie verschüttete etwas Sake auf den Blauwalkopf, doch schenkte dem keine Beachtung.
 

Sie musterte Ace, dessen Gesicht bei ihren Worten einen unergründlichen Ausdruck angenommen hatte. Die 18-Jährige war zu betrunken, um sich ihrer Frage bewusst zu sein und die Reaktion des Schwarzhaarigen richtig zu deuten. Statt sich also Gedanken darüber zu machen, umschlang Nikira ihre Knie mit den Armen und legte ihren Kopf darauf ab. Wieso sagte er denn nichts mehr?
 

„Alles klar?“, hakte sie deshalb nach.
 

„Ja. Ich habe nur gerade über deine Frage nachgedacht.“ Seine Stimme war leise, als er sich aufrichtete, indem er sich mit seinen Händen abstütze. Nur langsam hob er seinen Kopf. Klar und deutlich war ihm anzusehen, dass ihn etwas mächtig beschäftigte.
 

„Und?“ Nikiras Gedanken waren mittlerweile wo anders. Gerade dachte sie daran, ob sich die Haare von Ace so weich anfühlen würden wie sie aussahen. Vielleicht durfte sie sie mal anfassen? Wenn sie ihn fragen würde? Sie runzelte die Stirn. Was ließ der Alkohol sie denken? Erst als der Schwarzhaarige die Stimme erhob, konzentrierte sie sich wieder auf das Wesentliche.
 

„Wenn man Freiheit auf diese Art betrachtet, dann…bin ich es wohl nicht.“
 

„Wieso?“, nuschelte sie undeutlich und beugte sich ehrlich interessiert nach vorne. Sie wollte wissen, was ihn so sehr beschäftige. Seit sie auf der Moby Dick war, hatte sie das Gefühl, als gäbe es nichts, was den Piraten erschüttern konnte. Da hatte sie wohl falsch gedacht.
 

„Ich…das ist eine lange Geschichte. Außerdem ist es schon recht spät“, blockte er leicht resigniert ab und streckte sich. Anschließend verschwand sein bedrückter Gesichtsausdruck und machte Platz für ein leichtes Grinsen. Dass es nicht seine Augen erreichte, erklärte sich von selbst.
 

„Was? Nein! Ich will jetzt den Grund wissen!“ Nikira kniete sich leicht empört hin und stützte sich vorne ab. Zögerlich streckte sie daraufhin den Arm aus, hielt kurz inne und legte ihre Hand dann doch auf seine nackte Schulter. „Vielleicht…vielleicht kann ich dir ja einen Teil diese Zweifel nehmen.“ Mit einem leichten Rotschimmer auf den Wangen, der von dem Alkohol in ihrem Blut stammte, sah sie Ace ernst an. Er hatte bei ihren Worten und ihrer unvorhergesehenen Berührung überrascht aufgesehen. Sein Blick fiel auf ihre Hand, die leichte Stromstöße durch seinen Körper schickte. Ihre Reaktion auf seine Antwort war nicht die, die er erwartet hatte. Um ehrlich zu sein, hatte er keine Ahnung, mit was er gerechnet hatte. Aber eines war ihm klar. Ihre Worte linderten den Selbsthass, welcher aufkeimte, sobald er an seine Herkunft dachte. Jedoch verschwand er nicht ganz. Würde er vermutlich nie.
 

Deshalb nahm er mit einem leichten Lächeln ihre Hand von seiner Schulter und umklammerte ihre Finger. Er sah von Nikira, die ihn verwirrt musterte, zu ihrer und seiner Hand. Sie machte keine Anstalten die Berührung zu lösen und das bedeutete ihm viel. Dabei war es ihm egal, ob sie betrunken war, denn sie war noch immer ein und dieselbe Person. Dennoch war er es, der seine Hand zurückzog.
 

„Ich weiß dein Angebot zu schätzen und vermutlich werde ich es irgendwann annehmen. Jetzt ist allerdings nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Du bist betrunken und wirst morgen nicht mehr alle Details wissen.“ Er schmunzelte leicht, als sie bei seinen Worten ihre Backen aufgeblasen hatte. Es war ein starker Kontrast zu ihrem sonstigen Verhalten, wenn sie um ein seriöses Auftreten bemüht war. Jetzt verhielt sie sich wie jemand, dessen Kindheit nicht von dem Mord ihrer Mutter geprägt war. Jetzt verhielt sie sich…wie viele andere in ihrem Alter.
 

„Abgesehen davon, dass ich mich morgen an alles erinnern werde“, fing sie an und bohrte ihren Finger in seinen Oberkörper, „reicht es jetzt mit dieser ernsten Miene.“ Mit verklärtem Blick nahm sie ihre Flasche und trank einen großen Teil auf einmal. Ace schüttelte bei ihrem Anblick belustigt den Kopf. Sie würde morgen einen furchtbaren Kater haben und vermutlich alle anderen verfluchen. Das würde lustig werden!
 

„Schon gut.“ Er fing an zu grinsen. „Besser?“
 

„Um einiges!“, antwortete sie nickend und legte sich wie Ace zuvor auf den Rücken.
 

Kurz war es still, während Nikira die Sterne beobachtete und der Schwarzhaarige die junge Frau musterte. Dabei fiel ihm etwas ein, das bereits einige Zeit zurücklag. „Kannst du dich an die Ballons in deiner Kajüte erinnern?“
 

Die 18-Jährige drehte ihren Kopf zu ihm und sah ihn von unten an. „Wie könnte ich das vergessen?“
 

„Weißt du auch, dass ich das war?“, fragte er neugierig. Sie hatte nie wieder ein Wort über diese Ballons verloren. Jetzt war ein guter Zeitpunkt dieses Thema wieder aufzugreifen. Außerdem wollte er das Gespräch auf etwas Anderes lenken. Er wollte nicht über ihn reden.
 

„Mhm“, fing sie an und murmelte: „Hab ich mir gedacht.“
 

„Achja?“ Ace zog seine Augenbrauen nach oben.
 

„Außer dir wusste niemand davon.“ Nikira spielte mit einer Strähne und beobachte wieder die Sterne, die vereinzelt faszinierende Bilder formten. Ihr war noch nie so bewusst gewesen, wie schön der klare Himmel bei Nacht war. Zumindest hatte sie ihm noch nie so viel Beachtung geschenkt wie jetzt.
 

„Stimmt“, pflichtete der Schwarzhaarige ihr langsam bei. Er konnte nicht verhindern, dass es ihn fröhlich stimmte, dass nur er von ihrer Vergangenheit wusste. Dass sie sich ihm anvertraute, war von großem Wert für ihn.
 

Plötzlich richtete sich die Rothaarige auf und sah ihn mit großen Augen an. „Warte! Das heißt, du warst in meinem Zimmer? Während ich schlief?“
 

Ace lachte leise bei ihrer Erkenntnis. „Ja. Du siehst übrigens süß aus, wenn du schläfst.“
 

„Du…hast mich beobachtet?“ Ihr Blick wurde etwas fassungslos.
 

„Und mich kurz zu dir gelegt.“ Mit ernster Miene sah er sie an und nahm belustigt zur Kenntnis, wie sie ihren Mund schockiert öffnete.
 

„Was stimmt denn nicht mit dir?“
 

Bei ihrer Reaktion fing Ace plötzlich an zu lachen und wuschelte anschließend der Jüngeren durch die Haare. „Bleib mal locker, Kleine. Das war nur ein Scherz. Für wie gruselig hältst du mich eigentlich?“
 

„Für verdammt gruselig!“, brummte Nikira, die es gar nicht leiden konnte, wenn man sie auslachte. Nicht mal im betrunkenen Zustand.
 

„Komm schon! Es war zwar sehr verlockend, aber so etwas würde ich nie ohne deine Zustimmung tun. Außerdem solltest du nicht immer alles glauben, was man dir sagt.“ Wieder lachte er auf. Manchmal war sie ja wirklich naiv, aber diese Eigenschaft fand er unheimlich süß.
 

Augenverdrehend stand die 18-Jährige auf, ignorierte bewusst die schummrige Umgebung und griff nach ihrem Sake, wobei sie diese bei ihrem Vorhaben beinahe umstieß. Sie schwenkte kurz die Flasche, um zu sehen, wie viel sich noch darin befand. Noch ungefähr die Hälfte. Sehr schön.
 

Die Rothaarige streckte sich ausgiebig und murmelte bezogen auf seine vorigen Worte: „Ich kann nicht glauben, dass die Frauen auf dich abfahren.“
 

Empört stand Ace ebenfalls auf. „Was soll das heißen, du kannst das nicht glauben? Findest du nicht, dass ich charmant bin?“

„Nein. Ich finde dich nur merkwürdig“, gab Nikira trocken zurück und trank von ihrem Sake. Sie war ziemlich voll, aber noch konnte sie sich halbwegs zusammenreißen. Außerdem fand sie in diesem Zustand alles amüsant. Das war mal…was Neues.
 

„Ich bin alles andere als merkwürdig!“ Ace verschränkte seine Arme, drehte demonstrativ seinen Kopf weg und schmollte extra übertrieben. „Außerdem habe ich einiges zu bieten, wie du siehst!“
 

Nikira verkniff sich ein Grinsen bei seinen arroganten Worten. Stattdessen tat sie so, als würde sie angestrengt überlegen. Dabei musterte sie ihn von oben bis unten.
 

„Vielleicht…nein. Oder doch? Nein, eher nicht.“ Sie murmelte vor sich hin und legte ihren Kopf schief.
 

„Was tust du da?“, fragte der Schwarzhaarige, der anfing sich unter ihren intensiven Blicken unwohl zu fühlen.
 

„Ich versuche herauszufinden, was du zu bieten hast.“ Eiskalt. Eiskalt war ihre Antwort fand Ace, der sie ungläubig ansah. Mit dieser Antwort hatte er nicht gerechnet. „Irgendwie strotzt heutzutage jeder vor Muskeln. Das ist nichts Besonderes mehr.“ Unbeeindruckt zuckte sie mit den Schultern und drehte sich weg. Dabei versteckte sie ihr Grinsen hinter der Sakeflasche. Sein Gesicht war herrlich. Er sah so aus, als hätte noch nie jemand solche Worte zu ihm gesagt. Vermutlich war es auch so und Nikira konnte auch verstehen warum.
 

Er sah gut aus. Da waren sich vermutlich alle Frauen einig, die je auf Portgas D. Ace treffen durften. Natürlich spielten seine Muskeln hierbei eine wesentliche Rolle, weshalb ihn die weibliche Bevölkerung begehrte. Jedoch war dies nicht der Hauptgrund für seine Anziehungskraft. Es war seine Ausstrahlung, seine ganze Art, die ihn auch für die Rothaarige attraktiv machte. Allerdings würde sie ihm das nicht sagen. Sein Ego war bereits groß genug, da brauchte es nicht noch einen zusätzlichen Push.

Belustigt ging Nikira auf das Deck zu und stoppte kurz vor dem Beginn des Wals. Sie drehte sich um und meinte: „Was ist los, Ace? Kommst du?“ Sich keiner Schuld bewusst, grinste sie ihm entgegen. Der 20-Jährige hatte ihre Worte anscheinend noch immer nicht verarbeitet, denn er stand mit einem perplexen Gesichtsausdruck dar. Erst nach kurzer Zeit schüttelte er den Kopf, um sich zu besinnen und folgte der Jüngeren.
 

Dabei murmelte er immer wieder: „Nichts zu bieten? Ich?“
 

Euphorisch sprang die junge Frau die Erhöhung hinunter, vergaß, dass sich ihr Gleichgewichtssinn beinahe zur Gänze verabschiedet hatte und stolperte über ihre eigenen Füße. Gerade so konnte sie sich fangen und verhinderte einen vermutlich schmerzhaften Sturz. Ihr entfloh ein überraschendes „Woah!“
 

„Geschieht dir recht!“, kam es schnaubend von Ace, dessen Stolz anscheinend noch immer angekratzt war.
 

„Jammer nicht, Streichholz. Nicht jeder ist eines deiner Fan-Girls.“ Nikira gähnte und stellte die mittlerweile leere Flasche einfach auf den Boden. Dabei richtete sie sich ein wenig zu schnell auf, denn abgesehen davon, dass sich ihre Umgebung ziemlich drehte, musste sie einen Schritt nach hinten machen, um wieder sicheren Halt zu finden.
 

„Ich geb‘ dir gleich Streichholz“, kam es von dem Piraten mürrisch, der dennoch sicherheitshalber eine Hand auf Nikiras Rücken gelegt hatte, als sie nach hinten stolperte. Seine Mundwinkel zuckten. Sie war wie ein kleines Kind, wenn sie betrunken war. Ständig stolperte sie.
 

„Ich will schlafen“, nuschelte auf einmal die 18-Jährige ohne einen Zusammenhang zu der vorherigen Diskussion.
 

„Dann gehen wir jetzt schlafen.“ Ace ging auf die Tür zu, die unters Deck führte und wartete geduldig auf die Rothaarige.
 

„Aber wehe du beobachtest mich wieder beim Schlafen!“ Dabei deutete sie mit ihrem Zeigefinger drohend in seine Richtung und brachte ihn zum Lachen.
 

„Keine Sorge. Ich werde deine Kajüte nicht mal betreten.“ Er kreuzte seine Finger, um seinen Worten Ausdruck zu verleihen.
 

Für einen Moment sah sie ihn nachdenklich an. „Ganz was Neues.“ Sie betraten den schwach beleuchteten Gang und machten sich schweigend auf den Weg zu ihren Zimmern.
 

Kurz vor ihren Kajüten hielt Nikira inne. „Betrunken zu sein ist ja schön und gut, aber diese verschwommene Umgebung ist ganz schön nervig.“ Sie stützte sich mit einer Hand an der Wand ab.
 

Belustigt blieb Ace ebenfalls stehen. Er kannte diesen Zustand nur allzu gut. „Du hast es bald geschafft. Da vorne ist dein Zimmer. Oder soll ich dich tragen?“ Er grinste, als er ihren nachdenklichen Blick sah. Dachte sie gerade ernsthaft über sein Angebot nach, welches eigentlich nicht ernst gemeint war? Diese Frau war wirklich unterhaltsam!
 

„Nein. Das schaff ich schon so.“ Dann setzte sie ihren Weg fort. Vor ihrer Tür hob sie den Arm, zögerte jedoch beim Öffnen. Sie wandte sich zu Ace und lehnte sich dabei gegen den Türrahmen. Der Schwarzhaarige stand mit beiden Händen in seinen Hosentaschen da und schien zu warten, bis sie es sicher in ihren Raum geschafft hatte.
 

„Ace?“, fing sie an. Sie schien angestrengt nachzudenken. Zumindest deutete ihre gerunzelte Stirn darauf hin.
 

„Ja?“
 

„So wenig hast du gar nicht zu bieten.“ Mit einem letzten, schelmischen Grinsen drehte sie sich um und verschwand endgültig in ihrer Kajüte. Zurück ließ sie einen perplexen Kommandanten, auf dessen Gesicht sich langsam ein triumphierendes Schmunzeln bildete.
 

„Ich wusste es!“ Zufrieden begab auch er sich in seine Kommandantenkajüte. Das war doch ein recht erfolgreicher Abend.
 


 

Noch nie war Nikira aufgefallen, wie verdammt laut es im Speisesaal war. Bis jetzt. Sie hatte die Tür geöffnet und wäre am liebsten wieder fluchtartig verschwunden. Der Lärm war unerträglich in ihrem Kopf und verursachte ein unangenehmes Pochen. Sie hielt kurz inne, presste ihre Finger auf die Schläfe und brummte missmutig auf. Sie hatte selten schlechte Ideen, aber der Alkoholkonsum letzte Nacht war definitiv unter den Top Drei.
 

Sie schlurfte mit den Händen in den Taschen ihres Hoodies zu dem Tisch, an dem sie sonst auch saß und ließ sich weniger elegant auf ihren Platz fallen. Sie stützte ihren Arm mit ihrem Ellbogen ab und legte ihr Kinn in ihre Hand. Dabei betrachtete sie mit wenig Begeisterung das Essen auf dem Tisch. Das Frühstück hatte sie ausgelassen und das aus gutem Grund.
 

Seufzend hob sie ihren Kopf und hielt inne, als sie fünf belustigte Blicke begegnete. Verärgert runzelte sie die Stirn. „Was?“, zischte sie miesepetrig. Sie war heute absolut nicht gut drauf. Da brauchte sie nicht noch eine Handvoll Piraten, die sich über sie lustig machten.
 

„Sag mal, Tao?“, fing Thatch grübelnd an, „Kannst du dich daran erinnern, was Nikira damals gesagt hat, als wir alle einen Kater hatten?“
 

„Ich glaube sie hat unsere Intelligenz infrage gestellt.“ Tao schmunzelte vor sich hin.
 

Der Schiffskoch und gleichzeitig Kommandant nickte ernst. „Korrekt. Also Nikira? Wie ist das so einen Kater zu haben?“ Sein zuvor ernstes Gesicht verschwand. Stattdessen schlich sich ein für Thatch hinterlistiges Grinsen auf sein Gesicht.
 

Die Rothaarige formte ihre Augen zu Schlitzen. Sie konnte sich nur vage an damals erinnern, als sie hämisch über die Piraten gelacht hatte. Jetzt war sie diejenige, die mit Restalkohol im Blut am Tisch saß.
 

„Wunderbar, Thatch. Es ist wunderbar.“ Sie setzte ein Lächeln auf, obwohl ihr absolut nicht danach zumute war. Aber die Genugtuung würde sie ihnen nicht geben.
 

„Das freut mich.“ Er verschränkte die Arme und grinste. Er wusste genau. wie es ihr gerade ging und das amüsierte ihn.

Doch er kam nicht mehr dazu etwas zu sagen, denn ein gut gelaunter Ace tauchte auf und quetschte sich zwischen Thatch und Tao, gegenüber von Nikira.
 

„Morgen liebe Leute!“ Fröhlich grinsend schaufelte sich der Pirat das Essen auf den Teller.
 

„Du hast das Frühstück verpasst, Ace. Wie kannst du so glücklich sein?“ Skeptisch schob sich Jozu eine ganze Fleischkeule in den Mund. Seine gute Laune war nicht nur ihm suspekt.
 

„Stimmt, aber weißt du was? Ich habe gerade gehört, wie ein paar über Marco geredet haben. Das hat meine Laune ins Unermessliche gesteigert.“
 

Bei dem Wort ‚Marco‘ sah Nikira irritiert auf. Irgendetwas in ihrem Kopf begann zu rattern. Da war doch etwas. Nachdenklich suchte sie den Blick von Ace. Kaum begegnete sie ihm, kamen die Bilder von gestern Nacht zurück. Marco. Stift. Dummheit. Streich.
 

„Ups“, entfloh es ihr jedoch mit ziemlich wenig Reue. Sie konnte sich zwar nicht an alle Dinge erinnern, die sie gemeinsam mit Ace auf das Gesicht des Blondhaarigen geschrieben hatte, aber alles war nicht aus ihrem Gedächtnis verschwunden. Und je mehr sie an die Tat dachte, je größer wurde ihr Grinsen.
 

„Ok. Ace‘ Verhalten ist schon sehr merkwürdig, aber was mir Sorgen bereitet ist, dass unsere sonst so miesepetrige Nikira grinst. Dabei stelle ich mir nur eine Frage: Was hat Marco damit zu tun?“ Thatch sah die beiden fragend an und auch die anderen hatten aufgehört zu essen, nur um ihnen neugierige Blicke zuzuwerfen.
 

„Das werdet ihr sehen, wenn der Vogel auftaucht.“ Ohne den anderen weiter Beachtung zu schenken, widmete sich der Schwarzhaarige wieder seinem Essen und auch Nikira versuchte ein paar Bissen herunterzubekommen. Das klappte auch ganz gut, doch irgendwann war sie angewidert von dem Geschmack des Fleisches. Deshalb schob sie den Teller von sich weg und hob den Kopf.
 

Kaum hatte sie den Blick nach vorne gerichtet, entgleisten ihr die Gesichtszüge.
 

„Heilige Scheiße“, entkam es ihr fassungslos. Sie hatte ja gewusst, dass es schlimm werden würde, aber das übertraf all ihre Vorstellungen. Nikira konnte nicht sagen, ob Marcos Gesicht rot vor Wut war, oder ob er versucht hatte die schwarze Farbe loszuwerden. Auf jeden Fall sah es nicht gut aus.
 

Bei ihren Worten waren auch die anderen aufmerksam auf den Vize geworden. Wie aufs Stichwort brachen alle in Gelächter aus, nur Nikira riss sich zusammen. Verbissen starrte sie auf den Tisch. Erst bei seinen gefährlich ruhigen Worten war sich die Rothaarige sicher, dass er aufgrund beider Gründe ein rotes Gesicht hatte.
 

„Wenn ihr nicht aufhört zu lachen, lasse ich euch alle Kielholen.“ Er musterte jeden einzelnen mit einem vernichtenden Blick und augenblicklich hatte Nikira das Gefühl, als wäre dieser dämliche Streich ein Fehler gewesen.
 

„Sorry, Marco. Aber…das sieht so bescheuert aus.“ Jozu wagte es als Erstes zu sprechen. Dabei lachte er laut und schlug so fest auf den Tisch auf, dass das sämtliche Geschirr darauf klirrte.
 

Auch Thatch schien sich prächtig zu amüsieren. „Ana-hahaha. Ananas-hahaha. Ananaskopf,“ brachte er mühsam zwischen dem Gelächter heraus. Nikira drückte ihren Handballen fest gegen die Stirn. Dieser Lärm war schrecklich.
 

„Du hättest nicht so sehr herumrubbeln sollen. Du bist ganz schön rot im Gesicht.“ Ace tat so, als würde er dies total ernst meinen und machte die Sache damit noch schlimmer. Am liebsten hätte ihm die Rothaarige eine reingehauen. Er musste ihn nicht noch zusätzlich provozieren!
 

„Ok. Wer von euch Idioten war das?“ Ehrlich gesagt wäre es Nikira lieber gewesen, wenn er geschrien hätte. Diese ruhige Stimme machte sie nervös und bedeutete nichts Gutes!
 

Als Antwort bekam er abwehrende Hände und verhaltenes Gelächter. Auch Ace hatte einen Ellbogen auf dem Tisch abgestützt und versteckte sein Grinsen hinter seiner Hand.
 

„Nochmal: Wer von euch war das?“ Marco musterte jeden Einzelnen akribisch.
 

„Wieso glaubst du, dass das einer von uns war?“, fragte Ace unschuldig. Nikira verdrehte daraufhin die Augen. Konnte er nie die Klappe halten?
 

„Vielleicht weil es immer einer von euch ist.“ Der Vize kniff seine Augen zusammen, als er zu Ace sah. Plötzlich wanderte sein Blick jedoch weiter zur Rothaarigen. „Hast du auch etwas dazu zu sagen, Nikira?“ Seine Augen sprühten förmlich Funken.
 

„Nur, dass der Stift vermutlich wasserfest war“, fing sie an, wurde allerdings zögerlicher bei ihren nächsten Worten, „und deshalb hilft kein Wasser bei der Entfernung.“
 

„Ach! Was du nicht sagst! Danke für den Hinweis“, zischte Marco wütend und war kurz davor seine Beherrschung zu verlieren. Unbeholfen zuckte Nikira mit den Schultern. Dabei half ihr das bescheuerte Kichern der anderen nicht. Zuvor hatte sie noch Ace für seine Worte verflucht und jetzt verzapfte sie selber so einen Mist.
 

„Falls ich herausfinden sollte, wer das war, kann er für sein restliches Leben die Klos auf der Moby Dick putzen. Und da ich Vize bin, entkommen selbst die Kommandanten nicht dieser Strafe.“ Trocken sprach er seine Drohung aus, während sich die andere wortlose Blicke zuwarfen. Nikira konnte es nicht glauben, aber irgendwie hatte sie Schiss vor Marco. Sie stand in ihrem Leben bereits ein Dutzend Mal vor den Admirälen der Marine, aber irgendwie hatte sie verdammten Respekt vor dem Kommandanten der ersten Division. Und dabei musste er dafür nur eine dämliche Drohung aussprechen.
 

Sie wollte schon erleichtert ausatmen, als Marco den Anschein erweckte mit seinem Auftreten fertig zu sein, da ertönte plötzlich eine laute gehässige Stimme: „Oh, redet ihr gerade über den Übeltäter, der für Marcos Kunstwerk im Gesicht verantwortlich ist?“ Er lachte laut auf.
 

Nikira drehte ihren Kopf nach rechts und entdeckte einen großen Mann mit schwarzen Locken und Kopftuch. Sie rümpfte die Nase, als ihr ein unangenehmer Geruch entgegenschlug. Aufgrund ihres Restalkohols waren ihre Sinne empfindlicher als sonst. Deshalb rückte sie näher zu Jozu, der dies gar nicht mitbekam. Misstrauisch musterte sie den Neuankömmling. Sie meinte sich vage daran erinnern zu können, dass er Teach hieß. Er war damals dabei, als die anderen versuchten Nikiras Vorlieben beim anderen Geschlecht herauszufinden. Besagter Teach ließ sich neben sie fallen. Dabei knarzte das Holz bedrohlich.
 

„Kann schon sein. Wenn du sonst nichts dazu zu sagen hast, kannst du gleich wieder abhauen.“ Marco schien nicht begeistert davon zu sein, dass sich noch jemand einmischte.
 

Auf das Gesicht des dicken Schwarzhaarigen schlich sich ein Grinsen. „Oh, ich hab sogar etwas sehr Interessantes zu sagen. Dabei geht es um unser Goldstück hier.“ Er schlang seine Hand um die Taille der Rothaarigen und drückte sie somit zu sich. Angeekelt verzog sie das Gesicht und versuchte sich wegzudrücken. Doch das war einfacher als gesagt.
 

„Teach!“, zischte plötzlich Ace und hörte sich nicht weniger wütend an als Marco. „Sag, was du zu sagen hast und verschwinde wieder. Du hast bald Wachdienst.“ Nikira hob ihren Kopf und runzelte verwirrt die Stirn. Der Schwarzhaarige ihr gegenüber sah angespannt und alles andere als erfreut aus. Anscheinend gefiel ihm die Anwesenheit dieses Mannes auch nicht.
 

Wie aufs Stichwort löste er den festen Griff um sie und hob abwehrend die Hände. Dabei schwand sein widerliches Grinsen aber nicht. „Schon gut, Kommandant Ace. Ich wollte dem Phönix nur mitteilen, dass ich weiß, wer ihm diesen kleinen Streich gespielt hat.“
 

Bei seinen verächtlichen Worten hob Nikira überrascht ihren Kopf. Woher sollte er das wissen? Auch Ace sah verwundert aus.
 

„Achja? Wer war es denn?“ Marco verschränkte seine Arme und sah ihn abwartend an.
 

„Die Süße neben mir“, dabei deutete er mit einem Nicken auf Nikira, „war gestern ziemlich betrunken und ich habe beobachtet, wie sie in deine Kajüte verschwunden ist.“ Mit einer gewissen Genugtuung grinste er in die Runde und erntete verblüffte Blicke. Nur Ace schien verärgert zu sein.
 

Er war es auch, der anfing zu protestieren: „Das stimmt so nicht! Sie war-“ „Schon gut, Ace. Ich geb’s zu. Ich war betrunken und hab mir einen kleinen Spaß erlaubt“, unterbrach ihn die Rothaarige trocken. Dieser Teach war ihr gerade sehr unsympathisch geworden. Unsympathischer als ohnehin schon. Jeder hier hätte geschwiegen, wenn er gewusst hätte, wer es war. Man verriet keine Kameraden. Das war selbst bei der Marine so.
 

Marcos Blick traf den von ihr. Stur erwiderte sie ihn. Er schien nachzudenken, was er jetzt tun sollte.

„Nach dem Essen vor meiner Kajüte. Alleine!“ Mit diesen ausdruckslosen Worten drehte er sich um und verschwand aus dem Speisesaal. Kaum war er außer Sichtweite, ging das Gerede los. Teach lachte schamlos, Thatch und die anderen fragten sich, wie gerade sie auf diese Idee kam und Ace sah sie einfach nur ungläubig an.
 

Seufzend aß sie noch ein wenig Obst, bevor sie aufstand. Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Am liebsten würde sie einfach in ihre Kajüte gehen, um noch eine Runde Schlaf nachzuholen. Als sie bei Ace vorbeiging, umgriff er ihr Handgelenk. Bevor er etwas sagen konnte, erhob sie ihre Stimme: „Lass es gut sein. Ich übersteh das auch alleine.“ Sie lächelte und wartete, bis er seine Finger lockerte. Ohne auf seine Antwort zu warten, ging sie aus dem Saal.
 

„Er wird mich schon nicht umbringen…hoffe ich zumindest“, murmelte sie zu sich selbst und machte sich auf den Weg zu Marco.

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Mit verschränkten Armen stand Nikira vor Marco, der nicht gerade erfreut aussah. Eine Zeit lang hatte die Rothaarige nur das Gesicht des Vizes betrachtet. Auf seiner Stirn stand noch immer gut sichtbar I ❤ Pineapples. In Gedanken lobte sie sich sarkastisch für ihre enorme Kreativität. Bei all den Möglichkeiten hatte sie sich für diese selten dämliche Aussage entschieden. Wie bescheuert war ihr betrunkenes Ich eigentlich?
 

„Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was mich mehr erstaunt hat. Die Tatsache, dass gerade du diese Idee hattest“, fing Marco an und deutete auf sein Gesicht, „oder, dass du Ace nicht verpfiffen hast.“
 

„Wieso sollte ich ihn verraten?“ Nikira runzelte fragend die Stirn und versuchte nicht zu intensiv auf seine Wange zu starren, auf der sich Ace genauso kreativ ausgetobt hatte, wie sie auf seiner Stirn.
 

Mit seinem üblichen ausdruckslosen Gesicht lehnte sich Marco gegen den Türrahmen seiner Kajüte. „Du bist nicht der Typ, der andere deckt.“
 

„Achja? Und das weißt du, weil du mich so gut kennst?“ Ihre Miene änderte sich schlagartig und wurde verärgert, als er diese Vermutung anstellte.
 

„Nein. Ich sage das gerade deshalb, weil ich dich nicht gut kenne.“ Er durchbohrte sie mit seinem Blick und Nikira überkam ein merkwürdiges Gefühl. Dieses Gespräch verlief in eine Richtung, die ihr nicht geheuer war. Sie wusste, dass Marco niemandem einfach so vertraute. Auch wenn sie geglaubt hatte, dass er die Skepsis ihr gegenüber mittlerweile abgelegt hatte. Anscheinend war dem nicht so und dies erinnerte sie an ihre Mission, die sie insgeheim bereits abgeschrieben hatte.
 

„Dann solltest du mich vielleicht besser kennenlernen“, meinte sie überraschend nonchalant. Würde er ihr auf die Schliche kommen, würde er ihr eine schwere Entscheidung abnehmen. Sie müsste nicht von selbst die Wahrheit sagen, denn das hätte er übernommen. Dieser Gedanke wurde immer attraktiver, doch die Angst von den Konsequenzen ebenfalls. Deshalb hielt sie sich zurück. Vor allem, als über Marcos Gesicht ein Schatten huschte.
 

Bevor er etwas erwidern konnte, fragte sie: „Also? Darf ich jetzt die Toiletten putzen?“
 

Er musterte sie einen Augenblick verbissen und fuhr sich anschließend seufzend durch seine blonden Haare. „Planänderung. Wir gehen in die Küche.“ Ohne ihr noch einen Blick zu schenken, ging er an ihr vorbei in Richtung Speisesaal, von dem sie gerade kamen. Seufzend folgte sie ihm still.
 

In der riesigen Schiffsküche befand sich nur Thatch, der über die Arbeitsfläche gebeugt war und einen Zettel studierte. Während Marco mit dem Koch redete, ließ die Rothaarige ihren Blick durch den Raum schweifen. Wie zu erwarten war die Kombüse der Moby Dick riesig, was sie bei der riesigen Besatzung nicht wunderte.
 

Als Nikira ihre Aufmerksamkeit wieder auf die beiden Kommandanten richtete, fiel ihr auf, dass Thatch alles andere als begeistert aussah. Wenn sie ehrlich war, konnte sie ihm das nicht verübeln. Er hatte bestimmt auch besseres zu tun, als einer Laiin jeden einzelnen Schritt erklären zu müssen. Denn das war sie. Ein absoluter Loser, wenn es ums Kochen ging. Nachdem Marco ohne weitere Worte abgerauscht war, lehnte sich Nikira abwartend gegen die Arbeitsfläche und beobachtete den Kommandanten der vierten Division.
 

Thatch grummelte leicht vor sich hin und kratzte sich am Hinterkopf. Er war nicht erfreut über seine Aushilfe. Nicht, weil er sie nicht mochte; ganz im Gegenteil! Sie hatte schlichtweg keine Ahnung vom Kochen und das nervte ihn. Er wollte niemanden in sein Reich lassen, der nicht mit voller Leidenschaft beim Braten, Blanchieren, Grillen und allem anderen war. Dennoch musste er die Sache hinter sich bringen und er hatte schon die richtige Aufgabe für sie.
 

„Kartoffeln schälen. Das könnte passen“, murmelte er und wandte sich zu der Rothaarigen, die ihn mit verschränkten Armen und hochgezogenen Augenbrauen musterte. Sie hatte gehört was er gesagt hatte und war damit nicht wirklich zufrieden. Er traute ihr nicht mehr zu, aber sie wollte auch nicht rummeckern. Immerhin war sie selbst schuld an ihrer misslichen Lage. Sie und ein wenig Ace, der sie nicht davon abgehalten hatte sich zu betrinken.
 

Thatch holte schließlich den riesigen Sack voller Kartoffeln und stellte ihn vor Nikira ab. Diese seufzte, nahm ihm das ihr hingehaltene Messer ab und holte einen kleinen Sessel. Missmutig ließ sie sich darauf fallen und schnitt den Sack auf. Während sie die Kartoffeln halbwegs ordentlich schälte, beobachtete sie ihn aus dem Augenwinkel, der voller Elan Gemüse kleinschnippelte.
 

So ganz konnte Nikira nicht verstehen, wie man solch eine Leidenschaft fürs Kochen übrighaben konnte. Aber sie musste trotzdem leicht grinsen, als er gut gelaunt und vor sich hin summend das geschnittene Grünzeug in den riesigen Topf schmiss.

Irgendwann, nachdem sie eine Kartoffel halbwegs schneiden konnte ohne die Hälfte davon zu verschwenden, unterbrach Thatch sie in ihrem angestrengten Tun.
 

„Nikira? Ich lass dich für eine unbestimmte Zeit alleine. Deine restlichen Aufgaben habe ich Schritt für Schritt auf diesen Zettel hier geschrieben,“ meinte er und deutete auf die besagte Liste, „Alles klar?“
 

Die Rothaarige nickte und sah dem Piraten kurz hinterher. Sie wunderte es ein wenig, dass er sie wirklich alleine in seinem heiligen Reich ließ. Erleichtert seufzte sie jedoch auf und schmiss schlussendlich die letzte geschälte Kartoffel in die riesige Schüssel neben ihr. Für einen Moment hielt sie inne und genoss die Ruhe in der Schiffsküche. Sie stützte sich mit ihren Ellbogen auf der hochglanzpolierten Arbeitsfläche ab und besah sich die weiteren Aufgaben.
 

„Wirklich, Thatch?“, murmelte sie leicht ungläubig, als sie all die langweiligen Dinge auf der Liste sah. Er hatte ihr nur aufgetragen verschiedene Gemüsesorten zu schneiden. Ziemlich viel Gemüse, um ehrlich zu sein.

Sie rieb sich mit dem Handrücken über die Stirn und begab sich in die Speisekammer. Von dort holte sie einen Sack Zwiebeln. Sie schnitt ihn auf und legte sich zahlreiche Stücke auf die Arbeitsfläche.
 

Mit wenig Begeisterung fing sie an und stellte schnell fest, dass sie diese runden Dinger hasste. Ihre Augen brannten wie die Hölle und der penetrante Geruch stieg ihr unaufhörlich in die Nase. Genervt vergrub sie ihr Gesicht zwischen ihrem Ober- und Unterarm, um dem Geruch zu entgehen.
 

„Alles klar bei dir?“, ertönte es auf einmal zu ihrer Linken. Der hatte ihr gerade noch gefehlt.
 

„Was willst du hier?“ Sie antwortete ohne ihre Haltung zu ändern.
 

„Ich wollte sehen wie es dir bei deiner Arbeit ergeht.“ Ace lachte belustigt.
 

Nikira hob ihren Kopf und blinzelte ein paar Mal, da ihr Blick aufgrund der Nässe in ihren Augen unscharf geworden war. Sie hasste Zwiebeln!
 

„Woah! Kein Grund deshalb vor Freude zu weinen“, fügte er amüsiert hinzu, als er ihre roten Augen sah.

Die Rothaarige warf ihm einen genervten Blick zu. „Wenn du hier bist um zu nerven, kannst du auch gleich wieder verschwinden.“ Sie widmete sich wieder ihrer Arbeit. Insgeheim war sie froh darüber, dass er sie mit seiner Anwesenheit beehrte. Wenn er bei ihr war, konnte sie sich sicher sein, dass es nicht öde werden würde.
 

„Eigentlich wollte ich mich bedanken, dass du mich nicht verpetzt hast.“ Er lehnte sich mit verschränkten Armen gegen die Arbeitsfläche.
 

„Kein Ding“, murmelte sie. Sie empfand es als unnötig sich dafür zu entschuldigen. Er hätte dasselbe in ihrer Situation getan.
 

„Ich hoffe Marco war nicht allzu wütend.“
 

Konzentriert schnitt sie die Knolle in kleine Stücke. „Naja. Ich konnte ihn sowieso nicht ganz ernst nehmen mit dem Gekritzel im Gesicht.“ Ein Schmunzeln zierte ihre Lippen, als sie an das Bild dachte. Das würde ihm noch ewig nachhängen!
 

Ace lachte. „Verständlich. Es sah aber auch wirklich lustig aus.“
 

Schweigen kehrte ein. Sie erledigte ihre Pflichten und er sah ihr dabei zu.
 

„Brauchst du Hilfe?“, ertönte es nach einiger Zeit.
 

Überrascht sah Nikira auf. Sie hatte ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, dass er ihr seine Hilfe anbot. Dennoch nickte sie. „Eh, ja. Du könntest die Sachen aus der Vorratskammer holen.“ Sie hielt ihm den Zettel vors Gesicht, den er gleich entgegennahm.
 

„Alles klar.“ Ace grinste und salutierte spaßeshalber. Damit entlockte er ihr kleines Grinsen, welches ihm natürlich nicht entging. Zufrieden machte er sich auf, um seine Aufgabe zu erledigen.
 

Nikira konzentrierte sich indessen wieder auf die verhassten Dinger vor ihr. Ihr fehlten nicht mehr viele. Während sie die Zwiebeln schnitt, schweiften ihre Gedanken zu dem Schwarzhaarigen.
 

Heute hatte sie noch nicht viel Zeit gehabt, über gestern Nacht nachzudenken. Jetzt, wenn sie auf den Abend zurückblickte, war er recht unterhaltsam gewesen. Sie konnte sich zwar nicht mehr an alle Worte erinnern, die aus ihr herausgesprudelt waren, aber sie war sich auch nicht sicher, ob sie das überhaupt wollte. Sie konnte sich vorstellen, dass nicht alles sinnvoll gewesen war, was sie von sich gegeben hatte. Kurz kam ihr sogar in den Sinn, dass sie vielleicht etwas über ihre Mission verraten hatte. Doch wenn dem so wäre, würde Ace sich nicht so verhalten wie sonst auch. Das redete sie sich zumindest ein.

Sie stoppte mit dem Schälen und senkte ihre Arme. Nikira biss sich auf die Lippen und drehte ihren Kopf in Richtung der Vorratskammer, in der sich Ace um die Lebensmittel kümmerte.
 

Sie hatte wirklich nichts gesagt, oder? Umso länger sie darüber nachdachte, desto unsicherer wurde sie.

Plötzlich ertönte ein Krachen und riss somit die Rothaarige aus ihren Gedanken. Sie runzelte die Stirn. Das kam gerade aus der Vorratskammer. Nachdem sie das Messer und die Zwiebel weggelegt hatte, begab sie sich zu dem kleinen Raum.
 

Auf dem Boden lag eine Schüssel, die zum Glück aus einem robusten Material bestand. Der Kommandant schenkte dem keine Beachtung, sondern stand gestreckt vor einem Regal und versuchte an etwas ranzukommen.
 

Dabei entstand ein faszinierendes Spiel seiner Muskeln, welches Nikira für kurze Zeit gespannt verfolgte. Jedoch rief sie sich schnell zur Besinnung und schüttelte den Kopf, um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
 

„Brauchst du Hilfe?“ Sie benutzte dieselben Worte wie er zuvor auch.
 

Stirnrunzelnd drehte er sich um, ohne von seinem Unterfangen abzulassen. „Glaub ich kaum, Zwerg.“ Bei dem neuen Spitznamen verzog sie ihr Gesicht.
 

„Ich bin kein Zwerg“, murrte sie, „Was holst du da überhaupt?“
 

Bei ihrem missmutigen Ausdruck grinste er und beantwortete schließlich ihre Frage: „Hinter dem Sack voll Mehl stehen die Äpfel.“ Er stellte sich gerade hin und wandte sich zu der Rothaarigen.
 

„Wer ist so bescheuert und packt einen Sack voller Äpfel und einen voller Mehl ganz nach oben?“ Sie runzelte die Stirn.

Ace zuckte nur mit den Schultern und sah wieder nach oben. Plötzlich erhellte sich sein Gesicht, woraufhin Nikira ihn skeptisch musterte. Dieser Ausdruck bedeutete nichts Gutes. Das wusste sie mittlerweile.
 

„Ich hebe dich hoch“, verkündete er zufrieden mit seiner Idee.
 

„Ich glaube nicht, dass –“ „Komm schon!“ Ace unterbrach sie einfach und deutete mit seiner Hand, dass sie zu ihm kommen sollte.
 

Nikira rieb sich den Nasenrücken und seufzte. „Schön, aber wehe du lässt mich fallen!“ Mit wenig Begeisterung machte sie ein paar Schritte auf ihn zu.
 

Sie holte tief Luft, sah den Schwarzhaarigen an und stockte. Seine Lippen zierten ein schiefes Grinsen. Es war dieses besondere Grinsen, bei dem jede Frau den Verstand verlor und bei dem sogar Nikiras Herz für einen Moment aussetzte und doppelt so schnell weiterschlug wie zuvor.
 

Und seine nächsten Worte machten es nicht besser: „Es würde mir nicht im Traum einfallen, dich fallen zu lassen.“ Seine schon beinahe sanften Worte, die durch sein mittlerweile leichtes Lächeln untermalt wurden, trieben Nikira Hitze ins Gesicht. Sie war froh, dass es hier so dunkel war, denn ihr war es unangenehm, dass solch einfache Worte ihr so zusetzten.

Wenn sie ehrlich war, bedeutete ihr diese Aussage sogar unheimlich viel. Auch wenn der Kontext ein ganz anderer war und er es auch nicht so meinte. Das änderte nichts daran, dass ihr in ihrem Inneren warm wurde.
 

Um auf andere Gedanken zu kommen, sagte sie schnell: „Hoff ich doch. Also? Wie hast du dir das gedacht?“ Sie deutete mit einem Nicken nach oben und stützte ihre Hände in die Hüften.
 

Ace Lächeln verschwand. Stattdessen runzelte er nachdenklich die Stirn. „Ich glaube, wenn ich dich hochhebe bist du noch immer nicht hoch genug. Vielleicht anders.“ Er sah nochmal kurz nach oben, ging ein wenig in die Knie und verschränkte seine Finger miteinander. Auffordernd grinste er sie an. „Ich bin bereit.“
 

Nikira betrachtete ihn skeptisch. „Das sehe ich, aber bist du dir sicher, dass das klappt?“ Sie war noch immer nicht ganz überzeugt davon.
 

„Klar! Ist ja schließlich meine Idee.“ Er lachte.
 

„Deshalb frage ich ja“, murmelte sie zu sich selbst, ging aber auf ihn zu. Etwas zögerlich legte sie ihre Hände auf seine Schultern. Wie immer, wenn sie mit seiner Haut in Berührung kam, war sie überrascht über die Hitze, die sie ausstrahlte. Und wie immer seit einer geraumen Zeit fing ihre bei dem Kontakt an zu kribbeln.
 

Nikira verwarf den Gedanken und stieg mit ihrem Fuß in seine verschränkten Finger. Sie hob ihren Kopf und nickte Ace zu. Dieser stand langsam auf. Kurz schwankte sie, fand aber schnell halt an dem Regal. Mit ihrem anderen Fuß stand sie auf der nächsten Ablage.
 

„Du bist ganz schön schwer“, kam es plötzlich von dem Schwarzhaarigen.
 

Die Jüngere warf ihm einen verärgerten Blick zu. „Übertreib mal nicht.“
 

Ace lachte nur. Natürlich war sie nicht schwer, aber es machte zu viel Spaß sie zu ärgern.

Was er nicht sah, war das kleine Grinsen in ihrem Gesicht. Sein Lachen war ansteckend und versursachte ein Gefühl der Zufriedenheit in ihr. Allein dieses Geräusch reichte aus, um all die negativen Emotionen loszuwerden. Es war plötzlich so…einfach glücklich zu sein.
 

Mit diesem Gedanken schob sie mühsam den vorderen Sack auf die Seite und griff nach hinten zu dem anderen. Sie erwischte ihn gerade so und musste sich anstrengen, ihn überhaupt zu bewegen. Es war nicht einfach, denn die Ablage war voll mit anderem Zeug.
 

„Kannst du dich ein bisschen beeilen, Kira?“ Ace‘ Stimme klang gepresst.
 

Sie verdrehte die Augen. Nicht über den Spitznamen. An den hatte sie sich bereits gewöhnt. „Ich sagte du sollst nicht übertreiben. So schwer bin ich nicht.“
 

„Darum geht es nicht. Du bist alles andere als schwer,“ fing er an und machte eine kurze Pause, in der er anfing zu pusten, „Vor mir hängt eine riesige Spinne.“
 

Bei seiner Aussage runzelte Nikira die Stirn und sah auf ihn herab. Hatte sie sich gerade verhört? „Sag nicht du hast Angst vor Spinnen.“
 

„Angst würde ich das nicht bezeichnen. Ich finde sie nur ziemlich ekelhaft.“ Er räusperte sich, während die Rothaarige anfing zu grinsen.
 

„Ich glaub’s nicht! Portgas D. Ace hat Angst vor Spinnen.“ Beinahe spöttisch entkamen ihr diese Worte.
 

„Das ist keine Angst.“ Der Kommandant brummte beleidigt.
 

Nikira umgriff wieder das raue Material und zog daran. „Rede dir das ruhig ein“, meinte sie belustigt. Fast hatte sie es geschafft. Nur noch vorbei zwischen dem Sack voll Mehl und einem Kübel, dessen Inhalt sie nicht wissen wollte. Fest zog sie daran. Sie hatte ja gewusst, dass Äpfel nicht unbedingt leicht waren, aber das war beinahe übertrieben. Während sie den Sack Stück für Stück vor bewegte, bemerkte sie nicht, dass sie den vorderen ebenfalls nach vorne schob.
 

Erst, als er nach vorne kippte reagierte sie. Schnell griff sie mit ihren Händen an das untere Ende um Schlimmeres zu verhindern. Dachte sie zumindest. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass er offen war und prompt entleerte sich der Inhalt über ihre Köpfte. Ein überraschter Ton entfloh ihrem Mund, ehe sie ihre Augen fest zusammendrückte und ihren Kopf senkte, damit sie kein Mehl ins Gesicht bekam. „Was…?“, entkam es Ace nicht minder überrascht. Sie fluchte innerlich, als sie die Luft anhielt und es einfach geschehen ließ.
 

Nach kurzer Zeit öffnete sie zaghaft die Augen und hob wieder ihren Kopf. Das Mehl hatte eine kleine Wolke in dem Raum verursacht. Langsam sah sie nach unten zu Ace, der ebenfalls zu ihr blickte.
 

Nikira musterte ihn mit großen Augen. Seine ganzen Haare waren nicht mehr schwarz, sondern weiß. Selbst seine Wimpern hatten eine andere Farbe angenommen. Wie in Trance ließ er sie runter. Die Äpfel längst vergessen.
 

Sprachlos sahen sie sich an. Sein Erscheinungsbild war bescheuert, aber das Beste daran war, dass sie genauso aussah. Und obwohl sie gerade eine riesen Sauerei veranstaltet hat, dachte sie nicht mal ansatzweise daran. Viel mehr vernahm sie dieses Gefühl in ihrem Inneren, welches sich in ihrer Brust befand. Es fühlte sich an wie ein Funken, der immer größer wurde und dieser Funken fühlte sich gut an.
 

Deshalb löste sie ihre verkrampfte Haltung und presste ihre Lippen fest aufeinander. Sie wandte den Blick von ihrem Gegenüber ab und Ace dachte, sie würde anfangen zu weinen. Ihre mit Mehl bedeckten Schultern bebten.
 

„Alles ok?“, fragte er deshalb besorgt, nicht ahnend, dass es mehr als ok war.
 

Für Nikira, die versucht hatte sich zu beherrschen, waren diese zwei einfachen Worte ausschlaggebend. Sie überließ ihren Gefühlen das Steuer, hob ihren Kopf und lachte. Sie lachte, ließ diesen Funken frei und genoss die Unbeschwertheit, die damit verbunden war. Sie konnte sich nicht mehr daran erinnern, wann sie das letzte Mal dem Drang nachgegangen war zu lachen. Wann sie überhaupt das letzte Mal diesen Drang verspürt hatte.
 

Und während Nikira einfach loslachte, stand Ace vor ihr und war sprachlos. Er hatte natürlich schon von vielen dieses Geräusch gehört, aber noch nie hatte er sich so darüber gefreut wie in diesem Augenblick. Es war mit so viel Ehrlichkeit verbunden, dass er gar nicht anders konnte, als selbst das Bedürfnis zu verspüren zu lachen. Mit einem Grinsen lehnte er sich gegen das Regal und betrachtete die Kleinere dabei, wie sie sich die Tränen aus den Augen wischte.
 

Ihre Reaktion auf dieses Dilemma war so viel besser als alles auf der Welt und er hätte nie gedacht, dass ein einfaches Lachen ihn so glücklich stimmen konnte. Auch wenn es unbewusst passiert war, so hatte er sein Versprechen eingehalten. Sie lachte und das war, was zählte. Nicht seine Gefühle für sie, die sich mittlerweile drastisch geändert hatten und ihm zu Denken gaben. Auch nicht die Tatsache, dass sie vermutlich nicht dasselbe fühlte wie er. Nichts davon war relevant, solange er sie lachen sah. Es klang vermutlich kitschig und absurd, aber ihr Lachen war wie Musik in seinen Ohren und jetzt wo er es gehört hatte, wollte er es nicht mehr missen.
 

Ace‘ Grinsen verwandelte sich in ein sanftes Lächeln, als Nikira Luft holte und sich anscheinend wieder beruhigt hatte. Genau im richtigen Moment, denn plötzlich tauchte Thatch in der Tür auf und besah sich wütend die Sauerei.
 

„Wieso liegt in meiner Speisekammer überall Mehl und wieso seid ihr voll damit?“ Verärgert deutete er auf den Boden. Als er Schulterzucken und unschuldige Blicke kassierte, verdüsterte sich sein Gesichtsausdruck. „Verschwindet. Schnell. Und wehe einer von euch betritt noch einmal mein Reich.“ Das ließen sie sich nicht zweimal sagen. Während die junge Frau noch immer verhalten lachte und schnell aus dem Raum verschwand, verharrte der Kommandant kurz an Ort und Stelle.
 

Er schüttelte belustigt den Kopf, klopfte Thatch auf die Schulter und meinte ehrlich: „Danke.“
 

Ace huschte an dem Blondschopf vorbei und folgte Nikira aus der Küche. Zurück ließ er einen verwirrten Küchenchef, der nicht ganz verstand warum sich der Jüngere bei ihm bedankte. Im Gegensatz zu ihm war Thatch nämlich nicht aufgefallen, dass die 18-Jährige zum ersten Mal, seit sie auf der Moby Dick war, gelacht hatte. Deshalb schüttelte der Mann mit der Tolle den Kopf und kümmerte sich eigenständig um die Sauerei.
 

„Nie wieder lasse ich einen von ihnen hierher. Nichts als Ärger mit den beiden“, murmelte er vor sich hin und schnappte sich einen Besen. Dabei schwirrten ihm schon Ideen für das morgige Mittagessen durch den Kopf.
 

„Curry mit Ananas gab es schon lange nicht mehr.“

Heartbeat

Energisch schlug Nikira auf den Sandsack ein. Ihre leicht gebräunte Haut war überzogen mit Schweiß und ihr Atem ging hektisch, wie als hätte sie einen Marathon hinter sich. So fühlte sie sich zumindest, denn seit einer halben Stunde malträtierte sie den Boxsack vor ihr bis aufs Letzte.
 

Einen Grund dafür gab es nicht. Es gab mehrere. Zum Beispiel wäre da ihre Mission, für die ihr Vater ihr damals noch zwei Wochen gegeben hatte. Genau genommen hätte sie noch elf Tage, für das Beenden ihres Auftrages. Hätte, weil sie in ihrem Unterbewusstsein nicht vorhatte zurückzukehren. Andererseits war Akainu, ihr zweiter Grund, noch immer ihr Vater und die Marine noch immer so etwas wie ihre Familie. Irgendwie.
 

Sie hielt inne und stoppte den Boxsack mit ihren Händen. Seufzend legte sie ihre Stirn auf das kühle Material. Und dann gab es da noch Ace, der nicht der war, für den sie ihn gehalten hatte. Ace war besser als das. Viel besser.
 

„Schon erledigt, oder was?“, ertönte es plötzlich hinter ihr, woraufhin sie erschrocken zusammenzuckte. Etwas durcheinander drehte sie sich zu Ace um, der sie eingehend musterte. Wenn man vom Teufel denkt, schoss es ihr durch den Kopf.
 

„Du schleichst dich ziemlich gerne an, hm?“ Nikira sah ihn vorwurfsvoll an.
 

Ace grinste sie unschuldig an und prompt fing ihr Herz an zu flattern. Sie räusperte sich, da dieses aufregende Gefühl sie überraschte. Und um es zu verdrängen.
 

„Ja. Es macht Spaß dich zu erschrecken.“
 

Die Rothaarige verdrehte die Augen. „Was machst du eigentlich hier?“ Irgendwie stellte sie ihm diese Frage sehr oft in letzter Zeit.

„Glaubst du, dass das hier von irgendwo kommt?“ Er deutete auf seinen Bauch und somit auf seine beeindruckenden Muskeln.

Ausgiebig betrachtete sie seinen Körper und verinnerlichte sich das, was sie sah, bevor sie meinte: „Hm. Nein.“
 

Der Pirat schenkte ihr ein Lächeln und verschränkte seine Arme hinter den Kopf. „Bist du schon fertig mit dem Training und hast Lust auf einen kleinen Kampf?“
 

Bei seiner Frage zog sie ihre Augenbraue nach oben. „Was? Damit du wieder auf unfaire Weise gewinnst?“ Sie erinnerte sich noch gut daran, als sie das letzte Mal gegeneinander gekämpft hatten. Sie hatte ihn besiegt, doch er ließ sich das nicht gefallen und hat sie auf den Boden festgenagelt, nachdem sie ihm die Hand geben wollte.
 

„Sieh‘ es als Revanche. Jetzt hast du die Chance mit unfairen Mitteln zu gewinnen.“ Ace begab sich zu den Matten. Er wusste, dass sie nicht nein sagen würde.
 

„Ich brauche keine unfairen Mittel um zu gewinnen“, meinte sie siegessicher und folgte ihm. Um ihre Worte zu untermalen, knackste sie mit den Knochen in ihren Fingern.
 

„Das werden wir gleich sehen.“ Der Schwarzhaarige schien sich zu freuen wieder gegen sie kämpfen zu dürfen, obwohl er letztes Mal eigentlich verloren hatte.
 

Wie vor ein paar Wochen und wie sie es ab und zu in dem Trainingsraum der Moby Dick übte, stellte sie ein Bein mit Abstand vor das andere und ging in die Knie. Sie hob ihre Arme und bildete mit ihren Händen Fäuste.
 

Im Gegensatz zu damals hatte er kein Grinsen im Gesicht. Er nahm sie ernst, denn mittlerweile wusste er, dass sie kämpfen konnte. Mit dem Schwert und mit ihren bloßen Händen. Dennoch lächelte er wegen der Vorfreude auf den kleinen Kampf mit der hübschen Rothaarigen, die ihm einen kleinen Bonus bescherte, indem sie nur eine kurze Sportshorts und ein ebenso sportliches Top trug, welches unter ihrer Brust endete. Es fiel ihm schwer die Augen von ihrem leicht durchtrainierten Körper zu nehmen, dennoch versuchte er sich zusammenzureißen. Er wollte nicht so starren.
 

Deshalb richtete er seine Aufmerksamkeit auf ihr Gesicht, welches konzentriert, aber nicht ansatzweise verspannt wirkte. Eher im Gegenteil. Sie sah aus, als würde sie sich genauso auf die Herausforderung freuen wie er selbst.
 

Schlussendlich war es Ace, der den Anfang machte. Dieses Mal ging sie zu Beginn in die Defensive. Blockte und wich aus. Damit verwirrte sie den Schwarzhaarigen, der mit einem flinken Angriff gerechnet hatte. Doch das hatte sie nicht vor. Sie wartete auf den richtigen Moment. Auf eine Lücke in seinem aggressiven Angriff. Und der kam auch. Sie duckte sich wie die anderen Male unter seinem Arm hinweg, stützte sich mit einer Hand am Boden ab und trat ihm in den Bauch. Dadurch musste er einen Schritt nach hinten machen. Diesen kurzen Augenblick nutzte sie, ging in die Knie und wollte ihm wieder die Beine wegtreten. Ace rechnete allerdings damit und wich geschickt aus. Doch Nikira hatte seine Reaktion vorhergesehen und hatte nur darauf gewartet. Schnell war sie hochgesprungen und trat ihn abermals. Allerdings dieses Mal hart gegen den Kopf. Bei der Landung taumelte sie kurz. Diesen Trick hatte sie schon lange nicht mehr angewandt. Dementsprechend war die Ausführung nicht perfekt.
 

Dennoch stellte sie zufrieden fest, dass Ace am Boden lag und sie verdutzt ansah. Jedoch fing er sich recht schnell wieder.
 

„Ich wusste gar nicht, dass du so etwas kannst.“ Er rappelte sich auf und schien beeindruckt.
 

Nikira lächelte leicht und murmelte: „Ich bin auch nicht gut in dieser Kampfkunst.“
 

„Das sehe ich anders.“ Dann griff er wieder an.
 

Er lernte immer wieder Neues über sie, indem sie überraschende Dinge tat. Wie ihre Art zu kämpfen, die zeigte, dass sie Erfahrung darin hatte.
 

Nikira war wie in einem Rausch. Dieser Kampf machte ihr Spaß und das hatte sie schon länger nicht mehr erlebt. Vielleicht lag es daran, dass Ace ihr Gegner war. Sie wusste es nicht sicher. Statt sich weiter darüber Gedanken zu machen, packte sie ihr ganzes Repertoire an Tricks aus, die sie von Garp hatte. Dabei war ihre Schnelligkeit eine große Hilfe. Immer wieder landete sie Treffer. Treffer, die zwar nicht so hart waren wie die von dem Piraten, aber immerhin. Allerdings musste sie auch einstecken, denn er war nicht umsonst Kommandant der zweiten Division.
 

Irgendwann ging sie kurz auf Abstand, um eine kurze Pause einzulegen. Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht, die auf ihrer Haut klebten und fuhr sich anschließend mit dem Handrücken über die Stirn. Der Kampf verausgabte sie und ihr war mittlerweile furchtbar heiß. Ace schien es da besser zu gehen, aber er hatte vorhin auch nicht eine halbe Stunde auf einen Sandsack eingeschlagen…
 

„Brauchst du eine Pause?“
 

Prompt schüttelte sie den Kopf. „Nein. Geht schon.“ Sie stieß Luft aus und bewegte sich wieder auf ihn zu. Ihr war aufgefallen, dass sie schon länger nicht mehr nur die Matte als Kampfareal benutzten. Alles in dem Raum wurde genutzt.
 

Als sie ihm nahe gegenüberstand, ging das ganze wieder von vorne los, nur dieses Mal stieß er nach ein paar Angriffen mit beiden Händen so fest gegen ihre Brust, dass sie nach hinten stolperte und ziemlich hart gegen die Wand prallte. Sie kniff reflexartig die Augen zusammen, als ihr Kopf das Holz traf. Keuchend öffnete sie sie wieder und zuckte zusammen als Ace so dicht vor ihr stand, dass sie seine Sommersprossen hätte zählen können. Er hatte sich mit beiden Händen neben ihren Kopf gestützt.
 

„Entschuldigung. Ich wollte dir nicht wehtun“, murmelte er atemlos und suchte in ihrem Gesicht Anzeichen von Schmerzen.

Etwas benommen, ob von seiner Nähe oder dem Aufprall sei dahingestellt, meinte sie: „Keine Sorge. Hast du nicht.“ Bevor er reagieren konnte, hatte sie sich wieder gefangen und duckte sich unter seinem Arm hinweg. Sie ging etwas auf Abstand und deutete ihm mit ihrer Hand, dass er weitermachen sollte. Er atmete tief ein und tat wie befohlen. Nur ungern gab er es zu, aber mittlerweile war er ziemlich erschöpft. Dennoch gab er nicht auf und griff wieder an.
 

Doch Nikira hatte genug. Sie wollte dieses kleine Spiel beenden, weshalb sie konzentriert wartete. Sie schob im richtigen Moment ihren Arm vor seine Brust, drückte mit ihrem Bein in seine Kniekehlen und brachte ihn mit Kraft zu Fall.

Die Rothaarige reagierte schnell und umfasste seine Handgelenkte. Mit leichter Gewalt drückte sie ihn nach unten. Sie war es, die ihm bewusst nahe war. Die sich über ihn beugte und mit ihrer Nasenspitze seine berührte.
 

Ihre Augen suchten die des Piraten. Seine beinahe schwarzen Iriden funkelten und strahlten so viel Leidenschaft aus, wie sie bisher bei keinem anderen wahrgenommen hatte. Es war etwas Besonderes bei dem Schwarzhaarigen und eine Sache, die die 18-Jährige in den Bann zog.
 

Ihre und Ace‘ Atmung ging flach, doch das war nur Nebensache. Ihr Oberkörper drückte sich gegen seinen und Nikira bildete sich ein, seinen Herzschlag zu spüren. Seinen Herzschlag, der ihrem so ähnlich war. Schnell und fest, als würde das Herz aus dem Inneren ausbrechen wollen. Im Einklang pochten sie um die Wette und doch waren sie immer gleichauf. Aber es war nicht das Adrenalin, welches das Rasen verursachte. Nicht nur.
 

„Warum schlägt dein Herz so schnell?“, murmelte Ace unter ihr, der keinerlei Anstalten machte, sich aus ihrem Griff zu lösen.

Nikira schluckte bei seinen Worten. Fühlte sich ertappt und doch: „Das könnte ich dich auch fragen.“ Ihre Stimme klang heiser. Nur mit Mühe riss sie sich von dem Anblick seiner glühenden Augen los. Stattdessen fixierte sie seine Lippen. Sie waren nicht wie üblich zu einem Lächeln verzogen, sondern leicht geöffnet.
 

Ihr kam der Gedanke, wie es wohl wäre, wenn sie ihre Lippen auf seinen platzieren würde? Wie es sich anfühlen würde? Weich und warm? Sie war neugierig und doch bewegte sie sich nicht. Es war wie ein innerer Kampf. Ihr Körper und ihr Herz sagten ihr, sie sollte es wagen. Sollte die wenigen Zentimeter überbrücken. In ihrem Kopf sah es anders aus. Etwas blockierte sie und hielt sie davon ab, über ihren Schatten zu springen und sie wusste auch schon was.
 

„Stören wir gerade?“, ertönte es auf einmal belustigt vom Eingang zum Trainingsraum.
 

Bei dieser Stimme zuckte Nikira erschrocken zusammen und schaffte schnellstmöglich Abstand zwischen sich und dem Schwarzhaarigen. Hektisch rappelte sie sich auf und ignorierte ihr Herz, welches vor Aufregung schnell weiterschlug. Verkrampft strich sie sich die Haare aus dem Gesicht, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatten und starrte stur zu den Kommandanten und anderen Piraten. Dabei war ihr bewusst, dass ihr Gesicht rot wie eine Tomate war.
 

„Ganz und gar nicht. Wir sind fertig“, meinte sie hektisch und versuchte die Situation herunterzuspielen. Man konnte ihr ansehen, wie unwohl sie sich gerade fühlte. Unwohl und ertappt. Das Grinsen der Piraten machte es auch nicht besser. Im Gegenteil.
 

Die 18-Jährige biss sich auf die Lippen. Sie musste daran denken, wie nah sie Ace gerade gewesen war und was ihr in dem Moment in den Sinn gekommen war. Sie hatte mit dem Gedanken gespielt ihn zu küssen. Auch wenn sie es nicht getan hatte, so hatte sie daran gedacht und das verwirrte sie. Was hatte das zu bedeuten?
 

Sie räusperte sich. Den Schwarzhaarigen, der auf dem Boden saß und genauso ratlos war, versuchte sie so gut es ging zu ignorieren. Und doch konnte sie nicht anders, als ihm einen letzten unsicheren Blick zuzuwerfen, bevor sie sich mit gesenktem Kopf durch die Meute schob und fluchtartig den Raum verließ.
 

Es war mitten in der Nacht, als Nikira die Tür zum Deck aufstieß und sich streckend an die Reling stellte. Sie unterdrückte ein Gähnen und betrachtete das weite Meer, auf dessen Oberfläche die Sterne funkelten wie tausend Diamanten. Die Rothaarige stützte ihre Ellbogen auf dem Holzgeländer ab. Sie wurde wehmütig bei dem Anblick der sich ihr bot. Nikira war bereits als kleines Kind fasziniert von dem blauen Element. Sie wollte immer aufs Meer segeln. Sie hatte sich geschworen es irgendwann zu tun. Jetzt, da sie es wirklich getan hatte, wollte sie nicht mehr aufs Festland zurück. Nicht zu ihren Pflichten bei der Marine und nicht zu ihrem Vater, der ihr wieder keinerlei Beachtung schenken würde. Sie wollte hierbleiben. Auf der Moby Dick. Hier bei Whitebeard und bei…Ace.
 

Sie seufzte und wechselte ihr Standbein.
 

Dieser Pirat war schuld daran, dass sie schlaflos in ihrem Bett gelegen und stur die Decke angestarrt hatte. Stundenlang. So sehr sie sich auch bemüht hatte, immer waren ihre Gedanken zu dem Piraten gewandert. Wie sehr sie die Momente mit ihm genoss und wie merkwürdig sie sich fühlte, wenn sie in seiner Nähe war. Wenn er sie berührte.

Nikiras Herz wurde schwer. Wenn sie ehrlich war, dann wollte sie die Wahrheit nicht aussprechen und auch nicht denken. Sie hatte ein verdammt großes Problem.
 

Natürlich hatte sie versucht ihre Gefühle zu unterdrücken. Eine Zeit lang hatte das sogar recht gut funktioniert. Aber der Schwarzhaarige machte es ihr nicht leicht. Ständig war er um sie herum. Brachte sie auch noch zum Lachen und ließ sie all ihre Pflichten, die so schwer auf ihren Schultern lasteten, vergessen.

Sie hatte aufgehört es zu leugnen und war sich ziemlich sicher. Ob sie es wollte oder nicht, aber sie war auf dem besten Weg Ace in ihr Herz zu lassen. Einen Piraten.
 

Ein ungläubiges, leises Lachen verließ ihren Mund. Sie vergrub ihre Finger in ihren Haaren und blickte auf das Wasser, welches in kleinen Wellen gegen den Bug schlug.
 

„Was würdest du mir jetzt raten, Mama?“, nuschelte sie schwerfällig.
 

Kaum hatte sie diese Frage ins Nichts gestellt, nahm sie eine anklagende Stimme hinter ihr wahr: „Solltest du nicht schlafen, Kleine?“ Die Rothaarige zuckte zusammen und drehte sich überrascht um.
 

Als sie die Person vor sich sah, schlich sich ein leichtes Lächeln auf ihre Lippen.

„Sollten alte Männer um die Zeit nicht auch schon längst im Bett sein?“ Beinahe belustigt musterte sie den blonden Mann mit der Tolle, der lässig auf sie zukam. Er sah nicht ansatzweise müde aus. Eher im Gegenteil.
 

Als er neben ihr stand, zog er seine Augenbrauen nach oben. „Hast du mich gerade alter Mann genannt? Ich bin doch nicht alt.“ Er grinste und verursachte dadurch kleine Lachfalten, aber das erwähnte Nikira jetzt lieber nicht.
 

„Jung bist du aber auch nicht“, meinte sie feixend und wandte sich belustig wieder zum Meer.
 

„Da hast du Recht.“ Thatch lachte leise. „Aber jetzt mal im Ernst. Warum bist du wach?“ Er musterte sie neugierig von der Seite.
 

Die Rothaarige zuckte mit den Schultern, obwohl sie die Antwort kannte. „Zu viele Gedanken schätze ich.“
 

Der Kommandant der vierten Division stieß einen wissendenden Laut aus. „Das kenne ich.“
 

„Bist du deshalb hier?“, fragte sie interessiert.
 

Er überlegte kurz. „Ja. Irgendwie schon.“
 

Neugierig hakte sie nach: „Verrätst du mir auch, um was sich deine Gedanken drehen?“
 

Für einen Moment dachte sie, dass er verneinen würde. Zumindest starrte er lange und schweigend auf den Ozean hinaus.

Schließlich wandte er sich zu der 18-Jährigen. „Es geht um eine außergewöhnliche Teufelsfrucht. Man nennt sie die Finsterfrucht.“ Bei seiner Antwort runzelte sie die Stirn. Irgendetwas war da. Der Name kam ihr bekannt vor, aber mehr auch nicht. Deshalb fragte sie: „Die Finsterfrucht?“
 

„Ja. Sie ist selbst unter den Teufelsfrüchten etwas Besonderes. Mit dieser Logia-Frucht kann man Dunkelheit erzeugen und andere Teufelskräfte unterdrücken. Dadurch ist es möglich, andere Logiafrucht-Nutzer zu verletzen.“
 

Kurz ließ Nikira seine Worte auf sich wirken. Dieser Kraft klang unheimlich. „Und wieso denkst du viel über sie nach? Was hast du mit ihr vor?“ Skeptisch musterte sie ihn von der Seite. Sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. Thatch war noch immer ein Pirat und Piraten waren nicht so harmlos wie sie immer taten. Selbst die Whitebeards nicht. Sie waren nicht umsonst von vielen gefürchtet. Wenn Thatch tatsächlich die Finsterfrucht essen sollte, dann könnte das gravierende Folgen haben. Der Kommandant würde sie zwar nicht leichtfertig nutzen, aber sie war sich nicht sicher, ob es nicht sinnvoller wäre, wenn die Frucht von der Marine sicher verwahrt werden würde.
 

„Nun, ich werde sie mir holen und anschließend essen.“ Ein breites Grinsen schlich sich auf seine Lippen.
 

„Du weißt wo sie ist?“, fragte sie überrascht. Damit hatte sie nicht gerechnet. Oft wurde der Aufenthaltsort streng geheim gehalten. Unter der Annahme, dass überhaupt jemand wusste wo sie war.
 

„Ich weiß nicht nur wo sie ist, sondern auch wer sie hat.“ Ein Schatten huschte plötzlich über sein Gesicht und verursachte einen unangenehmen Schauer bei Nikira.
 

Zögerlich fing sie an: „Und wer hat sie?“
 

Thatch schenkte der jungen Frau ein düsteres Lächeln. „Ein Mann, dessen Namen niemand kennt. Er ist bekannt als König der Unterwelt. Dieser selbsternannte König hat die Finsterfrucht und er will sie verkaufen. Bald. Und wenn sie in die falschen Hände gerät, kann das schwerwiegende Folgen mit sich bringen.“
 

„Schwerwiegende Folgen?“ Nikira richtete sich auf und versuchte all die Informationen zu verdauen. Sie hatte keine Ahnung, woher er all diese Dinge wusste.
 

„Du weißt, dass der Posten als Kaiser sehr begehrt ist, oder? Mit dieser Kraft könnte man einen solchen erlangen. Sie ist deshalb eine Gefahr für Whitebeard und somit auch für viele Inseln, die unter seinem Schutz stehen. Verstehst du? Dass ich dadurch stärker werde, ist nur ein zusätzlicher Bonus.“ Ernst sah er sie an und versuchte ihr seine Beweggründe vor Augen zu führen.
 

Langsam nickte die Angesprochene. Sie versuchte seine Aussagen objektiv zu betrachten. Er hatte nicht Unrecht mit dem was er sagte. Whitebeard schützte unzählige Inseln. Durch ihn entgingen sie Überfälle anderer Freibeuter. Würde er seinen Titel als Kaiser verlieren und gravierende körperliche Schäden davontragen, gäbe es nichts, was Räuber von den Inseln fernhalten konnte. Je länger sie darüber nachdachte, desto mehr kam ihr in den Sinn, dass es vielleicht doch das Beste wäre, wenn Thatch die Kraft der Finsterfrucht hätte.
 

Dennoch schoss ihr eine weitere Frage durch den Kopf. „Wieso isst dieser König der Unterwelt nicht selbst die Teufelsfrucht? Damit wäre er noch mächtiger.“
 

Der Pirat seufzte. „Das liegt daran, dass er bereits eine Kraft hat. Er kann dir die Sinne rauben.“
 

„Die Sinne rauben?“ Ungläubig weiteten sich ihre Augen. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie es war nichts sehen, oder nichts hören zu können. Das wären enorme Einschränkungen. Im Alltag und vor allem während dem Kampf. Unweigerlich musste sie an Fujitora denken. Sie hatte nie verstanden, wie man sich selbst das Augenlicht nehmen konnte…
 

Thatch nickte. „Seine einzige Schwäche ist, dass er dir immer nur einen Sinn nehmen kann, aber das war’s auch schon mit den guten Nachrichten. Er ist verdammt gefährlich.“
 

Nikira stieß die Luft aus. Sie war baff und etwas überrascht, dass sie noch nie von dem Typen gehört hatte. Kein einziges Mal. „Und wie willst du an die Frucht gelangen? Dein Vorhaben hört sich kaum umsetzbar an.“
 

Der Blonde mit der Tolle warf ihr einen zögerlichen Blick zu. „Ich hätte da eine Idee, aber sie ist ziemlich riskant.“
 

„Spann mich nicht auf die Folter! Sag schon!“, forderte sie ihn auf, seinen Plan zu verraten. Wie riskant konnte das schon sein?

„Das werde ich dir und allen anderen morgen erzählen.“ Er lächelte und sah nicht so aus, als würde er sich überreden lassen, jetzt mit der Sprache herauszurücken. Deshalb murrte Nikira nur unzufrieden und nahm es einfach hin.
 

Plötzlich schlug er euphorisch auf das Holzgeländer und meinte: „So! Jetzt habe ich dir meine Gedanken verraten. Du bist an der Reihe.“ Bei seiner Bewegung zuckte sie ein wenig zusammen und runzelte die Stirn.
 

„Ich glaube kaum, dass sie so interessant sind wie deine“, murmelte sie und prompt schweifte sie in ihrem Kopf wieder zu dem schwarzhaarigen Piraten. Ganz einfach und unauffällig tauchte er in ihrem Kopf auf und bahnte sich anschließend seinen Weg immer tiefer in ihr Herz. Sie seufzte. Wenn sie ehrlich war, hatte sie viel zu erzählen und auch viele Fragen. Vielleicht wäre es doch nicht so schlecht, mit Thatch darüber zu reden. Er war ein angenehmer Gesprächspartner und bestimmt niemand, der anderen davon erzählen würde. Sollte sie es wagen? Was hatte sie schon zu verlieren.

Nikira holte tief Luft und blickte zu dem Kommandanten, der sie auffordernd ansah.
 

„Thatch? Wie fühlt sich Liebe an?“

How Does Love Feel?

Nikira hätte bei ihrer Frage eine andere Reaktion erwartet. Zum Beispiel einen ungläubigen Blick oder ein amüsiertes Lachen. Stattdessen schlich sich nur ein beinahe wissendes Lächeln auf seine Lippen, als er sich mit seinen Ellbogen an der Reling abstützte.
 

Für einen Moment schwieg er und je länger er sich dazu entschloss nicht zu antworten, desto unruhiger wurde die Rothaarige. Vielleicht war es doch eine idiotische Idee gewesen ihm diese Frage zu stellen und gerade, als sie ihre Aussage zurückziehen wollte, wandte er sich zu ihr.
 

„Das ist eine ziemlich komplexe Frage, die du hast.“
 

Unbeholfen zuckte Nikira mit den Schultern. Wäre sie einfach, hätte sie nicht gefragt.
 

„Lass es mich versuchen zu erklären.“ Thatch verzog sein Gesicht zu einer nachdenklichen Maske. Dabei sah er in den Himmel und hatte ein zufriedenes Lächeln im Gesicht. „In erster Linie ist Liebe merkwürdig. Merkwürdig und schön.“
 

Nikira runzelte die Stirn. Liebe war…merkwürdig? Das klang irgendwie negativ.
 

„Sie löst im Körper Reaktionen aus, die man so nicht kennt. Bei jeder Berührung kribbelt die Haut und das Herz fängt an unheimlich schnell zu pochen. Man hat das Gefühl, als würde es aus der Brust springen. Ist die andere Person in der Nähe, dann fühlt man sich glücklich und zufrieden. Vergisst alles andere und nimmt nur noch diese eine Person, die für all das Chaos im Inneren verantwortlich ist.“ Er stoppte und lachte leise auf. Nikira fragte nicht was so lustig war, denn dafür war sie zu sehr mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt.
 

Seufzend fuhr er fort: „Man würde alles für diese besondere Person tun, Nikira. Und wenn man dabei sein eigenes Leben auf das Spiel setzt, ist es egal. Denn alles was zählt, ist die Person, die man liebt.“
 

Gebannt hatte die Rothaarige ihm zugehört und hing förmlich an seinen Lippen. Seine Definition von Liebe verursachte eine Gänsehaut auf ihrer Haut. Sie war ein wenig baff. Sie wusste nicht mit was sie genau gerechnet hatte, aber damit nicht.

Sie schluckte, als sie daran dachte, dass ziemlich viele Dinge auf sie zutrafen, wenn sie mit Ace zusammen war. Mag sein, dass es noch nicht diese Intensität erreicht hatte, die Thatch in seine Erklärung mit einfließen ließ, aber es war auf dem besten Weg dorthin.
 

„Kannst du damit etwas anfangen?“, fragte er nach einer kurzen Pause neugierig in ihre Richtung.
 

„Ja, kann ich.“ Nikira verzog etwas das Gesicht, als sie abermals daran dachte, dass sie drauf und dran war ihr Herz an den Piraten zu verlieren.
 

„Und? Weshalb genau wolltest du das jetzt von mir wissen?“ Er lächelte schelmisch und die Rothaarige war kurz davor die Augen zu verdrehen. Ihr war klar, dass der Kommandant der vierten Division den Grund für ihre Frage kannte. Nur wollte er es aus ihrem Mund hören.
 

Murrend verschränkte sie die Arme. Einerseits wollte sie ihm darüber nichts verraten, aber andererseits war er nicht dumm und wusste worum es ging. „Ace…er…keine Ahnung“, versuchte sie peinlich berührt einen Satz zustande zu bekommen, scheiterte aber kläglich. Ihre Wangen erhitzten sich, als sein Grinsen größer wurde. Das störte sie. „Hör auf mich so anzusehen!“ Sie warf ihm einen verärgerten Blick zu, woraufhin er anfing zu lachen.
 

„Ich kann leider nicht anders. Es ist schön zu sehen, dass du zu deinen Gefühlen stehst, auch wenn du dir schwer dabei tust.“

Nikira seufzte und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Wenn sie darüber nachdachte, hatte sie sich bereits um einiges gebessert, was das Eingestehen ihre Gefühle anging. Bereits die Tatsache, dass sie hier mit dem Kommandanten darüber sprach, zeugte von Einsichtigkeit. Zumindest ein wenig. Und ein klein wenig war sie stolz auf sich, dass sie dieses heikle Thema angeschnitten hatte. Vor allem auch deshalb, da sie nun Gewissheit hatte. Sie empfand etwas für den schwarzhaarigen Piraten, dessen Vater Gol D. Roger war.
 

Gol D. Rogers Sohn…Etwas genervt schloss sie die Augen. Von all den Freibeutern auf der Welt, hatte sie sich einen ausgesucht, der bei der Marine bis aufs Blut verhasst war.
 

„Schau nicht so verzweifelt! Es gibt wahrlich Schlimmeres,“ riss sie Thatch lachend aus ihren Gedanken.
 

Nikira verzog abermals das Gesicht. „Da bin ich mir nicht so sicher.“ Sie murmelte diese Worte nur, doch der blonde Kommandant hatte sie verstanden.
 

„Ach was! Daran ist wirklich nichts Tragisches.“ Amüsiert sah er ihr dabei zu, wie sie zweifelnd auf das Meer hinaus starrte. Für einen kurzen Moment war es still und nur das Rauschen der Wellen war zu hören.
 

„Thatch? Hast du schon mal etwas getan und es anschließend furchtbar bereut?“ Bei ihrer Frage dachte sie an ihre Mission, die sie leichtsinnig angenommen hatte, ohne an mögliche Konsequenzen zu denken. Aber wer konnte auch ahnen, dass sie Gefühle für ihr Auftragsziel entwickelte?

„Oh ja! Ziemlich oft sogar! Zum Beispiel hätte ich heute nicht Jozus Fleischkeule von seinem Teller stehlen dürfen.“ Er lachte und schien an das Abendessen mit den anderen Kommandanten zu denken.
 

Nikira hingegen runzelte die Stirn. Das war nicht ganz das, was sie gemeint hatte. „Ehm…da hast du recht. Aber gibt es nichts, dass du am liebsten Rückgängig machen würdest? Irgendeine Entscheidung, oder eine Tat?“
 

Thatch legte seinen Kopf schief und schien zu überlegen. „Wenn ich so darüber nachdenke…nein. Jede Entscheidung und jede Tat hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin. Beides hat mich stark gemacht.“
 

Die Rothaarige schwieg. Sie war nicht stark, obwohl sie dies immer geglaubt hatte. Im Gegenteil. Sie war schwach. Sie hatte damals beim Treffen mit ihrem Vater nicht all das gesagt, was sie hätte sagen wollen. Aber nicht nur bei diesem Treffen. Auch auf der Marinebasis hatte sie stets das getan was ihr befohlen wurde. Sie hatte kaum Entscheidungen getroffen, sondern über sich entscheiden lassen. Nicht mal bei ihrer Mission hatte sie eine Wahl.
 

Jetzt, nach Wochen bei den Whitebeard-Piraten, hatte sie gelernt, dass man immer eine Wahl hatte.
 

„Du siehst aus, als würde dich etwas bedrücken. Willst du darüber reden?“ Thatch fragte sanft nach und drängte sie zu nichts. Darüber war Nikira unheimlich froh und dankbar. Denn sie konnte nicht darüber reden. Noch nicht. Trotz der Tatsache, dass ihr nicht mehr viel Zeit blieb. Deshalb antwortete sie ihm seufzend: „Mich bedrückt tatsächlich etwas, aber ich will nicht wirklich darüber sprechen. Tut mir leid.“ Unbeholfen hob sie ihre Schultern.
 

Der Kommandant winkte ab. „Kein Problem. Du musst nicht darüber reden, aber egal was es ist - du bist nicht alleine.“ Er lächelte.
 

„Danke. Ich weiß.“ Nikira wusste es tatsächlich, denn nicht nur Thatch hatte ihr das gerade versichert, sondern auch Ace damals vor der Bar. Und wie damals löste das Gesagte eine angenehme Wärme in ihr aus. Es löste…Geborgenheit aus.

Nachdem es kurz still war, streckte sich der Blonde und gähnte herzhaft. Aus Reflex tat die junge Frau es ihm gleich.
 

„So! Zeit schlafen zu gehen. Du hast mich lange genug wachgehalten.“ Er zwinkerte ihr zu.
 

„Gute Idee“, kam es von ihr müde. Sie ging auf seinen zweiten Satz gar nicht näher ein.
 

Sie stieß sich von der Reling ab. Gemeinsam mit Thatch schritt sie übers Deck und machte sich auf zu den Kajüten. Schweigend. Als sich ihre Wege trennten und Nikira bereits abbiegen wollte, ertönte es hinter ihr: „Nikira?“
 

Die Angesprochene drehte sich überrascht um. „Hm?“
 

Thatch, der beide Hände in seine Hosentaschen gesteckt hatte, meinte: „Ich wollte dir noch etwas sagen. Egal welch schlechte Entscheidung du getroffen hast. Jeder hat eine zweite Chance verdient.“ Zum letzten Mal lächelte er ihr zu und verschwand nach einem knappen „Gute Nacht“ zu seiner Kajüte.
 

Etwas überrascht verharrte die junge Frau einen Moment in ihrer Position und sah nachdenklich auf die Stelle, an der Thatch gerade noch gestanden hatte.
 

„Tu ich das?“, murmelte sie und stellte sich selbst diese Frage. Hatte sie das? Hatte sie tatsächlich eine zweite Chance verdient, nachdem sie hier alle belog und hinterging? Mit schweren Schritten schlurfte sie in ihr Zimmer. Schlaf bekam sie in dieser Nacht nur begrenzt.
 

Am nächsten Tag schlurfte sie müde zum Gemeinschaftsraum, in dem sie bis jetzt erst einmal gewesen war. Thatch wollte alle sprechen und ihnen endlich von seinem großartigen Plan erzählen, an dem er bereits seit Ewigkeiten arbeitete. Und sie war ebenfalls dabei. Allerdings hätte sie lieber noch ein paar Stunden geschlafen, denn als sie gestern in ihre Kajüte gegangen war, lag sie noch für eine geraume Zeit wach in ihrem Bett und dachte über das Gespräch nach.
 

Beide waren gestern sehr aufgeschlossen gewesen; hatten dem anderen persönliche Dinge erzählt und ein wenig hatte sie sich darüber gewundert, dass der Kommandant der vierten Division ihr die Details über die Teufelsfrucht erzählte. Ausgerechnet ihr. Jeder andere war länger auf der Moby Dick und doch hatte er mit ihr darüber gesprochen. Ob es daran lag, dass sie einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen war? Sie wusste es nicht, aber irgendwie machte es sie stolz, dass er sie in sein Wissen vor allen anderen eingeweiht hatte. Thatch vertraute ihr anscheinend mehr als sie gedacht hatte.
 

Kaum kam ihr diese Tatsache in den Sinn, plagte sie das altbekannte schlechte Gewissen. Sie biss sich auf die Innenseite ihrer Wange, während sie in Richtung Gemeinschaftsraum abbog. Sie wollte nicht allzu lange über Vertrauen nachdenken, den das vermieste ihr die Laune.
 

Seufzend stieß sie die Tür auf und begegnete zahlreiche neugierige Blicke. Alle waren gespannt, was Thatch zu sagen hatte. Whitebeard war natürlich auch anwesend. Er saß auf einem riesen Stuhl, der einem Thron gleichkam. In seiner Hand hielt er wie üblich seine riesige Sakeschale.
 

Da Nikira nicht irgendwo alleine rumstehen wollte, gesellte sie sich zu Jozu. Der Riese hielt einen mächtigen Krug in der Hand und schenkte ihr ein belustigtes Grinsen, als sie sich neben ihm niederlies. Irritiert über seine Reaktion sah sie ihn fragend an.

Er beugte sich zu ihr hinunter und meinte: „Ich hab‘ gehört du hast den kleinen Übungskampf mit Ace sehr genossen?“

Bei seinen Worten stieg Hitze in ihr Gesicht. Sie öffnete ihren Mund, wusste aber nicht was sie dazu sagen sollte. Woher wusste er das? Er war gestern doch gar nicht dabei!
 

Als hätte er ihre Gedanken gelesen, fügte er hinzu: „Weißt du? Innerhalb der Crew wird ziemlich viel geredet.“
 

Sie brummte missmutig. Klang einleuchtend. „Toll.“ Mit wenig Begeisterung über diese Tatsache wandte sie den Blick von dem Hünen ab und ließ ihn durch den Raum schweifen. Diejenigen, die sich nicht Kommandanten nannten, kannte Nikira vom Sehen. Auch Teach war anwesend, was ihr sehr missfiel. Sie hatte nicht vergessen, dass er sie damals verraten hatte. Auch seine anzüglichen Kommentare hatten sich in ihr Gedächtnis eingebrannt.
 

Um dem Anblick des dicken Piraten schnellstmöglich zu entgehen, sah sie sich weiter um und stieß dabei auf einen gewissen Schwarzhaarigen, der prompt ihr Herz zum Rasen brachte. Sie sah ihn lachen, was ein angenehmes Kribbeln in ihrem Inneren auslöste. Sie hätte nie gedacht, dass es mal so wenig brauchte um sie glücklich zu stimmen. Dass ein kleines Lachen von Ace alles war, was sie brauchte. Nikira biss sich auf die Lippen.
 

Als hätte der Pirat ihren Blick gespürt, sah er auf. Seine Augen glühten förmlich und bohrten sich in die ihre. Sie schluckte bei dieser Intensität.
 

Für einen kurzen Moment spielte sie mit dem Gedanken die Distanz zu ihm zu überbrücken, entschied sich aber hier stehen zu bleiben. Sie wollte weder aufdringlich erscheinen noch weiteren Gesprächsstoff für die anderen liefern. Deshalb lächelte sie ihn nur verhalten an und richtete ihre Aufmerksamkeit auf Thatch, der gerade das Gespräch mit Whitebeard beendete.
 

Als der Kommandant der vierten Division seine Worte an die versammelte Mannschaft richtete, verstummten sofort alle Gespräche. Jeder wollte endlich wissen, worum es ging. Dementsprechend hingen alle an seinen Lippen. Er erzählte von der Teufelsfrucht und wie er auf sie gestoßen war. Er erzählte auch, in wessen Hände sie sich befand. Dabei bemerkte Nikira, dass einige genauso ratlos waren wie sie, als Thatch gestern Nacht den Unterweltkönig erwähnte. Allerdings gab es auch einige, die überrascht die Augen aufrissen.
 

Gemurmel entstand und auch Jozu brummte neben ihr missmutig auf.
 

„Der Unterweltkönig? Ich dachte der ist längst abgekratzt?“, kam es aus der Menge.
 

Thatch‘ Gesicht verfinsterte sich bei seiner Frage. „Leider nicht. Er war lange verschwunden und ist jetzt zurück. Mit mehr Macht als zuvor. Deshalb ist die Mission auch so riskant.“
 

Wieder fingen die Anwesenden an zu reden, verstummten allerdings sofort, als Whitebeard seine autoritäre Stimme erhob: „Wie sieht dein Plan nun aus? Wie willst du in seine Nähe gelangen?“
 

Nikira musterte den Kaiser. Er schien interessiert zu sein, überlies aber alles Thatch. Im Allgemeinen schien er sich aus der Sache herauszuhalten. Dies zeugte von starkem Vertrauen in seine Kommandanten.
 

Sie wandte den Blick von Whitebeard ab und sah zu dem blonden Kommandanten. Er verschränkte seine Arme und lehnte sich gegen den Tisch, der hinter ihm stand. „Naja…ich habe lange darüber nachgedacht und die Idee ist riskant. Es ist allerdings ausgeschlossen, dass ich selbst oder jemand anders von den Kommandanten in seine Nähe gelangt. Er weiß über die Piraten bestens Bescheid und würde uns sofort enttarnen, wenn jemand um ihn herumlungert. Aus Erzählungen ist mir jedoch bekannt, dass er ab und zu nichts gegen weibliche Gesellschaft einzuwenden hat.“ Er machte eine kurze Pause und blickte in die Runde. Für einen Bruchteil blieb er länger bei der Rothaarigen hängen, die die Stirn runzelte. Sie hatte eine Ahnung, was jetzt kam.
 

„Deshalb dachte ich mir, dass Nikira die besten Chancen hat um in seine Nähe zu gelangen. Sie soll ihn um den Finger wickeln und sich so die Frucht schnappen. Sie ist noch nicht sonderlich bekannt. Noch dazu haben wir Glück, dass es sich bei der anstehenden Veranstaltung um einen Maskenball handeln wird.“ Er warf ihr einen festen Blick zu, doch irgendwie war er nur halb so sicher, wie er es sich vorgenommen hatte. Zu Recht.
 

„Warte! Du willst Nikira in die Höhle des Löwen schicken? Ohne jeglicher Unterstützung und zu dem gefährlichsten Unterweltakteur der Welt? Noch dazu bist du dir nicht mal sicher, dass er sie nicht kennt. Das ist eine verdammt bescheuerte Idee, Thatch!“ Ace sah ihn an, als hätte er den Verstand verloren. Er hatte nicht gezögert ihm direkt die Meinung zu sagen. Dabei erntete er teilweise zustimmendes Gemurmel.
 

Gerade als sich Nikira zu Wort melden wollte, sprach Thatch: „Ich weiß, dass es gefährlich ist, aber denk mal an die Konsequenzen. In den falschen Händen könnte diese Teufelsfrucht enorme Folgen haben. Für uns und auch für viele unschuldige Menschen. Ab und zu sollte man Risiken eingehen und ich finde, dass jetzt der Zeitpunkt für ein solches Risiko gekommen ist.“ Er sah Ace eindringlich an, der nur abfällig schnaubte und bereits zum Konter ansetzen wollte.
 

Nikira verdrehte darüber die Augen und erhob die Stimme, bevor es der Schwarzhaarige tun konnte: „Darf ich mich auch dazu äußern?“ Abwechselnd sah sie zu Ace und dann zu Thatch. „Ich finde es nett, dass du um meine Sicherheit besorgt bist Ace, aber ich kann selbst darüber entscheiden, ob ich mich dem Risiko aussetzen möchte oder nicht.“ Sie warf dem Kommandanten einen Blick zu, der keine Widerrede duldete. Dieser schien diese Tatsache überhaupt nicht zu gefallen, denn sein Gesichtsausdruck verhärtete sich zunehmend.
 

„Also Nikira? Würdest du diese Aufgabe übernehmen?“, sprach Thatch ernst.
 

Die Rothaarige zögerte keine Sekunde, als sie mit „Ja“ antwortete.
 

„Ist das euer Ernst? Ich kann nicht glauben, dass es dir egal ist, dass Nikira sich in Gefahr begibt“, fing Ace abermals an und sah von seinem Freund zu Nikira, „Und ich kann nicht glauben, dass du ihm einfach so zustimmst.“ Er schien noch immer nicht akzeptieren zu wollen. Weder dass der blonde Kommandant die 18-Jährige in die Höhle des Löwen schicken möchte, noch dass sie ohne zu überlegen seine Bitte annahm.
 

Bevor einer der beiden etwas sagen konnte, mischte sich Fossa in das Gespräch ein: „Ehrlich gesagt finde ich es auch ziemlich unüberlegt sie alleine dorthin zu schicken. Was, wenn der Plan schiefläuft? Vielleicht wäre es nicht schlecht, wenn sie jemand begleitet. Nur um sicherzugehen.“ Etwas überrascht, dass gerade Fossa Ace bei seiner Ansicht zustimmte, sah Nikira ihn an. Er hatte wie immer eine Zigarre im Mund und einen finsteren Gesichtsausdruck aufgelegt. Sie hatte immer gedacht, dass er jemand war, der mit dem Kopf durch die Wand wollte. Anscheinend hatte sie sich geirrt.
 

Thatch sah Fossa nachdenklich an und schien alle Vor- und Nachteile abzuwägen. Anschließend seufzte er. „Ihr habt Recht. Es wäre wirklich besser, wenn jemand dabei wäre.“
 

„Gut, dass du das auch endlich einsiehst.“ Der Kommandant der zweiten Division warf dem Mann mit der Tolle einen eindeutigen Blick zu, woraufhin dieser die Augen verdrehte. „Schon gut. Ich nehme an, dass es dir nichts ausmacht sie zu begleiten, Ace?“
 

„Ganz und gar nicht.“ Er schenkte ihr ein Grinsen, welches die Rothaarige mit einem Augenverdrehen quittierte. Kaum hatte er seinen Dickkopf durchgesetzt, war er wieder glücklich. Insgeheim war sie jedoch froh, dass sie nicht alleine diese Aufgabe übernehmen musste. Ace war bestimmt eine gute Unterstützung und gegen seine Anwesenheit hatte sie auch nichts. Im Gegenteil. Sie wollte so viel Zeit mit ihm verbringen wie möglich, denn wer weiß wie lange sie das noch konnte?
 

„Sehr gut. Ich werde mich mit euch noch alleine unterhalten. Allen anderen danke ich, dass ihr hier wart.“ Nach seinen abschließenden Worten löste sich der Haufen an Piraten auf, bis nur noch Nikira, Ace und Thatch selber anwesend waren.
 

Da sich die junge Frau an etwas erinnerte das der Kommandant der vierten Division erwähnte, fing sie argwöhnisch an: „Du sagtest es handelt sich um einen Maskenball. Das heißt schicke Kleider, hohe Schuhe und…entsprechendes Benehmen, oder?“

Sie war nicht begeistert davon, denn das war alles, was nicht zu ihr passte. Zu ihr passten dreckige Boots und blaue Flecken vom Kämpfen. Deshalb verzog sie das Gesicht, als Thatch zu grinsen beginn und belustigt nickte.
 

„Du hast es erfasst, Nikira. Also es wird Zeit, dass ihr euch vorbereitet. In ein paar Tagen solltet ihr im Groben wissen wie man tanzt. Außerdem solltest du dich mit dem anderen Geschlecht unterhalten können, ohne es zu vergraulen.“ Der letzte Satz war an die 18-Jährige gerichtet, woraufhin sie die Augen zusammenkniff.
 

„Ich vergraule keine Männer“, meinte sie deshalb leicht verärgert, wurde aber ignoriert.
 

„Ich stimme dir ja zu, dass es nicht schlecht ist, wenn Nikira all das kann, aber wieso muss ich tanzen können?“ Ace schien ein wenig ratlos zu sein und war eher wenig begeistert über Thatch‘ Aussage.
 

Dieser grinste und klopfte dem Schwarzhaarigen locker auf die Schulter. „Tanzen zu können schadet niemandem, Ace. Also stell dich nicht so an.“
 

Da Nikira eine leise Ahnung davon hatte, was auf sie zukam, räusperte sie sich. „Ich muss also mit diesem Unterweltkönig reden. Wie genau soll ich mich darauf vorbereiten?“
 

„Ich hab dir ein paar Spezialisten bereitgestellt, die dir alles Notwendige erklären. Du findest sie im Krankenzimmer.“ Sein Dauergrinsen versursachte ein mulmiges Gefühl in ihrer Bauchgegend.
 

„Krankenzimmer? Du meinst doch nicht die Krankenschwestern, oder?“ Mit großen Augen sah sie ihn an. Sie hatte bereits Kontakt mit den leicht bekleideten Frauen. Die waren alles andere als zurückhalten im Gegensatz zu Nikira.
 

„Doch. Genau die meine ich.“
 

Ace‘ Lachen hallte durch den Raum. „Jetzt tust du mir fast leid, Kira.“
 

„Ach, halt einfach die Klappe!“

Something Like Jealousy

„Du…du hast noch nie jemanden geküsst? Ist das dein Ernst?“ Eine Krankenschwester, ihr Name war Fiona, starrte sie ernsthaft entsetzt an. Aber nicht nur sie. So gut wie jede der fünf anwesenden Pflegerinnen sah aus, als hätte Nikira gerade erzählt, dass sie eigentlich Mitglied der Marine war.
 

Die Rothaarige selbst fing an sich unter den schockierten Blicken unwohl zu fühlen. Noch dazu verstand sie nicht, was daran so schlimm war. Sie war doch erst 18 Jahre alt. Musste man in diesem Alter denn bereits jemanden geküsst haben? Deshalb hob sie unbeholfen ihre Schultern. Sie fing an zu bereuen diesem Auftrag zugestimmt zu haben.
 

Eine Frau mit dunkelblonden Haaren legte den Kopf in den Nacken und griff sich beinahe theatralisch an die Stirn. „Wow. Ich hätte nicht gedacht, dass so viel Arbeit vor uns liegt. Wann sollte sie nochmal bereit für die Mission sein?“ Sie blickte fragend in die Runde.
 

„In vier Tagen, aber das kriegen wir schon hin. Nicht wahr, Süße?“
 

Nikira richtete ihre Augen auf Kelly. Sie war Anfang 30 und laut Thatch auch jene, die hier das Sagen hatte. Zaghaft nickte sie schlussendlich. Was blieb ihr auch anderes übrig?
 

„Sehr schön.“ Begeistert schlug sie ihre Hände zusammen und setzte sich ihr gegenüber. „In erster Linie solltest du wissen, dass alle Männer tief in ihrem Inneren gleich sind. Auch wenn sie Dessinteresse vorspielen – einem schönen Frauenkörper können sie nicht widerstehen.“
 

„Wie recht du hast!“, pflichtete ihr Tessa bei, die mit überschlagenen Beinen auf dem Schreibtisch saß und versaut grinste. Dabei musste Nikira sich zwingen, nicht auf ihren üppigen Busen zu starren. Die Dinger waren aber auch riesig…
 

Bei ihrer Aussage kicherten die anderen. Nur Kelly blieb ernst. „Worauf ich hinaus will ist, dass du deinen Körper einsetzen musst. Natürlich nicht zu offensichtlich, aber genug um ihn ein wenig aus der Reserve zu locken.“ Die hübsche Krankenschwester schien kurz zu überlegen und stand anschließend auf, um zu Maja zu gehen, die eher teilnahmslos ihre Nägel betrachtete. „Könntest du mir einen Gefallen tun und unserer Süßen zeigen, wie sie richtig sitzen soll?“
 

Die Dunkelhaarige sah auf und nickte lächelnd. Sie rutschte ein wenig auf ihrem Platz hin und her. Nikira beobachtete sie dabei eher misstrauisch. So ganz verstand sie nicht, wie ihr das bei ihrem Auftrag helfen sollte.
 

Als Maja fertig war, sah sie die Rothaarige auffordernd an. Zuerst war sie ein wenig unsicher, doch nachdem sie sich in Erinnerung rief, dass ihr Verhalten absolut lächerlich war, straffte sie ihre Schultern und versuchte dieselbe Position einzunehmen, wie die Frau mit den schulterlangen Haaren.
 

„Das…sieht gar nicht mal so übel aus“, meinte Kelly verblüfft.
 

Tessa sprang von dem Schreibtisch herunter. „Stimmt. Der dezente arrogante Blick passt noch dazu sehr gut zum Gesamtbild. Ich glaube es besteht noch eine kleine Hoffnung, dass sie es nicht komplett versaut.“ Bei ihren Worten kniff Nikira ihre Augen zusammen. Diese Tessa schien nicht gerade viel Vertrauen in sie zu haben.
 

„Ok. Üben wir deine Haltung in anderen Situation.“ Gesagt, getan. Sie übte ihren Gang und auch, wie sie flirtete ohne es offensichtlich zu zeigen. All das nur mit kleinen Gesten. Sie hätte es nicht gedacht, aber es gab verdammt viele Möglichkeiten. Sie selbst hatte noch nie einen Gedanken darüber verschwendet, wie sie mit einem Mann redete. Sie hatte es einfach getan, aber was wusste sie schon davon?
 

Die Frauen in den knappen Kleidern überhäuften Nikira auch den restlichen Vormittag mit Tipps und Tricks, so dass sie nach dem Mittagessen mit wenig Motivation die Krankenstation aufsuchte. Einige erwarteten sie bereits. Darunter auch Kelly, die ihr mit einem Lächeln sofort ein Paar Schuhe in die Hände drückte. Etwas perplex besah sie sich die schwarzen Dinger und fragte sich, wie zum Teufel sie damit gehen sollte.
 

Maja hatte anscheinend ihren Blick bemerkt, denn sie meinte: „Es ist eigentlich nur eine Frage der Übung. Gehe ein wenig auf und ab und schon hast du es raus.“ Nikira nickte nur. Was auch sonst?
 

Es stellte sich heraus, dass sie absolut kein Talent besaß, wenn es um hohe Schuhe ging. Anfangs musste sie ständig mit ihren Armen das Gleichgewicht suchen, da sie oftmals wegknickte. Sie sah vermutlich total bescheuert aus und war froh, dass sich die anwesenden Pflegerinnen abfällige Kommentare verkniffen. Nur Tessa ließ ein paar gehässige Sprüche los, während dem Rest ein paar Lacher entkamen, die sie aber einfach ignorierte. Darin war sie ja mittlerweile ganz gut.
 

Nach einiger Zeit durchquerte sie den Raum ohne großartig zu schwanken. Mit einem triumphierenden Lächeln wandte sie sich zu Kelly, die zufrieden nickte.
 

„Gut gemacht“, lobte sie und prompt verschwand das zufriedene Gefühl. Stattdessen kam sich Nikira vor wie ein Hund, dem man gerade beigebracht hatte sich auf Kommando zu setzen. Seufzend zog sie sich die Schuhe aus und genoss den Holzboden unter ihren Fußsohlen. Ihre Füße schmerzten vom Gehen und kurz kam ihr in den Sinn, ob es dass alles wert war. Sie übte hier sinnlose Sachen, obwohl sie sich eigentlich Gedanken um ihre Zukunft machen sollte. Ihre Zeit wurde knapp, denn sie hatte noch eine Woche. Eine Woche, in der sie Ace der Marine übergeben sollte.
 

Sie würde dennoch zurückkehren. Wie wusste sie noch nicht und auch hatte sie keine Ahnung was sie ihrem Vater erzählen sollte. Seine Drohung war mehr als klar gewesen, deshalb brauchte sie eine gute Ausrede. Oder eine falsche Information. Das würde ihr zumindest Zeit verschaffen.
 

„Alles klar bei dir? Können wir weitermachen?“, ertönte es plötzlich von der Seite und riss Nikira aus ihren Gedanken.

„Hm? Klar.“ Sie nickte nur und lauschte angestrengt Kellys Worten.
 

„Das Wichtigste an der ganzen Sache ist die Art und Weise wie du mit diesem Unterweltidioten redest. Du musst aus deiner…Komfortzone heraus und in die Offensive gehen. Verstanden?“ Die Oberschwester sah sie eindringlich an und studierte ihre Reaktion. Diese verzog das Gesicht. Sie hatte damit gerechnet. Leider lag ihr das absolut nicht.
 

„Thatch meinte, dass er viel mit Frauen zu tun. Das ist ein kleines Problem, denn um auch nur ansatzweise in die Nähe der Teufelsfrucht zu gelangen, musst du etwas Besonderes sein. Er muss…von dir fasziniert sein.“ Kelly runzelte die Stirn.

Anscheinend überlegte sie, wie sie das am besten erreichen sollten. Tessa hingegen schnaubte abfällig und zog somit Nikiras Aufmerksamkeit auf sich.
 

„Ich verstehe nicht, warum sie nicht jemanden von uns schicken. Dann würden wir uns dieses unnütze Geschwätz ersparen.“ Die Dunkelhaarige war von ihrem Platz auf dem Tisch gesprungen und hatte ihre Arme verschränkt. Dabei funkelte sie Kelly und auch Nikira wütend an.
 

Die Rothaarige selbst biss ihre Kiefer fest aufeinander und ballte ihre rechte Hand zu einer Faust. Sie musste sich unheimlich zusammenreißen, um diesem Miststück nicht den Kopf einzuschlagen. Bereits den ganzen Tag schob sie abwertende Sprüche. Dabei hatte Nikira weder etwas gesagt, noch getan was dieser Zicke missfallen würde. Also was war ihr verdammtes Problem?

„Tess! Reiß dich zusammen!“, zischte Kelly selbst.
 

„Wieso? Die Göre hat doch von nichts eine Ahnung. Wie soll diese Jungfrau einen Mann für sich gewinnen, wenn sie noch nie mit jemanden geflirtet hat? Das ist unmöglich.“ Tessa hob ihr Kinn und strotzte vor Arroganz.
 

Es war für Nikira ausschlaggebend, ihre ohnehin schon geringe Selbstbeherrschung über Bord zu werfen. Sie tat das alles hier für Thatch. Für Thatch und auch ein wenig für sich selbst, damit sie ansatzweise ihr schlechtes Gewissen bereinigte. Es half nur bedingt, aber es half.
 

Was aber nicht dazu beitrug dieses schlechte Gewissen auszugleichen, war Zurückhaltung. Insbesondere, wenn sie jemand provozierte. Mehr als verärgert sprang Nikira auf und ging mit großen Schritten auf Tessa zu. Eine halbe Armlänge blieb sie vor ihr stehen. Sie waren nahezu gleich groß.
 

„Diese Jungfrau wird dir gleich in den Arsch treten, wenn du nicht sofort die Klappe hältst.“ Die 18-Jährige hatte Mühe sich zu beherrschen. Aber sie tat es. Warum auch immer.
 

„Ich habe keine Angst vor dir, Süße.“ Die Ältere grinste ihr süffisant entgegen.
 

„Das solltest du aber“, raunte sie als Antwort. Die Überheblichkeit der Krankenschwester trieb sie bis an den Rand.
 

„Woah! Ladies! Gibt es hier ein Problem?“ Thatch erschien plötzlich in ihrem Augenwinkel. Doch sie hatte nicht vor den Blickkontakt zu unterbrechen.
 

„Nein!“ – „Nein!“
 

„Nein. Hier gibt es kein Problem.“ Nikira wollte nicht, dass sich jemand einmischte.
 

„Tessa?“ Der Kommandant der vierten Division sah zu der Krankenschwester.
 

„Sie hat Recht. Es gibt kein Problem.“ Falsch lächelnd wandte sie sich ab.
 

Thatch seufzte. „Kelly? Was sagst du dazu?“ Wie als müsste er eine erwachsene Person zu Rate ziehen, ignorierte er Nikira und widmete sich der Blondine.
 

Diese fuhr sich durch die Haare. „Tessa ist der Meinung, dass Nikira das nicht schafft und du lieber jemanden schicken sollst, der kein Training darin braucht, wie man mit einem Mann redet.“
 

„Verstehe.“ Er nickte. „Also damit das klar ist. Ich habe mich nicht umsonst für Nikira entschieden. Sie ist im Gegensatz zu euch nicht schutzlos ausgeliefert, falls etwas schiefgehen sollte. Sie kann sich verteidigen.“ Eindringlich sah er zu Tessa, die nur die Augen verdrehte und anschließend ihre Fingernägel betrachtete.
 

„Pff! Als würde bei einem von uns etwas schiefgehen. Wir haben es drauf, im Gegensatz zu der da!“ Sie machte eine abfällige Handbewegung in Richtung der 18-Jährigen.
 

Diese knirschte mit den Zähnen. Seit langer Zeit hatte sie wieder das Bedürfnis, jemanden zu schlagen.

„Sei nicht so gemein, Tess. Wir wissen alle, dass du ein Profi im Flirten bist.“
 

Bei dieser amüsierten Stimme sah Nikira überrascht auf und entspannte ein wenig ihre Haltung. Ace hatte den Raum betreten. Wie üblich mit einem schelmischen Grinsen im Gesicht. Allerdings gefiel es ihr in diesem Zusammenhang gar nicht.
 

Missmutig sah sie deshalb zu Tessa, deren Gesichtszüge sich schlagartig änderten. Ihre genervte Mimik wandelte sich zu einer erfreulichen. Sie war wie ausgewechselt. Was für ein Miststück, dachte sich Nikira verbissen. Ein schreckliches Gefühl machte sich in ihr breit. Es war erdrückend und so neu für sie, dass sie sich im ersten Moment verwirrt an die Stelle griff, an der ihr Herz stark pochte.
 

„Ace! Schön dich zu sehen.“ Sie zupfte an ihrer Uniform herum und verursachte nur noch mehr Wut in Nikira. Sie war weder dumm noch blind. Sie wusste, was diese eingebildete Krankenschwester mit ihrem Getue erreichen wollte und das gefiel ihr gar nicht.
 

„Gleichfalls.“
 

Dieses unangenehme Gefühl breitete sich aus, als sie ihre Arme verschränkte und zu Ace sah, dessen Lippen ein Lächeln zierte. Keine Ahnung was sie von ihm erwartet hatte und eigentlich hatte sie kein Recht darauf wütend zu sein, aber irgendwie war sie das. Vor allem, wenn sie sah, wie er auf Tessa reagierte. Und wie er ihr auf die Brüste starrte.
 

Deshalb biss sie sich auf die Lippen und meinte: „Ich habe genug für heute. Wir sehen uns morgen wieder.“

Sie drehte sich um und verschwand schnell aus dem Raum.
 

Nach dem Abendessen machte sie sie auf zu ihrer Kajüte. Der heutige Tag war anstrengend gewesen. Neben der Nachhilfe mit den Krankenschwestern, hatte sie Thatch geholfen die Küche zu putzen und hatte anschließend mit Jozu trainiert.
 

Vor ihrem Zimmer gähnte sie ausgiebig und streckte sich.
 

„Du siehst ziemlich müde aus“, ertönte es plötzlich hinter ihr. Erschrocken zuckte sie zusammen und erntete ein verhaltenes Lachen.
 

Darauf ging sie nicht ein. „Bin ich auch.“ Zum ersten Mal seit langem wollte sie nicht mit Ace reden. Die Art und Wiese wie er mit Tessa umgegangen war, hatte sie nicht vergessen. Es nervte sie, dass es sie so sehr störte, denn er konnte tun und lassen was er wollte.
 

„Alles ok?“ Er schien zu merken, dass sie etwas beschäftigte. Wie recht er damit hatte. Ihr Kopf war voll mit Dingen, die sie belasteten. Von diesem dämlichen Lächeln, welches er dieser noch dämlicheren Tessa geschenkt hatte, bis hin zu ihrer verfluchten Mission, die ihr alles nehmen würde, was ihr wichtig war.
 

Sie sah den Schwarzhaarigen an und zuckte halbherzig mit den Schultern.
 

„Wie laufen die Vorbereitungen?“ Ace lehnte sich gegen die Wand. Wenn sie nicht reden wollte, dann würde er sie dazu bringen.
 

„Keine Ahnung. Ich glaube, dass Tessa nicht so unrecht hat.“ Sie schluckte ihren Stolz hinunter. „Ich bin nicht sonderlich gut in all diesen Sachen, die sie mir beibringen wollen. Und das Wichtigste ist, dass ich keine Ahnung habe, wie ich diesen Typen von mir überzeugen soll.“ Sie seufzte und sah auf. Ace lächelte.
 

„Ich finde du schlägst dich ganz gut. Mich hast du auf jeden Fall überzeugt.“
 

Nikira verdrehte ihre Augen und verschränkte die Arme. „Das bringt mir nicht sonderlich viel.“
 

„Na danke! Das ist eigentlich alles was zählt!“ Sein Lachen hallte durch den Gang. „Aber im Ernst. Du schaffst das schon. Sei einfach…du selbst.“
 

Ungläubig sah sie ihn an. „Ich soll ich selbst sein? Ich glaube kaum, dass das funktioniert. Sonst müsste ich mir nicht von den Krankenschwestern sagen lassen, wie ich mich verhalten soll.“
 

Jetzt war er es, der die Augen verdrehte. „Das wird funktionieren und weißt du warum? Weil du etwas Besonderes bist. Wer das nicht erkennt ist ein ziemlicher Idiot.“ Er sagte dies ohne über seine Worte nachzudenken. Dabei waren sie für Nikira, die ihn mit großen Augen anstarrte, von unheimlich großem Wert.
 

„Ich…bin etwas Besonderes?“ Ihr fiel es schwer das zu glauben.
 

„Klar bist du das.“ Er tat es schon wieder. Er sagte dies so leicht. Dabei klang er wirklich überzeugt von seinen Worten. Als er ihren zweifelnden Blick sah, machte er einen Schritt auf sie zu und strich ihr eine Strähne hinter das Ohr, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatte. Verwirrt von dieser plötzlichen Nähe, legte sie den Kopf in den Nacken, damit sie ihm in die Augen sehen konnte. Wie zuvor auch hatte er ein zuversichtliches Lächeln im Gesicht, welches Nikira ein wenig beruhigte. Welches ihr selbst Zuversicht schenkte.
 

„Du solltest ein wenig mehr an dich glauben. Außerdem hast du ja noch immer mich an deiner Seite. Falls etwas schiefgehen sollte. Verstanden?“
 

Die Rothaarige nickte nur langsam nach seinen Worten. Seine Nähe hatte ihre Sinne benebelt und auch ihre Fähigkeit einen Satz zustande zu bekommen war verschwunden. Was tat er nur mit ihr?
 

„Gut. Dann kann ich heute beruhigt schlafen.“ Er lachte leise und machte einen Schritt zurück. Nikira überkam prompt das Gefühl, als würde etwas fehlen.
 

„Danke, Ace.“ Sie sagte dies viel zu selten. „Danke.“ Es war nicht nötig zusagen für was, denn das wusste er bereits.
 

„Keine Ursache.“ Der Pirat zuckte mit den Schultern. „Für sowas sind…Freunde da.“ Er lächelte.
 

„Du hast Recht.“ Sie lächelte ebenfalls, auch wenn sie das Wort Freunde aus irgendeinem Grund störte. „Ich werde dann mal schlafen gehen. Gute Nacht, Ace.“
 

„Gute Nacht, Nikira.“
 

Sie öffnete die Tür zu ihrer Kajüte und schloss sie leise hinter ihr. Kaum war sie alleine, atmete sie tief ein und schloss die Augen.
 

„Mal sehen wie lange wir noch Freunde sind.“

To Go All Out

Nikira betrachtete das riesige Gebäude vor sich. Jede sichtbare Seite war von großen Scheinwerfern beleuchtet. Vor dem Eingang war ein roter Teppich ausgelegt, auf dem sich bereits einige Personen tummelten. Allesamt mit edler Kleidung und noch edlerem Schmuck. Ein Blick reichte, um zu wissen, dass Nikira und Ace absolut fehl am Platz waren. Eigentlich, denn zumindest optisch passten sie zum Rest der eingeladenen Gäste.
 

Wie mechanisch fuhr sich die Rothaarige über den weichen Stoff, den sie trug. Es war das Kleid, welches sie damals unabsichtlich gestohlen hatte. Sie hätte nicht gedacht, dass sie es jemals wieder tragen würde. Wie falsch sie doch gelegen hatte.
 

Sie sah zu ihrer Linken und fühlte die Hitze in ihr aufsteigen. Seit sie Ace in dem Anzug gesehen hatte, konnte sie nicht aufhören zu denken, wie gut er darin aussah. Richtig gut und verdammt heiß. Gott! Sie hatte noch nie solche Gedanken gehabt. Es war ihr unangenehm.
 

Schnell sah sie wieder nach vorne, damit er sie nicht beim Starren erwischte. Sie musste an die vergangenen Tage denken. In diesen Tagen hatte sie nicht viel Zeit mit Ace verbracht. Sie war damit beschäftigt gewesen, die Krankenschwestern zu ertragen und tanzen zu lernen. Beides gehörte nicht zu ihren Lieblingsbeschäftigungen. Sie wäre lieber bei dem Piraten gewesen. In seiner Nähe fiel ihr auf, dass sie sich nicht nur seelisch zu ihm hingezogen fühlte, sondern auch körperlich. Es war merkwürdig. Beide Bedürfnisse waren so neu für sie, aber vor allem zweites setzte ihr mehr zu als gedacht.
 

In den Pausen hatte sie öfters den Gesprächen der Krankenschwestern gelauscht. Dabei hatten sie über jenes physische Verlangen geredet. Nikira hatte nicht geglaubt, dass sie so rot werden konnte. Vielleicht lag es an der Art und Weise, wie sie darüber geredet hatten, denn diese Frauen scheuten sich nicht vor detaillierte Ausführungen ihres Liebeslebens. Für die 18-Jährige, die nicht mal ansatzweise etwas hatte, das man ein Liebesleben nennen konnte, war das recht schnell unangenehm. Das bemerkten auch die anderen. Doch anstatt mit ihren Gesprächen zu stoppen, quetschten sie die Rothaarige aus.
 

Es war überraschend, wie gefasst sie sonst war und wie zurückhaltend und unsicher sie wurde, wenn es um Ace oder dieses spezielle Thema ging. Es war, als wäre sie eine andere Person. Vor ein paar Monaten hätte sie nie gedacht, dass sie sich jemals über so etwas Gedanken machen würde. Vor zwei Monaten hätte sie aber auch nicht gedacht, dass sie Gefühle für Gol D. Ace entwickeln würde.
 

„Bist du bereit?“, fragte Ace plötzlich und riss sie aus den Gedanken.
 

„So bereit wie ich sein kann.“ Sie lächelte und nahm ihm die Maske ab, die er ihr entgegenhielt.
 

Sie betrachtete das schwarze Teil mit den silbernen Verzierungen, atmete tief ein und setzte sie auf. Es verdeckte die Hälfte ihres Gesichts, sodass sie schwer zu erkennen war.
 

„Du gehst zuerst. Ich komme in ein paar Minuten nach. Alles klar?“
 

Sie nickte und ging auf das Gebäude zu. Überall waren Wachen postiert, doch das störte sie nicht. Sie war darauf vorbereitet. Es war nichts, was sie nicht kannte. Deshalb betrat sie gefasst den roten Teppich und stieg die Treppen hinauf. Mittlerweile konnte sie in den Schuhen laufen, ohne dass es bescheuert aussah.
 

Oben angekommen, ging sie auf den Mann zu, der die Gästeliste kontrollierte. Als sie an der Reihe war, nannte sie ihren gefälschten Namen, den sie einer Freundin von Thatch zu verdanken hatte: „Viola Montez.“
 

Sie betrachtete abschätzig die anderen, während er ihren Namen checkte und sie eingehend musterte. Dabei fiel ihr auf, wie er etwas länger an ihrem Ausschnitt hängen blieb. Sie schnaubte abfällig, woraufhin er zusammenzuckte und mit einer schnellen Handbewegung klarmachte, dass sie eintreten durfte. Er wünschte ihr einen schönen Abend, den sie nicht erwiderte. Was für ein Idiot! Dafür, dass dies eine Feier des Unterweltkönigs war, waren die Sicherheitsvorkehrungen nicht besonders professionell.
 

Nikira ging nach vorne und stellte sich an das Geländer. Neugierig ließ sie ihre Augen über den imposanten Raum schweifen und war schnell vom Anblick beeindruckt, aber was erwartete man von einem Mafiaboss?
 

An der Decke hing ein gewaltiger Kronleuchter, der aufgrund tausend kleiner Diamanten funkelte und somit kaum zu übersehen war. Die gesamte Länge der rechten Wand war von Wasser überzogen. Damit wollte man wohl einen Wasserfall simulieren. Auf der linken Seite war die Bar. Hinter dieser Bar befand sich eine Reihe von Spiegeln, vor denen Tänzerinnen positioniert waren und all ihr Können in die professionellen Bewegungen legten. Alles in allem wollte sie nicht wissen, wie viel das alles hier gekostet hatte. Bestimmt ein Vermögen.
 

Sie wandte sich von dem beeindruckenden Anblick ab und ging mit einer Hand auf dem marmorierten Geländer langsam die Treppe hinunter. Dabei konzentrierte sie sich auf ihre Schritte, denn noch war sie kein Profi auf diesen Schuhen. Außerdem wollte sie so elegant wie möglich auftreten.
 

Unten angekommen, begab sie sich zur Bar, um sich etwas zu trinken zu holen. Niemand hatte gesagt, dass sie es nicht durfte. Noch dazu konnte ein wenig Alkohol nicht schaden. Er machte sie ein wenig lockerer. Sie bestellte sich also einen Sake, der nicht wie auf dem Schiff in billigen Flaschen getrunken, sondern in einem Glas serviert wurde. Die Barfrau informierte sie, dass alle Getränke gratis waren. Darüber staunte Nikira, nahm es aber erfreulich zur Kenntnis. Vermutlich hätte ihr dieses Glas die Hälfte von ihrem Ersparten gekostet.
 

Sie nippte an dem Sake und setzte sich auf einen Barhocker. Dabei überschlug sie die Beine. Mit einer Spur an Desinteresse ließ sie ihren Blick über die Menge schweifen. Thatch meinte, dass sie den Unterweltkönig erkennen würde, ohne ihn vorher gesehen zu haben. Er stand angeblich auf pompöse Auftritte.
 

„Wenn ich nicht wüsste, dass du es bist, würde ich dich schamlos anmachen.“
 

Bei diesen Worten musste die Rothaarige leicht grinsen. Sie drehte sich nicht zu ihm, denn diese Stimme erkannte sie unter Millionen wieder und wer außer ihm sollte sonst hier sein?
 

„Gleichfalls.“ Sie warf ihm ein Lächeln zu, welches Ace kurz aus der Bahn warf. Er wusste nicht, ob er sich das nur einbildete, aber es hatte etwas Verführerisches an sich und das machte ihn verrückt. Doch er versuchte sich zusammenzureißen.

„Ach ja? Würdest du das?“ Er konnte sich nur schwer vorstellen, dass sie offensiv auf ihn zuging.
 

Nikira wandte den Blick ab, nahm einen Schluck von ihrem Sake und lächelte belustigt. „Vielleicht, wenn ich betrunken wäre.“
 

„Dachte ich mir.“ Ace lachte. „Lust zu tanzen?“
 

Irritiert sah sie wieder zu ihm. „Du willst tanzen?“
 

„Klar. Wir haben es schließlich nicht umsonst gelernt.“ Er hielt ihr die Hand auffordernd entgegen. „Also?“
 

Ohne zu überlegen, ob das eine gute Idee war, stellte sie ihr Glas ab, stand auf und kam seinem Angebot nach. Während sie ihm zur Tanzfläche folgte, betrachtete sie ihre Hand, die in der von Ace lag. Selten hatte sich etwas so gut und richtig angefühlt. Diese einfache Geste löste in ihr Emotionen aus, die sie so selten verspürte, aber sich so sehr wünschte. Sie wollte nie wieder etwas anders fühlen und doch würde es bald so sein. Sie würde die geballte Wut ihres Vaters zu spüren bekommen und falls er sie verschonte, würde sie wieder in diesen alltäglichen Rhythmus verfallen. Wieder diese Verachtung von jeder Seite erhalten. Das Schlimmste daran war jedoch, dass jeder von den Whitebeards nichts als Hass für sie übrighaben würde. Dass Ace sie abgrundtief hassen würde.
 

Nikira sah erst auf, als sie stehengeblieben waren. Sie erwiderte das Lächeln des Schwarzhaarigen leicht und versuchte ihre deprimierenden Gedanken vorerst zu vergessen. Sie wollte nicht daran denken, sondern die Zeit, die ihr noch blieb, genießen.

„Bereit für den besten Tänzer auf der gesamten Grand Line?“ Eindringlich sah er sie an und brachte sie dazu leicht zu lachen.
 

„Klar.“
 

Sie warteten einen Augenblick und fingen dann an. Zuerst musste sich Nikira fürchterlich konzentrieren, aber da es ein ruhiges Lied war, ging es schnell von allein. So konnte sie ihre Aufmerksamkeit auf Ace richten. „Du tanzt gar nicht so übel wie ich gedacht habe“, fing sie scherzend an.
 

„Danke. Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals auf so einem Ball tanzen würde.“ Er lachte leise.
 

„Ich auch nicht. Irgendwie fühlt es sich komisch an. All dieser Prunk und dieses teure Kleid. Das…ist ungewohnt.“
 

„Ich finde es steht dir. Alles.“ Er machte eine kurze Pause. „Du siehst heute übrigens wirklich wunderschön aus.“
 

Nikira wurde bei seinen Worten rot und sah zur Seite. „Danke.“ Nach all den Komplimenten, die er ihr bereits gemacht hatte, hatte sie sich noch immer nicht daran gewöhnt und wurde unheimlich verlegen.
 

„Ich mag es, wenn du rot wirst“, lachte er leise und wartete gespannt auf seine Reaktion. Ihre Wangen glühten noch immer.
 

„Ich eigentlich nicht!“ Sie sah ihn an und lächelte verlegen. Wie zuvor auch, brachte Ace diese kleine Geste, trotz ihrer Maske, um den Verstand. Nikira hingegen fiel das gar nicht auf.
 

„Hör‘ bitte auf mich so anzusehen“, sagte Ace deshalb heiser und seufzte.
 

„Wieso?“ Sie war etwas irritiert von seiner Bitte.
 

Ace, der genau wusste, dass ihr nicht klar war, was sie mit einem kleinen Lächeln bei ihm bewirkte, schluckte. „Weil…ich dich gerade am liebsten küssen würde.“
 

Es dauerte einen Moment, bis Nikira seine Worte verinnerlicht hatte. Er wollte sie küssen? Sie? Mit großen Augen hatte sie die Luft angehalten, während ihr Herz in doppelter Geschwindigkeit weiterschlug. Seine Aussage brachte sie so sehr aus der Bahn, dass sie die Schrittfolge vergaß und den Rhythmus neu anpassen musste. Angestrengt und atemlos fragte sie anschließend: „Was?“
 

Bei ihrer ungläubigen Reaktion musste er schmunzeln. Sie hatte absolut keinen Grund überrascht darüber zu sein. Sie war…einzigartig. Mit seiner Hand, die unterhalb ihres Rückens lag, drückte er sie ein wenig näher an sich. Er genoss ihre Nähe sehr und wollte sie so nahe haben, wie nur möglich.
 

„Ich…“, fing er an, wurde aber von der plötzlich lauterwerdenden Musik unterbrochen. Ace und Nikira lösten sich aus der Tanzhaltung und sahen nach vorne. Das Licht im gesamten Saal wurde gedimmt und mehrere Scheinwerfer lenkten die Aufmerksamkeit auf den Beginn der Treppe, die zu einer Etage führte, die anscheinend nur für bestimmte Personen gedacht war. Die Leute um sie herum fingen an zu tuscheln. Auch die 18-Jährige drehte sich zu dem schwarzhaarigen Piraten, doch dieser stand nicht an seiner Stelle. Überrascht sah sie nach hinten und entdeckte ihn am Ende der Bar. Seufzend wandte sie sich wieder zum eigentlichen Geschehen.
 

Sie wusste, dass er aufgrund ihrer Mission nicht in ihrer Nähe sein sollte, dennoch wollte sie ihn an ihrer Seite wissen. Weil sie sich dadurch wohl fühlte und es schlichtweg genoss. Vor allem seine Berührungen lösten in ihr kleine Explosionen aus, die all das Negative in ihr zum Verschwinden brachten. Und die Tatsache, dass er sie küssen wollte, machte die Sache nicht besser. Vielleicht war es doch ein Vorteil, wenn er jetzt nicht an ihrer Seite war. Sie wusste noch immer keine vernünftige Antwort auf seine Aussage, die sie so unheimlich verlegen gemacht hatte.
 

Mit mäßigem Interesse verfolgte sie also das Spektakel vor ihr. Ein Mann tauchte oben auf und prompt wurde aus dem Getuschel ein aufgeregtes Gejubel. Es war kaum zu übersehen und zu überhören, dass es sich bei dieser Person um den Unterweltkönig handelte. Thatch hatte recht. Man erkannte ihn, wenn man ihn sah.
 

Auf dem gesamten Weg nach unten ließ er sich feiern. Doch das interessierte Nikira nicht. Sie scannte den vorderen Bereich des Raumes mit ihren Augen. Dabei fiel Nikira auf, dass unzählige Sicherheitsleute an jeder Ecke positioniert waren. 15 um genau zu sein.
 

Was ihr noch auffiel war, dass jede Menge Frauen um die Aufmerksamkeit des Mannes buhlten. Sie standen in der ersten Reihe und versuchten auf unterschiedliche Arten aufzufallen. Stirnrunzelnd fragte sie sich, wie gerade sie von ihm ‚ausgewählt‘ werden sollte? Laut Ace sollte sie einfach sie selbst sein, doch reichte das?
 

Um auf andere Gedanken zu kommen, stellte sie sich etwas abseits an einen Stehtisch und schnappte sich ein Glas von dem Kellner, der bei ihr vorbeiging.
 

„Liebe Damen und Herren! Ich bin wieder da!“ Er hob zur Demonstration seine Arme und die Menge jubelte wieder. Dabei hatte er ein zufriedenes Grinsen im Gesicht. Nikira konnte nicht bestreiten, dass er gut aussah. Noch dazu war er jünger als erwartet. Kein Wunder, dass ihm die Frauen förmlich zu Füßen lagen.
 

„Es freut mich über alle Maße, dass so zahlreiche meiner geladenen Gäste erschienen sind. Wie ihr bestimmt wisst, war ich eine Zeit lang verschwunden. Natürlich nicht ohne Grund. Zum einen war da die Marine, die nicht ganz mit dem zufrieden war, was ich getan habe.“ Gelächter erfüllte den Raum und Nikira konnte sich ein Augenverdrehen nicht verkneifen. Dennoch wunderte es sie, dass sie noch nie von ihm gehört hatte. Normalerweise verheimlichte ihr Vater nur selten Dinge vor ihr.
 

„Zum anderen war ich auf der Suche nach etwas, das vermutlich die Welt verändern wird. Dieses Etwas ist der Grund, weshalb viele von euch von weither angereist sind.“ Er legte eine Kunstpause ein und genoss sichtlich die Spannung, die er mit wenigen Worten aufbauen konnte. Eins musste ihm die Rothaarige lassen, er wirkte unheimlich sympathisch. Auch wenn seine Taten alles andere als rühmlich waren. Waffenhandel, Menschenhandel und auch Untergrundkämpfe waren nur ein Bruchteil von dem, was er zu verantworten hatte.
 

Vermutlich nur halb so begeistert wie viele andere in dem Saal, nippte sie an ihrem Getränk und lauschte weiter seinen Worten.
 

„Wer träumt nicht von Macht? Wer träumt nicht davon, die Dunkelheit auf seiner Seite zu haben? Gegen Kugeln immun zu sein? All das muss kein Wunsch mehr sein, denn es ist möglich. Für eine dementsprechende Summe versteht sich.“ Er zwinkerte in die Menge und erntete verzücktes Gelächter. „Ich habe sie gefunden. Nur für euch. Die vermutlich mächtigste Teufelsfrucht der Welt!“ Er hob seinen Arm und deutete nach oben. Auch Nikira sah zur Decke. Mit passender Musik zur Untermalung und allen vorhandenen Scheinwerfern, die einen Glaskasten beleuchteten, wurde die Frucht in Szene gesetzt.
 

Wenn sie geglaubt hatte, dass es vorhin laut war, dann hatte sie sich getäuscht. Viele konnten ihre Begeisterung kaum in Zaum halten. Selbst die 18-Jährige richtete sich mit steigernder Neugier auf. Mithilfe eines großen Bildschirms konnte sie die Frucht sehen. Sie war lila und ging beinahe ins Graue über. Ihre Blätter waren wie üblich grün. An sich nichts Besonderes und wenn sie ehrlich war, dann würde sie für keinen Berry der Welt davon essen. Sie sah ziemlich unappetitlich aus.
 

„In Kürze könnt ihr bei den reizenden Damen in Rot euer Angebot abgeben. Der Höchstbietende wird um Punkt Mitternacht verkündet. Für Anonymität ist natürlich gesorgt. Hiermit wünsche ich noch einen schönen Abend und nicht vergessen – seid großzügig.“ Mit einem letzten charismatischen Lächeln hob er seine Hand und verschwand mit einer kleinen Explosion und einer Rauchschwade von der Bühne.
 

„Übertrieben“, kommentierte Nikira murmelnd seinen Abgang und widmete sich ihrem Getränkt. Grüblerisch richtete sie ihre Augen auf den gläsernen Bereich über der Bühne. Die Scheiben waren leicht verdunkelt und gewährten kaum einen Einblick. Dennoch konnte sie den selbsternannten Unterweltkönig sehen, wie er auf seine Gäste herabblickte.
 

Die Rothaarige legte ihren Kopf schief. Sie musste also irgendetwas tun, damit sie sein Interesse weckte. Nur was? Sie könnte etwas stehlen, aber das wäre bestimmt nicht von Vorteil. Sie könnte aber auch einfach nach oben gehen und sehen, was passierte.
 

„Hey, Süße“, ertönte es auf einmal neben ihr. Für einen kurzen Moment hatte sie gedacht und gehofft, dass Ace wieder hier war, aber er würde sie weder Süße nennen, noch würde er einfach so seine Hand an ihre Hüfte legen.
 

Langsam drehte sie ihren Kopf nach rechts. Mit einem eisigen Gesichtsausdruck musterte sie den Mann mit einer Fuchsmaske. Er hatte ein selbstsicheres Grinsen im Gesicht.
 

„Ich glaube kaum, dass ich dir jemals die Erlaubnis erteilt habe mich anzureden, geschweige denn anzufassen. Also nimm deine Hand von mir!“ Sie klang beherrscht, auch wenn es in ihrem Inneren brodelte. Diese Situation erinnerte sie an damals in der Bar, als die Kellnerin nicht auf sie hören wollte. Nur dieses Mal hatte die Person eine absolut andere Intention sie anzufassen und darauf reagierte die Rothaarige natürlich empfindlicher, als auf eine einfache Berührung an ihrer Schulter.
 

„Zier dich nicht so, Hübsche. Du willst es doch auch.“ Er kam ihr mit seinem Gesicht gefährlich nahe und seine Hand wanderte weiter nach unten. Kurz schloss Nikira die Augen und hoffe, dass jemand von den Sicherheitsleuten ihre missliche Lage erkennen würde. Sie wollte nicht dadurch Aufmerksamkeit erlangen, indem sie jemanden zusammenschlug. Die Mission könnte dadurch gefährdet werden. Als jedoch niemand eingriff, holte sie tief Luft.
 

„Ich sagte…“, fing sie an, griff nach dem Handgelenkt des Mannes und drehte sich so um, dass sie schmerzhaft verdreht war. Sein Gesicht drückte sie mit ihrem Ellbogen auf den Tisch. Das alles tat sie so schnell, dass er keine Chance hatte zu reagieren. Sie beugte sich nach vorne und fuhr fort: „…du sollst mich nicht anfassen.“ Noch einmal drückte sie ihn nach unten und erntete ein angestrengtes Keuchen und ein halbherziges Nicken. Da sie sich nicht weiter mit ihm beschäftigen wollte, ließ sie ihn los, nahm ihr Glas und ging zur Bar. Dort setzte sie sich auf einen Barhocker und trank ihr Getränk auf einmal hinunter.
 

Vermutlich hätten Thatch und die anderen bei ihrer Reaktion nur den Kopf geschüttelt und wären der Meinung gewesen, dass sie überreagierte. Jedoch war Nikira ohnehin niemand, die sich gerne anfassen ließ. Schon gar nicht ungewollt und noch weniger auf diese Art und Weise. Aber im Vergleich zu damals hatte sie sich zurückgehalten und war nicht weitergegangen. Das war dieser Typ auch nicht wert.
 

Nikira ließ nebenbei ihren Blick durch den Raum schweifen. Jede Menge schicker Leute, aber auch einige, die ihr nicht ganz geheuer waren. Sie wollte nicht wissen, was solche Typen mit dieser Teufelsfrucht anfingen. In Thatch‘ Händen wäre sie keine schreckliche Waffe. Sie wäre vermutlich eine Hilfe.
 

Seufzend sah sie nach rechts und stockte. Unschlüssig, wie sie reagieren sollte, rutschte sie auf ihrem Stuhl hin und her. Dabei schielte sie unauffällig zu Ace, der am Ende der Bar stand. Er war nicht alleine. Neben ihm stand eine Frau, die lachend ihre langen, braunen Haare zurückstrich. Ein mulmiges Gefühl stieg in ihr auf. Sie war eifersüchtig. So richtig. Noch nie hatte sie ein solches Gefühl verspürt. Mit dieser Intensität. Es war wie Duzend kleiner Nadelstiche in ihr Herz. Verbissen sah sie nochmal zu Ace und der Frau. Sie wollte keine Eifersucht verspüren und doch konnte sie nichts dagegen tun. Der Anblick war schlichtweg schmerzhaft.
 

Angespannt beobachtete sie, wie die hübsche Frau ihn anschmachtete und seinen Arm berührte. Es war kaum zu übersehen, auf was sie aus war. Dass sie ausgerechnet Ace im Visier hatte, konnte Nikira ihr nicht mal verübeln. Abgesehen davon, dass er unheimlich gut aussah, strotzte er nur so vor Selbstbewusstsein und Charme. Wer konnte da schon widerstehen?
 

„Miss? Verzeihen Sie die Störung, aber Sie müssen mich umgehend begleiten.“ Bei dieser autoritären Stimme sah die Rothaarige überrascht zu der Frau vor ihr und runzelte die Stirn. Das klang nicht nach einer Bitte und dennoch zierten die roten Lippen ein höfliches Lächeln. Noch dazu passte es nicht ganz zu der Tonlage, die keine Widerrede zuließ.
 

Die 18-Jährige betrachtete die Sicherheitsleute, die mit einem Abstand von ein paar Metern zu ihnen um sie herum standen. „Gibt es ein Problem?“, fragte sie deshalb und klang dabei so arrogant, dass die Mundwinkel der unbekannten Frau zuckten.
 

„Folgen Sie mir einfach.“ Ihr Lächeln hatte ein wenig nachgelassen. Anscheinend missfiel es ihr, dass sie als Botin missbraucht wurde.
 

Da Nikira keine andere Wahl hatte, kam sie dieser Aufforderung nach. Außerdem war sie gespannt darauf, was sie nun erwartete. War sie aufgeflogen? Brachte man sie nun nach draußen? Oder lief alles nach Plan, auch wenn sie keine Ahnung hatte, was dieser Plan gewesen sein könnte? Trotz der Unsicherheit, verspürte sie keinerlei Nervosität. Ob es an den Getränken lag, die sie getrunken hatte? Möglich. Ob das gut war? Keine Ahnung.
 

Langsam folgte sie dieser Frau in dem auffälligen grünen Kleid nach oben. Es fiel ihr schwer, sich nicht umzudrehen und zu sehen, ob Ace noch immer abgelenkt war. Aber von nun an zählte ihre Mission. Gänzlich unpassend zierte ein Lächeln ihr Gesicht. Wenn sie darüber nachdachte, dann war diese Situation einfach nur grotesk. Sie war auf einer Mission in einer Mission. Noch dazu für zwei komplett unterschiedliche Seiten.
 

Plötzlich stoppte die Frau vor ihr und öffnete eine Tür, die in den gläsernen Raum führte. Nikira sah sich nicht wirklich um, als sie ihn betrat. Die Ausstattung interessierte sie recht wenig. Viel wichtiger war der Mann, der an der Glasfront stand und das Geschehen unter ihm beobachtete. Sie nahm die Frau erst wieder wahr, als sie ihr ein Getränk reichte, welches verdächtig nach Sake roch.
 

„Du kannst jetzt gehen, Jane.“
 

Die Frau nickte, verließ den Raum und schloss hinter sich die Tür. Argwöhnisch wartete Nikira darauf, was jetzt folgte. Sie waren alleine. Komisch, dass er sie automatisch als ungefährlich einstufte und keinerlei Sicherheitsleute hier positionierte. Sollte sie das beruhigen?
 

„Schön, dass Sie meiner Einladung gefolgt sind“, kam es wie aus dem Nichts von dem selbsternannten Unterweltkönig. Seine Stimme klang ruhig und höflich. Von Nahem sah er noch jünger aus, als sie zuerst gedacht hatte. Er konnte nicht viel älter sein als Marco und dieser war noch keine Dreißig.
 

„Ich glaube kaum, dass ich eine Wahl gehabt hätte, oder?“ Nikira zog eine Augenbraue nach oben und setzte sich ungefragt auf die schwarze Couch. Sie überschlug ihre Beine. Dabei wurde ein Bein freigelegt. Wie von den Krankenschwestern prophezeit, wanderten seine Augen über die nackte Haut. Nur schwer konnte sie sich bei dieser Reaktion ein Grinsen verkneifen. So sehr die letzten Tage genervt hatten, sie hatten sich etwas gebracht.

„Da liegen Sie vollkommen richtig.“ Er lächelte und setzte sich ihr gegenüber.
 

„Wie ist Ihr Name?“
 

„Viola“, antwortete sie ihm kurz und bündig. Nach seinen Namen fragte sie nicht, denn er würde ihn ohnehin nicht verraten.

„Hübscher Name“, flüsterte er mehr zu sich selbst. „Ist es ok, wenn ich Sie duze?“
 

Nikira nickte als Antwort. „Also? Was verschafft mir die Ehre, den Unterweltkönig persönlich zu treffen?“ Sie wollte das Gespräch beschleunigen.
 

„Ich habe dich beobachtet. Deine Art und Weise, wie du dir Typen vom Hals schaffst, die dich belästigen, ist…beeindruckend. Jede andere hätte vermutlich sofort um Hilfe geschrien. Du hingegen hast ihn mit einem gekonnten Griff davon abgehalten, weiterzugehen. Wo hast du das gelernt?“ Eindringlich sah er sie an und Nikira hatte das Gefühl, dass er durch sie hindurchblickte und mehr wusste, als ihr lieb war. Sie verstand, warum er in diesem Geschäft so erfolgreich war. Warum ihn die Leute fürchteten. Er hatte eine einprägende Ausstrahlung, die nicht positiv war. Vorhin auf der Bühne, vor all den Leuten, war er anders. Sympathisch.
 

„Dort wo ich herkomme, sollte man sich verteidigen können.“ Ihre Antwort war passend. Wie auch bei den Fragen der Whitebeards sagte sie grundsätzlich die Wahrheit, aber verriet nicht zu viel.
 

„Nimm deine Maske ab. Ich würde gerne sehen, welch faszinierende Frau sich dahinter befindet.“ Wie zuvor auch, war es keine Bitte.
 

Nikira zögerte keine Sekunde. Zögern würde bedeuten, dass sie etwas zu verbergen hatte. Vorsichtig entfernte sie das Teil von ihrem Gesicht und legte es beiseite. Sie hob ihren Kopf und blickte ihm direkt in die Augen. Er reagierte mit einem schon beinahe zufriedenen Grinsen.
 

„Wirklich wunderschön“, raunte er leise und sah dabei beinahe gierig aus. Für einen kurzen Moment hatte er sie angesehen, als wäre sie ein Ausstellungsstück. Diese Tatsache verursachte bei ihr eine unangenehme Gänsehaut. Sie musste vorsichtig sein. Bereits nach ein paar Minuten mit ihm alleine ließen erahnen, wie bösartig er war. Und seine Teufelskraft hatte sie auch nicht vergessen. Wie könnte sie auch?
 

Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals und doch blieb sie ruhig. Sie beugte sich ein wenig nach vorne und spielte an dem protzigen Anhänger herum. Dabei fuhr sie sich bewusst über ihr Dekolleté. „Diese Teufelsfrucht“, fing sie langsam an, „Wie viel müsste ich bieten, um sie zu bekommen?“ Nikira könnte sich natürlich nie im Leben diese Frucht leisten, aber durch ihre Frage lenkte sie das Gespräch in die richtige Richtung.
 

Wie erhofft, lehnte er sich mit einem Lächeln über ihr Interesse zurück. Natürlich war ihr schon der Gedanke gekommen, dass das alles hier viel zu einfach war. Der Mann vor ihr war niemand, der schnell jemanden vertraute. Deshalb musste sie auf alles gefasst sein.
 

„Hm. Ich denke mit 900.000.000 Berry wäre ich ziemlich zufrieden.“ Er sagte dies, als würde er übers Wetter reden und beobachtete ihre Reaktion auf diesen utopischen Preis genau.

Er erhielt ein beeindruckendes Nicken. „Wow. Ziemlich viel Geld für eine Frucht, die vermutlich nicht mal gut schmeckt.“ Sie lächelte belustigt und zeichnete kleine Kreise mit ihren Nägeln auf ihrem Oberschenkel, der nach wie vor freilag. Die Blicke, die er ihr dabei zuwarf, waren eindeutig. Ihm gefiel, was er sah. Gut für Nikira.
 

„Allerdings, aber sie ist jeden Berry wert. Interesse?“ Mit einem wissenden Grinsen griff er nach einer Zigarre und zündete sie an. Einen Moment beobachtete sie den Rauch.
 

„Unheimlich großes Interesse.“ Zum ersten Mal nippte sie an ihrem Getränk. Dabei ließ sie ihn nicht aus den Augen. „Ist das in der Box die echte Finsterfrucht, oder nur ein Imitat?“ Sie stand auf und ging auf die verdunkelte Glasfront zu. Da sie seinen Blick auf ihr spürte, konzentrierte sie sich darauf, dass sie gezielt ihre Hüften einsetzte. Die Krankenschwestern waren der Ansicht, dass ein Mann dadurch gar nicht anders konnte, als seine Augen auf gewisse Stellen zu richten. Sie hoffte, dass es funktionierte.
 

Nebenbei nahm sie wahr, wie er ihr folgte und dicht neben ihr zum Stehen kam.
 

„Ein Imitat. Die echte befindet sich immer in meiner unmittelbaren Nähe.“
 

„Kluge Entscheidung.“ Nikira lächelte, obwohl ihr absolut nicht danach zumute war. Sie musste sich etwas einfallen lassen. Die Uhr zeigte elf Uhr. Eine Stunde bis Mitternacht und somit bis zur Versteigerung. Sie trank ihren Sake auf einmal hinunter, stellte das Glas auf einen kleinen Tisch und wandte sich zu ihm. Ihr blieb nichts anderes übrig, als die Initiative zu ergreifen.

Sie hob ihren Kopf und biss sich spielerisch auf die Lippen. Gott, sie konnte sich nicht vorstellen, dass das gut aussah. Dennoch versuchte sie all das umzusetzen, was ihr die Krankenschwestern gesagt hatten. Eher widerwillig hob sie ihre Hand. Es kostete sie mehr Überwindung als gedacht, den Mann vor sich zu berühren. Etwas zaghaft legte sie ihre Hand auf seine Brust.
 

Sie war nicht überrascht, als sie gar nichts verspürte. Diese Berührung ließ sie absolut kalt. Ganz anders als bei Ace, aber das wunderte sie nicht. Dieser Unterweltkönig hatte keinerlei Bezug zu ihr und erreichte Nikira emotional auf keiner Ebene. Es war beinahe so, als würde sie einen Stein berühren.
 

Die Rothaarige musste sich trotz dieser merkwürdigen Situation ein hinterlistiges Grinsen verkneifen. Er sprang darauf an und legte seine Hand auf ihre Hüfte. Dass ihr jemand anders lieber war, der sie berührte, war ihr bewusst. Sie hatte aber keine Zeit an den schwarzhaarigen Piraten zu denken, denn seine Hand strich sachte über ihre Seite.
 

„Würdest du sie gerne sehen?“ Er grinste wissend, als er die Frage leise stellte.
 

Nikira hielt kurz inne. Sie hätte nicht gedacht, dass er von sich aus so weit gehen würde. Statt überrascht zu reagieren, lächelte sie verführerisch und spielte mit seiner Krawatte, die sein seriöses Auftreten unterstrich. „Wer würde das nicht?“, konterte sie mit einer Gegenfrage.
 

Sie hoffte, dass sie bald von hier verschwinden konnte. Seine Hand auf ihrem Köper war ihr unangenehm. Noch dazu hatte sie die Nähe von diesem schmierigen und unheimlichen Typen langsam satt.
 

„Ich zeig sie dir.“ Er machte einen Schritt nach hinten und ging ans andere Ende des Raumes. Nikira holte tief Luft. Noch länger hätte sie dieses falsche Spiel nicht ausgehalten. Erschöpft fuhr sie sich über die Stirn. Ihr war seit ein paar Minuten unheimlich heiß, obwohl hier angenehme Temperaturen herrschten. Sie machte ein paar Schritte nach vorne und kniff ihre Augen zusammen. Was zum…? Wieso war ihre Umgebung plötzlich so unscharf?
 

Irritiert sah sie nach vorne und stieß ihre Nägel verkrampft in das Leder der Couch. Irgendetwas stimmte hier nicht.

Der König erschien in ihrem Blickfeld. In seiner Hand hielt er eine Frucht. Die Teufelsfrucht.
 

„Nanu? Was ist los? Willst du sie doch nicht mehr sehen?“ Hämisch grinsend sah er ihr dabei zu, wie sie versuchte sich auf den Beinen zu halten.
 

„Was…soll das?“, zischte Nikira angestrengt. Irgendetwas hatte er ihr gegeben.
 

„Weißt du? Du bist wirklich etwas ganz Besonderes. Du bist wunderschön, klug und kannst dich verteidigen.“ Spielerisch fuhr er ihr über die Wange und erntete einen hasserfüllten Blick von der Rothaarigen. Als sie sich nicht mehr halten konnte, fiel sie auf die Knie. Ihre Atmung wurde unregelmäßig und statt der verschwommenen Sicht wurde es immer schwärzer. Der Mann mit der Teufelsfrucht in der Hand ging in die Knie und sah auf sie herab. „Hast du eigentlich eine Ahnung, wie viel Geld du mir bringen wirst? Die alten Säcke werden mir ihr Geld hinterherwerfen, wenn ich dich zum Verkauf anbiete.“
 

Er lachte erfreut auf. Immer mehr verschwand Nikiras Bewusstsein. Ihre Lider wurden schwerer und schwerer, bevor sie die Dunkelheit wie eine Hülle umschloss. Das Letzte, was sie sah, war sein finsteres, zufriedenes Grinsen.

Not Supposed To Be

Eisige Kälte umgab Nikira. Die Schmerzen in ihrem Kopf waren unerträglich, als sie schwerfällig die Augen aufschlug. Sie blinzelte ein paar Mal und hob anschließend vorsichtig den Kopf. Bei jedem neuen Augenaufschlag gewöhnte sie sich mehr an die Umgebung, dennoch nahm sie sie erst langsam wahr. Allmählich wurde ihr bewusst, wo sie sich befand.

 

„Was zum…?“, krächzte sie leise und wollte ihre müden Glieder bewegen. Ihre anfängliche Ungewissheit schlug jedoch rasant in Panik um, als ihr klar wurde, dass sie dies nicht konnte. Energisch zog sie an ihren Armen, aber außer dem Rasseln von Ketten passierte nichts. Ihre Beine und Arme waren in Fesseln verankert. Schutzlos hing sie an der Wand. In einer Zelle.

 

„Wieso so verzweifelt, Süße?“

 

Die Stimme kam so plötzlich, dass Nikira zusammenzuckte. Sie riss ihren Kopf nach rechts und prompt verfinsterte sich ihr Gesichtsausdruck. „Du!“, zischte sie verärgert. Wenn sie könnte, würde sie ihm eine verpassen. Für das, was er ihr angetan hatte.

 

„Ich und niemand anderes.“ Er kam grinsend auf sie zu und blieb kurz vor ihr stehen. „Bedauerlicherweise habe ich nicht lange für dich Zeit. Die Versteigerung wartet, weißt du?“

 

Die 18-Jährige schnaubte. Sie interessierte sich nicht für seine Worte. „Mach mich sofort los oder du wirst es bitter bereuen.“ Sie war wütend. Verdammt wütend.

 

„Ach! Amüsante Drohung in deiner Position.“ Er legte seinen Kopf schief und lächelte plötzlich beunruhigend zufrieden. „Weißt du was ich sehe, wenn ich in dein Gesicht blicke? Geld. Jede Menge Geld.“ Zum Schluss hin wurde seine Stimme immer leiser. Der Unterweltkönig klang fanatisch und verrückt. Ein unangenehmer Schauer lief ihr über den Rücken und es wurde schlimmer, als seine Augen gierig über ihren Körper wanderten. Nikira biss ihre Zähne zusammen. Es war schrecklich, seine Blicke zu spüren und nichts dagegen tun zu können.

 

„Wie vielen Frauen hast du das schon angetan? Sie an irgendwelche alten Männern verkauft?“ Der Gedanke daran machte sie krank. Dieses Geschäft war abartig und einfach nur unmenschlich. Zu wissen, dass er dasselbe mit ihr vorhatte, machte sie umso rasender.

 

„Oh. Diese Frage ist schwer zu beantworten.“ Er klang abwesend, als müsste er ernsthaft darüber nachdenken.

„Wieso?“, fragte sie leise und hatte eine gewisse Vorahnung.

 

Wie als würde es ihn absolut nicht interessieren, zuckte er mit den Schultern. „Es waren einfach zu viele bisher.“

 

Verbissen starrte sie ihm in die Augen und rüttelte wütend an den Ketten. „Du verdammter Mistkerl“, zischte sie.

Statt angemessen auf ihre Worte zu reagieren, lächelte er milde. Er hob seinen Arm und strich Nikira über die Wange.

 

Angeekelt drehte sie ihren Kopf weg, in der Hoffnung, er würde seine Finger von ihr nehmen. „Die Art und Weise wie du mit mir redest, gefällt mir. Ich spiele mittlerweile mit dem Gedanken, dich zu behalten. Du wärst ein tolles, neues…Spielzeug.“ Ein widerliches Grinsen hatte sich auf sein Gesicht geschlichen, bei dessen Anblick Nikira übel wurde.

 

In ihrem Kopf herrschte Chaos. Immer wieder ging sie Szenarien durch. Sie versuchte einen Ausweg aus dieser perfiden Lage zu finden, doch ohne Hilfe würde sie es nicht schaffen. Dennoch dachte sie nicht einen Moment daran einzuknicken. Deshalb knurrte sie: „Ich bin nicht dein verdammtes Spielzeug, Arschloch!“

 

„Sag das nochmal! Nenn mich nochmal so!“, forderte er plötzlich energisch, aber keineswegs verärgert. Vielmehr schien er erregt. Seine Finger, die bis jetzt an ihrer Wange geruht hatten, fuhren ihren Hals hinunter und stoppten schließlich bei ihrer Brust. Nikiras Herz raste und doch blieb sie nach außen hin ruhig. Sie starrte ihn ausdruckslos an. Ruhig zu bleiben, obwohl er sie auf diese Art und Weise berührte, fiel ihr schwerer als alles andere.

 

Sie wollte das nicht. Zittrig holte sie tief Luft und gerade, als sie etwas sagen wollte, wurde sie unterbrochen.

 

„Fass sie weiter an und ich breche dir alle Knochen!“ Ace‘ Stimme hallte durch den kalten Gang und ließ Nikira erleichtert aufseufzten. Sie sah zu ihm. Er hatte vor Wut sein Gesicht verzogen. Die rechte Hälfte seines Körpers bestand vollkommen aus Flammen und verliehen ihm ein bedrohliches Äußeres. Selten hatte sie ihn so aufgebracht gesehen und doch freute sie sich unheimlich, ihn zu sehen.

 

„Ace!“, entkam es ihr hoffnungsvoll und ein kleines Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht. Sie war noch nie so froh gewesen ihn zu sehen.

 

Der Mann vor ihr ließ von ihr ab und drehte sich zu dem Piraten. Ein beinahe erfreuliches Lächeln erschien auf seinem Gesicht. „Sieh mal einer an! Portgas D. Ace, Mitglied der Whitebeards und Kommandant der zweiten Division. Ich habe nicht mit einem so hohen Besuch gerechnet.“ Er vergrub seine rechte Hand in seiner Anzugtasche und strotzte mit Leichtigkeit dem einschüchternden Auftreten von Ace.

 

„Dein Gerede interessiert mich nicht. Lass uns das hier lieber zu Ende bringen.“ Er entfachte seine Teufelskraft und verstärkte die Flammen.

 

Zweifelnd verzog er das Gesicht. „Das würde ich eher nicht tun. Flammen können ganz schön weh tun und wir wollen ja nicht, dass unsere Hübsche hier sich verletzt. Nicht wahr?“ Unbewusst hatte er mit seinen Worten einen wunden Punkt getroffen.

 

Daran hatte der Pirat auch schon gedacht. Der Platz hier war nur beschränkt. Würde er seine Teufelskraft einsetzen, könnte es passieren, dass er Nikira traf. Doch das minderte nicht sein Selbstbewusstsein. „Kein Problem, dann regeln wir das eben auf die altmodische Art und Weise.“ Das lodernde Feuer verschwand, stattdessen ballte er seine Hand zu einer Faust und grinste dem selbsternannten Unterweltkönig ins Gesicht.

 

Nikira, die zu ihrem Bedauern nicht eingreifen konnte, machte den Schwarzhaarigen auf ein wichtiges Detail aufmerksam. „Warte! Vergiss nicht, dass er auch eine Teufelskraft besitzt.“

 

Als wäre es die ultimative Erkenntnis, hob der Mann vor ihr wissend seinen Arm und zeigte mit dem Finger auf sie. „Ha! Da war doch noch etwas. Danke, dass du uns darauf aufmerksam gemacht hast, Süße“

 

Die 18-Jährige schnaubte nur abfällig über seine übertriebene Reaktion inklusive dem idiotischen Kosenamen und hoffte inständig, dass Ace einmal in seinem Leben nicht voreilig handeln würde.

 

„Mal sehen, wie du zurecht kommst, wenn du nichts mehr siehst.“ Er grinse freudig und schnippte mit den Fingern. Verbissen sah die Rothaarige zu dem Piraten, dessen Gesicht einer ausdruckslosen Miene glich. Für einen Moment dachte sie sich, dass er nur geblufft hatte, denn irgendwie passierte nichts. Eindringlich beobachtete sie beide Männer. Erst als sie Ace fluchen hörte, wusste sie, dass sie sich in einer verdammt schlechten Position befanden.

 

„Das ist übel“, flüsterte sie, nachdem die kleinsten Bewegungen des Kommandanten zaghaft wurden.

 

Dennoch straffte er die Schultern. „Alles klar. Ich brauche weder Sehkraft, noch meine Flammen, um einen Idioten wie dich fertig zu machen.“ Er grinste, obwohl die Situation alles andere als leicht genommen werden sollte. Bei soviel Selbstbewusstsein verzog Nikira zweifelnd das Gesicht. Wie konnte jemand in dieser Lage noch grinsen? Manchmal war er wirklich bewundernswert und idiotisch zugleich...

 

„Ich bin gespannt, wie lange deine Arroganz anhalten wird.“ Der Unterweltkönig zog sein Sakko aus und schmiss es achtlos zur Seite. Anschließend schob er seine Ärmel nach oben. Während er dies tat, beobachtete Nikira ihn genau. Dabei stach ihr etwas Auffälliges ins Gesicht.

 

„Haki“, murmelte sie überrascht und Panik machte sich in ihr breit. Das war alles andere als gut. Wieso beherrschte er das?

„Richtig erkannt, Kleine. Ich bin nicht umsonst der Unterweltkönig.“ Sie konnte sehen, wie ein trockenes Lächeln auf seinem Gesicht erschien. Das verhieß nichts Gutes.

 

„Ace? Er benutzt Haki. Du solltest dich also unter keinen Umständen treffen lassen“, meinte sie schwach. Welch weiser Ratschlag ihrerseits...

 

Der Angesprochene verdrehte deshalb die Augen. „Danke für den hilfreichen Tipp. Ich werde es versuchen.“

Nikira zuckte nur halbherzig mit Schultern, bereute es jedoch sofort, da es stechende Schmerzen verursachte. Sie befand sich bereits viel zu lange in dieser ungemütlichen Position. Doch das war nicht das, was sie am meisten störte. Es war die Tatsache, dass sie nur tatenlos zusehen konnte. Sie würde viel lieber dem Piraten helfen, der mittlerweile in Bedrängnis geraten war.

 

Er versuchte angestrengt auf Geräusche zu achten. Sich auf die anderen Sinne zu konzentrieren, denen er noch mächtig war. Leichter gesagt als getan. In dem mit Steinen gebauten Gang hallte jeder Schritt von den Wänden wider und führte ihn in die Irre. Er versuchte auf Abstand zu gehen, damit er beim Einsätzen seiner Kräfte Nikira nicht verletzen würde. Das gefiel ihm nicht. Er war niemand, der sich gerne in der Defensive befand.

 

Der plötzliche Schmerz, der folgte, war heftig. Er stolperte aufgrund des Schlages nach hinten und griff sich prompt an die getroffene Stelle.

 

Die Rothaarige verzog indes das Gesicht. Das hatte schmerzhaft ausgesehen und nach Ace‘ Reaktion zufolge, war es das auch. Er blutete aus der Nase. Sie biss sich auf die Lippen und sah sich um. Nicht, dass sie das nicht bereits getan hätte, aber so fühlte sie sich weniger nutzlos.

 

Während die 18-Jährige fieberhaft nach etwas suchte, dass sie aus der aussichtslosen Lage befreite, wehrte sich der Kommandant mit Händen und Füßen gegen die überraschenden Schläge. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal so viele Treffer kassieren musste. Normalerweise war er es, der austeilte.

 

„Das macht so viel Spaß!“, rief der Unterweltkönig, holte wieder aus und schlug dem Piraten dieses Mal in den Bauch.

Ace zischte auf und krümmte sich vor Schmerzen. Verärgert spuckte er das Blut auf den Boden, welches sich in seinem Mund gesammelt hatte. Er hob seinen Arm und versuchte zum zweiten Mal mit Hilfe seiner Teufelskräfte den Mann zu treffen. Dem Lachen zufolge, hatte er nicht getroffen. Wie auch, wenn er nichts sah und er seine Flammen nur begrenzt einsetzen durfte? Wütend darüber holte er mit seinem Arm aus, streifte den Körper aber nur.

 

Unzählige Male musste er einstecken und er hoffte inständig, dass seine rothaarige Freundin auf eine Lösung kam. Ohne Sehkraft war es ihm einfach nicht möglich, zu kämpfen. Langsam aber sicher wurde es mühsam und vor allem schmerzhaft. Er war niemand, der schnell anfing zu jammern, aber mittlerweile spürte er jeden einzelnen Muskel schmerzen.

 

Während Ace mit aller Kraft versuchte sich gegen den König zu wehren, durchforstete Nikira ihr Gehirn nach Möglichkeiten, diesen Wahnsinn zu stoppen. „Komm schon. Denk nach. Jeder hat eine Schwachstelle.“ Sie wandte den Blick vom Kampf ab und sah nach rechts. „Schwachstelle, Schwachstelle“, murmelte sie vor sich hin, als ihr Blick bei etwas hängen blieb.

„Wasser.“ Sie runzelte die Stirn und folgte dem Riss in der Wand, aus dem die Flüssigkeit floss. Am Boden hatte sich eine große Pfütze angesammelt. Der Sprung in der Steinmauer erstreckte sich bis zu ihrer Gefängniszelle. „Wieso fließt hier soviel Wasser?“ Sie stellte sich selbst leise diese Frage und da hatte sie einen Gedankenblitz. Das war die Lösung und Schwachstelle.

 

„Ace!“, rief sie und erlangte sofort seine Aufmerksamkeit. „Direkt zu deiner Linken befinden sich die Gitterstäbe einer Zelle. Hol dir einen Stab und schlag so fest du kannst gegen die Wand zwei Meter weiter!“

 

„Was? Wieso?“ Er sah verwirrt aus und kassierte prompt einen Schlag ins Gesicht. Er war so heftig, dass er taumelte und nach hinten fiel.

 

„Tu es einfach!“, meinte sie ungeduldig und zog aus Reflex an den Ketten.

 

Jetzt schaltete sich auch der Unterweltkönig ein: „Gebt auf! Ihr habt keine Chance gegen mich. Auch nicht mit irgendwelchen Tricks.“

 

Während er sich zu Nikira wandte, griff der Pirat halb aufgerichtet nach den Eisenstangen und schmolz das Material, sodass er den Stab problemlos abreisen konnte. Schwerfällig erhob er sich. Er spürte das Ausmaß der Treffer deutlich, doch das würde ihn nicht aufhalten. Er tastete sich nach vorne und spürte das Wasser, welches aus dem Spalt rann.

 

„Hier muss es sein“, sagte er mehr zu sich selbst und wollte ausholen, als ihn jemand davon abhielt.

 

„Was soll das denn werden? Hm?“ Der Unterweltkönig hatte sich die Stange gegriffen, doch zu seiner Überraschung grinste Ace.

 

„Das war gerade ein Fehler.“ Noch bevor er schauen konnte, drehte sich der Schwarzhaarige um und schlug ihm mit dem Eisen gekonnt ins Gesicht. Er vernahm ein Keuchen und einen dumpfen Aufprall. Es stimmte ihn schadenfroh, doch lange hatte er nicht Zeit den Triumph zu genießen.

 

„Jetzt, Ace!“, kam es wieder von Nikira. Er holte aus und schlug gegen die Wand. Zuerst tat sich gar nichts, doch plötzlich hörte er ein Rauschen, sowie das Bröckeln von Stein. Bevor er sich fragen konnte, um was es sich dabei handelte, trafen seine Haut viele kleine Wassertropfen.

 

Er verzog das Gesicht. „Wasser? Du weißt schon, dass das nicht mein Lieblingselement ist, oder?“ Was brachte ihm das?

„Gerade deshalb.“ Nikira grinste und forderte ihn auf, nochmal dagegen zuschlagen. Sie mussten die Zeit nutzen, solange der Unterweltkönig sich aufrappelte.

 

Ace‘ Kraft und seine zwei Treffer reichten aus, damit das Getöse lauter und der Riss größer wurden. Durch den Druck schoss immer mehr Wasser aus dem Spalt und traf beide Männer. Der Pirat ging ein paar Schritte zurück. Es dauerte nicht lange und er stand in einer größer werdenden Pfütze.

 

„Was habt ihr getan?“, zischte der König, nachdem er wieder fest auf den Beinen stand. Er sah wütend zu der Steinmauer, die bestimmt nicht mehr lange hielt.

 

„Das, was nötig war, um deine Kräfte auszuschalten.“ Nikiras Stimme klang eisig und selbstgefällig. Der Schwarzhaarige musste grinsen. Nicht nur, weil sie genial war, sondern auch, weil seine Sehkraft wieder zurückkam. Je stärker ihn das Wasser traf, desto schwächer wurden die Kräfte des Unterweltkönigs. Natürlich beeinflusste es auch ihn, aber körperlich gesehen war er besser als der Namenlose. Er verließ sich nicht auf seine Teufelskraft und deshalb hatten sie gewonnen, noch bevor der Kampf zu Ende war. Haki half zwar gut gegen einen Logiafruchtnutzer, aber war nutzlos, wenn der andere im Nahkampf um Welten besser war.

 

Mit großen und schnellen Schritten war er bei dem Mann und hatte dessen Hand um seinen Hals gelegt. Dieser warf dem Piraten einen verängstigten Blick zu. Viel war nicht mehr von dem arroganten Schnösel übrig. Dennoch versuchte er sich zu wehren. Erfolglos.

 

Ace kümmerte sich mit Freude um ihn, bis er kaum mehr stehen konnte. „Das ist dafür, dass du Nikira angefasst hast.“ Wütend holte er nochmal aus und schlug ihm mitten ins Gesicht. Im Gegensatz zu dem Schwarzhaarigen hielt er nicht viel aus und nach dem heftigen Treffer bewusstlos. Dafür musste Ace noch nicht mal seine Flammen einsetzen. Achtlos schmiss er den Mann in das mittlerweile knöchelhohe Wasser, nachdem er den Schlüssel für die Fesseln aus seiner Tasche genommen hatte.

Er schenkte ihm keine weitere Aufmerksamkeit mehr, sondern ging auf Nikira zu. „Alles klar bei dir?“, fragte er ernst.

Sie nickte. „Ja. Alles klar. Ich will hier einfach nur noch raus.“

 

Er entfernte zuerst die Ketten an ihren Füßen und öffnete anschließend das Schloss an ihren Handgelenken. Ace umfasste mit einem Arm ihre Hüfte, damit sie nicht fiel. Vorsichtig setzte er sie ab.

 

Die Rothaarige dehnte ihre Glieder, die in den letzten zwei Stunden ziemlich strapaziert worden waren. Dabei verzog sie das Gesicht.

 

„Wir sollten gehen. Die Mauern halten nicht mehr lange.“ Er sah zu dem Riss, der mittlerweile gefährliche Ausmaße angenommen hatte und Unmengen an Wasser freiließ.

 

„Gute Idee.“ Sie wollte nach oben gehen, doch zu ihrer Verwunderung hielt Ace bei dem Mann am Boden an, hob ihn hoch und warf ihn über die Schulter. „Was tust du?“

 

„Ich gehe hier nicht ohne Thatch‘ Teufelsfrucht hinaus und er wird mir dabei behilflich sein.“ Entschlossen ging er auf die Abzweigung zu, von der er gekommen war.

 

„Wie willst du ihn dazu bringen, dass er sie dir gibt?“ Skeptisch sah sie ihn von der Seite an.

„Lass das mal meine Sorge sein. Schaffe du lieber alle Leute aus dem Gebäude. Wer weiß, wie lange die Wände und Decken noch halten.“ Er schenkte ihr ein halbherziges Lächeln, welches ihr nicht ganz geheuer war. Doch sie wollte nicht weiter darüber nachdenken.

 

Oben angekommen trennten sich ihre Wege. Nikira machte sich daran, alle herauszuschaffen, indem sie ihnen einfach die Sachlage erklärte. Viele von den Gästen waren natürlich sofort in Panik geraten und so war die Aufgabe schnell erledigt.

Ungeduldig wartete sie schließlich vor dem Gebäude auf Ace. Sie ging eine gefühlte Ewigkeit einfach nur auf und ab.

„Geht es dir gut? Du wirkst nervös.“ Die Stimme überraschte sie, sodass die Rothaarige erschrocken zusammenzuckte. Sie drehte sich herum und seufzte erleichtert auf.

 

„Verdammt, Ace! Du-“, regte sie sich auf, stoppte allerdings abrupt, als sie das runde Ding in seiner Hand bemerkte. „Ist das etwas das, wofür ich es halte?“ Perplex deutete sie auf die violette Frucht.

 

„Jap. Das ist die Finsterfrucht.“ Er drehte sie in seinen Händen hin und her und grinste dabei übers ganze Gesicht.

 

„Das wird Thatch umhauen.“ Nikira schüttelte fassungslos den Kopf. Vergessen war der Gedanke daran, wie er an diese Frucht gekommen sein musste.

 

„Na dann gehen wir mal und überbringen ihm die frohe Botschaft.“

 

Nikira hatte ein riesiges Lächeln im Gesicht, als sie das Deck der Moby Dick betraten. Stolz betrachtete sie die Teufelsfrucht, die Ace noch immer in seiner Hand hielt. Sie hatten es geschafft. Thatch würde Augen machen, wenn er sie sah.

Sie blickte sich um. Trotz der Tatsache, dass es bereits nach Mitternacht war, tummelten sich viele Piraten an Deck. Sie warteten alle nur auf eines.

 

Beide gingen erleichtert auf die Gruppe zu, die vor dem Thron von Whitebeard saß. Neben dem Großteil an Kommandanten, waren auch andere Mitglieder der Divisionen anwesend.

 

„Hey, Leute. Was schaut ihr denn so betrübt?“, fragte Ace belustigt und erhielt sofort die ungeteilte Aufmerksamkeit aller.

„Ace! Nikira! Ihr seid zurück!“ Jozu hielt seinen Krug nach oben und nickte ihnen begeistert zu. Zustimmung folgte.

„Und ihr seht ziemlich fertig aus.“ Fossa lachte dunkel. Nikiras schöne Frisur war komplett zerstört und Ace klebte noch immer Blut an seiner Lippe.

„Wie ich sehe wart ihr erfolgreich.“ Whitebeard selbst hatte gesprochen.

 

„In der Tat. Thatch? Ich glaube das gehört dir.“ Grinsend warf Ace die Frucht dem Kommandanten der vierten Division zu, der sie mühelos auffing. Bis jetzt hatte er nichts gesagt, doch man konnte ihm ansehen, dass er erleichtert war. Für einen Moment betrachtete er sie ehrfürchtig, ehe er sie triumphierend in die Höhe hielt. Die Schar an Piraten jubelte und auch Nikira konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Das waren die Hände, in die sie gehörten.

 

„Ich danke euch beiden. Vor allem dir, Nikira. Du hättest auch einfach Nein sagen können, aber das hast du nicht. Deshalb bin ich dir unheimlich dankbar.“ Thatch war auf die beiden zugekommen. Er schenkte ihnen ein breites Lächeln.

 

Die Rothaarige zuckte mit den Schultern. „Kein Ding. Ich habe es gern getan.“ Das stimmte. Wenn man die Komplikationen wegließ, dann war die Mission wirklich aufregend und eine neue Erfahrung für sie gewesen.

 

„Die Kleine hier hat echt gute Arbeit geleistet.“ Ace legte seinen Arm um sie und drückte sie an sich. „Sie war so gut, dass der Unterwelttyp sie verkaufen wollte.“ Bei dem ungläubigen Blick von Thatch musste der Schwarzhaarige lachen. Nikira hingegen wurde leicht rot bei dem Kompliment und aufgrund seiner körperlichen Nähe.

 

„Nicht dein Ernst? Damit habe ich nicht gerechnet. Ihr müsst mir unbedingt erzählen, wie es war. Am besten bei einem Krug Sake. Den habt ihr euch nämlich redlich verdient.“ Feierlich hob er die Frucht an und warf einen eindeutigen Blick darauf.

„Später. Zuerst möchte ich unbedingt eine Dusche nehmen und aus diesem Kleid raus.“ Sie deutete auf den schwarzen Stofffetzen. „Wir sehen uns nachher.“ Sie lächelte und machte sich anschließen auf dem Weg zu ihrer Kajüte.

 

 

Die Prozedur dauerte nicht lange und so stand sie in Shorts und einem schlichten Top wieder an Deck. Sie war froh über die warmen Temperaturen. So konnte man problemlos noch die Nacht genießen, ohne sich den Arsch abzufrieren. Sich streckend und gähnend bewegte sie sich langsam auf die Gruppe zu, die gerade lauthals irgendeines der unzähligen Piratenlieder trällerte.

 

Sie gestand es sich nur ungern ein, aber den ersten, den sie in der Meute suchte, war Ace. Leider war er noch nicht hier, deshalb setzte sie sich zwischen Jozu und Atomos. Sie fühlte sich ein wenig winzig zwischen den beiden Hünen.

 

„Jo! Nikira! Hier, damit du nicht verdurstest.“ Atomos lachte schallend und drückte ihr einen Krug in die Hand.

 

„Danke.“ Sie lächelte leicht. Mit dem Kommandanten der 13. Division hatte sie bis jetzt noch nicht viel geredet, aber er war ein ziemlich fröhlicher Mensch, weshalb sie ganz gern in seiner Nähe war.

 

Nippend sah sie in die Runde. Alle schienen ausgelassen zu sein. Am meisten jedoch Thatch. Dieser lachte beinahe durchwegs. Was sie allerdings wunderte, war, dass die Teufelsfrucht nach wie vor unberührt vor ihm lag. Sie hätte gedacht, dass er sie sofort verschlingen würde. Aber es war seine Sache, weshalb sie sich weiter umsah.

 

Als ihr Blick auf Whitebeard traf, runzelte sie fragend die Stirn. Er sah sie an. Oder besser gesagt durch sie hindurch. Prompt fühlte sie sich an den Tag zurückversetzt, als sie ihren Vater getroffen hatte. Der Kaiser hatte zu ihr gesagt, dass er keine Geheimnisse akzeptierte. Seither hatte er diesbezüglich nichts mehr erwähnt und auch hatte sie nicht mehr daran gedacht. Jetzt, als sie es tat, wurde ihr urplötzlich heiß. Sie schluckte und wandte den Blick ab. Etwas Besseres fiel ihr nicht ein. Was hätte sie auch tun sollen? Aufstehen und verkünden, dass sie eigentlich ein verdammtes Marinemitglied war? Auch wenn sie sich seit längerem nicht mehr als eines sah…

 

Wenn sie die Piraten um sie herum beobachtete, dann wurde ihr schwer ums Herz. Sie würde nicht mehr lange hier sein. Vielleicht noch zwei Tage, dann würde sie Ace und allen anderen die Wahrheit sagen und von hier verschwinden. Was anderes blieb ihr auch nicht übrig. Wer würde sie schon an Bord haben wollen, wenn sie erstmals die erschreckende Neuigkeit verkündet hatte? Niemand. Ausnahmslos alle würden sie hassen. Ace würde sie hassen…

 

Nikira seufzte und erlange dadurch Jozus Aufmerksamkeit. „Alles klar bei dir, Kleine?“

 

Bei seiner Frage nickte sie halbherzig. „Ja. Ich denke schon.“ Nein. Gar nichts war okay.

 

Für einen Moment musterte der Hüne sie nachdenklich. Plötzlich beugte er sich nach unten und raunte: „Falls du Ace suchst, der ist in diese Richtung verschwunden.“ Er zwinkerte ihr verschwörerisch zu und widmete sich anschließend wieder seinem Sake, als wäre nichts gewesen.

 

Die Rothaarige runzelte für einen Moment die Stirn über sein Verhalten, murmelte aber ein schnelles „Danke“ und stand umständlich auf. Sie holte sich einen zweiten Krug und machte sich auf den Weg zu einem bestimmten Piraten. Es dauerte nicht lange und sie fand ihn an der Längsseite des Schiffes an der Reling stehend. Hier war es angenehm ruhig. Nur das Meer war zu hören, welches kleine Wellen gegen das Holz der Moby Dick schlug. Bei dem Anblick hielt kurz inne und überlegte, ob sie nicht doch wieder umkehren sollte. Er sah nachdenklich aus und sie wollte ihn nicht stören. Doch schlussendlich entschied sie sich anders.

 

„Warum bist du nicht bei den anderen?“, fragte sie ehrlich neugierig und reichte ihm das mitgebrachte Getränk, als er sich zu ihr drehte. Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen und erwärmte ihr Inneres.

 

„Die letzten Tage waren ziemlich ereignisreich. Ich wollte ein wenig Ruhe.“

 

Augenblicklich kam sie sich blöd vor. „Oh, dann ist es wohl besser, wenn ich wieder gehe.“ Sie deutete nach hinten und wollte sich schon umdrehen, als Ace sie bei ihrem Handgelenk zurückhielt.

 

„Nein, bleib. Bitte.“ Er schenkte ihr ein beinahe zaghaftes Lächeln und Nikira konnte nicht anders, als es zu erwidern. Der Pirat löste einfach so unheimlich viele Gefühle in ihr aus. Es war merkwürdig, wie einfach es war in seiner Nähe glücklich zu sein.

Sie stellte sich ebenfalls an die Reling und betrachtete fasziniert die Weite des Meeres. „Du wirkst bedrückt. Alles okay?“

Ace seufzte schwer. „Ich kann einfach nicht aufhören an diese eine Sache zu denken.“ Die 18-Jährige wartete geduldig darauf, dass er weitersprach. Sie wollte wissen, um was es sich bei dieser einen Sache handelte. Sie hatte eine Vermutung, aber vielleicht hörte sie das besser von ihm. „Ich weiß nicht mal wieso ich so oft daran denke und wieso dieser Hass in mir existiert. Er ist einfach da und verschwindet nicht.“ Seine Miene war ausdruckslos.

 

„Was ist diese Sache, an die du so oft denkst?“, hakte sie nach.

 

„Du hast damals gesagt, man kann sich seinen Vater nicht aussuchen. Wenn ich das gekonnt hätte, dann hätte ich meinen nie gewählt. Ich habe ihn nie kennengelernt, aber…das war gut so. Er war Abschaum. Ein Monster und ich trage sein Blut in mir, also…bin ich wohl auch eines.“ Er lachte freudlos auf.

 

Obwohl Nikira wusste über wen er sprach, wollte sie es von ihm hören. Er sollte es von sich aus erzählen. „Wer ist dein Vater?“

 

Für einen Moment schwieg er und schien zu überlegen, ob er ihr dies erzählen sollte. Schlussendlich entschied er sich dafür es zu wagen. „Der Piratenkönig. Gol D. Roger.“ Es lag so viel Verachtung in seiner Stimme, als er den Namen aussprach. Es war purer Hass und unweigerlich fragte sie sich, wie man einen Teil der Familie so sehr hassen konnte. Klar empfand sie ihrem Vater gegenüber auch Abneigung, aber er war noch immer ihre Familie. Sie würde ihn nie hassen können, auch wenn sie wollte.

 

Mit diesem Gedanken starrte sie kurz auf das weite Meer hinaus. „Hm. Du bist manchmal echt ein Idiot, Ace“, meinte sie schlussendlich trocken und nahm einen Schluck von ihrem Sake.

 

Der Pirat drehte sich bei ihrer Aussage irritiert um und sah sie mit großen, ungläubigen Augen an. „Warte! Hast du gerade gesagt ich bin ein Idiot?“

 

„Manchmal und ja, das habe ich.“ Sie wandte sich ebenfalls zu ihm, sodass sie von Angesicht zu Angesicht mit ihm reden konnte.

 

„Wieso?“ Er war sichtlich verwirrt über ihre Worte.

 

„Du hast es selbst gesagt, Ace“, meinte sie eindringlich und seufzte „Man kann sich seinen Vater nicht aussuchen und nur weil er so war wie er eben war, heißt das nicht, dass du auch so sein musst. Das Leben wird nicht ausschließlich von unseren Vorfahren bestimmt, denn wir selbst sind dafür verantwortlich und auch dafür, was wir daraus machen.“

 

Während sie sprach, war sein Gesicht nachdenklich geworden. So hatte er es noch nie gesehen. Dennoch konnte er seine Ansichten nicht einfach so ablegen. „Du hast Recht, aber so einfach ist das nicht.“ Seine Stimme wurde von einer enormen Bitterkeit dominiert und Nikira konnte nur erahnen, wie sehr in diese Sache tatsächlich mitnahm.

 

Wenn sie länger darüber nachdachte, dann war ihre Antwort verflucht heuchlerisch. Sie befand sich in einer ähnlichen Situation wie er. Hielt hier eine große Rede über das Leben, dessen Verlauf von einem selbst abhängig war. Und doch würde sie bald wieder zur Marine zurückkehren, um sich von anderen sagen zu lassen, was sie zu tun hatte und was nicht. Es war wahrlich eine Ironie des Schicksals. Dennoch gab es da etwas Entscheidendes, wodurch sich Ace von ihr unterschied.

 

„Stimmt. Es ist nicht einfach, aber das ist auch egal und weißt du, warum? Weil du stark bist und damit meine ich nicht nur physisch.“ Ace war das, was sie nicht war. Auch wenn sie oft so tat, als könnte ihr nichts auf der Welt etwas anhaben, so war sie eigentlich furchtbar schwach. In all den Jahren war sie die Marionette der Marine gewesen. Sie war wie eine leere Hülle, die jedes einzelne Wort ihres Vaters für das einzig Wahre gehalten hatte. Hatte nie an seinen Entscheidungen gezweifelt. Jahrelang hatte sie nicht gesehen, zu was ihr Erzeuger imstande war. Also wie sollte jemand wie sie stark genug sein, um sich gegen ihn zu stellen?

 

„Wow. Ich wusste nicht, dass du so motivierend sein kannst.“ Ace‘ anfängliche, leidende Miene verschwand mehr und mehr. Er schenkte ihr sogar ein kleines Lächeln.

 

Nikira holte tief Luft. So richtig konnte es die Rothaarige nicht erwidern, dennoch versuchte sie es. „Ich auch nicht“, murmelte sie leise und sah auf den Holzboden. Ihre Gedanken kreisten noch immer um das Thema von vorhin und wogen schwer. Die Stille, die für einen kurzen Moment einkehrte, nahm sie gar nicht richtig wahr.

 

„Habe ich dir jemals gesagt, dass ich dich mag?“ Seine Worte kamen wie aus dem Nichts und es dauerte ein wenig, bis Nikira sie realisierte. Sie sah langsam auf und starrte den Schwarzhaarigen vor sich perplex an.

 

„Nein.“ Sie schluckte und schüttelte leicht den Kopf. „Ich glaube nicht.“ Sein belustigtes Grinsen brachte sie aus dem Konzept. Wie seine Worte.

 

„Schön, dann sage ich es jetzt. Ich mag dich. Sehr sogar.“ Aufmerksam studierte sie sein Gesicht. Es wirkte ernst, trotz des Lächelns. Dieses Lächeln stimmte sie wehmütig und weckte das schlechte Gewissen in ihr. Immer wieder flüsterte eine Stimme ‚Lügner‘ in ihrem Kopf und erinnerte sie daran, dass sie allen hier nur etwas vorspielte.

 

„Ace…“, fing sie langsam an, „Ich…Ich mag dich auch, aber ich…“ Sie stoppte und umklammerte das Holz der Reling mit ihren Fingern. Wie sollte sie ihren Satz beenden? Sie mochte ihn, aber das mit ihnen würde nie funktionieren, weil sie eigentlich Mitglied der Marine war? Sie mochte ihn, aber sie war zu feige sich gegen ihren Vater zu stellen? Sie mochte ihn, aber ihre Anwesenheit basierte auf einer riesigen Lüge? Ja. All das wollte sie ihm sagen und doch konnte sie es nicht. Nicht, wenn sie sein Lächeln sah, welches er ihr schenkte.

 

„Ich akzeptiere kein Aber.“ Ace sah sie plötzlich todernst an und machte einen Schritt auf sie zu. Die Rothaarige starrte stur auf die Holzdielen und biss sich unbewusst auf die Lippen. Sie wollte nicht, dass er ihr so nahe war. Sie konnte bei so viel Nähe nicht klar denken und das sollte sie.

 

Seine nächsten Worte trafen Nikira jedoch mitten ins Herz. „Sieh‘ mich an und sag mir, dass du nicht das Kribbeln spürst, wenn wir uns berühren. Sag mir, dass dein Herz nicht schneller schlägt, wenn wir im selben Raum sind. Sag mir, dass du nicht dasselbe fühlst.“

 

Sie holte zum zweiten Mal zittrig Luft. So sehr hatte sie gehofft, dass sie mit all diesen Kleinigkeiten nicht alleine war. Dass er ebenfalls diese Besonderheiten wahrnahm. Und jetzt, wo er ihr dies bestätigte, stimmte es sie glücklich und zugleich unheimlich traurig, denn ihre Gefühle hatten keine Zukunft. Auch wenn sie es noch so sehr wollte, sie konnte das nicht zulassen. Es ging bereits zu tief. Je mehr sie für ihn empfand, desto schlimmer würde es werden. Für beide.

 

Deshalb sah sie auf. Ihr Blick traf den von Ace, der erwartungsvoll schien. Sie schluckte ihre Zweifel hinunter. „Ich spüre keine Stromschläge, mein Herz schlägt nicht schneller und ich fühle nicht dasselbe wie du“, antwortete sie schwer und ignorierte die unzähligen Nadeln, die ihr Herz in Angriff nahmen. Immer wieder redete sie sich ein, dass es sein musste. Sie konnte nicht anders...

 

Nikira beobachtete, wie Ace‘ Ausdruck sich verhärtete. Er fuhr sich durch die Haare und lachte freudlos auf. „Ich kann nicht glauben, dass du nicht nur mich belügst, sondern auch dich selbst.“

 

Die Rothaarige biss sich fest auf die Zunge und versuchte ihre harte Miene beizubehalten. „Ich...habe nicht gelogen.“ Lange hielt sie nicht durch, denn sie musste die Augen schließen, als sie die Enttäuschung in seinem Gesicht sah. Es war so schwer, dass hier durchzuziehen. Mit vielen anderen Lügen kam sie klar, aber nicht damit, wenn sie dadurch Ace verletzte.

 

Plötzlich spürte sie, wie er sachte ihre Hand ergriff, mit der sie vehement die Reling umklammerte. Die andere legte er auf ihre Wange. Sie schlug die Lider auf und öffnete ihren Mund, um etwas zu sagen, doch sie konnte nicht. Kein Wort kam über ihre Lippen. Nikira legte ihren Kopf in den Nacken und sah den Piraten an, der so dicht vor ihr stand, dass sie seine überdurchschnittliche Körperwärme spüren konnte. Seine Haut erhitzte ihr ohnehin schon warmes Gesicht und doch genoss sie seine sanfte Berührung. Sie genoss sie so sehr…

 

„Hör auf damit. Bitte.“ Er klang dabei so ungewohnt verletzlich, dass es ihr das Herz brach. Seit ihrer Zeit auf der Moby Dick hatte sie ihn noch nie so gesehen.

 

Ehrlich gab sie zu: „Ich weiß nicht, ob ich das kann.“ Ihre Worte waren leise und doch klar und deutlich.

 

„Versuch es“, murmelte er bestimmt und schon beinahe flehend.

 

Nikira hatte das Gefühl, als könnte sie ihren Herzschlag hören. Als würde es aus ihrer Brust springen. Noch nie war er ihr so nahe und das machte sie verrückt. Er machte sie verrückt und ihr wurde bewusst, dass sie das hier wollte. Jede Faser ihres Körpers wollte das.

 

Langsam hob sie ihren linken Arm und legte ihre Hand an die Stelle, an der sich sein lebenswichtiges Organ befand und für einen Moment dachte Ace, dass sie ihn wegschieben würde. Weg von ihr und ihren echten Gefühlen, doch stattdessen stellte sie sich auf Zehenspitzen. Sie standen so dicht zusammen, dass sich beinahe ihre Lippen berührten. Nikira sah in Ace‘ dunkle Augen, die jenes Feuer in sich hatten, welches sie so sehr mochte.

 

Sie schluckte ihre Zweifel hinunter. Zumindest für einen Moment und als sie die nächsten Worte flüsterte, klang sie verloren. Verloren und zerbrechlich. „Hilf mir dabei.“

 

Er wagte es nicht sich zu bewegen und suchte in ihrem Gesicht nach Anzeichen, ob es ihr ernst war. Doch alles was er sah, war Entschlossenheit. Er konnte weder Sorge, noch Unbehagen entdecken. Sie wollte es so sehr wie er.

 

Sachte, als hätte er Angst sie würde dadurch zerbrechen, überbrückte er den kleinen Abstand und legte schließlich seine Lippen auf ihre. Nikira schloss überwältigt die Augen. Die Berührung war sanft, zaghaft und all das, was sie sich erhofft hatte. Unzählige Stromstöße schossen durch ihren Körper und entfachten Emotionen, die sie so nicht kannte. Dieser Kuss war so unschuldig und doch bedeutete er alles. Selbst die enorme Last auf ihren Schultern verschwand für einen Augenblick zur Gänze. Ihre gesamte Haltung verlor die übliche Anspannung und sie fühlte sich losgelöst. Spürte diese besondere Freiheit, nach der sie sich so sehr sehnte und alles, was dafür nötig war, war dieser kleine Kuss. Alles, was nötig war, war Ace.

 

Ace, den sie belog. Ace, den sie bald nie wiedersehen würde. Ace, der sie hassen würde. Immer mehr dunkle Gedanken krochen langsam in ihren Kopf und verursachten die altbekannten Zweifel. Sie zogen sie hinunter und zwangen sie rational zu denken. Zu denken, als wären ihre Gefühle nicht wichtig. Ihr Vater tauchte in ihren Gedanken auf und strafte sie mit einem verächtlichen Blick. Ihr Herz begann zu schmerzen und die Schuldgefühle übernahm die Kontrolle über sie.

 

Panisch schlug sie die Augen auf und nahezu zeitgleich drückte sie energisch den Piraten von sich. Außer Atem stolperte sie ein paar Schritte zurück. Beinahe verzweifelt fuhr sie sich durch die Haare. „Ich...das ist nicht richtig. Es...Es tut mir leid“, stammelte sie apathisch und vermied es, ihn anzusehen. Hektisch drehte sie sich um und verschwand umgehend unter Deck. Den Weg zu ihrer Kajüte legte sie teilnahmslos zurück. Fest schlug sie hinter sich die Tür zu und rutschte verzweifelt mit dem Rücken an dieser auf den Boden.

 

Sie krallte ihre Finger in ihre Haare. „Was habe ich getan?“

House Of Cards

Nikiras Leben glich einem Kartenhaus, welches drauf und dran war, einzustürzen. Sie hatte lange versucht es aufrecht zu erhalten. Heute sollte es jedoch so weit sein. Sie würde die letzte Karte aus dem wackeligen Gerüst ziehen und es so zum Fall bringen. Das hatte sie entschieden, als sie bis spät in die Nacht wach gelegen und über ihre Zukunft nachgedacht hatte. Länger konnte sie es nicht mehr hinauszögern. So sehr sie sich auch wünschte, dass all dies nur ein schrecklicher Alptraum war. Es war keiner. Das hier war bittere Realität.
 

Die Augen der 18-Jährigen wanderten müde und erschöpft durch den Raum. In der Kajüte sah es aus, als hätte hier nie jemand gelebt. Alles war feinsäuberlich zusammengeräumt. Kaum ein Staubkorn war zu sehen. Es war das Ergebnis einer fast schlaflosen Nacht und dem zwanghaften Vermeiden ihrer Gedanken an den nächsten Tag.
 

Sie seufzte und stand auf. Ihren gepackten Seesack schmiss sie sich über die Schulter. Ein letztes Mal sah sie zurück. Es fiel ihr schwer, all das hinter sich zu lassen, doch sie hatte eine Entscheidung getroffen. Eine endgültige.
 

Bedacht schloss sie die Tür und richtete ihren Blick sofort auf den Boden. Sie spielte das mögliche Gespräch wieder und wieder durch. Dabei war sie komplett in Gedanken versunken, sodass ihr erst nach der Hälfte auffiel, dass es merkwürdig leise war. Zu leise für die sonst so belebte Moby Dick. Das Frühstück hatte sie verschlafen, deshalb müssten die meisten unterwegs sein. Dennoch kam ihr keine Menschenseele entgegen. Diese Tatsache kam ihr äußerst suspekt vor und für einen Moment vergaß sie sogar das bevorstehende Treffen mit dem Kaiser.
 

Skeptisch öffnete sie also die Tür und kniff die Augen zusammen, als ihr das Sonnenlicht erbarmungslos ins Gesicht schien. Sie hob ihren Arm und schirmte so die Strahlen ab. Langsam betrat sie zur Gänze das Deck und stutzte. „Was soll das?“, murmelte sie zu sich selbst. Unzählige Mitglieder der Bande hatten sich hier versammelt. Nicht unüblich, dass viele hier waren, aber niemand sagte etwas. Es herrschte vollkommene Stille.
 

„Was ist hier los?“ Sie fragte leise einen ihr unbekannten Piraten. Sein Gesicht wirkte bedrückt und langsam aber sicher wurde die Unruhe immer größer. Etwas stimmte hier nicht. Als er mit ihr sprach, sah er sie nicht mal an. Stur starrte er auf den Boden. „Es geht um Thatch.“ Der Mann schluckte und Tränen sammelten sich in seine Augen. „Er...Er...ist tot.“
 

Selten brauchte sie so lange, um eine Aussage zu verinnerlichen. Seine Worte erreichten sie nur Stück für Stück. Buchstabe für Buchstabe traf es sie mitten ins Herz. „Nein“, hauchte sie fassungslos und schüttelte energisch den Kopf. Das konnte nicht stimmen. Er war nicht tot.
 

Aus ihrem Gesicht war jegliche Farbe gewichen. Ihre Atmung hatte sich beschleunigt und das Blut rauschte durch ihren Körper. Ihr Seesack glitt ihr aus den Fingern und fiel dumpf zu Boden. Niemand schenkte dem Beachtung. Nikira schluckte und ballte ihre Hände zu Fäusten. Die erste Erinnerung, die ihr durch den Kopf ging, war das Gespräch an Deck. Seine Definition von Liebe. Dabei hatte er so sehnsüchtig aufs Meer hinausgeblickt. Schon lange hatte sie der Tod einer Person nicht mehr so gewaltig getroffen.
 

„Es ist wahr und weißt du, was das Schlimmste daran ist? Ein Crewmitglied hat ihn umgebracht.“ Die Stimme des dicken Mannes klang bitter und verächtlich.
 

Der Rothaarigen wurde kalt und ein unangenehmer Schauer jagte über ihren Rücken. Ein Crewmitglied? „Wer?“, fragte sie atemlos. Hass flammte in ihr auf. Wie konnte jemand Thatch so etwas antun? Er war doch immer so freundlich zu allen gewesen...
 

Nikira presste ihre Lippen aufeinander. Es traf sie so unvorbereitet und die nächsten Worte machten es nicht besser. „Es war Teach.“ Die Stimme gehörte jemand anderem, weshalb sie sich umdrehte. Marco stand hinter ihr und sah sie mit einem düsteren Gesichtsausdruck an. Er wirkte angespannt, was durchaus verständlich war.
 

Bei dem Namen des Verräters tauchte in ihrem Kopf sofort ein Bild auf. Ein großer, dicker Mann mit schwarzen Haaren und fehlenden Zähnen grinste ihr widerlich entgegen. Wie konnte sie ihn auch vergessen? Er hatte sie damals nach dem Streich ins Messer laufen lassen. Zusätzlich hatte er öfters abartige Anspielungen gemacht, sobald sie in der Nähe war.
 

„Wieso hat er das getan?“, fragte sie entgeistert. So sehr sie ihn auch verachtet hatte, nicht mal ihm hätte sie so eine Tat zugetraut.
 

„Er war hinter der Finsterfrucht her.“ Jozu und Haruta waren neben ihr aufgetaucht. Beide mit demselben bedrückten Gesichtsausdruck wie der Großteil der Piraten an Deck.
 

Die 18-Jährige erinnerte sich genau an die Worte einer Krankenschwester. „Derjenige, der die Frucht entdeckt, hatte alleiniges Recht darauf.“ Sie wiederholte die Tatsache verächtlich. Wie konnte er es wagen? Für eine verfluchte Teufelsfrucht hatte er Thatch getötet.
 

Von all den Mitgliedern der Whitebeard-Piraten, stand sie dem Kommandanten der vierten Division neben Ace am nächsten. Er war immer nett zu ihr gewesen. Hatte ihr Dinge erklärt, von denen sie keine Ahnung gehabt hatte. Die Welt war einfach nicht fair!
 

Wütend knirschte sie mit dem Kiefer. „Wo ist Ace?“ Sie sah Marco an, der seine Arme verschränkt hatte und nachdenklich auf den Boden starrte. Bei ihren Worten blickte er beinahe verärgert auf.
 

„Dieser Idiot ist heute Morgen losgesegelt.“
 

Perplex runzelte sie die Stirn. „Losgesegelt? Was soll das denn heißen?“
 

„Na, was wohl?“, zischte der Phönix impulsiv. „Ace will sich Teach holen. Dieser Mistkerl war in seiner Division und er will ihn zur Rechenschaft ziehen.“ Er klang nicht sonderlich begeistert über den Entschluss des Schwarzhaarigen. Dazu hatte er auch jeden Grund.
 

Nikira selbst entgleisten die Gesichtszüge. „Was? Das ist Selbstmord. Hat keiner von euch versucht ihn aufzuhalten?“ Sie konnte nicht glauben, was sie da hörte. So stark Ace auch war, einem skrupellosen Teach, der eine der mächtigsten Kräfte besaß, war er höchstens ebenbürtig, aber keinesfalls überlegen. Sorge machte sich in ihr breit und sie vergrub ihre Nägel in den Handinnenflächen.
 

Marco wurde bei ihren Worten wütend. „Glaubst du wirklich, dass wir das nicht versucht haben? Nie im Leben hätten wir dieser Idee mir nichts dir nichts zugestimmt, aber wir können ihn nicht zwingen, hierzubleiben.“ Er funkelte die Rothaarige an, die verbissen den Blickkontakt mied. Ihr war klar, dass er Recht hatte und doch hätten sie ihn aufhalten sollen. Keine Ahnung wie, aber sie hätten es tun sollen.
 

„Dieser verdammte Sturkopf“, zischte sie, überfordert mit der Situation. Sie hatte sich diesen Tag anders vorgestellt. Sie hatte ihn geplant. Von vorne bis hinten. Stattdessen kam alles anders als erwartet. Thatch war tot und Ace verschwunden. Und der Mann, der an diesem Chaos schuld war, trug den Namen Teach.
 

Nikira schloss kurz die Augen und fuhr sich übers Gesicht. Die wenigen Stunden Schlaf machten sich bemerkbar. Hinzu kam der psychische Stress. Träge griff sie schließlich nach ihrem Seesack, der noch immer auf dem Boden lag. Sie musste jetzt zumindest eine Sache abhaken und zwar jene, die sie bereits vor langer Zeit hätte erledigen sollen.
 

Ohne den anderen weiter Beachtung zu schenken, drehte sie sich um. So schwer das Verdrängen der vorherigen, schockierenden Meldung auch war, sie durfte sich davon nicht beeinflussen lassen. Sie musste es für einen Moment vergessen.

Mit jedem Schritt wurde ihr Herz noch schwerer als ohnehin schon und die Nervosität stieg ins Unermessliche. Sie holte tief Luft und versuchte zumindest ein wenig sicherer auszusehen. Dass was jetzt kam, war alles andere als leicht für sie. Vielleicht würde es auch das Letzte sein, was sie tat. Es lag an Whitebeard, wie all das enden sollte. Ihr Leben befand sich in seiner Hand.
 

Die ganze Nacht lang hatte sie wach in ihrem Bett gelegen und fieberhaft darüber nachgedacht, wie sie dem Kaiser am besten die Wahrheit sagen sollte. Doch jetzt, wo sie auf dem Weg zu ihm war, wusste sie nicht, ob die zurechtgelegten Worte ihr überhaupt über die Lippen kommen würden.
 

Ohne den Blick von ihm abzuwenden, ging sie schließlich die paar Treppen hinunter und kam mit ein wenig Abstand vor ihm zu stehen. Zum ersten Mal in ihrem Leben verspürte sie pure Angst. Sie hatte Angst, vor den Konsequenzen und Angst vor seiner Entscheidung.
 

Sie sah sich kurz um. Nur vereinzelt befanden sich Mitglieder auf dem sonst so belebten Platz vor dem Thron. Es wurde nicht viel geredet, zu tief saß noch der Schmerz über den Tod von Thatch. Selbst Whitebeard schien, als hätte er Tage nicht geschlafen. Ihr war bewusst, dass es ein denkbar schlechter Moment war, um die Wahrheit zu offenbaren. Doch es war unmöglich, noch länger damit zu leben.
 

„Ich weiß, es ist ungünstig, aber kann ich bitte kurz mit dir reden?“ Sie bemerkte die irritierten Blicke der anderen, doch konzentrierte sich nur auf den Kaiser vor sich.
 

Whitebeard setzte seine Sakeschale an die Lippen an und trank einen großen Schluck davon. Anschließend senkte er seine Hand wieder. „Der Zeitpunkt ist wahrlich nicht gut gewählt, aber sprich.“ Eindringlich sah er sie an. Nikiras Herz raste, aber sie versuchte mit aller Kraft seinem Blick standzuhalten. Mehr oder weniger erfolgreich.

Die Rothaarige warf einen eindeutigen Blick auf die Piraten um sie herum. „Alleine.“ Es klang mehr wie eine Frage, als eine Aufforderung.
 

Der Captain richtete sich ein wenig auf und schien zu überlegen, ob er ihr den Gefallen tun sollte. Schließlich nickte er. Die Crew verstand sofort und machte sich skeptisch davon. Nikira sah ihnen kurz nach, ehe sie sich wieder zu Whitebeard wandte.

Sie holte tief Luft, versuchte Thatch‘ Tod und Ace‘ Verschwinden weit in den Hintergrund zu drängen. „Bevor du urteilst möchte ich, dass du mir zuhörst. Bis zum Schluss. Ich weiß, es ist viel verlangt, aber es ist wichtig.“ Bittend beobachtete sie seine Reaktion. Er hatte eine ausdruckslose Miene aufgelegt und war unheimlich schwer zu durchschauen. „Sag, was auch immer du zu sagen hast.“
 

Sie schloss für einen Moment die Augen. Unzählige Gedanken rasten ihr durch den Kopf. Einer war so klar wie kein anderer, weshalb sie entschlossen ihren Blick wieder nach vorne richtete. „Dass ich damals auf dem Marineschiff war, war kein Zufall. Es war geplant. Alles.“ Nikira hielt abermals kurz inne. Die nächsten Worte fielen ihr überraschend leicht. „Ich bin keine Piratin, sondern Mitglied der Marine. Mein Auftrag lautete, Ace auszuliefern und gelegentlich Information zu vermitteln.“ Ihre Stimme klang fest, obwohl sie mit jedem weiteren Wort innerlich zerbrach. Sie fühlte immer weniger und es kam ihr vor, als würde sie dieses Gespräch von außerhalb mitansehen. „Du hast damals gesagt, dass du Geheimnisse nicht tolerierst. Ich hatte die ganze Zeit eines vor dir, vor euch allen und das tut mir leid. Meine Tat ist unverzeihlich und ich nehme jede Strafe in Kauf.“

Die 18-Jährige schluckte und straffte ihre Schultern. „Ich werde mich jedoch weder rechtfertigen, noch um Vergebung bitten. Vielmehr möchte ich dir und all den anderen danken. Ohne euch hätte ich nie gelernt, was es bedeutet eine richtige Familie zu haben. Ihr habt mir gezeigt, was Zusammenhalt heißt und wie es ist, nicht alleine zu sein. Thatch hat…er hat mir die Bedeutung von Liebe klargemacht.“ Kurz grinste sie bei dem Gedanken an das nächtliche Gespräch, wurde aber schnell wieder ernst. „Ihr und vor allem Ace habt mich zum ersten Mal seit dem Tod meiner Mutter wirklich glücklich gemacht und genau dafür möchte ich euch danken.“ Sie lächelte halbherzig und versuchte die aufkeimenden Tränen in ihren Augen zu unterdrücken.

Sie war noch nicht fertig, denn eine Sache musste sie noch loswerden. Etwas, dass ihr persönlich am Herzen lag. „Damals handelte ich auf den Befehl meines Vaters. Er hat mich jahrelang gelehrt, dass alle Piraten Monster wären und vor keiner Grausamkeit zurückschrecken würden. Heute sehe ich die Dinge mit anderen Augen. Er ist es, der mit eiserner Brutalität seine Ziele verfolgt und so jemand will ich nicht sein.“ Nikira seufzte schwer. „Der Name meines Vaters lautet Sakazuki. Er war derjenige, der Layla all die schrecklichen Dinge angetan hat.“
 

„Du verdammtes Miststück!“ Die Stimme kam so plötzlich, wie der enorme Schmerz in ihrem Gesicht. Marco war wutentbrannt auf sie zugestürmt und hatte mit seiner Faust ausgeholt, noch bevor sie sich ganz zu ihm umgedreht hatte. Nikira stolperte und fiel daraufhin auf den harten Holzboden. Sie keuchte auf, während sie sich mit einer Hand abstützte und die anderen auf die getroffene Stelle presste. Ihre Nase hatte ein beunruhigendes Geräusch gemacht und es fühlte sich an, als wäre sie gebrochen.
 

Sie drehte ihren Kopf und betrachtete Marco, dessen blaue Flammen sich entfacht hatten. Sein Blick war hasserfüllt und er sah nicht so aus, als wäre er bereits fertig mit ihr.
 

Der Vize machte einen großen Schritt auf sie zu, beugte sich zu ihr herab und packte sie am Hals. Mit Leichtigkeit hob er sie hoch und schmiss sie quer über das Deck. Sie flog gegen das Geländer, welches bei dem Zusammenstoß zerbrach. Der Sturz presste ihr die Luft aus den Lungen. Sie hustete schwerfällig und ein metallartiger Geschmack breitete sich in ihrem Mund aus. Sie spuckte auf den Boden, um diesen loszuwerden. Mit verklärtem Blick sah sie auf und begegnete dem von Marco. Er war geprägt von Verachtung und Abscheu.
 

„Ich schätze, das habe ich verdient“, murmelte sie leise und verzog das Gesicht, als sie sich halbwegs aufrichtete.
 

Der Kommandant schnaubte abfällig. Mit seinem Fuß auf ihrem Oberkörper trat er sie zurück auf den Boden. Wie zuvor auch beugte er sich zu ihr. „Du hast uns alle belogen. Hast so getan, als würdest du zur Familie gehören, obwohl du ein verfluchtes Miststück der Marine bist. Noch dazu hast du Ace etwas vorgespielt, der immer ehrlich zu dir war.“ Er stoppte und drückte sie weiter nach unten. Sie zischte auf, als sich das Holz in ihren Rücken bohrte. „Du hast noch viel mehr verdient als das.“
 

Nikira sah ihm verletzt in die Augen. Nichts als Wut war in ihnen zu erkennen. Ihr Brustkorb hob und senkte sich schnell, als sie schlussendlich den Blick abwandte. Seine Worte hatten sie schwer getroffen, obwohl ihr all diese Dinge bereits klar waren, aber sie von jemandem wie ihm zu hören, tat weh.
 

„Marco! Es reicht.“ Whitebeards Stimmte hallte autoritär über das Deck und ließ keine Widerrede zu. Mit ernster Miene hatte er sich aufgerichtet.
 

„Wieso? Sie hat-“, fing er verständnislos an, wurde jedoch von dem Kaiser unterbrochen: „Ich weiß, was sie getan hat. Lass es sein und geh. Ich will mit ihr alleine reden.“
 

Marco betrachtete verwirrt seinen Kapitän und schüttelte nach seiner Aufforderung ungläubig den Kopf. Er warf ihr einen letzten, abfälligen Blick zu und verschwand schließlich. Etwas anderes blieb ihm auch nicht übrig.
 

Nikira schloss kurz die Augen und verharrte in ihrer Position am Boden. Sie hätte nicht gedacht, dass Whitebeard ihn unterbrechen würde. Insgeheim hatte sie sich mit dem Gedanken angefreundet, dass sie nicht mehr zurückkehren konnte. Immerhin wollte sie dies gar nicht…
 

Schließlich stand sie langsam wieder auf. Sie hielt sich die Seite, die bereits bei der kleinsten Bewegung schmerzte. Jedoch achtete sie nicht sehr darauf, sondern wischte sich einmal mit dem Handrücken die Blutspur aus dem Gesicht und schenkte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Kapitän des Schiffes.
 

„Ist dir jemals aufgefallen, dass es außer Haruta, den Krankenschwestern und dir keine Frauen an Bord gibt?“, stellte ihr Whitebeard ruhig die Frage und wartete geduldig. Nikira hingegen sah ihn perplex an. Seine ruhige Art verwirrte sie. Sie hatte mit Wut und Aggression gerechnet, aber das Gegenteil war der Fall.
 

„Ich...nein. Nicht so richtig.“ Die Rothaarige runzelte verwirrt die Stirn.
 

Er richtete sich auf und stützte sich mit dem rechten Ellbogen auf der Lehne ab. „Ich nehme nicht einfach so Frauen in meine Crew auf.“
 

„Auf was willst du hinaus?“ Sie schluckte nervös und krallte ihre Finger in den weißen Stoff ihres Shirts. Das ungute Gefühl in ihrem Bauch wurde stärker.
 

„Damals habe ich dich nicht aufgenommen, weil du mich beeindruckt hast. Natürlich fand ich es faszinierend, dass jemand in deinem Alter das Observationshaki anwenden konnte, aber das war es nicht. Du hast mich an jemanden erinnert. Ich war mir nur nicht ganz sicher, ob ich mit meiner Vermutung richtig lag.“ Whitebeards Stimme klang beherrscht.
 

Nikira hingegen wurde zunehmend unruhiger. „Welche Vermutung?“
 

Der Kaiser hielt kurz inne und erhob sich langsam von seinem Thron. Man konnte ihm ansehen, dass es ihm nicht leichtfiel. Er hatte Schmerzen. Dennoch ging er auf sie zu. „Ich war mir nicht sicher, ob es sich bei dir wirklich um die Tochter von Minako handelte.“
 

Zum dritten Mal an diesem Tag blieb ihr Herz für einen Augenblick stehen. Dieser Name. Sie hatte ihn solange nicht mehr gehört und jetzt, wo ihn jemand laut aussprach, löste er so viele Dinge in ihr aus. Der Schmerz, den sie so mühsam versucht hatte zu verdrängen, kroch wieder an die Oberfläche. Stück für Stück.
 

Nahezu geschockt ging sie einen Schritt nach hinten. Mit großen Augen sah sie ihn an. „W-Was?“ Ihr Griff um den Stoff wurde fester und ihr Herz schlug heftig gegen ihre Brust. „Woher...woher kanntest du sie?“ Nur mit Mühe brachte sie die heiseren Worte über ihre Lippen. Ihr Kopf war voll mit Gedanken, die wild durcheinanderrasten.
 

Whitebeard betrachtete sie mit einem Blick, der beinahe mitleidig wirkte. „Sie wuchs auf derselben Insel auf wie ich. Die kleine Minako war...etwas Besonderes.“ Der alte Mann lächelte kurz, machte ein paar Schritte und blieb neben Nikira stehen. Er sah sie nicht an und sein Lächeln war zur Gänze verschwunden. Seine nächsten Worte waren niederschmetternd für sie: „Geh jetzt, Nikira. Du bist hier nicht mehr willkommen.“
 

Ihre Atmung stockte und sie wagte es kaum, sich zu bewegen. Das war der Grund, weshalb sie hier war. Sie war hier, weil ihre Mutter auf derselben Insel aufgewachsen war wie Whitebeard. Sie konnte nicht glauben, was sie hörte. Von Anfang an hatte er gewusst, wer sie war. Deshalb die Worte damals, bevor sie auf ihren Vater getroffen war. Er hatte es gewusst. Doch diese Tatsache war nicht das Schlimmste daran.
 

„Das ist alles?“ Sie drehte sich energisch zu ihm. „Ich belüge euch wochenlang und alles was du zu sagen hast, ist, dass ich verschwinden soll?“ Der anfängliche Schock war verschwunden. Stattdessen war sie wütend darüber, dass er einfach nichts tat. Er erzählte ihr irgendwelche Sachen und blieb dabei total ruhig, als würden sie übers Wetter reden. Sie wollte, dass er außer sich war. Er sollte sie anschreien, schlagen und verdammt nochmal über Board werfen! All diese Dinge waren ihr lieber, als dieses Schweigen!
 

Der Kaiser blieb stehen und drehte sich zu ihr um. Sie sah verzweifelt aus, wie sie so mit geballten Händen vor ihm stand. Sie war durcheinander und die Ereignisse in letzter Zeit waren ihr zu viel. Irgendwann konnte selbst sie nicht mehr.

Edward Newgate seufzte schwer bei diesem Anblick. „Ist es nicht Strafe genug, wenn du zurück musst?“ Er wartete nicht auf ihre Antwort, denn er kannte sie schon.
 

Nikira selbst ließ ihre Schultern sinken. Die angespannte Haltung verflog zur Gänze. Er hatte recht. Wie so oft. Sie hob langsam ihren Seesack auf, der auf dem Boden lag und ging mit gesenktem Kopf an dem Kaiser vorbei. Hier hielt sie nichts mehr.

Mit gemischten Gefühlen suchte sie die Beiboote auf. Dabei versuchte sie alle Piraten zu umgehen, denn vermutlich hatte Marco die meisten bereits eingeweiht. Noch mehr dieser verächtlichen Blicke konnte sie heute nicht mehr ertragen.

Die 18-Jährige kletterte schließlich mit ihren einzigen Habseligkeiten in die kleine Nussschale und ließ diese dann vorsichtig ins Wasser. Sie setzte das Segel und trieb allmählich weg von dem riesigen Schiff.
 

Sie betrachtete wehmütig die Moby Dick, wie sie immer kleiner wurde. Das war es also. Der Abschied. Irgendwie hatte sie es sich leichter vorgestellt. Weniger schmerzhaft. Im Nachhinein war es töricht von ihr, das zu glauben. Sie hätte diese Mission nie annehmen sollen. Hätte sie es nicht getan, dann würde sie noch immer Tag für Tag Soldaten ausbilden und sich ihrer täglichen Routine hingeben. Es wäre unkompliziert. Jetzt würde sie mit nichts in den Händen zurückkehren und ihren Vater endgültig Schande bringen.
 

Sie lehnte sich gegen den winzigen Mast und schloss die Augen. Welch Glanzleistung ihrerseits. So viele Leute, die sie in letzter Zeit enttäuscht hatte. Zum einen Ace, den sie wieder und wieder von sich stieß, obwohl sie es gar nicht wollte. Zum anderen die restlichen Whitebeard-Piraten, die wie eine Familie für sie waren. Dann gab es noch den Kaiser selbst. Alles, was er gewollt hatte, war, dass sie die Wahrheit sagte. Und zu guter Letzt war da noch ihr Vater, der sie vermutlich eigenhändig umbringen würde.
 

Bei dem Gedanken musste sie paradoxerweise grinsen. „Wie sehr ich ihn schon vermisst habe.“ Ihn und ihr eintöniges Leben. Ihn und die ganzen Blicke der Soldaten. Ihn und ihr persönliches Gefängnis namens Marineford.
 

Nein. Sie wollte nicht zurück und doch war es unausweichlich.

Back To The Roots

Nikiras Weg zum Hafen stellte sich als mühsamer heraus, als die Fahrt von der Moby Dick zu dieser Insel. Überall wurde über sie geredet, da es hier vor Marinemitgliedern nur so wimmelte. Natürlich bekam sie deren Worte mit. Sie war weder blöd noch taub. Ihr ausdrucksloser Blick verriet jedoch nichts über ihr aufgebrachtes Inneres.
 

Gleich nach ihrem Ankommen war sie auf dieser Insel zur Marinebasis gegangen. Ihr Auftauchen hatte einen ganz schönen Tumult ausgelöst. Niemand hatte mit ihr gerechnet. Dennoch hatte man sich schnell um eine Mitfahrgelegenheit für sie gekümmert. Jemand war mit einem Schiff auf den Weg hierher, um sie abzuholen. Keine Ahnung wen sie schicken würden, aber es war ihr auch egal. Nach drei Tagen hatte sie sich mit ihrem Schicksal abgefunden. Mehr oder weniger. Ganz würde sie es wohl nie schaffen.
 

Sie betrat an einem sonnigen Nachmittag mit gemischten Gefühlen den Ankerplatz. Das Marineschiff stach ihr sofort ins Auge. Es war das größte und bei weitem das auffälligste. Sie holte noch einmal tief Luft, straffte ihre Schultern und setzte ihre berühmt-berüchtigte, kalte Maske auf. Lange hatte sie diese nicht mehr benötigt und es fiel ihr schwerer als gedacht. Früher gehörte diese verschlossene Art zu ihr, genau wie ihre roten Haare. Sie musste sich nicht vehement darauf konzentrieren, dass jemand hinter ihre wahren Gefühle kam. Es war natürlich. Jetzt war es nur noch anstrengend und falsch.
 

Mit schweren Schritten betrat sie schließlich das Deck. Viele Soldaten eilten darauf herum und kaum einer schien Notiz von ihr zu nehmen. Sie suchte nach einem Vorgesetzten und sollte ihn auch bald finden. Er stand mit dem Rücken zu ihr und schrie gerade einen Kadetten aufgrund seiner Unfähigkeit an. Er fuchtelte mit den Armen herum und schmiss beinahe seine Hundemaske vom Kopf.
 

Nikira musste sich ein Grinsen verkneifen. Das hatte sie fast vermisst. Dennoch legte sie eine neutrale Miene auf. „Reg dich nicht so auf, alter Mann.“ Müde beobachtete sie, wie er sich langsam zu ihr umdrehte.
 

Die Wutader auf seiner Stirn verschwand nach und nach. Er sah zunehmend überrascht aus, bis er schließlich ungläubig die Augen aufriss. „Hä? Was machst du denn hier?“ Vergessen war der Ärger über den Jungen. Stattdessen schenkte er all seine Aufmerksamkeit der 18-Jährigen, die noch immer aussah wie die kleine Göre, die vor drei Monaten zu ihrer Mission aufgebrochen war.
 

„Meine Mitfahrgelegenheit aufsuchen. Das solltest du eigentlich wissen.“ Mit hochgezogener Augenbraue sah sie ihn an. Eigentlich sollte er nur aus diesem Grund hier sein.
 

Garp schien kurz nachzudenken, ehe er sich ertappt am Hinterkopf kratzte. „Ach ja! Deshalb bin ich hier.“ Er lachte laut auf und erntete einen verstörten Blick von den Kadetten und einen genervten von Nikira. Der alte Sack war noch genauso verpeilt wie zuvor. Gut, drei Monate waren nicht viel Zeit, aber für sie hatte es sich angefühlt wie eine halbe Ewigkeit. Eine schöne halbe Ewigkeit.
 

„Worauf wartet ihr dann?“ Sie sah auffordernd in die Runde. Es dauerte einen Moment, bis Bewegung in die Soldaten kam. Auch die Rothaarige wollte nicht länger hier herumstehen, weshalb sie im Begriff war, unter Deck zu gehen. Sie brauchte ihre Ruhe.
 

„Wo willst du hin?“ Garp hatte seine Arme verschränkt und betrachtete sie aufmerksam.
 

„Weg von dir. Was denn sonst?“, antwortete sie mit einem belustigten Unterton.
 

Es war nur eine kleine Geste, aber sie reichte dem alten Mann, um nachdenklich seine Stirn zu runzeln und die Kleine ernst zu mustern. „Hey, du Göre! Komm mit. Wir müssen reden.“ Es war keine Bitte, sondern eine Aufforderung. Das gefiel Nikira gar nicht und dennoch folgte sie ihm, weil es sich um Garp handelte und sie ihn mochte.
 

„Über was willst du reden?“, fragte sie ihn sachlich, als sie im kleinen Büro angekommen waren. Sie lehnte sich gegen den massiven Schreibtisch und verschränkte ihre Arme, den Seesack noch immer um ihre Schulter hängend.
 

„Über eine Menge.“ Er seufzte. „Wie ist deine Mission gelaufen?“
 

Bei seiner Frage starrte sie zu Boden. Eigentlich wollte sie diesen Auftrag so gut wie möglich aus ihrem Kopf verbannen. Vor allem den schwarzhaarigen Piraten wollte sie vergessen. Etwas zynisch antwortete sie deshalb: „Ace ist nicht mehr auf der Moby Dick. Also kannst du dir denken, wie die Mission gelaufen ist.“
 

„Ace ist nicht mehr auf der Moby Dick?“, wunderte sich Garp. Im Grunde war es gar nicht so außergewöhnlich, ein Crewmitglied auf eine Mission zu schicken, aber dennoch war es nichts Alltägliches.
 

„Nein.“ Nikiras Gesichtsausdruck wurde alles andere als erfreulich. „Er ist auf der Suche nach Teach.“ Sie dachte nicht wirklich über ihre Worte nach. Bei Garp hatte sie sich noch nie so richtig zurückgehalten. Auch jetzt nicht, denn das Bedürfnis mit jemanden darüber zu reden, war groß.
 

Es dauerte auch nicht lange, bis der altbekannte Hass in ihr aufflammte. Der Gedanke an diesen widerwärtigen Piraten stimmte sie wütend. Er hatte so viel kaputt gemacht. Sie wollte nicht wissen, wie sich Ace fühlte. Immerhin war Teach in seiner Division gewesen.
 

„Was ist das für ein Kerl?“, brummte Garp unverständlich.
 

Sie fuhr sich mit der Hand übers Gesicht und schaltete auf stur. „Nicht so wichtig.“
 

Der Vizeadmiral grummelte unzufrieden, nahm ihre Antwort aber so hin. „Wie war es sonst so für dich? Du bist ja kein besonders großer Fan von Piraten.“
 

„Nicht so schlimm, wie ich gedacht habe. Ehrlich gesagt war es ziemlich...interessant. Den Ozean in vollem Ausmaß zu erfahren, war unglaublich.“ Ein leichtes, sehnsüchtiges Lächeln schlich sich wie zuvor in ihr Gesicht und überraschte Garp. Es war ein komplett neuer Anblick für ihn. Auch wenn man es ihm nie angesehen hatte, so hatte er sich damals oft Sorgen um sie gemacht. Sie war viel zu emotionslos und zu skrupellos für ihr Alter gewesen.
 

„Vielleicht kannst du von nun an mit den Vizeadmirälen in See stechen. Eine so erfahrene Soldatin wie dich könnten sie gut gebrauchen.“ Weitere Jahre im Marinehauptquartier würden sie mental wieder zurückwerfen. Das wollte er nicht zulassen.
 

Nikira hingegen schnaubte. „Ich glaube kaum, dass mein Vater das zulassen wird. Nicht, nachdem ich den Auftrag versaut habe.“
 

„Ich werde mit ihm reden. Vielleicht lässt sich da was machen.“ Sie war anders. Seit sie auf dem Schiff aufgetaucht war, sah sie aus, als würde ihr etwas fehlen.
 

„Tu dir keinen Zwang an.“ Sie fuhr sich durch die Haare. „Wo ist meine Kajüte? Ich brauche ein wenig Ruhe.“
 

„Dritte Tür links.“
 

Mit diesen Worten verschwand sie aus dem kleinen Raum und begab sich in ihr Zimmer, welches ihr Zufluchtsort für die nächsten Tage war. Sie redete nicht viel mit den anderen, ignorierte die Blicke und war die meiste Zeit in Gedanken versunken. Das änderte sich auch nicht, als sie den Hafen von Marineford betrat. Vielmehr wurde die Last auf ihren Schultern mit jedem Schritt schwerer und schwerer. Doch sie versuchte sich davon nicht beeinflussen zu lassen. Vermutlich sollte sie zuerst zu ihrem Vater, aber stattdessen zog sie sich um und begab sich zum Trainingsgelände.
 

Dort tummelten sich zahlreiche Soldaten, die in Paaren gegeneinander kämpften. Bei der unsauberen Ausführung der meisten Bewegungen, verzog sie das Gesicht. Das sah schrecklich aus!
 

„Was haben sie euch bitte beigebracht?“, murmelte sie nahezu empört. Wie sollte aus denen jemals fähige Mitglieder der Marine werden? Sie suchte auf dem Übungsplatz nach dem Vorgesetzten und fand ihn recht schnell. Oder besser gesagt sie. „Ich dachte, dass alte Hexen das Sonnenlicht scheuen?“ Nikira war um eine neutrale Miene bemüht, konnte aber nicht verhindern, dass sie belustigt klang. Sie stellte sich neben die alte Frau und verschränkte die Arme.
 

Kranich hatte den typischen, weißen Umhang um ihre Schulter gelegt. Sie sah nicht auf, als die Stimme ertönte. Nur ihr Mundwinkel zuckte. „Hast du gewusst, dass alte Hexen kleine arrogante Gören verspeisen?“
 

Die Rothaarige erwiderte nichts, sondern grinste nur verhalten. Neben Garp hatte sie die Vizeadmiralin am meisten vermisst. Eine Zeit lang beobachteten sie schweigend die trainierenden Männer.
 

„Schön, dass du wieder hier bist.“ Kranich durchbrach die Stille.
 

„Hm.“ Nikira konnte es nicht erwidern. Sie war nicht froh hier zu sein, aber das verschwieg sie. Sie würde nur auf Unverständnis stoßen.
 

Eine Zeit lang hingen beide ihren Gedanken nach und beobachteten die kleinen Kämpfe, bis es die Rothaarige nicht mehr aushielt. „Das kann doch keiner mitansehen“, murmelte sie zu sich selbst und setzte sich in Bewegung. Sie stapfte auf die Soldaten zu. „Aufhören und sammeln!“
 

Geduldig wartete sie, bis man ihrer Aufforderung nachkam. Es waren höchstens 40 Männer, weshalb es recht zügig ging. Verwirrung war in ihren Gesichtern geschrieben, als sie gesammelt vor der 18-Jährigen standen. Es war eine gänzlich neue Gruppe und sie war sich nicht sicher, ob man sie kannte. Aber das war auch nicht relevant.
 

Sie verschränkte ihre Arme und besah sich jeden einzelnen. Die Männer vor ihr wiesen mehrheitlich eine optimale Größe und eine beachtliche Muskelmasse auf. Sie hatten Potenzial und doch sah sie während den Kämpfen nichts davon.
 

„Du! Komm mal her.“ Nikira deutete auf einen relativ jungen Soldaten, der sie erschrocken musterte, als sie ihn ansprach. Er zögerte einen Moment, tat aber wie befohlen. Unsicher stand er vor ihr.
 

„Wie heißt du?“
 

„Joe“, murmelte er.
 

„Also, Joe. Ich bin Nikira und du kämpfst jetzt gegen mich.“ Als sie ihren Namen verkündete, entstand unter den Männern Gemurmel. Anscheinend hatten sie es schon vermutet und jetzt erhielten sie die Bestätigung. Auch der Soldat vor ihr, hatte überrascht die Augen geweitet, aber nicht wegen ihrer Person.
 

Ungläubig brachte er ein „Ich soll was?“ heraus.
 

Die Rothaarige verdrehte darüber nur die Augen. War er schwer von Begriff, oder was? „Du hast mich schon verstanden.“ Sie ging in Kampfposition und sah ihn auffordernd an. Es dauerte ein wenig, bis Bewegung in ihn kam.
 

Seine gesamte Haltung strotzte vor Unsicherheit und das nervte die junge Frau ungemein. Dennoch sagte sie nichts dazu, sondern bedeutete ihm, dass er den ersten Schritt machen sollte.
 

Sie beobachtete seine Bewegung genau. Er war langsam und es war verflucht einfach, seinem folgenden Schlag auszuweichen. Sie seufzte und gab ihm eine zweite Chance.
 

Joe versuchte es wieder. Dieses Mal wollte er sie täuschen. Nikira lenkte seinen Arm in eine andere Richtung und schlug anschließend mit Leichtigkeit seine Beine weg. Er krachte auf den Boden und sah sie überrascht von unten herauf an.
 

Sie wandte sich zu den anderen. „Ihr seid zu langsam. Jede einzelne eurer Bewegungen ist unüberlegt und zögerlich. So habt ihr keine Chance, wenn es zu einem Kampf ohne Waffen kommt.“ Ihre Stimme klang keinesfalls verächtlich wie damals, sondern sie versuchte wirklich, ihnen zu helfen. „Warum zögerst du, Joe?“, fragte sie ihn.
 

Er rappelte sich auf. „Ich...ehm, naja. Ich will Ihnen nicht wehtun und Sie sind...Sie sind die Tochter von -“ „Admiral Akainu. Ich weiß. Danke für den Hinweis.“ Nikira hatte ihn einfach unterbrochen. Seine Begründung war idiotisch. Sie seufzte und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Soldaten. „Nochmal. Und jetzt stellt dir vor, ich bin ein Pirat, der die Basis angreift.“ Sie versuchte es mit einer anderen Taktik. Vielleicht würde er so sein Kampfverhalten ändern.
 

Joe warf einen skeptischen Blick zu seinen Mitstreitern und ging anschließend in Kampfposition. Dieses Mal war es die Rothaarige, die den ersten Schritt machte. Sie bewegte sich flink und ließ dem Mann kaum Zeit, anzugreifen. Immer wieder landete sie schmerzhafte Treffer und setzte ihrem Kampfpartner ordentlich zu. Es war viel zu einfach, auch wenn er von Sekunde zu Sekunde besser wurde.
 

Gegen Ace war es nie so leicht gewesen. Es war eine Herausforderung, die sie nur zu gerne angenommen hatte. Diese kleinen Kämpfe hatten ihr Spaß gemacht und sie aus der Reserve gelockt. Sie vermisste es. Sie vermisste ihn. Als ihre Gedanken immer mehr zu dem Schwarzhaarigen schweiften, erinnerte sie sich plötzlich an etwas Wesentliches und verlor dadurch die notwendige Konzentration. Es war nur ein Moment und so etwas war ihr in einem Kampf noch nie passiert. Sie kassierte sofort einen harten Schlag ins Gesicht. Sie riss überrascht die Augen auf und taumelte nach hinten. Perplex griff sie an ihre Nase und betrachtete anschließend ihre Finger, auf denen Blut zu sehen war.
 

Joe sah sie beinahe geschockt an und es wirkte, als würde es ihm leidtun. „Eh..“, fing er an.
 

„Das war...gut. Davon habe ich geredet.“ Nikira wischte sich mit dem Handrücken über die rote Flüssigkeit. „Weitermachen.“ Sie drehte sich um und ging wieder auf Kranich zu.
 

Diese hatte das Szenario genau beobachtet. „Du warst nicht ganz bei der Sache, sonst hätte er dich nie getroffen“, fasste sie die Lage korrekt zusammen und erntete einen genervten Blick von der Rothaarigen.
 

„Und wenn schon“, murmelte sie und ignorierte den Schmerz in ihrer Nase. „Ich glaube, ich sollte jetzt gehen. Mein Vater wartet bekanntlich nicht sehr gerne.“ Sie warf einen letzten Blick zu der alten Vizeadmiralin und verschwand anschließend vom Übungsplatz. Der nachdenkliche Ausdruck war ihr nicht entgangen und doch hatte sie keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Sie musste etwas erledigen, was sie längst hätte erledigen sollen. Es war unausweichlich.
 

Nikira tätigte keinen Umweg, sondern machte sich gleich auf den Weg zu den Räumlichkeiten der Admirale. Sie wusste nicht, was auf sie zukommen würde. Natürlich hatte sie darüber nachgedacht. Tag für Tag und selbst in der Nacht hatte sie ihren Kopf diesbezüglich zerbrochen. Hatte sich ausgemalt, wie seine Strafe aussehen und ob er sie tatsächlich eigenhändig umbringen würde. Nach und nach hatte sie sich mit dem Gedanken angefreundet. Zumindest ihre Schuldgefühle würden sie nicht mehr so enorm plagen, wenn sie die Konsequenzen dafür trug.
 

Das, was sie verspürte, als sie vor der Tür stand, war kein Respekt. Es war Beklommenheit, welche sich in ihr breitmachte. Es war wie das Tor zur Hölle und bei dem Gedanken musste sie tatsächlich schmunzeln. Der Vergleich war durchaus berechtigt, denn ihr Vater glich wahrlich dem Teufel.
 

Ein letztes Mal ließ sie sich fallen. Ihr Gesicht war entspannt und ein kleines Lächeln zierte ihre Lippen, obwohl ihr nicht danach zumute war. Dennoch wollte sie den letzten Moment auskosten, in dem sie frei war. In dem sie alles sein konnte, aber vor allem sie selbst.
 

Sie öffnete die schwere Tür und mit dem Eintreten kehrte die ausdruckslose Miene zurück. Ihr Vater stand vor dem Fenster und hatte ihr den Rücken zugewandt. Sie war nur minimal überrascht, dass weder Aokiji noch Kizaru anwesend waren. Widerwillig ging sie in die Knie und senkte ihren Kopf. Damals wäre ihr es nicht sonderlich schwergefallen, aber jetzt ertrug sie diese Unterwürfigkeit kaum.
 

„Erhebe dich, Tochter.“ Sie hatte seine Stimme schon lange nicht mehr gehört und dennoch verursachte sie eine altbekannte und unangenehme Gänsehaut.
 

Die Rothaarige tat wie befohlen und wartete darauf, dass er etwas sagte. Sie hätte ihm viele Dinge an den Kopf werfen können, doch in Anbetracht ihrer Lage, unterließ sie es. Nach einer kurzen Pause erhob er seine Stimme. „Vizeadmiral Garp war hier.“ Er klang weder begeistert, noch verärgert. Es war nichtssagend und das war das Gefährliche an ihrem Vater. Er war unberechenbar.
 

„Tatsächlich?“ Sie war um einen desinteressierten Ton bemüht. In Wahrheit überraschte sie diese Tatsache. Er hatte zwar gesagt, dass er mit ihm reden wollte, aber sie hätte nicht gedacht, dass es so bald sein würde.
 

„In der Tat. Er hat mir etwas Interessantes erzählt.“
 

„Hm.“ Was sollte sie dazu sagen?
 

Der Admiral lenkte das Gespräch in eine andere Richtung. „Ich habe lange darüber nachgedacht, was ich mit dir anstellen soll, sobald du wieder hier bist. Nachdem du es nicht ganz geschafft hast, deine Aufgabe zu erfüllen, war ich wirklich wütend.“ Nikira schluckte bei seinen ruhigen Worten und beobachtete genau, wie er sich zu ihr drehte und sie verächtlich ansah.
 

Der Drang einfach nur ihre unterdrückten Gefühle herauszuschreien, wurde größer. Sie musste sich beherrschen, weshalb sie zur Ablenkung ihre Nägel in die Handinnenflächen grub. „Und was hast du nun mit mir vor?“ Sie konnte den Zynismus nicht zurückhalten und wusste, dass es ein Fehler war, so mit ihm zu reden.
 

Seine anfänglich entspannte Haltung änderte sich schlagartig. Sein Blick wurde wütend und jeder seiner beeindruckenden Muskeln spannte sich sichtbar an. Er hob seinen Arm und schlug mit einer rasenden Geschwindigkeit gegen die Mauer neben ihm. Nikira zuckte zusammen, als ein Krachen zu hören war und die Wand in viele kleine Einzelteile zerbrach. Ein Loch klaffte an dieser Stelle, doch das kümmerte ihn nicht.
 

„Pass auf wie du mit mir redest, Tochter.“ Seine schneidende Stimme zischte durch die Luft und verursachte einen unangenehmen Schauer auf ihrer Haut. Akainu lockerte seine Hand und setzte sich auf den Stuhl hinter seinem protzigen Schreibtisch. Er stützte seine Ellbogen auf dem Holztisch ab und verschränkte seine Finger.
 

Als wäre nie etwas gewesen, betrachtete er wachsam die junge Frau vor ihm. „Von jetzt an wirst du nur noch von mir trainiert und du wirst nie wieder einen Fuß auf ein Schiff setzen. Dein Leben ist auf der Marinebasis und nirgendwo anders“, sagte er mit Nachdruck. Er duldete keine Widerrede und die würde er auch nicht erhalten.
 

Nikira hatte ihre Hände zu Fäusten geballt. Ihre gesamte Haltung war angespannt und für einen Moment dachte sie, dass es endgültig vorbei sein würde. Seine Strafe fiel jedoch überraschend glimpflich aus, doch was hatte sie erwartet? Dass er sie einfach so herumsegeln ließ, nachdem was sie getan hatte? Oder besser gesagt nicht getan hatte? Trotz dieser Tatsache wollte sie sich nicht damit abfinden, dass das ihr restliches Leben sein sollte. Aber was sollte sie dagegen tun? Es war aussichtslos.

Aus diesem Grund senkte sie nachgiebig ihren Kopf und ließ die Schultern hängen. „Ja, Vater.“
 

Ein zufriedenes Lächeln erschien auf seinem Gesicht, seinen Ausbruch längst vergessen. „Vizeadmiral Garp hat mir erzählt, was du ihm gesagt hast. Es waren...brauchbare Informationen. Sie sind auch der Grund, weshalb deine Bestrafung nur so milde ausfällt.“
 

Nikira holte tief Luft. „Was hast du mit diesen Informationen vor?“ Sie konnte sich nicht vorstellen, dass sie sonderlich nützlich für die Marine waren. Deshalb war sie auch über seine Nachsicht verwundert.
 

Akainu lehnte sich zurück und grinste diabolisch. „Lass das mal meine Sorge sein. Außerdem geht dich das nichts an. Noch nicht.“
 

Sie runzelte kaum merklich die Stirn, sagte aber nichts dazu. Dass er einen Plan hatte, war kaum zu übersehen und das verursachte bei ihr Unbehagen. Die 18-Jährige unterdrücke ihre Sorge und meinte fest: „Ich bitte um Erlaubnis zu gehen.“ Keine Sekunde länger würde sie es mit ihm aushalten.
 

Ihr Vater musterte sie und schien zu überlegen. Anschließend stand er auf und begab sich wieder zum Fenster. Von dort hatte er einen Blick über den gesamten Hafen. „In zwei Stunden auf dem Übungsplatz. Geh und bereite dich vor.“
 

Sie nickte halbherzig und verließ eilig das Zimmer. Auf dem Flur hielt sie inne und lehnte sich gegen die geschlossene Tür. Sie atmete tief ein und versuchte sich zu beruhigen. Die anfängliche Gelassenheit war verschwunden. Stattdessen fühlte sie diese Schwere in sich, die jedes Mal auftauchte, wenn sie mit ihrem Vater gesprochen hatte. Diese zehn Minuten hatten sich angefühlt, wie eine verfluchte Ewigkeit und hatten sie völlig aus der Bahn geworfen.
 

Das war also ihr Schicksal. Training mit ihrem Vater für nicht stattfindende Kämpfe, da sie das Hauptquartier nie wieder verlassen durfte. Je mehr Zeit verstrich, desto eher wurde sie sich bewusst, dass alles ein riesiger Fehler gewesen war. Es war dumm von ihr, Ace überhaupt so nahe an sich herangelassen zu haben und es war dumm von ihr, dass sie zurückgekehrt war. Sie hätte einfach auf eine andere Insel segeln und alles hinter sich lassen sollen. Marine und Piraten. Dann wäre alles so viel einfacher, aber dafür war es zu spät.
 

Sie war zurück und es gab kein Entkommen mehr aus ihrer persönlichen Hölle.

Can't Forget

Der Schmerz betäubte Nikiras Sinne und ein Surren war in ihrem Kopf aufgetaucht. Sie hustete und spuckte das nach Metall schmeckende Blut auf den staubigen Boden. Ihre Sicht war verschwommen und sie nahm die Gestalt, die mit großen Schritten auf sie zu kam, nur schemenhaft wahr. Mühsam versuchte sie sich aufzurichten, doch jeder einzelne ihrer Muskeln schmerzte, sodass ihre Arme nachgaben und sie mit ihrem Oberkörper zurück auf den Boden prallte.
 

Die Rothaarige sah die Schuhe, die in ihrem Blickfeld auftauchten und keuchte auf, als ihr Vater sie an ihrem Oberarm gewaltsam hochzog. Ihre Füße berührten kaum den Boden, weshalb sie unruhig herumzappelte. Sie erwiderte seinen Blick und musste ein Auge zusammenkneifen, da das Blut von ihrer Platzwunde von ihrer Stirn rann. Ihre Atmung ging schnell und ihr Herz drückte unangenehm gegen den Brustkorb.
 

Sie konnte sich nicht daran erinnern, wann sie das letzte Mal unverletzt aus dem Training mit ihrem Vater gekommen war. Nach jeder Einheit konnte sie sich kaum bewegen und musste sich alleine zum Arzt quälen, da man verboten hatte ihr zu helfen. Sie hatte damals gewusst, dass es schlimm werden würde, aber die Realität war bei weitem grausamer. Der Admiral kannte keine Gnade und brachte sie Tag für Tag weit über ihre Grenzen. Es war nicht gesund und ihr Körper flehte sie an, damit aufzuhören. Sie würde, wenn sie könnte.
 

„So schwach", murmelte Akainu zu sich selbst und betrachtete ihr vor Schmerz verzerrtes Gesicht. Sie hatte ihren freien Arm um ihren Bauch geschlungen und hielt sich die rechte Seite. Die Härte war trotz ihrer Verletzungen nicht aus ihrem Blick verschwunden und jeder andere wäre darüber beeindruckt gewesen. Ihr Vater war aber nicht jeder andere.
 

„Wieso...Wieso tust du es nicht einfach?", keuchte sie. Ihr war klar, dass er wusste, was sie meinte. Man sah es ihm an. Das, und dass er für einen kurzen Moment überrascht war. Es war nur ein Bruchteil einer Sekunde, in der die Gefühlsregung auftauchte und sie konnte nicht sagen, ob sie es sich nicht eingebildet hatte.
 

Die kurze Emotion war schnell wieder verschwunden. Stattdessen grinste er sie verächtlich an. „Und dir damit einen Gefallen tun? Nein." Für einen Moment herrschte Stille zwischen Vater und Tochter. Die 18-Jährige suchte in seinen Augen nach Menschlichkeit, doch vergebens. Seine Iriden spiegelten nur die Leere seines Inneres wieder und unweigerlich fragte sie sich, ob sie auch irgendwann zu dieser empfindungslosen Hülle werden würde.
 

Die Aufmerksamkeit Sakazukis wurde je von der jungen Frau genommen, als ihn jemand mit zittriger Stimme ansprach: „A-Admiral Akainu? Das Treffen beginnt in weniger als zwei Stunden. Sie müssen aufbrechen." Der unbedeutende Kadett salutierte angespannt und wagte es nicht, ihm in die Augen zu sehen. Zu groß war der Respekt. Ihr Vater richtete seinen Blick wieder auf seine Tochter. Vergessen war der Soldat, der schnell das Weite suchte.
 

Er verstärkte den Griff um ihren Oberarm. Nikira konnte kaum reagieren, da hatte er sie mit Wucht auf die Seite geschleudert. Die Luft wurde aus ihren Lungen gepresst, als sie auf dem Steinboden aufkam und ein paar Meter weiter rutschte. Ein unangenehmes Geräusch in ihrer Schulter war bei dem Aufprall ertönt. Sie stöhnte auf und krümmte sich. Fest biss sie ihre Kiefer aufeinander und umklammerte mit ihren Fingern die schmerzende Stelle. Akainu beachtete sie nicht weiter, als er sich auf den Weg zu den Schiffen machte.
 

Die 18-Jährige war froh darüber, dass er vom Übungsplatz verschwand und sie alleine ließ. So konnte er nicht sehen, wie sie sich erbärmlich zusammenrollte und versuchte ihre Tränen zurückzuhalten. Nicht nur der enorme Schmerz trieb Feuchtigkeit in ihre Augen. Auch das Gefühl absoluter Einsamkeit überrollte sie wie aus dem Nichts.
 

Seit zwei verdammten Monaten ließ sie diese Prozedur bereits über sich ergehen. Beinahe jeden Tag nahm sie Schläge, Tritte und Verbrennungen auf sich und dabei vergingen keine 24 Stunden, in denen sie nicht an Ace dachte. In Momenten wie diesen vermisste sie sein Lachen, seine Berührungen und seine unbeschwerte Art. Sie vermisste ihn unendlich viel und es zerriss ihr das Herz in tausend Teile zu wissen, dass sie ihn nie wiedersehen würde. Dabei brauchte sie ihn so sehr. Er musste ihr sagen, dass sie stark genug war. Stark genug, um das alles hier durchzustehen.
 

Nikira biss sich so fest auf die Unterlippe, dass sie blutete. Ihre Augen hatte sie zusammengekniffen. Ihr Inneres glich einem Chaos und dennoch fühlte sie sich so leer.
 

Als sie jemand zaghaft ansprach, zuckte sie zusammen. „Hey! Alles okay? Warte! Ich helfe dir." Sie riss die Lider auf und betrachtete die Person, die auf sie zukam. Es war ein junger Soldat, der anscheinend neu war, denn sonst würde er ihr dieses Angebot nicht machen.
 

Er streckte seine Hand aus, doch bevor er sie berühren konnte, zischte sie: „Fass mich nicht an." Kaum hatte sie diese harschen Worte gesprochen, tat es ihr leid. Er wusste es ja nicht besser. „Ich...du darfst mir nicht helfen. Niemand darf das." Sie seufzte, stützte sich mit ihrem gesunden Arm ab und drückte sich nach oben. Es schmerzte, doch sie ignorierte es.
 

„Wieso darf dir niemand helfen?" Er sah sich um und funkelte die anderen wütend an, die einfach nur so herumstanden und bei dem Kampf zugesehen hatten.
 

Sie stand zur Gänze auf. „Weil mein Vater es so will", murmelte sie tonlos. Dabei belastete sie nur ihr rechtes Bein. Das andere war noch zu lädiert vom letzten Mal.
 

Bei ihrer Antwort wurden seine Augen groß. „D-Dein Vater? Admiral A-Akainu ist dein Vater?" Fassungslos starrte er sie an. Ja, er war definitiv neu.
 

Sie nickte nur und versuchte nicht unter den Schmerzen zusammenzubrechen. Irgendwie musste sie es bis zur Krankenstation schaffen. Bei jedem Schritt fühlte es sich so an, als würde sich ein Knochen durch ihre Haut bohren. Vor allem ihren Rücken spürte sie bei jeder Bewegung.
 

Der Junge, der neben ihr herging und anscheinend nicht vor hatte zu verschwinden, sah sie entgeistert, aber auch neugierig an. „Aber wieso tut er dir das an?"
 

Zum zweiten Mal in kürzester Zeit seufzte sie. Er war ganz schön nervig. „Weil ich eine ziemlich große Sache vermasselt habe."
 

„Du meinst diese Mission, von der alle erzählen?" Seine Stimme wurde leiser, aber man hörte dennoch ein wenig Bewunderung heraus. Süß.
 

Nikira blieb kurz stehen und beugte sich umständlich nach unten. Sie keuchte auf, als ein stechender Schmerz durch ihr linkes Bein zog. Sie ergriff schnell ihr Schwert, welches ihr während des Kampfes abhanden gekommen war und richtete sich wieder auf. Dabei verzog sie das Gesicht. „Ja. Genau diese Mission."
 

Der Soldat, der nicht viel größer war als sie, hatte dieses kindliche Leuchten in seinen Augen. Er konnte ohnehin nicht viel älter als 15 Jahre sein. „Wow. Wie war das so? Also bei Piraten zu leben? Musstest du ihnen wirklich jeden Tag das Essen ans Bett bringen?" Er klang angewidert.
 

Die Rothaarige sah ihn bei seiner Frage merkwürdig an. „Was? Nein!" Wie kam er denn auf so einen Mist? „Es war ehrlich gesagt ziemlich...in Ordnung." Eigentlich war es mehr als nur in Ordnung, aber sie wusste nicht, wie sie ihm das erklären sollte.
 

„Echt jetzt? Wie kann es in Ordnung sein, bei diesem Abschaum zu leben? Sie töten Jung und Alt und plündern selbst arme Familien aus." Seine Miene schien empört und Nikira verstand wieso, immerhin waren seine Gedanken nicht total absurd.
 

„Die Whitebeard-Piraten haben keine Leute abgeschlachtet und würden es auch nicht tun. Genaugenommen liegen viele Inseln unter dem Schutz des Kaisers. Natürlich sind nicht alle Piraten gleich, aber es gibt auch welche, die nicht so grausam sind." Sie starrte auf den Boden vor sich und erläuterte ihre Ansicht. Keine Ahnung, ob es eine gute Idee war mit ihm darüber zu reden, aber wem sollte er es schon erzählen?
 

„Das kann ich nicht glauben." Er schüttelte seinen Kopf.
 

„Musst du auch nicht." Nikira zuckte mit den Schultern und bereute es sofort. Sie verzog das Gesicht und krallte ihre Finger in die Haut auf ihrem Oberarm.
 

„Wenn du dort solange warst, dann hast du bestimmt auch viel Zeit mit den Kommandanten verbracht, oder?" Seine Begeisterung war wieder zurück, doch die Miene der Rothaarigen wurde bei seiner Frage hart. Der Junge bemerkte davon allerdings nichts.
 

„Ja. Habe ich." Sie hatte verdammt viel Zeit mit ihnen verbracht. Vor allem mit einem.
 

„Und? Wie waren die so? Man hört ja ziemlich viel von ihnen." Der Kadett öffnete Nikira die Tür, die ins Innere der Basis führte und gemeinsam gingen sie zu der Krankenstation.
 

„Wie sollen sie schon gewesen sein?", nuschelte sie. Sie wollte nicht wirklich darüber reden, doch sie hatte die Neugier des Jungen unterschätzt.
 

„Na, wie waren sie so drauf? Saufen sie tatsächlich nur und kämpfen sie so gerne wie man sich erzählt?"
 

Nikira verdrehte die Augen. So einfach würde sie da nicht mehr herauskommen. Deshalb antwortete sie: „Die meisten trinken wirklich oft und gerne. Sie sehen in jeder Kleinigkeit einen Grund zu feiern. Manchmal war das ziemlich anstrengend." Sie dachte an die Zeit zurück, in der nahezu alle Crewmitglieder in der Bar betrunken gewesen waren. Es war furchtbar nervig für sie gewesen, aber auch amüsant. Der Moment, als Ace mit dem Kopf gegen die Wand geknallt war, hatte sich in ihr Kopf gebrannt.
 

„Und...wollten sie dir auch an die Wäsche?" Er sah sie mit großen Augen an und man merkte, dass ihm die Frage unangenehm war. Ungeachtet dessen, dass er sie überhaupt stellte.
 

Die 18-Jährige hingegen konnte nicht glauben, um was er sich Gedanken machte. „Nein. Solche Piraten sind die Whitebeards nicht." Ausgenommen Teach, aber dieser gehörte zu einer ganz anderen Sorte Mensch.
 

Der Kadett hatte einen nachdenklichen Ausdruck im Gesicht. „Hm. So wie du über sie redest, kann man meinen, dass sie gar keine richtigen Piraten sind."
 

„Ich würde nicht behaupten keine richtigen Piraten, aber auf jeden Fall anders als viele." Für diese Meinung hatte sie viel Zeit gehabt.
 

„Okay. Letzte Frage. Phönix, oder Feuerfaust?"
 

„Phönix, oder Feuerfaust was?", hakte sie irritiert nach. Sie waren vor dem Krankenzimmer stehengeblieben.
 

„Mit wem bist du besser zurechtgekommen?"
 

Nikira legte die Hand auf die Türklinke und sah auf einen Punkt auf dem Boden. Eigentlich war die Frage einfach zu beantworten. Marco hatte ihr von Anfang an nie wirklich vertraut, während Ace von Beginn an eine besondere Verbindung zu ihr hatte. Um ehrlich zu sein, dann kannte sie den Vize gar nicht richtig. Bei dem Kommandanten der zweiten Division sah das allerdings schon anders aus. Je länger sie über die Piraten nachdachte, desto schmerzhafter wurde es. Der Kuss tauchte vor ihren Augen auf und verursachte ein heftiges Pochen ihres Herzens. Jeder Gedanke daran tat weh.
 

„Ace. Eindeutig mit Ace", murmelte sie und öffnete die Tür. Sie sah auf und blickte in sein Gesicht. Es schien noch so viel mehr wissen zu wollen, doch sie hatte weder die Geduld, noch die Zeit für mehr Fragen. „Genug gefragt für heute. Solltest du nicht irgendwo trainieren, oder so?"
 

Der Soldat wirkte plötzlich hektisch. „Ach ja! Verdammt! Vizeadmiral Garp wird mich umbringen!"
 

Nikira musste ein Grinsen unterdrücken. Vergessen war das beklemmende Gefühl in ihrem Inneren. „Sag dem alten Mann, dass ich dich aufgehalten habe. Vielleicht ist er dann nicht ganz so hart zu dir."
 

Seine Augen wurden bei ihrer Aussage groß. „Wirklich? D-Danke." Er schien zu überlegen, ob er sie umarmen sollte, doch entschied sich lieber dagegen. Stattdessen setzte er ein breites Lächeln auf. „Du bist echt nicht so gruselig wie alle sagen. Mach's gut!" Er machte kehrt, drehte sich aber während des Laufens um. „Ich heiße übrigens Kito." Noch einmal schenkte er ihr ein breites Grinsen und verschwand anschließend um die Ecke.
 

Die Rothaarige seufzte und schüttelte den Kopf. „Was für ein Chaot." Sie betrat die Krankenstation. Dort ließ sie sich erstmal verarzten, denn das hatte sie bitter nötig.
 

Erst am späten Nachmittag verließ sie wieder ihr Zimmer, welches sie nach dem Arztbesuch aufgesucht hatte. Sie konnte sich kaum rühren und die Schmerztabletten hatten sie furchtbar schläfrig gemacht. Im Nachhinein war es eine verdammt blöde Idee gewesen, ein paar Stunden zu schlafen. Sie hatte das Gefühl, als wären ihre Schmerzen schlimmer geworden. Dabei hatte sie nur ein paar geprellte Rippen, eine leichte Gehirnerschütterung, eine mittlerweile wieder eingerenkte Schulter und einen verstauchten Fuß. Die blauen Flecken und Kratzer nicht mitgezählt. Im Grunde hätte es noch viel schlimmer enden können.
 

Nikira humpelte förmlich nach draußen und überlegte, was sie nun tun sollte. Ihr war noch nie aufgefallen, wie verdammt langweilig ein Tag im Marinehauptquartier sein konnte. Früher hatte sie es einfach hingenommen. Jetzt, wo sie ein ganz anderes Leben kannte in dem beinahe jede Minute etwas los war, kam es ihr hier schon ziemlich öde vor. Sie entschied sich schließlich zum Hafen zu gehen. Ein wenig Bewegung würde ihr schon nicht schaden.
 

Als sie den großen Platz vor der Basis betrat, fielen ihr als erstes die zwei großen Schiffe der Marine auf. Anscheinend waren sie von ihrer Reise zurück. Sie ging bei ihnen vorbei und wurde von einer Stimme aufgehalten.
 

„Hey! Nikira." Jemand rief eifrig nach ihr. Sie sah auf und entdeckte den Jungen von vorhin mit dem Namen Kito, der sich an der Reling abstützte und ihr zuwinkte.
 

Die Rothaarige nickte ihm halbherzig zu und ging weiter. Dabei biss sie die Zähne zusammen, denn ihr Fuß schmerzte mittlerweile beträchtlich. Sie versuchte nicht zu sehr zu humpeln, aber ganz ohne ging es nicht.
 

„Warte kurz! Ich muss dir etwas sagen!" Die Angesprochene seufzte und blieb stehen. Sie sah dabei zu, wie er die Zugangsbrücke herunterlief. Dabei zierte ein Grinsen sein Gesicht.
 

„Solltest du nicht lieber auf dem Schiff bleiben und weiterarbeiten?" Sie zog skeptisch ihre Augenbrauen nach oben und deutete in die Richtung, aus der er gekommen war.
 

Er winkte die Tatsache nur ab. „Ach was. Die schaffen das auch ein paar Minuten ohne mich. Aber darum geht es nicht."
 

„Um was denn dann?" Sie verschränkte die Arme und setzte eine fragende Miene auf.
 

Er sah sich kurz um, als müsste er sich versichern, dass niemand in der Nähe war. Anschließend beugte er sich verschwörerisch nach vorne. Nikira runzelte die Stirn und machte aus Prinzip einen Schritt nach hinten. Er war ihr ein wenig zu nah. Dem Soldaten schien das aber gar nicht aufzufallen.
 

„Es geht um die Versammlung mit den sieben Samurai der Meere."
 

Sie seufzte. „Wieso sollte mich das interessieren?" Mit diesen Piraten hatte sie nichts am Hut.
 

„Weil dort jemand aufgetaucht ist, der nicht eingeladen war." Ein wissendes Grinsen zierte seine Lippen.
 

„Ich bin mir sicher, du sagst mir gleich, um wen es sich dabei handelt."
 

„Ein Typ namens Raffit war dort. Er war mal Sheriff auf einer Insel im West Blue, verlor aber wegen seiner brutalen Vorgehensweise seinen Posten."
 

„Komm zum Punkt, Kito." Die 18-Jährige verdrehte die Augen. Ihr war bereits aufgefallen, dass er gerne redete.
 

„Naja, also er gehört angeblich zu den Blackbeard-Piraten. Eine neue und gefährliche Bande mit einem verdammt starken Captain."
 

„Schön für dieses Pack", murmelte sie und setzte ihren Weg fort. Keine Ahnung, was er mit dieser Information bezwecken wollte. Sie kannte weder diesen ehemaligen Sheriff, noch einen Piraten namens Blackbeard.
 

Hinter ihr vernahm sie ein frustriertes Stöhnen. „Man! Hör doch mal zu!" Er murmelte irgendetwas und sie war sich sicher, dass es nichts Nettes war. Darüber verdrehte sie abermals nur die Augen. Laut fuhr er fort, nachdem er zu ihr aufgeschlossen hatte: „Dieses Pack sollte dir eigentlich bestens bekannt sein. Immerhin war deren Käpt'n Mitglied der Whitebeard-Piraten."
 

Als Nikira seine Worte vernahm, blieb sie abrupt stehen. Sie verkrampfte sich und drehte sich geschockt zu ihm um. Es dauerte nur einen Bruchteil, bis sie die einzelnen Puzzleteile zusammengesetzt hatte. „Was sagst du da? Marshall D. Teach hat eine verdammte Bande gegründet?"
 

Kito nickte ernst. „Ja. Und sein Mitglied Raffit war gestern auf Mary Joa. Dort, wo Admiral Akainu auch war."
 

Sie spannte ihre Kiefer an und ballte ihre Hände zu Fäusten. Ihr Blick wurde hart und verursachte bei dem Neuling ein ungutes Gefühl. Die Admiralstochter konnte doch ziemlich unheimlich sein....
 

„Was wollte er dort?", fragte sie gepresst. Das konnte nichts Gutes bedeuten. Da war sie sich sicher.
 

Kito zuckte mit den Schultern. „Naja. Er ist Admiral, also denke ich, dass er- " „Nicht mein Vater, du Idiot. Dieser Dreckskerl Raffit!" Nikira hatte ihn unwirsch unterbrochen und wurde langsam ungeduldig.
 

Der Kadett hingegen lachte nur verlegen und kratzte sich am Hinterkopf. „Achso! Er hat den Anwesenden einen Vorschlag gemacht. Er wollte, dass Blackbeard Sir Crocodiles Nachfolger wird."
 

Die Rothaarige stieß bei diesen Neuigkeiten angespannt die Luft aus. Sie wusste nicht, was er mit diesem Posten bezwecken wollte. Jedoch war Teach unberechenbar, weshalb er definitiv einen Plan hatte. Wenn dieser aufgehen sollte, würde es bestimmt in einer Katastrophe enden. Das Gute daran war allerdings, dass die Weltregierung ihm diesen Titel nicht einfach so verleihen würde. Da müsste Blackbeard ihnen schon einen verdammt guten Deal anbieten.
 

„Dieser Scheißkerl", zischte sie dennoch und erntete einen zustimmenden Blick von Kito.
 

Sie schüttelte den Kopf, um wieder einen klaren Gedanken fassen zu können. „Woher hast du diese Informationen eigentlich?" Neugierig sah sie den Jungen an, der plötzlich nervös schien.
 

„Ehm...keine Ahnung." Er verschränkte seine Finger hinter seinem Rücken und ging ein paar Schritte zurück. „Hat mir irgendjemand erzählt." Gekonnt wich er ihren Blick aus, doch Nikira hatte schon eine Ahnung.
 

„Du hast gelauscht." Schon beinahe amüsant nahm sie wahr, wie er rot anlief.
 

„N-Nein! Wie kommst du darauf?" Er räusperte sich.
 

Sie musste leise lachen. Er war wahrlich kein guter Schauspieler. „Mach dir nicht ins Hemd. Ich bin die Letzte, die dich deshalb verurteilt und verrät."
 

„Ich weiß", murmelte er erleichtert. Die beiden wechselten noch ein paar kurze Worte, ehe sich deren Weg wieder trennte.
 

Ihr restlicher Tag verging ereignislos. Die Neuigkeit hingegen beschäftigte Nikira noch bis tief in die Nacht. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass es alles andere als nur eine leere Forderung von diesem Raffit war. Blackbeard war hinterhältig. Er würde nicht einen Informanten nach Mary Joa schicken, um dann untätig darauf warten, dass etwas passierte. Diese Tatsache verursachte ein unangenehmes Grummeln in ihrem Bauch. Sie zog die Decke bis zu ihrem Kinn und drehte sich auf die Seite, die nicht verletzt war.
 

Vage konnte sie sich daran erinnern, wann sie das letzte Mal mehr als vier Stunden geschlafen hatte. Sie war müde und erschöpft, doch sie konnte sich nicht dazu überwinden, die Augen für die restliche Nacht zu schließen. Sie wollte schlafen. Wirklich, denn wenn sie träumte, dann war alles okay. Sie wäre nicht hier, sondern auf der Moby Dick bei Ace und den anderen. Thatch würde noch leben und alle wären glücklich. Die große Enttäuschung würde erst kommen, wenn sie wieder die Augen aufschlug.
 

Wütend vergrub sie ihr Gesicht im Kissen. Zwei Monate waren vergangen und sie konnte nicht aufhören an den Schwarzhaarigen zu denken. Sie hatte es versucht. Mehr als einmal, aber es funktionierte nicht. Es war, als hätte sich sein Grinsen in ihr Gedächtnis und seine Berührungen in ihre Haut gebrannt.
 

„Ich muss dich vergessen", murmelte Nikira gedämpft in ihr Kissen und rollte sich anschließend wieder auf den Rücken. Immer wieder wiederholte sie in Gedanken diese Worte wie ein Mantra, bis sie schließlich in einen unruhigen Schlaf fiel.

Exhilarating Sight

*Titel: berauschender Anblick
 

Nikira zog sich umständlich ihr dunkelgrünes Top über den Kopf. Ihre schwarze Shorts folgte, sowie ihre ebenso schwarzen Boots. Es war lächerlich anstrengend und sie musste anschließend erstmal tief Luft holen. Sie schloss die Augen und atmete kontrolliert ein und aus. Aufgrund ihrer Blessuren musste sie jede Bewegung genau ausführen, weshalb das Ankleiden länger dauerte, als üblich. Es war ärgerlich. Vor vier Wochen hatte sie erfahren, dass Teach nun unter dem Namen Blackbeard über das Meer segelte und einen perfiden Plan ausheckte. In diesem Zeitraum hatte sie nicht viel mehr getan, als zu trainieren.

Nach jedem Training hoffte sie stets darauf, dass ihr Vater ihr ein paar Tage Ruhe gönnte, doch falsch gedacht. Nie gab er ihr mehr als zwei Tage, um auszukurieren. Viel zu wenig für ihre Verletzungen, die nicht ordentlich verheilten, aber das war ihm egal. Sie war ihm egal. Seufzend fuhr sie sich durch die Haare. Sich darüber den Kopf zu zerbrechen, würde ihr auch nicht weiterhelfen.
 

Sie richtete ihren Blick auf ihre rechte Hand. Vorsichtig bewegte sie die Finger. Die Gliedmaßen waren noch immer leicht geschwollen, aber es tat nicht mehr sonderlich weh. Gut so, denn ohne diese konnte sie nicht mal ihr Schwert halten. Zufrieden mit dieser Erkenntnis, band sie ihre leicht gewellten Haare zu einem hohen Zopf zusammen und verließ anschließend ihr Zimmer. Als sie durch den Gang ging, kamen ihr ein paar Soldaten entgegen. Sie wirkten aufgeregt und schienen es eilig zu haben. Das irritierte die junge Frau. Normalerweise verhielten sie sich gemächlich und hatten selten wirklich Stress. So sah es zumindest aus. Dennoch tat sie die Sache ab und begab sich zum Übungsplatz.
 

Dort stand ihr Vater und unterhielt sich mit Garp. An dieser Tatsache war nichts merkwürdig, aber sein Lächeln fand sie höchst eigenartig. Sie hielt inne und überlegte, ob sie das beunruhigen sollte. Meistens reagierte er so, wenn er mit etwas zufrieden war. Dazu gehörte nichts, was Nikira betraf.
 

Sie runzelte die Stirn und setzte ihren Weg mit einem mulmigen Gefühl fort. Beide Männer nahmen Notiz von ihr. Der alte Mann selbst schien nicht gerade begeistert zu sein. Ob es an ihrem Auftauchen lag, wusste sie nicht.

„Admiral Akainu, Vizeadmiral Garp“, begrüßte sie die beiden beherrscht. Sie versuchte sich ihre Verwirrung nicht anmerken zu lassen.
 

„Nikira“, brummte der Ältere mit verschränkten Armen.
 

Ihr Vater hingegen grinste weiter vor sich hin. „Dein Training fällt heute aus. Ich muss Vorkehrungen treffen, die von großer Bedeutung sind.“
 

Sie nickte halbherzig, war jedoch sehr überrascht über diese Tatsache. Es musste tatsächlich ein äußerst wichtiges Anliegen geben, wenn er das Training ausfallen ließ. Sie würde gerne fragen, um was es sich dabei handelte, doch verkniff sich lieber das Nachfragen. Er mochte es nicht, wenn man nachhakte.
 

Akainu wollte gehen, doch bevor er verschwand, wandte er sich nochmal zu der 18-Jährigen. „Nikira? Sieh zu, dass du nach dem Abendessen beim Hafen bist. Es gibt etwas, dass ich dir zeigen muss.“
 

Nikira runzelte dir Stirn und fügte schnell ein „Natürlich“ hinzu. Sie sah ihm schweigend nach, wie er mit wehendem Mantel den Übungsplatz verließ. Sie war verwirrter als zuvor. Was zum Teufel wollte er ihr zeigen? Sie blickte zu Garp, dessen Stirn tiefe und sorgenvolle Falten zierte.
 

„Was meinte er damit?“, fragte sie ihn nachdenklich.
 

Der Ausdruck des Vizeadmirals verhärtete sich. „Das soll dir dein Vater schön selber erzählen.“
 

Die Rothaarige wurde ein wenig stutzig. Sie hatte bereits bemerkt, dass ihn etwas beschäftigte, aber so hatte sie ihn noch nie gesehen. Er wirkte verärgert. Sie holte tief Luft. Es nervte sie, dass er ihr nichts sagen wollte. „Gut, dann verschwinde ich wieder.“ Ihre Stimme klang nicht gerade begeistert und doch wartete sie nicht auf eine Antwort, sondern machte kehrt. Ihr Ziel waren die Trainingsräume, die sich im vorderen Gebäudekomplex befanden. Mit den Geräten konnte sie sinnvoll ihre Muskulatur stärken und somit gezielt den Heilprozess beschleunigen. Außerdem konnte sie so die Zeit totschlagen.
 

~
 

Lange hatte sie schließlich trainiert und immer kurze Pausen zwischen den einzelnen Einheiten eingelegt. Sie wollte ihren Körper nur unterstützen und ihm keine zu große Belastung zuschreiben. Kurz vor dem Abendessen hatte sie aufgehört, damit sie sich noch etwas vom Buffet abbekam und nach einem ausgiebigen Essen, begab sie sich zum Ankerplatz. Eine gewisse Nervosität hatte sich bereits im Laufe des Tages in ihr aufgebaut. Sie hatte keine Ahnung, was sie erwarten würde, und um ehrlich zu sein, wollte sie es auch gar nicht wissen. Die Tatsache, dass ihr Vater sich darüber freute, sagte bereits einiges über die Neuigkeit aus.
 

Sie betrat dementsprechend mit einem mulmigen Gefühl den großen Platz vor dem Hauptquartier. Ein riesiges Schiff der Marine ankerte davor. Sie stutzte, als sie den Admiral an Deck erkennen konnte. Sie würden doch nirgends hinfahren, oder? Immerhin hatte er ihr ausdrücklich verboten, jemals wieder einen Fuß auf ein Schiff zu setzen. Und wo sollten sie auch hin? Viele Fragen schossen ihr durch den Kopf.
 

Eher zögerlich schritt sie die Zugangsbrücke hinauf und setzte einen Fuß auf den Holzboden des Decks. Ihr Vater stand am vorderen Schiffsteil und hatte ihr den Rücken zugedreht. Der Schriftzug auf dem Umhang stach ihr ins Auge und das Wort Gerechtigkeit lachte ihr hämisch ins Gesicht. Es veranlasste ihre Miene dazu, sich zu verhärten. Wenn sie an all die radikalen Vorgehensweisen der Marine dachte, dann konnte sie darüber nur verächtlich den Kopf schütteln.
 

Nikira strafte ihr Schultern und wollte ihren Weg fortsetzen, als ihr jemand ein weißes Stück Stoff in ihr Blickfeld schob und sie somit davon abhielt. Sie runzelte die Stirn und musterte den Soldaten, der angespannt darauf wartete, dass sie ihm das Teil abnahm. Verwirrt griff sie danach und prompt entglitten ihr die Gesichtszüge, als sie erkannte, um was es sich dabei handelte. Sie sah zu ihrem Vater, doch der hatte seinen Blick noch immer nach vorne gerichtet und schenkte ihr keinerlei Aufmerksamkeit.
 

Sie knirschte verärgert mit den Zähnen, legte das Kleidungsstück aber dennoch über ihre Schultern. Es wog schwer und fühlte sich falsch um ihren Körper an. Sie wollte es sich am liebsten wieder vom Leib reißen, hielt sich aber zurück. Einen weiteren Fehltritt konnte sie sich nicht erlauben. Bereits mit ihren letzten Aktionen hatte sie Akainu bis an seine Grenzen getrieben.

So schritt sie missmutig auf ihn zu und kam neben ihm zum Stehen. Sie richtete ihre Augen auf das Meer und die dicken Mauern, welche das Hauptquartier schützten.
 

„Der Umhang steht dir ausgezeichnet.“ Es war das erste, was sie von ihm hörte und aus irgendeinem Grund hatte sie das Gefühl, als würde er sich über sie lustig machen.
 

Sie murmelte ein „Danke“, meinte es aber nicht sonderlich ernst. Anschließend herrschte wieder Stille. Zumindest solange, bis sich das imposante Schiff in Bewegung setzte.
 

„Du fragst dich bestimmt, wo wir hinfahren.“ Er hielt kurz inne, wartete aber nicht auf ihre Antwort. „Ich möchte dir jemanden zeigen. Er befindet sich in Impel Down und ich denke, er dürfte dich interessieren.“ Sein Grinsen verursachte einen unangenehmen Schauer. Sie legte ihre Hand auf die Reling und senkte ein wenig den Kopf. In ihrem ganzen Leben war sie noch nie in dem Hochsicherheitsgefängnis gewesen. Damals war sie verwundert, weshalb alle Angst davor hatten und wollte selbst dort hin, um sich ein Bild davon zu machen. Mittlerweile war die Faszination darüber verloren gegangen.
 

Während der Fahrt, die nicht sonderlich lange dauerte, schwieg sie. Sie fragte sich, um wen es sich handelte. Alle Möglichkeiten ging sie durch und bei einer blieb sie länger hängen. Ein ungutes Gefühl stieg in ihr auf und es war, als würde es ihr die Luft nehmen. Ihre Finger krallten sich in das Holz und ihr Herz begann, wie wild zu rasen. Sie schüttelte kaum merklich den Kopf und versuchte so den beängstigenden Gedanken loszuwerden. Nein. Das war unmöglich. Er war es nicht.
 

Sie versuchte sich zu beruhigen. Jetzt in Panik zu verfallen, würde nichts bringen. Nikira atmete tief ein und konzentrierte sich auf das Meer, welches so blau war, wie der Himmel selbst. Nach und nach wurde ihr Puls wieder normal und auch die angespannte Haltung ließ nach. Genau rechtzeitig, denn das Schiff wurde langsamer und blieb schließlich vor der Zugbrücke stehen.
 

Der Weg ins Innere gestaltete sich als langwieriger Prozess. Es gab unheimlich viele Sicherheitsvorkehrungen, für die Magellan, der Direktor des Gefängnisses, zuständig war. Der Teufelsfruchtnutzer erwartete sie bereits. Kein Wunder, denn ihren Vater ließ man ungern warten. Nur nebenbei nahm sie das Gespräch der beiden Männer wahr. Sie selbst versuchte das beklemmende Gefühl in ihrem Inneren zu unterdrücken. Der Ort half ihr nicht dabei und es wurde schlimmer, als sie die einzelnen Etagen mit dem Lift hinunterfuhren. Mal wurde es kalt, dann wieder heiß. Es war absurd und sie konnte sich nicht vorstellen, wie es war hier eingesperrt zu sein. Genauer gesagt wollte sie es sich auch nicht vorstellen.
 

Angespannt nahm sie wahr, wie der Aufzug mit einem quietschenden Geräusch stehen blieb und die Tür langsam aufging. Sie hatte Geschrei und viele andere grausame Dinge erwartet, aber was ihr entgegenschlug, war absolute Stille. Sie hatte keine Ahnung, wie viele Gefangene hier inhaftiert waren, aber aus Erzählungen wusste sie, dass hier die schlimmsten Verbrecher der Welt gefangen waren. Aus diesem Grund war der nicht vorhandene Lärm beunruhigend.
 

Sie folgte ihrem Vater, der vorausging und warf einen letzten Blick zu Magellan. Er blieb auf Anweisung zurück. Die Tür ging langsam wieder zu und alles was zu hören war, waren die Schritte, die von den Steinwänden hallten. Es war kalt, nass und alles andere als einladen in diesem Level. Die Umgebung war bedrückend und sie konnte sich nicht vorstellen, wie man hier länger als ein paar Tage verbringen konnte.
 

Je näher sie den Zellen kamen, desto mehr kam der Gedanke von vorhin zurück. Wen wollte ihr Vater ihr zeigen? Wegen wem war er so erpicht darauf, dass sie hierher kam? Ace konnte es nicht sein. Er würde sich nicht fassen lassen und schon gar nicht würde er gegen Blackbeard verlieren. Niemals. Sie schluckte und heftete ihren Blick stur auf den Steinboden. Tief in ihrem Inneren wusste sie, dass es durchaus berechtigte Gedankengänge waren, aber sie wollte es nicht wahrhaben. Stumm flehte sie, dass sie sich irrte.
 

Nikira holte tief Luft und sah verstohlen zu den Zellen, die sie passierten. Leuchtende Augen starrten sie an und manchmal tauchte ein verrücktes Grinsen in der Dunkelheit auf. Es machte ihr keine Angst, denn hier handelte es sich bloß um Piraten. Nichts, was außergewöhnlich war. Was ihr aber Angst machte, war das, was möglicherweise folgen sollte.
 

Ihr Vater war stehen geblieben und hatte sich mit einem eisigen Grinsen zu dem Insassen der Zelle gedreht. Sie war ein paar Meter ruckartig hinter ihm zum Stehen gekommen und starrte vehement auf den dreckigen, kalten Boden. Ihr Körper weigerte sich auch nur einen Schritt weiterzugehen. Sie hatte es insgeheim gewusst.
 

„Was für ein herrlicher Anblick, nicht wahr?“, raunte ihr Vater plötzlich zufrieden und verursachte in ihr eine enorme Übelkeit. Die Rothaarige ballte ihre Hände zu Fäusten und wagte es nicht, ihren Kopf zu heben. Sie verharrte in ihrer angespannten Position. Das Adrenalin schoss durch ihren Körper und sie hatte das Gefühl, als könnte jeder Anwesende ihren Herzschlag hören.
 

Bei den folgenden Worten, die aus dem Zellinneren ertönten, gefror ihr das Blut in den Adern: „Das kann ich nicht behaupten.“ Ace‘ Stimme klang rau und vor allem feindselig. Seine Aussage galt nicht ihr, denn er konnte sie nicht sehen. Noch nicht.

Sie konnte nicht glauben, dass er hier war. Sie wollte es nicht glauben. Das musste ein schrecklicher Alptraum sein, aus dem sie bald aufwachen sollte. Ihre Atmung beschleunigte sich und krampfhaft versuchte sie sich zu beruhigen. Sie hob ihren Kopf und begegnete dem Blick ihres Vaters. Er hatte ein spöttisches Grinsen aufgelegt.
 

„Sieh hin“, forderte er harsch, doch sie machte keinerlei Anstalten ihm Folge zu leisten. Ihr Herz raste und ihr Gesicht wies einen gequälten Ausdruck auf. Sie konnte ihn nicht ansehen. Es ging einfach nicht.
 

Akainu wurde bei ihrem Verhalten wütend und spannte seine Muskeln an. „Ich sagte...“, fing er leise an und machte einen Schritt auf sie zu, „...sieh hin!“ Die letzten Worte hallten ohrenbetäubend laut durch die unterste Etage des Gefängnisses. Nikira zuckte zusammen, als er sie am Arm packte und binnen weniger Sekunden gegen die Gitterstäbe drückte. Sie zischte auf, als er ihre verletzte Schulter förmlich zerquetschte.
 

Zum ersten Mal seit langer Zeit, traf ihr Blick den von Ace. Nichts als Verachtung schlug ihr entgegen. Sie hatte ihm etwas vorgespielt. Die ganze Zeit über und deshalb konnte sie seine Reaktion verstehen. Dennoch tat es weh, dass er ihr vermutlich nie vergeben würde. Sie kannte Ace mittlerweile gut genug, um das zu wissen. Klar und deutlich sah sie die Wut in seinen Augen, weshalb sie ihre nachgiebig schloss und hart die Zähne zusammenbiss.
 

„Findest du den Anblick nicht auch berauschend, Nikira?“, flüsterte ihr Vater neben ihrem Ohr und verursachte eine unangenehme Gänsehaut. Sie öffnete ihre Lider und ließ erschöpft ihre Schultern sinken. Ihr ganzes, restliches Leben würde sie hier an seiner Seite verbringe und das tun, was er von ihr verlangte. Was würde es ihr also bringen, ihm jetzt zu widerspreche? Mit diesem Gedanken nickte sie bereitwillig, auch wenn es ihr alles andere als leichtfiel.
 

Ihr Vater ließ sie wieder los, woraufhin sie erleichtert einen Schritt nach hinten ging. Sie holte zittrig Luft und warf einen Blick auf dem Mann neben ihr. Ace kam kein einziger Laut über die Lippen. Nur Kettenrasseln und ab und zu ein Keuchen von anderen Gefangenen war zu hören. „All die Jahre habe ich auf diesen Moment gewartet. All die Jahre habe ich darauf gewartet, den Sohn von Gol D. Roger hinter Gitter zu bringen.“ Er spuckte den Namen des ehemaligen Piratenkönigs förmlich auf den Boden.
 

Jetzt kam auch Bewegung in den Piraten, der ruckartig den Kopf hob. „Dieser Mistkerl ist nicht mein Vater. Der einzige, der diesen Titel verdient, ist Whitebeard“, zischte er wütend.
 

Akainu grinste beinahe belustigt. „Du kannst dir das so oft einreden, wie du willst, aber seine Herkunft kann man nicht leugnen.“
 

Nikira war drauf und dran freudlos aufzulachen, denn ausnahmsweise hatte er recht.
 

Ace fixierte den Admiral mit einem harten Blick. „Es ist mir scheißegal, wie du das siehst, aber ich habe und werde ihn nie als meinen Vater anerkennen.“
 

„Schön. Tu das, aber Whitebeard wird deine Exekution in ein paar Tagen auch nicht verhindern können. Dafür werde ich sorgen.“ Die Miene ihres Vaters wurde ebenfalls hart, als er dieses Versprechen gab.
 

Nikira hingegen hatte bei dem Wort Exekution die Augen geweitet. Ihr Herz hatte für einen Schlag ausgesetzt und Angst machte sich in ihr breit. Wie zum Teufel konnte sie das vergessen? Sie sah nahezu erschüttert von ihrem Vater zu Ace. Seine gesamte Haltung war angespannt und sein Anblick setzte ihr sehr zu, obwohl sie damit gerechnet hatte. Sein gesamter Körper war übersät von Kratzern, Hämatomen und sonstigen kleineren Blessuren. Getrocknetes Blut klebte ihm an vielen Stellen seiner Haut und ließ nur erahnen, welche Schmerzen er auch jetzt erleiden musste. Der Kampf und die Zeit in der Zelle waren selbst für die berühmte Feuerfaust kein leichtes Unterfangen und das sah man ihm an.
 

Die Wut, die sein Gesicht zierte, passte nicht zu seinem Erscheinungsbild und dennoch traf sie die 18-Jährige mit voller Wucht. Sie spannte ihre Kiefer an, wandte den Blick aber nicht von ihm ab. Kein Wort kam ihr über die Lippen. Was sollte sie auch sagen? Neben ihrem Vater konnte sie kaum mit ihm reden. Das sollte sie aber tun. Ihm wenigstens sagen, dass es ihr leidtat.
 

„Präge dir dieses Bild gut ein, Nikira. Hier gehört Abschaum hin.“ Seine Stimme klang kalt und es fühlte sich an, als würde die Temperatur um einige Grade fallen. Nikira war indes um eine neutrale Miene bemüht. Sie wollte sich keine Gefühlsregung anmerken lassen. Auch nicht, als er weitersprach: „Da dieser Dreck nichts mehr zu sagen hast, werden wir wieder gehen, Nikira.“ Akainu schenkte dem Insassen ein letztes, eisiges Lächeln und entfernte sich ein wenig von der Zelle. „Komm, Tochter.“
 

Ace hatte bei den Worten ihres Vaters abfällig geschnaubt und den Blick abgewandt. Seine Haare hingen ihm wirr ins Gesicht und verdeckten den Großteil dessen. Nikira ging ein paar Schritte nach hinten und hätte den Umhang um ihre Schultern am liebsten vor seinen Augen zerrissen. Sie wollte das alles nicht. Es war einfach falsch und doch hinderte sie etwas in ihrem Inneren, sich gegen ihren Vater und gegen die Marine zu stellen.
 

„Ja, Nikira. Tu, was er sagt. Etwas anders kannst du ja nicht.“ Der Schwarzhaarige sprach leise, doch sie hatte ihn genau verstanden. Sein spöttisches Grinsen war dabei deutlich zu hören und ihr Herz zog sich unangenehm zusammen.

Er hatte Recht. Was konnte sie sonst, außer den Befehlen ihres Vaters folgen? Sie senkte ihren Kopf und entfernte sich weiter von der Zelle. Es verletzte sie, dass er sie so angesehen hatte, aber sie verdiente es. Sie holte tief Luft, warf einen letzten Blick auf den Piraten, den sie viel zu sehr in ihr Herz geschlossen hatte, und ging anschließend davon.
 

Den gesamten Weg zurück zum Hauptquartier, wechselte sie kein Wort mit dem Admiral. In seinen Augen hatte er das erreicht, was er wollte. Doch der Schein trog. Verbissen las sie immer wieder das Wort, welches auf dem Rücken ihres Vaters prangte. Wo war die Gerechtigkeit der Marine, als sie aus Angst vor einer einzigen Frau, die Bewohner einer ganzen Insel abschlachteten? Oder wo war die verdammte Gerechtigkeit, wenn das legendäre Manöver eines Buster Calls zum Einsatz kam?
 

Sie verabscheute all das und doch war die Marine das, was sie jahrelang ihr zu Hause nannte. Es war ihr nicht möglich, es einfach so abzuschreiben und die Insel zu verlassen. Wo sollte sie auch hin? Zu den Whitebeards? Wohl kaum. Am Hafen angekommen, verabschiedete sie sich nur notdürftig von ihrem Vater. Seufzend begab sie sich gleich in ihre Kajüte. Dort schmiss sie sich ins Bett und vergrub ihr Gesicht in das Kissen.
 

Sofort tauchte Ace vor ihr auf. Es war schwer seinen Anblick zu ertragen und dabei stumm zu bleiben. Sie wollte ihm so viele Dinge sagen. Hinzu kam die geplante öffentliche Hinrichtung. Allein bei dem Gedanken daran, geriet sie in Panik. Er durfte nicht sterben. Auf keinen Fall, doch was sollte sie dagegen tun? Ihn da rauszuholen war unmöglich. Nikira ballte ihre Hände zu Fäusten und schlug frustriert auf ihr Kissen. Es musste doch irgendetwas geben, dass ihn da rausholte. Es muss einfach!

Sie verharrte einen Moment in dieser Position und richtete sich erst nach einiger Zeit auf. Verzweifelt starrte sie auf das Muster ihrer Bettwäsche. Keine Ahnung wie lange sie in dieser Position verweilte und all die möglichen Szenarien durch ihren Kopf schossen, aber irgendwann fasste sie einen Entschluss.
 

~
 

Vier Tage waren nach dem Besuch mit ihrem Vater in Impel Down vergangen. Nikira war auf den Weg zum Gefängnis des Marinehauptquartiers, in welches Ace verlegt worden war. Ihre Miene war ausdruckslos, als sie mit großen Schritten ihr Ziel anstrebte. Jeder der ihr entgegen kam, hielt großen Abstand zu ihr und fing prompt an zu tuscheln, wenn sie annähernd außer Reichweite war. Es war ihr egal, dass sie über sie redeten. Sie hatte andere Sorgen und die galten ganz alleine Ace.

Die Rothaarige hatte keine Ahnung, ob es ihr gelang, zu ihm zu kommen, aber sie musste es versuchen. Sie hatte bereits Tage darauf gewartet, dass er hierher verlegt wurde, denn hier war es ihr möglich zu den Gefangenen zu gelangen. Es war die letzte Chance, denn die Exekution würde bereits in weniger als zwölf Stunden stattfinden.
 

Mit dem typischen Marineumhang begab sie sich zu dem Abteil, in dem sich das Gefängnis befand. Von Weitem sah sie bereits die zwei Männer, die als Wachen fungierten. Bis hierhin war es einfach. Jetzt kam der heikle Part. Sie holte tief Luft und bemühte sich um ein unnahbares Auftreten. Ein beinahe bösartiges Grinsen zierte ihr Gesicht. Es fiel ihr leichter, als gedacht.

„Hallo, Jungs“, raunte sie und strich sich eine Haarsträhne nach hinten.
 

Die beiden sahen perplex aus, als die 18-Jährige vor ihnen zum Stehen kam. Sie trug eine dunkelblaue, kurze Shorts und ein weißes, enges T-Shirt. Um ihren Hals hing locker die typische blaue Schleife und umschmeichelte ihr Dekolleté. Die zwei Wachen wurden etwas rot um die Nase, als sie die Admiralstochter betrachteten. „N-Nikira! Was machst du denn hier?“, stammelte der eine und räusperte sich peinlich berührt, als er sein Starren bemerkte.
 

„Na, was wohl? Ich wollte unserem Gefangenen einen kleinen Besuch abstatten.“ Sie lächelte eisig und mimte weiter die hartherzige Soldatin.
 

Der andere Wachmann schüttelte nach einem kurzen Zögern den Kopf. „Tut mir leid, aber wir haben die strickte Aufforderung, keinen zu ihm zu lassen.“
 

Ruckartig fiel ihr Blick auf den, der gesprochen hatte. Sie kniff ihre Augen zusammen, woraufhin der Mann erschrocken zusammenzuckte. „Tatsächlich? Wer sagt das? Sengoku?“
 

Eilig nickte er. „J-Ja. Direkter Befehl vom Großadmiral.“
 

Nikira machte ein paar Schritte nach vorne und blieb nahe der beiden Soldaten stehen. Sie verschränkte die Arme vor ihrer Brust und bemerkte abfällig, wie deren Augen etwas nach unten wanderten. Die Rothaarige schnaubt und legte den Kopf in den Nacken. Sie waren um einiges größer als sie, aber Respekt hatte sie deshalb noch lange keinen vor ihnen. „Sengoku also“, murmelte sie leise und fing an zu grinsen. „Sagt mal, Jungs. Wie sehr verabscheut ihr Piraten?“ Neugierig betrachtete sie die beiden und merkte zufrieden, wie sich deren Gesichter verdüsterten.
 

„Was glaubst du denn? Wir hassen dieses Pack wie die Pest. Sie sind es nicht würdig zu leben.“
 

„Genau! Jeder einzelne gehört abgeschlachtet.“ Die zwei waren sich anscheinend einer Meinung, aber etwas anderes hatte sie auch nicht erwartet.
 

Nikira zückte ihr kleines Messer, welches sie an ihrem Oberschenkel befestigt hatte und fuhr mit ihrer Fingerspitze über die scharfe Klinge. „Schön. Ich sehe das auch so und deshalb will ich mir vor der Exekution noch ein wenig Spaß erlauben. Versteht ihr?“ Sie grinste kalt.
 

Der eine erwiderte es und meinte: „Klar verstehen wir das.“
 

Bei dem Rechten bildete sich ein nachdenkliches Stirnrunzeln. „Hast du denn auch einen Schlüssel für die Zelle?“
 

Die 18-Jährige vermied ein genervtes Seufzen. „Natürlich.“ Sie griff in ihre Manteltasche und fischte etwas hervor. Ungeduldig hielt sie ihnen das Teil vor die Gesichter. Dass es nur der Schlüssel für die Speisekammer war, mussten sie nicht wissen.

Das schien sie zum Glück zu überzeugen. „Na dann, viel Spaß bei dem, was du vorhast.“ Sie grinsten und traten beiseite.
 

„Den werde ich haben.“ Nikira ging an ihnen vorbei und kaum war die Tür hinter ihr zu, seufzte sie erleichtert aus. „Das war ganz schön riskant“, murmelte sie. Ihr Plan hätte verdammt schiefgehen können. Nur gut, dass es sich bei den Wachen um solche Idioten gehandelt hatte. „Ziemlich dumm von dir, Sengoku.“
 

Sie fasste sich und straffte die Schultern. Zielsicher ging sie die Treppen hinab. Hier sah es aus wie in einem schlichten und kleinen Gefängnis. Der einzige Unterschied war jedoch, dass selbst die Wände zu einem Teil aus Seestein bestanden. Teufelskraftnutzer wurden dadurch enorm geschwächt. Unten angekommen, wanderte ihr Blick von einer Zelle zur nächsten. Erst, als sie auf die letzte zusteuerte, verlangsamten sich ihre Schritte. Beinahe zaghaft ging sie auf die Gitterstäbe zu.
 

„Ace?“

From Soldier To Pirate

„Ace?“
 

Ihr Körper spannte sich an, als sie das Rasseln der Ketten vernahm und Ace‘ Kopf sich langsam hob. Wie auch vor ein paar Tagen setzte ihr der Anblick sehr zu und sie fühlte sich fürchterlich, denn sie konnte einfach nichts gegen seine Lage tun. Tatenlos musste sie dabei zusehen, wie er litt.
 

Während sich Nikira schwer tat, ihn anzusehen, ließ der Pirat sein Blick bedächtig über ihre Erscheinung wandern. „Schickes Outfit, Marinesoldatin“, waren seine leisen und emotionslosen Worte.
 

Die Rothaarige presste bei seiner Reaktion die Lippen aufeinander. Nahezu verärgert zog sie ihren Umhang aus und schmiss ihn achtlos auf die Seite. Sie hasste dieses Teil und trug es nur, damit sie hierherkommen konnte. Die junge Frau holte tief Luft und haderte mit sich selbst. Eigentlich hatte sie sich all ihre Worte genauestens zurechtgelegt, aber gerade wollte kein einziger Laut über ihre Lippen kommen. Seinen Namen hatte sie gerade so herausgebracht, aber als sie ihn gesehen hatte, hatte sich nur ein dicker Kloß in ihrem Hals gebildet.
 

Das unangenehme Gefühl in ihrem Inneren wurde nicht besser, als Ace plötzlich meinte: „Ich habe gehofft, dass Marco nur einen verdammt schlechten Witz gemacht hat.“
 

Seine Stimme klang bitter und führte dazu, dass Nikira zusammenzuckte. „Du...hast also mit Marco gesprochen?“ Eigentlich hätte sie damit rechnen müssen, dass der Vize mit ihm per Teleschnecke Kontakt aufnimmt. Ihr Gespräch mit dem Kaiser war immerhin nichts, was der Phönix seinem besten Freund vorenthalten würde. Vermutlich war es für ihn auch noch eine Genugtuung, als er es Ace mitteilen konnte.
 

„Ich bin so unglaublich wütend“, fing er gepresst an und ignorierte ihre rhetorische Frage einfach. „Nicht nur auf diesen Mistkerl Blackbeard, sondern auch auf dich.“
 

Nikira hatte geahnt, dass er so empfinden würde. Sie würde genauso reagieren und doch konnte sie es nicht einfach so hinnehmen, weshalb sie ein schwaches „Es tut mir leid“ herausbrachte. Er würde ihre Entschuldigung nicht annehmen, aber es war das einzige, was sie ihm bieten konnte.
 

Der Pirat schnaubte, wie erwartet, abfällig. „Klar. Und das soll ich dir glauben? Ernsthaft. Für wie blöd hältst du mich eigentlich?“
 

Sie biss sich bei seiner verächtlichen Aussage auf die Lippen. Auch wenn er allen Grund dazu hatte, ihr nicht zu glauben, so tat es dennoch weh und machte sie auf gewisse Weise wütend. Sie ging näher auf die Gitterstäbe zu. „Ehrlich gesagt, halte ich dich für verdammt bescheuert. Wie dumm muss man sein, um allein gegen Blackbeard zu kämpfen?“
 

Ace war zuerst überrascht, wandte aber schließlich seinen Blick ab. „Was kümmert es dich? Sei doch lieber froh, dass ich es getan habe und nun hier bin. Darauf hast du doch die ganze Zeit gewartet.“
 

Kaum hatte er das gesagt, bohrten sich viele Nadeln in ihr kleines Herz und die Wut verblasste. „Das stimmt nicht. Das habe ich nicht.“ Sie schlang ihre Arme um ihren Oberkörper. Fast so, als könnte sie sich dadurch selbst schützen.
 

„Ach ja? Dann sag mir eins: Warum hast du uns alle belogen?“ Seine Augen funkelten sie an. Er war wütend. Einfach nur wütend und sonst nichts.
 

Nikira holte tief Luft. „Ich habe euch nicht belogen. Nicht richtig.“ Reue schwang in ihrer Stimme mit. Etwas zu verschweigen war doch nicht dasselbe wie lügen, oder?
 

Der Pirat sah das allerdings anders. „Was heißt nicht richtig? Du hast so getan, als würden wir dir etwas bedeuten und dabei hast du verschwiegen, dass du zur Marine gehörst“, zischte er.
 

Bei seinen Worten zuckte sie abermals kurz zusammen, fasste sich aber schnell wieder. „Ihr habt mir etwas bedeutet. Das tut ihr noch immer.“ Eindringlich sah sie ihn an und seufzte. „Was ich getan habe, war falsch, aber damals hatte ich absolut keine Ahnung von der Welt außerhalb des Marinehauptquartiers. Ich habe meinem Vater jedes einzelne Wort geglaubt, weil ich seit meiner Kindheit nichts anderes kannte.“ Es klang wie eine billige Ausrede, aber das war es nicht. Ganz und gar nicht.
 

Ace lachte freudlos auf. „Das ist deine Entschuldigung? Du hattest keine eigene Meinung und bist blind den Ansichten der Weltregierung gefolgt? Toll. Wirklich toll.“ Er war kaum zu überhören, dass er sich über sie lustig machte. Auch wenn sie jedes einzelne Wort und jeden einzelnen Blick verdiente, verletzten seine Vorwürfe sie. „Das ist nicht fair, Ace“, flüsterte sie deshalb brüchig.
 

Der Pirat warf ihr einen bitteren Blick zu. „Weißt du, was nicht fair ist? Dass ich geglaubt habe, dass du das alles ernst meintest. Von deinem Lachen, bis hin zu dem...Kuss. Dabei entsprach einfach nichts der Wahrheit.“
 

Sie wusste nicht, wo sie hinsehen sollte, denn egal, wie sie sich entschied, sie sah immer seinen verächtlichen Blick. Deswegen nahm sie den direkten Weg und richtete ihre Augen auf ihn. „Ich habe alles ernst gemeint. Alles, außer den Grund, weshalb ich auf der Moby Dick aufgetaucht bin.“
 

Der Schwarzhaarige ließ die angespannten Schultern sinken, woraufhin die Ketten rasselten. „Ich kann dir das einfach nicht glauben“, meinte er tonlos.
 

Nikira richtete ihr Augenmerk auf eine Pfütze vor ihr auf dem Boden. „Mir ist bewusst, dass du mir nicht vergeben wirst. Ich habe es zwar gehofft, aber nicht erwartet.“ Sie hielt kurz inne und hob wieder den Kopf. „Dieses besondere Herzklopfen. Ich spüre es selbst dann, wenn ich nur an dich denke und ich glaube, es wird nicht besser. Ich...Ich mag dich verdammt gerne, Ace. Dich hier zu sehen und nichts dagegen tun zu können, bringt mich fast um. Dabei ist es egal, ob du mich hasst.“ Sie schluckte den Kloß in ihrem Hals hinunter und versuchte seinem Blick standzuhalten. Vielleicht war es doch keine gute Idee gewesen, hierherzukommen. „Ich...sollte jetzt wieder gehen“, murmelte sie deshalb und wandte sich ab.
 

„Unser Leben wird nicht nur von unseren Vorfahren bestimmt, denn wir selbst sind dafür verantwortlich“, wiederholte er plötzlich nahezu identisch ihre Aussage von damals. „Das waren doch deine Worte, oder? Wieso hältst du dich nicht selbst daran?“
 

Sie hielt inne und murmelte: „Das ist in meinem Fall nicht so einfach.“
 

Ace schnaubte leise. „Ich bitte dich. Als wäre dein Leben so kompliziert.“
 

Nikira verkrampfte sich. Ihre gesamte Haltung wirkte angespannt. „Es ist alles andere als einfach, Ace. Aber das versteht jemand wie du nicht.“
 

„Ach ja? So schwer ist es nicht. Du lebst hier dein behütetes Leben, lässt dich vermutlich von den anderen Marineidioten feiern und genießt auch noch das Ansehen, weil dein Vater ein verdammter Admiral ist. Was ist daran also nicht einfach?“
 

Das hätte er nicht sagen sollen.
 

„Du willst wirklich wissen, was nicht einfach ist? Schön!“, zischte sie energisch und wirbelte herum. Sie hatte eine kalte Maske aufgelegt und ihre nächsten Worte klangen alles andere als beherrscht: „Es ist nicht einfach, dass mein Vater mich immer für den Tod meiner Mutter verantwortlich macht und mich deshalb verachtet. Es ist nicht einfach, dass er mich schlägt und beinahe umbringt, weil ich nicht das sage oder tue, was er will. Es ist nicht einfach, dass ich statt Anerkennung extra Training erhalte, weil ich nicht gut genug für ihn bin und es ist nicht einfach, dass mich hier jeder hasst, weil sie glauben, ich erhalte Sonderprivilegien. Mein Leben ist vieles, aber nicht einfach.“ Angestrengt hob und senkte sich ihr Brustkorb rasch. Beinahe kraftlos ließ sie ihre Schultern fallen. Ihr Inneres glich einer einzigen Achterbahn der Gefühle. Schuld, Angst, Verzweiflung und Wut waren nur ein Bruchteil dessen, was sie fühlte. „Ich hatte...habe nichts, okay? Du hingegen hast so viel mehr als du glaubst. Sabo, Ruffy, Whitebeard und die Crew. Sie stehen allesamt hinter dir. Ich...Ich würde alles dafür geben, um so eine Familie zu haben.“
 

Es war ihr schon länger klar, dass sie ihn für sein Umfeld beneidete. Diese Vertrautheit und Verbundenheit, die auf der Moby Dick herrschten, war das, was sie sich seit Jahren über alles wünschte. Lange wollte sie das nicht einsehen, aber dank den Piraten und vor allem dank Ace wurde ihr das nach und nach schmerzhaft bewusst. Sie wollte nicht so jemanden wie ihren Vater, sie wollte Whitebeard mit seiner gesamten, durchgeknallten Crew.
 

Nikira beobachtete Ace‘ Reaktion, obwohl es ihr mittlerweile auch egal war. Machte es einen Unterschied, ob er nun ein Fünkchen Mitleid mit ihr hatte oder ob er sie noch immer verachtete? Nicht wirklich. Sie fühlte sich innerlich so leer und gleichzeitig machte sie der Gedanke an die Exekution verrückt. Wie sollte sie damit umgehen? Sie konnte sich damit abfinden, dass sie ihr restliches Leben hier verbringen musste, aber nicht, dass Ace sterben sollte. Das war unmöglich.
 

Der Pirat hatte indes den Blick abgewandt und eine unergründliche Miene aufgelegt. Nikira wusste nicht, ob er ihr das auch nicht glaubte. Vielleicht wollte er nicht wahrhaben, dass ihr Leben alles andere als unbeschwert war, oder vielleicht realisierte er, dass sie recht hatte.
 

„Du musst nicht hierbleiben“, meinte er plötzlich leise und überraschte sie ein wenig.Sie fing an, auf ihrer Unterlippe herumzukauen. Dieser Gedanke war ihr auch schon gekommen. Deshalb antwortet sie: „Ich weiß, aber für immer alleine auf dem Meer herumzusegeln, stell ich mir ziemlich einsam vor.“
 

„Einsamer, als hier von jedem gehasst zu werden?“ Fest richteten sich seine Augen wieder auf die junge Frau.
 

„Nein, vermutlich nicht.“ Ihre Worte waren nur ein leises Murmeln. Er hatte recht, aber ein paar Personen gab es im Hauptquartier, die ihr Leben halbwegs erträglich machten. Reichten diese aus, um hier nicht verrückt zu werden?
 

Kurz herrschte Stille zwischen den beiden, ehe Ace sagte: „Egal was in ein paar Stunden passiert, du solltest dich für eine Seite entscheiden.“ Mittlerweile waren die pure Verachtung und die enorme Wut aus seiner Stimme verschwunden. Jetzt klang sie kraftlos.
 

„Das...werde ich“, antwortete sie leise und musterte den Piraten. Er wirkte auf sie, als hätte er aufgegeben. Als hätte ihn nur die Wut aufrechterhalten. Der Anblick tat ihr weh, denn er war stets ein Kämpfer, dessen Stärke sie immer bewundert hatte. Trotz seines Hasses auf seinen Vater versuchte er in Freiheit zu leben. Von diesem Ace schien nicht mehr viel übrig zu sein und dabei war es dieser Ace, dem sie so viel zu verdanken hatte. Langsam ging sie auf die Zelle zu. „Sie werden kommen und dich retten. Da bin ich mir sicher, nur...gib nicht auf.“ Eindringlich sah sie ihn an, doch als er nichts mehr sagte, seufzte sie schwer. Das Gespräch war ein Auf und Ab. So, wie sie es erwartet hatte und dennoch war es an dieser Stelle zu Ende. Bevor sie gehen konnte, musste sie allerdings noch etwas erledigen. Sie nahm sich ihr kleines Messer, welches sie an ihrem Oberschenkel befestigt hatte und streckte ihren Arm aus. Konzentriert setzte sie die Klinge auf ihre Haut und zog mit leichtem Druck schräg über ihren Unterarm. Sie verzog dabei kaum das Gesicht.
 

„Was tust du da?“, fragte Ace plötzlich verwirrt, als sie einen weiteren Schnitt machte.
 

„Glaubst du wirklich, dass sie mich einfach so mit dir reden lassen?“ Sie warf ihm einen schnellen Blick zu. Mittlerweile hatten sie ihre Emotionen wieder im Griff, denn ihre gesamte Konzentration lag auf dem kleinen Messer.
 

„Ergibt Sinn“, murmelte der Pirat mehr zu sich selbst.
 

Nikira zog indes ihr Messer zum dritten und letzten Mal über ihre Haut. Das Blut ran ihren Arm entlang und tropfte auf den Boden. Die offenen Wunden brannten, aber sie hatte schon Schlimmeres erlebt. Abwesend fuhr sie mit ihrer Handfläche über die rote Spur. Anschließend steckte sie ihr Messer zurück und nahm sich ihr blaues Band vom Hals. Dieses wickelte sie sich um die drei Schnitte. Das Stück Stoff würde man unter ihrem Umhang nicht sehen und würde zusätzlich einen stärkeren Blutfluss verhindern.
 

„Bevor ich gehe, wollte ich mich noch bei dir bedanken.“ Sie sah ihn nicht an, sondern versuchte das Band festzuziehen. Nicht einfach, wenn man nur eine Hand dafür hatte.
 

„Wofür?“, fragte er konfus und hustete aufgrund der Kälte und der Dehydrierung.
 

Die 18-Jährige griff nach ihrem Umhang und legte ihn sich über die Schultern. „Einfach für alles, was du für mich getan hast.“ Zum ersten Mal, seit sie hier vor der Zelle stand, lächelte sie. „Du warst so nett zu mir, obwohl du mich nicht kanntest und ich alles andere als umgänglich war. Du hast mich wie jemanden behandelt, der zur Familie gehört und das war das Schönste, was mir seit Langem passiert ist. Ich werde das nie vergessen. Dich und auch nicht...den Kuss.“ Bei der Erinnerung daran wurde ihr warm und trotz der aussichtslosen Lage durchströmte sie ein Gefühl des Glücks.
 

Ace‘ Miene fiel bei ihren Worten in sich zusammen. Zaghaft fing er an: „Nikira, ich -“ „Schon gut“, unterbrach sie ihn eilig, aber keinesfalls unwirsch. „Ich kann mir vorstellen, dass du es bereust, aber ich tu es nicht. Im Gegenteil.“ Sie holte tief Luft und stieß sie angestrengt wieder aus. „Ich sollte jetzt wirklich gehen.“ Sie sagte es mehr zu sich selbst und wandte sich anschließend zum letzten Mal an den Piraten. Eine grimmige Miene war auf ihrem Gesicht aufgetaucht. „Ich schätze, wir sehen uns dann in ein paar Stunden.“
 

Noch bevor er etwas erwidern konnte, machte sie kehrt und ging den Weg zurück, den sie gekommen war. Sie musste schnell hier raus, denn auch wenn sie am Ende gewirkt hatte, als wäre sie total gefasst, sah es in ihrem Inneren anders aus. Ständig hatte sie an seine bevorstehende Exekution gedacht und tat es jetzt auch noch. Sie wollte fest daran glauben, dass ein Wunder den Plan der Marine vereitelte. Dass Whitebeard und die anderen es tatsächlich schaffen würden, Ace zu retten. Das Problem an der Sache war, dass Nikira nicht an Wunder glaubte.
 

Noch einmal sah sie zu den Zellen, ehe sie die Treppen wieder nach oben ging und das Gefängnis verließ. Die beiden Wachen warfen ihr neugierige Blicke zu, denn das blutverschmierte Top war ihnen sofort aufgefallen. Die Rothaarige schenkte ihnen jedoch keine Beachtung. Zu sehr war sie in ihre Gedanken vertieft, die sich wie so oft um den schwarzhaarigen Piraten drehten.
 

Wie lange würde es dauern, bis sie über seinen Tod hinwegkam? Wochen, Monate, Jahre? Sie wollte es nicht herausfinden und doch standen die Chancen gering, dass er aus dieser perfiden Lage entkam. Und was würde sie morgen tun? Auf der Seite der Marine stehen? Sie wusste es nicht. Erschöpft fuhr sie sich über das Gesicht und begab sich in ihr Zimmer. Dort wechselte sie einmal das blaue Band zu einem normalen Verband. Wie mechanisch zog sie sich danach andere Kleidung an, putzte sich die Zähne und legte sich ins Bett. Auf der Seite liegend, zog sie ihre Knie bis zur Brust und starrte in die Dunkelheit. Noch bevor sie es versuchte, wusste sie, dass sie nicht gut schlafen würde. Die aussichtslose Lage in der sie sich befand, bereitete ihr Kopfschmerzen. Nicht nur das. Auch, dass Ace...nein! Daran wollte sie einfach nicht mehr denken!
 

Verbissen presste sie ihre Lider zusammen und drückte ihr Gesicht in das Kissen. Es war keine gute Idee, denn prompt tauchten Bilder vor ihr auf, die sie um jeden Preis vermeiden wollte. Gereizt drehte sie sich auf den Rücken und öffnete wieder ihre Augen. Dieser Drang, sich ständig bewegen zu müssen, spiegelte ihre innere Unruhe wider. Ihre Gedanken waren ein einziges Chaos. Dabei spielte Ace eine wesentliche Rolle, aber auch ihre eigene Zukunft, die so ungewiss vor ihr lag.
 

Ihr Herz und ihr Verstand waren sich nicht einig und diese Auseinandersetzung raubte ihr den kostbaren Schlaf. Sie wusste, dass sie bereits in ein paar Stunden am Hafen sein musste. Ausgeschlafen und bereit, um eventuellen Problemen entgegenzutreten. Für die Marine war es von äußerster Wichtigkeit, dass die Hinrichtung reibungslos ablief. Nicht umsonst übertrug man sie in die ganze Welt. Natürlich rechnete man dabei mit den Whitebeard-Piraten. Dafür kannten Kranich, Garp und viele andere Edward Newgate zu gut. Der Kaiser würde nie eines seiner Kinder kampflos der Marine überlassen.
 

Nikira wusste dennoch nicht, was morgen auf sie zukommen würde. Sie war viele mögliche Szenarien durchgegangen, aber vermutlich würde dann alles anders kommen, als gedacht. Die Angst darüber war kaum zu bändigen und sie hielt diese Spannung nicht aus. Es war belastend für die 18-Jährige und sie konnte nur mit Mühe die Tränen unterdrücken, die sich bemerkbar machten. Wieder einmal wurde ihr alles zu viel und wieder einmal wurde ihr bewusst, dass sie niemanden hatte, der ihr zur Seite stand. Seit langem wünschte sie sich ihre Mutter zurück. Sie sollte ihr sagen, dass alles wieder gut werden würde und dass sie nicht alleine war. Doch das war nur ein kindisches Wunschdenken von ihr, welches sie schnell abschüttelte.
 

Die Rothaarige atmete zittrig ein und drehte sich abermals auf die Seite. Sie schloss erneut die Augen, versuchte sich aber ausschließlich auf schöne Erinnerungen zu konzentrieren. Das erste, an das sie dachte, war der Kuss. Der Kuss und all die unglaublichen Gefühle, die mit ihm einhergegangen waren. Sie erinnerte sich an seine Berührungen und seinen Geruch. Sie erinnerte sich an das Kribbeln und an das schnelle Schlagen ihres Herzens. Sie erinnerte sich an alles, als wäre es gerade eben passiert. Glück und Ruhe durchströmten sie und ohne es richtig wahrzunehmen, fiel sie langsam in einen leichten Schlaf.
 

Natürlich hielt er nicht lange an und schlussendlich schlief sie nicht mehr als drei Stunden. Immer wieder war sie aufgewacht und hatte einige Minuten gebraucht, bis sie sich wieder beruhigt hatte, denn Träume waren tückisch. Vor allem, wenn sie sich unheimlich real anfühlten. So wie ihr letzter, in dem sie den metallischen Geruch des Blutes förmlich riechen konnte. Schweißgebadet hatte sie sich aufgesetzt und sich panisch versichern müssen, dass ihr Kopf ihr nur einen kranken Streich gespielt hatte. Das war früh am Morgen gewesen und sie hatte beschlossen, dass es ihr letzter Albtraum für heute sein sollte.
 

Dementsprechend war sie verdammt müde, doch während dem Frühstück ließ sie sich nichts anmerken. Nikira hatte in den letzten Stunden vehement versucht, nicht an die Exekution zu denken. Es war schwierig, denn im Hauptquartier gab es kein anderes Thema unter den Soldaten. Überall wurde sie daran erinnert und vor allem bei dem quirligen Kito war sie kurz davor gewesen, auszurasten. Vor allem missfiel es ihr aber, dass man sich an jeder Ecke über die Hinrichtung freute. Jeder Soldat prahlte damit, wie toll die Marine doch war und dass selbst ein Kommandant Whitebeards nicht sicher vor der Gerechtigkeit war. Das Gerede kotzte sie einfach nur an.
 

Es war auch der Grund, weshalb sie nach einem kurzen Gespräch mit Kranich über die Aufstellung für später sofort zu ihrem Zimmer gegangen war. Eilig schlug sie ihre Zimmertür zu und lehnte sich dagegen. Sie ließ ihre Schultern sinken und all die unterdrückte Wut krachte auf sie nieder. Fest presste sie ihre Kiefer aufeinander und vergrub ihre Fingernägel in die Handflächen. Auch ihre Atmung ging unkontrolliert.
 

Aufgebracht machte sie einen großen Schritt auf ihren Schreibtisch zu. Sie überlegte nicht lange, griff nach einer unnötigen Vase und schmiss sie gegen die Wand über ihrem Bett. Das hellblaue Porzellan zersprang in viele Einzelteile und landete mitsamt dem Wasser und den Blumen auf ihrer Bettdecke. Ihr Brustkorb hob und senkte sich schnell, als sie das Chaos betrachtete. Bei dem Anblick fühlte sie pure Gleichgültigkeit, aber die Wut war noch immer viel zu präsent.
 

Für einen Moment schloss sie die Augen und als sie diese wieder öffnete, ließ sie plötzlich ihre Schultern sinken. Langsam setzte sich auf den Bettrand, stützte sich mit ihren Ellbogen auf den Knien ab und vergrub ihre Finger in ihren Haaren. Sie verharrte in dieser Haltung. Minutenlang starrte sie einfach nur auf den Boden, sorgte dafür, dass ihre Gedanken wild umher flogen. Es kümmerte sie im Moment nicht. Im Gegenteil. Sie ließ es einfach zu, auch wenn sie dadurch beinahe verrückt wurde. In weniger als einer Stunde würde sie bei den Admirälen stehen und den Soldaten dabei zusehen, wie sie das Geschehen feierten. Wie Sengoku zufrieden und angespannt zugleich sein würde und wie Ace auf dem Schafott auf seine Hinrichtung warten würde. All das stand ihr bevor und doch war sie nicht bereit dafür.
 

Erst nach zehn Minuten kam Bewegung in die 18-Jährige. Teilnahmslos wechselte sie ihre Kleidung. Es sollte bequem sein und sie nicht beim Kämpfen einschränken. Im Grunde sah sie nicht viel anders aus, als sonst. Ihr weißes, enges Top hatte sie in ihre schwarzen Shorts gesteckt. Darüber trug sie eine ebenso schwarze Lederjacke, die unterhalb ihrer Brust endete. Geübt brachte sie das kleine Messer an ihrem Oberschenkel und ihr Schwert an ihrem Gürtel an. Anschließend schlüpfte sie in ihre Boots. Etwas Entscheidendes fehlte jedoch noch. Mit einer grimmigen Miene griff sie nach dem weißen Mantel, der am Kleiderhaken hing. Sie betrachtete ihn nicht länger, sondern legte ihn um ihre Schultern.
 

Sie wusste nicht, ob alles gut gehen würde. Sie wusste nicht, ob sie jemals wieder so glücklich sein würde wie auf der Moby Dick. Sie wusste auch nicht, wie die restlichen Whitebeard-Piraten auf sie reagieren würden.
 

Zwischen all den unklaren Dingen in ihrem Leben gab es aber eine Sache, in der sie sich absolut sicher war. Sie wusste genau, auf welcher Seite sie stand und diese Entscheidung war endgültig.

This Is War - Betrayal

Tausende Soldaten waren bereits auf dem Hauptplatz versammelt, als Nikira teilnahmslos über den gepflasterten Boden schritt. Kaum jemand nahm Notiz von ihr. Durch das bevorstehende Ereignis war sie nicht mehr Lieblingsthema der Marinemitglieder. Es war wohl das einzig Positive an der gesamten Situation.
 

Um eine ausdruckslose Miene bemüht, stieg sie die steinernen Treppen nach oben. Ihr Ziel war der Bereich vor dem Schafott, auf dem die Admiräle Platz genommen hatten. Sie bildeten eine undurchdringbare Mauer und würden nur eingreifen, wenn nötig. Nikiras Position hatte niemand festgelegt, aber sie wusste, wo man sie erwartete. Mit gemischten Gefühlen betrat sie die Fläche und kam neben Kizaru zum Stehen. Sie verschränkte die Arme und betrachtete eine Weile die unzähligen Männer und Frauen, die nur darauf warteten, dass etwas passierte.
 

„Oh, wir haben uns schon gefragt, wann du uns mit deiner Anwesenheit beehrst, Rotschopf.“
 

Nikira verzog bei Borsalinos Aussage kaum merklich das Gesicht, fing sich aber schnell wieder. Ohne ihn anzusehen, meinte sie: „Hast du geglaubt, dass ich hierbei zu spät komme?“
 

„Hm, ich glaube, dass Akainu dir beigebracht hat, pünktlich zu sein.“ Er klang belustigt, als er diese Anspielung machte. Die Rothaarige schnaubte abfällig. Natürlich amüsierte es ihn noch immer, dass ihr Vater sie damals für das Zuspätkommen bestraft hatte.
 

„Vielleicht hätte er es dir auch beibringen sollen, Kizaru“, antwortete sie spöttisch und erinnerte ihn damit daran, dass er bei diversen Treffen immer der Letzte war.
 

„Ganz schön vorlaut, hm?“ Trotz der höhnischen Stimmlage wusste sie, dass sie ihn verärgert hatte. Deshalb erwiderte sie nichts und sah stattdessen auf die Samurai der Meere, die mehr oder weniger geduldig auf den Beginn der Exekution warteten.
 

„Nikira“, ertönte plötzlich die herrische Stimme ihres Vaters und verursachte bei ihr einen unangenehmen Schauer. Ihr Puls erhöhte sich und es war schwer, ihren stoischen Ausdruck beizubehalten. Beinahe hätte sie vergessen, wie viel Einfluss er noch immer auf sie hatte. Dennoch setzte sie ihren Körper in Bewegung und kam mit schweren Schritten vor ihm zum Stehen. Nachgiebig ging sie in die Knie und senkte ihren Kopf. Grimmig starrte sie auf den Boden und biss so fest auf ihre Unterlippe, dass sie den metallischen Geschmack von Blut in ihrem Mund wahrnahm. Es fühlte sich so unheimlich falsch an, vor ihm auf die Knie zu gehen, aber ihr blieb derzeit nichts anderes übrig.
 

Sie schluckte ihren Stolz hinunter. „Vater.“ Ihre Worte klangen merkwürdig fremd in ihren Ohren. Fremd und mechanisch. Kaum hatte sie geantwortet, vernahm sie das belustige Lachen von Kizaru. Gott! Wie sie diesen Idioten hasste!
 

„Du wirst erst eingreifen, wenn ich dir den Befehl gebe. Verstanden?“, meinte der rote Hund nahezu gelangweilt.
 

Langsam nickte sie. Damit hatte sie gerechnet. Ohne seine Zustimmung war ihr noch nie etwas erlaubt gewesen und das würde sich auch nie ändern. Deshalb hatte sie sich für diese eine Seite entschieden.
 

„Gut. Erhebe dich, denn die Exekution wird jeden Moment beginnen.“ Ein zufriedenes Lächeln hatte sich auf sein Gesicht geschlichen und Nikira konnte nicht verhindern, dass sich bei dem Anblick eine Gänsehaut bildete. Es machte ihr Angst. Angespannt richtete sie sich auf und drehte ihm den Rücken zu, damit er nicht ihren sorgenvollen Gesichtsausdruck sah. Die Uhr tickte und sie konnte nur tatenlos dabei zusehen, wie die Zeit ablief. Noch, denn sie wartete auf den richtigen Moment.
 

Die Rothaarige wurde aus ihren Gedanken gerissen, als es plötzlich lauter wurde. Alle Soldaten hatten sich in Richtung Schafott gedreht. Ihr war sofort klar, weshalb, und dennoch reagierte sie nicht darauf, sondern starrte vehement auf einen Punkt weit hinten am Horizont. Der Lärm wurde zu einem leisen Rauschen und es war, als wäre sie weit weg. Wie sehr sie sich doch wünschte, dass sie es tatsächlich wäre. Weit weg von diesem Ort. Weit weg von ihrem Vater und der Marine.
 

Nikira holte tief Luft und landete prompt wieder in der Realität. Unter den Marinemitgliedern herrschte Unruhe und als die Stimme von Sengoku ertönte, wusste sie auch warum.
 

„Männer! Es gibt etwas, das ihr nicht über Portgas D. Ace wisst.“ Die Worte hallten laut über den Platz und verursachten eine angespannte Atmosphäre. Auch die 18-Jährige lauschte dem Großadmiral, obwohl sie ahnte, was er verkünden wollte. Sie hatte ein ungutes Gefühl bei der Sache. Es würde sich für Ace anfühlen, wie ein Schlag ins Gesicht und unweigerlich fragte sie sich, ob das wirklich notwendig war.
 

Als wäre das nicht genug, verlangte Sengoku plötzlich von ihm, dass er den Namen seines Vaters nennen sollte. Nikira konnte nur mit Mühe ein verächtliches Schnauben zurückhalten. Es ärgerte sie, dass der Großadmiral den Piraten so zur Schau stellte. Konnte es nicht egal sein, welches Blut man in sich trug? Diese Ansicht war abscheulich. Selbst sie hatte dies nach all der Zeit endlich erkannt.
 

„Whitebeard ist mein einziger Vater“, zischte Ace wütend, woraufhin die Rothaarige mitfühlend den Kopf senkte. Sie konnte nur erahnen, wie er sich fühlen musste. Sein ganzes Leben hatte er seine Herkunft geleugnet und spätestens, als Sengoku die Geschichte über seine Geburt erzählte und den Namen seines Vaters verkündete, wusste jeder über die Wahrheit Bescheid.
 

Die Neuigkeit schlug ein wie eine Bombe. Nahezu jeder reagierte geschockt und das Gemurmel wurde lauter. Gespannt warteten sie auf weitere Offenbarungen durch Sengoku und die sollten kommen.
 

Die 18-Jährige bemühte sich, nicht zu sehr hinzuhören und doch war es unausweichlich, dass sie auch das nächste klar und deutlich vernahm. „Was?“, murmelte sie leise und überrascht. Whitebeards Ziel war es, Ace zum Piratenkönig zu machen? Woher wollte Sengoku das wissen? Irritiert drehte sie sich halb um und sah nach oben und anschließend zu ihrem Vater. Ob er auch davon gewusst hatte? Sie hatte nicht lange Zeit, um darüber nachzudenken, denn plötzlich ertönte ein lautes Krachen. Alarmiert richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf das große Tor, welches sich langsam öffnete. Wieso zum Teufel öffnete sich die Schleuse? „Unmöglich“, nuschelte sie verwirrt. Man konnte es nur vom Hauptquartier aus öffnen.
 

Unzählige Piratenschiffe wurden sichtbar und versetzten die Soldaten in Aufruhr. Auch Nikira fühlte die Anspannung, die immer größer wurde. Es wurde also ernst. Aus dem Augenwinkel sah sie ihren Vater, dessen anfängliche Zufriedenheit beinahe zur Gänze verschwunden war. Nicht wegen der Schiffe, die erschienen waren. Da musste noch etwas sein. Die Rothaarige aktivierte ihr Observationshaki und stockte, als sie auf eine gewaltige Präsenz stieß. Das hatte sie erst einmal gespürt. Nervös biss sie sich auf die Lippen und scannte den riesigen Platz nach Anzeichen der Aura ab. Erst ein lauter werdendes Rauschen richtete ihre Aufmerksamkeit auf das Wasser, auf dem sich nach und nach viele Luftbläschen bildeten. Plötzlich schoss ein gewaltiges Schiff nach oben, begleitet von drei kleineren. Es war sofort klar, um welches es sich handelte. Viele Marinemitglieder schrien entsetzt auf. Dabei war eines immer wieder zu hören. „D-Das ist die Moby Dick!“
 

Nikira hingegen tat sich schwer, ein Lächeln zu unterdrücken. Sie fühlte Erleichterung, auch wenn das Auftauchen der Whitebeards noch lange nicht Ace‘ Freiheit bedeutete. Dennoch war es ein großer Schritt in die richtige Richtung. Sie konnte es zwar nicht zeigen, aber sie war froh darüber, dass die Piraten aufgetaucht waren. Es war ein Lichtblick, dass der Schwarzhaarige es lebend hier herausschaffen konnte.
 

Die Rothaarige seufzte innerlich. Sie hoffte so sehr, dass all das ein gutes Ende nehmen würde. Dabei war es ihr egal, was aus ihr werden würde. Wichtig war nur Ace…
 

„Vater!“, rief dieser plötzlich und der Schock war deutlich aus seiner Stimme herauszuhören.
 

Whitebeard, der auf der Galionsfigur stand, grinste und richtete sein Wort an die Marine, oder besser gesagt an Sengoku persönlich. Immerhin hatte er das Sagen und war für den Zustand des Kommandanten verantwortlich. Trotz des gelassenen Auftretens des Kaisers fühlte Nikira deutlich die Gefahr und Stärke, die von ihm ausging. Dafür hätte sie nicht einmal ihr Haki einsetzen müssen.
 

Angespannt beobachtete Nikira, wie der alte Mann in die Knie ging und seine Arme überkreuzte. Sie hatte eine leise Vorahnung, was sein Vorhaben betraf und war damit nicht die einzige. Nur nebenbei nahm sie wahr, wie Aokiji sich regte. Ihr Augenmerk lag auf Edward Newgate, der sich plötzlich aufrichtete und mit seinen geballten Händen ausholte. Rissen tauchten in der Luft aus und versetzten die Soldaten in Panik. Mit einer gewissen Neugierde lauschte sie dem explosionsartigen Geräusch und sah auf die riesige Welle hinter den hohen Mauern. Sie hatte schon viel von seinen Kräften gehört, aber noch nie hatte sie die Kraft der Erdbebenfrucht gesehen.
 

Zu ihrer Verwunderung verschwand die Welle wieder, aber nach kurzer Überlegung wurde ihr klar, dass das nichts Gutes bedeutete. Jedoch hatte sie keine Gelegenheit, länger darüber nachzudenken, denn Ace richtete zum ersten Mal das Wort direkt an Whitebeard. Er reagierte auf das Erscheinen so, wie es sich die 18-Jährige gedacht hatte. Er gab sich selbst die Schuld an allem. Am liebsten wäre sie zu ihm gestürmt und hätte ihn zur Vernunft gebracht. Wie konnte er auch erwarten, dass seine Familie ihn vergaß? Es war ein Ding der Unmöglichkeit. Wenn das jemand wusste, dann war es sie.
 

Was sie doch überraschte, war die Reaktion seiner Crew. Jeder einzelne fing an, ihm gut zuzureden und wenn sie so überlegte, dann passte es zu dem verrückten Haufen. Schließlich waren sie eine Familie. Es rührte Nikira und sie musste bei dem Gedanken lächeln. Doch so schnell es gekommen war, war es wieder verschwunden. Ein Rumpeln war zu spüren. Die Rothaarige griff aus Reflex zu ihrem Schwert, auch wenn sie wusste, dass die Klinge nutzlos sein würde. Gespannt sah sie nach links und auch nach rechts. Eine gewaltige Wand aus Wasser hatte sich aufgebäumt und wartete nur darauf einzustürzen. Sie wandte sich zu Aokiji und hörte nur begrenzt das markante Lachen des Kaisers.
 

Der Admiral reagierte schnell. Er stand auf, sprang in die Luft und streckte die Arme aus. Seine besondere Kraft kam zum Einsatz, als er die zwei gigantischen Wellen einfach einfror. Auch die Bucht erstarrte zu Eis. Das war der Moment, in dem Bewegung in die Soldaten kam.
 

Nikira holte tief Luft, als die Kommandanten ebenfalls einschritten. Es hatte angefangen. Unzählige erbitterte Kämpfe brachen in einem rasenden Tempo los. Sie wusste nicht, wo sie hinsehen sollte. Wie in einem Film spielten sich unglaubliche Szenen vor ihr ab. Blutig und grausam. Sie wollte eingreifen, aber noch war der richtige Moment nicht gekommen. Stattdessen beobachtete sie, wie Mihawk Dulacre einen direkten Angriff auf Whitebeard wagte, wie ihr Vater einen riesigen Eisbrocken abwehrte, wie der Riese Oz nach vorne preschte und wie der verrückte Doflamingo ihm einen Fuß abschnitt. Angespannt erhaschte sie einen Blick auf ihren Vater, der noch immer ein paar Meter weiter neben ihr stand. Die Rothaarige umklammerte den Griff ihres Schwertes und nahm die amüsierten Worte des pinken Samurais nur nebenbei wahr.
 

Plötzlich erlangte etwas anderes ihre Aufmerksamkeit. Schreie. Andere, als die auf dem Schlachtfeld. Irritiert sah sie sich um und blieb bei schwarzen Punkten am Himmel hängen.
 

„Was zum…?“ Sie runzelte die Stirn, als der Punkt größer wurde, bis sie schließlich sah, was da auf sie zukam. War das ein verdammtes Schiff? Ihre Augen wurden größer und ihr Mund öffnete sich, doch kein Laut kam über ihre Lippen. Ein Schiff und mehrere Personen schossen auf Marineford zu und versetzten alle in Aufruhr. Wie in Zeitlupe konnte sie verfolgen, wie das riesige Gefährt auf das vereiste Wasser krachte. Viele Splitter flogen durch die Gegend, doch eine aufgeregte Stimme erlangte dennoch die gesamte Aufmerksamkeit: „Ace!“
 

Ein schwarzhaariger Junge war aufgetaucht und hatte jede Menge Unterstützung mitgebracht. Sein Ausdruck wirkte wild entschlossen und sämtliche Soldaten schienen schockiert über die Erscheinung inklusive seiner Verbündeten. Oder was auch immer Jimbei und die anderen für ihn waren.
 

„Das ist also der berühmte Strohhut Ruffy“, murmelte Nikira. Beeindruckende Familie, die du da hast, Garp, dachte sie sich. Ein verhaltenes Grinsen hatte sich auf ihr Gesicht geschlichen und es wurde noch größer, als sie den frustrierten Aufschrei des alten Vizeadmirals vernahm. Sie konnte nur erahnen, wie er sich fühlen musste. Immerhin war sein Sohn der meistgesuchte Mann der Welt und sein Enkel ein aufstrebender Pirat, der der Marine großen Ärger bereitete. Trotz allem war ihr in den letzten Jahren aufgefallen, dass der alte Mann dennoch stolz klang, wenn er über seine Familie sprach. Nur gering, aber der Stolz war da. Früher hatte sie sich immer gefragt wieso, aber mittlerweile hatte sie eine Antwort darauf. Sie kämpften für das, was ihnen wichtig war.
 

Ein wehmütiges Lächeln zierte bei diesen Gedanken ihre Lippen. Sie hatte gelernt, was ihr wichtig war. Lange hatte sie nur die Ansichten der Marine gehabt, denen sie blindlings gefolgt war. Für diese Ansichten war sie morgens aufgewacht und war abends schlafen gegangen. Nun, nach der Zeit auf der Moby Dick, hatte sie etwas Neues gefunden. Etwas, dass ihr mehr Leben eingehaucht hatte als absolute Gerechtigkeit.
 

Sie sah zu ihrem Vater und ergriff ihre linke Schulter mit der rechten Hand. Fest umklammerte sie mit ihren Fingern den weißen Stoff. Noch immer fühlte es sich an, als würde der Mantel Tonnen wiegen. Lange verweilte sie in dieser Position. Erst die Stimme von Ace riss sie aus den Gedanken. Er sprach zu Ruffy, der mittlerweile weiter nach vorne gedrungen war. Seine Worte hallten über den Platz, sodass Nikira ihn nur zu gut verstehen konnte. Wie so oft nahm er die Schuld auf sich. Redete seinem Bruder ein, dass ein Schwächling wie er ihm niemals helfen könnte und fragte, wieso er überhaupt gekommen war.
 

Die Rothaarige biss die Zähne aufeinander. So ein Idiot, dachte sie verärgert. Wieso tat er das ständig? Wieso konnte er nicht einmal in seinem Leben einsehen, dass er nicht alles alleine machen musste?
 

„Weil ich dein Bruder bin*!“, schrie Ruffy laut. Die 18-Jährige sah auf und blickte zu dem Strohhut. Sie nahm nur nebenbei wahr, wie Sengoku nach dem Aufruhr über diese Aussage die Sache richtigstellte. Noch nie hatte sie den Piraten namens Ruffy gesehen. Auch hatte sie noch nie ein Wort mit ihm gewechselt und doch war sie beeindruckt von ihm. Seine Entschlossenheit, mit der er sich gegen die Soldaten behauptete, war faszinierend. Er würde für Ace sterben.
 

Sie umklammerte fester ihre Schulter und kniff verärgert die Augen zusammen. Es ärgerte sie, dass sie es nicht früher gesehen hatte. Das bestätigte ihr gerade der Strohhut-Junge. Ein weiteres Mal sah sie zu dem Admiral, der nahezu angespannt dastand. Sie löste den Griff und lockerte ihre Haltung. Anschließend ging sie ein paar Schritte nach vorne, bis sie am Ende der Plattform stand. Ihre Augen richteten sich für einen Moment auf Whitebeard und schwenkten dann zu Ace‘ Bruder. Ein Lächeln schlich sich auf ihre Lippen.
 

Ace hatte Recht. Sie musste nicht bleiben. Sie hätte letzte Nacht von hier verschwinden können. Vermutlich hätte es nicht mal jemand bemerkt und dennoch war sie noch hier, weil sie nicht wieder weglaufen wollte. Sie wollte für die richtige Sache kämpfen und diese Sache war nicht die Hinrichtung des Piraten, für den sie tiefe Gefühle hegte.
 

Es kann sein, dass sie das nicht überleben würde. Das, was sie vorhatte, war Verrat. Ihr Vater würde höchstpersönlich dafür sorgen, dass sie hier nicht lebend wegkam. In wenigen Augenblicken würde sie sich gegen die Marine und somit auch gegen ihren Erzeuger stellen. Ob ihr diese Tatsache Angst machte? Nein. Nikira hatte lange darüber nachgedacht, wie sie ihr restliches Leben verbringen wollte. Würde sie hier ihr eintöniges Leben weiterführen oder würde sie die Personen unterstützen, die ihr am Herzen lagen? Die Antwort lag schon lange klar und deutlich vor ihr. Es war dumm von ihr gewesen, dass sie nicht gleich auf ihr Herz gehört hatte. Nie hatte sie das Offensichtliche gesehen. Sie gehörte absolut nicht hierher und das war ihr erst klargeworden, als sie alles falsch gemacht hatte. Sie hätte es Whitebeard und vor allem Ace viel früher sagen sollen. Vielleicht...Vielleicht wäre dann alles anders gekommen.
 

Kaum merklich schüttelte sie den Kopf. Was vergangen war, war vergangen. Im Moment zählte nur das Hier und Jetzt. Mit einer ähnlichen Entschlossenheit wie Monkey D. Ruffy straffte sie ihre Schultern und holte tief Luft. Langsam hob sie ihre Hand und ergriff wie zu vor auch den Stoff. Dieses Mal zog sie sich jedoch den Umhang von den Schultern, sodass sie ihn in der Hand hielt. Es war, als wäre damit eine unheimliche Last verschwunden. Dennoch verspürte sie noch keine Erleichterung. Dafür war es zu früh.
 

Mit einer unergründlichen Miene betrachtete sie das Kleidungsstück in ihrer Hand. „Vater? Hast du dich jemals gefragt, was wäre, wenn Mutter noch leben würde?“ Ihre Stimme klang keinesfalls feindselig, sondern eher interessiert. Seit mehr als zehn Jahren hatte sie kein Wort mehr über ihre Mutter verloren.
 

„Das ist nicht von Belangen, Tochter.“ Wie immer ging er auf Abstand, aber das überraschte sie nicht und dennoch lächelte Nikira beinahe enttäuscht. Es bestätigte sie in ihrem Vorhaben nur noch mehr.
 

„Doch. Das ist es. Mehr als du denkst“, murmelte sie und drückte den Stoff fester zusammen. Sie ging auf ihren Vater zu und wartete, bis sie seine Aufmerksamkeit erlangt hatte.
 

„Was hast du vor?“ Akainu hatte sich langsam zu ihr gewandt und betrachtete sie mit steinerne Miene. Wie so oft war sie sich nicht ganz sicher, was er sich wirklich dachte.
 

„Ich weiß, dass ich dir egal bin und du dich nicht dafür interessierst, ob ich glücklich bin. Dennoch solltest du wissen, dass ich es hier nicht bin und auch nie sein werde.“ Nikira sah ein letztes Mal auf den Umhang und schmiss ihn achtlos auf die Seite. Anschließend richtete sie ihren Blick fest auf ihren Vater. „Hiermit trete ich mit sofortiger Wirkung aus der Marine aus.“ Es fiel ihr überraschend einfach diese Worte auszusprechen. Vielleicht deshalb, weil es genau das war, was sie wollte. Sie stand zur Gänze hinter ihrer Entscheidung und aus diesem Grund hielt sie auch seinem Blick stand. Er war wütend, wenn nicht sogar rasend. Sein rotes Hemd mit den Blumen spannte sich über seine imposanten Muskeln. „Vielleicht kannst du meine Entscheidung akzeptieren“, fügte sie leise hinzu, obwohl sie nicht daran glaubte.
 

Sein Körper zitterte und seine Hände waren zu Fäusten geballt. „Du solltest diese Entscheidung schnell wieder vergessen, denn du wirst nicht aus der Marine austreten. Nicht, so lange ich noch lebe, verstanden?“ Er sprach beunruhigend leise und diese Tatsache machte die Situation noch gefährlicher. Trotz allem würde die Rothaarige ihre Meinung nicht ändern. Niemals. Deshalb zog sie langsam ihr Schwert und aktivierte ihr Haki. Sie hatte schon oft gegen ihren Vater gekämpft, aber noch nie, wenn er rasend vor Wut war. Er wurde dadurch noch unberechenbarer als sonst, weshalb sie auf alles gefasst sein musste.
 

„Und wie ich aus dieser verlogenen Organisation austreten werde!“ Die Rothaarige umklammerte fester den Griff ihres Schwertes. „Du bist der Letzte, der mir das verbieten kann, Vater.“ Sie spuckte das letzte Wort förmlich auf den Boden. Schon lange sah sie den Admiral mit anderen Augen. Er war nicht mehr der Mensch, den sie einst lachend in den Arm geschlossen hatte. Er war ein rücksichtsloses Monster, welches für Gerechtigkeit über Leichen ging.
 

„Wenn das deine letzten Worte sind, dann wage es nie wieder, mich Vater zu nennen, denn du bist nicht mehr meine Tochter!“ Als würde er seine Aussage damit unterstreichen, verwandelte sich seine Schulter langsam in Lava. Wie auf einem Vulkan rann die zähe Flüssigkeit seinen gesamten Arm herab.
 

„Ich bin seit 13 Jahren nicht mehr deine Tochter“, zischte sie hart und erinnerte sich selbst und Akainu an den Tod Minakos. Nach ihrem Ableben war er wie ausgewechselt. Er umarmte sie nicht mehr, er schenkte ihr immer seltener ein aufmunterndes Lächeln, er verhielt sich, als würde er sie nicht mehr lieben. Damals, als sie noch ein Kind gewesen war, hatte sie es nicht verstanden. Jetzt tat sie es. „Du hast mir immer die Schuld an ihrem Tod gegeben, nicht wahr?“
 

„Hör auf, über sie zu reden!“, brüllte er wütend und bewegte sich plötzlich mit rasender Geschwindigkeit auf sie zu. Gerade so konnte sie zur Seite springen und seinem Hieb entgehen.
 

„Beantworte meine Frage!“ Nun hatte die Rothaarige ebenfalls ihre Stimme erhoben. Angespannt starrte sie den Rücken ihres Vaters an.
 

Akainu drehte sich wieder zu ihr, sein Gesichtsausdruck unverändert. „Natürlich gebe ich dir die Schuld daran.“
 

Diese Aussage überraschte sie nicht und dennoch traf sie die Wahrheit. Sie versuchte gefasst zu bleiben. „Schön, dann habe ich dir nichts mehr zu sagen.“ Eine Spur an Bitterkeit schwang in ihren Worten mit. Sie war damals noch ein Kind gewesen. Dumm und unschuldig. Wie hätte sie es besser wissen sollen? Für einen Moment wandte sie den Blick ab und betrachtete den Strohhut-Jungen, wie ihm Falkenauge gerade ordentlich zusetzte. Sie sollte sich beeilen und ihm helfen.
 

„Glaubst du, dass ich dich ungestraft davonlasse?“, raunte er bedrohlich und kam auf sie zu.
 

Nikira schnaubte. Natürlich glaubte sie das nicht. Sie hob ihr Schwert und begab sich in Kampfposition. Ihre Chance gegen ihn zu gewinnen war gering. Sie musste sich etwas einfallen lassen. Schnell! Verbissen überzog sie ihre Klinge mit dem Rüstungshaki und ging in die Offensive. Mit einer unheimlichen Schnelligkeit raste sie nach vorne, rutschte unter seinem Schlag hindurch und riss ihren Arm nach oben. Sie spürte einen geringen Widerstand und drehte sich eilig um. Allerdings freute sie sich nicht darüber, dass sie ihm einen kleinen Kratzer an seinem Oberkörper zugefügt hatte. Stattdessen setzte sie wieder zu einem Angriff an. Geübt parierte sie seine Angriffe, zischte aber auf, als die heiße Flüssigkeit ihre Wange streifte. Beinahe zu spät wich sie seinem Angriff aus, der anstatt ihres Gesichts den riesigen Stuhl von Aokiji zertrümmerte. Nikira stolperte ein paar Schritte nach hinten und holte tief Luft. Das Adrenalin rauschte durch ihren Körper und ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Die ganze Zeit ließ sie ihren Vater nicht aus den Augen.
 

Rufe wie „Warum kämpft der Admiral gegen seine Tochter?“ oder „Was passiert dort oben?“ drangen an ihr Ohr. Anscheinend hatte man bemerkt, dass es zwischen ihnen einige Unstimmigkeiten gab. Plötzlich wurde ihr Gleichgewicht unheimlich gestört. Die gesamte Insel schwankte auf eine Seite und unterbrach die Auseinandersetzung zwischen Vater und Tochter. Dafür konnte nur eine Person verantwortlich sein.
 

„Whitebeard“, zischte ihr Vater und wandte sich von der 18-Jährigen ab. Er hob seine Arme, als würde er damit etwas abwehren wollen.
 

Nikira wusste was er vorhatten, weshalb ihre Zeit gekommen war, von hier zu verschwinden. Ohne lange nachzudenken, sprang sie von der Erhöhung. Es war ihr Glück, dass der alte Mann diesen Angriff gestartet hatte und dadurch die Admiräle ablenkte. Bei der Landung stützte sie sich mit ihrer Hand ab und kam so sicher auf. Nachdem sie ihren Kopf gehoben hatte, blickte sie in neugierige Gesichter, die sich allesamt auf die Plattform richteten. Aokiji und Kizaru standen neben Akainu und hielten den Angriff von Whitebeard auf. Es war ihre Chance, Abstand zu ihrem Vater zu gewinnen. Gerade rechtzeitig, denn der Strohhutjunge kam auf sie zugelaufen und schien etwas Dummes vorzuhaben. Eilig lief sie auf ihn zu und drängte sich dabei durch die Soldaten. Niemand von ihnen hatte augenscheinlich Ahnung, wie man mit ihr umzugehen hatte. Einerseits hatte sie gegen Akainu gekämpft, aber andererseits hatte er nichts dazu gesagt. Noch nicht. Solange dem so war, musste sie die Unwissenheit ausnutzen.
 

Mit ernstem Gesicht stellte sie sich dem Teufelsfruchtnutzer in den Weg. Dieser war offensichtlich verwirrt über ihr Auftauchen.
 

„Hey! Frau mit den roten Haaren! Aus dem Weg oder ich mach dich platt!“
 

Bei seiner Aufforderung verdrehte diese die Augen und stieß einen Marinesoldaten zur Seite, der den Schwarzhaarigen aufhalten wollte. Sie griff nach dem Handgelenk des Schwarzhaarigen und hielt in so auf. Natürlich beschwerte er sich prompt, hatte aber nicht vor, sie anzugreifen.
 

„Egal, was du vorhast, tu es nicht. An den Admirälen kommst du nicht vorbei. Benutze lieber den Aufgang auf der anderen Seite.“ Eindringlich sah sie ihn an und erntete einen planlosen Blick.
 

„Hä?! Gehörst du nicht auch zur Marine?“, fragte er aus dem Bauch heraus.
 

Nikira zog ihre Hand zurück und runzelte die Stirn. „Eh, nein. Also nicht mehr.“ Sie schüttelte den Kopf. „Aber das tut jetzt nichts zur Sache. Du solltest dich beeilen.“ Um ihren Worten Ausdruck zu verleihen, schubste sie ihn leicht nach vorne.
 

„Ja...ja, das sollte ich.“ Noch immer perplex, machte er ein paar Schritte nach vorne, hielt aber inne. „Warte! Wieso hilfst du mir eigentlich?“ Ratlosigkeit hatte sich in seinem Gesicht breitgemacht.
 

Sie wollte ihm gerade eine knappe Antwort geben, als eine laute Stimme ertönte: „An alle Soldaten!“ Nikira sah sofort zu der Plattform, auf der die drei Admiräle standen. Mit eiserner Miene taxierte sie Akainu. Er hielt eine Teleschnecke in der Hand, mit der er seine Stimme verstärkte. Wie zuvor auch dominierte Wut seinen Ausdruck. „Nikira ist von nun an kein Mitglied der Marine mehr! Sie hat uns alle verraten.“ Er legte eine Pause ein. Die Soldaten und selbst die Piraten hatten die Aufmerksamkeit auf den Teufelsfruchtnutzer gerichtet. Es war erschreckend ruhig auf dem Platz und die Rothaarige spürte immer mehr Augenpaare auf ihr. „Und wir wissen, wie man mit Verrätern umgeht.“
 

Die 18-Jährige biss ihre Zähne fest aufeinander und festigte den Griff um ihr Schwert. Ihr ungutes Gefühl hatte sie nicht enttäuscht. Sie hatte geahnt, dass ihr Vater so reagieren würde. Wachsam sah sie sich um. Ruffy tat es ihr gleich, nur wirkte er etwas ratlos. Die Marinesoldaten hingegen zögerten, da sie die neue Information noch immer nicht ganz verarbeitet hatten. Viele konnte und wollten schlichtweg nicht glauben, dass die Tochter des Admirals anscheinend auf der Seite der Piraten stand.
 

Für Nikira war es nun tatsächlich endgültig. Alle wussten Bescheid. Es gab kein Zurück mehr. Die Erleichterung, die sie verspürte, war nur gering. Noch konnte sie nicht völlig losgelöst aufatmen, denn Ace war noch immer nicht in Sicherheit. Hinzu kam, dass Sengoku seine Exekution vorgezogen hatte. Ihnen blieb also nicht mehr viel Zeit. Angespannt wanderten ihre Augen weiter und zum ersten Mal seit Stunden traf ihr Blick den von Ace. Trotz der Entfernung fühlte sie ihr Herz, welches stets vor Aufregung hüpfte, wenn sie ihn ansah. Es war, als würde es sie vorantreiben wollen. Als würde es sagen: Los! Rette ihn endlich! Auch wenn ihre Hoffnung, hier lebend zu verschwinden, nur gering waren, so musste sie dennoch aufrichtig und entschlossen lächeln. Sie würde ihn von seiner geplanten Hinrichtung befreien und wenn sie dabei sterben sollte, war das okay, denn für jemanden zu sterben, den man liebte, erschien ihr richtig.
 

Lange hatte sie gebraucht um das einzusehen. Geholfen hatte ihr vor allem Thatch‘ Erklärung der Liebe, die ihr die Augen geöffnet hatte. Damals war sie sich nicht sicher gewesen, ob es wirklich so intensiv war. Natürlich hatte sie bereits auf der Moby Dick etwas für den Piraten empfunden, aber erst seit geraumer Zeit wusste sie, dass es Liebe war. Herzklopfen, Kribbeln und all die Dinge, die dazugehörten. Es war unbeschreiblich und sie wollte nicht, dass es vorbei war, bevor sie für das richtige gekämpft hatte.
 

„Strohhut?“, meinte sie bestimmend, ohne den Blick von Ace zu nehmen. „Ich versuche dich zu unterstützen, so gut ich kann.“ Sie grinste selbstsicher, auch wenn die Zukunft ungewiss vor ihr lag. Aber sie wollte stark sein. Vor allem für den Schwarzhaarigen, der ihr von der Ferne einen fassungslosen Blick zuwarf. „Bist du bereit Ace, zu retten?“ Ihre Augen wanderten zu dem Piraten namens Ruffy, der sie bei ihren Worten freudig anstrahlte.
 

„Mehr als nur bereit! Zeigen wir der Marine, wo es langgeht!“ Er schlug seine Faust in seine offene Hand.
 

„Und wie wir es ihnen zeigen werden “, murmelte Nikira ernst und machte sich bereit für ihren womöglich letzten Kampf.
 


 

*Zitat aus dem Mangakapitel 558, Seite 10

This Is War - See Me Fight

Ruffy setzte sich sofort in Bewegung und Nikira folgte ihm. Mittlerweile wurden auch die Soldaten aktiv, sodass die Rothaarige allerhand zu tun hatte. Es war nicht sonderlich schwer, die einzelnen Angriffe abzuwehren, aber die Vielzahl an Schwerthieben und Schlägen nervte sie gewaltig. Der Strohhutjunge war unterdessen in Richtung Admiräle unterwegs, obwohl sie ihm davon abgeraten hatte. Anscheinend lag die Sturheit in der Familie, weshalb die 18-Jährige nur seufzen konnte.
 

Dennoch konzentriert wich sie einem Tritt aus und schlug dem Mann mit dem Ende ihres Schwertgriffs fest in das Gesicht. Er wurde dadurch bewusstlos und sie hatte Zeit, sich wieder dem Schwarzhaarigen zu widmen. Das war auch bitter nötig, denn er hatte einen direkten Angriff auf die Admiräle gestartet.
 

„Dieser Idiot“, murmelte sie. Den Jungen konnte man keine Sekunde aus den Augen lassen! Nikira kämpfte sich durch die Soldaten, um näher an Ruffy heranzukommen. Er war schnell, aber Kizaru war schneller. Er attackierte den jüngeren, woraufhin dieser auf den Boden krachte. Sie stieß angestrengt die Luft aus. Von Weitem konnte sie sehen, wie nun Aokiji ihm mit einem Stab aus Eis eine Wunde zufügte. Er verletzte ihn nur, obwohl er ihn locker hätte töten können. Es war schwer, in den Kopf des Admirals zu sehen, weshalb sie seine Tat nicht ganz nachvollziehen konnte, aber das war gerade nicht von Belang. Er holte wieder aus, doch dieses Mal war Nikira rechtzeitig zur Stelle. Doch nicht nur sie. Auch der Kommandant der ersten Division. Beide wehrten den Angriff ab.
 

„Die Marine hat dich also rausgeworfen?“, meinte Marco hämisch, nachdem sie eine kurze Verschnaufpause hatten.

Nikira verdrehte die Augen über seine Annahme. Sie hatte erwartet, dass er noch immer nicht gut auf sie zu sprechen war.
 

Dennoch fiel ihre Antwort mürrisch aus: „Sie haben mich nicht rausgeworfen. Ich bin freiwillig ausgestiegen.“
 

„Hm. Wieso bist du dann noch hier?“
 

Perplex wich sie dem Hieb von einem Soldaten aus und hielt anschließend inne. „Meinst du diese Frage ernst?“ Mit einer verärgerten Miene betrachtete sie Marco, der in seiner Phönixform kämpfte. Der Vize warf ihr einen kurzen Blick zu, erwiderte aber nichts. Anscheinend hatte er nicht mit so einer Reaktion gerechnet. „Du hast gehört...was ich Whitebeard erzählt habe. Jedes einzelne Wort...entsprach der Wahrheit.“ Sie parierte, während sie sprach, einen Angriff und trat dem Soldaten wütend in den Bauch, sodass er zu Boden ging. Sie hatte damals den Schlag von ihm verdient und sie hatte eingesehen, dass sie der Crew früher über ihre Herkunft Bescheid geben hätte sollen. Dennoch hatte sie darauf gehofft, dass der Kommandant ihr Handeln wenigstens versuchen würde zu verstehen.
 

„Ich war ziemlich wütend, dass du uns deine Situation so lange verschwiegen hast“, sagte Marco plötzlich.
 

„Du warst oder bist wütend?“, hakte Nikira trocken nach.
 

„Ich bin es noch immer, aber ich werde dir keine mehr reinhauen.“ Er grinste und erinnerte sich an den Schlag, den er ihr damals verpasst hatte.
 

„Das hoffe ich doch, denn dieses Mal lasse ich das nicht einfach so über mich ergehen.“ Sie hatte auf dem Schiff seine Reaktion hingenommen. Jetzt sah die Sache anders aus. Jedoch war sie froh darüber, dass Marco nicht mehr pure Wut in ihrer Gegenwart zu verspüren schien. Er war zwar schwer zu durchschauen, aber das kleine Grinsen war ein Lichtblick in Richtung Vergebung.
 

„Weißt du? Ich kann nicht für die anderen sprechen, aber dass du auf unserer Seite kämpfst, beweist so einiges.“

Diese Aussage bestätigte ihre Annahme und dennoch seufzte sie. „Ich hoffe wirklich, dass das alle so sehen“, murmelte sie und dachte an Ace, wie er sie gestern angesehen hatte, als sie bei ihm war.
 

Marco landete neben ihr und beobachtete etwas am riesigen Tor. „Ace ist verdammt stur, aber du bedeutest ihm sehr viel. Vergiss das nicht.“ Er schenkte ihr ein verhaltenes Lächeln, welches beinahe wehmütig wirkte. Für einen Moment war die 18-Jährige so überrascht, dass sie nicht einmal wahrnahm, wie Oz mit einem riesigen Schiff unter dem Arm auf das Ford zusteuerte. Erst kurz vor dem Aufprall bemerkte sie es.
 

Sie hatte kaum bemerkt, welch Chaos in dieser kurzen Zeit entstanden war. Aokiji hatte Whitebeard angegriffen und Ruffy war bereits wieder unterwegs. Ihre Aufmerksamkeit richtete sich jedoch auf Momonga, der es auf den Strohhut abgesehen hatte. Nikira fluchte und lief los. Sie ließ Marco hinter sich, denn sie konnte nicht zulassen, dass ihm irgendjemand wehtat. Er war Ace wichtig und deshalb würde sie ihn beschützen.
 

Blitzschnell war sie bei dem Schwarzhaarigen, der eigentlich selbst gegen den Vizeadmiral kämpfen wollte. Sie hatte jedoch den Vorteil, dass sie ihn bereits kämpfen gesehen hatte. Deshalb musste sie sich beeilen, da man Momonga auf keinen Fall unterschätzen sollte. Sie machte einen Satz nach vorne. Gerade rechtzeitig, denn der Mann mit dem gestreiften Anzug setzte zu einem Angriff an. Bevor die Schwertklinge Ruffy zu nah kommen konnte, blockte die Rothaarige sie. Der Vizeadmiral schenkte ihr einen teils verärgerten, teils überraschten Blick.
 

„Nikira“, zischte er. „Ich hätte nicht gedacht, dass du es wagen würdest, auszutreten.“
 

Die Angesprochene lächelte unerwarteterweise. „Ich auch nicht.“ Sie ging in Kampfstellung. Momonga war ein begnadeter Schwertkämpfer und eine große Herausforderung für sie, aber sie hatte keine Angst. Im Gegenteil. Sie stellte sich gerne neuen Gegnern.
 

„Das war ein großer Fehler.“ Er schenkte ihr einen finsteren Blick und machte sich ebenfalls bereit.
 

Beide starteten nahezu zeitgleich und die Klingen trafen binnen weniger Sekunden mit einem unangenehmen Geräusch aufeinander. Der Druck war so stark, dass Nikira ein wenig nach hinten schlitterte, doch davon ließ sie sich nicht beirren. Sie stieß sich vom Boden ab und attackierte wieder. Momonga wirkte natürlich keineswegs beeindruckt. Er schlug mit erbitterter Härte zurück und verlange der jungen Frau ziemlich viel ab. Nichtsdestotrotz versuchte sie dagegenzuhalten. Sie wich geschickt einem Hieb aus und sprang nach hinten. Ihre gesamte Konzentration war auf ihren Gegner gerichtet. Einen Moment der Unachtsamkeit und sie hätte ein Schwert in ihrem Rumpf. Das hier war keine ihrer Trainingseinheiten. Das hier war die Realität. Dementsprechend schnell schlug ihr Herz und pumpte das Adrenalin durch ihren Körper. Es half ihr, sich zur Gänze auf den Kampf zu konzentrieren und trotzdem traf die Klinge des Vizeadmirals ihren Oberarm.
 

Nikira zischte auf, als seine ausgefeilte Technik ihre Haut zerschnitt und die warme Flüssigkeit sofort ihren Arm herabrann. Kurz warf sie einen Blick auf ihre frische Wunde und verzog das Gesicht. Nicht wegen des Schmerzes, sondern weil er sie zuerst getroffen hatte.
 

Das wirst du bitter bereuen, dachte sie verärgert und festigte den Griff um ihr Schwert. Das Blut tropfte von ihrer Hand auf den Boden, doch das kümmerte sie nicht. Sie ging abermals in die Offensive, erhöhte ihre Geschwindigkeit und versuchte Momonga zurückzudrängen. Verbissen versuchte sie ihm keine Gelegenheit zu bieten, ihr nochmals gefährlich zu werden. Immer wieder nutzte sie ihre Schnelligkeit und Beweglichkeit aus, um ihn in Bedrängnis zu bringen. Auch setzte sie immer wieder ihr Haki ein, damit sie seine blitzschnellen Angriffe annähernd kommen sah. Ein paar Schnitte konnte sie ihm zufügen, doch das war noch nicht genug.
 

Die Rothaarige ging ein paar Schritte zurück und holte tief Luft. Der Zweikampf war anstrengend, wie erwartet. Sie musste dem aber ein schnelles Ende setzen. Aus dem Augenwinkel war ihr aufgefallen, dass Kizaru Ruffy ganz schön zugesetzt hatte. Es beruhigte sie ein wenig, dass sich Whitebeard um ihn kümmerte. Was sie aber ganz und gar nicht beruhigte, war die Tatsache, dass ihr Vater sich gegen den alten Mann stellte. Unter Zeitdruck wischte sie sich ihre blutige Hand an ihrem Shirt ab, damit das Schwert nicht zu sehr rutschte. Der Schnitt an ihrem Arm brannte aufgrund der Bewegungen um einiges mehr, aber es beeinträchtigte sie nicht zu sehr.
 

„Ich denke, wir sollten das beenden“, meinte Nikira sachlich, immer wieder einen Blick zu den Geschehnissen um sie herum werfend. Garp hatte sich nun auch beteiligt und hielt Marco davon ab, zu Ace zu kommen.
 

„Ausnahmsweise sind wir da einer Meinung.“ Momonga hatte wie immer eine ernste Miene aufgesetzt. Die 18-Jährige hingegen grinste bei seiner Antwort. Beide gingen in Angriffsposition und abermals starteten sie mit einer Geschwindigkeit, die für viele unvorstellbar war.
 

Nikira hatte sich in den vergangenen Minuten den Kopf darüber zerbrochen, wie sie aus dem Kampf als Sieger hervorgehen konnte. Der Vizeadmiral hatte um einiges mehr Erfahrung, aber ihr war eine Idee gekommen, wie sie ihn dennoch überraschen konnte. Sie lächelte, was den Mann von der Marine kurz aus der Fassung brachte. Doch das war nicht das Verblüffendste daran. Die Admiralstochter hatte ihre Hand gewechselt, mit der sie das Schwert hielt. Es war ungewöhnlich, denn normalerweise konnte man damit kaum die Waffe führen, aber bei der Rothaarigen bemerkte man nahezu keinen Unterschied. Momonga musste grinsen, obwohl er zu spät reagierte und sie ihn ohne Probleme traf.
 

Die Rothaarige zog ihren Arm schräg nach oben und stoppte in ihrer Bewegung, als sie sich ein paar Meter hinter dem Vizeadmiral befand. Sie lockerte ihre Haltung und drehte sich um. Er kniete mit einem Bein auf dem Boden und hielt sich die Seite. Blut sickerte durch seine Finger und färbte seinen Anzug in ein dunkles Rot.
 

„Da hast du mich ganz schön drangekriegt“, meinte er keuchend, aber keinesfalls abfällig. Vielmehr schwang ein Hauch von Anerkennung mit.
 

„War aber nicht sehr einfach. “ Sie fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn und ging an ihm vorbei. Er bewegte sich nicht, sondern atmete kontrolliert ein und aus. Deshalb richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf Ace, der seinen Oberkörper nach vorne gebeugt hatte. Nach Garps Gesichtsausdruck zu urteilen, sagte er irgendetwas, aber sie konnte nicht verstehen was. „Halte durch“, murmelte sie leise. Ihre Augen scannten den Platz und blieben bei Whitebeard hängen, der mitgenommen aussah. Nicht verwunderlich, denn seine Gesundheit war nicht die beste. Die Kommandanten waren allesamt verängstigt und auch die Rothaarige sorgte sich um den alten Mann. Auch wenn er ihr damals auf dem Schiff nicht verziehen hatte, so konnte sie nicht mitansehen, wie er hier zugrunde ging. Mit großen Schritten eilte sie auf ihn zu. Jozu hatte mit Aokiji zu tun und Marco wurde von Kizaru in die Mangel genommen. Ruffy war bei diesem komischen Ivankov und somit in Sicherheit. Der Kaiser war zwar stark genug, aber vielleicht würde er ihre Hilfe annehmen.
 

„Du siehst ganz schön übel aus.“ Eigentlich hatte sie vor, etwas anderes zu sagen, aber irgendwie erschien nichts angebracht zu sein. Sie schenkte ihm ein schwaches Lächeln.
 

„Nikira“, ertönte seine tiefe Stimme. „Wie ich sehe, hast du dich entschieden.“
 

„Mhm.“ Sie biss sich auf die Lippen und musterte ihn. Er zeigte keinerlei Reaktion und sie war sich unsicher, was er davon hielt. Natürlich erwartete sie keine Vergebung oder etwas dergleichen. Gott! Sie hatte keine Ahnung, was sie sich erhoffte.
 

„Das war sehr mutig von dir“, sagte er plötzlich und erntete einen kurzen, perplexen Blick.
 

Sie seufzte. „Das war nicht mutig, sondern bitter nötig. Ich hätte das schon viel früher tun sollen.“
 

„Es ist nicht einfach, sich gegen seinen Vater zu stellen.“
 

Die 18-Jährige sah nach vorne auf das Schlachtfeld. Akainu stand mit einiger Entfernung von ihnen entfernt und fixierte sie mit einem verärgerten Ausdruck. Es passte ihm nicht, dass sie mit dem Kaiser sprach, aber das war ihr egal. Er war der Letzte, der ihr jetzt noch etwas befehlen konnte.
 

„Ich hätte es mir zumindest einfacher vorgestellt.“ Sie dachte an ihre unzähligen schlaflosen Nächte und an ihren inneren Konflikt bezüglich ihrer Zukunft. „Ich kann es so oft leugnen wie ich möchte. Er ist immer noch mein Vater und er wird es immer sein.“
 

Whitebeard fixierte das Rot ihrer Haare. „Also ist er Teil deiner Familie?“ Gespannt wartete er auf ihre Antwort.
 

„Nein“, sagte sie ohne zu zögern und hatte dabei eine feste Miene aufgesetzt. Der Kaiser musste lächeln, so als hätte er diese Antwort erwartet und sich auch erhofft.
 

„Weißt du, Nikira? Menschen machen Fehler. Das liegt in unserer Natur.“ Der Hüne sah zufrieden aus und blickte hinauf zu Ace, der noch immer nicht zu glauben schien, was sich vor ihm abspielte. Nikira runzelte allerdings die Stirn, wusste nicht, worauf er hinauswollte. „Aber wir alleine entscheiden, ob wir diese Fehler begleichen. Wollen wir ewig mit dem schlechten Gewissen weiterleben oder tun wir etwas dagegen?“ Er ließ die Frage offenstehen und langsam dämmerte es der Rothaarigen, auf was der alte Mann hinauswollte. Mit jeder Sekunde, die verstrich, schlug ihr Herz kräftiger in ihrer Brust. Abermals richtete er seinen Blick auf die junge Frau. „Ich habe dich damals nicht weggeschickt, weil du uns belogen hast. Ich wollte, dass du es wieder gutmachst. Auf deine Art und Weise.“ Fassungslos sah sie ihn. Nur langsam realisierte sie, was er ihr erzählte.
 

„A-Aber...“, hauchte sie nahezu geschockt, wurde aber von dem Kaiser unterbrochen, der sachte eine Hand auf ihren Kopf legte. 
 

Seine Mimik wurde sanft. „Ich bin dir nicht böse, Nikira. Du hast dich gegen die Marine und deinen Vater gestellt und kämpfst hier auf unserer Seite. Auf der Seite der Piraten. Denkst du nicht auch, dass das reicht?“
 

„I-Ich weiß n-nicht.“ Ihre Stimme klang brüchig und sie spürte, wie sich Feuchtigkeit in ihren Augen sammelte. Sie wusste es tatsächlich nicht. War es genug? Hatte sie ihre Schuld beglichen? Konnte sie von nun an ohne ein schlechtes Gewissen leben?

Sie versuchte stark zu bleiben und biss sich fest auf die Lippen, doch seine nächsten Worte trafen sie mitten ins Herz: „Ich bin stolz auf dich.“ Nikiras Atmung stockte und ihre Augen weiteten sich. Langsam sickerte das Gesagte nach und nach in ihr Bewusstsein. Ich bin stolz auf dich. Es mochte nur ein einfacher Satz sein, aber für sie bedeutete es so unheimlich viel. Wann hatte sie dies das letzte Mal gehört? Vor zehn Jahren? Sie öffnete ihren Mund, doch kein Laut kam über ihre Lippen. Ihre Kiefer pressten sich fest aufeinander und sie entschloss sich ihren Kopf zu senken. Ihre Hand legte sie automatisch auf ihr Gesicht. Die Nässe, die sie hartnäckig versucht hatte zu unterdrücken, schummelte sich durch ihre Finger und tropfte vereinzelt auf den Boden. Ihre Schultern hoben und senkten sich angestrengt und spiegelten ihre innere Unruhe wieder.
 

Whitebeard nahm die Hand von ihrem Kopf. Belustigt meinte er: „Trockne deine Tränen und lächle wieder. Sonst glaubt Ace noch, dass ich dir wehgetan habe.“ Kaum hatte er das gesagt, schlich sich der Ansatz eines Lächelns auf ihre Züge. Sie konnte nicht anders, als energisch die Tränen zu beseitigen und ihren Kopf zu heben. Ihre Augen waren gerötet und standen in einem ungewöhnlichen Kontrast zu ihrem ehrlichen Lächeln. Es war ihr nicht möglich, anders zu reagieren. Die Erleichterung in ihr war gewaltig und sie spürte, dass ihre anfängliche Entschlossenheit mehr denn je zurückkam.
 

Sie holte tief Luft, um wieder zur Ruhe zu kommen. „Ich vermute, du lässt mich dir nicht helfen?“ Ihr Blick richtete sich von dem Kaiser zu Akainu, der mit großen Schritten auf sie zukam. Sie hörte Whitebeard lachen und seufzte.
 

„Nein.“ Wie auch zuvor bei ihr, kam das Wort sofort aus seinem Mund. „Geh und hilf dem Strohhutbengel. Er kann jede Unterstützung gebrauchen. Ich hingegen kann auf mich selbst aufpassen, Kleine.“ Er umklammerte sein Bisento etwas fester.
 

Ernst sah Nikira ihn an. Seine Wunden bluteten ziemlich stark, obwohl er noch immer selbstsicher auf zwei Beinen stand. Er war wahrlich unglaublich und dennoch ließ sie ihn nur ungern alleine. Aber sie wusste auch, dass sie ihm schlecht ihre Unterstützung aufzwingen konnte. Deshalb meinte sie mit ihrer üblichen Härte: „Schön, aber solltest du sterben, hol ich dich eigenhändig zurück und töte dich nochmal. Klar?“
 

„Gurarara!“, lachte er laut. „Ich hätte auch nichts anderes erwartet.“ Ein letztes Mal lächelte er ihr zu, ehe sie sich umdrehte und sich von ihm entfernte. Wehe du stirbst hier, alter Mann, dachte sie verbissen. Seine Worte hallten noch immer in ihrem Kopf und gaben ihr die nötige Kraft, um alle Gegner auszuschalten, die sich ihr in den Weg stellten.
 

Hinter ihr vernahm sie Geschrei. Vor allem Whitebeards Stimme stach heraus, doch sie sah nicht nach hinten. Sie musste ihr Ziel weiterverfolgen und Ace da rausholen. Ihre Augen fixierten das Schafott. Sengoku stand angespannt daneben. Genauso wie Garp.
 

Der Kaiser richtete abermals seine Worte an alle Anwesenden und der Großadmiral hatte eine Antwort darauf. Er sah nach links und gab einen Befehl. Nikira musste nicht hören, was er sagte. Es war eindeutig.
 

„Nein“, hauchte sie verzweifelt und kämpfte sich durch die Menge. Das darf nicht passieren! Es ist doch noch nicht so weit! Voller Panik stieß sie einen Mann zur Seite. Das würde sie nicht schaffen. Sie war viel zu weit weg. Quälend hoben die Männer neben dem Piraten ihre Schwerter. Das Adrenalin rauschte durch ihren Körper und beschleunigte ihren Herzschlag. Ihre Augen suchten nach denen von Ace und fanden sie. Im Gegensatz zu ihr war seine Miene schwer zu deuten. Es schien, als wüsste er nicht, was er denken sollte. So viele Emotionen waren in seinem Gesicht zu finden und sie tat sich abermals schwer ihre Tränen zurückzuhalten. Sein Anblick war kaum zu ertragen.
 

Von überall waren Rufe zu hören, als die Schwerter zum finalen Schlag ausholten. Nikira selbst brachte kein Wort über ihre Lippen, viel zu groß war der Schock über das Bild, welches sich ihr bot. „Nein“, murmelte sie abermals leise und verzweifelt. Ihre Augen schlossen sich energisch. Furchtbare Szenen spielten sich vor ihren geschlossenen Lidern ab, doch plötzlich ertönte eine laute Stimme über dem Platz: „Stooooooppp!“ Mit ihr rollte eine gewaltige, unsichtbare Welle an Haki über alle Anwesenden. Nikira spürte den enormen Druck, der sie in die Knie zwingen und ihr Bewusstsein rauben wollte. Verbissen weigerte sie sich, dem nachzugehen und sah angestrengt auf das Schafott. Die Männer, die Ace exekutieren sollten, waren zu Boden gegangen und rührten sich nicht mehr.
 

Ihre Aufmerksamkeit richtete sich auf den Strohhut, der wütend inmitten bewusstloser Männer stand und seinen Blick auf Ace gerichtet hatte. Die geschockten und überraschten Gesichter der anderen schien er gar nicht zu bemerken. Auch die Rothaarige war ein wenig baff, dass der merkwürdige Gummijunge das Königshaki beherrschte, aber in erster Linie war sie erleichtert, dass sie Zeit dazugewonnen hatten. „Unglaublich. Gut gemacht, Kleiner.“ Sie grinste und straffte ihre Schultern.

Whitebeard gab den Befehl, Monkey D. Ruffy zu unterstützen und das würde sie tun. Koste es was es wolle.
 

Sie kämpfte wieder, auch wenn sie jeden einzelnen Hieb und jeden einzelnen Schnitt spürte. Es war egal, wie viele Wunden sie davontrug. Nichts schmerzte so sehr, wie der Gedanke, Ace zu verlieren. Die Vorstellung trieb sie an, alles zu geben. Das, die Worte von Whitebeard, und Ruffys unbändige Entschlossenheit.
 

Weiter vor ihr hatte ein Mann mit Scherenhänden einen Weg zur Plattform gebildet. Garp hatte sich in den Weg seines Enkels gestellt, doch Ruffy konnte durch einen Schlag an ihm vorbei. Nikira konnte nur den Kopf schütteln. Es war selbst von Weitem zu sehen, dass der alte Vizeadmiral das mit Absicht getan hatte. Es war die einzige Möglichkeit für ihn, Ace zu helfen. Alles andere wäre Verrat gewesen.
 

Sie konnte sich nur begrenzt darauf konzentrieren, denn hier unten war einiges los. Mittlerweile war auch Kizaru nicht mehr weit von ihr. Mit diesem Idioten hatte sie noch eine Rechnung offen. Vor allem, da er seine Teufelskräfte just in diesem Moment gegen Ruffy einsetzen wollte. Das würde sie nicht zulassen. Nicht, nachdem er es bis zur Plattform geschafft hatte und er kurz vor der Befreiung seines Bruders stand.
 

„Wage es ja nicht, Borsalino!“, zischte sie verärgert, überzog ihre Hand mit Haki und schlug dessen Arm nach oben, sodass sein Strahl über die zwei Piraten hinwegschoss und in der Mauer der Basis einschlug.
 

Der gelbe Affe war verwundert über ihr Auftauchen und musterte sie erstmals abschätzig von oben bis unten. „Wie überaus töricht von dir.“ Er lächelte vor sich hin und zeigte mit dem Finger auf sie. Es war unschwer zu erraten, wieso. Licht sammelte sich an seiner Fingerspitze und Nikira hielt ihr Schwert nach oben, um seinem Angriff standhalten zu können. All ihre Konzentration lag auf dem Admiral. Es war anstrengend, ihr Haki durchgehend aufrechtzuerhalten, aber sie hatte lange genug trainiert, sodass es ihr keine zu großen Probleme bereitete. Das größere Problem war im Moment Kizaru, der sie nicht schonen würde. Hinzu kam, dass er schwer zu durchschauen war. Seine fehlende Ernsthaftigkeit, mit der er kämpfte, gestaltete die Situation gefährlich. Seiner Attacke auszuweichen, war ebenfalls nahezu unmöglich, weshalb sie sich fürs Erste darauf beschränkte, sie abzuwehren.
 

Wachsam wartete sie auf den richtigen Moment, um einen Gegenangriff starten zu können. Im Gegensatz zu vielen Teufelskraftnutzern verließ er sich nicht nur auf seine Kräfte, sondern war ebenfalls gut im Nahkampf. Bereits nach kurzer Zeit spürte sie die Anstrengung in jedem Muskel und auch ihr rechtes Bein schmerzte bei jeder Bewegung, da der Brillenträger ihr einen heftigen Tritt verpasst hatte. Missmutig startete sie einen weiteren Angriff, doch sie wurde von Sengoku abgelenkt, der sich in einen gewaltigen Buddha verwandelte. Es dauerte nur einen Bruchteil einer Sekunde, in der sie nicht zur Gänze bei der Sache war. Kizaru reagierte sofort, schoss nach vorne und trat ihr so fest in die Seite, dass ihr für einen Moment die Luft wegblieb.
 

Sie flog nach hinten und prallte gegen die Mauer. Ein unangenehmes Knacken ertönte, doch das nahm sie nur gedämpft wahr, denn ihr Hinterkopf hatte ebenfalls einen schmerzhaften Zusammenstoß mit der Steinwand. Stöhnend griff sie sofort auf die betroffene Stelle und keuchte auf, als ihre Finger die warme Flüssigkeit ertasteten. Mit zusammengekniffenen Augen versuchte sie die aufkeimende Übelkeit zu unterdrücken. Mit ihrer anderen Hand wollte sie sich unter Schmerzen aufrichten. Sie durfte jetzt nicht aufgeben. Es war noch nicht vorbei. Ace war noch nicht in Sicherheit und bis dahin musste sie weiterkämpfen. Schmerzen oder nicht.
 

Sie presste ihre Kiefer aufeinander und öffnete die Augen. Ihre Sicht war verschwommen und löste Schwindel bei ihr aus, doch sie ignorierte dies so gut es ging. Verbissen drückte sie sich vom Boden ab und griff nach ihrem Schwert, welches zum Glück noch vor ihr lag. Mit Hilfe ihrer Waffe schaffte sie es, sich halbwegs aufzurichten.
 

„Willst du nicht lieber am Boden bleiben?“ Kizaru kam auf sie zu, seine Hände in seiner Jackentasche vergraben.
 

Nikira zwang sich, das Zittern ihrer Arme in Schach zu halten. „Und aufgeben?“, fragte sie, trotz ihrer Lage, grinsend. „Bestimmt nicht.“
 

Der Admiral verzog kaum merklich seine Lippen. Anscheinend gefiel ihm ihre Antwort nicht. Doch er kam gar nicht dazu, etwas zu erwidern. Stattdessen richteten sich seine Augen hinter dem Glas nach oben und auch die Rothaarige wurde durch ein lautes Geräusch abgelenkt. Sie folgte seinem Blick. Das Schafott zerbrach.
 

Mit großen Schritten ging sie weiter nach vorne. Dabei zog sich ein heftiger Schmerz an ihrem Rücken nach oben und auch ihre Kopfverletzung verursachte einen unangenehmen Stich. Verflucht, dachte sie sich, als hinter ihr große Holzteile zu Boden fielen. Kizaru war zu ihrem Glück bereits verschwunden. Den hätte sie nicht auch noch gebrauchen können.
 

Nikira schluckte die Schmerzen hinunter und sprang schließlich nach vorne. Mit ihren Armen schützte sie sich, auch wenn es nicht helfen würde, sollte sie wirklich etwas treffen. Sie betete stumm, dass sie das heil überstehen würde und als der Krach schließlich vorüber war, drehte sie sich auf den Rücken und starrte nach oben. Ihr Herz raste und ihre Atmung ging schnell. Jede einzelne Stelle ihres Körpers brannte und dennoch musste sie grinsen. Sie legte ihre Hand auf ihre Stirn und langsam wurde das anfängliche Grinsen zu einem leisen Lachen.
 

„Diese Idioten“, murmelte sie, als sie Ace und Ruffy sah, die gemeinsam aus einem riesigen Feuerball sprangen.
 

~*~
 

This Is War - All Or Nothing

Die Erleichterung, die sie verspürte, war kaum in Worte zu fassen. Ace war nicht mehr auf dem Schafott gefangen. Sie wusste nicht, wie lange sie den Anblick noch ertragen hätte. Jetzt, für einen kurzen Moment, konnte sie nicht anders, als die Kämpfe und Geräusche um sie herum auszublenden und einfach nur glücklich zu sein. Sie alle hatten das noch lange nicht überstanden, aber die Hoffnung stieg gewaltig. Ace war frei und kämpfte nun an der Seite seines Bruders. Es war einfach unglaublich.
 

Dennoch konnte sie nicht ewig den Erfolg genießen. Es war noch nicht vorbei. Mühsam erhob sie sich von dem Boden und sah zu den beiden Brüdern. Sie konnte bei dem eingespielten Team nur lächeln. Auch wenn in ihnen nicht dasselbe Blut floss, so waren sie eine Familie.
 

„Nikira“, ertönte plötzlich eine distanzierte Stimme und riss sie aus ihren Gedanken.
 

Ihre Augen huschten zu der Person. Bei dem Anblick runzelte sie ihre Stirn. „Kito, ich hätte nicht gedacht, dass du an der Front kämpfst.“ Der Junge von damals, der ihr gut in Erinnerung geblieben war, stand zittrig vor ihr und sah aus, als würde er jeden Moment umkippen. Im Allgemeinen wirkte er sehr mitgenommen.
 

„J-Ja. Ich habe mich freiwillig dafür gemeldet.“ Seine Worte strotzten vor Stolz.
 

Darüber musste die 18-Jährige seufzen. „Ziemlich dumm von dir.“ Abgesehen davon, dass unzählige Blessuren seinen Körper zierten, war er recht blass im Gesicht. Außerdem hatte er keine Waffe bei sich. Stattdessen umklammerte er seinen linken Unterarm mit der rechten Hand.
 

„Wieso? Weil ich für die richtige Sache kämpfen möchte?“ Trotzig starrte er sie an.
 

Nikira verdrehte die Augen. „Nein, weil du in den hinteren Reihen besser aufgehoben bist. Diese Piraten, gegen die du kämpfst, sind eine Nummer zu groß für dich.“
 

„Also du auch? Du gehörst doch zu ihnen, oder etwa nicht?“ Mit einem abwertenden Blick betrachtete er sie.
 

„Kito...“, fing sie an, wurde aber unwirsch von ihm unterbrochen: „Nein! Hör auf mich so anzusehen! Du hast die Seite gewechselt und nun bist du mein Feind. Also verhalte dich auch so!“
 

„Ich werde nicht gegen die kämpfen, falls du das meinst“, meinte Nikira hart. Schon gar nicht, wenn er unbewaffnet war.
 

„Wieso? Weil es nicht gerecht ist?“ Er machte eine Anspielung auf den Leitsatz der Marine und forderte sie damit heraus, doch sie würde nicht darauf eingehen.
 

Die Rothaarige verzog kaum merklich das Gesicht und ging auf ihn zu. Ihre Schwertspitze zeigte nach unten. Kito biss seine Zähne zusammen, als die junge Frau direkt neben ihm zum Stehen kam. „Gerechtigkeit ist nicht falsch, aber der Weg dorthin kann es sein.“ Sie hoffte, dass er nicht die Augen vor den Handlungen der Marine verschloss und irgendwann verstand, dass sie nur eine Schachfigur in den Händen der Weltregierung war.
 

Der Junge reagierte äußerlich kaum auf ihre Worte, sondern starrte einfach vor sich hin. Sie spürte, wie er ihr nachsah, als sie an ihm vorbeiging und ihn hinter sich ließ. Nikira hatte nicht lange Zeit sich darüber Gedanken zu machen, denn ihre Aufmerksamkeit musste sie zur Gänze wieder auf ihre Umgebung richten. Für eine kurze Zeit hatte sie eine Pause von Angriffen, aber das sollte sich jetzt wieder ändern. Sie hielt ihr Schwert nach oben und sah zu den einzelnen Soldaten, die sie wachsam anstarrten. Dieses Mal war sie es, die zuerst in die Offensive ging.
 

Sie wusste nicht, wie viele Angriffe sie abgewehrt und wie viele Gegner sie bis jetzt erledigt hatte. Es mussten viele gewesen sein und langsam hatte sie genug. Ihr Körper meldete sich bei jeder noch so kleinen Bewegung und der Schnitt auf ihrem Arm wollte nicht aufhören zu bluten. Hinzu kamen ihre Rippen, von denen einige bestimmt geprellt waren.
 

Zähneknirschend wich sie einem Schwerthieb aus, übersah allerdings den Schlag eines anderen Mannes. Er traf sie im Gesicht und durch die Wucht taumelte sie nach hinten. Sie fuhr sich mit dem Handrücken über die Lippen, um die rote Flüssigkeit loszuwerden. Anschließend spuckte sie das Blut, welches sich in ihrem Mund gesammelt hatte, unwirsch auf den Boden.

Der Griff um ihr Schwert wurde fester. Sie würde nicht aufgeben. Das hatte sie sich heute bereits so oft geschworen und daran würde sie sich halten. Sie holte tief Luft, bereit weit über ihre Grenzen zu gehen. Die Soldaten um sie herum warfen sich selbstsichere Blicke zu. Sie alle sahen ihre Verletzungen und rechneten sich große Chancen aus. Nikira gab es nur ungern zu, aber im Moment sah es wirklich nicht gut für sie aus. Angestrengt versuchte sie sich eine Taktik zurecht zu legen, aber aufgrund ihrer Kopfschmerzen fiel es ihr schwer, sich zu konzentrieren.
 

Kurz kam ihr der Gedanke, sich einfach zurückzuziehen, damit sie diesen unbedeutenden, kleinen Kämpfen entging, aber sie war oft genug davongelaufen. Sie würde es nicht wieder tun. Stattdessen ignorierte sie abermals ihre Schmerzen und machte sich kampfbereit. Unzählige Augenpaare sahen sie wachsam und überzeugt an. Eine paar Männer wollten den ersten Angriff starten, doch plötzlich änderte sich ihr Gesichtsausdruck und statt nach vorne zu preschen, machten sie teilweise verängstigt einen Schritt nach hinten. Nikira schien zuerst überrascht, aber als sie diese Präsenz spürte, wurde ihr klar, weshalb sie so reagierten. Kaum merklich weiteten sich ihre Augen und ihr Körper verkrampfte sich. Sie drehte sich um, hielt allerdings ihren Arm vor das Gesicht, als eine gewaltige Feuerwand an ihr vorbeirauschte. Es war so nah, dass sich die Luft um sie herum erhitzte und ihr für kurze Zeit das Atmen erschwerte.
 

Zwischen dem Geschrei der Marinemänner, die der Attacke nicht entkommen konnten, vernahm sie eine wütende Stimme: „Ihr hättet ihr nicht weh tun sollen.“
 

Die 18-Jährige wirkte kraftlos, als sie langsam ihren Arm senkte und ihr Blick den der Feuerfaust traf. Dennoch spürte sie klar und deutlich ihr Herz, welches verräterisch und voller Freude auf und ab hüpfte. „Ace“, hauchte sie fassungslos. Der Lärm um sie herum war enorm und die Soldaten waren aktiv wie zu Beginn, aber darüber dachte sie nicht nach. Alles was zählte, war Ace. Und auch wenn sein Gesichtsausdruck ernst war und sie nicht wusste, wie es in seinem Inneren aussah, konnte sie nur schwer ihre Tränen zurückhalten. Ohne zu zögern und mit großen Schritten überbrückte sie den geringen Abstand zwischen ihnen.
 

Nikira schloss ihn beinahe hektisch in eine Umarmung, als hätte sie Angst, dass er jeden Moment verschwinden würde. Fest drückte sie ihr Gesicht in seine Halsbeuge und schloss die Augen. All die Gefühle, die sie verspürte, waren überwältigend. Es fühlte sich so unheimlich gut und ein kleiner Teil von ihr konnte es noch immer nicht glauben, dass sie ihm wieder so nahe sein konnte. Nahezu hilflos klammerte sie sich an ihn und realisierte kaum, wie er ihre Umarmung erwiderte. Verräterische Tränen suchten ihren Weg aus den geschlossenen Augen und fanden ihn auch. So sehr sie versuchte sie zurückzuhalten, es wollte ihr nicht gelingen. Genauso wenig konnte sie ihn loslassen. Sie wusste, dass sie sich auf einem Schlachtfeld befanden, aber alles in ihr sträubte sich dagegen. Auch ihr Herz schlug voller Freude in ihrer Brust und wollte ihm am liebsten für immer so nahe sein.
 

„Ich bin so froh, dass es dir gut geht“, murmelte sie und genoss die Geborgenheit, die mit dieser Umarmung einherging. Ein letztes Mal drückte sie sich an ihn und verinnerlichte das Gefühl dieser Umarmung, ehe sie sich widerwillig von ihm löste. Sie blinzelte ihre Tränen weg und ging zaghaft ein paar Schritte nach hinten, noch nicht ganz sicher, wie sie sich jetzt verhalten sollte. Sie schenkte ihm ein schwaches Lächeln, welches allerdings verschwand, als sie seine verärgerte Miene sah.
 

Er betrachtete ihre Wunden. „Du bist verletzt.“ Sein Blick hatte etwas Bitteres, als er in ihre Augen sah. „Meinetwegen.“
 

Nikira griff sich aus Reflex an den Schnitt auf dem Arm und betrachtete das teilweise getrocknete Blut. Die Verletzung sah nicht sonderlich gut aus und würde sich entzünden, wenn sie nicht behandelt werden würde, aber das interessierte sie absolut nicht. Mit festem Blick hob sie ihren Kopf. Sie kannte ihn mittlerweile gut genug, um zu erkennen, dass der Selbsthass in ihm zurückkam. „All meine Verletzungen habe ich meiner Unachtsamkeit zu verdanken, Ace. Gib dir nicht die Schuld daran.“
 

Der Schwarzhaarige musterte sie unzufrieden, ehe er auf sie zu ging und kurz vor ihr stoppte. Er hob seinen Arm und fuhr mit seinem Finger über einen kleinen Schnitt über ihrem Auge. „Ich will einfach nicht, dass dir jemand wehtut“, meinte er leise.
 

Die Stelle, an der er sie berührte, brannte, aber nicht aufgrund der Wunde. Sie musste lächeln. „Ich weiß wie du dich fühlst.“ Sie dachte an den Anblick, als sie ihn, übersät mit unzähligen Verletzungen, in der Zelle gesehen hatte. Es hatte sie so wütend und gleichzeitig so traurig gemacht. Die Situation war neu für sie gewesen, aber das Schlimmste daran war, dass sie nichts dagegen hätte tun können. Jetzt war das anders und deshalb bedauerte sie keine einzigen Kratzer.
 

Nikira griff nach seiner Hand, die an ihrer Wange ruhte. „Ich muss...“ Sie unterbrach sich selbst und sah von ihren Händen auf ihr Schwert, welches noch immer in ihrer rechten Hand lag. „Wenn das alles vorbei ist, muss ich dir etwas sagen.“ Im Moment war nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Genau genommen war es ein gänzlich unpassender Moment.
 

„Gut, dann lass uns das schnell hinter uns bringen“, meinte Ace ernst, zog seine Hand zurück und betrachtete die Schar an Soldaten um sie herum.
 

Sie grinste, als sie die Flammen sah, die auf seinem Arm herumtanzten. „Liebend gerne.“ Sie drehte sich um, sodass ihr Rücken beinahe den des Piraten berührte. In der kurzen Zeit hatten sich viele Männer der Marine versammelt. Auch höherrangige Mitglieder waren dabei. Es würde anstrengend werden, doch mit Ace an ihrer Seite fühlte sie sich sicher.

Im Kampf waren sie noch lange kein so eingespieltes Team wie Ruffy und er, aber sie schlugen sich gut. Während Ace meist auf seine Teufelskräfte zurückgriff, nutzte Nikira ihre Schnelligkeit und ihr strategisches Wissen. Damit versuchte sie gezielt den Schwarzhaarigen zu unterstützen. Zusätzlich musste sie sich nicht immer auf ihr Haki konzentrieren, was ihrem Kopf ziemlich guttat. Sie hatten einige Gegner ausgeschaltet, als plötzlich die Stimme von Whitebeard ertönte. Seine Worte gingen Nikira durch Mark und Bein.
 

Hastig drehte sie sich noch in ihrem Schwerthieb zu Ace, der geschockt zu dem Kaiser sah. Fassungslos rief er seinen Namen, wie viele aus seiner Crew. Die Rothaarige schluckte. Das konnte doch nicht sein Ernst sein? Ace warf ihr einen Blick zu, den sie noch nie bei ihm gesehen hatte. Er schien hilflos und das tat ihr weh.
 

„Geh, Ace. Ich schaff das hier auch alleine“, meinte sie deshalb nur. Er zögerte kurz, nickte daraufhin und machte sich auf den Weg zu dem alten Mann, der sich tatsächlich für die Whitebeard-Piraten opfern wollte. Verbissen kämpfte sie weiter, obwohl sie lieber dem Kaiser für seine idiotische Idee eine verpasst hätte. Es war schwer den Geschehnissen zu folgen, wenn sie von Soldaten beansprucht wurde, aber sie konnte sehen, wie Ace vor ihm auf die Knie ging.
 

Nikira duckte sich unter einem Schlag hinweg und kämpfte sich durch die Menge, um näher bei den Piraten zu sein, aber was sie sah, gefiel ihr ganz und gar nicht. Sakazuki mischte sich ein und seine Worte verursachten unbändige Wut in ihr. Wie konnte er behaupten, dass Whitebeard ein Versager war? Er war so viel besser, als alle anderen. Er war so viel besser, als ihr Vater. Rasend schnitt sie einem Soldaten die Seite auf. Ace reagierte sofort und stellte sich ihm in den Weg. Ihr war klar, dass ihr Vater nur provozieren wollte und dennoch konnte sie sich nicht zurückhalten.
 

„Halt die Klappe!“, schrie Nikira zur Überraschung aller. „Du hast nicht das Recht ihn Versager zu nennen!“ Sie biss ihr Kiefer so fest aufeinander, dass es wehtat. Seine Worte hatten bei der Rothaarigen einen Schalter umgelegt. Ihre Beziehung zu Whitebeard war nicht so eng wie von Ace, aber er bedeutete ihr ebenfalls viel, weshalb ihr Vater sie mit seiner Aussage so unheimlich wütend machte. Schnell atmend blieb sie stehen. In ihrem Blick spiegelte sich pure Verachtung wider, als sie ihre Stimme gegen den Admiral erhob: „Du bist derjenige, der für seine verdammte Gerechtigkeit über Leichen geht und dabei keinen Unterschied zwischen Zivilisten und Piraten macht. Dabei machst du nicht mal halt vor deiner eigenen Familie! Also nenne Whitebeard nicht Versager, denn er ist ein besserer Mensch und Vater als du es je sein könntest.“ Sie strafte ihre Schultern und spuckte die nächsten Wörter förmlich auf den Boden: „Der einzige Versager hier bist du!“
 

Die Rothaarige ignorierte die Blicke, die man ihr zuwarf und nahm ihre Augen nicht von ihrem Vater. Ihr war nicht klar, was sie mit ihren Worten anrichtete, denn bereits jetzt machten sich viele über den Teil mit den Zivilisten und Piraten Gedanken. Auch die Whitebeard-Piraten waren überrascht über ihren Gefühlsausbruch. Jedoch nahmen sie ihre Aussage positiv auf. Allen voran Ace und Whitebeard, die beide ein Lächeln im Gesicht hatten.

Der Schwarzhaarige wandte sich zu dem Admiral. Zu sagen, dass dieser verärgert über ihre Worte war, war untertrieben. Sein Körper war angespannt und sein Gesicht vor Wut verzerrt.
 

„Du willst also einem Mann folgen, der seit Jahrzehnten herumsegelt, ohne etwas erreicht zu haben? Der sein Leben für seine Söhne opfert, obwohl diese nur Abschaum sind? Wie töricht, dass du nicht siehst, wie wertlos das Leben von Edward Newgate ist“, rief Akainu verärgert und überzog seinen Arm mit Magma.

Obwohl seine Worte hauptsächlich an seine Tochter gerichtet waren, antwortete Ace: „Sei still! Die Marine hat doch keine Ahnung, was Whitebeard alles für uns getan hat! Er gibt uns ein Zuhause!“ Wie auch Akainu aktivierte der Pirat seine Kräfte. Zum Teil in Flammen gehüllt, stand er mit geballten Fäusten da.
 

Sakazuki schnaubte abfällig. „Whitebeard ist ein Nichts! Ein Niemand, der hier sterben wird!“
 

Er hat diese Ära der Piraten erschaffen! Und der Name dieser Ära lautet Whitebeard*!“ Beide setzten sich zur selben Zeit in Bewegung. Feuer traf auf Magma und verursachte eine enorme Hitzewelle, die über den Platz hinwegfegte.
 

„Ace!“, flüsterte Nikira entgeistert. Er hielt sich die Seite und versuchte sich aufzurichten. Die Kraft des Admirals war dem Feuer überlegen, weshalb eine große Brandwunde zu sehen war. Die Rothaarige wusste indes nicht, was sie tun sollte. Während ihre Gedanken sich überschlugen, musste sie weiterkämpfen, denn die Soldaten dachten nicht daran, sie zur Ruhe kommen zu lassen. Dennoch versuchte sie Sakazuki nicht aus den Augen zu lassen, der voller Verachtung auf Gol D. Rogers Sohn hinabblickte.
 

„Ihr beide habt der Welt genug Ärger bereitet. Ich werde nicht zulassen, dass ihr hier lebend wegkommt.“ Mit einem Blick, der ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ, fixierte er plötzlich den Strohhutjungen. Dieser schien von etwas abgelenkt worden zu sein. Er griff abwesend nach etwas. Nein…, dachte sie sich schockiert. Es kam ihr vor, als würde alles um sie herum plötzlich in Zeitlupe passieren. Sie reagierte aus dem Affekt heraus, machte einen Schritt nach vorne und zuckte zusammen, als ein stechender Schmerz ihre Seite hinaufzog. Zerknirscht griff sie auf ihr Bein. Sie hatte keine Zeit dafür.
 

Akainu holte aus, doch statt Ace anzugreifen, lenkte er seinen Angriff auf Ruffy, der nichts ahnend auf dem Boden kniete. Nikira sah zu Ace, der panisch den Namen seines Bruders rief und nach vorne lief. Sie wusste noch in derselben Sekunde, was ihm durch den Kopf ging. „Nicht!“, krächzte sie verzweifelt. Sie biss ihre Zähne zusammen und setzte zügig einen Fuß vor den anderen. Immer wieder tauchten Bilder vor ihren Augen auf. Bilder, die sie leiden ließen. Bilder, die ihr Herz in tausend Stücke zerrissen.
 

Energisch stieß sie jemanden zu Seite, taumelte kurz und fing sich schnell wieder. Es war nicht mehr weit. Nur noch wenige Meter. Sie streckte ihren Arm nach den beiden Piraten aus. All die Geräusche um sie herum verschwanden. Nur das Rauschen ihres Blutes und das Schlagen ihres Herzens war zu hören. Sie sah ihren Vater, der mit harter Miene seinem Ziel so nahe war. Sie sah Ace, der sein Leben für seinen kleinen Bruder geben würde. Sie sah Ruffy, der mit seinen naiven Augen langsam realisierte, was hier passierte.
 

Sie wusste, dass sie schnell war, aber würde es reichen? Was, wenn sie zu spät kommen würde? Mit diesem Gedanken legte sie ihre gesamte Kraft in die letzten Meter, die sie von ihrem Vater und den zwei Schwarzhaarigen trennten. Es ging so schnell, dass sie kaum Zeit hatte, über ihre Handlung nachzudenken. Sie kniff die Augen zusammen, sprang nach vorne und riss Ace und Ruffy mit sich. Der Aufprall, der folgte, war hart und schmerzhaft. Ihre linke Gesichtshälfte brannte und ihre Lippe war aufgeplatzt, aber das war nicht von Belang. Nikira rappelte sich stöhnend auf und sah zu Ace, der es ihr gleichtat.
 

„Alles klar bei euch?“, fragte sie murmelnd und warf einen schnellen Blick zu Ruffy. Der Gummimensch hielt sich perplex den Kopf, obwohl ihm der Zusammenstoß mit dem Boden nicht viel ausmachen sollte.
 

Die Rothaarige wartete nicht auf eine Antwort, sondern drehte sich zu dem Admiral. Vor ihm klaffte ein kleiner Krater. An jener Stelle, an der die beiden Piraten kurz zuvor noch gestanden waren. Obwohl sie alles andere als in der Verfassung war, nochmal gegen ihn zu kämpfen, erhob sie ihr Schwert. Ihr Arm zitterte, doch das würde sie nicht davon abhalten, Ace und Ruffy zu schützen.
 

„Wie kannst du es wagen, dich in meinen Weg zu stellen?“, sagte er gefährlich leise.
 

Nikira warf ihm einen finsteren Blick zu. „Das fragst du dich wirklich? Ich werde nicht zulassen, dass du ihnen etwas antust! “ Der Griff um ihr Schwert wurde fester.
 

„Wenn das deine letzten Worte sind, werde ich höchstpersönlich dafür sorgen, dass du Marineford nicht verlässt.“ Akainu hob seinen Arm, mit der Absicht, zum letzten Mal gegen seine eigene Tochter zu kämpfen. Sie war dafür bereit. Auch wenn sie körperlich am Rande ihrer Grenzen war. Entschlossen ging sie in Angriffsposition, doch zu einem Kampf sollte es nicht kommen. Whitebeard war aufgetaucht.
 

„Lauft zum Schiff und verschwindet von hier!“ Er gab ihnen einen Befehl und griff Akainu daraufhin frontal an. Die 18-Jährige schluckte und betrachtete konfus, wie er den Admiral mit ganzer Kraft traf, sodass dieser auf den Boden prallte. Ihr Vater reagierte schnell und setzte seine Teufelskraft ein. Das Gesicht des alten Mannes wurde getroffen und zur Hälfte weggebrannt.
 

Geschockt machte die junge Frau einen Schritt nach hinten. „Whitebeard“, murmelte sie leise seinen Namen. Das würde er nicht überstehen. Sie wollte eingreifen, wurde jedoch zurückgehalten. Hilflos sah sie zu Ace, der mit einer ernsten Miene den Kampf betrachtete.
 

„Wir sollten uns beeilen.“ Seine Stimme klang tonlos. Er war über das Eingreifen des Kaisers verärgert.
 

Energisch drehte sie sich zu den zwei Piraten. „Aber wir können ihn nicht zurücklassen! Er wird das nicht überleben!“ Sie konnte nicht zulassen, dass er hier starb!
 

„Befehl ist Befehl“, kam es überraschend ernst von dem Strohhutjungen. Sie sah von dem Jüngeren zu Whitebeard. Dieser nutzte ebenfalls seine Kraft. Eine gewaltige Druckwelle ging von seinem Schlag aus und zog sich über den gesamten Platz. Sie schlug gegen die Mauer der Basis und zerstörte diese mit Leichtigkeit. Der Boden bebte, spaltete sich und trennte die Piraten von ihrem Käpt’n und dem Großteil der Soldaten.
 

„Was steht ihr hier noch herum? Geht zum Schiff!“ Marco war neben ihnen aufgetaucht und sah angespannt aus.
 

Nikira sah zu Whitebeard, dessen Leben mehr und mehr aus seinem Körper schwand. Es fiel ihr schwer, ihm nicht zu helfen. Er hatte so viel für sie getan und jetzt, wo er ihr endlich vergeben hatte, sollte alles vorbei sein. Sie biss sich bei dem Gedanken fest auf die Lippen. Schweren Herzens wollte sie Marcos Aufforderung Folge leisten, als plötzlich ein abscheuliches Lachen ertönte. Sie stockte und riss ihre Augen auf. Sie kannte dieses Geräusch nur allzu gut. Verkrampft richtete sie ihren Blick auf das Schafott. Blackbeard saß mit anderen Verbrechern auf der Erhöhung und grinste auf alle herab. Bei dem Anblick dachte sie daran, was er Thatch angetan hatte und enorme Wut machte sich in ihr breit. Sie rammte ihre Nägel so tief in ihre Handinnenfläche, dass sie blutete. Angespannt wandte sie sich zu Ace, dessen Gesicht ihre Gefühle widerspiegelte.
 

„Dieser verdammte Mistkerl!“, zischte dieser und wollte nach vorne stürmen, doch Marco hielt ihn zurück.
 

„Reiß dich zusammen, Ace. Es wäre dumm, ihn jetzt anzugreifen.“ Der Blonde sah ihn ernst an, sich dessen bewusst, welch Hitzkopf der Jüngere sein konnte.
 

„Das ist mir egal!“ Energisch versuchte er sich loszureißen. „Der Tod ist das mindeste, was er verdient hat.“ Unwirsch schon er seinen Vize zur Seite.
 

Auch wenn sie verstehen konnte, wie er sich fühlte, wollte sie nicht zulassen, dass er sich in einen lebensgefährlichen Kampf stürzte. Sie ergriff sein Handgelenk und stoppte ihn von seinem Vorhaben. „Jeder von uns will ihn tot sehen, aber Blackbeard ist stark und nicht alleine. Ihn jetzt anzugreifen, wäre der reinste Selbstmord und ich...wir wollen dich nicht verlieren. Nicht, nachdem wir dich gerade erst zurückhaben“, meinte sie eindringlich.
 

Ace sah von der Hand der Rothaarigen, die beinahe sanft um sein Handgelenk lag und kleine Blitze durch seinen gesamten Körper schickte, zu ihrem Gesicht. Sie wirkte mit ihren Schrammen und dem bittenden Ausdruck so unglaublich verletzlich, dass er nicht anders konnte, als nachgiebig seine Schultern zu senkte. Auch wenn er nur ungern zugab, dass Marco und Nikira recht hatten, einen weiteren Kampf gegen Blackbeard würde er nicht überleben. Verbissen sah er zu Whitebeard, der sich trotz seinen Verletzungen nicht zurückhielt. Der Käpt‘n griff Teach an und zerstörte mit seiner gewaltigen Kraft das gesamte Schafott.
 

„Gehen wir.“ Marco hatte bemerkt, dass der Schwarzhaarige von seinem Vorhaben abgesehen hatte und wollte von hier verschwinden. Auch wenn es ihm und allen Crewmitgliedern schwerfiel Pops nicht zur Seite zu stehen, mussten sie hier weg. Er schluckte und wandte sich von Whitebeard ab, der sie mit seinem Leben beschützte.
 

Ace nahm wahr, wie sein Vize an ihm vorbeiging. Er ballte seine linke Hand zu einer Faust und sah zu seinem Vater. Alles in ihm sträubte sich dagegen, ihn zurückzulassen. Es war nicht richtig und doch war ihm klar, dass sich die Lebensspanne des Kaisers bereits vor dem Krieg dem Ende zugeneigt hatte. Würde er das überleben, hätte er vermutlich nur noch wenige Wochen zu leben. Er würde leiden und vor lauter Schmerzen seine Kajüte nicht mehr verlassen können. Dieser Gedanke half ihm begrenzt, sich nicht dem Befehl zu widersetzen. Deshalb schloss er für einen Moment seine Augen, ehe er sich zu der Rothaarigen wandte. Er zog seinen Arm zurück und nahm stattdessen ihre Hand in seine. „Lass uns von hier verschwinden.“
 

Nikira sah ihn überrascht an. Sie hätte nicht damit gerechnet, weshalb sie ihm einen verwirrten Blick zuwarf. Außerdem brachte sie seine Berührung durcheinander. „Okay“, murmelte sie deshalb leise und sah zu Ruffy, der die ganze Zeit über stumm neben ihnen gestanden war und sich kaum auf den Beinen halten konnte.
 

Ace nickte seinem Bruder zu, der sofort verstand und Richtung Schiff lief. Er tat es ihm gleich und zog die 18-Jährige mit sich, die nur langsam realisierte, was gerade passierte. Sie sah auf ihrer Hand, die der Schwarzhaarige noch immer fest umklammerte. Das Adrenalin schoss durch ihren Körper und trieb sie an. Ihre Augen richteten sich auf das Schiff, welches wenige Meter vor ihnen war. Ihr Herz schlug schnell, denn es spürte die Hoffnung, die der Anblick erschuf.
 

Hinter ihr vernahm sie Whitebeards Stimme, die sich an seinen ehemaligen Sohn und an die Marine richtete und auch seine letzten Worte: „Das One Piece existiert**!“
 

Nikira sah über ihre Schulter. Trotz der Tatsache, dass sie den weiteren Weg ohne Whitebeard bestreiten mussten, schlich sich ein kleines Lächeln auf ihr Gesicht. Sie wusste genau, was seine Worte bei der Marine und in der gesamten Welt auslöste. Aus diesem Grund warf sie einen Blick auf die drei Admiräle. Ihr Vater hatte die Kappe tief ins Gesicht gezogen, Aokiji betrachtete den Kaiser mit einer nachdenklichen Miene und Kizaru schenkte ihr zur Gänze seine Aufmerksamkeit.
 

Seine Augen fixierten sie mit einer Kälte, die ihr einen Schauer über den Rücken laufen ließ. Er hatte seinen Arm erhoben und das grelle Licht seiner Teufelskraft blendete sie trotz der Entfernung. Ihr Lächeln erlosch, als sie ihren Kopf wieder zu dem Piraten drehte. Sie öffnete ihren Mund, doch sie kam nicht dazu, etwas zu sagen. Ihre Hand glitt aus Ace‘, als sie taumelte und schließlich stehenblieb. Sie senkte ihren Kopf und hob langsam ihre Arme. Mit großen Augen legte sie ihre Hände auf ihren Bauch. Der Schmerz, welcher wie aus dem Nichts gekommen war, raubte ihr den Atem.
 

Die Geräusche um sie herum wurden plötzlich dumpf und die Übelkeit kam zurück. Blinzelnd sah sie das Rot, das sich beängstigend schnell ausbreitete und ihr weißes, dreckiges Shirt zunehmend verfärbte. Ihre Finger zitterten stark, als sie mit verklärter Sicht ihre blutigen Hände wieder von der Wunde nahm und betrachtete. Eine Stimme drang zu ihr durch, doch es war nur ein leises Surren in der Ferne. Verwirrt sah sie auf. Ace hatte sich zu ihr umgedreht und sie bei den Schultern gepackt. Er rief ihr etwas zu, aber egal wie sehr sie sich anstrenge, sie konnte es nicht verstehen. Selbst das warme Gefühl bei seiner Berührung blieb aus. Stattdessen übernahm die Taubheit von ihrem Körper Besitz.

Ein verzweifelter Laut verließ ihre Mund und mit dem letzten Rest ihrer Kraft hob sie ihren Arm. Sie legte ihre Hand auf die Stelle seiner Brust, unter der sein Herz schlug. Der Geschmack von Blut bildete sich in ihrem Mund und ihre Beine gaben nach. Ace fing sie auf und drückte sie an sich. Nikira hatte Mühe ihre Augen offen zu halten und jeder Atemzug fügte ihr weitere Schmerzen zu. Mit aller Kraft wehrte sie sich gegen die Schwärze.
 

Sie hatte gesagt, dass es okay war. Es war okay für die richtige Sache zu sterben. Sie würde es hinnehmen, wenn es so kommen sollte. Aber jetzt? Jetzt wollte sie es nicht hinnehmen, denn sie hatte einen Grund zu leben und der war direkt vor ihr. Sie wollte nicht sterben. Nicht jetzt, nicht hier. Nicht bevor sie Ace gesagt hatte, was er ihr bedeutete.
 

Sie spürte die Dunkelheit, die an ihr zerrte. „A-Ace...“, nuschelte sie leise und verschluckte sich an ihrem Blut. Die Schmerzen, die seit geraumer Zeit so allgegenwärtig waren, verblassten nach und nach. Sie hatte Angst. So sehr, dass sich Tränen in ihren Augen sammelten.
 

Neben dem Rauschen in ihrem Kopf, drangen weit entfernt verzweifelte Worte zu ihr durch: „Bitte...nicht.“
 

Obwohl sie nicht wollte, schloss sie die Augen. Es tat weh, dagegen anzukämpfen. Sie wollte nicht, dass es wehtat und deshalb ließ sie los. Nikira ließ los und fiel in ein tiefes Loch, aus dem es unmöglich war, zu entkommen.
 

Es tut mir leid, Ace.
 

*Originalzitat. Mangakapitel 573, Seite 12 und 13

** Originalzitat, Mangakapitel 576, Seite 12
 

~*~
 

The Right Way


 

A C E
 

Gedankenversunken starrte Ace in das prasselnde Feuer vor sich. Um ihn herum wurde getrunken, gesungen und verhalten gelacht und doch waren die Geräusche weit entfernt, als wäre er in Watte gepackt. So ging es ihm schon seit genau fünf Wochen. Es freute ihn zwar, dass die Trauer bei der Crew langsam zurückging und sie sich bemühten, zum Alltag zurückzukehren, aber er konnte das nicht. Immer wieder suchte ihn der Gedanke heim, dass er an all diesem Mist schuld war. Er war schuld, dass sein Vater und viele seiner Brüder gestorben waren und auch trug er Schuld an Nikiras schwerer Verletzung.
 

„Ace, du sitzt ja auf dem Trockenen! Hier, nimm den Sake.“ Hicks, ein Mann aus seiner Division, hielt ihm plötzlich einen Krug entgegen.
 

Der Schwarzhaarige warf dem Getränk einen nichtssagenden Blick zu. Unter normalen Umständen hätte er sofort zugegriffen, aber jetzt war es das Letzte, was er wollte. „Nein, danke. Ich habe keine Lust.“ Seine Augen richteten sich abermals auf das Feuer, die besorgten Blicke der Männer ignorierend. Wie konnte er so tun, als wäre nichts, wenn die Frau, die ihm so viel bedeutete, ohne Bewusstsein im Krankenzimmer lag? Er war nicht dumm. Wenn jemand länger als einen Monat im Koma lag, war die Wahrscheinlichkeit, dass derjenige aufwachte, sehr gering. Er wollte das aber nicht akzeptieren. Er konnte einfach nicht.
 

Der Pirat stützte seine Ellbogen auf den Knien ab. Die Gedanken in seinem Kopf explodierten förmlich und verursachten ihm Kopfschmerzen. Unruhig wippte er mit seinem Bein. Er wusste genau, dass Marco ihn mit diesem forschenden Ausdruck taxierte. Der Vize hatte ein Talent dafür, ihn zu durchschauen. Das konnte er bereits damals, als er vor drei Jahren auf die Moby Dick gekommen war.
 

„Hör auf, mich so anzusehen“, murmelte er ohne aufzusehen. „Ihr alle. Lasst das!“
 

Namur zu seiner Linken legte eine Hand auf seine Schulter. „Komm schon, Ace. Wir wollen doch nur-“, fing er versöhnlich an, doch der Schwarzhaarige schlug unwirsch seinen Arm weg. „Was? Was wolltet ihr?“ Er sprang auf und betrachtete jeden in der Runde mit einem verärgerten Blick. „Lasst mich einfach in Ruhe!“ Er drehte sich um und entfernte sich von der Gruppe. Noch in dem Moment, als er die Worte ausgesprochen hatte, bereute er sie. Ihm war bewusst, dass es nicht fair war. All seine Brüder hatten Verluste erlebt. Thatch, Whitebeard und viele andere aus der Crew mussten ihr Leben lassen. Nie wieder würden sie in den Genuss der Kochkünste des Blonden kommen und nie wieder würde Whitebeard sie Söhne nennen. Jeder hatte diese Last zu tragen und er tat so, als würde er sie alleine mit sich rumschleppen. Wie egoistisch.
 

Statt zum Schiff zu gehen, stapfte er durch den Sand der kleinen Insel. Er brauchte Abstand, damit er nicht noch mehr unüberlegte Dinge sagte. Frustriert ließ er sich fallen, platzierte seine Unterarme auf seinen Knien und starrte aufs Meer hinaus.
 

Leise Schritte erregten seine Aufmerksamkeit. „Auch wenn du mein Käpt‘n bist, galt dieses Lasst mich in Ruhe auch für dich.“ Ace hatte gewusst, das Marco ihm folgen würde.

Der Phönix verschränkte seine Arme und sah auf den Jüngeren hinab. „Ich bin nicht als Käpt‘n hier, sondern als dein bester Freund.“
 

„Und was hast du mir jetzt zu sagen? Dass ich mich zusammenreißen soll?“ Seine Stimme klang tonlos. Er hatte keine Lust mit jemandem zu reden. Schon gar nicht über seine Gefühle, die er selbst kaum beschreiben konnte.
 

„Nein. Eigentlich nicht. Von mir aus kannst du solange im Selbstmitleid versinken, wie du möchtest. Nur wird das weder Whitebeard zurückbringen, noch Nikira helfen.“

Seine Worte trafen Ace hart. Nicht, weil er es mit Gleichgültigkeit sagte, sondern weil es wahr war. Er verhielt sich idiotisch. Dessen war er sich bewusst. Wen half er schon mit diesem Verhalten? „Glaubst du, ich weiß das nicht?“, fing er schwach an. „Ich kann...ich hab keine Ahnung, wie ich damit umgehen soll. Wie machst du das? Wie kannst du so stark sein?“
 

Er warf Marco einen nahezu verzweifelten Blick zu und erinnerte den Blonden an den 17-Jährigen Piraten, der damals auf die Moby Dick gekommen war. Seufzend sah er zu dem großen Schiff. Manchmal vergaß er, dass Ace noch ein halber Junge war. „Ich bin nicht stark, Ace. Ich versuche es zwar, aber ich bin es nicht.“ Er lehnte sich gegen den großen Felsen, der hinter ihnen war. „Jeden Tag stelle ich mir die Frage, ob ich der Sache gewachsen bin. Ob ich es wert bin, in Paps‘ Fußstapfen zu treten. Alle verlassen sich auf mich, dabei tut es noch immer so weh, wie am ersten Tag.“
 

Der Schwarzhaarige sah auf. Er hatte Marco noch nie über seine Gefühle sprechen gehört. „Und wird es jemals besser?“
 

„Ich fürchte nicht.“ Er stieß sich von dem Felsen ab.
 

„Hm“, war das einzige, was er dazu sagte.
 

„Da gibt es noch etwa, über das wir reden sollten. Es geht um Nikira.“ Abwartend musterte Marco den Schwarzhaarigen, doch als er nichts erwiderte, fuhr er fort: „Ein Monat ist eine ziemlich lange Zeit. Tao hat gesagt, dass ihr Zustand unverändert ist. Vielleicht solltest du-“ „Nein!“, zischte Ace verärgert. Er wollte nicht daran denken!
 

Marco ließ sich von seinem Ausbruch nicht beirren. „Was tust du, wenn sie nicht aufwacht? Willst du dich weiterhin von jedem abschotten? Sei realistisch.“ Er wusste, dass seine Worte alles andere als nett waren, aber Ace musste der Tatsache ins Auge sehen. Sie waren noch immer auf der Grand Line und die Gefahren schonten sie nicht. Keine andere Crew würde Halt vor ihnen machen. Im Gegenteil. Jeder einzelne musste bei klarem Verstand sein. Vor allem der Junge vor ihm. Er brauchte seinen besten Freund.
 

Der Schwarzhaarige hatte sich aufgerappelt. „Sie wird nicht sterben! Das lasse ich nicht zu.“ Sein Gesicht hatte eine verbissene Miene angenommen. Man konnte ihm ansehen, dass ihm der Gedanke an ihren möglichen Tod zusetzte.
 

„Und wie willst du das verhindern, hm?“ Marcos Worte klangen zynisch.
 

Ace fuhr sich durch die Haare. „Ich...keine Ahnung. Sie wird aufwachen. Sie muss.“
 

Marcos Blick wurde hart. „Sei nicht naiv! In unserem Leben ist der Tod allgegenwärtig und Nikira hat sich für dieses Leben entschieden. So ist es nun mal.“
 

Der Jüngere biss seine Kiefer fest aufeinander und sah ihn fassungslos an. „Wie kannst du so etwas nur sagen?“
 

„Ich weiß, wie du dich fühlst, aber-“, begann er und wurde abermals von Ace unterbrochen, der ihn nach hinten stieß, sodass der Phönix taumelte. „Du hast keine Ahnung, wie es mir geht! Auch wenn du den Schmerz von Whitebeards Tod nachvollziehen kannst, weißt du nicht, wie es ist, wenn die Frau, die man liebt, einem langsam aus den Händen gleitet!“ Wütend funkelte er den Blonden an. Er war so rasend, dass es ihm schwerfiel, sich zurückzuhalten.
 

Marco hingegen war bis jetzt gefasst geblieben, aber seine Aussage änderte dies augenblicklich. Er erinnerte sich an seine Vergangenheit, die er um jeden Preis vergessen wollte . Verärgert machte er einen Schritt nach vorn und packte das Hemd, welches der 20-Jährige ausnahmsweise trug, mit beiden Händen. „Ich kenne das Gefühl besser als du denkst, also mach mir nichts vor! Ich weiß, wie weh das tun kann, aber deshalb solltest du nicht die Beherrschung verlieren, klar?“ Er stieß den Schwarzhaarigen von sich weg. „Und von nun an solltest du aufpassen, wie du mit mir sprichst. Als Käpt‘n erwartete ich mir zumindest ein bisschen Respekt von meinem Vize.“ Er seufzte, rieb sich die Stirn und wandte sich ab.
 

Zu sagen, dass Ace überrascht war, war untertrieben. Für einen Moment vergaß er den eigentlichen Grund für das Gespräch. „Was? Vize? Ich?“ Perplex sah er seinem besten Freund nach, der wieder zu den anderen ging. „Was war denn das gerade?“, murmelte er noch immer irritiert. Er schüttelte den Kopf und stieß die Luft aus. Statt Marco zu folgen, ging er zum Schiff. Er hatte einige Fragen an den Blonden. Wieso sollte er der neue Vize sein und was meinte er damit, dass er das Gefühl besser kannte, als Ace dachte? Er war so mit Grübeln beschäftigt, dass die anfängliche Aufregung langsam nachließ.
 

Auf der Moby Dick wollte er sofort in seine Kajüte gehen. Allerdings führte sein Weg beim Krankenzimmer vorbei und so kam es, dass er davor innehielt. Er haderte mit sich selbst. Einerseits wollte er zu Nikira, um wenigstens an ihrer Seite zu sein, aber andererseits war der Anblick kaum zu ertragen. Zaghaft legte er seine Hand auf die Klinke.

Ace war jeden Tag hier gewesen und hatte ihr ständig banale Dinge erzählt, weil Tao meinte, dass das helfen könnte. Jetzt musste er an Marcos Worte denken und zögerte. Was, wenn er recht hatte? Wenn sie wirklich nie wieder aufwachen würde?
 

Energisch schüttelte er den Kopf. Nein. Sie war stark. Sie würde das schaffen. Er öffnete langsam die Tür und schob sich leise in den Raum. Nur Tao war anwesend, der sofort aufsah, als er eintrat.
 

„Oh, Ace. Ich hätte heute nicht mehr mit dir gerechnet.“ Er schlug eine Akte zu und legte sein Stethoskop zu den Unterlagen auf dem Tisch.
 

„Ich...ja. Ich wollte nochmal kurz vorbeischauen.“ Matt lächelte er und warf einen Blick zu Nikira, die unverändert auf dem ersten Bett lag. Ihre Haut war unnatürlich blass und die Schläuche lösten in Ace wie immer ein unangenehmes Gefühl aus.
 

Tao sah mitfühlend zu dem Kommandanten. „Dann geh ich mal zu den anderen. Bleib nicht zu lange hier, klar? Mehr Schlaf würde dir guttun.“
 

Abwesend nickte der Schwarzhaarige und nahm gar nicht mehr wahr, wie der Schiffsarzt das Zimmer verließ. Er setzte sich auf den Sessel, der neben Nikiras Bett stand, und legte seine Unterarme auf den weichen Grund der Matratze. Seine Finger berührten die ihren, doch ihre Hand ergriff er nicht. Die Kälte, die von ihr ausging, machte ihm Angst. Deshalb hielt er sich zurück.
 

„Langsam könntest du wirklich aufwachen. Du schläfst bereits ziemlich lange, weißt du?“ Er konnte nicht verhindern, dass er leicht verärgert klang und auch wenn sie nicht antworten konnte, sprach er weiter: „Marco ist der Meinung, dass du nicht mehr wachwerden wirst. Ich sehe das anders. Du bist stark. Stärker als viele, die ich kenne.“ Ace spielte mit dem Rand der Bettdecke. „Deshalb hattest du damals auch unrecht. Im Vergleich zu dir bin ich schwach. Du hast dich gegen deinen Vater und deine Vergangenheit gestellt. Wie viele können das schon von sich behaupten?“ Seine Hand legte sich schließlich doch auf die von Nikira, obwohl ein kurzer Schauer über seinen Rücken lief. Fest umklammerte er ihre Finger. „Ich vermisse dich. Alles an dir. Deine mürrische Art. Dein Blick, wenn dich jemand Kleine nennt. Dein Grinsen, wenn sich jemand zum Deppen macht. Dein Augenverdrehen, wenn du genervt bist. Mir fehlt einfach alles an dir.“ Er seufzte und lauschte für einen Moment dem ruhigen Piepen des Monitors zu seiner Rechten. Ihr Brustkorb hob und senkte sich kaum merklich und war mit dem Gerät ihr einziger Lebensbeweis.
 

„Ich konnte es dir noch nicht sagen, aber ich bin schon lange nicht mehr wütend auf dich. Mag sein, dass du uns angelogen hast, aber wenn du nicht auf die Moby gekommen wärst, hätte ich dich nie getroffen. So gesehen sollte ich der Marine sogar dankbar sein.“ Leise lachte er über seine absurde Aussage, wurde aber schnell wieder ernst. „Komm bitte zurück. Ich brauche dich an meiner Seite.“ Er drückte leicht ihre Hand und betrachtete gedankenverloren die Infusion, die in ihren Handrücken führte.
 

Plötzlich vernahm er eine Regung bei ihren Fingern. Ruckartig hatte er sich aufgerichtet und starrte abwechselnd von ihrem Gesicht zu dem Ausgangspunkt der Bewegung. Er war sich nicht sicher, ob es nicht doch nur eine Einbildung gewesen war. „Nikira?“ Sein Herz raste vor Adrenalin. War es endlich soweit? Hatte sich die Warterei gelohnt? Gespannt wartete er auf eine weitere Reaktion. Er musste sich zusammenreißen, um nicht auf seinem Platz herumzurutschen. „Komm schon“, murmelte er ungeduldig und bittend. Er rüttelte ein wenig an ihrem Arm und wartete wieder, doch je länger nichts passierte, desto enttäuschter wurde er. War es doch nur ein Wunschdenken? Die Sekunden verstrichen, in denen sich nichts tat und die aufgekeimte Hoffnung wieder verschwand. Er ließ die Schultern sinken. Tatsächlich. Nur Einbildung.
 

Leicht frustriert zog Ace seine Hand zurück und stand auf. Seine Augen fixierten abermals ihr Gesicht. Alles beim Alten. Diese Tatsache machte ihn wütend, sodass er seine Hände zu Fäuste ballte. Allerdings entspannte er sich schnell wieder. Er schloss seine Lider und prompt schossen ihm Marcos Worte durch den Kopf:
 

Was tust du, wenn sie nicht aufwacht?
 

Ja, was würde er tun? Er hatte noch nicht darüber nachgedacht. Vermutlich würde er irgendwann anfangen, mit ihrem Verlust zu leben. Irgendwie.
 

Ob er sie jemals vergessen würde? Nein. Wie könnte er die Frau vergessen, die sein Herz erobert hatte?
 

Ace öffnete seine Augen und sah auf die junge Frau herab. Nach wie vor keine Veränderung. Sie wirkte noch immer unecht. Wie ein Geist.
 

Er fuhr sich über das Gesicht. Mittlerweile waren die nahezu schlaflosen Nächte deutlich spürbar. Langsam ging er nochmal auf das Bett zu und legte sachte seine Hand auf ihre Stirn. Kalt, wie erwartet.
 

„Gib nicht auf, okay? Ich weiß nicht, wie lange ich das noch aushalte.“ Er strich ihr ein letztes Mal die Haare aus dem Gesicht, bevor er sich von ihr abwandte und aus dem Raum verschwand.
 

N I K I R A
 

Alles was Nikira sah, war Schwärze. Beängstigende Dunkelheit, die sie vollends umgab und die sie nicht mehr loslassen wollte. Die Zeit war verstrichen. Keine Ahnung, wie lange sie bereits in diesem Raum aus Nichts gefangen war. Sie lag auf dem schwarzen Boden und starrte auf die schwarze Decke. Oder war es die Endlosigkeit? Es war belanglos. Sie schloss die Augen und lauschte den verzerrten Stimmen, die sie begleiteten, seit sie hier gefangen war. Es machte sie beinahe verrückt und doch war es das einzige, was die unheimliche Stille von hier vertrieb.
 

Sie lag für eine unbestimmte Zeit auf dem Boden, bewegte sich keinen Zentimeter. Zwischen den unverständlichen Geräuschen ertönte etwas, das Nikiras Aufmerksamkeit erregte. Wie ein Echo hallte dieser Satz von jeder Seite wider und drang langsam zu ihr durch. Sie runzelte die Stirn und griff sich an die Stelle, unter der ihr Herz schlug. Bedächtig richtete sie sich auf.
 

Komm zurück!
 

Deutlich vernahm sie die zwei Wörter. Wieso verstand sie diese auf einmal? „Hey! Ist hier jemand?“ Kaum hatte sie in die Dunkelheit hineingerufen, kam sie sich blöd vor. Wer sollte ihr schon antworten? Dennoch fühlte sie sich anders. Es war kam spürbar, aber die Leere zog sich zurück.
 

Ich brauche dich.
 

Wieder war da diese Stimme, die ihr so vertraut vorkam. Hektisch sah sie sich um. Die Worte gingen direkt unter ihre Haut. Was passierte hier? Wieso hörte sie Ace?
 

Gib nicht auf, okay?
 

Sie schluckte und richtete ihren Blick nach oben. „Ich habe nicht aufgegeben. Das würde ich nie tun.“ Nahezu verzweifelt fuhr sie sich durch die Haare. Sie hatte wirklich nicht aufgegeben. Es war nur schwer, nicht die Hoffnung zu verlieren.
 

Ich weiß nicht, wie lange ich das noch aushalte.
 

„Was? Wieso?“, flüsterte sie verwirrt. Wie konnte Ace nur an so etwas denken? Er durfte nicht aufgeben. Nicht so...wie sie? Sie schüttelte den Kopf und strafte ihre Schultern. Nein. Das hatte sie nicht. Fest entschlossen richtete sie ihren Blick nach vorne. Es war dunkel, aber das hielt sie nicht zurück. Sie lief los. Keine Ahnung wohin, keine Ahnung wie lange. Sie hatte ein Ziel vor Augen und dieses befand sich nicht hier.
 

Nikira würde nicht bleiben. Nicht, nachdem sie so viel durchgemacht hatte. Das würde sie nicht zulassen. Angestrengt streckte sie ihren Arm aus. Sie hatte es sich nicht eingebildet. Sie hatte diesen kleinen Funken gesehen. Ein kleines Licht, welches zu Beginn so weit entfernt wirkte, dass es kaum sichtbar war und welches mit jedem Schritt größer wurde. Und so auch ihre Hoffnung.
 

„Ich gebe nicht auf!“ Verbissen überbrückte sie die letzten Meter. Ihre Fingerspitze berührten die Helligkeit. Wie eine Flut breitete sie sich aus und ummantelte sie vollkommen. Es blendete und sie kniff die Augen zusammen. Von der Stille war nichts mehr übrig. Stattdessen rauschte es in ihren Ohren.
 

Die Rothaarige wagte es kaum, ihre Lider wieder zu öffnen. Sie hatte Angst, dass die Schwärze noch immer ihr Begleiter war. Doch alles, was sie sah, war Holz. Nichts anderes. Ein erstickter Laut verließ ihren Mund. Zu mehr war sie nicht fähig, obwohl sie gerade eben noch mit der Dunkelheit gesprochen hatte.
 

Sie brauchte ihren Kopf nicht zu drehen. Tao tauchte von selbst in ihrem Blickfeld auf. Er wirkte nahezu geschockt und sagte etwas, aber sie konnte ihn kaum verstehen. Das Rauschen war noch immer präsent. Der Arzt deutete hastig auf die Tür zu ihrer Linken, woraufhin eine Krankenschwester eilig den Raum verließ. Anschließend leuchtete er mit seiner kleinen Lampe in ihre Augen. Sie folgte dem Licht eher unbewusst, zu abgelenkt war sie von den Stimmen, die nach und nach zu ihr durchdrangen.
 

„Nikira! Hey! Kannst du mich hören?“ Eindringlich sah er sie an und ließ seinen Blick anschließen nach unten zu der Stelle wandern, die sie besonders spürte, seit sie aufgewacht war. Schwach nickte sie und erntete einen erleichterten Seufzer. Danach bekam sie erstmal ein wenig Wasser, damit sich ihr Hals nicht so kratzig anfühlte. Das war auch das einzige, was sie zu sich nehmen durfte. Anschließend erzählte er ihr, dass der Rookie namens Trafalgar Law sie verarztet hatte. Er war überraschenderweise beim Krieg aufgetaucht und hatte sich um Ruffy und sie gekümmert. So erfuhr sie auch, dass Kizarus Attacke zum Glück keine lebenswichtigen Organe verletzt hatte.
 

Die ganze Zeit über hatte sie ihm still zugehört. „Tao?“, krächzte sie irgendwann angestrengt. Sie konnte sich kaum selbst verstehen. „Wo ist Ace?“ Nikira wollte ihn unbedingt sehen.

„Keine Sorge. Wir haben ihm bereits Bescheid gesagt. Aber ich hätte nur zu gerne seine Reaktion gesehen.“ Der Schiffsarzt schmunzelte ungläubig und besah sich eingehend ihre Werte. „Er war jeden Tag bei dir. Manchmal sogar zweimal täglich.“
 

Die Rothaarige lächelte, als sie das hörte. Dann hatte sie sich das nicht eingebildet, dass sie seine Stimme gehört hatte. Sie war froh darüber, dass er sie nicht aufgegeben hatte. Dadurch hatte sie erst die Kraft gefunden, wieder zurückzukehren. Dafür war sie ihm mehr als dankbar und das wollte sie ihm sagen. Das, und noch viel mehr.

„Du bist tatsächlich wach“, murmelte plötzlich jemand fassungslos.
 

Nikiras Augen huschten zu Ace, der gerade den Raum betreten hatte, und sie musste abermals lächeln. Er sah etwas abgehetzt aus. „J-Ja. Das bin ich.“ So ganz wusste sie nicht, was sie sagen sollte.
 

Plötzlich legte sich ein Grinsen auf seine Lippen. „Ich wusste die ganze Zeit, dass du aufwachen würdest.“ Erleichterung machte sich in seinem Gesicht breit.
 

Tao trat auf den Piraten zu und legte eine Hand auf seine Schulter. „Ich gebe euch fünf Minuten. Nikira braucht noch immer viel Ruhe.“ Dabei warf er dem Kommandanten einen mahnenden Blick zu. Ace nickte schnell. Ihm war gerade jede Minute recht. Anschließend verließ der Arzt das Krankenzimmer und ließ die beiden alleine.
 

„Wie geht es dir?“ Der Schwarzhaarige setzte sich, wie gestern Abend, neben sie.
 

Die 18-Jährige zuckte leicht mit ihren Schultern. Eigentlich ging es ihr nicht schlecht. Die Verletzung zog ein wenig und die Müdigkeit, die sie verspürte, war groß, aber ansonsten ging es ihr überraschend gut.
 

„Ich bin nur ziemlich müde,“ meinte sie ehrlich und gähnte wie aufs Stichwort.
 

„Oh. Vielleicht sollte ich dich besser schlafen lassen.“ Ace sah sie schuldbewusst an und wollte aufstehen, doch Nikira umklammerte sein Handgelenk.
 

„Nein! Bleib, bitte.“ Kurz verzog sie ihr Gesicht. Die schnelle Bewegung war ihr Körper nicht mehr gewohnt. „Wenn ich gerade etwas brauche, dann Gesellschaft. Besonders deine.“ Sie lächelte und wurde leicht rot, als er es erwiderte.
 

Doch Ace wurde bald wieder ernst. „Du hast uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt. Ich dachte zu Beginn wirklich, dass du sterben würdest.“
 

Sie biss sich bei seinen bitteren Worten auf die Lippe. „Das dachte ich auch.“ Zumindest hatte es sich so angefühlt.
 

Kurz war es still, ehe er meinte: „Ich...konnte mich noch nicht bei dir bedanken.“
 

„Für was?“ Sie runzelte die Stirn und legte ihre Hand auf den Verband um ihren Bauch. Ihre Wunde fing an, unangenehm zu ziehen.
 

„Dafür, dass du mir das Leben gerettet hast. Wärst du nicht gewesen, hätte Akainu mich übel erwischt.“ Er verzog bei dem Gedanken an den Admiral das Gesicht.
 

„Bedanke dich nicht für etwas, das selbstverständlich ist. Das hätte jeder getan.“ Sie seufzte, als Ace den Kopf schüttelte.
 

„Das ist nicht selbstverständlich. Du-“
 

„Ich störe euch nur ungern, aber Nikira braucht jetzt wirklich Ruhe.“ Tao war aufgetaucht und hatte Ace mitten im Satz unterbrochen.
 

„Hm“, meinte er unzufrieden. „Dann werde ich wohl gehen müssen.“ Der Kommandant stand auf und schenkte der Rothaarigen ein Lächeln. „Wir sehen uns dann.“ Es war kaum zu übersehen, dass er liebend gerne noch länger geblieben wäre.
 

Tao sah Ace nach, bis dieser wirklich aus der Krankenstation verschwunden war. „Schlaf jetzt, Kleine. Marco will dann auch noch mit dir sprechen. Da solltest du fit sein.“ Er lachte leise, als sie bei ihrem Kosenamen die Augen verdrehte. Anscheinend war sie bereits wieder ganz die Alte.
 

Auch wenn sie am liebsten sofort aufgestanden wäre, schloss sie die Augen. Sie war doch noch ziemlich müde und so dauerte es nicht lange, bis sie einschlief.
 

Die nächsten Wochen vergingen schleppend. Die Konversation mit Marco war besser verlaufen, als gedacht. Sie hatte gehofft, dass er ihr versöhnlich gegenübertreten würde und so war es auch. Er erklärte ihr, dass sie sich bei dem Kampf gegen die Marine mehr als nur bewiesen hatte und deshalb durfte sie bleiben. Als vollwertiges Mitglied der Whitebeard-Piraten. Sie war sehr erleichtert über diese Tatsache und vor allem froh, dass Marco nicht mehr wütend auf sie war.
 

Die Gespräche mit ein paar der anderen Crewmitglieder verliefen um einiges entspannter. Zusätzlich vertrieb sie sich die Zeit gemeinsam mit Tao und den Krankenschwestern, die mit ihr Übungen absolviert, damit sie langsam wieder in Richtung ihrer alten Form kam. Mit Ace hatte sie ebenfalls ihre Langeweile totgeschlagen. Das wichtige Gespräch zwischen ihnen war allerdings ausgeblieben. Irgendwie waren sie kaum alleine gewesen und so kam es, dass sie diese unausgesprochene Sache noch immer mit sich herumschleppte. Sogar, als sie endlich das Krankenzimmer verlassen durfte. Sie war noch immer etwas wackelig auf den Beinen, aber sie verspürte nicht mehr bei jedem Schritt Schmerzen und dafür war sie Tao unheimlich dankbar.
 

Ihre Füße trugen sie nach draußen an Deck. Es war bereits abends. Seit sie aufgewacht war, hatte sie überhaupt kein Gefühl für Zeit, weshalb sie kurz über die Dunkelheit verwundert war. Sie ging nach vorne, blieb bei der Reling stehen und sog erstmal gierig die Meeresluft ein. Viel zu selten war sie in den letzten Wochen nach draußen gekommen. Dabei liebte sie den Ozean so sehr. Sie seufzte und drehte sich um. Ihr Blick wanderte nach oben. Ein Mann, dem Aussehen nach war es Calico, kletterte die Takelage nach unten. Kurz überlegte sie, ehe sie in seine Richtung ging. Geduldig wartete sie darauf, bis seine Füße das Deck berührten.
 

„Hey, Calico. Was dagegen, wenn ich die nächste Schicht übernehme?“ Sie deutete auf das Krähennest.
 

Der Pirat sah sie stirnrunzelnd an. „Bist du denn schon fit genug dafür?“ Er steckte sich eine Zigarre in den Mund und entzündete sie.
 

„Klar. Du kannst gerne Tao fragen, wenn du willst.“
 

Zu ihrem Glück wank der große Mann einfach ab. „Ne. Mach ruhig. Jack hat ohnehin keine Lust, Wache zu schieben.“
 

„Sehr schön.“ Sie lächelte und machte sich daran, nach oben zu klettern. So ganz war es nicht die Wahrheit gewesen. Tao hatte ihr ausdrücklich verboten, sich anzustrengen. Aus gutem Grund. Bei der Hälfte war sie bereits außer Puste, obwohl das früher ein Kinderspiel gewesen war. Außerdem spürte sie deutlich ihre Wunde am Bauch. Verbissen brachte sie Meter für Meter hinter sich, bis sie endlich oben angelangt war. Und es hatte sich definitiv gelohnt. Viel zu lang war es her, seit sie diesen Ausblick genossen hatte. Sie legte ihre Unterarme auf das Holz und schloss die Augen, als der Wind ihre Haare aufwirbelte. Es war atemberaubend.
 

„Ich bin mir ziemlich sicher, dass du nicht hier oben sein solltest“, erklang Ace‘ belustigte und tadelnde Stimme. Nikira zuckte zusammen und drehte sich eilig um.
 

„Ace! Musst du mich so erschrecken?“ Sie drückte ihre Hand auf ihren Brustkorb. Ihr Herz raste. Einerseits, weil sie über sein Auftauchen mehr als nur überrascht war, und andererseits, weil es das immer tat, wenn er vor ihr stand.
 

„Bin ich trotz Mahnung hier rauf geklettert, oder du?“ Er zog seine Augenbrauen nach oben und lehnte sich lässig gegen den Mast.
 

„Als ob du anders gehandelt hättest“, brummte sie und runzelte die Stirn. „Was machst du eigentlich hier?“
 

„Ich wollte meiner Lieblingspiratin einen Besuch abstatten. Ganz einfach.“ Ace grinste ihr frech ins Gesicht und Nikira konnte nicht anders, als sein Grinsen zu erwidern. Wie sie das vermisst hatte. Diese zwanglosen Gespräche mit ihm, gepaart mit dem stetigen Herzrasen. All das war so kostbar für sie. So kostbar, wie die Gefühle, die der Pirat in ihr auslöste.

„Und das von meinem Lieblingsvize. Da kann ich mich echt glücklich schätzen.“ Schmunzelnd stützte sie ihr Kinn mir der Handfläche ab. Ace hatte ihr natürlich auch stolz von seinem neusten Posten erzählt.
 

„Ich hab dich wirklich vermisst.“ Er lächelte schief und sprach das aus, was sie sich die ganze Zeit gedacht hatte.
 

Nikira starrte auf den Boden. „Ich dich auch. Mehr als du denkst.“
 

„Aber?“, hakte Ace misstrauisch nach.
 

Die Rothaarige sah von ihren Füßen zu seinen dunklen Augen. „Kein aber. Es ist nur...ich weiß nicht, wie ich das am besten sagen soll.“ Sie kaute auf ihrer Unterlippe herum. Es fiel ihr so unheimlich schwer, über ihre Gefühle zu sprechen. Insbesondere vor ihm und das, obwohl sie genau wusste, wie es in ihrem Inneren aussah. Sie holte tief Luft, bevor sie fortfuhr: „Ich habe lange gebraucht, um meine Gefühle zu verstehen. Damals, bevor du Blackbeard gefolgt bist, war ich mir bereits im Klaren darüber, war aber nicht ehrlich zu dir und auch nicht zu mir selbst. Ich hatte Angst. Angst vor meinem Vater und Angst vor der Zukunft. Jetzt liegt die Marine weit hinter mir und alles was ich sehe, bist du.“ Ein leichtes Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. Es fühlte sich gut an, das auszusprechen. Im Gegensatz zu damals konnte sie sich vollkommen auf das hier einlassen. Sie hatte keine Geheimnisse mehr vor ihm und konnte ehrlich sein. Es gab keinen Vater, der in ihren Gedanken herumspukte und keine Mission, die auf ihren Schultern lastete. Es gab nur sie und ihn.
 

Ace hatte ebenfalls angefangen zu lächeln. Sie wusste gar nicht, wie sehr sie ihn mit ihren Worten glücklich machte. Er ging einen Schritt auf Nikira zu und hob seinen Arm. Sachte strich er ihr eine Strähne aus dem Gesicht. Es war ähnlich wie damals. Der Unterschied war nur, dass ihre Augen vor Freude funkelten und keine Unsicherheit in ihnen zu sehen war. „Zum ersten Mal seit langer Zeit fühle ich mich wirklich frei, Nikira. Ohne dich wäre das nicht möglich gewesen und deshalb brauche ich dich an meiner Seite. Du bist mir wichtig. Mehr, als alles andere.“ Sanft fuhr er ihr über die Wange.
 

Nikira konnte kaum beschreiben, was er in ihr auslöste. Jedes Wort und jede Berührung benebelten ihre Sinne. Es war unmöglich, das entfachte Feuer in ihrem Inneren zu ignorieren. Zaghaft machte sie einen Schritt nach vorne. „Ich brauche dich auch, Ace. So sehr wie dieses Kribbeln, das sich durch meinen Körper zieht, wann immer wir uns berühren und so sehr wie das Herzrasen, wenn du in meiner Nähe bist.“ Es war die Antwort auf seine Frage von damals, die sie nie ehrlich beantwortet hatte. Vorsichtig stellte sie sich auf Zehenspitzen und zog ihn näher zu sich. Die Schmetterlinge tanzten in ihrem Bauch und die Nervosität brachte sie um den Verstand. Es war nicht das erste Mal, dass sie ihm so nahe war, aber dennoch war alles anders.
 

Ihr Blick suchte den von Ace. Seine Augen strahlten selbst in der Dunkelheit dieses Feuer aus und zogen sie wie so oft in seinen Bann. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, begleitet von dem Rauschen der Wellen.
 

„Ich liebe dich, Ace“, flüsterte sie sanft, schloss die Augen und überbrückte den geringen Abstand zwischen sich und ihm. Zaghaft legte sie ihre Lippen auf seine und auch wenn der Kuss zurückhaltend war, spiegelte er all ihre Gefühle wider. Was Ace in ihr auslöste, war unbeschreiblich. Unzählige Stromstöße schossen durch ihren Körper und benebelten ihre Sinne. Jede Faser glühte und jede Stelle ihrer Haut prickelte vor Aufregung. Der Pirat gab ihr das, was sie brauchte. Er vervollständigte sie. Er war all das, was sie ihn den letzten Jahren gebraucht hatte.
 

Langsam löste sie sich von ihm, hielt den Abstand jedoch so gering wie zuvor. Sie holte tief Luft, während Ace ein seichtes Lächeln im Gesicht trug. Er legte seine Hand auf ihre Taille und zog sie näher zu sich. „Ich liebe dich auch, Nikira“, meinte er sanft und versiegelte abermals seine Lippen mit ihren.
 

Geborgenheit. Glück. Freiheit. Liebe. All das hatte Nikira sich seit Jahren gewünscht und auch wenn sie nicht immer die richtige Entscheidung oder den richtigen Weg gewählt hatte, so war sie endlich dort, wo sie hingehörte. An Ace‘ Seite.

Something Special

Nikira saß am Schreibtisch in Ace‘ Kajüte und hatte grüblerisch die Stirn gerunzelt. In ihrem Blickfeld befanden sich unzählige Papierstapel, die sie an die Arbeit erinnerten, die noch vor ihr lag. Sie war gerade dabei, die Inventur für das Schiff zu machen und das raubte ihr den letzten Nerv. Diese Crew war so riesig, dass es ziemlich schwer war, den Überblick zu behalten. Seufzend setzte sie eine Markierung neben dem Wort Kartoffeln.
 

„Wieso bist du noch wach?“ Die raue Stimme von Ace schreckte sie aus ihren Gedanken, sodass sie zusammenzuckte. Tief einatmend, sah sie zu dem Piraten, der lässig neben dem Schrank lehnte. Er schien schon eine Weile da zu stehen und sie zu beobachten. Sie war anscheinend wirklich vertieft in ihre Aufgabe gewesen zu sein.
 

„Marco will, dass ich das morgen fertig habe.“ Sie seufzte abermals und strich sich die Haare zurück. Die Lampe bot nur spärliches Licht, aber es reichte aus, um seine definierten Muskeln zu erkennen. Bei dem Anblick wurde ihr ungemein heiß. Es war für sie nichts Neues, dass er ohne Shirt herumlief, aber in letzter Zeit setzte ihr seine Abneigung gegen das Stück Stoff ziemlich zu. Deshalb wandte sie den Blick ab und betrachtete die einzelnen Tabellen auf dem Blatt Papier.
 

„Du siehst müde aus.“ Er stieß sich von der Wand ab und öffnete seine Schranktür. Er kramte herum und nahm sich ein Paar kurze Shorts.

„Bin ich auch“, antwortete sie und gähnte wie aufs Stichwort. „Ich hab ohnehin keine Lust mehr.“ Sie streckte sich und schob die Zettel zu einem Stapel zusammen. Anschließend stand sie auf.
 

„Ich werde noch schnell duschen gehen, okay?“ Er wartete gar nicht auf eine Antwort, sondern zog die Rothaarige zu sich. Nikira schlang aus Reflex die Arme um ihn und schloss die Augen, als sich seine Lippen sanft auf ihre drückten. An die Gefühle, die folgten, würde sie sich wohl nie gewöhnen. Ein kleines Feuerwerk explodierte in ihrem Bauch und die Funken verbreiteten sich rasend schnell im Rest ihres Körpers. Ihre Haut fing an zu kribbeln und ihr Herz an zu rasen. Überwältigt löste sie sich von ihm. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht, welches er erwiderte. Ace platzierte einen schnellen Kuss auf ihrer Stirn und löste sich von ihr. Er ging ins Bad, woraufhin nach kurzer Zeit das Rauschen des Wassers zu hören war.
 

Nikira zog sich indes um. Meistens bestanden ihre Schlafklamotten nur aus einem großen T-Shirt. So auch heute. Müde kletterte sie ins Bett und vergrub das Gesicht im Kissen. Es war nicht das erste Mal, dass sie bei Ace schlief. Genau genommen tat sie es jetzt bereits ein paar Wochen lang. Und dennoch war sie so nervös, wie zu Beginn. Es war idiotisch, denn sie liebte es, bei ihm zu schlafen. Der Gedanke, dass sie neben ihm einschlief und aufwachte, war unglaublich. Es stimmte sie glücklich, dass er immer in ihrer Nähe war. Da gab es allerdings ein Problem an der Sache.
 

Während sie ihr Gesicht in den Überzug drückte, kam Ace frisch geduscht aus dem Bad. Er trug nur die kurzen Shorts. Weniger elegant schmiss er sich aufs Bett und betrachtete amüsiert Nikira, die auf dem Bauch lag und nicht so aussah, als würde sie etwas daran ändern wollen.
 

„Was tust du da?“, meinte er und lachte leise. Dabei versuchte er vehement den Blick oberhalb zu behalten, denn das T-Shirt bedeckte nicht gerade viel. Warum war sie auch so perfekt?
 

„Nichts.“ Nikira drehte sich auf die Seite. Ace hatte sich seitlich abgestützt und als sie ihn da so liegen sah, musste sie sich zusammenreißen, um ihre Hände bei sich zu behalten. Warum sah er auch so verdammt gut aus?
 

„Das sah nicht nach nichts aus.“ Er grinste und strich ihre Haare zurück. Sie schloss bei seiner Berührung genüsslich die Augen. Sie mochte es unheimlich gerne, wenn er das tat.
 

Als sie die Augen wieder öffnete, legte er seine Lippen sanft auf ihre Schläfe. Die kleinen Stromstöße verbreiteten sich wie ein Lauffeuer in ihrem Körper und veranlassten sie dazu, wohltuend aufzuseufzen. Er schmunzelte und wollte sich wieder zurückziehen, doch Nikira legte ihre Hand in seinen Nacken und stoppte ihn dadurch. Sie rutschte ein wenig nach vorne und richtete sich ebenfalls ein wenig auf. Ace und Nikira waren sich so nahe, dass sich ihre Nasenspitzen berührten.
 

Die Rothaarige zögerte keinen Moment, als sie den geringen Abstand überbrückte. Mit wenig Druck legte sie ihre Lippen auf seine. Es war nur ein kurzer Kuss, aber mit all den Gefühlen, die in ihr herrschten. Als sie sich langsam von ihm löste, trafen sich ihre Blicke. Beide mit derselben Intensität. Beide mit derselben Leidenschaft.
 

Ace war gefangen in den Augen dieser Frau. Sie war so wunderschön, dass er es beinahe nicht glauben konnte. Sie übte diese gewisse Anziehung auf ihn aus, die er noch nie verspürt hatte, und alles, was dafür nötig war, war ihre bloße Anwesenheit.
 

Er beugte sich nach vorn und versiegelte abermals ihre Lippen mit seinen. Doch dieses Mal war es anders. Die Leidenschaft dieses Kusses war beinahe im Raum zu spüren und fesselte Nikira vollkommen. Ihre Sinne waren wie benebelt und jede Faser ihres Körpers schrie nach mehr. Aus Affekt vergrub sie ihre Finger in seinem noch feuchten Haar. Ace‘ Zunge strich über ihre Lippen und sie öffnete bereitwillig ihren Mund, um ihm Einlass zu gewähren. Von der anfänglichen Müdigkeit war nichts mehr zu spüren. Alles was sie wahrnahm, war die Hitze in ihrem Inneren, die permanent größer wurde.

Ace verringerte den physischen Abstand zu ihr und drückte sie mit leichter Gewalt zurück in die Matratze. Sie hatte das Gefühl, als würde das Herz ihr aus der Brust springen. Das Adrenalin rauschte durch ihren Körper und es kam ihr vor, als gäbe es nur noch sie und ihn auf der Welt.
 

Nikira drückte unbewusst ihren Oberkörper an seinen, als seine Hand über ihre Brust strich. Kurz ließ er von ihr ab und widmete sich ihrem Hals. Er verteilte federleichte Küsse an dieser Stelle, während sie die Augen geschlossen hielt und sich auf die Lippen biss. Sein heißer Atem auf ihrer Haut brachte sie um den Verstand, sodass sie ihre Finger in die Bettdecke krallte. Ace strich ihre Taille entlang und verharrte zum Teil unter ihrem Shirt, welches durch ihre Bewegungen nach oben gerutscht war. Als er mit seinen Zähnen über die empfindliche Stelle unter ihrem Ohr kratzte und sie seine schnelle Atmung vernahm, verließ ein tiefer und zufriedener Seufzer ihren Mund. Ihr Körper spielte verrückt und das Kribbeln in ihrem Unterleib wurde stärker.
 

In ihrem Unterbewusstsein wusste sie, worauf das hinauslaufen würde und das machte ihr ungemein Angst. Trotz ihrer Reaktionen auf seine Berührungen hatte sie stets an die Unsicherheit gedacht, welche sie seit Wochen plagte. Sie konnte diese Befangenheit einfach nicht ablegen. So sehr sie es auch versuchte.
 

Ace‘ Finger strichen ihren flachen Bauch nach oben und veranlasste Nikira dazu, die Augen zu öffnen. Sie verkrampfte sich, obwohl ihr Körper nach mehr schrie. Ihre Anspannung blieb dem Piraten natürlich nicht verborgen und er hielt sofort inne. Er ließ von ihr ab und stand eilig auf. Schwer atmend drehte er sich von ihr weg, lehnte sich mit dem Unterarm gegen die Wand und legte seine Stirn darauf ab. Sein Herz raste noch immer wie verrückt und die Bilder in seinem Kopf wollten nicht verschwinden. Er sah ihre Augen, die so begierig glühten und er sah ihre Lippen, die feucht schimmerten. Das Geräusch, welches ihm so gefallen hatte, hörte er noch immer klar und deutlich in seinen Ohren.
 

„Tut mir leid“, murmelte Ace atemlos. Er wusste, dass er zu weit gegangen war. Sie hatte es ihm gesagt. Sie hatte gesagt, dass sie nicht bereit dafür war und er hatte nicht darauf gehört. Nur zu gut hatte er ihre plötzliche Anspannung gespürt. Er war manchmal so ein Idiot.
 

Nikira hatte sich indes aufgerichtet und mit einem reuevollen Blick Ace‘ Reaktion verfolgt. Das schlechte Gewissen plagte sie. Es war ihre Schuld, dass das so ausgeartet war. Sie hätte früher aufhören sollen. Sie wusste, dass es Ace gegenüber nicht fair war. Am liebsten würde sie ihm das geben, was er wollte, aber aus irgendeinem Grund konnte sie nicht. Und genau das war jenes Problem, an das sie zuvor gedacht hatte. Sie waren jetzt zwei Monate zusammen, schliefen seit acht Wochen in einem Bett und doch hatten sie noch nie miteinander geschlafen.
 

„Das...ist nicht deine Schuld“, meinte sie deshalb schuldbewusst und schlang ihre Arme um ihre Knie.
 

„Schon gut.“ Er richtete sich auf und räusperte sich. „Ich...brauche noch eine Dusche. Und zwar eine verdammt kalte.“ Seufzend verschwand er zum zweiten Mal im Bad.
 

Nikira stieß angestrengt die Luft aus und ließ sich nach hinten fallen. Sie drehte sich auf die Seite, zog die Decke bis zu ihren Schultern und schloss die Augen. Die ganze Zeit zerbrach sie sich den Kopf über das Geschehene. Auch als Ace wieder zurück war und seinen Arm um sie legte, musste sie daran denken. Erst nachdem er sie sachte an sich drückte und sie eine wohlige Wärme umhüllte, verblassten die Gedanken. Langsam schlitterte sie in das Land der Träume.
 

~
 

Am nächsten Morgen erwachte Nikira recht früh, verweilte aber in ihrer Position. Sie wollte noch nicht aufstehen. Dafür war es hier viel zu kuschelig. Stattdessen rückte sie näher zu Ace, der wie vor ein paar Stunden den Arm um sie gelegt hatte.
 

„Nikira?“, brummte Ace verschlafen in ihren Nacken. „Könntest du dich bitte nicht so viele bewegen?“
 

„Wieso?“, fragte sie perplex und drehte sich ein wenig zu ihm, um eine passende Position zu finden. Daraufhin brummte Ace missmutig auf und umklammerte mit seiner Hand die Bettdecke.
 

Darüber verwirrt, hielt sie inne. „Alles okay?“ Naiv, wie sie manchmal war, war sie sich keiner Schuld bewusst. Was hatte er denn?
 

„Ja. Mir geht es bestens“, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
 

Sie brauchte genau fünf Sekunden, bis sie verstand, was er damit meinte. Ihre Augen wurden groß. „Oh!“
 

„Ja. Oh.“ Ace vergrub sein Gesicht an ihrem Nacken und versuchte sich auf etwas anderes zu konzentrieren, als auf seine heiße Freundin in dem knappen Outfit. Er hatte wirklich schon mal leichtere Aufgaben gehabt.
 

„Tut mir leid. Ich glaube, ich steh mal lieber auf.“ Eilig befreite sie sich aus seinem Griff und verließ das Bett. Mit rotem Kopf schnappte sie sich ihre Kleidung und verschwand ins Bad. Selbst nach der Dusche musste sie an seine Worte denken, weshalb sie ihn mal lieber alleine in der Kajüte ließ.
 

Als Ace frühstücken ging, war eine Stunde vergangen. Die ganze Zeit hatte er versucht, nicht an Nikira zu denken. Zumindest nicht an eine halbnackte Nikira. Es...hatte nicht wirklich funktioniert. Ständig drifteten seine Gedanken zu gestern Nacht und ihrem Körper unter seinem, wie sie sich an ihn drückte und diese erregten Laute von sich gab. Die Bilder flossen einfach so in seinen Kopf und hinterließen eindeutige Szenen. Er konnte sich kaum auf etwas anderes konzentrieren, weshalb er schlechtgelaunt seinen üblichen Platz einnahm. Stur versuchte er nur das Essen zu fokussieren. Jeder, der ihn ansprach, bekam einen bitterbösen Blick zu spüren. Als er schließlich ein Crewmitglied anfuhr, dass er nicht so laut essen sollte, hatten die anderen Kommandanten genug.
 

„Mann, Ace! Wieso bist du so zickig heute?“ Jozu runzelte die Stirn und sah ihn fragend an. So kannten sie ihn gar nicht.
 

„Ehrlich, Kleiner. Normalerweise bist du nicht so drauf“, stimmte ihm Fossa mit tiefer Stimme zu.
 

Ace legte den Speck zur Seite. „Ich bin überhaupt nicht zickig.“ Seine Tonlage verriet das Gegenteil.
 

„Okay, du kleine Zicke. Was fehlt unserem Mädchen denn?“ Marco grinste spöttisch. Das schien unterhaltsam zu werden.
 

„Dieses Mädchen wird dir gleich eine verpassen“, zischte Ace. Langsam hatte er echt genug von seinen Freunden.
 

„Komm runter, Mann. Sexuell frustriert, oder was?“ Eigentlich war es nur als Scherz gedacht, doch als sie den Blick des Vizes sahen, hörten sie sofort auf zu lachen.
 

„Nicht dein Ernst!“ Blenheim wirkte durch und durch überrascht, während der Rest ihn mit großen Augen ansah. Anscheinend schien es keiner glauben zu wollen.
 

„Aber...aber Nikira ist so heiß.“ Selbst Izou konnte sich diese Tatsache nicht vorstellen.
 

Es folgten noch weitere Kommentare, die allesamt nicht zur Ace‘ Gemütsverbesserung beitrugen. „Leute! Es reicht, okay? Ich will nicht darüber reden.“ Er machte seinen Standpunkt klar und widmete sich wieder seinem Essen.
 

„Oh und wie wir darüber reden werden!“ Fossa schlug seinen Krug auf den Tisch. Er war sich dessen ziemlich sicher.
 

„Als würde ich mit euch über mein Sexleben reden. Soweit kommt‘s noch“, murrte er.
 

„Du meinst wohl eher dein nicht vorhandenes Sexleben.“ Marco grinste amüsiert und erntete einen mörderischen Blick seitens Ace. Er war der Einzige, der seine prekäre Lage lustig fand.
 

„Ich versteh das wirklich nicht. Erklär es mir. Wieso?“ Blenheim hatte die Stirn gerunzelt.
 

Haruta schnaubte bei dieser Frage. „Was heißt hier wieso? Nikira ist jung und hat kaum Erfahrungen in solchen Dingen. Erzählt mir nicht, dass ihr damals so selbstsicher wart, wenn es um Sex ging.“ Die einzige Kommandantin hatte gesprochen und erntete schuldbewusste Blicke. Sie hatte einen wunden Punkt bei den Männern getroffen, worüber Ace dankbar war.
 

„Also, ich muss ehrlich sagen, dass du meinen größten Respekt hast. Ich könnte vermutlich nicht tatenlos neben Nikira liegen.“ Fossa grinste und hob seinen Krug.
 

Ace fand das aber alles andere als lustig. „Rede nicht so über meine Freundin, Fossa!“ Sein Blick ließ sogar den sonst so harten Kommandanten mit der Zigarre schlucken.
 

„Schon gut. Entschuldigung.“
 

Der jüngste Kommandant seufzte. „Wisst ihr was? Wenn es sein muss, wartete ich ihr zu Liebe noch hundert Jahre, aber sie macht es mir echt nicht leicht.“ Ace dachte wieder an heute Morgen. Diese kleinen Gesten reichten aus, um ihn verrückt zu machen.
 

„Frauen machen es einem nie leicht“, brummte Jozu und erhielt daraufhin zustimmendes Gemurmel.
 


 

~
 

Die Sonne war bereits untergegangen, doch das hielt manche Piraten nicht davon ab, den lauen, angebrochenen Abend an Deck zu genießen. Während einige zusammensaßen und bei einem Krug Bier über das Leben philosophierten, spielten drei Personen bei spärlichem Licht Karten. Jedoch bereuten das zwei der drei Crewmitglieder bereits.
 

„Du schummelst doch, Nikira!“
 

„Ja, genau! Das ist doch nicht möglich!“ Fossa und Namur sahen sie ungläubig an, nachdem sie ihre Karten offenbart hatte. Die Rothaarige zuckte mit den Schultern und schnappte sich amüsiert die 5000 Berry, die auf dem Tisch lagen.
 

Gut gelaunt verstaute sie das Geld in einem kleinen Sack. „Tut mir wirklich leid, aber das Glück war wohl auf meiner Seite.“ Sie musste grinsen. Es tat ihr alles andere als Leid, wenn sie ehrlich war.
 

„Ich hätte dir das Pokern nie beibringen sollen.“ Fossa zog missmutig an seiner Zigarre.
 

„Stell dich nicht so an. Immerhin warst du ein würdiger Gegner.“ Nikira schmunzelte und griff nach ihrem Krug, der mit Sake gefüllt war. Sie setzte ihn an ihre Lippen und nahm einen großen Schluck davon. Fest stellte sie ihr Getränk anschließend wieder auf dem Tisch ab. Den Alkohol in ihrem Blut nahm sie kaum wahr.
 

Namur lehnte sich nach hinten und sah sie forschend an. „Ich bin noch immer der Meinung, dass du geschummelt hast.“
 

„Euch zwei besiege ich auch ohne miese Tricks.“ Sie lachte leise und sah über ihre Schulter. Ace stand bei Marco und lachte über irgendetwas. Der Blonde schüttelte nur den Kopf und nahm ihm den Krug aus der Hand. Nikira sah wieder zu den zwei Kommandanten, tätschelte Namurs Arm und stand auf. Natürlich nicht ohne nach ihrem Gewinn zu greifen. „Es war mir eine Ehre, Jungs.“ Sie schob den Sessel nach hinten und machte sich auf zu Ace, der mittlerweile alleine dastand.
 

„Wie ich sehe, hast du die beiden erfolgreich ausgenommen“, meinte der Schwarzhaarige belustigt, als er sie bemerkt hatte und ihm der Beutel voller Geld ins Auge stach.
 

Nikira grinste und schlang ihre Arme um den Piraten. „Und wie.“ Sie stellte sich auf ihre Zehenspitzen und legte ihre Lippen auf seine. Als sie sich von ihm löste, blieb sie dicht vor ihm stehen. Ihre linke Hand ruhte auf seiner erhitzten und wirklich muskulösen Brust. Sie biss sich auf die Lippen und kratzte mit ihren Nägeln über seine Haut. Fasziniert betrachtete sie die Gänsehaut, die sich auf seinem Oberkörper gebildet hatte. Ihr Blick wanderte bedächtig von ihren Fingern zu seinen dunklen Augen. Sie wirkten nahezu schwarz und zogen sie in diesen endlosen Bann. Nie hätte sie gedacht, dass so etwas möglich wäre. Doch bei Ace reichte ein einziger Blick und sie war ihm verfallen. Vollkommen. Sie war pures Wachs in seinen Händen.
 

Ihre Gedanken schweiften wie so oft an diesem Tag zu gestern Nacht. Sie konnte sich noch immer nicht erklären, wieso diese Unsicherheit stets vorhanden war. Ihr Körper reagierte auf jede noch so kleine Berührung und wollte mehr von diesen Zärtlichkeiten. In ihrem Kopf sah das aber anders aus. Sie hatte ständig Angst, etwas falsch zu machen, denn sie wusste, dass der Schwarzhaarige Erfahrung in diesen Dingen hatte. Ihre Unbeholfenheit war ihr schlichtweg im Weg und nervte sie. Es nervte sie, denn es gab absolut keinen Grund für diese Bedenken und je länger sie seine Hand genoss, die sachte ihre Taille entlangfuhr, desto klarer wurde ihr das.
 

Ace war mehr als nur ihr Freund. Der Pirat war alles, was sie brauchte. Er war derjenige, für den sie ihr Leben geben würde. Er war verständnisvoll, respektierte ihre Gefühle und drängte sie zu nichts. Wem, wenn nicht ihm, konnte sie in dieser Hinsicht vertrauen? Sie musste lächeln. Das aufregende Kribbeln, das sie verspürte, war Antwort genug. Nikira zeichnete mit ihrem Finger kleine Kreise auf seinen durchtrainierten Bauch und musste grinsen, als Ace tief einatmete. Am liebsten hätte sie so weitergemacht, aber sie war sich bewusst, dass sie noch immer an Deck standen und sie hier nicht alleine waren.
 

Deshalb zog sie ihre Hand zurück und lachte leise, als der Schwarzhaarige unzufrieden die Luft ausstieß. „Ich werde das Geld in die Kajüte bringen, okay?“ Ihr Blick richtete sich auf einen Teil der Crew, bei der auch Marco stand. „Außerdem sieht der Käpt’n so aus, als würde er deine Unterstützung brauchen.“ Sie schmunzelte, denn die Piraten waren in eine hitzige, aber keinesfalls ernste Diskussion verwickelt.
 

„Können wir nicht einfach hier stehen bleiben und alles andere ignorieren?“ Er zog sie wieder zu sich und spielte mit einer ihrer Strähnen.
 

Belustigt drückte sie ihn ein Stück weg, auch wenn ihr die Wärme sofort fehlte. „Ich fürchte nicht. Nicht alles lässt sich ignorieren.“ Vor allem nicht das Verlangen nach ihm, welches in letzter Zeit enorm gestiegen war.
 

Ace verzog nahezu beleidigt das Gesicht. „Wäre aber wirklich von Vorteil.“
 

„Wir sehen uns dann später.“ Die Rothaarige drückte ihm einen schnellen Kuss auf die Lippen und verschwand anschließend unter Deck.
 

In der Kajüte erledigte sie noch ein paar kleinere Arbeiten, bei denen sie sich aber kaum konzentrieren konnte. Immer wieder musste sie an Ace denken. Nichts Neues und doch war es dieses Mal anders. Diese gewisse Unsicherheit war noch immer leicht zu spüren, aber die Nervosität überwog. Positive Aufregung ließ sie unruhig auf dem Sessel herumrutschen. Wie er wohl reagieren würde? Kopfschüttelnd stand sie auf und schaffte auf dem Schreibtisch Ordnung. Als das getan war, begab sie sich ins Bad. Sie duschte ausgiebig und genoss das warme Wasser länger als üblich. Die Scheiben waren beschlagen, als sie anschließend vor dem Spiegel stand und ihre geröteten Wangen betrachtete.
 

Ace war mittlerweile im Raum nebenan und dieses Wissen ließ ihr Herz vor Anspannung rasen. Sie wollte zu ihm, wollte ihn küssen und ihn berühren. Ein entschlossener Ausdruck erschien auf ihrem Gesicht. Sie strich sich die Haare zurück und betrachtete nochmal eingehend den Stoff, der ihren Körper zierte. Die Unterwäsche, die sie trug, war nicht übermäßig aufreizend, aber die schwarze Farbe schaffte einen schönen Kontrast zu ihrer blassen Haut. Außerdem steigerte es ihr Selbstbewusstsein, welches in solchen Situationen nicht gerade spektakulär war. Sie stieß die Luft aus und schenkte ihrem Spiegelbild einen letzten, zuversichtlichen Blick.
 

Die Rothaarige öffnete mit einem erhöhten Puls die Tür. Zu Beginn etwas zaghaft ging sie aufs Bett zu. Ace schien sie nicht zu bemerken. Er lag auf seinem Bauch und hatte seine Arme um das Kissen geschlungen. Die Decke bedeckte nicht mal annähernd seinen muskulösen Rücken, welcher von dem großen Jolly-Roger geziert wurde.
 

Nikira biss sich auf die Lippen und kniete sich auf den weichen Untergrund. Sie bewegte sich langsam vorwärts und platzierte ihre Knie jeweils links und rechts neben seiner Hüfte. Fasziniert von dem Muskelspiel, fuhr sie mit ihren Fingern sanft von seinem Nacken über die Wirbelsäule und stoppte schließlich bei seinem Hosenbund.
 

Sie wiederholte es und kratzte mit ihren Nägeln über die tätowierte Haut, wissend, wie sehr ihm das gefiel. Jedoch hielt sie bei der Hälfte inne, als Ace sich regte. Er seufzte genüsslich auf und brachte die 18-Jährige zum Grinsen.
 

„Sah fast so aus, als würdest du schlafen“, murmelte sie abwesend und strich abermals sachte über seinen Rücken.
 

„Als könnte ich schlafen, wenn meine überaus attraktive Freundin auf mir sitzt.“ Nikira lachte leise bei seinen gedämpften Worten. Ace drehte sich langsam um, hielt aber abrupt inne. Mit großen Augen betrachtete er ihren Körper und richtete sich auf. Perplex rutschte er ein wenig nach hinten, sodass er mit dem Rücken am Bettanfang lehnte. Er wirkte nervös, als er sich durch die Haare fuhr.
 

„D-Du...ehm...ich...was?“ Er schluckte und kam gerade nicht mit dem Anblick klar.
 

Ihre Haare fielen ihr in kleinen Wellen über den Rücken und der BH zauberten ein faszinierendes Dekolleté. Sie sah ihn durch ihre langen Wimpern hindurch an und hatte diesen unbewussten, verführerischen Ausdruck im Gesicht. Sie schaffte es, ihn mit einem einzigen Blick verrückt zu machen.
 

Nikira musste bei seinen gestammelten Worten abermals lachen. In all der Zeit, in der sie ihn jetzt kannte, hatte sie ihn noch nie so erlebt. Es gefiel ihr, denn es bedeutete, dass sie ihn aus der Fassung gebracht hatte. Sie beugte sich lächelnd nach vorne und legte wie zuvor an Deck eine Hand auf seine überdurchschnittlich warme Brust. Die andere platzierte sie um seinen Nacken. Ace sagte nichts, doch das brauchte er auch nicht.
 

Sie überbrückte den Abstand zwischen sich und ihm und drücke ihre Lippen auf seine. Es war kein zaghafter Kuss wie gestern, sondern fordernder. Dieses Mal war keine Unsicherheit in ihr zu spüren, sondern nur pure Leidenschaft. Es fühlte sich so schön an, denn alles an diesen Gefühlen war echt. Nikira hörte auf ihren Körper und vor allem auf ihr Herz. Beides verlangte nach ihm. Wie von selbst drückte sie ihr Becken gegen seines und verursachte ein aufregendes Pochen. Ihr Puls raste und die Hitze in ihrem Körper wurde schnell unerträglich. Noch nie hatte sie so ein Verlangen nach etwas gehabt. Sie ließ ihre Bewegungen intuitiv zu. Tat das, was sich gut anfühlte. Sie vergrub ihre Hände in seinen Haaren.
 

Plötzlich stoppte Ace und drückte sie schweratmend von sich weg. Sofort hatte sie die Befürchtung, dass sie etwas falsch gemacht hatte. Zögerlich zog sie ihre Hände zurück und platzierte sie in ihrem Schoß.
 

Der Schwarzhaarige holte tief Luft. „Nikira...ich denke nicht, dass wir weitermachen sollten.“ Es fiel ihm schwer, das zu sagen, denn er wollte nicht aufhören. Absolut nicht!
 

„Wieso?“, hauche die Rothaarige heiser und konnte seine Reaktion nicht ganz nachvollziehen.
 

Er lächelte leicht bei ihrer verwirrten Frage. „Weil ich dich nicht zu etwas drängen will. Wenn du warten willst, dann warten wir.“ Vorsichtig strich er mit seinen Fingern über ihre erhitzte Wange. Nikira hingegen biss sich bei seinen verständnisvollen Worten auf die Lippe. Sie wusste, wie schwer ihm das fallen musste und wieder erhielt sie die Bestätigung, dass ihre Entscheidung richtig war.
 

„Ace“, fing sie leise an und beugte sich nach vorne. „Ich will das hier. Mehr als du dir vorstellen kannst.“ Eindringlich sah sie ihn an. Er wirkte verwirrt, als hätte er sich gerade verhört.
 

„Bist du dir sicher? Ich weiß nämlich nicht, ob ich das ein zweites Mal überstehe.“ Er lächelte leicht bei seiner Anspielung auf gestern.
 

Nikira umfasste sein Gesicht mit beiden Händen. „Ich war mir noch nie so sicher in einer Sache“, flüsterte sie und platzierte sachte ihre Lippen auf seinen. Als sie sich von ihm löste, suchte Ace in ihrem Gesicht nach etwas, das ihre Worte widerlegte, doch alles, was er sah, war pure Entschlossenheit. Er holte tief Luft und legte schließlich seine Hände auf ihre Hüften Sanft schob er sie von sich herunter. Er drehte sich um, sodass er über sie gebeugt war. Seine Finger verhakten sich mit ihren.
 

„Ace“, fing sie an. „Ich will dich. Mehr als alles andere auf der Welt.“ Jedes einzelne Wort meinte sie ernst und als sie dies ausgesprochen hatte, erschien alles andere plötzlich unwichtig. Ihre Lippen trafen voller Begierde aufeinander und es war, als würde es nur noch sie beide geben. Sie beide und diese Leidenschaft, die Nikira die Luft zum Atmen nahm.
 

Lemon im nächsten Kapitel!
 

~*~
 

Something Special [Lemon]

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Epilog

11 Monate später
 

Nikira verließ das Bad und band sich das kurze Handtuch fester um ihren Körper. Mit nackten Füßen ging sie zu dem Schrank und öffnete diesen. Eine Gänsehaut bildete sich auf ihren Armen, als sie vor ihrer Kleidung stand und überlegte, was sie anziehen sollte. Eigentlich bestand ihre Alltagskleidung aus normalen Shorts und einem noch normaleren T-Shirt, aber manchmal verhielt sie sich bei der Auswahl eben wie eine typische Frau. Sie seufzte und fuhr sich durch die Haare. Nur nebenbei nahm sie wahr, wie die Tür aufging.
 

„Wie lange stehst du da schon?“, erklang die amüsierte Stimme von Ace und brachte die Rothaarige dazu, frustriert die Holztüren zuzuschlagen.
 

„Viel zu lange.“ Sie drehte sich um, lehnte sich gegen das Holz und fing an, ihren Freund zu mustern. Dabei zuckten ihre Mundwinkel verräterisch. „Vielleicht sollte ich von jetzt an auch nur in einer schwarzen Hose rumlaufen. Das würde mir einiges ersparen.“
 

Bei ihrer Aussage sah er sie mahnend an. „Untersteh dich! Der Anblick deiner überaus perfekten Brüste gebührt mir allein, klar?“ Er lachte und legte seine Hände auf ihre Hüften.
 

„Keine Sorge. Das sehe ich genauso.“ Nikira zog ihn zu sich herunter und drückte ihre Lippen auf seine. Genießerisch schloss sie ihre Augen und musste ein Grinsen unterdrücken, als Ace‘ Zunge um Einlass bat. Mit Freude gewährte sie diesen und ging bereitwillig einen Schritt zurück, als der Schwarzhaarige sie nach hinten schob. Das Holz an ihrem nackten Rücken war überraschend kalt, doch es störte sie nicht. Mit einem angenehmen Kribbeln in ihrem Inneren, aber vor allem zwischen ihren Beinen, vergrub sie ihre Finger in seinen Haaren. Ihr Herz schlug heftig gegen ihre Brust und als seine Hand ihren Oberschenkel nach oben fuhr, konnte sie ein leises Stöhnen nicht unterdrücken.
 

Er löste sich von ihrem Mund und platzierte stattdessen federleichte Küsse auf ihrem Hals. Nikira legte ihren Kopf schief und biss sich fest auf die Lippen. Ihr Blut war in Wallung und versetzte sie in einen atemberaubenden Rausch. Sie legte ihre Hand auf seine Brust und drückte ihn dieses Mal sachte nach hinten, bis er gegen die Bettkante stieß. Als sie seinen fragenden Blick sah, musste sie schmunzeln und schubste ihn stattdessen nach hinten, woraufhin er sich mit beiden Armen abstützte.
 

Die Rothaarige zögerte nicht lange, griff nach dem Rand ihres Handtuchs und ließ es mit einer kleinen Bewegung zu Boden fallen. Ace‘ Augen wanderten über ihren Körper. Sein Blick gefiel ihr und entfachte bei ihr einen aufregenden Schauer. Nikira wollte nicht länger untätig vor ihm stehen, sondern machte einen Schritt nach vorne und setzte sich rittlings auf ihn. Mit seinen Händen auf ihren Hüften drückte er sie näher zu sich und verteilte heiße Küsse auf ihrem Dekolleté. Seine Lippen hinterließen ein Brennen und veranlassten die mittlerweile 19-Jährige dazu, ihren Kopf genüsslich in den Nacken zu legen.

„Ace…“, stöhnte sie leise und vergrub abermals ihre Hände in seinen Haaren. Selbst durch einfache Küsse stand ihr Körper in Flammen. Was tat er nur mit ihr? Wie zuvor strichen seine Finger ihren Oberschenkel entlang und verursachten ein mehr als nur angenehmes Ziehen, doch ein schwaches Klopfen ließ die beiden innehalten.
 

„Ace, Nikira?“ Eine zaghafte, aber ungeduldige Stimme ertönte von außerhalb.
 

Die Rothaarige stieß genervt die Luft aus, überlegte nicht lange und erhob sich. Gereizt schnappte sie sich das Handtuch vom Boden und band es wieder um ihren Körper. „Das ist bereits das zweite Mal diese Woche“, murrte sie leise. Sie warf einen schnellen Blick zu Ace, der sich angestrengt ein Kissen schnappte und sich auf den Schoß legte. Trotz der Situation musste sie darüber grinsen, holte tief Luft und öffnete schließlich die Tür. Es dauerte keine Sekunde, da huschte eine kleine Person ohne zu fragen in den Raum.
 

„Hey, Liah. Was gibt’s? Du siehst ein wenig panisch aus.“ Der Pirat räusperte sich und klang ein wenig außer Atem, aber dennoch amüsiert. Nikira hingegen sah die Kleine forschend an und verschränkte die Arme. Das Mädchen wirkte eingeschüchtert.
 

„Was hast du schon wieder angestellt?“ Die junge Frau kannte die Blondhaarige mittlerweile und wusste, dass sie nur hierherkam, wenn sie etwas ausgefressen hatte.
 

„Gar nichts“, nuschelte die 10-Jährige und mied bewusst ihren Blick.
 

Ace grinste bei dem Verhalten. „Marco oder Cora? Vor wem versteckst du dich dieses Mal?“
 

Kurz wanderte ihr Blick zu Nikira. „Vor Papa. Kann sein, ganz möglicherweise und mit viel vielleicht, dass ich ein volles Tintenfass über seine Unterlagen geschüttet habe.“ Sie biss sich schuldbewusst auf die Lippe und verschränkte ihre Finger hinter dem Rücken.
 

Der Schwarzhaarige zog kritisch die Luft ein. „Also da hast du dir wirklich etwas eingebrockt. Marco ist ein absoluter Ordnungsfreak. Verständlich, dass du dich vor ihm versteckst.“
 

„Ich weiß und jetzt habe ein ziemliches Problem. Kann ich hierbleiben? Bitte?“ Mit ihren großen Augen sah sie zuerst zu Ace und anschließend zu Nikira.

Die Rothaarige versuchte dabei standhaft zu bleiben. Wirklich, aber bei diesem Blick konnte sie nicht anders, als zu seufzen. „Schön, aber ich hoffe, du weißt, dass du nicht ewig vor Marco davonlaufen kannst.“
 

„Echt? Danke, Kira.“ Begeistert strahlte die Kleine und war drauf und dran sie zu umarmen. „Ich werde mich bald bei ihm entschuldigen. Nur…noch nicht jetzt.“
 

„Schon gut.“ Sie sah auf ihr Handtuch und strich sich die Haare nach hinten. „Ich sollte mir etwas anziehen.“ Dieses Mal überlegte sie nicht lange und nahm sich irgendwelche schlichten Sachen aus dem Schrank und verschwand im Bad. Als sie wieder zurückkam, saßen sich die beiden auf dem Bett gegenüber. Ace zeigte ihr kleine Tricks mit seiner Teufelskraft, was die Kleine vollkommen begeisterte.
 

„Ich hoffe, ihr fackelt nicht schon wieder etwas an“, murmelte Nikira misstrauisch und dachte an das eine Mal, als die Bettdecke Feuer gefangen hatte. Sie beobachtete Liah, wie sie mit ihrer kindlichen Neugierde seine Fähigkeiten betrachtete. Dabei musste sie lächeln. Das Mädchen wirkte mit ihrer zierlichen Figur jünger als sie eigentlich war. Fast schon zerbrechlich sah sie mit dem zu großen T-Shirt aus, das ihr über die Schultern rutschte.
 

„Nikira?“ Liah hatte sich zu ihr gedreht. „Geht es dir eigentlich wieder gut?“
 

Verwirrt über die Frage runzelte sie die Stirn. „Eh, klar. Wieso fragst du?“
 

Leicht zuckte die Blonde mit den Schultern. „Du hast vorhin so geklungen, als würde dir etwas wehtun.“
 

Nikira brauchte einen Moment, aber als sie Gesagtes verstand, wurden ihre Augen groß. „Ich ehm, a-ach ja?“ Sie sah zu Ace, der nur schwer ein Lachen unterdrücken konnte. Natürlich amüsierte ihn das.
 

„Mach dir keine Sorgen. Nikira geht es sehr gut. Sie war vorhin nur etwas…aufgeregt.“ Der Schwarzhaarige grinste. Welch Untertreibung.
 

„Über was?“ Liah runzelte die Stirn und sah interessiert zwischen den beiden hin und her. In dem Moment verfluchte die 19-Jährige diese typische, kindliche Neugierde.
 

Sie wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als ihr Freund ihr zuvorkam: „Über die große Überraschung, die ich ihr machen wollte.“ Ernst sah er die Kleine an, während sich Nikira am liebsten mit der Hand gegen die Stirn geschlagen hätte. Hatte er das gerade wirklich gesagt?
 

Die Rothaarige holte tief Luft und ging auf das Mädchen zu. „Okay, Liah. Ich glaube, es ist Zeit, dass du gehst.“ Sie hob das Mädchen einfach hoch und stellte sie auf dem Boden ab.
 

„Was? Wieso?“ Perplex sahen die braunen Augen zu ihr herauf.
 

„Weil du Marco unbedingt von dem Tintenfass erzählen solltest.“ Die 19-Jährige öffnete die Tür und schob Liah nach draußen.
 

„Jetzt?“
 

„Ja, jetzt.“ Ihre Worte ließen keine Widerrede zu, weshalb Liah den Kopf einzog und gehorchte. „Und vergiss nicht, dich zu entschuldigen“, rief ihr Nikira schmunzelnd nach und schloss anschließend die Tür. Sie schüttelte über das Mädchen belustigt den Kopf und wandte sich dem mittlerweile 21-Jährigen zu.
 

Ace erhob sich und ging auf sie zu. „Okay. Sag mir bitte, dass wir dort weitermachen, wo wir aufgehört haben.“ Mit seinen Armen stützte er sich links und rechts neben ihren Schultern ab.
 

Die junge Frau biss sich auf die Unterlippe und musste ein Grinsen unterdrücken. Sie griff hinter ihren Rücken und schloss die Tür ab, nur um auf Nummer sicher zu gehen. „Ich hatte nichts anderes im Sinn“, raunte sie vorfreudig und küsste ihn fordernd.
 

~
 

Nikira legte ihre Unterarme auf dem Geländer ab und betrachtete das ausgelassene Treiben an Deck. Sie hatten vor drei Stunden an einer Insel namens Bermeja angelegt, alle Pflichten hinter sich gebracht und genossen die Ruhe. In den letzten Wochen hatten sie vermehrt Probleme mit dem Wetter gehabt und mussten einige feindliche Angriffe abwehren. Jeder war froh über einen entspannten Abend auf der Moby Dick.
 

„Das hat mir gefehlt. Keine verfluchte Marine, keine übermütigen Piraten und kein scheiß Regen. Einfach nur Ruhe, Frieden und der beste Sake, den ich jemals hatte.“ Fossa hatte sich zu ihr gesellt und ihr einen Krug in die Hand gedrückt. In seinem Mund steckte wie so oft eine Zigarre, die sein grimmiges Aussehen unterstrich. Nikira grinste und stieß mit ihm an. In den letzten Monaten hatte sie recht viel Zeit mit ihm verbracht, da sie des Öfteren gemeinsam Karten spielten. Es war stets amüsant. Nicht nur, weil er sich immer furchtbar aufregte, wenn sie gewann. Er erzählte ihr ständig lustige und peinliche Anekdoten über die anderen Kommandanten. Das konnte sie sich natürlich nicht entgehen lassen. Mittlerweile war Fossa Kommandant der 12. Division, denn nachdem es einige Veränderungen bei den Whitebeards gegeben hatte, rückten manche ein paar Plätze nach vorn.
 

„Wie Recht du hast“, pflichtete sie ihm bei und nahm einen kräftigen Schluck von ihrem Getränk.
 

Nikira ließ ihre Augen von Pirat zu Pirat wandern und blieb schließlich bei Marco und Ace hängen. Marco und die Kommandanten waren heute für längere Zeit wie vom Erdboden verschluckt gewesen. Sie hatte sich keine Gedanken über den Grund dafür gemacht, auch wenn es nicht so gewöhnlich war, dass sich die Divisionen zusammenfanden. Sie beobachtete, wie der Käpt’n auf eine Aussage von Ace nickte und schließlich seinen Blick durch die Menge wandern ließ. Für einen kurzen Moment verharrte er länger auf ihr. Zumindest kam es ihr so vor.
 

„Stellt eure Gespräche ein und hört mir zu“, fing der Phönix plötzlich an und erntete sofort die volle Aufmerksamkeit seiner Crew. Auch die Rothaarige richtete sich erwartungsvoll auf. „Der Krieg ist nun fast ein Jahr her und dennoch sind die ständigen Herausforderungen nicht weniger geworden. Marine, andere Piraten und die Grand Line. All diese Dinge testen Tag für Tag unsere Grenzen und doch lassen wir uns davon nicht unterkriegen. Niemand besiegt die Whitebeards.“ Der Blonde grinste, als die Mannschaft anfing, zustimmend zu grölen. „Zu dieser Stärke zählen auch die einzelnen Divisionen. Trotz allem gibt es seit langer Zeit keinen Kommandanten der 16. Division. Das liegt daran, dass Pops diese Posten stets mit sehr viel Sorgfalt vergeben hat und ich ihn auch nicht leichtfertig besetzen wollte.“ Er legte eine Pause ein und sah sich um.
 

Sofort warf man sich untereinander neugierige Blicke zu und fing an zu tuscheln. Es war klar, worauf er hinauswollte. Auch für Nikira. Gespannt lehnte sie sich weiter nach vorne. Schon länger hatte sie sich gefragt, warum die letzte Division noch keinen Kommandanten hatte. Immerhin gab es genug würdige Anwärter dafür. Wer es wohl sein würde?
 

Marco räusperte sich und fuhr fort: „Ich mir sicher, dass Paps und Thatch unserer Meinung sein würden, wenn ich sage, dass Nikira bestens als Kommandantin der 16. Division geeignet ist.“ Er wandte sich zu der Rothaarigen, die das Gesagte nur langsam wahrnahm.
 

Sie verschluckte sich beinahe an ihrem Getränk, von welchem sie gerade getrunken hatte, und weitete ungläubig die Augen. Langsam ließ sie ihren Arm sinken. „W-Was?“, stammelte sie verwirrt. Perplex sah sie zu Fossa, der nur leise vor sich hin lachte. Das konnte doch nicht sein Ernst sein?
 

„Du hast schon richtig gehört. Hiermit bist du offiziell Kommandantin der 16. Division.“ Die Männer um sie herum jubelten und Fossa schlug ihr anerkennend auf die Schulter. Marco schmunzelte, denn so ganz schien sie es noch immer nicht realisiert zu haben.
 

„Ich? Kommandantin?“, murmelte sie noch immer unheimlich konfus und runzelte die Stirn. Sie konnte nicht glauben, dass man ausgerechnet sie gewählt hatte. Nach all dem, was sie damals getan hatte, dachte sie nicht eine Sekunde daran, diesen Posten irgendwann zu besetzen. Natürlich fühlte sie sich seit langem als vollwertiges Mitglied der Crew, aber damit hätte sie nie gerechnet. Es überwältigte sie. Ihr war klar, welch Verantwortung und Ehre mit dieser Position einherging. Wie Marco gesagt hatte, wurde der Titel nicht leichtfertig vergeben.
 

„Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Das bedeutet mir wirklich viel.“ Sie lächelte fassungslos und biss sich auf die Lippen. Es bedeutete ihr sogar mehr als gedacht. Tief luftholend fügte sie hinzu: „Ich hoffe, ich werde den Anforderungen gerecht.“ Sie würde ihre Aufgaben auf jeden Fall gewissenhaft und mit Sorgfalt erledigen.
 

Fossa lachte laut und hob neben ihr seinen Krug an. „Und wie du das wirst! Auf Nikira, die neue Kommandantin der 16. Division!“, rief er feierlich mit seiner tiefen Stimme. Die anderen taten es ihm gleich und ehe sie sich versah, befand sie sich inmitten ihrer Feier.
 

Sie wusste gar nicht, mit wem sie zuerst etwas trinken sollte, weshalb sie froh war, als sie ein wenig Abstand zu den anderen Piraten gewann. „Ich kann nicht glauben, dass du das die ganze Zeit gewusst hast“, meinte Nikira ungläubig, als sie mit Ace zur Reling ging und so mit ihm alleine war.
 

„Tut mir echt leid. Ich wollte es dir ja sagen, aber Marco hat es mir verboten.“ Er zuckte entschuldigend mit den Schultern, woraufhin die Rothaarige belustigt die Augen verdrehte.
 

Sie lehnte sich gegen das Holz. „Das meinte ich nicht. Ich war echt überrascht, dass du etwas für dich behalten konntest.“ Grinsend trank sie den letzten Rest ihres Sakes aus und stellte das leere Gefäß auf der Reling ab.
 

„Man kann mir durchaus Geheimnisse anvertrauen“, brummte er und stützte sich rechts und links von ihr ab.
 

„Klar. So wie zu meinem Geburtstag, als die anderen eine Überraschungsparty für mich geplant haben und du mir zuvor davon erzählt hast.“ Nikira musste bei dem Gedanken daran grinsen und schlang ihre Arme um ihn.
 

Ace verdrehte die Augen. „Das zählt nicht. Ich dachte, du weißt darüber Bescheid.“
 

„Wieso sollte ich über meine eigene Überraschungsparty Bescheid wissen?“ Sie lachte leise über diese Vermutung.
 

„Keine Ahnung“, fing er an und fügte ein belustigtes „Kommandantin“ hinzu.
 

Nikira verstummte und runzelte die Stirn. „Nennst du mich jetzt öfters so?“
 

„Vielleicht sollte ich das. Kling irgendwie heiß.“ Er musste ein Lachen unterdrücken, als er ihren Blick sah.
 

Sie legte ihre Hand auf seinen Nacken und zog ihn etwas weiter zu sich. „Idiot“, murmelte sie und legte ihre Lippen auf seine. Der Kuss dauerte nicht lange, aber löste dennoch ein kleines Feuerwerk in ihr aus. Davon konnte sie nie genug kriegen und dennoch zog sie ihren Arm zurück und drehte sich um, sodass sie auf den Hafen, aber auch auf das Meer blicken konnte. Die vielen Lichter der kleinen Stadt wurden von dem Wasser reflektiert und verursachten ein schönes Farbspiel. Zusammen mit der leisen Musik, die ein paar Crewmitglieder spielten, wurde das Bild perfekt. Deshalb und weil Ace so dicht hinter ihr stand, dass sie die Hitze spüren konnte, die er ausstrahlte. Die Rothaarige schloss die Augen, als sie seinen Atem auf ihrer Schulter spürte.
 

„Bist du glücklich, Nikira?“, fragte er plötzlich leise und überraschte die 19-Jährige kurz damit.
 

Sie überlegte aber nicht lange, denn seine Frage war leicht zu beantworten, weshalb sie anfing zu lächeln. „Mehr als das. Wieso fragst du?“
 

Er platzierte einen sanften Kuss unter ihrem Ohr. „Weil das alles ist, was zählt.“
 

Bei seinen überzeugten Worten fing ihr Herz an zu rasen. Jedes Mal ging es ihr so, wenn er ihre Gefühle in den Vordergrund stellte. „Was ist mit dir? Fühlst du dich…frei?“, stellte sie ihm die gleiche Frage wie damals.
 

Er antwortete nicht sofort, aber als er es tat, klang er absolut ehrlich. „Das tue ich. Seit ich dich kenne, habe ich immer weniger über meine Herkunft nachgedacht. Sie ist mir irgendwie egal geworden. Natürlich wird sie immer ein Teil von mir sein, aber wieso in der Vergangenheit leben, wenn die Zukunft direkt vor mir steht?“ Als sich Nikira zu ihm drehte, hielt er kurz inne und legte seine Hände auf ihre Taille. „Du bist alles, was ich brauche.“
 

Die Rothaarige lächelte. „Was, wenn ich dir sage, dass es mir genauso geht?“
 

„Das trifft sich gut. Ich habe nämlich nicht vor, dich wieder gehen zu lassen.“ Er zog sie näher zu sich.
 

Auf Zehenspitzen legte sie ihre Arme um ihn. „Ich denke, dass ich damit ganz gut leben kann.“
 

Bevor sich ihre Lippen berührten, stoppte er. „Für immer?“
 

„Für immer“, antwortete sie leise und überbrückte den Abstand.
 

Vor einem Jahr hatte sie Piraten verabscheut. Hatte die Vorurteile nicht hinterfragt und den Hass ihres Vaters einfach so übernommen. Alles wäre beim Alten, wenn sie damals nicht auf diese Mission gegangen wäre. Erst durch Whitebeard und seiner Crew erkannte sie schlussendlich die Wahrheit und verstand, was Familie eigentlich bedeutete. Sie hatte ein neues Zuhause gefunden. Ein Ort, an dem sie sich wohlfühlte und an dem sie wirklich sein wollte. Und das Beste daran war, dass sie bei Ace war. Für immer.


Nachwort zu diesem Kapitel:
An dieser Stelle möchte ich mich bei allen bedanken, die die Geschichte favorisiert und mir ein Kommentar dagelassen haben. Ihr seid klasse :D Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Also ehrlich Leute! Wenn ich dafür jetzt nicht eine Menge Rückmeldung erhalte, dann weiß ich auch nicht hahah 
Mich würde es total interessieren, wie ihr vor allem den Schluss gefunden habt. Ich hab ihn drei Mal umgeschrieben. Ohne Spaß :p
Das nächste Kapitel ist übrigens bereits in Arbeit. Nahezu die Hälfte ist geschafft ;) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hello!

Hier ist das neue Kapitel mit dem Titel "Berauschender Anblick" und eeeeeeendlich ist Ace wieder mit von der Partie, aber nicht in sonderlich guter Verfassung. Im Prinzip hätte ich das Gespräch eigentlich noch unendlich in die Länge ziehen können, aber Akainu verschwendet seine wertvolle Zeit nicht mit Abschaum *hust*
Aufgrund des Endes könnt ihr euch ja denken, was als nächstes kommt. Es wird...nicht nett und Nikira bekommt in gewisser Weise ihre Quittung haha

Das Kapitel ist übrigens NICHT GEBETAT und könnte etwaige Fehler enthalten. Dieses Mal habe ich sogar die Erlaubnis, es früher posten zu dürfen :P Ich werde natürlich die notwendige Korrektur vornehmen, wenn meine liebe Beta Thistledown das Kapitel korrigiert hat. :D

Unnötige Info Nr. 1: Mein Geburtstag steht am Montag an und ich will einfach nicht älter werden! Ich werde 22, fühle mich wie 16 und sehe aus wie (höchstens) 18. Kennt das Problem noch jemand? xD

Joah. Das wars auch schon. Bedanke mich natürlich für die Kommentare zum letzten Kapitel uuuuund würde mich auch jetzt wieder über Feeeeedback freuen :3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hello und sorry, dass es wieder so lange gedauert hat!

Das Gespräch zwischen Nikira und Ace hat mir einfach den letzten Nerv geraubt haha

Auch jetzt habe ich diesbezüglich Bedenken. Wie fandet ihr es? Reagiert Ace passend? Ist Nikiras Ausraster berechtigt? Habt ihr das Gefühlschaos überlebt? xD

An dieser Stelle noch danke für die Kommentare. Ihr seid die Besten :3

LG
Lena Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hoffe, es hat euch gefallen! :D
Würde mich natürlich über Feedback freuen! :3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Eigentlich hatte ich es schon letzte Woche fertig, aber da Animexx umgesiedelt ist, konnte ich es erst heute hochladen. :)
Es ist das vorletzte Kapitel vor dem Epilog. Ein Special hab ich noch geplant. Mal sehen, ob ich es hochlade. ^.^ Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo Leute!
An dieser Stelle beende ich das Kapitel. Ich werde das/die Lemon extra verpacken, da es ja nicht jeder lesen darf.
Außerdem haben damit all jene, die das nicht lesen (dürfen), so auch etwas von dem Kapitel. :D Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
ca. 134.000 Wörter| 1.144 das Wort Nikira | 866 den Namen Ace

Es ist so weit. Das ist das letzte Kapitel von Cold Hearted Girl. Krass. Ich kann es nicht glauben. Fast zwei Jahre schreibe ich daran und jetzt ist es vorbei. Fühlt sich an, als würde mein Baby erwachsen werden und in die große, weite Welt ziehen. Aber gut. Ich lache und ich weine. haha

Auch natürlich danke an jeden einzelnen, der ein Review verfasst hat. Es war die Motivation pur. Natürlich hab ich mich auch über diejenigen gefreut, die die Geschichte still vor sich hin gelesen haben. Vielleicht hört man nach dem letzten Kapitel etwas von euch. Wenn nicht, dann ist das auch okay. Einfach danke fürs Lesen. :)

Für alle die es noch nicht wissen -> Die nächste Geschichte, die ich geplant habe, handel von Marco und meinen OC Cora. Da ich mich noch nicht von Nikira trennen kann, spielt sie im selben Universum wie CHG. Das heißt, dass Nikira als Nebencharakter vorkommen wird. Die Geschichte mit dem Namen 'Wishes' wird bald veröffentlicht werden und vielleicht liest man sich dort ja wieder. Die kleine Liah habt ihr ja bereits kennengelernt. ;)

Zum Schluss noch: Da ich jemand bin, der ohne groß nachzudenken einen Titel wählt, werde ich diesen hier ändern. Er gefällt mir absolut nicht. Also nicht wundern. :P

Joah. Es hat mich gefreut, dass ihr bei meiner aller ersten veröffentlichten Geschichte dabei wart. Es war mir eine Ehre. Bis demnächst!

LG
Lena Komplett anzeigen

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  ZoroTheKaidoSlayer
2021-01-29T12:27:41+00:00 29.01.2021 13:27
Schöne Fanfiction ^^
Ich liebe sie
Von: KatieBell
2020-12-24T20:42:10+00:00 24.12.2020 21:42
Liebe SocialDistortion, hab vielen Dank für diese wunderbare Geschichte, die du hier mit uns allen geteilt hast.
Ich muss ja sagen, normalerweise bin ich niemand, der gerne Fanfiktions liest, in denen eigenen Charaktere vorkommen und dann auch noch zu den Hauptprotagonisten gehören. Dabei schreibe ich oftmals selbst solche Sachen ;D

Aber nachdem ich mich die letzten Tage, durch die gesamte Sektion von One Piece durckklicke, in denen ich eigentlich nach Nami x Zorro Storys suchte, und mir ständig Ace x Marco Geschichten über den Weg liefen, dachte ich, ich such einfach mal nach Ace ohne den BoysLove Effekt. (Davon bin ich überhaupt kein Fan...) und traf schlussendlich auf deine Geschichte ♥

Deine Geschichte hat mich von Anfang an gefesselt und man wusste eigentlich, dass das nur nach hinten los gehen kann. Allein anhand des Plots. Man hat mitgefiebert und die Entwicklung von jedem Charakter miterlebt und gefühlt. Gerade von Nikira hat man ihre Wendung zugleich hautnah mitbekommen. Wie eine einzige Person, ihr Weltbild komplett ins Wanken bringen konnte. Wie sie immer mehr von ihrer Weltansicht abtriftet, gar verzweifelt wirkte, wie sie sich dagegen wehrte und doch schlussendlich zu ihren Gefühlen stand.

Und auch Ace hat diese Entwicklung durchgemacht, wenn auch man nicht immer seine Gedankenwelt mitverfolgen konnte. Aber seine Handlungen sprachen eigentlich Bände, mit denen man eine ganze Bibliothek füllen könnte.

Ich könnte noch so vieles Schreiben, aber ich denke, du weißt wie sehr fasziniert ich von deiner Geschichte bin, die bis ins kleinste Detail schlüssig wirkt. Ganz besonders finde ich es toll, wie du feine Paralleln zum Original geschmiedet hast. Wenn auch der Ausgang anders war. Zu meinem Glück. Ich hab bis zur letzten Minute gebangt, um ehrlich zu sein! Und als es dann Nikira traf, hab ich um sie gebangt und war so erleichtert am Ende, dass es dieses schöne Happy End für die beiden gab ♥

Und wie auch Nikira und Ace "für immer" zueinander stehen werden, so wird diese Geschichte "für immer" in meiner Favoritenliste stehen, mit einer kleinen Empfehlung ♥ ;)

Hab vielen Dank!
Frohe Weihnachten, KatieBell
Von:  CharlieBlade1901
2018-11-21T22:15:30+00:00 21.11.2018 23:15
Also dank Runenmagierin hab ich deine Geschichte gefunden und hab mir das erste Kapitel durch gelesen. Und ich muss schon sagen Oh mein Gott. Was für ein Anfang. Was für ein Kapitel. Was für ein still. Die Geschichte hat echt klasse. Die ist so gut, dass ich schon bei der Beschreibung gesagt habe, die wird gut. Und glaub mir, dass hab ich selten über eine Geschichte gesagt. Runenmagierin sei gegrüßt. Ich muss schon sagen Applaus. Ich muss sofort weiter lesen sonst verpass ich was.
Von:  Runenmagierin
2018-10-17T17:54:08+00:00 17.10.2018 19:54
Daily Routin strikes back.
wenn das so weiter geht fühlt Nikira sich ja noch richtig zuhause da... naja, willkommener als bei ihrem Vater ist sie da sicher
*Whitbeard is the father of the year-Fane schwenk* auch wenn er selbst weniger aktiv ist...
und ich versteh vollkommen warum Nikira bei der dummen Tussi aufgedreht hat, und sie hat sich ja lange beherrscht... finde ich
das Mädel hats jedenfalls nicht anders gewollt, ob sie nun hübsch ist oder nicht ne Piratin reizt man nicht...sollte man in ihrem Metié doch eigentlich wissen, oder nicht?
oh und ich seh die herzchen rüber fliegen *_*
und Nikira kann sie nicht zerplatzen weil sie sie noch agr nicht sieht XD
Antwort von:  SocialDistortion
18.10.2018 14:26
Hey! Ich bedanke mich hier mal gesammelt für die ganzen Kommentare, die du mir geschrieben hast. Ich hab mich immer sehr gefreut, wenn du dir die Zeit genommen und ein paar Worte hinterlassen hast. :D

Ja. Piraten sollte man tatsächlich nicht reizen. Schon gar keine Piratin, die eigentlich zur Marine gehört. xD
Freut mich auf jeden Fall, dass die Geschichte Anklang bei dir findet. :3
LG und eine schönen Donnerstag noch!
Von:  Runenmagierin
2018-10-17T17:48:12+00:00 17.10.2018 19:48
Tao hat vorgesorgt, unterschätze niemals eine Arzt^^
18 Stunden geschlafen und sie ist immer noch platt... ja so ein Fieber sollte man nicht unterschätzen...
und was macht Ace? klar, er ärgert sie...
aber es stimmt schon, sie lässt sich ja auch so schön ärgern...
Von:  Runenmagierin
2018-10-17T17:45:24+00:00 17.10.2018 19:45
war ja klar das Fräulein "Stur ist mein zweiter Vorname" krank wird...
Und das Teach nen Idiot it - _-
den letzten Satz fand ich aber klasse, weil das ja ihr langzeit Ziel ist (klar sie soll ihn ausliefern aber wir wissen alle was dabei raus kommen würde, Ace=tot)
gut es ist eigentlih ihr ziel, aber gerade hat sie das wahrscheinich selbst nicht auf dem Schirm und dann sagt sie sowas vorm ohnmächtig werden^^
Von:  Runenmagierin
2018-10-17T17:41:19+00:00 17.10.2018 19:41
der Titel war ja schon vielversprechend, ud dann zwei so schön lakative Situationen XD
und beide reagieren so normal, wie junge Leute eben reagieren, nur bei ihm ist es wirklich normal und sie kann damit nicht umgehen, süß
und trinken auf alle Dinge die Nikira nicht mag... das war doch Absicht! Damit sie möglichst viel trinken können^^
Von:  Runenmagierin
2018-10-17T17:38:27+00:00 17.10.2018 19:38
yay, eins zu null für die Frauenfraktion, also ..Nikira..., wie auch immer...
und Marco riecht doch Lunte hinsichtlich des Schwertes auch wenn er es nicht mir Nikira in Verbindung bringt,ist eh klasse das er noh nüchtern ist als wäre das selbstverständlich^^
und Ace muss eine schwere~ Entscheidung treffen, auch noch ebsoffen, doppelt schwer~
Von:  Runenmagierin
2018-10-17T17:34:52+00:00 17.10.2018 19:34
lol, die Herren der Schöpfung sind ja sehr vn sich überzeugt...
aber zumindest Ace und Marco wurde der Zahn ja nun gezogen^^
und sie geht noch so schön nach Plan vor, überlegen, strategisch denken und Vertrauen gewinnen, es ist süß, auh wenn sie Ace ausliefern will/soll

Von:  Runenmagierin
2018-10-12T18:34:05+00:00 12.10.2018 20:34
Uh~ spannend
Der Kampf ist klasse beschrieben, und die Plotwendung mit der Nachricht ist hoch interessant^^
bin mal gespannt wie das weiter geht, Marco wirkt misstrauisch und Aka Inu wird misstrauisch...


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