He clenched his fist and said a prayer
Lange bevor Chuuya volljährig war, reiste er im Auftrag der Mafia nicht nur quer durch Japan, sondern vor allem nach Europa, um sich mit dort ansässigen Organisationen und deren Oberhäuptern zu treffen. Um sich besser in die fremden Kulturen einzufinden und sich nicht vor wichtigen Geschäftspartnern zu blamieren, hatte er vorher viel über die Länder gelernt, in die er reisen würde. Er hatte auch früh Englisch lernen müssen, und obwohl er nicht immer Spaß am Sprachunterricht gehabt hatte, war er mittlerweile froh darum.
Besonders Italien hatte es ihm angetan. Das Klima, die offene Mentalität der Menschen, das Essen, und besonders die Sprache hatte ihn seit seinem ersten Besuch mit 14 Jahren in ihren Bann gezogen. Nachdem er wieder nach Japan zurückgekehrt war, hatte er sogar von sich aus begonnen Italienisch zu lernen, und als Alighieri – der Boss der italienischen Organisation – ihn ein Jahr später für seine Sprachkenntnisse gelobt hatte, war er so stolz gewesen wie nie zuvor in seinem Leben.
Manchmal, wenn er nachts wach lag und nicht einschlafen konnte, fragte Chuuya sich, ob er in Italien nicht glücklicher wäre. In solchen Momenten wollte er sofort in Dazais Zimmer rennen, ihn wachrütteln und zum nächsten Flughafen schleifen, um mit ihm zu verschwinden.
Aber seine Rebellion dauerte nur kurze, atemlose Sekunden in den Schatten seines Zimmers.
Chuuya hatte nie an einen Gott geglaubt, auch wenn er sich bereits als Kind ausgiebig mit verschiedenen Religionen beschäftigt hatte. Wofür er sich hingegen sehr interessierte, waren europäische Kirchen. Ihm gefielen die pompösen Gebäude, die prunkvollen Fassaden und das fast schon magische Innere. Die verblassten Gemälde an den Wänden und Decken, die feinen Goldverzierungen und die stille, ernste Atmosphäre – Chuuya liebte es, Kirchen zu besichtigen, wenn er in Italien war.
Bisher war er nur in den großen Kirchen in den belebten Städten gewesen, zusammen mit vielen Touristen, die er mittlerweile fast vollständig ausblenden konnte. Diesmal war es anders. Er hatte sich nicht wie üblich in einer Großstadt mit Alighieri getroffen, sondern hatte ihn in dem Dorf besucht, in dem er geboren worden war. Chuuya erinnerte sich nicht an den Namen, doch er wusste, dass die zweistündige Fahrt vom Flughafen in Catania bis zu diesem Dorf unglaublich langweilig und ereignislos gewesen war.
Das Dorf selbst war jedoch wunderschön, eine eigene, in einen Fels geschlagene kleine Nation, in der keine zweihundert Menschen lebten. Am Rande des Dorfes stand eine Kirche, alt und vergilbt, der braungelbe Stein von Rissen durchzogen, in denen Schlangen und Echsen hausten. Sie war schon von außen anders als die anderen Kirchen, die er bisher betreten hatte. Die alten Mauern flüsterten Dinge, die keine der pompösen Kirchen in den Großstädten kannte.
Als er einen Fuß in das schmucklose Gebäude setzte, fühlte es sich so an, als wäre er dutzende Jahrzehnte in der Zeit zurückgereist. Irgendetwas an der staub- und sonnenschwangeren Luft machte Chuuya emotional, nostalgisch. Er versuchte, das Gefühl abzuschütteln, doch es gelang ihm nicht. Er lief tiefer in die Kirche hinein, merkte nicht einmal, wie die Tür hinter ihm ins Schloss fiel. Ihm gefiel, dass er der einzige Besucher war, und ehe er sich ganz drüber im Klaren war, trugen seine Füße ihn mit hallenden Schritten über den Boden.
Bedächtig schritt er den Gang zwischen den simplen Bänken entlang, bis er am Ende vor der Madonnenstatue zum Stehen kam. Fahles Licht fiel durch die milchigen Gläser und erleuchtete die Statue von hinten. Chuuya überlegte kurz, ehe er in die Hocke ging, sich auf ein Knie stützte und die Hände vor sich zum Gebet verschränkte.
Chuuya glaubte an keinen Gott dieser Welt. Doch in diesem Moment betete er zu allen, dass er und Dazai ewig Partner bleiben konnten.