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Wunsch und Wahrheit

von

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Prolog

Es war unser letzter Tag in der Schule. In einer feierlichen Zeremonie, die gespickt mit abgespeckten Reden und unpassender Emotionalität war, wurden uns unsere Abschlusszeugnisse übergeben. Als Jahrgangsbester durfte ich sogar noch eine Rede halten, die weder mich noch die Zuhörer sonderlich interessierte.

Und dann kam der Abschied.

Die Feierlichkeiten waren vorbei und wir konnten hinaus in die Welt. Umso besser, ich würde dieser Schule keine Träne nachweinen. Endlich konnte ich mich voll und ganz auf meine Firma konzentrieren und ich musste nie wieder diese blöde Schuluniform anziehen.

Ich wollte gerade das Schulgelände verlassen, als ich Wheeler hinter mir brüllen hörte. „Kaiba! Jetzt warte doch mal!“

Ich drehte mich um, wartete, bis er zu mir aufgeschlossen hatte. Welch Ehre, dass Joey Wheeler mir hinterher rannte. Von dem kurzen Sprint waren seine Wangen leicht gerötet, als er zu mir aufsah. Blonde Strähnen hingen wirr vor seinen dunklen Augen. Hm, wie anregend.

Wheeler übte auf mich eine starke körperliche Anziehung aus, das konnte ich nicht bestreiten. Er war schön, stark und impulsiv, so voller Leben. Wenn er mich ansah mit seinem feurigen Blick, spürte ich jedes Mal mein Herz rasen.

Ich wusste nicht, wann meine Verachtung für sein Temperament und seine aufbrausende Art in das Gegenteil umgeschlagen war. Irgendwann hatte ich angefangen, ihn dafür zu bewundern. Er konnte sich so sehr für etwas begeistern, es mit Leidenschaft verfolgen.

Irgendwann waren meine Gedanken sogar noch weiter gegangen. Ich hatte angefangen, mir vorzustellen, wie es wohl wäre, wenn er sich so für mich begeistern, wenn seine Augen wegen mir so leidenschaftlich leuchten würden.

Aber das war reine Fantasie, Wunschdenken.

Ich schüttelte den Gedanken ab und wartete, bis Wheeler endlich sagte, was er wollte. Allerdings schien er das selbst nicht zu wissen, denn er grinste mich nur unpassend an, so wie es typisch für ihn war und kratzte sich am Hinterkopf.

Ich seufzte lautlos. Vielleicht war genau das der Grund, warum es lieber Wunschdenken blieb. Wheeler war so naiv und unreif. Das mit uns wäre nie gutgegangen, wenn er sich jemals überhaupt auf mich eingelassen hätte.

„Die Schule ist vorbei.“, stellte er irgendwann fest.

Was für ein Einstieg in ein Gespräch, so dümmlich passend zu ihm. „Deswegen diese Veranstaltung, Wheeler.“, meinte ich lahm. Auch wenn mir schon wieder diverse Provokationen und Beleidigungen durch den Kopf schossen, schluckte ich sie herunter. Er würde nie mir gehören, das war mir klar. Aber vielleicht könnten wir wenigstens friedlich auseinander gehen. Ich wollte nicht, dass seine letzte Erinnerung an mich wieder nur ein Streit war.

„Richtig.“ Er grinste schief.

„Was willst du?“, fragte ich direkt. Ich wollte ihn endlich hinter mir lassen, um nie wieder an ihn denken zu müssen.

Schlagartig erlosch das Grinsen und sein Blick wurde ernster. „Kaiba, wir werden uns jetzt nicht mehr regelmäßig sehen. Vielleicht sogar nie wieder.“

Dessen war ich mir schmerzlich bewusst. Ich sah ihn so gerne an. Wenn ich ihn nicht berühren konnte, lud wenigstens sein Anblick dazu ein, zu träumen. „Und?“, fragte ich möglichst desinteressiert.

Seine Augen wurden dunkler. „Bedeutet dir das denn gar nichts?“

Wieso fragte er das? „Was soll es mir denn bedeuten?“

Unentschlossen wrangen seine Finger mit dem Saum seiner Jacke. „Das ist die letzte Möglichkeit, alles loszuwerden, was dir auf der Seele liegt, Kaiba. Alles, was du mir sagen willst.“

Ich riss die Augen auf. Wusste er es? Wusste er, wie ich wirklich von ihm dachte? Seine dunklen Augen flackerten, während er auf eine Antwort wartete. Was wollte er denn hören?

Ich hatte das Gefühl, mein Inneres würde sich zerreißen. Einerseits wollte ich ihm sagen, was ich empfand, aber andererseits hatte ich einfach nur Angst davor. Wheeler war mir gegenüber nie freundlich gewesen oder hatte Andeutungen gemacht, er könnte mich mögen. Wie würde er also reagieren? Vermutlich mit Spott und Häme. Und selbst wenn nicht, wir hätten doch keine gemeinsame Zukunft.

Ich konnte es nicht riskieren.

Kopfschüttelnd wandte ich mich ab. „Ich wünsch dir ein schönes Leben, Wheeler.“, murmelte ich. Als ich in meine Limousine stieg, stand er immer noch da und starrte mir hinterher. Aus der Ferne kamen mir seine Augen seltsam traurig und leer vor. Obwohl ich nur kurz hinsah, brannte sich dieser Anblick tief in mein Gedächtnis ein.

Wiedersehen

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Lustlos sah ich mich im Club um. Es war laut und stickig und von diesen augenkrebserzeugenden Lichteffekten bekam man Kopfschmerzen – oder epileptische Anfälle. Ätzend! Trotzdem sprangen die Besucher fröhlich über die Tanzfläche. Keinen schien es zu stören, wie lächerlich er dabei aussah, Alkohol sei Dank.

Vielleicht war das mein Fehler. Ich war einfach nicht voll genug, um das hier lustig zu finden. Ich war eh kein Fan solcher Clubabende. Viel zu volle Tanzflächen, auf denen sich nach Schweiß und Alkohol stinkende Gäste aneinander räkelten, die Sinne so vernebelt, dass sie keinerlei Hemmungen mehr hatten und ihre Hände nicht bei sich lassen konnten.

Ich besorgte mir einen Cocktail und verzog mich dann in eine möglichst dunkle Ecke. Freiwillig war ich ganz bestimmt nicht hier. Nur Mokuba meinte, ich würde viel zu selten unter Leute gehen und sollte mich doch mal amüsieren. Was war denn bitte an diesem Club amüsant? Betrunkene Leute, die grölten und sich abschleckten. Widerlich!

Ich würde so schnell wie möglich jemanden aufreißen und hier verschwinden. Damit hatte ich meinen Auftrag ja dann auch erledigt, oder?

Es war nicht unbedingt so, dass ich Probleme damit hätte, mir Affären an Land zu ziehen, aber eigentlich stand mir nicht so recht der Sinn danach. Immer die gleichen oberflächlichen Lügen, dieses falsche Bezirzen, obwohl beide doch nur das eine wollten. Lächerlich!

Mal sehen, was sich da finden ließ. Mein Blick glitt aufmerksam über die Menschenmassen. Sortierte man das aus, was optisch nicht ansprechend oder betrunken war, blieb schon mal gar nicht mehr so viel Auswahl übrig. Ein paar annehmbare Exemplare gab es dennoch, ich musste mir nur eines aussuchen.

„Hallo Schönheit.“

Oder ich wartete, bis man mich ansprach. Mein Blick glitt zu dem Mann, der mir gerade seinen heißen Atem ins Ohr gepustet hatte. Hm, optisch okay. Dunkle, geheimnisvolle Augen, schwarzes Haar mit blonden Highlights. Ein bisschen hager, aber gut. Für eine Nacht würde es schon gehen.

Also schluckte ich die bissige Bemerkung, die mir für die lahme Anmache auf den Lippen lag, herunter und wandte mich ihm mehr zu.

„So ganz alleine hier?“, fragte er.

Was für eine selten dämliche Frage. Wäre ich in Begleitung, hätte er mich ja nicht angequatscht. Was sollte man darauf schon antworten?

Etwas verunsichert über meine ausbleibende Erwiderung, rettete er sich in ein unpassendes Lachen und sah ziellos umher. Vielleicht überlegte er, ob es das hier wirklich wert war.

Ich brauchte niemanden, der mich eroberte, ich nahm, was mir gefiel. Aber hin und wieder war es ganz amüsant, wie dilettantisch so mancher Flirtversuch wurde, wenn man nicht mitspielte. Bei diesem Exemplar hier verlor ich jedoch mit jedem Wort, das er sagte, mehr das Interesse. So attraktiv, dass sein Körper über so viel Stümperhaftigkeit hinwegtröstete, war er dann doch nicht.

Sein Blick glitt auffällig unauffällig über meinen Körper und mein Gesicht. „Darf ich dich auf einen Drink einladen?“ Scheinbar gefiel ihm mein Anblick gut genug, um diese Scharade weiterzuspielen.

Als bräuchte ich jemanden, der mir etwas spendierte! Vermutlich nett gemeint, aber inzwischen war mein Interesse an ihm gänzlich verflogen und für einen Cocktail würde ich mich wohl kaum verkaufen. Ich sollte mir lieber jemand anderen suchen, der mich nicht so entsetzlich nervte.

Doch bevor ich etwas sagen konnte, stellte mir jemand ein Getränk vor die Nase. „Er ist mit mir hier, also verzieh dich!“

Diese Stimme kam mir bekannt vor. Sollte er es wirklich sein? Ich sah auf zu meiner angeblichen Begleitung, die so nah neben mir stand, dass ich seinen Geruch wahrnehmen konnte. So vertraut. Joey Wheeler, tatsächlich.

Auch wenn wir uns seit zwei Jahren nicht mehr gesehen hatten, erkannte ich ihn sofort. Immer noch dieses wuschelige blonde Haar, das scheinbar nicht gebändigt werden wollte und dunkle, kraftvolle Augen, die allerdings nicht auf mir sondern auf meinem Gegenüber ruhten. Was für ein ungewohnt ernster Blick.

 

Ich erinnerte mich noch sehr genau an unsere letzte Begegnung am letzten Schultag, an seine traurigen Augen, als ich davonfuhr. Damals hatte ich oft überlegt, was passiert wäre, wenn ich seine Frage ehrlich beantwortet hätte. Hätte er verstanden, wie ich empfand oder hätte er mich ausgelacht?

Eigentlich hasste ich es, wenn Leute mit ihren Gedanken in der Vergangenheit festhingen. Die Situation damals war vorbei und egal wie sehr ich sie jetzt zerdachte, ich konnte nichts mehr daran ändern. Auch wenn ich mir manchmal wünschte, etwas gesagt zu haben.

Ich schreckte aus meinen Gedanken hoch, als Wheelers Hand über meine strich. „Träumst du?“, fragte er spitz. Seine Augen strahlten mich so wam und verständnisvoll an. Warum?

Ich sah mich um. Mein Bewunderer war verschwunden und Wheeler hatte dessen Platz eingenommen. Vor mir stand der Cocktail, den er dort platziert hatte. Ein Mojito. Was für ein merkwürdiger Abend. Ausgerechnet Joey Wheeler lud mich ein?

Mein Blick glitt über sein Outfit. Er sah gut aus, schwarze Hose, enges Muscleshirt, das seinen muskulösen Oberkörper betonte. Sein blondes Haar war nach wie vor wild und ungebändigt, aber sein Gesicht wirkte ein wenig erwachsener. Ich konnte gar nicht sagen, was sich daran verändert hatte, es strahlte einfach ein bisschen mehr Reife aus. Zwei Jahre und sein Gesicht war noch schöner geworden.

„Warum bist du hier?“, fragte ich. Ich wollte ihn nicht verjagen, aber ich musste es einfach wissen. Natürlich würde er nicht wegen mir in den Club gekommen sein.  Die Entscheidung, genau hierher zu kommen, war ziemlich spontan gewesen, also musste es Zufall sein, dass er auch hier war. Aber wieso sprach er mich überhaupt an?

„Um zu tanzen und zu feiern?“ Er lächelte mich an, als wäre das völlig logisch. „Für sowas sind Clubs doch da.“

Ich knurrte leise. „Ich meinte, was machst du an meinem Tisch!“

„Ach, der gehört dir?“ Unbeeindruckt sog er am Strohhalm seines Cocktails.

Grr! Er knüpfte nahtlos an alte Zeiten an und provozierte mich mit seiner Art ganz gezielt. Das machte er doch mit Absicht! Ruhig bleiben, Whoozaa! Ich zählte innerlich langsam bis zehn, um mich zu beruhigen. Contenance bewahren war ja schließlich wichtig und inzwischen hatte ich mich wirklich gut im Griff.

Ich wollte mich nicht mit ihm streiten. Vermutlich war dieser Abend wirklich nur eine zufällige Begegnung, die sich nicht so schnell wiederholen würde. Wieso sie also mit einem Streit vorschnell beenden?

„Bist du allein hier?“, fragte ich stattdessen.

Er neigte den Kopf etwas, musterte mich aufmerksam. „Defensive oben?“

Darauf antwortete ich nicht. Was sollte ich auch sagen? Ich wusste nicht, was er von mir wollte, da war es doch normal, vorsichtig zu sein. Ich wollte mich nicht in irgendwelchen sinnlosen Hoffnungen verlieren. Schließlich war ich realistisch genug, um zu wissen, dass diese Begegnung nichts bedeutete.

„Hm.“ Er rührte in seinem Drink, zog konzentriert die Augenbrauen zusammen. „Du hast dich besser im Griff als früher, Kompliment. Früher bist du auf die kleinste Stichelei angesprungen.“

Früher waren wir beide hitzige Gemüter, die einfach auf jedes noch so kleine Wort ansprangen. Wir hatten uns so oft in höchste Ekstase gestritten. Aber zwei Jahre konnten viel ändern.

Allein dadurch, dass für mich die Doppelbelastung aus Schule und Firma weggefallen war, war ich schon wesentlich mehr zur Ruhe gekommen, nicht mehr so stark gestresst. Ja, früher hatte mich das alles teilweise überfordert und da konnte ich in diesen Streitereien mit Wheeler wunderbar meinen Frust abladen. Er war immer ganz wundervoll darauf eingegangen.

„Früher hättest du dich nie freiwillig zu mir gesetzt, geschweige denn mir einen Drink spendiert.“, erwiderte ich ruhig.

„Auch richtig.“ Er nippte nachdenklich an seinem Getränk. „Manche Dinge ändern sich.“ Jetzt glitt sein Blick über die Tanzfläche. „Willst du tanzen?“

Ich verstand nicht, was er hier spielte. Wollte er mich irgendwie verarschen, bloßstellen, fertigmachen? Warum sollte er denn ausgerechnet mit mir tanzen wollen?

„Du hast mir immer noch nicht gesagt, warum du hier bist.“, merkte ich an.

„Und du kannst nicht einfach mal spontan sein, was?“ Er erhob sich. „Man sieht sich, Kaiba. Ich geh tanzen.“

Und schon ließ er mich wieder sitzen.

 

Toll! Ich war immer noch nicht schlauer als vorher. Aber er hatte ja recht. Ausgerechnet er, Joey Wheeler, hatte mich zum Tanzen aufgefordert und ich haderte, weil ich Angst hatte, es könnte ein Trick sein. Wie feige! Ich konnte diese analytische Seite allerdings nicht einfach abstellen, musste immer abwägen, wer was wie und warum bezweckte.

Wheeler schien es allerdings auch egal zu sein, er hüpfte über die Tanzfläche, ein pures Quell an Lebensfreude und hatte seinen Spaß, während ich hier saß und ihn aus der Ferne beobachtete. Sein Körper bewegte sich so ansehnlich auf der Tanzfläche, obwohl er eher ein hektischer Tänzer war. Schien auch anderen aufzufallen, die sich anpirschten. Und er ging auch noch darauf ein, tanzte mit ihnen.

Eine ganze Weile beobachtete ich das Spiel, wie er sich über die Fläche bewegte. Enger Körperkontakt schien ihn nicht zu stören, denn jeder der ihn antanzte, schien willkommen.

Wahnsinn, Wheeler! So billig hätte ich dich nicht eingeschätzt.

Das musste ich mir nicht ansehen! Allein der Anblick, wie sehr er es scheinbar genoss, so begehrt zu werden und wie begeistert er sich darauf einließ, bereitete mir Übelkeit.

Mein Lebensstil war auch nicht besser, ich hangelte mich auch nur von Affäre zu Affäre, aber dass mein kleines Hündchen sich so leicht abschleppen ließ, stieß mir sauer auf. In meinen Augen war er so wertvoll und schön. Er würde nie mir gehören, aber er verschenkte sich an alle anderen.

Besser ich ging, bevor mir dieses rasende Gefühl der Eifersucht das Herz sprengte. Innerlich konnte ich nur den Kopf über mich schütteln. Ich durfte gar nicht eifersüchtig sein, ich hatte ja gar keinen Anspruch auf ihn und so wie es aussah, würde sich das auch nie ändern.

Ich wollte gerade aufstehen, als plötzlich jemand neben mir stand. Verdammt, stand der schon lange da? Bis jetzt war er mir gar nicht aufgefallen, obwohl er mir bald auf dem Fuß stand. Der nächste Flirtversuch. Innerlich seufzte ich. Nachdem ich Joey wiedergesehen hatte, kam mir jeder andere hier einfach nur unbedeutend vor. Sie alle verblassten im Vergleich mit ihm, aber was blieb mir schon?

Also sah ich auf. Der Mann war sportlich, sehr körperbetont gekleidet und attraktiv. Wenigstens etwas. Seine Augen funkelten mich an, ließen sehr deutlich erkennen, dass er nur das eine wollte. Auch gut, mehr wollte ich auch nicht, also warum um den heißen Brei reden.

„Sollen wir anstoßen?“, fragte er rau. Dunkle Stimme, fast schon knurrig. Aber womit denn anstoßen? Ich folgte seinem Blick zu dem Mojito auf dem Tisch. Den hatte Wheeler mir spendiert. Ausgerechnet damit mit einem anderen Mann anzustoßen, kam mir seltsam falsch vor. Trotzdem nahm ich ihn dafür her. Warum sollte ich wegen einem Cocktail Schuldgefühle haben? Was bedeutete der schon?

Ich trank nur einen kleinen Schluck davon, aber der reichte mir schon. Wahnsinn, das war ja fast Alkohol pur! Ich hatte Mühe, mich nicht daran zu verschlucken.

Während ich noch mit mir rang, spürte ich plötzlich einen Arm, der sich um meine Hüfte schlang und nachdrücklich an den Körper vor mir presste. Ich wollte schon dazu ansetzten, meine Entrüstung darüber in Worte zu kleiden, doch kaum öffnete ich meinen Mund, steckte er mir auch schon seine Zunge in den Hals. Dieser Bastard!

Energisch stieß ich ihn von mir, doch sein Arm hielt mich weiter eisern fest, seine Finger krallten sich schmerzhaft in meine Seite. Das hier war ganz und gar nicht, was ich wollte.

„Lass los!“, fauchte ich.

„Diese Nacht gehörst du mir!“, schnarrte er.

Na ganz bestimmt! Ich rammte mein Knie gegen seinen Oberschenkel, so dass er keuchend losließ. Schnell vergrößerte ich den Abstand zwischen uns. Mit seiner ersten Aktion hatte er mich überrascht, aber ich war nicht wehrlos. Wenn er es nochmal versuchte, würde ich hin windelweich prügeln! „Verpiss dich!“

Seine Augen funkelten erbost, während er sich den Oberschenkel rieb. Trotzdem kam er wieder näher. Von mir aus, ich war bereit.

Doch bevor ich etwas unternehmen konnte, stürmte ein blonder Wirbelwind an mir vorbei und rammte den Typen mit seiner Schulter. Der Getroffene taumelte zurück und fluchte unterdrückt. Anscheinend hatte das wirklich wehgetan. Hasserfüllt starrte er seinen Angreifer an.

„Fass ihn nie wieder an!“, zischte Wheeler ungewohnt bedrohlich. Selbst mir lief beim Klang seiner Stimme ein kalter Schauer über den Rücken. „Verzieh dich, du Arschloch!“

Tatsächlich trat der Typ den Rückzug an, jedoch nicht ohne mir noch einen intensiven Blick zu schenken. „Ich krieg dich noch!“, knurrte er. Dann ging er einfach.

„Puh!“ Wheeler wandte sich zu mir um und lächelte mich an, als wäre nichts gewesen. „Hübsche Jungs wie dich kann man einfach nicht aus den Augen lassen.“

„Ich hätte mich schon selbst verteidigen können.“, murmelte ich. Als schwach und wehrlos dargestellt zu werden, passte mir gar nicht. Schön, dass er sich eingemischt hatte, um mir zu helfen, aber das hieß nicht, dass ich ihm dafür dankbar sein musste.

Wheeler schien sich für meine Worte allerdings herzlich wenig zu interessieren. Er packte mich einfach am Arm und zog mich mit sich. „Tanzen wir.“

 

Keine Ahnung, warum ich mich nicht gegen ihn wehrte. Ich sollte nicht mit ihm gehen, damit schnitt ich mir doch nur ins eigene Fleisch. Für ihn war das hier alles nur Spaß, für mich ein gefährlich dünner Grat zu falschen Hoffnungen.

Er begann, sich zu der Musik zu bewegen. Obwohl er scheinbar gar kein Rhythmusgefühl hatte, wirkten seine Bewegungen stimmig und irgendwie sexy. Sein Blick ruhte dabei auf mir, forderte mich stumm auf, mitzumachen. Aber wie sollte ich das? Ich wollte einfach nicht einer von vielen auf der Tanzfläche sein, an denen er sich zum Spaß mal reiben konnte.

Ich wollte gehen, doch als ich mich abwandte, umfasste er von hinten meine Taille und schmiegte sich an mich. „Tanz mit mir.“, hauchte er mir ins Ohr. „Nur einmal.“

Einmal und dann? Was dachte er, wie ich das ertragen sollte? Allein seine Hände auf meinem Körper zu spüren, ließ in mir schon alles sehnsüchtig aufschreien. Meine Haut kribbelte und mir wurde heiß davon. Was tat er mir nur an?

Ich wünschte ich könnte mich einfach mal fallen lassen so wie er. Alles auf eine Karte setzten, das hier voll auskosten und seine Nähe so weit ausreizen, wie er es zuließ. Aber wie? Wenn ich zu weit ging, würde er mir das nie verzeihen.

Mit einem Mal wirbelte er mich so schnell herum, dass ich fast das Gleichgewicht verlor und nur mit einem Ausfallschritt verhindern konnte, dass ich stürzte. Was sollte das denn? Er kicherte darüber nur. „Schon ein bisschen viel getrunken heute, was?“

Bitte? Alles, was ich bestellt hatte, war alkoholfrei gewesen, nur sein spendierter Cocktail nicht und daran hatte ich nur genippt. Allerdings kam mir gerade ein fieser Gedanke. Wenn er das dachte, könnte ich das ausnutzen. Betrunkenen sah man ihr  Handeln viel milder nach, weil sie ja eh nicht mehr bei klarem Verstand waren. Aber konnte ich das wirklich bringen?

„Komm schon.“, hauchte er, wobei seine Arme meine Hüfte umfassten. „Es ist ganz leicht und ich passe auf, dass du nicht umfällst.“ Dachte er etwa, mein Zögern käme daher, dass ich nicht tanzen konnte? Das konnte ich, besser als er.

Seine dunklen Augen musterten mich warm und verständnisvoll. Eigentlich ein ziemlich anregender Blick, aber die Unterstellung dahinter ärgerte mich. Ich würde ihm zeigen, was ich konnte, auch wenn ich damit Gefahr lief, mich der Illusion hinzugeben, das hier würde etwas bedeuten.

Ich löste mich von ihm und begann, mich zum Takt der Musik zu bewegen. Ja, ich hatte Rhythmusgefühl und mein Körper war bei weitem nicht so steif, wie man es mir unterstellte. Wheeler wirkte auch durchaus überrascht, allerdings überwand er seine Verwunderung schnell und tanzte ebenfalls.

Irgendwann kam Wheeler wieder näher und versuchte anzubändeln. Ich hatte ihn vorhin lange genug beobachtet, um zu wissen, dass er gerne eng tanzte und sich an anderen rieb. Es wäre wirklich aufregend, das am eigenen Leib zu erfahren, aber der Gedanke, dabei für ihn nur einer von vielen zu sein, widerte mich an.

Also wich ich ihm immer wieder geschickt aus und tanzte allein weiter. Ich spürte, wie sein Blick auf mir ruhte, wie er mich beobachtete. Sollte er nur, ich konnte mich wesentlich sinnlicher als er bewegen. Ich würde ihm damit den Verstand rauben. Auch wenn es seinerseits höchstens körperliche Begehrlichkeiten wären, er sollte sehen, wie es war, dem, was man sich wünschte, so nahe zu sein, es aber einfach nicht zu bekommen.

 

Ich zuckte zusammen, als mich jemand plötzlich grob nach hinten riss und an einen erhitzten Körper presste. Nicht nur erhitzt, sondern auch erregt, das spürte ich unangenehm deutlich. Igitt!

„Ich hab doch gesagt, wir sehen uns wieder.“, raunte mir eine dunkle Stimme ins Ohr. Dieser widerliche Kerl von vorhin. Sein nach Alkohol stinkender Atem streifte meine Wange, während er sich an mir rieb. Empört wollte ich mich von ihm befreien, doch mit einem Mal umfasste sein Arm meine Brust und seine Finger krallten sich hinter mein Schlüsselbein. Wahnsinn tat das weh! Sobald ich eine falsche Bewegung machte, jagte eine Schmerzwelle durch den Körper, die mir bald die Luft aus den Lungen presste. Ich konnte gar nichts dagegen tun.

„Heute Nacht gehört dein heißer, kleiner Arsch mir!“, schnarrte er.

Als würde ich mit ihm in die Kiste springen, nur weil er mich gerade erfolgreich fixiert hatte! Er konnte mich so wohl kaum zu sich nach Hause zerren. „Träum weiter!“, zischte ich. Als Antwort darauf verstärkte sich sein Griff so unbarmherzig, dass mir vor Schmerz Tränen in die Augen schossen. Dieser Bastard!

Diesmal war ich wirklich erleichtert, als Wheeler zu meiner Rettung eilte. Allerdings tackelte er in seiner ungestümen Art den Mann einfach um. Ich musste der Bewegung gezwungenermaßen folgen, denn sein Griff hatte sich nicht gelockert. Erst als Wheeler, ihm auch noch die Faust ins Gesicht rammte, ließ er los.

Keuchend wich ich zurück, während mein Angreifer zu Boden ging. Ich hatte genug damit zu tun, das Gleichgewicht wiederzufinden, da interessierte es mich herzlich wenig, was mit dem Typen war. Mein Schlüsselbein summte vor Schmerz. Wahnsinn, war das heftig!

Nur beiläufig bekam ich mit, wie die inzwischen herbeigeeilte Security den Typen nach draußen zerrte. Wheeler gesellte mich an meine Seite. Er legte seinen Arm um meine Taille und zog mich sanft aber bestimmt zurück zur Tanzfläche.

„Bist du schon so betrunken, dass du dich von jedem begrabbeln lässt?“, fragte er verärgert. Irgendwie wirkte sein Blick tatsächlich erbost. Aber was warf er mir das denn vor? Dachte er, ich hatte den Typen freiwillig an mich herangelassen? Meine Güte, Wheeler hatte sich so darauf fixiert, mich für betrunken zu halten, dass er gar nicht sah, was wirklich passiert war.

Ich wollte zu einer ärgerlichen Erwiderung ansetzen, doch da zog er mich eng an seinen Körper, sah mir mit brennendem Blick in die Augen. „Ab jetzt tanzt du nur noch mit mir.“, schnurrte er. „Dann kann ich auf dich aufpassen.“

Wenn dieser Blick nicht so wahnsinnig anregend gewesen wäre, hätte ich ihm vermutlich mal was darüber erzählt, dass er mir keine Vorschriften zu machen hatte. Aber ihn so nah zu spüren, ließ mich die Erwiderung runterschlucken. Stumm nickte ich.

Da lächelte er wieder. „Gut.“ Seine Hände platzierten sich auf meinen Hüften, übten leichten Druck darauf aus, als wollte er mich dazu bringen, mich zu bewegen. Diesmal kam ich dem nach.

Dann tanzten wir eben miteinander und ich könnte mich für einen kurzen Augenblick der Illusion hingeben, das hier würde etwas bedeuten. Tat es nicht, aber man konnte ja träumen.

Während wir uns bewegten, kam er immer näher heran, ließ seine Hände über meinen Körper wandern. Von meinem unteren Rücken über meinen Bauch zu meiner Brust. Meine Haut kribbelte wohlig von den Streicheleinheiten, aber ich fragte mich, was er damit bezweckte. Vermutlich war es ein Fehler, dass ich meine Arme um ihn legte und ihn noch näher zog. Egal, jetzt war es eh zu spät.

Es hatte schon etwas Erotisches an sich, so eng mit ihm zu tanzen, seinen erhitzten Körper direkt an meinem zu spüren. Im flackernden Discolicht wirkten seine Gesichtszüge irgendwie wild und animalisch, der Blick geradezu hungrig. Es war, als hätten wir die Welt um uns herum ausgeblendet. Da waren nur noch wir zwei.

Wheeler kuschelte sich fast schon an mich. Seine Hände wanderten über meine Schulter und in meinen Nacken. Was für sinnliche, dunkle Augen. Sein Blick wirkte so anregend, so einladend. Sollte ich es einfach versuchen?

Sein Gesicht war meinem ganz nah und sein erhitzter Körper schmiegte sich unbarmherzig an mich. Da war es doch nicht vorwerfbar, wenn man mal probierte, wie weit man gehen konnte, oder?

Ich beugte mich einfach vor und küsste ihn, nicht vorsichtig und scheu, sondern fest und fordernd. Vermutlich würde es bei diesem einen Kuss bleiben, da wollte ich wenigstens seinen Geschmack wahrnehmen können.

Seine Lippen waren weich und warm, fühlten sich wirklich gut an. Für einen winzigen Moment kam es mir sogar so vor, als würde er den Kuss erwidern. Doch dann drückte er mich von sich. „Du bist betrunken.“, murmelte er.

Diesmal war ich wirklich dankbar, dass er das dachte. Jetzt hatte ich den endgültigen Beweis, dass wir nie zusammenkommen würden. Wahrscheinlich wäre er ausgerastet, wenn er es nicht auf den Alkohol geschoben hätte. Wenigstens blieb mir so die Erinnerung an einen einzigen Kuss.

Ich löste mich von ihm, taumelte ein bisschen zurück. Allein dieser kurze Kontakt hatte mir die Hitze zu Kopf steigen lassen. Ich war noch ganz benebelt von diesem Gefühl, aber ich konnte hier nicht länger bleiben.

Hastig lief ich zum Ausgang. Nach dieser Erkenntnis ertrug ich seinen Anblick einfach nicht länger. Wir würden uns hoffentlich nie wieder sehen und ich musste versuchen, einfach damit abzuschließen. Ein Kuss. Damit hatte ich alles bekommen, was er mir je geben würde.

Betrunken

Draußen lehnte ich mich seufzend an eine Wand. Mir war immer noch warm und da tat die kühle Nachtluft ganz gut.

Verdammt, wieso war ich ihm heute überhaupt begegnet? Zwei Jahre lang hatten wir uns nicht gesehen und dann lief er mir nur einmal über den Weg und schon war alles wieder da. Das Verlangen, die Sehnsucht nach ihm. Das konnte doch nicht normal sein!

Jetzt war es zu spät für alles. Ich wollte nur noch nach Hause und den Abend vergessen. Aber wie? Mir fiel gerade auf, dass ich mein Handy in der Limousine hatte liegen lassen, als mein Chauffeur mich hier vorhin aussteigen ließ. So ein Mist! Ich hatte einfach nicht gewusst, in welche Tasche ich es hätte stecken können und über die Überlegung hinaus musste ich es auf dem Sitz zurückgelassen haben.

Genervt schloss ich die Augen und versuchte mich an die Telefonnummer meines Chauffeurs zu erinnern. Nur wann sah man sich die Nummern schon an? Heutzutage war ja alles eingespeichert, schön schonend für das Gehirn. Ich könnte natürlich auch ein Taxi rufen, nur wie ohne Telefon?

Sollte ich einen der Raucher vor dem Club fragen, ob er mir sein Handy leiht? Nach der Konfrontation mit diesem ekelhaften Typen drinnen hatte ich wenig Lust, überhaupt noch jemanden anzusprechen. Wozu auch? Samstagnacht würden schon genug Taxen durch die Gegend gondeln. Ich würde einfach in Richtung Heimat laufen und hoffen, dass ich nicht die ganze Strecke zu Fuß zurücklegen musste.

Ich zuckte zusammen, als mich jemand vorsichtig am Arm berührte. Als ich aufsah, blickte ich direkt in Wheelers dunkle, besorgte Augen. Oh nein, warum ließ er mich nicht endlich in Ruhe?

„Alles klar?“, fragte er vorsichtig. „Ist dir schlecht geworden?“

Innerlich resignierte ich. Ich wollte nicht mehr mit ihm reden. Wenn er erkannte, dass ich ihn nicht aus trunkener Spontanität heraus geküsst hatte, wäre er vermutlich sauer und angewidert. Aber ich hatte auch keine Lust, jetzt den Trunkenbold zu spielen. Schwerfällig stieß ich mich von der Wand ab. Ich sollte einfach weggehen.

Mit stur geradeaus gerichtetem Blick zwängte ich mich an ihm vorbei. Ich wollte einfach meiner Wege gehen, doch in der Dunkelheit übersah ich die lockeren Pflastersteine im Gehweg. Als ich auf die trat, wackelten sie unter meinem Fuß und ich geriet kurz ins Straucheln. Verdammte Stadt! Gab es denn hier niemanden mehr, der einfach mal einen vernünftigen Bürgersteig bauen konnte? So eine stümperhafte Arbeit!

Sofort war Wheeler an meiner Seite. „Hey, nicht so stürmisch.“ Er umfasste meinen Unterarm, als hätte er Angst, ich würde umfallen.

Genervt riss ich mich los. Ich wollte seine Nähe nicht mehr. Warum konnte er das denn nicht verstehen?

Er schnaubte missbilligend. „Wie willst du nach Hause kommen?“

Ich zuckte vage mit den Schultern, vermied es aber ihn anzuschauen. Das wusste ich ja selbst noch nicht so genau und eigentlich hatte ich überhaupt keine Lust, so weit zu laufen.

Er seufzte theatralisch. „Besser, ich nehm dich erst mal mit zu mir, dann kannst du deinen Rausch ausschlafen.“

Mit zu ihm?

Eigentlich wollte ich darüber schon die Augen verdrehen, aber dann fiel mir auf, was das hieß. Joey Wheeler würde mich mit in seine Wohnung nehmen. Die Chance war gering, aber es klang ein bisschen so, als könnte da doch noch mehr laufen. Immerhin könnte er genug Interessenten mit zu sich nehmen und ich war bei weitem nicht hilflos.

Wäre es fies, das auszureizen? Oh ja, und wie! Es wäre niederträchtig und gemein, sich unter diesen falschen Tatsachen in seine Wohnung zu schleichen, nur um auszuloten, was sich da noch drehen ließ. Und definitiv war es weit unter meiner Würde einen Betrunkenen zu mimen.

Trotzdem spielte ich einfach mal mit. Immerhin würde sich die Chance, mit zu ihm zu dürfen, wohl kaum wiederholen.

Mit diesem Ziel in Aussicht gestellt, war es gleich viel leichter, den Betrunkenen zu spielen. Ich taumelte ein paar Schritte. „Muss nach Hause.“, nuschelte ich. „So müde...“

„Jaja, schlafen kannst du auch bei mir.“ Er umfasste meine Taille, zog mich mit sich, als dächte er, ich würde ohne seine Stütze umkippen. Na bitte. Innerlich konnte ich mir ein triumphierendes Grinsen nicht verkneifen.

Ich lief nicht sein doch recht zügiges Tempo, deutete ab und an mal ein kleines Holpern an. Man wollte ja authentisch sein. Auch wenn er mir in seiner ungestümen Art bald den Arm auskugelte, war es das wert. Wenigstens musste er mich dadurch immer wieder eng an sich ziehen und Körperkontakt war immer gut.

Mal schauen, wie Wheeler lebte. Scheinbar nicht mehr bei seinem Vater, denn er brachte mich zu einer anderen Adresse, einer gepflegten Wohnanlage. Allerdings ohne Fahrstuhl und er wohnte recht weit oben.

Während er mich die Treppen hoch zu seiner Wohnung geleitete, ließ ich mich wirklich bitten, provozierte damit den Körperkontakt noch stärker. Wheeler sah scheinbar nur die Möglichkeit, mich Stufe für Stufe zu delegieren und dabei meine Hüfte eng zu umfassen. Gemein wie ich war, lehnte ich mich sogar noch ein wenig gegen ihn, so dass er mich bald schleifen musste. Selbst schuld, wenn er unbedingt meinte, ich wäre betrunken.
 

Wir stolperten in seine Wohnung. Nach dem beschwerlichen Weg schnaufte Wheeler vor Erschöpfung. Mit geröteten Wangen delegierte er mich weiter in sein Schlafzimmer und schubste mich ein wenig grob auf sein Bett. Ich folgte der Intention einfach mal und ließ mich auf die Matratze sinken.

Das Bett war ziemlich weich, nicht gerade gesund für den Rücken, aber es würde schon Platz für Zwei bieten. Nur Wheeler dachte gar nicht daran, sich zu mir zu legen. Er zerrte mir schnell und ein wenig ungehalten die Stiefel von den Füßen, dann stapfte er davon und ließ mich allein zurück.

Okay, kam da noch was? Ich lauschte angestrengt, aber Wheelers Schritte waren inzwischen am anderen Ende der Wohnung. Vielleicht kam er ja gar nicht mehr wieder. Hm, das war alles andere als positiv für mich. Ich hatte ja geahnt, dass vielleicht keine Chance dabei rauskam, aber dass er mich so massiv schnitt, war wirklich schlecht.

Wieso hatte er mich dann überhaupt mitgenommen? Nur aus reiner Fürsorgepflicht? Vielleicht hatte ich meine Schmierenkomödie auch übertrieben und seine Geduld damit überstrapaziert. Zumindest war er definitiv nicht gut drauf.

Seufzend sank ich in die Laken. Sollte ich dann wirklich über Nacht hierbleiben? Es war nur ein letzter verzweifelter Versuch gewesen, den ich jetzt als gescheitert betrachten konnte. Wenigstens war noch ein bisschen Körperkontakt dabei herausgesprungen, aber mehr würde kaum folgen.

Wie unfassbar dämlich war diese Idee überhaupt gewesen? Als würde er mit mir ins Bett springen, wenn er mich für völlig besoffen hielt. Wohl kaum! Ich bezweifelte eh stark, dass Wheeler ausgerechnet mit mir Spaß haben wollte. Dafür war unser Verhältnis früher zu verkorkst gewesen

Ich schloss trotzdem die Augen, genoss nur kurz für einen Moment, mir vorzustellen, wie es wäre, hier mit ihm zu liegen. Sein Geruch hing in der Bettwäsche, umgarnte mich regelrecht und beflügelte meine Fantasie. Auch wenn es meine Nerven massiv strapazierte, hing ich meinen unanständigen Gedanken nach. Ich fragte mich, was für ein Liebhaber Wheeler wäre. Liebesbedürftig und passiv oder wild und fordernd?

Ach, was machte es denn für einen Unterschied? Selbst wenn wir im Bett gelandet wären, wäre es für ihn doch eh nur eine Nacht gewesen. Ich seufzte lautlos. Nur eine Nacht, einer von vielen sein. Das wäre zu viel für mein Herz.

Mit einem Mal spürte ich etwas auf meiner Brust und meinem Gesicht. Eine Decke. Mir war jetzt nicht danach, mich zu bewegen, also verharrte ich, wo ich war und hing weiter meinen Gedanken nach.

Wheeler deutete das anscheinend so, als würde ich schon schlafen. Schwer seufzend kletterte er neben mir aufs Bett und zog die Decke zurecht. Ich schloss hastig die Augen, während er mich fast schon fürsorglich zudeckte. War es fies, dass ich das hier wirklich genoss? Die Geste wirkte liebevoll, daran könnte ich mich gewöhnen.

Eigentlich dachte ich, er würde gehen, sobald er fertig war, doch er blieb neben mir auf der Matratze sitzen. Unendlich lange. Ich traute mich nicht, mich zu bewegen und ich konnte auch nicht ausmachen, was er da eigentlich tat. So lautlos wie er war, konnte er sich dabei zumindest nicht viel bewegen.

Plötzlich spürte ich seine Finger an meiner Wange. Sie waren warm auf meiner Haut, strichen vorsichtig über mein Jochbein. Das fühlte sich wirklich gut an. Federleicht und vorsichtig wanderten die Finger weiter, zeichneten die Konturen meines Gesichts nach. Schließlich glitten sie in mein Haar. Ich spürte, wie er sich vorbeugte und mich auf den Schopf küsste. Sein warmer Atem ließ meine Kopfhaut kribbeln.

„Du bist so ein Idiot!“, nuschelte er, ehe er sich aufrichtete und vom Bett kletterte.

Als ich sicher war, dass er das Zimmer verlassen hatte, setzte ich mich auf. Was war das denn gewesen? Erst genervt und abweisend und auf einmal wieder so liebevoll?

Während ich die angelehnte Zimmertür anstarrte und mich fragte, was er dahinter tat, versuchte ich, den Abend Revue passieren zu lassen.
 

Der erste Schritt war von ihm ausgegangen, er hat mich angesprochen und mir einen Cocktail spendiert. Aber auf ein Gespräch wollte er sich nicht einlassen, stattdessen ging er lieber tanzen. Es ging ihm also nur um Spaß.

Trotzdem hatte er den ganzen Abend auf mich aufgepasst, mich gleich zweimal vor diesem miesen Typen bewahrt. Ich hatte auch auf der Tanzfläche mitbekommen, wie er einige meiner Interessenten verjagt hatte, mir aber nichts weiter dabei gedacht.

Was sollte das überhaupt? Für ihn war ich nur ein Tanzpartner, eine Fläche, an der er sich reiben konnte. Aber sobald es in eine intimere Richtung ging, blockte er ab. Hatte der Kuss ja gezeigt. Gleichzeitig gönnte er es mir aber auch nicht, mit anderen anzubändeln und ohne ihn meinen Spaß zu haben.

Dass er mich mit zu sich genommen hatte, konnte ich nicht richtig einordnen. War es reine Fürsorgepflicht oder doch mehr? Wieso wollte er überhaupt so unbedingt daran glauben, dass ich betrunken war?

Eigentlich war ich mir so vorgekommen, als empfände er mich als Last, als er mich zu sich mitgenommen hatte. Aber diese intimen Streicheleinheiten waren schon wieder anders, liebevoll und vorsichtig.

Hergott, Wheeler! Ich verstand ihn einfach nicht. Mal freundlich, dann abweisend, dann fürsorglich, dann wieder abweisend. Wie sollte man daraus denn schlau werden?

Lautlos kletterte ich aus dem Bett und schlich zur Tür. Ich öffnete sie vorsichtig und spähte in das dahinterliegende Wohnzimmer. Gedämmtes Licht von einer Stehlampe erhellte den Raum gerade weit genug, um zu lesen. Konnte Wheeler nicht schlafen, oder was? Er lag auf dem Sofa, hielt ein Buch in seiner Hand, das er scheinbar studierte. Zumindest schien er das Bett komplett geräumt zu haben, denn neben ihm auf dem Boden lagen ein Kopfkissen und eine Decke.

Sowas.

Kopfschüttelnd ging ich zurück zum Bett und ließ mich auf die Matratze sinken. Vielleicht würde es das beste sein, wenn ich wartete, bis er eingeschlafen war und dann ging. Oder sollte ich wirklich bis morgen warten und sehen, was dann geschah? Ich vermutete, dass er mich einfach rauswerfen würde, aber man wusste ja nie.
 

Die ganze Nacht hatte ich mit mir gehadert. Sollte ich bleiben oder gehen? Ich konnte mich einfach nicht entscheiden, tendierte mal zum Einen dann zum Anderen. Aber immer wenn ich doch beschloss, zu gehen, war Wheeler gerade wach. Auch er schien nicht sonderlich gut schlafen zu können, denn er sah entweder leise fern oder tigerte durch die Stube. Als würde er das mit Absicht machen!

Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, als er endlich schlief und sich für mich eine Möglichkeit ergab, zu verschwinden. Möglichst lautlos schlich ich am Sofa vorbei zur Wohnungstür. Mein Blick streifte nur flüchtig Wheelers schlafende Gestalt. Er war fast völlig unter seiner Decke vergraben, nur sein unschuldig wirkendes Gesicht leuchtete im fahlen Mondlicht unnatürlich schön. So schön, dass ich es zu gern berührt hätte, aber zu solchen Gedanken sollte ich mich jetzt nicht hinreißen lassen.

Ich hatte die Tür fast schon erreicht, als ich hinter mir ein leises Murmeln vernahm. Oh nein, wachte er etwa auf? Vorsichtig sah ich über die Schulter. Nein, die Augen waren noch geschlossen, seine Züge entspannt.

Leise murmelnd zog er die Decke enger um seine Schultern. „Seto.“, wisperte er, so leise, dass ich ihn kaum verstand. Aber das hatte ich. Er hatte meinen Namen im Schlaf gehaucht, zaghaft und zerbrechlich.

Mir jagte es wohlige Schauer über den Rücken. Träumte er von mir? Allein bei der Vorstellung spürte ich, wie mein Herz raste. Was für ein Gedanke! Naja gut, das hieß ja nicht, dass er den Traum positiv fand, aber immerhin dachte er an mich.

Spätestens morgen früh würde ich das hier wirklich bereuen, aber ich konnte jetzt einfach nicht gehen. Ich musste diese Scharade bis zum Ende spielen und sehen, was passierte. Vermutlich würde es in einer riesigen Enttäuschung enden, doch das würde ich nur herausfinden, wenn ich blieb. Also schlich ich zurück ins Bett.
 

Ich versuchte, zu schlafen, Kraft für den Morgen zu sammeln, doch meine Gedanken rasten in meinem Kopf umher, gingen in alle Richtungen. Mir drängte sich die Vorstellung auf, wie er mich am Morgen gnadenlos rauswerfen und als Säufer beschimpfen würde. Er wäre angewidert von mir, immerhin war er von seinem alkoholkranken Vater dahingehend geprägt.

Aber hin und wieder wanderten meine Gedanken auch in unanständige Richtungen, daran, wie es wäre, wenn er jetzt bei mir im Bett läge.

Draußen dämmerte es bereits, als ich doch von Müdigkeit übermannt wurde und endlich einschlief.

Katerfrühstück

Ich schreckte aus dem Schlaf, als Wheeler mir grob in die Seite stieß.

„Aufstehen!“, murrte er. Wahnsinn, klang der übelgelaunt. Ich konnte allerdings auch nicht behaupten, besser drauf zu sein. Wie lange hatte ich geschlafen? Drei Stunden? Definitiv zu wenig.

Wheeler stieß mich erneut an, doch ich gab nur ein ärgerliches Brummen von mir. Der sollte sich nicht so haben und mir noch etwas Ruhe gönnen. Wenn es ihm nicht passte, hätte er mich ja nicht mit zu sich nehmen müssen.

Er seufzte leise. „Ich nehme an, du bist verkatert.“

Verkatert, jaja. Kopfschmerzen hatte ich tatsächlich, allerdings eher vom Schlafmangel. Also wäre es nett, wenn er mal aufhören könnte, so laut zu sein!

Zu dem Schluss schien er auch zu kommen, denn ich hörte, wie er das Zimmer verließ.

Wundervoll! Wenn er so schlecht drauf war, würde ich mich wirklich lieber schnell aus dem Staub machen. Auf Streit hatte ich keine Lust und zu etwas anderem würde es doch nicht mehr kommen. Wie naiv, dass ich das tatsächlich gehofft hatte.

Ein wenig schwerfällig setzte ich mich auf. Das grelle Sonnenlicht blendete mich und es verschlimmerte dieses elende Pochen hinter meinen Schläfen. Dazu kam auch noch, dass ich gestern Abend vergessen hatte, die Kontaktlinsen herauszunehmen und die jetzt wirklich unangenehm wurden.

Routiniert nahm ich die Linsen heraus und verstaute sie in dem kleinen Behälter, der sich in der Westentasche befand. Nur zu dumm, dass ich keine Brille dabei hatte. Ich war ohne Sehhilfe alles andere als blind, aber es würde die Kopfschmerzen nicht gerade mildern.

Genervt massierte ich mir die Nasenwurzel, atmete tief und langsam. Manchmal half das, den Schmerz wenigstens zu lindern, aber jetzt drang mir nur Wheelers Geruch in die Nase und verursachte mir schlechte Laune. Ich musste hier endlich weg.

„Hier!“ Wheeler hielt mir so plötzlich ein Wasserglas vor die Nase, dass ich zurückzuckte. In der anderen Hand hatte er einen kleinen weißen Gegenstand, irgendeine Tablette. Ich konnte nicht lesen, was es war, aber es würde wohl eine Kopfschmerztablette sein.

Dankbar nahm ich sie an und spülte sie mit einem Schluck Wasser herunter. Wheelers Blick ruhte dabei auf mir. Er wirkte ganz anders als letzte Nacht, verschlossen und ernst. Jaja, er musste nicht sagen, dass ich nicht willkommen war, das erkannte ich auch so.

„Besser ich gehe.“, meinte ich.

Sein Blick verfinsterte sich. Was denn? Erwartete er eine Entschuldigung, oder was? Wofür denn? Ich hatte ihn ja nicht gezwungen, mich zu sich zu nehmen, also sollte er nicht so gönnerhaft tun!

Ich stand schwerfällig auf und schob mich an ihm vorbei. Igitt, war der Fußboden kalt. Gab es hier keine Heizung, oder was? Lautlos fluchend tänzelte ich zum Teppich im Wohnzimmer. Herrgott, wenn der Boden so kalt war, war ein Bettvorleger doch wohl nicht zu viel verlangt, oder?

Mein Blick glitt suchend durch den Raum. Wo waren denn eigentlich meine Stiefel? Gut, dass ich in der Nacht doch nicht gegangen war, vermutlich wäre ich barfuss nach draußen gelaufen. Wie dumm!

„Kann man helfen?“, fragte Wheeler hinter mir hörbar genervt.

„Meine Stiefel!“

Er umrundete mich, so dass er direkt vor mir stand und sah mich an, als wäre ich völlig bescheuert. Was denn? Dann packte er mich recht grob an der Hüfte und zog mich zum Sofa. „Setz dich! Ich mach dir besser mal ein Katerfrühstück, bevor du noch vor einen Lkw läufst.“

Grrr! „Mir geht es gut.“, murrte ich. „Ich suche nur meine Schuhe!“

„Oh ja, und wie gut es dir geht!“ Er schnaufte sarkastisch. „Du torkelst immer noch, hast ganz glasige Augen und bist scheinbar so benebelt, dass du den Wald vor lauter Bäumen nicht siehst!“ Demonstrativ stapfte er zur Wohnungstür und holte ein Paar Stiefel aus dem dortigen Schuhhaufen hervor, dass er vor mir auf den Boden stellte. Dann lief er fluchend in die Küche.

Innerlich schüttelte ich darüber nur den Kopf. Ich torkelte nicht, der Boden war nur kalt. Und natürlich waren meine Augen glasig, weil von den Kontaktlinsen gereizt. Dass ich meine eigenen Stiefel nicht fand, lag vielleicht auch daran, dass ich diese Ansammlung von Schuhen nur schemenhaft erkannte und wer rechnete denn damit, dass Wheeler so einen Ordnungswahn entwickelte und meine Schuhe gleich ordentlich an die Tür stellte? Pah!
 

Seufzend schloss ich die Augen und wartete ab, bis Wheeler das Frühstück brachte. Eigentlich hätte ich auch gehen können, aber wenn ich jetzt etwas aß, könnte ich von hier aus direkt zur Firma durchstarten und mich dann bis tief in die Nacht in Arbeit vergraben. Das lenkte wenigstens ab.

Langsam breitete sich in der Luft ein Geruch nach Essen aus. Scheinbar machte Wheeler sich die Mühe und briet etwas. Hoffentlich Rührei, das wäre gut.

Meine Hand ertastete auf der Sitzfläche neben mir etwas. Was war das? Ein Buch? Ich öffnete die Augen und betrachtete es genauer. »Dein Weg ins Glück« war der Titel und auf dem Cover ein ekelhaft glücklich strahlendes Pärchen. Was wollte Wheeler denn mit so einem Pseudoselbsthilfebuch?

Ich blätterte darin herum, überflog die Überschriften. Was für ein Blödsinn war das hier? »Liebe dich selbst, dann wird er dich auch lieben«, »Schau ihm tief in die Augen«, »Provoziere Körperkontakt, um sein Blut in Wallung zu bringen«.

Wann war Wheeler denn ein zu einem präpubertärem Mädchen mutiert? Anscheinend hatte er diesen Schund wirklich intensiv gelesen, denn überall waren kleine Notizen mit Bleistift gekritzelt. Aber egal, wie sehr ich die Augen zusammenkniff, ich konnte es einfach nicht lesen. Wieso schrieb er denn auch so klein?

Mit einem Ruck riss mir Wheeler das Buch aus der Hand. Ich konnte meinen Finger nicht rechtzeitig genug wegziehen, so dass mir eine Seite schön ins Fleisch schnitt. Fluchend nahm ich die Fingerspitze in den Mund und sah erbost zu ihm auf.

Er hatte eine deutliche Röte auf den Wangen, wahrscheinlich war es ihm peinlich, dass ich so ein Mädchenbuch bei ihm gefunden hatte. „D-das ist wirklich nicht so, wie du jetzt vielleicht denkst.“

„Lass mich raten: das Buch gehört deiner Schwester.“, schnaufte ich sarkastisch.

Seine Augen weiteten sich vor Schreck. „N-nein! Nein, wirklich nicht.“ Er winkte hastig ab. „Sowas würde sie nie schreiben, ehrlich.“

Hä? Was schreiben? Hieß das, er reagierte wegen dem Buch nur so verlegen, weil er dachte, ich hätte die Notizen gelesen? Dann mussten die ja ganz schön brisant sein. Na toll! Und ich hatte es nicht mal ansatzweise entziffern können.

Trotzdem spielte ich einfach mal mit. „Wieso schreibst du dann sowas?“, fragte ich lauernd.

Er schluckte unbehaglich. „Das waren doch nur...“ Hilflos glitt sein Blick durch den Raum, als suchte er an den Wänden nach Antworten. „... nichtssagende Beispiele, die gar nichts mit der Realität zu tun haben.“

Er log. Immer wenn Wheeler log, bebten seine Nasenflügel und er blinzelte ungewöhnlich oft. Hatte er früher schon gemacht. Allerdings wurde ich nicht wirklich schlau daraus. Wenn ich nur wüsste, was er denn in das Buch gekritzelt hatte. Aber das würde ich wohl nie erfahren, denn er klemmte sich das Ding unter den Arm und brauste wieder in die Küche.
 

Kurz darauf kam er mit einem Tablett bewaffnet zurück und stellte auf dem Wohnzimmertisch vor mir einen Teller ab. Spiegelei, kleine Würstchen und Speck mit Ketchup. Igitt! Alles triefte vor Fett, es hatte sich sogar schon eine kleine Pfütze unter der Wurst gebildet. Wie unfassbar ungesund das schon aussah. Hatte der Kerl denn noch nie was von Cholesterin oder gesättigten Fettsäuren gehört?

„Schau nicht so pikiert!“, murrte er, während er so weit wie möglich von mir entfernt aufs Sofa sank. „Das nennt man Katerfrühstück. Das hilft den Alkohol aufzusaugen.“

Ich nannte das eher Frühstück mit eingebautem Herzinfarkt, aber gut. Selbst wenn man keinen Kater hatte, provozierte dieses Essen einen Anflug von Übelkeit. Wieso konnte ich nicht seinen Teller haben? Da lagen nur zwei dünn beschmierte Scheiben Toast drauf. Und überhaupt, gehörte zu einem Frühstück nicht eine schöne Tasse Kaffee?

Ich fragte ihn fast freundlich danach, aber er schüttelte entschieden den Kopf. „Alkohol entzieht dem Körper Wasser.“, belehrte er mich. „Also solltest du lieber Wasser trinken als Kaffee.“

Schön und gut, aber Wasser hatte er mir ja auch nicht angeboten und sein Blick wirkte so gereizt, dass lieber gar nicht danach fragte. Vermutlich würde eh nur Wasser mit darin aufgelösten Zuckerwürfeln oder etwas ähnlich Ungesundes kommen.

Unzufrieden rutschte ich auf dem Sofa herum. Wheeler wollte mich tatsächlich dazu nötigen, diesen Fraß zu essen, den man nicht mal mehr als Hundefutter deklarieren konnte und je mehr ich mich weigerte, desto mehr sank seine Laune. Meine aber auch, denn jetzt würde ich ohne Kaffee und ohne Frühstück zur Arbeit fahren müssen.

Allein bei dem Gedanken gab mein Magen schon ein wehleidiges Knurren von sich. Ich hatte wirklich Hunger, aber das da würde ich bestimmt nicht essen. Wofür machte ich denn mindestens zweimal die Woche Sport? Bestimmt nicht, um das Resultat mit so einer Fettbombe zu versauen.

„Bevor du mir auf den Boden kotzt, das Badezimmer ist da hinten.“, murrte Wheeler.

Er war so reizend!

Was für eine blöde Situation. Eigentlich war dieser Moment ja einzigartig. Wir beide, ganz unter uns. Aber obwohl ich mir wirklich Mühe gegeben hatte, war die Luft schon wieder geladen von der Spannung, die zwischen uns herrschte. Vielleicht würden wir nie einfach ruhig miteinander reden können, dafür war unsere Vergangenheit zu explosiv. Hatten wir vor dem gestrigen Abend je einen Satz in vernünftigem Ton miteinander gesprochen? Wenn dann höchstens aus versehen. Schon ironisch, dass unsere Vergangenheit uns jetzt den Weg in eine gemeinsame Zukunft verbaute.

Ich seufzte lautlos. Das hier brachte doch nichts und als Geschäftsmann wusste ich, dass ein taktischer Rückzug in solchen Fällen vor größerem Schaden bewahrte. Allerdings könnte der Schaden kaum größer sein. Unser Verhältnis war so gestört, dass wir überhaupt nicht miteinander reden konnten und sobald ich ging, würden wir uns wohl kaum wiedersehen.

Die andere Alternative wäre volles Risiko, aber ich bezweifelte, dass das noch etwas brachte. Eigentlich hatte ich ja nichts mehr zu verlieren. Er könnte mich für meine Gefühle auslachen und hassen, na und? Wenn wir uns eh nicht wiedersahen, änderte das nichts am Resultat und zumindest hätte ich es von der Seele.

Vorsichtig sah ich zu Wheeler. Er saß ganz am Ende der Couch, hatte die Arme vor der Brust verschränkt und starrte mit finsterem Blick an die Decke. Absolute Abwehrhaltung. Nein, da war nichts mehr zu rütteln. Ich konnte mich einfach nicht dazu überwinden, etwas zu sagen. Nur damit er mir seine Ablehnung ins Gesicht schreien konnte? Nein danke!

Ich angelte nach meinen Schuhen und zog sie an. Wheeler beobachtete mich dabei, aber er sagte kein Wort. Wahrscheinlich war es ihm ganz recht, wenn ich endlich ging.
 

„Danke für alles.“, murmelte ich formell, ehe ich mich vom Sofa erhob und zur Tür lief. Ich ging extra langsam, damit er die Gelegenheit hatte, mich aufzuhalten. Tat er aber nicht. Warum auch?

Ich griff nach der Klinke, aber genau in dem Moment sprang Wheeler doch noch auf. „Warte!“, rief er ungewöhnlich hoch und schrill. Als ich mich umdrehte und zu ihm sah, fiel er gerade fast über seine eigenen Füße, als er vom Sofa sprang.

Er kam eilig auf mich zu, schob sich zwischen mich und die Tür. Jetzt wirkten seine dunklen Augen nicht mehr so verschlossen wie kurz zuvor noch.

„Es tut mir leid.“, meinte er. „Ich wollte nicht so abweisend sein. Die ganze Situation hat mich nur an etwas erinnert.“

Für einen Moment wirkte es so, als würde er düsteren Gedanken nachhängen. Erinnerte er sich an all unsere Streitereien, all die Beleidigungen? Doch dann schüttelte er unmerklich den Kopf und lächelte mich an. Er legte seine Hand auf meine Schulter, wie man es bei Freunden tat. „Egal, dafür kannst du ja nichts.“

Also hatten seine Gedanken nichts mit mir zu tun? Mit einem Verflossenen vielleicht?

„Sicher, dass du schon fit genug bist, zu gehen?“, fragte er. Seine Stimme klang sanft, aber seine Augen wirkten dunkel und hungrig.

Was war das jetzt wieder? Eine spontane Anmache auf der Türschwelle? Wollte er doch noch ein kleines sexuelles Abenteuer zum Abschluss? Naja, mehr würde ich wohl nie bekommen. Ein One-Night-Stand und danach sahen wir uns nie wieder. Traurig, aber was blieb mir? Vielleicht konnte ich endlich damit abschließen, wenn er mich nach dem Höhepunkt direkt aus seinem Bett warf.

Ich wollte zu einer lasziven Antwort ansetzen, doch über meine Lippen kam nur ein heiseres Krächzen. Was war das denn?

Meine Stimme weigerte sich einfach, aber warum? Vielleicht weil es nicht richtig war, das hier zu forcieren? Klar, ich hatte mir schon oft vorgestellt, mit ihm zu schlafen, aber es wirklich zu tun, wäre doch, als würde ich mir ins eigene Fleisch schneiden. Ich würde die Bilder seines nackten Körpers tief in meinen Erinnerungen speichern und immer wieder daran zurückdenken. Es wäre reiner Masochismus.

Nein, wenn ich ihn nicht ganz haben konnte, sollte ich auch nicht den kleinen Knochen, den er mir hinwarf, annehmen.

„Ich sollte wirklich gehen.“, murmelte ich. Das hier wäre einfach nicht richtig.

Seine Augen weiteten sich vor Überraschung. Anscheinend hatte er nicht mit einer Abfuhr gerechnet. Aber noch gab er nicht auf. Seine Augen wurden dunkler, sein Blick lasziver. „Bist du wirklich sicher?“, fragte er rau, während seine Hand auf meiner Schulter langsam auf Wanderschaft ging. Verdammt, seit wann war ich so vernünftig? Und wieso machte er es mir so schwer?

Erschrocken zuckte ich zurück, als seine Finger über mein Schlüsselbein glitten. Seine Berührung war nur federleicht gewesen, aber sie hatte höllisch wehgetan. Scheinbar war mein Schlüsselbein von dem Angriff gestern doch noch etwas in Mitleidenschaft gezogen, denn jetzt puckerte es unangenehm.

Aber Wheeler verstand meine Reaktion anscheinend völlig falsch, denn jetzt wurde sein Blick wieder distanziert und verärgert. „Du solltest wirklich gehen.“, zischte er gepresst.

„N-nein, warte!“ Ja, ich sollte gehen, aber ich wollte nicht, dass er das falsch verstand. „Das eben war anders, als -“

„Geh einfach!“, fauchte er. Seine Augen wirkten inzwischen richtig finster und enttäuscht.

„Ich bin nur zurückgezuckt wegen -“

„GEH!“

Ja, schrei mich doch an!

Ich versuchte, vernünftig zu sein, aber wenn er mich anschrie, spürte ich das Blut in meinen Adern pulsieren und eiskalte Wut aufsteigen. Genau wie früher. Ich hasste es, wenn man mir Unrecht tat, ich hasste es so abgrundtief! Und Wheeler hatte gar kein Recht, mich anzuschreien. Nicht deswegen.

Ich könnte ihn jederzeit in Grund und Boden brüllen, lauter effektiver, treffender und ich war kurz davor, es auch zu tun. Aber bevor ein falsches Wort über meine Lippen kam, riss ich die Tür auf und ging. Wheeler knallte sie hinter mir mit einem lauten Rumms zu, der durch den ganzen Hausflur hallte.

Super, das wars!
 

Die Tür war zu und damit jede Chance für uns vertan. Es war endgültig vorbei.

Diese Erkenntnis traf mich wie ein Schlag ins Gesicht. Auch wenn ich gewusst hatte, dass es so enden würde, war es jetzt eine schmerzhafte Realität. Obwohl ich wirklich versucht hatte, das zu verhindern, gingen wir doch im Streit auseinander und wir würden uns nicht wiedersehen. Es sollte einfach nicht sein.

Verdammt!

Ermattet lehnte ich mich mit dem Rücken an seine Wohnungstür und schloss die Augen. Er war direkt dahinter und trotzdem ungreifbarer als jemals zuvor.

Joey, warum können wir nicht miteinander reden wie Erwachsene? Warum nur sind wir beide so hitzige Gemüter, die sich gegenseitig immer wieder zum Explodieren bringen?

Wie erbärmlich! Ich hatte nicht mal ansatzweise versucht, ihm zu sagen, was ich empfand. Mir war die ganze Zeit klar gewesen, wie einzigartig diese Situation war und trotzdem hatte ich den Mund nicht aufbekommen. Vermutlich hätte er mich einfach ausgelacht, aber wenigstens wäre dann endgültige Gewissheit für mich herausgesprungen. Dann hätte ich mit seinem verwirrenden Hin- und Her auch abschließen können, anstatt mich immer wieder Hoffen und Bangen hinzugeben.

Ich war so unendlich dumm! Warum hatte ich mich jemals in ihn verliebt? Wir passten doch gar nicht zueinander. Genau das, was ich an ihm bewunderte, war auch das, was uns voneinander trennte. Er war so aufbrausend und leidenschaftlich, konnte sich dermaßen für etwas begeistern. Dieses Feuer beeindruckte mich zutiefst, aber wenn es sich gegen mich richtete, konnte ich nichts dagegen ausrichten. Früher hatte er mich mit ganzer Leidenschaft gehasst, aber er würde mich nie mit solcher Intensität lieben. Das wäre zu viel verlangt. Ich hatte ihm ja auch nichts gegeben, was er lieben könnte. Weil ich ihm eben nichts zu bieten hatte.

Aussprache

Ich atmete tief durch. Selbstmitleid war etwas, das ich absolut hasste, also sollte ich mich dem auch nicht hingeben.

Gerade als ich mich zusammenreißen und von der Tür abstoßen wollte, wurde die so plötzlich aufgerissen, dass ich vor Schreck nach hinten stürzte. Mir blieb keine Gelegenheit, mein Gleichgewicht wiederzufinden, denn ich prallte direkt gegen Wheeler, riss ihn mit meinem Schwung mit zu Boden. Wenigstens schaffte er es noch, uns halbwegs glimpflich abzufangen, so dass ich zwar ziemlich unsanft auf dem Hinterteil, dafür aber in seinen Armen landete.

Mein Herz raste vor Schreck. Was hatte er denn die Tür aufreißen müssen? Und dazu noch sein heißer Atem, der in hektischen Stößen meinen Nacken streifte. Seine Arme hatten sich unbarmherzig fest um meinen Bauch gekrallt und er schien einfach nicht loslassen zu wollen.

Für mein Empfinden saßen wir eine gefühlte Ewigkeit so auf dem Fußboden, er so dicht hinter mir, dass ich die Hitze seines Körpers spürte. Seine Nähe war mir viel zu bewusst, aber ich war davon zu paralysiert, um mich zu rühren.

„Du bist so ein Vollidiot!“, wisperte er. Schwer ausatmend lehnte er seine Stirn an meine Schulter, so dass mir der Geruch seines Shampoos in die Nase drang. Apfel.

Aber was meinte er denn jetzt schon wieder? „Du hättest die Tür ja nicht so aufreißen müssen.“, murmelte ich.

Ich spürte, wie sich seine Umklammerung verstärkte, nun fast schon schmerzhaft auf meinen Bauch drückte. „Du weißt genau, was ich meine!“

Nein, wusste ich nicht. Weil ich nicht mit ihm schlafen wollte? Kratzte das an seinem Ego? Ich war nun mal kein Spielzeug.

„Herrgott, dass du nie den Mund aufkriegst!“, fluchte er leise. „Vor zwei Jahren nicht und jetzt auch nicht.“ Seine Stimme wurde leiser, ein wenig verlegen. „Dabei weißt du doch inzwischen genau, wie die Dinge liegen.“

Woher denn? Ich hatte keine Ahnung, was ich wissen sollte, aber ich spürte, wie mein Herz unmerklich schneller schlug. Er wollte auf etwas hinaus, vielleicht sogar auf etwas sehr Wünschenswertes.

Ich wollte mein Gesicht zu ihm drehen, aber es ging nicht, weil sein Kopf immer noch auf meiner Schulter ruhte. Vielleicht bekam ich ihn anders dazu, mich anzusehen. Ich wollte meine Hand heben und ihm durch seinen blonden Wuschelschopf streichen, aber als ich dafür meine Schulter bewegte, sandte meine Schlüsselbein eine erneute Schmerzwelle aus, die mich zusammenzucken ließ.

Natürlich merkte Wheeler das, aber wieder deutete er es völlig falsch. Sofort ließ er los. „Vielleicht hab ich mich auch geirrt und du solltest gehen!“
 

Er wollte von mir abrücken, aber schnell packte ich seine Hand auf meinem Bauch und hielt sie fest. Dafür sah er mich böse an, aber wenigstens hielt er inne. Jetzt wirkten seine Augen verschlossen und unendlich traurig. Wenn er dachte, ich hätte ihn abgewiesen und ihn das so verletzte, war das doch gut für mich, oder? Das hieß, er mochte mich ja vielleicht doch.

Aber jetzt wollte er mich schon wieder rauswerfen und eine weitere Chance würde es definitiv nicht geben. Also musste ich schnell handeln.

Hastig und ein wenig ungeschickt öffnete ich mein Hemd. Er beobachtete mich dabei alles andere als begeistert, dachte wahrscheinlich, ich wollte ihn jetzt völlig unpassend verführen. Aber als er die bläuliche Verfärbung an meinem Schlüsselbein sah, wurden seine Augen groß und ungläubig. Zum Glück sah es tatsächlich so schlimm aus, wie es sich anfühlte, dann glaubte er mir wenigstens.

„Ich bin nicht wegen dir weggezuckt.“, meinte ich. „Weder jetzt noch vorhin.“

Fassungslos streckte er seine Hand nach mir aus. Wenn er mich berührte, würde es wehtun und trotzdem ließ ich es zu, damit er meinen guten Willen sah. Seine Finger strichen sehr vorsichtig und leicht über mein Schlüsselbein, aber der Schmerz dabei trieb mir bald die Tränen in die Augen. Anscheinend musste er eine sehr sadistische Ader haben, denn mir kam es wie eine halbe Ewigkeit vor, bis er endlich von mir abließ.

„War das dieser Typ gestern?“

Als ich nickte, verzog er verärgert das Gesicht, wirkte mit einem Mal richtig wütend. „Hätte ich das gewusst, hätte er von mir definitiv mehr als nur ein blaues Auge kassiert!“

Jetzt legte er wieder beide Arme um mich und schmiegte sich an meinen Rücken. Was für eine wohltuende Geste. Ich genoss die Wärme, die von ihm ausging und erst recht das Gefühl seiner Finger auf meiner bloßen Haut, als er sanft über meine Brust strich. Daran könnte ich mich gewöhnen.

„Tut mir leid.“, murmelte er. „Aber ich dachte, du wärst schon so betrunken, dass du ihn freiwillig so nah an dich herangelassen hast. Ich hab überhaupt nicht gemerkt, dass er so brutal war.“

Sollte ich es ihm sagen? Eigentlich war die Gelegenheit doch gut. Ein bisschen Sympathie musste er einfach für mich haben und vielleicht sogar etwas mehr. Ich wollte mir keine allzu großen Hoffnungen machen, aber ich musste es einfach versuchen.

Ich schluckte schwer, atmete noch einmal tief durch. „Ich war nicht betrunken.“

„Nein, überhaupt nicht!“ Er schnaufte, glaubte mir anscheinend nicht. „Ich hab dich beobachtet und du hattest schon drei Cocktails, bevor ich dich angesprochen habe.“

Er hatte mich beobachtet? Interessant. „Alle drei alkoholfrei. Nur dein spendierter Cocktail enthielt Alkohol und davon habe ich nur einen Schluck getrunken.“

Er schwieg eine Weile, versuchte anscheinend zu verstehen, was das hieß. Schließlich sah er mir verwundert ins Gesicht. „Aber ich hab dich doch beobachtet.“

Jaja, all seine kleinen Indizien. Ich konnte ihm jede Situation erklären, vom kleinsten Fehltritt bis zu den glasigen Augen und seinem Katerfrühstück. Als ich damit fertig war, starrte er mich fassungslos an.

„Du hast nur so getan?“, fragte er zum wiederholten Mal.

Ich nickte erneut.

Jetzt knurrte er leise und erbost. „Spinnst du? Ich musste dich quasi in meine Wohnung schleifen! Den Muskelkater davon werde ich noch Tage spüren.“

Ich zuckte mit den Schultern. „Du wolltest doch unbedingt glauben, dass ich betrunken bin.“

Er kniff die dunklen Augen zusammen, starrte mich intensiv an. „Warum hast du mitgespielt?“

„Wegen dem Kuss.“ Bei seinem irritierten Blick, lief ich rot an. Anscheinend war ihm der noch gar nicht in den Sinn gekommen. Was, wenn er jetzt doch noch sauer wurde, weil es eben keine Aktion eines Betrunkenen war? „I-ich dachte, wenn du erfährst, dass der Kuss nicht Resultat von zu viel Alkohol war...“ Sein forschender Blick machte mich schwach. Ich konnte einfach nicht abschätzen, was er darüber dachte. Besser, ich sprach nicht mehr weiter. Vielleicht hatte ich doch zu viel Hoffnung aus der Situation geschöpft.

Doch dann beugte er sich zu mir und küsste mich sanft und liebevoll. Überrascht hielt ich den Atem an. Allerdings währte der Kuss auch nur kurz und endete, bevor ich ihn erwidern konnte. „Hätte ich nicht gedacht, dass du betrunken bist, hätte ich den Kuss erwidert.“ Er lächelte frech, ehe er mir in die Unterlippe biss.

Unglaublich! Ein Kuss und mein Herz raste schlimmer als nach einem Marathon. Bitte lass das kein Scherz sein!

„Ich hätte wissen müssen, dass Seto Kaiba nicht einfach mal sagen kann, was er fühlt.“ Seine Augen strahlten mich so warm und liebevoll an und auf seinen Lippen lag ein herzerweichendes Lächeln. „Du bist unglaublich schwer zu knacken, aber jede Mühe wert.“

„W-was heißt das jetzt?“, fragte ich nervös. hieß es das, was ich hoffte? Empfand er tatsächlich etwas für mich?

Da wurde sein Blick ein wenig verständnislos. „Ich liebe dich. Das solltest du doch inzwischen wissen.“

Ich spürte, wie mir die Hitze ins Gesicht schoss und sich mein Atem beschleunigte. Großer Gott, er liebte mich? Träumte ich vielleicht? Das war alles, was ich mir je erhofft hatte und jetzt sagte er mir das so völlig entspannt ins Gesicht.

„Wieso so überrascht?“ Zärtlich biss er mir in die Unterlippe, nur um gleich darauf einen entschuldigenden Kuss auf die gleiche Stelle zu hauchen. „Du hast doch die Notizen gelesen.“

Die mysteriösen Notizen, jaja. Ich genoss es, dass er mich so sanft und zärtlich küsste und dabei mit seinen Armen umfing. Das fühlte sich wirklich gut an und der Gedanke, dass er mich liebte, machte mir das Herz so leicht. Aber ich musste das klarstellen.

Vorsichtig brach ich den Kuss ab. Unter seinem erwartungsvollen Blick holte ich den Behälter aus meiner Westentasche und zeigte ihn.

Eine Weile starrte er ihn einfach nur an. „Kontaktlinsen. Richtig, hattest du erwähnt.“, murmelte er leise. „Du willst mir also sagen, dass du die Notizen gar nicht lesen konntest.“

Als ich nickte, lachte er, küsste mich schließlich in die Halsbeuge.

„Was stand in den Notizen?“, fragte ich neugierig.

Er ging gar nicht darauf ein. „Trägst du eigentlich auch manchmal eine Brille?“

„Abends wenn ich zuhause bin.“

Verträumt lächelnd musterte er mein Gesicht. „Steht dir bestimmt richtig gut. Du hast so wahnsinnig schöne Augen.“

Ich zuckte nur vage mit den Schultern. Keine Ahnung, ob mir die Brille schmeichelte, ich trug sie ja nie in der Öffentlichkeit. „Was stand in den Notizen?“, fragte ich erneut.

„Sagen wir, daraus geht sehr deutlich hervor, was ich für dich empfinde. Das hättest selbst du begriffen.“

Ich murrte leise. Was sollte das nun wieder heißen?

„Aber du hast sie nun mal nicht gelesen.“ Er lachte leise. „Und ich habe mich schon gewundert, warum du auf meinen Flirtversuch an der Tür nicht eingegangen bist.“

„Ich dachte, du willst mich nur für ein One-Night-Stand.“

„Und ich dachte, du willst doch nichts von mir.“

„Das dachte ich von dir auch.“

Er seufzte leise, streichelte weiter über meine Brust und küsste wieder meinen Hals. „Ich war sehr abweisend heute Morgen, tut mir leid.“

„Was hat dich beschäftigt?“, fragte ich leise. Es war schwer, sich auf ein Gespräch zu konzentrieren, wenn seine Lippen so erregend sinnlich über meine Haut wanderten. Aber anscheinend hatte ihn etwas wirklich sehr belastet und er wollte darüber reden.
 

Er atmete schwer aus, blies seinen heißen Atem über meine Haut. „Es hat mich sehr an die Zeit erinnert, als ich noch bei meinem Vater gewohnt habe. Er war damals so oft betrunken und immer musste ich es ausbaden.“

Ja, davon hatte jeder gewusst. Ich selbst hatte auch mal mitbekommen, wie der alte Wheeler besoffen in einem Einkaufszentrum lag und sein Sohn antanzen durfte, um ihn nach Hause zu bringen. Ich konnte mir vorstellen, dass er sich nicht gern an diese Zeit zurückerinnerte.

„Ich habe ihn so oft nach Hause schleppen oder ins Bett bringen müssen. Auch wenn das schon lange her ist, ich inzwischen meine eigenen Wohnung habe und er eine Therapie macht, habe ich mich irgendwie in diese Zeit zurückversetzt gefühlt, als du so getorkelt bist.“

„Weil der Boden kalt war.“, warf ich vorsichtig ein. Ich verstand ihn ja, aber wie sein Vater war ich ganz bestimmt nicht.

„Und der Bürgersteig kaputt und ich zu schwungvoll, ich weiß.“ Er hauchte einen federleichten Kuss hinter mein Ohr, ehe er mich vorsichtig mit sich auf die Beine zog. „Ich weiß nicht, warum, aber dich in der gleichen Lage zu sehen wie meinen Vater, ist mir einfach sauer aufgestoßen und ich habe mich gefragt, ob ich damit klarkommen würde, dich immer wieder bei solchen Eskapaden in dein Bett zu schleifen.“

Ich drehte mich zu ihm um und musterte ihn aufmerksam. Auch wenn er mich anlächelte, wirkte sein Blick ein wenig verklärt, als würde ihn der Gedanke wirklich beschäftigen. Vorsichtig strich ich durch sein blondes Haar. Es war immer noch ungewohnt, dass ich ihn tatsächlich so berühren durfte, aber es fühlte sich gut an. Und anscheinend gefiel es ihm auch, denn ergeben kuschelte er sich an mich und lehnte seine Stirn an meine Schulter, damit ich besser durch die weichen Strähnen streichen konnte.

„Ich war noch nie betrunken, wenn dich das beruhigt.“

Er drehte den Kopf und sah mich ein wenig ungläubig an. „Noch nie?“

„Nein, ich trinke sehr sehr selten und auch höchstens ein alkoholisches Getränk am Abend.“

Das schien ihn wirklich zu erleichtern. Lächelnd beugte er sich zu mir und küsste mich, ohne dafür seine Position aufzugeben. „Warst du denn nie neugierig, wie es ist?“, fragte er.

Ich schüttelte den Kopf. „Hat mich nie gereizt.“

Andächtig streckte er seine Hand nach mir aus und strich über meine Wange. Seine warmen Finger fühlten sich gut an, aber sein Blick wirkte ungewohnt ernst „Warum?“ Ahnte er, dass etwas dahinter steckte?

„Mein Vater starb bei einem Verkehrsunfall.“

Er nickte, beobachtete mich stumm. Das war allgemein bekannt, schon klar.

Ich atmete tief durch, um ihm das zu sagen, was nicht jeder wusste. „Der andere Fahrer war betrunken und übersah eine Ampel, so kam es zum Unfall. Aber dem Betrunkenen ist nichts passiert, er hatte einen Schutzengel. Und außer seinen Führerschein hat er an dem Tag nichts verloren.“

Joey sagte nichts, strich nur weiter über meine Haut. Es gab ja auch keine Worte, die angebracht wären. Allerdings war das Ganze auch schon fast zehn Jahre her, von daher konnte ich die Sache inzwischen mit einer abgeklärten Distanz betrachten.

Schließlich beugte er sich erneut vor und küsste mich liebevoll. „Ich liebe dich.“, wisperte er.

Mein Joey... Lächelnd strich ich erneut über seinen Schopf. Ich hätte mir nie träumen lassen, mich jemals so glücklich fühlen zu können, wie bei seinen Worten. Was brauchte ich mehr als seine Liebe?

„Wir lassen uns beide von der Vergangenheit nicht unterkriegen, okay?“

Er nickte, ehe er mich in einen leidenschaftlichen Kuss verwickelte. Meine Arme glitten um seine Taille, zogen ihn dichter an mich, während er das gleiche tat und über meinen Rücken strich. Joey war dabei intensiver und fordernder als ich erwartet hätte, aber es gefiel mir. Das machte es wesentlich aufregender und versprach auch in anderen Angelegenheiten noch interessant zu werden.

„Eigentlich könntest du mir jetzt auch mal sagen, dass du mich liebst.“, hauchte er gegen meine Lippen. Seine dunklen Augen musterten mich erwartungsvoll.

„Ich liebe dich, Joey.“, sagte ich überzeugt. Bei seinem einladenden Blick war es leicht, das auszusprechen.

Jetzt lächelte er hocherfreut, küsste mich so energisch, dass er mich damit bald umwarf. Seine Hände wanderten von meinem Rücken zu meinem Hinterteil und verkrallten sich darin. Ich konnte mir ein leises Keuchen nicht verkneifen. An der Stelle war ich einfach verdammt empfindlich.

„Hättest du damals an unserem letzten Schultag schon den Mund aufgekriegt, könnten wir nächste Woche unseren zweiten Jahrestag feiern.“, raunte er.

„Woher willst du wissen, dass ich dich vor zwei Jahren schon geliebt habe?“

Da grinste er nur frech. „Ich weiß es einfach.“ Er schob mich vor sich her in Richtung Schlafzimmer. Anscheinend wollte er zur Sache kommen.

Ich hatte Mühe, nicht über meine eigenen Füße zu stolpern, so eilig hatte er es. „Warum hast du dann nichts gesagt?“

„Weil ich schüchtern und unreif war.“ Nachdrücklich schubste er mich auf das Bett hinter mir und kletterte auf meinen Schoß.

„Schüchtern bist du nicht mehr.“, hauchte ich, als er mich schnell und geschickt von meinem Hemd befreite.

„Ich bin auch alles andere als unreif. Davon kannst du dich gleich überzeugen.“, schnurrte er gegen meine Lippen, ehe er mich intensiv küsste. Seine Hände glitten erregend über meinen Oberkörper, erkundeten das Dargebotene, wobei er es verstand, mein Schlüsselbein in Ruhe zu lassen.
 

Leise keuchend packte ich seine Hüfte und wirbelte ihn herum, begrub ihn unter mir in den Laken. Er quittierte das mit einem Grinsen und einem Biss in meinen Hals. Hm, mir gefiel es, dass er sich mit einbrachte und keiner von diesen devoten Schönlingen war, die einfach nur dalagen.

Ich öffnete sein Hemd, betrachtete eingehend die freigelegte Haut. Er war wirklich verdammt schön. Seine perfekt definierte Muskulatur zeichnete sich unter verführerisch gebräunter Haut ab, lud dazu ein, mit der Zunge erkundet zu werden. Während ich mich vorbeugte und mich über seine Brust küsste, wanderten seine Hände zu meinem Gürtel und öffneten ihn.

Er war wirklich geschickt dabei, mich auszuziehen, ich bekam kaum mit, wie er mir die Hose von den Beinen streifte. Das fühlte sich alles so unglaublich gut an und vor allem zeigte es, dass er sich durchaus ins Liebesspiel einbringen würde.

Und er war ungeduldig. Ich konnte mich nicht erinnern, schon mal so schnell ausgezogen worden zu sein. Ob er auch seit zwei Jahren auf diesen Moment gehofft hatte?

„Ich bin wirklich froh, dass wir uns zufällig wieder über den Weg gelaufen sind.“, flüsterte ich heiser gegen sein Sternum, während seine heißen Hände über meinen unteren Rücken glitten.

„Zufällig? Du glaubst ernsthaft, unsere Begegnung war zufällig?“ Er lachte, aufrichtig und wunderschön. Aber was meinte er?

Irritiert wanderte ich wieder hoch zu seinem Gesicht und sah ihm in diese sinnlich leuchtenden Augen „War sie nicht?“

Er küsste sich über meinen Hals zu meinem Kinn und schließlich zu meinen Lippen. „Süß wie naiv du bist.“, schnurrte er.

„Woher konntest du wissen, wohin ich gehe?“, fragte ich kritisch. „Das wusste ich ja zunächst selbst nicht. Der Club war Zufall.“

„Schon niedlich, dass ein Technikgenie wie du gar nicht auf die Idee kommt, sein Handy könnte geortet worden sein.“ Seine Finger wanderten zum Bund meiner Shorts, befreiten mich auch davon spielend leicht, während er mir belustigt in die Augen sah. „Mokuba hat mir die Koordinaten gesandt.“

„Ich hab mein Handy in der Limousine vergessen.“

„Die vor dem Club gehalten hat.“

Es machte mich wahnsinnig, dass er mir so völlig entspannt ins Gesicht schauen konnte, während seine Hände mich bald um den Verstand brachten. Mal liebevoll streichelnd, mal kratzend und kneifend glitten sie über meinen Hinterleib und machten es mir schwer, noch einen klaren Gedanken zu fassen.

„Also wollte Mokuba deswegen unbedingt, dass ich ausgehe?“, fragte ich gepresst.

Er nickte. „Ein abgekatertes Spiel, damit ich dich abschleppen kann.“

Ich wollte etwas erwidern, doch inzwischen waren seine Hände zu meiner Vorderseite gewandert und massierten mich an einer sehr empfindlichen Stelle. Außer einem heiseren Keuchen brachte ich einfach nichts mehr über die Lippen.
 

Mit einem Ruck warf er mich um und tauschte unsere Positionen. Ich konnte gar nichts dagegen tun, dafür fühlten sich seine Berührungen einfach zu gut an. Seine Hände schienen überall zu sein, streichelten sich über meinen ganzen Körper, von meiner Brust bis zu meinen Oberschenkeln. Als würde er sich ein genaues Bild von mir machen.

Meine Haut prickelte überall, wo er sie berührte und ich genoss es über alles. Zu One-Night-Stands gehörten solche Streicheleinheiten nicht dazu, aber ich könnte mich glatt daran gewöhnen.

Zufrieden ließ er seinen Blick über meinen Körper gleiten. Anscheinend gefiel ihm, was er sah, denn seine Augen wurden dunkler, wirkten erregter. Schließlich beugte er sich wieder zu mir und küsste mich sinnlich. „Du bist sogar heißer, als ich es mir vorgestellt habe.“, schnurrte er.

„Vorgestellt?“, fragte ich atemlos.

„Ich wusste immer, dass du unglaublich attraktiv bist, aber ich hätte nicht gedacht, dass du so schöne, trainierte Beine hast und deine Ausstattung übertrifft meine Erwartungen.“ Er grinste frech, ehe er sich zurücklehnte und mich erneut so intensiv musterte, als würde er sich meinen Anblick genau einprägen. Derweil streichelten mich seine Hände weiter, mal sanft und liebevoll, mal provokativ kratzend. „Allein dich so wunderschön nackt vor mir zu sehen, macht mich tierisch an.“

Eigentlich würde ich mir nie so lange die Kontrolle entziehen lassen, aber seine Behandlung fühlte sich einfach nur gut an. Ich hätte mich noch stundenlang einfach nur von ihm streicheln lassen können, aber irgendwann wurden seine Berührungen, gezielter, erregender und mein Blut geriet immer mehr in Wallung.

Energisch packte ich ihn an der Schulter und zog ihn zu mir herunter, um ihn in einen leidenschaftlichen Kuss zu verwickeln. Ich liebte seinen Geschmack einfach. Wohlig seufzend legte er sich ein wenig auf mich, schien das hier genauso wie ich zu genießen. Sehr gut. Meine Finger krallten sich in sein Haar, um das hier zu intensivieren. Aber als ich die Gelegenheit nutzen und uns herumrollen wollte, stemmte er sich plötzlich dagegen. Noch fieser, seine Hand glitt erneut zu meinem Unterleib und setzte meinen Verstand mit einer gezielten Massage außer Gefecht.

Das war so gemein!

Ich spürte sein freches Grinsen, wobei er federleichte Küsse auf meinem Gesicht verteilte. Wie konnte er so beherrscht liebevoll mit den Lippen Wange, Jochbein, Augenbrauen und Stirn mit kleinen Schmetterlingsküssen bedenken, während seine Hand mich gnadenlos um den Verstand brachte?

Vor allem war ich nackt und er hatte gerade mal sein Oberteil eingebüßt. Völlig ungewohnt für mich. Ich konnte bei seiner effektiven Behandlung auch kaum etwas daran ändern, denn seine Hände massierten nicht nur, sie hielten auch meine von seiner Gürtellinie weg.

So gut sich das auch anfühlte, er konnte mich doch nicht einfach zu absoluter Passivität verdammen!

Ich sammelte meine restliche verbliebene Konzentration zusammen. „Zieh dich endlich aus und zeig, was du zu bieten hast!“, knurrte ich atemlos.

Er fixierte mich mit einem lasziven Blick, ehe er mich verlangend küsste. „Bring mich doch dazu!“, raunte er, wobei seine Hände weiter meinen Unterleib verwöhnten.

Na das konnte er haben! Ich krallte mich in seinen nackten Rücken und wirbelte ihn erneut herum, drückte ihn mit meinem Körper tief in die Laken. Dadurch war er gezwungen, seine kleine Massage zu unterbrechen, aber deswegen ganz von mir ablassen wollte er wohl auch nicht. Sofort spürte ich seine Hände wieder auf meinem Rücken und meinem Hintern, wie sie mich fordernd an ihn zogen. Seine Lippen nahmen meine gleich wieder besitzergreifend in Beschlag.

Innerlich grinste ich darüber. Er war feurig und fordernd, das gefiel mir. Das mit uns würde definitiv noch interessant werden. Aber jetzt musste ich ihm erst mal zeigen, dass ich ihm hier bestimmt nicht kampflos die Führung überlassen würde.

Epilog

Die Wohnung lag in vollkommener Finsternis. Kein Licht, keine Kerze brannte. Nur der Bildschirm meines Laptops erhellte mein Arbeitszimmer, tauchte es in steriles blau.

Joey nannte diese Atmosphäre gerne kalt und gruselig, aber ich fand, es gab kein besseres Klima, um klare Gedanken zu fassen. Bei diesem Licht konnte ich perfekt die ganze Welt ausblenden. Ich konnte vergessen, dass mein Arbeitszimmer verglichen zu meinem Büro wirklich winzig und dass es draußen eiskalt war, stürmte und schneite. Ich konnte sogar vergessen, dass ich allein war.

Es gab nur mich und meinen Laptop.

Allerdings kam ich trotz dieser perfekten Arbeitsatmosphäre einfach nicht voran. Ich hatte eine neue Software entwickelt, die so genial war, dass sie meiner Firma Milliarden einspielen würde - wenn ich sie endlich mal fertigstellen konnte. Es fehlte ja auch nicht mehr viel. Nur ein kleiner Bug, den ich noch beseitigen musste, damit es perfekt war. Doch irgendwie gelang mir das heute einfach nicht.

Vor mir blinkte der Cursor erwartungsfreudig im stetig gleichen Takt, als würde er mich verhöhnen. »Schreib doch endlich was, ich warte«

Es war doch nur eine Kommandozeile. Ich hatte in meinem Leben schon so viele geschrieben, so viel programmiert. Zugegebenermaßen waren nicht alle Programme ganz legal, aber zweifellos genial und ausgefeilt. Das hier war meine Paradedisziplin, aber im Moment hatte ich eine totale Denkblockade.

Ärgerlich, sehr ärgerlich. Ich knirschte mit den Zähnen, starrte den Cursor vernichtend an. Jaja, blink du nur!

Ich zuckte zusammen, als plötzlich zwei Hände über meine Brust strichen. Selbst durch mein Hemd hindurch spürte ich, wie kalt sie waren.

Ich legte den Kopf in den Nacken, um einen Blick auf denjenigen zu erhaschen, der hinter mir stand, doch bevor ich ihn in der Dunkelheit erkannte, spürte ich kühle Lippen auf meinen.

„Weißt du, dass du in diesem Licht immer ein bisschen wie ein Psychopath aussiehst?“

Jaja, das hatte er schon öfter festgestellt. Anfangs meinte er sogar, er fände mich unheimlich, wenn ich auf meinem Bürostuhl hockte und konzentriert den Bildschirm anstarrte, weil das Licht mir eine geisterhafte Aura verlieh. Ich dagegen fand, es gab einfach keine bessere Position, um nachzudenken.

„Und weißt du, dass du eiskalt bist?“, hauchte ich.

Ich spürte sein Lächeln, als er liebevoll an meiner Unterlippe nagte. „Draußen ist ja auch ein richtiger Schneesturm, aber ich nehme nicht an, dass du mal aus dem Fenster geschaut hast.“ Seine eine Hand wanderte über meinen Hals zu meinem Kinn, kraulte mich dort leicht.

„Ärgert dich der Cursor schon wieder?“, fragte er frech.

Ich knurrte leise. Auch wenn ich in dem sterilen Licht seine Augen nur spärlich ausmachen konnte, wusste ich einfach, dass sie mich gerade spöttisch anfunkelten.

„Ist ziemlich kalt hier drin. Warum hast du dir die Heizung nicht angemacht?“

„Ist mir nicht aufgefallen.“

„Typisch! Wenn du arbeitest, vergisst du die Welt.“ Er seufzte leise, küsste mich auf die Stirn. „Ich komm aus dem Schneesturm und deine Haut ist ganz kalt.“

Kopfschüttelnd ließ er von mir ab. „Zieh dir einen Pullover über und dann komm in die Küche. Ich hab was zum Essen mitgebracht.“

Schwerfällig löste ich meine ineinander verschränkten Bein und stand auf. Mit dem Programm würde ich heute sowieso nicht mehr weiterkommen, also konnte ich den Laptop auch ausschalten.

Als ich hinter mir die Tür zum Arbeitszimmer schloss, merkte ich, dass es im Wohnzimmer wirklich wesentlich wärmer war. Kein Wunder, wenn der Kamin brannte. Trotzdem kam Joey gleich angerannt und drückte mir ein Sweatshirt in die Hand.

Dieser kleine Gesundheitsfanatiker! Nur weil ich während unserer Beziehung einmal krank geworden war, passte er jetzt auf wie ein Schießhund. Seiner Meinung nach war ich krank wehleidig und anstrengend, das wollte er sich nicht öfter als nötig antun.

Ich sah das eher so: ich hatte die Erkältung durchlebt wie ein Mann, minimal klagend. Aber er hatte mich die ganze Zeit so aufopfernd gehegt und gepflegt, als würde er denken, ich müsste sterben und irgendwie war es ganz nett, wenn sich jemand so um einen kümmerte. Also hatte ich mir eventuell etwas länger und etwas mehr Pflege erjammert als notwendig. Na und?

Er sah mich erwartungsvoll an, bis ich das Sweatshirt endlich übergezogen hatte. Aber als ich dann an ihm vorbei in die Küche gehen wollte, hielt er mich zurück, indem er einen Arm um meine Hüfte schlang.

„Wo ist deine Brille?“

„Im Arbeitszimmer.“

Leise seufzend huschte er an mir vorbei. Ich wusste, was er jetzt tat. Derweil setzte ich mich schon mal an den Küchentresen und ließ meinen Blick über das Angebot schweifen. Indisches Essen, eine Kanne Tee und eine Flasche Wein. Hm, ob er einen netten Abend vor dem Kamin plante?

Wir waren schon seit vier Jahren ein Paar. Erstaunlicherweise war es zwischen uns von Anfang an wirklich harmonisch abgelaufen, hatte nur wenige explosive Streitereien gegeben. Ich hätte mit wesentlich mehr Widerständen gerechnet, immerhin waren wir beide recht gegensätzliche Charaktere. Aber in den grundsätzlichen Dingen konnten wir uns sehr schnell einigen und das hatte es uns leicht gemacht, uns ganz aufeinander einzulassen.

Und auch nach vier Jahren noch schafften wir es, das Feuer und die Leidenschaft am Leben zu erhalten. Besonders mit Abenden vor dem Kamin.
 

Nach einem Jahr Beziehung waren wir tatsächlich zusammengezogen. Allerdings wollte er nicht zu mir in die Villa ziehen, weil die ihm zu groß und zu unpersönlich mit den vielen Angestellten war. Ich hingegen ließ mich wohl kaum in seine winzige Wohnung pferchen. Also war der für mich völlig logische Kompromiss ein eigenes Haus.

Joey hatte mich anfangs dafür für geisteskrank erklärt und gemeint, ein Haus wäre doch viel zu groß für uns zwei. Aber man konnte nicht zu viel Platz haben - solange eine Putzfrau einmal die Woche kam und Staub wischte.

„Dein Arbeitszimmer ist wirklich eiskalt.“, murrte Joey. Er kam zu mir. Mit eingeübter Routine schob er mir die Brille auf die Nase. „Der Arzt sagt, du sollst sie immer tragen und nicht nur zum Lesen.“

Darüber konnte ich nur die Augen verdrehen. Ich konnte auch ohne Sehhilfe noch gut genug sehen, nur natürlich wurden meine Augen nicht besser davon. Mokuba hatte Joey das verraten, sehr zu seiner Freude. Wenn es nach ihm ging, dürfte ich wirklich nie Kontaktlinsen, immer nur die Brille tragen.

„Das kommt dir ja sehr entgegen.“, murmelte ich.

„Durchaus.“ Er grinste anzüglich, wobei er mit beiden Händen durch mein Haar strich und mir tief in die Augen sah. „Mit Brille siehst du nun mal unschlagbar sexy aus.“ Er beugte sich zu mir und küsste mich intensiv. „Das betont deine wahnsinnig schönen Augen auf eine sehr erotische Weise.“

„Dann kann ich ja froh sein, dass nur du mich wie ein läufiger Hund anspringst.“

Er biss in meine Unterlippe. „Süßer, da sind einige, die dich nur zu gern mal bespringen würden. Aber ich werde jeden, der es versucht, gnadenlos wegbeißen.“

„Braves Hündchen.“, schnurrte ich. Kleine Neckereien mussten einfach sein. Alles andere hätte nicht zu uns gepasst.

Er drückte mir noch einen Kuss auf, ehe er sich mir gegenüber an den Tresen setzte und das Essen verteilte.

Eigentlich gab es bei uns eher selten Essen vom Lieferdienst. Joey kochte gern mit Leib und Seele und er konnte das wirklich gut. Meistens kümmerte er sich um unser Abendessen. Dafür sorgte ich dafür, dass jemand einkaufen ging und das Haus sauber hielt. Auch wenn Joey mich damit aufzog, dass ich unfähig wäre, einen Haushalt allein zu schmeißen, kamen wir damit wunderbar zurecht. Und er erwartete doch nicht ernsthaft, dass ich persönlich den Staubwedel schwang.

Nur wenn er länger arbeiten musste, brachte Essen von auswärts mit.

Er hatte Grafikdesign studiert und arbeitete für eine kleine Firma, die sich gerade emporarbeitete. Mit meiner Hilfe könnte sie es natürlich ganz schnell nach oben schaffen, aber ich mischte mich da nicht ein, so war der Deal. Heute hatten sie sich einer kleinen Anwaltskanzlei präsentiert, um deren Werbekampagne zu übernehmen. War wohl ganz gut gelaufen, wenn ich den Wein betrachtete.

Alkohol gab es bei uns wirklich nur selten und auch diese Flasche würde heute nicht geleert werden. Aber zum Anstoßen oder zum Einleiten eines romantischen Abends war es hin und wieder okay.

Ich probierte das mitgebrachte Essen. Argh, war das scharf! Hastig griff ich nach meiner Teetasse. Jaja, Wasser und Tee halfen nicht gegen Schärfe, aber es linderte zumindest kurzzeitig das Brennen.

Joey musterte mich belustigt. „Scheinbar hab ich die Portionen verwechselt.“ Er tauschte unsere Teller, aber ich sah in seinen Augen ganz genau die Schadenfreude. Im Gegensatz zu mir liebte er scharfes Essen. Er zog mich gern damit auf, wie wenig ich das abkonnte, was er so liebte.

Ich knurrte leise. Manchmal machte er das mit Absicht, einfach nur weil er fand, dass ich so bezaubernd mit geröteten Wangen aussah. Mir stieg die Schärfe immer gleich zu Kopf.

Auch jetzt spürte ich, wie mir warm wurde.

Er schob sich demonstrativ eine große Portion von diesem scharfen Teufelszeug in den Mund und beobachtete mich frech grinsend.

Misstrauisch probierte ich mein Essen. Wehe, das war auch scharf! Nein, zum Glück nicht. Ich konnte es einfach nicht ab, wenn meine Nahrung versuchte, mir die Zunge zu verätzen. Essen durfte einfach nicht wehtun.
 

Als wir aufgegessen hatten, zog Joey mich direkt zu dem Teppich vor dem Kamin. Ein extraweicher Kuschelteppich, eine seiner ersten Anschaffungen. Er meinte damals, wenn man schon einen Kamin hätte, müsse man es sich davor auch gemütlich machen können. Das taten wir inzwischen ziemlich regelmäßig. Gerade im Winter hatte es schon einen gewissen Reiz, zu zweit die Wärme des Feuers zu genießen.

Joey gesellte sich mit zwei Gläsern Rotwein zu mir und ließ sich ebenfalls auf dem Boden nieder. Während er mir ein Glas reichte, kicherte er leise.

„Du hast immer noch ganz rote Wangen.“, neckte er.

Ja, ich spürte die Hitze auch noch sehr deutlich. „Teufelsfraß!“, murrte ich.

Lächelnd beugte er sich zu mir und küsste mich zärtlich. „Süßer, du bist wirklich niedlich mit so roten Bäckchen. Und ich liebe dich - auch wenn du nichts Scharfes verträgst.“

„Ich dich auch, du Sadist!“

„Diesmal war es keine Absicht.“ Er schmiegte sich in meine Arme, kuschelte sich an meine Brust.

Ich seufzte leise. Heute war er eindeutig liebesbedürftig. „Wie war eure Präsentation?“

„Wir haben den Auftrag.“

„Glückwunsch.“ Schmunzelnd küsste ich ihn auf den blonden Schopf. „Ihr habt ja auch hart dafür gearbeitet.“

„Stimmt. Aber es tut gut, wenn es sich auch auszahlt.“ Er sah zu mir auf und seine Augen funkelten neckisch. „Auch wenn es natürlich ein bisschen unfair ist, dass wir so hart schuften müssen, um einen minimalen Erfolg einzufahren, während du dich mal zwei Tage vor den Laptop hockst und dafür dann ein paar Millionen verdienst.“

„Milliarden für dieses Programm, wenn ich es richtig vermarkte.“

„Jaja, und die kriegst nicht du sondern die Firma.“ Seine Hand wanderte unter mein Sweatshirt und mein Hemd und strich über meine bloße Haut. „Aber du kriegst ein großes Stück vom Kuchen ab.“

„Ist ja auch meine Idee, mein Programm und meine Firma.“ Ich fand, es war nur fair, wenn dann für mich auch ordentlich etwas vom Gewinn abfiel. Immerhin profitierten davon ja mehr als genug Leute. Alle Angestellten meiner Firma, Geschäftspartner und natürlich die Kunden. Außerdem hortete ich es ja nicht einfach nur, sondern spendete viel und unterstützte einige soziale Projekte.

Joey seufzte leise, kratzte über meine Bauchmuskeln. „Zum Glück muss ich meinen Erfolg nicht an dir messen.“

„Das wäre illusionär.“ Schmunzelnd kraulte ich sein Kinn und küsste ihn flüchtig. „Keine Sorge, das würde ich auch nie erwarten. Ich bin stolz, dass du deinen eigenen Weg gehst.“

Er gluckste leicht. „Und egal wie erfolgreich du bist, ich kann mir immer auf die Fahne schreiben, dass du bei mir allein schwach wirst.“ Neckend biss er in meine Unterlippe, während seine Hand über meine Brust immer höher glitt und mich dazu anhalten wollte, mein Oberteil auszuziehen.

„Keine Angst, dass ich mich verkühlen könnte?“, fragte ich spitz.

Unbeeindruckt schob er meine Kleidung weiter nach oben, bis ich seiner stummen Aufforderung nachkam. „Inzwischen dürfte es warm genug sein, damit keine Gefahr besteht. Und wenn dir doch kalt wird, heiz ich dir schon ein, versprochen.“

Innerlich konnte ich darüber nur den Kopf schütteln, während er es mir gleich tat und seinen Pullover in die Ecke feuerte.

Eigentlich war es immer so, dass er mich irgendwann aus meinen Klamotten schälte. Er hatte eine seltsame Affinität dazu, mich möglichst unbekleidet vor dem Kamin zu haben, weil seiner Meinung nach meine Haut im Licht des Feuers unglaublich attraktiv schimmerte. War mir egal, ich hatte kein Problem damit, vor ihm nackt zu sein. Allerdings fand ich, dass er dann fairerweise auch gleichziehen sollte, was er inzwischen auch bereitwillig tat. Und dass es meistens im Laufe des Abends in eine erotische Richtung lief, konnte mir nur recht sein.

Zufrieden ließ er seine Hände über meine Brust gleiten, während sein Blick über meinen Oberkörper glitt. Dann wanderten seine Finger weiter in mein Haar und strichen immer wieder dadurch. Er beugte sich vor und küsste mich.

„Du bist so schön.“, wisperte er.

„Sagst du jedes Mal.“ Ich war stolz darauf, ihm zu gefallen, aber wie ich fand, war er eigentlich wesentlich ansehnlicher gebaut. Sportlicher, muskulöser. Auch wenn ich regelmäßig Sport machte, konnte ich einfach nicht so viel Masse aufbauen wie er. Ich war schon immer schlank gewesen und ich konnte es einfach nicht ändern, egal was ich tat. Vielleicht war es auch besser so, denn wie Joey meinte, gefiel ihm genau dieses athletisch schlanke, gazellengleiche so sehr.

Lächelnd hauchte er mir noch einen weichen Kuss auf die Lippen, ehe er sich wieder eng an mich schmiegte. Mich überkam jedes Mal ein wohliger Schauer, wenn ich seine warme Haut direkt an meiner spüren konnte.

Eine ganze Weile genossen wir die ruhige Atmosphäre und die Wärme in trauter Zweisamkeit, während wir den Wein tranken. Joey fuhr dabei immer wieder mit seinen Fingern meine Muskulatur nach, während ich seinen blonden Schopf kraulte. Diese Abende hatten etwas sehr Entspannendes an sich, ließen mich jedes Mal sämtlichen Stress vergessen.

Wer hätte jemals gedacht, dass mir so ein Blödsinn wie kuscheln tatsächlich gefallen könnte? Tat es.

Ich zuckte zusammen, als Joey mir plötzlich in die Halsbeuge biss. „Nicht einschlafen!“, raunte er.

Ich knurrte leise. Was erwartete er denn, wenn es so gemütlich war? Da war ein bisschen dösen doch erlaubt, oder? Aber wie sollte ich ihm böse sein, wenn er sogleich besänftigend über die malträtierte Stelle pustete und seichte Küsse darauf verteilte?

„Vielleicht sollten wir einfach ins Bett gehen.“, schlug ich vor. Man könnte ja auch da noch ein bisschen wach bleiben und gemeinsamen Aktivitäten nachgehen.

Doch statt aufzustehen, drückte er mich auf den Rücken und machte sich auf mir schwer. „Bleiben wir lieber hier.“ Frech grinsend senkte er seine Lippen auf meine Brust und verteilte feine Küsse auf meiner Muskulatur. „Wir könnten uns gegenseitig ein bisschen einheizen.“, schnurrte er in erotischem Ton.

Ganz meine Rede. Und bei der Wahl der Örtlichkeit war ich ja flexibel, auch wenn ich persönlich fand, dass Liebe vor dem Kamin immer romantischer klang als es eigentlich war. Aber bitte, ich musste ja nicht unten liegen.

Ich genoss seine Behandlung sehr, wenn er wie jetzt gezielt erregend meinen Körper erkundete. Das konnte er wirklich gut, effektiv und sinnlich. Ich hungerte regelrecht nach seiner Aufmerksamkeit und seinen so wohltuenden Berührungen. Bei ihm konnte ich mich einfach bedenkenlos fallen lassen.

Ich keuchte leise, als er mit den Zähnen federleicht über meine Bauchdecke schabte, ehe er sich über meine Champagnerrinne wieder nach oben bis zu meinem Gesicht küsste. Als er mich in einen intensiven Kuss verwickelte, nutzte ich die Gelegenheit und rollte uns herum.
 

Inzwischen war das Feuer im Kamin fast erloschen. Nur noch ein schwaches Glimmen der Glut spendete ein klein wenig Licht.

Inzwischen war es auch ein wenig kühler im Zimmer geworden, aber das störte mich nicht. Eine Decke, die auf dem Sofa gelegen hatte, und Joeys Körper spendeten mehr als genug Wärme. Er lag dicht an mich geschmiegt an meiner Seite, umklammerte mich fest, während er seinen Kopf auf meinem Arm abgelegt hatte und mir damit die Blutzufuhr abschnürte. Meine Fingerspitzen fühlten sich schon ein wenig taub an, aber ich wagte es nicht, mich zu bewegen. Auch wenn er nur döste, wollte ich ihn nicht unnötig aufschrecken.

Joey fand kleine Liebesabenteuer vor dem Kamin unendlich romantisch, gerade im Winter und der Gedanke klang zugegebenermaßen immer recht nett.

Ich sah das allerdings eher so: während wir miteinander schliefen, hatte ich immer das Gefühl, meine dem Kamin zugewandte Seite würde verbrennen, denn Joey konnte natürlich nie still liegen, sondern zelebrierte die kleinen Rangeleien und Machtkämpfe, die für uns einfach dazugehörten. In dem Fall brachten sie uns jedoch manchmal gefährlich nah ans Feuer, was Joey im Eifer des Gefechts nie so recht bemerken wollte.

Vielleicht ging es ihm dabei wie mir, dass mich dieser Hauch von Gefahr zusätzlich erregte, aber unser Sex war immer großartig, auch ohne äußere Anreize.

Danach schmiegte er sich an mich, so besitzergreifend und gleichzeitig einfach liebesbedürftig und verschmust. Für mich war das das allerbeste daran, einfach nur seine Nähe, Wärme und Zuneigung so intensiv zu spüren, wenn sich die Erregung gelegt hatte. Es gab nichts Schöneres, als mit diesem Gefühl einzuschlafen.

Vor dem Kamin musste ich allerdings immer aufpassen, dass ich wach blieb. Ohne Feuer wurde es in der Nacht hier unten doch recht kühl und der Boden war steinhart, das federte auch der Teppich nicht ab.

„Weißt du, was ich an diesen Abenden am meisten liebe?“, fragte Joey träge. Seine Stimme klang schon ganz verschlafen und sein warmer Atem streifte mein Kinn. „Dass ich in dieser Atmosphäre in deinen Armen vor dem Kamin einschlafen kann und trotzdem am nächsten Morgen im Bett aufwache.“

Was für ein Kunststück!

Als ich zu ihm sah, schenkte er mir ein freches Lächeln und seine nur noch halbgeöffneten Augen funkelten mich neckisch an. Er beugte sich vor und küsste mich überaus liebevoll, ehe er sich wieder an meine Schulter schmiegte.

Lautlos seufzend strich ich über sein Haar. Er schlief meistens irgendwann einfach ein und ich konnte ihn hier ja nicht liegen lassen. Also kümmerte ich mich dann notgedrungen um das Löschen des Kamins und trug ihn in unser Bett. Manchmal hatte ich den leisen Verdacht, dass er sich nur schlafend stellte, um getragen zu werden.

Allerdings würde ich mich nie darüber beschweren. Dafür waren diese Momente einfach zu besonders.


Nachwort zu diesem Kapitel:
So, sie haben es also doch noch geschafft, zusammenzufinden ^^

Das war meine erste FF, die ich nur aus Setos Sicht geschrieben habe, aber ich hoffe mal, dafür war es gar nicht so schlecht.
Ich werde noch einen Epilog anhängen und dann ist die Geschichte erst mal abgeschlossen.
Vielen Dank für die vielen positiven Kommentare :D Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
So fertig.
Die beiden sind eines meiner absoluten Lieblingspairings und ich denke, ich werde in Zukunft bestimmt noch ein paar Geschichten dazu schreiben. Wenn ihr Ideen oder Anregungen habt, schreibt mir einfach. Vielleicht fällt mir dazu was ein :D
Ich hoffe die FF hat euch gefallen.
Bis zur nächsten Story ^^ Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (32)
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Von:  Lunata79
2015-12-09T20:49:19+00:00 09.12.2015 21:49
Sehr schöne FF.
Von:  -Raidon-
2015-10-19T22:44:11+00:00 20.10.2015 00:44
wow auchb das letzte Kapitel war wirklich schön und romantisch! Dein Schreibstil ist wirklich toll und die Charaktere sind wirklich klasse dargestellt=) ich hoffe du schreibst noch mehr über die beiden=)
vielen Dank für die tolle Geschichte=)
Von:  losichou93
2015-10-19T19:09:50+00:00 19.10.2015 21:09
Awww ein romantischer Abend vor dem Kamin. Die beiden sind so süß zusammen <3
Schade, dass es schon vorbei ist, aber ich freu mich darauf, mehr davon zu lesen.
Deine losichou :D
Von: AomaSade
2015-10-17T21:05:00+00:00 17.10.2015 23:05
Hallo caladriuss,

einfach ein wunderbarer Dialog zu einer wunderschönen Geschichte. Vielen Dank für das Lesevergnügen.

Liebe Grüße
AomaSade
Von:  Onlyknow3
2015-10-17T20:47:39+00:00 17.10.2015 22:47
Mir hat die Geschichte auch sehr gut gefallen, und ich mag die beiden. Vielleicht fällt dir dazu ja was ein-

Nach dem Schulabschluss verschwindet Joey spurlos, keiner weiß wo er ist.
Aber die Kaiba Corb, hat mehrere Hilfprojekte und dabei findet Seto Joey in einem Behindertenheim im Rollstuhl sitzend und ohne Gedächnis an seine Vergangenheit.
Erst die Stimme von Seto ohne das er diesen gleich erkennt, lockt es wieder hervor.
Mach weiter so, freue mich auf eine neue Geschichte.

LG
Onlyknow3
Von:  Nephelin
2015-10-17T20:05:24+00:00 17.10.2015 22:05
ein tolles und nahezu perfektes Ende :)

ich bin schon sehr gespannt auf deine neuen Storys *.*
Von:  Nephelin
2015-10-17T19:25:57+00:00 17.10.2015 21:25
einfach nur WOW, zu der Story :)

auch wenn sie nur kurz gehalten ist, finde ich dennoch, dass sie sehr flüßig war; meiner Meinung nach ging auch nichts zu schnell oder sonst wie; es war alles sehr nachvollziehbar und stimmig

eine tolle FF zu einem meiner liebsten Paar :3
Von:  losichou93
2015-10-15T15:45:57+00:00 15.10.2015 17:45
Sie haben es also zum Glück doch geschafft XD
Ich finds toll, dass Joey hier so forsch ist und damit einen Gegenpart zu Seto bildet. Die beiden sind so toll zusammen <3
Schade, dass es schon vorbei ist, aber ich freu mich auf den Epilog ^^
Von:  Akikou_Tsukishima
2015-10-14T07:15:51+00:00 14.10.2015 09:15
Och nein,
Warum sind die neuen ffs jetzt immer nur so kurz...

Aber ich konnte mir so was von denken dass mokuba dahinter steckt XD
Von:  Onlyknow3
2015-10-14T06:04:13+00:00 14.10.2015 08:04
Joey hat hier Seto ganz schön überrumpelt mit der Aktion als er die Tür aufgerissen hat. War von seiner Seite wohl die beste Lösung, und ers hat sich auch ausgezahlt. Das ervon Seto erst dachte das diese es nicht wolle war ja ein Irrtum, hat dieser doch nur Schmerzen an seinem Schlüsselbein und wohl auch ein mächtigen blauen Fleck, den er Joey zeigen konnte.
Die beiden haben sich da ganz schön was vorgespielt, Seto als wäre er betrunken und Joey als wäre er zufällig da was beides nicht stimmt. Die Geschichte gefällt mir, auch dein Schreibstil ist super. Mach weiter so, freue mich auf was neues oder eine Fortsetzung zu dieser FF.

LG
Onlyknow3


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