Zum Inhalt der Seite

Cursed Shadow

- verliebt in einen Dämon -
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Mein Leben

Mein Herz raste.

Der kalte Nachtwind fegte durch mein Haar, während sich jeder einzelne Muskel meines Körpers panisch verkrampfte. Mein Abendkleid flatterte unruhig umher, als ich mich ungewollt einem tiefen Abgrund näherte. Ich klammerte mich ängstlich um den Hals eines Mannes, der mich sicher in seinen Armen trug. Sollte ich ihn nur Mann nennen? Viele bezeichneten ihn als Monster. Doch er nannte sich, Schattenmann.

Stürmisch lief er immer weiter. Er rannte. Er floh. Wir mussten hier weg. Schnell!

Eine entscheidende Situation, in welcher er so bedachtsam reagierte, wie er es lange nicht mehr musste. Ein Zeichen dafür, dass es um Leben und Tot ging. Flüchten war nie eine Option gewesen. Außer in dieser Nacht.

Sein Albtraum. Und nun auch meiner.

Ich erkannte den Abgrund immer deutlicher. Schwarz und unendlich tief. Je näher wir diesem kamen, desto fester krallte ich mich an den Mann, der vor kurzem mit mir unter dem Sternenhimmel tanzte und mich doch vor einiger Zeit töten wollte. Der mich nun rettete und doch nur weiter in seine Hölle hineinzog. Der von allen gefürchtet wurde, doch mein tiefstes Vertrauen gewann. Vor dem ich einst versuchte zu fliehen, doch den ich am Ende nicht mehr vermissen wollte.

Plötzlich spürte ich, wie er mich fester griff. Ich starrte mit aufgerissenen Augen geradeaus. Kein Wort traute sich aus meinen Mund.

Schließlich stieß er sich vom Boden ab und sprang mit mir in die grauenhafte Tiefe.

Wie konnte es nur so weit kommen? Wie konnte es passieren, dass mein Leben diesen Weg wählen würde? Und wieso wollte ich nichts dagegen tun?

Der Schattenmann

Draußen war es finster und kalt. Ein sanfter Wind fegte durch die Straßen und nur die Laternen erhellten die kleinen, verlassenen Wege. Es war eine perfekte Nacht, um schaurige Horrorfilme zu genießen und vor Furcht das Kissen zu umschlingen.

Nami und ich hatten es uns auf ihrem Bett bequem gemacht. Zusammen lagen wir vor ihrem kleinen rosa Laptop und genossen die Ruhe des Abspanns.

„Der war ja öde! Wir hätten lieber einen anderen Horrorfilm gucken sollen.“, störte Nami die Ruhe, während sie den Laptop zuklappte und sich vom Bett aufraffte. Ich sah ihr hinterher und bewarf sie mit dem letzten Süßkram aus der Schüssel vor mir. „Hee! Ich fand den ganz gut. Natürlich war der gruselig, auch wenn er alt ist.“

„Du bist ja auch ein Angsthase.“, lachte sie mich aus. Während sie wieder über mich lachte, räumte sie leere Flaschen zur Seite und warf den restlichen, auf dem Boden verteilten Müll weg. Ich beobachtete sie grimmig, doch sie streckte mir nur dreist die Zunge entgegen.

Eigentlich hatte sie sogar Recht. Ich war schon immer ein Angsthase und würde es wohl auch immer bleiben. Aber wer will das schon zugeben?

„Bin ich gar nicht!!!“, maulte ich also. Nami sah mich verdächtig an und zog eine Augenbraue hoch. Dann näherte sie sich dem Lichtschalter und legte ihren Kopf schief. „Ach ja?“, fragte sie mit einem fiesen Unterton. Ich fing an zu grinsen. Denn wir wussten beide, dass ich  Unrecht hatte.
 

Nami und ich waren schon sehr lange befreundet und daher kannte sie mich schon besser als mein Vater. Ich wusste nicht warum, aber sie war immer für mich da. Schon seit ich denken konnte war sie an meiner Seite. Andere Freunde hatte ich nicht. Und andere Freunde brauchte Nami nicht, obwohl sie schon immer beliebt war. Sie wollte immer nur bei mir sein und mir helfen. Die beste Freundin die ich haben konnte.
 

Einen Moment war es leise. Sie biss sich kurz auf ihre Lippen und sah nachdenklich zur Tür. Es schien, als würde sie sich über etwas Sorgen machen.

„Was hast du? Hast du etwa selber Angst?“, fragte ich aus dem Affekt heraus und musste breit lächeln. Sie schüttelte den Kopf und kam wieder zu sich. „Pa! Ich und Angst?“, dann zeigte sie mit dem Finger auf mich. „Du sagst, du bist kein Angsthase? Na das will ich mal testen! Schalte das Licht aus und sag es!“, grinste sie mich plötzlich überzeugt an. Schnell wich ich etwas zurück. „Was? I.. Ich weiß nicht was du meinst!“, log ich und hob die Hände.

„Du weißt sehr wohl was ich meine.“ Sofort lief sie auf mich zu und hockte sich schmunzelnd neben mich auf das Bett. Ihre Stimme wurde leiser und tiefer. „Du erinnerst dich doch bestimmt die Geschichte die ich dir heute erzählt habe.“, fragte sie und näherte sich mir ganz langsam. Ich begann verwirrt zu stottern. „Die... die Geschichte? Von diesem Schattenmann? Diesen Mythos den du mal im Internet gelesen hast?“ Scheinheilig versuchte ich meine Angst zu vertuschen und sah weg.

„Oh ja!“, sie rückte mir etwas näher und faste mir an die Schulter. „Du weißt was ich meine! Schalte das Licht aus, stelle dich in den Raum und ruf ihn! Zwei mal musst du den Spruch sagen!“ Amüsiert betrachtete sie meine Unsicherheit.

Ein ungutes Gefühl überkam mich. Mein Magen zog sich zusammen. Was sollte ich dagegen sagen? Wenn Nami etwas wollte, dann geschah es auch. „Pff. Das ist doch nicht dein Ernst oder?“, belächelte ich die Situation und sah sie unglaubwürdig an, in der Hoffnung, dass sie aufgeben würde.

Doch ich erhielt nur ihren aufgeregten, verspielten Blick. Das bedeutete also unterschwellig, dass es ihr Ernst war.

„Ehrlich jetzt?“, rollte ich die Augen. Sie sprach ganz schnell um mich zu überzeugen: „Dann verspreche ich hoch und heilig, dich nicht mehr Angsthase zu nennen!“, plapperte sie und wartete auf meine Antwort.

Kurz sah ich zum Lichtschalter und überlegte. Die ganze Zeit mit ihrem stechenden Blick von der Seite, der mich immer mehr bedrängte. Es sollte doch zu schaffen sein, einen dummen Spruch zwei Mal aufzusagen, oder? Ich wollte ihr zeigen, dass ich keine Angst hatte! Aber, wie konnte ich das, wenn ich doch Angst hatte?

Mein Grübeln brachte sie zum Lachen. Sie stand direkt auf und kicherte. „Hihi. Ich weiß doch was du denkst! Das geht ganz schnell! Zack, zack. Fertig! Du kleiner Feigling.“ „Das ist gar nicht witzig…“, nuschelte ich mürrisch. Mehr wollte ich nicht erwidern. Es erschien mir sinnlos ihr Kommentar zu beantworten, und Diskussionen verlor ich doch sowieso immer. Also riss ich mich zusammen! Entschlossen nickte ich, wenn auch nicht ganz freiwillig. „Oke…“, bestätigte ich schüchtern.

Ein lautes: „GUT!“ schrie Nami durch den Raum. Sie drehte sich sofort um und hopste zur Tür. „Ich mache das Licht eben aus! Und du musst es laut genug sagen ja!? Zwei Mal!“ Wieder nickte ich schweigend und sah ihr einfach nur hinterher. Dieses Mal aber mit sehr viel mehr Angst und einem drückenden Magen. Dann stand auch ich auf.

Nami wartete bereits im Flur auf mich und starrte in das Zimmer. Auf was hatte ich mich eigentlich eingelassen?! Aber es sollte doch nichts passieren. Ich glaubte nicht an übernatürliches, auch wenn ich Angst davor hatte. Also wollte ich es einfach hinter mich bringen.

Ich nickte mir selber zu und drückte meine Fäuste zusammen. „Ich kann das...!“, versuchte ich mir selber Mut zu machen. Dann stellte ich mich in die Mitte des Raumes, den Rücken zu Nami gedreht und sah mich kurz um. Meine Augen waren so weit aufgerissen, als wenn schon vorher etwas passieren könnte. Dann machte ich noch einen sicheren Blick über meine Schulter.

Nami hob ihren Daumen. „Du schaffst das!“, grinste sie und schaltete das Licht aus. Nur das Flurlicht schien in den Raum, durch einen kleinen Spalt der Tür. Doch langsam wurde auch dieser immer dünner, bis die Tür sich mit einem Klacken schloss und im Bogen eingerastet war.
 

Stille.

„Wie bescheuert…“, schnaufte ich und legte meinen Kopf in den Nacken. - Irgendwie ging mir das alles zu schnell. Ich hätte einfach auf meine Meinung beharren sollen! Jetzt muss ich da wohl durch. - „Muss ich echt jetzt?“, fragte ich laut. Mit meinen Händen spielte ich aufgeregt an meinem Pullover herum. Ein dumpfes „Jaa!“, kam mir von der anderen Seite entgegen. Aber ich versuchte der Situation weiter auszuweichen. „Das ist doch echt idiotisch! Wir sind doch keine Kinder!“

Ein ungewöhnlich nervöses „Mach schon!“, hörte ich nun von ihr. Warum drängte sie mich so?

Ich biss die Zähne zusammen. Noch einmal sah ich mich in dem nun dunklen Zimmer um. Durch die Lücken in den Jalousien am Fenster drang etwas Laternenlicht von draußen hinein. Und langsam gewöhnten meine Augen sich auch an die Finsternis. Das große Bett und die Regale am Fenster konnte ich schon etwas erkennen. Doch für mehr reichte meine Konzentration nicht mehr. Überall nur Schatten, gruselige Schatten. Ich hatte eine Gänsehaut, als wenn ein Geist direkt hinter mir stehen würde.

Ein letztes Mal holte ich tief Luft und schüttelte den Kopf. „Jetzt geht es los. Ich werde es machen! Ich werde einen Dämon rufen. Ich rufe einen Dämon! Ich werde es machen!“, faselte ich leise und tätschelte meine Wangen. „LOOOS!“ brüllte es aus dem Flur. Sofort schreckte ich zusammen und drehte mich um, „BOA! JA!“ Vor Angst hielt mir meine Hand auf die Brust und stellte mich wieder aufrecht hin. Dann noch etwas auf der Stelle hüpfen und die Arme aus schlackern. „Dann mal los…“, sagte ich mir selber und schloss die Augen. „Also los! Schattenmann! Ich habe keine Angst. Komm her und zeig mir was du kannst! Los! Schattenmann! Ich habe keine Angst. Komm her und zeig mir was du kannst!“, brüllte ich in den Raum und presste meine Augenlider fester zusammen. Krampfhaft runzelte ich vor Angst die Stirn und traute mich nur ganz langsam meine Augen zu öffnen. Doch es war leise. Niemand war dort.

Ängstlich blickte ich umher. Am liebsten hätte ich mich wie eine Maus in ihrem Mauseloch verkrochen. Mein Herz begann zu rasen. Es pochte so stark, dass ich es bis zum Hals spüren konnte. Mein Bauch schmerze vor Aufregung und ich konnte nur schwer atmen. Voller Furcht versuchte ich im Raum etwas zu erkennen. Es wirkte so schaurig düster. Alles war leise. Selbst Nami war nicht aus dem Flur zu hören. Kein Schattenmann, keine Geräusche, nur Stille. Aber es war niemand da. Kein Dämon.

Jetzt lächelte ich wieder und atmete auf. „Siehst du Nami! Ich habs gemacht.“, entspannte ich mich und löste meine verkrampfte Stirn. „Nami?“ Doch ich erhielt keine Antwort. „Nami! Keine Scherze jetzt!“, grinste ich unsicher und legte meine Hand auf den Schalter. Doch die Lampe an der Decke reagierte nicht. Hektisch bewegte ich den Regler herauf und herunter. „Warum geht das nicht?“

- Nami will mich doch nur ärgern! – Also wollte ich nun die Tür schnell öffnen. Ich griff nach dem Henkel und wollte mit Schwung die Tür aufreißen. Aber sie bewegte sich nicht. Egal wie sehr ich daran zog, sie ließ sich nicht öffnen. Ich klopfte gegen die Holztür. „Hallo?! Mach auf! Das ist nicht witzig!!!“ brüllte ich wütend. Ich merkte wie mein Körper immer wärmer wurde. Mit ganzer Kraft rüttelte ich an dem Knauf. „Mach auf!“ Ich stampfte gegen die Tür. „NAMI! Mach auf!“ Mich überkam wieder die Angst. Panisch füllten sich meine Augen mit Tränen. Meine schwache Stimme wurde leiser. „Bitte! Bitte! Ich…-“

Plötzlich hörte ich Schritte hinter mir.

Ich riss die Augen auf, denn ein kalter Hauch lief über meinen Rücken. Es war wie ein kalter Atem, der sich mir näherte. Ich war wie versteinert. „Nami…?“ flüsterte ich. Meine Hände zitterten. Ich konnte mich nicht mehr bewegen. Nur sehr langsam nahm ich die Hand zurück. Ich spürte jemanden hinter mir.  Angst durchfuhr meine Knochen, Adrenalin schoss in die Höhe, Schweißperlen liefen meiner Stirn entlang. Auch wenn mein Körper sich umdrehen wollte, hielt meine Angst mich jedoch auf.

Langsam kamen die Schritte näher. Ich konnte es hören. Das langsame Laufen. Luft zu holen wurde immer schwerer. Es fühlte sich an, als würde mir etwas die Brust zu schnüren. Ich konnte mich nicht bewegen. Die Schritte kamen näher und näher. Meine Beine wurden schwer. Sollte ich schreien? Die Schritte waren fast bei mir. Sollte ich mich umdrehen?

Ich biss die Zähne zusammen und riss die Augen auf. Panisch drehte ich mich um und sah dem Klang der Schritte entgegen.

Plötzlich war es wieder still.

Ich blickte in den düsteren Raum und versuchte etwas darin zu erkennen. Das Bett stand an seiner Stelle und auch die Couch und der Fernseher. Doch was war das in mitten des Raumes vor mir? Plötzlich blieb mir der Atem stehen und mein Blut gefror.

Ein Schatten war zu sehen. Eine Person stand im Raum und beobachtete mich. Oder wollte meine Angst mir nur einen Streich spielen? Ich fixierte diesen Schatten also ganz genau. Stand dort wirklich jemand? Leicht kniff ich die Augen zu und trat vor, aber erstarrte verschreckt. Dieser Schatten gehörte nicht in den Raum! Ich hielt die Luft an. „Was?!“

Plötzlich bewegte es sich auch auf mich zu! Es war so schnell. Vor Schreck warf ich mich rückwärts auf den Boden. Es krachte. Ich hielt mich auf den Händen und kroch in die Ecke neben der Tür. Mit starrendem Blick erkannte ich, wie diese Person auf mich zu stürmte.

„Du hast mich gerufen.“, hörte ich eine Stimme flüstern. „Sei mir nützlich, indem du stirbst.“

Wie gelähmt starrte ich diesen Schatten an. Eine eisige Hand packte mich plötzlich am Hals. Ich war hilflos. Ich hatte solche Angst. Dann wurde ich zur Seite geworfen. Ich wurde brutal in den Raum geschleudert und fand mich am Boden liegend wieder. Erst versuchte ich mit meinem Armen Halt zu finden und drehte mich schockiert um. Doch ehe ich mich besinnen konnte, kniete sich dieser Schatten locker vor mich und griff erneut meinen Hals.

„Nein! Nein! Warte!“, kam es panisch aus mir, und ich versuchte mich noch weiter zurück zu lehnen. Doch ganz langsam kam seine eisige Hand mir näher, ohne dass ich etwas dagegen tun konnte. Er drückte mich einfach zu Boden und würgte mich. Ich versuchte nach Luft zu schnappen. Ich hatte keinen klaren Gedanken mehr. Nur Panik! Pure Panik! Ich haute mit Armen und Beinen um mich. Ich versuchte Lärm zu machen und hoffte auf Hilfe. Wo war Nami? Konnte das wirklich gerade passieren? Auch als ich versuchte seine Hand von mir zu drücken, hatte ich keinen Erfolg. Mir wurde so heiß. Mein Kopf dröhnte. Tränen kullerten bereits an meinen Schläfen hinunter. Dann erkannte ich etwas metalisch, glänzendes über mir. Ein Dolch.

Ich griff wieder seinen Arm an meinem Hals und versuchte damit den Druck zu lockern. „Warte!“, versuchte ich ihn aufzuhalten. Und riss meine Hand hoch. „Ich… ich will dir anders nützlich sein! Es … tut mir… leid.“, keuchte ich atemlos mit letzter Kraft.

Mir wurde langsam schwindelig. Es fühlte sich an als würde mein Kopf platzen. Sollte ich nun hier sterben? Sollte ich tatsächlich hier und jetzt getötet werden? Meine Augen wurden immer schwächer. Sollte ich mich also nun dem Augenblick ergeben? Wie dumm ich nur war. Wieso hatte ich das mitgemacht? Warum habe ich mich dazu überreden lassen?

Bevor ich bewusstlos wurde, lockerte sich sein Griff plötzlich und er nahm den Dolch herunter. Ich konnte wieder atmen. Verstört stemmte ich mich sofort zur Seite und rang nach Luft. Ich keuchte. Ich hustete. Mein Herz schlug so sehr, dass es beinahe stehen blieb. Meine Hände zitterten so sehr. Mein Blick war wie benommen. Ich konnte mich nicht konzentrieren. Meine Gedanken waren so konfus. Hatte ich doch überlebt?

„Anders nützlich?“, hörte ich seine Stimme fragen. Dann stand er wieder auf. Von mir kam jedoch noch keine Antwort. Ich hustete nur und atmete schwer. Ich hielt meinen Hals fest und drehte mich zu ihm. Noch immer konnte ich es nicht glauben. Ich konnte nicht fassen was passierte!

Grob packte er mich nun am Arm und zog mich hoch. Ich war noch immer so schlaff und konnte mich kaum auf den Beinen halten. Schwach gebeugte ich mich vor und stützte mich an meinen Beinen. Schwer atmend sah ich zu ihm auf. Er schaute mich mit stechend hellen Augen an. Seine Nähe verbreitete Angst in mir. Die schwarze Schattengestalt. Direkt vor mir. Doch kaum zu erkennen.

„Gib mir einen Grund dich nicht zu töten.“, sprach er zornig.

„I…. I… ich… kann dir vielleicht helfen!“, stotterte ich gedankenlos. Noch nie hatte ich eine solche Angst in meinem Leben. Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Es platzte einfach aus meinem Mund. Mein Wille zu überleben war größer als alles andere in diesem Moment. „I… Ich helfe dir! Und du lässt mich am leben!“, jauchzte ich voller Angst und hustete wieder.

Ich spürte schon gar nicht mehr wie die Tränen weiter an meinen Wangen herunter kullerten. Langsam wandte er sich von mir ab und sah weg. „Ein Packt?“, fragte er nachdenklich und spielte an der Spitze des Dolches.

„Ja! Ja! Ein Packt!“, antwortete ich schnell und nickte ihm immer wieder zu, in der Hoffnung, gnädig mit mir zu sein. „Hm…“, er drehte sich weg und lief in den Raum hinein. In diesem Moment versuchte ich mich zu fangen und einen klaren Gedanken zu bekommen. Ich raffte mich wieder etwas auf und auch meine Atmung beruhigte sich. Mit Angst saß ich da und beobachtete ihn zitternd. Schließlich drehte er sich mir wieder zu und streckte mir seine Hand entgegen. „Angenommen!“, sagte er und schaute mich wartend an. Der Schattenmann starrte mich wieder mit seinen tief blickenden Augen an und schwieg. Verdattert hob auch ich meine schwache Hand und schlug ein. Er war so kalt. Was hatte ich nur getan?

Er hielt meine Hand fest. Plötzlich spürte ich etwas Warmes auf meiner Handfläche. Je länger er meine Hand hielt, desto mehr hatte ich das Gefühl, meine Kraft zu verlieren. Mein Körper wurde schwer und meine Arme schwach. Was war das? Sollte ich nun doch sterben? Benommen blickte ich noch einmal zu ihm auf. „Träume schön.“, sagte er zuletzt und strich mit seiner Hand vor mein Gesicht. Alles begann vor mir zu verschwimmen. Ich merkte nur noch, wie sich meine Augen verdrehten und ich die Kraft über meinen Körper verlor. Benommen fiel ich in einen tiefen, dunklen Schlaf.
 

Schwach stand ich in einem endlosen schwarzen Raum.

„Du widerst mich an!“, hörte ich jemanden schreien. Dann erschien ein alter Mann vor mir. „Du bist nicht besser als dein Vater!“ Er schrie und erhob seine Hand gegen mich. „Warum gibt es dich nur?!“

Ich fand mich im Körper meines jungen Ichs wieder. Dieser Mann kam mir bekannt vor. Er hasste mich. Das wusste ich. Doch ich stand hilflos dort und tat nichts. Als er ausholte um mich zu schlagen, schepperte plötzlich etwas zu Boden. Ich drehte mich um. Dann öffnete ich erschrocken die Augen.

Es war nur ein Traum.
 

Meine Augenlieder müde geöffnet, starrte ich in die Leere ohne mich zu bewegen. Mein Körper fühlte sich schwer und schlaff an. Einen Moment lang verarbeitete ich still den Albtraum der mich nur kurz beunruhigte.

Erst langsam realisierte ich, dass ich schon länger auf etwas helles und funkelndes blickte. „Ein… Kamin?“, flüsterte ich mir selber zu. Feuer brannte in ihm und wärmte mich. Es war so schön warm und angenehm. Als ich mich langsam auf meine Hände stemmte, bemerkte ich die rote Couch, auf der ich lag. Mir gegenüber knisterte das Feuer in einem riesigen, prachtvollen Kamin. Verschlafen rieb ich mir die Augen. Unter mir lag ein wunderschöner großer Teppich. Die Couch war bequem und hier war es ruhig. Nichts war zu hören, als das zarte Knistern des Feuers.

Ich brauchte etwas Zeit um mich zu sammeln. Wo war ich? Was war das letzte, an das ich mich erinnern konnte? Hatte ich nicht schreckliche Angst? Sollte ich nicht sterben? War ich tot? Nein. Perplex sah ich auf. „Hä?“ Ich schaute verwundert umher. Immer wieder bewegte ich meinen Kopf nach links und rechts. „Was war den nochmal passiert?“, fragte ich mich und legte meine Hand nachdenklich auf meinen Kopf.

Wie ein Blitz erfasste es meinen Körper. Es fiel mir wieder ein. „Der Schattenmann!“, schrie ich laut und sprang panisch auf. Ich hatte seinen stechenden Blick vor Augen. Und seinen Versuch mich zu töten. Die Erinnerung an seine eisige Hand an meinem Hals, stärkte meine Furcht. Doch wo war er? Und wie war ich dort hingekommen?

Irgendwer musste mich her gebracht haben! Mit schnellen Schritten rannte ich in den Raum hinein. „Hallo? Nami?!“, fragte ich laut und sah mich um.

Im gesamten Raum standen Regale, die mit Büchern gefüllt wurden. Sie wurden nicht nur hineingestellt, sondern sie waren hineingequetscht und an jeder Ecke hingen die Bücher unordentlich heraus. Egal wohin ich sah, überall lagen Bücher. Tausende von Büchern auf Tischen, in den Regalen und einige Stapel auf dem Boden davor. Es sah aus wie eine uralte Bibliothek, in welcher niemand mehr jemals ein Buch lesen würde.

Rechts neben der Kaminecke, war eine riesige Tür. Sie war mit goldenen Schnörkeln verziert und erschien pompös und antik. Der Raum bestand aus zwei Stockwerken. Eine kleine, steile Wendeltreppe führte hinauf zu noch mehr Regalen mit ebenso vielen Büchern. Doch warum Bücher? Warum war ich in einer Bibliothek?

Neugierig schaute ich mich weiter um. „Hallo?! Hallooo?! … Was mache ich denn hier?“ Fassungslos drehte ich mich einige Male und blickte an die Decke. Nirgends waren Fenster angebracht, aber auch keine Lampen und trotzdem war alles sehr hell. Dann lief ich durch die Regalreihen.

Kein Buchrücken war mit einem Titel bezeichnet. Einige schienen alt und zerfleddert. Einige Lederdeckel waren zermackt und andere waren beinahe unberührt. Erwartungsvoll nahm ich ein Buch heraus und schlug die erste Seite auf. Jede Seite war handgeschrieben. Doch dort standen keine sinnvollen Sätze. Zu lesen waren nur aneinandergereihte Namen. „Andy, Makoto, Hector…“ und auch die nächsten Seiten verschluckten einfach nur Namen. „Seltsam…“, ich schlug das Buch wieder zu und stellte es wieder weg. Dann wandte ich mich wieder in den Raum. Immer wieder richtete ich meinen Kopf in die Höhe. Denn so einen riesigen Raum hatte ich noch nie gesehen. An einer Wand, links neben der Kaminecke, erkannte ich noch eine einfache, unscheinbare Holztür. Ich konnte mich nicht entscheiden, ob ich durch die prachtvolle Tür gehen sollte, die scheinbar der Ausgang war, oder ob meine Neugier mich zu der kleinen Tür führen sollte.

Ich stand mitten in der Halle und drehte mich einige Male fragend herum. Ich blickte nach links, nach rechts, drehte mich um und blickte auf die obere Etage. Als mein Blick wieder herunter wanderte, erkannte ich einen großen, mit Gold umrandeten Spiegel zwischen den Regalen stehen. Doch er hing nicht an der Wand, stand aber auch nicht auf dem Boden. „Der schwebt ja!!!“ Entsetzt riss ich die Augen auf. „Wie funktioniert das?!“ Mein Herz wollte sich nicht beruhigen und trotzdem wollte ich diesen Spiegel berühren. Denn meine Neugier war stärker als meine Angst.

Erst starrte ich nur mein Spiegelbild aus der Ferne an. Dann traute ich mich doch, langsam auf ihn zuzulaufen. Kaum näherte ich mich dem Spiegel, zischte es plötzlich aus ihm. Er funkelte plötzlich und kleine Blitze leuchteten auf. Sofort erschrak ich und zuckte zusammen. Hatte ich etwas mit dem Spiegel gemacht? Verängstigt rannte ich hinter das nächste Regal und versteckte mich. Doch neugierig schaute ich um die Ecke um mit angehaltenem Atem zu beobachten, was passierte.

Der Spiegel schlug leichte Wellen, wie auf einer Wasseroberfläche. Die Spiegelung wurde immer milchiger und verschwommener. Dann sah ich ein Bein dort hinaus treten, danach folgte der Körper. Ich hielt die Hand erschrocken vor meinem Mund. Ein junger Mann lief aus dem Spiegel heraus.

Durch den Kloß in meinem Hals konnte ich kein Wort sagen. Ich starrte nur auf diese Person, die den Raum betrat und duckte mich etwas auf den Boden, hoffend nicht entdeckt zu werden. Nachdem er komplett hindurch gelaufen war, blickte er direkt zu mir hinüber. Seine Kleidung war voller Blut, das auf den Boden tropfte. Er war wohl ebenso verwundert, mich dort hocken zu sehen, wie ich verwundert war, ihn dort hinaus spazieren zu sehen.

Erschrocken hielt ich die Luft an. Hatte er mich etwa direkt erkannt? Meine Augen hätten nicht größer sein können! Meine Haare standen zu berge. Starr bewegte ich mich nicht. Am liebsten hätte ich meinen Kopf im Sand versteckt. Doch langsam näherte er sich mir.

Der Mann wirkte wie ein normaler Mensch, war sehr groß und hatte einen düsteren Blick. Er trug knarrende Lederstiefel und eine braune Lederweste. In seiner rechten Hand hielt er einen blutigen Dolch, dessen Schneide auf den Boden gerichtet war. Mit jedem Schritt verteilte er eine längere Blutspur am Boden.

Das Knarren der Stiefel kam immer näher. Schweigend lief er auf mich zu. Wer war er? Was wollte er? Ich konnte mich vor Aufregung nicht bewegen. Noch immer entlief kein Ton meinen Lippen. Was sollte ich nur tun? Ich war ängstlich doch fasziniert zugleich. Doch das Schweigen und seine seltsame, mysteriöse Art bedrückten mich. Seine Anwesenheit bereitete mir Angst. Warum lief er zu mir? Ich sollte mich lieber in Sicherheit bringen.

Unauffällig verschwand ich nun hinter dem Regal und lehnte mich mit meinem Rücken an. Und dachte nach. Langsam huschte ich schließlich am Regal entlang und hielt meine Hand vor dem Mund um nicht laut zu atmen. Dann hörte ich wieder diese Schritte. Plötzlich erschreckte ich und blieb perplex stehen. Denn ich erinnerte mich an diese Schritte! Jeder Schritt, jedes knarren seiner Lederstiefel erzeugten in mir einen schnelleren Puls. Es waren die gleichen Schritte wie in der letzten Nacht! War er etwa der Schattenmann?

Rasch schlich ich mich zum Regalende und setzte mich verängstigt hin. Meine Hände begannen zu zittern. Eingeschüchtert blickte ich hinter mich. Doch der Mann war mich nicht gefolgt. Ich schluckte aufgebracht. Dann richtete ich mich wieder nach vorn. Plötzlich sah ich ihn direkt vor mir hocken.

Wild schreckte ich auf. „WAS?!“, schrie ich und sprang auf. Der Schock riss mich direkt nach hinten. Erst stolperte ich über einen Stapel Bücher, danach rannte ich einen Tisch um. „Nein! Geh weg!!!“, ich fuchtelte tollpatschig mit meinen Händen vor mir. Bis ich schließlich zu Boden plumpste. Es krachte laut. Dann fand ich mich auf dem harten Steinboden wieder. Erst robbte ich mich etwas nach hinten, dann hob ich meinen Arm schützend vor mein Gesicht und kniff die Augen zusammen. „Nein! Bitte! …“, zitterte meine Stimme.

Er starrte mich währenddessen mit hochgezogener Augenbraue an.

Während ich voller Angst auf dem Boden lag, wurde sein leises, vergnügtes Lächeln immer breiter. Es passierte nichts. Er sagte nichts. Ein paar Mal blinzelte ich mit den Augen. „.. W… Was..?“ Dann sah ich duckend zu ihm auf. Unsere Blicke trafen sich eine Weile. Er sah mir tief in die Augen. Obwohl sein Gesicht etwas mit Blut befleckt war, lächelte er mich lieb an. Ich blickte ihn erstarrt an und traute mich nicht zu reden.

„Erholsam geschlafen?“, unterbrach er nun die Stille. Seine Stimme wirkte ruhig und zutraulich. Er grinste und ließ sein Messer mit einem Schnipsen in grauen Nebel verpuffen. Gleichzeitig verschwand auch all das Blut was er an sich hatte.

„Tu mir nichts!“, flehte ich, während ich mich zusammenkauerte. Dann kam er mir langsam näher. „Lass mich!“, sagte ich wieder und hielt die Hände vor mich. Vor lauter Angst kamen mir beinahe die Tränen. Der Junge kniete sich interessiert neben mich. „Es ist für mich unmöglich dir etwas anzutun. Wir haben einen Pakt geschlossen.“, versuchte er mich zu beruhigen.

Es dauerte eine kurze Zeit, bis ich meine Hände von meinem Gesicht nahm. „W… was für einen Pakt?“, fragte ich zögerlich. Er zuckte mit den Schultern. „Tja, du hast mich gerufen! Und mich herausgefordert! Und dann hast du mit mir einen Pakt geschlossen!“, antwortete er selbstverständlich.  „Das weißt du doch noch?“ Ich rieb mir die Augen und richtete mich zum Boden. „Hmh..“, nickte ich schwach ohne begreifen zu wollen was geschehen war. „Na du wirst mir ja eine tolle Hilfe sein!“ Er lehnte sich etwas zurück und kratzte sich den Kopf. Meine Angst hielt mich zaghaft zurück, doch neugierig fragte ich ihn. „Bist du…-“ „Der Schattenmann?“, unterbrach er mich. „Ja, der bin ich.“, sagte er ernst und stellte sich selbstsicher vor mich.

Erstaunt sah ich zu ihm auf. Das sollte der Schattenmann sein? Der Mann aus der Nacht? Langsam verstand ich, dass es die Realität sein musste. –Was ist nur passiert?- Ich atmete schwer. Dann sah ich herab.

Eine kleine Träne kullerte an meiner Wange entlang als ich darüber nachdachte was ich getan hatte. Ich winkelte meine Knie an und umklammerte meine Beine. Ich war nicht zuhause. Ich war nicht bei Nami. Ich war irgendwo. Ich war bei einem Fremden. Ich war alleine. Nachdem ich meinen Kopf auf meine Beine legte, begann ich nun leise zu wimmern.

Ich wollte es nicht fassen. Aber ich musste mich mit meiner Lage abfinden. „Und… das ist kein Traum?“, flüsterte ich traurig. „Natürlich nicht. Wie ist dein Name?“, antwortete er grummellig und stellte sich mit seinen Händen in den Hosentaschen vor mich. Verwirrt sah ich ihm in seine hellen Augen. „Ehm.. eh.. Yuki...", antwortete ich zögerlich. „Setz dich lieber noch ein wenig an den Kamin und beruhige dich, Yuki.“, meinte er und drehte mir wieder den Rücken zu. „Ich habe keine Lust hier meine Zeit mit einem weinenden Mädchen zu vergeuden.“, motzte er und lief von mir weg.

Sprachlos sah ich ihm nach. Dieser Junge ignorierte mich und setzte sich an den Tisch an der Couch. Anscheinend beachtete er mich nicht mehr. Ich bekam seine geballte Ignoranz zu spüren und fühlte mich vollkommen verloren.

Eine Weile saß ich noch dort am Boden. Er lief manchmal durch die Bibliothek ohne mich anzusehen. Es lief sogar an mir vorbei, ohne mich anzusprechen.

Mir war nicht bewusst wie lange ich noch auf dem Boden saß. Ich schaute eine Weile auf meine Hände. Dann streifte ich mir durch die Haare. Zwischendurch blickte ich auch an den Regalen entlang. Meine Gedanken schweiften umher. Doch langsam wurde mir klar, dass ich nicht weiter grübeln, sondern etwas tun sollte! Noch immer schweigsam, schaute ich hinter mich.

Dieser Junge saß auf der Couch und schrieb etwas mit einer Feder. Ich beobachtete ihn eine Zeit lang.

Er war sehr blass, seine Haut war fast weiß. Seine etwas zotteligen Haare waren pechschwarz. Einige Strähnchen fielen ihm ins Gesicht. Dabei trug er eine braune Weste und ein weißes Shirt, eine schwarze Hose und alles war mit Schnallen und Lederriemen geschmückt. Seine Hosenbeine verschwanden in seinen dunkelbraunen Lederstiefeln. Er war groß und muskulös. Aber zusammenfassend wirkte er nicht wie ein Dämon sondern wie ein einfacher Mensch.

Ob er merkte, dass ich ihn ansah? Je länger ich ihn betrachtete desto weniger Angst hatte ich. Ständig lief er durch den Raum, nahm ein Buch, las etwas, stellte es zurück, setzte sich an den Tisch bei der Couch, schrieb etwas und stand wieder auf. Das ging eine ganze Weile so.

Nach langer Beobachtung merkte ich, wie mein Rücken langsam schmerzte. Der Boden war zwar nicht kalt, jedoch irgendwann sehr ungemütlich. Also stand ich auf. Ich richtete meine Kleidung etwas, und näherte mich zögerlich der Kaminecke. Er saß mit dem Rücken zu mir und beachtete mich nicht. „D… du..?“, stotterte ich und legte meine Hände schüchtern hinter meinen Rücken. Er drehte sich nicht zu mir aber antwortete mit einem tiefen: „Hm?“

Ich wischte mit meinem Fuß nachdenklich über den Boden. „Ehm… also… ich… was passiert denn nun?“, fragte ich endlich. Nach dieser Frage legte er die Feder weg. Dann machte er mit seiner Hand eine leichte Bewegung und das Buch, das vor ihm offen lag, schloss sich auf magische Weise von allein. „Hast du dich beruhigt?“, fragte er als erstes.

Jetzt blickte ich ihn erwartungsvoll an und nickte. Er wirkte zwar mürrisch aber nicht mehr so angsteinflößend. „Na dann. Ich erkläre es dir.“ Seine Stimme klang beruhigend. Doch ich hatte  Angst vor dem, was er als nächstes sagen würde.

Das Fuchsmädchen und der Fremde

Mein Atem blieb stehen. Es war einen Moment leise, als mein Blick den des Schattenmannes kreuzte. Ich konnte noch nicht realisieren war geschehen war.

Wie kam es zu diesem unglücklichen Ereignis? Zu dem Moment, an welchem ich hier hin reiste? Warum war ich hier? Warum bei dem Schattenmann? Was trieb mich dazu, ihm zu folgen?

Ich blickte ihm in die Augen und verstand langsam, dass der Zwang mich hier hin drängte. Aber wie kam es zu diesem Zwang? Warum musste ich alles schlimmer machen?

Warum konnte ich mich nicht zusammenreißen, und hätte bei Nami bleiben können? Nun war ich alleine. Ohne Nami. Ohne meine Freundin, die mich immer unterstützte. Ohne meine Freundin, die ich immer um Rat fragen konnte. Ohne Nami, die doch immer an meiner Seite war.
 

Wir waren immer zusammen. Es gab keinen Tag, an welchem wir uns nicht sahen. Es gab keinen Moment, an welchem wir nicht an den anderen dachten.

Zuhause wartete nur die Einsamkeit auf mich. Ich beschloss mich von dieser Einsamkeit nicht mehr beherrschen zu lassen und lebte die meiste Zeit bei Nami.

So wie mein Vater täglich weg war, mussten auch Namis Eltern immer das Haus verlassen. Ihr Bruder studierte im Ausland und ihre Eltern waren auf Geschäftsreisen. Somit schien unsere Freundschaft perfekt. Wir konnten immer für den anderen da sein.

Auch wenn uns diese Einsamkeit verbündete, waren meine Gedanken oft bei meinem Vater. Er arbeitete schwer und tat alles um mich glücklich zu machen, selbst wenn er mir nichts, außer seiner Liebe schenken konnte.

Wir lebten zu zweit in einem kleinen Bungalow, welches genügend Zimmer bot und Platz für uns beide hatte. Meine Mutter starb während meiner Geburt. Das konnte mein Vater nie verarbeiten. Er war ein sehr lieber Mann, der Seelisch jedoch zerfallen war.

Nach dem Tod meiner Mutter brach sein Leben in sich zusammen. Er verlor seinen gut bezahlten Job und baute Schulden auf. Selbst mich hätte er beinahe verloren aufgrund unzureichender Umstände für ein Kind. Doch ich hätte ihn nie verlassen wollen!

Der Vater meiner Mutter trug viel dazu bei, unser Leben zu verschlechtern und es meinem Vater so schwer wie möglich zu machen. Er hasste uns. Er machte uns für den Tod meiner Mutter verantwortlich. Und das ließ er uns spüren.

Davon ließ mein Vater sich nicht unterkriegen. Er kämpfte für mich! Nach vielen Rückschlägen raffte er sich wieder auf und versuchte mich nicht im Stich zu lassen. Welche Opfer er dafür bringen musste, war mir damals nicht klar. Für mich schien meine Kindheit einfach perfekt, mit einem perfekten Vater.

Jeden Morgen stand er am Herd und machte mir ein ordentliches Frühstück. Montags und Mittwochs gab es Pfannenkuchen. Dabei tanzte er immer wild umher und summte Lieder vor sich. Ich musste immer lachen, da er seine Tanzkünste wohl von einem betrunkenen Waschbären abgeguckt hatte. Meine Tanzkünste hatte ich wohl von ihm gelernt.

Dann half er mir in meine Jacke und lief Hand in Hand mit mir zur Schule. Ich sah ihn immer nur lächeln. Für mich war er immer mein großer Held.

Ich fühlte mich aber groß genug um den Heimweg alleine zu bewältigen. Er holte mich nur selten ab, doch auf diese Tage freute ich mich immer am meisten! Dann liefen wir einen kleinen Umweg am Bach entlang und kamen an einem Spielplatz und Eiskaffee vorbei. Wenn es im Sommer zu heiß war, kaufte er mir meine Lieblingskugeln Eis und ich spielte an dem Springbrunnen in der Nähe.

Im Winter jedoch gab es eine heiße Tasse Schokolade. Egal welche Jahreszeit war, ich freute mich so sehr, wenn er mich abholte. Er selber kaufte sich jedoch nie etwas. Er sagte immer, dass er keine Milch mag. Somit blieb das Eis oder der Kakao nur für mich. Was das aber wirklich bedeutete, fand ich erst sehr spät heraus.

Mit der Zeit wurde ich älter. Mein Tunnelblick, der nur auf die schönen Dinge gerichtet war, breitete sich aus und langsam erkannte ich auch die schlechten Seiten im Leben.

Sein Gesicht verlor mit der Zeit immer mehr das breite Lächeln und gewann an Augenringen und Falten. Mir wurde erst später bewusst, dass er sein letztes Geld nur für mich ausgeben wollte. Immer trug er die gleichen Schuhe. Ignorierend wie viele Löcher in der Sohle waren, oder wie oft er seine Schnürsenkel nach dem Reißen wieder zusammen knoten musste.
 

Eines Nachts, blieb ich länger wach als ich sollte. Ich ließ mein Licht am Nachttisch an und las heimlich ein Buch. Doch die Stille wurde plötzlich durch ein leises Wimmern aus dem Flur unterbrochen. Neugierig schlich ich aus meinem Zimmer und blickte in den Flur. Das Geräusch kam aus dem Schlafzimmer meines Vaters.

Ich schlich leise über die Holzdielen und blickte heimlich durch einen kleinen Spalt in das Zimmer meines Vaters.

Diesen Anblick würde ich niemals vergessen. Ich erschreckte leise und wusste nicht, wie ich reagieren sollte. Ich sah, wie er auf dem Bett saß und ein Bild meiner Mutter in seiner Hand hielt, während er noch die verschmutzte Kleidung seiner Arbeit trug.

In diesem Augenblick wurde mir klar, welche Lasten mein Vater zu tragen hatte. Jeden Tag und jede Minute in der ich ihn nicht sah, Arbeitete er hart. Er belud Lastwagen mit riesigen Paketen, putzte Toiletten und zwischendurch half er auf einem Baugelände. Er schuftete ohne mir zu zeigen, wie schlecht es ihm ging.

Das alles machte er nur für mich. Für seine kleine Tochter, die er über alles liebte und nicht verlieren wollte. Ich hatte mich nie getraut, ihn auf diesen Abend anzusprechen.
 

Eines Tages zeigte er mir am Frühstückstisch zwei Eintrittskarten. Sie waren für den Zoo. Mein Vater wollte mit mir einen „Vater- Tochtertag“ erleben, nachdem ich in die 5te Klasse wechselte.

An diesem Tag wollte er mich direkt von der Schule abholen und mit mir meine Lieblingstiere ansehen. Ich hätte ihn schon mittags sehen können und konnte den ganzen Tag Zeit mit ihm verbringen.

Umso mehr freute ich mich auf diesen besonderen Tag! Ich konnte es kaum erwarten. Die ganze Zeit wippte ich auf meinem Stuhl und malte Tiere auf einem Stück Papier. Jede Pause nervte ich Nami mit dem gleichen Satz. „Mein Papa ist der Beste! Wir gehen in den Zoo! Mein Papa ist der Beste!“

Nami half mir sogar meine braunen Haare zu zwei Zöpfchen zu flechten. Ich zappelte mit meinen Beinen herum und spielte mit meinen Zöpfchen.

Meinen Blick ständig auf die Uhr gerichtete, klingelte es endlich! Der Unterricht war vorbei. Ich packte meine Bücher ein und raste zum Tor. Selbst Nami hatte ich vergessen zu verabschieden.

Die anderen Kinder liefen an mir vorbei. Am Tor stand auch schon ein Mann den ich als meinen Vater erkennen wollte. Doch gerade als ich die Hand grinsend hob, holte er bereits ein anderes Kind ab. Es war nicht mein Vater.

Beschämt erstarrte ich und stellte mich mit einem roten Gesicht an die andere Seite des Tores. Aber auch das konnte mir meine Laune nicht verderben! Also kicherte ich mir selber zu. „Nicht mehr lange und Papa holt mich ab! Das wird der beste Tag meines Lebens!“

Meine Gedanken schwirrten fröhlich umher. Welche Tiere wollte ich mir als erstes ansehen? Gäbe es vielleicht auch Giraffen? Pinguine mochte ich am liebsten!

Ungeduldig wartete ich und sah wie der Schulhof immer leerer wurde. Die Kinder rannten vom Hof. In kleinen Gruppen oder mit ihren Eltern. Auch der Parkplatz an der Seite wurde immer leerer. Weit im Hintergrund sah ich sogar aufgeregt einen Krankenwagen davon fahren. Und irgendwann drehte ich mich wieder zum Schulgebäude und erkannte nur noch einen verlassenen Schulhof.

Nur Vögel pickten die letzten Brotkrumen vom Boden. Und noch immer wartete ich am Tor.

Wahrscheinlich durfte mein Vater doch nicht früher von seiner Arbeit gehen. Aber das war mir egal! Auch wenn er zu spät käme! Wir konnten den ganzen Tag noch zum Zoo! Ich wollte nicht zulassen, dass mir irgendetwas diesen Tag verderben konnte! Also wartete ich weiter.
 

Nach einer Weile spielte ich alleine mit einer Malerei auf dem Boden. Hätte ich doch nur Nami verabschiedet. Sie hätte bestimmt noch mit mir gewartet. Jetzt war ich hier ganz alleine. Hatte er mich vergessen?

Nachdem ich nun schon Stunden wartete, der Himmel sich mit dicken Wolken bedeckte und mich das Spiel langweilte, dass ich alleine spielte, lief ich endlich betrübt zu meiner Tasche. Enttäuscht hielt ich meinen Rucksack fest in der Hand, blickte auf den Boden und lief los. Weinen wollte ich nicht. Nicht vor meinem Vater.

Ich nahm den schnellsten Weg nach Hause. Den Blick niemals aufsehend.

Auf den letzten Metern begann es zu regnen. Der Himmel weinte für mich.

Endlich angekommen, öffnete ich die Tür in eine dunkle Wohnung. Es war niemand da. Wo war denn mein Vater?

Ich hatte schon immer Angst vor der Dunkelheit. Immer wenn ich nichts sehen konnte, schloss ich meine Augen und hielt meine Hände vor meinem Gesicht, bis es wieder hell wurde.

Als ich die Tür schloss und im Türrahmen einrasten hörte, klingelte plötzlich das Telefon. Ich schreckte zurück und sah das Telefon auf dem Regal an. Es überkam mich ein seltsames, schlechtes Gefühl, dass mein Magen sich zusammenzog.

Langsam näherte ich mich dem Klingeln und nahm das Telefon ab. Auf der anderen Leitung hörte ich meinen Großvater aufgebracht motzen. Er beschwerte sich, warum ich so lange wartete um an das Telefon zu gehen. Denn er musste mich zu sich holen.

Mein Vater hatte einen Unfall. Als er sich auf dem Weg zu Schule beeilte um mich abzuholen, wurde er von einem Auto angefahren. Mit einer Notoperation konnte sein Bein noch gerettet werden.

Das war also mein Vater Tochter Tag. Der schlimmste Tag meines Lebens.

Ab diesem Moment begann ich zu lernen, für mich alleine zu sorgen. Denn mein Vater wurde seitdem immer schwächer und wollte für uns beide stark sein. Es wirkte wie ein Wunder, dass genau Nami ab diesem Moment immer an meiner Seite war. Sie half mir bei allem, tröstete mich und interessierte sich für mich. Damit auch ich meinem Vater keine Last mehr war.
 

Und jetzt war auch Nami nicht bei mir. Ich war wieder alleine.
 

Angespannt stand ich vor dem Schattenmann. Er saß noch immer auf der Couch, den Blick zu mir aufgerichtet. Wieder spielte ich beunruhigt an dem Pullover meiner Schlafkleidung. Er schaute mich entspannt an und merkte wie nervös ich wurde, je länger er mich betrachtete.

Belächelte er etwa meine Angst? Warum sah er mich so lange an? Ich wurde immer nervöser. Ich stand mit nichts da und gleich sollte man mir alles erklären. Es wirkte als erinnerte er sich an etwas.

Zögerlich runzelte ich die Stirn. „Was ist denn jetzt? Wolltest du nicht..-“

„HALLÖÖCHEN!“, unterbrach mich plötzlich ein lautes Quietschen am Eingang. Panisch schreckte ich auf und drehte mich um.

Der Junge rollte die Augen und sah genervt zur Tür. „Sollst du nicht klopfen?“, maulte er. Ein Mädchen kam glücklich durch die große goldene Tür gelaufen. Ein kleines, süßes Mädchen. Ein kleines, süßes Mädchen mit roten Haaren. Mit roten Haaren, zwei langen Fuchsohren und einem Fuchsschwanz. Sie lief direkt auf diesen Jungen zu mit den Händen hinter ihrem Kopf.

„Ehh?“, überrascht wanderten meine Blicke immer wieder an ihr hinauf und hinunter.

„Shiro, Shiro!!“, rief das kleine Mädchen mich ignorierend und hopste glücklich zu dem Kamin. Dann blieb sie vor dem Feuer stehen und drehte sich verspielt zu dem Mann um. „Du sollst nicht immer so launisch sein, Shiro!“, lachte sie und wedelte mit ihrem Schwanz. Sie kicherte und grinste kindlich.

Dann wanderte ihr Blick langsam auf mich und ihr Grinsen verging sofort. „HÄ? Wer bist du denn?“, fragte sie und kam neugierig auf mich zu.

Verdattert blieb ich stehen und starrte sie an. Sie schnupperte neugierig an mir wie ein Hund. Dann sah sie zu mir auf und hob die Hand. „Ich bin Kitsune! Und du bist?“, doch sie hielt kurz inne, „ … EIN MENSCH!“, schrie sie geschockt. „DUUUU bist ein Mensch! Shiro! Da ist ein Mensch! Hast du die schon gesehen? Ein Mensch! Hier?!“, schrie sie und fuchtelte mit ihren kleinen Armen hin und her. Immer mit einem ausgestreckten Zeigefinger auf mich. Sie riss die Augen auf und tanze vor mir herum um die Aufmerksamkeit des Mannes zu bekommen.

Ich machte nur große Augen und sah mir verwundert dieses Schauspiel an. Sollte ich Angst vor diesem kleinen, süßen, quietschenden Fellball haben?

Plötzlich schnellte ein Buch auf das kleine Mädchen zu. Es traf direkt ihren Kopf, prallte von ihr ab und fiel zu Boden. „Sei ruhig!“, kam es wütend vom Schattenmann. „Ich weiß, dass sie da steht! Du solltest dich zügeln! Ihr Name ist Yuki! Sie hat einen Pakt mit mir! Ende!“, erklärte er mit böser Miene.

„Aua… das tat weh…!“ kam es von Kitsune als Antwort und sie rieb sich jammernd den Hinterkopf. Der Junge wandte sich zurück zu seiner Feder und dem Buch. Er versuchte uns wohl wieder zu ignorieren.

Dann sah das Mädchen mich wieder an. Kitsune lief mehrmals ungezügelt um mich herum und musterte mich. „Du siehst ja komisch aus! Man, hab ich schon lange keinen Menschen mehr hier gesehen!“

Ich blieb stehen und schwieg. Was sollte ich antworten?

„Du redest ja nicht so viel… Sag mal. Bist du eigentlich Fett? Oder was trägst du da?!“ Sie meinte damit meinen breiten Pullover, welchen ich zur Nacht bei Nami angezogen hatte. Dazu trug ich nur eine sehr kurze Hose. An den Füßen hatte ich nicht an.

Nachdem sie mich auf mein Gewicht ansprach riss ich die Augen auf. „Was?! Sei mal nicht so frech du- WAA?!“, plötzlich zog sie mein Oberteil hoch. „Haha! Fett bist du nicht! Aber du hast große Brüste!“ lachte sie gehässig.

Schnell, mit knallrotem Kopf zog ich meinen Pullover wieder hinunter. „Was sollte das?!“, schrie ich und ging einen Schritt zurück. Doch das Mädchen reagierte gar nicht auf mich. Sie war schon längst wieder zu dem Jungen gegangen. „Kein Wunder, dass du sie im Pakt hast, Shiro!“, sagte sie und knipste ihm ein Auge zu. Dann hielt sie eine Hand an der Seite ihres Mundes und flüsterte mir zu. „Du brauchst keine Angst vor ihm zu haben. Du musst wissen, er rastet oft mal aus, ist aber eigentlich total lieb!“, kicherte sie.

„KITSUNE!“, brülle der Mann plötzlich, als hätte sie ein Geheimnis verraten. Er donnerte sein Buch zu. „WAS!“, begann er laut doch zügelte sich. „... Was möchtest du eigentlich hier? Ich habe doch gesagt, dass ich für einige Tage nicht gestört werden will.“, beruhigte sich nun seine Stimme. Er legte seinen Kopf schief und schaute das kleine Mädchen an.

„Ach ja!“ sie drehte sich zu ihm. „Du sollst zu Renekton! Ich habe einen Diener unten am Markt getroffen. Ich glaube es geht um die Gesichtslosen. Sonst macht es Bastet.“

Der Junge seufzte, „Ach dieses dumme Krokodil. Er weiß doch ganz genau, dass… ach egal.“, und stand auf. Er richtete kurz seine Kleidung und blickte zur Tür. „Dann werde ich ihn noch kurz warten lassen müssen!“

Bevor er loslief, sah er zu mir herüber, wie ich ahnungslos einfach da stand, meinen Pullover noch immer fest umklammernd und nichts von dem verstand, was sie sagten.

„Folge mir!“, meinte er nun wieder ganz ernst und schaute mich erzürnt an. „ ... Bleib dicht bei uns und lass dich von niemandem ansprechen oder mitnehmen! Spute dich. Ich brauche keinen, der nicht mithalten kann. Ob eine Seele mehr, oder weniger. Mir ist das gleich.“, sagte er und lief schließlich los. Mit seinem düsteren Blick machte er mir wieder Angst. Wer war er nur? Gerade sah er sogar noch ganz freundlich aus, bevor Kitsune kam. Jetzt war er wieder so geladen.

„Komm jetzt! Wir müssen etwas für dich besorgen!“, holte er mich aus meinen Gedanken.

Überrascht schüttelte ich kurz den Kopf, dann nickte ich und lief ihm hinterher. „J.. ja!“

Im Hintergrund sah ich Kitsune mit einem breiten Grinsen die Tür öffnen. „Ich weiß zwar nicht, was er vorhat, aber es wird bestimmt aufregend!“, flüsterte sie mir zu.

Aufgeregt waren meine Blicke nur auf die Tür gerichtet. Nervös formte ich mit meinen Händen Fäuste. Was würde auf der anderen Seite auf mich warten?

Die Tür öffnete sich langsam. Ich hörte jede Menge Gewusel. Waren es Menschen? Oder vielleicht noch mehr dieser Dämonen, die laut vor sich her lachten und schrien? Je mehr sie die Tür öffnete, desto klarer erkannte ich Stimmen. Kitsune richtete fragende Blicke auf mich. „Was ist denn? Du bist nervös oder?“ Gespannt fummelte ich an den Ärmeln meines Oberteils und schaute zu ihr hinunter. Sie erschien mir gerade als einzige Verbündete. Sie wirkte sehr nett. Anders als dieser Junge, der mal nett und dann wieder wütend wirkte. Sollte ich mich ihr anvertrauen? Eine andere Möglichkeit hatte ich gerade nicht. Also nickte ich zögernd und versuchte ein kleines Schmunzeln zu zeigen.

„Keine Sorge! Ich bin bei dir. Frag mich ruhig wenn du etwas wissen möchtest! Ich bin nicht so griesgrämig wie Shiro.“, lächelte sie lieb und nahm meine Hand.

Ich war überrascht. Mit ihrem Mitgefühl hatte ich nicht gerechnet. Sie gab mir Mut. Das war ein gutes Gefühl nach diesem ersten Schock.

„Ihr solltet nicht trödeln.“, sagte der Mann nun mürrisch und lief als erster durch die Tür. Ich hielt kurz die Luft an. Dann liefen Kitsune und ich ihm hinterher.

Hinter der Tür lag ein leerer, kurzer Gang. Er war weiß und hell. Der Boden, die Wände, so wie die Decke waren mit weißen Kacheln bedeckt. Am Ende des Ganges gab es nur eine weitere Tür, aus welcher wohl diese Stimmen kamen.

„Das hier ist der Übergang!“, erwähnte das Mädchen nun. Ich blickte zur Seite. „Übergang…?“

„Ja! Dieser Gang bringt dich aus dieser Bibliothek heraus. Es ist eine Art Schutz, dass niemand so einfach hinein kommt.“, grinste sie nun stolz, mir ihr Wissen weiter zu geben.

„Sind wir… im Himmel? Oder gehen wir in die Hölle …? Bin ich etwa doch tot?!“, frage ich ungestüm.

„Sei still!“, kam es nun von dem Jungen. Er drehte sich um und blieb vor der nächsten Tür stehen. „Es gibt keine Hölle und der Himmel ist nicht für uns bestimmt! Klar?!“ Zurückhaltend nickte ich ihm einfach zu. Ich erblasste und schluckte meine nächste Frage hinunter. „Eh… K… klar.“

Jetzt holte er tief Luft und mäßigte seine Wut. „Du darfst nicht so auffallen. Beeil dich! Und Kitsune! Wir gehen zuerst zu Mephisto. Wir müssen da durch.“, sagte er und drückte den Henkel hinunter. Verwirrt sah ich zwischen beiden hin und her. Wovon sprach er? Wo müssen wir durch? Doch ehe ich mich versah, öffnete sich die zweite Tür. Das war das Startzeichen.

Mir kam ein warmer Hauch entgegen und mein Herz begann zu klopfen. Gelbes Licht strahlte nun durch den Türbogen. Diese Stimmen wurden immer lauter. Ich war wie benebelt und blickte direkt in eine mir unbekannte, neue Welt.

Hinter der Tür war eine riesige Halle. Überall liefen Massen von Wesen herum. Wesen, die wie ganz normale Menschen aussahen. Wesen die wie Tiere aussahen, sich aber wie Menschen bewegten! Wesen mit Schwänzen, Wesen mit Hörnern! Riesige Wesen! In unnatürlichen Farben! Aber was heißt hier denn noch unnatürlich?

Alles lief und drängelte in einem einzigen Gewühl. Meine Blicke wanderten nach links und rechts, nach oben und unten. Es gab viel zu viel auf einmal zu sehen. War ich geschockt, oder erstaunt?

Anstatt mich zu beeilen, was mir mehrmals befohlen wurde, wanderten meine Blicke neugierig umher. Sogar in der Luft schwebten seltsame, kleine Flocken und Wesen. Manche waren dreckig und gruselig, doch andere waren putzig und bunt.

„Was ist das hier?“ Ich war so verzaubert, dass ich ganz vergessen hatte meinen Mund zu schließen. Auch wenn vieles sehr gruselig aussah, war es doch einfach wundervoll.

Kitsune hielt noch immer meine Hand. Sie ließ mich diese Umgebung bestaunen und grinste vergnügt.

Es gab mehrere Etagen. Weiter hinten konnte man über eine große Treppe hinauf und hinunter gehen. Beinahe wie ein Einkaufszentrum. Diese ganze Halle, ja fast schon Turm, wurde von 4 riesigen Säulen gehalten die vier Ecken des Gebäudes trugen.

Alles war sehr natürlich gehalten in weiß/grauen Steinen oder einfachem Holz. Wir waren wohl auf der zweiten Etage. Wenn man über das hölzerne Geländer sah, erkannte man sehr tief unten einen Eingang, durch welchen so viele Wesen ein und aus liefen. Lief man nach links, über den noch ruhigen Gang, an dem wir standen, erblickte ich sofort eine Masse von drängelnden und schupsenden Wesen, die auf engstem Raum über eine Art Markt stampften.

Direkt auf der anderen Seite, quer über den Hof, war ein weiterer Gang, der wohl zu einem anderen Bereich führte.

Stutzig wartete ich noch immer in der Tür. Der Junge lief etwas voraus und drehte sich kurz zu uns. „Jetzt kommt!“, maulte er genervt. Da blieb mir kurz das Herz stehen.

„Da durch?", zögerte ich nur. Und blickte in die Masse.

Ohne mich weiter zu beachten, lief der Junge weiter und startete durch die Menge.

„Hey! Warte!“, rief ich überfordert und lief ihm hinterher. Angespannt und verwirrt versuchte ich ihm hinterher zu rennen. Doch kaum war ich in das Getümmel hinein gelaufen, verlor ich ihn schon aus den Augen. Erschrocken blieb ich stehen und sah mich um.

Plötzlich spürte ich, wie jemand meine Hand griff. „Yuki! Trenn dich nicht von mir!“, hörte ich Kitsune nur sehr leise, die mir nachgerannt war.

Wir waren inmitten dieses Gewühls. Es war so laut und chaotisch. Die Wesen waren alle so riesig und breit. Ich hatte schwere Probleme dem Jungen hinterher zu kommen. Denn immer wieder wurde ich zur Seite gedrängt oder der Weg war versperrt. Zwischendurch flog ein Schwarm von riesigen Insekten vor mir her. Es war wie der Strom eines Flusses dem man einfach nicht folgen konnte, da er in alle Richtungen floss.

Viele blieben einfach abrupt stehen oder wechselten einfach die Richtung. Ich blickte von unten in die riesigen Gesichter von aufgequollenen Warzenmonstern und glitschigen Fischwesen. Die großen Wesen waren die schlimmsten. Die liefen einfach kreuz und quer herum, ohne sich umzusehen.

Wir versuchten einfach weiter zu rennen. Auch wenn wir den Jungen aus den Augen verloren hatten, so hatte ich ja noch Kitsune an der Hand, die wusste wohin wir gehen sollten. Zwischendurch murmelte sie vor sich hin und fluchte über die anderen. Für sie war es anstrengender, da sie nicht größer als ein Kind war.

„Soll ich dich tragen?“, fragte ich sie und drehte mich während des Laufens zu ihr.

„Was?“, hörte ich nur ganz dumpf von ihr. „Ob ich dich tragen soll!“, fragte ich wieder, doch plötzlich rempelte ich einen riesigen, grünen, dicken, stinkenden Golem an und ich blieb erschrocken stehen.

„Hmh?“, grimmig sah er auf mich herab.

„Oh.. eh.. Entschuldigen sie.“, lächelte ich ihn verdutzt an. Obwohl sein Blick wütend und grimmig war, tadelte er mich nur mit einem stechenden Blick. Dann drehte er sich wieder desinteressiert von mir weg und lief weiter. Doch während er sich drehte, stieß er mich mit seinem riesigen, dicken Arm zur Seite und Kitsune und ich wurden auseinander gerissen.

„Waa!“ Dieser heftige Schub riss mir den Boden unter den Füßen weg. Ich wurde zurück gedrückt und wackelte zwischen den Massen herum. Bevor ich umfallen konnte, schupste mich jedoch irgendein Echsenwesen weg und ich rannte die nächste Person an. „Oh. Entschuldigung. Wa! Hey. Sorry. Ich.. will doch nur.. Aua!“ Immer wieder rempelte ich andere Wesen an, das mich wieder weg drückte und gegen ein anderes schupste.

Alle hatten ihre Blicke nur geradeaus gerichtet und drückten mich einfach von sich weg. Sofort verlor ich die Orientierung und versuchte mich panisch umzusehen.

„Moment! Hey!“ Erfolglos. Von links nach rechts drängelten sich alle durch die Massen. Wer nicht gegen den Strom ankam, hatte Pech. Mich überkam die Angst. Ich konnte mich kaum halten. Immer wieder wurde ich hin und her gerissen bis ich merkte, wie ich den Halt auf meinen Beinen verlor. Mein Körper war wie gefesselt. Meine Schultern schmerzten. Meine Füße zitterten. Ich hatte Angst zu fallen.

Sie würden einfach auf mir herum trampeln. Ich musste wenigstens stehen bleiben! Doch da war es auch schon geschehen. Ein letztes Mal wurde ich von einem großen Ork an der Schulter erwischt und ich fiel rückwärts zu Boden. Panisch versuchte ich bei jemandem Halt zu suchen, aber alle machten einfach einen Bogen um mich und wandten ihre Blicke von mir weg. Keiner Half mir. Also fiel ich.

Ich sah wie die Masse immer größer wurde, ich merkte ich wie ich dem Boden immer näher kam. Doch bevor das schlimmste eintrat und ich mich auf dem Boden wiederfand, fing mich plötzlich jemand auf.

Kräftige Hände hielten mich fest und ich spürte einen warmen Körper hinter mir. „Aufpassen, junge Lady.“, hörte ich eine beruhigende Stimme sagen. Ich war ganz starr, jemand griff mich sanft an Rücken und Schulter und sah auf mich herab.

Ich konnte nicht sprechen. Der Schock war zu groß. Ich blickte stumm in das Gesicht eines jungen Mannes, der sich leicht über mich lehnte.

„Alles wieder in Ordnung? Hast du dir etwas getan?“, fragte er und schaute mich charmant an. Ich war wie gelähmt. Seine Arme schützten mich. Niemand kam in unsere Nähe. Es fühlte sich so sicher an. Kein Wort kam aus meinen Lippen, denn ich spürte noch immer seine beruhigende und irgendwie bekannte Hand an meinem Rücken.

Einen Moment lang blendete ich alles aus. Ich wollte gar nicht aufstehen und lag ruhig in seinen Armen. Keine Geräusche hörte ich um mich herum und die Massen verschwanden aus meinem Blick. Alles was ich sah, war dieser Mann, der mich aufgefangen hatte.

Groß, kräftig, blond, strahlende grüne Augen, charmant, hübsch, perfekt. Noch immer lächelte er mich an. Sein Lächeln beruhigte mich. Mein Herz schlug langsamer und meine Angst verging. Ich musste wohl träumen. So jemanden konnte es doch nicht geben.

Als ich mich selber dabei erwischte, wie ich ihn anstarrte, kniff ich kurz die Augen zu und kam wieder zu mir. „Wie.. was?“ Mein Gesicht musste ganz rot gewesen sein. Doch er sah mich noch immer so lieb an.

„Du hast dir doch nichts getan oder?“ Sanft streifte er einige Strähnen aus meinem Gesicht. Seine Berührung war so sanft. Er war mir so nahe und einen Moment lang hatte ich das Gefühl von vollkommener Sorgenlosigkeit. Warum kam er mir so bekannt vor? Warum tat seine Nähe mir so gut?

Doch ich sprang plötzlich auf und ging errötet einen Schritt nach hinten. In meinem Zustand traute ich mich nicht, ihm in die Augen sehen.

„Alles gut!... Mir geht es gut!“, stotterte ich, „Danke. Ich… ich muss los...“ Ich war so nervös. Er kam mir so vertraut vor und doch hatte ich sein hübsches Gesicht noch nie gesehen. Doch ich musste mir bewusst machen, dass ich hier in einer anderen Welt war und ich wusste nicht, wer Freund und Feind war. Außerdem sollte ich mich doch beeilen, eher der Schattenmann wieder sauer werden würde!

Schnell drehte ich mich um und wollte Kitsune suchen. Doch der Junge faste meine Hand. Als ich seine Berührung spürte, wollte ich nicht weiter laufen. Ich ließ mich einfach von ihm halten. Was war das nur für ein Gefühl? Seine Anwesenheit, sie war so angenehm.

„Du bist ein Mensch, oder?“, hörte ich ihn nun fragen.

Dieser Satz traf mich wie ein Blitzt! Ich wich zurück und sah ihn schockiert an. „Was?!“, fragte ich mit aufgerissenen Augen. Aber er ließ mich los und lächelte mich liebevoll an.

„Du solltest hier nicht so alleine herum laufen.“, antwortete er, „Es kann gefährlich werden wenn andere eine Menschenseele einfach herum streunen sehen.“

Direkt ergriff mich wieder die Furcht. Doch er legte seine Hand auf meinen Kopf und grinste. „Keine Angst. Ich tue dir nichts. Mit wem bist du denn hier? Du bist sicherlich nicht alleine. Man verirrt sich hier schnell.“

Was sollte ich tun? Was sollte ich nur tun? Sollte ich ihm vertrauen? Zögerlich begann ich zu stottern. „… Ich…. Ich bin… also…“

„YUKI!“, hörte ich plötzlich von der Seite. Das kleine Fuchsmädchen quetschte sich durch die Massen zu mir hin. Sie drückte sich gewitzt an den Beinen und Körpern vorbei. Als letztes schubste sie noch einen Zwerg weg, der einfach in ihrem Weg stand. Es sah etwas anstrengend aus, aber sie kam schließlich bei mir an.

„Yuki! Da bist du ja! Pu… ist das hier nervig! Ich weiß warum Shiro sonst nur Portale macht! Diese blöden Golems! Die haben echt nie Rücksicht! Und in ihrem Kopf ist nur...“, dann erstarrte sie.

Geschockt blickte sie meinen blonden Retter aufdringlich an. „Deeon? Seit wann bist du wieder hier?!“, fragte sie entsetzt.

„Deeon?“, flüsterte ich verwundert und sah zwischen beiden her.

Der Blonde nahm elegant meine Hand zu sich. „Entschuldige, ich habe mich ja gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Deeon! Und du heißt dann also Yuki.“ Als Deeon meinen Handrücken küssen wollte, riss Kitsune meinen Arm weg und zog mich ruckartig zur Seite.

Ich war geschockt. Was sollte das? Noch bevor ich etwas sagen konnte wurde der Blick von Kitsune sehr ernst. „Wag es dich nicht!“, drohte sie ihm. Dabei legte sie ihre langen Fuchsohren drohend nach hinten.

Deeon blieb schweigend stehen. Er respektierte sie, aber sah sie gelassen an. Plötzlich griff sie meinen Arm, drehte sich um und zog mich ganz schnell mit. „Wir müssen gehen! Schnell! Man wartet sicherlich schon auf uns…!“, erklärte sie nur hektisch, ohne mich anzusehen.

Überfordert sah ich zu ihr herab, aber sie lief stur weiter. Ich ließ mich von ihr weiter ziehen und folgte ihr schweigend. Dann blickte hinter uns. Deeon stand noch dort und sah uns nach. Langsam verschwand er aus meinem Blick, in der Masse von Dämonen.
 

Dann hieß es wieder: laufen, rennen, aufpassen.

Zwischendurch musste ich darauf achten, dass ich auf keines der noch kleineren Wesen trat. Wir rannten geradeaus, bogen mal hier ab, duckten uns unter einer Gruppe riesiger Baummenschen, hüpften über die Schwänze der Echsenmenschen und doch waren meine Gedanken die ganze Zeit bei Deeon. War er denn ein Mensch? Er sah zumindest nach einem Menschen aus.

Schnell rannte ich Kitsune also hinterher und dachte an meinen Retter. Würde ich ihn wohl wiedersehen?

Langsam wurden die Massen weniger und Kitsune blieb stehen. „Da sind wir!“ sagte sie nun und blieb mit mir an der Ecke eines Ganges stehen. Ich musste erst wieder zu Atem kommen. Kurz stützte ich mich auf meinen Beinen und atmete tief ein und aus.

Warum war sie plötzlich so wütend gewesen? Warum ist sie plötzlich so gerannt? Schließlich drehte ich mich zur Seite und sah mich um.

Wir standen an der Ecke einer Gasse. Schilder waren aufgestellt, oder hingen von den Wänden. Zwischen den Gängen waren Bänder befestigt, an denen Laternen hingen.

Direkt an der Ecke, an welcher wir standen, war eine hölzerne rote Tür an einem düsteren schwarzen Gebäude.

„Hier?... Was machen wir hier?“, fragte ich und sah zur Tür. „Das ist Mephistos Laden. Und Shiro müsste eigentlich schon hier sein!“, die Kleine blickte suchend umher.

„Shiro. Heißt der Schattenmann so?“, fragte ich nachdenklich.

Sie sah mich überrascht an. „Hm? Was? Oh nein. Hihi. Ich nenne ihn nur so.“, erklärte sie. „Er hat keinen Namen. Also er hat ganz viele Namen. Aber er..-“

„Ihr habt aber lange gebraucht!“, unterbrach der Schattenmann sie und lief direkt auf uns zu. „Ich dachte schon sie wurde gefressen.“, kam es gelassen von ihm.

Doch Kitsune sah ihm mit ernstem Blick in die Augen. „Deeon ist wieder da…“, flüsterte sie. In diesem Moment biss er die Zähne aufeinander und ballte seine Fäuste fest zusammen.

„Ich weiß...“, antwortete er gezügelt. Doch dann sah er weg und legte die Hand an die Tür. „Los. Weiter.“ Er drückte sie einfach auf und trat ein.

Eine kleine Glocke erklang, als die Tür geöffnet wurde. Der Schattenmann ging zuerst hinein. Dann schaute ich in einen dunklen Raum. Es war finster. Ich konnte nicht viel erkennen. Doch mit langsamen Schritten folgte ich dem Jungen nervös hinein.

Als ich endlich durch diese Tür lief, stand ich in einem kleinen Laden. Er war aufgebaut wie ein Kiosk. Dieser war sehr finster und ich konnte nur äußerst gruselig anzusehende Dinge finden.

Komische Steine in verschiedenen Farben, verpackte Kräuter, Bücher, Staub und weitere ungewöhnliche Dinge. In einem Regal weiter hinten lag ein Skelettkopf, der mir das Gefühl gab, mich zu beobachten.

Es war sehr leise. Einige Windspiele hingen an der Decke aber bewegten sich nicht. Man hörte auch nicht mehr den Lärm von draußen, als die Tür sich wieder schloss. Nur eine Uhr hing an der Wand, welche zu jeder Sekunde tickte und diesen Ort noch schauriger machte.

Die Fenster waren komplett mit schwarzer, durchsichtiger Farbe zugekleistert. Man konnte die Figuren, die an dem Laden vorbei liefen nur erkennen, wenn sie nahe an den Scheiben entlang liefen. Der Boden des Ladens bestand aus knarrenden Holzdielen und die Wände waren einfach nur schwarz.

Ich traute mich nicht ein Wörtchen zu sagen. Mein Körper krampfte und zitterte ein wenig. Wir liefen hintereinander durch den Laden. Ich sah mich immer wieder um, in der Hoffnung, dass nichts aus einer dunkeln Ecke springen würde.

Je weiter wir in den Laden liefen, desto dunkler wurde es. Dabei fürchtete ich mich doch so sehr in der Dunkelheit.

Langsam fing ich an, nervös an meinem Pullover zu fummeln. Während des Laufens sah ich schaurige, ausgestopfte Tiere auf den obersten Regalen herum stehen. Ein seltsames Geschöpf irritierte mich am meisten. Es war ein Hase mit Geweih, Fangzähnen und Flügeln. Ich blieb vor Angst stehen und starrte es an. „Das ist nur ein Wolpertinger! Komm.“, erklärte Kitsune leise und lief an mir vorbei.

Die Ecken waren voller Spinnweben und Staub. Immer wieder knarrte der Boden unter unseren Füßen. Dann kamen wir an einer langen Theke an und blieben stehen. Auf dieser stand eine alte Kasse. Hinter der Theke war ein großes Regal mit Flaschen und Skelettköpfen zu sehen.

Ich wollte wieder weg. Es war zu gruselig! Ich war doch ein Angsthase! Mit aufgerissenen Augen sah ich ständig um mich, bevor mich nicht doch etwas angreifen und fressen wollte! Meine Arme hatte ich ganz nahe an meinen Körper gepresst. Und Da! Ich sah etwas hinter der Theke huschen!

Irgendetwas bewegte sich dort! Mir stiegen die Haare zu berge. „W… was war das?“, flüsterte ich verängstigt. Doch Kitsune und der Junge beachteten mich nicht. Mein Körper hätte sich am liebsten komplett zusammengekrampft und auf den Boden geworfen. Besonders dieses nervige Ticken der Uhr ließ mir einen Schauer über den Rücken laufen.

Tick-Tack. Tick-Tack.

Als wir nun da standen, sah ich zum Ausgang zurück. Könnte ich nicht einfach wieder heraus rennen? Könnte ich vielleicht einfach flüchten? Der Weg zu Tür war direkt vor mir. Ich könnte einfach rennen.

Nachdenklich hatte ich mich zur Tür gedreht, während die anderen auf etwas warteten.

Plötzlich hörte ich etwas aufschreien. „Oh, DARLING!“, rief jemand und sprang erfreut mit erhobenen Armen hinter der Theke hervor.

Sofort schreckte ich zusammen. Ich wich etwas zurück, drehte mich um und kreischte. „KYAAAA!“

Mephisto

Mit dem schrillsten Ton den meine Stimmbänder erzeugen konnten, schrie ich durch den ganzen Raum. Dann sprang ich mit einem Satz verängstigt hinter den Schattenmann und drückte mich mit zitternden Händen an ihn.

Sollte es den ganzen Tag so weiter gehen? Dunkle Räume, Monster und mehr gruselige Räume und noch mehr Monster!?

Ich stand da und wartete. Ich hatte die Augen zusammengedrückt und zitterte auf meinen weichen Knien.

Doch es passierte nichts. Es war leise. Wieder war nur das Ticken der Uhr zu hören, wie das ironische Zirpen einer Grille.

Nachdem mein Quieken langsam verstummte, blickte ich heimlich mit ganz kleinen Augen um mich. Kitsune sah mich mit zurück gelegten Ohren und aufgerissenem Blick an.

Der Schattenmann drehte nur seinen Kopf ein wenig zur Seite. Ich sah zu ihm hoch und erkannte wie er auch mich schweigend anblickte. Es folgte ein Moment der Stille.

War er sauer? Wollte er mir helfen? Ich wurde nicht schlau aus ihm. Doch die Stille wurde schnell wieder gebrochen.

„Hey!? Wer ist dieses Mädchen denn?“, moserte plötzlich eine arrogante Männerstimme. Wir drei traten ein wenig auseinander, ich richtete meine Kleidung und rappelte mich wieder auf.

„Mephisto! Ich brauche deine Hilfe! Mehr geht dich diese Angelegenheit nicht an.“, erklärte der Schattenmann mit ernster Miene. Ich sah mir diesen Mann genauer an, der mich so erschreckt hatte.

Mephisto hatte ein feines, blasses Gesicht, spitze Ohren und lange rote Haare. Seine Kleidung war sehr dunkel und feminin gehalten. Ebenso hatte er manikürte schwarze Nägel. Er bewegte sich auch sehr weiblich. Doch ganz besonders fiel mir seine graue Sweatshirt-Jacke auf, die ihm immer wieder von seiner rechten Schulter rutschte. Er trug ein aus schwarzen Kugeln bestehendes Armband und eine lange, dazu passende Kette um den Hals.

Hochmütig starrte er mich an und machte schweigend einige Schritte auf mich zu.

Ich kreuzte seinen Blick mit ängstlichen, ahnungslosen Augen. Je näher er mir kam, desto mehr lehnte ich mich zurück und sah ihn überfordert an. Dann blieb er direkt vor mir stehen, hob seine Hand, knautschte meine Wangen und drehte mein Gesicht zur Seite.

Snobistisch musterte er mich. „Hmpf!“, stöhnte er nur zickig. „Diese Metze ist doch nur ein Mensch! Was willst du von ihr!“, fauchte er und sah den Jungen fragend an.

Er behandelte mich wie einen unwichtigen Gegenstand. Langsam wurde Mephisto immer ernster und seine Stimme tiefer. Seine Blicke wurden immer stechender und irgendwie wirkte er eifersüchtig.

„Sie soll lieber hier weg. Dreckiges Menschengesocks! Bevor sie noch gefressen wird.“ Er beugte sich etwas auf. Hinter ihm wirkte sein Schatten, als würde er immer größer werden. Sein Schatten stieg an den Wänden und Regalen hinauf. Ich sah ängstlich zur Seite. Dann bedeckte der Schatten die ganze Wand und wuchs immer weiter!

Die Wände begannen von seinem Zorn zu beben. Ein Bild viel zu Boden.

Erschrocken blickte ich zur Seite. Alles wurde noch dunkler. Der Schatten wurde gigantischer und der Raum verfiel in einem schwarzen Nichts.

„Was passiert hier...?“ Schützend hob ich die Hände, doch sein Blick wurde immer schwerer. Der Boden fing an zu beben und mir wurde ganz heiß. Mein Herz klopfte wie wild und mein Gesicht wurde blass.

Mephistos Augen leuchteten rot. Dann hob er seine Hand. Seine Finger begannen schwarz zu werden. Er kam mir näher und wollte mich damit packen. „Soll dir doch die Pest anhaften! Du-!“

Plötzlich griff der Schattenmann ein und unterbrach Mephisto. „Das reicht!“, befahl er und stellte sich schützend vor mich.

Der Rothaarige stoppte sein dämonisches Ritual und alles um mich wurde sofort wieder normal. Panisch sah ich mich um.

Kitsune beugte sich sorgenvoll zu mir. „Alles gut..?“

Ich atmete schwer. Trotz zitternder Knochen nickte ich leicht. „Ja.. alles.. ist gut. Glaube ich.“

„Püh. Die Pest wird sie schon irgendwann dahin raffen.“ Beleidigt, ohne Reue drehte Mephisto sich weg und überkreuzte die Arme.

„MEPHISTO!“, schrie der Schattenmann und griff ihn an seinem Kragen. „Wage es dich nicht noch einmal diesem Menschen einen Fluch anzulegen!“, brüllte er wütend und zog ihn zu sich.

Überrascht sah der Rothaarige ihm in die Augen. „Wa… was…?“, stotterte er wieder mit seiner hohen Stimme. Mephisto runzelte die Stirn. „Ach Gottchen, als wenn ich ihr was tun würde. Aha ha ha…“, kicherte er und belächelte das Geschehen. Dabei hob er eine Augenbraue hoch und zog feminin seinen schmunzelnden Mund zur Seite. Der Schattenmann ließ ihn wieder los.

„Ach mein Süßer! Was darf ich dir denn für einen Gefallen tun? Ich habe dich schon seit Tagen nicht gesehen. Was war denn los mit dir?“ Er stellte sich gelassen hin, legte einen Arm in seine Hüfte und tat so, als sei nichts geschehen.

Er fuchtelte gelassen mit seiner Hand hoch und runter und lächelte. „Das nächste Mal darfst du gerne fester zupacken…“, flüsterte er noch und zwinkerte dem Jungen zu.

Kitsune und ich standen wortlos daneben. „Was eine Diva.“, bezeichnete das kleine Fuchsmädchen den Rothaarigen und rollte die Augen.

Der Schattenmann sprach im ernsten Ton weiter. „Ich will eine Seelenbünde machen, und brauche das Papier.“, erklärte er streng. „Waaas? Mein Herz! Warum machen WIR beide denn keine Seelenbünde? Wir kennen uns schon so lange!“, bezirzte Mephisto den Mann und streichelte ihm über die Brust.

Doch ihm kam nur ein kalter, stummer Blick entgegen. Ein Blick ohne Worte, der ihn aber zu tiefst tadelte.

Also verging Mephistos Grinsen auch ganz schnell „Hmpf… dann kommt mal mit…“, schnaufte er und lief hinter die Theke. „Ich weiß ja nicht ob ich dieses Luder herein lassen sollte. Aber wenn mein Schatz es so will, widerspreche ich nicht.“, faselte er laut genug um mir noch mehr zu zeigen, wie er mich verabscheute.

Hinter der Theke war eine Holztreppe die hinab führte. Die beiden Männer liefen voraus. Ich stand noch ein wenig starr im Raum. Benommen von Angst. Schnell wischte ich meine Tränen aus den Augen und schniefte kurz. Dann sah ich zu Kitsune hinunter. Sie lächelte mich nur an.

„Keine Sorge, Mephisto ist nur eifersüchtig!“

„Na toll… also hasst er nur speziell mich?!“, fragte ich vorwurfsvoll. Doch die Kleine kicherte nur und folgte den anderen hinunter.

Ich sah ihr hinterher. Die Holzstufen knarrten laut. Gerade als ich als letzte hinunter gehen wollte, sah ich mich noch einmal um. Ich war alleine. Dann erkannte ich wieder die Tür am Ende des Ganges.

Ich hielt erfasst die Luft an. Sofort packte mich wieder der Gedanke zur Flucht. Sollte ich gehen? Wohin? In die Massen zurück, die mich wieder erdrücken würden? Es war doch eigentlich egal wo ich war. Ob hier oder da draußen. In Sicherheit würde ich nie sein.

Unsicher traute ich einen Blick die Treppe hinab, doch dort stand niemand. „Jetzt oder nie!“ Dann schaute ich überzeugt zur Tür zurück. „Und los!“

Ich machte einen Schritt, dann rannte ich zurück zum Ausgang. Einen Fuß nach dem anderen! Schnell! Einfach hinaus! Meine Schritte waren sehr laut auf den knarrenden Dielen. Mein Herz raste. Ich blickte noch einmal zur Sicherheit in Richtung der Theke. Doch es folgte mir niemand.

Ich wollte einfach raus hier. Einfach weg von allen. Als ich mich wieder nach vorn richtete, stand plötzlich der Schattenmann vor mir und versperrte mir den Weg.

Bevor ich mit ihm zusammenstieß schreckte ich mich und machte einen Satz nach hinten. „WAH!?“ Ich sah mit rasendem Herzen zu ihm auf. „Was? Wie hast du das gemacht?!“, fragte ich ihn wütend.

„Wo geht’s denn hin?!“, kam es mir jedoch nur lächelnd entgegen. Langsam kam er auf mich zu. Doch ich ging einen Schritt zurück.

„Halt! Nein! Ich will nicht!“, motzte ich ihn an. Doch er lief an mir vorbei, griff meinen Arm und hielt mich problemlos fest. Dann zog er mich hinter sich her.

„Hey!“ Mit Händen und Füßen versuchte ich mich von seinen kalten Händen zu befreien. „Ich will nicht da runter!“, jammerte ich wütend und versuchte stehen zu bleiben. Ich lehnte mich mit meinem Körper nach hinten, doch er zog mich über den Boden.

„Das hast du nicht mehr zu entscheiden!“, antwortete er gelassenen und belächelte meinen Fluchtversuch.

„Lass mich los!“ schrie ich und schlug gegen seinen Arm.

Plötzlich drehte er sich zu mir um und ich verstummte sofort. Ich hob meine freie Hand um ihn von mir weg zu halten. Aber er kam mir immer näher. Grob drückte er mich plötzlich gegen die Wand.

Er stand mir so nahe und sah mir tief in die Augen. Ich erstarrte vor Schreck. Seine Hand war so kalt. Mein Atem zitterte, mein Körper war wie gefesselt. Einen Moment sah er mich nur an. Er tat mir nichts. Er beobachtete mich nur.

Bevor er sprechen wollte, bemerkte er die kleinen Tränen in meinen Augen und nahm etwas Abstand. „Entweder du kommst mit, oder ich werde dich quälen bis du nicht mehr schreien kannst.“, flüsterte er mir zu und zog eine Augenbraue arrogant hoch.

Ich sah beleidigt weg. „Tolle Aussichten..“, meinte ich leise. Auf einmal packte er mich und warf mich über seine Schulter.

„Wa! Hey! Ich komm ja mit! Ich komm ja mit!“, sagte ich laut.

„Wenn du raus gehst, stirbst du auf jeden Fall. Hier vielleicht nicht.“, erklärte er sarkastisch und lief mit mir zurück zur Theke.

Ich trampelte in der Luft herum. „Lass mich runter! Ich mach doch was du sagst!“, versuchte ich mich zu wehren und klopfte ihm mit einen Händen auf den Rücken.

Er trug mich sicher, bis zur Theke und lief mit mir auch die steile Treppe hinunter. Wie eine Katze versuchte ich mich an den Sprossen festzukrallen. „Warte! Warte! Nicht die Treppe!“, flehte ich. Doch er lief weiter und ignorierte mich.

Nachdem wir die wackelige Holztreppe überwunden hatten, blickte ich über seine Schulter und fand mich in einem Flur einer normalen Wohnung wieder. Es war sauber, aufgeräumt und wirklich neumodisch. Dann ließ der Schattenmann mich runter.

Mürrisch richtete ich meine Kleidung und sah mich um. Zu den Seiten erkannte ich Räume aus denen einfache Möbelstücke wie Schränke oder Sessel zu sehen waren. Anscheinend ein Wohnzimmer, eine Küche und ein Bad.

„Da lang!“ Der Schattenmann packte meine Schultern und drehte mich nach rechts. Dann deutete er auf eine braune Tür, die nur einen Spalt weit offen war und lief hinter mir her.

Schnell lief ich hinein. Kitsune stand mitten im Raum und beobachtete, wie Mephisto in seinen Schränken wühlte.

„Wo ist es denn... wo...?“, dann nahm er einen kleinen Hocker und stellte ihn vor ein Regal. Überall lagen Zettel und Bücher herum. An der Seite stand ein Schreibtisch, welchen man voller Papiere kaum noch erkannte. Auf dem Boden waren ebenso Bücherstapel verteilt und auch lange Papierrollen. Auf einem Regal standen kleine Phiolen und Gläser. Daneben war eine kleine Schüssel mit einem Hobel, die wohl eine Zeit lang nicht benutzt wurden. Alles war unaufgeräumt und wirkte seit langer Zeit unbenutzt.

„Wo ist es denn…“, der Rothaarige wackelte ein wenig mit seiner Hüfte herum und suchte weiter. Dann streckte er sich weit nach oben, „Ahh ja genau hier!“, er zog vorsichtig aus dem obersten Regal ein braunes Papier unter einem Stapel Bücher hervor. Dabei fielen einige dieser Bücher herunter und plumpsten laut auf den Boden.

Zuletzt drehte sich Mephisto um und machte einen Hüpfer vom Hocker hinunter. „Was bekomme ich dafüüür mein Süßer?“ Er beugte sich etwas vor und wedelte mit diesem Papier herum.

„Du bist mir sowieso noch etwas Schuldig.“, bekam er vom Schattenmann als Antwort.

Da brach Mephisto zusammen und warf sich theatralisch auf einen Stuhl. „Ach Darling… manchmal habe ich das Gefühl, dass du mich gar nicht liebst! Und egal wer hier Arbeiten würde! Dir wäre es egal!“, jammerte er herum und bewegte seine Hand wie eine Diva.

Ich realisierte schnell, dass Mephisto die Aufmerksamkeit liebte und er dafür sehr laut und schrill wurde.

Der Junge nahm ihm unkommentiert das Blatt ab und wandte sich mir wieder zu. Er sah mir direkt in die Augen.

„W… was?...“, fragte ich ihn überrascht, überkreuzte die Arme ineinander und runzelte böse die Stirn.

Der Junge legte das Papier auf den Tisch. „Es wäre sinnlos dir jetzt alles direkt zu erklären. Aber hiermit, werden dich Dämonen nicht mehr als Menschen erkennen.“, sagte er mit einer beruhigenden Stimme.

Ich wunderte mich. Wieso war er plötzlich so nett? Er wirkte nicht böse wie sonst. Ich spürte, dass er mir helfen wollte. Aber warum?

Zögernd stellte ich mich neben ihn und sah auf das Blatt. „Und, was passiert mit dem Blatt?“, fragte ich zaghaft. Währenddessen holte er einen seiner Dolche hervor.

Ich erschrak etwas und schaute mir still an, was er vor hatte. Mephisto und Kitsune beobachteten ebenso ganz genau, was nun geschah. Beide starrten an ihm vorbei und sahen neugierig auf das Papier.

Der Junge schnitt sich tief in seine Handfläche und etwas Blut glitt hinaus. Nun presste er seine Hand auf das Blatt, bis dieses sein Blut eingesogen hatte und er seinen blutigen Abdruck hinterließ.

„Jetzt du.“, sagte er und nahm meine Hand. Ich aber zog meine Hand abrupt zurück.

„Was? Wieso?“

„Vertrau mir.“, sagte er leise und lächelte sanft. Meine Unwissenheit belustigte ihn.

Wir sahen uns eine Zeit lang schweigend an. Schließlich nickte ich ihm zu und legte meine in seine kalte Hand.

Mir blieb ja doch nichts anderes übrig.

Er legte seinen Dolch auf meine Handfläche. Nervös machte ich mich auf den Schmerz gefasst und schloss die Augen. Ich spürte ein Brennen, dass mit einem stechenden Schmerz verbunden war.

„Aua…“, sagte ich leise und öffnete wieder die Augen. Meine Hand pochte. Doch der Schnitt war sehr vorsichtig und kurz. Nicht so grob wie der Schnitt, den er sich zugezogen hatte.

Langsam drückte sich mein Blut durch die Wunde. Der Schattenmann drehte meine Hand und drückte meine blutende Wunde auf seinen Abdruck.

„Er macht es wirklich… Du bist so verrückt Shiro…“, flüsterte Kitsune fasziniert. Es war so aufregend.

Ich beobachtete wie es unter meiner Hand plötzlich zu strahlen begann. Es war warm. Erst wurde es immer heller, bis es langsam einfach aufhörte. Woher kam das Leuchten? Was passierte hier?

Dann nahm er meine Hand wieder weg. Er drehte sie, dass die Wunde nach oben zeigte und fuhr sanft mit seiner Hand über meine. „Keine Sorge, das ist schnell verheilt.“, sagte er leise.

Das Blut verschwand und die Narbe schloss sich in einem sanften, gelben leuchten, während er erneut über meine Wunde glitt. Fasziniert sah ich zu ihm auf. „Aber wie...?“, staunte ich. Denn meine Schmerzen waren weg und die Wunde verschwand. Nicht einmal eine Narbe blieb zurück.

Stolz lächelte er mich an. Sein Lächeln war so lieb und herzlich, dass ich etwas errötete. Wieso war er plötzlich so anders?

„SO! Jetzt ist gut!“, sagte Mephisto in seiner schrillen Stimme. Er drückte uns beide auseinander und wollte das Papier greifen. Doch der Junge zog es ihm unter der Hand weg.

Zickig drehte Mephisto sich zu ihm. „Hey! Schatz! Vertraust du mir nicht? Du wirst das Papier sowieso hier lassen müssen!“, sagte er und war wieder voll in seiner Rolle. „Oh mein Gott! Darling!...“, begann Mephisto zu reden, „Wenn das Jemand mitbekommt… Du beschädigst heilige Gegenstände!“

„Heute interessiert das niemanden. Außerdem verrottete dieser heilige Gegenstand Jahre unter deinem Staub.“, antwortete der Schattenmann wieder emotionslos.

Mephisto hob die Augenbrauen. „Hmmh… diese herrische Art mochte ich schon immer an dir…“, und leckte sich über die Lippen.

Der Schattenmann drehte sich wieder zu mir und zeigte mir kurz dieses mysteriöse Papier. „Da du jetzt mit der Seele eines Dämonen verbunden bist, kannst du dich vor anderen Dämonen zeigen!“, sagte der Junge schnell und lief einfach wieder aus dem Zimmer.

„Eh… Moment… was ist mit wem verbunden?!“, rief ich ihm hinterher. Kitsune schüttelte den Kopf. „Oh man, ich hab ihn noch nie so nervös gesehen. Haha.“, lachte sie.

Ich stand planlos im Raum und blickte ihm fragend hinterher. Mephisto schlug die Arme über den Kopf. „Los! Raus ihr beide!“, motzte er eifersüchtig und schickte uns weg.

„Warte wir brauchen noch Kleidung!“, meinte Kitsune. „So kann sie doch nicht weiter hier herum laufen! Mephisto! Du hast doch bestimmt etwas!“

„Also, ob ich in ihrer Größe etwas da habe weiß ich nicht. Aber nehmt doch was ihr wollt! Da, das Zimmer gegenüber! … Mein Herz ist sowieso schon gebrochen! Mir ist alles egal!“, jammerte er und drehte sich weg.

Ich lief Kitsune hinterher, die in das andere Zimmer lief. Es war ein großes Schlafzimmer mit edler, goldener Tapete. An der Decke hing ein Kronleuchter und an der Wand stand ein pompöses rotes Bett. Alles war ein wenig verdunkelt.

Kitsune schnüffelte in einem riesigen schwarzen, mit Lack umhüllten Kleiderschrank. Ich konnte nur ihre kleinen Beinchen sehen und den Fuchsschwanz, der wild hin und her wedelte. Der Rest ihres Körpers war in dem Schrank verschwunden.

„Hier! Zieh das an!“ sagte sie und warf mir Kleidung entgegen. Eine blaue Sweatshirt-Weste und eine graue Jeans, sowie schwarze, einfache Schuhe.

Ich fing sie irritiert auf und sah Kitsune an. „Los, zieh dich um! Ich fange an zu erklären während wir zum Aufzug laufen!“

„Aufzug? Erklären? Was denn?“, fragte ich verwirrt und legte die Kleidung auf das Bett. „Na, du brauchst doch mal einen kleinen Crash-Kurs über das alles hier! Anscheinend wirst du ja einfach nur in kaltes Wasser geworfen. Ich bin für dich da! Ich werde dir helfen!“, grinste sie mich an.

Rasch tauschte ich die Kleidung. Ich ließ meinen Pullover liegen und auch meine kurze Hose. Kitsune drehte sich währenddessen um. „Hör gut zu!“, fing sie währenddessen an zu erzählen.
 

„Es gibt zwei Welten! Die Welt der Menschen und die Welt der Dämonen! Dann gibt es noch den Himmel!

Vor langer Zeit hat sich ein Engel im Himmel gegen Gott gewandt. Immer wieder stellte er seine Taten in Frage und somit begannen auch andere Engel an Gott zu zweifeln. Nur um zu zeigen, dass sie nicht mehr seinen Regeln folgen wollten, verwandelten sie sich in die Gestalten von Menschen und stolzierten auf der Erde herum! Sie hatten dort ihren Spaß und genossen es ihre Gier an Wein und körperlicher Nähe zu befriedigen.

Viele menschliche Frauen wurden von ihnen schwanger. Doch ihre Kinder waren keine Menschen. Es waren Dämonen! Es waren Kinder die wie Monster aussahen. Kinder mit nur einem Auge! Kinder mit tierischen Körpergliedern! Kinder, welche die Frauen noch im Unterleib auffraßen! Aber auch Kinder die wie ganz normale Menschen aussahen und doch nicht ganz normal waren.

Wir nennen sie einfach „Dämonen“, ob sie nun eine menschliche Gestalt haben oder nicht! Je mehr Finsternis ein Engel in sich trug, desto stärker wurde das Kind.

Es ging Jahrzehnte so weiter. So haben sich auch ihre Kinder vermehrt. Über die ganze Welt! Und es sah aus, als würden die Dämonen die Welt bald beherrschen.

Bis Gott eines Tages einschreiten musste und eine riesige Flut über die Welt ziehen ließ, die alles auslöschen sollte!

Nur einem Mann wurde dieser Plan mitgeteilt! Er sollte für sich und seiner Familie ein Schiff, eine Arche bauen mit so ein paar anderen Menschen und Tieren.

Total unfair! Und nur die sollten überleben! Und alle anderen Menschen und auch Dämonen, selbst die, die nichts damit zu tun hatten, sollten sterben.

Doch diesen Plan bekamen auch die Dämonen mit. Sie mussten sich also selber einen Zufluchtsort suchen, an dem die Welle sie nicht erreichen könnte!

Also brachten sie all ihre Macht zusammen und erschufen diese Welt! Hier waren wir sicher und überlebten.

Eine neue Flut würde Gott nicht erschaffen. Also trauten sich einige mächtige Dämonen wieder in die Menschenwelt.

Es gibt in vielen Ländern auf der Menschenwelt verschiedene Religionen und Götter. Vielleicht kennst du Ägyptische Götter wie Horus, Anubis oder Griechische Götter wie Zeus oder Hera! Das waren alles nur sehr mächtige Dämonen! Keine Götter. Die Menschen haben sie nur als Götter verehrt.

Doch als Engel des Himmels die Dämonen auf der Menschenwelt gefunden haben, die sich für Götter hielten, wurden sie ausgelöscht. Denn es gibt nur einen Gott. Und einige dieser „falschen Götter“ wurden dann ausgelöscht.

Aus Angst blieben die Dämonen also in ihrer Welt und Gott lies das zu.

Zwischendurch tapsen nur die mutigsten Mal in die Menschenwelt.

Das wertvollste was es hier in der Dämonenwelt gibt, sind die Menschenseelen! Je mehr du hast, desto stärker bist du! Dämonen spüren an deiner Seele, dass du ein Mensch bist! Wenn du in der Masse aufgefallen wärst, hätte es zu Schwierigkeiten geführt! Alle sind ganz vernarrt in Menschenseelen, da sie so selten sind.

Diese Seelenbünde die du und Shiro gemacht haben, dient als Seelenvermischung! Das können nur sehr wenige Dämonen richtig machen! In eurem Fall ist es so, dass ein Teil seiner Seele nun in deiner ist. Also du bist noch ein Mensch, aber man erkennt deine Seele nur sehr schwer als menschliche!

Diese Seelenbünde ist heute verboten. Damals gab es ein ganzes Buch voll dieser Blätter. Doch es wurde bis auf ein paar Seiten verbrannt. Bei euch ist es nun so, dass deine Seele von Shiros Seele versteckt wird!

Das ist so faszinierend! Shiro ist der zweitmächtigste Dämon den ich kenne! Irgendwie bin ich schon neidisch auf dich.“
 

Kitsune erklärte mich alles über diese Welt und ich hörte ihr aufmerksam zu, während ich mich umzog.

Dann folgte ich Kitsune wieder auf Schritt und Tritt. Ich ließ mir mehrmals ihre Geschichte durch den Kopf gehen.

- Also gibt es diese Dämonen und Geister tatsächlich. Und wenn das Knacken in meinem Zimmer damals wirklich ein Geist war und gar nicht das Holz? - Ich war etwas geschockt und lief einfach weiter.

Über die Treppe, durch den Laden und schließlich nach draußen. Auch als wir vor der Tür standen, waren meine Gedanken noch durcheinander und mein Gesicht in einer Art Schockstarre.

Es war seltsam mit der Grundregel aufzuwachsen, dass es keine Monster gibt und dann in einer Welt zu spazieren, die von Dämonen und Monstern erschaffen wurde.

Das alles musste ich erst verkraften.
 

Gerade als wir bei dem Schattenmann ankamen, der schon auf uns wartete, lief mir ein blauer Mensch mit vier Augen und sechs Armen entgegen und eine Frau mit eleganten schwarzen Hörnern und grauer Haut. Natürlich war das alles etwas angsteinflößend. Doch irgendwie hatte mich das alles so sehr in den Bann gezogen, dass ich es eher fantastisch, anstatt gruselig empfand.

„So. Hier lang.“, sagte der Schattenmann nun und lief um die Ecke. Unser Weg führte an einer langen Mauer entlang. Hier war es angenehmer zu laufen, da sich nur wenige Dämonen dort herumtrieben. An der Wand waren mehrere hölzerne Türen, die sich auf zogen und wieder schlossen.

„Sind das Fahrstühle?“, fragte ich überrascht.

„Er fährt nicht wie normale Fahrstühle hoch und runter. Er bringt dich einfach zu dem Raum, wo du hin möchtest.“, kicherte Kitsune. „Es ist so ähnlich wie der Schutzgang vor Shiros Bibliothek. Damit wird sichergestellt, dass es nur einen Eingang gibt und niemand in die Räume hinein teleportieren kann.“

Sie wusste, dass alles in dieser Welt neu für mich war. Doch für sie war das der Alltag. Es machte sie fröhlich, mir die tollen Dinge zu erklären. Als würde ich frische Luft in ihren Alltag bringen.

„Und was machen wir nun hier?“, fragte ich weiter.

Der Schattenmann drückte ein kleines Knöpfchen und holte dadurch den Fahrstuhl zu uns. „Ein Dämon hat einige Probleme, die er nicht bewältigen kann. Ich werde ihm helfen.“, antwortete der Mann und schaute dabei wartend zur Tür.

Kurz darauf hörte ich schon ein lautes „Ping!“ Der Fahrstuhl war bei uns angekommen. Ich überlegte nicht weiter und stellte mich direkt davor. Sobald die Tür sich öffnete, wollte ich hinein laufen. Doch als ich mich davor stellte, zog der Junge mich plötzlich zur Seite. Ich war etwas überrascht. Er faste mich behutsam mit seinen kalten Händen und drückte mich etwas an sich.

„Warte.“, flüsterte er ruhig und machte Platz. Überrascht wartete ich bei dem Jungen, bis die Türen sich aufzogen. Dabei spürte ich wieder, welche Kälte der Junge an sich hatte. Keine Kälte wegen seines Charakters, sondern eine Kälte wegen seiner Körperwärme.

Schließlich waren die Türen auch offen. Tatsächlich standen im Fahrstuhl zwei Fischmenschen. Sie hatten grüne klebrige Haut und erinnerten mich an Frösche. Einer quakte sogar laut und wischte mit der Nickhaut über seine Glubschaugen. Doch sie beachteten uns gar nicht und patschten mit ihren dicken Bäuchen und dürren Beinen an uns vorbei.

Erst dann nahm der Junge die Hände von meinen Schultern und lief in den Fahrstuhl.

Fasziniert sah ich den Kreaturen nach. Diese Figuren machten mir überhaupt keine Angst. Sie waren eher witzig und interessant.

„Los Yuki. Geh rein.“, unterbrach mich Kitsune.

„Eh.. eh! JA!“, ich drehte mich um und lief schnell hinein.

Dann sah ich fragend zu Kitsune, die mir gegenüber stand. Sie war noch draußen.

„Kommst du nicht mit?“, fragte ich überrascht. „Entschuldigt bitte, aber ich muss noch etwas erledigen. “, sagte sie und lächelte Shiro mit einem breiten, auffälligen Grinsen an.

„Was..? Aber du kannst mich nicht mit-“, doch die Türen schlossen sich wieder ehe ich meinen Satz aussprechen konnte. Nur kurz konnte ich noch sehen, dass sie mir zu winkte. Dann waren die Türen verschlossen und es war wieder ruhig.

Angespannt atmete ich auf.

Ich war also alleine mit dem Schattenmann. Irgendwie gab mir das ein flaumiges Gefühl im Magen. Unsere erste Begegnung war brutal. Er griff mich an. Danach wachte ich in dieser Bibliothek auf. Seit dem war die Kitsune da.

Jetzt waren der Schattenmann und ich wieder alleine. Wir standen nebeneinander, sahen uns nicht an und schwiegen.

Wortlos sah ich etwas hinab und zögerte zu sprechen. Für den Jungen war es anscheinend egal, ob es nun leise war oder nicht. Er wartete einfach und schwieg solange.

Doch ich wollte die Gelegenheit nutzen, um mit ihm zu reden. Mich vielleicht mit ihm anzufreunden?

Nervös fummelte ich etwas an meiner Weste herum und sah zu ihm hoch. „Ehm…“, fing ich an zu haspeln. Ich wusste nicht, wie er reagieren würde wenn ich die Stille unterbrach.

„Warum ist Kitsune denn jetzt nicht mitgekommen?“, fragte ich leise. Ich war gespannt wie er nun reagieren würde. Oder ob er überhaupt reden würde? Doch er nahm meinen Versuch an, eine Konversation zu führen und sah zu mir. Er verschränkte ein wenig die Arme.

„Kitsune ist nie dabei, wenn ich Aufträge von Renekton annehme. Das ist der Dämon zu dem wir jetzt gehen. Außerdem nervt sie ihn immer nur.“, erklärte er und sah wieder geradeaus. Seine Worte brachten mich zum grinsen. Ich sah ihn an und nickte.

„Ja… am Anfang kam sie mir wie ein freches Gör vor. Doch jetzt fehlt sie mir etwas.“

„Macht es dir etwa Angst, alleine bei mir zu sein?“, fragte er und sah zu mir herunter.

Da wich ich etwas zurück. „Was? Wie… also… Ich… irgendwie.. naja… Nein. Aber du.. ehm..“, schnell versuchte ich das Thema zu wechseln. Ich sah etwas hin und her und überlegte verzweifelt was ich sagen sollte.

„Ehm! Warum sind deine Hände eigentlich so kalt?“, fragte ich aufgebracht. Doch der Junge sah mich überrascht an. Ihm blieben kurz die Worte weg. Deprimiert hob er seine Hände und betrachtete diese.

Der Junge runzelte betrübt die Stirn „Naja, das ist eine etwas längere Geschichte.“, sagte er nur, ohne weiter drauf einzugehen. Ihm war das Thema sehr unangenehm und ich merkte, dass er darüber nicht reden wollte.

Wieder kam diese bedrückende Stille auf. Betroffen sah ich wieder hinab und wusste nicht, was ich sagen sollte.

„Du…“, fing ich wieder zurückhaltend ein Gespräch an. Der Schattenmann antwortete, blickte aber weiter geradeaus. „Hm?“

Wir beide waren niedergeschlagen. Doch daran merkte ich, dass ich wirklich keine Angst vor ihm haben musste. Er wirkte sogar menschlich.

„Ehm… werde ich wieder nach Hause dürfen?“, fragte ich und biss mir auf die Lippe.

Auf die schlimmste Antwort hatte ich mich vorbereitet. Vielleicht werde ich ja nie wieder in meine Welt zurück kehren? Darüber hatte ich bisher gar nicht nachgedacht!

Mein Magen krampfte, während ich auf die Antwort wartete.

„Natürlich.“, hörte ich von ihm.

Da fiel mir ein Stein vom Herzen! Ich sah ihn verwundert mit großen Augen an. Hatte ich richtig gehört? Diese Antwort erfüllte mich wieder mit neuer Hoffnung. „Was? Ich dachte ich könnte nie wieder nach Hause!“

„Wir beide haben einen Pakt. Ich lasse dich am leben und dafür hilfst du mir. Und wenn ich in die Menschenwelt gehe und du mir hilfst, darfst du auch nach Hause.“, erklärte er mir.

Dennoch war mir eines noch nicht ganz klar. Wie konnte ich ihm denn helfen? Ich erinnerte mich daran, was ich in Namis Zimmer zu ihm gesagt habe. - Ich will dir helfen!- Aber ich wusste ja selber nicht, was ich damit meinte. Er ließ mich dafür am leben. Das war das Wichtigste.

„Aber was soll ich denn jetzt machen?“, fragte ich. Nun drehte er sich wieder nach vorne und wurde emotionslos. Es war ihm klar, dass mir seine Antwort nicht gefallen würde.

„Wenn ich Menschenseelen jage, wirst du mir helfen. Egal wie.“

Mir blieb die Luft weg. Ich riss meine Augen auf. Ich konnte nicht sprechen und starrte in sein emotionsloses Gesicht.

„W.. warte. Ich soll dir helfen.. Menschen zu töten?“ Ich schaute ihn erschrocken an.

Doch er antwortete nicht. Ich wollte nicht glauben was er von mir verlangte! Ich wusste nicht was ich sagen sollte.

„Ich kann das nicht!“, begann ich entsetzt zu reagieren. „Wofür brauchst du die Seelen überhaupt? Hast du die wirklich nötig?“, fragte ich und ging auf ihn zu. Aber er hatte einen sturen kalten Blick, der mir keine Antwort geben würde. Er war wieder so ernst und kalt.

Im nächsten Moment kam der Aufzug schon an. Ich hörte wieder das laute „Ping!“ vom Aufzug und die Tür schob sich auf. Unerwartet sah ich jemanden hinter der Tür stehen und hielt inne.

Ich blinzelte mit den Augen und schluckte. „Deeon..?“, fragte ich nur.

Der blonde Mann stand mir gegenüber und sah mich ebenso überrascht an. „Yuki?“, sagte er verblüfft aber glücklich. Doch dann wanderten seine Blicke zum Schattenmann hinüber. „Und du? Ich wusste ja nicht, dass Yuki bei dir-“

Doch plötzlich holte der Schattenmann aus und schlug ihm mit voller Wut in sein Gesicht.

Grund der Verzweiflung

Ich dachte, mich würde nichts mehr in dieser magischen Welt wundern.

Und dann erschreckte mich doch ein normales, instinktives, leichtfertiges Handeln. Etwas, das auch in meiner Welt passieren konnte. Etwas Menschliches.

Es passierte direkt vor meinen Augen, als der Schattenmann seine Faust ballte und Deeon ins Gesicht schlug.

Mir kam es vor, als würde sich die Welt in Zeitlupe drehen.

Wie er seinen Arm hob und ein rasanter Windschub an mir vorbei glitt. Mein Haar wurde dabei aufgewirbelt. Mein Körper wurde starr. Doch der Schlag war so schnell, dass ich ihn kaum sehen konnte.

Entsetzt erkannte ich, dass Deeon wie durch eine unnatürliche Macht nach hinten geworfen wurde und an der nächsten Wand aufprallte.

Es passierte alles so schnell. Sofort zuckte ich zusammen, hielt mir meinen Mund zu und schreckte zurück.
 

Gewalt habe ich schon immer gehasst. Gewalt aus Hass und Wut oder nur Gewalt aus Spaß. Das Gefühl der Hilflosigkeit in solchen Situationen.

Der starre Körper, der sich nicht mehr bewegen wollte. Weder um sich zu wehren, noch um einzugreifen oder zu fliehen. Oder Gewalt die man einfach dulden musste.

Gewalt habe ich einfach nur gehasst.
 

Meine Muskeln schienen wie eingefroren. Geschockt riss ich meine Augen auf und blickte aus der Tür.

Hinter Deeon zerbrachen einige Steine an der Wand und etwas Sand stieg auf. Ich sah in eine helle, sandige Vorhalle.

Der Boden war mit braunem Sandstein und die Wände mit sandfarbenen Quarzsandsteinen gebaut. Einige Fackeln loderten an Halterungen den Wänden und mir kam es so vor, als sei die Luft viel wärmer. Mitten im Raum stand eine Statue eines prachtvollen, ägyptischen Krokodils. Durch den Aufprall, stieg der Staub bis zur der Statue auf.

Diese Kraft hinter dem Schlag war so unheimlich und voller Rachedurst. Schaudernd stand ich da und hielt mir noch immer die Hände vor dem Mund.

Einen Schritt lief der Schattenmann aus dem Fahrstuhl und sah wartend in Deeons Richtung. Er wirkte so aufgebracht, dass er sich nur schwer zusammenreißen konnte, nicht sofort auf ihn loszustürmen.

Seine Augen wurden zornig und er starrte mit seinem stechenden Blick seinen Gegner an. Er presste die Fäuste zusammen und die Zähne aufeinander. Er machte sich bereit jeden Moment los zu rennen.

Ich wusste nicht was ich tun sollte. Vor kurzem hatte der Schattenmann noch meine Sympathie gewonnen. Dass ich versucht hatte, in ihm eine nette Person zu sehen, war wohl doch ein Fehler.

Was wäre, wenn er nun auch mich angreifen würde? Ich stand direkt hinter ihm. Er war so launisch und sprunghaft. Ich verstand seine eigensinnige und impulsive Art nicht.

Ein Mensch konnte solch einen Schlag nicht überleben.

Deeon überzeugte mich aber von der Tatsache, dass auch er kein Mensch war und diesen Schlag überstanden hatte.

Schließlich wurde es ruhig in der Halle.

Die letzten Brocken fielen von der Wand und langsam legte sich der Staub.

Dann erkannte ich erleichtert, wie Deeon vom Boden aufstand und gelassen etwas Dreck von seiner Kleidung schlug. Entsetzt riss ich die Augen auf.

So viel Blut floss über sein Gesicht und sein Arm war gebrochen. Die Haut in seinem Gesicht war an einigen Stellen zerrissen. Dieser Anblick war schockierend.

Ich konnte nicht sprechen. Ich wollte laut schreien oder kreischen und doch hielt mich meine Angst zurück. Ich war so verstört, dass ich nicht einmal Zittern konnte.

Dieser Hass der im Raum stand, fühlte sich so schrecklich an.

Doch dann lief Deeon unbekümmert auf uns zu. Ihn interessierten seine Wunden nicht. Es war ihm sogar bewusst, dass der Schattenmann so reagieren würde.

Mit einem dezenten Husten machte er auf sich aufmerksam. Dann griff mit seinem gesunden Arm, seinen gebrochenen. Mit einem Ruck richtete er diesen wieder und ein lautes Knacken hallte durch den Raum.

„Du bist also noch stärker geworden?“, fragte er locker.

Doch der Schattenmann stemmte sich einen Schritt vor. „SCHNAUTZE! DU HAST MEINE SEELEN GESTOHLEN!“, schrie er wutentbrannt, „AM LIEBSTEN WÜRDE ICH DICH AUSEINANDER REISSEN!“

Doch Deeon blieb ruhig. Er lief einige Schritte weiter und richtete seine blonden Haare. Noch immer hatte er das viele Blut im Gesicht. Anscheinend machte ihm der Schlag nichts aus, denn er grinste verlegen zur Seite. „Nun ja… ich brauchte so viele Seelen, für einen guten Zweck...“, dann setzten sich seine Wunden langsam zusammen und sein Blut verschwand. Überrascht sah ich, wie nicht eine Narbe und kein Kratzer hinterlassen wurden.

Als ich die beiden dort stehen sah, erkannte ich, wie unterschiedlich sie waren. Der Schattenmann trug so viel Wut und Hass in sich. Das zeigte sich auch in seiner kalten, blassen Haut, so wie in seinem grimmigen Gesicht und seinen pechschwarzen Haaren.

Anders als Deeon. Er war wie der erwachsene, große Bruder. Mit seinen eleganten blonden Haaren und seiner aufrechten Erscheinung hätte er schon fast ein edler Ritter sein können.

Schließlich konnte sich der Schattenmann nicht mehr zurück halten.

Er rannte auf Deeon zu. Sein Abstoß war so stark, dass der Windstoß mir die Beine weg riss.

Ich fiel plötzlich zu Boden und wurde in einem Sandnebel zurück gelassen. Dieser Ruck riss mich jedoch aus meiner Starre. So schnell ich auch am Boden aufkam, so schnell stemmte mich wieder auf und lief aus dem Fahrstuhl. Doch ich bemerkte direkt, dass ich mich beiden nicht nähern sollte.

Mit blitzschnellen Schritten lief der Schattenmann auf den Anderen zu. Man konnte ihn kaum sehen. Erneut holte er zum Schlag aus und raste ihm mit geballter Faust entgegen.

Ein leises „Nein!“, schlich aus meinem Mund. Ich war zu starr um meine Stimme zu erheben. Meine Angst hielt mich dort fest, wo es sicher war. Mein Körper wollte nicht zulassen, mich in eine gefährliche Situation zu begeben.

Doch es war falsch was der Schattenmann tat. Ich wollte ihn aufhalten, aber ich konnte nicht.

Geschickt wich Deeon dem Schlag mit einer Drehung aus und der Schattenmann traf die Wand hinter ihm. Der Blonde mache einen schwebenden Sprung nach hinten und drehte sich um. „Du bist zwar stärker geworden, aber hast nichts dazu gelernt! … Ein toter Mensch, der noch immer nicht seine Emotionen im Griff hat!“, sagte Deeon eisern und schüttelte den Kopf.

„Schnauze..“, kam es grimmig vom Schattenmann. Er riss seine Hand aus der Mauer und griff erneut an. Ein Fausthieb mit der Rechten, dann einen mit der Linken, schließlich ein Tritt in Richtung Knie. Doch jedes Mal wich Deeon aus.

Mal zur Seite, dann bückte er sich nach hinten und schließlich sprang er einige Meter zurück. „Lass es. Bitte. Ich wollte dir nie schaden.“, erklärte Deeon während des Ausweichens. Er wehrte sich nicht. Er beobachtete nur und tat alles um nicht von den Hieben getroffen zu werden.

„Schnautze!“

Dieser Kampf ging so rasend schnell. Ich war schockiert und doch gefesselt. Ich wollte ihnen nicht zusehen! Ich hätte weg rennen sollen! Aber ich stand nur da und konnte mich nicht bewegen.

„Wieso?“, fragte ich leise und lehnte mich an die Wand. Entgeistert ließ ich mich auf den Boden sinken.

Dann realisierte ich Deeons Worte. Er nannte den Schattenmann - Einen toten Menschen – Was meinte er damit?

Plötzlich kamen mir beide näher. Ich blickte erschrocken auf aber war nicht in der Lage mich zu bewegen. Mein Körper war zu starr. Alles ging zu schnell.

Warum nur hat der Schattenmann, Deeon so gehasst? Wer war der Böse in diesem Schauspiel? Wurde der Schattenmann zu Recht wütend? Oder war Deeon der gute Held in dem Kampf?

Unterbewusst wollte ich, dass der Schattenmann nicht nur aufgab, sondern verlor.

Ihr Kampf wurde immer schneller und kräftiger. In mitten des aufgewirbelten Sandes erkannte ich nur die Silhouetten der beiden kämpfenden.

Plötzlich sprang der Schattenmann aus dem Wirbel heraus.

Ich erschrak.

Gerade als ich wieder auf sah, sprang der Junge aus dem Kampf heraus, blickte kurz über seine Schulter zu seinem Gegner und ließ zwei Dolche in seinen Händen erscheinen. Dann verschwand der Schattenmann urplötzlich von der Stelle.

Er war einfach weg. Mitten im Kampf war er plötzlich verschwunden.

„W… was?“, stotterte ich. Ich wusste nicht was geschehen war. Der Schattenmann war nicht mehr zu sehen.

Es war auf einmal so leise.

Deeon wich zurück und blieb hellhörig stehen.

Die Luft knisterte vor Aufregung. Aufmerksam sahen seine Blicke abwechselnd zu allen Seiten. Er blieb mit erhobenen Armen am gleichen Ort und beobachtete seine Umgebung.

„Er ist weg…“, flüsterte ich und sah mich um. Nichts war mehr zu hören. Keine Schläge, keine Schreie, keine Schritte. „Er ist weg!“, sagte ich lauter und stand erleichtert auf.

Ich lächelte glücklich. Es war, als würde mir ein Stein vom Herzen fallen. Dieses bedrückende Gefühl, welches den Raum füllte, war verschwunden. Ich konnte wieder aufatmen!

Doch Deeon bewegte sich immer noch nicht. Er war still und wandte mir den Rücken zu.

Also lief ich auf ihn zu. „Deeon!“, lächelte ich. „Der Schattenmann, er ist weg.“

Als Deeon mich näher kommen sah, erschrak er plötzlich. „Bleib weg, Yuki!“, unterbrach er mich und starrte mir mit aufgerissenen Augen entgegen. Er zeigte mit seiner Hand weg und lief panisch auf mich zu.

Plötzlich hörte ich hinter mir ein seltsames Geräusch. Ein Zischen oder Knistern. Etwas bewegte sich hinter mir.

„Was…?“ Ich drehte mich ahnungslos um.

Dann griff Deeon meinen Arm und wollte mich zur Seite ziehen. Denn vor mir bildete sich ein großer, seltsamer, blau aufleuchtender Ring. Im gleichen Augenblick erkannte ich den Schattenmann aus diesem Ring heraus springen. Er sprang uns entgegen, mit seinen Messern in den Händen.

Ich erkannte den kalten, toten Blick in den Augen des Schattenmannes, welcher Deeon galt. Dieser Blick änderte sich sofort in eine erschrockene Miene, als er mich vor Deeon stehen sah.

Sein Angriff würde nun nicht Deeon treffen, sondern mich.

Obwohl Deeon mich weg zog, obwohl der Schattenmann seinen Angriff abzubrechen versuchte, obwohl ich doch nichts mit alle dem zu tun hatte, war es nicht mehr abwendbar.

Unsere Blicke kreuzten sich einen Augenblick. Er starrte mich angstgelähmt an.

Und schließlich spürte ich auch schon ein schmerzendes Gefühl in meinem Bauch.

Ich hatte das Gefühl, diesen Moment nicht überleben zu können. Und das letzte was ich sehe wäre das geschockte und fassungslose Gesicht vom Schattenmann.

Er biss die Zähne zusammen und versuchte sich weg zu drehen. Ich sah wie er es bereute zugeschlagen zu haben. Er wollte mich nicht treffen. Doch sein Hass machte ihn blind.

Aus dem Stechen wurde ein Pochen und aus dem Pochen ein schreckliches Ziehen. Mir blieb der Atem stehen. Meine Finger zitterten. Meine Muskeln spannten sich an.

Doch im nächsten Augenblick war der Schmerz plötzlich verschwunden. Mein Körper schien kochend heiß.

Plötzlich pochte eine Schockwelle aus meinem Inneren heraus. Mit einem Mal riss diese helle Schockwelle den Schattenmann von mir weg. Es war wie ein Schutzschild, welches ihn abhielt, mich zu verletzen.

Der Boden erschütterte. Die Wände wackelten und plötzlich durchlief ein heller Blitz den ganzen Raum. Ein mächtiger Druck warf mich zurück.

Währenddessen zersplitterte der Dolch in der Hand des Schattenmannes und er wurde von mir weg geschleudert.

„Kyaa!“ Ich fiel rückwärts in Deeons Arme und wurde zusammen mit ihm auf den Boden geworfen. Alles drehte sich um mich und ich wusste nicht was mit mir geschah. Vor Angst kniff ich die Augen zu. Es war, als würde ich eine Zeit lang schweben.

Bis ich mit einem Ruck auf etwas Weiches landete.

Mein Körper krampfte zusammen. Ich hielt meinen Kopf schützend zwischen meinen Armen und strengte alle Muskeln meines Körpers an. „Nein nein nein nein…“, flüsterte ich vor Angst.

Ich lag am Boden und wollte mich nicht bewegen.

Langsam legte sich auch der Sand und das laute Grollen des Knalls verstummte.

Erst nach einigen Sekunden bemerkte ich schützende, warme Arme um mich. Sie hielten mich sicher.

Dann bemerkte ich einen sanften, ruhigen Atem und ein leises Herzklopfen. Doch ich wollte die Augen nicht öffnen. Ich wollte nichts sehen! Ich wollte nichts anderes hören als dieses sorglose Pochen des Herzschlags. Es beruhigte mich.

Meine Hände legte ich vor meine Augen und versuchte alles um mich herum auszublenden.

Es dauerte etwas, bis ich schließlich ein sachtes „Yuki?“, hörte.

Ich wusste, dass es Deeon war. Ich spürte ihn die ganze Zeit bei mir. Aber ich wollte nicht aufstehen.

Zum ersten Mal spürte ich ein so angenehmes Gefühl in dieser Welt. Ein bekanntes Gefühl.

„Nein…“, wisperte ich und drückte mich tiefer in seine Arme. Warum kam er mir so bekannt vor. Warum war seine Nähe so normal für mich?

Dann begann ich zu wimmern. „Warum ist er so ein Monster? Warum muss ich das mitmachen?“

Aber mein Retter schwieg und sah nachdenklich weg. Er antwortete mir nicht sondern umarmte mich schützend. Seine Nähe war so vertraut und erleichternd. Ich wollte nicht, dass es endete.

Doch nach einem Moment faste er mich und stand mit mir in den Armen auf. Obwohl ich es vermeiden wollte, half er mir langsam auf und wischte mir über meine Wangen. Mein Blick war erst herab gerichtet und wanderte schließlich zu Deeon auf.

Wir schwiegen uns lange an. Es kam mir so vor, als könnte ich Deeon vertrauen. Als würde ich ihn kennen. Als könnte ich ihm alles sagen.

Doch sollte ich das wagen? Ich war ganz alleine in dieser Welt. Wem konnte ich vertrauen?

Langsam beugte er sich zu mir herunter und legte seine Hand behutsam auf meine Wange. „Ist alles in Ordnung?“

Betrübt sah ich weg und nickte. „Hmmh…“

Deeon sah sich um. „Ihr habt einen Packt oder? Er kann dich nicht verletzten.. das würde diese Schockwelle erklrären!“ Dann blickte er zu mir. „Yuki. Du wirst bald alles verstehen. Das verspreche ich. Aber du darfst keine Angst haben!“

Ich blickte stumm herab und dachte nach. Das musste ich wohl so hinnehmen, auch wenn ich es nicht wollte. Doch die Hoffnung, dass alles nur ein schlechter Traum war, hatte ich schon aufgegeben.

Schließlich blickte Deeon mit ernstem Blick hinter uns. Also drehte auch ich mich um.

Wir sahen den Schatten, bewusstlos am Boden liegen.

„Was ist passiert? Ist er… tot?“

„Nein. Doch ich habe ihn lange nicht so unachtsam gesehen.“, antwortete Deeon. Er sah sich mit schnellem Blick um. „Argh. Er hat seinen zweiten Dolch zerbrochen! Dieser… ach egal.“

Ich starrte den Bewusstlosen lange an. Ich war wie benommen. „Was passiert jetzt?“, meine Stimme wurde leiser. Ich hatte nun die Möglichkeit zu fliehen. Doch auch wenn ich Angst vor diesem Schattenmann hatte, so machte ich mir Sorgen um ihn. Ihn so dort liegen zu lassen konnte ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren. Obwohl ich die Situation hätte ausnutzen können, konnte ich es nicht.

„Was wird nun mit ihm? Ich.. ich kann ihn dort nicht so liegen lassen.“, erklärte ich, mit dem Gedanken an unseren Pakt. Immerhin war es meine Aufgabe, ihm zu helfen.

Deeon blickte zu mir hinunter und lächelte. „Ich dachte mir, dass du das sagst“, grinste er und näherte sich dem Schattenmann. „Wir sollten ihn in seine Bibliothek bringen.“

Ich wich zurück. „Was? Aber er wollte dich töten! Du hilfst ihm?“

Natürlich war seine Entscheidung die Richtige. Doch wunderte mich sein Verhalten.

„Nein… er kann mich nicht töten.“, erklärte er gelassen und wandte sich mir wieder ab.

Wieder waren es nur Bruchstücke an Informationen, dir mir hingeworfen wurden. Ich konnte mir kein Bild von all dem machen. Und nie bekam ich eine ausreichende Antwort.

Mich ärgerten diese kleinen Bruchteile an Informationen. Also packte ich Deeon am Arm. „Warte!“, sagte ich bevor er sich zu dem Mann bückte.

Ich war nervös, doch blieb stark. „Ich will endlich wissen was hier los ist! Was ist er!? Was ist das alles hier?“, meinte ich und blickte in der Halle rum. Dann sah ich auf den Schattenmann. „Warum ist er ein toter Mensch?“, fragte ich ihn und zeigte auf ihn.

Meine Nerven waren aufgebraucht. Ich war schnell irritierbar. Alles wirkte doppelt so schlimm auf mich und erschöpfte mich. Doch wollte ich unbedingt eine Antwort.

Deeon sah mich mit seinem entspannten und beruhigenden Blick an, während er sich zu dem Bewusstlosen am Boden kniete. „Wenn wir ihn hier weg gebracht haben, dann erkläre ich dir alles. Versprochen.“, meinte er und hob den Mann mit einem Ruck auf seine Schulter. „Jetzt sollten wir uns aber beeilen.“, meinte er zum Schluss und deutete zum Ausgang.

Wir liefen zurück zum Aufzug. Ich folgte ihm leise und unauffällig. Schnell traten wir hinein, drehten uns um und sahen die Türen langsam zugehen.

Deeon grinste mich an. „Er ist eigentlich ein ganz lieber Typ. Er braucht nur jemanden der ihn auf den Boden zurück holt, wenn er wieder abhebt.“

Ich sah ihn fragend an. Kitsune sagte das gleiche. Doch irgendwie konnte ich mich mit dem Gedanken nicht anfreunden, dass dieser Schattenmann lieb sein sollte. Schweigend richtete ich mich also wieder nach vorn.
 

Der Weg zurück zur Bibliothek war sehr schnell. Es war der gleiche Weg zurück, wie wir hin gingen. Aber mit Deeon an meiner Seite, machten die Dämonen eher einen Bogen um uns. Den ganzen Weg blieb ich nahe bei Deeon.

Irgendwie freute es mich, dass er bei mir war. Wir liefen rasch, denn es sollte keiner sehen, dass wir den bewusstlosen Schattenmann in seine Bibliothek trugen.

An der Eingangstür angekommen, öffnete ich die letzten beiden Türen und trat schließlich wieder in die Bibliothek ein.

Deeon lief zur Couch. Er stellte sich zwischen Couch und Tisch und beugte sich vor.

„So! Mein Freund.“, meinte er und warf den Mann lieblos herab

Der Schattenmann landete unsanft auf das gepolsterte Möbelstück. Ein Arm hing herunter und er war so groß, dass seine Schuhe auf der Armlehne lagen.

„Da wären wir!“, sagte Deeon erleichtert und richtete seine Kleidung.

Ich setzte mich auf einen Sessel neben ihm. „Und?“, fragte ich fordernd und blickte ihn neugierig an. „Du meintest, dass du mir alles erklärst.“

Erst schien er überrascht, doch dann grinste er. „Gut, dass du dich setzt. Es wird wohl etwas länger dauern.“, meinte er und setzte sich auf die Couch, neben den Schattenmann.

Ich hielt die Luft an und beobachtete ihn gespannt.

Deeon überlegte erst und kratze sich am Kinn. „Hmh…“ Dann sah er auf den kleinen Tisch und erkannte das Buch in welches der Schattenmann vorher noch beschrieben hatte.

„Ah! Du weißt nicht was das für Bücher sind, oder?“, fragte er und öffnete dieses.

Darauf schüttelte ich neugierig den Kopf. „Nein. Ich weiß gar nichts… außer, warum diese Dämonenwelt entstanden ist.“

Deeon betrachtete mich eine Weile und überlegte. „Hm… Nun gut. Ich versuche dir so viel wie möglich zu erzählen bevor er wieder aufwacht. Ich denke nicht, dass er mich hier gerne sieht.“

„Warum?“, fragte ich ihn sofort.

„Hm?“

„Warum will er dich hier nicht sehen? Warum hasst er dich so?“

Daraufhin begann er zu lachen. „Hahaha. Also, ich weiß nicht genau, was du alles mitbekommen hast. Aber ich habe ihn bestohlen. So wie er gesagt hat. Aber denk bitte nicht falsch von mir!“

„Naja… ich kann hier wohl niemanden beurteilen können… ihr seid keine Menschen…“, seufzte ich und sah zur Seite. Das Feuer brannte noch im Kamin. Es war die ganze Zeit nicht ausgegangen.

„Er ist ein Mensch!“, kam es von Deeon.

Ich sah ihn überrascht an. Interessiert richtete ich meine Blicke wieder zu ihm und runzelte die Augenbrauen. „Was ist er nun genau? Ist er ein Dämon? Oder Monster?“ „Wie gesagt.“, sprach er weiter, „Er ist ein Mensch. Das alles was ich dir erkläre, wird er dir wohl niemals von alleine sagen. Aber es ist wichtig, dass du das weißt. Also hör zu:
 

Dieser Kerl ist ein Mensch. Ein toter Mensch. Er lebt aber schon viele Jahrhunderte.

Ein paar davon verbrachte ich mit ihm.

Damals gab es eine Zeit, in welcher die Menschen für jedes Problem und jedes schlechte Ereignis einen Schuldigen suchten, selbst wenn es gar keinen gab. Und diese Schuld wurde ständig auf Ketzer abgewälzt. Also auf alle Personen, die nicht an die offizielle Lehre der Kirche glaubten.

Vielleicht sagt der Begriff „Inquisition“ dir ja etwas?

Jedenfalls war er ein einfacher Junge mit einer kleinen Schwester, einem Vater und einer Mutter. Eine kleine Familie, doch sehr liebevoll.

Sie hielten stark zusammen. Alles Menschen. So menschlich und sterblich wie Menschen nur sein konnte.

Es waren harte Zeiten für ihn. Sein Vater starb sehr früh. Er lag Tagelang im Bett und wurde schnell immer kränklicher.

Da sich seine Gesundheit nicht verbesserte, versuchte die Mutter auf allen Wegen eine Heilung zu finden. So suchte sie nach Heilerinnen und Hexen. Sie beschäftigte sich selber mit Pflanzenkunde. Doch nichts half.

Während sein Vater im Sterben lag, musste sein Sohn sich also um das Einkommen kümmern. Er war weit weg und arbeitete hart. So war er nicht anwesend, als sein Vater starb.

Gleichzeitig wurden seine Schwester und Mutter der Hexerei Beschuldigt, da man glaubte, sie hätten seinen Vater verflucht.

Als er also erst nach mehreren Tagen harter Arbeit zurück kam, stand das Haus bereits leer und seine Familie war verschwunden.

Mutter und Schwester wurden während seiner Abwesenheit auf brutalster Weise von der Inquisition gefoltert, bis sie sich zur Hexerei bekannten. Er hatte nicht einmal mehr die Möglichkeit, mit ihnen zu sprechen.

Ihm fiel sofort auf, dass etwas nicht stimmte, als er das leere Haus betrat.

Schließlich hörte er das Jubeln von Menschen und die Schreie von Frauen. Er folgte den Geräuschen und fand in Mitten des Dorfplatzes einen riesigen Scheiterhaufen.

Darauf gefesselt waren seine Mutter und seine Schwester.

Sie schrien vor Angst und Schmerzen und die Zuschauer jubelten gehässig.

Seine restliche Familie wurde elendig verbrannt.

Die Flammen loderten höher als die Dächer der Häuser. Niemand hatte sich gewagt ihnen zu helfen. Nur einer wagte es, laut zu werden.

Nur er versuchte sich panisch durch die Massen durchzukämpfen doch wurde von denen zurück gehalten, die sich seine Freunde nannten.

Niemand half ihm. Man hielt ihn nur zurück, um ihn vor weiterem Unglück fernzuhalten.

Sie konnten ihn nur schwer aufhalten. Er schlug um sich. Er kreischte. Mit aller Macht schrie er ihnen zu. Mit aller Kraft wollte er sich durch die Menschenmassen durchkämpfen. Doch es war zu spät.

Man hatte ihm alles genommen.

Am Ende hatte er nichts mehr. Keine Familie und keinen Willen mehr zu leben.

Jeder Anwesende war für ihn nur ein Schuldiger. Für ihn waren alle für den Tod seiner Familie verantwortlich. Selbst er selber, da er sie nicht retten konnte.

Er trug nur den tiefen Hass der Rache und die verbitterte Verzweiflung der Machtlosigkeit in sich. Er konnte seine Familie nicht retten. Er konnte ihnen nicht helfen. Er war machtlos.

Aus tiefster Verzweiflung rannte er vom Dorf weg in einen tiefen Wald.

Er wollte die „Hexerei“ herausfordern, welche seiner Familie vorgeworfen wurde. Wenn es sie wirklich gäbe, sollte sie auch ihn heimsuchen.

Er konnte das Leid seiner Schwester und seiner Mutter nicht aushalten. Er war so in Hass versetzt, dass er nicht einmal weinen konnte. Was seine Mutter aushalten musste. Welches Leid seine Schwester ertragen musste. Und er war nicht für sie da gewesen. Nicht einmal kurz vor ihrem Tod.

Im Wald war es finster und kalt. Niemand war dort, denn alle feierten die Verbrennung.

Er brach zusammen und flehte Gott an, ihm zu helfen oder einfach sein Leben zu beenden. Er schrie und schlug um sich. Er warf sich zu Boden, doch ihm antwortete nur die grauenhafte Stille.

Er lag am Boden und winselte. Und dann trat eine Frau mit weißem Haar zu ihm. Sie lächelte und reichte ihm ihre Hand. Sein Flehen wurde erhört. Nur leider nicht von Gott.

Sie half ihm, gab ihm Kraft und machte ihn schließlich zu einen Dämon. Er hat warhaftlig einen Pakt mit dem Teufel getroffen.

Naja, so lebte er dann weiter.

Später traf ich auf ihn. Wir.. lebten zusammen.. ich trainierte mit ihm.. und er nannte sich bald auch selber Dämon.

Das alles ist ungefähr 700 Jahre her. Seit dem lebt er ganz alleine mit diesem Hass in sich und keiner, nicht einmal ich hatte es geschafft ihm zu helfen.

Aber Yuk! Ich weiß, dass du ihn verstehen wirst. Auch wenn er sich wie ein böser Dämon gibt, ist er nur eine verlorene traurige Seele.“

Meine Augen füllten sich mit Tränen als ich die Geschichte des Schattenmannes hörte. Ich war geschockt. Es kam mir vor, als würde ein fürchterlich schwerer Stein auf meiner Brust liegen, der mir das atmen erschwerte. Ich hielt die Hand vor meine Lippen und richtete meinen Blick auf den Schattenmann.

Der Schattenmann lag still auf der Couch und atmete gleichmäßig ein und aus. Nun erkannte ich nicht mehr diesen brutalen und abscheulichen Dämon, sondern einen verzweifelten und einsamen Jungen.

Wie konnte es sein, dass er ein Mensch war und all die Jahre mit dieser Last lebte? Es musste schrecklich gewesen sein.

Eine Träne kullerte an meiner Wange hinunter. Mitleid überkam mich.

Vor Scharm setzte ich mich wieder aufrecht hin und wischte mir die Träne von der Wange. „Entschuldige…“, räusperte ich mich.

Deeon ließ mir einen Moment, um mich zu beruhigen. Mitfühlend sah er mich an und schwieg.

Schließlich nahm er das Buch, welches auf dem Tisch lag und blätterte in diesem die alten und vergilbten Blätter zurück.

„Hmm.. Hier drin stehen die Namen aller Seelen, die er gesammelt hat!“, erklärte er nun weiter.

Ich wandte mich ihm zu und lauschte aufmerksam seinen Worten.

Dabei versuchte ich mein Mitgefühl und die Trauer zu unterdrücken die mich doch so sehr einnahm.
 

Man konnte mich schnell zum Weinen bringen.

Nami nannte mich immer einen „extremen Empath“, also jemanden, der sich gut in die Gefühle der anderen hinein versetzen konnte.

Doch egal wie sehr ich weinte, sie schaffte es immer mich wieder zum Lächeln zu bringen.

Durch meine Empathie fühlte ich mich ständig mit anderen verbunden. Und in diesem Fall konnte ich mich sehr gut in seine Einsamkeit hinein versetzen.

Wie er alleine im Dunkeln steht und darauf wartet, dass er gefunden wird. Wenn ihm das gebrochene Herz mehr schmerzt als die Kälte des Regens. Er kann nichts dafür. Dieses Gefühl ist einfach da! Egal ob er will oder nicht. Dieses Stechen was er los werden will. Doch weder weinen noch schreien kann helfen. Wenn er hinfällt und nicht mehr alleine aufstehen kann. Und er wartet und horcht in die Stille, ob jemand das Wimmern hört. Wenn einfach nichts, absolut nichts funktioniert und er doch nur möchte, dass jemand seine Hand nimmt und ihn nach Hause bringt, weil er einfach keine Kraft mehr hat alleine zu gehen. Doch dieses Gefühl will nicht verschwinden. Bis er sein Herz schließlich weg sperrt, um den Schmerz nicht mehr zu fühlen.
 

Ich atmete schwer auf und beugte mich etwas vor.

Deeon sprach weiter. „Hör mir nun gut zu! Diese Frau im Wald, war ein Dämon. Aber nicht irgendein Dämon! Sondern Lilith. Das erste Kind des stärksten Wesens in dieser Dämonenwelt.

Glaube nicht, dass das stärkste Wesen ein Dämon ist! Nein, es ist alles andere als das! Es ist ein Engel! Du kennst seinen Namen bestimmt.“

Ich riss die Augen auf und sah zu ihm. „D… der Teufel?“, zitterte meine Stimme.

Deeon nickte mir ernst zu. „Genau! Als das Kind Luzifers, besitzt sie eine enorme Macht und lässt diese auch jeden spüren. Aus Langeweile und Zeitvertreib lässt sie andere Leiden und hat daran ihren Spaß.

So auch bei ihm.

Im Gegenzug zu seiner Seele, gab Lilith ihm die Macht, sich an alle rechen zu können, die ihm Unrecht angetan haben. Sie schenkte ihm für seine Rache eine dämonische Seele und dessen Kraft.

Und er nutzte diese Gelegenheit ohne zu zögern.

Jeder Mann starb durch seine Hand. Jede Frau tötete er und auch den Kindern nahm er das Leben.

Die Seelen sollte er in Büchern sammeln und Lilith anschließend liefern.

Sein Hass wütete überall. Er rottete das gesamte Dorf aus.

Doch als das Massaker vorbei war, hielt er seine Vereinbarung nicht ein!

Er hätte die Dämonenseele, seine Seele und auch die der Toten, Lilith überreichen müssen um als leere Hülle sterben zu müssen.

Doch er flüchtete, verschwand und nahm die Seelen mit sich die er den Menschen entrissen hatte. Seit dem versteckt er sich vor ihr.

Die vielen Seelen die er hatte, waren das Fundament seiner gigantischen Kräfte die er nun besitzt.

Und seine Kraft wuchs weiter.

Seitdem ist er ein Mensch, der mit einem kalten, toten Körper und einer falschen Seele lebt.“

Ich musste erschrocken schlucken. Das alles konnte ich nur schwer verarbeiten. Ich wusste nicht wie ich reagieren sollte. Stehen, sitzen, lachen, ihn noch schockierter ansehen?

Nun legte ich meine Hände auf die Lehnen und stemmte meinen schwachen Körper auf. Ich stellte mich hinter den Sessel und atmete tief ein. Überwältigt von all dem, wischte ich mir kurz durch mein Gesicht und streifte durch meine Haare.

„Puuu…“, atmete ich nachdenklich aus.

Deeon schwieg nur und sah zu mir hinauf. Mit kurzen Schritten bewegten mich ganz langsam von ihm weg. Immer wieder sah ich zum Boden und zur Seite. Ich rieb mir den Nacken, bis auf meine Lippen und fuchtelte nervös mit meiner Hand gegen meinen Oberschenkel.

Mitten im Raum blieb ich schließlich stehen und verschränkte die Arme ineinander.

Jetzt hatte ich realisiert, dass diese Welt nicht nur kitschige, klischeehafte, gruselige und fantasievolle Seiten hatte. Sondern auch knallhart, brutal und grausam war.

Und ich sollte nun in dieser Leben.

Es wurde mir unangenehm, dass Deeon dort saß und wartete, ich jedoch keinen Ton von meinen Lippen ließ.

Ich näherte mich dem Kamin mit dem warmen Feuer und starrte sorgenvoll in die heißen und knisternden Flammen. „Und..“, begann ich zu reden.

„Ja?“

Ich zögerte einen Moment. „Dieses Mädchen… Lilith. Sie sucht ihn immer noch?“, fragte ich dann und schaute beunruhigt zu dem schlafenden Schattenmann hinüber.

„Yuki..“ sagte Deeon mit seiner trostreichen Stimme und stand schnell auf. Er legte das Buch zurück auf den Tisch und lief zu mir.

Noch bevor er etwas sagen konnte, erzählte ich ihm meine Sorge. „Ich bin an diesen Typen gebunden. Was passiert denn mit mir, wenn Lilith ihn findet? Nun bin ich mitten in dieser Geschichte hinein geraten! Ich will kein Opfer eines verrückten Dämonenmädchens mit zu viel Zeit und Macht werden!“, sagte ich leise und zupfte an meinem Pullover herum. Immer wieder biss ich mir auf meine Lippe.

Die schlimmsten Gedanken fesselten mich und ich starrte einfach nur in das Feuer.

- Ja was würde denn dann passieren? Wenn er stirbt, sterbe ich auch? Oder gehöre ich diesem Mädchen? Kann ich nie wieder nach Hause? –

Ich fummelte immer hektischer an meinem Pullover herum. Bis Deeon sich plötzlich neben mich stellte und mich an meinen Schultern packte. Er drehte mich behutsam zu sich und beugte sich etwas zu mir hinunter.

„Yuki! Yuki, nein. Du brauchst keine Angst zu haben! Ich passe auf dich auf! Und Lilith kann ihm nicht einfach so die Seele rauben.“

Überrascht sah ich in seine Augen. Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte. Er verwirrte mich. „Aber du hast doch… gesagt..“, stammelte ich vor mich hin.

„Ja, sie will seine Seele haben! Sie liebt seine Seele. Und die Macht die sich dahinter verbirgt. Sie will diese Seele aber nicht in sich aufnehmen. Lilith will sie als Trophäe besitzen. Die Seele, der sie seit mehreren hundert Jahren hinterherjagt. Sie kann sich seine Seele aber nicht einfach so an sich reißen. Sie weiß nicht wo er ist. Um ihn zu finden bräuchte sie seinen Namen.“

„Seinen Namen..?“

„Ja, dir ist bestimmt schon aufgefallen, dass ihn jeder anders nennt, oder man nur Schattenmann zu ihm sagt. Er besitzt keinen Namen. Sie müsste ihn erst finden und besiegen. Und eine namenlose Seele zu finden, ja selbst eine namenlose Person zu finden, ist unmöglich.“

Ich konnte zwar noch nicht alles begreifen was er erklärte, doch ich merkte, dass ich mir keine Sorgen machen musste. Nachdem Deeon mir beistand, konnte ich mich irgendwie beruhigen. Zurückhaltend sah ich schließlich zu Boden und nickte. „Oke..“

Zwar hatte er mir meine Angst damit etwas genommen. Doch ich wusste, dass ich mich hier nie wirklich sicher fühlen könnte.

„Darf ich dich um einen Gefallen bitten Yuki?“, hörte ich dann von Deeon.

Wieder spürte ich dieses bekannte Gefühl von Deeons Nähe. Ich mochte dieses schützende Gefühl, welches er mir jedes Mal gab, wenn wir uns nahe waren.

Verwundert runzelte ich die Stirn und sah ihm errötet in die Augen. Er hatte einfach so viel Charme und diese stattliche Haltung.

Hoffentlich merkte er nicht, wie schüchtern ich ihn doch anhimmelte.

Verlegen legte ich meine Arme auf die Brust und betrachtete seine hellen Augen. „J.. ja?“

Erst lächelte er zufrieden. Doch sein Lächeln wurde zu einem bedenklichen, fast schon traurigem Gesichtsausdruck. Für Deeon war es wichtig und er wollte auch, dass ich seine Meinung ernst nehme.

„Wir kannten uns vor langer Zeit und standen uns wie Brüder nahe.“, meinte er und richtete sich zum Schattenmann. „Ich mache mir Sorgen um ihn.“, fuhr er fort, „Das letzte Mal habe ich ihn vor 17 oder 18 Jahren gesehen. Und zuletzt hatte ich sein Vertrauen zerstört, indem ich ihm einige seiner Seelen stahl. Aber bitte glaube mir!“ Er griff nach meiner Hand, „Diese Seelen waren wirklich wichtig für mich!“, erklärte er unruhig und sah mir etwas verzweifelt in die Augen.

Er gab zu, die Seelen gestohlen zu haben. Ich wollte nicht glauben, dass er etwas Böses damit beabsichtigt hatte.

Er sah mich an und dachte nach. Dann hielt seine Hand vorsichtig an meine Wange.

Wie ein Eisblock stand ich plötzlich ganz starr, doch mein Gesicht war so rot wie ein dampfender Wasserkocher.

Er kam mir so nahe. Ich wünschte mir seine Nähe sehr. Doch ich war zu nervös. Mein Herz pochte wild und mein Magen kribbelte, doch ich konnte einfach nichts sagen.

Wir sahen uns lange an. Es fühlte sich wie eine Ewigkeit an. Aber eine schöne Ewigkeit. Ihm wieder so nahe zu sein. Das einzige schöne Gefühl, welches ich in dieser Welt bisher hatte.

Ich wollte, dass er bei mir bleibt. Mir hilft das alles zu überstehen! Er sollte mir noch näher kommen. Auch wenn ich ihn vor kurzem erst kennen lernte, fühlte es sich an, als würden wir uns doch schon Ewigkeiten kennen.

Dann sprach er weiter. „Yuki…“

„Ja?“ Noch ungeduldiger hätte ich wohl nicht sein können. Meine Hoffnung stieg immer weiter.

Doch bewegten seine Blicke sich zu dem Schattenmann. „Yuki! Ich möchte dich bitten auf ihn aufzupassen!“, sagte er schnell. „Er ist sehr stur aber du darfst keine Angst vor ihm haben, er kann dir nichts tun.“, erklärte er weiter.

Meine Hoffnung schmolz mit einem Mal dahin. Ich ließ meine Haltung hängen. Innerlich zersplitterte mein Herz theatralisch.

- Natürlich, der Schattenmann. - Meine romantische Vorstellung war nun geplatzt. Ich atmete traurig ein. Dann versuchte ich ihn aber anzulächeln.

„Ehh… eh… ok…“, kam mit letztem Atemzug von mir, bevor ich enttäuscht weg sah. „Danke..“, flüsterte er noch erleichtert und gab mir einen sanften Kuss auf die Stirn. Ich wunderte mich und errötete.

Ich wollte nicht, dass dieser Moment endete, doch so sehr ich es mir auch wünschte, Deeon wich auch schon wieder von mir ab.

„Er wird gleich wach. Ich sollte besser gehen. Sonst eskaliert es gleich wieder.“, lächelte er und lief an mir vorbei, zur Tür. „Wir kennen ja sein Temperament.“

„Ja. Stimmt.“, nickte ich ihm zu und lehnte mich an den Sessel.

„Aber im Inneren, ist er ein lieber Kerl“ Er ging zum Ausgang und drückte den Henkel.

Ich sah ihm träumend hinterher, als er sich noch einmal zu mir umdrehte. „Mach dir keine Sorgen! Wir werden uns bestimmt wiedersehen.“, grinste er und lief schließlich aus der Bibliothek.

Ich sah ihm stumm nach. Dann schloss er auch schon die Tür hinter sich.

Er lief aus dem Raum und ließ mich wie angewurzelt dort stehen.

Meine Knie waren weich und mit meinem vernarrten Blick auf die Tür gerichtet, ließ mich auf die Armlehne plumpsen.

Noch immer sah ich zur Tür. Wenn Deeon bei mir war, gefiel mir diese Welt doch ein wenig besser. - Was geschieht nur immer mit mir, wenn ich ihn sehe? –

Gedankenlos schaute ich ihm immer noch nach. Dabei fühlte ich mich so unbesorgt und leicht. Er gab mir so ein schützendes Gefühl.

„Hach..“ Nun lehnte ich meine Arme auf der roten Sessellehne und legte meinen Kopfauf meine Hände. Ein erfreutes und unbekümmertes seufzen ließ ich von mir. „Hmm… Deeon... danke.“, flüsterte ich. Er war so lieb zu mir. Ich wollte ihn immer bei mir haben.

Während ich vor mich hin träumte, hörte ich noch ein weiteres Seufzen.

Es war jedoch nicht meines. Es kam von dem Mann hinter mir. Dieses Seufzen war mit viel Schmerz und Ächzen untermalt. Nach einem kränklichen Husten drehte ich mich schließlich um. „Hm?!“

Der Schattenmann wurde wach. „Arg…“, er grummelte und wischte sich über sein Gesicht. „Was zur Hölle…?“

Genervt sah ich zur Seite und rollte die Augen. Denn kaum konnte ich diese warme, schöne, romantische, kuschelige und doch traumhafte Stimmung genießen, wurde sie auch schon mit seinem kalten, gestressten Verhalten unterbrochen.

Ich schnaufte kurz. Dann drehte ich mich zu ihm. „Du bist wieder wach!“, sagte ich überrascht. Also schüttelte ich schnell meinen Kopf, klopfte mir fix auf die Wangen und lief zu dem Jungen.

„Geht… geht es dir gut?“

„Wie sind wir hier her gekommen?!“, maulte der Junge und lehnte sich auf seinen linken Arm. Sein Gesicht war durch den Schmerz verzerrt und er verbreitete wieder dieses negative Gefühl im ganzen Raum.

„Äm… also Deeon hat-“, stotterte ich. Ich wusste, dass er diesen Namen bestimmt nicht wieder hören wollte. Und genau so reagierte er auch.

„DEEON?“, schrie er.

Ich zuckte bei seinem Geschrei zusammen und biss die Zähne unsicher zusammen.

„Er war hier drin?! Wo ist der?!“ Verärgert versuchte er aufzustehen. Er drehte sich zur Seite und setzte erst den einen, dann den anderen Fuß auf den Boden. Voller Wut wollte er sich nun aufstemmen.

Ich erkannte, wie er auf seinen Beinen schwankte. Trotz seiner Schmerzen beharrte er auf seinen Hass.

„Setz dich lieber..“, sagte ich, doch trat respektvoll einen Schritt zurück.

„Lass mich! Wo ist der Typ?“ Er war so stur hektisch.

Als er nun versuchte aufrecht stehen zu bleiben, kam er ins straucheln. Er zitterte am ganzen Körper, aber er war zu stolz um sich wieder zu setzen. „ARG! Dieser Mistkerl!“, fluchte er wild.

Ich erinnerte mich wieder an Deeons Worte. -Yuki! Ich möchte dich bitten auf ihn aufzupassen! Er ist sehr stur aber du darfst keine Angst vor ihm haben, er kann dir nichts tun.-

„Ich… werde den.. fertig machen..“, nörgelte der Schattenmann weiter. Dann verlor er an Kraft. Er wackelte immer mehr und er verdrehte die Augen.

Ich raffte mich zusammen! Er war auch nur ein Mensch! Er sollte lernen seinen Hass im Zaum zu halten! Und ich wollte keine Angst mehr vor ihm haben.

Schließlich wollte er an mir vorbei, zur Tür laufen.

Ich hatte aber keine Lust mehr, mir seine gespielte, extrem männliche und stolze Seite anzusehen!

„HEY!“, sagte ich also laut und versuchte ihm zu helfen. „Bleib einfach sitzen!“, meinte ich genervt.

Aber er drückte mich weg. „Lass… mi..-“ Doch kaum machte er einen weiteren Schritt, konnten ihn seine Beine nicht mehr halten.

Er brach zusammen.

Doch bevor er auf den Boden fiel, stellte ich mich vor ihn und fing ihn auf. „Heee..!“, moserte ich und stemmte mich gegen ihn.

Ich wollte nicht auch noch unter ihm zusammen zu brechen. Er war so groß, muskulös und schwer. War er etwa wieder bewusstlos? Er wurde immer schwerer. „Hey! Setz dich… setz dich wieder! Hallo?“

Ich war sauer auf ihn! Er hätte einfach nicht aufstehen sollen! Doch er war zu stolz und stur, statt sich etwas sagen zu lassen.

„Du.. bist so schwer… ah!“ Mit aller Kraft versuchte ich ihn wieder zur Couch zu tragen. Ich sackte selber etwas ein. „Nein! Ich werde bestimmt nicht auch noch hinfallen!“

Seinen Arm legte ich unbeholfen über meine Schulter. Dabei spürte ich wieder, wie kalt seine Haut war. Schritt für Schritt näherte ich mich der Couch. - Wenn er nur gehört hätte! Ich sollte ihn einfach fallen lassen! -

Noch ein Schritt, dann hievte ich ihn wieder auf die Couch.

Sofort atmete ich erleichtert auf. „SO!“

„Hmgh…“, er nuschelte leise. Es waren unverständliche Laute. Er war noch wach, doch bewegte sich kaum. Ich legte seine Beine wieder hoch und stellte mich vor ihn.

„Was?“ Schnell kniete ich mich neben ihn. Ich streifte die Haare von seiner Stirn und fühlte nach Fieber.

- Was auch sonst, er ist eiskalt. - Dachte ich mir ironisch.

„Was kann ich für dich tun?“, fragte ich überfordert.

Der Schattenmann hob leicht seinen Arm. „Das.. verdammte Buch!“, murmelte er.

„Was? Ein Buch?“ Ich stand schnell auf und lief zum nächsten Regal. „Buch? Hier sind so viele? Was für eins?“ Sofort griff ich eins und rannte wieder zurück. „Hier! Und jetzt?“ Schnell öffnete ich es und hielt es ihm hin.

Ich erkannte viele Namen auf den Seiten. Aufgelistete Namen. Wie es wohl auch die anderen Bücher hatten. Die gesammelten Seelen von Menschen, wie Deeon es mir erzählte?

Ich kniete mich neben ihn und achtete darauf, was er als nächstes machen wollte.

Der Schattenmann hob langsam seine Hand und fuhr mit den Fingern über die einzelnen Namen.

Sie begannen rot zu leuchten.

Staunend betrachtete ich die Buchstaben. Ein unangenehmer Hauch fuhr plötzlich durch den Raum. Ich hörte Stimmen. Leise Stimmen. Sie kamen aus dem Buch. Es war ein Weinen. Nein! Ein Schreien?!

Aber es war nicht nur eine Stimme. Ich hörte plötzlich viele leidende Stimmen.

Ein Schauer lief mir über den Rücken und ich bekam eine Gänsehaut. Verstört sah ich in das Buch. Ich erkannte das die leuchtenden Buchstaben langsam verschwanden. Je mehr Namen verschwanden, desto entspannter wirkte sein Gesicht.

„W… was tust du da..?“, fragte ich zögerlich.

Er schloss die Augen und atmete zufrieden ein und wieder aus. Dabei lösten sich alle Namen einer ganzen Seite auf. Die leisen Stimmen waren wieder weg und dieser kalte Hauch war auch vorbei.

Einen Moment sah ich auf die nun leere Seite. Dann schlug er das Buch direkt wieder zu und ich zuckte zusammen.

Der Schattenmann setzte sich wieder fit auf. „Das waren die letzten Worte der Seelen, bevor sie in das Buch geschrieben wurden..“, erklärte er kalt. „Frag nicht weiter…“, meinte er noch und sah betrübt zur Seite.

Wir schwiegen eine Zeit lang. Ich glaubte zu wissen, was mit den Seelen nun geschehen war. Doch ich traute mich nicht es auszusprechen.

Nachdenklich sah ich zum Boden. Der Schattenmann saß ebenso Trübsal blasend vor mir wie ich vor der Couch kniete und versuchte seine Blicke zu meiden.

Stumm stand ich auf und drückte das Buch an mich. „Es tut mir so leid…“ flüsterte ich dem Buch zu und lief an der Couch vorbei.

Die Seelen waren wohl nun endgültig tot. Er hatte sie ausgelöscht. Für seine eigene Kraft.

Der Schattenmann sah noch immer von mir weg. Meine leisen Worte trafen wohl auch ihn. Wir beide bemitleideten wohl auf gleicher Weise die Seelen doch sprachen nicht darüber.

Ich trottete langsam zum Regal zurück und legte das Buch wieder hinein. Behutsam streifte ich über die ledrigen Rücken der anderen Bücher und dachte nach.

Es war so still.

Der Schattenmann war doch auch nur ein Mensch. Er tat mir leid. Denn er wurde irgendwie gezwungen auf diese Weise zu leben und diese Dinge zu tun. Er konnte sich nicht aus diesen Fesseln befreien. Egal wie sehr er es wollte.

Es hieß, fressen oder gefressen werden. Und das äußerte sich so, indem er die Seelen der Menschen auslöschen musste um zu überleben.

Auch wenn mich die ausgelöschten Seelen traurig stimmten, hatte ich Verständnis für ihn.

Lange sah ich durch die Regale und musste über den Schattenmann und seine Vergangenheit nachdenken.

Ich wollte nicht, dass er weiter durch seine kalte Welt laufen musste. Er hatte niemanden. Dadurch musste er alles alleine bewältigen und passte sich eben dieser kalten Welt an.

Ich wollte etwas sagen. Da ich wusste, dass er ein Mensch war, fühlte ich mich mit ihm verbunden. Doch ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Er saß noch immer am Kamin und schwieg. Ich wollte ihm zeigen, dass ich ihn verstand.

Nun biss ich auf meine Lippe. „Es ist nicht deine Schuld..“, unterbrach ich die Stille. „Ich.. ich weiß wie es dir gehen muss..“, sprach ich traurig weiter und sah zu Boden.

Doch er antwortete nicht. Ich wusste nicht einmal, ob er mir zuhörte. Doch ich wollte ihn nicht ansehen. Sollte ich ihm sagen was ich wusste? Auch wenn ich mich dabei so schrecklich fühlte, ihn auf seine Vergangenheit anzusprechen.

„Ich.. also..“, stotterte ich, „Du bist auch nur ein Mensch. Du musstest so viel ertragen. Ich weiß, was dir.. passiert ist.“ Ich musste schwer schlucken. Mein Magen krampfte zusammen als ich weiter reden wollte.

Es musste auch schwer für ihn sein, daran erinnert zu werden, an das Schlimmste was ihm in seinem Leben passiert war. Doch er sollte darüber reden! Er sollte nicht versuchen diesen Kampf alleine bewältigen zu wollen. Nur wenn er darüber sprechen konnte, konnte er Hilfe bekommen. Und ich wollte ihm doch diese Hilfe geben.

Würde er sauer sein? Würde er wieder ausrasten?

Ich erinnerte mich an die Geschichte. Wir er panisch vor dem Feuer stehen musste und ihm niemand half. Er wurde allein gelassen.

Ich fing an zu weinen. War es weil ich mich schuldig fühlte? Oder war es Mitleid, für den Schattenmann, der mir doch mein Leben nehmen wollte?

Obwohl ich versucht hatte es zu unterdrücken, kullerten Tränen an meinen Wangen hinunter. „Damals... als deine Familie...“

Ich konnte es nicht aussprechen. „Es tut mir so leid, was dir passiert ist…“, weinte ich.

Noch immer hörte ich nichts von ihm, nur mein pochendes Herz. Ich sah voller Kummer auf den Boden. Dann legte ich meine Hände vor mein Gesicht und weinte weiter. „Es tut mir so leid!!“

Plötzlich spürte ich wie er hinter mir stand. Ich schreckte auf, doch traute mich nicht mich umzudrehen. Dann legte er seine Arme um mich.

Ich riss meine Augen auf und merkte wie er mich an sich drückte.

Er umarmte mich ohne etwas zu sagen. Wir sahen uns nicht an. Doch fühlten wir in diesem Moment ein tiefes Vertrauen ineinander.

Da wurde mir bewusst, was Kitsune und Deeon meinten.

– Er ist ein lieber Typ.- Sagten sie mir immer wieder, ohne dass ich ihnen Glauben schenken wollte.

Wieder erkannte ich ihn ihm diesen hilflosen Jungen. Den Jungen, der spürte wie traurig sein Leben war. Der Junge der spürte, dass nun jemand da war, der sich für seine Geschichte interessierte.

Wollte er das überhaupt? Ich faste seinen Arm und presste mich an ihn. „Entschuldige…“, sagte ich niedergeschlagen und schniefte.

Aber er überspielte schließlich seine eigene Trauer und fing an zu grinsen. „Du erinnerst mich an mich selber… Hör auf zu heulen! Das ist doch meine Vergangenheit, nicht deine.“

Der Junge mit den Hörnern

Es war leise. Es war dunkel. Es war ruhig.

Meine Augen waren geschlossen. Ich atmete entspannt ein und aus, und fühlte wie ich auf etwas weichem lag. Auf mir spürte ich einen wärmenden Stoff der sich leicht auf meinen Körper legte.

Langsam öffnete ich die Augenlider und blickte an eine Decke.

Sie kam mir bekannt vor, denn es war die Decke meines Zimmers.

Hatte ich geschlafen? Hatte ich nur geträumt? Verschlafen stöhnte ich leise und streckte meine Arme von mir. Ich rieb mir meine verschlafenen Augen und sah mich müde um. „Bin ich.. zuhause? Aber… habe ich etwa nur geträumt?“

Ich fand mich in meinem Zimmer, in meinem Bett liegend wieder.

An dem Fenster zu meiner Rechten stand ein kleiner Tisch, auf welchem mein Laptop lag. Er war offen und die Kabel lagen lose davor. Zu meiner Linken stand mein Nachttisch mit der Uhr die ich jedoch ignorierte. Mir gegenüber war mein großer Kleiderschrank mit einer Spiegeltür, in welcher ich mich selber sehen konnte.

Von rechts drang das Sonnenlicht durch mein Fenster und blendete mich etwas. Doch sie war angenehm warm. Ich genoss die Ruhe und die weckende Wärme. Nur das Gurren der Tauben auf der Fensterbank unterbrach die Stille gelegentlich.

Noch benebelt vom Schlaf saß ich erst eine Weile da und starrte nachdenklich umher. Ich konnte mich kaum erinnern wie ich dort hingekommen war. Warum wirkte alles so unreal und warum war ich mir so unsicher?

Ich nahm die Decke von mir, drehte mich an die Bettkante und stand langsam auf. Schließlich schaute ich mit runzelnder Stirn aus dem Fenster. Es war wirklich mein Zuhause.

„Komisch.“ Ich fuhr durch meine Haare und drehte mich zur Tür. „Woha… was ein Traum!“, gähnte ich und streckte mich erneut. Dann lächelte ich zufrieden.

„Es ist schön, dass doch alles normal ist.“, kicherte ich. „Meine Güte. Auf was für Ideen ich komme wenn ich schlafe. Das kam bestimmt von Nami´s Horrorfilmabend!“ Doch als ich mich der Tür nähern wollte, blieb ich mitten im Raum stehen. „Moment. Wenn ich doch bei Nami war, wie bin ich hier hingekommen?“, fragte ich mich entgeistert.

Plötzlich hörte ich etwas Klingeln. Sofort schreckte ich zurück. „Kya!“, und starrte wachsam, mit ausgebreiteten Armen durch mein Zimmer.

Eine süße Melodie begann zu spielen doch sie war nur dumpf zu hören.

„Mein Handy!“ Schnell lief ich dem Ton nach. Es führte mich zu meiner Tasche neben dem Schrank. Ich öffnete sie und durchwühlte meine Sachen, bis ich mein Handy fand. Ohne auf den Display zu schauen wischte ich über den grünen Knopf.

„Ja?“

„Hey! Yuki. Geht es dir gut?“, hörte ich Nami am Ende der Leitung fragen.

Verdutzt sah ich zur Seite. „Eh… ja. Warum fragst du?“

„Gut. WO BLEIBST DU? Der Unterricht fängt gleich an!“

Ich schreckte auf. „Was?!“

„Los! Schnell! Schlafmütze! Beeil dich! Sonst musst du wieder Nachsitzen! Boa. Wenn ich nicht immer auf dich aufpassen würde!“, hetzte sie mich zum Schluss und legte auf.

Perplex lief ich zu meinem Schrank. Ich musste meine Uniform schnell anziehen. Also riss ich die Tür einfach auf und packte in meine Wäsche. Dabei zog ich dieses und jenes Kleidungsstück mit raus und ließ es auf den Boden fallen.

Endlich fand ich meine Kleidung und schlug die Tür wieder zu.

Doch dann erkannte ich mich selber im Spiegel. Mir blieb die Luft weg.

Mich überkam plötzlich eine Gänsehaut. Mein Herz begann laut zu pochen. Ein Schauer lief mir über den Rücken. Denn die Kleidung die ich an mir sah, war nicht meine. Ich trug noch immer die blaue Weste und die Hose von Mephisto.

Vor Schock konnte mich nicht bewegen.

„Wie kann das sein?“, fragte ich und sah mich verstört an. Ich traute meinen Augen kaum. Für eine Weile war ich ganz starr. – War das etwa doch kein Traum? War der Schattenmann Wirklichkeit? Aber wie bin ich dann wieder hier her gekommen? –

Ich wusste nicht was ich tun sollte. Es fühlte sich an, als hätte ich etwas vergessen. Als wenn mir etwas fehlen würde. Doch ich wusste nicht was.

Das einzige was mir bewusst war, war, dass mir die Zeit fehlte. Denn ich musste zur Schule! Und ich war spät dran.

„Verdammt!“

In einer rasenden Geschwindigkeit zog ich mich um. Rock, Hemd und Strümpfe. Dann schnappte ich mir meinen Rucksack, sprintete durch das Haus und rannte aus der Haustür. Mit einem lauten Knall ließ ich die Tür in ihren Rahmen fallen und sprang sofort aus dem Eingang heraus.

Ich tat, als hätte ich die Dämonenwelt nie gesehen und versuchte mich so zu verhalten, wie ich es immer tat.

Schleunigst spurtete ich die Straße entlang. Mein Hemd hing halb aus dem Rock heraus und meine Strümpfe rutschten etwas herunter. Dabei machte ich es mir schwer meine Tasche zu tragen, während ich meine Kleidung richtete.

„Verdammt! Verdammt! Verdammt!“, fluchte ich und steckte mein knittriges Hemd in den Rock.

Mein Weg zur Schule war nicht besonders lang. Schnell durch die Seitengassen, über den Park, an dem Kaffee vorbei und über die Brücke.

Nach zehn Minuten hastigen Rennens, erkannte ich schon den Schulhof.

Die große Uhr in der Mitte des Gebäudes zeigte fünfzehn Minuten nach Acht Uhr an. Ich war bereits eine Viertelstunde zu Spät.

„Na toll. Albträume, verschlafen, kein Frühstück und jetzt auch noch zu spät kommen!“, ärgerte ich mich und schoss über den Hof in das Gebäude.

Ich riss die Tür auf und rannte durch den Eingang. Der Boden unter meinen Schuhen quietschte, als ich gehetzt die Stufen des Treppenhauses hinauf rannte. Ich übersprang jede zweite Stufe und verlor beinahe meine Bücher aus der Tasche.

Schwer atmend sprintete ich von der Treppe in den Gang hinein und rutschte die letzten Schritte bis zur Tür meines Klassenraumes.

Sofort griff ich den Henkel der Tür. Doch bevor ich diese hektisch öffnete, hielt ich einen Moment inne.

Ich holte tief Luft und schloss die Augen schuldbewusst. Dann riss ich sie auf.

„Entschuldigen sie bitte, dass-“

„Yuki! Du kommst zu spät! RAUS!“, wurde ich jedoch böswillig unterbrochen.

Meine Lehrerin stand mit einem großen Lineal an der Tafel und zeigte damit auf mich. Aus ihren bösen Augen flogen beinahe kleine Blitze auf mich zu.

Erschöpft sah ich in den Raum hinein und atmete schwer. Einige lachten leise und kicherten. Ein Gemurmel begann. Und dann fand ich ein einziges liebes Lächeln inmitten des Gelächters.

Nami saß dort und winkte mir heimlich als Unterstützung zu.

Doch ich schmunzelte ertappt, blieb erstarrt stehen und schloss die Tür wieder vor meiner Nase.

„Na klasse…“, murmelte ich bedrückt und lehnte mich an die Wand.

Mürrisch wischte ich mit meinem Fuß über den Boden und sah betrübt hinab. Dann hockte ich mich knurrend hin und legte meine Arme um meine Beine. „Das kannst du gut Yuki..“, spottete ich mich selber und seufzte. Währenddessen hörte ich die Lehrerin im Klassenraum die Schüler beruhigen und der Unterricht ging weiter.

Ich saß wieder alleine und musste die Strafe über mich ergehen lassen, indem ich auf dem harten Boden saß und Zeit zum nachdenken hatte.

Der Flur in dem ich mich aufhielt, war mit langen Fenstern ausgebaut, aus denen ich betrübt hinaus zu den Wolken blickte. Schließlich legte ich meinen Kopf auf meine Arme und ich beruhigte mich langsam.

Jetzt hieß es warten. Denn ich sollte die ganzen zwei Stunde vor der Tür bleiben.
 

Ich hatte Zeit um über diese Dämonenwelt aus meinem Traum nachzudenken.

Sie wirkte so real auf mich. Aber von dieser Welt war nichts mehr zu sehen. Kein Schattenmann, keine Monster, kein kleines Fuchsmädchen. Aber was war mit der Kleidung?

– Was ist nur passiert? – Ich seufzte und träumte vor mich hin.

Es nervte mich, nicht zu wissen was geschehen war. Und besonders nervte es mich, dass ich mit meinen Gedanken alleine war.

Doch egal wie sehr ich mich aufregte, oder mir den Kopf daran zerbrach. Es änderte nichts an der Tatsache, dass ich nun hier saß und schmollte. Ebenso brachte nichts davon eine Antwort auf meine Fragen. Also versuchte ich mich abzulenken.

Ich begann an andere Dinge zu denken. Welchen Unterricht ich am Tag haben werde. Welchen Tag wir überhaupt hatten. Was ich heute essen werde.

Ich war in meiner normalen Welt, in dem einfachen Alltag, meines langweiligen Lebens. Hatte ich nur diesen heftigen Traum erlebt, um eine Pause von meinem eintönigen Alltag zu haben? Wollte mir mein Unterbewusstsein vielleicht irgendetwas mit diesem Traum sagen?

Nachdem ich mir einredete, dass meine Zeit in der Dämonenwelt nur ein Traum gewesen sein musste, fühlte ich mich etwas unglücklich. Auch wenn sie mir Angst machte, so war sie doch neu und aufregend!

Nach einer Weile des Tagträumens über eine ausgedachte Welt, fielen meine Gedanken auf meinen Vater. Ob er wusste, wo ich die Nacht über war?

Ich dachte über Nami nach. Ob ich ihr über meinen verrückten Traum erzählen sollte?

Aber dann fiel mir wieder der Schattenmann ein. Egal woran ich dachte. Immer wieder führten mich meine Gedanken zu ihm. An diesen großen, blassen Typen der mich in die Dämonenwelt brachte.

Ich erinnerte mich, dass ich zuletzt geweint hatte. Er nahm mich in seine Arme. Sein Körper war so kalt.

An mehr konnte ich mich nicht erinnern.

Ich wusste, dass noch etwas passiert war. Warum hatte ich plötzlich den Rest vergessen?

Auch wenn es nur ein Traum gewesen war. Ich spürte, dass mir noch etwas fehlte. Außerdem wusste ich nicht, wie ich sonst von Nami nach Hause gekommen war. Irgendwas war merkwürdig an dem letzten Abend.

Nachdenklich fummelte ich am Saum meines Rockes herum. Ich legte immer wieder die gebügelten Falten übereinander und ließ sie wieder fallen. Dann richtete ich meinen Kragen und meine Schleife, die ich vergessen hatte zu binden.

Als ich wieder nach draußen sah, flogen einige Vögel in den nächsten Baum, nahe des Fensters. Sie zwitscherten und einer trug ein paar kleine Äste im Schnabel.

Da mir der Boden langsam zu unbequem wurde, stand ich auf und ging zum Fenster. Ich legte eine Hand an die kalte Scheibe und beobachtete die Vögel.

Einer versuchte sein angefangenes Nest weiter zu bauen. Er würde bald eine süße kleine Familie gründen, dort ein paar Eier hinein legen und seine schwache Brut beschützen.

Liebevoll begann ich zu lächeln. Es war ganz ruhig und still um mich. Die Stimmen aus dem Klassenzimmer, welche dumpf aus der Tür schallten, hatte ich schon ganz ausgeblendet. Und meine traurigen Gedanken hatte ich auch schon wieder vergessen.

Meine Aufmerksamkeit lag ganz alleine bei den kleinen Vögeln, die nichts anderes in ihrem Leben taten, als versuchen zu überleben. Und das auf eine faszinierende Art und Weise.

Ich sah wie der Vogel seine Äste auf das halbfertige Nest legte. Er schüttelte sein kleines Köpfchen und sprang etwas zur Seite. Doch plötzlich sah er auf. Er schaute zu mir. Er blickte direkt in meine Richtung.

Erst fand ich es belustigend. Doch als ich spürte, dass der Vogel mich beobachtete, wurde mir unheimlich zumute. Kurz hielt ich die Luft an. Er starrte mich mit stechenden Augen an.

Irritiert bewegte mich etwas nach hinten. Ein Schauer lief mir den Rücken herunter. Ich fühlte mich mit einem Mal so unsicher. Hastig öffnete der Vogel sein Maul und er begann grauenvoll zu krächzen. Angsterfüllt erkannte ich spitze Reißzähne in seinem Schnabel.

„Was?!“, panisch sprang ich zurück. Doch dabei rempelte mich plötzlich jemand an, der an mir vorbei laufen wollte.

„Waa!“, ich schrie hecktisch und fiel zu Boden.

Ich war aus meiner Träumerei gerissen worden und spürte wieder den kalten realen Boden unter meinen Händen. Doch bevor ich aufstand, starrte ich noch geschockt zu dem Baum. Doch der Vogel war verschwunden. Was hatte ich nur gesehen?

„Ehm. Entschuldige..“, zitterte meine Stimme unsicher als ich aufstand und mich zu der Person richtete, die ich angestoßen hatte. „Habe ich dir wehgetan?“, fragte ich noch und wischte den Dreck von meinem Rock.

Doch die Person lief schweigend an mir vorbei, stupste seine Brille auf seiner Nase hoch und ignorierte mich.

Als ich ihm hinterher sah, erstarrte mein Blick. Es war wohl ein Schüler. Doch etwas war anders an ihm.

„Hörner!“, stammelte ich zu mir selber und riss die Augen auf. Mein Körper erschauerte bei diesem Anblick. Sofort blieb Junge stehen und drehte sich ertappt um.

Ich erschrak als ich seinen schaurigen Blick sah. Er war anscheinend genauso überrascht wie ich. Der Junge stand einfach da und starrte mich an.

Der Junge hatte Hörner auf seinem Kopf. Diese Hörner kannte ich. Ich hatte sie schon einmal in der Dämonenwelt gesehen! Gab es sie also doch? War sie kein Traum? Oder bildete ich mir das alles nur ein?

„Wer bist du?“, fragte ich und machte einen Schritt auf ihn zu. Doch mich unterbrach das laute Klingeln der Schulglocke.

Verwundert blieb ich stehen und sah zu den Türen, die sich sofort öffneten. Die Schüler stürmten aus den Räumen und der Junge, flüchtete vor mir um die nächste Ecke. Nachdenklich sah ich den Gang entlang. „Was ist denn nur los?“, fragte ich mich und biss auf meinen Finger.

Im nächsten Moment hörte ich ein lachendes „Yuki!“, von der Seite.

Ich besann mich wieder und sah zu Nami. Sie stand neben mir und umarmte mich liebevoll. „Was ist los? Du siehst ja aus als hättest du einen Geist gesehen!“, grinste sie.

Ich runzelte die Stirn. „Ach.. ist schon gut.“, sagte ich leise und blickte dem Jungen immer noch nach.

„Typisch Montag!“, sagte Nami und harkte sich in meinen Arm ein. „War doch klar, dass du wieder zu spät kommst. Immer muss ich mich um dich kümmern.“, quasselte sich vor sich hin und zog mich mit.

Zusammen liefen wir den Gang in die andere Richtung hinab.

Nami und ich liefen, wie der restliche Schwarm der anderen Schüler, auf den Hof hinaus.

Während des Laufens begann Nami irgendwelche Dinge zu erzählen. Über den Unterricht und anderen Schülern aus der Klasse. Ich hörte nebenbei heraus, dass sie sich über die Lehrerin lustig machte, einen Mitschüler kritisierte und jede Menge Spaß beim Erzählen hatte.

Es war schön, wieder ihre Anwesenheit zu spüren. Zu wissen, dass sie für mich da war. Doch ich war abwesend und hörte ihr gar nicht wirklich zu.

Ich sah nur auf den Boden und dachte an diesen Jungen im Gang. Oder besser gesagt, Dämon?

Hatte ich wirklich Hörner auf seinem Kopf gesehen? Kam er aus der Dämonenwelt? War ich noch in der Dämonenwelt? Nein. Ich war mich sicher, wieder in meiner Heimat zu sein.

„HEEY! Yuki?!“, quietschte Nami nun und fuchtelte mit ihrer Hand vor meinem Gesicht. „Was ist los? Alles ok bei dir?“, fragte sie besorgt.

Ich schüttelte den Kopf erschrocken. „Eh! Nein! Es ist nichts! D.. danke!“, und versuchte schwindelnd zu lächeln.

Sie kniff etwas die Augen zusammen und betrachtete mich energisch. Natürlich wusste sie, dass ich gelogen hatte. Doch was sollte ich ihr schon sagen? Sie würde es mir doch nicht glauben.

Zusammen liefen wir aus dem Gebäude und geradewegs zu einer Bank, an welcher wir uns jede Pause trafen.

„Was ist denn los? Du bist so still. Ist doch nicht schlimm, dass du wieder mal zu spät kamst! Oder bedrückt dich etwas anderes?“, sprach sie weiter und setzte sich mit mir auf die Bank.

Auch wenn mich ihre Nähe beruhigte. fühlte ich mich die ganze Zeit von ihrem stichelnden Blick beobachtet. Aber ich wusste noch immer keine Antwort. „Ich.. ehm. Also.. eh..“, stotterte ich.

Warum fragte sie mich plötzlich so sehr aus? Es war typisch für sie, ständig zu brabbeln, jedoch war es selten, dass sie so oft nach mir fragte, statt von sich zu reden.

„Aha!“, sagte Nami laut und sprang auf.

Abrupt blickte ich zu ihr auf. „Hmh?“

Dann beugte sie sich zu mir herunter und hob einen Finger. „Liebeskummer?!“, fragte sie mit einem breiten Grinsen.

Ich schreckte zurück „He? Wie kommst du denn jetzt darauf?!“

„Hey! Du weißt, dass du mir alles erzählen kannst!“, kicherte sie und stupste mir mit ihrer Hand auf den Kopf.

Ich blickte mürrisch zu ihr auf. Ich wollte ihr die Wahrheit erzählen, jedoch fühlte es sich nicht richtig an. Sie hätte mich als verrückt abgestempelt. Also war es mir recht, dass sie das Gespräch auf dieses Liebeskummer-Thema fixierte.

„Kenn ich ihn? Wie sieht er aus? Wie lange kennst du ihn? Ist er von der Schule?“, fragte sie neugierig. „Und warum hast du nicht vorher was gesagt!“, plapperte sie weiter.

Was sollte ich ihr antworten? Ich hatte doch niemanden, in den ich verliebt war. Doch so wie Nami ein Geständnis von mir erzwingen wollt, dachte ich plötzlich an Deeon.

Verlegen wurden meine Wangen rot und ich blickte sie mit zusammengepressten Lippen an.
 

Schon als Kind fühlte ich mich zu schlecht für eine Beziehung. Ich fand mich nicht besonders hübsch wie andere und ich war auch nicht so attraktiv. Natürlich hatte ich mir oft einen Partner gewünscht. Doch habe ich mich nie getraut jemanden anzusprechen.

Das hatte Nami schon immer gestört. Sie wollte, dass ich glücklich werde. Ihrer Meinung nach, wird man schneller glücklich, wenn man eine Beziehung hat. Wenn man jemanden hat, zu dem man sich zurück ziehen kann und sich nicht verstellen muss.

Sie kannte mein recht graues und tristes Leben und wollte, dass ich es farbig gestalte. Doch irgendwie hatte ich mich dagegen immer gesträubt. Zu tief war meine Angst, abgewiesen zu werden.
 

Nachdem ich Namis blondes Haar und ihren lieben Blick sah, musste ich auch an Deeons liebevollen Blick denken. Seine blonden Haare und hellen Augen. Wie er mich gerettet hatte und mir ganz nahe war. Sein Lächeln war so hübsch.

Verlegen legte ich die Hand vor den Mund und sah mit meinem tomatenroten Gesicht weg. Mein Herzklopfen sprühte ich bis zu meinem Hals als ich an seine Nähe dachte. Er fing mich auf als ich von diesem Golem umgestoßen wurde und er hielt mich fest in seinen Armen, als wir durch den Druck der Schockwelle weggestoßen wurden.

–Aber, ist das denn überhaupt passiert? Hatte ich etwa Gefühle für eine Person aus meinem Traum?-

Es war mir peinlich. Eigentlich hasste ich dieses Thema. Ich sprach nie gerne über mein Liebesleben oder über Personen die ich attraktiv fand.

Doch Nami lachte. „Hahaha! Das finde ich gut! Endlich ist meine kleine Yuki verliebt! Lass mich raten! Muskulös. Dunkle Haare, helle Augen? Vielleicht etwas blass…?“, zählte sie auf.

Schüchtern sah ich zu Boden. „Ehm.. naja.. .“, erzählte ich zurückhaltend. Ich fummelte wieder aufgeregt an meiner Kleidung herum. „Also.. er ist sehr groß.. und gute gebaut. Er.. er hat so helle Augen..“, begann ich zu erklären.

Glücklich hörte Nami mir ganz genau zu und war schon auf meine Erklärung gespannt.

Ich wollte ihr zwar nichts von der Dämonenwelt erzählen. Aber sie musste ja nicht wissen, dass er von dort käme, wenn es ihn wirklich geben sollte. Dann stotterte ich weiter. „Er.. also wir kennen uns kaum! Aber er hat mir vor kurzem geholfen als ich Probleme hatte… also ehm..“

Nami freute sich für mich und hörte mir weiter erwartungsvoll zu. Ihr Grinsen wurde immer breiter. Zwischendurch hörte ich ein Kichern von ihr und sie hüpfte vergnügt vor mir her.

„Naja, er hat blonde lange Haare.. und sein Name ist Deeon..“, sagte ich zuletzt.

Plötzlich hörte Nami auf zu grinsen. Ihr Lächeln wurde zu einem blassen, geschockten Gesichtsausdruck. Sie sah mich mit großen Augen an und konnte kaum fassen, was ich gerade gesagt hatte. Ich glaubte, sie noch nie so stumm erlebt zu haben.

Verunsichert biss ich auf meine Lippe. „W… was ist?“, fragte ich und spielte in meinen Haaren.

Eine kurze Zeit schwieg sie noch. Nami sah nachdenklich zur Seite und runzelte die Augenbrauen. „Er hat blonde Haare?“

Sie versuchte ihren Schock mit einem getäuschten Lächeln zu übermalen. „Ich dachte nicht, ... dass du auf blonde Typen stehst.. .. hehe“, ihre obere Lippe zuckte etwas bei ihrem aufgelegtem Lächeln.

War sie so geschockt, dass sie mit ihrer „dunklen Haare-Theorie“ falsch lag?

„Und, du bist dir sicher, dass du den Typen magst?!“, fragte sie um ganz sicher zu gehen.

Ich schubste sie etwas. „He. Jetzt erzähle ich dir das schon, und du machst dich lustig über mich!“, motzte ich sie an.

„Nein.. ich mache mir nur… Sorgen…“, sagte sie leise. Sie wusste nicht wie sie weiter reagieren sollte und konnte mir gar nicht mehr in die Augen sehen. Auch ich wusste nicht, was ich ihr sagen sollte. War es richtig, von Deeon zu erzählen? Es war eine unangenehme Situation zwischen uns beiden.

Als wir uns anschwiegen, vernahmen wir plötzlich ein Getöse von weiblichen Stimmen.

“Hey! Was machen die denn da?!“, versuchte Nami das Thema zu wechseln und zeigte auf das Tor es Hofeinganges. Eine wilde Meute von Mädchen sammelte sich vor dem Tor und sie kreischten und schnatterten mit ihren schrillen Stimmen.

„Was ist denn da passiert?“, fragte ich stumpf und stand neugierig auf. „Lass mal dahin gehen! Was ist denn passiert?!“, grinste ich Nami an.

„Ich wusste, dass du deiner Neugier nicht widerstehen kannst!“, grinste sie und stimmte mir unterschwellig zu. Dann lief sie einige Schritte voraus. Ich folgte ihr. Doch blieb sie plötzlich wieder stehen. Sie starrte erschrocken zur Masse. „Oh verdammt… das gibt es doch nicht.“, hörte ich sie flüstern.

„Was ist denn?“, fragte ich, als ich an ihr vorbei lief und mich fragen zu ihr umdrehte.

„ACH weißt du! Ich habe noch etwas vergessen! Ich muss noch mal kurz in das Klassenzimmer! Geh du schon mal vor! Erzähl mir, was die Mädels haben! Bis später!“, stotterte sie ganz nervös und drehte mir den Rücken zu. Sofort lief sie fluchtartig in das Gebäude zurück.

„Hey! Was ist denn jetzt los?!“, schrie ich ihr hinterher. Aber sie reagierte nicht auf mich und war schon in der Tür verschwunden.

Ich zog fragend eine Augenbraue hoch und schaute ihr fragend hinterher. „Oke..?“ Dann hörte ich auch schon wieder das Gekicher der Mädchen am Tor. Ich drehte mich um und lief weiter auf die Masse zu.
 

Wenn ich mich mit zwei Wörtern beschreiben musste waren es: Angst und Neugier.

Zu sehr war mein innerliches Verlangen, alles zu erfahren, was ich nicht wusste. Manchmal übertrumpfte meine Neugierde sogar meine Angst.
 

Langsam kam ich der lauten Masse näher.

Die Mädchen waren ganz aufgeregt und freuten sich über irgendwas. Sie hatten sich um jemanden versammelt.

Je näher ich kam, desto besser erkannte ich was geschah. Sie standen in einem Halbkreis um jemanden. Ein Junge stand bei ihnen, der wohl für diesen Wirbel sorgte.

„OH! Wow! Du bist so hübsch! Darf ich deine Handynummer haben?“ „Nein ich will deine Handynummer!“ „Bist du neu hier?“ „Kommst du bald auf unsere Schule?“ „Du siehst so gut aus!“ „Hast du eine Freundin?“ „Du bist so süß! Woher kommst du?“ „Gehst du ins Fitnessstudio? Oder bist du Model?“

Sie redeten alle durcheinander und himmelten diesen Jungen an. Ich stellte mich abseits der Masse um mehr sehen zu können und rollte die Augen. „Hmpf… ich dachte, es passiert etwas interessantes.“, seufzte ich. „Die Mädchen an meiner Schule haben doch echt immer nur ein Thema im Kopf.“, grummelte ich und sah mir die gaffenden Gesichter an. Enttäuscht, nichts interessantes vorzufinden, blieb ich stehen und seufzte.

Der Junge wirkte überfordert. Er wollte sie gar nicht um sich haben, doch es ließ ihn niemand ausreden. Dabei versuchte er sie zu beruhigen doch wich ständig zurück, als sie ihn berühren wollten. Der Junge wurde etwas zurück gedrängt und konnte sie einfach nicht besänftigen.

Ich legte den Kopf schräg und sah noch mal genauer hin. Er war sehr groß, muskulös und hatte schwarze Haare. Er trug eine braune Lederweste. Seine Haut war so blass.

-Moment!-

„Du!!!?“, sagte ich laut und zeigte erschrocken mit dem Finger auf ihn.

– Das ist der Schattenmann! Aber wie kommt er hier her?! Und warum ist er hier?! Also gibt es ihn doch! Also bin ich nicht verrückt geworden! – Mein geschocktes Gesicht wurde zu einem vergnügten Grinsen. Denn sein Auftreten zeigte mir, dass die Dämonenwelt kein Traum war. Ich hatte mir das alles nicht eingebildet. Ich musste also nicht an meinem Verstand zweifeln.

Nachdem ich mich freute, den Schattenmann zu sehen, musste ich jedoch etwas lachen. Ich musterte den Schattenmann.

Der sonst so sture und böse Dämon, war nun ein ganz schüchterner Junge. „Ich.. hey! Also! Was ist ein Handy? Was? Hey!“, hörte ich nur von ihm stammeln. Als er durch die Gesichter der kichernden Mädchen schaute, erkannte er mich schließlich in der Ferne stehen.

Er musste zwei Mal hinsehen, bis er schließlich seinen Blick nicht mehr von mir abwandte.

Dann schauten auch die Mädchen in meine Richtung. „Hey! Ist das nicht Yuki?“ „Was? Warum guckt er sie so an!“ „Hey! Hast du was mit dem zu tun?!“, wurde mir nun entgegen gebrüllt.

Ich schreckte kurz auf. „Was?!“, antwortete ich überrascht.

Doch der Schattenmann sah mit seinem finsteren Blick in die Masse. „Verzieht euch.“, sagte er wütend und blickte auf sie herab.

Die Mädchen schauderten und sahen ihn mit erschrockener Miene an. Die bissen die Zähne zusammen, schluckten und suchten schnell das Weite.

Schließlich stand er alleine da und wartete auf mich.

Er schaute mich beruhigt an und ich lief langsam auf ihn zu. Irgendwie war unser Verhältnis nun anders zueinander. Viel friedlicher und angenehmer. Ich war überrascht ihn überhaupt hier zu treffen. War er wegen mir gekommen?

Er steckte gelassen seine Hände in seine Hosentasche. „Das hast du nie gesehen…“, grummelte er.

„Haha! Hast du viele Handynummern bekommen?“, kicherte ich.

Der Schattenmann sah befangen zur Seite und holte drei kleine Zettelchen aus seiner Hosentasche. „Sind das Handynummern?“ Es war ihm sichtlich unangenehm und das merkte ich auch.

Doch irgendwie machte ihn diese kindliche Unwissenheit sympathisch. Ich war wirklich glücklich ihn zu sehen und lächelte ihn an.

„Hihi. Ja genau! Ich erkläre dir später mal was ein Handy ist.“, sagte ich mütterlich, um ihn zu ärgern.

„Hmpf..“, schnaubte er und überkreuzte seine Arme.

Aber ich hob die Hand fraglich und legte den Kopf schief. „Aber was tust du denn eigentlich hier?!“

Er stellte sich überrascht vor mich und sah zu mir hinunter. „Was? Was machst du denn überhaupt hier? Wir hatten besprochen, dass du wieder mitkommst!“, meinte er fragend.

„Wann haben wir das besprochen? Ich erinnere mich nicht!“

Der Schattenmann verzog seine Stirn. „Moment. In der letzten Nacht, haben wir die Entscheidung getroffen, dass ich dich zurückbringe, damit du dich vorbereiten kannst für den nächsten Tag. Du hast mit keinem Wort erwähnt, dass du woanders hingehst!“ Er klang überrascht und sauer.

Doch ich konnte mich nicht mehr an diese Vereinbarung erinnern. „Was..?“, fragte ich schockiert und dachte nach.

Warum wusste ich davon nichts mehr? Was war letzte Nacht passiert?

„Ich.. erinnere mich nicht, was noch passiert war. Du wurdest in der Bibliothek wach. Ich.. habe geweint..“, kam es leise von mir.

Er schluckte und beobachtete mich zurückhaltend. „Du erinnerst dich gar nicht mehr? Auch nicht-“

Plötzlich klingelte die Schulglocke und ich blickte verschreckt auf. „Ah! Ohje. Der Unterricht..“, sagte ich laut.

Sollte ich mit ihm gehen? Aber was meinte er mit Vorbereitung? Wollte ich etwa erst etwas regeln? Ich musste mich erinnern!

Gespannt dachte ich nach. – Wenn ich noch den ganzen Schultag hätte, hätte ich mehr Zeit meine Erinnerung wieder zu finden. Vielleicht habe ich das alles nur verdrängt? Ich kann nicht mit ihm gehen, ohne zu wissen was ich gesagt habe. Aber ich kann ihm nicht sagen, dass ich alles vergessen habe! Wenn das so bleibt, könnte er das vielleicht ausnutzen. Was soll ich tun? –

Nachdenklich sah ich hinter mich und schaute zu den Schülern die wieder in das Gebäude liefen.

„Wenn die Schule vorbei ist, treffen uns wieder genau hier!“, meinte ich und sah über meine Schulter zu ihm.

Doch er begegnete mir mit seinem genervten Blick und schwieg.

„Eh.. das.. gehört noch zu meiner Vorbereitung!“, grinste ich ertappt und lief langsam von ihm weg. „Du hast gesagt, dass ich mich vorbereiten darf! Also. Wir sehen uns später!“, sicherte ich ihm zu.

Er kniff etwas die Augen zusammen, als würde er merken, dass mit mir etwas nicht stimmte. „Hmmh.“ Doch sein Schweigen war eine unterschwellige Zustimmung.

Unsicher lief ich von ihm weg und merkte seinen beobachtenden Blick in meinem Rücken.

– Hat er etwas bemerkt? – Mich traf ein ungutes Gefühl, weil ich ihm nicht die Wahrheit gesagt hatte. Doch angelogen hatte ich ihn auch nicht. Immerhin, zählte ich meinen Versuch mich zu erinnern auch als Vorbereitung. Mit dem unangenehmen Gedanken, mich einfach von ihm weg zu schleichen, biss auf meine Lippe und ging in das Gebäude.
 

Der Schattenmann stand noch am Tor uns sah mir nach. Als ich aus seiner Sicht verschwand, legte er wieder die Hände gelassen in seine Hosentaschen und zog eine Augenbraue hoch. „Und wann ist die Schule vorbei?“ fragte er sich selber und lief wieder vom Schulhof.
 

Meine Gedanken schweiften umher. Ich setzte mich an meinen Platz im Klassenzimmer und schaute auf meinen Tisch.

Die Tatsache, mich nicht mehr an den vergangenen Abend erinnern zu können, lag mir noch schwer im Magen. Es fühlte sich falsch an. Es war wie ein Black-Out nach einer Party. Es war einfach wie ausradiert.

Betrübt sah ich auf und schaute aus dem Fenster. Zwischen meiner Grübelei musste ich wieder an den Schattenmann denken. Ich fürchtete mich vor ihm, doch auf einer neugieren Weise gewann er auch meine Aufmerksamkeit. Ich dachte kurz an die Situation am Schultor. Ich dachte an die Mädchen, die ihn ansprachen und ihn umgarnten. Nur weil er nach außen interessant und kräftig aussah, warfen sie sich an seinen Hals. Dabei hatten sie keine Ahnung wozu er fähig war. Und sie hatten keine Ahnung, was er wirklich war.

„Dämonen... Dämon....“, sagte ich immer wieder leise um mich zu erinnern.

- Es gibt die Dämonenwelt. Und es gibt Dämonen. Die Dämonen leben in der Dämonenwelt. Aberwas ist… - Dann schreckte ich auf. - Moment! Dieser Typ mit den Hörnern war auch ein Dämon. Aber ist es normal, dass Dämonen hier herum laufen? Warum erkannte sonst keiner seine Hörner? Und was war mit dem Vogel? Er wirkte auch, als gehöre er nicht in diese Welt. Aber warum fällt nur mir das auf? -

So sausten meine Gedanken durch meinen Kopf ohne, dass mir eine Antwort nahe war.

Natürlich ignorierte ich dabei den Unterricht. Ich wusste nicht einmal welches Fach gerade unterrichtet wurde.

Mein Schädel brummte. „Warum.. erinner ich mich nicht..?“, flüsterte ich mir verärgert zu und hielt meinen Kopf zwischen meinen Händen. Als ich knirschend auf meinen Tisch starrte, bemerkte ich plötzlich ein zusammengeknülltes Papier, dass auf meinem Tisch kullerte. „Hmh?“ Ich sah mir das kleine rollende Papier an. Dann traf mich ein zweites am Kopf.

„Hey... psst!“, flüsterte Nami. Sie saß rechts von mir und versuchte meine Aufmerksamkeit zu erhaschen.

Ich drehte mich zu ihr. „Was denn?“

„Ist alles ok?“, frage sie.

„Warum?“

„Ich mache mir Sorgen. Du bist so komisch“, antwortete sie flüsternd.

Doch ich hob die Hand und fuchtelte leicht in der Luft. „Nein. Alles ist-“

„YUKI!“, unterbrach mich der Lehrer lautstark.

Ich sprang auf und warf meinen Stuhl nach hinten. Schockiert starrte ich nach vorne. „J.. Ja!?“, fragte ich mit aufgerissenen Augen und strammen Stand.

„Kannst du wiederholen was ich gesagt habe?“, forderte der Lehrer mich auf und sah mir wütend entgegen.

Ertappt blickte ich ihn an. „Ehmm..“, dann huschte mein Blick durch den Raum, in die Augen der anderen Schüler. Ich hoffte auf Hilfe. Doch die Meisten wussten selber keine Antwort. Sie schauten entweder weg, oder grinsten mich breit an. Andere kicherten gehässig. Sie warteten darauf, dass ich mich weiter blamierte.

„Du hast ja nicht einmal die richtigen Bücher auf dem Tisch! Was soll das?“, kam es mir wieder von dem Lehrer entgegen.

„Ich.. also.. also...“, stotterte ich.

„Nachsitzen!“, war sein letztes Wort.

Ich biss die Zähne zusammen und wurde ganz starr. Im Hintergrund wurde das Gelächter immer lauter. „Ja...“, ich sah traurig auf meinen Tisch.

Stumm setzte ich mich wieder und fummelte nervös an meiner Schleife. - Wie peinlich. Ständig gerate „ich“ in solche Situationen. –

Grimmig sah ich dann zu meiner Rechten. Mir wurde ein ertapptes, jedoch mitfühlendes Lächeln von Nami entgegen geworfen. Doch es wäre unrecht gewesen, ihr die Schuld zu geben. Sie wollte mir nur helfen. Statt mich über sie aufzuregen, versuchte ich einfach ruhig zu bleiben.

Somit schmollte ich also den ganzen restlichen Unterricht lang.
 

Eine Unterrichtsstunde folgte der anderen.

Bis zur letzten Stunde verging die Zeit so langsam wie nie. Wenn man eine schöne Zeit hat, verfliegen die Stunden stets schnell, doch sobald man unangenehme Erfahrungen sammeln musste, schien der Tag niemals zu enden.

Es kam noch etwas Englisch, und Erdkunde dran. Zuletzt musste ich nur noch den Kochkurs überstehen.

Obwohl mir meine Tagträumerei nur Probleme brachte, konnte ich nicht damit aufhören.

Ich wollte meine Erinnerungen vom gestrigen Abend wiederfinden. Dazu versuchte ich einfach den gesamten Tag in meinem Kopf zu rekonstruieren. Mein Nachdenken an den letzten Abend, führte jedoch nur zu mehr Ärger.

Ich hob gerade den Top mit den gekochten Nudeln und dem heißen Wasser. Während des Abgießens vergaß ich die Griffe richtig zu halten.

– Ich hatte geweint und der Schattenman n hatte mich getröstet.. und dann…- Plötzlich floss das kochende Wasser über meinen Arm.

„Ahh!! Heiß!“, schrie ich laut und ließ sofort den Topf fallen. Es schepperte laut und das Essen breitete sich am Boden aus. Meine Mitschüler begafften mich sprachlos, bis mein Lehrer zu mir rannte.

„Yuki! Raus!“, wurde ich angeschrien.

Beschämt blickte ich um mich. Erbost schließlich schickte mich der Lehrer zum Krankenzimmer. Essen durfte ich also auch nicht mehr mit den anderen.
 

Nachdem ich allein durch die Flure schlenderte, war ich auch schon am Krankenzimmer angekommen. Nachdem ich mich mit einem Klopfen ankündigte, erkannte ich nach dem Öffnen der Tür, dass niemand dort war.

Selbstständig kühlte ich meine Hand und rieb die Stelle mit einer Salbe ein.

Nach all den Vorkommnissen, hatte ich keine Energie mehr. Ich setzte mich hin und blickte auch den Boden.

Es war ganz leise. Niemand war bei mir.

„Wenn Deeon nur hier wäre. Er würde sich wieder um mich kümmern. Er würde mir helfen.“, flüsterte ich mir zu.

Als ich meine Hand sah, erinnerte ich mich an den Schnitt in meiner Handfläche für dieses Ritual für den Schattenmann. Er hatte diese Wunde sofort geheilt und mir geholfen. Wenn er da wäre, würde er mir nun auch helfen? Schon wieder landeten meine Gedanken bei ihm. Verärgert darüber biss ich die Zähne aufeinander.

„SEINETWEGEN hatte ich den Schnitt überhaupt in meiner Hand!“, regte ich mich sinnlos auf. Nur um meine Gedanken vom Schattenmann abzulenken.

Ich schnappte mir noch mehr Salbe und rieb großflächig meine Wunde damit ein.

Als ich mich wieder beruhigte, strich ich vorsichtig über die Wunde und seufzte nachdenklich. Die Stelle fühlte sich noch immer warm an und es pikste wenn ich sie berührte. Dann nahm ich mir einen weißen Verbandsstoff und umwickelte grob meine Hand damit.

Es sah nicht professionell aus, doch es schützte und hielt.

Als ich fertig war, sah ich mich im Raum um. Es schien überall noch still denn der Unterricht war noch im Gange.

Ich Nutzte die ruhige Zeit für mich und stellte mich träumend an das Fenster. Die Sonne näherte sich bereits dem Horizont. Es war schon spät. Die Schule sollte schon bald vorbei sein. Zumindest für die anderen.

Nami wollte ich nicht mehr sehen. Ich war sauer auf sie und das wusste sie genau.

Obwohl ich sie gerne um mich hatte, mochte ich auch manchmal die Einsamkeit ohne sie.

Es war beruhigend keine Stimmen um mich zu haben. Es tat gut alleine zu sein und in Ruhe über Dinge nachdenken zu können. Ohne dem Zwang von anderen unterlegen zu sein.

Hatte ich mich vielleicht schon daran gewöhnt alleine zu sein?

Wenn Nami nicht bei mir war, war die Einsamkeit ständig mein Begleiter. Ich war niemand besonderes. Ich war jemand, den man ignorieren und schnell vergessen konnte. Ich war jemand, der Problemen aus dem Weg gehen wollte. Ich war jemand, der versuchte, einfach seine Ruhe zu finden.

Ich verstand nicht, wie andere glücklich zu lebten, indem sie sich ständig für eine Gruppe verstellten. Dass man ständig etwas Besonderes sein wollte, nur um den Anderen zu gefallen.

Doch nun war auch ich etwas Besonderes. Denn ich hatte einen Pakt mit einem Dämon geschlossen. Mein Leben würde nun anders sein. Doch ich hatte noch keine Ahnung, wie sehr sich mein Leben verändern würde.
 

Ich blieb im Krankenzimmer und verbrachte den Rest der letzten Stunde dort.

Nachdem es schon wieder klingelte, trottete ich geradewegs in das Beratungslehrerzimmer, denn mir wurden schließlich sonderstunden aufgezwungen.

Genervt stellte ich mich vor die Tür. Dann atmete ich auf und klopfte an.

„Herein.“, wurde mir direkt zugerufen.

Ich schob die Tür vorsichtig auf und trat ein.

Im Raum sah ich jedoch niemanden. Rechts stand ein großer Schreibtisch mit einem riesigen Stapel von Dokumenten und Blättern. Einige fielen schon auf den Boden und andere waren zwischen Seiten von Büchern gesteckt. Hinter diesem Haufen erkannte ich endlich die Glatze eines Mannes.

„Ehm...“, überrascht lief ich näher zum Tisch. Ich hörte das Knacken seines Stuhls, als er sich langsam zur Seite lehnte um mir grimmig in die Augen zu schauen.

„Yumiko Ohada! Ja, ja, ich habe schon gehört, dass Sie mal wieder kommen.“, sagte der ältere Mann und schob seine Brille auf seinen Nasenrücken.

Meinen vollen Namen habe ich schon lange nicht mehr gehört. Aber sobald ich ihn hörte, gab es höchstwahrscheinlich Ärger.

„Ich habe leider keine Zeit für Sie! Aber ich weiß, dass die Küche Hilfe braucht! Nehmen Sie sich so einen Schein von dort.“, sagte er weiter und zeigte neben der Tür auf ein Regal, „Dann gehen Sie zur Küchenleitung! Lassen Sie sich den Zettel dort ausfüllen. Sie wissen ja wie das geht! Los los! Ich brauche Ruhe hier!“, schob er mich ab.

„Toll...“, schnaufte ich und schnappte mir garstig einen dieser Zettel.

Dann ging es auch schon zur Küche.

Die Treppe komplett wieder runter, sofort Rechts und den Flur entlang. Nur schleppend ging ich voran. Mit gesenktem Kopf setzte ich einen Schritt nach dem anderen. In Gedanken versunken und nur noch mit dem Wunsch nach Hause zu gehen.

Gerade lief ich um die Ecke, da stieß ich plötzlich mit jemandem zusammen. Sein Gang war viel strammer. Darum verlor ich direkt den Halt auf meinen Beinen und fiel zu Boden.

Überrascht sah ich wieder auf. „Oh.. eh! Entschuldige...“, stotterte ich. „Ach.. mein Tag kann doch nicht mehr schlimmer werden.“, fügte ich murmelnd hinzu und seufzte. Doch dann blickte ich in die Augen dieser Person. Ich erschreckte mich. Denn ich kannte diesen Jungen. Seinem Blick zufolge kannte er mich auch.

„Hörner!“, sagte ich wieder laut und zeigte auf seinen Kopf. Es war dieser grimmig guckende, große aber dünne Junge, mit den ordentlich gekämmten Haaren und der dezenten Brille. Er hatte eine kleine Narbe auf der Wange aber wirkte wie ein Musterschüler. Und ganz besonders stachen seine schwarzen, gedrehten Hörner heraus.

Eine angespannte Stille entstand als wir uns ansahen.

„Wieso kannst du sie sehen?“, fragte er dann wütend und rückte seine Brille richtig.

Doch schnell drückte ich mir meine Hände gegen den Mund. - Das hätte ich lieber nicht sagen sollen.- Mit einem ertappten Gesicht stand ich einfach auf und lief an ihm vorbei. Ich versuchte weitere Blicke zu vermeiden und spürte nur dieses bedrückende, gefährliche Gefühl, das von diesem Jungen ausgestrahlt wurde.

Seine stechenden Blicke verfolgten mich weiter und machten mich nervös. Also lief ich etwas schneller.

Nur noch den Gang runter.

Ich hatte einen stumpfen Tunnelblick dessen Ende die Tür zur Küche war. Mit schnellen Schritten lief ich weiter ohne mich umzudrehen. Aber dieses bedrückende Gefühl wollte nicht aufhören.

Wieso wirkte der Gang plötzlich so lang? Als wenn ich nie ankommen würde. Egal wie viele Schritte ich auch machte, ich kam nicht näher. Neben dem leisen, immer schneller werdenden Klopfen meines Herzens, hörte ich nicht nur meine Schritte, die durch den Flur hallten, sondern auch die Schritte dieses Jungen. Er bewegte sich in meine Richtung.

Ich versuchte unauffällig hinter mich zu sehen doch traute mich nicht.- Bilde ich mir das vielleicht nur ein? Nein. Er verfolgt mich! -

Dann rannte ich los, bloß nicht stehen bleiben. Wenn er nicht hinter mir her war, dann würden seine Schritte auch nicht schneller werden. Ich versuchte mir einzureden, dass diese Schritte nicht mir galten.

Doch mein Verfolgter rannte schließlich auch.

Panik erfüllte meinen ganzen Körper. Innerlich wollte ich nur schreien, doch nach außen verschloss die blanke Panik meinen Mund.

Was sollte ich schon tun? Wegrennen war die beste Möglichkeit, Problemen zu entkommen. Also rannte ich einfach so schnell ich konnte.

Die Tür kam endlich näher, nur noch wenige Schritte. Während des Laufens hob ich bereits meine Hand um nach der Türklinke zu packen.

Ich spürte den Jungen direkt hinter mir. Ich spürte seinen Atem in meinem Nacken. Ich spürte wie er mir nichts Gutes wollte. Er hatte mich fast. Er griff nach mir.

Und dann ging vor mir die Tür plötzlich auf.

Sofort blieb ich stehen.

Ich sah in ein erschrockenes, altes Gesicht einer dicken, kleinen Dame. Trotz der faltigen Haut und den kleinen Augen riss sie ihre Augenlider so weit auf, dass ich das Funkeln in ihren Augen sehen konnte.

„Huch!“ Die Frau trat überrascht aus der Küche.

Ich blieb stocksteif stehen. Schnell drehte ich mich um. Dieser Junge müsste direkt hinter mir stehen. Doch ich sah nur einen leeren Gang. Noch einmal sah ich mich genau um. Ich trat etwas zur Seite. Vielleicht hatte er sich hinter den kleinen Schränken im Gang versteckt? Oder ist in einen der anderen Räume gehuscht?

Doch es war keine Spur von dem Jungen. Hatte ich mir das doch nur eingebildet? War ich zu paranoid? Doch es fühlte sich echt an. Auch wenn ich es nicht gesehen habe. Der Junge war wie ein Schatten, direkt hinter mir.

„Was wollen Sie hier junges Fräulein?“, hörte ich die Dame hinter mir.

Verwundert drehte ich mich wieder um und besann mich. Ich schüttelte leicht meinen Kopf um mich zu besinnen. „Ich... ehm... hier... der Zettel. Ich soll hier aushelfen.“, faselte ich.

„Gut gut! Dann sind Sie das Mädchen! Man hat mir schon Bescheid gesagt. Hier. Dann können Sie diese Säcke schon mal in die Container bringen! Danach sofort wieder her kommen!“, befahl sie mit ihrer alten Stimme und zeigte auf zwei volle Müllsäcke, welche direkt neben der Tür standen.

„Ehm, haben sie diesen Jungen hinter mir gesehen?“, fragte ich leise und griff mir die Säcke.

„Welchen Jungen? Los los! An die Arbeit. Nicht quatschen!“, sie klatschte bestimmend in ihre Hände und lief zurück in die Küche.

Noch einmal blickte ich in den Gang zurück. Anscheinend war dort wirklich kein Dämon.
 

Mühsam schleppte ich die Säcke einen kleinen Weg, draußen hinter der Schule entlang. Der Weg führte zwischen der Umzäunung der Schule und dem Gebäude her.

Ich war alleine.

Nervös sah ich mich immer wieder um. Zwischendurch blickte ich panisch hinter mich. - Das kann nicht sein. Der Junge war direkt hinter mir. –

Dieser Gedanke ließ mich nicht los. Vielleicht bin ich seit der Dämonenwelt einfach nur paranoid geworden? Ich blickte achtsam zu allen Seiten. Ich sollte vorsichtig sein. Denn ich hatte noch immer dieses ungute Gefühl.

Langsam lief ich also den Weg weiter. Er war relativ eng, also musste ich schon von weitem sehen, wenn jemand auf mich zu lief.

Nur noch um die Ecke, da standen dann auch die Container. Erneut blicke ich hinter mich, bevor ich die Säcke mit Schwung hinein werfen wollte.

Es war niemand zu sehen.

Dann hörte ich plötzlich ein lautes Geräusch aus einem der Fenster. Achtsam blieb ich stehen und lief zum Fenster aus dem das Geräusch kam. War es der Junge? Vielleicht war es jemand anderes?

„Hallo..?“, fragte ich zögernd und spähte durch das Fenster. Es war dunkel im Raum. Also konnte ich kaum etwas erkennen.

Dann sah ich einen Schatten durch das Zimmer huschen. „Da!“ Ich erschrak und hielt den Atem an.

Dann spürte ich, wie plötzlich jemand hinter mir stand. Mir lief ein eisiger Schauer den Rücken herunter. Mein Puls wurde immer schneller. Ich merkte wieder einen Atem in meinem Nacken.

Hinter mir wurde es plötzlich kalt.

Dieses Mal war tatsächlich jemand hinter mir. Da war ich mir sicher.

Was sollte ich tun? Ich konnte nicht schnell genug denken um eine kluge Entscheidung zu treffen.

Meine Panik überkam mich erneut.

Dann packte er mir an die Schulter.

„KYAAA!“ Ich schrie und schlug entsetzt mit dem Beutel zu.

Doch er wurde mir noch in der Luft aus der Hand geschlagen. Er löste sich und all der Inhalt verteilte sich auf dem Boden.

„HEY!“, wurde mir mürrisch entgegen gebrüllt.

Ich öffnete meine Augen und stützte mich ängstlich an die Wand. Ein freundliches Gesicht sah mich verdutzt an. Der Schattenmann stand vor mir.

Schockiert sah ich ihm lange in die Augen. Ich konnte mich nicht bewegen. Meine Beine zitterten.

„Was hast du denn jetzt schon wieder?“, fragte er genervt. Doch ich antwortete nicht.

Der Schock klapperte immer noch in meinen Knochen, obwohl ich wusste, dass mir nichts passieren würde und ich glücklich war ihn zu sehen.

Immer noch stand ich nur da. Ich senkte schweigend meinen Blick.

„Was ist geschehen?“, fragte er und nahm meine verbundene Hand besorgt. Der Schattenmann zog die Augenbrauen fraglich hoch. „Es wäre von Vorteil, Mal auf deine Umgebung zu achten. Denkst du das nicht auch?“, neckte er mich.

Doch ich schwieg weiter. Schwach ließ ich auch den anderen Beutel fallen.

„Wie soll mir so ein ängstliches Gör helfen können? Sei nicht so tollpatschig“ Er wollte einfach nicht aufhören auf mir herum zu hacken. Für mich war der Tag schon schlimm genug und nun auch noch so etwas.

„Hey. Schweigen macht es nicht besser.“, meinte er und ließ meine Hand wieder los. Auch wenn seine Worte nicht böswillig waren, trafen sie mich tief.

Ich biss die Zähne zusammen und sah weg.

„Und was ist nun schon wieder?“, fügte er noch hinzu.

„LASS MICH!“, schrie ich den Tränen nahe und ballte meine Hände.

Entgeistert sah er mich mit aufgerissenen Augen an.

„Ich hatte Angst...“, fing ich an zu weinen. Ich sah wieder herab. Meine Haare verdeckten mein Gesicht. Einige Tränen kullerten von meiner Wange direkt auf den Boden. „Vielleicht ist das für dich alles normal. Aber ich hatte das Gefühl, um mein Leben Angst haben zu müssen!“, weinte ich weiter.

„Ts... typisch Menschen...“, motzte er und griff erneut behutsam meine Hand. Er wollte den Verband sanft abnehmen „Schwach... und ängstlich... Du solltest nicht immer flennen wenn du dich fürchtest!“

Schockiert starrte ich ihn an. Hatte er überhaupt begriffen wie es mir ging?

„DU MUSST JA AUCH KEINE ANGST MEHR HABEN! DU LEBST JA NICHT MEHR!“, schrie ich ihn an und riss meine Hand von ihm weg.

Ihm blieb kurz die Luft weg. Er starrte mich schockiert an.

Doch egal wie sehr es ihn getroffen hatte, egal wie sehr ich ihn damit gekränkt hatte, ich stieß ihn von mir, rannte weg und ließ ihn dort alleine stehen.

Weinend rannte ich den Weg zurück. Ich wollte weg von ihm. Ich wollte weg von allem, das mich belastete.

Ich versuchte einige Tränen weg zu wischen, doch es folgten immer wieder neue. Ich konnte einfach nicht aufhören. Es brach aus mir heraus.

Alle hatten es auf mich abgesehen. Alle verlangten ständig etwas von mir und nie war ich ihnen gut genug. Ich konnte es nicht mehr aushalten.

Nach einigen Metern blieb ich winselnd stehen. Dann lehnte ich mich gegen die Mauer.

Ich brauchte jemanden. Ich konnte das nicht alles alleine schaffen. „Deeon. Ich wünschte du wärst hier.“, flüsterte ich ins Nichts.

Ich stand da und wartete darauf, dass jemand endlich kam und mich hier wegbrachte. Nicht aus diesem Ort. Sondern aus diesem Leben. In ein besseres Leben.
 

Es dauerte, bis ich mich beruhigen konnte.

Ich schniefte, streifte meine Haare weg und wischte mir durch mein Gesicht. Dann hörte ich etwas neben mir knacken.

Das Fenster an dem ich stand wurde plötzlich aufgerissen. „Was?!“ Ehe ich mich umdrehen konnte, packte mich jemand an meinem Shirt und riss mich gewaltsam durch das Fenster.

„AAHH!“, unsanft wurde ich auf den Boden geworfen. Dann stieß ich mir meinen Kopf an der Wand. Jemand griff mich am Hals und hob mich hoch.

-Was passiert hier?- Ich konnte nicht klar denken. Meine Hände zitterten. Ich bekam keine Luft. Dann drückte man mich erneut brutal gegen die Wand.

Ich konnte nichts erkennen. Mit aller Kraft krallte ich mich in den Arm der Person, die mich würgte.

„Was haben wir denn hier?“, freute sich seine Stimme.

Ich versuchte ihn zu treten und mich zu befreien. Aber nichts half. Mein Herz raste. Ich spürte meinen Puls bis in den Kopf.

„Was für eine außergewöhnliche Seele in diesem schwachen, hübschen Körper ist.“, sprach die Person weiter.

Der Druck an meinem Hals wurde stärker. Mir wurde schwindelig. „Nein.. bitte...“ Ich kratzte an seinem Arm. Doch ich wurde immer schwächer. Mit letzter Kraft erkannte ich sein Gesicht.

Diese Augen, die Brille, die Hörner! Es war der Junge der mich verfolgt hatte. Er grinste mich verrückt, mit stechend roten Augen an. Dabei schien er noch hochmütig und fühlte sich überlegen.

„Ich weiß zwar nicht, warum du in der Menschenwelt bist, aber dieser Ort gehört mir. Ich werde ihn mir nicht wegnehmen lassen. Und deine Seele werde ich mir als erstes nehmen.“ Der Dämon drehte sich um und warf mich mit voller Wucht auf einen Tisch.

Stühle vielen dabei um und der Tisch knirschte einige Meter über den Boden nach hinten.

Ich konnte mich nicht wehren. „Nein...“, flüsterte ich nach Luft ringend.

Dann beugte er sich über mich. Mit seiner anderen Hand fuhr er an meinem Hals herunter. „Genau da.“, lächelte er wie besessen. In der Mitte Meiner Brust drückte er seine flache Hand gegen meinen Brustkorb.

Plötzlich spürte ich einen schrecklichen Schmerz. Die berührte Fläche begann zu leuchten und wie Feuer zu brennen.

Mir wurde schwindelig. Ich konnte mich nicht mehr bewegen. Kraftlos ließ ich meine Hände am Tisch herunter hängen. Meine Augen verdrehten sich. Ich fühlte mich so kraftlos. So hilflos. Das einzige was ich empfand war der schreckliche Schmerz in meiner Brust.

Ich konnte nicht einmal Schreien. Er griff in mich hinein. Seine Hand verschwand in meinem Körper. Dieser Schmerz war so schrecklich. Sollte sich so der Tot anfühlen?

Der Dämon griff sich mein Inneres, meine Seele. Ich hatte es gespürt, wie er mit seiner glühenden Hand mein Inneres packte. Meine sanft schwebende Seele, die von seinem Schatten fast zerquetscht und herausgerissen wurde.

Er packte zu. Er hatte es fest in der Hand und lachte. „Jetzt gehört sie mir! Sie sieht so lecker aus.“ Dann begann er daran zu reißen. Er zog mich aus meinem Körper. Er zog meine Seele aus meinem Körper.

Mein Körper war paralysiert. Ich spürte nur noch ein immer stärker werdendes Pochen in meinen Adern. Mein Blick wurde schwarz. Es war ein grässlicher Schmerz, als er mein Leben aus mir herausreißen wollte. Sein Lachen wurde immer dumpfer.

„Warum ist sie so schwer? Diese Seele! Ich will sie!“ Er zog und zog, doch meine Seele blieb in mir. „Warum geht das nicht?!“

Doch dann stoppte er erschrocken und starrte mich entsetzt an. „Was?!“, er riss seine Hand aus meinem Körper und sprang zurück.

Mit einem Mal konnte ich wieder atmen. Der Druck in meiner Brust war weg. Voller Panik drehte ich mich zur Seite und schnappte hustend nach Luft. Mir war schwindelig. Ich röchelte nur noch und hielt mir meinen Hals fest. Doch egal wie ich mich bewegte, in meiner Brust steckte noch immer der Schmerz.

„Wie ist das möglich! Das ist nicht deine Seele!“, schrie er außer sich. „Wer bist du!?“

Doch ich konnte nicht darauf reagieren. Wieder wollte er auf mich zu rennen und hob seine Hand. „Sag mir wer du-“

Noch bevor er mich jedoch packen konnte, zischte ein Dolch durch den Raum. Er traf seine ausholdende Hand und durchbohrte sein Fleisch.

„AARGH!“ Der Dämon hielt sich entsetzt seinen Arm in welchem der Dolch steckte und schrie entsetzt. „Wer ist da?!“ Er brach zusammen und sah zur Tür.

Der Schattenmann stand dort. „Du hast recht. Es ist meine Seele.“, sagte er locker und lief mit langsamen Schritten auf ihn zu.

Die durchbohrte Hand blutete extrem. „Wer bist du? Moment. Das kann nicht sein!“, mit panischem Blick sah er den Schattenmann an. „Dich gibt es doch noch? Ich werde mich aber nicht von dir besiegen lassen!“ Dann atmete er immer tiefer. Seine Augen wurden finsterer und sein Körper änderte die Form. Er röchelte und lachte mit einer finsteren Stimme.

Der Dämon wurde immer größer, seine Haut begann zu rot zu qualmen und seine Hände formten sich zu Krallen. Seine Zähne wurden spitzer, seine Augen angsteinflößender. Seine Kleidung riss an einigen Stellen und die Brille fiel von seiner Nase.

Verrückt grinste er den Schattenmann an. „Ich lasse mich nicht aufhalten!“ Dann rannte er auf ihn zu. Mit seiner gesunden Hand wollte er ihn angreifen und holte zu einem kraftvollen Schlag aus. Er war nun viel größer als der Schattenmann und sah auch stärker aus.

Doch der Schattenmann hob blitzschnell seine Hand und wehrte ohne großen Aufwand die Faust seines Gegners ab.

„Was?!“, erschrak der Dämon panisch. Er fletschte seine Zähne und versuchte erfolglos seine Hand wieder zurück zu ziehen.

Der Schattenmann lächelte kurz mit seiner emotionslosen Miene. Dann packte er die Faust fester, drehte sie und brach ihm damit das Handgelenk.

Der Dämon riss fassungslos die Augen auf, fiel auf die Knie und schrie wie am Spieß. „AAH!! Du Monster! Das wirst du bezahlen! Du mieser Dreckskerl!“

Unbeeindruckt von seinen Worten, legte der Schattenmann einen Finger auf die, von Schmerz verzogene Stirn des Dämons. Dann schnipste er dagegen.

Mit enormer Kraft wurde der Dämon an die Wand geschleudert. Er prallte an ihr ab und fiel auf die Knie.

Ich sah wie der Schattenmann durch den Raum schritt. Langsam. Voller Geduld. Diese bedrohliche Aura kam wieder von ihm. Sollte ich auch Angst vor ihm haben? Er wirkte anders. Es wirkte gefährlich. Ich konnte mir nicht sicher sein, was er vor hatte.

„Du mieses Schwein!“, zitterte der Dämon.

„Achso?“, fragte der Schattenmann und kniete sich zu ihm. Mit gelangweilter Miene griff er nach seinem Messer, das noch immer in der Hand des Dämons steckte.

„Nein!“, bettelte dieser.

Schließlich riss der Schattenmann sein Messer in die Vertikale und spaltete die riesige Pranke des Dämons. Ein heftiger Blutfleck spritze auf die Tapete. Der Dämon brach zu Seite. Er kreischte wie verrückt. „Gaaar! Meine Hand!!“

Ich realisierte nur noch die Schreie des Dämons. Wie er immer lauter wurde. Wie die Schmerzen immer tiefer gingen. Und ich spürte die kalte Freude des Schattenmannes.

„Nein...“, flüsterte ich und kam langsam wieder zu mir. „Stopp..“ Ich drehte mich weiter und streckte meine Hand nach ihm aus. Ich wollte nicht, dass er so etwas grausames tat. „Bitte...“, schwach versuchte ich mich aufzustemmen. Doch der Schmerz in meiner Brust brannte weiter und hielt mich zurück. Jede Bewegung schmerzte. Jeder Ton aus meinem Mund feuerte das Brennen an.

Doch der Schattenmann hörte mich nicht. Er legte seine Hand auf das Kinn des Dämons und drehte sein Gesicht etwas. Mit kaltem Blick schaute er ihm arrogant in die Augen und lächelte.

„Mieser Bastard..“, krächzte der Dämon schmerzerfüllt.

„Du sagst ja immer noch so schmutzige Worte“, antwortete der Schattenmann. Dann griff er den Kiefer des Dämons.

„Nein! Nein!“, schrie sein Gegner.

Es knackte laut, dann folgte ein Schreien und schließlich riss der Schattenmann mit einem Ruck den Kieferknochen aus seinem Gesicht. Im Hintergrund schallten noch immer seine schrecklichen Schreie.

Ich konnte mich noch immer kaum bewegen. „Nein!“, mit letzter Kraft wollte ich aufstehen. Ich setzte mich also auf und stellte meine Füße auf dem Boden ab. Ich stemmte mich zitternd auf meine Beine. „Aufhören...“

Egal was der Dämon getan hatte. Ich wollte nicht, dass er ihn quälte und ich wollte nicht, dass er ihn tötete.

Langsam verlor ich die Kraft aus meinen Beinen. Erst einen Schritt, dann den zweiten. Doch ich wackelte schwach. Mir wurde übel. Mein Magen krampfte sich zusammen. Alles kam mir so dunkel vor. Verschwommene Bilder umgaben mich. Ich versuchte mich auf einen Stuhl zu lehnen, doch warf diesen direkt um. Auch ich verlor den Halt auf meinen Beinen und fiel zu Boden.

„Hör auf..“, waren meine letzten Worte, als ich mich am Boden liegend wieder fand und erschöpft die Augen schloss.

Plötzlich verstummten die Schreie. Es war leise.

Einen Moment lang geschah nichts.

Als ich verwirrt aufsah, kniete der Schattenmann vor mir.

„Alles in Ordnung?“, fragte er erschrocken. Sein Gesicht war voller Blut.

„Hör auf... bitte.“, stotterte ich kraftlos, als er mich auf meinen Rücken drehte.

Seine kalten Hände hoben mich sanft in seinen Schoß. Ich fühlte mich müde und ließ mich einfach von ihm halten. Noch immer hatte ich diesen tiefen Schmerz in meiner Brust der mich nicht verließ. Dieser Schmerz zerrte an mir. Er zerrte noch an meinem Leben. Es waren Flammen die unermesslich in mir loderten und mich von innen verbrannten. Doch sollte mich der Schmerz beängstigen? Was hatte der Schattenmann vor? Würde er mich nun auch quälen? Würde er sich rächen, nachdem ich ihn doch beleidigt hatte? Würde er mir noch mehr Schmerzen bereiten?

„Ich.. habe Angst...“, flüsterte ich zögerlich, doch konnte mich nicht von ihm wegdrücken.

Er sah mich behutsam an. „Ich bleibe bei dir. Du brauchst keine Angst mehr zu haben.“ Dann legte er seine kalte Hand auf meine warme Stirn.

„Ich habe vor dir .. Angst...“, zitterte aber meine Stimme.

Er starrte mich verständnislos und erschrocken an.

„Du hast ihn getötet.“, erklärte ich wimmernd.

Aber er schüttelte seinen Kopf. „Nein... Nein! er lebt noch. Er ist weg. Alles ist gut.“, antwortete er besorgt. „Es tut mir leid...“, gestand er. „Es war meine Schuld... bitte verzeih mir.“

Ich war überrascht. Hatte er den Dämon doch nicht getötet? Hatte er auf mich gehört? Kam er doch zur Vernunft?

Nun beugte er sich langsam vor. „Das wird etwas kalt...“, flüsterte er. Dann legte er seine eisige Hand an die brennende Stelle.

Seine Berührung war beruhigend, sanft und lindernd.

Der stechende, heiße Schmerz verging. Ich schloss die Augen und atmete tief ein. Diese sanfte Kälte löschte langsam das stechende Feuer in meinen Körper.

Endlich konnte ich wieder atmen. Diese Eiseskälte durchfuhr meinen gesamten Körper. Ich merkte das leicht stechende Gefühl der Kälte bis in die Fingerspitzen, als würde ich in Schnee packen.

Ich fühlte mich sicher. Nachdem ich tief einatmen konnte, hauchte ich nun eisige Luft aus. Dann blinzelte ich und sah in seine Augen. Das Blut in seinem Gesicht war verschwunden. Alles was ich sah war er. Er hielt mich fest und blieb bei mir.

Wir sahen uns eine Zeit lang schweigend an.

Behutsam hielt er mich sicher in seinen Armen und bemerkte die Linderung des Schmerzes in meinem Gesichtsausdruck.

„Besser?“, seine Stimme klang ruhig und meine Hände hörten auf zu zittern.

Ich lächelte ihn an. „Ja...“

Auch er lächelte. Dieses liebevolle Lächeln kannte ich nicht von ihm.

„Danke.“ flüsterte ich erleichtert.

Er nickte mir zu. „Hmh“

Wir schwiegen einen Moment und vergaßen alles um uns herum. Es gab nur ihn und mich.

Doch auf einmal sah er ertappt weg. Er räusperte sich und legte sofort wieder seine ernste Miene auf. „Du solltest wieder laufen können!“, sagte er streng. „Los, steh auf.“

Der Tee

Die Sonne war schon unter gegangen.

Schweigend lief ich durch die Stadt. Ich folgte dem Weg nach Hause, den ich am Morgen schon einmal in die andere Richtung gerannt war.

Es war dunkel und nur wenige Laternen beleuchteten die Umgebung. Der Wind fegte durch die Gassen, die Nächte wurden schneller düsterer und es waren kaum noch Menschen zu sehen. Am Himmel fand man nur wenige Sterne die durch die Risse der Wolken schienen. Auch der helle, runde Mond war kaum zu erkennen.

Ich versuchte gar nicht viel nachzudenken und machte einfach einen Schritt nach dem anderen. Hinter mir folgte der Schattenmann mir. Genau wie ich, versuchte er jede weitere Konversation zu vermeiden. Wie er zu mir stand oder ich zu ihm, verstand ich noch nicht. Kurz hatte ich das Gefühl zu ihm durchzudringen. Aber im nächsten Augenblick wirkte er wieder so distanziert. Vor seiner grausamen Seite hatte ich Angst, aber sobald er gutmütig wurde, spürte ich wie angenehm seine Nähe sein konnte.

Seit des Angriffs des Dämonen, waren nur ein paar Stunden vergangen. Ich war müde und ich war erschöpft. Der Tag machte mir zu schaffen. Ich bat den Schattenmann, mir noch eine Nacht Zuhause zu schenken. Kommentarlos erlaubte es mir auch und folgte mir seitdem schweigend. Warum er mir folgte, war mir jedoch unklar. Doch es fühlte sich dank ihm sicherer an.

Ich dachte darüber nach ihm zu danken. Aber wie? Egal wie ich versuchte ein Gespräch anzufangen. Er sah stets weg und beachtete mich nicht weiter. Er wollte jeder Konversation aus dem Weg gehen. Ohne weitere Anstalten zu machen folgte ich meinem Weg weiter.

Nach einer Weile begannen Regentropfen sanft auf den Boden zu fallen. Mir wurde kalt und meine letzte Kraft hielt mich noch auf den Beinen. Ich überkreuzte meine Arme ineinander und ging schneller, denn ich wollte einfach endlich nach Hause.

Meine Freude, nach Hause gehen zu können und jemanden dort zu haben, der mich einfach in den Arm nimmt war mein letzter Trost für den Tag. Mein Vater würde nicht mal nach dem Grund fragen. Er würde mich einfach an sich drücken. Das wärmende Gefühl einer liebenden Person, die einem Zeit und Kraft schenkt, ist das schönste Geschenk, das man im Leben bekommen kann. Denn Zeit kann man nie wieder ändern.

Während des Laufens merkte ich, wie der Schattenmann nicht mehr unmittelbar hinter mir war. Er blieb plötzlich stehen. Überrascht drehte ich mich zu ihm um. Ich zeigte ihm mit einer Kopfbewegung, weiter laufen zu wollen. Aber er reagierte nicht. Er stand einfach dort. Ehe ich ihn fragen wollte warum er stehen blieb, verstummte ich bei seinem friedlichen Anblick.

Abwesend stand er nur dort und sah in den Himmel. Er hob seinen Arm und öffnete langsam seine Hand. Die kalten Tropfen fielen auf seine Handfläche und tropften auf seine entspannte Miene. Er genoss das Gefühl des kalten Windes und des nassen Regens an seinem Körper. Erleichtert atmete er tief ein.

Starr stand ich dort. Wie gefesselt beobachtete ich seine faszinierende Person. Mir war egal, dass es stärker regnete und ich merke nicht, dass ich durch die Kälte kein Gefühl mehr in den Fingern hatte. Dann wurde es mir klar. Ich sollte keine Angst vor ihm haben. Mehr noch. Ich erkannte, dass ich ihm helfen sollte.

Er zeigte keinem wie er innerlich vor Schmerz und Einsamkeit brannte. Nur selten kam von ihm ein Hilfeschrei, welcher sich durch erbarmungslose und brutale Handlungen zeigte. Ich hatte das Gefühl, ihn zu verstehen. Es machte mich traurig ihn so zu sehen, auch wenn es ein glückliches Bild war.

Langsam lief ich vor und blieb kurz vor ihm stehen. Der Regen wurde nun immer stärker. Was sollte ich sagen? Oder lieber schweigen? „Es.. ist lange her...“, unterbrach er jedoch die Stille, ohne mich anzusehen. „Die Luft ist viel leichter geworden, seit ich sie das letzte Mal in der Menschenwelt spüren konnte. … Aber der Regen ist noch immer erfrischend.“

Mitfühlend biss ich auf meine Lippe und spielte nachdenklich an meinem Rock. Wenn ich nun nach Hause ginge, um die liebevolle Umarmung meines Vaters zu genießen, würde der Schattenmann wieder in seinen einsamen, kalten Raum zurückkehren müssen.

Ich wusste zwar nicht wie Dämonen fühlten, aber er war kein Dämon, er war ein Mensch. Auch wenn er es bestreiten würde, doch er war wie ich. Und ich wusste was Menschen brauchten! Ich wusste was er brauchte! Egal wie stur er sein würde. Er brauchte jemanden, der für ihn da ist. Er brauchte zwei Arme die ihn halten würden.

„... Bleib doch länger hier.“, flüsterte ich lächelnd, jedoch den Tränen nahe und verschränkte meine Arme hoffnungsvoll vor meine Brust. Wenn ich ihn so stehen sah, erinnerte ich mich an seine schreckliche Vergangenheit und stellte mir die Zeit vor, in welcher er so einsam leben musste. Sollte ich ihn zu mir nach Hause einladen? Ich konnte ihn doch nicht alleine lassen? Doch diesen Dämonenjungen einzuladen, ihm eine Tasse Tee anzubieten und ihm meinen Vater vorzustellen, war für mich schwer vorstellbar.

Doch überraschenderweise lächelte er mich beruhigt an, legte seine Hand auf meinen Kopf und tätschelte diesen. Er sah mich an wie ein Wolf der sein Junges beschützte. Sein Junges, das noch viel zu wenig von der Welt wusste. Ein Junges, das nur sein Nest kannte und nicht die steilen und steinigen Berge die es zu bewältigen gab und tiefen und dunkeln Höhlen in die man fallen konnte.
 

Von meinen Haarspitzen tropfte der Regen herunter. Wir waren komplett durchnässt. Doch das war uns beiden egal.

Ich dachte immer, mein Leben sei hart. Ich hatte kaum Freunde, kaum Geld und war sehr oft alleine. Doch ich hatte eine Familie. Auch wenn es nur eine kleine kaputte Familie war. Aber nun realisierte ich, dass der Schattenmann nicht einmal das hatte.

Doch wie sollte ich ihm helfen? Eine Träne lief mir schließlich über die Wange während ich erwartungsvoll in seine hellen Augen sah.

„Hör auf.“, forderte er mich auf und nahm seine Hand von meinem Kopf. Ich ging einen kleinen Schritt zurück und wischte durch mein nasses Gesicht um meine Unsicherheit zu überspielen. „Alle gut!“, antwortete ich glücklich. „Weinen macht es nicht besser.“, kam mir plötzlich entgegen. „Es zeigt nur, dass du nicht weißt was du tun sollst... dass du schwach bist.“, fügte er mürrisch hinzu.

Ich runzelte verwundert die Stirn. „Was?“, fragte ich entgeistert. Doch er ging schweigend an mir vorbei. „W... was... wieso..?“, stotterte ich ihm hinterher. Er reagierte jedoch nicht. Während ich mir Sorgen um ihn machte, begegnete er mir mit dieser kalten Beleidigung.

Erst stand ich verwirrt da und sah ihm befangen hinterher. Aber dann stampfte ich beleidigt auf den Boden. Ich lief schnell durch die Pfützen zu ihm und griff seinen kalten Arm. „Hey! Warum musst du direkt so herzlos reagieren!“, motzte ich ihn an.

Genervt drehte er sich um und stand mir gefährlich nahe. Mit seinem zornigen Blick versuchte er mich einzuschüchtern. Doch ich wusste, dass er mir nichts tun konnte. „Bist du wohl nicht gewohnt, dass jemand so mit dir redet?! Hör auf so gefühlskalt zu tun!“, brach es aus mir heraus. Ich konnte es nicht leiden, wenn man sich so stark verstellte, weil es einem schlecht ging.

Er riss die Augen auf und biss seine Zähne grimmig aufeinander. Langsam stieg in ihm die Wut. Er sah mich so wütend an. Der Schattenmann starrte mir tief in die Augen und kam mir näher. Doch sofort drehte er sich mit geballter Faust von mir weg. Wütend entfernte er sich einige Schritte von mir.

„Du solltest darüber reden. Ich höre dir zu.“, sagte ich enttäuscht und sah ihm hinterher. „Du solltest nicht immer so grausam sein.“, versuchte ich ihm zu erklären „Hör auf das ständig abzublocken!“ und griff wieder nach seinem Arm.

Mit wutverzerrtem Gesicht riss er seinen Arm weg, „Was weißt du schon!“. Er drehte sich so Hass geladen zu mir. Seine Bewegung löste eine leichte Druckwelle aus und sein Stampfen zertrümmerte den steinigen Boden. Seine Bewegung war mit solcher Wucht, dass ich vor Schreck auf den nassen Boden viel. Das Licht der Laterne neben uns flackerte einige Male hinter mir und der wenige Staub legte sich sofort wieder.

Mein Atem blieb stehen. Auch wenn ich mir sicher war, dass er mir nichts tun würde, hatte ich Angst. Meine Augen waren geweitet. Aus meinem Mund kam kein Ton mehr. Ich sah ihn nur noch fassungslos an. Verloren sah er weg und zog seine Faust enttäuscht zu sich. Er hielt seine Hand bekümmert vor sein Gesicht. Dann schnaufte er nur grimmig, drehte sich um und lief von mir weg.

„... Wieso?“, fragte ich traurig. Einsam saß ich dort im kalten Regen und sah noch in die dunkle Gasse in welcher er verschwand. - War das falsch von mir? – Statt aufzustehen ich noch eine Zeit lang dort und dachte entrüstet nach. Ich war von oben bis unten nass und fror bis auf die Knochen. „Ich hätte ihn nicht darauf ansprechen sollen.“, sagte ich bedauerlich zu mir. „Ich meinte es doch nicht so.“, wimmerte ich weiter. „Ich bin so ein Dummkopf!“. Ich ballte meine Fäuste fest zusammen. „Ich bin so dumm!“ Das hatte ich davon. Nun saß ich alleine im Dunkeln, im Regen auf dem kalten Boden. Lange hockte ich dort und kauerte mich zusammen. „Ich habe ihn schon wieder verletzt... dabei wollte ich mich noch bedanken...“, sagte ich leise, als ich meine Beine anzog und mich an sie drückte. „Warum kann ich nichts richtig machen?“, fragte ich mich und legte meinen Kopf auf meine Knie.

Nur weil ich dachte, dass ich etwas bewirken könnte, dass ich helfen könnte, habe ich es nur noch schlimmer gemacht. Eigentlich fühlte ich mich so schlecht, dass ich weinen wollte. Doch es fehlte mir die Kraft dazu.

Zitternd stellte ich mich auf die Beine. Und mit langsamen Schritten versuchte ich nun wieder meinen Weg aufzunehmen. Ich schaute mich fragend um und sah in die schwarzen nassen Straßen. Es war keine Spur vom Schattenmann.

Also lief ich mit verschränkten Armen weiter. Ich zitterte. Ich fror. Der Weg wirkte nun so viel länger. Durch den Park und am Bäcker vorbei. Dabei plätscherte der Regen immer mehr auf mich herab. Die Straßen waren trotz der Laternen sehr dunkel und durch den aufprallenden Regen erkannte man kaum die Ferne. Doch als ich meinen zittrigen Blick langsam hob, schaute ich auf ein Licht an meinem Hauseingang scheinen.

Ein großer Mann mit braunen Haaren stand in der Tür. Er hatte dunkle Augenringe und einen ungepflegten, stoppeligen Bart. „Yuki?“, hörte ich besorgt. Ich fing an zu weinen und lief schnell auf ihn zu. „Papa...“ Erschrocken öffnete er die Tür weit und nahm mich in den Arm. „Was ist passiert Schatz? Komm rein!“, sagte er sanft zu mir. Ich umarmte ihn nur noch stärker. „Papa. Ich habe dich so lieb.“, nuschelte ich in seinen Pullover. „Es ist alles gut mein Schatz. Was ist passiert? Du bist ja eiskalt.“, er hielt mich fest im Arm. „Papa.. ich.. Papa..!“, ich schluchzte immer lauter. Ich konnte ihm nicht erzählen was in mir vor ging. Ich weinte zu sehr. Ich weinte laut. Ich weinte stark. War es ein glückliches Weinen, weil ich meinen liebenden Vater hatte? Oder war es ein trauriges Weinen, weil ich nicht wusste was ich tun sollte? Sein Körper wärmte mich. Mir war so kalt. „Papa...“, winselte ich einfach nur.

„Komm Yuki. Beruhige dich.“, sprach er mir leise zu und lief langsam mit mir ins Haus.

Ich spürte meine Finger nicht mehr. Meine Nase war ganz rot, so wie meine Ohren. Die Kälte zog sich durch meine Kleidung. Ich Zitterte am ganzen Körper. Noch immer liefen mir Tränen über die Wangen. Ich schniefte und versuchte meine Tränen weg zu wischen. Doch es kullerten immer mehr hinterher.

Schnell lief mein Vater ins Bad und holte ein großes Handtuch, welches er mir über meine Schultern legte. „Du hast Fieber Yuki! Leg dich lieber ins Bett.“ Ich schaute in seine liebevollen, müden Augen. In die Augen eines Mannes, der sich nach seiner harten Arbeit auch noch seine nichtsnutzige Tochter kümmern musste. „Papa. Es tut mir leid.“, machte ich mir Vorwürfe. „Mein Schatz. Egal was passiert ist. Es muss dir nicht leid tun.“, versuchte er mir neutral zu erklären. Plötzlich wackelte ich auf meinen Beinen. Mir wurde schwarz vor Augen. „Papa..“, faselte ich wieder und verlor den Halt. Ich sah nur noch die Silhouette wie mein Vater voller Sorgen auf mich zu kam und mich fest hielt. „Yuki!“, hörte ich dumpf von ihm. Dann verschwand meine Sicht und ich verlor mich in der Bewusstlosigkeit.
 

Wieso muss ich es allen so schwer machen? Ich wollte nicht, dass man sich Sorgen um mich machte. Ich wollte nicht, dass es anderen schlecht ging wegen mir. Und doch schaffe ich es ständig, einfach alles falsch zu machen!
 

Nach dem Schock vom Abend zuvor, spürte ich, wie ich beruhigt aus meinem Schlaf erwachte. Es war leise. Ich träumte von nichts. Doch mich quälte eine nicht aufhörende Hitze. Das Atmen viel mir schwer und mein Körper war so schwach. Auch wenn ich merkte, dass ich wieder zu Bewusstsein kam, hielt ich meine Augen geschlossen. Ich wusste, ich war zuhause.

Meine Decke hatte ich bis zu meiner Nase gezogen. Es war kuschelig und gemütlich. Gerne hätte ich einfach weiter geschlafen, doch irgendetwas hielt mich wach. Eigentlich müsste ich alleine zuhause sein, doch ich hatte das Gefühl, dass ständig etwas durch mein Zimmer huschte. Egal wie lange ich versuchte meine Augen geschlossen zu halten, begann dieses Huschen mich zu beunruhigen. Es ging von links nach rechts. Und von rechts nach links. „Was...?“, ich runzelte die Stirn erschöpft und öffnete doch langsam die Augen. Alles wirkte noch sehr verschwommen. Schwach versuchte ich mich aufzusetzen. Ich nahm die Decke etwas herunter und beugte mich auf.

Da sprang mir plötzlich ein kleines Mädchen auf mein Bett. „Yuuukiiiii!“ Ein Mädchen mit roten Haaren saß plötzlich mit glücklicher Miene neben mir und grinste mich an. „WAAS?!“ Ich schrie vor Schock, schreckte zurück, riss meine Decke mit mir und stürzte rückwärts vom Bett.

Es bollerte laut als mein Körper sich auf dem Boden zwischen Bett und Kommode Platz suchte. „Yuki! Was machst du denn?!“, fragte dieses Mädchen und sah verwundert vom Bett auf mich herab. „Aua...!“, jammerte ich und rieb mir meinen Hintern. Meine Decke hing über mir und verdeckte mir die Sicht. Mit einem Bein hing ich noch im Bett und meinen Kopf stieß ich an der Wand. Ich brauchte etwas Zeit um mich zu sammeln. Denn ich war noch immer sehr benommen und konnte nicht klar denken. Erschöpft konnte ich mich nur sehr langsam bewegen. „Kitsune?“, fiel mir nun ein. Gerade als ich meine Decke weg zog sah ich, wie sich meine Zimmertür plötzlich öffnete. „Was ist passiert?“, fragte die Person besorgt, die in mein Zimmer stürmte. Die Person schwieg ganz plötzlich und starrte mich an. Ich starrte zurück. Was war hier los? Dann erkannte ich ihn. Es war der Schattenmann. Wieso war er hier? Und wieso schaute er mich mit so großen Augen an? Er hatte seine Blicke so beschämend und doch starrend auf mich gerichtet und bewegte sich nicht mehr.

Im nächsten Moment merkte ich, dass ich nur leicht bekleidet war. Ich trug lediglich ein Höschen und ein Nachthemd, welches durch meine Lage nun nicht einmal mehr ganz meinen Bauch bedeckte. Also konnte er fast alles sehen.

Er sah mich noch immer wie ein Eisklotz an und schluckte. Doch so überrascht er auch war, so starrte ich nur stumpf zurück. Langsam begriff ich erst, dass die Lage peinlich für mich war. Mein Kopf lief rot an. „RAUS!“, schrie ich, griff nach meinem Kissen und bewarf ihn damit. Doch er war schneller aus meinem Zimmer verschwunden als ich es sehen konnte. So traf das Kissen nur die geschlossene Tür.

„Was ist hier los?!“, fragte ich schließlich im bösen Ton und versuchte mich wieder aufzuraffen. „Yuki! Yuki! Wir sind bei dir! Shiro und ich!“, kicherte Kitsune, griff meine Hand und half mir auf. Ich stemmte mich schwach auf mein Bett und richtete meine Kleidung. Schnell musste ich mich setzen, denn ich merkte, wie wackelig meine Beine waren. Meine Nase war zu und mein Hals kratzte. Mein Gesicht war noch ganz rot. Vom Fieber oder von der Situation gerade?

„Aber... wieso bist du hier..?“, fragte ich hustend und legte die Bettwäsche wieder auf mein Bett. „Na, Shiro hat mich hergebracht.“, grinste sie. „Naja... eigentlich habe ich ihn überredet.“, berichtigte sie sich. Shiro? - Fragte ich mich. Es fiel mir ein. So nannte Kitsune ja den Schattenmann.

Ich schüttelte unverständlich den Kopf und kniff meine Augen leicht vor Kopfschmerzen zusammen. Das Fuchsmädchen wedelte verspielt mit ihrem Schwanz. „Oh... Shiro war die ganze Nacht so aufgebracht.“, fing sie an zu erzählen. „Also ich wollte eigentlich zu Mephisto. Aber der hatte wieder so einen dicken Golem bei sich im Laden. Und die stinken immer so. Ohh.. und dann dachte ich erst der würde schnell wieder gehen, aber das hat sich doch als falsch herausgestellt. Dann bin ich in den nächsten Laden..-“

„Kitsune! Ich muss nicht alles wissen!“, unterbrach ich sie genervt und hielt meine Hand auf meine Stirn. Sie sah mich überrascht an. Dann holte sie tief Luft. „EEHH... auf jeden Fall wollte ich wieder zu Shiro, um ihm etwas erzählen. Aber als ich in die Bibliothek kam, lief er die ganze Zeit nur auf und ab! Und er hat mir gar nicht zugehört! Und er war total gestresst. Lief ständig um den Tisch. Lief von einem Regal zum nächsten und war total durcheinander. So habe ich ihn noch nie gesehen! Und dann wollte er plötzlich weg. Aber ich wollte so unbedingt mit! Aber er wollte nicht. Aber ich wollte. Und dann hat er mich her gebracht!“, faselte sie so schnell sie konnte.

Ich wischte mir durch mein Gesicht und atmete schwer. Anscheinend sollte ich mich nicht einen Moment ausruhen dürfen. „Und... was wollt ihr hier?“, rollte ich mit den Augen. Kitsune nickte erst verständlich „Jaaa...“,doch dann schüttelte sie den Kopf „Keine Ahnung... Das musst du Shiro fragen.“

Ich überlegte kurz. Warum war er hier? Gestern noch hatte er mich einfach zurück gelassen. Es war seine Schuld, dass es mir so schlecht ging. Obwohl ich ihm nur etwas Gutes tun wollte. Zwar gab ich mir gestern noch selber die Schuld an der Situation. Doch irgendwie realisierte ich nach dem Schlaf, dass ich mich nicht immer für alles verantwortlich machen sollte.

Müde und genervt warf ich die Decke wie einen Mantel um mich. Dann stand ich langsam und wackelig auf, mummelte mich in meine Decke und lief auch schon aus meinem Zimmer. Das Haus war nicht sehr groß. Von meinem Zimmer kam ich direkt in das Wohnzimmer und lief desinteressiert in die Küche. Kurz den Wasserkran angemacht, den Wasserkocher drunter, den Knopf betätigen und schon fing das Gerät an zu arbeiten. Währenddessen merkte ich, dass der Schattenmann am Tisch im Wohnzimmer saß und einfach wartete. Ich war absichtlich ignorierend an ihm vorbei gelaufen. Er saß nur da und hatte seine Hände nachdenklich ineinander gefaltet. Doch ich ignorierte ihn weiter. Erst wollte ich mich um mich selber kümmern.

Es dauerte nicht lange, da kochte das Wasser schon. Ich öffnete eine Packung Pfefferminztee, legte einen Beutel in eine Tasse und schüttete das Wasser hinein. Ich nahm mir extra lange Zeit dafür. Wie eine Schildkröte mit dickem Panzer und langsam auf den Beinen schleppte ich mich schniefend zum Tisch. Ich setzte mich auf die andere Seite und sah dem Schattenmann genervt in die Augen.

Mich konnte gerade nichts mehr aus der Fassung bringen. Wegen ihm saß ich gestern im kalten Regen. Wegen ihm bin ich nun krank. Wegen ihm hatte mein Vater sich so große Sorgen gemacht. Was sollte das? Warum war er plötzlich hier? Wollte er wieder ausrasten und hier irgendetwas kaputt schlagen? Es wäre mir gerade vollkommen egal. Wenn ich bei ihm nichts mit Nettigkeit schaffen würde, dann könnte ja vielleicht das Gegenteil etwas bei ihm bewirken.

Noch immer schaute ich einfach zu ihm und wartete was er nun machen würde.

Er sah von meinem stechenden Blick weg. Es war ihm unangenehm doch fand er lange keine Worte. Mehrmals versuchte er meinen Blick zu kreuzen, doch brach jedes Mal seinen Versuch verunsichert ab.

Träge schlürfte ich meinen Tee und versuchte ihn noch immer mit meinen Blicken zu durchbohren. Ein angespannter Moment der Stille und keiner von uns beiden sollte diese Stille lösen. Ich versuchte ihm mit meiner mürrischen Art zu zeigen, wie schlecht ich von ihm dachte. Mit Erfolg. Erst rutschte er auf dem Stuhl weiter zurück. Er sah mehrmals zur Seite und wischte über sein Kinn. Doch er konnte nicht ruhig sitzen bleiben. Wieder setzte er sich anders hin und sah schließlich hinab. Mehrmals atmete er tief ein um ein Gespräch zu beginnen. Aber meine Blicke störten ihn noch immer. Zusammengekauert hockte ich dort und tat einfach nichts. Das einzige was ich tat, war, sein nervöses Verhalten zu beobachten.

Nachdem er sich versuchte lockerer hinzusetzen, überkreuzte er seine Arme ineinander. Noch einmal versuchte er meinem Starren stand zu halten. Dieses Mal schaffte er es auch. Sollte er nun endlich reden? Doch gerade als er Luft holte, legte er seine Hand noch nachdenklich vor seinen Mund. Worte hatte er noch immer nicht gefunden. Doch ich quälte ihn einfach weiter mit meinen Blicken.

„Yukiii! Was trinkst du da?!“, versuchte Kitsune die Situation zu retten und lief grinsend auf mich zu. Sie lehnte sich an meinen Arm, der leicht aus der Decke heraus schaute und die Tasse fest hielt. Doch ich ließ mich nicht ablenken. Fixiert auf den Jungen schob ich die Tasse zu ihr herüber damit sie den Tee selber nehmen und probieren konnte. Dabei bemerkte ich wie der Junge schließlich wieder meinem Blick auswich und die Zähne zusammenbiss. „Es...“, begann er schließlich. Unverändert saß ich noch dort und lauschte seinen verklemmten Worten. „.. Es... es... war nicht meine Absicht... dich in... unglückliche Situationen zu bringen..“, stotterte er.

Doch ich begegnete ihm ungerührt, „Meinst du das in meinem Zimmer gerade? Oder, als du mich im Regen liegen lassen hast? Dass ich eine der Schlimmsten Nächte wegen dir hatte. Oder als du mal wieder ausgerastet bist und mich fast mit deinem Messer erschlagen hättest? Oder als-“ „Ist gut!“, unterbrach er mich. „Ich habe es verstanden.“, gestand er unangenehm.

Kitsune stand erschrocken da und sah mit offenem Mund zwischen uns beiden hin und her. „Wow...“, flüsterte sie und entfernte sich mit meiner Tasse leise zur Couch. Dann setzte sie sich hin, beobachtete uns und schlürfte den Tee.

„Warum bist du hier?“, fragte ich nun um endlich auf den Punkt zu kommen. Er versuchte meinem bisher übergeordneten Verhalten entgegen zu arbeiten und zog die Augenbraue gespielt hoch. „Du hast noch immer einen Pakt mit mir, wenn ich dich sehen will, dann komme ich einfach.“ Doch er reagierte direkt wieder verwirrt auf seine eigene Aussage. „Eh... also nicht, dass ich dich... also...“, er räusperte sich schnell und drehte sich gelassen zur Seite. „Du wolltest dich vorbereiten.“, fuhr er fort. Doch ich grummelte ihn an. „So krank soll ich dir helfen?“, fragte ich ihn und sah ihn wütend an. Doch dann blickte ich nachdenklich herab und sah auf meine Finger. „Ich.. kann mich nicht mehr erinnern, was wir besprochen haben.“, gestand ich schlich. „Was? Woran kannst du dich nicht erinnern?“ „Na, an alles was am Abend passier ist. Ich weiß nicht wie ich nach Hause kam. Und ich weiß nicht was wir besprochen haben. Ich weiß nur noch, dass wir in deiner Bibliothek waren. Mehr nicht.“

Nachdenklich hielt er seine Hand an sein Kinn. „Das Überschreiten zwischen den Welten hat auf Menschen nur eine schwächende Wirkung. Zwar bist du ein Mensch aber immerhin bist du mit einem Teil meiner Seele verbunden. Und so schwere Auswirkungen hatte das noch nie. Du weißt also auch nicht, wie du hier her gekommen bist? Ich habe dich nicht hier hin gebracht.“, erklärte er weiter. „Was? Aber ich.. dachte, du hättest mich in die Menschenwelt zurückgebracht!“, fragte ich ihn grimmig. „Sprich Klartext!“, scheuchte ich ihn weiter. Er sah wieder weg, „Ja. Das habe ich! Aber als ich dich von der Dämonenwelt in diese Welt zurückbrachte, habe ich dich nicht hierher gebracht.“, erklärte er verdächtig angespannt. Doch ich klimperte entsetzt mit den Augen und spielte nervös an meiner Decke. „Was? Aber was hat das zu bedeuten? Ich bin verwirrt.“, erklärte ich ergriffen. Mein Herz wurde immer schneller. Was meinte er damit? Ich wurde nervös, biss auf meine Lippe und sah ihn erwartungsvoll an. „Wo... hast du mich den hingebracht?“ Ich hielt einen Moment lang meinen Atem an. „Ich habe dich dorthin zurückgebracht, wo du mich gerufen hast.“, war seine Antwort. Ich sah zu ihm hinauf. „Du hast mich zu Nami... also.. bei meiner Freundin gebracht... Aber.. sie hatte nichts dazu erwähnt!“, erklärte ich und dachte über unsere Gespräche nach, welche wir den Tag in der Schule geführt hatten.

Nun stand der Schattenmann stand auf „Es ist gut möglich, dass ihr Gedächtnis auch Manipuliert wurde. Wenn sie eine Lücke in ihrer Erinnerung hat, wissen wir mehr. Nur mächtige Wesen haben die Fähigkeit Gedächtnisse zu verändern. Anscheinend musst du nach deinem Eintritt in die Menschenwelt Kontakt mit einem dieser Wesen gehabt haben!“ Er sah mich voller Ernst an. Plötzlich lief Kitsune an unf vorbei. „Dann müssen wir sie fragen!“, grinste sie voller Elan und lief schon mit gehobener Hand zur Haustür. Doch der Schattenmann packte sie am Rückenteil ihres Oberteils uns hob sie hoch. „Moment!“, stoppte er sie. Hilflos baumelte sie in der Luft herum „Aber... Shiroo! Wir könnten doch raus gehen! Uns mal die Stadt ansehen!“, jammerte sie. Er sah sie grimmig an „Nein. Du weißt, dass Dämonen nicht in der Menschenwelt herumirren sollten!“, fauchte er sie an. Wieder war er so verbittert.

„Du kannst doch nicht einfach-“, regte ich mich auf. Doch ich begann zu husten. Ich beugte mich benommen vor und konnte nicht weiter sprechen. Dabei versuchte ich mich an dem Tisch festzuhalten, doch ich verlor meinen halt.

„Hey..“, der Schattenmann ließ Kitsune lieblos fallen und hielt mich behutsam fest. Einige Male hustete ich noch stark. Meine Brust schmerzte. Ich konnte kaum atmen. Ich griff mich schmerzerfüllt in seinen Arm.

Kitsune sah gerade so über den Tisch. „Aua!“ motzte sie. „Ich bin dir wohl voll egal! Das tat weh! Hallo? Was hat Yuki denn überhaupt? Ist das normal bei Menschen?“, übertrieb sie kindisch und rieb sich den Hintern zickig. Aber er reagierte nicht auf sie. Er half mir mich wieder richtig hinzustellen. „Du solltest dich besser-“, fing der Schattenmann an. Aber ich drückte ihn beleidigt weg. „Lass mich! Du hast mich gestern doch auch einfach liegen gelassen! Du weißt ja wohl warum ich so Verschnupft bin!“, moserte ich und begann wieder zu husten. „Verschnupft?“, fragte Kitsune.

Erneut hatte ich einen Schwächeanfall und musste mich am Tisch stützen. Ich keuchte laut und schnappte nach Luft. Meine Knochen taten weh und mir wurde unangenehm warm. Ich konnte einfach nicht aufhören zu husten. Der Schattenmann sah mich still an, bis ich mich beruhigen konnte. „Was?“, fragte ich forsch mit schmerzverzerrtem Gesicht.

Plötzlich packte er mich und hob mich in seine Arme. „HEEY!“, schrie ich während er mit mir durchs Zimmer lief. „Was soll das?! Lass mich runter!!!“, brüllte ich immer lauter. Ich hämmerte auf seine Brust und fuchtelte mit meinen Beinen herum. Doch ich konnte mich aus seinem Griff nicht losreißen. Ehe ich mich versah, legte er mich mit einem Schwubs in mein Bett. „Leg dich hin.“, sagte er nur und drehte mir wieder den Rücken zu. Während er mit schnellen Schritten aus meinem Zimmer lief, versuchte ich mich sofort wieder aufzustemmen. „Ich bin nicht dein Hund.“, motzte ich und lehnte mich auf meinen Arm. Doch er machte eine kleine Handbewegung in meine Richtung und wie durch Zauberei, zog sich meine Decke bis zu meinem Hals.

Verwundert verlor ich meinen Halt, warf mich auf mein Bett und schaute zur offenen Tür. Im liegen spürte ich erst, wie erschöpft ich wirklich war. Meine Augen waren schwer und meine Brust schmerzte noch vom Husten. Ich wollte mich gar nicht mehr bewegen.

Kaum wenige Minuten später kam er auch schon wieder in mein Zimmer herein. In seiner Hand hielt er eine Tasse. „Shiro! Shiro!“, hörte ich noch im Hintergrund. Kitsune wollte ihm folgen. Doch der Junge machte wieder eine kleine Handbewegung und die Tür fiel vor ihrer Nase zu. Ein leises und enttäuschtes Motzen war nur noch von außen zu hören.

„Was tust du?“, fragte ich ihn erschöpft und versuchte grimmig zu bleiben. Er stellte mir die Tasse auf meinen Nachttisch. „Trink das.“, sagte er nur und drehte sich wieder um. „Werde erst wieder gesund. Danach kümmern wir uns weiter um dein Gedächtnis. Und..“, er machte eine kurze Pause beim sprechen und schaute leicht über seine Schulter. „Kitsune weiß nicht, dass ich ein Mensch war oder mich mit Menschen auskenne. Dämonen kennen sich mit menschlichen Krankheiten nicht aus. Behalte das bitte für dich.“, fügte er hinzu. Der Satz klingelte in meinen Ohren. Eigentlich wollte ich ihn gehen lassen, um endlich meine Ruhe zu genießen. Doch ich konnte nicht anders. „Aber du bist doch ein Mensch!“, sagte ich bevor er die Tür öffnen konnte.

Ich sah wie er seine Hand auf den Türknauf legte, ihn jedoch nicht bewegte. Er stand still da und rührte sich nicht weiter. - Wird er nun wieder sauer? Schreit er wieder? Schlägt er etwas kaputt? - Er drehte sich zur Seite und sah zum Boden. „Ich... weiß es nicht...“, antwortete er zurückhaltend.

Ich war überrascht. Er reagierte gar nicht wütend. Sondern eher als würde ihm eine Last von den Schultern fallen. Könnte ich nun erneut versuchen, mit ihm zu reden? Würde er es dieses Mal zulassen? Doch wie sollte ich anfangen?

Ich sah zur Tasse die er mir gebracht hatte.

„Was ist da drin? Und wieso kannst du mich nicht einfach heilen?“, fragte ich schließlich um das Gespräch zu beginnen. Noch immer stand er dort. Mit der Hand am Knauf dachte er nach. Er klammerte sich schon fast stur an den Knauf. Dann sah er mich an.

Er ließ die Tür schließlich doch los und stöhnte kurz. Doch er lächelte leicht.

„Ich kann nur Wunden heilen, jedoch keine Krankheiten oder Vergiftungen. Dafür kann man aber mit Kräutern dagegen angehen.“, erklärte er und lief zu mir. „Ich habe damals eine alte weise Frau kennen gelernt. Sie hat ein Buch über Kräuterkunde geschrieben.“, sprach er weiter. Kurz vor meinem Bett setzte er sich auf den Boden und lehnte sich an meinen Schrank. Ich lächelte erfolgreich. „Und was für Zauber-Zutaten sind da jetzt drin?“, fragte ich. Ich drehte mich zu ihm und kuschelte mich unter meine Decke. Dann sah ich wie er dort hockte. „Honig und Kamille. Etwas Besseres habe ich nicht in deiner Küche gefunden. Honig und Kamille helfen gegen Entzündungen und Krankheiten.“, sagte er locker. Da begann ich leicht zu grinsen und legte meine Decke vor meinen Mund. Ich hatte damit gerechnet, dass er mit außergewöhnlichen Zutaten kommen würde. Doch dann war es doch so etwas Normales. Leise kicherte ich. Auch der Schattenmann begann zu lächeln, doch sah gleich wieder bedrückt weg.

„Wieso bist du her gekommen?“, fragte ich ihn nun in Ruhe. Er sah mich verdattert an. „Das habe ich dir doch erzählt.“ „Nein.“, unterbrach ich ihn. Der Junge fühlte sich ertappt. Er zog die Augenbrauen fragend hoch und sah nachdenklich weg. „Hmmh...“ Dann lehnte er seinen Kopf nach hinten und sah zur Decke hoch. „Ich lasse meinen Teil der Seele nicht einfach komplett unbeschützt. Also... bin ich letzte Nacht noch in deiner Nähe geblieben und habe gesehen, wie du zu deinem Vater gegangen bist.“ „Also hast du dir Sorgen gemacht.“, lächelte ich. Er wurde leicht rot und räusperte sich. „Falls man dich wieder angegriffen hätte, hätte ich meine Seele nur beschützt!“, begegnete er mir darauf, ohne meine Aussage zu verneinen. „Du hast dir Sorgen gemacht.“, kicherte ich wieder. „Siehst du, das ist doch menschlich. Du bist ein Mensch!“, sagte ich glücklich. Doch sein Gesichtsausdruck wurde immer düsterer. „Ein toter Mensch... mit einem kalten Körper und einer geklauten Dämonenseele.“

Das verschlug mir kurz die Sprache. Er sah immer alles so negativ. Warum zog er alles immer ins schlechte? Warum war er so pessimistisch? Wie konnte ich ihn aufheitern? Verzweifelt bis ich auf meine Lippe. Was sollte ich sagen? Mir wurde wieder so warm. Mein Kopf brummte. Aber ich wollte mit ihm reden.

Der Junge ballte die Faust. „Das war eine dumme Idee.“, fauchte er zu sich und wollte aufstehen. „Möchtest du leben?“, fragte ich schnell um ihn aufzuhalten. Er blieb tatsächlich sitzen. Doch er runzelte die Stirn und sah mich fragend an. „Ich... habe keine Ahnung was es mit den Seelen und dem ganzen mystischem Gedöns auf sich hat. Aber!“, betonte ich, „Aber ich weiß wie man lebt! Und dabei ist es egal, welches Wesen man ist oder was für eine Seele man hat!“, sagte ich mutig. Voller Eifer stemmte ich mich auf und sah ihn mit flammenden Augen an. „Ich werde dir zeigen, dass du noch immer ein Mensch bist! Ob tot hin oder her! Du bist hier! Das zählt. Dann bist du eben ein Mensch, mit besonderen Fähigkeiten! Es ist doch total cool was du alles kannst! Du kannst zaubern! Das kann nicht jeder.“ Er sah mich unglaubwürdig an. „Dämonen können das.“, warf er schnell mit genervtem Blick dazwischen. „Das ist egal!“, hob ich den Finger und kniete mich hin. „Ich helfe dir! Ich helfe dir, nicht mehr so negativ zu sein!“, sagte ich laut. Dabei bemerkte ich nicht, wie ich langsam anfing zu nuscheln. Ich war so im Rausch, alles positiv zu sehen, dass mir nicht mal mein plötzlich hohes Fieber auffiel.

„Du bist ein Mensch der so etwas kann! Weißt du überhaupt wie cool das ist? Was da alles hinter stecken muss!“, ich hörte mich leicht betrunken an. Er sah mich mit großen Augen verwundert an. „Nun ja... harte Arbeit...“, antwortete er zurückhaltend. Er war verwirrt von meinem extrem positiven Verhalten. „Genau!“, sagte ich laut. „Du... bist, also warte… du.. wie hast du das alles... boa mir ist so warm.“, faselte ich durcheinander. Benommen nahm ich die Decke von mir herunter. „So warm..“. Dann ließ ich mich wieder auf das Bett fallen. Ich kullerte mich hin und her und schob dabei mein Nachthemd hoch. Es war so warm. Mein Körper brannte so schlimm. Ich wurde ganz träge. Noch bevor ich meine Kleidung hoch ziehen konnte griff der Schattenmann meine Hand. „Was tust du? Lass das!“, motzte er verwirrt. „Es ist aber so waaarm!“, motzte ich nuschelnd zurück. Ich fuchtelte weiter an meinem Hemd herum doch er zog es mir immer wieder richtig an. „Lass mich doch!“, maulte ich.

„Dann mach das, wenn ich weg bin!“

„Mir ist aber jetzt warm!“

„Dann gehe ich jetzt!“

„NEIN! Bleib hier! Ich muss mich um dich kümmern!“

„Was zur-?... Nein!“

Unser Gespräch wurde immer lauter. Währenddessen versuchte er mich wieder unter die Decke zu bekommen. Doch ich wehrte mich ständig und versuchte seine Hände zu greifen. Mir war ganz schwindelig aber ich wollte mich nicht beruhigen. „Ich will nicht unter die Decke!“

„Solltest du aber!“

„Ich will nicht alleine sein!“

„Du nervst mich aber!“

„NEEEIN!“

Mit Schwung drückte ich mich gegen ihn um mich endlich von der Decke zu befreien. Doch ich wackelte so sehr auf meinen Knien, dass ich glatt vom Bett fiel. Ich hielt mich dabei noch an seinen Händen fest, doch ich zog ihn zugleich mit mir auf den Boden.

Es krachte laut. Dann war es ruhig. Ich spürte nur wie angenehm kalt es unter mir war. Denn ich lag auf ihm. „Hmmmmh... das ist schön...“, faselte ich im fiebrigen Kopf und kuschelte mich an ihn. Er schwieg einfach und starrte an die Decke. Nach einem kurzen Moment legte er seine Hand genervt über seine Augen. Seine Wangen wurden leicht rot. Dann atmete er grimmig ein. „Run-ter!“, keifte er mich an.

Vor der Tür hockte Kitsune belustigt auf der Couch und trank ihren Tee aus.

Der Morgen

Eine sanfte Stimme rief meinen Namen. „Yuki.“

Sie hörte sich so schön an. „Yuki. Du machst das gut.“

Diese beruhigende Stimme. Ich kannte sie. „Deeon?“, fragte ich und öffnete meine Augen.

Ich lag noch in meinem Bett. Durch mein Fenster erkannte ich, wie einige dicke Wolken den hellen Mond bedeckten. Es war wohl mitten in der Nacht.

Dann kam jemand an mein Bett. Lange blonde Haare, wunderschönes Lächeln, elegantes Auftreten.

Ich setzte mich auf. „Deeon!“, erkannte ich ihn überrascht. „Aber.. aber...“, ich wurde rot. Hatte er mich beim Schlafen gesehen? Und ich trug doch nur mein Nachthemd. Wie peinlich.

„Du machst deine Arbeit wirklich gut. Ich danke dir, dass du dir solche Mühe gibst. Ich weiß wie viel du durchmachen musst Yuki.“, sagte er leise, schon fast flüsternd und setzte sich neben mich. „Ich weiß, dass du das schaffen wirst.“

„Ich.. Ich eh..“ stotterte ich und sah ihn mit großen Augen an.

Noch immer viel mir das Atmen schwer. Mein Fieber war auch noch spürbar. „Das mache ich doch gerne.“, sagte ich und versuchte mich nicht von meinen Kopfschmerzen ablenken zu lassen.

Plötzlich kam er mit ganz nahe und legte seine Hand auf meine Wange. „Yuki.“

Mir wurde noch wärmer als mir schon war. Ich sah ihn überrascht an und mein Herz schlug immer wilder. Ich spürte meinen Pults bis zum Hals. Mein Gesicht war ganz rot und ich hatte glatt das Atmen vergessen.

„Yuki. Egal was passiert, vergiss bitte nicht, dass ich auf deiner Seite bin! Das musst du dir immer sagen! Versprichst du mir das?“, erklärte er mir. Er sah mich dabei so liebevoll an. Doch ich sah Sorgen in seinen Augen.

Warum nur?

Ich nickte zuversichtlich, „Natürlich! Ich würde nie darauf kommen, dass du mir etwas böses wollen würdest!“. Ich griff nach seiner Hand. In diesem Augenblick hätte ich alles für ihn getan.

Er lächelte und küsste mich auf die Stirn. Es fühlte sich so wohl tuend und sanft an. „Ich gebe dir Kraft. Yuki. Du bist so tapfer, aber mehr kann ich erst mal nicht helfen.“

Entspannt schloss ich meine Augen. Meine Schmerzen waren wie ausgelöscht. Kein Fieber, kein Husten.

„Deeon.. ich...“, flüsterte ich verlegen.

„Du kommst ganz nach deine Mutter.“, hörte ich noch von ihm.

Fragend öffnete ich meine Augen wieder, „Meine Mutter?!“

Doch ich sah plötzlich in mein Zimmer. Er war verschwunden.

Und es war auch gar nicht mehr Nacht. Durch mein Fenster drang das Licht der schon hoch stehenden Sonne.

Habe ich geträumt? Ich faste mir an die Stirn. Dort wo er mich küsste.

Verblüfft legte ich meine Hände auf die Brust und sah zu Boden.

„Natürlich würde er nicht zu mir kommen…“, sagte ich enttäuscht und atmete tief ein. Noch im gleichen Atemzug drehte ich mich zur Seite und warf mich mit meinem Gesicht in das Kissen.

„Wie bescheuert bin ich denn?! Warum sollte jemand wie Deeon extra Nachts zu mir ans Bett.... und so süß und lieb… und… arg!“, mir waren meine eigenen Gedanken peinlich. Verärgert drückte ich mich fester in mein Kissen und moserte mit gedämpfter Stimme alle möglichen Schimpfwörter heraus.

Wie ein Kind Mit einem Tantrumanfall, dass sich auf den Boden wirft weil es sich ärgert, Trampelte ich mit meinen Beinen auf dem Bett herum.

Kurz danach lag ich nur dort.

Ich bewegte mich keinen Zentimeter. Am liebsten wollte ich mich im Sand vergraben. Zum Glück kannte ja niemand meine Gedanken.

Waren es denn wirklich nur Gedanken? War es wirklich nur ein Traum?

Langsam drehte ich meinen Kopf zur Seite. Deprimiert schnappte ich nach Luft. Ich sah dabei zu meinem Nachttisch. Dort erkannte ich die Tasse, welche der Schattenmann mir hingestellt hatte.

Ohje.

Ich konnte mich gar nicht mehr erinnern was gestern passiert war. Ich wusste nur, dass ich mir in den Kopf gesetzt habe, dem Schattenmann zu helfen!

Ich erinnerte mich, dass mir so extrem warm wurde.Ich erinnerte mich, an den Tee.

Dann sah ich auf meine Uhr, die direkt neben der Tasse stand.

Ich sprang schockiert von meinem Bett. „Was?! Schon 9.30 Uhr?!“, ich griff mir die Uhr und schüttelte sie einige Male um sicher zu gehen, dass sie auch funktionierte.

Vielleicht ist sie ja stehen geblieben?

Nein. Der Zeiger tickt.

Ich musste doch zur Schule! Schnell rannte ich zu meinem Kleiderschrank.

Welche Ausrede konnte ich mir jetzt noch einfallen lassen? Ich werde wieder auf dem Flur warten müssen. Ich werde bestimmt wieder nachsitzen müssen.

Erst sah ich betrübt zum Boden.

„Ich werde einfach nicht hingehen!“, sagte ich dann zu mir und sah in den Spiegel meines Schrankes. „Das sehe ich gar nicht ein!“, motzte ich laut und sah mich entschlossen an. „Ich werde mir heute einen schönen Tag machen! Genau!“. Ich ballte meine Faust fest zusammen und nickte mir zu.

Genau das war der Plan! Einfach das tun was ich wollte! Ich fühlte mich plötzlich voller Energie!

Mir von keinem heute etwas sagen lassen! Und einfach fröhlich sein!

Ich lächelte. Mein Strahlen ging von einem Ohr bis zum anderen. Direkt lief ich aus meinem Zimmer, durch das Wohnzimmer, in Richtung Bad.

Mir blieb noch der ganze Tag! Was sollte ich denn als erstes tun?

Im Bad angekommen drehte ich auch schon die Dusche auf. Schnell zog ich mich aus und sprang unter das warme Wasser.

Eine lange, erfrischende Dusche. Das hatte ich schon lange nicht mehr.

Ich ließ das Wasser über mein Gesicht fließen. Eine lange Zeit stand ich nur dort und schloss die Augen. „Hmmmh... das tut so gut...“, stöhnte ich zu mir.

Nach einer Weile putzte ich mir noch die Zähne und war auch schon fertig. Ich schnappte mir ein weißes Tuch und wuschelte mir nur fix durch die Haare.

Danach legte ich mir das Tuch um meinen Körper.

Die Dusche war so warm, dass der ganze Raum voller Wasserqualm war. Selbst mein Spiegelbild konnte ich nicht mehr erkennen, da der Spiegel vollkommen beschlagen war.

Ich wischte mit meiner Hand über den Spiegel und sah mich an.

„Heute wird ein guter Tag!“, sagte ich fröhlich und biss mir lächelnd auf die Lippe.

Ich war voller Energie. Ich war voller Eifer und Tatendrang. Ich konnte nur gute Laune haben!

Nebenbei summte ich ein Lied und wippte meinen Kopf hin und her.

„Was ziehe ich nur an?“, fragte ich mich und tapste mit leicht nassen Füßen zurück in mein Zimmer.

Ich stand vor meinem Schrank und öffnete die Türen. „Heute mal was schickes! Es ist ja nicht ganz so kalt! Vielleicht ein Kleid?“

Doch ich merkte wie meine Haarspitzen noch tropften.

„Oh nein!...“

Am Boden vor meinem Schrank war bereits eine kleine Pfütze. Schnell nahm ich mein Tuch von meinem Körper. Ich legte es vor mir auf den Boden und wischte die Pfütze weg.

„Ich sollte mir erst die Haare trocknen, bevor ich alles hier unter Wasser setze.“, sagte ich zu mir und ging wieder zu meiner Tür. Splitterfasernackt, nur mit dem Tuch leicht vor mich gehalten stand ich da.

Schnell wollte ich wieder ins Bad um meine Haare zu machen. Dort war es immerhin noch schön warm.

Ich legte den Türknauf um und öffnete meine Zimmertür.

Doch als ich heraus huschen wollte stand jemand vor meinem Zimmer.

Der Schattenmann befand sich mit gehobener Hand vor der Tür. Anscheinend wollte er klopfen.

Er sah mich verwundert an.

Ich sah ihn verwundert an.

Dann sah er an mir herunter.

Mit schockiertem Blick und stehen gebliebenen Atem starrte er mir schließlich in die Augen. Wie vereist versuchte er mit aller Kraft nicht erneut an mir herunter zu sehen.

Auch ich war verstummt. Ich blickte zu ihm hinauf. Dann wurde ich knall rot.

„DU SPANNER!“, schrie ich und knallte ihm die Türe vor seiner Nase wieder zu.

Ich hob das Tuch beschämt vor meinen Körper, lehnte mich an die Tür und versuchte wieder zu atmen.

„DU! KANNST DU AUFHÖREN STÄNDIG ZU SPANNEN!?“, schrie ich noch und rannte zu meinem Schrank. Schnell zog ich mir ein T-Shirt und eine Hose über.

Dann stürmte ich direkt wieder aus meinem Zimmer heraus.

Ich sah wie der Schattenmann am Tisch saß, mir den Rücken zugewannt, und sich nicht bewegte.

Voller Wut wollte ich sofort wieder Motzen. „WAS-“ begann ich, doch ich sah wie beschämt er seinen Handrücken vor seinem Mund hielt.

Was ist mit ihm?

Es hört sich sicher seltsam an, aber ich mochte es, wenn er verlegen wurde. Dann erkannte ich wieder den Menschen in ihm.

Kurz holte ich Luft und beruhigte mich etwas. „Was willst du hier?!“, fragte ich.

Er drehte sich um doch schwieg zunächst.

Dann sah er zur Seite und lächelte. „Ich wollte nur wissen wie es deinem Gesundheitszustand geht. Anscheinend ja wohl besser.“

Ich runzelte verwundert die Stirn. War er nur deswegen gekommen? Dann setzte ich mich ihm wieder gegenüber. „Du hättest dich ankündigen sollen...“ schmollte ich, ohne ihm weiter böse zu sein.

„Ich war dabei.“, begegnete er mir darauf und sah weg.

Ich wurde rot und sah auf meine Finger die nervös an meinem Shirt fummelten. „Du... du hast nichts gesehen?“, fragte ich unsicher. Natürlich wird er etwas gesehen haben. Immerhin bedeckte das Tuch kaum meinem Körper. Aber ich stand ja etwas hinter der Tür also wird er vielleicht doch nichts gesehen haben. Oder vielleicht doch?

„Ich habe nichts gesehen.“, antwortete er sicher.

„Du hast gar nichts gesehen?“

„Ich habe gar nichts gesehen.“

„Wirklich?“

„Wirklich.“

„Nichts?“

„Nichts.“

„Also komplett ehrlich jetzt?“

„Nicht so ganz...“

Ich lehnte mich schweigend zurück und sah wieder weg. Davon lasse ich mir nicht den Start in den Tag versauen!

Dann kicherte ich und wartete bis er mich fragend ansah.

„Hihihi.. Du hast mich in weitaus schlimmeren Situationen gesehen. Da ist das auch nicht mehr schlimm.“, lächelte ich ihn an, um die Situation zu lockern.

„Kann man sowieso nicht mehr rückgängig machen. Aber das ist kein Grund das zu wiederholen!“, sagte ich ihm und stand auf. „Ach. Gut, dass du da bist!“, fügte ich noch hinzu.

Er sah mir hinterher, wie ich wieder in mein Zimmer lief. „Ich habe was mit dir vor!“

Der Junge schreckte etwas zurück.

„Heute mache ich mir einen schönen Tag! Kein Stress, keine Schule, und KEINE Dämonen-Monster-Viecher die brutal sind! Und du wirst mich dabei begleiten!“, erklärte ich entschlossen.

Er atmete beruhigt aus. „Du denkst ich habe Zeit für solche Spielereien? Ich wollte nur sehen wie es dir geht. Es verwundert mich, dass du so schnell wieder gesund bist. Aber dann kann ich direkt wieder gehen.“, versuchte er mir meinen Vorschlag madig zu reden und stand eben so auf.

Er lief in Richtung der Haustür.

„Hey!“, motzte ich. „Warte! Hey!“

An der Tür blieb er schweigend stehen.

Ich sah aus meinem Zimmer heraus. „Es ist meine Aufgabe dir zu helfen! Und dadurch werde ich dir helfen! Also sei kein Feigling!“

Er drehte sich provozierend um. „Und das soll ich mir von dir sagen lassen?“

Aber ich ließ mich nicht von ihm ärgern. „In einer Stunde!“, sagte ich laut.

Er sah mich erstaunt mit großen Augen an. „Hmh?“

„In einer Stunde an dem großen Platz in der Stadt. Da ist in der Nähe ein großer Brunnen!“, ich wurde deutlicher mit meiner Stimme, „Da wo du mich im Regen sitzen lassen hast.“

Sein Blick verdüsterte sich. Beleidigt drehte er sich wieder um und ging aus der Tür heraus.

Mit einem Knall war sie auch schon wieder im Türrahmen eingerastet.

„Ich lasse mir den Tag nicht verderben!“, grinste ich erfolgreich.
 

Eine Stunde hatte ich angegeben.

In der Zeit schaffte ich es auch mit fertig zu machen. Am schwierigsten war natürlich die Auswahl der Kleidung. Etwas langes? Etwas kurzes? Es wurde langsam Winter. Es war etwas windig, aber warm. Die Haare zusammen? Oder offen?

Doch nur kurze Zeit später hatte ich schon mein Outfit zusammen.

Meine Haare in einem lockeren Zopf, einen grauen Düffelmantel, darunter einen weißen einfachen Pullover, einen schwarzen Faltenrock, kniehohe Strümpfe und Stiefeletten.

Schick aber gemütlich. Ich wollte mich doch wohl fühlen wenn ich aus dem Haus gehe. Die Kleidung hatte Nami mir natürlich geschenkt.

Schließlich zog ich noch meinen Mantel zurecht und bewegte mich zur Türe. Als ich endlich aus dem Haus wollte, griff ich mir noch meine Handtasche.

Da viel mir noch etwas ein! Ich blieb stehen und dachte nach. Meine Tasche. Ich hatte meine Schultasche mit meinen Sachen und meinem Handy in der Schule vergessen.

Wann sollte ich mir das wieder holen? Heute schon? Nein. Das wäre unsinnig.

Glücklicherweise hatte ich mein Portmonee in meiner Handtasche vergessen, was mir nun ganz gelegen kam. Dort war auch noch eine gut angesparte Summe drin. Immerhin hatte Nami mir die letzten Wochen immer alles bezahlt, wodurch ich kaum Ausgaben hatte.

Aber wann kümmere ich mich um die Schultasche?

„Nein!“, stoppte ich meine Grübelei, „Ich lasse mir von nichts den Tag verderben!“, flüsterte ich mir wieder zu. Zielstrebig legte ich mir meine Tasche um meine Schulter und lief aus dem Haus, „Keine Sorgen machen! KEINE Sorgen machen!“, und zog die Tür hinter mir zu.
 

Mit schnellen Schritten machte ich mich auf den Weg. Ich lief aus der Haustür und an meinem Haus vorbei. Kurz links abgebogen und wieder rechts durch die kleinen Gassen.

Währenddessen genoss ich die Sonne, die zwischen den kleinen Häuschen auf mein Gesicht strahlte. Es war ein schönes Wetter. Was ein Glück.

So ein schönes Wetter würde man gerne mit seinen Liebsten verbringen. Mit wem wäre ich am liebsten hier? Meinem Vater? Nami?

Leider hatte ich gar nicht so viele Menschen, mit denen ich meine Freizeit teilen wollte. Doch diejenigen mit denen ich meine Tage verbrachte, waren mir ans Herz gewachsen.

Dann senkte ich nachdenklich meinen Blick. Was wäre, wenn Deeon jetzt hier wäre? Und mit mir den Tag verbringen würde? „Hmh.. ich wünschte er wäre hier.“, nuschelte ich verträumt.

Hatte ich Deeon wirklich nur in meinem Traum gesehen? Werde ich Deeon überhaupt wieder sehen? Eigentlich hatte ich doch gar nichts mit ihm zu tun. Warum sollten unsere Wege uns noch einmal kreuzen?

Ich hatte wieder sein Gesicht vor Augen. Sein beruhigendes Lächeln, und seine sanfte Art. Die schützenden Arme die mich hielten und in denen ich für immer bleiben wollte.

Doch warum ich? Warum hatte er mich so beschützt? Nicht weil ich es bin. Sondern weil der Schattenmann mich in diese Situation gebracht hat.

„Ich möchte ihn so gerne wiedersehen...“, murmelte ich leise und stoppte meinen erst aufrechten und glücklichen Gang.

Ich runzelte die Stirn und und fühlte mich schlecht. Er war ein so edler Mann, der wahrscheinlich schon viel in seinem Leben erlebt haben muss. Wieso sollte er sich für mich interessieren? Die, die doch nichts kann. Die nichts besonderes ist.

Aber darüber zu grübeln machte es auch nicht besser. Was hätte ich schon tun können?

Hach, es war doch zum verrückt werden. Mag er mich überhaupt? Aber sonst wäre er doch nicht so nett zu mir. Bin ich überhaupt sein Typ? Diese Unsicherheit. Mein Magen drückte sich zusammen und mein Herz wurde schwer. So fühlte es sich wohl an wenn man verliebt ist.

Verärgert blieb ich stehen, „ARGH! Mano!“, fauchte ich laut und stampfte zickig auf den Boden. „Ich muss damit aufhören! Ich mach mir einen schönen Tag!“

Krampfhaft versuchte ich meine Laune zu ändern. Doch zielstrebig lief ich nun weiter mit dem Gedanken im Hinterkopf, nicht so viel zu grübeln. Einen Schritt nach dem anderen. Es dauerte auch gar nicht so lange, da war ich schon am großen Stadtplatz angekommen.

Ich lief zum Springbrunnen, welcher genau in der Mitte des Platzes stand und sah mich um.

In der Zeit, in welcher ich wartete, beobachtete ich die Leute, wie sie herum liefen. Es waren nicht so viele Leute unterwegs. Manche mit einem grimmigen Gesicht, andere mit neutraler Miene. Keiner versuchte aufzufallen und alle liefen unbemerkt aneinander vorbei.

Kurz noch nach links und nach rechts geschaut und dann setze ich mich auf den Rand des Brunnens.

„Ob er wohl kommen wird?“, fragte ich mich. Tief im Innern hoffte ich es.

Einerseits tat er mir so leid. Dieser einsame Junge, dem so viel Leid angetan wurde. Doch auf der anderen Seite war er so stur und dickköpfig, dass ich mich einfach nur über ihn aufregen konnte.

Für den Fall, dass er wirklich kommen sollte, wusste ich auch schon, was ich ihm als erstes zeigen wollte. Nicht weit von hier war mein lieblings- Kaffee. Dort wo ich als Kind immer von dem letzten Geld meines Vaters eine Kugel Eis bekommen habe.

Ich erinnerte mich daran, wie sehr ich in dieses Eis vernarrt war. Je älter man wird, desto weniger schätzt man solche Kleinigkeiten.

Damals war es für mich der Höhepunkt am Tag. Es war etwas so besonderes. Doch heute ist diese Freude einfach unterdrückt. Man ist nicht mehr in der Lage von diesen Momenten begeistert sein zu können, weil die Sorgen sich im Leben nur noch zu einem riesigen Berg häufen und die schönen Dinge verdecken.

Nachdem mich der Anblick der spazierenden Leute langweilte betrachtete ich den Himmel und die Vögel, welche weit über mich flogen.

„Hallo?“, hörte ich plötzlich eine junge Stimme von der Seite. Sanft weckte sie mich aus meiner Träumerei. Ich schüttelte kurz den Kopf. „Ehm.. eh. Ja?“, dann sah ich in das verweinte Gesicht eines kleinen Mädchens.

„Ich suche... was.“, stotterte sie und streckte mir einfach ihre Hand entgegen.

Eine Sekunde zögerte ich, doch verwundert kniete ich mich schließlich zu ihr hinunter „Was suchst du denn Kleine?“

„Ich... ich suche etwas... bitte...“ Immer wieder öffnete und schloss sie mit ihren kleinen Fingern ihre Hand. Doch sprach nicht weiter.

Ich nahm ihre Hand bedenkenlos in meine. „Aber was suchst du denn? Hast du etwas verloren?“

„Nein...“, sie schüttelte zurückhaltend den Kopf und richtete ihren Blick zum Boden.

Ich kam mir paranoid vor einem kleinen, weinenden Mädchen kein Vertrauen zu schenken, das mich ängstlich um Hilfe bittet, doch hatte ich ein ungutes Gefühl in ihrer Nähe.

Eigentlich habe ich es immer vermieden mit kleinen Kindern in Kontakt zu kommen, aber einfach gehen konnte ich nun auch nicht mehr.

Doch ich konnte dieses kleine Kind doch nicht einfach hier alleine stehen und weinen lassen. „Komm kleine Maus. Ich helfe dir. Sei nicht mehr traurig. Ok? Wir werden es schaffen.“, versuchte ich sie aufzuheitern.

Erschrocken starrte das Kind plötzlich hinter mich.

Ich erschreckte mich und drehte mich sofort um. „Was ist da?“

Eine dunkel gekleidete Person stand nicht weit hinter mir und lief auf uns zu. Meine Sorge verging jedoch direkt und ich atmete beruhigt auf. „Ach. Das ist nur ein Freund von mir. Er hilft uns bestimmt auch!“, versicherte ich dem Mädchen und drehte mich wieder zu ihr. Doch sie war verschwunden.

„Was?“, fragend stand ich auf und schaute mich um. Weder auf dem Platz noch auf dem kleinen Weg war sie zu sehen. Auch nicht an den Häusern oder am Brunnen. Sie war einfach verschwunden. „Wo... ist sie hin...?“, fragte ich verwirrt und sah in die Ferne.

„Wer soll wo sein?“, verhörte der Schattenmann mich. „Kaum bin ich weg, hast du schon wieder Probleme?“ Hochmütig verschränkte er die Arme und sah mich mit hochgezogener Augenbraue an.

Es war seine Absicht mit wieder mit seiner Äußerung zu provozieren, doch das ließ ich an mir vorbei fliegen. „Schön, dass du doch noch gekommen bist!“, grinste ich frech und wandte mich zu ihm.

„Ja... wie auch immer. Was hast du jetzt vor?“, rollte er als Antwort mit den Augen.

Ich kicherte nur. „Folge mir!“ Dann lief ich zu ihm, und legte meine Hand auf seine Arme. Der Junge blickte mich ganz verwundert an. Seine Arme öffneten sich. Schließlich hielt ich ihn an seiner Hand und lief voraus.

Es verschlug ihm direkt die Sprache. Er sah mich nur mit großen Augen an, schluckte kurz und folgte mir ohne weiteres Murren.

Seine Hand war kalt. Natürlich. Es machte mir schon nichts mehr aus. Ich lief mit ihm einfach etwas über den Platz, bis zu der Ecke eines Gebäudes.

Draußen sah man die weißen runden Tische mit den passenden Stühlen stehen. Es sah aus wie eine kleine Veranda, die von einem süßen weißen kleinen Gitter eingegrenzt wurde. Es nicht sehr groß, doch es sah sehr gemütlich aus. Über dem Glaseingang hing ein großes Schild mit der Aufschrift – Eiskaffee – .

Ohne Zeit zu verlieren machte ich es mir direkt auf einem dieser Stühle bequem. Der Schattenmann jedoch blieb stehen und sah mich nur reglos an.

„Setz´ dich!" grinste ich und zeigte auf die andere Seite meines Tisches.

Er verschränkte wieder seine Arme ineinander, „Wieso sollten wir uns einfach hier hin setzen?“

Doch ich reagierte nicht auf seine Frage. Erneut deutete ich mit meiner Hand auf den Platz. „Na los.“, lächelte ich. „Es passiert schon nichts schlimmes.“

Wieder sah er mich verdutzt an und zog die Augenbrauen hoch. Doch ihm wurde klar, dass ich nicht auf seine Fragen antworten würde.

Er fügte sich und trottete zum Tisch. Angespannt setzte sich mir gegenüber.

Einen Arm über die Stuhllehne, den anderen auf den Tisch. Etwas seitlich hatte er auf dem Stuhl platz genommen und sah sich zuerst die Umgebung an. Es war ihm sichtlich unangenehm und er blickte ständig beunruhigt umher.

„Entspann dich.“, versuchte ich ihn zu beruhigen und lächelte liebevoll.

„Mir gefällt nicht wie du grinst.", antwortete er nur launisch.

Um schnell der Situation zu entkommen griff ich mir die Eiskarte und huschte dahinter. "Hmh was nehme ich und was sollte er nehmen. Etwas besonderes aber nicht zu außergewöhnlich. Schoko-Mandel-Banane-Eis-Mix-Würfel-Wolken-Becher? Caramel-Tropfen-Vanille-Kescher-Wasserfall-Split-Eis? Oder lieber eine einfache große Kugel? Oh man. Was die Leute für Ideen haben.“ Ich blätterte weiter und schaute mir die verschiedenen Eissorten an während der Junge nur mürrisch da saß und wartete.

Nachdem ich einige Minuten schweigend hinter der Karte verschwunden war, blickte ich kurz über den Rand zum Jungen.

Seine beobachtenden, verärgerten Blicke trafen mich. Mit seinen Fingern klopfte er ungeduldig auf den Tisch.

Zurück auf der Speisekarte viel mir doch direkt ein Bild auf. „HA!", sagte ich. „Ich weiß was wir nehmen!" Grinste ich ihn an, schlug die Karte zu und legte sie mit einem Schwung auf den Tisch.

„Was ist das?", er lehnte sich vor um die Speisekarte zu nehmen. Doch im gleichen Moment zog ich ihm die Karte unter seiner Hand weg.

„Warte! Du wirst das schon sehen.", lächelte ich glücklich.

Doch er begegnete mir wieder mit einem Gesichtsausdruck aus welchem man gereizte Nerven und schlechter Laune lesen konnte. "Du weißt schon, dass ich wichtigeres zu tun habe?"

„Nein! Heute entspannst du dich mal!", widersprach ich ihm und lehnte mich bestimmerisch über den Tisch.

Ohne Antwort drehte er sich wieder von mir weg. Soll er doch. Sobald er das Eis schmecken sollte, wird es ihm schon besser gehen! Davon war ich fest überzeugt.

Dann begrüßte uns auch schon eine Frau mit Schürze, Zettel und Stift.

„Willkommen!“, lächelte sie nett. Ihr Blicke wanderten erst zu mir und dann zum Schattenmann. Unnötig strafte er auch die Kellnerin mit seiner finsteren Miene.

Sie machte schützend einen Schritt zur Seite und lächelte überfordert. „Eh... Haben sie sich schon entschieden?“

Ich hob die Hand und zeigte zwei Finger. „Zwei mal Spagetti!“, antwortete ich.

„Alles klar. Sofort.“ Sie notierte kurz etwas auf ihrem Zettel und sprintete sofort zurück in das Kaffee.

Als sie im Eingang verschwunden war, stützte ich meinen Kopf lächelnd auf meine Hände und betrachtete den Jungen ganz auffällig.

Er versuchte mich zu ignorieren. Doch meinen Blicken konnte er nicht entkommen. Seine Hand wurde ungeduldiger und sein Gesichtsausdruck genervter.

Immer schneller tapste er mit seinen Fingern auf den Tisch. Bis er plötzlich seine Faust zusammendrückte.

„Was ist?!“, moserte er.

„Erzähl mir was!“, antwortete ich gewappnet auf seine Frage.

Der Junge zögerte kurz. „Was soll ich dir denn erzählen?“

„Also erst mal solltest du mal lockerer werden. Und das wirst du indem du mir etwas erzählst! Ehm... Wie war dein Tag bis jetzt! Wie hast du geschlafen?“, versuchte ich mit ihm eine Konversation zu starten, welche nicht direkt negativ beginnen sollte.

Kurz sah er weg und atmete schwer ein. „Ich.. schlafe nicht.“, verriet er mir und richtete seinen Blick nachdenklich auf den Tisch hinab.

Überrascht sah ich ihm in seine von Trauer geplagten Augen. Erst zögerte ich. Doch ich konnte meine Neugier nicht zügeln.

„Du schläfst überhaupt nicht?“

Er setzte sich gerade hin und wurde wieder ganz ernst. „Nein. Es ist Jahre her, da schlief ich vor Erschöpfung ein. Ach ja. Und vor ein paar Tagen, als dein Schild meinen Angriff geblockt und auf mich zurück geworfen hat.“, erklärte er unangenehm.

Mein Schild? Ich erinnerte mich wieder. Ja! Mein Schild.

Das passierte wenn er mich angreifen sollte. Durch unseren Packt ist es ihm nicht möglich mich zu verletzen. -Er lässt mich am leben und im Gegenzug werde ich ihm nützlich sein.-

„Aber dann träumst du ja gar nicht! Träumen ist doch so schön.“, ich lehnte mich betrübt zurück und drehte meinen Kopf schräg.

„Das ist auch der Grund. Ich beabsichtige es nicht zu träumen. Es sind ja doch nur Albträume.“, seine Worte wurden immer leiser. Wieder legte sich eine düstere Stimmung um uns.

Mein Versuch ihn abzulenken und aufzuheitern funktionierte nicht.

Das war uns beiden sehr unangenehm. Ich biss mir nachdenklich auf die Lippe. Es konnte doch nicht sein, dass einfach alles was er erzählt unangenehm ist und eine schlechte Stimmung verbreitet!

„Nein!“, sagte ich laut und schlug auf den Tisch.

Der Junge schreckte zurück und sah mich verwirrt an.

„Ich will keine schlechte Stimmung heute!“, ermahnte ich ihn motzend.

Der Mittag

Lange starrte er mich nur schweigend an. Mit meiner Reaktion hat er nicht gerechnet.

Der Schattenmann wollte wieder in seinen deprimierenden Emotionen ertrinken. Das wollte ich nicht zulassen! Er sollte heute einen schönen Tag haben!

Doch dann drehte er sich lächelnd zur Seite und lachte still und kurz.

Ich hatte ein riesiges Fragezeichen im Gesicht. „Hä..?“

Hatte ich es geschafft? Hatte er endlich gute Laune?

Verunsichert begann ich auch zu lächeln. „Was...? Was findest du... denn so witzig?“

Doch die Antwort sollte mir gar nicht so gefallen wie ich hoffte.

„Es ist süß zu sehen, wie eine so schwache Person versucht etwas bestimmen zu wollen.“, lachte er.

Ich war irritiert. Eigentlich wollte ich mich über sein Kommentar aufregen. Doch er lächelte. Das war doch schon mal ein guter Anfang.

Also hielt ich meinen Ärger zurück. Denn es war es doch gar nicht so böse gemeint wie ich im ersten Augenblick aufgefasst hatte.

„Püh. Du weißt gar nicht wie stark ich sein kann!“, schmunzelte ich und drehe mich gespielt beleidigt weg.

„Frauen müssen nicht stark sein.“, sagte er. Seine Stimme klang nun so ruhig und entspannt.

Als ich fragen wollte weshalb er dieser Meinung sei, verstummte ich jedoch bei seinem plötzlich so eindringlichen und liebevollen Blick.

Ich brachte einfach keinen Ton von meinen Lippen.

„Frauen sind reine Wesen. Das macht sie so zerbrechlich. Männer sollten stark sein um sie beschützen zu können.“

Es war so viel Anmut in seinen Worten.

Wieso wurde ich so starr? Wieso traute ich mich nicht darauf zu reagieren?

Ich ertappte mich wie ich die Luft angehalten hatte.

Noch immer sah er mich so vertraulich an. Was war das plötzlich?

Verlegen presste ich meine Lippen aufeinander und spürte wie meine Wangen warm wurden.

Was ist los mit mir?

Ich konnte ihm nicht mal mehr in seine hellen fast weißen Augen schauen. Es war nicht unangenehm. Sondern ungewohnt liebevoll.

Für den Moment wusste ich nicht was ich tun oder antworten sollte. Dabei spürte ich seinen beobachtenden Blick.

Doch der Schattenmann löste die Stille und kicherte. „Und genau so schweigen sollten Frauen auch!“, dann wurde sein Ton wieder so genervt wie vorher. „Und nicht immer quasseln wie ein Wasserfall!“, fügte er noch schnell hinzu.

Das war wieder ein Klingeln in meinen Ohren. Schon wieder versuchte er mich zu provozieren.

Ich schmunzelte und sah ihn unbeeindruckt an. „DANKE.“, erwähnte ich mit überdeutlicher Stimme. Aber seine Miene blieb bei einem entspannten Grinsen.

Diesen Blick mochte ich von ihm. Sein Lächeln zeigte er so selten.

Warum sollte ich diese Tatsache für mich behalten? Jeder mag Komplimente!

Also lehnte ich mich selbstbewusst nach vorn. „Ich mag es wenn du so lächelst!“

Daraufhin verging sein Lächeln sofort wieder. „Aha.“, seine Stimme klang nicht mehr so beruhigend, sondern wieder eher mosernd. Das ärgerte mich.

„Du bist immer so launisch! Dein Lächeln sehe ich so selten! Dabei macht dich das viel hübscher!“, munterte ich ihn auf.

Moment, was habe ich da gesagt?

Erst als ich mir meinen Satz noch einmal durch den Kopf gehen lassen hatte, riss ich ertappt die Augen auf. „Ehm. Also..“ Auch er war etwas verwirrt von meiner Aussage.

Warum hatte ich das gesagt?

Ich hatte es gesagt, weil es stimmte. Jetzt erst viel mir auf wie attraktiv er aussah. Seine Augen waren die hellsten die ich bisher gesehen hatte. Sie waren so klar und sahen mich aufrecht an. Ich konnte in seinem Blick bisher nur Ärger, Trauer und Hass erkennen. Doch nun war der Hass eine Weile verschwommen.

Durch seine dunkle Weste die er trug, kamen seine breiten Schultern und muskulösen Arme sehr gut zur Geltung. Auch wenn seine Haut sehr hell war, war sie rein. Seine Hände waren groß und kräftig. Und seine dunklen Haare umrandeten sein ansehnliches feines Gesicht. Dazu war er auch noch sehr groß und stabil gebaut.

Ich ertappte mich wie ich ihn begutachtete und blickte nervös mit knallrotem Gesicht zur Tür des Kaffees. „Ah! Da kommt es schon!“, meinte ich hektisch und deutete auf die beiden Teller mit dem Eis, welche uns genau in dem Augenblick gebracht wurden.

Der Schattenmann schwieg lediglich und richtete seinen fragenden Blick nun auf das, was die Kellnerin uns servierte.

„Guten Appetit ihr beiden!“, wünschte uns die Frau und platzierte die Teller mit den Speisen vor uns.

Zwei große Portionen cremiges Vanilleeis, geformt als Nudeln. Darauf eine appetitliche Erdbeersoße die über das Nudeleis gegossen wurde und an manchen Stellen zart hinunter floss. Kleine Vanilleschokoladenraspeln auf dem Ganzen verzierten alles noch schmackhaft.

Der Junge sah sich das Spagettieeis genau an. „Und was ist das?“, fragte er neugierig.

„Das ist Eis. Iss nicht alles auf einmal!“, erklärte ich kurz um ihm nicht die Überraschung des Geschmacks zu nehmen und nahm direkt einen Löffel in den Mund.

Zurückhaltend nahm er den kleinen Löffel mit dem langen Griff.

Ich wollte seine Meinung wissen. Würde es ihm schmecken? So etwas hat er bestimmt noch nicht gegessen!

„Mit dem Löffel kannst du das essen.“, meinte ich aufdringlich.

„Das weiß ich selber!“, fauchte er zurück.

Dann nahm er etwas von dem Eis auf den Löffel. Ich beobachtete detailgenau was er tat.

„Könntest du aufhören mich so anzugaffen?!“, er sah mich grimmig an und zögerte das Essen weiter hinaus.

Schnell sah ich wieder auf meinen Teller und aß still weiter.

Doch als er das Eis in den Mund nahm und probierte, stoppte er plötzlich. Er riss die Augen auf und blickte mich fassungslos wie ein Stein an.

Ich erschreckte leicht. Was war plötzlich los? Er wirkte von jetzt auf gleich so angespannt.

Stumm sah ich ihn einfach nur an. Er schlug mit seinem Löffel in der Hand auf den Tisch und ich schreckte konfus zurück. „Ist.. alles ok?“, fragte ich mit der Angst, er würde wieder ausrasten. Bitte nicht hier. Hier wo so viele Menschen sind.

Dann zeigte er auf den Teller.

„DAS IST LECKER!“, rief er freudestrahlend, „So etwas habe ich noch nie gegessen!“, und schlemmte sein Eis weiter.

Mir viel ein Stein vom Herzen. Beruhigt atmete ich aus. Während er weiter genüsslich sein Eis aß wurde ich immer glücklicher.

Es hatte funktioniert. „Freut mich dass es dir schmeckt.“, kicherte ich und beobachtete seine muntere Gestalt.

Ich habe geschafft, dass er, wenn auch nur für einen Moment, sorgenfrei und heiter war.

Endlich.
 

Es dauerte eine Zeit, bis er sich beruhigte. Jeden Löffel genoss er innig.

Ich fühlte mich gut meiner Aufgabe nun schon einmal nachgekommen zu sein. Fühlte ich mich deshalb so gut? Oder war es, weil ich sein strahlendes Lächeln sehen konnte und wusste, dass ich ihm eine Freude gemacht habe.

„Was isst du denn sonst?“, viel mir dann ein.

Er war schon fast mit seiner Portion fertig und löffelte erst das geschmolzene Eis mit der Soße bevor er sich wieder dem Festen widmete.

„Nichts. Ich brauche kein Essen.“

Betroffen legte ich den Löffel zur Seite. „Kein Essen? Kein Schlaf?“

„... Nein...“, antwortete er und löffelte das letzte geschmolzene Eis. „Du kennst dich nicht so sehr aus.“, er wurde immer ruhiger im Ton. „Denk nicht ich sei arrogant, doch ich bin in diesem Bereich der Dämonenwelt der weitaus Stärkste... Diese Seelen und die Macht die ich dadurch besitze, stärken mich. Dadurch brauche ich dieses unnötige Zeug nicht.“, erklärte er ganz offen.

Ich starrte auf meinen leere Teller und dachte nach. Natürlich wollte ich eigentlich nicht weiter über das Thema reden, denn es sollte nur wieder einen unangenehmen Nachgeschmack haben. Doch ich war so neugierig. Ich wollte doch so unbedingt mehr erfahren. Und gerade er. Der Schattenmann, über den ich oft gehört und gesehen hatte wie mächtig er war, öffnete sich mir nun.

„Warum willst du denn... so stark sein?“, tastete ich mich langsam an das Thema.

Er legte den Löffel hin und lehnte sich wieder an den Stuhl. „Um mich gegen jemanden wehre zu können.“

„Wehren? Aber wer würde dich schon herausfordern, wenn man doch weiß wie stark du bist?“, fragte ich im Vertrauen, dass er ehrlich zu mir sein wird.

Der Schattenmann belächelte meine Frage. „Nicht viele. Manche sind so töricht und wollen mich herausfordern. Eigentlich gibt es kaum jemanden der es gegen mich schafft oder auch nur den Hauch einer Chance hat in einem Kampf gegen mich zu überleben.“

Mir fiel der Kampf ein, den er in dieser Halle hatte. „Und was ist mit Deeon? Schafft er es gegen dich?“

Der Name traf ihn wie ein Schlag in den Magen. Es war unangenehm für ihn über Deeon zu reden. Nach einer Weile antwortete er trozdem. „Dieser schmierige Verräter. Wärst du nicht gewesen (!!!) -“, er wurde immer lauter doch bremste sich selber. „Wärst du nicht an dem Tag da gewesen, hätte ich diesen Dieb zerstückelt. Er denkt, nur weil er ein schmieriger Engel ist, dass er alles könnte!“

Mir blieb kurz die Luft weg. „Engel?“

Doch er sprach gereizt weiter. „Nur ein Angeloi! Dessen Aufgabe es mal war den Menschen Botschaften zu liefern. Doch dieses miese Schwein war schon immer gut darin Vertraute zu hintergehen! Also ist er nun ein verfluchter, abtrünniger Engel!“

Ergriffen versuchte ich zu begreifen, was er meinte.

Ein abtrünniger Engel. Ein gefallener Engel. Ein Engel der sich gegen die Regeln stellte. Ein Engel der sich gegen Gott stellte.

Ich schluckte. Mein Bauch krampfte zusammen. Das wollte ich doch gar nicht hören. Deeon war nicht böse. Ich wollte das nicht glauben!

Der Junge presste seine Faust zusammen und seine Zähne aufeinander. „Ich war so weit! Und er hatte alles zerstört.“, in seinen Augen erkannte ich wie er sich schmerzhaft erinnerte.

Ich traute mich nicht etwas zu sagen. Doch mich verletzten seine Worte.

„Er hat dich beklaut.“, sagte ich mutig.

„Er hat mehr als nur die Hälfte meiner Seelen geklaut! Er hat mich ausgenutzt und hintergangen! Meine Arbeit zu Nichte gemacht! Und dann einfach für Jahre verschwunden! Feigling!“. Jedes seiner Worte stach in mein Herz. „Er ist nur eine verlogene Schlange, ohne Stolz! Jemand ohne Prinzipien. Ein Lügner dem man nicht vertrauen kann!“

„Hör auf!!!“, schrie ich ihn an und sprang mit Wuttränen in den Augen auf. „Hör auf immer alles und jeden so zu hassen!“, schimpfte ich. „Ich weiß nicht was er dir alles angetan hat! Doch ich weiß, dass es ihm leid tut! Ich will nicht glauben, dass er so schlecht ist!“, weinte ich und schüttelte den Kopf. „Ich weiß, dass du verletzt bist! Aber, gib ihm doch noch eine Chance!“, mein Herz pochte wild. Meine Knie zitterten. Ich fühlte meinen Herzschlag bis in meinen Kopf.

Auch wenn Deeon, der Mann den ich so in mein Herz geschlossen hatte, wohl ein gefallener Engel war, wusste ich, dass er ehrlich zu mir war.

Er hatte mir erzählt, was er getan hat. Er wusste, dass er etwas schlimmes damit getan haben musste. Und ich habe gemerkt, dass er es bedauerte den Schattenmann damit verletzt zu haben.

Doch der Schattenmann atmete nur schwer. „Hat er dich auch schon um den Finger gewickelt?“, verpönte er mich.

Wütend ging ich einen Schritt zurück „Hast du ihn überhaupt mal gefragt, wieso er das getan hat? Wieso-“, doch plötzlich stieß ich mit einer Kellnerin hinter mit zusammen.

Mit Wucht schubste ich sie etwas zur Seite. Dabei verlor sie eine Kanne aus ihrer Hand. Ehe ich mich versah, spürte ich heißen Kaffee auf meinem Bein.

„Aua! Ahh!“, ich setzte mich schmerzerfüllt wieder hin und beendete meine Heulerei.

„Oh nein! Das tut mir so leid!“, entschuldigte sich die Frau und hielt sich fassungslos die Hand vor den Mund.

„Yuki!“ Der Schattenmann stand sofort auf und kniete sich zu meinem Bein herunter.

Schnell wischte ich mit einer Serviette den Kaffee ab. Doch er hatte sich schon in meinen Strumpf gesogen.

Er hob seine Hand und legte sie über mein Bein. „Tolpatsch. Warte nur kurz.“

„Nicht!“, stoppte ich ihn. Ich wusste, dass er meine Wunde heilen wollte. Genau wie er den Schnitt in meiner Hand geheilt hatte. Doch in der Öffentlichkeit Magie anzuwenden würde die Menschen nur verschrecken.

Er verstand mich ohne weitere Worte. Dann nickte er und zog mir meinen Kniestrumpf herunter.

Ich riss mein Bein weg. „Hey! Was machst du da!?“, fragte ich beschämt und wollte seine Hand weg schlagen.

Doch er hielt sie fest und ich erschrak leicht. „Möchtest du den heißen Strumpf anbehalten und dich weiter verbrühen?“, fragte er mich.

„Ehm... nein.“, dann zog ich meine Hand wieder zurück und ließ ich ihn weiter machen. Er zog meine Stiefelette aus und meinen Strumpf herunter.

„Einen kalten Lappen!“, forderte er von der Kellnerin.

Sie nickte verwirrt mit dem Kopf. „Ja! Natürlich!“, und rannte schnell in das Gebäude.

„Auuu...“, quengelte ich wieder und gaffte auf mein Bein. Der Schattenmann hielt es etwas hoch. Dadurch konnte ich gut die verbrühte Haut sehen, welche schon ganz rot war.

„Hör auf zu plärren.“, kam der Junge mir entgegen. „Du bist ständig so ungeschickt. Das Jammern hilft da auch nicht mehr.“

Ich schniefte und wischte mir meine Tränen weg. Meine Finger zitterten leicht und ich war ganz starr vor Schreck.

„Das dauert zu lange!“, ärgerte sich der Schattenmann. Plötzlich stellte er sich wieder auf. Dann griff er mich am Rücken und unter meinen Beinen und hob mich wie eine Feder hoch.

Ich spürte wieder seine kalten Hände. Doch er trug mich behutsam in seinen Armen als er schnell in das Gebäude lief.

„Junge Dame! Verzeihen sie Uns bitte! Wir-“, uns kam ein Mann uns entgegen. Doch der Schattenmann unterbrach ihn mit seiner mürrischen und bestimmten Art. „Kaltes Wasser! Jetzt!“

„Natürlich. Kommen sie bitte hier her!“ Der Mann führte uns zu einem kleinen Abstellzimmer.

Der Junge setzte mich auf eine kleine Kiste und die Kellnerin rannte schon mit einem Eisbeutel in unsere Richtung.

Ich erstarrte kurz auf als die Kälte mein Bein berührte, doch der Schattenmann legte dein Eisbeutel ganz behutsam auf meine verletzte Haut. Der Beutel war etwas kälter als die Hand des Schattenmannes.

Wir schwiegen beide eine ganze Weile.

Ich beobachtete ihn nur, wie er mein Bein kühlte und mich gar nicht weiter ansah.

Sollte ich mich bedanken? Aber er hatte mich vorher noch so angebrüllt. Wieso ist er nur so?

„Geht es wieder?“, fragte er schließlich nur.

„Hmh.“, ich nickte.

Lange war ich zu schüchtern um ein Wort von meinen Lippen zu geben. Es war mir unangenehm, dass durch mich schon wieder so ein Trubel verursacht wurde. Ich hatte Sorge, dass der Schattenmann wieder böse sein würde.

Aber er war ganz anders. Ich erinnerte mich, wie er mich im Regen sitzen ließ oder mich alleine in der Dämonenmasse untergehen lies. Wie wir uns in der Schule gestritten hatten, er mich nach seinem Kampf anbrüllte oder mir voller Hass die Luft abschnürte als ich ihn rief.

Und jetzt?

„Jetzt sitzen wir hier und du hältst mir Eis an mein Bein.“, lächelte ich besorgt.

Er sah kurz zu mir herauf doch reagierte nicht weiter. Ich biss nachdenklich auf meine Lippe und fummelte an meiner Jacke.

Natürlich war er noch sauer. Doch ich merkte, wie er sich zurück hielt.

Ich seufzte kurz. Doch mein Lächeln verging nicht.

„Meine Mutter ist gestorben.“, begann ich zu erzählen.

Bestürzt sah der Schattenmann mich an.

„Sie starb bei meiner Geburt. Ich lebe alleine mit meinem Vater. Und er versucht alles, damit er mir ein gutes Leben bereiten kann.“, sprach ich weiter. „Mein Großvater hat mich öfters geschlagen. Er war der Vater meiner Mutter. Ich sehe so aus wie sie, hat er immer gesagt. Er gibt mir die Schuld an ihrem Tot. Ich war nie gut genug für ihn. Er hätte die Möglichkeit meinem Vater zu helfen. Doch wegen mir, muss auch mein Vater leiden.“, mir schossen Tränen in die Augen, als ich ihm das erzählte.

Der Schattenmann tupfte ein wenig den Eisbeutel auf mein Schienbein. „Es würde ihm nicht besser ohne dich gehen. Er liebt dich. Alles andere ist deinem Vater egal.“, erklärte er und nahm den Beutel wieder weg.

Schniefend nickte ich ihm zu. „Ich weiß.“, drang gerade so aus meinem Mund ehe ich kurz zu weinen begann. Aber ich wischte mir sofort durch mein Gesicht und lächelte wieder. „So. Jetzt habe ich dir auch etwas unangenehmes von mir erzählt.“

Er wirkte zwar noch nachdenklich, doch erwiderte mein Lächeln.

Dann legte er plötzlich seine Hand auf meine wunde Haut und strich schnell, sanft berührend über mein Bein.

Überrascht sah ich auf die Rote, schmerzende Stelle. Es hörte auf zu brennen und das rot färbte sich wieder normal.

„Hey! Du solltest das doch nicht machen!“, grinste ich empört.

„Als wenn ich auf dich hören würde.“, begegnete er mir mit leichtem Unterton und stand auf. „Stell dich wieder hin. Du wolltest doch einen stressfreien Tag.“

Ich zog meinen anderen Strumpf auch aus und zog meine Stiefeletten wieder an.

„Es tut mir leid.“, zögerte ich leise.

Ohne mich anzusehen nahm er meine Hand und lief mit mir zur Tür. „Hör auf zu jammern.“

Ich folgte ihm überrascht. „Dann möchte ich mich bedanken!“, sagte ich schnell.

Vor der Tür drehte er sich kurz am. Alles was er tat war: zu lächeln. Dann gingen wir wieder nach vorne in den Eingangsbereich.
 

Glücklicherweise bedauerte der Chef des Kaffees noch einmal diesen Zwischenfall und wir mussten das Eis nicht bezahlen. Glück im undglück.

Ich griff mir meine Tasche und schwang sie um meine Schulter. Aber als wir zum Ausgang liefen blieb der Schattenmann plötzlich stehen. Er beobachtete etwas draußen.

Das kleine Mädchen, welches mich zuvor ansprach stand an der Scheibe. Es sah aus, als würde es uns anstarren. Sie wirkte total gruselig.

„Was? Was ist los?“, fragte ich.

Er zögerte einen Moment. „Ich bin mir nicht sicher.“ Doch dann lief das Mädchen wieder weg und seine Anspannung legte sich wieder. „Egal. Lass uns weiter.“

Kaum von der Situation berührt flüsterte ich ihm zu. „Das war ja eigentlich ganz praktisch. Es war zwar ein kurzer Schmerz, aber das Eis war umsonst.“, kicherte ich und lief mit ihm aus dem Gebäude.

Und der Rest des Tages sollte angenehm werden.
 

Der Anfang ja war etwas holperig. Dennoch war es mir gelungen einen schönen Tag zu haben und dazu das grimmige Gesicht des Schattenmannes zum Lächeln zu bringen.

Im weiteren Verlauf des Tages lief er mit mir durch die halbe Stadt. Ich zeigte ihm alles Mögliche was ihn interessieren könnte.

Kleidergeschäfte, an dessen Fenstern ich jedes mal stehen blieb und er genervt auf mich wartete. Kleinen Entchen, die manchmal von dem Teich am Brunnen weg gingen und durch die Stadt quakten. Sie kamen dem Schattenmann nie zu nahe. Anscheinend spürten sie seine dunkle Aura. Auch wenn er ihnen am liebsten voller Ärger ein Messer hinterher werfen wollte und ich ihn gerade eben so davon abhalten konnte, war es einfach nur witzig.

Natürlich blieben wir an jedem weiteren Geschäft stehen, das Fastfood verkaufte.

Chips, Pommes, Nudeln, Pizza, Bratwurst, Burger. Es war nicht viel was ich ihm kaufen konnte, doch er konnte von allem etwas probieren.

Ich zeigte ihm den kleinen Park und die Vögelchen dort. Mit Krumen von Waffelhörnchen fütterten wir die Vögel, die nicht so scheu waren. Dann kaufte ich uns Limonade aus dem Automaten und wir saßen lange auf der Bank neben dem großen Kirschblütenbaum.

In der ganzen Zeit viel kein Wort mehr über die Dämonenwelt, Deeon oder seine Vergangenheit. Generell sprachen wir nicht viel miteinander. Wir beide genossen einfach nur die freie, ruhige Zeit.

Ich freute mich jedes Mal, dass ich ihm etwas neues zeigen konnte.Und er war von einfach allem fasziniert. Er zeigte es nur selten, denn meistens versuchte er seine Freude mit seiner mürrischen Art zu überspielen. Aber ich wusste, dass es ihm gefiel.

Das Kino und die Eishalle waren auch auf unserem Weg, doch es zog ihn jedes Mal wieder zum Essen.

Wir stritten uns nicht mehr. Natürlich wussten wir beide, dass es noch viel Unangenehmes zu besprechen gab. Aber das hielten wir uns für einen anderen Moment.

In diesem Fall waren wir uns mal einig.

Es war seltsam mit ihm den ganzen Tag zu verbringen. Aber auch schön. Langsam merkten wir beide, dass wir gut miteinander auskommen können.
 

Als dann der Tag zu ende war und die Sonne unter ging, war auch mein Geld verbraucht.

Langsam machten wir uns also wieder auf den Rückweg.

„Praktisch, dieses kugelförmige Eis! Und dann in diesen Hörnchen, die man auch noch essen kann!“, meinte er staunend und leckte an seinem letzten Nusseis während wir wieder durch die Stadt zu mir nach Hause liefen.

Doch ich lachte nur „Dass du so viel essen kannst! Ich müsste das meiner besten Freundin erzählen. Die kann genau so viel essen wie du.“ und lief neben ihm gemütlich weiter.

Plötzlich blieb er stehen. Wie erstarrt hörte er auf das Eis zu essen. Aufmerksam versuchte er auf seine Umgebung zu achten.

„Hmh? Was ist denn?“, fragte ich beunruhigt.

„Shirooo!“, schrie eine schrille Stimme plötzlich hinter uns.

Noch bevor wir uns umdrehen konnten sprang ein kleines rothaariges Mädchen dem Jungen um den Hals.

„Kitsune?!“, fragte ich fassungslos und wich zurück. „Aber, was...?“

Dann rannte noch jemand zu uns. „Oh mein Geliebter!“, kreischte die zweite Person.

Sie rannte zum Schattenmann, riss Kitsune von ihm und umklammerte ihn selber.

Ich konnte meinen Augen nicht trauen. „M.. Mephisto?!“

Der Schattenmann blieb genervt wie ein Fels stehen.

„Wir haben uns so Sorgen gemacht!“, wimmerte der rothaarige, klammernde Typ. „Du bist sonst nie so lange weg! Schon den ganzen Tag! Kitsune hat mir nur erzählt wie du die Nacht lang gedankenversunken durch deine Bücherei gedackelt bist! Und plötzlich warst du den ganzen Tag weg! Wie kannst du mich nur mit so einem gewöhnlichen, herzlosen Mädchen hintergehen!!!?“, schimpfte er tragisch.

„Was? Meinst du... Hallo? Meint der mich?!“ ich stellte mich mit den Händen in der Hüfte verärgert neben ihn.

„Natürlich du! Ich wusste von Anfang an, dass du mir meinen Schatz klauen wolltest!“, fauchte er herrisch.

Der Abend

Mephisto drückte seinen Kopf auf die Brust des Schattenmannes und hielt ihn fest umschlungen. Dabei jammerte er mit schriller Stimme. „Wie kannst du mir nur so einen Schrecken verpassen! Ich dachte du-“, doch er schwieg bei dem grimmigen Blick des Schattenmannes. Er strafte ihn einfach nur mit seiner kalten, genervten Miene.

Sofort löste Mephisto seinen aufdringlichen Griff und sprang entsetzt zurück. Doch seine Furcht ging direkt in einen Flirt über. „Uhu. Mein Liebling. Ich liebe diesen eiskalten und herrischen Blick von dir. Bestrafe mich ruhig! Rawr.“, turtelte er.

„Ehm... oke...?“, fragte ich überfordert, nicht wissend wie ich mit der Situation umgehen sollte.

„Ach halt du dich raus! Nur wegen dir war er so unachtsam!“, schimpfte er und richtete sich wieder seinem Liebling zu. „Schatz, ich kenne es ja gar nicht von dir. Normal hättest du uns doch Kilometer vorher bemerken müssen.“, dann wurde seine Stimme tief und sinnlich. „War da jemand abgelenkt. Hmh?“, fragte er und deutete auf mich, und danach auf das Eis, welches sich noch in der Hand des Jungen befand.

Doch unbeeindruckt hob der Schattenmann sein Hörnchen und ließ es gewissenlos auf den Boden fallen.

Bestürzt sah ich, wie das Eis auf den Pflastersteinen aufschlug. Das Hörnchen zerbrach etwas und die Cremekugel hinterließ eine Pfütze.

Kommentarlos erkannte ich dann wieder die emotionslose Mine des Schattenmannes.

Wieso? Bis gerade eben noch platzte er fast vor Freude dieses Eis essen zu können. Und nun warf er es einfach weg.

Er ignorierte meine enttäuschten Blicke und drehte uns den Rücken zu. „Ihr solltet nicht hier sein. Ihr wisst, dass es gefährlich ist.“, kam es genervt von ihm als er den Weg weiter lief. Mephisto folgte ihm penetrant. „Ich muss doch bei dir sein! Außerdem fragt Renekton ständig nach dir.“ Er brabbelte während des Laufens seinen Monolog weiter.

Ich blieb bekümmert stehen und sah auf das weggeworfene Essen.

Wieso hatte mich das so getroffen? Warum verletzte mich das so? Wieso fühlte ich mich selber so weggeworfen?

„Yuki?“, fragte Kitsune besorgt. „Alles gut?“

Ich schaute den beiden Jungs hinterher. Doch der Schattenmann drehte sich nicht einmal zu mir um.

Traurig biss ich meine Zähne fest aufeinander und drehte mich nachdenklich weg.

„Yuki?“, hörte ich erneut von dem kleinen Fuchsmädchen. Sie zupfte an meinem Ärmel.

„Hmh... ja. Alles ok.“, log ich sie an. Es war gar nichts ok. Denn heute sollte doch mein schöner Tag werden.

Ich hatte mich gefreut. Er hatte sich gefreut. Es gab zwar zwischendurch Reibereien. Doch schließlich genossen wir doch die Zeit. Die Zeit die er nun weggeworfen hatte.

Welchen Grund hatte er nur dafür? Anstatt wieder zu überreagieren, sollte ich lieber einen Zeitpunkt nehmen um ihn zu fragen.

Dennoch fühlte ich mich verletzt.

„Komm, wir gehen weiter.“, meinte ich beruhigend und deutete mit dem Kopf nach vorn.

Mephisto und der Schattenmann waren schon aus unserer Sichtweite. Anscheinend machte es ihnen nichts aus, dass wir nicht bei ihnen waren.

„Schau mal.“ Kitsune hielt noch meinen Ärmel fest als ich los laufen wollte.

„Was? Wie? Wo?“, verwirrt sah ich erst zu ihr hinunter, dann folgte ich ihrem Finger, der in eine kleine Gasse zu unserer Rechten zeigte.

Ein Mädchen saß dort. Das Mädchen, welches mich am Mittag angesprochen hatte, als ich auf den Schattenmann wartete. Sie hockte in einer Sackgasse und weinte.

„Das Mädchen!“, überrascht lief ich mit schnellen Schritten auf die Kleine zu.

„Yuki! Warte! Ich denke du solltest das nicht machen!“, versuchte sie mich noch aufzuhalten.

„Nein nein. Ich kenne das Mädchen!“, beruhigte ich sie und näherte mich dem Mädchen weiter.

Sie saß ganz alleine in der Sackgasse und wimmerte.

„Hey Kleine. Was hast du. Warum weinst du?“, ich kniete mich zu ihr hinunter.

„Eh.. Yuki...“, hörte ich wieder von Kitsune. Aber ich reagierte nicht auf ihre besorgten Worte.

„Ich lasse dieses kleine Mädchen nicht hier vereinsamen. Ich hatte sie schon alleine gelassen! Nun weint sie auch noch ganz bitterlich hier! Ich musste ihr helfen! Schon, weil ich es selber kannte alleine gelassen zu werden!“, erklärte ich nur stur.

Behutsam hob ich meine Hand und wollte ihr damit die Haare aus dem Gesicht streichen.

„Hast du noch nicht gefunden, was du gesucht hast?“

Plötzlich packte sie meinen Arm.

Ihr Griff war so fest, dass ich ihn nicht zurück ziehen konnte. Ich erschreckte. Dann sah sie zu mir auf.

Es starrte mich ein bleiches Gesicht an. Ihre Augen waren nur noch schwarze große Löcher und ihr Mund war breit und mit messerartigen Zähnen versehen. Ihr Grinsen riss von einer Wange, bis zur anderen. „ICH. Ich. Ich habe es gefunden! Gefunden! Hahahahaha. GEFUNDEN!“, lachte sie mich irre an.

Entsetzt wollte ich mich von ihr los reißen. Doch sie zog mich ohne Mühe zu sich. „Er hatte recht! RECHT! Hatte er. Ja! Ja hatte er! Hehehehehe.“ Ihr Lachen war so voller Schrecken, dass mein Bauch krampfte und mein Blut gefror.

Kitsune rannte mir zur Hilfe entgegen. „YUKI!“, hörte ich sie noch rufen.

Doch das blasse Mädchen wandte ihren Blick zu der Kleinen. Aus dem Nichts schoss eine tief schwarze Mauer vom Boden. Sie erstreckte sich bis zu den Dächern der Gebäude und versperrte Kitsune den Weg.

Dann stand das Mädchen auf, drückte ihre Hand noch fester zusammen und grinste mich diabolisch an.

Vor Angst konnte ich mich nicht auf den Beinen halten. Mein Herz schlug wie wild. Regungslos blickte ich nur in das dämonische, Angst einflößende Grinsen. Meine Hände zitterten. Hilflos lehnte ich mich mit meinem Körper von ihr weg, doch sie hielt noch immer meinen Arm fest.

„Hehehehe. Sie wird sich freuen! Freuen wird sie sich! JA FREUEN!“

Sie zog mich an sich, dann ließ sie mich los. Doch eine Art Schatten umfasste meinen Bauch und hielt mich stattdessen fest.

„Was willst du von mir?!“, fragte ich sie zögernd. Bewegen konnte ich mich nicht. Dieser Schatten griff mich zu fest.

Doch der Dämon lachte leise. Sie antwortete mir nicht. Plötzlich riss mich dieser Schatten in die Höhe.

Ich schrie vor Schreck. „KYAA!“ Kein Wort fand seinen Weg von meinen Lippen. Wie ein Stein, der meinen Hals verstopfte gelangen nichts außer schreiende Geräusche aus meinem Mund. Dieser feste Halt des Schattens um meinen Bauch quetschte mich schmerzhaft zusammen.

Das Mädchen tapste vergnügt unter mich und schaute zu mir hinauf. „Danke! Danke für die Seele. DANKE! Sie will nur seine. NUR seine! Dann. Dann nehme ich deine! Ja? Ich nehme deine. Deine. Deine.“, je länger sie sprach, desto mehr verzog sie ihr grauenhaftes Gesicht.

Dann lachte sie laut.

Ich hatte Angst. Was würde sie tun? Ich erinnerte mich an den Schmerz in meiner Brust, als meine Seele aus mir versucht wurde heraus zu reißen.

Dieser Schmerz. Diese Angst. Ständige Angst. Immer wieder. Warum sollte ich in ständiger Angst leben? Ich wollte das nicht mehr.

Doch ich ballte die Fäuste mutig zusammen. „Du kannst mich mal!“, schrie ich mit aller Kraft und spuckte auf sie herab.

Noch immer musste ich in diese tiefen, seelenlosen, schwarzen Augen sehen. Doch Aus dem Grinsen wurde eine grimmige Miene. „Du. Du! DU!! Du.... du verfluchtes Stück. STÜCK!“, sie wurde immer schriller und grantiger.

Dieser Schatten, schmetterte mich mit Wucht zu Boden. Der Schmerz des Aufpralls durchstieß meinen ganzen Körper. Mir blieb die Luft weg. Meine Knochen schmerzten. Ich hatte das Gefühl mich übergeben zu müssen. Meine Ohren piepten. Dann sah ich alles um mich nur noch in verschwommen Silhouetten.

Nur benommen spürte ich wie zwei Schattenschlingen meine Hände griffen und mich auf den kalten, steinigen Boden drückten.

Mein Körper war zu schwach. Ich konnte mich nicht mehr bewegen. Der stechende und pochende Schmerz in meiner Brust erlaubte es mir nur schwer nach Luft zu ringen.

Lachend setzte sich das Mädchen auf meinen Bauch und lehnte sich über mich. „Gib sie mir! GIB SIE MIR!!! MIR! LOS!“, brüllte sie. Dann riss sie den oberen Teil meines Mantels auf.

„Ich spüre sie! JA!“, mit gaffendem Blick starrte sie auf meinen Körper. Sie schob ihren Ärmel hoch und legte ihre Flache Hand auf meine Brust.

Ich hatte Angst. Warum konnte ich mich schon wieder nicht wehren? Warum passiert das hier? Was hatte ich schon getan? Sollte das nun wirklich das Ende sein?

Innerlich wünschte ich mir den Schattenmann an meiner Seite. Er würde mich retten. Warum ist er nicht bei mir?

Sollte ich nun sterben?

Es viel mir schwer meine Augen offen zu halten. Doch ich versuchte es mit aller Kraft.

Doch auf einmal schaute das Mädchen auf und wich von mir zurück. „NEIN!“, schrie sie. „NEIN!!! NICHT DU! Du! Du!!! Geh weg!“, kreischte sie entsetzt und löste die Schattenschlingen von meinen Händen.

Benommen erkannte ich zwei Lederstiefel an mir vorbei laufen. Gemächlich machte er einen Schritt nach dem anderen auf das immer nervöser werdende Kind zu. „Hallo Edan.“, hörte ich den Schattenmann sprechen.

Ich konnte meine Erleichterung nur mit einem schweren Lächeln und einer Träne ausdrücken. Denn ich wusste, dass ich nun in Sicherheit war.

„VERSCHWINDE!“, befahl sie. Nervös lief sie immer weiter zurück an ihre Schattenwand.

Als sie sich schließlich an diese presste runzelte sie die Stirn angespannt. Beide sahen sich mit fokussiertem Blick an.

Dann schnellte ein spitz zusammenlaufender Schattenstab aus der Wand auf den Jungen zu.

Doch gelassen machte er nur eine Bewegung zur Seite und näherte sich ihr weiter. „Deswegen konnte ich dich nicht bemerken. Du schleichst als Schatten herum und vergreifst dich jetzt sogar an den lebenden Körpern von Kindern?“, sagte er herablassend mit seiner grimmig klingenden doch arroganten Stimme.

Doch sie warf verzweifelt noch einen Schatten auf ihn. Erfolglos. Er wich erneut unbeschwert aus und trat vor sie. Sie wussten beide, dass er überlegen sein würde.

„NEIN!“, brüllte sie, als sie sich an die Wand hockte und ihre Aussichtslosigkeit erkannte.

Brutal griff der Schattenmann sie am Hals und hob sie hoch. „Ich hasse es, wenn jemand an meine Seele will.“, erklärte er leise und gewissenlos.

Doch das Mädchen fing an zu schmunzeln. „Sie will ihre Seele wieder! HA! Sie! Sie holt sich ihre Seele! Ihre Seele! HAHA! Du hättest ihn töten sollen! Ihn! Er hat keinen Kiefer mehr! Kiefer! Herausgerissen! Dein zweiter Dolch ist zerstört. ZERSTÖRT. Sie weiß das. Sie weiß das ALLES! Du bist dumm. Du bist erledigt! Du weißt, dass sie kommt! Du weißt es. HAHAHA.“

Erschrocken riss der Junge die Augen auf. Was sie sagte erzürnte ihn.

Er würgte den Hals des Mädchens noch fester zusammen. Wie ein Fisch am Harken zappelte sie. Verärgert biss er die Zähne zusammen und hob nun seinen anderen Arm. Ein Messer tauchte in seiner Hand auf.
 

Währenddessen versuchte ich mich wieder aufzuraffen.

Der Schmerz ließ langsam nach und ich konnte wieder bedenkenlos Atmen. Doch war ich noch sehr zitterig.

Geschwächt kroch ich zur Seite und lehnte mich an die Mauer des Hauses. Mein Kopf pochte noch, aber die restlichen Schmerzen ignorierte ich durch die Aufregung. Ängstlich legte ich meine Hand auf meine Brust und sah, wie beide Dämonen weit von mir weg standen.

Er drückte sie an die Wand und hatte sie fest im Griff. Immer wieder versuchte sie sich mit Zappelleien und Kratzen an seinem Arm zu befreien.

Jedoch zeigte nichts davon eine Wirkung. Ohne viel Kraft zu verschwenden hielt er sie weiter.

Doch unbekümmert holte er mit seinem Dolch aus. Plötzlich sah mich dieses kleine Monster an. Dann blickte sie panisch zurück zu ihm. „Wenn du mich tötest. Tötest du auch das kleine Mädchen! DAS Mädchen! Mädchen!“, grinste sie frech, ihrem Schicksal jedoch entgegensehend.

Ich wunderte mich und richtete mich aufmerksam zu ihnen. Denn sie hatte recht. Sollte es wirklich ein Dämon sein, der nur Besitz von diesem menschlichen Körper hatte, würde er das Mädchen auch töten.

Der Junge wartete einen Moment, doch dachte nicht länger nach. „Hmh.“, ohne dass es ihm nahe stand, wollte er auf sie einstechen.

„Nein!“, schrie ich. „Du tötest das Mädchen damit!“

Er stoppte seinen Stoß unfreiwillig. Er wollte zustechen. Er wollte sie töten. Er wollte mich beschützen. Er wollte den einfachsten Weg wählen. Doch ließ sich von mir aufhalten.

Der Dolch lag nun stramm an ihrem Hals, doch schadete ihr nicht.

Er stand nun zwischen zwei Fronten. Der von dem Dämonen besessenem Mädchen, welches ihn dreist angrinste, und mir, die ihn bat sie zu verschonen.

Einen Moment lang war es still. Seine Blicke waren ohne Ausnahme auf sie gerichtet.

Würde er sie laufen lassen, konnten wir nicht wissen, ob sie auch uns verschonen würde.

Mir war klar, dass der Junge sich dafür entscheiden würde, auch das Kind zu töten.

Also lehnte ich mich vor. „Bitte. Gibt es keinen anderen Weg?“, besorgt stand ich auf und stützte mich ab.

Die Situation war angespannt. Er zögerte noch.

„Bitte.“, flehte ich und lief kraftlos einige Schritte vor.

„Der Schattenmann lässt sich von so einer Schlampe aufhalten?“, kicherte das Mädchen leise.

Wütend drückte er sie wieder fest am Hals. Sein Blick war voller Hass. Dann griff er seinen Dolch wieder entschlossen und wollte durch ihren Hals stechen.

Ängstlich stemmte ich mich von der Wand weg. „Nein! Bitte!“, rief ich zaudernd und wollte auf ihn zu gehen.

Auf einmal verlor ich erschöpft den Halt. „Ah!“ Ich erschrak und stürzte zu Boden.

„Yuki!“, er drehte sich besorgt zu mir.

In genau dieser Sekunde nutzte das Mädchen ihre Chance. Sie erschuf aus der Schattenwand erneut einen spitzen Starb. Sofort schnellte er auf den Jungen zu und durchstieß seine Brust, ehe er sich zu mir drehen konnte.

Ich sah auf und wurde starr vor Schreck. Es war still.

Blut fiel zu Boden.

Der Junge hielt krampfhaft die Luft an und bewegte sich nicht mehr.

Das kleine Mädchen öffnete ihr hässliches Grinsen wieder weit auf und kicherte.

Ich starrte geschockt zu ihm. Wie gelähmt konnte ich nur zusehen, was geschah.

Der Junge richtete sich schmerzerfüllt wieder dem Mädchen. "Du kleines Drecksvieh.", biss er dir Zähne krampfhaft zusammen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht holte er erneut aus. Als er versuchte noch mit seinem Dolch zuzuschlagen, durchbohrten ihn zwei weitere Schatten.

Der Schattenmann riss die Augen auf. Dann spuckte er fassungslos Blut. Die Schmerzen ließen ihn nur noch Schweigen.

Entgeistert löste er seinen Griff. Seinen Dolch und das Mädchen fielen herunter. Fast bewusstlos hielten ihn nur noch die Stäbe aufrecht.

„Nein!!! NEIN!“, schrie ich nur immer wieder. Aber ich war einfach nur hilflos. Was hätte ich nur tun können?

Blut überströmte den Boden. Er versuchte noch einen der Schatten zu greifen. Aber er war nicht stark genug um ihn heraus zu ziehen. Dann ließ er den Kopf sinken, hing nur noch kraftlos dort und bewegte sich nicht mehr.

Das Mädchen lachte laut und stemmte sich auf. „Haha. Abgelenkt. Der Schattenmann. Abgelenkt. PA!“ Dann ging sie wieder auf mich zu.

Ich hockte nur dort und konnte meinen Augen nicht trauen. Ist das gerade wirklich passiert? Das kann nicht sein.

Dieser Anblick war schrecklich. Ich hatte Angst was nun mit ihm passierte. Weniger dachte ich an mich.
 

Das Mädchen drehte sich zu mir und lief glücklich auf mich zu.

Sollte der Schattenmann mir nicht helfen können, war ich aufgeschmissen. Doch er bewegte sich nicht mehr.

Seine Hände hingen herunter. Blut tropfte auf den Boden und floss seinen Körper entlang.

Vergnügt stand sie nun vor mir. Sie packte mein Gesicht und drückte meine Wangen. "Schau ihn dir an.", flüsterte sie mir zu und richtete mein Blick zum Schattenmann.

Ich sah wie er leblos dort hing.

"Das ist deine Schuld.", grinste sie und wollte mich verletzen. Als sie es schließlich schaffte, meinen Willen zu brechen, warf sie mich ruckartig zur Seite. Aber plötzlich spührte sie etwas, das ihr wohl gar nicht gefiel.

Grimmig blickte sie mich mit ihren schwarzen Augen an und zögerte. Wütend biss sie ihre Zähne aufeinander und überlegte einen Moment.

"Argh!", sie schimpfte und wand sich dann erbost von mir ab. Schnell drehte sie sich weg und rannte. Ihre Schatten verschwanden und sie floh aus der Gasse.
 

Nachdem sie ihre Schattenspehre zurück zog, viel der Schattenmann zu Boden. Er kniete noch mit letzter Kraft. Aufstehen gelang ihm nicht mehr, denn er viel immer wieder aus seine Beine. Sein Atem war angestrengt und schwer.

Schwach hielt er seine Hand vor seine Wunden und hustete. Dann spuckte er erneut Blut.

Ohne weiter nachzudenken rannte ich auf ihn zu und griff ihn an seinen Schultern. „Was soll ich tun? Was soll ich bloß tun?", weinte ich. Ich konnte nichts anderes als weinen.

Benommen lehnte er sich gegen mich. "Yuki.", flüsterte er mit Schmerzen.

Schwach wollte er noch meine Hand halten, doch streifte nur mit seiner Blutigen Hand an meinem Arm und viel gleichzeitig zur Seite.

Panisch legte ich seinen Kopf auf meinen Schoß und weinte nur. "Nein. Nein... Bitte. Sag mir was ich tun soll."

Ich sah mir seine Wunden an, aus welchen unheimlich viel Blut floss.

Mit meinen zitternden Händen tastete ich ihn ab. "Bitte..."

Meine Hände waren voller Blut. Auch mein Gesicht hatte etwas Blut abbekommen durch meine hektischen Bewegungen, als ich meine Haare aus meinem Gesicht streifte.

Doch hilflos saß ich einfach da und weinte. Kein Wort beschrieb es besser als Hilflosigkeit.

Ich sah wie er besinnungslos versuchte seinen Kopf nach oben zu richten.

„Bleib hier. Alles wird gut. Es wird alles wieder gut.“, stotterte ich voller Angst.

Doch schon im nächsten Augenblick wurde er ganz schwer. Er schloss seine Augen. Seine Hände vielen zu Boden und sein Kopf drehte sich zur Seite.

Ich wurde ganz starr. War er tot?
 

"Yuki!", hörte ich Kitsune erschrocken rufen.

Ich blickte auf und erkannte Mephisto und das kleine Fuchsmädchen die auf mich zu gerannt kamen. Sie blieben geschockt vor mir stehen.

"Was hast du getan?", begegnete mir Mephisto empört.

Tränen trieften an meinen Wangen herunter. "Ich, ich weiß nicht. Ich weiß nicht was ich tun soll. Da war dieses Mädchen und Schatten griffen an ... Und dann-" , er verpasste mir eine Ohrfeige.

"Hör auf zu flennen!", keifte er wütend und blickte mich ernst an.

Entgeistert saß ich nur noch starr da.

"Geh, wenn du nicht weißt was zu tun ist!", motzte er hektisch und zeigte weg.

Im nächsten Augenblick legte Mephisto den Kopf des bewusstlosen Jungen auf den Boden. "GEH!", schrie er mich an.

Schnell stand ich auf und stellte mich gegenüber an die Mauer.

"Kitsune. Hilf mir.", befahl er und deutete neben sich.

Sie nickte ängstlich und kniete sich zu ihm.

Dann drehte er den Schattenmann auf die Seite. Dabei öffnete er seine braune Lederweste und Zog seine Kleidung hoch.

Man konnte die drei Einstichswunden sehen. Alles war blutrot.

"Du musst versuchen ihn zu heilen. Versuch alles was du kannst."

Doch sie sah ihn mit Tränen in den Augen an. "Aber das habe ich schon so lange nicht mehr gemacht!", sagte sie eingeschüchtert.

"Kitsune.", er packte sie an ihrer Schulter. "Du kannst das! Er stirbt wenn du es nicht versuchst."

Mutig nickte sie ihm erneut zu. "Ok!" Dann faltete sie ihre Hände zusammen und pustete sanft gegen sie. Sie begannen in einem warmen gelben Ton zu leuchten.

Dann legte sie ihre Hände auf den blutigen Rücken.

"Gut so. Mach weiter", lobte Mephisto sie. Schließlich klatschte er zwei mal in seine Hände. Ein kleiner Schnürbeutel pufte aus dem Nichts vor ihm auf.

Schnell nahm er ihn aus der Luft, ehe er zu Boden fallen konnte.

Er öffnete den Beutel und holte immer wieder kleine Fläschchen heraus. "Falsch. Das auch nicht. Wo ist es - Ah da! Phönixfedern."

"Mephisto! Er hat aufgehört zu atmen Mephisto. Wenn er nicht atmet kann ich ihn nicht heilen!", erklärte Kitsune besorgt.

"Keine Sorge. Das haben wir gleich" Der Rothaarige versuchte die Ruhe zu bewahren.

Er öffnete den kleinem Korken eines Fläschchens. Die Flüssigkeit strahlte weiß und funkelte in goldenen Tönen. "Trink das.", er legte dem Schattenmann die Flasche an seine mit Blut befleckten Lippen und kippte ihm etwas dieser Flüssigkeit in den Mund. Dabei drehte er seinen Kopf leicht nach oben. "Bitte trink es doch.", wurde er ungeduldig. Doch die Flüssigkeit floss aus seinem Mundwinkel wieder heraus.
 

Ich saß nur hilflos daneben.

Steif vor Schock konnte ich mich nicht einmal vom Boden bewegen. Zitternd saß ich da und erkannte das viele Blut an meinen Händen.

Ich weinte wieder.

Was ist nur geschehen? Das ist wieder meine Schuld gewesen. Was ist wenn er nun stirbt. Wäre ich nur nicht aufgestanden. Hätte ich mich nur nicht eingemischt.

Ich hyperventilierte und streifte nervös immer wieder über meine Beine.

"Bitte. Du darfst nicht sterben.", flüsterte ich leise.

Ich fühlte mich so klein und unbedeutend. Ich war völlig fehl am Platz. Ich konnte nichts tun. Ich würde alles doch nur schlimmer machen.

Mein Herz wollte nicht aufhören zu rasen. Unruhig griff ich in meine Haare und kniff meine Augen zusammen.

Im Hintergrund hörte ich nur Kitsune und Mephisto reden. Sie saßen in der Blutfütze und versuchten ihr Bestes. Und ich saß einfach nur heulend herum und war für nichts gut.

Immer wieder beugte ich mich nervös vor und zurück.

"Es tut mir so leid. Es tut mir so leideal!", heulte ich.

Doch auf einmal bemerkte ich, wie mein Herz sich beruhigte. Meine Augen hörten auf zu Tränen.

Nichtsahnend bemerkte ich plötzlich eine weiße Feder, welche sanft vor mir hinab glitt.

Ich blickte sie verträumt an. Wieso fühlte ich mich plötzlich so wohl? Sie wärmte mich.

Fragend richtete ich mich zum Himmel, von wo eine zweite herunter glitt.

Dann lächelte ich überraschend glücklich.

Der Schattenmann sollte nicht dort und auch nicht an diesem Tag sterben.
 

Und ich behielt Recht.
 

Der Schattenmann war lange bewusstlos und die Situation hatte sich schon längst beruhigt.

Alles war leise.

Erschöpft öffnete er seine Augen und starrte an eine Zimmerdecke. Sein Blick war noch sehr verschwommen. Doch er bemerkte, dass er in einem Raum lag, in welchem er schon lange nicht mehr war.

Er spürte wie er in dem großen Bett seines Schlafzimmers lag. Es war groß und altmodisch. Zugedeckt war er bis zum Bauch und er hatte ein weiches Kissen unter seinem Kopf. Alles war ganz still um ihn herum.

Auch wenn er noch sehr schwach und müde war, versuchte er sich ungeduldig umzusehen.

Doch er spürte etwas schweres auf seinem rechten Arm. Er blickte fragend zur Seite und erkannte wie ich neben seinem Bett saß. Ich hatte mich herüber gebeugt und war auf seiner Hand eingeschlafen.

"Y.. Yuki.", flüsterte er ausgelaugt und beobachtete mich überrascht. Doch dann lächelte er sanft und legte sich beruhigt wieder hin.
 

Meine Haltung war sehr unbequem daher hatte ich auch nur einen unruhigen und leichten Schlaf.

Ich bemerkte sofort die Bewegung und wurde davon wach.

"Hmh?" Müde richtete ich mich auf und blickte zum Schattenmann. So wie ich ihn immer ansah, seitdem er dort lag.

Aber ich musste zwei mal hinsehen um mich zu vergewissern.

"Du bist wach?", fragte ich leise, noch ganz unglaubwürdig.

Dann sah ich wie er sich leicht zu mir drehte. Wir sahen uns einen Moment schweigend an.

Dann sprang ich freudestrahlend auf. "DU BIST WACH!!! Du bist wach!!!", konnte ich immer nur wiederholen. "Du bist wach!", ich lehnte mich über ihn und umarmte ihn so fest ich konnte.

„Wow. Hey..“, überwältigt von mir war er ganz verwirrt.

"Ich wusste, dass du wieder wach wirst!“, begann ich freudig zu weinen.

Geduldig nahm er die Umarmung einfach an und schwieg.

Ich drücke ihn ganz feste. Es fühlte sich an, als wenn sein Körper gar nicht mehr so kalt war wie sonst. Doch ich freute mich einfach so sehr, dass ich es kaum realisiert hatte.

Schließlich setzte ich mich neben ihn auf sein Bett und wischte mir die Tränen weg.

„Freudentränen?“, fragte er leise. Man merkte, wie schwach er noch war. Er konnte sich nicht einmal aufsetzen, sondern legte seinen Kopf kraftlos wieder auf das Kissen.

Ich grinste fröhlich und nickte ihm zu.

Plötzlich ging die Tür auf. "Ist er wach?"

Mephisto und Kitsune kamen herein gerannt.

„OH mein Liebling! Ich bin ja so froh, dass du wieder wach bist!!“, kreischte der Rothaarige und kam verliebt hereingeflattert wie auf Wolke 7. Kitsune aber hielt ihn noch an seinem Oberteil zurück. „Hey. Mephistoteles! Er braucht Ruhe!“, kicherte sie glücklich.

Der Schattenmann hielt sich geschwächt die Stirn. „Wie lange.. war ich weg?“, fragte er.

Ich streifte meine Haare hinter mein Ohr. „Einen ganzen Tag.“

Wir alle hielten uns nun etwas zurück. Denn wir wussten was als nächstes kommen sollte.

„Was ist passiert?“, wollte er nun wissen.

Wir hatten uns auf diese Frage eingestellt.

„Also.“, begann ich zögernd, „Nachdem du angegriffen wurdest haben Mephisto und Kitsune alles versucht. Aber... du warst so gut wie tot.“. Ich konnte ihm zunächst nicht in die Augen sehen. Wie erkläre ich es ihm, ohne dass er wieder emotional wird?

„Also... sie kamen an ihr Limit. Und... also...“, stotterte ich bedenklich.

Doch dann kam noch jemand in den Raum. „Ich habe dich zurück geholt. Mal wieder."

Der Schattenmann riss vor Wut seine Augen auf. „Du.“, er biss verbittert die Zähne zusammen.

Deeon kam herein und stellte sich schweigend vor sein Bett.

Auf einmal stemmte der Schattenmann sich auf. Doch er hatte nicht bedacht, dass er noch kraftlos und schwach war. „Du!“, grummelte er wieder.

„Hör auf!“, schimpfte ich und drückte ihn an seinen Schultern wieder herunter.

Es war nicht schwer. Er viel wie ein Sandsack wieder zurück und stöhnte einen kleinen Schmerzlaut aus. „Ah.. verdammt...“

„Er hat dich gerettet!“, fing ich an lauter zu werden und stand sauer auf. „Bitte. Hör auf immer so voller Hass zu sein! Das regt mich auf! Wie kann man nur so stur sein!“

Alle, auch Deeon und der Schattenmann richteten ihre Blicke verwundert auf mich. Keiner hatte es sich herausgenommen, so mit ihm zu reden.

Doch er lies sich nicht von meinem Tadel belehren. „Wenn ich wieder stehen kann, bringe ich dich um.“, drohte er Deeon und blickte ihn voller Abscheu an. „Ich brauche nur ein Buch mit meinen Seelen. Dann bist du dran.“

Eine dunkle Atmosphäre verdichtete sich im Raum.

Der Schattenmann durchbohrte Deeon mit seinen Blicken.

Deeon jedoch blieb entspannt und locker. „Nicht mal ein Dankeschön, dass ich dich gerettet habe, damit du mich doch noch töten kannst?“, grinste er neckend.

Sofort machte der verletzte Junge sich bereit ihm seinen vollen Hass entgegen zu bringen.

Schnell löste ich diese dichte Angespanntheit und schnipste dem Jungen gegen den Kopf.

„Au!“, moserte er.

„Du musst dich ausruhen!“, ermahnte ich ihn.

„Einen Scheiß muss ich!“

Deeon trat jedoch vor. „Sie hat recht.“, unterbrach er unseren wieder angehenden Streit und legte seine Hand auf meine Schulter. „Du wurdest von drei Schattenspehren durchbohrt. Einer ging durch deine Seele. Du musst dich erst wieder erholen. Und deine Seele muss verheilen. Erst dann wird es dir wieder möglich sein deine Seelen als Energie zu verwenden. Und bis dahin. Bist du nur so schwach wie ein einfacher... Ein einfacher Dämon. Du besitzt nur die physische Kraft deines Körpers. Mehr nicht.“, erklärte Deeon mit seiner beruhigenden Stimme.

Zunächst beobachtete der Junge Deeon. Danach wanderte sein Blick auf die Hand die er schützend auf meine Schulter legte und schließlich traf er auf meine besorgten Blicke.

Er überlegte einen Moment. „Tz..“ Dann drehte er sich einfach beleidigt von uns weg und zog die Decke über seine Schulter.

„Bitte. Ruh dich aus. Wir sind alle da, wenn du etwas brauchst.“, enttäuscht ging ich vom Bett weg.

Deeon machte mir den Weg frei und deutete mit seiner Hand vor sich, damit ich vor ihm laufen kann. „Kommt. Lasst uns gehen.“

Selbst Mephisto hatte darauf nichts mehr zu sagen. Wir waren alle sehr mitgenommen von der Situation und gingen betrübt aus der Tür heraus.

Doch Kitsune blieb als letztes noch am Bett stehen bevor sie ging. „Shiro. Sei bitte nicht so. Yuki saß Stunden an deinem Bett und hat gewartet bis du wach wirst. Wir alle hatten so Angst um dich. Auch Deeon.“, sagte sie flüsternd.

Doch der Schattenmann machte keine Andeutung, darauf zu Reagieren.

„Sie hatte Deeon angefleht dich zu retten. Sei doch bitte etwas dankbarer...“, waren ihre letzten Worte bevor auch sie ging.

Zuletzt machte Deeon noch die Tür zu.

Ein Mensch

Ich hatte die Bilder vor Augen. Mein Körper zitterte, meine Augen tränten. Er stand so weit entfernt. Blut überströmt und blickte mich an. Sein Gesicht war hasserfüllt. In seinem Körper sah ich die 3 Wunden aus denen einfach nur Blut floss.

Ich wollte zu ihm laufen. Wieso konnte ich meine Beine nicht bewegen? Egal wie sehr ich mich anstrengte. Sie waren wie festgefroren.

Dann wandte der Schattenmann sich zu mir. Er sah mich mit schmerzverzerrtem Gesicht an. Doch als er mir näher kam ergriff mich die Angst. "Deinetwegen...!" konnte er nur mit tiefer Stimme keuchen.

Was? Was sagte er? Ich erschrecke und wich zurück. Vor seinem strafenden Blick fürchtete ich mich. Meine Beine wurden ganz schwach.

Ich fand mich plötzlich kniend am Boden wieder. "DEINETWEGEN!", schrie er und rannte auf mich zu.
 

Dann riss ich meine Augen auf. Ich stemmte mich hoch und fand mich plötzlich auf meinem Bett wieder.

Was ist passiert? Ich fühlte das Pochen meines Herzes durch meinen gesamten Körper.

Als ich zur Seite blickte erkannte ich mit verschwommenen Augen das Fenster meines Zimmers. "Nur ein Traum. Wie immer.", beruhigte ich mich.

Langsam setzte ich mich nachdenklich auf. "Hoffentlich geht es ihm gut."

Mein schlechtes Gewissen plagte mich sogar im Schlaf. Ich wollte die Nacht lang bei dem Schattenmann bleiben. Ich wollte ihn nicht alleine lassen. Auch wenn ich wusste, dass er wieder wach war und in guten Händen. Doch Deeon schickte mich nach Hause.

Ich erinnerte mich an gestern.
 

Mephisto kümmerte sich um die Verbände welche den Oberkörper des Schattenmannes umwickelten. Er nahm den Verband komplett ab und umwickelte einen Neuen zum letzten Mal. Auch wenn es ihn natürlich gefreut hatte den muskulösen Oberkörper zu pflegen, machte er es ernst und seriös. „Die Wunden sind schon sehr gut verheilt. Morgen kannst du den Verband komplett weg lassen.“, erklärte er ruhig.

Er war gar nicht mehr so kindisch und aufdringlich wie zuvor. Wir alle waren von dem was geschehen war, sehr mitgenommen.

Der Schattenmann saß jedoch nur im Bett. Er sprach nicht und wechselte mit niemanden Blicke.

Kitsune bewachte derzeit die Bibliothek und ließ niemanden herein. Keiner sollte wissen, dass der Schattenmann und seine Seelen nun angreifbar waren.

Ich saß müde auf der Couch am Kamin und schwieg. Meine Beine hatte ich angewinkelt und mit meinen Armen umschlungen. Nachdenklich betrachtete ich die Holzscheitel, in welchen nur noch ein leichtes Glühen zu sehen war. Das Feuer, welches ich zuvor darin gesehen hatte, war schon längst erlischt.

Dann fühlte ich eine Hand, die meine Schulter sanft berührte. „Du solltest nach hause gehen.“, flüsterte Deeon. „Keine Sorge. Ich habe mich darum gekümmert, dass dir dort nichts mehr geschehen wird.“, erklärte er lieb. Seine Nähe beruhigte mich.

Müde sah ich über meine Schulter. „Aber ich kann doch jetzt nicht einfach gehen.“, antwortete ich betroffen. Dann füllten meine Augen sich mit Tränen. „Das alles ist doch nur wegen mir passiert.“, schniefte ich und versuchte das Weinen zu unterdrücken.

Deeon lächelte mich tröstend an. Dann setzte er sich neben mich auf die Couch und nahm mich schweigend in seine Arme.

Ich legte meinen Kopf auf seinen Arm und beruhigte mich. Ich wollte nicht schon wieder in Tränen ausbrechen. Auch wenn alles nun wieder in Ordnung zu seinen schien, so zerrten noch die Worte des Dämonenmädchens an mir. - „Schau ihn dir an! Das ist deine Schuld!“ - Immer wieder sah ich ihr Gesicht vor Augen und den blutigen Anblick des Schattenmannes.

„Es ist nicht deine Schuld. Keiner gibt dir die Schuld daran. Hör auf dir das einzureden.“, antwortete Deeon und streichelte mein Haar. „Er ist stur und stark. Und er wird das überstehen. Das Spielchen haben wir beide schon einmal durch gemacht.“, sprach er.

Fragend lehnte ich mich wieder zurück, runzelte die Stirn und sah ihn an, während ich meine Tränen aus den Augen wischte.

„Naja, ich denke du wirst dir nie vorstellen können, dass er und ich mal enge Vertraute waren.“, sagte er mit einem ironischem Lächeln.

„Doch.“, begegnete ich ihm. „Ehrlich gesagt schon.“, dann sah ich wieder verträumt zum Kamin „Weil er dir so sehr vertraut hat, hasst er dich nun so sehr.“, sagte ich ohne über meine Wortwahl zu achten.

Er sah betrübt weg.

„Nein! So meinte ich.. also..“, stotterte ich und fuchtelte mit meiner Hand herum.

„Ist schon gut.“, beruhigte er mich und lächelte wieder. „Ich weiß, dass ich ihn sehr verletzt habe. Doch es war wichtig was ich getan habe. Ich bereue es nicht.“, dann lehnte er sich an.

Neugierig biss ich mir auf die Lippe. Ich mochte das Gefühl, wenn er in meiner Nähe war. Bei ihm fühlte ich mich so sicher und verstanden. Verlegen wibbelte ich mit meinen Beinen vor und zurück.

„Du bist ein gefallener Engel. Richtig?“, fragte ich. „Ich dachte solche Engel seien... böse.“, meinte ich nachträglich.

Er belächelte meine Aussage und sah mich ehrlich an. „Hmmh. Natürlich. Ein Engel der sich gegen die Regeln Gottes stellt, wird vom Himmel verbannt.“, gab er mir geheim Recht.

Ich drehte meinen Kopf etwas schräg und sah ihn neugierig an.

Deeon konnte nicht aufhören über mein Verhalten zu lächeln. „Ich war dort eine ganze Weile. Es war wirklich schön.“, erinnerte er sich. „Doch die Menschen hatten mich fasziniert. Ich wollte mehr Zeit auf der Erde verbringen als im Himmel. Doch Engel werden überheblich auf der Erde. Und arrogant.“ Seine Stimme wurde immer ernster. „Wir haben auf Menschen einen starken Eindruck. Wir geben ihnen das Gefühl von Glück und Wärme. Sie machen fast alles was wir ihnen sagen.“

Er war nicht stolz auf das, was er sagte. Doch sprach weiter. „Damals nutzte ich das aus. Doch irgendwann traf ich einen Jungen, dessen Geist nicht auf mich reagierte. Seine Seele schien tot. Dazu hatte er aber ein so starkes Herz. Ich wusste zunächst nicht wieso.“

Ich setzte mich auf. „Der Schattenmann?“

„Ganz recht.“, er nickte mir zu. „Nachdem er sich mit der Dämonenseele von Lilith vereinte, war es seinem Körper nicht möglich, all diese Kraft zu beherrschen. Er wurde innerlich aufgefressen.“, dann verstummte er einen Moment.

Ich rechnete eins und eins zusammen. „Hast du ihn vor dem Tod bewahrt?“, fragte ich.

Deeon atmete tief aus. „Ja. So wie auch gestern. Dies funktioniert aber nur bei mächtigen Wesen, dessen Energie ich umkehre um sie zu retten. Ich bin nur ein Engel. Ich bin zwar mächtig, doch solche Taten brauchen viel Kraft.“, erklärte er in Erinnerung schwelgend. „Ich hatte seine Dämonenseele mit seinem Körper und seiner menschlichen Seele verknüpft, dass er wie ein Dämon leben konnte.“, nun lehnte er sich etwas vor und steckte nachdenklich seine Finger ineinander. „Doch in der Menschenwelt konnte er nicht bleiben. Lillith suchte nach ihm. Also versteckte und kümmerte ich mich um ihn. Ich trainierte ihn im Kampf und in der Anwendung von Magie.“, Deeons Stimme wurde immer leiser. „Je mehr er trainierte und je mächtiger er wurde, desto mehr versperrte er seine Gefühle und öffnete mir meine damals noch arroganten Augen.“, sagte er still.

Dann sah er mich mit offenem Blick an. „Nun ja, ich musste es tun. Ich musste ihm die Seelen stehlen.“, lächelte er, um auf ein anderes Thema abzulenken. „Ob er es mir jemals verzeihen wird?“, er wirkte sehr zurückhaltend und gedankenverloren.

„Bestimmt.“, lächelte ich ihn liebevoll an. „Ich merke, wie viel du ihm noch bedeutest.“

Deeon runzelte die Stirn. „Tatsächlich?“, fragte er ahnungslos.

Ich kicherte. Meine Augen wurden schwer und ich spürte wie die Müdigkeit mich überfiel.

Er legte seine Hand um mich, sodass ich meinen Kopf auf seine Schulter legen konnte. „Siehst du das denn nicht?“, lächelte ich erschöpft.

Es fühlte sich so angenehm bei ihm an. Er war so warm. Dieses Gefühl von Vertrauen hatte ich vermisst.

„Ihr Menschen erstaunt mich doch immer wieder.“, kam es nur beruhigt von ihm.

„Aber ich möchte mehr wissen.“, nuschelte ich und kuschelte mich an ihn.

„Genug für heute.“, antwortete er jedoch.

„Aber. Warum hast du es denn getan? Wofür hast du ihn beklaut?“, flüsterte ich nun zuletzt und setzte mich wieder richtig hin.

Es war einen Moment still. Deeon betrachtete den kalten Kamin und sah die kaputten Hölzern darin. „Liebe.“, antwortete er und streichelte mir über den Kopf.

„Hmh...“, auch ich sah nun verträumt in den dunklen Kamin.

„Ich bringe dich nach Hause.“, beendete er unser Gespräch. „Habe keine Angst. Ich werde auf dich wachen. Du wirst nicht alleine sein.“, waren seine letzten Worte, ehe wir aufstanden und er mich durch den großen Spiegel zurück nach Hause brachte.
 

Dabei wollte ich dort bleiben. Ich wollte bei Deeon bleiben. Und ich wollte bei dem Schattenmann bleiben, bis ich wüsste, dass es ihm wieder gut geht.

Aber meine Anwesenheit würde nichts verbessern. Eher würde ich alle aufhalten.

Auch wenn ich nun bedenkenlos wieder in der Menschenwelt sein konnte und nun wieder normal leben durfte, konnte ich die Dämonenwelt nicht los lassen.
 

Ich rieb mir verträumt durch das Gesicht und tätschelte meine Wangen. Dann stand ich auch schon von meinem Bett auf. Ich war früher wach, als ich sonst für die Schule aufstand. Nun sollte mein normaler Alltag weiter gehen.

Direkt ging ich an meinen Schrank und holte meine Kleidung heraus.

Ob ich so nun einfach zur Schule könnte? Sollte ich Angst haben? Sollte wieder etwas passieren?

Deeon sagte mir, mir wird nichts passieren. Er wache über mich. Sollte mir das meine Angst nehmen?

Schnell zog ich meine Kleidung an. Ich konnte doch nicht einfach vergessen oder ignorieren was gestern passiert war.

Dann schritt ich launisch aus dem Raum und lief in Richtung Bad um mich frisch zu machen.

Ich fühlte mich gedankenverloren. "Wie es den anderen nun geht? "

Ich fühlte mich so ausgeschlossen und schwach. Ich fühlte mich unwohl, obwohl es mir doch nun gut gehen sollte?

Warum konnte ich nicht aufhören an den Schattenmann zu denken? Warum hatte ich das Gefühl, dass es ihm noch immer schlecht geht? Warum beruhigten sich meine Gedanken nicht?

Gerade als ich durch den Flur tapste, sagte plötzlich jemand meinen Namen. "Yuki! Yuki!!", hörte ich Kitsunes Stimme klar und deutlich. Sie klang verängstigt und aufgebracht.

"Hä?", nichts ahnend drehte ich mich zur Stimme um. Sie kam aus meinem Zimmer.

Es wunderte mich nicht mehr, dass plötzlich irgendwelche Stimmen meinen Namen riefen. Da es jedoch Kitsunes Stimme war, lief ich bedenkenlos zu ihr. "Ja?", fragte ich und ging einige Schritte zurück. Dann lehnte ich mich zur Seite und schaute um die Ecke.

"Yuki! Komm schnell!", rief Kitsune. Dann sah ich, wie sie aus meinem Zimmer rannte und sich hastig nach mir umsah.

Ich blieb verwundert stehen und blickte sie schweigend an. Dann erkannte sie mich. Ihre Augen waren mit Sorgentränen gefüllt. Ihre Ohren waren deprimiert nach hinten gelegt und ihre Körperhaltung verriet mir, das etwas schlimmes geschehen sein musste.

Mein Körper wurde steif vor Angst. "Was ist passiert?" Innerlich wollte ich nicht hören, was sie mir sagen wollte.

Ich wollte mich vor schlechten Neuigkeiten verstecken.

"Du musst unbedingt kommen! Beeil dich! Deeon will, dass du zu Shiro kommst!“, forderte sie mich überstürzt auf und griff meine Hand.

Sie zog mich mit zu dem Portal, was noch in meinem Zimmer offen stand. Man konnte auf der anderen Seite die Bibliothek in der Dämonenwelt erkennen.

Kitsune sprang sofort wieder hindurch.

Ich lief ihr unbedacht hinterher und kam auf der anderen Seite aus dem Spiegel heraus. "Was ist denn nur los?" Ich wurde immer panischer. Meine Hände zitterten und ich wusste nicht, was auf mich zu kommen würde. Ich machte mich auf das schlimmste gefasst. Kitsune drehte sich gerade um und wollte zu sprechen beginnen. "Shiro.. Er..", stotterte sie. Doch sie wurde unterbrochen von einem lauten qualvollen Schrei.

"AAHH! ARGH!!" Das Geschrei war aus dem Schlafzimmer des Schattenmannes zu hören. Leid und Schmerzen. Es hörte sich grauenvoll an. Die Schreie waren so sehr mit Schmerz erfüllt, dass sie nur noch verzweifelte Töne ausstießen.

Ein solches Geschrei aus Wehklagen, Geheul, Gebrüll und Gekreische hatte ich noch nie gehört.

Mein Gesicht wurde ganz bleich. Es verschlug mir die Sprache. Vor Angst wollten meine Beine nicht weiter gehen.

Kurz wurden die Schreie leiser. Sofort sah ich wie die Tür zum Zimmer aufgerissen wurde und Deeon mich ernst ansah. "Yuki! Komm! Kitsune, hol Mephisto!", rief er.

Ich nickte und rannte sofort auf ihn zu. Das Fuchsmädchen lief aus der grosen Eingangstür heraus.

Es waren die schlimmen Schreie des Schattenmannes, welche durch die ganze Bibliothek bebten.

Doch je näher ich dem Raum kam. Desto stiller wurden die klagenden Töne.

"Gut, dass du gekommen bist Yuki.", sagte Deeon und legte mir seine Hand auf meine Schulter. „Du musst zu ihm.“

Verwirrt blickte ich erst ihn an. Doch dann schaute ich schweigend in den Raum hinein.

Es war vollkommen verwüstet. Schränke waren um geschmissen, die Kissen vom Bett waren zerrissen und die Decken lagen auf dem Boden. Federn verstreuten sich im ganzen Raum und Bücher waren überall verteilt.

Dann erkannte ich den Schattenmann. Seine Kleidung war zerfleddert. Seine Hände waren Blutig. Er war überall mit blauen Flecken versehen und sein ganzer Körper war Schweiß gebadet.

Jeder Muskel war angespannt, er rekelte sich erbärmlich im Bett und er atmete viel zu schnell. Dazu biss er die Zähne zusammen und schloss die Augen um sein Schreien zu dämmen. Er hatte noch nicht bemerkt, dass ich in seinem Zimmer stand.

Ich sah sein verzerrtes Gesicht. Es war ganz fiebrig. Doch je näher ich an Bett trat, desto ruhiger wurde er.

Starr beobachtete ich ihn und lief mit kleinen Schritten zu ihm.

Dann erst erkannte ich seine braunen Haare. Seine sonst tief schwarze Frisur war nun Eichenbraun. Auch seine Hautfarbe war nicht mehr so fahl und blass. "Was ist passiert?!", fragte ich verstört und drehte mich zu Deeon um.

„Du musst in seiner Nähe bleiben.“, erklärte Deeon kurz und deutete wieder auf den Jungen.

Ich kniete mich an das Bett. Schützend legte ich meine Hand auf seine Stirn. Seine Haut glühte. Doch meine Berührung linderte plötzlich seine Schmerzen.

Ich fasse ihn vorsichtig an Stirn und Arm. Daraufhin setzte seine Atmung kurz aus, und ging erholt und gleichmäßig weiter.

Seine Brust bewegte sich beruhigter auf und ab. Seine Arme und Beine entspannten sich. Auch sein Gesicht war nicht mehr schmerzverzerrt. Tief atmend öffnete er langsam die Augen.

Dann drehte er seinen Kopf ausgelaugt in meine Richtung. "Yuki..?", erkannte er mich leise und sah mich müde an. Es erblickten mich jedoch keine kalten, weiß-blauen Augen. Ein dunkles Braun schmückte nun seine Augen.

Weiter kreuzten unsere Blicke sich nicht, denn er drehte sich erschöpft wieder weg und schloss beruhigt die Lider.

Ich setzte mich fassungslos hin und hielt nur noch seine Hand. "Was ist passiert Deeon?", fragte ich nur noch und blickte ihn bestürzt an.

Er überkreuzte die Arme. "Ich dachte mir, dass eine Berührung seine Schmerzen lindert."

"Aber wieso? Was ist denn los? Und warum sieht er so anders aus?!", meine Stimme klang erzürnt und verwundert.

Doch Deeon lächelte nur stolz. "Nun ja. So sieht er als Mensch aus. Er hat keine dämonischen Kräfte.", erklärte er und kam mir näher.

Die Situation beruhigte sich. "Die Dämonen Seele in ihm ist nicht nur verletzt durch den Angriff der Schattenspehre. Sondern auch unvollständig durch die Durchführung eines spaltenden Rituals. Yuki. Er hat doch sicherlich ein Ritual mit dir vollzogen, damit ein Teil seiner Seele dich schützt, richtig?"

Ich sah wieder zum bewusstlosen Jungen und überlegte. "Ehm ja... Er hatte auf irgend einem Zettelchen unsere Blut vermischt..." erinnerte ich mich schwach.

An dem Tag Schnitt er in die Hand. Ja. Ich erinnerte mich, das war der erste Tag in dieser Welt.

"Yuki. Du solltest in seiner Nähe bleiben.", begann Deeon.

Ich sah ihn überfordert an: "In seiner Nähe? Jetzt? Warum?"

"Bis er wieder gesund ist.", antwortete er.

Ich erschrak. "Was? Aber kann er das Stück dieser Seele nicht einfach wieder zurück nehmen?", erwiderte ich verwirrt.

"Er kann seine Seele nur wieder zusammenfügen, wenn er sie auch wieder unter Kontrolle hat.", erklärte er. "Er hat Schmerzen, je weiter seine Dämonen Seele auseinander gerissen wird. Er hat die Macht seiner Dämonenseele verloren. Die sich in ihm so verwurzelt hat, dass sein Körper wie der eines Dämons ist. Dämonen Seelen heilen. So wie eine Wunde auf der Haut heilt, heilt jede Wunde einer Seele. Wenn die Seele jedoch zu weit zerrissen ist, kann der Heilprozess nicht beginnen. Verstehst du das? Je weiter du von ihm weg bist, desto mehr zerreißt die Verbindung der Seele. Und seine Wunden können nicht verheilen, sondern zerreißen ihn immer weiter.", versuchte er mir zu erklären.

Ich musste begreifen was Deeon mir sagte.

Ich musste also in seine Nähe bleiben. Bis er gesund ist. Tage lang.

"Aber warum ist er nun ein Mensch? Ich kann doch nicht die ganze Zeit lang hier bleiben. Ich muss doch-"

"Wirst du auch nicht.", unterbrach er mich. "Du bleibst in deiner Welt. Machst was du den ganzen Tag lang tust. Und er begleitet dich.", fing er an zu schmunzeln. „Seine Dämonenseele hat sich deaktiviert. Wie eine Art Schutzmechanismus. Sie schwirrt nun inaktiv in ihm, um sich zu regenerieren. Sonst würde die Macht der Seele seinen Körper und seine menschliche Seele töten. Sie beruhigt sich, solange sie nicht erneut gestört wird. Sie beruhigt sich, solange du in seiner Nähe bist. Je näher du ihm bist, desto schneller regeneriert sie sich."

Betrübt sah ich wieder zum Jungen.

Er lag dort und ruhte sich aus. Unser Gespräch hatte er wohl nicht mitbekommen. Schweißperlen kullerten noch an seiner Wange herunter.

Ich streifte ihm sanft seine nun braunen Haare aus seinem Gesicht. Dann betastete ich seine Wärme. "Sein Fieber ist wieder gesunken.", flüsterte ich erleichtert und lächelte Deeon an. „Geht es ihm wieder gut?“

Gerade als ich meine Hand wieder zu mir nehmen wollte und mich wieder zum Schattenmann drehte, sahen mich plötzlich seine braunen Augen mürrisch an. "Lass das. Ich brauche das nicht.", moserte er düster.

Ich lehnte mich zurück und rollte die Augen. Das gab mir die Antwort auf meine Frage.

Dann nahm ich meine Hand zurück. „Wie geht es dir?“, fragte ich kümmernd.

Der Schattenmann sah genervt an mir vorbei zur noch offen stehenden Tür. Deeon stand noch dort und ihre Blicke kreuzten sich.

„Dir geht es schon wieder besser? Du bist wirklich hart im nehmen. Sogar als Mensch.“, lächelte der Engel.

Der Schattenmann setzte sich langsam auf und wischte sich seine Haare aus dem Gesicht. Es schien ihm wohl wieder gut zu gehen.

„Lass deine Sprüche.“, moserte er nur und sah weg.

„Du musst keine Angst vor mir haben. Das weißt du.“, erklärte Deeon.

„Ich weiß zumindest, dass ich dir nicht vertrauen kann!“, kam es ihm jedoch wütend als Antwort.

Genervt holte Deeon Luft. Er hatte sich die gesamte Zeit geduldig. Aber dann sah er zur Seite und schüttelte unverständlich den Kopf. Sein Ton wurde ernster. „Du wirst am Tag bei Yuki bleiben!“, befahl er.

„Was?!“, schrie der Junge sauer zurück. „Du hast mir gar nichts zu befehlen!“

„Willst du Schmerzen haben?!“, schrie er zurück. Deeon wurde so sauer wie ich ihn noch nicht erlebt habe. Mein Mund blieb fest verschlossen und meine Augen wurden ganz groß.

„Willst du wieder so wehleidig jammern wie die ganze Nacht über!? Willst du schwach sein!? Willst du alle anderen gefährden!? Willst du Yuki in Gefahr bringen!?“, brüllte Deeon.

Der Schattenmann schwieg verbittert und konnte ihm nicht ins Gesicht blicken. Verbissen drehte er einfach den Kopf weg und versuchte den Engel zu ignorieren.

Deeon trat wieder an sein Bett. „WAGE ES DICH NICHT MEINE WORTE ZU IGNORIEREN! UND LASS DEIN EGO AUS DEM SPIEL! HIER GEHT ES NICHT NUR UM DICH!“

Doch im gleichen Moment stand der Junge aus dem Bett auf und kam Deeon ganz nahe.

„WIESO SOLLTE ICH AUF DICH HÖREN?! DU HAST DOCH SOWIESO NUR WIEDER IRGEND EINEN HINTERHÄLTIGEN PLAN!“

Beide rasten vor Wut.

„Du solltest deine Worte besser weise wählen!“

„WOZU? UM DEINEN PLAN NICHT AUFZUDECKEN?“, er griff Deeon an seinem Oberteil. „DAMIT DU DIR WIEDER VORTEILE VERSCHAFFEN KANNST?“

Doch Deeon schlug seine Hand mit Wucht weg. „UM YUKI ZU BESCHÜTZEN!“, antwortete er wütend.

Der Schattenmann riss schweigend seine Augen auf, nahm seine Hand herunter und sah ihn ertappt an.

Deeon faste ihm mit seinem Finger auf die Brust. „Du solltest nicht immer an deinen Stolz denken! Nur darum bist du jetzt in dieser Lage!“, fauchte Deeon ihn zum Schluss an. „Du kannst froh sein, dass sie deinetwegen hier ist!“, waren seine letzte Worte. Dann drehte er sich direkt wieder um und lief aus dem Raum heraus.

Mit einem Knall rastete die Tür wieder im Rahmen ein.

Plötzlich griff der Schattenmann sich ein Buch vom Boden. Er holte aus und schmiss es schreiend mit ganzer Kraft gegen die sich gerade geschlossene Tür. „Rooaar!“

Das Buch prallte an der Türe ab und plumpste wieder herunter.
 

Mein Körper wurde ganz starr. Nun saß ich hier alleine. Es war ein unangenehmer Augenblick.

Deeon so sauer zu sehen machte mir Sorgen. Doch er war wohl der Einzige, der ihm ohne Bedenken die Meinung sagen konnte. Dass er aber so wütend werden konnte, hatte ich nicht erwartet.

Wütend hatte der Junge noch den Rücken zu mir gerichtet und atmete schwer.

Während er sich innerlich beruhigte stellte ich mich hin und setzte mich langsam auf die Kante des Bettes. Einen kleinen Moment wartete ich noch und faltete meine Hände geduldig auf meinen Schoß. Dann ließ ich meine Beine mit gesenktem Blick hin und her baumeln.

Doch ich musste langsam schmunzeln. Er hörte mich zufrieden seufzen.

„Was?!“, frage er genervt und drehte sich erzürnt zu mir.

„Du kannst dich wieder aufregen. Das heißt, dass es dir besser geht.“, antwortete ich glücklich.

Er blickte mich mit verwunderter Miene an und schwieg.

Ich war erleichtert über diese Situation.

Auch wenn er sich wieder nicht kontrollieren konnte und wieder laut wurde wusste ich, dass ich mir keine Sorgen machen musste.

Die Schreie, die ich in der Bibliothek hören konnte, der panische Anblick Kitzunes, und meine Angst ließen mich das schlimmste vermuten.

Doch wenn die Lösung gegen seinen Schmerz meine Nähe sein soll, so werde ich mich nicht mehr weit von ihm entfernen. Das war ich ihm schuldig. Und es machte mir tatsächlich nichts aus bei ihm zu bleiben. Nur wegen mir, war sein Zustand so kritisch.
 

Nun setzte er sich neben mich und blickte herab zum Boden.

Ich war etwas überrascht, wie schmerzfrei er nun wirkte und wie schnell er sich wieder aufraffen konnte.

Seine Hände waren noch etwas blutig und sein Oberkörper glänzte noch durch den Schweiß. Es war seltsam, ihn mit helleren Haaren und lebhafter Haut zu sehen.

Um die Situation aufzulockern lehnte ich mich etwas vor und lächelte ihn lieb an. „Kann ich etwas-“

„Lass es. Es ist nicht nötig, dass du in meiner Nähe bleibst.“, unterbrach er mich sofort. „Geh einfach.“

Er wollte wieder in Selbstmitleid versinken und sein Ego nicht verletzen.

Jedoch wollte ich nicht, dass er sich einredet, keine Hilfe annehmen zu müssen. Er versuchte noch immer stark zu wirken. Doch war er nun geschwächt und hatte Hilfe dringend nötig.

Ich wusste jedoch, dass ich mit nettem Einreden nicht von seiner sturen Art ernst genommen werden würde.
 

„Wirklich? Es ist nicht schlimm für mich, hier zu bleiben. Und ich denke, dass es dir gut tun würde nicht die ganze Zeit hier alleine zu sein.“, meinte ich.

Er wollte mir jedoch immer noch nicht in die Augen blicken. „Geh einfach. Ich bleibe so lange hier drin, wie ich das will.“, kam es mir mürrisch entgegen.

Diese Antwort erwartend, sprang ich vom Bett auf. „Wie du meinst. Wenn du keine Hilfe willst.“, antwortete ich mit einem selbstsicherem Unterton und lief Richtung Tür.

Mit einem kleinen Hopser ging ich über das am Boden liegende Buch, öffnete die Tür, lief heraus und schloss sie sofort wieder hinter mir.

Ich wusste, dass er Schmerzen bekommen sollte, sobald ich mich aus dem Raum bewegte. Also ging ich mit schnellen Schritten so weit wie möglich auf die andere Seite der Bibliothek um so viel Entfernung wie möglich von ihm zu haben.
 

Deeon saß auf der Couch am Kamin und betrachtete nachdenklich den verbrannten Holzhaufen. Doch als er bemerkte, dass ich auffällig schnell an ihm vorbei lief, drehte er sich zu mir. „Yuki?“, fragte er überrascht und sah wie ich bis zur anderen Seite des Raumes tapste. „Was tust du?“, fragte er wieder beruhigt.

„Ich möchte nur etwas testen.“, grinste ich ihn an, zeigte auf die Tür und stellte mich an die Wand.

Dann war es einen Moment lang still. Deeon sah mich weiterhin an und wartete gespannt, was passieren sollte.

Ich richtete mich zur Tür des Schlafzimmers. Auch ich wartete auf das was passieren sollte. Würde mein Plan aufgehen?

Aufmerksam lehnte ich mich an die Wand und überkreuzte sicher meine Arme. Noch war es leise. Es sollte nicht mehr lange dauern. Deeon sah nun auch zur Tür.

Plötzlich hörten wir ein Rumpeln. Die Geräusche kamen aus dem Zimmer.

Ich begann zu lächeln. Denn ich erwartete das, was nun kam.

Dann rumpelte es erneut. Etwas viel zu Boden. Dann krachte etwas. Der Schattenmann begann schmerzerfüllt zu fluchen. „Verdammt! Argh!“, hörten wir es dumpf aus dem Zimmer kommen.

Dann schmiss er sich wohl an die Tür. Der Knauf bewegte sich, die Tür wurde aufgerissen und er viel schwach aus dem Raum. Noch konnte er sich an der Wand aufrecht halten, doch seine Atmung war schwer und er faste sich mit der Hand auf seine Brust.

Erst erkannte ich Panik in einem Gesicht. Doch als er sich dann aufrichtete und mich an der Wand stehen sah, schluckte er erleichtert.

Gekrümmt versuchte er sich langsam auf mich zu zubewegen. Doch als er schließlich die Hand von der Wand nahm und sich alleine aufrecht halten musste, wackelte er auf den Beinen.

Ich bemerkte Deeons fragende Blicke.

Nun viel der Junge zu Boden und konnte sich nur noch auf den Knien halten. Man sah ihm eindeutig die Schmerzen an. Er biss die Zähne aufeinander und verzog sein Gesicht.

Länger wollte ich ihn nicht leiden lassen. Also lief ich zu ihm. Seine Schmerzen vergingen mit jedem Schritt immer mehr.

Ich stand nun vor ihm und sah zu ihm hinunter.

Es war seltsam zu sehen, wie ich nun auf ihn herab sehen konnte. Wie schwach er vor mir kniete und hilflos ohne mich war.

Doch ich kniete mich eben so auf den Boden und drehte etwas den Kopf. „Ich will nicht, dass du diese Schmerzen hast.“, sagte ich besorgt und doch stolz, ihm endlich die Augen geöffnet zu haben.
 

Sein schlimmstes Gefühl galt der Hilflosigkeit. Das war mir klar. Ich wusste, dass er sich in seiner Ehre gekränkt fühlen würde. Doch anders konnte ich ihm nicht helfen. Denn ich musste ihm schmerzhaft zeigen, dass er unsere Hilfe annehmen sollte.
 

Er sah weg und atmete tief ein. Dann strich er mit seiner Hand durch sein Gesicht. „Tz.“, begann er ohne mich anzusehen. Er stand auf, richtete seine Kleidung und atmete schwer aus. „Dann bleibe ich halt in deiner Nähe.“, gab er noch stolz vortäuschend zu.
 

Deeon sah uns beide zu und musste lächeln. „Yuki. Das machst du wirklich gut.“, flüsterte er glücklich.

Die Feder

„Du darfst nicht sofort die Fassung verlieren.“, forderte ich Mephisto auf und sorgte mit ausgestreckten Armen für Distanz.

Wir standen in der Bibliothek und ich versperrte ihm die Tür zum Schlafzimmer.

Mit modischer und schicker Kleidung fiel er mal wieder extrem auf.

Er stand mit hoch gezogenen Augenbrauen und arroganter Mine vor mir und wartete. „Süße, ich weiß ja nicht was so besonders ist, aber mich kann gar nichts mehr aus der Fassung bringen.“, er schnipste mit dem Finger vor meiner Nase herum und spreizte seinen Zeigefinger. Dann sah er mit einem Diva-artigem Blick an mir herunter. „Du solltest dich nicht immer so in den Mittelpunkt stellen. Ich sollte doch so dringend die Tränke bringen. Und jetzt lass mich zu meinem armen Patienten.“, meinte er nur und drückte mich bei Seite.

Ich nahm mir seine mies gelaunten Worte nicht zu Herzen und versuchte ihn noch zu warnen. „Ehm aber. Warte.“, zögerte ich ihn zu stoppen und hob meine Hände zaghaft. Doch ich sah ihm nur nach, wie er die Tür öffnete und in das Zimmer trat.

Als er Deeon mit überkreuzten Armen, wartend im Zimmer sah, blieb er direkt stehen. „Aha. Du schon wieder.“, fauchte er und schmunzelte genervt mit den Lippen. „Was ist denn heute los mit euch? Echt-?“ Schließlich erkannte er den Schattenmann auf dem Bett sitzen. Er blieb stehen vor Schreck, ließ seine Arme schockiert fallen und glotzte ihn mit offenem Mund an. Ich wartete auf ein Kommentar oder rügen Spruch. Doch der Dämon stand erst nur starr vor ihm.

Der Schattenmann saß schweigend und griesgrämig auf dem Bett. Er blickte nur mit den Augen auf zu Mephisto und wartete ebenso auf eine weitere außerordentliche Bemerkung.

Aufmerksam lehnte ich mich in den Raum hinein und schickte Deeon meine neugierigen Blicke. Doch auch er war interessiert und wartete achtsam, was passieren sollte.

„Darling!“ war plötzlich von Mephisto empört zu hören. „Oh Schreck! Was haben die bloß mit dir gemacht?!“, fragte er bestürzt und stürmte auf ihn zu.

Er setzte sich neben ihn auf das Bett und betastete seine Arme, Schultern und Stirn. Dann knautschte er ihm im Gesicht herum. Der Junge ließ es einfach über sich ergehen.

„Wo ist nur dein kalter, herzloser Blick? Wieso? Was? Warum?“, fragte er verwirrt.

Deeon stand nur abseits und wartete das Schauspiel weiter ab.

Ich jedoch lief etwas auf sie zu. „Also er ist nun.. also. Es ist so...“, versuchte ich ihm stotternd zu erklären, was passiert war. Immerhin dachte doch jeder, dass er ein Dämon sei. Und nun müsste jeder merken, dass er ein Mensch ist. Doch wie sollte man das erklären? Seine ganze Tarnung würde dadurch doch auffliegen? Was sollte ich sagen? Und warum war ich die einzige, die sich wohl darüber Gedanken gemacht hatte?

Überfordert grinste ich, um meine Unsicherheit zu überspielen. „Oh man. Was soll ich nur sagen?“, fragte ich mich selber.

Doch der Rothaarige ignorierte mich gekonnt. „Mein Herz. Warum bist du denn wieder ein Mensch?!“, motzte Mephisto entrüstet und zerknautschte noch immer seine Wangen.

„-“Wieder?!“-“, kam es laut aus mir, „Aber woher..?“, ließ ich meine Gedanken zu laut sprechen. Ich biss ertappt auf meine Lippen und sah Mephisto mit großen Augen an.

Er beendete sein Tun und drehte sich langsam und verärgert zu mir. „Meine liebe kleine Yuki.“, er stellte sich herrisch vor mich. „Was denkst DU denn? Deeon bat mich damals um Hilfe als unser süßer Schattenmann hier her kam. NATÜRLICH weiß ich das.“, betonte er vorwurfsvoll.

Ich konnte ihn nur stumm ansehen. Meine Gedanken waren ganz verwirrt.

Dann runzelte er die Stirn und drehte seinen Kopf etwas seitlich. „Sag mal, hast du eigentlich schon mal meinen Namen gehört? Weißt du eigentlich wer ich bin? Ich bin nicht einfach irgendwer. Google mich mal, Schätzchen.“, er wedelte abstoßend mit seiner Hand und wandte sich wieder dem Jungen zu.

Verdattert sah ich zu Deeon. Er jedoch lächelte nur belustigt und hob kurz, wehrlos seine Schultern.

„Aber wie willst du denn hier bleiben, wenn du ein Mensch bist?“, plapperte Mephisto wieder laut und nach Aufmerksamkeit haschend.

Doch nun trat Deeon einen Schritt vor. „Wird er nicht.“, antwortete er autoritär. „Er geht mit Yuki in die Menschenwelt.“

Erbost wandte Mephisto sich zu ihm. „Wer sagt das?“, fragte er grimmig und sah ihn mit schlitzartigen Augen an.

„Wir haben es so entschieden.“, antwortete der Engel.

Deeon und Mephisto standen sich ernst gegenüber. Der Dämon war etwas kleiner als der Engel, trotzdem kuschte er nicht vor ihm.

Einen Schritt ging Mephisto fordernd auf Deeon zu und blickte ihn verärgert in die Augen. Deeon jedoch trat auch einen Schritt vor um zu demonstrieren, dass er sich Mephistos Worten nicht unterwerfen wird. Ihre Blicke wurden immer finsterer.

„Du bist nur ein Gefallener. Davor habe ich keine Angst.“, flüsterte Mephisto drohend.

„Dämonen sollten von Engeln nicht so herablassend sprechen. Wir sind viele.“, konterte Deeon ebenso bedrohlich. Beide plusterten sich gegeneinander auf und keiner wollte vor dem anderen nachgeben.

Ich stand nur entnervt in der Tür und rollte die Augen. „Och Leute. Ehrlich jetzt?“, haute ich dazwischen, ohne, dass jemand mein Motzen beachtete. Sie stachelten sich weiter auf und bewirkten eine gestresste Atmosphäre.

Gelangweilt schmollte ich und sollte mir wohl dieses Theater bis zum Ende ansehen müssen. „Männer..“, stöhnte ich gestresst und ließ mich tatenlos hängen.

Es ging noch immer weiter. Anscheinend gab es hier auch eine lange Vorgeschichte zwischen den beiden zu erfahren.

Als ich mir eingestand, dem nachzugeben und einfach zu warten bis es ein Ende fand, stand der Schattenmann plötzlich auf und stellte sich schweigend vor mich.

Er wirkte melancholisch und wartete, bis ich ihm den Weg frei machen sollte. Dabei vermied er jeden Blickkontakt zu mir.

Ich drehte mich zur Seite und schaute ihm überrascht nach. „Was machst du?“, fragte ich, doch er beachtete mich nicht. Schnell lief ich ihm hinterher. Er wirkte so bedrückt und müde. „Hey? Was hast du denn?“, fragte ich erneut.

„Ich habe keine Interesse daran, wie ein Kind bemuttert zu werden.“, meinte er launisch und näherte sich dem großen Spiegel am Ende des Raumes.

Nun berührte er die spiegelnde Oberfläche. Er sah sie eine Weile an und berührte sie erneut. Doch nichts passierte. Dann senkte er den Kopf. „So ein verdammter Mist. Ich will einfach nur weg.“, flüsterte er deprimiert.
 

Er musste sich wirklich schlecht gefühlt haben.

Seine Prinzipien lagen in der Pflege seiner Eigenständigkeit und Stärke. Er war ein Einzelgänger, dem es einfach fiel, sich alleine durchzuschlagen. Und nun versuchten alle um ihn herum seinen Vormund zu spielen. Das Schlimme war für ihn tatsächlich die Hilflosigkeit und ungewollte Abhängigkeit zu den anderen.

Ich beobachtete ihn gerührt. Sicherlich fühlte er sich unwohl. In dieser Umgebung, in welcher er nun gefangen war. Unter diesen Leuten, die bestimmten was sie wollten. Und in seinem Körper, der nun schwach und „normal“ war.

Wie konnte ich helfen? Ich wollte nicht, dass er so niedergeschmettert wirkte. Doch ich konnte nur da stehen und überlegen.

Dann half mir jedoch ein lautes, mir sehr bekanntes Geräusch.

Der Schattenmann stützte sich wehleidig mit flacher Hand an dem Gestell des Spiegels und legte die andere Hand an seinen Bauch. Ein lautes Knurren verlautete sein Magen. Niedergeschmettert wusste er nicht mit diesem Gefühl umzugehen.

Ich stand einige Meter von ihm weg und blickte verwundert drein. Dann musste ich mir auf die Zunge beißen, ehe ein vergnügtes Lachen aus mir brach und durch die Bibliothek hallte.

Amüsiert hielt ich meine Hand vor dem Mund und unterdrückte mein Gelächter. Es gelangen nur kleine „Pf-“ Luftgeräusche aus den Seiten meiner Lippen.

Einen sonst so starken und arroganten Dämonen nun als einen hungrigen Jungen zu sehen, der sich dadurch im Sterben liegend fühlte, war einfach urkomisch mitanzusehen.

Grinsend ging ich zu ihm. Dann faste ich ihm auf die Schulter. „Hihi. Warte kurz. Ja?“, kicherte ich.

Er drehte sich nur erschöpft zu mir um zu zeigen, dass er mich wahrgenommen hatte. Egal, was ich gesagt hatte.

Schnell spurtete ich dann in das Schlafzimmer zurück. „Deeon!“, rief ich entschlossen und bleib im Türrahmen stehen. „Wir wollen los!“, forderte ich glücklich und unterbrach die Beiden, sich noch immer Streitenden.

Sie sahen mich überrascht an. Ein Blick schenkte mir ein verwundertes, aber zufriedenes Lächeln. Der andere Blick durchbohrte mich mit einem geladenem Starren.

„Waas?“, begann Mephisto wieder schrill zu werden.

„Dann geht.“, nickte Deeon mir zu und machte eine leichte Handbewegung in Richtung des Spiegels. Wir waren uns somit beide heimlich einig, was zu tun war und verstanden den anderen schweigend.

„Und Yuki!“, stoppte er mich noch kurz bevor ich aus seiner Sicht verschwand. „Mach dir keine Sorgen.“, lächelte er stolz und ließ mich laufen. Ich nickte ihm mit einem breiten Grinsen zu und winkte zum Schluss. Dann lief ich zurück.

„Moment! Halt!“, schrie Mephisto uns hinterher. Er stürmte aus dem Zimmer und schaute uns entrüstet nach.

Ein Portal öffnete sich im Spiegel. In ihm erkannte ich mein Zimmer. „Los.“, forderte ich den Schattenmann fröhlich auf. Doch seine Blicke waren noch ahnungslos und unentschlossen.

Mit schnellen Schritten näherte ich mich dem Jungen. „Komm schon.“, lachte ich und drückte ihn vor mich zum Spiegel.

„He! Warte!“, kam es plötzlich überrascht aus seinem Mund geschossen. Er wehrte sich kaum und schaute noch einmal überfordert über seine Schulter.

Doch es gab kein Zurück.

Mit einem Schwubs schubste ich ihn hindurch und folgte ihm flott. Es war ein leichtes, kribbelndes Gefühl durch das Portal zu schreiten.

Kaum waren wir angekommen und änderten die Räumlichkeiten von einer riesigen, hellen Halle zu einem kleinen, gemütlichen Zimmer, da schloss sich das Portal sofort hinter uns.

Ein unbeabsichtigter Verfolger sollte damit ausgeschlossen werden.
 

Ich hielt noch immer meine Hände an seinem Rücken und blieb mit ihm in meinem Zimmer stehen. Dann sah ich mich etwas um. „Na. Da sind wir.“, erwähnte ich positiv. „Setz dich an den Tisch!“, sagte ich und tapste an ihm vorbei.

Ohne Mucken folgte er bedingungslos meinen Worten und schleppte sich ausgelaugt zum Tisch im Esszimmer, den er bereits aus vorherigen Besuchen kannte.

Doch anstatt dort aufrecht und stolz wie sonst Platz zu nehmen, breitete er seine Arme auf der Tischplatte aus und legte seinen Kopf niedergeschlagen hin. „Ich muss zurück.“, hörte ich ihn leise quengeln. „Deeon muss mich heilen. Oder Mephisto. Oder beide.“, maulte er kraftlos weiter.

„Ach quatsch. Die müssen gar nichts.“, begegnete ich seinem Unmut nur und lief in die Küche. Schnell die Kühltruhe auf, eine Packung heraus geholt, diese fix geöffnet, den Ofen an geschmissen und Essen hinein gelegt. Den Müll warf ich einfach auf die Arbeitsplatte.

Wohlfühlend setzte ich mich ihm wieder gegenüber und grinste. „Fünfzehn Minuten.“, sagte ich.

Doch es blickten mich nur zwei mürrische, dunkelbraune Augen von unten an.

„Soll ich dir etwas zu Trinken holen? Du musst auch etwas trinken!“, fragte ich eifrig, ohne mich von seinen bohrenden Blicken verunsichern zu lassen.

„Ich muss nichts trinken. Deeon hat mich nur nicht richtig geheilt.“, grummelte er. „Der kann nichts richtig machen. Ich bin schwach. Ich kann nichts tun. Ich bin erbärmlich. Ich-“, gerade als er weiter über sich selber herziehen wollte grummelte erneut sein Magen. Er krümmte er sich direkt etwas und hielt inne.

Ich sah ihn einen Moment lang an. „Man, kannst du jammern.“, sagte ich und stemmte meine Hände in die Hüfte. Beobachtend stellte mich zwischen Küche und Esszimmer.

Doch er richtete sich erzürnt auf. „Sei Still.“

„Du hast einfach Hunger!“, antwortete ich darauf und zeigte mit dem Finger auf ihn.

„Hunger! Hunger?.. Hunger...“, er erinnerte sich. Nachdenklich sah er weg. „Du könntest recht Haben.“ Er wirkte besänftigt doch immer noch angespannt.

„Natürlich! Wie kann man das Gefühl vergessen? Wie lange hattest du denn schon keinen Hunger mehr?“, fragte ich verblüfft und hob die Hände.

Doch seine Miene wurde düster. Er zog verärgert seine Arme an sich und überkreuzte sie auf dem Tisch liegend. Dann lehnte er sich etwas vor. Mit einem bösen Blick strafte er meine Frage. Ich sollte die Antwort doch schon wissen. „Seit dem ich tot bin?!“, hörte ich von ihm.

Aber mit einer gleichgültigen Handbewegung ging ich in die Küche zurück. „Hör auf das zu sagen! Du sitzt doch total lebendig dort und kannst motzen!“, rief ich. „Und wenn du so herum motzt und mürrisch wegen des Hungers bist, kannst du noch nicht tot sein!“

Er biss die Zähne verärgert aufeinander und ballte eine Faust. „Hätte ich sie einfach weiter in der Dämonenwelt herumirren lassen.“, nuschelte er gestresst.

Dann aber knurrte sein Magen erneut. Es rumorte laut und er legte seinen Kopf mit der Stirn voran wieder auf den Tisch. „Ich werde sterben...“
 

Die angegebene Zeit verging rasch.

Währenddessen saß der Schattenmann halb liegend dort, und starrte gedankenverloren in den Raum umher. Er musterte das Esszimmer, welches ebenso ein Wohnzimmer war. Auf der anderen Seite des Raumes stand ein kleiner Fernseher und eine Couch. Links und rechts davon standen kleine Schränke. Einer war mit einigen Bilderrahmen geschmückt, auf dessen Fotos immer nur mein Vater und ich zu sehen waren. Auf dem anderen standen einige Topfpflanzen. Auch an den Wänden hingen einige Bilderrahmen.

Gerade als er sich aufstemmte um durch Neugier seiner Langeweile und dem Hunger zu entfliehen, platzierte ich einen Teller vor ihm auf den Tisch. „Da! Lass es dir schmecken!“

Er erschrak etwas und sah mich verblüfft an. Dann steuerte sein Blick hinunter auf das Essen. Einen Moment lang zögerte er und sah es verdutzt an. „Was ist das?“

Doch ich stöhnte genervt. „Iss es einfach! Das ist Pizza!“

Zurückhaltend blickte er auf die acht geschnittenen Stücke herab.

„Es ist zwar noch nicht einmal Zehn Uhr, aber Pizza schmeckt immer!“, lächelte ich und schnappte mir ein Stück.

Der Schattenmann beobachtete, wie ich dieses Stück Pizza in die Hand nahm daran knabberte.

Ich bemerkte wie er sich unsicher war, in dieser Situation etwas zu essen. Doch Essen sollte ihm helfen. Immerhin war er nun ein Mensch. Und mit Menschen kenne ich mich aus. „Das wird dir schmecken. Das weiß ich. Ich habe doch schon gesehen was du gerne verschlingst.“, grinste ich ihn lieb an.

Es verbreitete sich ein wirklich köstlicher Geruch im Raum. Die Pizza dampfte noch etwas und der Käse zerlief an den Enden, aus denen ich das Stück geklaut hatte. Der Teig war innen weich und an den Rändern perfekt knusprig.

Ihm lief das Wasser im Mund zusammen. Er musste sich wirklich zusammenreißen, nicht über diese Pizza her zu fallen. Schließlich bediente der Junge sich an einem Achtel und biss ab. Schnell zerkaute er den Bissen und schluckte ihn hungrig herunter. „Das schmeckt so köstlich!“, starrte er mich mit großen Augen an.

Ich nickte ihm jedoch nur fröhlich zu. „Ich weiß.“, kicherte ich und stützte meinen Kopf auf meinen Arm. Gemütlich aß ich mein Stück und wartete, bis er in kürzester Zeit alle restlichen sieben Stücke verputzte.

Seine Laune verbesserte sich mit jedem Stück. Noch bevor er das eine Stück herunter schlingen konnte, griff er sich schon mit der anderen Hand das nächste. Bis er schließlich den Rand des letzten Achtels gesättigt wieder auf den Teller zurück legte.

Mit halbvollem Mund lehnte er sich erleichtert zurück. Kurz strich er sich mit der Hand über Mund und Kinn. „Das war wirklich nötig.“, stöhnte er satt und glücklich.

Ich hatte meine Ellenbogen auf den Tisch gelegt und stützte mit meinen Händen meinen Kopf. Es war schön zu sehen, dass eine so belanglose Sache ihn wieder stärkte.

„Freut mich, dass es dir besser geht. Wenn ich zickig oder grummelig werde, liegt es meistens daran, dass ich hungrig bin, Schlafen muss oder duschen will.“, erklärte ich gelassen.

Er drehte sich nun etwas seitlich auf den Stuhl und setzte sich bequem hin. Einen Arm legte er wieder über die Lehne und den anderen legte er gelassen neben den Teller.

Ich merkte, wie er nicht mehr gestresst und jämmerlich über dem Tisch hing, sondern sich wieder normal verhielt. Essen bewirkt wohl doch Wunder.

Doch mein breites Lächeln verging als unsere Blicke sich trafen. Der Schattenmann sah mich auf einmal so tief und fokussiert an. Verwundert setzte ich mich Kerzen gerade auf und presste meine Lippen aufeinander. Aber es kam nichts von ihm. Warum sah er mich plötzlich so an?

Hilflos sah ich mit meine Augen nach links und rechts. Was sollte das?

Aber sein Blick war noch einen Moment lang standhaft. Ich erkannte, wie er die Zähne aufeinander biss und etwas sagen wollte. Nervös tippte er mit seinem Zeigefinger einige Male auf und ab.

Fragend lehnte ich mich zurück und drückte mich mit den Armen etwas vom Tisch. „Was ist?“ Doch er drehte sich sofort weg und schmollte etwas. Seine Wangen erröteten leicht. „Danke..“, antwortete er leise und kaum hörbar.

Doch ich kratzte mich verlegen am Kopf. „Ach quatsch! Das ist das mindeste was ich tun konnte.“, lachte ich beschämt und wandte mich ebenso von ihm ab. „Immerhin, ist das doch alles nur meine Schuld.“, sagte ich betroffen und leise. Mein Blick wurde trübsinnig und traurig.

Ich erinnerte mich wieder an die Gasse. An den Augenblick, als er mich beschützen wollte, und wegen mir verlor. Das Gefühl, als ich weinend am Rand saß und nur zusehen konnte, wie er sterbend am Boden lag und nicht einmal mehr von Kitsune und Mephisto gerettet werden konnte. Mein Herz pochte ein wenig schneller und mein Magen zog sich zusammen. „Nur wegen mir wärst du... ach egal..“, stoppte ich mich selber Trübsal blasen. Ich drehte mich wieder zu ihm.

Sein Blick überraschte mich jedoch. Er sah mich ernst und verständnisvoll an. Wollte er etwas dazu sagen? Doch er schwieg nur zu dem Thema.

„Gibt es hier eine Möglichkeit wo ich mich waschen kann?“, wechselte er das Gespräch und deutete zupfend auf seine Kleidung. Sie war noch zerrissen, und etwas Blut war daran noch zu sehen. Da er nun ein Mensch war, war es sicherlich unangenehm in dieser Kleidung zu stecken.

Ich schüttelte perplex den Kopf und blinzelte einige Male mit den Lidern. „Ehm. Ja! Klar!“ Damit hatte ich nicht gerechnet. „Ich zeige dir wo die Dusche ist!“

Direkt sprang ich auf und lief mit ihm zum Bad. Er folgte mir still und blieb vor dem Raum stehen. Seine Laune hatte sich extrem verbessert.

Er war zwar jetzt wieder etwas distanziert und ruhig, doch nicht mehr so nörgellig und nervig.

Schnell drehte ich den Knauf und öffnete die Tür. Dann huschte ich als erste hinein. „Hier, ein Handtuch, und da ist die Dusche. Wenn du diesen Duschhebel bewegst, geht das Wasser an und aus und wird warm oder kalt.“, quasselte ich, öffnete die Duschtür und bediente kurz zur Schau den Regler. „Und mit dem Gel, kannst du dich waschen. Und abtrocknen natürlich mit dem Tuch. Und wenn-“

„Den Rest schaffe ich ohne dein Gequatsche.“ Er stand wartend vor mir und sah mich mit einer hochgezogenen Augenbraue an.

Schweigend standen wir uns nun gegenüber. Er jedoch, weil er auf mein Verlassen des Raumes wartete und ich, weil ich einfach nur keine Gedanken sortieren konnte.

Der dämonische, menschliche, tote und lebende, kräftige und nun schwache Schattenmann würde nun bei mir duschen. Es fühlte sich seltsam an.

„Eh.. Eh.. ja. Klar.“, schüttelte ich wieder den Kopf und drehte mich zur Tür. Mit sinkendem Blick faste ich mir an den Kopf. „Was ist denn nur los?“, flüsterte ich mir selber unsicher zu und schloss die Tür hinter mir. Nun stand ich im Flur. Die Tür rastete mit einem leisen Knall wieder in das Schloss ein.

Sofort hörte ich das Wasser aus dem Duschkopf fließen und am Boden auf prasseln.

„Ich suche dir Kleidung meines Vaters!“, fiel mir noch ein. Schnell drehte ich mich wieder um und lehnte mich an die Tür. „Hallo?“ Jedoch bekam ich keine Antwort. Das Plätschern war lauter, anscheinend war er schon unter der Dusche.

„Hm..“, ich ging vom Bad weg und lief in Richtung des Zimmers meines Vaters. Er wird sicherlich nichts dagegen haben. Was sollte er sonst tragen? Moment. Wenn er was neues tragen muss, dann trägt er gerade... „Was denk ich denn da?!“ zwang ich meine Gedanken zu stoppen.

Gerade als ich das Schlafzimmer betreten wollte, vernahm ich ein lautes Fluchen aus dem Bad. Und Etwas rumpelte in der Dusche. „Argh! Scheiße!“, motzte der Schattenmann schmerzhaft.

Ich verzog mein Gesicht ertappt. „Ups..“ Sollte ich mich zu weit von ihm entfernen, beginnen seine Schmerzen erneut. Das hatte ich ganz vergessen. „Ich Idiot!“

Ohne Zeit zu verlieren stellte ich mich sofort wieder an die Tür. „Aber.. wie mache ich das denn jetzt?“, fragte ich mich und legte meinen Finger nachdenklich auf meine Lippe.

„Vielleicht, wenn ich ganz.. langsam..“, ich hockte mich hin und setzte mich auf den Boden. Langsam kroch ich mit den Füßen voraus durch den Flur. Erst den einen Fuß nach vorn, dann mit meinem Arm abstützen und mit dem Hintern vor rutschen. Danach das andere Bein.

Konzentriert robbte ich mich also langsam voran. Immer wieder sah ich zurück und lauschte, ob ich wieder sein Grölen vernehmen würde. Erneut war ich am Schlafzimmer angekommen. „Ha!“, grinste ich. „Das wäre doch gelacht! Funktioniert doch!“, freute ich mich übereifrig. Warum auch immer dachte ich, dass leise und langsame Bewegungen die Distanz zwischen und beiden hemmen würde.

Ich kickte die Tür bei Seite und kroch weiter hinein.

„YUKI!“, schallte es plötzlich aus dem Bad. „Verdammt! Lass das!!!“

Ich riss die Augen auf und robbte sofort im Rückwärtsgang zurück in den Flur. „Ja, ja, ja, ja..“, schnaubte ich genervt und hockte mich neben die Tür. „Ach meno. Was mache ich denn die ganze Zeit jetzt?“
 

Ich musste warten und saß die Zeit lang auf dem Fußboden.

Mal streckte ich das linke Bein, dann das Rechte. Es war nicht wirklich bequem, doch Stehen wäre unangenehmer gewesen. Ich lehnte meinen Kopf mal an die Wand, dann ließ ich ihn nach vorne hängen.

Zeit um unsinnige Gedanken wieder hochzuholen hatte ich leider genügend.

Ob er weiß, dass es mir leid tut? Ob er mich deswegen verurteilt? Ob er wieder denkt, dass ich einfach nur dumm und schwach bin?

„Oooch...“, nörgelte ich und zog die Beine ran. Betrübt legte ich mein Gesicht auf die Knie und atmete tief und gelangweilt aus.

Wie soll ich denn das Thema ansprechen? Sollte ich das überhaupt? Es lag mir schwer auf der Seele. Aber wie soll ich nur anfangen?

Ruhelos zuppelte ich an meiner Schulkleidung, welche ich noch immer trug. Ich faltete meinen Rock zusammen und ließ ihn wieder fallen. Eine Bewegung, die ich ständig tat, wenn ich sonst nichts zu tun hatte. Dann fummelte ich an meinem Shirt.

Wäre er sauer wenn ich ihn darauf anspreche? Ich weiß es nicht.

„Oh maan!“, ich legte meine Hände verzweifelt über mein Gesicht und jammerte weiter. Meine Füße bewegte dabei ich unruhig hin und her.

„Alles in Ordnung?“, hörte ich plötzlich den Schattenmann fragen.

Ich hatte die Zeit aus den Augen verloren. Dass das Wasser nicht mehr plätscherte und dass er die Tür öffnete hatte ich auch vollkommen ausgeblendet. Der Schattenmann stand nun neben mir und blickte zu mir herab.

Sofort erschreckte ich mich und sprang vom Boden auf. „JA! Eh. Ja! Ja... Klar!“, log ich ihn an und wedelte überrascht mit meinen Händen.

Doch dann erst realisierte ich, wie er vor mir stand. Lediglich mit einem Handtuch um seiner Hüfte bekleidet, trat er vor mir und blickte mich wartend an.

Sein Körper war noch etwas nass. Und von seinen, kurz mit dem Handtuch durch gerubbelten Haaren tropfte ein wenig Wasser herunter.

Ich schaute ihn nichtsahnend, verstummt und verlegen an. Mein Gesicht erglühte rot, als ich ihn total auffällig und Kopflos begutachtete.

Ich konnte nicht von seiner breiten Brust und seinen muskulösen Schultern wegsehen. Die Tropfen liefen an seiner Haut herunter, über seinem Hals und seinem Bauch. Und da waren auch drei längliche Narben zu sehen, welche ihm erst vor kurzem zugefügt wurden. Dort war die Haut etwas heller. Mit einer Hand hielt er etwas das weiße Handtuch fest und befestigte es um sich. Doch tiefer gelangte mein Blick nicht.

„Könntest du das Gaffen sein lassen?“, kam es von ihm genervt und desinteressiert. Er spielte die gleiche Macho-Nummer wie ich es von ihm gewohnt war.

„Oh je.“, ich tätschelte mir auf die roten Wangen. „Trockne dich richtig ab. Du wirst alles nass machen!“, lenkte ich mich ab und lief an ihm vorbei. Dabei hielt ich meine Hand beschämt an der Seite meiner Schläfe um sein Ansehen zu verbergen. Mein Herz hatte entweder kurz ausgesetzt, oder raste vor Verlegenheit. Ich konnte es nicht unterscheiden. „Ich gebe dir Kleidung meines Vaters!“, wiederholte ich ohne ihn erneut anzusehen. Mit schnellen Schritten lief ich endlich in das Zimmer. Er folgte mir unauffällig.

Der große Kleiderschrank meines Vaters gab nicht so viel Kleidung her. Jedoch hatte er noch das eine oder andere Kleidungsstück für gute Tage aufbewahrt. Da er viel arbeitet und auch nicht gerade klein war, sollte dem Schattenmann die Kleidung passen.

Ich durchsuchte die Hemden an den Kleiderbügeln. Ein weißes zog ich direkt heraus und warf es auf das Bett hinter uns. Dann suchte ich nach einer passenden Hose. Mit Recken und Strecken versuchte ich an die oberen Fächer zu kommen. Dort waren seine Hosen verstaut. Ich stellte mich auf Zehenspitzen um jedoch kaum ran kommen zu können. Dann hopste ich etwas, doch fassen konnte ich die Kleidung immer noch nicht.

Während ich mühevoll versuchte die Hosen zu greifen, hörte ich ständig meinen Namen.

„Yuki?“, sagte eine dumpfe Stimme. „Yuki?“, sie kam näher.

Der Schattenmann drehte sich aufmerksam zur Tür. „Da kommt jemand!“, sagte er wachsam.

„Oh nein! Wenn das mein Vater ist! Der soll dich nicht sehen! Er würde ausrasten dich hier so zu finden! Oh Gott!“, ich hüpfte schneller, jedoch nicht höher. „Warum hat er die Hosen so weit oben versteckt?“, motzte ich leise.

„Hand weg!“, forderte der Junge flüsternd und stellte sich ganz nah hinter mich. Er griff über mich hinweg und packte in das oberste Fach.

„Hättest du nicht eher helfen können?“, fauchte ich eben so leise zurück.

„Du hast ja nicht gefragt!“

„Du hast das doch gesehen!“

„Was davon willst du jetzt?“

„Das da!“, tuschelte ich und zeigte mit noch immer gestrecktem Rücken und auf Zehenspitzen stehend auf eine der Hosen.

„Die?“

„Nein! Da drunter!“

„Die?!“

„Eine weiter runter!“

„Willst du mich verar-“

„Yuki?“, die Person aus dem Flur trat vor den Raum und schob die Tür langsam auf.

Sehr eng beieinander stehend und ausgestreckten Armen, sahen der Schattenmann und ich erschrocken zum Ausgang. Währenddessen zog der Schattenmann die Hose endlich herunter.

Eine blonde Gestalt stand zwischen Flur und Zimmer. Er sah uns etwas schmunzelnd aber überrascht an. „Ich komme später wieder“, sagte Deeon lächelnd und verschwand direkt wieder aus unserem Blick.

„Deeon!“, sagte ich laut und sah ihm hinterher. „Warum muss so etwas immer mir passieren!?“, moserte ich und duckte mich unter den Armen des Schattenmannes herunter. „Warte! Deeon!“, rief ich ihm nach und rannte aus dem Zimmer. „Warte! Das war doch nur...“, doch als ich im Flur stand, war er bereits verschwunden. Ich schaute enttäuscht in den dunklen Gang und runzelte die Stirn. „Deeon...“, flüsterte ich und ließ meine Schultern traurig hängen. Mit kleinen Schritten bewegte ich mich wieder in das Wohnzimmer. „Warum bleibst du nicht bei mir? Und warum warst du da?“, nuschelte ich mir selber zu und blickte in das leere Zimmer.

„Der hat nur die Ampullen mit dem Sanitatem gebracht. Der Trank den Mephisto mir geben sollte. Da auf dem Tisch. Du bekommst auch gar nichts mit!“, hörte ich den Schattenman hinter mir. „Was findest du überhaupt an dem Typen?“, fügte er mit leicht genervtem Unterton hinzu und verschränkte die Arme ineinander.

Mit einem Mal drehte ich mich verdächtig zu ihm um. „Was? Wie? Was meinst du?“, stotterte ich und streifte mein Haar auffällig mit leicht zittriger Hand hinter mein Ohr.

„Sieht doch jeder, dass du auf ihn stehst. Du schauspielerst übrigens echt schlecht.“, erklärte er selbstverständlich und nickte dabei herablassen mit dem Kopf.

Meine Augen wurden ganz groß. „Was...?“, fragte ich ertappt und legte meine Hände auf meine Wangen um meine Verlegenheit zu verstecken.

„Aber weißt du was ICH gefunden habe?“, meinte er nun und hob seine Hand. „Schau.“ Er hielt eine weiße Feder in der Hand.

„Was? Woher?“, verblüfft schaute ich sie an und näherte mich ihm etwas. Beim Ansehen fühlte ich mich wieder so wohl und beruhigt. Sie ähnelte der weißen Engelsfeder, die ich auf dem Boden in der Gasse sah.

„Sie fiel herunter, als ich die Hose heraus zog.“, erklärte er nun.

„Dann lag sie im Schrank meines Vaters? Aber warum? Ist es vielleicht eine normale Feder?“, überlegte ich und nahm sie in meine Finger.

„Nein.“, widersprach er selbstsicher. „Auch wenn ich keine dämonischen Kräfte mehr besitze, merke ich, dass es etwas magisches ist! Das spürst du doch sicherlich auch! Die Frage ist nur, von wem diese Feder ist.“, meinte er und stellte sich nachdenkend neben mich.

„Könntest du dir mal etwas anziehen?“, kommentierte ich ihn jedoch.

Ungeachtet was ich sagte, riss er plötzlich die Augen auf. „Halt!“, sagte er aufdringlich und sah mich bestürzt an. „Wie ist Deeon her gekommen?!“, fragte er aufgebracht.

„Na, ich schätze mal durch ein Portal. Wie wir auch.“, ich zuckte unbekümmert mit den Schultern.

„Aber woher wusste er, wo wir hin mussten?“ Er wurde immer ernster und nahm mir die Feder aus der Hand. Sorgenvoll lief er auf und ab.

„Er.. ist doch ein Engel. Irgendwie wusste er das halt.“, antwortete ich unsicher und setzte mich an den Tisch. Meine Augen folgten seinen Schritten hin und her. Schließlich sah er mich mit seiner typischen genervten Miene an. „Wenn ich das Frage, wird es einen Grund haben. Hör auf irgendetwas herein zu werfen, wovon du keine Ahnung hast.“

Ich sah schmunzelnd herab. „Tschuldige.“, meinte ich leise und zog ihm die Feder wieder aus den Händen. Dann drehte ich sie gedankenversunken hin und her.

„Man kann nur ein Portal zu einem Raum öffnen, in welchem man bereits war. Es sei denn, man wird explizit gerufen.“, fuhr er fort. „Hör mir zu!“, motzte er und nahm mir die Feder wieder weg welche ich träumend ansah. „Yuki! Er könnte etwas mit deinem verlorenem Gedächtnis zu tun haben!“ Er haute die Feder auf den Tisch.

„Was? Das würde er nicht machen! Das... nein. Das würde er nicht. Ich kann Deeon vertrauen! Das weiß ich!“, widersprach ich seinem Verdacht.

„Natürlich!“, motzte er. „Dieser Dreckskerl! Irgendetwas hat er wieder vor!“, er biss wütend die Zähne aufeinander. „Wo ist deine Freundin? … Da wo du mich gerufen hattest! ... Wohin ich dich damals zurück gebracht hatte!“, er wirkte total aufgebracht.

„Nami? Sie ist in der Schule!“, antwortete ich zögernd.

„Dann müssen wir jetzt zur Schule!“, er schnappte sich die Feder und deutete zum Ausgang.
 

Im Nachhinein:

Yuki: ... Gib mir die Feder wieder! Ó_ò >

Schattenmann: Nein. -_-

Warum?

Wir liefen schon eine ganze Weile durch die Stadt. Mit schnellem Schritt folgte ich dem Schattenmann. Er lief vor mir her und hatte ohne Weiteres ein rasches Tempo aufgelegt.

Meine schmollenden Blicke sah er hinter sich nicht. Vielleicht bemerkte er sie, reagierte jedoch nicht darauf.

Schließlich versuchte ich ihn einzuholen. „Warum hast du es denn so eilig?“, jammerte ich, „Es ist noch sehr früh. Nami wird noch lange genug in der Schule sein.“

Es erfolgte keine Antwort. Er lief strickt und gedankenversunken weiter, ohne sich nach mir umzudrehen.

„Hey. Halloo? Das nervt total wenn du nicht antwortest!“, nörgelte ich und verlangsamte wieder mein Tempo.

Er drehte seinen Kopf nur leicht zur Seite und sah mich kurz an. „Ich muss wissen, ob deine Freundin etwas über den Abend weiß.“, antwortete er leise und richtete sich wieder nach vorn. Dass ich Probleme hatte, mit ihm Schritt zu halten um ihn akustisch zu verstehen, interessierte ihn gar nicht erst. „Deeon MUSS etwas damit zu tun haben! Und falls sie auch unter einer Gedächtnislücke leidet, muss ein Engel etwas damit zu tun haben! Und dieser Engel ist Deeon.“, erklärte er immer leiser werdend.

Aufmerksam hörte ich zu und steigerte mein Tempo, welches ich jedoch nicht lange halten konnte. Ich holte etwas Anlauf. Dann hopste ich ihm schnell nach, doch er war wieder schneller und wurde einfach nicht langsamer. Er faselte seinen Monolog ungeachtet weiter, ohne, dass ich mehr mitbekommen durfte, was er sich selber sagte.

Also blieb ich schnurstracks stehen, „Hey!“, und stampfte auf den Boden. „Ohne mich kannst du sowieso nicht weiter!“, rief ich ihm hinterher und überkreuzte meine Arme wütend ineinander. Ich begann gerade mit dem Fuß auf den Boden zu klopfen und auf seine Reaktion zu warten. „Warum denkst du immer nur so schlecht von Deeon! Was ist, wenn er nichts damit zu tun hat? Fragen wir ihn doch einfach!“, fügte ich hinzu.

Endlich blieb der Junge stehen. Einen Moment lang stand er nur schweigend dort und sah über seine rechte Schulter zurück. Dann drehte er sich zu mir um und sah mich mit seinem grimmigen Blick an. Diese Miene hatte ich schon oft genug gesehen. Sie machte mir schon keine Angst mehr.

Unsicher, ob ich nun weiter sprechen sollte, konnte ich trotzdem nicht meinen Mund geschlossen halten. Als er mich schließlich aus der Ferne ansah und seine Hände wartend in seine Hosentaschen legte, forderte er mich schweigend auf, weiter zu laufen. Ich wollte seine Sturheit aber nicht unterstützen. „Du solltest unbedingt mal lockerer werden.“, riet ich ihm und hob den Finger grinsend.

Nun hörte ich ein genervtes Stöhnen von ihm. Mit gleichbleibender genervter Art kam er plötzlich auf mich zu. Seine Augen blickten grimmig auf mich herab und er kam mir ganz nahe.

Ich wich überrascht zurück und hob schützend die Arme vor mich. „Äh... erst so distanziert und jetzt plötzlich so bedrängen.“, sagte ich ängstlich und doch grinsend. Aber nur mit dem Hintergedanken, ihn mit ein wenig Spott von seinen finsteren Gedanken abzubringen.

Doch sein Blick wurde nicht freundlicher. „Sei einfach still.“

Seine Reaktion erschrak mich etwas.

Hatte ich wieder zu viel gesagt? Habe ich ihn mit meinen Worten verletzt? Immerhin war es für ihn ein ernstes Thema und ich respektierte es nicht. Im Gegenteil, ich versuchte ihn sogar zu ärgern.War das falsch?

Ich biss auf meine Lippe und sah nachdenklich herab. Auch wenn er nun ein normaler Mensch war und mit mir nun in meiner heimischen Umgebung spazierte, vergaß ich, weshalb wir das taten. Für einen kurzen Moment hatte ich den Ärger und das Negative ausgeblendet. Ich wollte nicht, dass ständig eine düstere Stimmung herrschen sollte und versuchte unterbewusst, dagegen anzukämpfen. War das richtig? Ich erkannte nun die Situation.

Bedrückt zupfte ich etwas an meinem Rock. „Es tut mir- WUA!“ doch ehe ich etwas sagen konnte, packte er meinen Arm, faste meine Hüfte und hob mich plötzlich mit Schwung über seine Schulter.

„He.. Hey! Was wird das?!“, fragte ich panisch. Ich fuchtelte hektisch mit den Füßen und versuchte mich aus seinem Griff zu befreien.

„Du bist mir zu langsam.“, bekam ich nur gelassen als Antwort. Ich hörte, wie seine Stimme von einem dezenten Grinsen untermalt wurde.

Der Schattenmann hielt mich an meinen Beinen und an meinem rücken Rücken, drehte sich um und folgte wieder seinem Ziel.

Ich musste kurz begreifen, was nun passiert war. Denn ich hatte die Situation wohl falsch gedeutet. Er war nicht sauer oder verletzt. Meine Worte nahm er sich nicht einmal zu Herzen. Es störte ihn nur, mein langsamer Gang.

Ergeben und erleichtert ließ mich schlapp an seinem Rücken herunter hängen. „Pizza ersetzt wohl deine Kräfte, was?“, nuschelte ich lächelnd und und drehte gelangweilt meinen Kopf zur Seite, zwischen meinen herunter baumelnden Armen.

Es war still. Ich genoss es von ihm getragen zu werden. Besonders aber erfreute mich die Tatsache, dass er nicht sauer auf mich war. Auch wenn ich meinen Mund wieder nicht zügeln konnte. Doch die Stille wurde nach einer nachdenklichen Minute des Schattenmannes unterbrochen. „Was findest du nur so besonders an dem Typen?“ Hörte ich ihn plötzlich fragen. „Ich denke, dir ist bewusst, dass er nur so besonders auf dich wirkt, weil er ein Engel ist.“, murmelte er mürrisch weiter. Sein Schritt wurde energischer.

„Nein. Das ist es nicht.“, antwortete ich ehrlich während ich mit meinen Gedanken bei Deeon war. „Ich weiß was du meinst, aber es ist nicht diese Ausstrahlung die du meinst. Das was ich fühle, ist viel vertrauter. Seine Nähe fühlt sich so vertraut an. Als wäre er schon immer bei mir gewesen. Auch wenn wir uns kaum kennen, weiß ich, dass er so etwas... wie ein Verbündeter ist.“

„Wir sind doch auch Verbündete... Deeon ist doch nur ein Lügner.“, kam es unterschwellig und zögernd von ihm. Auch wenn wir uns nicht in die Augen sehen konnten, spürte ich seine Ehrlichkeit und seine Unsicherheit. Wie auch er meine Gefühle und mein pochendes Herz für Deeon aus meinen Worten hören konnte.

Meine Wangen wurden rot und ich richtete mich etwas mit meinem Oberkörper auf. „DU!“, begann ich laut zu werden. „Von wegen Verbündete! Wegen DIR gerate ich immer nur in Schwierigkeiten! Du bist ein Spanner! Und du bist dickköpfig!“, motzte ich ihn an und fuchtelte mit meinen Beinen herum.

Er setzte seinen Griff nach und drückte mich mit seiner Schulter etwas hoch. „DU kümmerst dich doch selber darum, immer in Schwierigkeiten zu geraten! ICH habe keinen Dämon beschworen, den ich herausfordern wollte!“

„Nami hat mich gezwungen! Das war Gruppenzwang!“

„Ich habe auch keinen Dämon in der Schule dumm angestarrt, sodass er mich töten wollte!“

„Er hat mich angerempelt!“

„Und ich wollte auch nicht, - obwohl ich weiß dass ich klein und schwach bin, - in einer dunklen Seitengasse ein gruseliges, total auffälliges Mädchen trösten, das mich töten wollte!“

„Das war nicht meine Schuld, dass ich alleine war!“

„Und ich bin keine Heulsuse, die ständig gerettet werden-“ „Du bist zu weit gelaufen!“, unterbrach ich unseren Streit.

Der Schattenmann zügelte seine Rage und blieb verdattert stehen. „He?“

Ich klopfte mit einer Hand auf seinen Rücken und mit der Anderen zeigte ich zur Seite.

Stumm sah er den Weg entlang. Dort erkannten wir auch schon das große ummauerte Gebäude der Schule.

„Endlich!“, atmete er gelassen aus und stellte mich wieder ab. Schnell richtete ich meine Kleidung und drehte mich in die gleiche Richtung. Ehe der Schattenmann weiter laufen konnte, hielt ich ihn jedoch an seinem weißen, hoch gekrämpelten Ärmel. „Warte!“, forderte ich ihn mit Bedenken auf.

Er sah mich überrascht an. Dass ich ihn nun so nachdenklich und zurückhaltend ansprach, verwunderte ihn.

„Also... die Schule ist ein Ort, wo ich fast mehr Zeit als zu Hause verbringe. Bitte stell nichts doofes an. Egal was andere sagen.“, zögerte ich und wurde immer leiser mit der Stimme. Ich faltete ein wenig meinen Rock hin und her und sah zu Boden. „Es.. gibt Leute an der Schule, die sind ziemliche Raufbolde. Und... die mögen mi- ... die mögen manche Leute nicht.“, versuchte ich stotternd zu erklären. „Sobald du zu auffällig wirst... dann... naja. Lass es einfach.“

Er sah kurz wieder zu Schule und überlegte nicht lange. Ohne zu zögern zuckte er mit den Schultern. „Hmh. Meinetwegen.“

Plötzlich merkte ich seine Hand auf meinem Kopf. „Mach dir keine Sorgen.“, lächelte er mich nun freundlich an. „Wenn etwas schief geht, benutze ich einfach die!“, grinste er und zückte die Engelsfeder aus seiner Hosentasche. „Für alle Menschen, die mich damit sehen, werde ich imponierend, anziehend, heroisch, attraktiv, respektabel und beachtlich wirken.“ erklärte er stolz und hielt die Feder selbst überzeugt hoch.

Spannend sah ich erst auf die kleine, weiße Feder in seiner Hand. Danach wanderte mein Blick auf sein überhebliches Gesicht. Ich betrachtete ihn einen Moment. Schließlich grinste ich frech und blickte ihn direkt an. „Und warum wirkst du auf mich nur voreingenommen und arrogant?“

Sein Stolz zerfiel in ein genervtes Zähneknirschen und runzelnde Stirnfalten „Weil du einfach eine Ziege bist! Deswegen!“, motzte er und schlug mir leicht auf den Kopf.
 

Auf den letzten Schritten bis zum Gelände, erklärte ich ihm einige, für Schüler selbstverständliche Regeln an diesem Ort. Dass man Lehrern Respekt zeigen muss, indem man ihnen zuhört oder sie zumindest nicht unterbricht, dass man bestimmte Orte nicht betreten darf, wie als Mann, die Frauentoilette, dass man den Raum während des Unterrichts nicht einfach verlassen darf und auch nicht von seinem Platz aufstehen sollte, waren dem Schattenmann ganz neue Regeln. Einfache Regeln, die jedoch nicht mit seinem Ego übereinstimmten.

Stundenlanges Herumsitzen, nur um jemanden zuzuhören, danach das Aufgenommene anzuwenden und je nachdem wie gut der Lehrer den Inhalt erklärt hat, wie gut man es verstehen konnte und wie gut man es wiedergeben konnte, eine Benotung zu erhalten, die vorgibt, wie toll man im späteren Leben sein soll und was man arbeiten darf. Das fand er unangemessen um sich Wissen aneignen zu dürfen.

Doch ihm den Sinn der Benotung zu erklären oder überhaupt mit ihm darüber zu diskutieren fand ich Aussichtslos. Ich hatte eher ein kleines Augenrollen mit einem Schmunzeln dafür übrig.
 

Schließlich betraten wir den Schulhof. „So da sind wir!“, sagte ich erleichtert und deutete mit ausgestreckter Hand auf das große Gebäude, welches aus einem großen Gebäude in der Mitte bestand und links und rechts jeweils ein abstehendes, kleineres Gebäude angebaut wurde.

Der Schattenmann lief neben mir her und war nicht weiter beeindruckt. Immerhin hatte er ja schon diesen Ort gesehen. Er wollte nur zu Nami, um an Informationen zu kommen, um alles zu erfahren, was sie wusste. Das war sein Ziel.

Ich nahm meinen Arm wieder herunter und deutete mit einer kleinen Kopfbewegung auf den Eingang der rechten Seite. „Da durch, dann auf den Innenhof und zu der Bank. Es ist noch Pause. Entweder sitzen wir auf der Bank vor dem Gebäude oder hinter dem Gebäude. Da sie hier aber nicht sitzt, wird sie hinten wohl sitzen.“ erklärte ich und lief voraus. Der Schattenmann wirkte jedoch etwas angespannt und blieb noch einen Moment steif stehen. Er blickte sich unauffällig und kampfbereit um. Trotz lässiger Miene war er innerlich nervös. Er drehte seinen Kopf leicht zur Seite und beobachtete die anderen Schüler.

Ich ging wieder zurück. „Was hast du denn?“, fragte ich und legte lächelnd einen Finger auf meine Wange. Ich kannte diesen Blick. So angespannt saß er beim Eisessen auch am Tisch und sah sich stets um. Dass er immer auf der Hut war, konnte ich ihm nicht verübeln. Doch nun war er bei mir und er war kein Dämon mehr. Ich fühlte mich dafür verantwortlich, mich um ihn in dieser Welt zu kümmern. Er war geschwächt und war aufgeschmissen in dieser Welt, in welcher ich mich jedoch sehr gut auskannte. Ich war die einzige Bezugsperson für ihn. Ich konnte ihn nicht dieser ständigen, angespannten Wachsamkeit überlassen. Also sanft seine Hand und deutete mit einem kleinen, langsamen Schritt auf den Eingang. „Du brauchst keine Angst zu haben. Deeon sagte mir, dass er aufpassen wird.“ Irgendwie versuchte ich ihm seine Angst zu nehmen.

Doch er sah verblüfft meine Hand an, welche seine umfasste. Dann blickte er weg. „Vielleicht auf dich. Aber nicht auf mich.“, flüsterte er mir verärgert zu und stellte sich näher vor mich. „Merkst du nicht, dass wir ständig angestarrt werden? Jeder könnte ein Dämon sein. Und ich würde es nicht einmal merken.“, gab er misslaunig zu.

Nichtsahnend sah auch ich mich nun um. Mir blieb der Atem stehen. Er hatte recht. Entgeistert erkannte ich gaffende Blicke, die wir auf uns gezogen hatten. Sie tuschelten, richteten sich zu uns und drehten sich schnell wieder weg. Es war nur vereinzelnd, bereitete mir dennoch Bedenken. Unter dieser Atmosphäre wurde ich nervös. Warum sahen sie her? Was flüsterten sie?

Ich drehte mich ratlos zum Schattenmann. Auch er fühlte sich unwohl. Wir wirkte wie zwei Außenseiter, auf denen ein heller Spot gerichtet war.

Langsam drehte ich mich etwas zur Seite und stellte mich näher an ihn. Wir fasten unsere Hände fester ineinander. Ob seine Nähe nun mich beruhigen oder meine Nähe ihn beschützen sollte, war mir unklar. Beides würde wohl nicht helfen.

Sollte uns ein Dämon angreifen, wären wir ihm kraftlos ausgeliefert. Ich hoffte nur noch auf Deeons Hilfe. Es ergriff mich der Ernst und die Angst. Leicht schaute ich über meine Schulter und beobachtete aus welcher Richtung das Starren kam. Es waren überwiegend Mädchen, die uns beobachteten. Manche zeigten ein entzücktes Lächeln, andere ein böses Grübeln. Einige dieser Gesichter kamen mir sogar bekannt vor und gehörten meinem Jahrgang an.

Da kam es mir plötzlich wie ein Blitz!

Ertappt riss ich die Augen auf und richtete mich vom Schattenmann weg. Sofort richtete ich meinen Blick verlegen zu Boden und faste mir mit der anderen Hand vor den Mund. Mein Gesicht wurde glühend rot.

„Yuki! Was hast du?“, ihn beunruhigte meine plötzliche Reaktion.

Doch vor Scham drehte ich mich nicht zu ihm um. „Komm schon! Mach dir keine Sorgen. Es ist alles ok. Vertrau mir.“, antwortete ich ihm nur abgewandt. Ich wollte nicht, dass er mein beschämtes Gesicht sieht. Aus meinem sanften Halten seiner Hand wurde nun ein fester Griff an seinem Arm. Ich packte ihn sofort am Handgelenk und zerrte ihn schweigend hinter mir her.
 

Wir ernteten diese Stielaugen, da ich mit dem Schattenmann hier war. Der Junge, der vor Kurzem noch von einem Schwarm Mädchen begrüßt wurde, nur weil er an dem Schultor stand. Und nun konnte jeder sehen, dass ich ihm irgendwie nahe stand. Das letzte Mal ging die Meute verärgert weg, als sie erkannten, dass er nur meinetwegen gekommen war. Ich stellte Konkurrenz dar. Aber gerade ich, die nie etwas mit dem anderen Geschlecht zu tun hatte und allem versuchte aus dem Weg zu gehen, macht nun so auf sich aufmerksam. Immerhin war er tatsächlich hübsch und ansehnlich. Besonders, nachdem er nun menschlicher aussah.

Was glauben sie nur über mich? Hoffentlich komme ich dadurch nicht in Schwierigkeiten.

Ich malte mir alle typischen Möglichkeiten aus, wie über mich hergezogen werden konnte.
 

Während ich mich innerlich extrem ärgerte, folgte der Schattenmann mir nur stillschweigend. Zwar wusste er die Situation nicht richtig einzuschätzen, doch bemerkte er wohl, dass ich die Angelegenheit durchschaut hatte und konnte sie als ungefährlich einstufen. Er war von meinen gelaunten und doch drängenden Worten etwas konfus, nahm es jedoch bedenkenlos hin und ließ sich von mir wegbringen.

Da ich nun wusste, um welches Thema es sich bei der Tuschellei handelte, verstand ich sogar diesen und jenen Satz.

„Yuki mit dem heißen Typen? Wer ist das? Oh schnell weg, sie guckt.“ „Was macht so einer zusammen mit Yuki?“ „Die ist doch sonst unattraktiv.“ „Der wird sich doch nie so eine aussuchen.“ „Er hat bestimmt eine Wette verloren. Das ist immerhin Yuki.“

Ich drückte die Zähne nachdenklich aufeinander und stampfte einfach weiter. Einige ihrer Worte verletzten mich. Diese Lästereien kannte ich nur zu gut.

Sobald sie merken, dass man sich nicht wehrt, ist man ein gutes Ziel. Daher war es wichtig für mich, nicht aufzufallen, damit es auch kein Gesprächsstoff über mich geben konnte. Auch wenn ich nie etwas falsch gemacht hätte, fänden Menschen immer ein Thema zum lästern. Nur um ihre Langeweile zu füllen, suchen sie nach dem nächsten Opfer. Nicht immer ist ein Angriff damit beabsichtigt, doch viele merken nicht, dass diese Worte oft bemerkt werden und verletzen.
 

Mein Gang war nun schnell und verbissen. Die fragenden Blicke des Schattenmannes merkte ich in meinem Rücken, konnte sie aber nicht beantworten. Also machte ich stur einen Schritt nach dem anderen, ohne aufzublicken. Meine Haare verdeckten mein errötetes Gesicht. Schnell flüchtete ich mit ihm in das Gebäude.

Eine kleine Gruppe von Mädchen standen direkt am nächsten Fenster. Sie sahen uns überrascht an und suchten sofort das Weite. Ich hatte das Gefühl, als würden wir verfolgt werden.

„Was ist denn los?“, hörte ich den Jungen aufmerksam hinter mir. Seine Worte versuchte ich zu ignorieren und einfach meinem Weg zu folgen. Sollten wir gleich an der Bank ankommen, müsste sich das Getuschel legen. Denn dieser Ort war sehr abgelegen. Doch besonders hier im Gebäude gerieten wir extrem unter den Beschuss neugieriger Blicke. Also nur noch schnell durch den Flur und der anderen Tür zum Hinterhof.

Doch dann spürte ich, wie der Schattenmann meine Hand faste und mich zu sich zog „Yuki!“, er blieb verärgert stehen und drückte mich an einen der Spinde, die an der Wand standen. Mit einer Hand versperrte mir den Weg. „Was ist los mit dir? Ich vertrau dir, aber du musst mit mir reden, sonst kann ich dich nicht beschützen!“, flüsterte er mir deutlich und aufrecht zu.

Mein Puls wurde immer schneller. Mein Kopf platze fast vor Röte. Ich hörte mein Herzklopfen klar und deutlich. Es pochte so laut, dass ich seine Worte kaum noch vernahm. Doch ich konnte mein Gesicht und meine Verlegenheit noch mit meinen Haaren verstecken.

Schüchtern und aufgeregt biss ich auf meine Lippen und konnte nur nervöse Töne von mir geben. Überfordert spielte ich an meinem Shirt. Ich wollte, dass er geht. Er sollte mir nicht so nahe treten und einen falschen Eindruck vermitteln. Ich drehte mich von ihm weg und erkannte am Ausgang sogar kichernde Mitschüler. Mit großen Augen sahen sie, wie der Schattenmann mir schon schamhaft nahe kam.

Dampfte mein Kopf etwa schon? Warum war mir das überhaupt so peinlich? Bemerkte er überhaupt, wie das aussehen musste? War das Absicht? Er wollte nur eine Antwort für mein Verhalten. Doch es wagte sich kein Wort von meinen Lippen. Zart aber grummelig faste er mir nun an meine Wange und drehte meinen Kopf zu sich.

Es war so weit. Mein Herz sprang aus meiner Brust. Mein Körper brannte. Mein Atem blieb stehen und ich spürte meine Beine nicht mehr.

Warum machte mir seine Nähe so viel aus? Warum wurde ich vor ihm plötzlich so nervös? Es lag an den Blicken der Anderen. Daran musste es gelegen haben!

Im Hintergrund hörten wir ein quietschendes, freudiges Gekreische.

Mit riesigen, ertappten Augen blickte ich ihn nun an. Vor Aufregung war mein ganzes Gesicht rot angelaufen. Zitternd verschränkte ich meine Hände vor meine Brust.

Als meine Maske fiel und unsere Blicke sich kreuzten, sah ich erst ein wenig Wut und Sorgen in seinen Augen.

Nachdem er jedoch mein peinlich berührtes Gesicht erkannte, wich er perplex zurück. „W.. Was hast du?!!!“, fragte er total überfordert, zog seine Hände weg und gab mir einen angepassten Freiraum. Er hatte sie Situation tatsächlich nicht verstanden.

Zwar war es mir peinlich, wegen ihm so in Verlegenheit zu geraten, doch nun war ich auch sauer. Da er wohl nichts von alle dem begriffen hatte, konnte ich es ihm doch nicht noch erklären! Wütend kniff ich meine Augen zusammen und ballte meine Fäuste „Das verstehst du nicht!!!“, motzte ich ihn an und flüchtete sofort zum Ausgang.
 

Nur noch um die Ecke und wir waren angekommen. Verärgert stampfte ich die letzten Schritte zur Bank. „Was? Wo ist sie denn?“, fragte ich und blieb starr stehen.

Der Schattenmann ging einen Schritt nachdenklich vor. „Vielleicht hat Deeon sie! Er weiß genau was wir vorhaben. Wir sind nur schwache dumme Menschen. Vielleicht gibt er ihr noch eine Gehirnwäsche, oder hält sie gefangen, hat einen Fluch auf sie gelegt oder.. wird sie ausschalten...“, dachte er laut nach und verschränkte die Arme ineinander.

Genervt richtete ich mich zu ihm. „Oder sie ist wo anders, weil sie hier nicht alleine sitzen wollte.“, rollte ich die Augen. Dann sah ich an dem Gebäude hinauf, in die Richtung meines Klassenraumes. „Vielleicht werden sie in der Klasse finden. Es beginnt gleich schon der Unterricht.“

Der Schattenmann steuerte schon startbereit dem Eingang zu. „Wir sollten keine Zeit verlieren!“, meinte er gelassen und öffnete bereits die Tür.

„Halt warte!“, stoppte ich ihn jedoch. „Du kannst doch nicht einfach los gehen! Du weißt doch gar nicht wohin!“, moserte ich ihn an und zog wieder an seinem Ärmel.

„Dann geh vor.“, kam es mir kalt als Antwort entgegen. Er deutete in den Flur hinein und machte mir Platz.

Im Gegensatz zu mir war er strukturiert, mit einem Plan. Auch wenn er nur zielstrebig darauf zu arbeitete und nichts anderes im Kopf hatte. Ich jedoch war ganz durcheinander und wusste nicht so genau, was ich tun sollte. Mein Unbehagen versuchte ich mit der aufgesetzten Motzerei zu überspielen. Ich fühlte mich wie benommen und konnte keinen klaren Gedanken fassen. Es fühlte sich seltsam an, hier mit ihm alleine zu sein. Sonst machte es mir nichts aus. Aber hier schon. Besonders nach dieser Aktion gerade.

Kopflos ging ich also an ihm vorbei in das Gebäude. Mein Puls war immer noch nicht wirklich entspannt. Auffällig unauffällig lief ich mit angespannten, weiten Schritten in den Flur. Durch den Versuch mich normal zu verhalten, wirkte ich jedoch nur noch absurder.

„Was ist mit dir los?“, maulte der Schattenmann und lief mir wieder hinterher.

Ertappt blieb ich stehen. Als würden sich meine Nackenhaare aufstellen schüttelte sich mein Körper kurz und ich drehte mich zu ihm. Gerade als ich ausholte um ihm wieder schlecht gelaunte Worte an den Kopf zu werfen, erblickte ich jedoch ein blondes Mädchen hinter ihm auf dem Hinterhof. Ich schluckte meine unnötigen Nörgeleien herunter und lief an ihm vorbei. „Nami!“, rief ich und hob meine Hand. Ich erkannte diese langen, blonden Haare und die Silhouette dieses perfekten weiblichen Körpers überall. Doch einen Moment lief sie noch weiter. Hatte sie mich nicht gehört?

„Nami! Warte!“, rief ich noch einmal lauter. Dann blieb sie endlich stehen. Erleichtert begann ich zu lächeln.

Überrumpelt drehte Nami sich zu mir um. „Ah. Eh. Yuki.“, lächelte sie mir zu. „Was machst du denn plötzlich hier? Geht es dir besser? Deine Tasche habe ich in deinen Spind gelegt.“, erklärte sie direkt.

Glücklich blieb ich vor ihr stehen und umarmte sie. „Hay. Danke! Ja. Ja mir geht es schon viel besser.“, antwortete ich ihr fröhlich und stellte mich wieder aufrecht vor sie. Ein Stein fiel mir vom Herzen als ich sie endlich fand. Ich war nicht mehr so allein. Endlich war jemand da, mit dem ich reden konnte.

Verdächtig sah sie hinter mich. „Wer ist das denn?“, fragte sie und streifte nervös ihre Haare hinter ihr Ohr.

Der Schattenmann folgt mir schlendernd mit seinen Händen in den Hosentaschen und stellte sich zu uns. „Nami?“, fragte er ernst und sah sie angespannt an.

Ehe ich etwas sagen konnte lächelte sie ihn nett an und reichte ihm die Hand. „Hay. Ja. Ich bin Nami. Kennen wir uns?“, fragte sie höflich.

Der Schattenmann antwortete ihr aber nicht. Er begrüßte sie auch nicht angemessen, sondern starrte sie immer noch ernst an.

Doch Nami hatte keine Furcht vor seinem richtenden Blick und schien der Situation gewachsen zu sein.

„Wie ist denn dein Name? Du musst wissen, dass Yuki eine sehr gute Freundin von mir ist. Da wundert es mich, wenn ich ihren Freund nicht kenne.“, lächelte sie noch immer lieb und nahm ihre Hand wieder zurück.

Der Schattenmann durchbohrte sie fast mit seinem Starren und antwortete ihr wieder nicht.

Ich jedoch ging perplex einen Schritt vor. „Nein! Nein! Das ist nicht mein Freund!“, lachte ich und wedelte schamhaft mit meinen Händen. Dann boxte ich dem Schattenmann mit meinem Ellenbogen gegen den Bauch. „Hey! Jetzt hör auf so stur zu sein! Begrüß sie! Stell dich vor oder sowas! Sonst wird sie dir gar nichts sagen!“, flüsterte ich ihm mahnend zu.

„Sagen? Was soll ich sagen?“, kicherte sie und legte ihre Hand vergnügt vor ihre Lippen.

Plötzlich war mein Mund verstummt. Als würde eine hohe Mauer meinen Worten den Weg versperren. Ich wusste nicht wie ich das Thema anfangen sollte. Wo sollte ich beginnen? Was wollte ich genau fragen? „Ehm. Ehm. Also.“, stammelte ich und kratze mir mit meinen Fingern über meine Wange.

Nami legte ihre Hand behutsam auf meine Schulter. „Reden wir doch, wenn wir wieder zur Klasse gehen.“, unterbrach sie diese unangenehme Situation.

Ich hörte auf zu stottern und konnte nicht aufhören zu schmunzeln. Es ging mir immer so gut, sobald Nami da war. Sie wusste immer, was zu tun war. Ihre Nähe beruhigte mich jedes Mal, dass ich all den Stress vergessen konnte.

„Dann kommt mal mit!“, forderte sie uns auf und harkte sich mit ihren Arm, in meinen Arm ein.

Während wir zurück in das Gebäude gingen, waren mir auch die Blicke der anderen Schüler egal. Nami und ich gingen voraus. Der Schattenmann folgte uns still grummelnd.

„Das ist aber nicht der Typ, von dem du mir erzählt hast.“, tuschelte sie grinsend „Deshalb warst du die letzte Zeit nicht in der Schule. Du hast dich mit dem Brummbären da getroffen oder?“.

Unsicher musste ich mit erröteten Wangen anfangen zu grinsen. „Nein nein. So ist das nicht wie du denkst!“

„Nicht?“, fragte sie enttäuscht. „Schade. Denn er sieht echt nicht schlecht aus.“, antwortete sie und zwinkerte mir zu.

Ich rollte verlegen mit den Augen „Ach Nami. Du wieder.“, musste ich lachen.

Nami ließ mich los und hüpfte kichernd voraus. Sie tapste zur Treppe und sprang einige Stufen hoch. „Hihi. Das freut mich, dass du endlich- Wha!“, plötzlich rutschte sie von einer Stufe ab und verlor den Halt.

Starr vor Schreck sah ich, wie sie plötzlich rückwärts von der Treppe viel. Sie konnte nicht nach dem Geländer greifen und war nun im freien Fall.

Wieso machte der Schattenmann nichts? Sie fiel genau auf ihn zu. Wie in Zeitlupe sah ich, wie er sogar gelassen einen Schritt zur Seite machte. Ich konnte nicht fassen, dass er sie nicht auffangen wollte.

Sofort, ohne zu zögern, stürmte ich auf sie zu. Ich übersprang einige Stufen und hob meine Hände. Rechtzeitig konnte ich sie noch auffangen und mit meinen Händen nach oben stemmen. „Nami! Pass auf!“, rief ich noch, als ich sie mit Schwung wieder nach oben hievte.

Doch im gleichen Augenblick griff jemand Namis Hand und zog sie nach oben.

Ich verlor nun das Gleichgewicht und rutschte mit meinem Fuß über die Stufe. Auch ich konnte nach keinem Geländer greifen. „Ahh!“ Verzweifelt fiel ich einfach nach vorn und kam auf dem harten Steinstufen auf. „Aua!“, motzte ich und drehte mich zum Schattenmann. „Hättest du nicht mal helfen können?“, fragte ich und hielt mir meine Schulter fest.

„Du solltest deine Umgebung besser beobachten. Tollpatsch!“, begegnete er mir jedoch nur. Zwar sagte er dies mit einem genervten Unterton, doch er hielt mir helfend seine Hand hin. Schmollend griff ich diese und wurde mit einem Ruck von ihm aufgehoben.

„Hey! Was sollte das?!“, rief plötzlich jemand von oben.

Überrascht sahen wir hinauf. Ein blonder Junge stand dort und hielt Nami schützend in seinen Armen. Er zeigte wütend auf den Schattenmann. „Wer bist du?! Wie kann man nur so egoistisch sein und diese Mädchen fallen lassen!“, brüllte er. Eine kleine Schülermasse formte sich um ihn herum. Sie wollten alle begaffen, was passierte.

„Das ist Takumi! Der Jahrgangssprecher!“, flüsterte ich dem Schattenmann zu.

„Diese Information ist für mich nicht von Interesse. Komm, wir müssen weiter.“, sagte er nur und ging gelassen hinauf.
 

Der Jahrgangssprecher war dafür bekannt edel, gutmütig, klug und dazu noch stark und hübsch zu sein. Es war kein Wunder, dass er Jahre lang der Jahrgangssprecher blieb. Trotz der vielen Liebesgeständnisse wurde er nie hochmütig und setzte sich selbst für den Schwächsten dieser Schule ein. Er lebte aber in einer Welt, an welcher ich niemals heranreichen würde.
 

Oben angekommen stellte er sich vor Nami und wartete.

„Du kommst nicht von dieser Schule! Dann geh auch wieder! Solche Egoisten wie dich brauchen wir hier nicht!“, forderte Takumi und zeigte mit dem Finger weg.

Doch der Schattenmann ignorierte ihn und hatte nur ein leises Seufzen für ihn über. Dann sah er träumend aus dem Fenster und wartete. Er wartete, dass Nami weiter gehen würde.

„Ignoriert der mich etwa?“, maulte Takumi in die Runde. Ein Gemurmel begann. „Wer ist der?“ „Den hat doch Yuki mitgebracht!“ „Was macht der hier?“ „Hat er die Mädchen vielleicht geschubst?“ Das Gemenge wurde größer und das Getuschel lauter.

„Wie heißt du!“, fragte er wieder, ohne eine Antwort zu erhalten. Der Jahrgangssprecher ging mit schnellem Schritt auf den Schattenmann zu und packte ihn an seiner Schulter. „Du solltest mich besser ernst nehmen!“

Kalt sah der Schattenmann ihn seitlich an und zog die Augenbraue hoch.

„Wenn du keinen Namen hast und auch nicht sagst was du hier willst, kannst du auch gehen. Man sollte dir mal Manieren beibringen!“, schüttelte Takumi verständnislos den Kopf. „So ein Ego vertuscht doch nur, dass du schwach bist.“, fügte er noch hinzu und wollte sich auch schon vom Schattenmann abwenden.

Doch er hatte seinen wunden Punkt getroffen. Der Schattenmann riss verärgert die Augen auf. Auf einmal griff er Takumis Arm, riss ihn zu sich und griff ihn an seinem Kragen. Wütend sah er ihm ins Gesicht und biss seine Zähne zurückhaltend aufeinander. „Du hast ja keine Ahnung!“, drohte er unterschwellig und zog seinen Kragen hoch.

Doch Takumi grinste. „Du kannst ja doch reden!“ und wich seinem Blick nicht aus.

„Hört auf!“, rief Nami plötzlich und schlichtete die Auseinandersetzung.

Es war einen Moment still. Dann sahen alle zu ihr.

„Takumi. Bitte lass gut sein. Es war doch nicht seine Schuld.“, bat sie und ging zu den Beiden sich streitenden.

Der Schattenmann ließ Takumi los und ging einen Schritt zurück.

„Bitte Takumi. Lass ihn. Ich weiß, du möchtest nur, dass alles gerecht abläuft. Und du bist ein sehr guter Jahrgangssprecher. Aber bitte lass ihn.“, mit dem süßesten Blick den sie hatte, sah sie ihn tief in die Augen und fasste zart seine Hand. „Bitte.“

„Hmh..“, grübelnd sah er weg, dann nickte er und richtete sich wieder dem Schattenmann. „Es tut mir leid. Ich war etwas forsch zu dir.“, erklärte er und reichte ihm die Hand.

Doch der Schattenmann stellte sich locker hin und überkreuzte die Arme ineinander. „Hmpf.“ Innerlich kochte er. Das wusste ich. Doch er musste sich zurückhalten.

Ich stand noch immer auf der Treppe und beobachtete alles von einem sicheren Abstand. Am ende blieb mir nur ein Grinsen für diese Situation übrig. Ich stellte mir vor, was er tun würde, wenn er seine Kräfte wieder hätte. Dann würde sich niemand wagen, so mit ihm zu reden. Es ist bestimmt schon lange her, dass ihm so wenig Respekt gezeigt wurde. Das alles so mit anzusehen war belustigend.
 

„Los Leute. Hier gibt es nichts zu sehen!“, rief Takumi den Schaulustigen zu.

Dann ging auch Nami vor. „Leute. Ich verstehe, dass es interessant ist, was hier passiert. Aber es ist gemein von euch, uns so zur Schau zu stellen. Bitte geht!“, sie drehte sich zur Masse und hob bittend die Hände vor sich.

Enttäuscht aber verständnisvoll löste sich nun der Menschenknubbel auf. „Wie öde.“ „Wer hätte wohl gewonnen?“ „Takumi hätte den Hübschling besiegt!“

Nachdem auch die letzten endlich in ihren Räumen verschwunden waren, richtete Nami die Hand zu mir. „Yuki. Komm. Der Unterricht beginnt gleich.“

„Ja!“, ich nickte ihr zu und lief schnell hinauf. Doch bevor ich zu ihr ging, stand ich vor dem Schattenmann. „Du brauchst einen Namen! Und wann willst du Nami endlich fragen?“, flüsterte ich erwartungsvoll.

Er lief mit mir weiter. „Ich will noch etwas beobachten.“, flüsterte er. Dann blieb er entschlossen stehen und hielt mich kurz an meinem Arm. „Ich mag deine Freundin nicht. Der Grund fehlt mir nur noch.“, erklärte er angespannt.

Kurz sahen wir zu Nami. Sie lächelte uns an und wartete, bis wir weiter liefen.

„Spricht da vielleicht die Paranoia aus dir? Hast du lange keine netten Menschen mehr getroffen?“, grinste ich.

„Was? Nein. Ich spreche mit dir! Irgendetwas stimmt mit ihr nicht. Aber mit meiner schwachen Menschenseele kann ich es nicht erkennen.“

„Das ist Nami! Ich kenne sie seit der Kindheit! Mach dir keine Sorgen!“, ich klopfte ihm gelassen auf den Rücken und ging vergnügt zu Nami. „So! Lass uns gehen.“

Ich mochte es nicht, dass er meine beste Freundin unter Verdacht hatte. Doch ich verstand seine Sorgen. Immerhin war ihre Freundlichkeit wirklich nicht weit verbreitet. Nicht alle hatten so ein Verständnis und eine so große Güte wie sie. Und da er nun Jahre unter gewalttätigen Wesen lebte, in der die einzige Regel – fressen oder gefressen werden – lautete, musste ein so lieber Mensch ihm wohl komisch vorkommen. Er würde bestimmt seine Meinung zu ihr ändern!

Ich fragte mich nur, was er noch beobachten wollte?
 

Auch den restlichen Weg zur Klasse befragten wir Nami nicht nach dem, weshalb wir überhaupt gekommen waren.

Der Schattenmann sollte einen Plan haben. Solange er nichts tat, ließ ich das Thema auch bei Seite. Das Einzige was er tat, war schweigen und beobachten.

Als wir endlich in der Klasse angekommen waren, bewegten wir uns direkt zu unseren Plätzen. Einige Schüler saßen schon und andere kamen erst noch.

Nami und ich saßen nebeneinander. Wohin sollte der Schattenmann sich setzen? Nachdenklich sah ich mich um und überlegte nach einer Lösung. „Hmh. Wie machen wir das denn am besten?“

Doch im nächsten Augenblick sah ich, wie Nami zu ihrer Sitznachbarin ging. Ein braunhaariges Mädchen mit langem Zopf saß dort und unterhielt sich mit Freunden. „Cleo?“, sprach Nami sie lieb an, berührte sie an ihrer Schulter und lehnte sich von der Seite zu ihr rüber. „Du. Ich weiß, das kommt jetzt total unangemeldet. Aber Yuki hat einen Besucher mitgebracht, es wäre total lieb, wenn wir drei nebeneinander sitzen könnten. Würde es dir etwas ausmachen, wenn wir deinen Platz haben dürfen? Nur für heute! Und wenn du das nicht möchtest, verstehe ich das natürlich.“, fragte sie ganz lieb.

„Gar kein Problem! Klar.“, antwortete Cleo und packte direkt ihre Tasche. „Ich kann mich dahinten hinsetzen. Heute habe ich sowieso keine Lust zuzuhören!“, lachte sie.

„Oh. Das ist so lieb von dir! Ehrlich! Danke.“, bedankte sich Nami herzlich und verbeugte sich leicht.

Dann richtete sie sich erfolgreich zu uns. „So! Geschafft! Ich setze mich hier hin! Dein Freund kann dann zwischen uns!“, zwinkerte sie mir wieder zu und zeigte mir mit zwei Fingern das Peace-Zeichen. „So. Ich helfe Cleo eben, ihre Sachen an den anderen Platz zu bringen.“

Ich setzte mich verblüfft auf meinen Platz und sah Nami träumend hinterher. „Hach...“, seufzte ich.

Der Schattenmann war noch immer brummig. „Was?“, fragte er genervt und stellte sich vor mich an den Tisch.

„Ich wünschte, ich wäre auch so taff wie sie. Und wüsste immer, was zu tun ist...“, schwärmte ich von ihr und lehnte meinen Kopf auf meinen Arm. „Ich bin so froh, dass sie meine beste Freundin ist.“

Doch diese Antwort gefiel ihm nicht. „Pa...“, murmelte er grimmig und beobachtete Nami mit bösem Blick.

Wie kann man einem so lieben Menschen nur so wenig vertrauen?

„Sie ist das genaue Gegenteil von mir.“, begann ich deprimiert zu reden. „Sie hat es gerade geschafft, alle gaffenden Leute zu beruhigen und weg zu schicken. Und was kann ich? … Ich bin total überfordert und beschämt wenn mich alle anstarren. Ich versuche allem aus den Weg zu gehen. Während sie oben stand und alles regelte, stand ich unten an der Treppe und versuchte mich raus zu halten...“ Ich runzelte die Stirn und sah herab.
 

Es war schon immer so. Zwar wirkte sie mit mir zusammen total verspielt und kindisch. Aber in Wirklichkeit war sie es, die immer einen Rat hatte. Das mache mich stolz. Denn sie blieb immer an meiner Seite. Aber neidisch war ich auch. Warum traute ich mich nie, vor anderen zu reden? Warum musste ich nur so ein Angsthase sein? Es ärgerte mich, zu sehen wie toll Nami mit allem klar kam und ich am liebsten schüchtern in der letzten Ecke stehen wollte.
 

„Hör auf dich mit anderen vergleichen zu wollen. Denn dann bist du immer der Verlierer.“, hörte ich vom Schattenmann, der sich gerade an seinen Platz setzte. Ich blickte überrascht zu ihm rüber und lächelte. „Hmh. Stimmt.“

Plötzlich rannten drei, geschminkte und von oben bis unten herausgeputzte Mädchen zu uns und stellten sich zwischen mir und den Schattenmann. „Oh! Du bist so süß!“ „Wie heißt du?“ „Bist du neu hier?“ „Hast du eine Freundin?“ „Du siehst echt gut aus!“, überrumpelten sie ihn. Sie setzten sich auf seinen Tisch um ihre Beine zu präsentieren, oder lehnten sich vor um ihren Ausschnitt zu zeigen.

Er lehnte sich mit offenem Mund und weiten Augen zurück. Seine Wangen wurde etwas rot und es verstummte jedes Wort. „Eh... Ich.. eh...“, stotterte er.

„Hihi du bist wirklich süß“

Da lief auch schon der Lehrer in das Klassenzimmer. „Setzen!“, rief ein älterer, großer, weiß bärtiger Mann mit Brille und legte mit einem lauten knall sein Buch auf das Pult.

Sofort verließen die Mädchen den Platz und gingen zu ihren Stühlen. „Bis nachher“, sagte eine noch leise und warf ihm einen Kuss zu.

Wie eine steife Puppe saß er dort und zuckte nur kurz mit dem Auge. Er bewegte sich keinen Zentimeter. Ich belächelte seine vereiste Gestalt und kicherte leise.

„Wir haben einen neuen Schüler?! Warum weiß ich von nichts?!“, schimpfte der Lehrer und schob seine Brille auf seine Nasenspitze.

Ich fühlte mich ertappt. Natürlich sollte diese Situation kommen. Ich hatte vergessen ihn anzumelden oder Bescheid zu geben. Zögernd wollte ich aufstehen. „Ehm. Also-“

„Herr Unohara!“, sagte Nami laut und stand von ihrem Stuhl auf. „Bitte erlauben sie, dass dieser Schüler für diesen Tag hier bleiben darf. Er ist ein Bekannter von Yuki und mir. Wir hatten vergessen die Formulare auszufüllen. Bitte verzeihen sie uns. Durch familiäre Schwierigkeiten haben wir eine Anmeldung vergessen.“, sagte sie standhaft.

Der Lehrer sah Nami mit runzelnder Stirn an. Dann wandte er seinen Blick zum Schattenmann. Schließlich sah er mich an, die nervös an ihrem Rock zupfte.

„Hmmh...“, einen Moment überlegte er noch. Dann schloss er nachdenklich die Augen und setzte sich. „Das ist eine Ausnahme!“, stöhnte er und schob seine Brille wieder hoch. Ich atmete glücklich auf.

„Vielen Dank!“, sagte Nami und verbeugte sich leicht.

„Dann sollte der junge Mann sich mal vorstellen, würde ich sagen!“, forderte Herr Unohara und nickte dem Schattenmann zu.

Dieser richtete jedoch nur fragende Blicke zurück. Dann sah er mich fragend an.

„Du musst nach vorne! Stell dich vor!“, flüsterte ich ihm energisch zu.

„Was? Das geht nicht!“, motzte er genau so leise zurück.

Ich bemerkte wie uns alle ansahen. „Los!“, sagte ich lauter und deutete mit meinem Kopf nach vorn. „Geh!“

Nun drehte er sich wieder zum Lehrer. Auch dieser wartete auf eine Vorstellung. Der Schattenmann legte seine Hände auf die Oberfläche seines Tisches, drückte den Stuhl etwas zurück und stellte sich hin. Dann ging er zur Tafel und drehte sich zur Klasse.

Er blickte durch den Raum und betrachtete alle Schüler einmal. Die Mädchen himmelten ihn an. Manche quietschten leise und tuschelten. Dann atmete er schwer ein und wieder aus. „Ihr könnt mich... Shiro nennen. Meine Anwesenheit ist nur für kurze Zeit als Besucher bei Yuki. Das sollte genügen.“, sagte er emotionslos und wollte sich direkt wieder seinem Platz nähern.

„Wie heißt du mit Nachnamen!“ „Gibst du mir deine Handynummer?“ „Von welcher Schule kommst du?“ „Der war bestimmt auf einer Privatschule! Hör mal seine Aussprache!“ „Das klingt so cool!“

„RUHE!“, schrie Herr Unohara nun und sorgte damit für Stille.

Ich sah den Schattenmann verblüfft an. Denn er hatte sich selber einen Namen gegeben. Bisher hatte ich ihn nie mit Namen angesprochen. Das bemerkte ich erst jetzt. Es war ein komisches Gefühl. Denn er war für mich der namenlose Dämonenmensch. Und nun? Wie sollte ich damit umgehen? Es war der Name, den Kitzune ihm immer gab. Wohl die beste und schnellste Lösung für diesen Augenblick. Durfte ich ihn nun auch so nennen?

Heimlich musste ich grinsen. Ich mochte es, dass er immer mehr den Eindruck eines Menschen machte. Jetzt hatte er sogar einen Namen. Das freute mich.

„Gut. Setzt dich Shiro!“, meinte der Lehrer noch und stand wieder auf. „Dann machen wir mal weiter, mit der Vektorrechnung im dreidimensionalem Raum.“

Nach dieser Ansage kam ein lautes, unüberhörbares, negatives Gestöhne von der gesamten Klasse.
 

Der Unterricht war nicht weiter interessant. Der Schattenmann durfte seinen Tisch an meinen schieben, damit ich ihm einiges dazu erklären konnte. Glücklicherweise waren meine Unterlagen sicher in meinem Tischkasten untergebracht. Somit musste ich nicht noch zu meinem Spind rennen, um meine Tasche zu holen. Der Junge jedoch blickte die meiste Zeit nachdenklich aus dem Fenster.

„Du..“, flüsterte ich ihm zu.

„Hm?“

„Darf ich dich auch Shiro nennen?“, schmunzelte ich ihn an.

Er sah genervt weg. Dann blickte er nach vorn zum Lehrer. Danach auf das Buch auf meinem Tisch. „Mach was du willst.“, erlaubte er mir unterschwellig.

Ich lächelte ihn glücklich an. Dann arbeitete ich an meinen Unterlagen weiter. Doch ich sah noch im Augenwinkel, wie auch er lächelte.
 

Nachdem endlich zwei Stunden Mathematik vorbei waren, sprangen alle auf und spurteten in die Pause. Ich lehnte mich erst einmal zurück und streckte mich gähnend. „Uhhaa. Ich hasse Mathe!“, nörgelte ich. „Aber wenigstens bekomme ich jetzt wieder etwas vom Thema mit!“

Shiro stand auf. „Ich erkenne immer noch keinen schwerwiegenden Grund, den Unterricht so zu gestalten! Es funktioniert nicht über eine so lange Zeitspanne! Menschen können sich nicht durchgehend auf eine Sache konzentrieren.“, regte er sich auf und stellte sich hin.

Ich lachte kurz. Es war ein ständiges, niemals endendes Thema. „Naja. So ist es halt. Und man kann es nicht ändern.“

„Schwachsinn.“, murmelte er. Dann lehnte er sich auf meinen Tisch. „Yuki! Wir müssen gleich auf das Dach!“, sagte er mir plötzlich ganz ernst.

Ich sah ihn verdattert an. „Eh. Oke?“, da rief Nami mir schon zu.

„Yuki! Treffen wir uns gleich unten? Ich muss kurz noch Bücher schleppen! Ich nehme Cleo die Aufgabe ab.“, hörte ich von Nami, die winkend an der Tür stand.

„Warte! Nein lass uns auf dem Dach treffen! Aber wir können dir helfen!“, schnell sprang ich auf und ging auf sie zu.

„Nein. Passt schon! Bis gleich!“, waren ihre letzten Worte dazu. Dann verschwand sie auch schon aus der Tür.

„Hmh. Komisch.“, ich stand da und und fühlte mich zurück gelassen.

„Wirkt sie heute anders als sonst?“, Shiro trat neben mich.

„Nein. Also. Naja. Es ist heute nur etwas anders, weil du ja da bist. Sie setzt sich immer so sehr für mich ein. Und ich kann mich nie revanchieren.“, erklärte ich betrübt. Doch dann schüttelte ich kurz meinen Kopf. „Na los! Dann lass uns mal rauf gehen! Wirst du Nami denn gleich fragen?“

Zusammen gingen wir den Flur entlang und die Treppen hinauf.

„Ich werde sie fragen. Ich habe schon fast genug gesehen!“, meinte er.

„Nur fast?“

„Irgendwas stimmt mit ihr nicht. Siehst du das nicht!“

„Hör auf immer so negativ zu sein! So ist sie immer. Jeder mag sie!“

„Dann hör du auf, solch ein Tolpatsch zu sein!“

„Hey! Das mache ich nicht extra! Das kann ich nicht abstellen!“
 

Als wir auf dem Dach ankamen, setzte ich mich direkt auf die nächste Bank. Shiro aber blieb vor mir stehen und sah sich wieder um.

Obwohl es sehr weit oben war, spielten einige jüngere Schüler auf dem Dach mit einem Ball. Da das Dach sehr groß war, war sogar ein kleiner Sportbereich mit einem Zaun abgegrenzt, auf welchem sich jedoch nur die paar Kinder austobten.

„Versuch dich doch mal zu entspannen.“, sagte ich und legte meinen Kopf gemütlich in den Nacken.

„Wenn dich ein Dämon angreift und tötet, dann kannst du dich genug entspannen!“, begegnete er mir kalt.

„Ach. Ich habe doch gesagt, dass Deeon auf mich aufpasst! Und ich glaube nicht, dass er dich nicht beschützen würde.“

„Beschützen...“, er rieb nachdenklich sein Kinn. „Beschützen! Genau!“, sagte er nun und sah auf.

„ACHTUNG!“, schrie jemand aus dem Hintergrund.

Erschrocken drehten wir uns zum Schrei. Ein schwarz weißer Fußball kam geradewegs auf uns zu gestürmt. Er kam so schnell angeflogen, dass ich kaum sehen konnte, wo er aufprallen würde. Doch im nächsten Augenblick schnellte der Ball direkt auf Shiro zu und traf ihn mit einem lauten Geräusch auf der Stirn zwischen seinen Augen.

Der Ball fiel in die Luft und der Schattenmann wurde mit einem Mal auf den Boden geschleudert.

Wie erstarrt hielt ich die Hand vor meinem Mund und konnte nur mit ansehen, was passierte. Ich sah wie er stürzte und wie er am Boden ankam. Doch kaum lag er, verwandelte sich meine Schockstarre in ein tosendes Gelächter. „PFFF-PAHAHA!“, ich hielt mir vor Lachen den Bauch und kugelte mich zur Seite auf die Bank. „Von wegen nur ich wäre tollpatschig!“, lachte ich laut.

Seine gelassene und kalte Art verging als er wütend aufstand. „Was soll der Scheiß!“, maulte er und griff sich den Ball. Auf seiner Stirn war nun ein roter Abdruck des Balles zu erkennen. „Drecksteil!“, schrie er und schoss den Ball wütend zurück, weiter als er ihn eigentlich schießen müsste. „Scheiße! Das tat weh! Verdammt!“ Der Ball flog jedoch über den Zaun und schließlich vom Gebäude herunter. „Haut gefälligst ab! Ich hasse Kinder!“, motzte er die und verfolgte sie mit seinem hasserfüllten Blick, als sie schnell wieder in das Gebäude rannten. Dann waren wir alleine.

Ich versuchte mein Lachen zu unterbinden, als er mich erzürnt anblickte. Doch es gelang mir nur sehr schwer.

Dieser Moment zeigte mir, dass auch er nur ein Mensch war. Der zwar versuchte alles irgendwie zu durchschauen, doch am Ende auch nicht fehlerfrei war.

Vergnügt wischte ich die Tränen von meinen Augen und kicherte noch. „So lange du Schmerzen spürst, weißt du, dass du noch lebst!“, versuchte ich ihn aufzumuntern und hielt mir noch die Hand vor dem Mund.

Er richtete seine Kleidung und stellte sich wieder aufrecht hin. Verärgert sah er von mir weg und streifte über seine Stirn.

„Haha. Das tut mir voll Leid, dass ich dich so auslache! Aber es war so witzig.“, nuschelte ich und rollte mich noch immer über die Bank.

„Was ist denn hier so witzig? Ich will auch lachen!“, Nami kam aus dem Gebäude direkt auf uns zu. „Was ist das denn für eine Feder?“, fragte sie nun.

Sofort sprangen Shiro und ich gleichzeitig auf und sahen Nami sprachlos an. „Feder?“

Die Engelsfeder war aus seiner Hose gefallen und fand den Weg vor Namis Füßen.

„Sie ist so weich.. und so schön.“, erwähnte sie verträumt und drehte sie in den Fingern.

„Nami!“, sagte Shiro plötzlich ganz deutlich. Er trat vor sie und nahm ihr die Feder aus der Hand. „Als du und Yuki euch das letzte mal zuhause saht, woran kannst du dich noch erinnern? Wie ist Yuki gegangen?“, fragte er ernst und hielt die Feder vor sich.

Sie schmunzelte etwas und ging einen Schritt zurück.

Aufmerksam sah ich zu beiden hoch. Das war die Frage, die wir uns seit Tagen stellten. Es war ein wichtiger Augenblick. Sollte Nami auch ein Gedächtnisverlust haben? Sollte sie vielleicht mehr wissen? Was wusste sie noch? Damals hatte Shiro mich einfach mitgenommen. Ohne, dass jemand etwas davon gesehen hatte. Was war nun ihre Antwort?

Shiro presste neugierig seine Fäuste zusammen. Auch mich plagte die Neugier.

Doch Nami runzelte die Stirn. „Ehm. Wann haben wir uns das letzte mal gesehen? Ist das nicht schon total lange her? Eigentlich hatten wir vor, noch einen Filmeabend zu machen. Aber dazu kam es letztes Wochenende nicht.“, grinste sie verwirrt.

„Eh?!“, ich ging geschockt auf sie zu. „Was?!“ Hatte sie gar keine Erinnerung mehr an den Abend? Wusste sie gar nichts mehr? Wieso!?

„Yuki! Warte!“, stoppte der Schattenmann mich und hob die Hand.

„Was ist denn los?“, fragte Nami. „Wir müssen gleich wieder in die Klasse. Wir sollten wieder runter gehen.“ Sie hob verwirrt die Hände vor sich und wollte zurück. „Kommt.“, sagte sie und ging nervös zum Eingang.

Shiro war plötzlich so ernst. Was ist passiert? Was hatte er nur vor?

„Vertrau mir!“, er sah mich über seine linke Schulter blickend an. Mir war sofort klar, dass es sein voller Ernst war. Warum war er nur so angespannt?

Plötzlich ging der Schattenmann mit schnellem Schritt auf Nami zu. Dann holte er aus und verpasste ihr eine Ohrfeige.

Schockiert sprang ich zurück. „Was soll das?!!!“, fragte ich entgeistert. Ich rannte auf ihn zu. „Bist du verrückt! Was soll das!?“

Doch er ignorierte meine Worte und wandte sich Nami nicht ab.

Diese hielt sich genau so geschockt die Hand vor ihrer Wange. Einige Haare verdeckten nun ihr errötetes Gesicht. Dann wimmerte sie leise. „Warum?... Was.. was auch immer ich getan habe. Es tut mir leid.“, sagte sie zögernd und sah ihn mit verweinten Augen an.

„Verarsch mich nicht!“, schrie Shiro wütend und griff sie am Hals.

„Lass sie in ruhe!!! Hör auf damit!“, ich schlug panisch gegen seine Hand. Doch sein eiskalter Blick schockierte mich. Mein Atem blieb stehen. Es fühlte sich an, als würde mein Herz für einen Moment aussetzen. Diese hassenden Augen. Es war der gleiche Blick, den er Deeon stets schenkte.

Dann riss er seine Hand von Nami weg und schubste sie leicht nach hinten. Zitternd viel sie zu Boden.

„Was soll das!!!?“, schrie ich ihn wieder an und rannte zu Nami. Ich kniete mich neben ihr hin. „Es tut mir leid.“, sagte ich mit zitternder Stimme.

Doch Shiro ging schweigend von mir weg.

„Hör auf so zu sein!!! Hör auf so zu sein!!! Hör auf damit!“, schrie ich immer wieder erschüttert und lief ihm hinterher. Ich hatte keine Angst vor ihm. Aber ich hatte Angst vor dem, was er Nami antun wollte. Kurz vor dem Dachende blieb er jedoch stehen.

„Was ist los mit dir!? Scheiße!“, schrie ich mit Tränen in den Augen.

Dann drehte er sich zu mir um. Doch er sah an mir vorbei. Er beobachtete nur Nami.

Ich drehte mich ebenso zu ihr. Sie stand langsam auf und hielt sich noch immer die Wange.

„HÖR AUF DIE SCHWACHE ZU SPIELEN!“, hörte ich Shiro plötzlich brüllen. „MACH WAS!“ Dann spürte ich, wie er meinen Arm griff. Ich erschrak. Mit Schwung zog er mich plötzlich zu sich, und drückte mich wieder von sich weg.

Ich merkte wie ich fiel. Ich merkte, wie ich den Halt verlor. Schnell versuchte ich noch nach Shiros Hand zu greifen, doch er zog seinen Arm zurück. Er machte keine Anstalten sich auch nur nach mir umzudrehen.

„Warum?“ Wie versteinert fiel ich vom Dach. Ich riss meine Augen auf. Ich sah das Gebäude. Über den Rand des Daches sah ich Namis schockierten Blick. Ich spürte die Tiefe unter mir. Ich spürte die Luft über mir. Ich spürte die plötzliche Angst in mir. Ich spürte meine innere Leere. „Warum?“ Ich sah die dicken Wolken. Ich sah, wie ich mich Shiro immer mehr entfernte. Egal wie weit ich meine Hände ausstreckte. Ich fiel. Ich sah wie eine Träne sich von meinem Auge löste und langsamer fiel als ich. „Warum?“ Und dann sah ich einen riesigen, weißen Flügel, der sich am Himmel über mir ausbreitete.

Die Wahrheit

Träume ich? Nein. War ich wach? Bestimmt nicht.

Mich begleitete die gähnende, bodenlose Leere der Dunkelheit. Um mich herum erkannte ich nichts. „Warum?“ Es war das einzige Wort, welches sich in meinem Kopf ständig wiederholte. Sekunden waren Stunden. Der Wind pustete durch meine Haare. Meine Hände schwebten in der Schwerelosen. Ich war so schlapp und gelähmt. Was war nur passiert?

Shiro... Er hat mich vom Dach geworfen. Wieso?

Ich drückte meine Hände vor meine Brust und schloss die Augen. „Deeon. Bitte hilf mir.“, flüsterte ich wimmernd und kauerte mich zusammen.

„YUKI!“, hörte ich plötzlich eine weibliche Stimme schreien.

Ich riss die Augen auf und besann mich wieder. Ich schwebte nicht, ich fiel!

Die Zeit blieb nicht mehr stehen. Im Gegenteil. Alles raste an mir vorbei.

Ich erkannte das Gebäude an welchem ich herunter schnellte. Dann sah ich in den Himmel. „Nami?“

Sie kam mir entgegen geflogen und streckte mir ihre Hand entgegen.

Doch entgeistert erblickte ich einen weißen, riesigen Flügel. Von diesem lösten sich mit jedem Flügelschlag vereinzelnd kleine weiße Federn, welche ganz langsam hinunter glitten.

„Was... bist du..?“, fragte ich leise, noch immer fallend wie ein Stein. Ich bemerkte wie tief ich schon gefallen war. Es war nicht mehr weit bis zum Grund.

„YUKI!“, schrie sie erneut und griff schließlich meine Hand. Mit einem kleinen Ruck spürte ich, wie sie mich zu sich zog. Sie hatte mich sicher in ihren Armen.

Schützend legte sie ihren Flügel um uns und wir schwebten ganz sacht hinunter.

Sprachlos bemerkte ich, wie meine Angst verschwand. Meine Sorgen waren wie ausgelöscht und mir wurde angenehm warm in ihren Armen. Wie immer.

Auf meinen Armen legte sich eine prickelnde Gänsehaut.

„Yuki. Yuki! Alles ist gut!“, flüsterte Nami mir mit ihrer wohlklingenden Stimme zu und umarmte mich. Ich jedoch traute mich nicht ihre Umarmung zu erwidern und sie zu berühren.

„Nami...“, stotterte ich befangen. Sanft merkte ich den Boden unter meinen Füßen und blieb wie angewurzelt stehen.

Mit sorgenvollem Gesicht erkundigte sie sich nach meinem Zustand.

„Was soll das alles?“, fragte ich betroffen. Ich wich einen großen Schritt zurück. „Was bist du?!“ Meine Stimme wurde wütender.

Wie konnte es sein, dass alles um mich herum, sich immer als unmenschlich entpuppt? War das überhaupt Nami? Was war sie für ein Wesen? War sie das schon immer?

Ich fühlte mich so hintergangen. Wieso wusste ich nichts davon? Hielten mich alle für dumm?

Mein Magen drückte sich zusammen. Meine Beine wurden ganz schwer und mein Atem kurz. Doch um zu weinen war ich zu wütend. „Sag es mir!“, schrie ich sie an.

Erschrocken hob Nami die Arme. „Yuki... Es.. es ist nicht so einfach..“, begann sie und wollte ihre wärmenden Hände auf meine Schulter legen.

Verärgert schlug ich diese weg. „Las das!“, maulte ich sie an und schüttelte verachtend den Kopf. „Du hast mich belogen.“

„Nein! So darfst du das nicht sehen!“, versuchte sie sich zu rechtfertigen. „Ich verstehe, dass du wütend bist! Aber bitte hasse mich nicht! Yuki! Ich bin doch immer noch deine Freundin!“ Ich erkannte Tränen in ihren Augen und Angst in ihrem Gesicht.

War es echt? War es gespielt? Oder war das auch eine Lüge?

Ich drehte mich kalt von ihr weg. „Ich.. ich weiß es nicht..“, antwortete ich leise und sah an dem Gebäude herauf. Von dort oben wurde ich geschmissen. Shiro. Er müsste noch dort sein. Wir sind so weit von einander entfernt. Er müsste sicherlich Schmerzen haben. „Wir... sollten zum Schatten-... ich meine zu Shiro.-“

„Ich weiß wer er ist..“, unterbrach sie mich schuldig und sah herab.

Ich biss die Zähne aufeinander, „Du wusstest das die ganze Zeit...“, und ballte die Faust.

Betroffen traute sie sich nicht, mich anzublicken. „Ja..“

„Bring mich zu ihm.“, forderte ich sie kalt auf.
 

Nami brachte mich den gleichen Weg hinauf, den ich auch hinab gekommen war. Sie hielt mich in ihrem Arm und schwebte mit mir hinauf.

Diese Nähe. Da war sie wieder. Diese angenehme und vertraute Nähe, die ich nun hassen lernte.
 

Oben angekommen, fanden wir Shiro schwer atmend am Boden knien. Den Schmerz unterdrückt, hielt er eine Hand am Geländer und die Andere auf seiner Brust. Sein Blick war dem Boden gerichtet. Doch zwischen den einzelnen Strähnen, welche sein Gesicht verdeckten, erkannte ich seine bleiche und schwitzende Haut. „Shiro!“, rief ich und rannte auf ihn zu. „Shiro! Shiro! Ich bin da! Geht es dir besser!?“, fragte ich und half ihm sich langsam hinzusetzen.

Er lehnte seinen Rücken gegen die Mauer, wischte sich über sein Gesicht und atmete tief ein und wieder aus. Dann blickte er auf. Jedoch hatte er nur ein gelassenes Grinsen für die Situation übrig. „Ich... hatte Recht.“, ergötzte er sich locker und blickte Nami hochmütig und zufrieden an.

Seine Reaktion entsetzte mich. Darüber dachte er nach? War ihm bewusst, dass er mich vom Dach gestürzt hatte? Dass ich von einer tödlichen Höhe gefallen war? Und nun hatte er nicht eine Sekunde verschwendet, sich nach mir zu erkundigen. Nein. Er nutzte mich aus. Er nutzte aus, mich in Gefahr zu bringen. Ich fühlte mich wie ein Spielzeug. Wie ein Mittel zum Zweck. Benutzt von ihm, nur um zu beweisen, dass er Recht hatte. Um sein ewiges Ego zu stärken.

Verbittert bis ich meine Zähne aufeinander und blickte herab. „Du bist das Letzte...“, kam es leise aus meinem Mund.

Überrascht wandte er sich mir zu. „Was?“, fragte er nichtsahnend.

Diese naive unschuldige Art. Er hatte keine Ahnung, was er getan hatte. Aber es war ihm auch egal. Wutentbrannt sprang ich auf. „Du bist das Letzte!!!“, schrie ich ihn blind an und holte mit meiner Hand aus. Schnell schlug ich ihm mit flacher Hand in sein Gesicht.

Es schellte laut und meine Handfläche hinterließ einen roten Abdruck auf seiner Wange. Ich schlug so stark zu, dass selbst meine Hand einen leichten Schmerz bemerkte.

Einen Moment war es still.

Nur der Wind traute sich zu bewegen und um uns herum zu irren. Nami stand sprachlos hinter mir und hielt sich entsetzt die Hände vor den Mund. Shiro blickte schweigend von mir weg. Es dauerte bis wir alle die Situation realisierten. Dann faste er sich auf die pochende stelle. Entgeistert drehte er sich schließlich mir zu und sah mich mit riesigen Augen an. „Geht´s noch?!“, maulte er wütend.

„Ich dachte ich könnte dir vertrauen!!!“, schrie ich zurück, während sich kleine Tränen in meinen Augen füllten. „Ich hatte Angst! Ich... ich.. du. Es geht immer nur um dein Ego! Du bist das Letzte!!!“, konnte ich nur noch wiederholen. Ich fand keine Worte mehr für meinen Schmerz. Es war mir unerklärlich, wie man nur so denken konnte. Wie man so sorgenfrei leben konnte. Doch er sah mich weiter mit dieser fragenden Miene an. Er war sich keiner Schuld bewusst.

Ich konnte sein uneinsichtiges Gesicht nicht länger ertragen. Mein Herz pochte vor Wut. Mein Hals schmerzte vor Aufregung und meine Augen wollten einfach nicht aufhören zu tränen. „Ach, vergiss es!“, schmiss ich ihm an den Kopf und drehte mich zum Eingang des Gebäudes. Ich wollte einfach weg von hier. Weg von ihm. Weg von allen. Ich brauchte Ruhe.

Doch ehe ich nur einen Schritt gehen konnte, packte er plötzlich meine Hand. Erschrocken blieb ich stehen und richtete mich zu ihm.

„Du kannst mir vertrauen!!!“, kam es wütend aus seinem Mund. Shiro sah mich mit ernster Miene an.

„Du hast mich vom Dach geworfen!“, weinte ich empört und zog an meiner Hand.

Shiro sah mich grimmig an und wollte mich nicht gehen lassen. „Ich wusste, dass dir nichts passieren wird! Ich wusste, dass sie dich rettet!!!“

„Woher willst du jetzt auf einmal gewusst haben, dass sie ein Engel ist?!“ Immer wieder zog ich an meinem Arm, um mich aus seinem Griff zu lösen. Egal wie ich meinen Arm drehte, seine Hand blieb fest an meinem Handgelenk. Er schaffte es sogar, mich weiter zu sich zu ziehen. „Ich wusste es! Vertrau mir!“, sagte er zwar mit wütender, aber nun eher verzweifelt klingenden Stimme.

- Vertrauen -. Wie sollte man so jemanden vertrauen? Er versuchte doch nur, seinen Ruf zu schützen. Wie immer. Ich erinnerte mich an die Eiscreme, welche er achtlos auf den Boden fallen lies. Nur um vor den anderen nicht sein Ehre zu verlieren. So war es nun auch. Er sagte, er könne als Mensch keinen Dämonen wahrnehmen. Wieso hätte er da einen Engel bemerken können?

„Lügner!“, noch einmal versuchte ich mich mit aller Kraft von ihm zu befreien. „Es geht dir immer nur um dein Ego! Bloß nicht vor anderen zeigen, dass du nett sein kannst. Bloß nicht vorstellen! Bloß nicht helfen, wenn jemand auf der Treppe ausrutscht! Lüge mich doch nicht so dreist an!“

„Engel manipulieren Menschen!“

„Jetzt komm nicht wieder damit!“

„Hör mir doch zu!“ Plötzlich zog er mich zu Boden. Ich erschrak und fand mich sitzend vor ihm wieder. Noch immer hielt er mich fest. „Hast du es nicht gemerkt?!“, fragte er vorwurfsvoll.

Ich hielt inne und sah ihn fragend an.

„Merkst du nicht, diese angenehme Wärme, die von deiner tollen Freundin ausgeht? Das Gefühl von Sicherheit in ihrer Gegenwart? Der Gedanke, dass diese Person niemals etwas böses tun könnte? Hast du nicht gesehen wie sie die anderen ständig überredet? War es nicht auffällig, dass sie jeden mit ihrem Gefasel um den Finger gewickelt hatte? Wie Deeon!“

Nein. Ich hörte was er sagte, wollte es aber nicht verstehen. Schockiert runzelte ich die Stirn. „Das... ist nicht war! Du lügst! Deeon... Nami... Das würden sie nicht-“

„Ach komm schon! Natürlich!“, wurde er wieder laut. „Ich hielt Abstand von ihr, um mich nicht beirren zu lassen! Ich beobachtete sie, um herauszufinden, wie andere auf sie reagieren. Ich fing sie nicht auf, damit sie mir nicht zu nahe kommen konnte! Sie berührte jeden! Damit manipuliert sie Menschen! So sind gefallene Engel!“

Was er sagte, traf mich wie ein Schlag. Es hörte sich an, wie eine Beleidigung gegen Nami. Mein Herz schlug immer lauter. Ich fühlte meinen Puls am Hals. Ich konnte nicht sprechen. Es war wie ein Stein auf meiner Brust, der mir die Luft wegdrückte. Zögernd sah ich zu Nami. Sie wich meinem blick schuldig aus und hielt sich schüchtern den Arm fest. „Das stimmt... Yuki. Es... es tut mir-“

Doch der Schattenmann unterbrach sie wutentbrannt. „HÖR AUF DAMIT!“, biss er wütend die Zähne aufeinander.

„Shiro! Lass es!“, ermahnte ich ihn. „Ich will das alles nicht hören! Lasst mich in Ruhe!“, begann ich zu weinen.

Wurde ich mein Leben lang von Nami manipuliert? Konnte ich ihr überhaupt vertrauen? Wenn das alles war ist, konnte ich Deeon überhaupt vertrauen? Ich fühlte mich so alleine gelassen. Plötzlich bröckelte mein halbes Leben auseinander. Wie konnte das alles nur passieren? Wieso? Wem konnte ich noch vertrauen?

Meine Brust war so schwer. Mein Herz zerriss langsam. Meine Augen wurden langsam und müde. Konnte ich nicht einfach aufwachen aus diesem Traum? Konnte ich nicht einfach die Augen öffnen und in meinem Bett liegen?

Tränen kullerten an meinen Wangen herunter. „Wieso..? Wieso willst du mir so weh tun?“, fragte ich Shiro leise wimmernd.

Er erstarrte schockiert und riss die Augen auf. „Nein!“, sagte er laut und aufdringlich. „Nein, nein, nein! Ich will dir die Wahrheit zeigen! Bevor du verletzt wirst!“, erklärte er und zog meinen Arm zu sich.

„Lügner.“ Ich dachte an den Abend, als er mich im Regen sitzen ließ. Ich dachte an den Moment, an dem er mich mit Kitzune in der Dämonenwelt alleine ließ. Ich dachte an seine ständige Distanz mir gegenüber. Ich dachte an seine wütenden Ausbrüche, die er immer wieder hatte. Ich erinnerte mich an das weggeworfene Eis. Ich erinnerte mich an seine kalten Augen, die mich anstarrten, als er mich am ersten Tag umbringen wollte.

Rasch holte ich aus und wollte ihn nun mit meiner freien Hand schlagen, um mich zu befreien. „Als würde dich interessieren, was mit mir passiert!“, schrie ich so laut ich konnte. Ich kniff die Augenlider fest zusammen und vergaß alles um mich herum. Ich wollte weg! Doch ehe mein Schlag ihn treffen konnte, griff er auch diese Hand.

„Yuki!!! Hör mir zu!“, sauer hielt er meine Arme fest. Egal wie sehr ich mich sträubte und wehrte. Ich hob die Arme, senkte sie wieder. Ich riss an ihnen. Immer wieder mit Schwung. Plötzlich verlor ich den halt in der Hocke. Sofort drückte Shiro mich nach hinten und ich fand mich liegend auf dem Rücken wieder.

„HÖR MIR ZU!“, schrie er mich plötzlich verzweifelt und erbost an.

Sein Schrei war so laut, dass ich zusammenzuckte und verstummte. Meine verschwommene Sicht auf alles verging, als ich erkannte, dass er sich über mich lehnte. Er drückte meine Arme auf den Boden und sah ernst zu mir hinunter. „Ich bin immer zurück gekommen wenn es dir nicht gut ging! Ich habe mich um dich gekümmert! Ich habe dich beschützt! Immer und immer wieder! Ich habe Zeit mit dir verbracht! Ich habe mich dir angepasst. Ich habe dich geheilt! Ich habe auf dich gehört! Ich hätte diesen Jungen umgebracht! Ich hätte dieses Kind getötet! Wegen dir habe ich es gelassen! Ich habe mich dir geöffnet! Ich habe dir einen Teil meiner Seele gegeben! Ich helfe dir! Ich habe dir immer die Wahrheit gesagt! Ich habe dich nie belogen! Ich beschütze dich! Mich interessiert sehr wohl, wie es dir geht!“, sprach er direkt und aufgebracht.

Fassungslos starrte ich in seine braunen, besorgten, ehrlichen Augen. Dann erst spürte ich, dass er nicht grob meine Arme auf den Boden drückte, sondern, dass unsere Finger ineinander verhakt waren. Er umfasste besorgt meine Hände.

Eine letzte Träne glitt an meiner Schläfe herunter, als ich ihn ahnungslos anstarrte. „A.. aber.. Warum?, stotterte ich leise.

Doch er biss die Zähnen zusammen und sah gestresst weg. Dann wandte er sich mir wieder zu. Er blickte mir tief in die Augen, „Weil ich mich um dich sorge.. Weil. Weil du mir wichtig bist! Verdammt!“, schnauzte er zögernd und lehnte sich wieder auf.

Er ließ meine Hände los und hockte sich vor mich. Sprachlos setzte auch ich mich langsam auf.

Es war ruhig.

Ich merkte, wie der Schattenmann weitere Blicke zu mir vermied. Ich sah, wie er innerlich mit sich kämpfte. Ich wusste, dass er sich von etwas befreien wollte.

Shiro legte seinen Arm auf sein angewinkeltes Knie und streifte sich nervös durch die Haare. Nachdenklich lehnte er seinen Kopf auf seine Hand. Er wirkte plötzlich so schwach. Er wirkte plötzlich so hilflos. Er wirkte plötzlich so einsam.

Was war es, was ihn so bedrückte? Ihn so leiden zu sehen, machte mich fassungslos.

Plötzlich grinste er verzweifelt und richtete sich etwas auf. „Tz...“ Seine Augen funkelten durch die Tränen, welche sich langsam füllten. Mit zitternder Stimme sprach er weiter. „Bestraft zu werden, nur weil man nett und schwach ist. Unter Einsamkeit zu leiden. Verfolgt zu werden. Nirgends hinzugehören. Gefoltert zu werden. Albträume. Diese Angst... vor den Qualen. Zerrissen und wieder zusammengeflickt werden. Im Schlaf gefesselt... Der Terror. Wegen dieser hässlichen Dämonenseele. Nur überleben können, wenn man stärker wird als jeder andere. Wenn man mehr Macht hat als jeder andere. Wenn sie dich fürchten. Dadurch aber nur noch eine leere Hülle zu sein. Innerlich.. nur noch... kalt.. und tot... Was macht es denn noch alles für einen Sinn? Wofür das alles? Nur noch den Gedanken zu haben, sich das Leben zu nehmen. Tag für Tag. Jahr für Jahr. Der Tot als einziger Ausweg. Lieber Selbstmord begehen, als die Schmerzen zu spüren. Aber zu feige zu sein, es durchzuziehen. Nur noch alles und jeden zu Hassen!!! Sich selbst zu hassen! ...“

Paralysiert saß ich dort und hörte seine Worte. Tränen lösten sich von seiner Wange und tropften zu Boden.

Mich ergriff eine erschütternde Trauer. Mir war nicht klar, was er alles erleben musste. Ich hatte ihn ständig aufgefordert, netter zu sein. Doch nie gefragt, warum er so voller Hass war. Ich fühlte mich schuldig. Ich hatte ihm Unrecht getan.

Diese Distanz. Dieser Hass. Diese Wut. Es brodelte noch so viel mehr in ihm, als er mir sagte. Das alles unterdrücken zu müssen. Sich die Angst nicht anmerken zu lassen. Dadurch so emotionslos zu werden. Er musste sich jahrelang durchkämpfen. Er baute eine Mauer. Kein Essen. Kein Schlaf. Keine Freude. Keine Ablenkung. Und wenn plötzlich mal ein positives Gefühl den Weg zu seinem Herzen fand, konnte er damit nicht umgehen. Nun verstand ich es.

Ich hörte ihn wimmern. Er kauerte sich zusammen und lehnte seinen Oberkörper auf seine angewinkelten Beine.

Es braucht viel um einen starken Mann zu brechen. Doch wenn den stärksten Mann nur noch eine Fassade aufrecht hält, findet man dahinter ein kraftloses Kind. Ein Kind, dass nur noch weinen konnte vor Hilflosigkeit.

Nun blickte er auf. Er sah mich mit seinen verweinten Augen einen Moment lang an und lehnte verträumt seinen Kopf auf seine Hand. „Und als es fast so weit war. Als ich den Willen fasste meine Erlösung zu finden.. rief mich eine junge Stimme... und da stand plötzlich.. so ein dummes, heulendes Gör vor mir. Zu rein um es zu verletzen. Zu zart um es zu ignorieren. Ich weiß nicht, was sie mit mir gemacht hat. Doch diese kleine Ziege fand plötzlich mein vergessenes Lächeln. Und ich fand wieder einen Sinn.“, beichtete er schweren Herzens.
 

Ich war wie vereist. Mein Körper war starr. Mein Mund war wie zugenäht.

Wie sollte ich nur damit umgehen? Was sollte ich sagen? Auch ich begann zu weinen.

Weil ich mich schuldig fühlte? Weil ich Mitleid fühlte? Oder wegen seiner rührenden Worte am Ende? Vermutlich führten alle drei Gründe zu meinen Tränen.

Kaum begann ich du schluchzen, kniete ich mich neben ihn und umarmte ihn sanft. Ich konnte nicht in Worten fassen, was ich nun empfand. Nicht einmal meine Gedanken waren in der Lage meine Gefühle zu ordnen. Trauer, Mitleid. Der Wunsch ihm zu helfen. Die eigene Hilflosigkeit. Schuldgefühle. Diese und noch mehr waren in meinem Kopf so zerstreut, als hätte man sie in eine Schneekugel gesteckt und kräftig durcheinander geschüttelt.
 

Wir saßen lange so da und schwiegen. Es war uns egal, dass der Boden unbequem und kalt war. Shiro hatte den Kopf deprimiert in seine Knie gelegt und atmete schwer. Dass ich ihn noch immer im Arm hatte, störte ihn nicht weiter. Auch wenn ich ihm damit vielleicht etwas zu nahe getreten war, wollte ich jedoch zeigen, dass ich bei ihm war. Dass ich ihn nicht alleine lassen wollte. Dass ich ihn verstehe.
 

Im Vergessenen geraten, sah ich Nami nun zu uns laufen. Leise trat sie an Shiro heran und beugte sich zu ihm. Sie faste ihn sanft an seinem Arm und streichelte ihn schweigend.

„Nami..?“, flüsterte ich leise und stand auf. Doch dann bemerkte ich, dass Shiros Atmung ruhiger wurde. Seine Schultern entspannten sich und seine Arme wurden lockerer.

Schließlich atmete er erleichtert auf. „Danke...“, nuschelte er erschöpft. Dann richtete er sich etwas auf und blickte nur mit den Augen verärgert zu Nami. „Ich kann dich trotzdem nicht ausstehen.“, nörgelte er leise.

Nami grinste. „Hihi. Das macht nichts.“, kicherte sie und lächelte verständnisvoll.

Ich sah sie mit großen Augen an. Was war passiert? Sie erkannte meinen Blick sofort.

„Ich habe ihm seine Trauer genommen. Nur für den Moment.“, erklärte sie mir. Dann sah sie in die Ferne. Dunkle Wolken begannen den Himmel zu bedecken. „Ja... manipulierend. Ich weiß. Dir half das auch immer. Aber ich denke, ich sollte gehen... Soll ich euch noch irgendwo hinbringen? Es beginnt bestimmt gleich zu regnen.“

„Nein warte Nami!“, ich ging sofort einen Schritt vor. „Ich habe so viele Fragen. Nami. Ich … ich.. Warum... bist du ein Engel. Ich verstehe das nicht... Wie kann das sein? Wir kennen uns doch seit wir klein waren!“

Shiro stand zwischen uns auf und berappelte sich wieder. Er räusperte sich und richtete seine Kleidung. „Ich kenne keinen gefallenen Engel, mit nur einem Flügel.“, fügte er meiner Frage hinzu.

Sie überkreuzte die Arme. „Hmpf. Das ist nicht nett Engel ständig zu beleidigen.“, sagte sie und deutete mit dem Finger auf ihn. „Außerdem.. bin ich kein gefallener Engel.“

Shiro wich einen Schritt zurück und erschreckte.

Ich blickte verwirrt zwischen beiden hin und her. „Was? Ich verstehe nichts!“, sagte ich aufdringlich.

Nami lächelte verlegen. „Ich habe nur einen Flügel, weil ich erschaffen wurde. Mehr... kann ich dazu nicht sagen...“, wich sie vom Thema ab.

„Erschaffen?!“, fragte ich laut.

„Erschaffen? Von wem?!“, kam es ebenso entsetzt vom Schattenmann.

„Das kann ich nicht sagen...“

„War es ein Engel?! War es ein Dämon?“

„Ich sagte doch bereits, darüber kann ich nicht reden.“, dann drehte sie ihren Kopf leicht senkrecht. „Leg es nicht drauf an. Noch bist du mir unterlegen.“, lächelte sie mit nicht ernst gemeintem, drohenden Unterton. Dann drehte sie sich zu mir und nahm meine Hände. „Yuki. Ich kann dir aber sagen, dass ich als Mensch geboren wurde. Und du bist meine beste Freundin! Und das bleibt auch so!“, erklärte sie mir ehrlich. Langsam trat sie zurück. „Du bist klug, Schattenmann. Ich hätte nicht gedacht, dass du mich auch als Mensch erkennen würdest.“, sagte sie erfreut und ging einige Schritte rückwärts. „So. Ich muss aber nun gehen.“

„Eine Frage noch!“, stoppte Shiro sie. Er ging auf sie zu und blickte sie streng an. „Hast du ihr Gedächtnis gelöscht?“

Nami schmollte nachdenklich mit ihrem Mund. „Hmh... nein... aber ich kann dir nicht sagen, wer es war.“, dann grinste sie wieder. Dann ging sie weiter zum Ende des Daches. „Bis bald! Wir sehen uns wieder!“, rief sie uns noch zu, als sie gerade über das Geländer sprang und ihren Flügel ausbreitete.

Ich rannte erstaunt bis zur kleinen Mauer des Geländers und betrachtete, wie sie fort flog.

„Ist das nicht total auffällig?“, fragte ich Shiro, ohne von dem Halbengel wegzusehen.

Er trat neben mich. „Ach Menschen sind dumm. Die merken das nicht.“

Ich grinste ihn an. „Hey! Du bist auch ein Mensch!“

„Ich bin ja auch eine Ausnahme!“, er legte entspannt seine Hände in seine Hosentasche und sah ebenso in den Horizont wie ich. „Dann komm. Ich habe keine Lust noch mehr langweiligen Unterricht zu verfolgen. Und es regnet gleich! Wir sollten auch gehen.“, hörte ich nun von ihm während er zurück zum Eingang lief.

Verträumt sah ich noch in den Himmel. Einige Regentropfen erreichten bereits den Boden. Dann drehte auch ich mich um.

Ich sah Shiro in der Tür stehen. Er lächelte mich wartend an.

„Shiro...“, begann ich zurückhaltend und legte meine Hände vor meine Brust. „Es... also. Es tut mir leid. Das vorhin.. ich war so-“

„Lass gut sein.“, unterbrach er mich. „Komm endlich! Nochmal trage ich dich nicht!“, meinte er und deutete in das Gebäude.

„Ja!“, nickte ich ihm sicher zu und folgte ihm.
 

Im nächsten Moment begann es auch schon zu regnen. Während wir hinunter zu meinem Spind gingen, verlief der normale Alltag in der Schule weiter. Wir hörten die Lehrer aus den Räumen unterrichten. Wir hörten den Regen gegen die Scheiben prasseln. Doch vor allem hörten wir den Hall unserer Schritte, da keiner von uns beiden sich traute zu reden.

Schnell nahm ich meine Tasche, welche Nami mir zuvor in meinen Spind gelegt hatte und griff mir meinen Regenschirm.

Wir gingen bis zum Ausgang der Schule und unter die kleine Überdachung. Noch immer schwiegen wir.

Die Straßen waren schon vollkommen nass und die Äste der Bäume bewegten sich leicht im Wind.

Ich öffnete den Schirm und hielt ihn hoch, sodass wir zusammen darunter passten. Immer wenn ich ihn ansah, traute sich kein Wort aus meinem Mund. Die einzige Kommunikation zwischen uns war das unangenehme Schweigen.

Also gingen wir los. Wieder den Weg zurück nach Hause. Meinem Zuhause.

Die Situation hatte sich zwar beruhigt, dennoch spürten wir einen negativen Nachklang durch Namis Aufdecken. Beim Laufen dachte ich viel nach. War es Schicksal, dass alles um mich herum plötzlich verrückt spielte? Vor kurzem war mein Leben noch so langweilig und normal. Und plötzlich entpuppt sich meine beste Freundin als ein heiliges Wesen. Wie sollte ich damit umgehen?

„Hey!“, motzte Shiro plötzlich. „Pass auf! Ich werde ganz nass!“, durchbrach er die Stille. Meine Gedanken sammelnd, sah ich perplex auf. Dann merkte ich, wie er über meine Hand streifte und mir den Regenschirm aus der Hand nahm.

Nun trug er den Schirm und sorgte dafür, dass wir nicht nass wurden. Ihn wieder motzen zu hören, machte mich ein wenig glücklich. Denn ich wusste, dass er dies nicht tat, weil er mich verachtete, sondern weil er sich sorgte.

Gemütlich lächelte ich. „Was ein Tag..“, sagte ich und blickte dabei auf den Weg vor uns.

„Hmh...“, stimmte er mir wortlos zu. Wir unterhielten uns, ohne den anderen dabei anzusehen.

„Wie lange glaubst du, brauchst du noch, bis deine Seele wieder geheilt ist?“

„So lange du in meiner Nähe bleibst, bestimmt rasch.“

„Eh, was?!“, fragte ich erschrocken und sah ihn mit roten Wangen an.

„Wenn du ständig abhaust, kann meine Seele ja nicht verheilen!“, kam er mir jedoch nur gelassen entgegen.

„Achso... das meinst du..“, ich schüttelte den Kopf. Was war den plötzlich los mit mir? Ich hatte mir gedanklich mehrmals mit einem Buch gegen den Kopf geschlagen.

„Yuki.“, begann Shiro wieder ganz ernst. „Du sagtest mir, dass du mich gerufen hast, weil Nami dich überreden konnte. Richtig?“

„Ehm.. ja! Wieso?“

Er sah nachdenklich weg. „Hmh... schon gut.“ Sein Stimme wurde immer leiser.

„Nein.. was? Wieso fragst du das?!“, fragte ich naiv und klammerte mich an seinen Arm.

Shiro blieb stehen. „Die wichtigere Frage ist, wo ich heute übernachten kann?“, dann sah er zu mir herunter. „Gäbe es die Möglichkeit für mich, bei dir zu bleiben?“, fragte er mit der zartesten Stimme, die ich von ihm kannte.

Meine Augen wurden ganz groß. Vermutlich begann er zu grinsen, weil mein Gesicht rot zu leuchten begann.

Ich soll einen Mann mit mir die Nacht bei mir zuhause verbringen lassen?

Glühend wie ein Wasserkocher sah ich weg und klatschte mir gegen die Wangen.

Was denke ich denn da wieder! Was ist bloß los mit meinem Kopf?! Was soll den schon passieren?!

Ein Kuss

Draußen legte sich ein dämmerndes, leichtes Licht über den Nebel. Die Sonne wagte sich nur ganz langsam über den Horizont hinaus zu schauen. Von den Blättern der Sträucher und Bäume lösten sich die letzten Regentropfen, welche der Abend zuvor hergegeben hatte. Die Straßen waren noch nass getränkt und bildeten an unebenen Stellen kleine Pfützen. Leises Vogelgezwitscher war bereits zu hören.

Ich öffnete meine Augen und erkannte durch mein Fenster ein einzelnes Licht aus dem Haus gegenüber strahlen.

Wie spät war es? Wie lange hatte ich geschlafen?

Ich lag still auf meinem Bett und verschwendete keine Zeit mehr zu versuchen wieder einzuschlafen. Leise drehte ich mich also zu meinem Nachttisch und nahm mein Handy. Als ich den Knopf betätigte, blendete mich ein greller Bildschirm. „Urgh...“, die Augen halb zugekniffen starrte ich auf die digitale Zeitangabe auf dem Gerät „Samstag. Und erst fünf Uhr morgens...“, flüsterte ich mir selber zu und schnaufte. Schließlich sah ich auf mein Hintergrundbild. Darauf waren Nami und ich zu erkennen. Wir hielten uns Arm in Arm und grinsten mit dem glücklichsten Lächeln das wir hatten, in die Kamera.

Nachdenklich runzelte ich die Stirn. Es war so viel passiert. Und ich hatte noch so viele Fragen. Was würde noch alles auf mich zu kommen? Und warum war unbedingt „ich“ mitten in dieses Geschehen verwickelt? Und was war nun mit Shiro. Ich konnte doch nicht einfach ignorieren, welchen Gedanken er ausgesetzt war! Wie sollte ich mit ihm nun reden? Sollte ich so tun als wäre am gestrigen Tag nichts geschehen?

„Kannst du nicht mehr schlafen?“, wurde die Stille dann plötzlich unterbrochen.

Schnell machte ich mein Handy wieder aus und setzte mich auf. Dann lächelte ich beruhigt. „Du anscheinend auch nicht.“, antwortete ich flüsternd.

Shiro lag auf einer einfachen Matratze an meinem Bettende auf dem Boden. Er blickte nachdenklich an die Decke und war beinahe zu groß für die Matratze gewesen. „Ich bin langen Schlaf nicht gewohnt.“, erklärte er kurz

Direkt legte ich mich wieder hin. „Verstehe..“, sagte ich so dahin, dann drehte ich mich auf die Seite. „Mein Vater sollte schon wieder weg sein. Wir können froh sein, dass er nichts bemerkt hat. Er würde dich umbringen.“

„Ehrlich?“, grinste er. „Ich hoffe du hättest nichts dagegen, wenn ich mich in einer solchen Situation wehre..“

„Nein, könntest du nicht.“, antwortete ich strickt mit ernstem, schon ironischem Unterton, „Er würde dich ganz langsam und schmerzvoll erledigen. Und du kannst nichts dagegen machen.“, schmunzelte ich mit tiefer, verspielter Stimme.

„Achso. Dann bin ich ja froh, dass es nicht so weit gekommen ist.“. Sein unterschwelliges Grinsen war nicht zu überhören.

Dann war es wieder leise.

Wir beide genossen den angenehmen, ruhigen Moment denn er und ich machten wohl in letzter Zeit viel durch. Und nach der anstrengenden Zeit am gestrigen Tag, beschlossen wir auf dem Weg, uns einfach des restlichen Abend auszuruhen. Also legten wir nach unserem schweren Besuch in der Schule die Engelsfeder sorgfältig zurück in den Schrank meines Vaters, zerrten eine alte Matratze unter meinem Bettkasten hervor und ließen den Abend müde und wortlos ausklingen.

Da mein Vater sehr spät von der Arbeit kam und stets seiner Routine folgte, in welcher das Betreten meines Zimmers nicht enthalten war, war es nicht schwer den Schattenmann vor ihm zu verheimlichen.

Doch so früh der Abend sein Ende gefunden hatte, so früh begann der neue Morgen.
 

Eine kurze Zeit lagen wir also noch schweigend da. Diese Zeit nutzte ich um nachzudenken. Ich lag alleine in meinem Bett, während er alleine auf dem Boden lag. Es war ein angenehmes Gefühl zu wissen, dass er da war. Auch wenn es seltsam war mit ihm im gleichen Zimmer zu schlafen. Ich denke wir hatten uns beide an den anderen gewöhnt. Es war ruhig. Es war sicher. Es war entspannend. Es war schön.

Doch mein fröhliches Lächeln wurde zur ernsten Miene. Ich runzelte die Stirn. „Du...“, begann ich schließlich. „Shiro..? Wie entsteht eigentlich ein halber Engel? Ich meine... Also ist man nicht von Anfang an ein halber Engel wenn ein Mensch und ein Engel sich lieben?“

„Nein.“, begegnete er mir abrupt. „Das Ergebnis der Liebe eines Menschen und eines Engels wird zu einem Dämon. Immer.“

„Stimmt...“, ich drehte mich nachdenklich zur Seite. „Aber... wie entsteht denn dann ein „halber“ Engel?“, fragte ich neugierig, den Blick träumend aus dem Fenster gerichtet.

Doch der Schattenmann schwieg einen Moment. „Ich bin mir unsicher... So etwas habe ich noch nie gesehen. Ich könnte mir vorstellen, dass für ein solches Werk eine enorme Kraft benötigt wird. Viele Seelen, ein Opfer oder eine Art Ritual. Sie war ja anscheinend nicht von Geburt an ein Engel.“, sprach er weiter.

„Aber warum unbedingt Nami..?“

Shiro lehnte sich leicht auf. „Ich weiß es nicht... Es ist lange her, dass mich solch eine Unwissenheit plagte...“ Plötzlich hörten ich ein Knacken aus dem Flur und ich sprang geschockt auf. „Was war das?!“, unterbrach ich ihn.

„Was war was?“, auch Shiro riss seine Decke von sich und stand mit einem Mal neben mir.

Ich war überrascht. Sein Anblick brachte mich leicht aus der Fassung. Meine Wangen wurden rot und ich hielt mir die Hand vor dem Mund. Dann zeigte ich mit dem Finger auf ihn und sah an ihm herunter. „Wo ist deine Kleidung! Du trägst nur eine Hose und diese ist auch noch offen!“, motzte ich so leise und doch so tadelnd wie es möglich war.

Er flüsterte mir eben so tadelnd zurück: „Wie soll ich denn sonst hier schlafen? Mensch sein ist ziemlich unbequem!“

„Du könntest aufhören ständig in meiner Gegenwart so herumzulaufen!“

Doch er legte seinen Kopf leicht schräg und sah mich an. „Sieht das denn so schlimm aus?“

Ich wich zurück und betrachtete reflexhaft seinen Körper. Seine braunen Haare, passend zu seinen braunen Augen. Die breiten Schultern, der muskulöse Torso der zur schmaleren Hüfte überging. Die drei Narben die noch immer seine Haut auf eine maskuline Art zierten. Und diese trainierten Arme. „Ehm.. also.. Es ist ja immer noch verbesserungswürdig“, log ich, in der Hoffnung, dass er meine lange Nase nicht bemerken würde.

Dann schüttelte ich den Kopf und deutete zur Tür. „Mein Vater! Er ist noch da! Du musst dich verstecken! Und... und die Matratze! Die muss weg!“

Wir arbeiteten ohne Worte als Team. Ich packte Decke und Kissen vom Boden und warf diese hinter mein Bett. Gleichzeitig griff Shiro sich die Matratze und wuchtete diese zwischen Schrank und Wand.

Dann klopfte es plötzlich an meiner Tür. Es war ein klares, sanftes, gleich klingendes Klopfen.

Wie vereist blieben wir stocksteif stehen und starrten dem Geräusch entgegen. Ich hielt einen Moment die Luft an.

Dann klopfte es wieder.

„Schnell!! Da rein!“, sofort öffnete ich meinen Kleiderschrank und schob Shiro hektisch hinein.

„Was? Was zu Hölle soll das?!“, frage er und wehrte sich nur sehr dezent.

„Schnell! Los! Sei leise!“, moserte ich nur und schloss mit Gewalt wieder hinter ihm meinen Schrank.

Dann klopfte es ein drittes Mal. Im gleichen Augenblick hörte ich jemanden im Flur sprechen. „Ich werde einfach herein kommen!“, kam es dumpf von der anderen Seite der Tür. Schließlich wurde diese aufgerissen.

Mein Körper wurde blass vor Schreck. Was sollte mein Vater nur davon halten, mich mit einem halbnackten Mann in meinem Zimmer zu finden?!

Doch die Person sie herein gerannt kam war nicht mein Vater, sondern ein schlanker, rothaariger Mann.

„Mephisto?“, fragte ich unglaubwürdig.

Er stürmte mein Zimmer. „Darling! Hast du mich vermisst?“, fragte er mit erhobenen Armen und blieb stehen. Dann sah er sich um. „Wehe dir du hintergehst mich!!!“, schrie er skeptisch und schrill. Verdattert erkannte er mich schließlich und blieb direkt vor mir stehen. Er sah mich hochmütig an. Dann schaute er mit seinem arroganten Blick an mir herunter, umschlug mit seinem Arm seinen Oberkörper und stützte sein Kinn mit der anderen Hand. „Hmh. Soso... Yuki. Habe ich euch gestört? Du wirkst so überrascht?!“, sprach er gelassen und zog die Augenbrauen hoch.

Dann rumpelte es in meinem Schrank und Shiro kam heraus. „Mephisto! Weshalb erscheinst du hier plötzlich?“, fragte er erleichtert und doch erzürnt um seine Maske vor ihm zu bewahren.

Ich wandte mich leicht zu Shiro und legte die Hand flüsternd vor meine Lippen. „Das frage ich mich ständig, wenn ihr hier immer aus dem Nichts auftaucht.“

Mephisto zwängte sich zwischen uns und begutachtete den Schattenmann mit interessierten Blicken. „Aha. So weit ist es also schon?“, erwähnte er und lief nachdenklich, sein Kinn reibend um ihn herum. Ich hatte jedoch nur ein Augenrollen und ein Schmunzeln für seine, um Aufmerksamkeit ringende Aktion übrig.

„Weshalb bist du gekommen? Wer bewacht meine Bibliothek?“, fragte Shiro dann aber erzürnt.

„Hach!“, begann der Rothaarige und begab sich zu meinem Bett. „Naja, ich komme nur, weil ich eine Lösung für dein Problem habe Schatz!“ sagte er und setzte sich auf die Bettkante. „Also, ich meine nicht DIESES Problem da.“, fügte er noch hinzu und deutete mit zappelnder Hand auf mich.

„Hey!-“ Ich legte meine Hände verärgert in die Hüfte.

„Jaja.“, unterbrach er mich jedoch. „Darling, ich weiß, wie deine Seele verheilt!“, sagte er und überhörte mich.

Shiro schritt überrascht vor. „Was? Sprich!“

Mephisto grinste und blickte Shiro verführerisch an. „Hmhh..“ und tippte sich mehrmals zeitschindend auf die Wange. Schließlich lehnte er sich zurück. „Es gibt zwei Wege mein Herz.“, begann er. „Entweder, sie stirbt und deine Seele fügt sich wieder zusammen! - Ich übernehme gerne den Part des Mörders.“, erklärte er entspannt.

Ich wich erschrocken zurück. Geschockt blickte ich zwischen beiden hin und her. Kam diese Möglichkeit wirklich in Frage? Nein. Das glaube ich nicht. Oder doch?

„Die zweite Variante wäre, wenn eure Seelenteile sich auf die geringste Entfernung nähern. Eure Seelen müssen sich schon fast vereinen. Ihr könntet miteinander schlafen!“

Innerlich schreckte ich auf. Doch nach außen zeigte ich einen entgeisterten, versteinerten Blick. Beide Arten kamen für mich nicht annähernd in Betracht.

Shiro aber stand mit dem gleichen Ausdruck neben mir und wir starrten Mephisto schweigend an.

„Oh meine Güte.“, seufzte Mephisto. „Ein Kuss sollte auch ausreichen!“, sagte er genervt und sah schnippisch weg. Dann legte er seinen Finger vor seine Lippen und sah uns verführerisch an. „Aber das wäre nicht so aufregend...“, flüsterte er noch.

Doch ich trat entrüstet zurück und presste meine Arme um mich. Meine Wangen strahlten kochend rot „Das geht trotzdem nicht!“, sagte ich laut und hob eine Hand.

„Es wäre doch nur ein Kuss!“, schob der Rothaarige wieder ein. „Stell dich mal nicht so an! Menschen küssen sich jeden Tag!“, verdrehte er die Augen und kreuzte seine Beine übereinander.

Ich fummelte nervös an meinem Shirt. Doch Mephisto war es egal, wie ich dazu stand. Dann sah ich mit großen Augen zu Shiro. Doch er wich meinen Blicken aus und stand nachdenklich vor Mephisto. Was war denn plötzlich wieder los mit ihm?

„Das geht nicht...“, stotterte ich immer leiser werdend. „Ich kann doch nicht... Nein. Shiro! Das geht nicht!“, jammerte ich und richtete mich um Hilfe bittend zu ihm. Shiro jedoch ignorierte meinen Hilferuf und lief zum Bett. Er lehnte sich langsam zur dahinter geworfenen Wäsche und holte sein Hemd schweigend hervor.

Dann starrte ich wieder hilflos dem Rothaarigen in die Augen. Das konnte nicht sein Ernst sein. Doch Mephisto sah zum Schattenmann, dann drehte er sich wieder zu mir und belächelte mich. „Tz. Nur ein Kuss! Es muss ja nicht mal emotional sein! Stell dich nicht so an!“, fauchte Mephisto zickig und wedelte wieder arrogant mit seiner Hand.

Im Hintergrund zog Shiro schweigend sein Hemd wieder an.

Ich sah schüchtern zu Boden und spielte an meinen zerzausten Haaren. Mit meinem Fuß streifte ich in kreisender Bewegung über den Boden. „Ich kann ihn nicht küssen...“, dann blickt ich erschrocken zu Shiro. „Also nicht, dass ich dich nicht küssen möchte, nein also. Ich meine ich möchte! Also ich möchte dir helfen! Aber.. Argh...“, verhaspelte sich meine Zunge. Ich legte meine Hände verwirrt und hoffnungslos vor mein Gesicht. „Mein.. mein erster Kuss... sollte doch mit der Person sein, die ich Liebe...“, nuschelte ich leise und sah herab.

Mephisto stand genervt auf. „Och je. Niemand hatte sich bisher erbarmt sie zu Küssen. Los. Macht schnell dann habt ihr es hinter euch! Und das ganze Schlamassel ist gelöst!“

Shiro stand erbost vor ihm. „Mephisto!“, ermahnte er ihn mit grimmiger Stimme. „Lass sie.“

Ich stand noch da und zupfte an meiner Kleidung. In was für eine Situation war ich nur geraten? Ein Kuss? Aber ich hatte doch noch nie jemanden geküsst. Mein erster Kuss darf doch kein ungewollter sein.

Plötzlich fühlte ich eine Hand an meiner Schulter.

„Yuki.“, sagte Shiro beruhigend.

Ich drehte mich erschrocken zu ihm und sah ihn mit großen Augen an. „Shiro?“

Ich erkannte seinen aufrechten Blick. Ich sah seine braunen, offenen Augen. Ich merkte seine Nähe. Ich fühlte seine warme Hand auf meiner Schulter.

Wir sahen uns lange an.

Mein Puls pochte so stark. Die Zeit blieb einen Moment lang stehen. Ich hörte nichts als meinen Herzschlag und spürte meinen tief anhaltenden Atem.

Warum kam er mir so nahe? Warum kribbelte mein Bauch wenn er mich so liebevoll ansah. War da mehr? Nein. Das konnte nicht sein. Wollte mir mein Kopf das nur einreden? Meine Wangen wurden ganz rot, als unsere Blicke sich eine gefühlte Ewigkeit kreuzten. Zögernd legte ich meine Arme auf meine Brust.

Wollte er mich nun doch einfach küssen? Würde ich das zulassen wollen? Sollte ich es? Sollte ich das praktisch und emotionslos betrachten? Aber das wäre mein erster Kuss. Würde ich es denn überhaupt bereuen?

Genau. Das war die Frage. Würde ich es bereuen? Will ich es nicht vielleicht sogar? Einen sanften Kuss von seinen warmen Lippen.

„Yuki!“, sagte er wieder.

Ich klimperte verdattert mit den Augen und besann mich wieder. „Mach dir keine Sorgen. Ich werde mir deinen ersten Kuss nicht erzwingen. Verspreche ich dir. Und nimm Mephisto nicht so ernst. Er meint es gar nicht so böse wie es sich immer anhört.“ grinste er und stellte sich wieder locker hin.

Erstarrt klimperte ich einige Male mit meinen Lidern. Und im nächsten Augenblick drehte ich mich von ihm weg und schlug mir gegen die Wangen. Was hatte ich da nur gedacht? Was war nur los mit mir? Dann streifte ich durch meine Haare. Was wollte ich mir denn vorstellen? Wie bescheuert.

Mir waren meine Gedanken wieder peinlich.

Natürlich darf ich da nicht emotional dran gehen! Was ein Quatsch. Als wenn da noch mehr wäre. Da ist nichts! Und Shiro wird keine Gefühle für mich haben, also habe ich keine für ihn. - Redete ich mir ein.

„Arrrgghh...“, ich zerknautschte mit meinen Händen mein Gesicht und schaute beschämt zur Decke.

„Soll ich sie einfach töten?“, frage Mephisto nun.

Schnell räusperte ich mich und drehte mich wieder zu ihm. „Ehm.. Hey!.. Was?“

„Nein. Keine Sorge. Das ist nicht sein Ernst.“, lächelte Shiro und ging an mir vorbei.

Ich sah ihm hinterher.

Er könnte mich einfach überrumpeln. Er könnte ganz einfach seine Kraft wieder bekommen. Er könnte mich locker töten. Oder wäre auch in der Lage einen Kuss zu erzwingen oder mehr. Aber er respektierte mich und meine Entscheidung.

Doch mich wunderte, weshalb Mephisto auf Shiro hörte, obwohl er nur ein Mensch war.

Ich ballte meine Faust und runzelte ernst die Stirn. Es war nur meine Schuld, dass er in diese Lage geraten war! Es war meine Pflicht ihm zu helfen! Ja! Ich musste es einfach praktisch sehen! Wenn ihm ein Kuss helfen sollte, dann soll er einen Kuss bekommen! Und wenn mein erster Kuss von jemanden sein soll, den ich liebe. Dann sollte ich meinen ersten Liebeskuss schnellstmöglich „abholen“! Damit ich Shiro meinen zweiten Kuss schenken konnte!

Schnell lief ich ihm hinterher. „Shiro!“, ich sah ihn energisch an und griff ihn an seinem Ärmel.

Er verzog überrascht die Augenbrauen und wich etwas zurück. „Hmh?“

„Ich helfe dir! Aber vorher, brauche ich Deeons Hilfe! Wie kommen wir zu ihm?!“, sagte ich und hob den Finger lehrend.

„Was? Deeon? Wie sollte er denn hilfreich sein?“, kam es arrogant aus meinem Zimmer und Mephisto folgte uns.

Zögernd zog ich meine Hand zurück. „Ehm.. also... ich.. Ist doch egal! Ich brauche seine Hilfe! Wir müssen zu ihm! Wie kommen wir denn jetzt zu ihm? Können wir ihn einfach rufen oder so?“

Doch Shiro tätschelte mir den Kopf. „Nimm das alles nicht so ernst. Meine Seele verheilt schon von alleine. Auch Deeon kann da nicht viel dran ändern.“

Ich presste meine Hände ineinander und blickte zu ihm hinauf. „Bitte...“ Dann erröteten meine Wangen und ich sah weg.

Shiro erkannte mit überraschten Blick meine Gedanken.
 

Ich musste ihm helfen. Und daher musste ich schnellstmöglich meinen ersten Kuss von der Person, die ich liebe erhalten. Und das war Deeon.

Das bedeutete ja, dass ich ihm meine Liebe gestehen müsste!

Wie nur beichte ich ihm davon? Würde er mich denn Küssen? Würde er meine Gefühle erwidern? Würde er wenigstens meine Bitte erhören?
 

Gedankenverloren legte ich meine Hände auf meine Wangen und träumte vor mich hin. Er würde seine Hände auf meine Wangen legen und mir tief in die Augen sehen. Vor Aufregung könnte ich mich nicht bewegen und wäre ihm vollkommen erlegen. Doch seine wärmende Nähe würde mein vor Aufregung rasendes Herz beruhigen. Seine liebevolle Stimme würde mir auch seine Liebe gestehen. Das er, wie ich, seit unserer ersten Begegnung nur an mich denken konnte. Dann legt er sanft seine Hand an meine Hüfte und würde mich an sich drücken.

Und unsere Lippen berühren sich ganz zart. Und mein Herz und Körper gehören ganz ihm.
 

„Hach...“, stöhnte ich verliebt ohne zu bemerken, dass Shiro genervt von mir weg ging und in die Küche lief.

Dann schüttelte ich den Kopf. „Hey! Shiro! Was ist denn jetzt?!“, fragte ich und schaute ihm hinterher.

Er kam aus der Küche mit einem Apfel und setzte sich wieder an den Tisch. „Meine menschliche Hülle ist geschwächt. Ich muss sie erst wieder stärken!“, meinte er mürrisch und biss hinein.

Ich setzte mich aufgeregt vor ihn. „Wann gehen wir denn zu Deeon?“, fragte ich aufdringlich.

Doch Shiro aß einfach weiter.

Ich durchbohrte ihn mit meinem aufdringlichen Blick. Er sah mich an, dann biss er wieder vom Apfel ab, sah weg und kaute weiter.

„Heey!“, moserte ich aufdringlich. „Wie kommen wir zu Deeon?“

„Du solltest frühstücken. Das ist wichtig für einen Menschen!“, sagte er und deutete auf seinen Apfel.

Ich kniff meine Augen zu einem grimmigen Schlitzt zusammen und starrte ihn an. „Heey! Antworte mir! Wieso weichst du vom Thema ab?“

Shiro lehnte sich zurück. Schließlich sah er mich an und legte seinen Apfel auf den Tisch. „Es ist nicht notwendig, dass wir zu Deeon gehen. Er wird nicht helfen.“, sagte er und zog kurz die Augenbrauen hoch.

Ich biss auf meine Lippe. „Doch... also. Er wird helfen.“, meinte ich stotternd.

Mephisto mischte sich wieder ein und lehnte sich an die Couch. „Ich würde es bevorzugen, wenn Deeon nicht hilft! Dieser arrogante, gefallene Engel kann uns doch gestohlen bleiben! Ich weiß sowieso nicht, warum du so viel von ihm sprichst!“

Ich setzte mich nervös auf. „Ehm... ist egal! Man! Jetzt lass doch endlich zu Deeon! Dann haben wir es hinter uns! Wie du gesagt hast!“, forderte ich beide auf und schnappte den Apfel vom Tisch. Ich ließ ihn sanft von einer Hand in die andere fallen und betrachtete dessen rote Schale.

Schließlich begegnete ich Shiro mit einem traurigen Hundeblick.

Doch er wich nur wieder aus und tippte mehrmals nachdenklich mit seinem Finger auf den Tisch.

Ich wusste, dass er keine Hilfe von Deeon annehmen wollte. Es hätte jede andere Person sein können, außer er.

„Was soll Deeon schon tun können?“, moserte Mephisto und hob die Augenbraue. „Außer wenn er dich töten würde oder... Oh. Achso.“

Ich biss auffällig die Lippen aufeinander und errötete. Mephisto wusste wohl, was ich vor hatte.

Er lief langsam auf mich zu und schmunzelte arrogant. „Liebes, er ist ein Engel. Er wird dich nicht küssen!“, sagte er und hielt mich an meinen Schultern. „Es ist nur die Aura, die Menschen so verführen.“

Aber ich ging von ihm weg und ballte die Fäuste. „Nein! Da ist noch mehr! Ich weiß es!“, sagte ich laut und energisch.

Aber Mephisto lachte laut und verdrehte die Augen. „Pah! Das sagt wohl bestimmt jede die er verführen will! Jaja, er ist was besonderes. Er ist ja auch ein Engel! Aber meine Süße...“, er wurde von seiner hellen, schnippischen Stimme immer finsterer und ernster, „Er ist ein gefallener Engel. Das hat auch einen Grund. Vergiss das nicht.“

Mich überrumpelte die Tatsache, die er ansprach. Aber ich wollte nicht aufgeben! Ich wusste, dass uns etwas verbinden musste! Da war noch mehr! Dieses Gefühl, das ich habe wenn er mich in den Arm nimmt. Die Art wie er mich beschützt. Da muss mehr sein!

Ich wollte Mephistos Worten nicht weiter zuhören. Es musste einen Grund haben, warum ich Deeon getroffen habe!

„Shiro! Bitte...“, ich wandte mich wieder dem Schattenmann zu der grübelnd wegsah. „Ich weiß, dass du ihn nicht leiden kannst. Aber ich weiß, dass er mir nicht wehtun würde. Ich weiß dass er mir helfen wird.“, war ich der festen Überzeugung.

Um ihn jedoch nicht aufzuregen und dadurch ein Einverständnis zu gefährden, blieb ich ruhig und still sitzen. Ich war etwas nervös. Ich wollte Deeon unbedingt sehen. Auch wenn ich mich dadurch selber zwingen müsste, ihm meine Gefühle zu offenbaren, wollte ich schnellstmöglich zu ihm. Trotz leichter Angst, freute sich mein Herz.

„Mephisto. Bitte.“ Nun ging ich zu dem Rothaarigen und hielt seine Hand fest zwischen meinen Händen. „Mephisto..“, bat ich mit strahlenden Augen. Ich wollte es unbedingt.

Überrascht verzog er sein Gesicht. „Oh meine Güte. Du bist ja echt überzeugt. Das ist dumm und naiv.“, hörte ich erstaunt von ihm und er drehte sich fragend zu Shiro.

Dieser stand schließlich auf und strich sich durch die Haare. „Meinetwegen!“, fauchte er unglücklich und stellte sich hin.

Mein Lächeln wurde immer breiter. Glücklich sah ich zu ihm und schmunzelte erleichtert „Und wie kommen wir zu ihm?“

Doch Shiro überkreuzte seine Arme ineinander. „Wir können nicht einfach zu ihm. Wir sind Menschen. Und ich kann nicht sagen wo er sich aufhält. Daher kommt er hierhin!“

„Gut!“, strahlte ich und hüpfte zu ihm. „Und wie kommt er hier hin?“

„Du könntest versuchen ihn zu bitten. Ruf ihn doch. Aber ich denke nicht, dass er dich hören wird.“

Mephisto hob zickig die Hand. „Natürlich wird er nicht von alleine kommen.“

„Rufen? Wie? Einfach so?!“, fragte ich stirnrunzelnd.

„Ja. Stell dich hin. Dann nennst du aufrichtig seinen Namen. Aber Engel sind immer sehr eigen. Besonders gefallene. Er wird bestimmt nicht kommen.“, erklärte Shiro brummig.

„Na gut!“, sagte ich bereit und stellte mich gerade hin.

Ich schloss meine Augen und legte meine Hände zusammen auf meinen Brustkorb. Dann atmete ich tief ein.

Mephisto und Shiro standen nebeneinander. „Das wird doch nie was.“, flüsterte Mephisto Shiro zu.

Ich hörte die Zweifel, wollte mich aber nicht ablenken lassen! „Deeon. Deeon! Bitte komm zu mir.“, flüsterte ich. „Bitte komm her.“ Dieser Wunsch kam aus den Tiefen meines Herzens. Ich wollte ihn so sehr sehen. Ich wollte ihm endlich sagen, was ich fühlte.

Dann war es leise. Ich wartete einen Moment und öffnete meine Augen wieder. „Hat es geklappt?“

Doch Shiro sah mich genervt an. „Nein.“

„Sag ich doch!“, nörgelte Mephisto.

„Vielleicht war es zu leise?“, schnell schloss ich wieder meine Augen. „Deeon. Komm bitte zu uns! Deeon!“, forderte ich etwas lauter.

„Yuki! Hör auf. Der wird nicht kommen!“, sagte Shiro und legte seine Hände in seine Hosentaschen. „War doch klar, dass er nicht helfen wird...“, fügte er leise hinzu.

Ich war etwas geschockt. Sollte meine Hoffnung nun einfach dahinschwinden? Nur weil er mich nicht hört?

Hartnäckig faltete ich meine Hände ineinander und richtete meinen Kopf betend herab. „Deeon bitte. Ich muss dir doch etwas sagen.“

Shiro stellte sich vor mich. „Lass es. Er enttäuscht dich nur.“

Niedergeschlagen sah ich in Shiros wütenden Augen. Er war nicht wegen mir sauer, sondern wegen Deeon.

Dann legte er seine Hand auf meine Schulter. „Wenn er nicht von alleine kommt, zwingen wir ihn eben!“, seufzte er und setzte sich.

„Was...? Oh... Ok.!“, antwortete ich deprimiert und setzte mich ebenso zurück an den Tisch, meinen Blick immer aufmerksam auf ihn gerichtet.

Energisch ließ er seine Fingerknöchel laut knacken und seinen Nacken. „Dann mal los!“ Er blickte zu Mephisto. „Wir brauchen eine deiner Sigillen!“, sagte er direkt.

„Sigille?“, fragte er und wich zurück. „Das solltest du nicht tun!“
 

Ich verstand kein Wort von dem Gespräch. Beide ignorierten mich jedoch auch so gut, dass sie es nicht für nötig hielten, mich aufzuklären.

Wie eine zurückgelassene Katze saß ich dort und starrte beide an. Mir war egal was passiert. Hauptsache ich sehe Deeon.
 

„Du weißt, dass gerade du in deinem Zustand besser aufpassen solltest was du tust.“, Mephisto stellte sich locker mit einer Hand in der Hüfte hin und spreizte den Zeigefinger mit der anderen erhobenen Hand.

„Gib mir das Amulett mit der Sigille für Engel!“, sagte Shiro und und öffnete seine Handfläche fordernd.

Zögernd blickte Mephisto auf seine Hand und seine ernste Miene. Dann schnipste er brummig mit seiner erhobenen Hand und eine Tasche puffte in der Luft auf. Der Rothaarige fing diese gelassen und griff hinein. „Du benimmst dich seltsam Darling. Ich bin erleichtert, wenn du wieder ein Dämon bist und bei klarem Verstand!“, murmelte er dabei vor sich hin.

Heraus holte er ein kleines silbernes, Münzen ähnliches Amulett. Es war nicht besonders groß und wirkte wie eine Art Anhänger. Drauf graviert war ein kleines Muster mit geraden Strichen und Punkten. Von der Weite war es zu klein um es genau zu erkennen.

„Hier, aber bedenke was du tust.“, sagte er zögerlich und biss sich auf die Lippe.

Shiro nahm das Amulett und wurde ganz ernst. „Ich nicht. Sie macht es.“ Nun ging er kurz in die Küche.

„Was mache ich?“, fragte ich plump und stand auf.

Plötzlich kam er wieder zurück und stellte sich ganz nahe vor mich.

„Gottchen! Du wirst deinen Deeon beschwören! Denk doch mal mit!“, motzte Mephisto und stöhnte laut.

„Hmh?!“, überrascht sah ich ihn mit großen Augen an.

„Mit einer Sigille kannst du bestimmte Wesen rufen, die sogar damit geschwächt werden können. Dafür wird nur die Kraft der Sigille gebraucht und Blut des Beschwörers!“

„Blut?“, fragte ich. Dann sah ich plötzlich ein Messer in Shiros Hand. „WOW!“, ich wich erschrocken zurück, doch er hielt meine Hand sicher fest. „Hey! Was machst du!“ Ich hatte keine Angst vor ihm. Ich war mir sicher, dass er mir nichts schlimmes antun würde. Doch die ganze Situation kam mir suspekt vor.

„Halt still. Das tut ein bisschen weh! Aber du willst ja Deeon sehen!“, sagte er und legte mir das Messer leicht mit der Schnittseite in die Handfläche. Dann wartete er auf meine Einverständnis.

„Oh... ok.“, nickte ich zögerlich. Neugierig beobachtete ich, was er tat, auch wenn es schmerzte. Es war ein kleiner, flacher Schnitt. Nicht sehr tief, aber tief genug, damit etwas Blut heraus glitt.

Mephisto betrachtete das Geschehen schweigend, stehend von der Couch aus.

Ich biss die Zähne zusammen und runzelte die Stirn. „Hmmh. Aua...“, jammerte ich. „Und wie soll das helfen Deeon zu holen?“

Shiro legte mir das Amulett in die Hand, sodass es etwas mit meinem Blut bedeckt wurde. „Lege es auf den Boden! Richte deine Gedanken auf Deeon! Dann sprichst du seinen Namen und nimmst etwas Abstand.“

„Ehm.. okee.“, zögerte ich. Dann ließ er mich los und ich stellte mich in die Mitte des Raumes.

Das Amulett hatte etwas Blut an sich haften. Ich drehte es in meiner Hand und kniete mich auf den Boden.

Würde Deeon gleich hier sein? Was soll ich sagen, wenn er da ist? Moment! Ich war noch nicht bereit!

Mein Körper war plötzlich wie eingefroren. Alle meine Muskeln verkrampften sich zu einer starren Statue als ich mein Problem erkannte. Ich wollte Deeon meine Gefühle offenbaren. Würde er sie denn annehmen? Würde er mir meinen ersten Kuss schenken? Wie reagiert er? Mein Atem blieb eine Zeit lang stehen und ich starrte mit aufgerissenen Augen herab in Richtung meiner Hand. Wenn ich dieses Amulett nun dort hinlege, wird er erscheinen. Wie bereite ich mich denn vor? Ich hatte darüber doch gar nicht nachgedacht! Plötzlich war mir das alles zu schnell, auch wenn ich wollte, dass ich ihn schnellstmöglich sehen kann!

„Jetzt mach schon!“, kam es hinter mir von dem rothaarigen Dämon.

Ich schluckte nervös. „J..jaa... Ich mach ja schon!“, zitternd legte ich das Amulett auf den Boden. Jetzt gleich geht’s los. Augen zu und durch!

Ich kniff meine Augenlider fest zusammen und presste meine Hand auf den Boden. „Deeon!“, sagte ich laut und deutlich. Ich dachte an sein Gesicht. An seine hellen Augen und sein blondes Haar. An sein immer lächelndes Gesicht wenn er mich anblickte. Mein Herz fühlte sich ihm hingezogen. „Deeon!“

Langsam bemerkte ich eine sanfte Wärme die von der Münze ausging. Als ich meine Handfläche von ihr nahm, erstrahlte ein Licht hervor. „Hmh?“ Schnell stand ich wieder auf und bewegte mich einen Schritt zurück. „Und jetzt?“ Ich richtete mich fragend zu Shiro.

Er saß wieder gelassen am Tisch und lehnte seinen Kopf auf seine Hand. Seine Miene zeigte ein gemäßigtes aber erfreutes Lächeln. Worüber freute er sich denn jetzt?

Mephisto stand mit überkreuzten Armen noch immer an der Couch. Auch ihm konnte man eine gewissen Freude vom Gesicht lesen. Warum?

Das Amulett glänzte. Dann entstand ein großer, weiß strahlender Kreis am Boden. Er breitete sich etwas aus und erhellte den kompletten Raum.

Aufgeregt beobachtete ich, was geschah. Einige Male pochte dieses Leuchten in einem angenehmen, beruhigenden Tempo. Dieses Licht war so schön und erstaunlich. Langsam wurde es immer greller. Es war wie ein Lichtstrahl durch das ganze Haus. So grell, dass ich leicht weg sehen musste und die Hand schützend vor meinen Augen hielt.

Und dann war es endlich so weit. Ich sah die Silhouette einer Person. Je dumpfer das Licht wurde, desto besser konnte ich Deeon erkennen, welcher in dem Kreis auftauchte.

Auf einmal verdunkelte sich der Strahl und nur der Kreis blieb am Boden bestehen.

Ein Gespräch

Ich lächelte vor Glück. Deeon wird sich bestimmt wundern, dass ich ihn gerufen habe. Doch ich freute mich so sehr, dass er endlich da war.

Er stand dort und blickte sich fragend um. Dann erkannte er mich. „Yuki?“

Ich lief fröhlich auf ihn zu. „Deeon! Hihi! Du bist wirklich hier! Das freut mich!“, sagte ich und stellte mich nahe vor ihn. Ich was so glücklich und doch nervös. Wie sollte ich nur beginnen? Ich schaute ihn wie von Amors Pfeil getroffen an, er jedoch sah ernst an mir vorbei zu Shiro. „Wieso hast du das getan?!“, kam es erzürnt von ihm. Dann sah er zu Mephisto. „Was habt ihr vor?! Warum habt ihr das getan?!“ Deeon wirkte überrumpelt und wütend. Er stellte sich aufmerksam hin um auf alles gefasst zu sein.

Shiro aber grinste vergnügt und zeigte auf mich. „Sie war es.“, erklärte er mit schadenfrohem Unterton.

Unwissend blickte ich zwischen beiden her. Hatte ich etwas falsches gemacht? „Deeon! Ich wollte, dass du her kommst! Ich.. ich hatte dich gerufen.“, nahm ich die Schuld auf mich.

„Yuki. Was hat er dir angetan?!“, Deeon erkannt das Blut an meiner Hand. „Was ist passiert?“, er wollte sanft meine Hand halten. Doch sobald er über die Umrandung des Kreises hinaus wollte, blitzte plötzlich eine Barriere auf.

„Argh!“ Schnell zog er seine Hand weg. Auch ich wich schockiert zurück. „Was.. war das?!“

Mephisto lief neben mich und sah Deeon triumphierend an. „Du wolltest, dass er her kommt. Und weil unser lieber Herr „gefallener Engel“ ja nicht von alleine kommen wollte, musstest du ihn in diesem Käfig beschwören.“ grinste er.

„Käfig?!“, fragte ich laut.

„Passend für dieses geflügelte Wesen! Nur du kannst zu ihm hinein und wieder heraus. Und er bleibt dort, solange das Medaillon auf dem Boden liegt.“

Erschrocken drehte ich mich zu Deeon und legte meine Hand vor den Mund. „Das wusste ich nicht! Deeon! Es.. tut mir leid! Ich... ich...-“

„Das konntest du nicht wissen. Ist schon in Ordnung.“, beruhigte er mich. Dann öffnete er seine Hand, so dass ich meine beruhigt hineinlegen konnte. „Sag mir, was so wichtig ist, dass du mich unbedingt jetzt brauchst.“, lächelte er mich an. Mir gegenüber hegte er keinen Gräuel. Im Gegenteil. Auch jetzt noch beschützte er mich liebevoll.

Er trat einen Schritt zurück sodass ich zu ihm gehen konnte.

Nun stand ich ganz nahe bei ihm. Durch den Kreis am Boden wirkte es wie ein kleiner Raum, wodurch unsere Nähe sich noch vertrauter anfühlte.

Meine Wangen wurden rot. Ich sah ihm lange in seine wunderschönen Augen. Dieses beruhigende Lächeln und seine ritterliche Art gaben mir eine Gänsehaut. Seine warmen Hände gaben mir das Gefühl von Sicherheit und seine aufrichtige Art vernichtete alle Trauer und Sorgen die ich hatte.

„Ich wollte.. dich um deine Hilfe bitten!“, sagte ich zögernd und blickte wieder weg.

Mein Herz schlug wie wild. Ich werde es ihm nun sagen. Jetzt kommt der Augenblick.

„Wobei darf ich dir denn helfen?“, fragte Deeon ruhig.

„Ich... ich...“, dann drehte ich mich zu Shiro und Mephisto um, die uns beobachteten. „Könntet ihr wohl bitte den Raum verlassen?!“, motzte ich mit rotem Gesicht.

Genervt stand Shiro auf. „Tz..“, schüttelte er den Kopf und erfüllte meine Bitte. Er lief mürrisch in mein Zimmer und Mephisto folgte ihm mit lautem Gestöne. „Och. Zufrieden?!“ und schloss die Tür mit einem Knall.

„Wie kann ich dir helfen Yuki?“, sanft legte Deeon seine Hand auf meine Wange und drehte meinen Kopf in seine Richtung. „Du hast sie ja schon gut im Griff, was?“, lächelte er.

Ich kicherte leise. Doch mein Herz schmolz dahin als wir uns so unendlich nahe kamen. Meine Beine wurden ganz weich und meine Brust warm.

„Deeon...“, begann ich leise und legte meine Hand auf seine Brust. „Ich weiß... das kommt vielleicht unerwartet, aber... ich...“ Ein stottern kam von meinem Mund. Es wollte einfach nicht aus mir heraus. Was sollte ich sagen. So Etwas habe ich noch nie gemacht!

Ich biss auf meine Lippen und schloss kurz die Augen. Dann holte ich tief Luft. Ich beruhigte mich und sammelte meinen Mut. „Deeon! Ich empfinde mehr für dich! Seitdem du mich damals aufgefangen hast, muss ich immer wieder an dich denken! Ich bitte dich... würdest du mir meinen ersten Kuss schenken?“, platzte es aus mir heraus und ich stellte mich schüchtern, leicht vorgebeugt vor ihn hin. Ich konnte ihm dabei nicht in die Augen sehen. Aber endlich hatte ich es gesagt!
 

Dann war es still.
 

Nach ein paar Sekunden öffnete ich das linke Auge, dann das Rechte und sah zu ihm hinauf.

Er schwieg. Doch dieses Mal mit einem Mitleid fühlendem und besorgtem Blick.

„Was sagst du dazu?“, zögerte ich, um die unangenehme Stille zu brechen.

Er legte seine Hand auf meinen Kopf und streichelte mein Haar. „Yuki... Ich fühle mich geehrt, dass du mir das offenbarst. Und ich weiß, dass es dir sicher schwer gefallen haben muss. Und du hast sehr viel Mut aufgenommen um das zu sagen.“, dann legte er seine Hand an mein Kinn, hob mein schüchternes Gesicht. Ich legte meine Hand beruhigt auf seine. Er sah mich innig und aufrichtig an. „Aber meine Liebe gehört schon jemanden. Ich kann dir deinen Wunsch nicht erfüllen. Es tut mir Leid. Deine Gefühle werde ich niemals erwidern können.“
 

Mein Herz zerbrach wie ein zerschlagener Spiegel. Warum hörten sich seine seichten Worte und seine beruhigende Stimme gerade so schmerzhaft an? Als würden sie mit Messern meine Seele erstechen.

So hatte ich mir das nicht vorgestellt.

Äußerlich klimperte ich kurz mit den Augen um mich in meinem schmerzvoll vereistem Körper zu besinnen. „Ehm.. ok. Das.. verstehe ich.“, stotterte ich und trat zurück. „Ehm.. das ist nicht schlimm. Hehe.“, peinlich berührt streifte ich mein Haar hinter mein Ohr. Da meine Augen sich leicht mit Tränen füllten, versuchte ich mich von ihm ab zu wenden. „Gut gut. Ja. Ok. Ehm.. tut mir Leid, dass ich dich dann gerufen habe und so... ich.. ehm... ich nehme das hier mal weg.“, faselte ich vor mich hin und nahm schnell das Amulett vom Boden auf, immer bemüht ihm nicht meine tränenden Augen zu offenbaren.

Der weiße Kreis verschwand und der Bann wurde aufgelöst. Sofort drehte ich mich weg und wischte mir die Augen. „Ja.. Ehm.. Also dann...“, zitterte meine Stimme tapfer.

Ich wusste nicht was ich tun sollte. Ich fühlte mich so schlecht. Meine Gedanken waren wie gelöscht. Und dann fühlte ich hinter mir, seine Hand auf meiner Schulter.

„Yuki. Es tut mir Leid.“, sagte er zuletzt und verschwand zusammen mit dem Kreis.
 

Der Schattenmann hockte diese Zeit in meinem Zimmer an der Tür. Mephisto stand nur schweigend neben ihm und lehnte sich an den Schrank. Gehört hatten sie nichts. Jedoch störte Shiro der Gedanke, dass ich mit Deeon alleine war.

„Warum immer er..?“, ärgerte er sich und sah aus dem Fenster. Die Sonne war nun komplett aufgegangen und die Wolken hatten sich verzogen. Dann wischte er sich betroffen durch seine Haare.

„Darling. Das bist du doch selber Schuld. Wenn du ihn auch noch her bringst.“

Shiro lehnte seinen Kopf an die Tür. „Verdammt.. was ist nur los mit mir?“

„Schatz. Lass sie doch! Du hast immer noch mich!“, versuchte Mephisto die Stimmung zu lockern und hielt ihm die Hand hin.

Einen hasserfüllten, tödlichen Blick erhielt er nur als Antwort.

„Haaach.“, er zog die Hand wieder zurück. „Gut, dass du nur ein Mensch bist. Sonst wäre ich jetzt bestimmt ausgelöscht. Hehe...“, kratzte er sich nun an der Schläfe. Dann machte er eine leichte Kopfbewegung zur Tür. „Sind die schon fertig?“, fragte er.

Ruhelos stand Shiro auf. Dann legte die Hand auf den Türhenkel und drückte ihn leise herunter.

Mit kalter aber neugieriger Miene blickte er heimlich durch einen kleinen Schlitz. Deeon war bereits weg. Also öffnete er die Tür komplett und stellte sich überrascht in den Rahmen. Mephisto schaute ihm über seine Schulter. Sie sahen mich deprimiert auf dem Stuhl sitzen. Ich hatte mich mit meinem gesamten Oberkörper auf den Tisch ausgebreitet und verzog keine Miene. Mit meinem Arm verdeckte ich mein jämmerliches Gesicht.

Ich fühlte eine tiefe emotionslose Leere. Mein Herz schmerzte höllisch und mein Körper fühlte sich so schwer an. Ich wollte mich weder bewegen, noch jemanden sehen. Ich wollte einfach alleine sein. Ich hatte nicht einmal die kraft meinen Unmut in Tränen auszudrücken.

Mephisto lief verwundert an Shiro vorbei und auf mich zu. „Was ist denn mit dir passiert? Hat Deeon dir nun endlich geholfen?“, frage er und beugte sich etwas zu mir herunter.

Diese Worten trafen mein blutendes Herz. Langsam drehte ich meinen Kopf zu ihm und legte ihn wieder auf dem Tisch ab. „Er... er... Nein...“, flüsterte ich niedergeschlagen. Sofort legte ich demütig meine Hand wieder vor mein Gesicht.

Der Schattenmann verzog etwas seine Augen. „Was ist denn passiert? Was ist los mit ihr?“, fragte er aus sicherem Abstand.

Doch von mir war nur ein Seelenloses, verzweifeltes Stöhnen zu hören.
 

Die Zeit verging als ich in diesem vegetierendem Zustand harrte. Die Stunden waren mir egal. Irgendwann saß ich am Boden und lehnte mich seitlich an das Holzende meines Bettes. Wie bin ich überhaupt hier hin gekommen? Ich hatte mich wohl irgendwie hier hin geschleift und mich in meiner Decke verkrochen. Mit dem Rücken zur Tür gedreht starrte ich auf meinen kleinen Fernseher der an der Wand auf dem Boden stand. Mit dunklen Augenringen sah ich pausenlos auf den leuchtenden Bildschirm. Alles um mich herum blendete ich aus. Mir war alles egal. Nie fühlte ich mich so niedergeschmettert und leer. Es war, als würde mir etwas fehlen. Nun hatte ich schon Nami nicht mehr vertrauen können, meinem Vater konnte ich nicht von meinen neuen Erfahrungen erzählen und nun wandte sich auch noch Deeon von mir ab. Ich wollte nicht mehr. Ich wollte nichts mehr tun. Ich wollte nichts mehr sagen. Ich wollte mich nicht mehr bewegen. Einfach hier herumsitzen und alles vergessen.
 

„Ohje, das sieht wirklich nicht gut aus. Soll ich sie nicht doch lieber umbringen? Ist besser für uns alle.“, sagte Mephisto und begutachtete mich nachdenklich von Weitem.

Er und Shiro standen in der Tür wie besorgte Eltern und beobachteten mich.

Der Schattenmann überkreuzte seine Arme beunruhigt ineinander und wandte seinen Blick nicht ab. „Wie lange will sie sich noch so benehmen? Sie isst nicht. Und sie trinkt nicht. Schon den ganzen Tag.“

Der Rothaarige sah sich in meinem Zimmer um und sah die volle Tasse Baldriantee, welcher mir Shiro zur Beruhigung hingelegt hatte. Auch der Teller mit der, nun wieder kalten Pizza lag unberührt neben mir. Mephisto drehte sich zu Shiro und zog die Augenbrauen verdächtig hoch. „Findest du nicht, dass du sie zu viel bedienst, Darling!?“

Ertappt vertuschte Shiro seine Sorgen hinter seinem typischen genervtem Blick. Dann lehnte er sich vor, griff den Türhenkel und schloss die Tür wieder. „Ich weiß nicht was ich noch machen soll.“, schimpfte er und setzte sich an den Tisch. „Sie spricht nicht mit mir. Sie hockt einfach da und starrt auf dieses leuchtende Gerät.-“

„Fernseher.“

„Und wenn ich mit ihr rede, dann schaut sie mich nicht einmal an! Sondern achtet nur auf diese bewegten Bilder.-“

„Film.“

Shiro atmete schwer aus und lehnte er sich ratlos zurück an die Stuhllehne.

Der Rothaarige schmollte grübelnd und faste sich nachdenklich an sein Kinn. „Hmh... Darling. Hör auf dir solche Sorgen zu machen. Soll sich doch irgend eine Freundin um sie kümmern?!“, erklärte Mephistoteles und begutachtete dabei seine Nägel.

„Freundin?“ Shrio begann zu grinsen. „Das wäre ein Versuch wert. Aber das wird dir gar nicht gefallen.“

„Was wird mir nicht gefallen?“
 

Es dauerte gar nicht lange, da herrschte wieder eine unruhige Stimmung.

So ruhig und kalt es draußen auf den Straßen war, so kochte die angespannte Atmosphäre im Haus.

Während ich noch immer nichtsahnend und desinteressiert vor meinem Fernseher hockte, standen Mephisto und Nami sich im Wohnzimmer grimmig gegenüber. Die Luft knisterte von ihrer zurückgehaltenen Wut. Mephisto stand mit seinem giftigen Blick im Raum ließ Nami keine Sekunde aus den Augen. Diese stand selbstbewusst an der Haustür mit den Händen in der Hüfte und hielt dem hassenden Blick stand. Keiner von beiden wollte nur ansatzweise Schwäche zeigen. Und keiner von beiden hörte mit den giftigen Blicken auf.

Shiro saß am Tisch und blickte nur gelangweilt in den Raum. „Wie lange wollt ihr das noch machen?“, fragte er und tippte nachdenklich mit seinem Finger auf dem Tisch herum „Könnt ihr damit aufhören? Es hat einen Grund warum du hier bist. Und der Grund hockt in diesem Raum.“, sagte er zu Nami und zeigte auf die Zimmertür.

Mephisto lockerte seine Halting und kämmte sich mit der Hand durch sein Haar. „Hmh... stimmt. Ob gefallener, oder halber Engel. Auf dieses Niveau will ich mich nicht begeben.“, erklärte er hochnäsig und richtete seine Kleidung.

„Pff. Ein eingerosteter alter Dämon. Ich nehme es dir nicht böse, dass du so griesgrämig und faltig geworden bist. Wir werden alle nicht jünger.“, antwortete Nami schnippisch und deutete auf Mephistos Gesicht.

Shrio stand auf und ging langsam zu ihr. „Lass es lieber.“, sprach er ihr ernst zu. „Immerhin ist er ein vollkommener Dämon. Und kein halber.“, sagte er mit gemeinem Grinsen.

„Sagt gerade der Dämon, der als Mensch vor mir steht.“, konterte sie und hob die Augenbraue. Dann berührte sie mit nur einem Finger kurz seinen Bauch.

Vor Schmerz riss Shiro die Augen auf, umklammerte seinen Bauch und viel verkrampft und plump zu Boden. „Uhhrg..“ Man hörte noch ein leises keuchen als er am Boden hockte.

„Ich gehe jetzt zu Yuki! Das wird ein Mädchengespräch. Also haltet euch entfernt!“, befahl sie und lief an ihrem Opfer vorbei zur Tür.

Mephisto half Shiro auf und grummelte ihr hinterher. „Tz... ein Halbengel. Das gefällt mir wirklich überhaupt nicht.“, flüsterte der Dämon.
 

Dann klopfte es an meiner Tür. „Yuki? Yuki ich bin es Nami! Ich komme jetzt rein.“ Vorsichtig schob sie die Tür auf. „Hey... wie geht’s dir?“, frage sie und trat ein. Eine Zeit sah sie zu mir herüber. Mein Zimmer wirkte sehr dunkel. Ich saß noch immer an meinem Platz und wachte nicht aus meiner Traumwelt auf.

Behutsam drückte Nami die Tür zurück in das Schloss. „Yuki? Was ist denn los mit dir?“, fragte sie vorsichtig und ging einige Schritte zu mir. „Yuki. Hey. So erschüttert habe ich dich ja noch nie gesehen.“, sie setzte sich auf mein Bett. „Was ist passiert?“, fragte sie und lehnte sich zu mir herüber. Sie wirkte sehr fürsorglich und sacht.

Doch auch darauf antwortete ich nicht. Ich wollte meine Ruhe. Ich wollte meine Gedanken sammeln. Wie sollte Nami mir helfen? Was konnte ich ihr nach alle dem noch anvertrauen? Ich fühlte mich so schlecht. Je mehr sie versuchte mir ihre Hilfe aufzuzwingen, wollte ich, dass sie geht. Ich wusste nicht mehr was richtig und was falsch war. Ich wollte einfach alleine sein.

Nami sprach jedoch weiter.

Worüber sie redete interessierte mich nicht. Es war ein dumpfes Gefasel, welches ich mit Hilfe der Filmmusik gut überhörte. Sie würde schon gehen und mich in Ruhe lassen. Ich hätte noch so viele Fragen. Aber auch diese waren mir gerade egal. Ich hatte einfach keine Kraft mehr mir wieder Gedanken zu machen. Ich wollte das nicht mehr.

„Wirklich. Wenn du möchtest, mache ich das für dich.“, hörte ich zuletzt, bevor Nami plötzlich neben mich trat und meine Schulter berühren wollte.

Ich wich zurück. „Lass das!“, sagte ich kränklich und haute ihre Hand weg. Mit meinen schwachen Augen und meinem blassen Gesicht starrte ich sie über meine Schulter an.

Sie schreckte zurück und nahm ihre Hand wieder zu sich.

„Ich will nicht von dir manipuliert werden. Lass mich einfach allein.“ Das wollte ich nicht wieder durchmachen. Wieso musste sie mich so verletzen? Wieso wollten mich alle verletzen? Egal wie sehr meine Wort sie trafen. Ich wollte nicht, dass sie bei mir ist.

Nami akzeptierte verwundert meine Meinung und schluckte kurz. „Ok...“, antwortete sie leise.

Betrübt drehte ich mich wieder von ihr weg und schenkte ihr keine Aufmerksamkeit mehr.

„Lasst mich doch einfach alle in Ruhe..“, sagte ich so dahin, als Nami wortlos wieder mein Zimmer verließ.
 

„Was habt ihr mit Yuki gemacht?! Was ist passiert?!“, keifte es in das Wohnzimmer als Nami die Tür wieder schloss. Mephisto und Shiro schreckten leicht zusammen und sahen sie unbeeindruckt an, als sie sich garstig mit den Händen in der Hüfte vor ihnen stellte.

„Oho! Nein wir haben nichts gemacht! Bist ja anscheinend doch keine so gute Freundin! Sollten wir dir dann überhaupt etwas anvertrauen?“, fauchte Mephisto skeptisch zurück und lehnte sich mit überschlagenen Beinen gemütlich zurück.

„Tze... das muss ich mir nicht antun.“, verweigerte Nami ein weiteres Gespräch. „Ich hau hier wieder ab!“, keifte sie und lief gerade Wegs zur Tür.

Mephisto rollte die Augen und streifte sich die Haare aus seinem Gesicht. „Pf.. geh. Ich halte dich nicht auf!“

Doch sie blieb noch kurz an der Haustür stehen und drehte sich um. „Wehe ihr tut ihr etwas an!“, drohte sie noch. Dabei blickte sie direkt Shiro in die Augen. Er erwiderte verdutzt ihren Blick aber schwieg. Mit einem Knall war die Tür wieder zu und Nami verschwunden.

„Zicke..“, lästerte der Rothaarige und sah beleidigt weg.

Shiro runzelte die Stirn und legte seinen Mund nachdenklich auf seine ineinander gelegten Hände. „Sie hatte sich ganz anders benommen.“ Betrübt blickte er träumend auf den Tisch.

Der Rothaarige stand aufgebracht auf und sah Nami nach. „Dieser gefallene Engel kann niemals ihre Freundin sein! Irgendwas stimmt mit ihrer Seele nicht... Ich weiß nur nicht was.“, dann drehte er sich wieder zum Tisch. „Dass sie überhaupt ein halber Engel sein soll wundert mich!“, redete er sich selber in Rage. Doch dann erkannte er Shiros gedankenversunkenen Blick und hielt inne. Seine weitere Wut herunterspielend schloss er kurz die Augen und atmete tief aus. „Hach. Menschen! Ihr macht hier echt ein Drama draus!“

Shiro blickte noch immer Gedankenverloren in die Leere ohne seinen dämonischen Freund zu beachten. Plötzlich griff er sich schmerzerfüllt an seine Brust und biss seine Zähne aufeinander. „Arg..“ Sofort griff er eine der Phiolen vom Tisch, schnipste den Korken ab und trank die Flüssigkeit, welche seine Schmerzen linderte.

Diese Schmerzen entstanden durch die Entfernung von uns beiden. Dass wir nur in zwei verschiedenen Zimmern saßen, verschlimmerte schon seinen Zustand.

Mephisto beobachtete mitfühlend wie der Schattenmann das Fläschchen zu den anderen vier leeren Phiolen schmiss und behielt seine Gedanken diesbezüglich für sich. „Haaaaach.“, stöhnte Mephisto. „Alles muss man selber machen!“, sprach er laut und ging in Richtung meines Zimmers.

„Töte sie nicht! Das ist mein Ernst.“, ermahnte Shiro ihn.

Mephisto knipste ihm ein Auge zu. „Ach Schatz. Das würde ich nie tun.“, lächelte er und legte die Hand auf die Türklinke.
 

Wieder hörte ich, wie jemand in mein Zimmer kam.

Meine Nerven waren bis an ihr Limit gereizt. Wer kam nun schon wieder? Wütend versuchte ich der Person hinter mir keine Aufmerksamkeit zu schenken. Ich lehnte meinen Kopf weiter an das Bettende und starrte auf den Fernseher.

Durch sein leises Summen wusste ich, dass es Mephisto war. Er setze sich anmaßend auf mein Bett. Ich versuchte ihn einfach zu ignorieren, so wie die anderen. Innerlich bereitete ich mich schon vor seine arroganten und selbstverliebten Sprüche herunter zu schlucken und mich nicht provozieren zu lassen.

Ob er nun wieder damit beginnen sollte mich zu beleidigen oder sich selber hoch zu loben. Ich war bereit von allem was mir schaden sollte Abstand zu halten.

Doch er setzte sich nur hin und schwieg.

Ihm keine Beachtung schenkend verfolgte ich meinen Film weiter. Wenn er nur da sitzen sollte und mich nicht ansprechen wollte, dann hatte ich auch keine Probleme damit. Auch wenn mir seine Art ziemlich verdächtig vorkam.

Doch es war noch immer still. Saß er etwa dort und sah auf den Fernseher? Wollte er den Film mit schauen? Warum war er hier?

Ich ertappte mich selber, wie ich neugierig zu ihm sehen wollte aber blieb starr in meiner Haltung verankert.

Doch egal wie sehr ich versuchte ihn zu ignorieren, mich machte seine schweigende Anwesenheit stutzig. Unauffällig versuchte ich meine Kopf in seine Richtung zu drehen um über meine Schulter einen Blick zu erhaschen.

Mephisto hatte sich nach hinten gelehnt und stützte sich auf seinen Arm. Die andere Hand hielt er hoch und begutachtete seine Finger. Doch er bemerkte meine heimliche Bewegung und sah mich ruhig an und zog eine Augenbraue hoch.

Schnell drehte ich mich wieder weg um seinem Blick auszuweichen. Ich fühlte mich beobachtet und irgendwie nervös. Dabei saß er nur dort und betrachtete seine Nägel.

Ich kuschelte mich einfach wieder in meine Decke und änderte meine Haltung in einer mehr sitzenden Position. Soll er doch dort sein. Hartnäckig versuchte ich wieder der Handlung des Filmes zu folgen.

Doch ein räusperndes „Hmh..“, hinderte mich daran.

Erst sah ich nur mit den Augen zur Seite. Dann drehte ich mich langsam wieder in seine Richtung. Er starrte mich auffällig an. „Dein Zimmer ist ziemlich klein.“, warf er einfach in den Raum.

Ich runzelte die Stirn. Was wollte er damit bewirken? Schmollend wandte ich mich wieder von ihm ab.

„Warum sperrst du dich hier ein? Kein wunder, dass du so depressiv wirst wenn du den ganzen Tag hier hockst.", sprach er weiter.

Stur wollte ich seine Worte einfach überhören und machte den Fernseher lauter. Er wollte mich ja doch nur wieder provozieren.

Aber dann drehte er auffällig auf den Bauch. Seine Beine hob er an und lehnte seinen Kopf auf seine Hände. „Weißt du, dass du anstrengend bist?“, sagte er verspielt und schnippisch.

Ich sollte anstrengend sein? Natürlich. In seinen Augen lag es immer an mir. „Dann geh doch einfach und lass mich in Ruhe.“, flüsterte ich ihm wütend zu. Wenn er ein Problem mit mir hatte, warum kommt er dann zu mir?

Er wedelte mit seinen Füßen hin und her. „Hmhmhm..“, kicherte er. „Da. Schon wieder! Einfach nervig und anstrengend!“, grinste er.

Wie konnte er mir das sagen und dabei noch so lächeln? „Dann töte mich doch einfach. Das willst du doch die ganze Zeit schon...“, bekam er als Antwort.

„Hach.. wenn das so einfach wäre. Leider darf ich das nicht.", seufzte er albern. „Damit würde ich mir nur Feinde machen.“, erklärte er und drehte sich auf den Rücken. Er legte sich flach hin und streckte die Hand in die Luft. Dann zählte er von seinen Fingern ab. „Da wäre erst mal deine komische Engelsfreundin. Ja sie ist ein Engel und hat es dir erst jetzt gesagt! Na und? Sie macht sich Sorgen um dich! Dann unser lieber Schattenmann. Oh man, der macht fast alles für dich! Kitzune würde mir das auch nicht verzeihen. Die hat dich total lieb! Ach ja! Und Deeon. Der dich aus irgendeinem Grund besonders mag."

Als er Deeons Namen aussprach fühlte es sich an, als würde mein Herz wieder zerreißen. Grimmig richtete ich meine Decke über meinen Schultern. Ich glaubte nicht daran, dass es diese Personen stören würde wenn ich nicht mehr da wäre. „Als wenn die-"

„Alles Freunde, die du schlecht behandelst!“, unterbrach er mich ernst.

Ich riss meine Augen auf und drehte mich bestürzt zu ihm. Was meinte er damit?

„Sei nicht so überrascht! Es war doch deine Absicht alle zu ignorieren und schlecht zu behandeln! Als wärst du der Mittelpunkt des Universums. Und willst mit deinem theatralischem Getue bei allen um Hilfe betteln. Aber begegnest ihnen dann mit Hass und deiner schlechten Laune!“, verärgert setzte er sich auf und schaute zu mir herab. Seine Augen wirkten so ernst und erzürnt.

Aber ich drehte mich zu ihm. „Nein! Das stimmt nicht! Das wollte ich nicht!“, antwortete ich ihm laut und eingeschüchtert. Dann sah ich herab. „Du... verstehst das nicht.“ Es fühlte sich an, als läge ein schwerer Stein auf meiner Brust. Ich konnte es nicht aussprechen. Meine Augen füllten sich mit Tränen. „Mir wird das alles-“

„Dir wird das zu viel?“, beendete er meinen Satz. „Schätzchen, so geht es jedem mal! Aber das ist kein Grund andere so mies zu behandeln!“, nun stand er auf. Seine Stimme klang nun ruhig und mitfühlend. „Es ist nicht schlimm mal traurig zu sein. Und es ist nicht schlimm nicht weiter zu wissen. Aber aufzugeben, ist eine sehr egoistische Eigenschaft! Besonders wenn da so viele sind, die sich Mühe für dich geben.“ Er hob die Hand und spreizte einen Finger. „Gib nicht so schnell auf! Sei ruhig sauer auf die, die dich schlecht behandeln! Aber behandle Freunde nicht schlecht und verletze sie! - Du weißt nicht was du tun sollst? Du fühlst dich einsam und nicht verstanden? Wie soll man dich verstehen, wenn du dich niemandem öffnest!?“, dann ging er wieder zur Tür.

Sprachlos sah ich ihm nach.

Er blieb stehen, ehe er die Zimmertür öffnete. "Lass dich nicht von einem Ereignis so herunter ziehen. Dein Menschenleben ist viel zu kurz. Hör auf alles alleine in dich hineinzufressen, wenn doch jemand da ist, der dich liebt und dir helfen will deine Lasten zu tragen!", dann atmete er schwer ein und wieder aus. „Ihr Menschen seid wirklich anstrengend...“, waren seine letzten Worte. Dann öffnete er die Tür, trat hinaus und verschwand wieder dahinter. Mit einem leisen Klacken war die Tür wieder im Ramen eingerastet.

Perplex saß ich noch dort und starrte ihm hinterher. Meine Decke war mir halb herunter gerutscht und der Fernseher strahlte noch im Hintergrund für niemanden.

Ich sah hinab auf meine Hände. “Ich habe sie verletzt?”, fragte ich mich traurig. “Aber.. das wollte ich nicht...”, begann ich zu schluchzen. Und legte meine Hände vor mein Gesicht.

Ich fühlte mich plötzlich so schlecht. Ich hatte meine Freunde verletzt. Ich war egoistisch. Ich hatte sie vergrault. Ich saß einen Moment lang dort und trauerte.

Weinend sah ich dann neben mich. Dort stand die Tasse mit dem Tee und die kalte Pizza. Nicht einmal die habe ich angerührt.

Shiro hatte sich für mich die Mühe gemacht, diese Sachen für mich zu machen. Nami kam extra her um sich meine Probleme anzuhören und Deeon beschützte mich obwohl er in einer unangenehmen Situation war.

Wieder begann ich laut zu winseln. „Das wollte ich doch nicht!“, jammerte ich.

Aber ich war so einsam! Ich hatte das Vertrauen in meine beste Freundin verloren. Die Person, die mich stets auffing, wenn ich fiel. Die Person, die mein Halt war wenn ich auf meinen Beinen wackelte! Und ich hatte die Hoffnung in meine Liebe verloren. Die einzige Person, die meine Gefühle verstand. Die einzige Person bei der ich mich geborgen und beschützt fühlte. Sie waren einfach weg. Und das alles in einer schweren Zeit. In einer fürchterlichen, angst einflößenden Zeit. In einer Zeit, in der ich ohne sie einsam und verloren war.

Deprimiert wischte ich mir meine Tränen vom Gesicht.

War ich wirklich einsam? Hatte ich sie wirklich verloren?

Ich erinnerte mich an Mephistos Worte. Nami, Shiro, Kitzune und Deeon. Sie waren alle für mich da! Die ganze Zeit schon! Auch wenn Nami ein Geheimnis hatte. Sie hatte es mir verraten! Und nur weil Deeon meine Liebe nicht erwidert, sollte das auch kein Weltuntergang sein!

Ich hatte mich in meiner kleinen falschen Welt zu sehr über die schlechten Dinge geärgert und versucht es mit mir selber auszumachen. Und die letzte Situation brachte meine zurückgehaltenen, verängstigten Gefühle zum überlaufen. Obwohl ich es einfach nur überspitzt gesehen hatte. Ich war nicht alleine! Und nicht alles war schlecht!

Es war aufregend! Und spannend! Ich durfte den Eindruck in eine fantastischen, zauberhaften und unglaublichen Welt haben! Und hatte außergewöhnliche und tolle Freunde um mich!

„Er hat recht...“, flüsterte ich. „Nicht aufgeben!“

Ich schmunzelte. Der Dämon, der mich sonst so verachtete, half mir nun. „Danke Mephisto...“ Er gab mir neuen Mut! Es war nicht gemein was Mephisto mir sagte, sondern die Wahrheit. Energisch presste ich meine Fäuste zusammen und nickte aufrichtig. „Davon lasse ich mich nicht entmutigen!“

Das hatte ich gebraucht. Kein schnulziges Verhätschle. Ich musste auf den Boden der Tatsachen gebracht werden! Und nun musste ich das Beste daraus machen! Mit erhobenem Haupt!

Mit schnellen Schritten ging ich aus meinem Zimmer. „Mephisto!“, rief ich, als ich durch die Tür ging. Ich blickte glücklich in das Wohnzimmer aber ein Rotschopf war nicht zu sehen. „Hmh? Wo ist er?“

Nur Shiro saß am Tisch und blickte grübelnd aus dem Fenster am Ende des Raumes. “Mephisto musste zurück zu meiner Bibliothek.”, dann lehnte er seine Wange auf seinen Arm. “Geht es dir besser?”

Ich nickte fröhlich gleichzeitig ertappt. „Ja. Mephisto... hat mich.. wieder zurück geholt. Hehe..“ sagte ich leicht beschämt und lief auf ihn zu. Dabei hielt ich die Hände verspielt hinter meinem Rücken und machte große Schritte zu ihm.

Shiro grinste sanft „Er hat dich nicht bedroht?“

„Hihi. Nein dieses Mal nicht.“ schüttelte ich schmunzelnd den Kopf.

Ich sah, wie Shiro müde und erschöpft dort saß. Neben sich lagen einige Leere Phiolen auf dem Tisch. Anscheinend hatte er alle getrunken gegen den Schmerz. Und dennoch lächelte er mich an.

Ich grübelte kurz und sah von ihm weg. „Shiro... entschuldige bitte mein Verhalten.“ Nervös spielte mich hinter meinem Rücken mit meinen Fingern.

„Schon in Ordnung. Es ist echt viel für dich momentan.“, antwortete er beruhigt und sah wieder auf den Tisch.

Ich verzog den Mund in eine Richtung und dachte nach. Er wirkte so schwach und müde. Die Schmerzen machten ihn wohl zu schaffen und das Wissen, seine Seelen nicht beaufsichtigen zu können. Das Problem, dass er nur ein Mensch war, war nicht bedeutungslos sondern schwerwiegend. Es könnte so viel passieren, nur weil er seine Kraft nicht mehr hatte. Das erkannte ich erst jetzt.

Sollte ich mich einfach zusammenreißen und ihm zu seiner Dämonengestalt helfen? Sollte einen Kuss praktisch sehen? Nur eine kurze Sekunde um ganz viele Probleme zu lösen. Ich sollte es nicht so dramatisch sehen! Ja! Ich wollte ihm helfen!

„Shiro!“ begann ich also und legte den Kopf seitlich.

Überrascht sah er auf und schenkte mir schweigend seine Aufmerksamkeit.

Ich sprach weiter und wollte mich ihm gegenüber setzen. „Ich finde, dass-“ Doch ein Klopfen an der Haustür überrumpelte mich. Kurz bevor ich mich setzen konnte, hielt ich mich noch an der Tischkante fest und sah zur Tür. „Wer ist das?”

Auch Shiro sah in die gleiche Richtung. „Erwartest du jemanden?“

„Nein. Aber vielleicht ist es Mephisto!“, überlegte ich. Auch er hatte so geklopft, als er in mein Zimmer kam! Er konnte es nur sein! Sofort lief ich zur Tür.

„Warte!“, rief Shiro mir noch hinterher und sprang erschrocken vom Stuhl auf.

Ich drehte mich zu ihm. „Keine Sorge. Das ist doch nur Mephisto!“ sagte ich und zwinkerte zuversichtlich.

Shiro lief langsam zu mir und stellte sich neben mich. „Sei vorsichtig..“, sagte er und hielt die Tür zu.

Grinsend griff ich nach dem Henkel. „Wer sollte das sonst sein?“, fragte ich.

Ich hatte im Hinterkopf, dass ich so schlecht zu allen war. Darum versuchte ich meine negativen Gedanken einfach zu überspielen. Ich wollte wieder die glückliche und liebe Yuki sein, die man kannte!

Mit einem liebevollen Lächeln riss ich die Tür auf. „Du musst nicht klopfen! Komm rein!“

Doch im nächsten Augenblick blieb mir der Atem stehen. Ich wurde kreidebleich. Meine Augen wurden groß und mir lief ein eisiger Schauer über den Rücken.

Ich starrte in das grinsende Gesicht eines kleinen Jungen.

Dieses Grinsen! Dieses grauenhafte, entsetzliche Grinsen!

„Hehe. Gefunden! Ich.. ich habe euch.. euch gefunden! Ja! Ihr.. ihr werdet sterben!”

Die Überraschung

Schwarze, seelenlose Augen. Sie starrten mich mörderisch an. Scharfe spitze Zähne, die mich angrinsten. Eine blasse, graue Haut.

Es war ein Horrorszenario. Alle Knochen in meinem Körper zitterten, das Blut in meinen Adern gefror, mein Herz raste und doch konnte ich mich nicht bewegen.

„Hehe... Ja. Sterben! Ich.. ich werde euch endlich töten! TÖTEN!“, kicherte der kleine Junge diabolisch.

„YUKI! ZURÜCK!“, sofort trat Shiro die Tür zu, packte mich am Arm und riss mich zurück.

Im gleichen Augenblick wurde die Haustür mit einem lauten Knall und enormer Kraft aus der Wand gewuchtet wurde flog uns entgegen.

Einzelne Holz und Steinteile lösten sich und wirbelten dichten Staub auf. Die Wand war komplett zerstört.

Ich war wie benommen. Meine Ohren piepten. Was ist passiert?

Panisch sah ich mich um. Die Möbel im Wohnzimmer waren umgeworfen und die Lampe an der wand heruntergerissen. Als hätte ein vernichtender Wirbelwind durch das Zimmer gefegt, lag alles zerstreut und zerbrochen auf dem Boden. Nichts war noch an seinem Platz. Alles war voller Staub.

Dann hörte ich ein dumpfes Geräusch von links. „Yuki! Yuki! Komm!“, schrie Shiro mir zu.

Er hockte neben mir und blutete stark an seiner Schulter. Wir saßen am Boden vor der Küche. Dort schützte uns die Ecke der Wand, welche den Flur abgrenzte.

„Du.. blutest..“, stotterte ich gedankenlos.

„Los! Komm!“, Shiro griff mich erneut und zog mich hoch.

„Hehe. NICHT so schnell!!!“, kicherte der Junge und lief langsam durch den Rauch. „Ich.. ich brauche doch deine Seele... hehe...“ Er hob die Hand und warf eine riesige schwarze Kugel auf uns.

Shiro packte mich und sprang mit mir hinter die Couch in Sicherheit.

Die Kugel knallte direkt in die Küche und verwüstete alles. Scherben klirrten zu Boden, Regale brachen zusammen.

Der dämonische Junge balancierte drei kleine schwarze Kugeln in seiner Hand und kam uns langsam immer näher. „Hmh.. der Schattenmann... PA! Ein Mensch! Mensch! Kein wunder... dass sie so wütend ist! Mensch! Dummer Mensch!“, krakelte er und blieb im Raum stehen.

Wir lagen zwischen der Couch und den umgeschmissenen Stühlen. Das Zimmer war plötzlich wie zerbombt.

Shiro lehnte sich schützend über mich und biss die Zähne zusammen. Über seinen Arm triefte das Blut herunter. „Wir.. wir müssen hier raus..“, flüsterte er geschwächt.

Ich sah wie er sich mit letzter Kraft über mich hielt. Wenn das Monster käme, würde er ihn treffen und nicht mich.

Schmerzerfüllt blickte er leicht über seine Schulter um nach dem Dämon zu sehen.

Ich musste mich konzentrieren! Wir mussten hier weg. Wohin? Da kam mir eine Idee! „Das Fenster in meinem Zimmer!“, antwortete ich wach.

Mein Zimmer war direkt hinter uns. Wir mussten nur von der Couch aus dort hin kriechen.

Shiro sah zur Seite um die Entfernung bis zum Zimmer zu erkennen. „Ok.“, nickte er schwer atmend. „Kannst du dort hin rennen?“

Plötzlich schossen die drei Kugeln des Dämons in die Tür neben uns ein. „Haha! Ihr.. ihr könnt nicht fliehen! Ich... ich kriege euch!“ Er machte ein Spiel daraus, uns zu jagen. „Nochmal.. nochmal entkommt ihr mir nicht!“, rief er laut und hüpfte über den liegenden Tisch in unsere Richtung.

Es war der gleiche Dämon von der Nacht damals! Der Dämon, der Shiro fast tötete! Der Dämon, der ihm seine Dämonenkraft raubte. Die Dämonenkraft!

Shiro brauchte seine Dämonenkraft! Ich richtete mich entschlossen zu ihm. „Shiro! Küss mich!“, sagte ich direkt.

Er wich etwas zurück und runzelte die Stirn. „Was? Wie..? Darf ich?“

Doch wir durften keine Zeit mehr vergeuden. Ich lehnte mich auf, und legte meine Hände an seine Wangen. Überrumpelt riss er die Augen auf. „Hey.. warte!“

Dann zog ich ihn zu mir und küsste ihn.

Aufgeregt schloss ich die Augen.

Es wirkte so angespannt und erzwungen. Ich wusste, dass es nur für einen guten Zweck war!

Aber dann war es, als würde die Zeit stehen bleiben.

Ich bemerkte seine warmen Lippen zart auf meinen. Ich spürte seinen schützenden Körper über mir. Sanft legte er seine Hand an meinen Nacken und drückte mich an sich.

Er war mir so nahe. War es wirklich nur ein praktischer Kuss?

Langsam lehnte er sich weiter über mich und legte mich weich zu Boden.

Wir küssten uns noch immer. Er bewegte seinen Kopf zur anderen Seite und berührte mich nicht mehr sanft sondern innig und mit mit einem angenehmen Druck. Sein Atem streifte schwach über meine Haut. Seine Lippen waren trocken und weich. Seine Hand faste behutsam in meine Haare. Ich ließ es einfach geschehen.

Es waren nur wenige Sekunden, die sich wie eine Ewigkeit anfühlte.

Langsam aber, verschwand diese angenehme Wärme und wurde zu einer überraschend erfrischenden Kälte.

Moment. Stopp!

Ich wich etwas zurück, öffnete die Augen und nahm meine Hände überrascht zurück. Als ich ausatmete glitt ein eisiger Hauch aus meinem Mund.

Unsere Blicke kreuzten sich einen Moment lang.

Ich bemerkte eine schamhafte Ungewissheit in mir. Er jedoch blickte mich mit tiefster Ruhe an und lehnte sich etwas auf. Von seinem schmerzhaft verzerrtem Gesicht war keine Spur zu erkennen.

Verwundert bemerkte ich, wie seine braunen Augen die Farbe änderten. Sie waren nicht mehr dunkel, sondern weiß blau. Seine Haut schien wieder bleich. Seine Haare wurden vom Ansatz bis zu den Spitzen dunkler, bis sie ein tiefes Schwarz erreichten.

Meine Wangen wurden rot, als ich bemerkte, wie tief wir in der Privatsphäre des anderen standen.

Sollte das ein einfacher Kuss gewesen sein?

Shiro sah mich wieder mit diesem emotionslosen Blick an. Da wusste ich, dass er wieder ein Dämon war.

„Danke.“, lächelte er erleichtert und atmete beruhigt ein und wieder aus. Dann stand er auf.

Ich besann mich wieder und sah zu ihm.

Noch immer war dieses Dämonenwesen hier und wollte uns töten! Es stand noch im Raum und führte einen verrückten, kichernden Monolog. „Ja. Töten! TÖTEN!“, sagte es immer wieder.

Als Shiro sich zeigte, schleuderte das Monster ohne zu zögern schwarze Schattenkugeln auf ihn. „HAB ICH DICH!!!“

Doch diese waren mit einer leichten Handbewegung einfach weggedrückt und bohrten sich in die Wand hinter ihm.

Das Grinsen des Dämonenjungen verging. „WAS?! Nein! Nein! Nein! Warum! Sie sagte! Sie es! Das kann nicht sein!!!“, kreischte der Dämon und trat schockiert zurück.

Plötzlich verschwand Shiro und tauchte hinter ihm wieder auf.

„Hallo Edan.“, flüsterte der Schattenmann ihm zu und blieb fürchterlich ruhig. „So sehen wir uns wieder. Nun nutzt du sogar schon einen toten Kinderkörper? Ekelhaft.“

Der Dämon sprang vor und drehte sich panisch um. „Das kann nicht sein! Kann nicht! Nein! NEIN!“, er schrie immer lauter und schriller.

Dann schoss er ihm eine Schattenkugeln entgegen, welcher Shiro entspannt auswich.

„Wir haben noch eine Rechnung offen.“, sagte Shiro und lief langsam und bedrohlich auf ihn zu.

Der Dämonenjungen machte einen Schritt nach dem Anderen rückwärts an die Wand. Plötzlich blickte er mich an und zeigte mit dem Finger auf mich. „Lass mich!! Lass mich!!! Sonst töte ich sie!!! Ich töte sie! TÖTE!“, lachte der Junge und erschuf eine Schattenkugel in seiner Hand.

Ich schreckte auf „Was?!“ und kroch etwas zurück. Schützend hob ich meinen Arm und starrte ihn verängstigt an. Mein Körper wurde starr. Nicht schon wieder.

Wieder dieses grausame Wesen.

Ich hatte Angst. Ich erinnerte mich. Ich wollte nicht schon wieder Probleme verursachen.

Doch Shiro blieb verärgert stehen.

Der Junge begann zu grinsen. „Ja! JA! So ists gut! Genau! Ich TÖTE sie wenn du-“

plötzlich schnellte Shiros Dolch durch die Luft und durchstach den Kopf des Jungen. Benommen wackelte er etwas auf den Beinen, fiel rückwärts an die Wand und brach schließlich blutend zu Boden.

„Kya!“, ich kreischte vor Angst als er vor mir auf dem Boden aufprallte und zog meine Beine zu mir.

Seine schwarzen Augen waren aufgerissen und sein breiter verzerrter Mund zeigte seine langen Zähne. Aus seinen Mundwinkeln tropfte ein wenig Blut heraus und in seinem Schädel steckte der Dolch.

Ich zitterte und umklammerte meine Beine. Dieser Anblick war schrecklich, doch ich konnte nicht wegsehen.

„Nochmal mache ich nicht den Fehler.“, sagte Shiro kalt und ging auf die Leiche zu. Er kniete sich hin und zog das blutige Messer mit einem Ruck heraus. „Ah. Da bist du wieder.“, meinte er noch entspannt zu seiner Waffe und stand wieder auf. Nachdem er seinen Dolch an sich nahm, löste der Körper sich einfach auf. Dann stellte er sich vor mich. „Komm.“, sagte er und sah zu mir herunter.

Ich war mir unsicher. War das wirklich der Shiro, der vor Hunger eine ganze Pizza verschlingen konnte? Der mich genervt zur Schule trug? Der mir weinend seine Gedanken erzählte? Der mich so emotional küsste?

Ich starrte ihn schweigend, mit weiten Augen an.

„Was ist los?“, fragte er.

Doch ich sah hinter ihm auf den blutigen Fleck am Boden. Ich sah neben mich auf den zerstörten Stuhl und auf die Löcher in der Wand. Und ich sah ihn. Dieser kalte Blick, der wissentlich jemanden sorglos tötete.

„Ich... habe Angst.“, stotterte ich und zog mich etwas zurück.

Shiro blickte mich besorgt an. „Du brauchst keine Angst mehr haben. Er ist weg.“, erklärte er mir.

In mir bebte ein Gefühlschaos. Ich hatte solche Angst. Meine Knochen zitterten noch immer und mein Körper wollte sich nicht aus seiner klammernden, angespannten Haltung lösen. Was ist, wenn er mich nun auch so kurzfristig töten wollte? Dann könnte er meinetwegen nicht mehr seine Kraft verlieren. Er war plötzlich wie ausgewechselt. Er war wieder so blutrünstig und kalt. Ein Teil in mir wusste, dass er mir nichts tun würde. Aber was ist, wenn er seine Meinung geändert hatte?

„Tu mir bitte nichts...“, zitterte meine Stimme. Wimmernd legte ich meine Hände auf mein Gesicht und krümmte mich an die Couch.

Der Schattenmann erschreckte und kniete sich neben mich. „Yuki... Du brauchst keine Angst haben.“, sagte er mir leise. Dann spürte ich plötzlich wie er mich unter meinen Beinen und an meinem Rücken faste und mich in seine Arme hob.

Verwirrt nahm ich die Hände herunter und sah, wie er mit mir aufstand. Ohne großen Aufwand stieß er die Couch mit seinem Fuß wieder richtig herum und legte mich auf die weiche Fläche. Mit bekümmerter Miene sah er mich an. „Ich werde dir nichts tun! Yuki. Das weißt du doch.“, sprach er mir beruhigend zu und hockte sich vor mich.

Ich wischte meine Tränen weg und sah in seine aufrechten, ehrlichen Augen. Auch wenn sie nun eine andere Farbe hatten, waren es dennoch die gleiche Augen, die mir seine Gefühle gestanden, die sich um mich Sorgten, die weinten und mich verwirrt ansahen, bevor wir uns küssten. Obwohl er nun mit seiner blassen Erscheinung nicht mehr so lieb wirkte, war ich mir wieder sicher mich nicht fürchten zu müssen.

Ich nickte verweint. „Ich weiß.“, sagte ich glücklich und lächelte wieder.

Shiro kratzte sich unsicher an der Wange „Bereitet meine Erscheinung dir denn solche Angst?“, lächelte er ironisch.

Ich kicherte schniefend. „Entschuldige.. ich war nur so.. verwirrt...“, erklärte ich.

Dann stand er auf und überkreuzte seine Arme ineinander. „Naja. Ist ja auch viel passiert heute. Das verkraftet ein „kleiner schwacher Menschenkörper“ nicht so einfach.“, betonte er extra.

Stutzig setzte ich mich auf und ging mir durch die Haare. „Nur heute? Schon seit Tagen geht das so!“, schimpfte ich.

Doch er grinste und sah ertappt weg. „Ja. Damit wirst du wohl Recht haben.“ Dann reichte er mir lächelnd seine Hand. „Komm mit mir. Ich werde für dich für Ruhe sorgen.“, sagte er mit beruhigender Stimme.

Ich sah ihn einen Moment lang an. „Wohin gehen wir?“, willigte ich unterschwellig ein und legte meine Hand in seine.

„Erst in meine Bibliothek. Und danach zeige ich dir Etwas schönes, ja?“ Er war plötzlich wieder so lieb. Anscheinend täuschte mich nur seine erste Erscheinung. „Hmh... na gut...“

Schließlich half er mir auf. Aber ich blickte mich erschrocken um. „Warte! Was mache ich nur mit der Wohnung?!“, stoppte ich ihn und hob die Hände.

Kurz drehte er sich zu mir. „Oh. Natürlich.“, meinte er vornehm und stampfte kurz mit seinem Fuß auf.

Plötzlich bewegte sich die Couch wie von alleine wieder an ihren richtigen Platz. Ich wich ihr aus, als sie an mir vorbei schwebte. Fasziniert drehte ich mich und bestaunte wie sich alles wieder von selber aufräumte. Die Splitter und Scherben fügten sich wieder zurück zu den Lampen und Bilderrahmen. Der Tisch stellte sich wieder auf und die Stühle schoben sich daran. Die Küchenregale bauten sich wieder auf und die Gegenstände darin waren wie neu. Die Löcher in den Wänden schlossen sich wieder und zuletzt verschwand das Blut vom Boden.

Fassungslos sah ich durch den Raum. „Wow... ich hatte vergessen wie mächtig du bist...“, flüsterte ich verdattert. Dann wandte ich mich wieder zu Shiro.

Er war gerade dabei ein Portal zu errichten und schaute über seine Schulter. „Jahre langes Training.“, antwortete er nur stolz und klatschte in seine Hand. Dann führte er eine Hand grade nach unten und die andere steil nach oben. Dadurch entstand auch schon ein längliches Portal vor ihm welches uns in die Bibliothek führte.

Ich sah ihn dort stehen. Ich sah wie er geduldig auf mich wartete. Ich sah nicht mehr dieses blutrünstige Monster in ihm. Irgendwie erkannte ich trotz seiner Veränderung noch den gleichen liebevollen Shiro den ich kennen gelernt hatte.

Das war es nun. Ich hatte ein Leben zwischen Dämonen, Magie, süßen Wesen, seltsamen Wesen, grausamen Geschöpfen und neuen Freunden gefunden. Egal was auf mich zukommt! Ich gebe nicht mehr so einfach auf!

„Kommst du?“, fragte er nun und hob die Augenbrauen hoch.

Ein letztes Mal sah ich mich nochmal im Raum um. „Ja!“, nickte ich ihm dann fröhlich zu und lief zu ihm. Zusammen blieben wir noch kurz stehen und blickten in das Portal.

„Yuki...“, begann er aber noch. „Danke.“, sagte er, ohne mich anzusehen.

Ich grinste. „Gerne.“

„Dann mal los.“

Zusammen machten wir einen großen Schritt und liefen durch das Portal hindurch. Ich kannte das Gefühl bereits dort hindurch zu schreiten. Es war seltsam, jedoch nicht unangenehm. Sofort hüpften wir in der Bibliothek schon aus dem großen Spiegel wieder heraus.

Irgendwie war ich glücklich wieder hier zu sein.

Erwartungsvoll sah ich in die Richtung des Kamins denn ich erkannte Mephisto und Kitzune dort sitzen. Sie drehten sich fragend zu uns als sie etwas am Spiegel hörten.

„Yukiiii!“, schrie mir das kleine Fuchsmädchen plötzlich erfreut entgegen und sprang auf.

Ich erwiderte ihre gute Laune mit einem breiten Lächeln. „Hay! Da bin ich wieder!“, antwortete ich und hob die Hand.

Neben ihr sah ich Mephisto. Unerwartet blieb er gelassen sitzen und nickte mir als Begrüßung lächelnd zu.

Doch dann erkannte ich noch jemanden. Es war eine Frau mit langen, seidigen, schwarzen Haaren und etwas dunkleren Haut. Auch sie saß auf der Couch und hatte sich zu uns gedreht.

Sie trug auffällige aber elegante Schminke. Es war ein ägyptischer aber moderner Stil und sie trug eine breite goldene Halskette und goldene Armreife.

Ihren Oberkörper mit der betonten Oberweite bedeckte nur ein knapper schwarzer Stoff mit goldenen Nähten. Ein seichter Stoff lag noch über ihren Schultern. Dazu trug sie einen passenden Rock, der aus zwei übereinander gelegten Stoffen bestand und zu einer Seite länger wurde. Verschlossen wurde er mit einem goldenen, verziertem Gürtel. Hohe goldene Stiefel mit breitem Absatz und besonderen Verzierungen kleideten ihre Beine.
 

Doch gleichzeitig hörte ich Shiro neben mir fluchen. „Oh Scheiße...“, flüsterte er erschrocken. Er nahm heimlich meine Hand und wollte sich wieder umdrehen. „Lass uns lieber wieder-“

„Akeru!“, rief plötzlich die Fremde und stand auf.

Shiro hatte sich gerade umgedreht und wollte die Flucht ergreifen, als sie ihn jedoch rief und er ertappt stehen blieb.

„Akee..was?“, fragte ich.

Er sah genervt zu mir herab und seufzte. „Erkläre ich dir später..“ Dann drehte er sich wieder mit kalter, emotionsloser Miene zu ihr um.

Sie hatte sich schon auf den Weg zu uns gemacht. „Akeru! Wo warst du!?“, frage sie.

„Bastet.“, antwortete er stumpf und überspielte seine genervte Art.

Ich war verwirrt als sie einfach auf ihn zu lief und ihn liebevoll um den Hals fiel. Als würden sie sich nahe stehen, umklammerte sie seinen Hals und presste sich mit ihren Brüsten liebkosend an ihn. Dabei hob sie ihr Bein sexy an seine Hüfte und flüsterte ihm in sein Ohr. „Ich hab schon so lange auf dich gewartet.“

Ich ging einen Schritt weg und sah beide überrumpelt an. Doch Shiro legte nur seine Hand auf ihre Stirn und drückte sie unbeeindruckt weg. „Was möchtest du hier?“, fragte er nur.

Sie leckte sich die Lippen. „Hmh... hach das liebe ich so an dir.“, dann fuhr sie verführerisch mit ihrem Finger über ihr Kinn. „Du bist wieder so verspannt? Soll ich dich wieder verwöhnen? Hmh?“, fragte sie leise.

Ich verzog die Mundwinkel verdattert und riss die Augen auf. „Oh.. okee.“, warf ich ein und ging noch einen Schritt von ihnen weg. Dann sah die Fremde mich freundlich an. „Oh. Wer ist das? Hay! Ich bin Bastet!“, stellte sie sich vor und streckte mir ihre feine, mit goldenen Nägeln verzierte Hand hin.

Ich zögerte erst. Doch dann schüttelte ich ihre Hand. „Hay... ich bin... Yuki.“, stotterte ich.

„Nett dich kennen zu lernen!“, freute sie sich. Dann hielt sie plötzlich meine Hand fest und fuhr sanft über meinen Handrücken. „Wow. Du hast so eine weiche Haut!“

Bei dem Kompliment begann ich zu schmunzeln. „Eh. Danke...“

„Schade nur, dass du anscheinend keine Ahnung hast, wie man sich pflegt und kleidet! Du siehst aus wie ein Straßenkind.“

Mir blieben die Worte weg und mein Lächeln verging. Was hat sie gerade gesagt? Ich brauchte eine Minute um zu realisieren, was sie sagte. „Wie bitte?“, fragte ich verstört.

Sie stellte sich prüfend vor mich. „Na deine Haare. Ungestylt. Deine Kleidung, total einfach und langweilig. Deine Lippen sind total dünn! Mit Lippenstift würden sie viel praller aussehen. Apropos prall. Woha. Deine Brüste-“

„Bastet!“, unterbrach Shiro sie genervt und stellte sich vor mich. „Warum bist du hergekommen?“

Ich stand geschützt hinter ihm und schluckte erst einmal den Schock herunter. Nachdenklich biss ich auf meine Lippen. Sah ich wirklich so schlimm aus?

Bastet kicherte. „Ach ja! Hihi“ Dann hob sie die Hand. „Renekton hatte nach dir gefragt! Doch nachdem du dich seit Tagen nicht bei ihm gemeldet hattest, habe ich deine Aufgabe mit den Gesichtslosen gelöst!“, erklärte sie. Dann lehnte sie sich etwas vor. „Du solltest mir danken!“, fügte sie fordernd hinzu.

Doch Shiro blieb weiterhin emotionslos und still.

Bastet schmollte etwas. „Naja, wie auch immer. Jedenfalls war das alte Krokodil so erfreut über meine Arbeit, dass er wieder einen riesigen Ball für morgen Nacht geplant hatte!“, dann begann sie wieder zu grinsen. Sie legte den Kopf etwas seitlich und versuchte während des Sprechens an ihm vorbei, zu mir zuschauen. „Und wir wären alle sehr sehr traurig, wenn du wieder nicht dabei wärst.“

Shiro stellte sich aber einen Schritt zur Seite um ihr den Blick zu versperren. „Nein.“, antwortete er nur abrupt.

Doch sie legte unbeschwert ihre Hand auf seine Brust und spielte an seinem Hemd herum. „Mein liebster Akeru. Du bist nie dabei! Du solltest dich nicht überarbeiten.“, flirtete sie mit ihm.

Aber er packte ihr Handgelenk und sah sie wütend an. „Ich sagte Nei-“

„Darliiiing!!!“, kreischte Mephisto plötzlich glücklich und sprang ihn von der Seite an „Schatz! Das würde dir mal gut tun!“, sagte er und lehnte sich an seine Schulter. „Dann könnten wir tanzen! Hoooch. Das wird so schön!“, träumend legte er seine Hände auf die Wangen.

Bastet stellte sich frech vor ihm und legte ihre Arme in die Hüfte. „Oh ich will auch! Wir tanzen einfach abwechselnd mit ihm!“

„Tanzen! Ich will auch tanzen! Wer tanzt mit mir?“, fragte Kitzune und gesellte sich zu ihnen.

Der Schattenmann holte nur tief Luft und rollte genervt die Augen.
 

Sie sprachen von einem Ball. Einer Feierlichkeit.

Nur zu gerne würde ich sehen, wie so etwas in dieser Welt aussehen würde. Und es ist auch nichts gefährliches! Vielleicht wäre das wirklich mal eine schöne Abwechslung.
 

Sanft zupfte ich an seinem Hemd. „Shiro...?“, frage ich zurückhaltend.

Während die anderen sich über das Tanzen unterhielten drehte Shiro sich aufmerksam zu mir um. „Hmh?“

„Dürfte.. ich mit auf diesen Ball? Gehen wir zusammen hin?“, fragte ich leise.

Er sah mich überrascht an und ihm blieb kurz der Atem stehen. „Heh?“ Anscheinend hatte er nicht damit gerechnet, dass auch ich dort hin wollte.

„Jaaa! Yuki kommt mit!“, sagte Kitzune und zog verspielt an meiner Hand.

„Yuki kommt mit?“, fragte Bastet.

„Ja! Das ist doch super Darling! Wenn wir alle gehen, musst du auch mitkommen!“, forderte Mephisto.

„Oh das ist super! Ich mache ihr die Haare!“, erklärte Bastet.

„Mir auch! Mir auch!“, sprang Kitzune fröhlich hin und her. Es herrschte ein Gewusel und Shiro stand genervt mitten drin.

„Oh! Ich werde dir einen tollen Anzug geben Darling! Yuki du musst das passende Kleid dazu tragen!“, plapperte Mephisto hinein.

„Also ist es beschlossene Sache! Wir gehen morgen Abend alle!“, freute Bastet sich und haute mit der Faust auf ihre Handfläche. „Ich werde es sofort Renekton berichten!“, sagte sie und bewegte sich schon in Richtung Tür.

„Sag ihm, er soll aber genügend Essen bereitstellen!“, rief Mephisto ihr hinterher.
 

Shiro schmollte und sah mich schuldig an. Er wollte auf keinen Fall dort hin. Doch meinetwegen waren nun alle so aufgeregt, dass er es nicht mehr abschlagen konnte. Mit seinem grimmigen Blick willigte er unterschwellig ein.

„Hehe...“, grinste ich ertappt und rieb mir den Kopf. „Entschuldige...“

Damals

„Ok erst links, dann rechts!... Erst links dann rechts. Oder war es erst rechts dann links? Ohje...“, angespannt lief ich durch das riesige Gebäude in der Dämonenwelt. Es herrschte wieder ein heftiges Gedrängel wie auf einem überfüllten Flohmarkt.

Unsicher sah ich mich um. „Ob das so eine gute Entscheidung von mir war?“, schmunzelte ich und blickte in die Masse. Aufmerksam schaute ich noch einmal nach links und rechts. Ich war mich sicher, ich musste durch dieses Gewusel hindurch! „Vielleicht muss ich einfach flink sein?“

Erst hatte ich Bedenken. Sollte ich nicht doch wieder zurück gehen? Was sollte ich tun wenn ich mich verlaufe? Immerhin war ich dieses Mal ganz auf mich allein gestellt.

Aber entschlossen nickte ich mir zu. „Ich schaffe das!“, sagte ich und ballte die Hände zusammen. Immerhin war ich klein und schnell. Es sollte nicht so schwer werden mich hindurch zu zwängen.

Langsam lief ich vor und hüpfte in die nächste mögliche Lücke. Dann versuchte ich schnellstmöglich mir meinen Weg hindurch zu kämpfen. Seitlich, duckend, hüpfend, beugend, streckend. „Haha! Geht doch!“, kicherte ich erfolgreich. Es schien als hätte ich den Bogen raus. Die ganzen seltsamen Wesen konnte ich gut ignorieren. Natürlich waren sie noch immer faszinierend für mich. Doch ich hatte in letzter Zeit schon genug sehen müssen, als dass diese Wesen mich noch überraschten.

„Ja. Entschuldigung. Darf ich mal. Danke. Sorry!“, drängelte ich mich an ihnen vorbei und ließ mich selber nicht mehr unterdrücken. Bis auf die großen Golems. Ich wollte mich nicht schon wieder von einem umhauen lassen. Aber egal wohin ich sah und egal wohin man ging. Anscheinend lief man immer gegen den Strom. Aber das sollte mich nicht aufhalten an meinem Ziel anzukommen. Hoffentlich hatte ich nur die richtige Richtung eingeschlagen. Dieses Gebäude war so riesig und hoch. War ich denn auf der richtigen Etage?

Echsenmenschen, Katzenmenschen, Steinwesen, Dämonenmenschen mit Hörnern, Dämonen die wie einfache Menschen aussahen, grüne Kobolde, große Golems, süße Feen. Alles trampelte in einem Trott an mir vorbei. Nur gut, dass mich keiner als Mensch erkannte. Denn immerhin war Shiros Seele wieder verheilt und somit schützte ein Teil seiner Seele meine menschliche Seele wieder.

Während des Laufens dachte ich nach. „Gut, dass er wieder ein Dämon ist. Gut, dass... dass wir uns...“, ich erinnerte mich wie Shiro mich anblickte nachdem wir uns küssten. Wie beruhigt und tief er mir in die Augen sah. Es wirkte, als hätte ich ihm damit einen Gefallen getan. Es wirkte, als wäre er sehr glücklich darüber gewesen. Es wirkte, als wollte er das die ganze Zeit schon.

Natürlich! Warum auch nicht? Immerhin hatte er dadurch seine Kraft wieder bekommen! „Er war froh, dass er seine Kraft wieder hatte! So war das! Klar!“, redete ich mir konfus ein. „Woran denke ich denn schon wieder. Das war nur praktisch. Natürlich! Das war nur um-“, plötzlich bemerkte ich, wie ich auf etwas komisches trat. Ich blieb stehen und sah verwirrt zu Boden. „Hä?“

„AAUuu!“, heulte mich ein strubbeliges, graues Wolfswesen böse an. Ich war wohl auf seine Rute getreten. Er fletschte mir wütend seine Reißzähne entgegen.

Ich hob ertappt die Hände und nahm den Fuß von ihm. „Oh. Eh. Haha.“, stotterte ich flüchtig und tauchte schnellstmöglich in der nächsten Masse unter.

Da sprang ich auch schon wieder auf der anderen Seite des großen Gewusels heraus. „Oh. Da bin ich ja schon!“, freute ich mich erstaunt und sah mich um. „War es jetzt wieder rechts oder wieder links?“, fragte ich und legte mir nachdenklich den Finger auf die Lippen. Hoffend, dass ich den richtigen Weg genommen hatte, ging ich links weiter. Am besten war es, einfach an der Wand entlang zu laufen. Irgendwann würde ich schon ankommen. Also lief ich weiter, den Blick immer nach vorn gerichtet. Es gab viele verschiedene Läden und Schaufenster. Ich lief auch an einigen Buden vorbei, wo Leute Platz gefunden hatten und eine Art Nudelsuppe aßen. Der gute Geruch zog mich an.

Mit einem kurzen Blick über deren Schultern erkannte ich jedoch etwas kleines, sich bewegendes in den Suppen herumschwirren. „Irgh...“, ekelte ich mich und verzog mein Gesicht.

„Eine Kostprobe hübsches Fräulein?“, fragte mich plötzlich jemand auf der anderen Seite des Tresens.

Ich sah perplex in ein freundliches Froschgesicht. Er war gerade dabei mir eine Schüssel des gleichen Gerichts zu servieren.

„Ah nein danke.“, lächelte ich ihn überrumpelt an und winkte leicht mit der Hand. Eilig lief ich weiter und kam schließlich ich an einer Wegkreuzung an. Hier gab es nicht so ein Gedrängel wie im vorderen Teil des Gebäudes. Nur einige vereinzelte Grüppchen standen hier und da und unterhielten sich. Wenige liefen alleine herum.

Endlich sah ich auch schon auf die Ecke eines dunklen Ladens. „Ah! Da ist es! Gut! Ich habe mich nicht verlaufen!“, freute ich mich und rannte zum Eingang.

Ich war an Mephistos Laden angekommen. Er wirkte noch immer düster und gruselig, doch da ich bereits einmal dort war, hatte ich auch keine Angst mehr.

Als ich die Tür öffnen wollte, kam mir jedoch schon ein dickes, buckliges, vieräugiges, mit Muskeln bepacktes Wesen entgegen, welchem ich erst den Weg frei machte. Mit dem Zug der sich wieder schließenden Tür hüpfte ich schnell hinein.

Es war wie eine Art großer Kiosk. In den Ecken hingen auch noch immer die Spinnenfäden. Obwohl sich nichts verändert hatte, wirkte der Raum nicht mehr so dunkel und Angst einflößend auf mich wie vorher.

Erleichtert, dass ich es bis hierhin geschafft hatte, blickte ich geradewegs auf die Theke hinter welcher ich auch schon Mephisto stehen sah. Er legte gerade einem kleinen, blauhäutigen Dämonenmädchen mit langen Ohren ein kleines seidenes Säckchen hin. „So bitte. Aber nicht alles auf Einmal! Sonst explodieren seine Gedärme.“, zwinkerte Mephisto dem Mädchen zu, die sich belehrend umdrehte, nickte und wieder aus dem Laden ging.

Dann erkannte er mich herein kommen. „Yuki!“, rief er mit fragendem Unterton. „Was machst du denn hier?“, fragte er und räumte seinen Tresen wieder auf.

Ich lief mit großen, schwingenden Schritten zu ihm. „Ach.. ich wollte nur... Wegen des Kleides kommen, vom dem du gesprochen hattest.“, meinte ich und blickte umher.

Der Rothaarige drehte sich stirnrunzelnd zu mir. „Dafür ist es doch viel zu früh! Wo ist denn außerdem unser lieber Schattenmann? Er sollte doch auch zur Anprobe kommen.“

„Ich.. bin schon mal vor gelaufen..“, erklärte ich und spielte nervös hinter meinem Rücken mit meinen Fingern.

„Du bist alleine hergekommen? Aha.“, lobte er mich unterschwellig und sortierte das Regal hinter sich. „Warum hat er dich denn nicht gebracht? Wäre doch viel angenehmer.“

Aufgeregt kämmte ich durch die unteren Strähnen meiner Haare. „Wollte er auch... eigentlich.“, meinte ich leise und sah in die Regale neben mir.

Plötzlich lehnte Mephisto sich verspielt über den Tresen, legte seinen Kopf auf seine Hand und blickte mich erwartungsvoll schmunzelnd an. „Hmmh? Du wolltest nicht mit ihm alleine sein. Habe ich recht?“, fand er heraus und grinste.

Nervös blickte ich ihn mit großen Augen an und errötete. „Was? Wie. Warum meinst du das?!“, fragte ich ertappt und tat, als sei seine Aussage falsch.

Er rollte die Augen. „Och Kindchen. Du bist ein Mensch. Und du hast einen schnuckelligen heißen Typen geküsst. Ja, es war weil ihr bedroht wurdet. Und es war auch der einzig sinnvolle Weg! Aber: fandest du es nicht schön?“, fragte er ich mit genussvoller Stimme. Mephito sah mich mit einem verführenden Blick an.

„Ehm..“, ich wich etwas zurück und wurde immer nervöser. „Ich... also weißt du...“

„Das nehme ich mal als ja!“, zappelte er mit seiner Hand in der Luft herum und widmete sich wieder seinem Regal. „Und jetzt hast du auch noch eine Nacht bei ihm geschlafen! War das nicht aufregend?“

Mein Kopf dampfte vor Scham. „Hey!“, regte ich mich auf, aber konnte es ja doch nicht bestreiten. Mein nörgeln wurde zu einem unbehaglichem Seufzer. Ich lehnte mich vor und legte meinen Stirn jämmerlich auf die Theke. Meine Haare verdeckten mein überfordertes, nachdenkliches Gesicht. „Hmmm..“, brummte es nur aus meinem Mund. „Ich konnte die Nacht kaum schlafen... wir hatten gestern Abend extra alles so arrangiert, dass mein Vater denkt, ich wäre bei Nami... und als wir dann wieder in seiner Bibliothek waren... war... es so seltsam... er schrieb wieder so viel in seinen Büchern... und ich lag auf seiner Couch. Ich meine, ich konnte ja wohl kaum zuhause schlafen, bei allem, was bisher passierte!“

„Und was willst du jetzt von mir?“, fragte er arrogant und arbeitete unbekümmert weiter.

Ich legte meinen Kopf zur Seite, sodass nur mein Mund zu sehen war. „Ich wusste nicht wo ich sonst hin sollte.“, sprach ich entkräftet und bewegte mich nicht weiter.

Mephisto legte die Hände in seine Hüfte. „Hey! Jetzt willst du mich voll heulen, weil du nicht weißt was du willst?!“

„Was ich will?“

„Liege hier nicht so dumm herum! Wenn du da bist, mach dich nützlich und bring mir die Kisten da hinten! Ich hab noch viel zu tun bis heute Abend!“, forderte er mich auf und zeigte auf die Wand neben der Tür.

Betrübt, ohne Abneigung trottete ich zu drei kleinen Holzkisten, welche gestapelt neben der Eingangstür standen. „Oke...“, atmete ich mutlos aus und griff mir eine der kleinen Kisten. Beiläufig fiel mir auf, dass man nun durch die Schaufenster blicken konnte, welche von außen nicht sichtbar waren. Diese hatten mich schon beim ersten Mal in diesem Laden verwundert. „Wie funktioniert das?“, fragte ich und stellte die Kiste auf die Ecke der Theke.

Ohne mich anzusehen legte er kleine goldene Münzen in seine Kasse. Leise zählte er vor sich hin.

„Und was ist das?“, fragte ich neugierig und lehnte mich zu ihm herüber. „Verzaubertes Hexengold?“, grinste ich.

„Das, meine kleine, liebe Yuki..“, begann er konzentriert zu erklären und legte die letzten Münzen weg. Dann schob er die Kassenlade wieder zu und schrieb etwas auf einem Stück Papier. „.. das ist Geld. Und das mit den Fenstern zu erklären wäre zu viel für deinen kleinen, dicken Schädel.“

„Hmh... achso.. Geld.“, flüsterte ich verträumt. Plötzlich griff Mephisto mit Daumen und Zeigefinger an meine Wange und bewegte sie Mütterlich hin und her. „Hach du bist so dumm und naiv! Putzig. Kein wunder, dass er..“, hörte er stutzig mitten im Satz auf.

Ich sah ihn fragend an. „Dass er-was?“

Dann hob er gelassen die Augenbrauen und nahm seinen Zettel mit dem Geschrieben in die Hand. „Dass Er-gebnisse von dir schlecht ausfallen! Los mach deine Arbeit weiter! Zack. Zack. Oder du kannst wieder gehen!“, tadelte er mich und wedelte mit dem Zettel vor meinem Gesicht herum.

„Ja, ja.“, motzte ich und drehte mich wieder zu den Kisten. Immerhin wollte ich ja hier bleiben. Wo sollte ich sonst hin? Natürlich hatte ich nichts gegen Shiro. Aber mit ihm alleine in einem Raum zu sein, erschien mir so seltsam. War es wegen dem Kuss? „Hach... Ablenkung tut gut.“, faselte ich vor mich hin. Gerade als ich los laufen wollte, erkannte ich jedoch einen Jungen durch das Schaufenster. Einen Jungen mit Hörnern und Brille. Mit einem schwarzen Tuch hatte er seinen Mund verdeckt. Er stand vor dem Eingang und sah sich einige Male um. Dann lief er auf die Tür zu.

Warum kam mir dieser Junge so bekannt vor?

Auf einmal riss ich panisch die Augen auf. Mein Atem blieb stehen. Ich kannte ihn! Er hatte mich in der Schule angegriffen! Mit einem Mal sprang ich hinter die Theke und versteckte mich in der Ecke.

Es fühlte sich an, als würde mein Herz aus meiner Brust springen wollen.

„Grund Gütiger. Was ist mit dir?“, fragte Mephisto und sah zu mir herab. Doch er erkannte mein ängstliches Gesicht. Zitternd legte ich meinen Finger vor meine Lippen und schaute ihn mit fürchterlichen Sorgen an.

Dann bemerkte er den Jungen herein laufen.

Gelassen arbeitete er weiter und Kramte in der Kiste herum, welche ich ihm hingestellt hatte. Dabei beobachtete er den Dämonenjungen unauffällig.

Er lief etwas in dem Raum herum und machte langsame Schritte auf die Theke. Immer wieder sah er zur Seite und machte einen seltsamen Eindruck.

„Kann ich helfen?“, fragte Mephisto ihn schließlich und stellte sich gerade hin.

Der Junge kam auf ihn zu.

Ich zitterte noch immer. Shiro war nicht da. Was würde dieser Junge mir nur antun? Könnte Mephisto etwas gegen ihn ausrichten? Würde er das überhaupt wollen? Ich hatte solche Angst.

Als beide sich gegenüber standen, wickelte der Junge ernst das Tuch von seinem Gesicht.

Ich erhaschte einen ungewollten Blick über die Theke und sah ein schreckliches Bild. Sein Kiefer fehlte. Aus seinem Aufgerissenem Maul ragte nur eine ekelhaft spitze Zunge und man hörte ein gruseliges, lautes Atmen. Diesen Anblick hatte er Shiro zu verdanken.

„Wuhä.“, betonte Mephisto. „Willst du: erstens, Etwas gegen die Schmerzen oder zweitens, etwas gegen dein hässliches Gesicht?“

Grimmig hob der Junge die Hand und zeigte zwei Finger.

„Ja. Ich würde an deiner Stelle auch etwas dagegen machen. Sieht echt widerlich aus.“, nickte der Rothaarige ihm angewidert zu. „Aber gegen dein abstoßendes Gesicht kann ich dir nicht helfen.“, grinste er ihn frech an. „Ich kann nur deine Schmerzen lindern wenn du welche hast. Geh zum Knochenschmied im Nordbezirk. Der kann die bestimmt helfen. Aber hübsch wirst du nicht mehr.“, meinte er schnippisch und schüttelte den Kopf.

Verärgert sah der Junge ihm in die Augen und legte seine Hand auf die Theke. Dann hörte man ihn wieder missmutig atmen. Doch Mephisto hielt dem Blick schweigend stand.

Endlich drehte er sich um und lief wieder aus dem Laden.

Mir fiel ein Stein vom Herz, als ich hörte wie die Tür sich wieder schloss.

„Uff..“ atmete ich auf und legte meine Hände auf meine Brust.

„War der Schattenmann das?“, fragte Mephistoteles und hob eine Augenbraue. Er machte einen Schritt zurück und überkreuzte seine Arme.

„Ja...“, antwortete ich und stand langsam wieder auf. Ich hielt mich am Tresen fest und zog mich hoch. Sofort blickte ich wieder aus den Fenstern um sicher zu gehen, dass er weg war. „Er war bei mir in der Schule. Komischer Weise habe nur ich seine Hörner gesehen. Und als er das erkannte, griff er mich an und wollte Shiros Seele aus mir herausreißen.“

„Ah. So ist das. Wieso nur hat er ihn nicht getötet? Das kenne ich gar nicht von ihm.“, dachte er nach und sah auch aus dem Laden heraus.

Ich spielte an meinem Shirt und zog mit meinem Fuß kreise am Boden. „Also.. ich.. Hatte ihn gebeten den Jungen nicht zu töten..“ Direkt machte ich mich bereit mir eine Standpauke von ihm anzuhören. Doch er schwieg.

Ich sah nur mit den Augen zu ihm. „Du motzt mich nicht an?“, fragte ich zögernd.

„Tze.“, er machte eine eingebildete Bewegung wie eine Diva. „Bist du doch selber Schuld! Der Schattenmann kann sich selber beschützen! Aber du hast jetzt das Problem an der Backe.“

Ich legte den Kopf einsichtig schräg. „Stimmt...“, kam erstaunt von meinen Lippen.

„Aber mach dir keine Sorgen. Hier ist es verboten zu Kämpfen oder zu töten. Da wird man direkt raus geworfen!“

„Hier? In der Welt?“

„Och nein! Hier in dem Gebäude! In dem gesamten Gebäude ist es untersagt sich zu duellieren, zu kämpfen oder zu töten!“

„Ich dachte... das hier ist die Dämonenwelt.“, unwissend runzelte ich die Stirn. Das wurde mir alles zu kompliziert.

„Du weißt ja echt gar nichts! Dummchen! Wir sind in der Dämonenwelt! Und in der Welt gibt es dieses Gebäude, so wie viele andere Gebäude! Ist doch das gleiche wie in der Menschenwelt!“, erklärte er ungeduldig.

Verblüfft sah ich in die Luft. „Wow.. Das wusste ich nicht...“

„Ja, habe ich gemerkt.“

„Aber Shiro hat hier gekämpft! Gegen Deeon! Warum werden die beiden denn nicht bestraft?“

„Naja, mein Liebster hat ein paar Sonderrechte in gewissen Bereichen. Keiner würde sich mit ihm anlegen wollen. Und so lange es nicht bis zur obersten Etage geht, passiert auch nichts.“, zuckte er mit den Schultern. Dann klatschte er mir mit dem Handrücken gegen die Schulter. „Los! Weiter! Muss man hier alles selber machen?“, forderte er mich auf und lief zu den Kisten.

„Eh.. ja! Ich helfe dir!“, kam ich wieder zu mir und lief ihm hinterher. Während ich eine Kiste nahm sah ich ihn fragend an. „Warum lässt du die nicht mit Magie oder so zu dir kommen? Wie Shiro!“

Genervt schleppte er die Kiste an den Tresen und stellte sie dort ab. „WEIL das viel Übung und Kraft und Talent braucht. Außerdem kann nicht jeder Dämon alles. Denk nicht, dass das alles so einfach wäre! Darum wollen doch alle seine Seele haben. Weil sie stark ist. Aber keiner traut sich, es darauf anzulegen. Außer sie wollen dann so enden wie der Junge gerade eben. Und der hatte nur Glück!“, erklärte er mir und packte weiter die Kisten aus.

Stolz hob ich den Finger. „Die Seele ist von Lilith! Richtig?“, sagte ich. Endlich wusste ich auch etwas. Ich erinnerte mich, was Deeon mir sagte! Damals hatte Shiro das Angebot bekommen sich an seinem Dorf zu rächen für den Tot an seiner Familie. Er hatte dafür eine Dämonenseele von ihr erhalten welche er aber behielt und vor ihr floh.
 

Bei dem Namen zuckte Mephisto zusammen. „Hey hey hey! Ich will nicht, dass du ihren Namen in meinem Laden aussprichst! Davon weiß sonst keiner etwas! Also verplapper dich nicht!“

Ich setzte mich auf den kleinen Barhocker neben mir. „Warum weißt du das überhaupt?“, fragte ich. „Wenn es doch sonst keiner weiß.“

Verärgert legte er seinen Ellenbogen auf den Tresen und lehnte sich dort an. Er sah mich mit einem zickigen Blick an. „Das sollte ich dich besser fragen! ICH war von Anfang an dabei! ICH hatte meinem Herzblatt geholfen sich hier überhaupt zurecht zu finden!“, dann sah er etwas weg. „Naja.. und Deeon half auch ein wenig.“

Neugierig lächelte ich ihn an, „Wie war das denn damals? Wie war Shiro so?“, fragte ich und hielt meine Arme aufmerksam zwischen meinen Beinen auf dem Hocker.

Dem Redefluss verfallen, lehnte Mephisto sich vor und schaute aus den Schaufenstern heraus. „Er war... lebhafter.“, sagte er verträumt. „Er war aufgeschlossener. Er war dickköpfiger. Naja, so negativ wie jetzt war er schon immer. Aber nie so verbittert. Ich habe ihn schon lange nicht mehr lachen gesehen.“, sagte er verträumt. „Ich lebte in meiner Hütte. Damals hatte ich meine Freizeit mit dem Sammeln von Kräutern und seltenen Materialien verbracht. Und sonst hatte ich eine große Arbeit Verträge mit dummen Menschen abzuschließen, die mir gegen einen Tag Schönheit ihre Seele verkauften. Naja, jedenfalls saß ich gerade an meinem Tisch und zerkleinerte Kräuter. Es war eine komplett andere Zeit als damals. Es war viel ruhiger und entspannter. Und plötzlich kam mein alter Freund Deeon mit so einem jungen Knaben ohne Namen in mein Haus gestürmt! Irgend ein Bauernjunge der kurz vor dem Tot stand. Doch ob es ein Mensch oder ein Dämon war, erkannte ich nicht. Er stützte ihn und kam wie vom Teufel gebissen herein.

Der Junge hatte solche Schmerzen. Er schrie so laut und wollte nicht aufhören. Und plötzlich brach er zusammen. Damals hatte mich die Situation total überfordert. Ja. Ich war auch mal dumm und musste meine Erfahrungen sammeln.

Um seine Menschenseele vor der Dämonenseele zu schützen, welche ihn innerlich zerfressen wollte, hatte Deeon die Idee den Knaben erst zu töten und dann mit all den Seelen die er gesammelt hatte und Deeons heiliger Kraft wieder zu beleben.

Ein Mensch hat nur die Kraft seiner eigenen Seele. Er kann sie nicht vielseitig verwenden und kann sie nicht kontrollieren. Sie ist jedoch das, was den Körper auf magische Weise leben lässt und uns ausmacht. Und ein Dämon kann die Kraft anderer Seelen für sich nutzen. Je mehr Seelen ein Dämon also besitzt, desto mehr Magie oder Kraft hat er. Das weißt du sicher schon.

Wessen Dämonenseele er in sich trägt ist unklar, aber sie beruhigte sich, nachdem die menschliche starb. Doch noch bevor sie die Kontrolle des Körpers hatte, belebte Deeon ihn wieder und verschloss das dämonische Wesen in ihm. Kurz gesagt: Er war er aber mit coolen dämonischen Kräften!“

Mephisto begann nostalgisch zu grinsen. „Hmh. Nachdem er wieder zur Besinnung kam brachte ich ihm Essen. Er saß eine ganze Weile am Boden in einer Ecke und grübelte wütend vor sich hin. Als ich ihm den Teller reichte, schlug er ihn mir aus der Hand. Als ich mit ihm reden wollte, drehte er sich von mir weg. Kommt dir das bekannt vor?“, er sah mich auffällig an. Dann sprach er weiter. „Er hockte Stunden und Tage dort und gab kein Wort von sich. Auch mit Deeon sprach er nicht. Doch langsam begann er sich zu verändern. Er spürte wie sein Körper kalt wurde und immer weniger Schlaf brauchte. Auch verging sein Hungergefühl. Naja. Er war noch so naiv. Irgendwie hatte er von alleine bemerkt, dass er nun besondere Fähigkeiten hatte.

Als Deeon also schon Tagtäglich zu Besuch kam um sich nach ihm zu erkundigen saß er noch immer dort. Ich ging meinen Aufgaben weiter nach und hatte ihn schon gut ignorieren können. Doch den einen Tag, hörte ich ihn das erste mal sprechen. Er wollte mehr erfahren. Er wollte wissen wo er nun war. Und langsam begannen wir ihm alles zu erklären. Er wollte immer mehr und mehr! Er wälzte sich in Bücher. Er lernte von Deeon das Kämpfen. Er war immer bei mir, denn jemand anderen hatte er nicht mehr, doch freute sich immer mehr, wenn Deeon wieder kam. Sie waren wie Brüder.

Die Jahre vergingen und er wurde immer stärker. Es war so erfrischend zu sehen, mit wie viel Ehrgeiz und Kraft er sich in die Übungen stürzte. Egal wie oft er einen Trank falsch braute oder wie oft Deeon ihm beim Training mit Magie oder Schwert besiegte. Er hörte einfach nicht auf. Der dumme, naive Knabe strahlte nach jedem Erfolg immer mehr. Und dann war er uns endlich ebenbürtig.

Dummerweise machte das in den Dörfern schnell die Runde und man begann seine Seele zu jagen. Ebenso hatte auch Lilith den Auftrag erteilt ihre verloren gegangene Seele wieder zurück zu bringen und der Lohn war groß. Damals war es nicht ungewöhnlich, dass Dämonen die Seelen anderer Dämonen sammelten.

Dort konnten wir ihn also nicht länger verstecken. Er musste viel durchmachen, nur weil er sich mehr anstrengte als alle anderen.

Nachts brach man in sein Zimmer, knebelte ihn und erstach ihn um an seine Seele zu kommen. Seine Heilkräfte waren aber mit Abstand stärker. Er riss sich frei und tötete jeden einzelnen von ihnen.

Nachts überfiel man ihn. Falsche Freunde versuchten ihn zu vergiften und selbst am Tag konnte er nicht mehr durch die Straßen laufen ohne das Gefühl zu haben, verfolgt zu werden.

Das ganze liebevolle Strahlen aus seinen Augen erlosch und wurde zu dem kalten Gesicht was du jetzt immer siehst. Er schläft nicht mehr und lässt niemanden an sich heran.

Die Jahrhunderte vergingen. Wir reisten von Ort zu Ort. Er machte immer mehr Reisen in die Menschenwelt. Nicht um zu sehen, wie die Welt die einst seine Heimat war sich veränderte. Sondern um Seelen zu sammeln. Um stärker zu werden.

Und er wurde stärker als jeder andere. Er machte sich hier einen Namen. Der Schattenmann und sorgte dafür, dass jeder ihn fürchtete und nicht mal auf die Idee kommen würde ihn zu bedrohen. Einen normalen Namen hatte er sich nie geben lassen, damit ihn niemand finden würde und besonders Lilith nicht seine Seele mit seinem Namen finden könnte.

Nach langer Zeit hatte man aber schon den Auftrag von Lilith vergessen und man sammelte auch nicht mehr die Seelen anderer Dämonen. Doch er hörte nicht auf. Er machte weiter.

Und vor achtzehn Jahren wandte sich plötzlich Deeon von ihm ab. Er meinte sich verliebt zu haben. Tze. Als würden Engel das tun. Es war nur eine Ausrede um ihn alleine zu lassen. Und dann beklaute er er ihn heimtückisch, ohne Grund. Er konnte nicht einmal seinem Bruder vertrauen!

Ab da war es endgültig um ihn Geschehen. Er war nur noch voller Hass und blutrünstig. Und zieht ständig diesen griesgrämigen, kalten Blick, der ihn zwar ziemlich sexy und interessant macht, aber lieber würde ich wieder diese strahlenden Augen sehen, die mir gezeigt haben, dass ich mich damals für das Richtige entschlossen hatte.“

Mephisto atmete schwer aus. „So. Nun weißt du so ziemlich alles, du dummes Kücken.“, brachte er schweren Herzens noch von sich.

Da er jedoch keine Reaktion von mir hörte, drehte er sich gestresst zu mir. Er erschrecke plötzlich und wich zurück. „Was ist denn mit dir schon wieder?!“, fragte er laut.

Ich starrte ihn mit riesigen, tränenden Augen an. „Oh Gott...“, weinte ich mitfühlend und dennoch glücklich. „Das.. war zu viel für mich. Das tut mir alles so leid. Aber du hast etwas so tolles für ihn gemacht und dich für ihn eingesetzt! Und ihr habt so viel durch gemacht! Und jetzt seid ihr hier und ihr macht weiter! Und und... das ist alles so herzzerreißend.“, plärte ich laut und wischte mir über die Nase.

„Krieg dich Mal wieder ein!“, maulte er mich an und drehte sich von mir weg.

Doch ich konnte nicht anders. Alle hier machen so einen starken Einruck und sind doch nur einfache Leute. Seine Geschichte hatte meine tiefsten Gefühle berührt. Und das Vertrauen, welches er in mich steckte machte mich so Glücklich.

Überwältigt von alle dem, sprang ich auf und umarmte ihn so fest ich konnte. „Mephisto. Das ist alles so traurig und so schön und so traurig und so toll! Aber so traurig und doch so herrlich!“, plapperte ich laut herum und überschwemmte ihn mit meinen Gefühlen.

Mephisto wehrte sich nicht, sondern rollte nur mit den Augen. „Jaja.. ist ja gut.“, nörgelte er.

Plötzlich hörte ich die Tür hinter mir.

„Ist es etwa schon so spät?!“, fragte der Rothaarige in meinen Armen und blickte auf die Uhr.

Ich löste meine Umarmung, drehte mich noch immer heulend um und sah Shiro herein kommen. Dieser blieb bei meinem Anblick gefasst stehen. „Was ist passiert?“, fragte er und sah Mephisto schuldig an.

Schnell rannte ich jedoch zu ihm und sprang ihm um den Hals. „Shiro!!“, rief ich laut und fröhlich. „Alles ist gut!“, lächelte ich ihn an und fasste wieder Boden unter meinen Füßen. „Mephisto war einfach nur nett zu mir!“

Der Saal

Es war zu ruhig. Angespannt saß ich auf Mephistos Bett und sah mich ungeduldig um. Eine ungemütliche und beklemmende Situation, denn zuvor war es noch nicht vorgekommen, dass jemand mich mit teuren Abendkleidern eindecken wollte. Zwar freute ich mich, doch unangenehm war es, mich von anderen ankleiden zu lassen ohne etwas dafür zu zahlen.

Die Sekunden zählend wippte ich mit den Beinen herum. Meine innere Unruhe unterdrückend, lehnte ich mich zurück auf das Bett und legte mich auf die weiche Polsterung. Meinen Kopf hatte ich zur Decke über mir gerichtet und meine Beine hingen noch vom Bett herunter.

Ich atmete betrübt und ruhig aus. „Wieso dauert das so lange?“, fragte ich mich unangenehm leise und drehte mich zur Tür. Wieso hatte ich gerade jetzt das Gefühl nicht alleine sein zu wollen? Wo ich das doch sonst gerne war.

Je länger ich wartete, desto mehr Zeit hatte ich mit meinen Gedanken. Ich konnte über vieles nachdenken, denn im Augenblick sollte mich nichts ablenken. Ich dachte über alles nach, was vor kurzem passierte. Über den Tag in der Schule. Über Namis Geheimnis. Über Shiros Geständnis. Über den letzten Kampf. Der Junge in Mephistos Laden. Ich hatte Shiro davon noch nichts erzählt. Und dann war da noch der Kuss.

Ich erinnerte mich wie er mich sanft auf den Boden drückte und doch genüsslich meine Lippen berührte. Und als ich zu ihm hinauf sah, blickte er mich so erleichtert aber doch nichts sagend an.

Träumend legte ich meinen Finger auf meine Lippe und starrte nachdenklich ins Leere. „Er wurde wieder so kalt…“, flüsterte ich. Nicht nur äußerlich, sondern auch emotional. Als Mensch konnte er wohl seine ganzen Gefühle nicht so unterdrücken, wie mit seiner dämonischen Kraft. Oder konnte er seine Emotionen nicht zurückhalten, weil er als Mensch schwach und angreifbar war und somit unter Stress stand?

Shiro musste so vieles ertragen und aushalten. Und nun wollte er sich vor allen fernhalten und stößt jeden emotionslos ab wie ein grimmiger Eisblock. Nachdem ich Deeons und Mephistos Geschichten gehört hatte, verstand ich, warum er so wurde. Aber ich wollte nicht, dass er weiterhin so düster und negativ bleibt und alles verachtet. Ich wollte, dass er lacht! Ich wollte, dass er aufhört, sich ständig Gedanken zu machen! Aber warum ist es mir so unangenehm, wenn ich mein Ziel erreiche? Wenn ich ihn zum Lächeln bringe. Wenn er beruhigt da sitzt und mit mir redet. Wenn er genüsslich das Essen verputzt, dass ich ihm gebe. Wenn er mich mit seinem tiefen, träumenden Blick ansieht und glücklich ist.

War mir das wirklich unangenehm? War das der richtige Ausdruck für meine Gefühle?

„Argh!“, ich raufte mir die Haare und wälzte mich im Bett herum. „Ich sollte selber aufhören mir so viele Gedanken zu machen!“, nörgelte ich und schaukelte mit meinen Beinen hin und her. „Das ist doch bescheuert! Arrr!!“, dann ließ ich meine Arme geschwächt auf mein Gesicht fallen. „Uf…“

Plötzlich riss jemand die Tür auf. „Sooo! Da bin ich! Es war schwer ein Kleid in deiner Größenordnung zu finden, aber ich denke das sollte passen!“, rief Mephisto und stellte sich mit einem riesigen Haufen Stoff über seinem Arm hängend in den Raum. Doch er wich etwas zurück. „Irgh.. was ist denn mit dir?“, fragte ich schließlich, als er mich entnervt auf dem Bett erkannte.

„Ach…“, seufzte ich nur, ohne ihn anzusehen.

„Yuki!“, hörte ich dann Bastet rufen. „Zieh dein Kleid an! Ich mach dir die Haare!“, sie kam auch in den Raum hinein gelaufen.

Auch jetzt noch lag ich leblos dort und beachtete sie nicht weiter. Wollte ich wirklich auf den Ball? Irgendwie hatten mir meine Gedanken meine Laune verdorben.

„Also wirklich! Los! Hop!“, forderte Bastet und klatschte in die Hände.

Langsam raffte ich mich auf und setzte mich hin. Überrascht schaute ich die Beiden herausgeputzten und in edle Kleidung gezogenen an.

Bastet trug ein langes, enges, leichtes Kleid, welches eine helltürkise, fast weiße Farbe hatte. Es war schulterfrei und am Hals mit einem goldenem Halsreif zusammengebunden. Verzierungen und Schmuck waren ebenso in reinem Gold. Eine goldene Korsage betonte ihre Figur noch mehr. Dazu trug sie armlange, elegante, seidige Stulpen, welche an einem Ring am Mittelfinger endeten. Es wirkte alles ziemlich ägyptisch aber doch modern und elegant.

Mephisto trug einen edlen, englischen Anzug. Es war ein weißes Hemd, mit sehr dünner, langer Schleife am Kragen. Dazu eine schwarze Anzughose und ein schwarzes, tiefes Sakko. Halbe schwarze Handschuhe und ein dezent nach hinten gebundener Zopf rundeten sein Aussehen ab.

Im Gegensatz zu den Beiden, die nur vor Schönheit strahlten, hockte ich vergammelt auf dem Bett und versuchte meine Haare wieder zu Bändigen.

„Denkst du, du bekommst das wirklich hin?“, flüsterte Mephisto Bastet leise zu.

„Natürlich!“, sagte sie laut, legte ihre Hand fingerspreizend vor ihren Mund und lachte arrogant. „Hahahah! Ich bin Bastet! Die Göttin der Fruchtbarkeit! Der Freude! Und Feste! Da werde ich doch auch so ein hässliches Entlein für einen Ball zu einem wunderschönen Schwan verzaubern können! Hohohoho!“

Was hatte ich mir nur gedacht? Jetzt hatte ich zwei eingebildete Dämonen in einem Raum vor mir.

Mephisto legte ihr aber das Kleid schnippisch auf ihren erhobenen Arm. „Du bist keine Göttin! Hör auf dir das immer wieder einzureden! Tz! Hier! Ich bin ja gespannt wie viel noch in dir Steckt!“, rollte Mephisto die Augen und ging zur Tür.

„Pa! Du bist ja nur neidisch, weil du nie als Gott verehrt wurdest!“, rief sie ihm hinterher.

Mephistos Kopf ragte noch leicht in den Raum hinein. „Dafür glaubt man an mich heute immer noch!“, kam er ihr gelassen entgegen und warf ihr vergnügt einen Handkuss zu. Dann verschwand er und schloss die Tür.

„Hmpf! Dem werde ich es zeigen!“, fauchte sie und schmollte.

Ich grinste über die beiden. Zwei mit dem gleichen Temperament in einem kleinen Raum. Das sollte wohl nicht gut ausgehen.

Schließlich hob sie das Kleid und präsentierte es mir. „Tada! Schick oder? Wir mussten etwas finden, was deiner Oberweite passt. Du hast so große Brüste, da war es ziemlich schwer. Haha! Los! Zieh dich aus!“, sagte sie lächelnd und stellte sich erwartungsvoll vor mich.

Ich wurde rot und legte meine Hände schützend vor meine Brust. „Hä? Warte!“, rief ich laut. Doch Bastet legte den Kopf schief. „Oh man. Sei nicht so verklemmt! Alleine wirst du das Kleid nicht an bekommen! Vertrau mir. Ich schau auch weg.“, grinste sie und deutete neben sich.

Ich biss die Zähne zusammen und sah sie zurückhaltend an. „Hmh.. okay..“

Sie grinste fröhlich. „Raus aus den Lumpen und rein in das schicke Kleid!“

„Hehe.. ja. Genau..“, grinste ich gezwungen.
 

Ich zog meine Kleidung aus, und schlüpfte in das rosa, lange Kleid. Es war sehr schlicht gehalten. Links hatte es ab der Hüfte einen Schlitz, welcher nach unten breiter wurde. Darunter war ein hellerer Stoff zu sehen. Den Schlitz und Dekolleté entlang, verzierten Rüschen. Ein Schleifenhalsband und armlange Handschuhe waren als letztes an der Reihe.

Es wurde ab der Hüfte sehr weit und aufgebauscht. Zu meiner Beruhigung hatten die Pumps dazu keinen so hohen Absatz wie die von Bastet.

Sie half mir, mich anzukleiden. In meinem Nacken band sie mir das Kleid zu und im Rücken schloss sie das Kleid. Die Handschuhe zog sie mir hoch, dass sie genau passten. Sie wirkte, als wolle sie aus mir ein Meisterwerk zaubern. Stolz blickte sie mich von oben bis unten an und ging einen Schritt zurück. „Hach! Hübsch! Sehr hübsch! Jetzt noch die Haare.“, sagte sie und legte amüsiert die Hände ineinander. „Setz dich!“, schnell zog sie einen Hocker vom Schminktisch hinter sich vor. „Heute Abend wirst du strahlen! Und Mephisto wird Augen machen! Pah!“

Ich sah mich kurz im Spiegel an. Für einen Moment war ich wie verzaubert. Noch nie hatte ich ein solch schönes Kleid tragen dürfen. Und noch nie hatte ich mich selber so hübsch gefunden. Als ich mich verlegen setze lehnte Bastet sich kurz vor. „Dass du mir ja nicht meinen lieben Schattenmann weg angelst. Ha! Aber was rede ich da. Dann müsstest du ja gegen mich gewinnen. Hohoho.“

Ich sah sie mit weiten, ertappten Augen durch den Spiegel an. „Ah.. nein. Nein… Keine Sorge…“, stammelte ich vor mich hin.

„Die mache ich mir sowieso nicht!“, lächelte sie und fuhr mir sanft durch die Haare. „Er ist irgendwann mein. Und ich gehöre dann nur ihm.“, sprach sie immer leiser werdend. Dann räusperte sie sich. „Ehm. Ja. Was ist das überhaupt zwischen euch? Ich wusste nicht, dass er noch einen schwachen und armseligen Schützling aufnimmt?“, fragte sie und steckte mir die Haare hoch.

Erst war ich etwas eingenommen. Doch langsam fand ich mich damit ab, dass sie, so wie auch Mephisto wohl gar nicht absichtlich abwertend sprachen. Oder sie merkten nicht wie verletzend die Worte sein konnten. Aber ich wusste, dass ich sie nicht ernst nehmen sollte und versuchte diese Sprüche zu ignorieren. „Moment. Schützling?“, fragte ich verwirrt.

„Ja. Warum sollte er sich sonst mit so jemand schwaches abgeben? Oh! Tut mir leid, wenn dir das peinlich ist.“, antwortete sie gelassen und arbeitete weiter.

„Oh ich… ja genau. Schützling. Ja. Er… fand mich hier, und ich fand mich nicht zurecht. Er hat mich dann als Schützling aufgenommen.. Hehe.“, log ich nervös. Ich spielte mit meinen Fingern herum. „Aber, Shiro hat noch einen Schützling? Ich dachte, er versuchte sich immer von allen fern zu halten?“

Sie runzelte die Stirn. „Du wusstest es nicht? Irgendwann hatte er Kitsune vor ein paar Dieben gerettet. Ich weiß nicht wieso. Vielleicht hatte er mal einen guten Tag? Und seitdem steht sie unter seinem Schutz. Sie ist klein. Und schwach. Und nervig. Sie würde hier gar nicht überleben, wenn er nicht wäre. Naja, Glück für sie.“

Ich lächelte stolz. Das musste bedeuten, dass in ihm ja doch noch ein lieber Mensch steckt. Dann da sah ich herab. Mir war also die Vorgeschichte von Mephisto, Deeon und Kitsune zu Shiro bekannt. „Und wie hast du Shiro kennen gelernt?“, fragte ich sie und sah wieder in die Spiegelung.

Sie drehte meine Haare etwas auf und lächelte. „Hmh. Naja, weil du eine Freundin vom Schattenmann bist, erzähle ich es dir! Also. Vor vielen Jahren zog er erst mit Mephisto her. Er begann sofort jedem zu zeigen, dass er der stärkste ist. Also wurden die Hohen auf ihn Aufmerksam.“

„Die Hohen?“

„Ja! So wie Renekton! Reiche Dämonen! Die hier viel zu sagen haben und denen hier viel gehört! Die viele Anhänger haben! Weißt du denn gar nichts?!“, motzte sie. Doch sie sprach weiter ohne mein überfordertes Lächeln zu sehen.

„Naja. Jedenfalls habe ich schon damals für Renekton gearbeitet. Ich bin seine Nummer eins! Und damals sollte ich die neuen in Renektons Namen willkommen heißen. Daraufhin stellte der Schattenmann seine Kraft in Renektons Dienste und wurde hoch belohnt. Er sorgte für Mephistos Laden und die Bibliothek. Der Schattenmann machte Aufgaben schneller als alle anderen. Er beschützte ihn besser als jeder andere. Er vernichtete Feinde ohne Aufwand. Er schaffte alles. Einfach alles. Was sonst 5 Mann gebraucht hatte, erledigte er alleine. Woran viele verzweifelten, hatte er keine Probleme. Und dann wurde er Renektons Liebling. Und mein Feind! Ich hatte mir geschworen nicht zu verlieren! Und hatte ihn herausgefordert!“, ihre Stimme klang plötzlich so wütend und ihr Gesicht war so angestrengt. „Ich hatte versucht gegen ihn zu kämpfen! Ich versuchte alles gegen ihn! Ich hatte noch nie verloren! Doch für ihn war der Kampf eine Leichtigkeit. Ich sehe es noch vor mir als wäre es gestern gewesen. Wie ich schwer atmend am Boden kniete, während er gelassen, ohne einen Kratzer vor mir stand und schwieg. Er brachte mich so sehr in Rage, dass… dass…!“, ihre Hände zitterten. Im Spiegel sah ich verängstigt, wie ihre Haut sich begann bleich, fast grau zu färben. Das weiße in ihren Augen wurde tief schwarz.

Doch dann nahm sie ihre Hände weg und schloss die Augen. Um sich zu beruhigen atmete sie langsam ein und wieder aus. Dann schüttelte sie ihren Kopf etwas und kam wieder zu sich. „Hach. Entschuldige. Naja. Er machte mich so wütend, dass ich meine Kraft nicht mehr unter Kontrolle hatte! Und selbst in meiner mächtigen Form hatte er mich haushoch besiegt. Als wäre es nur eine Kleinigkeit für ihn gewesen. Aber das war der Zeitpunkt, an dem ich wusste, dass ich ihm gehören wollte. Ich akzeptierte, dass ich nicht gegen ihn gewinnen konnte. Also wollte ich ihn für mich gewinnen. Seine Kraft. Diese Stärke. Es macht ihn so attraktiv.“, endlich steckte sie mir die letzten Haare hoch. Vergnügt legte sie ihre Hände unter meine Haare und stupste sie etwas hoch. „Fertig! Wunderbar!“, freute sie sich. „So kann selbst mit dir jemand auf dem Ball tanzen! Schön!“, plötzlich schmunzelte sie, da sie merkte wie ich mich beschämt zurück hielt. „Oh. Oder hast du etwa schon einen Verehrer? Hmh?“, fragte sie und machte mir Platz zum aufstehen.

Ich zögerte und hielt mein Kleid zögerlich fest. „Ehm... also.. ich weiß nicht..“, stotterte ich und errötete. Ich dachte an Deeon. Doch ich erinnerte mich an seine nette Abweisung. Zu hoffen, dass er meine Liebe erwidern würde, wäre verschwendete Zeit. Das wusste ich. Doch hatte ich es noch nicht ganz verinnerlicht. Ich wusste, dass er mich nie lieben würde. Und ich wusste auch, dass seine heilige Aura mich ihm so ergeben lassen hatte. Und mit diesem Wissen, war es schwer für mich noch zu sagen, dass ich in ihn verliebt war. Doch war ich mir im tiefsten Herzen sicher, dass uns etwas verband. Liebe war es wohl jedoch nicht. Doch nur, weil er sich nicht in mich verlieben würde, hieß das nicht, dass ich ihm dadurch weniger vertraute. Aber es war schwer für mich, an ihn zu denken. Lieber ärgerte ich mich mit anderen Gedanken herum, als mein Herz schmerzen zu lassen, indem ich an Deeon dachte.

Bastet berührte mich fordernd mit ihrem Ellenbogen. „Na los! Erzähl.“

„Ach...“ begann ich, „Ich war in einen Engel verliebt glaube ich..“, schnaubte ich und legte den Kopf schief.

Bastet ging zur Tür. „Oh was?! Ein Gefallener?“, fragte sie überrascht. „Tze! Tut mir leid wenn ich dir das sage, aber anscheinend weißt du ja selber nicht ganz was du fühlen sollst. Ich gebe dir einen Tipp! Vertraue keinen Gefallenen! Es gibt einen Grund, warum sie hier unten festhängen und nicht im Himmel sind! Die sind die aller Hinterlistigsten! Vertraue keinem Gefallenen! Darum sind sie auch nicht auf dem Ball eingeladen! Naja. Und wenn du einem echten Engel begegnest, dann lauf lieber. Haha“, begann sie herum zu albern.

Doch ich verstand nicht, was sie damit meinte und sah sie nur fragend an. Leicht runzelte ich die Augenbrauen.

Doch Bastet lachte. „Haha. Du hast recht. Sagte sie. Du hast dann gar keine Chance mehr zu rennen! Hohoho. Sie würden dich sofort vernichten.“, kicherte sie für sich. Dann legte sie ihre Hand auf den Türknauf und drehte sich noch einmal um. Zwar wusste ich nicht ganz wovon sie sprach, doch wollte ich nicht erneut wie ein dummes, unwissendes Kind erscheinen und ließ ihre Meinung unkommentiert.

„So ein gefallener Engel war Schuld daran, dass der Schattenmann sich mir abgewandt hat.“, sagte sie grimmig und öffnete die Tür.

Ich stand auf und folgte ihr. „Wie? Seid ihr ein Paar gewesen?“, fragte ich erschrocken.

Sie blieb stehen und streifte mit ihrem Finger über die Tür. „Naja. Wir hatten viel Spaß zusammen. Doch dann, blieb er eine Nacht zu viel bei mir und sollte es sofort bereuen. So ein Gefallener hatte ihn beklaut! Und seit dem ist er so... naja.. Du kennst ihn ja.“

Ich wusste nicht, warum mich diese Tatsache so erfasste. Dass Shiro mit Bastet ein Paar war, hatte ich nicht gedacht. Natürlich hatte ich diese und jene Andeutung von ihr mitbekommen, doch er blockte sie immer so kalt ab, dass mir nicht der Gedanke kam, dass beide sich so nahe standen. Dabei hatte sie doch nichts falsch gemacht.

Betroffen blieb ich aber noch stehen. „Hast du ihn geliebt? Und.. und er dich?“, kam es geschockt aus mir. Warum war mir diese Frage so wichtig? Mein Herz klopfte laut, als ich sie fragte.

Sie drehte sich traurig lächelnd zu mir. „Hmh. Ich glaube... er hat mich nie geliebt..“, dann wurde ihr grinsen jedoch breiter. „Dafür haben sich umso mehr unsere Körper geliebt! Hmh. Oh ja! Und irgendwann wird er ganz mir gehören!“, schmunzelte sie überzeugt und ging hinaus.

Wenn das stimmt, was Bastet erzählte, musste es ja heißen, dass Shiro schon einiges an Erfahrung hatte. Plötzlich fiel mir der Kuss ein. Warum zögerte er so, als ich ihm den Kuss erlaubte?

Erst küsste er mich zart, und dann wurde es immer leidenschaftlicher.

Erstarrt blieb ich stehen und lief glühend rot an. Mein Kopf musste wohl dampfen, so beschämt war ich.

Für mich war es der erste Kuss. Und dann hatte er mich mit einem solchen Kuss überrumpelt obwohl das für ihn wohl schon normal war. Ich war wohl in seinen Augen ein dummes, unerfahrenes Küken.

„Was ist los? Komm endlich! Vielleicht sind die anderen schon da!“, meinte Bastet und zeigte mit dem Kopf nach vorn.

Ich sah stur zu Boden um mein glühendes Gesicht zu verdecken. „Eh. Ja! Ja ich komme!“, sagte ich und lief schnell an ihr vorbei.
 

Der Weg zum Ball war unkompliziert und schnell. Glücklicherweise war Bastet oft in den Hallen Renektons und konnte somit eine Hintertür nutzen, um mit mir zum Ball zu gelangen.

Mit einem kleinen Anhänger, den sie an eine kahle Wand drückte, öffnete sich für einen Moment ein Portal. Als es offen stand hörte ich bereits Stimmen und ein Klavierkonzert von der anderen Seite.

„Da kommen wir zum Ball? Ist es dort voll?“

„Ja! Es wird fantastisch! Ich liebe es, wenn nur die Besten, der Besten, die höchsten der Hohen, die einfach fabelhaftesten Dämonen der Welt in einer Feier aufeinander treffen!“

Ich stoppte einen Moment. „Eh was? Sind das.. viele?“

„Natürlich! Und du darfst als kleiner Krümmel, die Welt der wertvollen, großartigen Kuchen sehen! Du musst dich geehrt fühlen!“

Ich fühlte mich mehr überrumpelt als geehrt. Sollte ich wirklich alleine mit Bastet dort hin? Wo war nur Mephisto? Bei ihm fühlte ich mich jetzt noch am wohlsten. Kitsune konnte mir nicht helfen. Deeon würde ja nicht her kommen dürfen und mit Shiro wollte ich lieber nicht alleine sein! Ich wusste nicht ganz, ob ich mich wirklich an Bastet halten konnte und ihr vertrauen sollte. Wollte ich überhaupt noch dort hin? War das nicht alles etwas zu hoch für mich?

„Hab dich nicht so! Los!“, sie stellte sich hinter mich und drückte mich leicht vor. „Los! Ich höre schon das Klavier! Das möchte ich noch mitbekommen!“

Langsam näherte ich mich dem Portal immer mehr. Doch schließlich musste ich hindurch hüpfen und kam auf der anderen Seite mit Bastet an.

Wir standen in einem kleineren, nicht sehr hellen Raum ohne Fenster und blickten direkt auf eine Holztür. Aus dieser drang auch schon ein lautes Gemurmel, sowie die Melodie des Klaviers.

Sofort lief die Schwarzhaarige vor und öffnete die Tür. Ein helles Licht strahlte aufdringlich in den Raum und die Geräusche wurden immer lauter. Es waren jedoch keine angespannten, negativen oder aggressiven Geräusche. Sondern erfreute und harmonische.

Nachdem ich die glücklichen Stimmen und das vergnügte Lachen hörte, beruhigte ich mich etwas. So schlimm würde es schon nicht werden! Ich sollte Spaß haben!

Erleichtert atmete ich tief ein und wieder aus. Dann folgte ich Bastet in den großen Ballsaal.

Als wir durch diese Tür des Nebenzimmers in den riesigen Saal traten, konnte ich nichts anders tun, als staunen.

Es waren so viele Leute auf diesem Ball. Einer schicker gekleidet als der andere. Der Saal war so wunderschön geschmückt mit weißen Schleiern, prachtvollen Blumen und einen wunderschönen mit Diamanten besetzten Kronleuchter der in der Mitte hell erleuchtete.

Das alles war ganz anders als alles, was ich hier in der Dämonenwelt gesehen hatte! Sonst war es düster, gruselig und dreckig! Doch hier war es einfach nur traumhaft schön.

Ich sah mich erstaunt im ganzen Raum um. Ich sah hinauf und drehte mich etwas. Die Decke war so hoch, wie ich es noch nie gesehen hatte. Obwohl so viele Leute hier waren, wirkte es dennoch nicht überfüllt oder eng. Und die Dämonen hier wirkten auch gar nicht unheimlich oder Angst einflößend. Die meisten sahen alle aus wie normale, freundliche Menschen.

Besonders harmonisch wirkte das alles durch diesen himmlischen Klang des Klaviers. Er war beruhigend und schön. In den vorderen Reihen widmete man der Musik mehr Aufmerksamkeit als in dem hinteren Bereich des Saals.

Die ganze Atmosphäre war beeindruckend und traumhaft. Es verschlug mir die Sprache.

Als die Musik immer leiser wurde und schließlich verstummte, bemerkte ich erst, dass Bastet schon viel weiter gelaufen war und in einer angenehmen Menge an Zuhörern vor der Bühne stand.

„Wunderbar!“ „Bezaubernd!“ „Wunderschön!“ Alle die dort standen klatschten und bejubelten dem Pianisten vornehm.

Als ich mich Bastet näherte, um nicht alleine und verloren herumzustehen, sah ich einen eleganten Mann vom Klavier aufstehen. Er nahm nicht die Stufen, um von der Bühne herunter zu gehen, sondern hüpfte direkt hinunter.

„Das hast du wieder richtig gut hinbekommen!“ „Klasse!“ hörte er von allen Seiten.

Er bedankte sich erfreut bei ihnen. Auch Bastet stand dort und überschüttete ihn mit Komplimenten.

Es war ein junger Mann in einem klassischem, edlen Smoking. Er hatte kurzes, zurück gekämmtes, braunes Haar, welches einen dezenten Mittelscheitel erahnen lies und blaue Augen.

Schüchtern trat ich nur langsam an die Gruppe heran und erfreute mich an ihrem Eifer. Ich wollte nicht stören. Immerhin kannte mich keiner. Und mich einfach dazuzustellen, war mir unangenehm. Doch bevor ich mich abseits hinstellen und warten konnte, hörte ich plötzlich meinen Namen.

„Yuki! Komm! Ich will die einige Götter vorstellen!“, sagte Bastet nett und hatte sich zu mir gedreht. Die Personen hinter ihr, blickten mich neugierig an. Noch einmal wedelte Bastet mit ihrer Hand um mich zu sich zu winken.

Einige trugen moderne Kleidung, andere von ihnen traditionelle. Alle jedoch waren sehr elegant.

Ich nickte ihr schüchtern zu und lief zu ihnen. Im Hintergrund begann wieder die Musik.

Noch bevor Batet weiter reden konnte trat der Mann, der das Klavier spielte vor und faste sanft meine Hand.

„Ein neues bezauberndes Gesicht hier. Das freut mich. Mein Name ist Dionysus. Ich plane diese festlichen Angelegenheiten für Renekton.“, sagte er mit sanfter, vornehmer Stimme und küsste meinen Handrücken. „Euch habe ich noch nie hier gesehen! Dieses hübsche Gesicht hätte ich wiedererkannt.“

Ich errötete überrascht. Doch Bastet viel ihm noch ins Wort. „So Yuki. Das da ist meine Kollegin Hathor. Göttin aus Ägypten. Plutos, griechischer Gott. Das sind zwei Musen, Kalliope und Klio. Auch griechische Göttinen. Dann Uzume aus Japan. Anaitis aus Persien. Cai Shen aus China und Ananda aus Indien. Ach und Dionysus ist natürlich auch ein Gott Griechenlands.

Ananda, ein junger, dünner Mann mit blasser Haut und traditioneller Kleidung sah Bastet mit hochgezogener Augenbraue an. „Na, das wäre schön, wenn man uns noch als Götter betrachten würde. Hör auf, das noch ständig zu sagen. Das macht mich nur traurig.“

Kalliope hatte ein Glas in der Hand und begann zu lachen. „Hahaha. Ananda! Du bist ja auch so klein, dass man dich vergessen muss! Musen werden niemals vergessen werden!“

Es begann ein witziges aber angenehmes Gespräch zwischen allen. Mich faszinierte der Gedanke, diese Götter gerade tatsächlich treffen zu dürfen. Sie waren alle so aufgeweckt und freundlich. Anders als die Dämonen, die ich bisher treffen musste. Ihre Freude strahlte auf mich ab. Auch ich begann zu lachen, obwohl ich diese Personen kaum kannte. Sie waren alle so herzlich zu mir. Direkt wurde mir ein Glas gereicht mit einem Getränk darin und man bezog mich ganz mit ein.

Bastet nahm mich seitlich in den Arm. „Wenn du zu mir gehörst, gehörst du auch hier hin!“, sagte sie mir stolz.

Dionysus kam mir plötzlich etwas näher. Er legte seine Hand an mein Kinn und beugte sich zu mir. „Hmh. Wirklich hübsch. Aus welchem Jahrhundert bist du? Kommst du denn von hier? Woher kennt ihr euch?“, fragte er und sah mich innig an.

Vor Scham konnte ich mich nicht bewegen. Doch Bastet klatscht ihm die Hand weg. „Finger weg. Lass das arme kleine Ding mit deinen Spielchen in Ruhe.“, grinste sie ihm entgegen.

Auch er begann zu grinsen. „Hmh. Na gut. Ich war nur neugierig.“, strahlte er mich lieb an.

„Ich bin eigentlich mit dem Schattenmann hier.“, lächelte ich in die Runde.

Plötzlich starrten mich alle überrascht an. Einen kurzen Moment war es still. Hatte ich etwas falsches gesagt?

Plötzlich verbeugte sich Dionysus edel vor mir. „Oh. Entschuldigt, dass ich euch so nahe getreten bin. Ich wusste nicht, dass ihr mit dem Schattenmann hier seid. Ich wollte euch nicht beschämen.“

Klio haute ihm vergnügt gegen die Schulter. „Natürlich wolltest du das! Du willst doch alle um den Finger wickeln!“, lachte sie. Sie war eine etwas kleinere, dunkelhäutige, lockere Frau. Dann sah sie zu mir. „Keine sorge. Wenn er euch nervt, kommt zu mir! Ich halte den Spinner für euch auf!“

Ich hob zurückhaltend die Hände. „Ihr, müsst mich nicht siezen.“, lächelte ich überfordert.

„Na wenn man vom Teufel spricht. Da kommt er.“, sagte Bastet und sah zum Eingang.

Erst schaute ich sie fragend an. Doch dann folgte ich ihrem Blick auf das riesige, pompöse Tor. Unwissend blickte ich umher. Viele drehten sich aufmerksam zu der Person, welche den Saal betrat. Viele Gespräche wurden eingestellt, sodass die Musik lauter wirkte.

Warum waren alle so still?

Immer wieder versuchte ich über die Köpfe der anderen hinwegzusehen. Doch sehen konnte ich nicht mehr als vorher.

Ich flüsterte Bastet zu. „Ist das Shiro?“

Sie nickte. „Alle schauen zu ihm, weil er der stärkste Dämon hier im ganzen Saal ist. Renekton selbst wird ihn gleich empfangen!“, antwortete sie leise zurück und biss sich auf die Lippe.

Eine Gasse wurde für den Schattenmann frei gemacht, bis er in der Mitte des Saals stand. Neben ihm liefen Mephistoteles und Kitsune, welche beide jedoch von ihm weg, zu den anderen am Rand gingen.

Nun konnte auch ich ihn endlich sehen. Er hatte, ähnlich wie Mephisto ein weißes Hemd an, dessen Ärmel jedoch ordentlich hochgekrempelt wurden. Darüber hatte er ein Sakko, welches vorne schwarz und am Rücken braun war. Eine passende Anzughose dazu und statt der sonst alten, ledrigen Stiefel trug er vornehme Lackschuhe. Der oberste Knopf des Hemdes war offen und eine Schleife oder Krawatte trug er nicht.

Wartend legte er seine Hände in die Hosentaschen und schaute mit seiner finsteren Miene auf ein Podest sehr weit oben am Ende des Saales. Dort war noch eine Art Zuschauerraum oder Logenplatz in welchem Renekton sich aufhielt.

Es war, als wären Scheinwerfer auf ihShiro gerichtet und alle starrten ihn an.

„Ist das nicht heiß? Er ist so mächtig!“, sagte Bastet noch leise.

Ich jedoch runzelte die Stirn. In Shiros Gesicht erkannte ich nur wieder diesen kalten, emotionslosen Schattenmann. „Ich finde es eher traurig..“, begegnete ich ihr.

Der Tanz

Alle warteten im riesigen Ballsaal auf das Erscheinen Renektons.

Auch ich blickte erwartungsvoll zwischen, dem im Raum stehenden, Shiro und dem erhöhten Platz, aus welchem Renekton kommen sollte.

Wo hatte ich diesen Namen nur schon mal gehört? Dieser Name wurde schon mal erwähnt. Da fiel es mir ein.

An meinem ersten Tag hier in dieser Welt, kam Kitsune in die Bibliothek und überbrachte Shiro die Nachricht, dass Renekton seine Hilfe bräuchte. Er wurde als Krokodil bezeichnet. Shiro jedoch kümmerte sich erst um mich und meine Sicherheit. Also liefen wir zu Mephisto, der uns das Papier gab, auf welchem wir beide unser Blut drückten, damit Shiros Seele, meine Menschliche Seele verstecken konnte und ich nicht als Mensch erkannt werden sollte. Danach wollten wir weiter gehen zu Renekton. In einer riesigen Halle trafen wir jedoch auf Deeon. Shiro konnte seine Wut wieder nicht unterdrücken, somit kamen wir nie bei Renekton an.

Dass dieses Krokodil eine wichtige Person war, kam mir nicht in den Sinn. Auch nicht, dass Shiro ein so hohes Ansehen hier genießen durfte. Es schien wohl etwas sehr besonderes zu sein, dass Shiro diese Feier besuchte. Und ebenso, war es extrem wichtig, dass Renekton ihn begrüßte. Dazu war es auch noch für alle ein seltenes aber hoch geachtetes Bild, wenn Renekton sich der Masse überhaupt zeigte. Es fühlte sich an wie eine riesige Show, in welcher nur die größten Berühmtheiten auftraten.

War es für mich nicht schon eine Ehre, bei diesen Dämonen zu stehen, welche vor Jahren als mächtige Götter verehrt wurden? Dessen Namen selbst ich aus alten Geschichten und Mythen kannte. Doch ich teilte meine Zeit seit einigen Tagen mit Jemanden, der selbst von diesen Göttern bewundert wurde. Mir war nicht klar, mit welch einer großen Persönlichkeit ich zu tun hatte und wie nahe ich dieser Person stand.
 

Als ich mich noch einmal umsah und die starrenden Blicke der anderen beobachtete, wurde mir klar, wie unbedeutend ich war. Jeder hier in diesem Raum war etwas Besonderes. Jeder hatte etwas erreicht, auch wenn es schon Jahrhunderte in der Vergangenheit lag. Inmitten dieser bedeutsamen Gesellschaft, stand ich als kleiner Mensch, der nur durch einen kleinen Trick dabei sein durfte.

Hatte ich es überhaupt verdient hier zu stehen?

Mein Magen zog sich etwas zusammen. Meine Finger spielten besorgt an meinem Kleid. Bekümmert sah ich nun wieder zu Shiro.

Mit seinem kalten, grimmigen Blick stand er dort und wartete vor allen auf den Empfang.

Plötzlich drehte er seinen Kopf nur leicht zur Seite. Er sah zwischen den Massen, in meine Richtung. Verwundert stand ich stramm und erwiderte den Blick verwundert. Doch sah er wirklich zu mir?

Zwischen all den Besuchern hätte er jeden ansehen können. Er hätte mich gar nicht aus solcher Ferne erkennen können.

Sah er vielleicht zu Bastet?

Mehrmals schwenkte ich meinen Blick zwischen den Beiden hin und her. Ich reagierte nervös und wurde rot.

Was war das? Ich wollte nicht, dass er sie ansieht. Doch ich würde mich für sie freuen. Wieso auch nicht? Es gäbe keinen Grund, wenn sie endlich die Aufmerksamkeit bekommt, für welche sie Kämpft. Es sollte mich doch für sie freuen? Trotzdem bekümmerte es mich. Ich war so verwirrt und biss auf meine Lippe.

Nun begann Shiro amüsiert zu lächeln und sah noch immer in unsere Richtung.

Was brachte ihn so zum Schmunzeln? Die Menge begann zu tuscheln. Ein Lächeln von ihm waren sie nicht gewohnt.

„Hey!“, hörte ich hinter mir die Göttin Hathor zu Bastet flüstern und sah, wie sie ihr auf die Schulter tippte. „Wie hast du das geschafft? Scheint, als hätte er wieder ein Auge auf dich geworfen. Du hast so Glück!“, grinste sie.

Als ich dem Gespräch lauschte, fühlte ich mich immer schlechter. Anscheinend war ihre gemeinsame Vergangenheit nicht unbekannt. Es war unangenehm für mich, hier zu stehen. Je mehr sie sich freuten, desto eher wollte ich hier weg.

„Bastet…“, sagte ich leise und versuchte mit einem schweren Lächeln meinen Unmut zu überspielen. Sie sah mich erfreut und strahlend an. „Ja?“

Dann zeigte ich zur Seite. „Ich werde mal zu Kitsune und Mephisto gehen, ok?“

Sie wedelte mit der Hand und wandte sich sofort wieder Shiro zu. Auch sie hatte seinen Blick in unsere Richtung erkannt. „Jaja, mach das. Wir sehen uns später, Süße.“, sagte sie und richtete ihre Aufmerksamkeit nicht weiter auf mich.

Bedrückt drehte ich mich zur Masse, senkte den Kopf und lief langsam los. Dabei bemerkte ich jedoch nicht, dass Shiro mich mit fragendem Blick beobachtete.

Kurz darauf hörte man plötzlich eine laute Stimme durch den Saal hallen. „Boggart! Butzemann… Baba Yaga… Boogeyman! Tata Duende! Cuca… oder wie dich alle heute ganz einfach nennen: Schattenmann!“, kam es laut von dem Podest.

Erstaunt blieb ich stehen und drehte mich zur Seite. Ich beobachtete neugierig das Podest. Alle blickten gespannt auf, auch die Musik stoppte.

Ein großes, grünes, dickes Wesen stand dort oben und streckte die Arme aus. Er sah aus wie ein Krokodil auf zwei Beinen. Er trug goldene Ketten und Ringe. Dazu eine breite, kurze, weiße Hose und einen Mantel ohne Ärmel, der am Ende etwas eingeschnitten war, damit sein Schwanz hinaus ragen konnte. Seine Schnauze war lang und spitze Zähne konnte man an den Seiten erkennen. Abgesehen von seiner seltsamen Gestalt, wirkte er jedoch gar nicht angsteinflößend wie es ein echtes Krokodil tun würde.

Als nun wirklich alle Renektons Worten lauschten, sprach er weiter. „Es ist mir eine große Freude, dich hier sehen zu dürfen und es ehrt mich zutiefst, dich zu begrüßen! Endlich darf ich mich bei dem stärksten und fleißigsten Dämon erkenntlich zeigen, der für das Fundament meines Anwesens verantwortlich ist! Bitte! Tanz! Genieße das Festmahl! Mit Stolz möchte ich dich hier begrüßen und dich einladen, mit allen Gästen zu feiern!“, sprach er mit lauter, dunkler Stimme.

Die Masse begann zu klatschen und zu applaudieren. Jeder freute sich über diese Ansprache und stimmte seinen Worten zu.

Shiro nickte ihm zu. „Vielen Dank für Euer Wohlwollen. Ebenso bedanke ich mich für Eure Einladung. Ich werde den Abend zufrieden genießen.“, antwortete er nur kurz aber elegant.

Das Krokodil grinste breit. „Gut! Also los, los!“, er klatschte auffordernd in die Hände. „Die Musik soll weiter gehen!“, sprach er zuletzt.

Aus der Bühne spielte das Orchester weiter und die beobachtende Stille verschwand. Die Masse breitete sich wieder aus und Shiro lief langsam auf Kitsune und Mephisto zu.

Ich stand noch entfernt von ihnen. Sollte ich wirklich zu Shiro?

Starr blieb ich erst stehen. Doch sobald sich die Lücke zwischen den Leuten öffnete, sodass ich zu den Dreien hinüber sehen konnte, wandte ich mich ab, ehe Shiro zu mir sehen konnte.

Ich lief einfach weiter ohne zu wissen wohin.

Die Dämonen lachten und tranken. Überall hatten sich kleine Grüppchen gebildet die sich untereinander über die verschiedensten Themen unterhielten. Ich jedoch kannte niemanden. Alleine lief ich zwischen allen herum bis zum anderen Ende des Saals.

So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Warum fühlte ich mich nur so schlecht? Sollte ich mich nicht freuen hier zu sein?

Nachdenklich trottete ich zu einem Bereich, an welchem es ein riesiges Büfett aufgebaut war.

Dieser leckere Geruch überraschte mich. Neugierig folgte ich diesem traumhaften Geruch des Essens, bis zu den langen, aufgebauten Tischen.

Es war schmackhaft aufbereitet. Verschiedene Fleischsorten, nudelähnliche Gerichte sowie Gebäck und Vegetarisches Essen. Nichts von allem erkannte ich wieder. Doch es roch so gut, dass auch ich darüber nachdachte, mir etwas davon zu nehmen. Wo sollte ich nur anfangen?

Ich sah mich mehrmals um und erkannte schließlich eine lange Schlage am Anfang des Büfetts. Diese war jedoch nur so lang, weil eine Person alle aufhielt. Die Wartenden standen hinter ihm und beklagten sich.

Dieser Mann jedoch, wollte sein Spiegelbild in jedem Glas und jedem Löffel, so wie Topf und Kelch, an dem er vorbeiging bewundern.

„Narziss! Das ist echt nicht mehr witzig! Geh endlich!“ „Wie lange dauert das noch?“ „Geht das Mal weiter?“, motzten sie.

Ich stand dort und betrachtete das Geschehen vom Weiten. Egal wohin ich ging, überall waren so viele Leute. Sollte ich mich nun auch dort Anstellen?

Gerade als ich mich am Ende der Schlange anstellen wollte, hörte ich plötzlich eine Stimme hinter mir meinen Namen sagen.

„Yuki.“, sagte Shiro und blieb hinter mir stehen.

Mit großen Augen blieb ich stehen und hielt kurz die Luft an. Dann drehte ich mich um.

„Ah… hey…“, stotterte ich und konnte ihm nicht in die Augen sehen. Warum nicht? Ich schämte mich für den Moment vor der Ansprache. Ich wusste nicht mit meinen Gefühlen umzugehen, als er Bastet ansah. Aber warum?

Langsam ging Shiro auf mich zu. Er hatte noch immer seinen gelassenen Blick aufgelegt, wirkte jedoch entspannt und beruhigt. „Das solltest du nicht essen.“, sagte er als er nun vor mir stand.

„Hmh?“, ich drehte mich zum Büffet. „Was davon?“, fragte ich und versuchte seinem Augenkontakt auszuweichen.

„Alles.“, grinste er jedoch und legte seine Hände in seine Hosentasche. „Das ist dämonisches Essen. Dein Körper würde das nicht überleben. Vieles davon würde dich vergiften oder qualvoll ersticken lassen.“, kam es von ihm.

Ich biss erschrocken die Zähne aufeinander. „Was? Warum weiß ich das erst jetzt? Ich.. ich…“, langsam sah ich zu Boden. „Ich gehöre hier nicht hin. Es.. fühlt sich so falsch an. Ich kenne hier nichts und niemanden. Und eigentlich sollte ich ja nicht Einmal hier sein! Ich weiß, es ist total schön! Und so überwältigend! Und die Musik ist so schön, dass es zu traurig ist, dass ich dazu nicht tanzen kann! Aber ich sollte hier nicht sein..“, unglücklich sah ich herab und griff sorgenvoll in den Stoff meines Kleides.

Ich hoffte, dass er nicht zu wütend mit mir sein würde. Denn auch ich hatte ihn dazu gedrängt, herzukommen. Und nun wollte ich am liebsten wieder gehen.

Einen Moment war es still zwischen uns. Warum sagte er dazu nichts? Wieder mache hier alles kaputt.

Da er nicht antwortete sprach ich schnell weiter. „Entschuldige. Ich werde mal zu Kitsune gehen. Ich will dir deine Laune nicht auch noch verderben. Wir treffen uns dann bestimmt später bei Bastet.“, ungeduldig wollte ich an ihm vorbei laufen. Doch er griff mich am Handgelenk und ließ mich nicht gehen.

Überrascht sah ich zu ihm. Er zog eine Augenbraue hoch und seufzte. „Du bist eine echte Nervensäge.“, meinte er locker mit grinsendem Unterton.

Verwirrt blieb ich stehen und schwieg. Dann drehte er sich um. „Komm mal mit. Ich wollte dir doch noch etwas Schönes zeigen!“, sagte er und lief weiter, ohne mich los zu lassen.

Was wollte er mir zeigen?

Sprachlos folgte ich ihm durch die Massen hindurch und dachte nach. Als wir noch bei mir Zuhause waren, öffnete er ein Portal und sagte mir, dass er mir etwas Schönes zeigen wolle, nachdem wir in seiner Bibliothek waren. Aber was sollte das sein?

Kommentarlos lief er voraus. Er hatte seinen Arm hinter sich und hielt mich sicher. Ich lief ihm im gleichen Schritttempo hinterher und blickte ihn nur von hinten an. Langsam bemerkte ich, wie er mich nicht mehr an meinem Handgelenk packte, sondern sanft meine Hand hielt. Meine Wangen wurden etwas rot, als die Leute für ihn den Weg frei machten und mich im Vorbeigehen anstarrten.

War es mir unangenehm? Oder freute es mich?

Shiro lief abseits der Massen zu einer Tür, die in ein solches Nebenzimmer führte, aus welchem Bastet und ich anfangs herauskamen. Schnell öffnete er die Tür und blieb stehen. „Nach dir.“, sagte er und ließ mir Vortritt.

„Wohin gehen wir denn?“, fragte ich und schaute in den kleinen dunklen Raum. Ich hatte mir schon gedacht, dass er nicht mit mir in dieser kleinen Kammer bleiben würde. Doch wohin wollte er mit mir? Langsam trat ich ein.

Als ich mich umdrehte und ihn ansah, erhaschte ich für einen kurzen Moment einen konzentrierten, wütenden Blick aus seinem Gesicht. Dieser galt nicht mir, denn er hatte sich rasch hinter sich umgesehen und wollte wohl nicht, dass ich dies mitbekomme.

„Was ist los?“, fragte ich unwissend. Doch sein finsterer Blick wurde sofort wieder zur lockeren Miene. Ich erkannte ein sanftes Lächeln an seinen Mundwinkeln und machte mir keine Sorgen mehr.

„Ich sagte doch, ich zeige dir etwas Schönes.“, lächelte er und schloss die Tür.

Nun war es dunkel.

Langsam wurde ich doch nervös. Würde er denn jetzt mit mir woanders hin gehen? Oder bleiben wir etwa hier?! Was wollte er mir denn jetzt genau zeigen? Was wollte er hier in diesem kleinen, dunklen Zimmer alleine mit mir? Meine Gedanken rasten. Mein Kopf wurde rot, mein Hals wurde trocken. Woran dachte ich bloß?

Plötzlich hörte ich ein klatschen aus seinen Händen und ich wurde aus meinen wilden Gedanken herausgerissen. Ich schreckte kurz auf und sah ein Leuchten aus seinen Händen. Er öffnete nur wieder ein Portal.

Erleichtert atmete ich wieder aus. Dann blickte ich in ein dunkles Portal, dessen blaue Ränder die kleine Kammer erhellte.

Noch ein Mal sah ich Shiro fragend an. Ich erkannte nicht, was mich hinter dem Portal erwarten würde. Doch ich vertraute ihm. Er deutete mit seinem Kopf nur auf diesen magischen Kreis vor mir.

Also nickte ich, hob mein Kleid leicht, um mit einem großen Schritt hindurchzugehen.

Auf der anderen Seite war es nicht heller. Doch es war größer und kälter. Wind wehte durch meine Haare und meinem Kleid. Als ich hinauf sah, erstaunte ich. Denn ich schaute in einen wunderschönen, klaren Sternenhimmel. Nachdem ich einige Schritte vor machte, bemerkte ich, dass wir auf einem riesigen Gebäude standen. Im Horizont sah ich eine mit vielen kleinen Lampen erhellte Stadt mit kleinen Häuschen. Mein Herz fühlte sich so frei an. Ich konnte nicht aufhören zu lächeln.

„Wo sind wir?“, fragte ich Shiro freudestrahlend und drehte mich zu ihm. „Es ist so wunderschön!“

Er lief langsam auf mich zu und sah beruhigt mit mir in die Ferne. „Wird sind auf dem Dach des Atriums.“

„Atriums?“

„In der Halle, in der wir uns die ganze Zeit befanden. Ein Atrium. Davon gibt es sieben in Pangäa, passend zu den Kontinenten der Menschenwelt.“

„Was ist Pangäa?“, fragte ich ihn nun wieder und sah zu ihm auf. Er grinste. „Das ist der Name der Dämonenwelt.“

Ich runzelte die Stirn. „Aber. Ich dachte das war die Dämonenwelt? Also dieses Gebäude?! Wo alle ständig herumlaufen und alles so eng beieinander lebt!“

„Nein, nein. Die sieben Atrien sind die wichtigsten Orte für Dämonen in der umliegenden Stadt. Von dort wird alles geregelt! Erst gab es die Städte, später erst wurden die Atrien erschaffen welche die Herzen der Städte sind. Sie gehen nicht in die Breite sondern in die Höhe. Dieses Atrium heißt Mercatura. Es wird von Renekton geleitet und ist für den Handel berüchtigt. Ich lebte damals in einer Stadt, welche für ihre Krieger bekannt ist. Dort steht nun das Atrium Bellum. Und so geht es weiter.“, Shiro rieb sich den Kopf nervös und grinste verlegen. „Hierhin komme ich, wenn ich Ruhe brauche.“

Fassungslos bestaunte ich den Himmel und die Stadt. „Ich hatte ja keine Ahnung! Das ist unglaublich!“ Ich drehte mich wieder zu ihm. „Wenn das hier Renekton gehört, dann hast du ihm ja hierzu-“

„Ein wenig geholfen…“, beendete er meinen Satz.

Ich schaute ihn mit ernstem, aber grinsendem Blick an. „Bastet hat mir erzählt, dass du besser in allem warst als alle anderen. Und Renekton hatte dich in seiner Rede erwähnt. Ich glaube du hast etwas mehr gemacht als nur geholfen.“

Mit einem schelmischen, leisen Lachen stimmte er mir zu. Er war ein großer Dämon mit so viel Kraft. Doch keiner sah seinen Schmerz hinter all dem Erfolg.

Ich verschränkte die Arme etwas ineinander und sah träumend in die Ferne.

Wir schwiegen. Wir wollten die Ruhe genießen. Nur leise hörte man noch die Musik aus dem Portal klingen.

Ich beruhigte mich. Es fühlte sich richtig an, hier zu sein und nicht in dem riesigen Saal zwischen all den Dämonen. Es verwirrte mich, dass ich es genießen wollte mit Shiro alleine zu sein und es mich doch nicht traute. Wir hatten so vieles schon zusammen durchgemacht und ich hatte ihn als eine Art Freund kennen gelernt. Doch nun verstand ich wie andere ihn sahen und welch ein Leben er die ganze Zeit führte.

Ich atmete schwer. „Shiro… ich bin so verwirrt…“, gestand ich ihm ohne ihn anzublicken. „Manchmal weiß ich nicht, ob es ein Geschenk war das alles kennen zu lernen, oder ein Fluch. Ich meine, ich will nicht, sagen dass ihr-“

„Ich verstehe was du meinst. So ging es mir auch.“, unterbrach er mich verständnisvoll und leise.

Verzweifelt seufzte ich und runzelte die Stirn. Immer hastiger begann ich zu reden. „Ich werde hier noch verrückt. Aber ich will hier bleiben! Aber ich habe niemanden mit dem ich reden kann. Die Person der ich mich immer anvertraut habe, hat mir einen ziemlichen Schock verpasst und die Person bei der ich dachte ich wäre ihm wichtig, lässt mich links liegen. Und dann treffe ich auf Leute vor denen ich gar nicht erst erzählen darf, was passiert ist und was ich überhaupt bin! Und dann bist da noch du…“, ich bemerkte, dass er nicht mehr neben mir war und drehte mich verzweifelt um. Er stand hinter mir und sah mich einfach nur an. Kurz blieben mir die Worte weg als ich ihn dort erblickte. Dann sprach ich leise weiter, bemerkend, dass wir uns in diesem Punkt ziemlich ähnelten. „… Dir ging es ganz genau so…“

Unsere Blicke kreuzten sich einen Moment lang schweigend. Es schien mir, als sei er die Person, der ich mich anvertrauen könnte. Die Person, die verstand was ich fühlte. Die Person die diesen Zwiespalt, in dem ich lebte, auch durchlebt hatte. Ein Mensch, der in der Dämonenwelt war.

Nach einer Weile streckte er mir seine Hand lächelnd entgegen. „Tanzt du mit mir?“, ein schiefes lächeln umspielte seine Mundwinkel.

Ich legte meine Hand zurückhaltend vor mich und errötete. „Ich.. ich kann nicht tanzen… das habe ich doch gesagt…“, stotterte ich.

Er trat jedoch an mich heran und sah mir tief in die Augen. Aus dem Saal hörten wir leise eine Ruhige Melodie spielen. Sanft nahm er meine Hand und legte sie an seinen Arm, die andere legte er in seine Hand. Als ich hinunter auf meine Füße blickte, hielt er zart seine Hand unter mein Kinn und hob mein Gesicht in seine Richtung. Dann fasste er mich mit dieser an meiner Hüfte.

„Ich kann das nicht.“, flüsterte ich überfordert, ihm jedoch immer noch in die Augen sehend. Er lächelte. „Ich zeige dir wie das geht.“, antwortete er genau so leise.

Dann begann er mich zu führen. Wir standen uns so nahe, dass ich keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. Ich ließ mich von ihm leiten. Ein leichter, ruhiger Tanz. Da ich nicht mehr denken konnte, ließ ich einfach meine Emotionen arbeiten. Ich bewegte mich nicht mit dem Kopf sondern mit meinem Herzen.

Langsam begannen wir uns immer mehr zu der Musik zu bewegen und schaukelten zur Seite. Aus kleinen zarten Schritten, wurde ein eleganter Tanz. Wir drehten uns langsam, während unsere Füße die Abfolge der Schritte wie von alleine durchspielten. Schließlich ging er einen Schritt zurück, hob seine Hand und ich drehte mich. Es war schön. Es war befreiend. Es war himmlisch. Ich wollte nicht, dass dieses Gefühl aufhörte.

Als wir uns wieder gegenüber standen und weiter Arm in Arm tanzten, während unsere Körper sich immer näher traten, hielt er wieder sanft meine Hand in seiner. Er sah charmant zu mir herab. „Du siehst hübsch aus..“, schmeichelte er mir.

Doch dieses Kompliment zog mich aus meiner Träumerei. Ich blieb plötzlich perplex stehen und sah ihn mit großen Augen und roten Wangen an. Was war los mit ihm? Warum war er so zu mir? Was war überhaupt los mit mir?! Reagierte ich seit dem Kuss so sensibel auf ihn? Oder war seit dem Kuss tatsächlich etwas anders zwischen uns?

Doch was war mit Bastet?

Ich ließ ihn los und trat einen Schritt zurück. „Ich.. ehm.. danke… Bastet hatte mich so schick gemacht, sagte ich und streifte zögerlich meine Haare hinter mein Ohr. „Sie… war ziemlich glücklich also du sie-“

„Ich habe dich angesehen. Nicht sie.“, unterbrach er mich ein weiteres Mal. Noch immer wirkte er ruhig und gelassen und fasste meine Hand.

Ich blickte verwirrt zu ihm hinauf. Sollte ich ihm sagen, was ich dachte? Sollte ich ihm beichten was ich fühlte? „Warum bist du so… Shiro ich weiß nicht was ich…“, während ich ihm meine Gefühle beichten wollte erkannte ich plötzlich jemanden an dem Portal. Ich riss die Augen auf. „Shiro!“, rief ich erschrocken und zeigte hinter ihm.

„Habe… ich euch…“, hörten wir von der Person.

Es war ein Dämonenjunge mit Hörnern. Als ich ihn anstarrte, erkannte ich ihn. Es war der Junge aus der Schule, der Junge, der mir in Mephistos Laden gefolgt war! Doch anstatt eines Tuches vor seinem Mund hatte er nun einen weißen, knochigen Unterkiefer.

„Du schon wieder!!!“, rief ich erstarrt.

Shiro hatte dem Jungen noch den Rücken zugedreht. Doch er begann arrogant zu grinsen. „Ich wusste, dass du kommst! Du wagst es, dich noch ein Mal bei mir blicken zu lassen?“, fragte Shiro und drehte sich langsam um. „War dir deine Dummheit nicht schon eine Lehre genug und ein Kiefer weniger? Und nun verfolgst du mich so auffällig?“

Der Junge ging wütend einen Schritt auf uns zu. „Ich bin nicht wegen.. dir hier!“, antwortete er und kam näher.

Shiro hob schützend den Arm vor mich. „Ich bin gerade nicht in der Laune Blut zu vergießen. Aber wenn du nicht gehst, hast du gleich einen Kopf weniger.“, drohte er dem Jungen.

„Ich will nicht.. kämpfen!“, antwortete der Junge schwer redend. „Ihr müsst hier weg!“, begann er lauter zu werden. Dann kam er weiter auf mich zu.

In seinem verzweifelten Gesicht erkannte ich Demut. Er wollte nicht kämpfen. Er wüsste, dass er einen Kampf nicht gewinnen würde. Aber was wollte er dann?

Ich drückte Shiros Hand herunter und ging auf ihn zu. „Was willst du von mir?“, fragte ich mutig.

Der Junge blieb vor mir stehen. Ich sah Reue in seinen Augen. Aufmerksam beobachtete Shiro ihn grimmig und würde einschreiten, ehe etwas passieren könnte.

„Du… hast mein Leben gerettet… und jetzt will ich dir helfen!“, sprach er weiter.

„Wobei willst du mir denn helfen?“, fragte ich ihn konfus.

Der Junge atmete schwer ein und aus. „Ihr… ihr habt einen Maulwurf in euren Reihen!“

Ich erstarrte erschrocken. „Maulwurf?“

Er sah mir ernst in die Augen. „Ich weiß nicht wer, aber jemand, der euch nahe steht, hat euch verraten!“, er blickte verstört zwischen Shiro und mir hin und her. „Ihr müsst sofort gehen! Lilith wird gleich hier sein!“

Lilith

Shiro und ich blickten den Dämon an, der sich reuevoll zu mir herunter beugte. „Ihr müsst gehen! Vertraut niemanden! Sie… wird euch sonst finden!“, wiederholte er und faste meine Hand flehend.

Plötzlich stellte Shiro sich zwischen ihn und mir und packte ihn fest am Kragen. Er sah ihn wütend an doch sprach langsam und deutlich. „Woher plötzlich dein Sinneswandel?“, fragte er. Dann warf er ihn grob zu Boden. Der Junge schlug auf, hielt sich die Schulter und richtete sich erschrocken zu Shiro.

„Erst willst du meine Seele klauen und mich töten, und nun plötzlich helfen?!“ Aufbrausend hob Shiro seine Hand und ließ seinen Dolch erscheinen. Dann lief er mit langsamen Schritten auf den am Boden liegenden Dämon zu. „Ich habe keine Lust auf Märchen!“, sprach er noch und holte mit seinem Dolch aus.

„Shiro!!!“, rief ich und kniete mich schützend neben den Jungen, welcher sich ängstlich die Hand vor sein Gesicht hielt.

Als ich dort kniete und zu Shiro hinauf sah, erkannte ich nicht nur Wut in seinen Augen, sondern Verzweiflung und Angst. Er biss wütend die Zähne aufeinander und ließ die Hand sinken. „Du glaubst ihm etwa?!“, schrie er mich wutendbrand an. „Warum sollte ich dieser Made Vertrauen schenken?!“

„Shiro..“, begann ich leise.

„Nein! Wenn ich ihn töte, ist es ein Feind weniger!“, brüllte er und wandte sich nervös von uns ab. Er lief einige Schritte zurück und streifte sich durch die Haare. Dann kam er wieder auf uns zu gerannt. „Geh von ihm weg!“, befahl er mir sauer und zeigte von ihm weg. Er war so verwirrt durch seine Wut. Und noch mehr durch seine Angst.

Doch ich sah ihn nur mitfühlend an. Er wirkte nicht mehr locker. Er wirkte nicht mehr arrogant. Er wirkte nicht mehr gelassen. Seine charmante Art war verschwunden. Aus ihm platzte nur noch die pure Verzweiflung, welche sich in brodelnder Wut äußerte. Ich wusste, dass er nicht mehr klar denken konnte. Ich wusste, dass er sich schrecklich vor Lilith fürchtete.

„Shiro! Hör auf! Du bist nicht bei klarem Verstand!“, rief ich verzweifelt.

„Der verspottet mich doch nur! Geh weg! Ich bring ihn um!“, schrie er wieder und holte erneut mit seinem Dolch aus.

Die Luft knisterte. Shiro kam auf uns zu gelaufen. Der Junge riss ängstlich die Augen auf. Shiro würde ihn töten. Er würde ihm keine Zeit für eine Erklärung geben. Mein Herz pochte wild. Meine Hände zitterten. Ich hatte Angst. Nicht vor ihm, jedoch davor, dass er das Falsche tun würde.

Wie nur konnte ich ihn aufhalten?

Ich sah seinen Dolch im Mondlicht aufblitzen. Er schlug zu. „Shiro!“, schrie ich und sprang auf.

Während er gerade zustechen wollte, bewegte ich mich auf Shiro zu. Meine Augen tränten vor Aufregung. Er musste sich beruhigen.

Der Moment dauerte eine Ewigkeit.

Er erschrak als er mich vor sich springen sah. Doch seinen Schlag konnte er nicht stoppen. Verwundert starrte er mich nur an. Er würde mich treffen. Das wusste ich, doch ich wusste auch, dass ich es schaffen würde.

Als die Spitze des Dolches beinahe meine Schulter erreichte, ließ Shiro diesen wieder auf magische Weise verschwinden.

Die Gefahr war weg.

Ich presste mich an ihn und umklammerte ihn mit meinen Armen. „Shiro! Hör auf!“, rief ich und drückte mich fest an seinen Körper. Ich schloss die Augen und umarmte ihn. Ich wusste wie er sich fühlte. Ich wollte ihm zeigen, dass ich ihn verstand. Er sollte wissen, dass er nicht alleine war.

Seine ausholende Hand spürte ich plötzlich sanft an meinem Rücken. Er erwiderte meine Umarmung und drückte mich fest an sich. Sein Körper stand unter Storm. Jeder Muskel war angespannt. Er atmete schwer.

Zuerst verwunderte mich was er tat. Denn trotz seines Wutausbruches hielt er sich zurück und umarmte mich erschöpft. Langsam lehnte ich meinen Kopf an seine Brust. „Shiro… beruhige dich. Ich helfe dir...“, sagte ich ihm leise.

Sein Körper war kalt. Wie immer. Doch sein Innerstes war in Flammen. Kurz darauf spürte ich jedoch, wie sein Atem sich beruhigte. Dann umschlang mich sein anderer Arm. Er drückte mich noch fester an sich.

Überrascht öffnete ich wieder die Augen. Es hatte funktioniert. Doch diese sehnsüchtige Umarmung von ihm, machte ich nachdenklich.

Wieso hatte er sich plötzlich nicht mehr unter Kontrolle? Sonst versuchte er stets seine Sorgen hinter seiner kalten Mine zu verstecken. Lag es daran, dass er so viel Angst vor Lilith hatte?

„Dummkopf… …“, flüsterte Shiro mir kraftlos zu. „… Hätte ich dich wieder getroffen… weißt du doch was passiert wäre…“, sprach er langsam weiter, mit einem ironisch lächelndem Unterton.

„Dann weißt du ja jetzt, dass du auf mich hören solltest, wenn du etwas Dummes tust.“, antwortete ich erleichtert.

Ich erinnerte mich kurz an den Kampf zwischen Deeon und Shiro. An diesem Tag kam ich während des Kampfes zwischen beide. Shiro wollte Deeon hinterrücks attackieren, doch traf dabei mich. Durch unseren Packt, war es ihm jedoch nicht möglich mich zu treffen. Sein Angriff hätte mich getötet, das widersprach unserer Vereinbarung, dass er mich nicht töten wird, solange ich ihm hilfreich sein werde. Ein riesiger Schutzschild schleuderte die Wucht seines Angriffes auf ihn zurück, was mit seiner Bewusstlosigkeit endete.

Das wäre beinahe auch in diesem Moment passiert.

Ich atmete auf. Langsam löste sich unsere Umarmung. Shiro blickte betrübt weg und legte seine Hand vor sein Gesicht. „Entschuldige…“, sagte er und ging einen Schritt zur Seite.

Der Dämonenjunge mit den Hörnern stand wieder vom Boden auf und richtete seine Kleidung. „Ist schon in Ordnung.“, antwortete er.

Shiro starrte ihn sofort mit hassendem Blick an. „Das war nicht an dich gerichtet!“, sprach er sauer und wandte sich von ihm ab. Erschöpft lief er zum Geländer des Daches und hockte sich davor. Er lehnte sich an und blickte entnervt in unsere Richtung. Seine Beine hatte er etwas angezogen und gelassen seine Arme auf seine Knie gelegt. Dann schwieg er.

Beruhigt, dass Shiro sich ausruhte, sah ich zu dem Jungen mit den Hörnern.

„Er hat nicht ganz Unrecht. Warum sollten wir dir vertrauen? Woher weißt du das überhaupt?“, fragte ich und überkreuzte meine Arme.

Der Junge kam etwas zu mir. „Ich sollte mich wohl erst einmal vorstellen. Mein Name ist Deumus. Von den Menschen werde ich jedoch Darius genannt. Seit Jahrhunderten lebe ich nun schon zwischen den Menschen. Die Dämonenwelt wurde mir zu trist. Außerdem ist es hier schwerer an eine leckere Menschenseele zu kommen. Ich bin eher ein Einzelgänger, der versucht einfach nur an sein Essen zu gelangen. Da Schüler ziemlich dumm und naiv sind, ist es an den Schulen natürlich am einfachsten.“, begann er zu erklären und schob seine Brille hoch. Dann trat er einen Schritt vor. „Als du damals meine Hörner sehen konntest, war mir klar, dass ich nicht der einzige Dämon an der Schule war! Und deine Seele sah so schmackhaft aus! Also hatte ich dich beobachtet und- Aua!“, plötzlich schnipste Shiro ihm schmollend ein kleines Steinchen an die Stirn. „Komm zum Punkt!“, motzte er und blieb in der Ferne am Boden sitzen.

Der Junge rieb sich die rote kleine Stelle an seinem Kopf und räusperte sich. „Hmh… Lilith hatte vor Jahrhunderten einen Aufruf für eine Seele geäußert, die sie Verloren hatte. Sie sagte, dass es einen Menschen gibt, der eine Dämonenseele in sich trägt. Als ich kurz davor war dir deine Seele zu entreißen, spürte ich diese zwei Seelen. Doch ich wusste nicht, dass der Schattenmann damit in Verbindung steht! Nachdem ich fliehen konnte, erinnerte ich mich an die Belohnung für den Fund ihrer Seele! Und kümmerte mich sofort um eine Audienz bei der Dämonenfürstin Lilith. Ich wollte nur einen Jahresvorrat an Seelen, gegen die Informationen zu dieser Seele. Natürlich hatte sie mich nur belächelt und mich fortgeschickt. Besonders wegen meines verkrüppelten Aussegens… Sie hat mich nicht ernst genommen. Ich war so wütend. Ich wollte diese Belohnung! Tage lang bat ich um eine weitere Audienz! Und als mich heute niemand bemerkte, versuchte ich in ihre Halle zu gelangen um sie von meinem Wissen zu überzeugen!- AU!!!“, Shiro warf ihm erneut ein Steinchen ins Gesicht. Diesmal jedoch gegen die Wange. Darius stampfte verärgert auf den Boden. „Sag mal, könntest du das mal lassen?!“, beschwerte er sich zickig.

Doch Shiro zeigte ihm wieder drohend seinen Dolch aus der Ferne. Sofort wich Darius zurück. „Argh!“

„Und wie geht es weiter?“, fragte ich und faste ihn am Arm.

Er räusperte sich. „Nun… Als niemand im Vorraum zu ihrer Halle war, und ich eigentlich hinein stürmen wollte, um ihr meine Meinung zu sagen, hörte ich Lilith jedoch lauthals lachen und ich blieb vor der Tür stehen.“

Neugierig sah ich Darius an. Auch Shiro richtete sich etwas auf und horchte.

Der Junge rieb sich Wange und Stirn. „Erst dachte ich, sie hätte mich bemerkt und würde sich über mich lustig machen. Doch sie sprach mit Jemandem. Viel habe ich nicht mitbekommen, doch Lilith sagte, dass sie sich über die guten Neuigkeiten ihrer verschollenen Seele freut; dieser Dämon, mit dem sie sprach gute Arbeit geleistet hatte, indem er irgendwelche Splitter eines Dolches gefunden hatte und er sollte weiterhin das Vertrauen des Jungen mit den zwei Seelen und dessen kleine Menschenfreundin vortäuschen. Zum Schluss sagte sie sowas wie: „Dann werde ich mich mal für die Feier schick machen und meine Seele holen.“ Als ich mich vor beugte um zu sehen, wer vor ihr stand, wurde ich durch die bewegte Tür erkannt und musste schnell verschwinden! Dann hatte ich mich erkundigt, welche Feier sie meinte. Sie wird sicherlich her kommen! Das ist nur eine Falle! Traut niemandem!“, sprach Darius immer ernster.

Ich erstarrte vor Schock. Niemandem vertrauen? Mein Magen schmerze und mir lief ein Schauer über den Rücken. Meine Brust wurde immer schwerer. Mir blieb der Mund offen. Doch ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich sah zu Shiro. Er saß noch immer am Boden und schwieg verdächtig. „Wer sollte uns verraten?“, fragte ich schockiert und leise.

Im nächsten Augenblick begann Darius rückwärts zu laufen. „Also ich haue hier jetzt ab!“, meinte er und richtete noch kurz sein Oberteil. „Wenn Lilith kommt und nur einen kleinsten Verdacht hat, wird sie alles und jeden vernichten wenn sie Lust dazu hat! Und dann will ich nicht hier sein! Luzifer hat ihr alles gegeben was sie wollte. Sie ist nicht aufzuhalten.“, er seufzte ironisch. „Tze. So ist das wenn man einen reichen Daddy hat und Einzelkind ist, was?“, lachte er und lief zum Portal.

„Darius! Warte!“, rief ich ihm noch hinterher.

Er drehte sich ein letztes Mal zu uns um. „Ich danke dir!“, sprach ich dankbar und doch ernst. Durch seinen knochigen Unterkiefer, den er Shiro zu verdanken hatte, erkannte man seine Miene nicht. Doch ich wusste, dass er mir erleichtert zulächelte und zufrieden nickte. „Ich habe dir zu danken..“ Dann sprang er durch das Portal zurück zum Saal und war verschwunden.

Nun stand ich da. Auf dem Dach des Gebäudes. In der Nacht. In der Kälte des Windes. Alleine.

Was sollte ich tun? Was sollten wir tun? Jedenfalls wusste ich, dass wir nicht hier oben bleiben sollten!

Nachdenklich richtete ich mich zu Shiro. Dieser lehnte jedoch unsicher seine Stirn gegen seine Hände und sah besorgt zu Boden. „Shiro…“, begann ich leise und lief auf ihn zu.

Als ich vor ihm stand und mitleidig zu ihm hinunter schaute, machte er jedoch keine Anstalten, zu antworten. Er sah nur herab und hielt sich geschlossen.

Ich hatte das Gefühl, ihn unterstützen zu müssen. Er brauchte meine Hilfe. Was war zu tun?

Ich biss auf meine Lippen. Jedenfalls musste etwas geschehen. Ob die Geschichte von Darius nun stimmen sollte oder nicht. Ich musste einen klaren Kopf bewahren. Ich durfte nicht wieder in Tränen ausbrechen. Egal wie schrecklich diese Geschichte war. Sollte ich ihn auffordern aufzustehen? Sollte ich ihm Mut zureden? Sollte ich ihm Vorwürfe machen, wenn er nichts tun würde? Ich beobachtete ihn.

Shiro schwieg noch immer.

Ich unterdrückte meine Panik und atmete kurz ein und aus. Dann setzte ich mich ganz einfach neben ihn und lehnte mich ebenso wie er, an das Geländer. Mein Kleid breitete sich auf dem Boden aus und ich streckte meine Beine. Dann richtete ich meinen Blick wortlos zum Sternenhimmel.

Wenn man jemanden nicht verärgern will, sollte man sich der Person anpassen. Mit dem Reflektieren dessen Verhaltens kann man nichts falsch machen.

Anstatt Shrio also zu helfen sich aufzuraffen, blieb ich leise und dachte unauffällig nach.

Ich betrachtete die vielen Sterne und versuchte mich abzulenken.

Es war kalt in dieser hohen Luft. Niemand war zu hören. Selbst die Musik aus dem Portal war zu weit weg, um sie noch vernehmen zu können. In der Stadt unter uns, kam kein Ton hier oben an.

Es war einfach nur leise. Hier konnte ich mich langsam beruhigen.

Noch immer schaute ich mir die strahlenden Lichter am Himmel an. „Wenn diese Welt nur von Dämonen erschaffen wurde, hatten sie extra schöne Sterne gemacht? Hatten sie sich Sternenbilder ausgedacht?“, fragte ich gelassen.

Es war noch einen Moment leise.

Dann bemerkte ich im Augenwinkel, wie Shiro mich betrübt ansah. Lächelnd erwiderte ich seinen mürrischen Blick. „Oder weißt du das etwa nicht?“, fragte ich.

Doch Shiro atmete schwer aus und sah wieder weg. Nachdenklich schaute er wieder zu Boden. Eine Zeit lang war es noch leise.

Ich blieb einfach neben ihm sitzen und versuchte die Stimmung nicht noch mehr zu verschlechtern. Also tat ich, als würde ich mir keine Sorgen machen.

Nachdem Shiro, seinem Gesicht nach zu urteilen, jede mögliche Situation im Kopf durchspielte, die uns durch ein Treffen mit Lilith passieren könnte, seufzte er laut. Endlich bewegte er sich.

Dann sah er auf und fuhr durch seine Haare. „Wir müssen gehen.“, erklärte er plötzlich.

Ohne ihn anzublicken nahm ich seine Entscheidung hin. Er hatte sich beruhigt. Ich vertraute ihm. Ich musste stark bleiben. Denn sollte ich ihm nun auch noch Sorgen bereiten, würde ich alles nur noch schlimmer machen.

Nun Stand er entschlossen und doch erzwungen auf und richtete seine Kleidung. „Sollte seine Geschichte wahr sein, müssen wir hier weg. Wir können kein Risiko eingehen.“

„Glaubst du wirklich, dass dich jemand verraten hätte?“, fragte ich sofort und blickte zu ihm auf.

Einen stillen Moment sah er weg. Ich konnte sein Gesicht nicht erkennen. Doch ich bemerkte, dass er sich Sorgen machte.

Auch sein Schweigen war eine Antwort für mich. Also legte ich meine Hand auf das Geländer und zog mich hoch. „Wer.. glaubst du, könnte es sein?“, fragte ich paranoid.

Doch ich wollte meiner Angst nicht glauben. Sofort unterbrach ich mich selber und versuchte bedenklich zu grinsen. „Ach quatsch. Als wenn… dich jemand verraten würde!“, begann ich selber zu argumentieren. „Kitsune ist dein Schützling! Und sie ist süß und lieb! Das würde sie nicht tun. Und Mephisto? Der kennt dich seitdem du in diese Welt kamst! Bastet hat noch zu viele Gefühle von alten Zeiten für dich! Sie würde dir nie wehtun wollen! Und … Deeon…“, sprach ich weiter. Bei dem letzten Namen zuckte Shiro etwas auf. Sollte Deeon ihn verraten haben? Aber dadurch hätte er auch mich in Schwierigkeiten gebracht!

Bevor Shiro lauthals über ihn spotten wollte, um sich nur noch mehr aufzuregen, ging ich schnell einen Schritt vor zu ihm. „Deeon war es nicht! Er beschützt mich! Wenn er dich verraten hätte, hätte er mich auch verraten! Außerdem macht er sich ständig Sorgen um dich!“, meinte ich und faste seinen Arm.

Wütend zog er diesen weg und sah mich an. „Wer soll es sonst gewesen sein?!“, sprach er laut.

Ich wusste, dass er Deeon verdächtigen würde. Doch in meinem Innersten wusste ich, dass wir Deeon vertrauen konnten. Auch wenn er Shiro einst bestohlen hatte. Er kam wieder zurück und half Shiro. Er konnte es nicht gewesen sein. Ich wollte das nicht glauben. Doch wer war es dann? Stimmte die Geschichte von Darius überhaupt? Doch wir konnten keinen Fehler machen. Nicht jetzt.

Ich sah zu Boden und schwieg. Denn ich konnte ihm keine Antwort auf seine Frage geben. Schließlich drehte Shiro mir den Rücken zu und seufzte.

Innerlich zerplatze mein Schädel. Ich wollte losweinen. Ich wollte mir meine Haare raufen und heulen. Ich wollte kreischen. Je länger wir hier standen, desto mehr wurde mir bewusst, wie ernst die Situation war. Doch ich versuchte mich zu zügeln.

Ich wollte ihm nicht auch noch zur Last fallen. Doch konnte ich ihm überhaupt helfen?

War das was ich sagte, nicht vielleicht zu viel? Brachte ihn das nur noch mehr durcheinander? Ich musste mich an ihn halten. Denn sollte diese Geschichte war sein, wäre ein Gespräch mit jeder anderen Person wie ein russisches Roulette.

Also sollte ich ihn nicht zu sehr unter Druck setzen. Ich war von ihm abhängig. Ich saß hier fest.

Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Doch wenn ich nicht sprechen konnte, dann wollte ich ihm wenigstens zeigen, dass ich bei ihm war. Dass ich ihm wirklich vertraute.

Also näherte ich mich ihm zögerlich. Er stand mit dem Rücken zu mir. Langsam faste ich nach seiner Hand. Ich wollte ihn halten. Ich wollte ihm zeigen, dass er nicht alleine war. Ich wollte ihm zeigen, dass auch ich keinen Ausweg wusste, aber nicht aufgeben wollte.

Als ich seine kalte Hand berührte, schreckte er auf und drehte sich mit weiten Augen um.

Überrascht sah ich Tränen in seinen erschrockenen Augen. Doch im nächsten Augenblick hob er plötzlich seine Arme und zog mich zu sich. Er umarmte mich fest.

Perplex starrte ich erst in die Leere, bis ich seine gewohnte Kälte spürte und die Umarmung erwiderte.

Ich grinste ironisch und schloss die Augen. „So aufgewühlt kenne ich dich gar nicht. Du bist doch sonst immer so cool.“, versuchte ich ihn lieb zu necken.

„Yuki…“, antwortete er jedoch ernst. Immer noch drückte er mich an sich. Dann nahm er die Arme herunter, ging etwas zurück und sah nachdenklich zur Seite. Er wollte meinen Blick nicht kreuzen. Er konnte mir nicht in die Augen sehen, als er weiter sprach. „Ich… ich kann das hier nicht.. Ich bin so nicht.. in der Lage.. ich bin… so… durcheinander…“, stotterte er. Ich sah ihn fragend an und schwieg. Ich fühlte wie er. Ich wusste, was er meinte.

Langsam hob er seine Hand und sah diese träumend an. Was wollte er nun tun? Er schwieg. Dann wurde sein verzweifelter Blick immer ernster.

Plötzlich ballte er seine Hand zur Faust, blickte mich entschlossen und mit kaltem, emotionslosem Blick an und faste einen Entschluss. Seine Stimme klang plötzlich nicht mehr so liebevoll und emotional sondern kalt und ernst. „Wir müssen gehen.“, sagte er mir nun deutlich.

Ich erkannte wieder diesen toten Menschen in ihm. Ich sah wieder diesen kalten Dämon in ihm. Wie am ersten Tag unserer Begegnung.

Unwissend sah ich in seine Augen. Was war mit ihm? Wieso war er plötzlich so anders?

Auch wenn er meinen fragenden Blick erkannte, drehte er sich ignorant von mir weg, zurück zum Portal, welches noch immer hinter uns schwebte. „Los.“, meinte er und lief voraus.

Sprachlos sah ich ihm nur hinterher. Er wollte wohl nicht durch das Portal hindurch, sondern ein neues errichten. Das neben ihm zischte. Gerade als er die Hände zusammenklatschte um ein neues Portal zu erschaffen, sah ich plötzlich eine Bewegung in dem schon bestehenden Portal neben ihm.

„Shiro!“, rief ich schnell. Wir sahen beide zum Portal.

„Da seid ihr ja!!! Shiro! Yuki! Was treibt ihr hier?!“, Bastet kam mit einem strengen Ton durch das Portal gehüpft und blieb mit den Händen in der Hüfte stehen. „Los! Kommt zurück! Ihr sollt beide den Ball genießen! Ich will nicht, dass ihr hier seid!“, schnatterte sie und sah zwischen uns hin und her.

Erschrocken sah ich zu Shiro. Mir blieb kurz die Luft weg.

Was sollten wir tun? Zurück zu gehen, wäre ein schlimmer Fehler, wenn Lilth wirklich kommen sollte. Aber konnten wir Bastet davon erzählen? Konnten wir ihr vertrauen? Was wäre, wenn genau sie die Verräterin war? Sollte ich das überhaupt denken?

Erstarrt sah ich zu Shiro. Seinem Verhalten nach hatte er den gleichen Gedankengang wie ich. Doch er blieb ruhig und ließ sich nichts anmerken.

Er lief auf Bastet zu. „Komm.“, sagte er mir rasch und sah mich nur einen kurzen, ernsten Moment an. Er wusste was ich dachte. Ich wusste was er dachte. Doch dann lief er zu Bastet und dem Portal. Er war wieder so emotionslos. Das alles überforderte mich.

Gerade als ich ihm folgen wollte, trat Bastet einen Schritt zu mir. „Geh ruhig vor! Ich wollte sowieso noch kurz mit Yuki sprechen!“, grinste sie Shiro an und ging auf mich zu.

Ihre auffällige Art bemerkte ich sofort. Alles schien gerade für mich wie eine Falle. Als wäre es ein geprobtes Theaterstück.

Ich riss die Augen auf und hielt den Atem an. Da ich zu eingeschüchtert in dem Moment war, mische Shiro sich zu meiner Beruhigung ein.

„Nein.“, antwortete er ihr. „Wir gehen alle! Los!“, befahl er und drehte sich wartend zu uns.

Bastet schmollte beleidigt als sie seine Antwort hörte. Doch fix beugte sie sich zu meinem Ohr. „Ich dachte erst, da läuft was zwischen euch. Aber ich habe mich wohl getäuscht. Du wirst ihn mir doch nicht wegschnappen oder? Kann ich dir vertrauen?“, flüsterte sie mir zu.

Ich begann überrascht zu grinsen und hob die Hände. „Was? Nein nein! Keine Sorge!“, versuchte ich meine Unsicherheit zu überspielen.

Ein genervtes „Los jetzt!“, von Shiro unterbrach jedoch unser Gespräch.

Bastet drehte sich sofort um und zwinkerte mir zu. „Danke.“, lächelte sie und lief zum Portal.

Zuerst ging ich hindurch, danach folgte Bastet und schließlich Shiro. Wir kamen wieder in dem kleinen Raum an, in welchem das Portal stand. Wir waren zurück. Ich war nervös. Immer wieder achtete ich auf Shiros Verhalten. Doch er blieb konzentriert ruhig. Was wird bloß passieren?

„Wir haben uns schon gefragt wo ihr seid. Konnte ja nicht sein, dass der Schattenmann nur so kurz auf dem Ball sein würde und sich dann nicht mal verabschiedet!“, plapperte Bastet und ging zur Tür. Doch gerade als sie diese öffnen wollte, stoppte sie. „Was ist denn da los?“, fragte sie plötzlich und horchte an der Tür. „Warum ist denn alles so leise?“
 

Kurz bevor wir durch das Portal zurück kamen, öffnete sich das Tor der rieseigen Eingangshalle zum Ballsaal.

Die Musik verstummte langsam. Das Gelächter der Masse verging. Die spaßige Atmosphäre wirkte nun bedrückt und unsicher. Die Dämonen und Gäste drehten sich zum Eingang. Sie wirkten erschrocken und starr. Niemand wagte es, weiter zu reden. Denn sie vernahmen Schritte im Eingang.

Es waren langsame, aufrichtige Schritte die mit lautem Schall durch den Saal klangen. Mit Gemach schritten sie in die Mitte des Ballsaals. Ein Schaudern glitt durch die Menge.

Es war eine dünne Frau mit rötlicher Haut und weißen langen Haaren. Zwei schwarze, geschwungene Hörner stachen zwischen ihren hell schimmernden Haaren hervor. Sie blickte entschlossen gerade aus.

Sie trug ausschließlich schwarze Kleidung. Es war eine schwarze enge Bluse mit einem kurzen Blazer. Ihre Hose war nur sehr kurz, doch der Rest ihrer Beine wurde mit knielangen Stiefeln bedeckt. Also schaute nur ein minimaler Teil der Haut ihrer Oberschenkel hervor. Sie wirkte respekteinflößend und mächtig.

Während sie lief, wurde ihr der Weg frei gemacht. Langsam schritt sie voran. Doch in der Mitte des Raumes blieb sie nicht stehen. Sie stolzierte weiter, bis zur Bühne, auf welcher das Klavier stand und die anderen musizierten. Ehrfürchtig senkten alle die Musikinstrumente und liefen mit geneigtem Kopf von der Bühne.

Die Aufmerksamkeit genießend, grinste sie arrogant und lief in selbstverständlicher Ruhe die Treppe hinauf, während die starrenden Blicke der Gäste sie verfolgten.

Nun stand sie dort oben. Sie drehte sich zum Raum. Dann blickte sie sich erst einmal um.

Noch immer war es totenstill im Saal. Niemand wagte sich zu bewegen.

„Hmh…“, lächelte sie hochmütig und schaute elitär zwischen den Dämonen umher. Eine bedrückende Stimmung legte sich auf alle.

Doch sie begann zu kichern. „Hihihi… warum seid ihr denn alle so ernst?!“, fragte sie. Plötzlich hob sie die Arme. „Los! Feiert doch! Ich möchte euch sicherlich nicht vom Feiern abhalten.“, sprach sie mit gestellter, lauter Stimme.

Es war noch immer leise. Skeptisch sahen sie zu ihr auf.

„Lilith! Welche eine Freude!“, hörte man nun jemanden sprechen. Renekton höchstpersönlich trat von seinem Podest herunter und lief auf diese Frau zu. Mit einer erzwungenen, netten und doch bedachter Freude trat er mit positiver Geste an sie heran.

Lilith sah zur Seite zu ihm. Bevor er sie erreichen konnte, zeigte sie jedoch mit dem Finger auf den Boden.

Er blieb zögernd stehen. „Eh..?“

„Runter.“, antwortete sie gelassen auf sein fragendes Gesicht. „Los los. Knie nieder Renekton.“, sprach sie weiter ohne ihn anzusehen.

Das Krokodil biss die Zähne zusammen „J.. jawohl..“, und ging vor ihr auf die Knie.

Eine erschrockene Stille drang durch die Menge.

Doch Lilith wandte sich dem Publikum zu. „Ich suche jemanden!“, sprach sie gelassen und laut und blickte durch den Raum. „Und ich suche etwas, das mir von ihm gestohlen wurde…“, langsam lief sie auf der Bühne hin und her. Renekton kniete mit gesenktem Blick noch immer vor ihr.

„Es ist jemand… der euch wohl sehr bekannt sein sollte. Ich denke die meisten von euch Schwächlingen werden ihn kennen…“, sie legte gespielt ihren Finger vor die Lippen. „Es ist jemand, der mit zwei Dolchen aus gefestigten Engelstränen kämpft…“, sagte sie langsam. Dann wurde ihre Stimme immer schneller. „Naja er kämpft jetzt nur noch mit einem, denn der eine ist zerbrochen.. aber…“, verdächtig drehte sie sich zu Renekton. „Ich wette du kannst mir dabei weiter helfen.“, sagte sie zu ihm. Ertappt versuchte er ihrem Blick zu meiden. Doch mit einer kleinen Handbewegung befahl sie ihm, sich wieder zu erheben.

Renekton grinste skeptisch. „Naja… also Waffen aus Engelstränen sind zwar selten, doch hier im Atrium des Handels bestimmt mehrmals gesehen worden.. Ich weiß nicht..-“

„Ihr nennt ihn Schattenmann!“, unterbrach sie ihn direkt.

Er sah sie schockiert an. Diese Antwort genügte ihr. Sie lächelte und lief mit langsamen Schritten auf ihn zu. „Wo ist er?“, fragte sie arrogant und ruhig.

Doch Renekton schwieg erschrocken und bewegte sich nicht mehr. Sein Atem war schwer. Sein Herz schnell. Plötzlich holte sie mit ihrer Hand aus und verpasste ihm mit dem Handrücken eine Backpfeife. „WO ist ER?!“

Jemand in der Menge kreischte erschrocken auf. Die anderen sahen starr zu, wie dieser leicht aussehende Klaps, Rekenton von der Bühne riss und in die Menge schlug.
 

Shio, Bastet und ich kamen erst im letzten Moment durch das Portal in die Kammer. Gerade als Bastet bemerkte, wie leise es im Saal war, und horchend ihr Ohr an die Tür legen wollte, hörten wir diesen erschrockenen Schrei aus der Menge und Renektons schmerzerfülltes Stöhnen, als er in die Masse fiel.

Wütend drückte Bastet den Henkel der Tür herunter.

„Nein warte!“, versuchte ich sie noch aufzuhalten. Doch es war zu spät.

„Was geht hier vor?!“, schrie Bastet und riss die Tür auf.

Es war ein grausamer Moment. Die Zeit blieb stehen. Lilith schaute zur Seite, direkt zu uns. Sofort erkannte sie mich und sie erkannte Shiro. Als mich ihr Blick traf, fühlte es sich an wie ein Schwert, dass meine Brust durchbohrte. Mir blieb die Luft weg. Mir wurde heiß. Ich konnte mich nicht bewegen.

Ich konnte meine Gedanken nicht mehr ordnen. Alles schien wie ein Albtraum. Eine Gänsehaut überfiel meine Haut. Meine Beine steckten fest. Meine Knie zitterten. Mein Magen drückte sich zusammen. Dieser Blick war mit einem solchen Hass verbunden, der meine Seele beinahe durchbohrte. Es war so schrecklich, als käme sie frisch aus der Hölle.

Es war nur eine kurze Sekunde, welche sich wie eine schreckliche Ewigkeit anfühlte.

Noch während Bastet wütend heraus trat, während die anderen nicht wussten, was gerade geschehen war, während Renekton sich gerade wieder vom Boden aufraffte und während Lilith uns mit einem ertappten Grinsen ansah, spürte ich plötzlich, wie Shiro mich plötzlich packte, und zu sich riss.

Ich wusste nicht was um mich herum geschah. Shiro griff mich plötzlich, hob mich rasend schnell in seine Arme und rannte mit mir zurück zum Portal. Er sprang sofort hindurch und rannte weiter über das Dach des Atriums.

Mein Herz raste. Ich konnte mich nicht bewegen. Meine Muskeln waren alle angespannt. Panisch klammerte ich mich um Shiros Hals. Ich traute mich nicht zurück zu sehen. Ich traute mich jedoch auch nicht, nach vorn zu sehen. Denn Shiro näherte sich rasend dem Geländer des Daches und beabsichtigte nicht langsamer zu werden.

Dann griff er mich fest und sprang.

Atropos

War es real? Passierte das um mich herum gerade wirklich?

Ich wünschte, es wäre nur ein Albtraum gewesen, doch es war die Realität. Ich musste geradewegs in einen tiefen Abgrund starren. Ich biss die Zähne zusammen und riss die Augen ungläubig auf. Unter uns lag erst nur ein schwarzes Nichts. Doch ich wusste, dass baldig der Grund auf uns wartete.

Panisch klammerte ich mich um seinen Hals. „Shiro!!“, kreischte ich zwischen dem peitschenden Wind. „Shiro!!“, wiederholte ich. Doch er blickte nur konzentriert hinunter.

Wir fielen nahe der Mauer hinunter. Shiro hielt mich noch immer fest in seinen Armen. Obwohl alles so schnell geschah, erschien mir der Fall wie eine Ewigkeit. Es war kalt. Es war dunkel. Es war tief. Schließlich hob er eine Hand und ließ seinen Dolch erscheinen. Mit einer schnellen Bewegung, spürte ich durch den Ruck, dass er den Dolch in die Mauer rammte um den Fall zu bremsen und seinen Halt zu stabilisieren.

„Kyaaa!!“, ich schrie schrill, als ich das ruppige Wackeln fühlte und kniff meine Augen zusammen.

Shiro rutschte senkrecht an der Mauer hinunter. Der Wind fegte um unsere Ohren. Mein Kleid sauste im Wind. Meine hochgesteckten Haare öffneten sich. Im Hintergrund hörte ich das ratschende Geräusch, welches von dem Auftreffen des Dolches und der Mauer erklang. Seichte Funken flogen. Und Shiro griff mich noch immer fest, so wie ich mich um seinen Hals klammerte.

Ab einer bestimmten Höhe packte er schließlich den Dolch fester und drückte sich mit seinen Fuß gegen die Mauer. Dann sprang er ab. Ein langer ruhiger Sprung, welcher beinahe einem Gleiten ähnelte. Der Sprung endete direkt in einem hohen Baum, dessen Äste den Fall abfederten. Shiro sprang geschickt einen Ast nach dem anderen hinunter. Dann hörte ich das Aufkommen seiner Schuhe am Boden. Er bewegte sich nicht mehr. Wir waren endlich angekommen.

Noch immer lag ich in seinen Armen. Hatte ich das Atmen vergessen? Oder atmete ich so schnell, dass ich kaum bemerkte, wie erschöpft ich deswegen war? Langsam öffnete ich meine ängstlichen Augen wieder und sah mich um. Ich erkannte den Baum hinter uns, ich erkannte einen Weg neben uns und die riesige Mauer gegenüber des Baumes. Verdutzt klimperte ich etwas mit den Augen. Dann sah ich zu Shiro. Er hatte sich mit erzürntem Blick, ohne schweren Atem dem Dach zugewandt, von welchem wir hinunter gefallen waren.

Erleichtert, diesen Fall überlebt zu haben, atmete ich auf. „Ich lebe noch!“, zitterte meine Stimme fröhlich. Ich wollte mich von seinem Hals lösen. „Mach sowas nicht noch-MAAL!“, noch während ich sprach sprintete er plötzlich wie besessen los.

Sofort krallte ich mich wieder um seinen Hals und drückte mich noch fester als vorher an ihn. Mit erschrockenem Blick nach vorn erkannte ich, wohin er rannte.

Von einem sandigen Pfad, der neben Bäumen und Sträuchern um das Gebäude führte, kamen wir nun auf einen steinigen Weg, welcher direkt vom Gebäude wegführte. An diesem Weg waren an den riesigen Statuen auch große, runde Fackeln aufgestellt worden, welche ein wenig die Umgebung beleuchteten.

Es folgte eine steile Treppe hinunter. Von dort erkannte ich, dass dieser Weg zur kleinen Stadt führte, welche ich zuvor nur von oben sehen konnte.

Rasch übersprang Shiro einige Stufen und rannte in einem gefährlich schnellem Tempo die riesige, lange Treppe hinunter. Es schien alles sauber und gepflegt. Natürlich etwas von der Natur eingeholt, jedoch keineswegs verwest oder kaputt.

Um das Atrium war niemand zu sehen. Auch auf dem Weg oder der Treppe kam uns keiner entgegen. Es war ruhig. Nur die schnellen Schritte hörte man zwischen dem sanften Rascheln der Zweige.

Shiro rannte immer weiter. Zwar war die Stadt schon in Sicht, jedoch noch in Ferne. Während er lief, konnte ich mich etwas beruhigen. Ich schaute hinter uns, wie das riesige Gebäude zur Hälfte hinter der Treppe verschwand und immer mehr durch den Schatten vergraute. Ich sah, wie wir uns immer weiter von dem Gebäude entfernten. Wie wir uns von den anderen entfernten.
 

Diese Frau auf der Bühne, war also Lilith?

Was war nur mit den anderen? Was würde ihnen passieren? Darius erklärte, dass sie alles vernichten wird, was ihr in den Weg kommen sollte. Hatte er da Recht? Seine Warnung vor ihr, war keine Lüge. Aber was war mit der Warnung vor unseren Freunden? Freunde? Konnte ich sie denn so nennen?

Auch wenn ich noch nicht lange dort war, so empfand ich unsere Bekanntschaft trotzdem als Freundschaft. Und um diese sorgte ich mich nun. Wenn selbst Shiro vor ihr weg rennen musste, was sollte nur den anderen passieren? Besonders denen, die Shiro nahe standen?
 

Das Atrium war nun nur noch ein riesiges schwarzes Gebäude in der Ferne; kaum noch zu erkennen. So sollte wohl auch die Gefahr in weite Ferne rücken. Mit nachdenklichem Gesicht, und runzelnder Augenbrauen drehte ich mich vom Atrium weg und schaute herab. Ich lockerte meinen Griff, denn Shiro packte mich sicher, und legte meine äußere Hand nur sanft auf seine Brust, während mein anderer Arm noch an seiner Schulter lag.

Dann sah ich zu Shiro. Wie eine Maschine rannte er einfach weiter. Seinen Blick immer nach vorn gerichtet.

Ich biss mir etwas auf die Lippen. „Shiro…“, begann ich leise. „Wohin… rennst du?“, fragte ich eingeschüchtert.

Doch er wandte sich mir weder zu, noch antwortete er mir. Ich war mir sogar sicher, dass er mich nicht einmal hörte.

Also biss ich mir weiter auf die Lippe und drehte mich nach vorn. Die Stadt war schon kurz vor uns. Sie bestand aus orientalisch und asiatisch gebauten Häusern. Landhäuser aus unbearbeitetem Holz oder Bambus und geflochtenem Stroh. Lampions hingen an kleinen Seilen über den Wegen. Kleine Gärten mit Skulpturen und Gewächsen waren immer wieder zu sehen. Besonders oft waren die Dächer geschwungen und hölzern. Ein kleiner mit altertümlichen Schiebetüren ausgestatteter, dem Engawa zwischen Haus und Garten bestehender und mit weißem Stein umzäunter Tempel stand in der Mitte der Stadt und ragte etwas hervor.

Ab der Stadt schien es etwas lebendiger. Durch die vorangeschrittene nächtliche Zeit, waren es jedoch nur wenige vereinzelte Wesen, die durch die kleinen Straßen liefen.

Jene, die uns entgegen kamen, blickten uns erschrocken nach, andere konnten uns jedoch kaum in der Schnelle bemerken. Der Wind beruhigte sich in diesem Ort. Und hier schien es sicherer. Doch Shiro rannte weiter.

Wohin wollte er nur? Langsam nahm ich meinen Arm von seiner Schulter und lehnte meinen Kopf erschöpft an seinen Körper. Mit meiner Hand an seiner Brust griff ich besorgt in den Stoff seines Hemdes. „Shiro… wohin gehst du mit mir..?“, fragte ich erneut.

Doch er schwieg noch immer. Es würde wohl einen Grund haben, weshalb er nicht mit mir reden wollte. War er sauer auf mich? Meine beste Entscheidung dazu war wohl das Schweigen, denn antworten würde er mir sicher nicht.

Also seufzte ich müde, lehnte mich an Shiros Körper, umklammerte meine Arme und wartete. Meinen Kopf hatte ich erschöpft herab gerichtet. Durch das gleichmäßige Schaukeln und dem sanften Wind wurden meine Augen immer schwerer. Schließlich lockerten sich meine verkrampften Muskeln und ich versuchte die Ruhe und das sanfte Mondlicht zu genießen. Denn so lange Shiro bei mir war, war ich mir sicher, dass mir nichts passieren konnte.

So beruhigte ich meine Gedanken, bis ich mich langsam in einem leichten Schlaf verlor.
 

Die Zeit verging schneller. Es war kalt. Shiros Arme um mich waren kühl. Sein Körper an welchen ich mich lehnte war eisig. Der Nachtwind der durch mein Kleid drang ließen meine Knochen zittern. Mein Körper fror so sehr, dass meine Lippen trocken und meine Wangen rot wurden.

Nach einer gefühlten Stunde Schlaf und einigen Kilometern hinter uns, weckte mich nicht die ungemütliche Haltung oder das nicht endende Wackeln, sondern der immer langsamer werdende Gang.

Als ich schwach meine Augen öffnete, fand ich mich in einer unbekannten Umgebung wieder. Ich sah mich nur leicht mit den Augen bewegend und an Shiros Körper kuschelnd um. Wir waren ausschließlich von riesigen dichten Bäumen umgeben, welche weit in die Höhe ragten und nur wenige Blicke zwischen den Baumkronen in den Sternenhimmel ermöglichten.

Ein wunderschöner See erstreckte sich neben uns in die Länge. Die sanften Strahlen des Mondlichts spiegelten die Wasseroberfläche wieder und reflektierten die weichen Wellen in einem spielenden Blau. Um uns schwirrten winzige, golden leuchtende Lichtkugeln, welche Glühwürmchen auf eine unnatürlich helle und elegante Weise ähnelten.

Als Shiro bemerkte, dass ich wach wurde, blieb er schließlich stehen. „Du bist wach?“, fragte er leise.

Mit schwerem Kopf sah ich zu ihm auf. „Es ist so kalt…“, zitterte meine Stimme müde.

Shiro seufzte. Statt mich aufrecht abzustellen, kniete er sich vorsichtig hin und setze mich auf dem mit Moos und Gras bedeckten, weichen Boden ab.

Meine Finger waren beinahe taub und meine Gelenke schmerzten. Auch meine Beine waren beinahe eingefroren. „Brr… Kalt…“, jammerte ich leise und atmete in meine hol geformten Fäuste um mich zu wärmen. Dabei sah ich mich wieder etwas um und bestaunte gefesselt die Umgebung. Ich kniete mich hin und lehnte mich neugierig über den See. Durch das klare Wasser konnte man bis zum Boden blicken. Einige weiße Fische schwammen darin, welche die Ferne suchten, sobald ich mich ihnen näherte. Ebenso ragten seltsame, doch wunderschöne Pflanzen und Blüten aus dem Wasser hervor. Sie leuchteten und schimmerten in dezenten, hellen Farbtönen. Doch mir wurde so kalt, dass ich mich wieder zitternd hinsetzte und meine Arme verschränkte. Trotz der schmerzenden Kälte genoss ich die zauberhafte Atmosphäre. Ich sah in die Bäume. Ich sah in das Wasser. Ich sah in das Gras. Ich sah in die Blumen. Ich sah in den Himmel. Doch als ich mich Shiro wieder zudrehte, bemerkte ich erst, dass er aufgestanden war und von mir wegging. „Hey! Was tust du?“, meinte ich sofort und schaute ihm hinterher.

„Du bist doch am jammern!“, antwortete er mir gelassen und lief weiter.

Ich wollte nicht alleine sein. Wollte er mich etwa hier zurücklassen? Nein. Oder?

Aufstehen erschien mir gerade zu anspruchsvoll. Also rief ich weiter. „Warte! Was machst du!? Lass mich nicht hier liegen! Shiro!“ Einerseits wollte ich nicht zeigen, dass ich Angst ohne ihn hatte, andererseits wollte ich aber auch nicht, dass er weg geht. Doch er entfernte sich weiter von mir.

Ich griff mit meinen Händen in das Gras. „Bleib bei mir…“, flüsterte ich mir zu, in der Hoffnung, dass er das nicht hören, mir dennoch diesen Wunsch erfüllen würde.

Doch dann blieb er plötzlich stehen. Ich erschreckte mit roten Wangen als er sich zu mir umdrehte. Hatte er das etwa gehört? Ich biss die Zähne überrascht aufeinander und sah ihn schweigend mit großen Augen an.

„Ich besorge alles für ein Feuer, bevor du erfrierst. Du besitzt kaum noch Energie und deine Lippen färben sich schon blau. Ich bleibe in der Nähe. Bleib sitzen. Du musst deine Kraft sparen.“, kam es gelassen von ihm, bevor er sich wieder von mir weg drehte und weiter lief.

Seine Stimme beruhigte mich. Endlich redete er wieder mit mir, wenn auch etwas angespannt. Ich nahm seine Antwort so hin und ließ ihn weiter gehen.

Als er schließlich aus meinem Blickfeld verschwand, wurde ich doch etwas nervös.

Ich zog meine Knie an, umklammerte diese und wippte etwas vor und zurück. Nachdenklich schaute ich auf den Boden vor meinen Füßen. Ich hoffte, dass er bald wieder zurück kommen würde und spielte etwas mit dem Stoff meines Kleides.

Plötzlich sah ich ein gelbes Licht, dass sich mir näherte. Als ich verwundert aufsah, schaute ich direkt auf eines der kleinen, schwebenden, leuchtenden Kugeln. Neugierig schwebte es auf mich zu.

So wie es mich beobachtete, so begutachtete auch ich dieses Wesen. Es flog ganz langsam. Lächelnd hob ich meine Hand um es auf dieser landen zu lassen.

Als es mir dann so nahe war, dass ich den Körper des Wesens erkannte, erstaunte ich glücklich. Denn es sah aus wie eine winzige Fee. Sie hatte einen dünnen Körper und eine schimmernde Haut. Sie war komplett gelb, trug keine Kleidung und ihre Flügel glitzerten golden. Zwar sprach es nicht, doch es fiepte mir kichernd zu.

„Hallo du.“, erwiderte ich glücklich und sah, wie sie auf meiner Hand landete. Elegant begann sie zu tanzen und wunderschön mit ihren Flügeln zu schlagen. Entzückt beobachtete ich sie, ohne zu merken, wie Shiro schon neben mir stand. Erst als er das Gesammelte zu Boden warf, zuckte ich erschrocken zusammen und auch die Fee floh rasch.

„Ah! Mano!“, nörgelte ich und drehte mich zu ihm.

Er kniete sich neben mich an einen breiten, flachen Stein. Dort legte er mit dünnen Ästen in zwei Schichten einen hölzernen Boden. Darauf drapierte er dann den Zunder, welcher aus Blumen, Blättern und Kleinzeug aus dem Wald bestand und darüber legte er aufgereiht, breiteres Holz womit es wie eine perfekte Feuerstelle aussah. „Diese Viecher sind kleine Walddämonen. Irrlichter nennt man sie. Sie haben entschieden, sich für die Natur einzusetzen. Können extrem nerven, doch anscheinend mögen sie dich.“, sprach er währenddessen. Am Ende nahm er noch zwei Äste und rieb den einen mit drehender Bewegung über den anderen.

Erstaunt, wie professionell seine Arbeit aussah, sah ich ihm interessiert zu. „Woher.. kannst du das..?“, fragte ich.

Neben dem Versuch ein Feuer zu entfachen, sah er mich nur stur an und drehte weiter am Holz. „Das habe ich als Kind gelernt.“, erwiderte er nur und versuchte eine Glut zu entfachen. Vergebens. Er drehte und doch geschah nichts. Wütend biss er die Zähne aufeinander. „Blödes Drecksteil..!“, motzte er leise.

Ich hielt meine Hände an meinen Schultern und versuchte mich etwas warm zu halten. „Warum nutzt du keine Magie oder sowas?“

Ein weiteres Mal kam mir sein genervter Blick entgegen. Dann wandte er sich wieder dem Holz. „Da Lilith jetzt meine Kraft erkennt, würde sie uns schneller finden, sollte ich diese erneut benutzen. Sie würde uns so folgen können oder sogar sofort aufspüren.“, erklärte er ernst, ohne mich anzusehen. „Das bedeutet: keine Kräfte einsetzen, bis wir in einer sicheren Entfernung sind.“, sich von dem Holz provozieren lassend, biss er die Zähne aufeinander und drehte es schneller. „Grr.. Dieses scheiß Teil. Warum geht das nicht?!“

Amüsiert sein Scheitern anzusehen ließ mich vergessen, in welcher Situation wir eigentlich steckten. In vollkommener Sicherheit waren wir wohl noch nicht, jedoch in einer solchen Sicherheit, dass wir uns eine Rast erlauben durften. Ich war müde. Doch gerade glücklich, hier zu sein.

Als ich Shiro beobachtete, bemerkte ich, wie er meinen Blicken auswich. Auch das ließ mich schmunzeln. Denn der sonst alles könnende und starke Dämon schaffte es nicht ohne Magie, dieses Feuer zu entzünden. Und doch gab er sich solche Mühe. „Hmh..“, ich lächelte.

Shiro hob eine Augenbraue und sah mich an. „Was?“

„Danke.“, begann ich, „Danke, dass du mich gerettet hast… und dir so viel Mühe gibst.“

Er blickte mich erst überrascht an. Plötzlich zerbrach dabei den Stock. Seine Unruhe überdeckend schaute er genervt auf das kaputte Holz, nahm ein neues und wandte sich sofort wieder von mir ab. „Ich muss den Teil meiner Seele in dir beschützen. Außerdem bist du klein und schwach.“, begegnete er mir stur und versuchte weiter das Feuer zu entzünden. Diese Art kannte ich jedoch schon von ihm. Jedes Mal, wenn er seinen sturen, genervten und arroganten Ton anfing, versuchte er etwas zu verheimlichen. Doch was war es? War es die Angst vor Lilith? War es seine angeschlagene Kraft durch das viele Rennen? Oder noch etwas ganz anderes?

Ohne mir seine schlechte Laune zu Herzen zu nehmen legte ich meinen Kopf in meine Arme und lehnte mich beruhigt auf meine Knie. Zitternd kuschelte ich mich in mein Kleid. Ein kalter schauer durchfuhr plötzlich meinen Körper. „Brr…“, kam es automatisch aus meinem Mund und ich rieb meine freien Schultern.

„Brauchst du für die Zwischenzeit mein Hemd?“, fragte Shiro mich und begann sofort seine Anzugweste zu öffnen.

Ich wich erschrocken zurück. „Was?!“, fragte ich laut. „Was nein! Nein! Also. Das geht nicht!“, und schüttelte meinen Kopf.

„Wieso nicht?“

„Weil du das tragen musst!“

Er blickte mich gelangweilt an. „Falls es dir noch nicht aufgefallen sein sollte, mein Körper ist generell kalt. Kälter kann mir nicht werden.“

Mein Gesicht musste rot wie eine Tomate gewesen sein. Beschämt mir seinen freien Oberkörper gerade vorzustellen ließ mich stottern. „Nein!!! Nein! Das geht nicht!“, meinte ich mit pochendem Herzen.

„Dann hör auf zu jammern!“

„Ich jammer doch gar nicht! Außerdem finde ich, dass ich mich sogar echt gut zusammenreiße!“

„Sei ruhig.“

„Nein ehrlich! Ich bin total stolz, dass ich-“

„Ruhe!“, unterbrach Shiro mich ernst und hielt mir plötzlich seine Hand auf meinen Mund. Verdattert sah ich ihn an. Er drehte sich angespannt hinter uns und blickte zwischen die Bäume. Vorsichtig ließ er das Holz in seiner Hand fallen und griff seinen Dolch, welchen er an seinem Hosenbund befestigt hatte. Den Blick aufmerksam wie ein Wolf auf seine Beute gerichtet, stand er langsam auf.

Mein Atem blieb stehen. Ich wollte wissen, was er hinter uns bemerkt hatte, doch ich traute mich nicht zu sprechen. Wie versteinert schaute ich ihm nach.

Er machte achtsam einen Schritt nach dem anderen, den Dolch angespannt hinter seinem Rücken versteckend.

War es Lilith? Hatte sie uns verfolgen können? Wie konnte das sein? Wir waren doch so weit geflohen?

Aufgewühlt kniete ich mich hin, um schnellstmöglich in der Lage zu sein, zu fliehen wenn es sein musste. Auch wenn meine Gelenke sich nur schmerzhaft bewegen ließen, so war es mir wichtig, auf alles gefasst zu sein.

Plötzlich sah ich es zwischen den Ästen und Sträuchern rascheln und wich panisch zurück. Dort war jemand!

Ich sah Shiro erwartungsvoll an. Doch er stellte sich nun wieder aufrecht hin und nahm eine lockere Haltung an. „Komm raus.“, sprach er gelassen in den Wald hinein.

Langsam erschien die Silhouette einer Person zwischen den Baumstämmen. Dann trat diese hervor. Erst lief sie mit einem Stock voraus, dann folgte der alte, gebuckelte Körper einer ergrauten Dame. „Bei Artemis Bogen! Was machen denn zwei so junge Blüten hier im Wald während dieser kalten Nacht?“, fragte sie und trat vor.

Shiro verschränkte die Arme ineinander, den Dolch jedoch immer noch gegriffen. „Diese Frage richtige ich auch an euch, Großmütterchen.“, entgegnete er ihr.

Sie lächelte lieb und lehnte sich mit beiden Armen auf ihren Stock. „Unsere Irrlichter sind weggeflogen. Ich hatte gehofft, sie hier zu finden.“

„Ihr sammelt Irrlichter?!“, fragte Shiro ernst.

„Nein, nein junger Mann. Sie leben auf meinem Hof. Dämonen reisen oft her um sie zu fangen, wegen ihres Lichtes und ihrer Seltenheit. Wir beschützen sie. Nur manchmal fliegen sie einfach weg, weil sie so neugierig sind.“, antwortete sie mit ihrer zittrigen Stimme und hob lehrend den Finger. „Und als ich ein Mädchen hier rufen hörte, bemerkte ich, dass viele Irrlichter verschwunden waren. Da musste ich nachsehen, was mit ihnen ist. Es scheint aber alles in bester Ordnung zu sein. Doch es tut mir leid, dass ich eure schöne gemeinsame Nacht zu zweit nun so ruiniert habe. Ich-“

Perplex stand ich schnell auf und wedelte mit meinen Händen. „Sie haben nicht gestört! Wir sind… auf der Durchreise.“, unterbrach ich sie und lief auf beide zu. Mit zitterndem Körper stellte ich mich zu Shiro.

Die alte, faltige Frau sah mich mit stutzigem Gesicht an. „Ist euch nicht kalt? Es ist eine eisige Nacht! Wie ich sehe wolltet ihr ein Feuer anzünden? Das wird euch in diesem Wald nicht gelingen. Die Irrlichter beschützen diesen Wald. Und Feuer lassen sie hier nicht zu.“, dann drehte die Dame sich und zeigte mit ihrem Stock hinter sich. „Möchtet ihr die Nacht nicht lieber im Warmen verbringen? Wenn ihr möchtet, könnten wir euch noch ein kleines Zimmer geben!“, bot sie uns an.

Ich drehte mich zu Shiro. Diese Angelegenheit konnte ich nicht entscheiden. Mir war hier alles unbekannt, darum sollte er besser wissen, was zu tun war, auch wenn ich dieses Angebot sofort annehmen wollte.

Mürrisch sah er weg. Dann schaute er mich mit dem gleichen genervten und konzentrierten Blick an. Er sah wie ich zitterte. Er sah meine roten Wangen und meine kalte rote Nase. Er wollte das Angebot nicht annehmen. Weil er niemandem vertraute und besonders wegen seines Egos. Sollten wir der alten Frau denn vertrauen? Doch wir waren schon so weit geflohen. Es konnte unmöglich sein, dass diese Frau ein Anhänger Lilith ist, der uns suchte. Doch seine Meinung war mir wichtig.

Dann seufzte Shiro. „Ich denke.. eine Nacht in der Wärme wäre sicher nicht verkehrt.“

Auf seine Antwort musste ich lächeln. Zwar tat er es ungerne, doch er nahm Hilfe an. Außerdem bedeutete es Sicherheit und, dass ich endlich nicht mehr frieren musste.

Die Frau drehte sich direkt wieder um. „Na dann folgt mir mal. Mir wird auch schon kalt.“, meinte sie und trottete mit langsamen Schritten zwischen den Bäumen voraus.

Erfreut hob ich ein wenig mein Kleid vom Boden und lief ihr hinterher. „Vielen lieben Dank!“, sagte ich laut und erleichtert, „Das ist wirklich nett von ihnen!“

„Ach du bist so ein junges Ding. Ich möchte ja nicht, dass du hier erfrierst. Und deinem Freund wird mit Sicherheit auch kalt sein. Er möchte es nur nicht zugeben. So sind Kerle nun Mal.“

Ich grinste amüsiert nach dieser Aussage. Denn Shiro fühlte sich dadurch angegriffen. „Ihr wisst wohl nicht, mit wem ihr redet, Großmütterchen.“, meinte er arrogant und stiefelte uns hinterher.

Während des Laufens, drehte sie sich etwas zurück und blickte uns mit hochgezogener Augenbraue an. „Nun ja. Ihr seht aus, als wäre eure Durchreise spontan gewesen. Ich denke ich spreche hier mit zwei jungen, naiven oder unerfahrenen Blümchen, die vor etwas wegrennen.“

Geschockt blieb ich kurz stehen. „Was? Wie.. kommen sie darauf?“

„Na eure Kleidung verrät es mir. Diese teure Kleidung ist wirklich bezaubernd und dennoch verschmutzt ihr sie so. Ihr wisst wohl nicht, wie viel andere für so etwas arbeiten müssen. Und da ihr nicht auf diese Kälte vorbereitet seid zeigt, dass ihr spontan losgezogen seid. Vielleicht rennt ihr vor Verantwortung weg? Naja. Das kann mir ja auch egal sein. Ich halte nicht viel von diesen überstürzten Handlungen, aber so sind die jungen Leute heute.“

Shrio biss verärgert die Zähne aufeinander. Diese stichelnden Kommentare machten ihn wütend. Doch er versuchte sich zurück zu halten. Immerhin sollte er nicht auffallen und da war es besser, wenn man denkt, er sei ein schwacher, junger, naiver Dämon, statt zu wissen, dass er einer der stärksten und mächtigsten Dämonen war, der sich all das Jahrhunderte lang erarbeitet hatte. Da sie ihn nicht erkannte dachte ich mir, dass es hier sicher sein musste.

Ich belächelte ihre Aussagen amüsiert, da mich belustigte, dass Shiro sich über jeden Satz aufregen würde, er es aber nicht zeigen durfte.

Mit zusammengebissenen Zähnen und zuckendem Auge lief er hinter uns her. „Wie war denn gleich euer Name, altes Weib?“

„Ich? Mein Name ist Atropos! Ihr seid bestimmt zu jung, als dass ihr schon von mir gehört hattet. Doch ich arbeitete damals mit den bedeutendsten Göttern zusammen! Mit meinen zwei Schwestern… aber das ist schon lange her. Also junger Mann. Respekt vor den Alten haben! Hehehe…“, kicherte sie frech wie eine alte Hexe. Dann hob sie ihren Stock. „Da sind wir schon!“, sagte sie laut und deutete auf ein Häuschen aus Holz. Es wurde nur mit einer kleinen Fackel beleuchtet. Zwar erkannte man einen Hof vor dem Haus und ein weiteres, größeres Haus gegenüber des ersten, doch es war zu dunkel um mehr zu sehen.

Wir stiegen über ein paar hölzerne Stufen und standen schon vor der Tür des kleinen Häuschens.

Shiro schaute sich angespannt um. „Wer lebt noch hier?“, fragte er ernst.

„Nur meine zwei Helfer. Eine alte Dame kann doch nicht alleine im Wald überleben. Pa.“, antwortete Atropos und öffnete die knarrende Tür. Dann trat sie als erste ein und lief mit ihrem humpelnden Bein und ihrem krummen Stock voraus. Doch Shiro blieb erst noch stehen. „Was ist?“, fragte ich leise.

Doch er schüttelte den Kopf. „Schon gut.“, sagte er und schaute noch immer in die Ferne.

Ich faste ihn am Arm. „Komm. Endlich geht’s ins Warme!“, lächelte ich ihn an und deutete auf das Häuschen.

„Hmh..“, willigte er mürrisch ein und ging mit mir zusammen hinein.

Im Raum war es bereits sehr viel wärmer. Es war alles sehr rustikal und hölzern doch robust und gemütlich. Es war nur ein kleiner Raum. Viel zu sehen war bei dieser Dunkelheit nicht. Es standen nur ein kleiner Tisch mit Stühlen und einige Schränke in dem Haus. Es stand auch eine große Spindel an der Wand neben dem Tisch. Nur schwer konnte ich mich umsehen. Doch im nächsten Moment hörte man ein kleines Feuer fackeln und sah ein Licht brennen.

Die alte Frau stand an einem Kamin am Ende des Zimmers und hatte diesen bereits angezündet. Das Feuer begann sofort hell und warm zu brennen. Dann zeigte sie auf eine kleine Truhe neben uns. „Dort sind Decken. Bedient euch! Wenn ihr zwei davon auf den Boden legt, ist es auch gleich nicht mehr so hart. Ich werde nun schlafen!“, sagte sie und lief wieder an uns vorbei.

„Vielen Dank nochmal! Sie helfen uns wirklich sehr damit!“, bedankte ich mich ein weiteres mal.

„Meine Liebe, schlaft gut. Ich helfe gerne. Nun, gute Nacht!“, lächelte sie mich mit ihrem faltigen Gesicht an und packte mit der Hand den Türgriff. Doch bevor sie diese wieder öffnete um heraus zu gehen, hob sie noch einmal den Finger. Sie kniff ein Auge streng zu und sah besonders ernst Shiro an. „Dass mir hier nichts geklaut wird! Ich bemerke alles!“

Ich trat grinsend zwischen beide. „Machen sie sich keine Sorgen! Wir werden hier übernachten und morgen sofort weg sein. Wir werden nichts anrühren. Und sie werden nie merken, dass wir hier waren.“, besänftigte ich sie.

Atropos öffnete ihre winzigen Augen überrascht und sah mich an. Dann breiteten sich wieder ihre Mundwinkel. „Haha. Nun gut! Schlaft gut!“, rief sie uns noch beruhigt zu, als sie aus dem Raum lief und wieder die Tür schloss.

Nun war es endlich ruhig.

„Uff…“, stieß ich aus, stellte mich locker hin und ließ die Schultern hängen.

„Die Alte sollte lieber aufpassen, dass ich sie nicht in der Nacht erwürge!“, motzte Shiro leise und sah zur Tür.

Ich belächelte seinen ernsten Ton und ging zum Feuer. „Hmh.. ist das schön warm.“, hielt ich den Flammen meine Hände entgegen. „Shiro. Sei nicht so wütend. Gib alten Frauen einfach Recht, dann sind sie zufrieden.“, kicherte ich.

Verärgert öffnete Shiro die Truhe neben der Tür und holte drei zusammengefaltete Decken heraus. Dann ging er auf mich zu und breitete zwei davon auf dem Boden aus. Sie waren sehr lang und breit. „Wenn die wüsste…“, fauchte er leise und murmelte vor sich hin. „Diese blöden Moiren denken, sie wüssten alles besser. Und sie ist auch noch die älteste der drei Schwestern. Tze..“, maulte er und setzte sich im Schneidersitz auf die Decken vor dem Feuer. Mit verschränkten Armen saß er nun dort und grübelte vor sich hin.

„Moiren?“, fragte ich und hob mein Kleid etwas. Dann setzte ich mich neben ihn.

„Schicksalsgöttinnen. Ist eine lange Geschichte. Schlaf jetzt lieber.“, antwortete er. Dann packte er die dritte Decke, die neben ihm lag und reichte mir diese.

„Und was ist mit dir?“, sah ich ihn verdutzt an.

„Ich bleibe wach. Ich vertraue der Alten nicht.“

„Hmh.. Oki!“, nahm ich sein Kommentar einfach so hin und griff die Decke. Ich schüttelte sie ein wenig auf und deckte mich zu. Sie war genau so lang und breit wie die, auf denen wir saßen. Dann legte ich mich auch schon neben ihn. „Mach dir nicht immer solche Sorgen.“, nuschelte ich ihm zu während ich mich einkuschelte und die Augen genussvoll schloss. Endlich konnte ich mich entspannen.

Es war bequem. Es war warm. Es war sicher.

„Vielleicht werde ich mich in der Nacht hier umsehen.“, meinte er und starrte in das Feuer. „Falls diese Atropos doch vor hat, uns- hey?!“

Ehe er weiter reden und sich in seinen Sorgen bestärken konnte, rutschte ich gleichzeitig zu ihm und legte meinen Kopf einfach auf seinen Schoß.

„Was.. macht du da!?“, fragte er überfordert. Er wich etwas zurück, wollte mich jedoch nicht von sich drücken. Ich war wie ein Anker, der ihn dort anband. Einen kurzen Moment hielt er die Luft an und starrte mich an. Er hob die Hände und wusste nicht, was er tun sollte.

„Shiro.. entspann dich.“, sagte ich leise mit geschlossenen Augen. „Vielleicht solltest du.. auch etwas schlafen.“, dann hob ich meine Hand und legte diese auch auf seinen Schoß. „Und.. Bitte… bleib hier..“ Schüchtern legte ich etwas die Decke vor mein Gesicht um meine erröteten Wangen zu verdecken.

Ich wusste, dass Shiro sich erholen musste. Außerdem sollte er nicht die Freundlichkeit der Dame hintergehen. Ich wollte, dass er dort bleibt. Also hielt ich ihn fest. Zudem, hatte ich Angst, wenn er mich alleine lassen würde. Zwar war es mir peinlich, das unterschwellig zuzugeben, doch ich hoffte, dass er sich somit auch ausruhen würde.

Ich hatte keine Energie mehr, mit ihm zu diskutieren. Also handelte ich einfach und kuschelte mich stur in seinen Schoß. Vielleicht würde ihn das aufhalten? Ich war einfach nur noch müde und ließ mich fallen. Diese Wärme war so angenehm und irgendwie machte mich Shiros Nähe glücklich. Das waren die besten Voraussetzungen, damit ich auch schnell einschlafen konnte.

Zuletzt spürte ich noch, wie Shiro sich endlich entspannte und eine Hand auf meinen Arm legte.

Die geheime Liebe

Ich träumte. Dieses Mal wusste ich, dass ich träumen musste. Denn ich sah meinen Großvater vor mir. War es ein Traum oder doch eher eine Erinnerung? Er stand wütend vor mir und blickte hasserfüllt auf mein jüngeres Ich herab.

„Wärst du doch niemals geboren worden! Dann wäre meine Ayumi noch bei mir!“, mit tränenden Augen hob er die Hand gegen mich. Ich war einsam. Ich war klein. Ich war ängstlich. Ich hob schützend die Arme, sein Schlag warf mich dennoch zu Boden.

Erst stürzte ich gegen das Regal, dann zog ich alles was darin war, mit mir herunter.

Dann war ich alleine.

Es war dunkel. Um mich war es schwarz. Zusammengekrümmt lag ich dort und weinte. Wieder gab er mir die Schuld. Wieder hatte ich nichts, und doch so vieles falsch gemacht.

Leise hörte ich eine Frauenstimme. „Yuki! Hör auf zu weinen.“, sagte sie mir.

Ich blickte auf. Nami stand vor mir in einem hell erleuchteten Lichtstrahl. „Ich bin bei dir.“, redete sie weiter und kniete sich vor mich. Dann berührte sie meine Schulter. „Ich helfe dir! Du weißt, das habe ich immer getan! Aber das kann ich nur, wenn ich weiß, wo du bist.“

Ich runzelte die Augenbrauen. Was hatte das zu bedeuten? Ich zögerte und wich zurück. Sie bemerkte meine Vorsicht. Doch sie lächelte und berührte mein Kinn. Plötzlich verschwamm ihre Gestalt und änderte sich. Sie wurde größer und breiter. Und dann kniete Deeon vor mir. „Ich beschütze dich. Yuki.“, sagte er mit beruhigender Stimme.

Erwartungsvoll beugte ich mich auf. „Deeon?“, fragte ich leise und legte meine Hände vor meine Brust.

Er nickte mir erleichtert zu. „Ja. Meine Liebste. Soll ich zu dir kommen? Ich bleibe bei dir. Für immer.“ Seine Stimme klang so ruhig. Ich fühlte mich so wohl. Er war warm. Von ihm strahlte ein so befreiendes Gefühl. Dann legte er seine Hand an meine Wange. „Möchtest du das?“, fragte er und lächelte mich liebevoll an.

Ich legte freudestrahlend meine Hand auf seine und genoss seine Berührung, „Ich…“, begann ich zu reden doch stoppte. Nachdenklich öffnete ich meine Augen und runzelte die Stirn. „… Ich…“ Was sollte ich sagen? Wollte ich überhaupt, dass er bei mir bleibt, für immer? Warum stimmte ich nicht einfach zu? Vor Kurzem hätte ich mir noch gewünscht, dass er mir so etwas sagen würde. Warum wollte ich das nicht?

„Deeon… ich.. weiß nicht..“, sagte ich unentschlossen und nahm meine Hand weg.

Sein Blick war enttäuscht und langsam stand er wieder auf. Dann verschwand er im schwarzen Nichts. Was war das? Mir wurde wieder so kalt. Ein Schauer lief über meinen Rücken und meine linke Wange wurde kalt. Wieso nur die linke?

Ich klimperte verwundert mit den Augen. „Hä?“, fragte ich mich.
 

Schließlich wachte ich auf. Müde öffnete ich meine verschlafenen Augen und schaute in den Kamin vor mir. Es brannte nur noch ein wenig Glut in der Asche. War mir deshalb so kalt?

Als ich mich bewegen wollte, bemerkte ich, dass mein Kopf auf etwas kaltem lag. Ich beugte mich leicht auf und erschrak als ich einen Arm dort liegen sah, auf welchem ich mit meiner linken Wange gelegen hatte. Ich schaute an dem Arm entlang und sah auch direkt den Körper dazu.

Ich riss meine Augen auf und hielt die Luft an. Shiro lag hinter mir und schlief. Er lag auf seinem Rücken und hatte seinen freien Arm über sein Gesicht gelegt. Auf dem anderen hatte ich gelegen und ihn als Kissen genutzt. Mit meinem Rücken lag ich ganz nahe an seiner Seite und lehnte mich an ihn, woraus also der Schauer in meinem Traum resultierte.      

Ich presste meine Lippen zusammen um nicht aufzuschreien. „Hnng…!“ Mein Kopf wurde verlegen rot und meine Augen konnten nicht größer sein. Ich vergas das Atmen. Mein Herz pochte. Hatten wir die ganze Nacht nebeneinander geschlafen? So nahe?!

Ich zog meine Arme zu mir und schaute Shiro erschrocken an. Gerne wäre ich panisch aufgesprungen. Doch bevor ich mich bewegen konnte, erkannte ich eine kleine Träne an seiner Wange herunter gleiten und hielt inne.

Sein Gesicht hatte er wohl unterbewusst unter seinem Arm versteckt. Träumte er etwa schlecht?

Ich beruhigte mich und lächelte still. Ich wusste, dass er es hasste zu schlafen. Doch er hatte sich wohl meine Worte zu Herzen genommen und sich hingelegt um Schlaf nachzuholen und um wieder zu Kräften zu kommen. Irgendwie, hüpfte mein Herz gerade vor Freude. Warum nur?

Ich sollte ihn wohl lieber wecken, ehe ich aufstehe. Alleine, würde ich mich nicht trauen hier umher zu irren.

„Shiro.“, flüsterte ich leise und beugte mich leicht vor. Ich setzte mich auf meine Knie und berührte ihn leicht an seiner Schulter. „Shiro.“, sagte ich wieder leise. „Wach auf. Hey.“ Noch einmal berührte ich ihn an der Schulter und rüttelte sanft an ihm. „Shiro. Shiro!“, ich wurde ein wenig lauter. Doch ich konnte ihn nicht wecken.

Ich biss auf meine Lippen und richtete meine Haltung. Dann rüttelte ich mit beiden Händen an ihm. „Shiro!“, sagte ich nun im normalen Ton. Dann legte ich meine Hand auf seinen Arm und wollte diesen von seinem Gesicht heben. „Shirooo.“

Gerade als ich seinen Arm hob, riss er plötzlich die Augen auf. Sie waren wieder so voller Hass. Ich schreckte auf. Doch hastig stemmte er sich hoch und griff nach seinem Dolch. Ungeachtet, dass ich es war, die ihn weckte, packte er blind meinen Arm, schmiss mich zu Boden und bedrohte mich mit seiner Waffe.

„Kyaa!!“, schrie ich und kniff die Augen zu.

Plötzlich stoppte Shiro ab. Er kam zu sich und erkannte mich unter ihm liegen. Dann atmete er auf und lehnte sich wieder seufzend zurück. „Warum erschreckst du mich so..?“, fragte er genervt und strich durch seine Haare.

Ich öffnete wieder meine mit Tränen gefüllten Augen und sah ihn wütend an. „Ich dich? DU hast MICH erschrocken!!!“, fauchte ich zurück. Shiro kniete noch über mir und steckte den Dolch weg. „Gut, dass du wach bist. Dann können wir ja direkt weiter.“, sagte er und blickte zu mir herunter.

„Ich war eher wach als du…“, kam ich ihm schmollend entgegen. Noch immer lag ich am Boden und er kniete über mir. „Jetzt geh runter von mir. Du bist-“

„Was ist hier los?!“, plötzlich riss jemand die Tür auf und blickte aufgewühlt in den Raum hinein.

Es war eine junge Frau mit braunem, geflochtenem Haar. Sie stand mit breiten Beinen mitten im Türrahmen und blickte uns an. Sie sah, wie Shiro noch über mir kniete und ich hilflos am Boden lag. Das erkannte sie als Übergriff gegen mich. Wie ein Stier raste sie auf Shiro los. „Lass sie in Ruhe! Hilfe!! Kintaro! Hilfe!“, schrie sie ihn an und packte ihn am Arm. Mit aller Kraft versuchte sie ihn weg zu ziehen. Doch Shiro schaute sie gelangweilt an. Sie bewegte ihn nicht vom Fleck. Egal wie sehr sie es versuchte. Dann wollte sie ihn von mir weg zu drücken. „Na los! Weg von ihr! Lass das arme Mädchen in Ruhe! Los! Kintaro! Hilf mir!“, maulte sie und wollte ihm zuletzt gegen den Rücken schlagen.

Diesen Schlag fing Shiro jedoch ab. Er packte ihren Arm und stand blitzschnell auf. Sofort schnappte er sich ihren anderen Arm und drückte sie gegen die Wand neben dem Kamin.

Dann war es leise.

Die junge Frau sah ihn erschrocken an und konnte sich nicht mehr bewegen. Ihr blieben die Worte weg.

Shiro stand ihr sehr nahe gegenüber und grinste arrogant. „Möchtest du mich herausfordern?“, flüsterte er ihr zu, packte ihre Arme grob und drücke diese über ihrem Kopf gegen die Wand.

Plötzlich rannte noch jemand in den Raum hinein. „Was ist hier los?! Nagisa! Was ist passiert!?“, rief ein junger Mann mit blauen Haaren und blickte sich angespannt um.

„Kintaro! Der will mich vergewaltigen!“, schrie sie.

„Was zur… Will ich überhaupt nicht!“, rief Shiro dazwischen.

Doch der Junge reagierte nicht auf ihn. Schnell rannte er zu Shiro und wollte ihn, wie auch das Mädchen zuvor, weg ziehen. „Ich rette dich!“, rief er ritterlich und zog an Shiros Schultern. Vergebens. Auch er hatte nicht ansatzweise die Kraft ihn zu bewegen.

Shiros überhebliches Lächeln wurde zu einem genervten Augenrollen. Dann atmete er schwer aus. „Wirklich?“, fragte er. Rasch drehte er sich zu dem Jungen. Mit der Linken hob er das Mädchen an ihren Armen hoch und mit der Rechten packte er den Arm des Mannes,  drehte ihn mit einem Ruck und wuchtete ihn zu Boden. Dann stellte er sich mit seinem Fuß auf seine Brust. Es geschah alles so schnell.

„Argh… ich.. kann nicht…“, sprach der am Boden liegende Kintaro mit schwerer Stimme.

„Lass mich runter!“, kreischte Nagisa und baumelte wehrlos vor sich hin.

Letztendlich kam die alte Frau mit ihrem Stock herein gehumpelt. „Was ist hier los?!“, rief auch sie und blickte in den Raum.

Ich hatte mich bereits aufgesetzt und das Schauspiel sprachlos und doch belustigt mit angesehen.

„Atropos! Er wollte Nagisa vergewaltigen!“, rief der Mann, der unter Shiros Fuß lag.

„Und vorher wollte er dieses Mädchen da vergewaltigen! Atropos! Ich hab´s gesehen!“, schrie das Mädchen.

„Und jetzt will er uns umbringen!“, jammerten sie im Duett.

Shiro biss wutendbrand die Zähne aufeinander. „Nen Scheiß wollte ich!“, schrie er beide an.

„Ruhe! Ruhe!“, begann die alte Frau und hob ihre Hand. „Da würde ja sogar Zerberos wegrennen, bei eurem Geheule!“, sagte sie und ging auf alle drei zu.

Dann räusperte sie sich und stellte sie sich ruhig vor Shiro. Gemütlich lehnte sich auf ihren Stock. „Könntest du… ehm.. meine beiden Helfer bitte los lassen? Die lassen dich auch in Ruhe.“, fragte sie und lächelte.

Shiro wandte sich noch ein letztes Mal zu den beiden. „Hmpf..“, dann ließ er sie los.

Kintaro konnte keuchend wieder nach Luft schnappen und Nagisa kam wieder am Boden an und rieb sich die Handgelenke.

„Ihr Idioten!“, maulte Atropos nun laut und haute beiden mit ihrem Stock auf den Kopf.

„Aua! Was sollte das?!“, fragte Nagisa zickig.

Die Alte trat an sie heran und krächzte mit ihrer alten Stimme. „Das sind unsere Gäste! Warum behandelt ihr sie so?!“

Das Mädchen rieb sich beleidigt den Kopf. „Der Typ kniete über ihr! Und sie konnte sich nicht wehren!“

Erneut schlug die Alte ihr auf den Schädel. „Na und?! Schon mal überlegt, dass sie das wollte?!“

„Aber.. aber..“

Ich lief rot an. Woran hatte die alte Frau denn gedacht? Was hatten sie sich vorgestellt? Ich stellte mir ihre Gedanken bildlich vor und errötete noch mehr. Als wenn ich wollen würde, dass Shiro sich absichtlich über mich lehnt, sodass ich mich nicht mehr wehren kann. Und… „Argh!“, ich schüttelte den Kopf. Schnell stand ich auf und stellte mich zu ihnen. „Das war wohl alles ein Missverständnis! Ich.. ich hatte geschrien! Weil ich mich erschrocken hatte. Er wollte mir nichts Böses! Und daraufhin kam das alles zustande! Entschuldigen sie bitte. Ich wollte nicht, dass so etwas passiert.“, erklärte ich Atropos peinlich berührt.

„Das ist nicht deine Schuld. Die Beiden sind einfach unbeholfen und schrecklich dumm.“, sagte sie und blickte beide mürrisch an.

„Hey! Was soll das denn wieder?“, kam es von Nagisa.

„Ruhe! Hast du überhaupt schon die Kräuter gesammelt? Und such dem lieben Mädchen doch mal Kleidung raus! Siehst du nicht, dass sie so nicht weiter reisen kann?!“, brüllte Atropos streng.

Sofort sah das Mädchen weg. Sie wollte ihren Blicken ausweichen doch stand bloßgestellt im Raum. Beleidigt atmete sie schwer und lief an der Alten vorbei, aus dem Raum.

„Alles muss man tausend Mal sagen. Und du!“, sagte sie und deutete streng auf Kintaro. „Biete den Beiden mal etwas zu Essen an! Los! Und sei gefälligst freundlich!“, dann ging sie wieder aus der Tür. „Man man man.. und deswegen wurde ich unterbrochen!“, murmelte sie noch vor sich hin.

Shiro und ich schauten ihr überrascht nach. Dann war sie auch schon verschwunden.

„Entschuldigt…“, kam es von der Seite. Kintaro richtete seine Kleidung und sah uns ehrfürchtig an.

Shiro und ich drehten uns gleichzeitig verdutzt zu ihm.

„Ehm.. ihr könnt mir gerne folgen! Ich bringe euch in die Küche. Wir wollten selber gerade den Tisch decken. Dort könnt ihr essen, bevor ihr geht.“, sagte er etwas eingeschüchtert und sah herab.

Was ein Schauspiel. Doch endlich trat Ruhe ein. Ich rieb meine Wange und lächelte den Jungen an. „Ach, mach dir-“

„Dann los!“, unterbrach Shiro mich und lief voraus aus dem Häuschen.

Überrascht blickte Kintaro ihm hinterher. „Eh.. ja.. ok!“, stotterte er und schnellte hinaus.

Ich atmete tief ein und wieder aus. „Was für eine Randale am Morgen.“, belächelte ich das Ganze und lief den beiden hinterher.
 

Draußen war es nun wieder hell. Eine frische Waldbriese erhaschte mich, als ich über den kleinen Hof zum anderen Häuschen lief. Es war so friedlich hier und so abgeschieden. Als mich die Sonnenstrahlen berührten, hielt ich einen Moment an und sah in den Himmel.

Dicke weiße Wolken schwebten am blauen Himmel und Vögel flogen umher. In dieser kleinen Siedlung waren die Baumkronen nicht sehr dicht wie am See, somit wirkte die Umgebung nicht so isoliert. Dennoch standen starke Bäume um den Hof und grenzten ihn somit ein. In der Mitte des Hofes war ein steiniger Brunnen angebracht. Hier war es wie auf einem Landhof, auf welchem man gerne seinen Urlaub verbringen würde, um sich vom stressigen Leben in der Stadt zu distanzieren. Es war zwar sehr rudimentär, doch wirkte entspannend.

Als ich so da stand und die Gegend bestaunte, kam Shiro zurück zu mir und legte seine Hände in seine Hosentaschen. „Hör auf rumzutrödeln.“

Ich drehte mich glücklich zu ihm. „Lass mich! Ich genieße das hier. Du solltest das auch mal machen.“, sagte ich und hob den Finger. Shiro beugte sich etwas genervt zu mir herunter und schaute mir in die Augen. „Wenn du so rumtrödelst, gibt es für dich bald nichts mehr zu genießen.“, drohte er mir. Dann drehte er sich um und lief wieder zum Eingang des größeren Häuschens. „Iss schnell. Und kleide dich neu an. Dann reisen wir weiter!“, brummte er ernst.

Genervt sah ich ihm nach. „Blabla… trödel nicht so… mach dies.. blabla..“, nörgelte ich leise. Dann lief ich ihm hinterher. Schnell holte ihn ein. „Wohin… wollen wir denn eigentlich?“, fragte ich immer nachdenklicher werdend.

Ohne uns gegenseitig anzusehen liefen wir nebeneinander her. „Weg von hier. Vertrau mir einfach.“, meinte er nur.

„Aber wohin denn genau? Oder weißt du es etwa noch gar nicht? Sag es mir doch einfach.“

Wütend blieb er stehen und ballte die Fäuste. „Yuki!“, maulte er mich leise und doch böse an. Erschrocken blieb ich stehen. Er faste mich mit seinen kalten Händen an meinen Schultern und unsere Blicke kreuzten sich ernst. „Wir müssen weg. Vertrau mir einfach. Habe ich dir je einen Grund gegeben, mir nicht zu vertrauen?“

Ich sah Angst in seinen Augen. Und Wut. Wo war der Shiro, der mich auf dem Dach anlächelte und dem alles andere egal war? Der so entspannt war und sich von nichts aus der Ruhe bringen ließ.

Nachdenklich sah ich herab. „Ich.. vertraue dir ja…“ antwortete ich betrübt. „Aber.. verstehst du auch meine Sichtweise? Ich weiß doch gar nicht, was hier vor sich geht. Wenn du so viel Angst hast und weg rennen willst, warum gehen wir nicht sofort weiter? Warum lässt du uns noch so viel Zeit hier?“

Sein böser Blick wurde zu einem erschrockenen Starren. „Was?!“, fragte er mich nur erzürnt.

Doch ich sah ihm mutig in die Augen. „Du hast doch Angst?! Oder nicht?!“

Er biss wütend die Zähne aufeinander und schluckte angestrengt. Sein stechender Blick voller Empörung und Verärgerung sollten mich wohl tief im innersten erstechen. Doch anstatt mir zu antworten, drehte er sich missmutig um. „Du.. verstehst das nicht.“, maulte er mich an und wollte gehen. Doch ich packte seinen Arm. „Hey! Fang nicht wieder so an!“, warnte ich ihn. Als ich ihn berührte blieb er stehen ohne mich anzusehen. Ich fühlte seine Kälte, diesen kalten, finsteren Körper. Doch ich ließ ihn meine Wärme spüren. „Shiro…“, sprach ich weiter. „Ich will dich nicht verärgern. Ich.. habe doch auch Angst…“, meine Stimme wurde immer bekümmerter. In mir stand eine riesige Mauer, die mich aufhielt dieses Thema anzusprechen. Ich wollte es einfach mit Scheuklappen ignorieren. Doch ich wusste, dass es falsch wäre. Meine Brust wurde immer schwerer. Weiter zu reden, war nicht einfach. Diese Worte über meine Lippen zu bekommen, war furchtbar unangenehm. „Ich weiß von nichts. Ich weiß nicht was passieren wird. Ich weiß nicht einmal wohin wir gehen! Im ersten Moment bist du so verdammt wütend und konzentriert. Du redest nicht mit mir. Du ignorierst mich.“

Verärgert drehte er sich um und holte tief Luft. Doch bevor er sich dazu äußern wollte, unterband ich seine zornige Antwort.

„Das ist auch gar nicht schlimm… ich verstehe das! Aber ich verstehe nicht, wie du erst panisch davon rennst und als nächstes eine lange Rast machst. Um dann wieder Panik zu verbreiten! Aber dann zu sagen, dass erst noch gegessen werden soll. Ich weiß nicht, ob ich mich beeilen muss, oder ich Zeit habe! Ich vertraue dir! Shiro. Ich vertraue dir wirklich. Aber all das bringt mich so durcheinander. Ich weiß nicht ob wir in höchster Gefahr schweben, oder schon lange in Sicherheit sind. Ich weiß nicht wohin es geht! Ich tappe total im Dunklen. Ich möchte dir wirklich nicht noch mehr Sorgen machen, als du schon hast. Aber wenn ich wüsste, was du planst, kann ich mich darauf einstellen, wie ich mich verhalten muss… Ich habe Angst das Falsche zu tun.“ Nach meinem langen Vortrag ließ ich meine Hand sinken. Shiro sah mich sprachlos an. Hatte ich zu viel gesagt? War es falsch? Hatte ich die Situation viel zu sehr überspitzt und nun alles verschlimmert? Ich wollte ihm doch keine Sorgen machen. Und nun platzte es doch aus mir heraus. Genau in diesem Augenblick wünschte ich mir, die Zeit zurückzudrehen. Wieso war ich nur so dumm? Er hatte mich gerettet. Mal wieder. Ich sollte einfach nur auf ihn hören. Und was hatte ich gemacht? An ihm gezweifelt.

Bei meinen Bedenken füllten sich kleine Tränen in meinen Augen. Ich wollte ihm am liebsten einfach nur noch schweigend folgen und meinen Mund halten. In der Hoffnung, dass er nicht zu wütend auf mich wäre. Ich biss mir auf die Lippe und traute mich nicht mehr aufzusehen.

„Yuki..“, hörte ich leise von ihm. Er stellte sich nahe vor mich. Noch bevor ich aufsehen konnte fasste er mich plötzlich und umarmte mich. „Du machst überhaupt nichts falsch.“, flüsterte er mir zu als er mich bestürzt an sich drückte.

Verblüfft riss ich die Augen auf. „W.. was?“, fragte ich ungläubig. Ich hatte damit gerechnet, dass er mich anschreien würde, mir drohen würde oder wieder sauer wird. Vielleicht auch, dass er gar nicht mit mir sprechen würde. Doch an eine Umarmung dachte ich nicht.

„Es war nicht meine Absicht, dich so sehr zu verunsichern. Ich will, nicht, dass du Angst haben musst.“, dann ging er einen Schritt zurück. „Wenn du bei mir bist… dann… Ich… Ich kann meine Kraft nur kontrollieren wenn…-“

„Kommt ihr endlich?“, es klopfte am Fenster neben uns. Nagisa schaute heraus und drückte sich an die Scheibe.

Wir beide blickten erschrocken zu ihr. Um meine Unsicherheit zu überdecken grinste ich breit. „Eh.. Ja! Wir kommen.“, rief ich ihr zu und hob die Hand.

„Wir reden später. Iss erst. Ganz in Ruhe.“, beendete Shiro leise das Gespräch und wollte zur Tür. „Versprochen?“, fragte ich ihn und lächelte glücklich. Er blickte über seine Schulter. Aus seinem aufgewühlten und ernsten Blick wurde ein sanftes Lächeln. Er nickte mir zu. Zufrieden streifte ich mir die Tränen aus den Augen. Dann folgte ich ihm ins Haus.

Die junge Frau kam mir erbost entgegen. „Hier. Das sollte dir passen.“, sagte sie schnell und drückte mir Kleidung in die Hand.

Überrascht nahm ich diese an. „Danke…!“

„Ich mache das nicht wegen dir. Sondern weil Atropos das wollte. Meinetwegen kannst du in deinen Fummel mit deinem Macker weiter durch den Wald wandern.“, keifte sie mich an.

Mit offenem Mund schaute ich sie fassungslos an. Warum war sie plötzlich so wütend auf mich? Hatte ich ihr etwas getan?

Schnell lief sie an mir vorbei. Wütend stieß sie absichtlich mit ihrer Schulter an meiner. Als ich ihr verwundert den Weg frei machte und einen Schritt zur Seite ging, griff Shiro sie jedoch an ihrem Arm.

„Hey! Was soll das?“, fauchte sie ihn an und wollte ihren Arm zu sich ziehen. Doch Shiro griff stärker zu. „Du solltest auf dein Mundwerk achten.“, sagte er ihr.

„Sonst was? Weint deine Prinzessin sonst?“, antwortete sie ihm patzig und sah ihn wütend an.

Shiro beugte sich etwa zu ihr. „Sonst werde ich mit meiner Klinge dafür sorgen, dass du stets ein breites Lächeln vom einen, bis zum anderen Ohr haben wirst.“

Schnell stellte ich mich zwischen beide. „Oke! Alles klar! Lasst uns das einfach vergessen!“, sagte ich laut und versuchte Shiro von ihr weg zu drängen.

Er ließ das Mädchen los und sie stampfte schnell zum Ausgang. Bevor sie hinaus rannte, schaute sie noch kurz zurück. „Freak!“, beleidigte sie Shiro und rannte davon.

Als ich nun zur Tür ging um ihr nachzuschauen lief Kintaro plötzlich an uns vorbei. „Nagisa! Nagisa! Ach verdammt..“, rief er verzweifelt.

„Was hatte sie denn nur?“, fragte ich ihn.

„Ah.. ihr müsst Nagisa entschuldigen… Sie fährt zurzeit schnell aus der Haut.“, rieb Kintaro sich den Kopf. Dann zeigte er auf die Tür zur Küche. „Hier entlang. Folgt mir.“, sagte er und lief vor.

Als wir in der Küche standen, deutete er auf die Stühle. „Setzt euch. Ich werde euch eurer Frühstück geben.“, lächelte er uns nervös zu und zeigte dann auf das fertige Essen am Herd und auf der Küchenzeile. Bedankend setzte ich mich auch direkt hin doch Shiro lief zu den Gerichten. „Was ist das?“, fragte er und deutete auf die erste Schale.

„Oh. Das sind Eier von Hanghünern. Die habe ich selber-“

„Und das?“, unterbrach er Kintaro, als er stolz seine Geschichte erzählen wollte und deutete auf die Pfanne.

„Gebratener Adebar. Seine Flügel sind sehr-“

„Ja ja.. und das?“, ließ er ihn wieder nicht zu Wort kommen und zeigte auf einen kleinen Teller.

„Ehm.. das ist ein einfacher Salat. Einfaches Bodengewächs mit essbaren Kräutern und Gemüse.“

Shiro nahm direkt den ganzen Teller und stellte ihn mir hin. „Hier.“, sagte er nur und stellte sich neben mich. Er lehnte sich an die Wand und überkreuzte seine Arme.

Ich blickte auf das saftige Essen herab. Es war tatsächlich ein normaler Salat, wie er auch in der Menschenwelt aussehen würde. Die Tomaten darin sahen sehr knackig aus und das Grün vom Salat war perfekt.

Als ich mir dieses Gericht so ansah, begann mein Magen zu knurren. Ich hatte ganz vergessen, wann ich zuletzt etwas gegessen hatte. Lieber hätte ich etwas Deftiges gegessen und schaute auf die Fleischgerichte am Herd. Doch dann erinnerte ich mich an die Situation im Ballsaal, als ich mich am Büfett bedienen wollte und Shiro mich aufhielt. Da er selber ein Mensch war, wusste er wohl, welche Gerichte ich von diesen hier essen konnte und welche ich besser nicht anrühren sollte.

„Danke.“, lächelte ich beiden zu. „Darf ich etwa den ganzen Salat haben?“

Der Blauhaarige legte den Kopf schräg. „Ja. Iss ruhig alles. Ich esse lieber die Eier, Atropos wird noch eine Weile weg bleiben und Nagisa… nun…“, dann sah er traurig weg. „Sie wird wohl keine Lust haben mit uns zu essen.“

Ohne weiter zu warten griff ich mir die Gabel neben dem großen Teller und begann zu essen. Zwar war es ein einfacher Salat, doch schmeckte er fabelhaft.

„Hmh.. Lecker!“, murmelte ich.

„Danke. Den Salat hat Nagisa gemacht. Sie ist wirklich eine zauberhafte Köchin.“, lächelte Kintaro und setzte sich mir gegenüber.

„Was war denn gerade mit ihr? Warum war sie so sauer?“ Fragend blickte ich ihn an und aß weiter.

Er lehnte sich betrübt zurück. „Naja. Nehmt ihr das bitte nicht böse.. Sie reagiert auf alle sehr streng. Seitdem Atropos ihr gestern das Geheimnis ihrer Kraft verweigert hat.“

„Geheimnis? Was? Und warum?“, gespannt hörte ich ihm weiter zu. Auch Shiro lauschte seinen Worten.

„Also Atropos gehört zu den Moiren. Das waren uralte Gottheiten, die mit einem Faden das Leben eines Menschen nehmen konnten. Ihre jüngste Schwester hatte den Faden gesponnen, die Mittlere teilte den Faden den Seelen zu und Atropos schnitt ihn durch. Somit beendete sie die Leben der Menschen. Irgendwann wurden alle Gottheiten verjagt und sie mussten sich hier in der Welt einen Platz suchen.“, nachdenklich legte er seine Hände auf seinen Schoß. „Jeder hatte eine besondere Macht. Dadurch nur konnten sie ihre Arbeit meistern. Atropos Kraft ist es, eine Seele für einen kurzen Moment aufzuspüren. Damit wusste sie, wann jemand dem Tod nahe war oder nicht. Sie wurden nur Schicksalsgöttinnen genannt um wichtig zu klingen. Es gibt kein Schicksal. Atropos konnte nur sehen, wann jemand sterben „könnte“. Und mit dem Zerschneiden des Fadens konnte sie dann das Leben beenden und es Schicksal nennen.“

Wortlos kaute ich weiter und sah ihn an. Shiro jedoch nahm die Hände interessiert herunter. „Das ist eine Gabe, dir nur Engel können! Und was konnten die anderen beiden?“

„Das weiß ich nicht. Sie wurden vor Jahrhunderten aus Wut wegen ihrer Lügen getötet und um ihre Seelen beraubt die sie gesammelt hatten. Nur Atropos konnte fliehen und zog sich in diesem Wald zurück. Die Irrlichter hatten sie dann an diesen Ort gebracht, wo sie sich verstecken konnte. Daher beschützt sie diese.“

„Deshalb sind die Irrlichter ihr so wichtig.“, begriff ich leise.

Shiro zog eine Augenbraue hoch. „Und das darfst du uns einfach so erzählen?“

Kintaro belächelte seine Frage. „Heute interessiert es niemanden mehr. Es ist so, dass ihr sowieso keiner mehr glaubt und sie als Lügnerin bezeichnet, wenn jemand überhaupt noch ihre Geschichte kennt.“

„Und du glaubst daran?“, fragte ich ihn und nahm das Besteck herunter.

Verlegen sah er weg und streifte sich über sein Kinn. „Atropos nutzt ihre Fähigkeit nun, um andere zu retten. Diese Fähigkeit zerrt nur leider an ihrer Kraft weshalb sie nun so.. naja… älter aussieht. Sie hatte sich geschworen nie wieder Seelen zu sammeln für ihre Kraft. Sie und Nagisa hatten mich gerettet als ich von zuhause wegrannte und beinahe von einem Klushund gefressen wurde. Seitdem lebe ich hier mit ihnen. Und helfe ihnen. Und glaube an sie.“

„Die Göre sollte also diese Fähigkeit lernen?“, kam es ungeduldig von Shiro.

„Naja jetzt erst mal nicht mehr. Atropos hatte sie immer wie eine Tochter behandelt. Sie wurde als Säugling im Wald auf der anderen Seite ausgesetzt. Sie machte es sich als Aufgabe nun andere zu schützen und hatte Nagisa darauf vorbereitet ihr das Geheimnis dafür zu verraten, damit sie an ihrer Stelle die Hilfsbedürftigen retten kann. Lange kann Atropos das nicht mehr ohne Seelen schaffen. Und die Zeremonie dafür sollte schon morgen sein. Doch in der Nacht vor zwei Tagen hatte Nagisa ihre Arbeit vernachlässigt. Sie wollte frühzeitig in den Niederschriften lesen und hatte nicht auf die Irrlichter geachtet. Als Räuber durch den Wald wanderten stahlen sie welche. Atropos war so sauer, dass sie die Zeremonie verweigerte.“

Shiro legte seine Hand nachdenklich auf sein Kinn. „Hmh.. so ist das.“

Traurig sah Kintaro weg und träumte. „Nagisa strahlt immer so. Ihr Lächeln ist so bezaubernd. Es macht mich jedes Mal glücklich, wenn sie glücklich ist. Und traurig wenn sie nicht mehr lacht. Ich bin ihr so dankbar, dass sie bei mir ist. Ihre zarte Haut und ihr braunes Haar…so schön..“, errötet blickte er wieder auf uns sah in unsere verdutzten Gesichter. „Eh. Oh.. das.. habe ich laut gesagt?“, stotterte er knallrot.

Doch ich kicherte. „Hihi. Das macht doch nichts. Du bist wirklich ein lieber Typ. Weiß sie denn, was du denkst?“

Peinlich berührt stand er auf und warf beinahe den Stuhl um. „Ehm! Nein! Ich…“, dann sah wer weg. „Ich bin doch viel zu schwach für sie. Sie ist doch.. so.. stark und mutig. Und ich.. bin doch nur.. ein Feigling.. Der nichts kann. Der Wäsche macht und putzt. Ich bin das genaue Gegenteil von dir.“, beichtete er besorgt.

Von seinen Worten berührt hielt ich entzückt meine Hände an meine Wangen. „OOhh.. Du bist so süß!“, kreischte ich und stand auf.

Kintaro sah mich überfordert an und wich zurück. Er wusste nicht ob er lächeln oder in Sicherheit rennen wollte. „Eh.. Was?“

Auch Shiro sah mich erschrocken an. „Was?!“, fragte er empört.

Ich griff Kintaros Hände. „Oh das ist so niedlich! Du hast so starke Gefühle für sie! Und traust es nicht ihr zu sagen! Du darfst nicht denken, dass du schwach bist! Zeig ihr, dass du für sie da bist! Wenn du ihr egal wärst, hätte sie dich heute Morgen nicht zur Hilfe gerufen. Das ist ja so süß!“ Ich strahlte vor Freude auf.

„Das findest du, süß?“, lächelte Kitaro.

„Wohl eher jämmerlich…“, sprach Shiro leise dazwischen und sah beleidigt weg.

„Ah! Lass ihn! Du kannst da ja gar nicht mitreden! Ein Mann der so viel für jemanden empfindet und es einfach nicht sagen kann! Davon hast du keine Ahnung! ...Hach! So süß!“, sagte ich laut und schwenkte den Kopf vergnügt hin und her.

Dabei bemerkte ich nicht, wie Shiro ertappt einen Schritt zurück ging und errötete. „Hmh..!“, er biss die Zähne zusammen und schwieg mit aufgebrachter Miene.

Kintaro sah mich an und blickte zu Shiro. Dann lachte er, „Haha. Alles klar.“, und rieb sich den Kopf. „Na ihr seid ja zwei..“

Plötzlich hörten wir Atropos in das Haus stürmen. „Kintaro! Kintaro!“, schrie sie laut.

Wir alle konzentrierten uns wieder und sahen geschockt zum Eingang. „Was ist?!“, fragte Kintaro und lief ihr im Flur entgegen.

Sie humpelte und ließ auf den letzten Metern ihren Stock fallen. Dann brach sie in seinen Armen zusammen. Mit unruhigern Augen sah sie ihn flehend an. „Kintaro! Nagisa… sie ist in Schwierigkeiten!“
 

So Leutz! Das Kapitel ist fertig! Aber ich muss es nochmal auf Fehler überprüfen... wollte euch das Kapitel jedoch nicht vorenthalten =)

Danke fürs Lesen bis hier hin! Wie gefällt euch dieses Kapitel oder die ganze Geschichte? Lasst es mich gerne hören! Das spornt mich nur noch weiter an, in die Tasten zu schlagen und weiter zu schreiben =)

Ach ja! Wer eine Gruppenzeichnung der Charaktere sehen möchte, NEUE Szenen des 20ten und 22ten Kapitels, ein paar andere Zeichnungen und Skizzen der Geschichte  im Mangastil, Zeichnungen zu Yukis, Mephistos und Bastets Kleidung zum Ball und sonst Zeichnungen für diese Geschichte, der kann gerne mal bei meinen Zeichnungen hier auf Animexx gucken =) Freue mich auf jedes Kommentar!

Das Irrlicht

„Könntest du dich mal beeilen?“, hörte ich Shiro motzend vor der Zimmertür rufen. Mit verschränkten Armen lehnte er sich an die Wand neben der Tür.

Ich stand in einem kleinen Zimmer und versuchte mit kunstvoll verkrampften Bewegungen den Reißverschluss meines Kleides am Rücken zu öffnen. Doch egal wie sehr ich mich beugte oder verdrehte, ich konnte den Verschluss nicht öffnen. „Jaa! Ich versuch es ja… aber.. argh! Das geht nicht!“, ärgerte ich mich und versuchte es weiter. „Hetz mich nicht so!“

Shiro stellte sich genervt vor die Tür. „Du wolltest der Göre doch helfen! Es kann mir egal sein, wenn sie aus eigener Dummheit stirbt.“

Nach diesen Worten erinnerte ich mich an das traurige Gesicht von Atropos.
 

Kintaro half ihr sich auf einen Stuhl zu setzen und sich zu beruhigen. Wir standen alle bei ihr und hörten ihren aufgebrachten Worten zu.

„Ich konnte sehen, dass sie in einer Höle ist. Nahe der Klippe! Diese Räuber von neulich haben sie wohl. Geschnappt. Diese verdammten…“

„Aber warum sollten die Räuber sie plötzlich haben?!“, fragte Kintaro beunruhigt.

Meine Gedanken rasten. Vor Kurzem war sie doch noch hier! Wie konnte das passiert sein? Da fiel es mir ein! „Die Irrlichter!“, sagte ich laut und zog die Aufmerksamkeit auf mich. Sie sahen mich verdutzt an. Doch ich hob die Hand und erklärte. „Nagisa will ihren Fehler wieder richten! Sie wollte bestimmt die Irrlichter wiederholen! Damit Atropos nicht mehr so wütend auf sie ist!“

Doch Atropos lehnte sich entkräftet an den Tisch und schüttelte den Kopf. „Aber woher sollte sie denn wissen wo diese Räuber sind? Ich weiß nicht was ich tun soll… Ich konnte sie sehen. Ich konnte sehen, dass sie jeden Moment sterben könnte. Aber ich bin zu schwach…“, Tränen füllten ihre Augen. Sie blickte erschöpft aus dem Fenster.

Wir alle schwiegen einen Moment. Atropos war am Ende und Kintaro sah traurig zu Boden. Seine Haare verdeckten etwas sein Gesicht und er ballte die Fäuste. Dann blickte ich zu Shiro. Ihn interessierte die Situation nicht. Er wollte lediglich weiter reisen und stand an der Tür.

Atropos und Kintaro haben mir so leid getan. Sie hatten mein vollstes Mitgefühl. Sie konnten nichts tun. Sie waren hilflos. Kintaro war viel zu schwach um es mit einer Gruppe von starken Räubern aufzunehmen. Und Atropos konnte sich nach dem Schock kaum noch bewegen. Ich wollte helfen, nur wie? Ich war doch selber schwach. Ich konnte nur daneben stehen und nichts tun.

Doch Kintaro ging einen Schritt vor und schlug plötzlich auf den Tisch. „Ich werde sie holen!“, sagte er mutig.

Wir schauten ihn verwundert an.

Kintaro atmete nervös und seine Fäuste zitterten. Ohne aufzusehen sprach er weiter. „Ich werde Nagisa nicht im Stich lassen. Sie hat so viel für mich getan! Sie versucht immer ihr bestes! Ich mache auch manchmal Fehler! Und immer wieder hilft sie mir! Nun bin ich mal dran! Nun muss ich ihr helfen! Ich muss sie retten! Ich brauche sie. Ich… ich kann nicht ohne sie… ich..“, er biss die Zähne zusammen.

Sanft berührte Atropos seine Hand auf dem Tisch. „Kintaro…“, sagte sie nur leise.

Dann sah er auf. Es war Angst und Wut in seinen Augen zu erkennen. „Ich weiß, dass ich selber schwach bin. Aber ich werde alles tun, was ich kann, um sie zu retten! Sie wird nicht sterben! Atropos! Ich verspreche es dir! Ich gebe nicht auf! Ich hole Nagisa wieder!“, sagte er laut. Dann wurde er wieder ruhiger und blickte nachdenklich aus dem Fenster. „Und wenn… wenn sie wieder da ist… dann…“, nun richtete er seinen Blick zu mir. „Dann sage ich ihr, was ich für sie empfinde. Ehe es eines Tages zu spät ist.“

Überrascht von seinen Worten starrte ich ihn wortlos an. Er war so tapfer.

Zwar war sein Geist mit Angst erfüllt, doch die Hoffnung seines Herzens hatte ihm Kraft gegeben. Dieser aufrechte Charakter, dieser starke Wille. Und doch wusste ich, dass er es mit Hoffen und Wollen nicht schaffen würde.

Das konnte ich nicht zulassen! Ein Scheitern kam gar nicht in Frage.

„Wir helfen dir!“, platzte es aus meinem Mund.

Kintaro sah mich starr an. Er traute seinen Ohren wohl nicht. Doch ich wiederholte mich. „Kintaro! Wir werden dir helfen! Shiro und ich! Du musst da nicht alleine durch!“ Dann schaute ich zu Shiro und hoffte auf eine Zusage. Er war der Einzige, der dieser Sache gewachsen war. Er war der einzige, der das schaffen konnte. Er war der einzige mit so viel Macht und Stärke, dass ihm diese Rettung gar nicht schwer fallen würde. Doch wie konnte ich nur davon ausgehen, dass Shiro hilft. Einer fremden Person. Besonders in unserer jetzigen Lage, in welcher wir selber Hilfe brauchten. Wie konnte ich das nur von ihm verlangen. Hatte ich das Recht dafür? Natürlich nicht.

Er würde auch sicherlich nicht einwilligen. Und so wie meine Gedanken um dieses Thema kreisten, erkannte ich seinen Blick. Seinen ruhigen, gar nicht verärgerten Blick und ich beruhigte mich.

Statt mich anzukeifen oder ignorant die Hilfe zu verweigern, beobachtete er mich mit seinen weiß-blauen Augen. Wusste er etwa, dass ich ihn bitten würde? Warum reagierte er nicht aufgebracht und warf mir böse Worte an den Kopf? Wollte er sogar von selber helfen? Auch wenn dies überhaupt nicht seine Art war.

Wir sahen uns einen Moment lang an. Ich wusste, dass dieses Schweigen keine Ablehnung war.

Dann blickte er herab und hob arrogant eine Augenbraue. „Danach wird unsere Reise aber fortgesetzt!“, sagte er nur, verschränkte seine Arme und willigte somit ein.

Ich lächelte glücklich und nickte ihm zuversichtlich zu. „Ja!“

Kintaro ging auf Shiro zu. „Das würdest du tun? Aber… ich kann nicht verlangen, dass ihr euch für uns in Gefahr begebt! Es könnten zu viele Räuber sein! Und…-“

„Keine Sorge!“, grinste ich ihm bedenkenlos zu. Dann deutete ich auf Shiro. „Das da ist immerhin der Schat… ehh… sch… stärkste Typ den ich kenne! Der packt das!“

Plötzlich hörte ich Kintaro schniefen. Tränen flossen aus seinen Augen. Er wischte sie mit seinem Arm weg doch es folgten immer mehr. „Danke… ich danke euch…“
 

„Yuki!“, rief Shiro mich aus meinen Gedanken. Verwirrt schüttelte ich meinen Kopf und kam wieder zu mir. Dann hörte ich wie der Türhenkell bewegt wurde und drehte mich überrascht um.

„Wie unfähig bist du? Beeil dich!“, motzte Shiro und kam grimmig herein. Im Hintergrund sah ich Kintaro panisch von links nach rechts rennen. Anscheinend traf er Vorbereitungen für unseren Weg.

So schnell wie Shiro hinein kam und auf mich zu lief, ging ich abrupt zurück und hielt meine Hände beschämt vor mich. Da ich Schuhe und Handschuhe schon ausgezogen hatte und auch den Verschluss der Nackenschleife des Kleides geöffnet hatte, erschien die Situation peinlich für mich.

Doch Shiro bereitete es keinen Scharm. Immerhin war ich noch bekleidet. Er bemerkte auch direkt meine Arme hinter meinem Rücken und erkannte mein Problem. Er stöhnte genervt und machte mit seiner Hand eine kreisende Bewegung. „Dreh dich um.“

„Eh. Was?!“, meine Wangen wurden ganz rot und meine Augen groß. Doch Shiro blickte mich ungeduldig an und wiederholte sich nicht noch einmal.

„Ok..ok..“, antwortete ich nachdem er mich nur mürrisch ansah und drehte mich um. Gleichzeitig streifte ich meine Haare nach vorn.

Als ich spürte, wie er den Verschluss des Kleides griff, rief ich noch kurz auf. „Du darfst nicht gucken!“, meinte ich laut ohne ihm mein errötetes Gesicht zu zeigen.

„Ja, ja.“, meinte er nur und zog den Verschluss hinunter.

Warum klopfte mein Herz so? Es war doch nur Shiro. Mit ihm hatte ich weitaus peinlichere Situationen durchlebt.

Als er mich in meinem Zimmer überrascht hatte und er meine Unterwäsche unter meinem Nachthemd gesehen hatte. Oder als er nur im Handtuch bekleidet, stolz neben mir stand. Als er meine Strümpfe ausgezogen hatte um meine Brandwunde zu heilen. Wie uns alle in der Schule angestarrt hatten. Oder als er plötzlich vor meinem Zimmer stand und ich unbekleidet heraus ins Bad stürmen wollte.

Moment, warum erinnere ich mich gerade jetzt an diese Szenen?

Plötzlich dampfte mein Kopf und wurde glühend rot. Warum gerate ich überhaupt ständig mit Shiro in solche Situationen? Es war, als wäre mein Atem stehen geblieben, da meine Gedanken meinen Körper einfroren. Ich presste meine Lippen fest aufeinander und hielt meine Hände vor mein Gesicht.

Plötzlich hörte ich bekümmerte Worte von Shiro. „Was ist das?“, fragte er plötzlich.

Erschrocken sah ich über meine Schulter und erkannte wie er mich besorgt ansah.

„SPANNER!“, sagte ich laut und drehte mich hektisch um. „Du solltest doch nicht gucken! Hey! Geh! Guck weg!“

Doch er machte nur einen kleinen Schritt zurück um meiner wedelnden Hand auszuweichen. Mit der Anderen hielt ich mein Kleid oben.

Doch Shiro sah mich weiter ernst an. „Wie ist das passiert?“, fragte er nur ruhig ohne sich von meinen Worten einschüchtern zu lassen. Doch ich versuchte ihn weiter aus dem Zimmer zu scheuchen. „Geh raus!“, sagte ich laut, zeigte auf die Tür und kniff die Augen zusammen. Absichtlich versuchte ich jedem Blick auszuweichen.

Plötzlich griff er meine erhobene Hand, sodass ich vor Schreck meine Augen aufriss und ihn schweigend ansah. Sein Blick war so ernst und doch besorgt. Er war nicht stechen scharf wie sonst sondern sanftmütig und einfühlsam.

„Du musst es mir nicht sagen, doch ich würde gerne wissen, ob das meine Schuld war.“, sagte Shiro besorgt und ließ meine Hand wieder los.

Ich sah ertappt zu Boden. Er hatte die Narbe auf meinem unteren Rücken gesehen. Nicht sehr groß, dennoch groß genug, dass man sie sofort erkannte. Ein länglicher heller Streifen. Doch darüber zu reden fiel mir schwer und stimmte mich traurig. Da ich es nicht sehen musste, versuchte ich es einfach zu vergessen.

Betrübt sah ich zu Boden und traute mich nicht ihn anzusehen. „N… nein… das ist alt…“, stotterte ich leise und streifte die Haare hinter mein Ohr. Ich wollte das Thema nicht weiter vertiefen. Nicht jetzt. Nicht hier. Am liebsten nie.

Doch Shiro trat mir sofort mit Verständnis gegenüber. „Frauen sollten rein und nicht von Narben geprägt sein… Möchtest du, dass ich sie heile?“, sprach er sofort ohne mich in die Bedrängnis einer Erklärung kommen zu lassen.

Überrascht sah ich ihn an. Ich war kurz sprachlos. Aber wollte ich das? Wollte ich, dass er einen Teil meiner Vergangenheit löscht? Etwas, das ich Jahre mit mir tragen musste. Obwohl ich es hasste und doch zu dem machte, was ich jetzt bin.

Ich drehte mich nachdenklich weg und fummelte an der Wäsche auf dem Tisch. „Ich… ich…“, zierte ich unangenehm meine Antwort. Doch Shiro lief schon wieder zum Ausgang. „Zieh dich um.“, sagte er als ich überrascht aufblickte und ihn schon an der Tür stehen sah. Glücklicherweise war das Gespräch somit auch schon beendet, ohne dass ich mich dazu äußern musste.

„J… Ja!“, rief ich ihm noch zu als er die Tür hinter sich schloss. Dann war ich wieder alleine.

Nachdenklich blickte ich in die Leere und fasste an meinen Rücken. Diese Narbe war ein Geschenk meines Großvaters. Ich wünschte mir, diese Momente einfach vergessen zu können. Doch wenn diese mein Leben nicht geprägt hätten, wäre ich dann nicht auch ein anderer Mensch geworden?

Und wenn ich Shiro nicht getroffen hätte, wie wäre mein Leben jetzt?

Aufgewühlt seufzte ich und ärgerte mich. Darüber nachzudenken würde doch nun auch keinen Sinn machen. Also griff ich entschlossen die Kleidung. Ein einfaches weißes Shirt und eine Braune Hose welche schon ein wenig zerfranst und Kaputt war. Dazu leichte, braune Schuhe. Mein Kleid legte ich über die Lehne eines Stuhles und zog mich schnell um.
 

Nach kurzer Zeit lief ich schon umgekleidet aus dem Haus wo Shiro, Atropos und Kintaro auf mich warteten.

„Wir müssen durch den Wald! Wenn Atropos es richtig erkannt hat, müssten die Räuber an irgendeiner Höhle an der Klippe sein!“, sagte Kintaro nervös und zeigte in die Richtung, in welcher wir aufbrechen mussten. Er trug ein Schwert an seiner Linken, welches viel zu groß für ihn erschien und Pfeil und Bogen an seinem Rücken.

Shiro stand genervt und mit überkreuzten Armen neben ihm. Er konnte es kaum erwarten, das Alles endlich hinter sich zu bringen.

Atropos trat vor. „Beeilt euch. Ich weiß nicht, wie viel Zeit sie noch hat!“, sagte sie leise und faste Kintaros Arm.

„Keine Sorge Atropos! Ich hole sie wieder!“, antwortete er ihr zuversichtlich und hob seinen Daumen. Schließlich drehte er sich zum Wald. „Dann mal los!“, sagte er laut, hob seine Hand und startete unseren kleinen Ausflug.

Shiro und ich liefen nebenbeinander und folgten Kintaro. Noch bevor wir die Bäume und Sträucher erreicht hatten, kam Shiro mir etwas näher. „Dir ist hoffentlich bewusst, dass ich meine Kraft nicht nutzen kann.“, flüsterte er mir zu ohne mich anzusehen.

Ich blieb perplex stehen. „W.. was… aber… stimmt ja!“, sagte ich erschrocken und hielt die Hand vor meinem Mund. Doch Shiro kommentarlos weiter. Als mir bewusst wurde, was das bedeutete, rannte ich ihm schnell nach um ihn einzuholen. „Aber.. schaffst du das trotzdem..?“, flüsterte ich genau so leise zurück und sah besorgt zu ihm hoch.

Wenn er seine Magie nicht nutzen konnte, würde es bedeuten, dass er viel schwächer ist! Er könnte sich nicht teleportieren wie ich es aus dem Kampf von ihm und Deeon kannte und ich wusste nicht, was ihm seine Kraft sonst noch gab. Eventuell könnte er sich nicht heilen wenn er verletzt werden würde.

Aber Shiro grinste arrogant als ich eine zweifelnde und bekümmernde Miene aufzog. „Natürlich schaffe ich das. Ich bin immerhin der stärkste Typ den du kennst.“, zitierte er mich und blickte leicht schmunzelnd zu mir herunter.

Ich runzelte besorgt die Augenbrauen doch meine Mundwinkel mussten bei seinen Worten lächeln. Ich hoffte, dass er Recht behalten würde.
 

Nachdem wir nun über Sträucher und Büsche, Gräser und Pflanzen, zwischen den riesigen Bäumen liefen, wurde der Boden freier. Als ich an den letzten Bäumen vorbei kam, erkannte ich den großen See vom Abend zuvor. „Eh! Das kenne ich hier!“, sagte ich laut und sah mich um. Auch wenn die Sonne nun schien und die Irrlichter nicht zu sehen waren, war der Anblick dieses Ortes bezaubernd.

Nun blieb Kintaro stehen und wir stoppten. „Hmh.. also ich glaube.. wir müssen da lang.“, sagte er zögerlich und rieb sich das Kinn.

„Bist du dir sicher?“, fragte Shiro und legte die Hände in seine Hosentaschen. Der Blauhaarige lächelte nervös. „Nun ja… also ich war nicht so oft hier draußen.“

Doch langsam wurde Shiro wütend. „Ich habe keine Lust hier lange herum zu trödeln! Weißt du wohin oder nicht?“

„Naja.. also Atropos hatte gesagt.. wir müssen in den Westen… oder in den Osten? Ich bin mir nicht mehr ganz sicher…“

Unmissverständlich seufzte Shiro laut und rollte die Augen. Da Kintaro sich wohl etwas unter Druck gesetzt fühlte, deutete er planlos gerade aus. „Da lang!“, und lief weiter.

Während die beiden sich unterhielten stand ich abseits und betrachtete die Umgebung. Mich faszinierten viel mehr der Ausblick und die wunderschöne Natur. Bis auf das Gespräch zwischen den anderen Beiden war es sehr ruhig und beruhigend. Meinen Blick hatte ich stets in die Richtung des riesigen Sees gerichtet. Das Licht der, in der Nacht leuchtenden Blumen, waren nun erloschen und sie wirkten unscheinbar und normal. Auch wenn dadurch die Magie dieses Sees nicht mehr so sehr zu erkennen war, so war dies ein Anblick, den ich nie vergessen wollte.

In dem See schwammen noch die Fische, welche sich der Wasseroberfläche näherten. Träumend richtete ich meinen Blick langsam auf und sah in die Ferne des Waldes, zwischen den dichten Ästen und dem sanften Nebel.

Doch als ich gedankenlos umherblickte, erkannte ich ein kleines gelbes Licht am Rand des Sees.

„Hmh?!“, neugierig starrte ich dieses kleine Leuchten an. Es sah aus wie eines der Irrlichter. Sie waren am Tag jedoch weniger auffällig als in der Nacht. Somit näherte ich mich diesem kleinen Wesen. Es schwebte etwas hoch und herunter, als würde es versuchen, meine Aufmerksamkeit zu erhaschen.

Gerade als Kintaro und Shiro weiter in die eine Richtung gingen, lief ich jedoch in eine andere. Erst bemerkten sie mein Zurückfallen nicht, da sie damit beschäftigt waren den richtigen Weg zu finden.

Mit schnellen, unauffälligen Schritten, tapste ich zum See und kniete mich zu dem Irrlicht.

„Was ist denn?“, fragte ich es und hob meine Hand. Dieses kleine Wesen grinste mich an und drehte sich tanzend in der Luft. Dann stelle sie sich kichernd in meine Handfläche. Leise sprach ich weiter. „Kannst du mir helfen? Kannst du mir zeigen, wo deine Freunde sind? Und wo meine Freundin ist?“

Wieder hörte ich ein Kichern von ihr. Sie bewegte sanft ihre kleinen Flügelchen, stellte sich auf ihre Zehenspitzen und drehte sich in einer Pirouette. Als sie am Ende meiner Hand angekommen war, sprang sie mit einer eleganten Haltung von mir weg. „Hey! Warte!“, sofort stand ich auf und lief ihr hinterher.

Als ich aufsprang bemerkte Shiro mich. „Yuki! Was tust du da?!“, fragte er laut und drehte sich zu mir. Während ich dem Irrlicht folgte, sah ich kurz zu ihm. „Shiro! Sie zeigt mir den Weg dahin! Zu den anderen Irrlichtern! Und zu Nagisa!“

„Schwachsinn! Das ist ein Irrlicht!“, meinte er und versuchte mich davon abzuhalten weiter zu rennen. Doch ich folgte ihr weiter. „Kommt! Glaub mir!“

„Yuki! Warte!“, nun rannte auch Shiro mir hinterher. Im Hintergrund hörte man Kintaro verwirrt, wie er nach uns rief und schließlich auch zu rennen begann.

Ohne mich aufhalten zu lassen lief ich diesem Lichtchen hinterher. Ich lief an dem See entlang und wieder in den dichten Wald hinein. Über umgeknickte kleine Baumstämme und Äste. Über Steine und Sträucher. Das kleine Licht war so schnell, darum beeilte ich mich, sie nicht aus den Augen zu verlieren. Es schwirrte in kurvenförmigen Flügen immer weiter gerade aus. Der Weg war anstrengend, doch ich wusste, dass sie helfen wollte.

Wütend rannte Shiro hinter mir. „Lass das! Yuki! Weißt du überhaupt woher die Viecher ihren Namen haben?!“, meinte er laut und biss die Zähne aufeinander.

„Vertrau mir doch! Ich glaube wirklich, dass das der Weg ist!“

„Yuki!“

Ich wollte mich nicht von ihm aufhalten lassen. In mir wusste ich, dass es richtig war. Dieses Irrlicht wollte helfen und uns nicht in die Irre führen.

Also setzte ich einen Schritt nach dem anderen. Ich spurtete durch den Wald. Kleine Tierchen flohen, als ich rastlos an ihnen vorbei rannte. Das Laub am Boden knisterte mit jedem Schritt und ich erkannte, dass es immer heller wurde. Helle Sonnenstrahlen waren am Ende zu erkennen und die Dichte des Waldes nahm ab. Doch das Irrlicht flog zu schnell. „Bleib hier!“, bat ich nach Luft schnappend und rannte durch das letzte Gebüsch. Plötzlich blendete mich das schimmernde Tageslicht. Ich rannte aus dem Waldrand heraus und sah erschrocken in den blauen Himmel. Das Irrlicht war verschwunden und der Weg war abrupt zu ende. „Hä?!“ Da ich meine Füße jedoch nicht so schnell stoppen konnte, sah ich erschrocken herab in einen Abgrund, auf welchen ich geradewegs steuerte.

Ich riss perplex meine Augen auf. Meine Muskeln krampften sich zusammen, doch das hielt mich nicht auf. Panisch biss ich die Zähne zusammen und versuchte mein ganzes Körpergewicht nach hinten zu verlagern. „Hng!“

Doch es war zu spät. Noch bevor ich meinen Körper zum stehen bringen konnte, rutschte ich auch schon an der Kante der Klippe ab. Ich verlor den Halt auf meinen Beinen, als der Boden nachgab, sich einige Steine lösten und herunter brachen. Ich konnte mich nicht halten, es war, als schwebte ich kurz in der freien Luft bevor ich herunter stürzen sollte.

Unter mir war ein tiefer Abgrund. Es waren scharfe und lange Felsen zu sehen, auf welche Wellen eines Meeres prallten. Auch wenn der Anblick schön war, so fürchtete ich mich jedoch vor dem Fall, der mir bevor stand.

Doch gerade als mein Körper dem freien Fall ausgeliefert war, wurde ich mich einem Ruck aufgehalten.

„Yuki!“ Gerade als ich in den Abgrund fiel, spurtete Shiro mir nach. Er rutschte in Eile über den Boden und griff nach meiner Hand. „Yuki!!“, schrie er wieder und sah zu mir herab.

Ich spürte plötzlich seine kalte Haut an meinem Arm. Dann kam der Boden mir nicht mehr näher. Ich hing in der Luft. Wie erstarrt richtete ich mich zu ihm hoch. Mein Herz pochte wild. Wollte mich das Irrlicht doch in die Irre führen? Meine Ohren piepten vor Aufregung und ich konnte nur meinen Atem hören. Nur schwer realisierte ich, was passiert war. „Shiro..?“, fragte ich leise und schaute hinauf, in sein besorgtes Gesicht. Doch aus seinem erst selbst erschrockenen Blick wurde eine genervte Maske. „Du blöde Kuh!“, schrie er mich wütend an.

Nachdem er das sagte, kam ich wieder zu mir. Doch ich lächelte glücklich, denn ich war froh ihn zu sehen. Er hatte mich gerettet, mal wieder.

Seinen Oberkörper hatte er weit über den Abgrund gelehnt und hing selber senkrecht herunter. Mit seiner anderen Hand hatte er sich an einem Stein festgehalten.

Als er mich endlich nach hinten beugte um mich hoch zu ziehen, krallte ich mich an die Kante der Klippe und stemmte mich hoch. Oben angekommen schmiss ich mich zur Seite und schnappte nach Luft. Shiro hockte mir gegenüber. Auch er war ziemlich aufgebracht und musste sich einen Moment beruhigen.

„Was sollte das?!“, kam es erzürnt von ihm. „Muss ich dir ´ne scheiß Kette um den Hals werfen, damit du nicht ständig Schwierigkeiten bereitest?!“

Seine Worte trafen mich. Ich drückte meine Finger nachdenklich auf den Boden zwischen den Steinchen und dem Gras und zögerte. „Ich.. ich dachte.. also.. Ich könnte helfen..“

„Yuki!“, sprach er nun laut, sodass ich aufmerksam aufblickte. Er sah mich mit stechendem Blick an. „Ich will nicht mehr-“

„Shiro!! Yuki!!“, schrie Kintaro aus der Ferne und rannte auf uns zu. Aufgebracht drehten wir uns zu Seite und sahen, wie er unbeholfen, steif und träge durch den Wald stapfte, bis er erschöpft bei uns ankam und sich erst einmal schwer atmend vorbeugte, um Luft zu schnappen.

Als ich reumütig zu Boden sah, da ich auch von ihm einen Tadel erwartete war ich überrascht als er sich jedoch freute.

„Ha! Ihr habt es gefunden!“, sagte er erleichtert und lief zum Rand der Klippe.

Shiro und ich schauten uns erst beide verwirrt an. Dann drehten wir uns gleichzeitig zur Klippe und sahen auch hinab.

„Da! Da hinten! Seht ihr diese Höhle?!“, meinte er und zeigte mit dem Finger hin.

Er hatte Recht. Dort, zwischen einigen großen, spitzen Steinen, war tatsächlich, nahe der Klippe, ein Weg der in eine Höhle führte.

„Gut gemacht Yuki!“, freute Kintaro sich strahlend und voller Eifer.

Ich biss auf meine Lippe und runzelte die Stirn undgläubig, ob meine Art die Höhe zu finden, tatsächlich so gut war. Doch es freute mich, dass wir endlich angekommen waren.
 

Schnell kletterten wir an einem weniger steilen Stück die Klippe herunter und näherten uns dem Eingang unauffällig.

Das Wasser neben uns prallte auf die Felsen und ein meeresartiger Geruch erfüllte die Luft. Kleine Wasserperlen prasselten an unsere Füße, während sich ein kleiner Schaum an den flachen Stellen der Steine sammelte und wieder abfloss.

Der braune Steinboden, auf welchem wir liefen, war benetzt mit Wasser und an unebenen stellen füllten sich kleine Pfützen. Es war nur wenig Platz um zur Höhle zu gelangen, darum liefen wir hintereinander, aufmerksam den Weg entlang. Shiro lief vor, hinter ihm folgte ich und hinter mir war Kintaro.

Ich war etwas besorgt, da Shiro seit seinem Vorwurf nicht mehr mit mir geredet hatte. Doch was wollte er mir zuletzt sagen? -Ich will nicht mehr- Nicht mehr was? Während des Laufens stellte ich mir vor wie er böse vor mir stehen würde und mich wütend belehrt. –Ich will nicht mehr, dass du ständig Mist baust- Ich will nicht mehr, dass ich dich ständig retten muss!- Ich will nicht mehr, dass du immer nur Ärger machst!- Ich will nicht mehr, dass du dabei bist!- … Ich will nicht mehr, dass du hier bist!-

Besorgt griff ich in den Stoff meines Oberteils und stellte mir jegliche Szenarien vor, was er sagen wollte. Wollte er wirklich, dass ich verschwinde? Es war doch nie meine Absicht, ständig Schwierigkeiten zu bereiten. Ich wollte doch auch nur mal etwas richtig machen.

Plötzlich blieb Shiro stehen und wir hielten an. „Da ist jemand.“, sagte er leise und wich etwas zurück.

Wir versteckten uns hinter einem herausragenden Felsen. Einer der Räuber patrouillierte tatsächlich am Eingang.

Das war meine Chance endlich etwas richtig zu machen! Ich würde mich komplett an Shiros Anweisungen halten! „Und was machen wir jetzt?“, fragte ich überrascht und stellte mich neben ihn.

Doch Shiro sah mich plump und genervt an.

„Hmh… was denn?“, fragte ich überfordernd lächelnd.

Doch dann packte er mich an meiner Hüfte, hob mich einfach hoch, drehte sich und stellte mich hinter Kintaro wieder ab. „DU bleibst hier. Kein Wort, keine Dummheiten! Mach Sitz und beweg dich nicht vom Fleck!“, befahl er mir ernst.

Enttäuscht sah ich ihn mit großen Augen an. Das war nicht ganz, woran ich gedacht hatte. Doch ich wollte auf ihn hören. Ich wollte nicht wieder Probleme bereiten. „Ja..“, antwortete ich also leise und blickte weg.

Sofort wandte Shiro sich wieder zum Eingang. „Komm.“, meinte er zu Kintaro und schlich sich langsam mit ihm heran.
 

Dieser Mann, der am Eingang patrouillierte war groß und muskulös. Gelangweilt lief er von links nach rechts und trank immer wieder aus einer kleinen Metallflasche. „Der ist alleine.“, flüsterte Shiro und lehnte sich an einen Felsen.

„Hmh!“, nickte Kintaro ihm nervös zu.

„Er scheint auch ganz schön betrunken zu sein.“

„Hmh!“, kam es nur wieder von dem Blauhaarigen. Er zitterte ängstlich und er hatte seine Hand ruhelos an seinem Schwert.

Shiro drehte sich gelassen zu ihm. „Noch nie gekämpft?“, fragte er ihn.

Nachdem Schweißperlen an seiner Stirn herunter kullerten, schluckte Kintaro unsicher und schüttelte den Kopf. „Mh mh…“, verneinte er.

Dann drehte Shiro sich wieder dem Räuber zu. Dieser lief, nachdem er wieder seine Flasche öffnete, direkt auf die Beiden zu, ohne etwas zu ahnen. Er lief gelangweilt seine Route ab und trank dabei. Gerade, als er seine Flasche wieder absetzte, stand Shiro plötzlich grinsend vor ihm. Der Mann klimperte fassungslos mit den Augen. „He..? Was zur..“ Doch ehe er etwas tun konnte, holte Shiro mit seiner Faust Schwung, und verpasste ihm einen heftigen Kinnhaken. Der Mann fiel leicht in die Luft, doch bevor er sich auf den Beinen fangen konnte, griff Shiro sich den Schädel des Mannes und schlug ihn brutal gegen einen Felsen.

Kintaro schauderte als er das Blut am Stein sah und der Mann leblos vor ihm zu Boden krachte. „Hnng! Ist.. der tot?!“, fragte er mit zitternder Stimme und starrte auf den Körper.

„Nein. Aber er wird sicherlich Kopf- und Zahnschmerzen haben, wenn er zu sich kommt.“, grinste Shiro. Dann stellte er sich vor den Eingang und atmete tief ein und wieder aus.

„Bereit?“, fragte er ruhig und bewegte seinen Kopf seitlich, dass sein Nacken knackte.

Kintaro zog sein Schwert und hielt es zitternd vor sich. „Ehm.. ja.“ Doch Shiro blickte ihn unbeeindruckt an. „Leg dein Schwert zurück. Tze. Eine Schande wie du es hältst! … Du holst deine zickige Freundin. Ich lenke die Aufmerksamkeit auf mich. Wenn du stirbst, dann rette ich dich nicht. Verstanden? Und wenn du sie hast, renn einfach weg. Ich erledige das.“, erklärte Shiro unmissverständlich und ließ die Gelenke seiner Finger knacken.

Kintaro steckte verwirrt sein Schwert in die Scheide. „Aber… du kannst doch nicht alleine..-“, begann er und packte ihn an seiner Schulter und stellte sich vor ihn.

Plötzlich erkannte Kintaro, Shiros hassenden Blick und seiner schaurigen Art, dass ihm die Worte weg blieben. Ein Schauer lief über seinem Rücken. Er schreckte etwas zurück als er diese kalte Aura von Shiro, nein, von dem Schattenmann, bemerkte. Er war plötzlich ganz anders. Er war so angespannt, er war angsteinflößend, er unheimlich. Er war furchterregend. Er war wieder voll und ganz der Schattenmann.

Das verliebte Mädchen

Trübsal blasend saß ich auf einem kleinen Felsen an der Klippe und blickte in das Meer. Es war ruhig und frisch. Das Wasser versprühte einen angenehmen natürlichen Duft und bewegte ich sanft vor und zurück. Nachdenklich hatte ich meinen Kopf auf meine Arme gelegt und schmollte. „Ich hoffe sie finden Nagisa schnell... ich hoffe, dass ihnen nichts passieren wird.“, sprach ich leise zu mir selber. Doch dann grinste ich. „Shiro schafft das. Der schafft doch einfach alles.“ Gelangweilt spielte ich mit meinem Finger auf dem Felsen neben mir und wischte über die kleinen Wassertropfen, die durch die aufprallenden Wellen dort hin gefallen waren. Irgendwie fühlte ich mich überflüssig. Ständig gerate ich nur in Schwierigkeiten oder verursache welche. Es wunderte mich überhaupt nicht, dass Shiro mich hier abstellte, damit ich nicht schon wieder Probleme verursachte.

Ich seufzte laut und tief. „Hach... mano...“ Dann sah ich weiter den Wellen zu, wie sie immer wieder leicht gegen die Steine stießen. Leise und gleichmäßig.
 

In der Höhle war es alles andere als leise. Dort tobte schon der Kampf.

„Du Scheißkerl! Verrecke!“, schrie einer der Diebe Shiro zu und rannte ihm mit einem Schwert entgegen. Doch als er zuschlug, wich Shiro amüsiert zur Seite. Dann packte er den Arm des Mannes und riss ihn herunter. Gleichzeitig drehte er sich geschickt und trat ihm gekonnt in die Magengrube. Der Mann wurde an die Wand geschleudert, prallte daran ab und fiel bewusstlos zu Boden.

„Warte! Was soll ich denn jetzt tun?!“, fragte Kintaro laut und stand panisch hinter Shiro.

Dieser drehte sich genervt um. „Hol die kleine Nervensäge!“

„Aber, woher weiß ich denn wo sie ist? Und was ist, wenn mich so einer angreift?“, zitterte seine Stimme. Direkt sah Shiro ihn mit seinem kalten, angsteinflößenden Blick an. Er musste gar nicht reden, denn Kintaro verstand sofort was er meinte. Er wich etwas zurück und erschreckte. Dann packt er sich nachdenklich an die Schulter. „Oh.. ok. Also wenn du da lang gehst, werde ich mal hier entlang laufen!“, stotterte er und lief in einen Gang nach links.

Shiro drehte sich schweigend wieder von ihm weg und näherte sich dem rechten Gang. Dann rannte er einfach los.

Kintaro hingegen lief mit kleinen Schritten voran. Er sah sich mehrmals um bevor er den Gang betrat. „Ohje… hoffentlich kommt keiner… hoffentlich kommt keiner…“, flüsterte er leise und griff sein Schwert.
 

Shiro sprintete weiter. Es bereitete ihm innerlich Freude zu wissen, dass er stärker war und jeden Kampf gewinnen würde. Einerseits war er wieder konzentriert und emotionslos. Doch andererseits wollte er den Kampf und konnte es kaum erwarten. Er mochte das Gefühl des Sieges. Nicht umsonst hatte er sich so viel Macht angeeignet. Also rannte er immer weiter ohne Pause. Der Weg ging Berg ab. Sollte ihm jemand entgegen treten, würde er diesen locker niederschmettern.

Als er schließlich am Ende ankam blieb er einen Moment stehen und blickte sich verwundert um. Er stand sehr weit oben und schaute in die riesige Höhle hinunter. In mitten der nassen, steinigen Halle war ein breiter und tiefer See. Eine Brücke führte hinüber, um den Weg auf die andere Seite zu verkürzen. Große, gebrechliche Steinsäulen ragten bis zur Decke. Es hatten sich überall schon Stalaktit und Stalaknit gebildet. Schaute man in den See, so erkannte nichts als ein dunkles Loch, welches endlos erschien.

Anscheinend hatte noch niemand mitbekommen, dass Shiro sich an den Räubern im Eingang ausgetobt hatte, denn sie liefen ruhig umher, trugen Kisten und kommandierten sich gegenseitig herum.

Langsam lief Shiro den Weg hinunter, über ein paar felsenartige Stufen. Mit den Händen in der Hosentasche spazierte er einfach in das dort unten aufgebaute Lager. Er machte sich bereit, einen ausdrucksvollen, mächtigen Auftritt zu starten, doch niemand beachtete ihn. Im ersten Moment war er etwas sprachlos. Ein Räuber, der eine riesige Kiste auf seine Schulter schleppte und angestrengt an Shiro vorbei stolzierte, lief einfach einen Bogen um ihn und arbeitete weiter.

Auch die anderen liefen einfach umher, ohne sich zu fragen, was dieser Fremde dort zu suchen hatte. Hatten sie ihn nur nicht bemerkt? Oder hatten sie ihn bemerkt und es war ihnen egal? Oder hatten sie ihn für jemand anderes gehalten?

Shiro hob die Augenbrauen verdattert und zog eine überraschte Miene. Er hatte sich doch auf einen Kampf gefreut und dass alle vor Angst von ihm davon rennen würden. Doch davon war keine Spur. Also sah er sich gemütlich um. Die Hände in den Taschen und beinahe auffällig pfeifend. Jeder hatte etwas zu tun. Die Großen und Muskulösen verfrachteten schwere Gegenstände. Die Schwachen durchstöberten die Kisten und zählten die Inhalte. Einer nach dem anderen liefen an ihm vorbei. Keiner hatte ihn bemerkt.

Er machte einen Blick nach links und einen nach rechts. Dann sah er plötzlich einen schwachen Burschen am Rand stehen. Er hatte Schwierigkeiten eine der Kisten zu befördern, doch versuchte tapfer das schwere Teil zu tragen. Sofort blieb Shiro stehen. Dann begann er fies zu grinsen.

„Soll ich helfen?“, fragte er und lief auf ihn zu. Der Junge sah zunächst nur seinen Schatten. Doch geschwind wischte er sich den Schweiß von seiner Stirn und drehte sich um. „Nein, nein! Ich schaffe das!“, sagte er aufrichtig und blickte Shiro an. Dann schwieg er, als er den großen, blassen Dämonen vor sich stehen sah und runzelte die Stirn. „W… was? Wer bist du denn?“, fragte er frech.

Daraufhin beugte Shiro sich etwas zu ihm herunter und lächelte. „Ich bin in euer Versteck hereingeplatzt, habe die drei Wachen am Eingang überwältigt und will eine Gefangene von euch befreien.“, antwortete er vergnügt.

Der Junge riss die Augen auf und starrte ihn sprachlos an. Im nächsten Moment ließ er die Kiste fallen, rannte von ihm weg und begann zu schreien. „Eindringling!!! Eindringling! Da ist ein Eindringling! Hilfe!!! Schnell!“

Arrogant grinsend blieb Shiro stehen und blickte umher. „Das wird ja einfacher als gedacht.“, kicherte er selbstsicher.
 

Ich saß noch immer wartend draußen auf dem Felsen. Es war bereits eine ganze Zeit vergangen und sie waren immer noch nicht da. „Mhhm.. wo bleiben die denn?“, fragte ich mich genervt und stand auf. Ich schaute um die Ecke und erkannte den feuchten, steinigen Weg, welcher zum Eingang führte. Dort waren Shiro und Kintaro entlanggelaufen. Würden sie dann auch wieder von dort zurückkommen? Wie sieht die Höhle eigentlich aus? Da ich niemanden mehr hörte, müssten sie anscheinend ziemlich weit hineingelaufen sein. Es würde sicherlich keine Umstände machen, wenn ich von außen hineinsehen würde.

Neugierig lief ich an der Klippe entlang und hielt mich vorsichtig an den Steinen fest um nicht in das Wasser zu fallen. Vor dem Eingang erkannte ich auch schon den ersten Räuber bewusstlos am Boden liegen. Eine Metallflasche lag neben ihm, aus welchem anscheinend Alkohol floss.

Ich biss die Lippen nervös aufeinander. Dann sah ich ihn mit großen Augen an. Etwas Blut, das sich mit dem Wasser am Boden vermischte breitete sich aus. Ich war mich sicher, dass er nicht so schnell aufstehen würde. Kurz schluckte ich. Sollte ich mich nicht lieber zurück auf den Felsen setzen und warten? Aber dann erkannte ich einen zweiten Mann am Boden liegen und dahinter einen dritten. Der eine saß bewusstlos an der Felswand und der andere lag mitten im Weg. Beide mit Blut befleckt, jedoch noch lebend.

„Shiro…“, flüsterte ich leise. Ich wusste, dass er hier gewütet hatte. War ich stolz, dass er so stark war und die Bösen überwältigt hatte, wie ein Held? Oder machte ich mir sorgen, dass er es übertreiben würde. Neugierig lief ich weiter und schaute mir den schmierigen, dreckigen Mann an. Nachdenklich sah ich herab. Der Mann am Boden hatte wohl einige Zähne verloren, da diese neben ihm verteilt lagen. „Der Arme..“, kam es leise aus mir. Auch wenn diese Räuber selber anderen Unrecht taten, hatte ich dennoch ein wenig Mitgefühl für sie. Denn niemandem würde ich einen Schlag von Shiro wünschen. Außerdem müssten sie wohl einen guten Grund haben, diesen Job zu machen. Ein Räuber zu sein. Leute zu bestehlen. Vielleicht war dieser Mann hier ein Familienvater? Vielleicht musste er alleine für seine Kinder sorgen? Wer weiß das schon. Nicht jeder, der schlechtes tut, macht es aus freien Stücken. Viele werden einfach dazu gezwungen.

Plötzlich stöhnte der liegende Körper vor mir und bewegte sich. Perplex schreckte ich zurück. Als nächstes hörte ich Schritte aus dem rechten Gang schallen. Ich blickte erschrocken den Schritten entgegen.

„Ich sollte das tun, was er mir gesagt hatte! Ja genau!“, sagte ich fix und schlug mit der Faust auf meine Handfläche. In leichter Panik verfallen drehte ich mich schnell um und lief mit großen doch leisen Schritten dem Sonnenlicht entgegen. Mein Herz begann zu pochen. Denn ich wusste, dass es hier nicht sicher war. Mit einem falschen Lächeln versuchte ich meine Angst zu überspielen und machte einen Schritt nach dem anderen. Einfach weiter laufen. Es würde schon nichts passieren. Nicht über die Männer stolpern, aber auch nicht erwischt werden! „Ich setze mich einfach wieder da hin. Und es ist, als sei nichts geschehen! Ja.. Ja genau!“

„Halt!“, schrie plötzlich jemand hinter mir. Stocksteif blieb ich stehen, „Hmng…!“ und presste die Zähne aufeinander. Dann drehte ich meinen Blick langsam über meine Schulter, in der Hoffnung, dass ich mich verhört hatte.

Doch plötzlich stand ein Mann am Ende des Einganges und blickte umher. Er war vollkommen außer Atem. „Bleib stehen!“, schrie er mich an, als ich mich unauffällig wieder nach vorne richtete. Er erkannte nur die Männer am Boden liegen, und sah mich zwischen ihnen stehen. Zwar hätte ich diese niemals in die Bewusstlosigkeit treiben können, doch er erkannte, dass ich irgendwie etwas damit zu tun haben müsste.

Es ratterte etwas in seinem Kopf. „Du bist die Gefangene!“, rief er mir plötzlich entgegen. "Die, für die dieses Monster gekommen ist!"

Verwundert drehte ich mich um und grinste ertappt. Dann wedelte ich mit den Händen und schüttelte den Kopf. „Nein nein. Ich wollte nicht fliehen! Ich bin nicht die Gefangene! Das ist jemand anderes!“, plapperte ich gedankenlos.

Nachdem ich nun erkannte, wie er mit wütenden Schritten auf mich zu lief riss ich die Augen auf. Ich hätte wohl besser den Mund halten sollen, oder besser, auf dem Felsen sitzen bleiben sollen.
 

In der Höhle hatte Shiro schon alle Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Die Männer tummelten sich in wütenden Scharen um ihn. Jemand begann mit einem Schrei, seinen Angiff mit dem Schwert anzukündigen und rannte leichtsinnig los. Diesem Schlag wich Shiro jedoch bedenkelos und leichtfüßig aus. Als ein Angriff von hinten nahte, duckte er sich rasch und konterte mit einem harten Kick gegen die Beine. Von der Hocke holte er Schwung und sprang der Menge entgegen, die ihm den Weg versperrt hatte. Mit einem geziehlten Tritt in das Gesicht eines Räubers nahm er Schwung und sprang über die Feinde hinweg. Auf einem erhöten Felsen kam er wieder auf und belächelte seine Gegner. " Ist das euer Ernst?" , verspottete er sie amüsiert. Mit Erfolg verärgerte er sie. Denn ihre Blicke wurden grimmiger und ihre Waffen fassten sie fester. Sie sahen zu ihm auf. Denn er stand gelassen dort und verspottete sie mit seinem herabschauenden Blick. "Hmh. Mal sehen wie schnell ich bin.", sagte er leise zu sich. Dann lief er zum Rand des Felsens. Ein letzter Blick. Dann sprang er plötzlich in die Masse der aufgebrachten Masse. Unfassbar schnell, und kaum zu sehen bewegte er sich rasend durch die Menge. Ein Tritt gegen ein Knie. Es brach und einer der Räuber fiel zu Boden. Ein nächster Schlag gegen die Brust eines anderen. Seine Rippen knackten und er wurde zurück geschleudert. Die Räuber hinter diesem wurden mitgerissen und überwältigt. Er griff den Arm eines anderen und warf ihn gegen die Masse. Dann schlug er von unten gegen das Kinn des nächsten. Sein Kiefer prallte so stark aufeinander, dass er Blut spuckte und einige Zähne durch die Luft fielen. Er fegte einmal rund um sich. Staub wirbelte sich zwischen ihnen auf. Nach alle dem reagierten die Räuber noch immer aggressiv auf ihn. Nun attackierte man ihn mit Schwertern. Erfolglos. Er drehte sich leichtfüßig von dem Angriff weg, packte den Arm und schlug gegen den Ellenbogen bis er leicht wie ein Ast brach. Das Schwert das dabei zu Boden fiel griff er aus der Luft und warf es mit Schwung in den Fuß eines anderen. So wütete er weiter in der Masse bis sie in der aufgewirbelten Sandwolke verschwand und man den Kampf nur noch an dem Geschrei und Gestöhne erkennen konnte.
 

Währenddessen schleppte mich der Räuber über seiner Schulter durch einen Gang.

„Hey! Lass mich runter! Das gibt es doch nicht!", fauchte ich ihn an und boxte gegen seinen Rücken. Er war groß und dreckig. Ich konnte mich nicht aus seinem Griff befreien denn er packte mich Grob an Rücken und Beine. Ein Trampeln durch die Luft und herumgezapple half auch nicht. Doch ich versuchte mich weiter zu wehren. Ich wollte nicht aufgeben. „DU!!… he?“, Als ich erneut herum schreien wollte und mit aller Kraft gegen seine Schulter schlug, blieb er plötzlich stehen. Verwundert drehte ich mich zur Seite und blickte hinter mich. Nun begann ich breit zu grinsen. „Shiro!“, sagte ich laut.

Der Räuber, der mich trug war alles andere als erfreut. Entsetzt stand er dort und ein Schauer glitt über seinen Rücken. Sein Atem zitterte und er zeigte mit seinem kleinen Messer, welches er aus seinem Gürtel zog, panisch auf Shiro. „Was… Was hast du getan?!“, schrie er ihn stotternd an.

Der wirbelnde Sand legte sich wieder. Shiro stand in mitten einer Masse von gefallenen Männern. Einige schwer verwundet, andere bewusstlos. Wieder andere versuchten schwer atmend über den Boden von ihm weg zu kriechen. Gelassen überkreuzte er seine Arme und blickte zu uns hinauf.

Erst belächelte er hochmütig den verschreckten Räuber. Dann erkannte er mich auf seiner Schulter hängend. Sofort verzog er seine Miene grimmig. „Was hast du schon wieder gemacht?!“, rief er laut.

Aufgebracht fuchtelte ich herum. „Ich wollte das nicht! Ich hab doch gar nichts gemacht!“

Shiro ging einen Schritt vor und brüllte zurück. „Dann würdest du ja nicht wieder in Schwierigkeiten stecken!“

„Aber ich habe das nicht absichtlich gemacht!“

„Das machst du nie! Und trotzdem.. Arg! … Du bist nicht auf dem Felsen sitzen geblieben!“

„Doch! … Naja.. nicht die ganze Zeit..“

„Yuki!!!“

„Jaaa!“

Plötzlich warf der Räuber mich vor sich und bedrohte mich mit seinem Messer. Er hatte seinen Arm über meine Schultern gelegt und drückte gegen meinen Hals. Mit der Spitze des Messers zielte er auf meine Kehle. „Schnauze!!! Beide!“, unterbrach er uns lauthals und ging einen Schritt vor. Ich verstummte sofort. Auch Shiro schwieg und blickte aufmerksam zu uns.

„Keinen Schritt weiter! Bleib da stehen! Oder ich steche ihr das Teil in den Hals!“, drohte er.

Mein Herz schlug immer lauter. Mein Magen drehte sich. Was sollte passieren? Shiro konnte keine Magie benutzen, das wusste ich. Das einzige was ihm blieb, war seine Körperkraft. Doch die nutzte auf dieser Entfernung nichts.

Schon wieder. Schon wieder hatte ich nur Probleme verursacht. Wäre ich nur sitzen geblieben. Hätte ich mich nur weiter versteckt. Nein! Ich will mich nicht verstecken. Ich will nicht immer die sein, die gerettet werden muss, weil sie nichts kann! Ich habe mich selber in diese Situation gebracht! Ich will nicht immer davon abhängig sein, dass andere mir helfen!

Shiro sah noch immer angespannt zu uns. Er sagte nichts. Langsam wollte er sich bewegen und einen Schritt vor wagen. Aber der Räuber zog mich hastig zu sich „Lass das! Ich warne dich! Verschwinde einfach! Oder ich töte sie!“, schrie er ihm zu und zeigte mit dem Messer auf Shiro.

Ich erkannte nur, wie er das Messer von mir weg nahm und es in dem sanften Licht kurz aufblitzte.

Schnell prang ich auf. Er hatte mich noch in seiner Gewalt doch mit einem Sprung hatte er nicht gerechnet. Besonders nicht, wenn er gerade auf Shiro fokussiert war. Ich kniff die Augen zu. Mit aller Kraft schlug ich mit meinem Schädel unter den Kiefer des Räubers. Ich spürte den Aufprall, doch mein Adrenalin schlug in die Höhe, so dass ich den Schmerz ignorierte.

„Arg!“, der Mann schrie auf, sein Gesicht richtete sich nach oben und sein Arm lockerte sich.

Sofort nutzte ich die Gelegenheit und schlüpfte unter seinem Griff hinweg. Ich duckte mich, drehte mich schnell und stieß ihn kräftig mit meinem Rücken von mir weg. Ich stolperte rückwärts und landete ruckartig auf dem Boden.

Plötzlich hörte ich nur noch ein Poltern und ein Schreien. Als ich mich wieder besann und die Augen öffnete, sah ich mich rasch um. Es war ruhig. Ich hatte den Räuber von der hohen Felsentreppe gestoßen. Er rutschte an der Kante herunter, überschlug sich einige Male, prallte an einem Stein ab und fiel die letzten großen Felsenstufen herab. Dann lag er leblos am Ende der Treppe.

Perplex sah ich ihm nach. „Oh Gott. Oh Gott! Oh Gott!!!“, fassungslos packte ich mir an den Kopf. „Lebt er noch?!“, schrie ich laut.

Gelassen lief Shiro auf ihn zu. Dann stupste er ihn mit seinem Fuß an. „Hmh. Ja. Aber seine Arme sind gebrochen.“, antwortete er. Dann sah er überrascht zu mir auf und lächelte.

Mit einem unangenehmen Gefühl stieg ich langsam die steilen Stufen herab. Ich rutschte ein wenig und sprang am das letzte Stück über den am Boden liegenden Räuber.

Würde Shiro jetzt wütend auf mich sein? Ich presste die Lippen aufeinander und näherte mich ihm. „Ich… ich.. Also das war nicht so, wie du jetzt denkst!“, stotterte ich und überkreuzte meine Arme ineinander. Anders als ich erwartete, blieb Shiro ruhig und sah mich nur einen Moment lang an. Warum lächelte er plötzlich so? Verwirrt konnte ich seinem Blick standhalten. War er nicht wütend? Verdattert runzelte ich die Stirn. Sein Schweigen verunsicherte mich nur noch mehr.

„Shiro.. ich .. ich wollte nicht schon wieder.. also.. Ich meine… hast du gesehen? Ich hatte alles im Griff!“, versuchte ich mir einzureden.

Nun legte er seine Hand auf meinen Kopf und tätschelte ihn leicht. „Ja.. habe ich gesehen.“, antwortete er mit leichter Ironie in der Stimme. Doch ich griff seinen Arm und zog ihn weg. „Nein. Nimm mich ernst! Shiro!“, ärgerte ich mich. „Ich will nicht, dass ich immer nur ein Klotz am Bein bin! Also.. ich meine.. ich möchte nicht, dass du denkst, dass du mich ständig retten musst… Ich möchte bei dir sein.. ich möchte nicht abgestellt werden, nur weil ich nichts hinbekomme… auch wenn ich weiß, dass ich schwach bin, möchte ich doch nur helfen.. Also.. ich…“, betrübt sah ich herab. Wie sollte ich ihm nur sagen, was ich dachte? Würde er mich überhaupt verstehen?

Doch seine Mundwinkel breiteten sich wieder. „Hmh..“ grinste er. Dann trat er mir etwas näher. „Yuki.. ich will nicht mehr-“, begann er wieder.

„Dass ich dir ständig Probleme bereite? Nein! Ich werde dir keine Probleme mehr bereiten! Versprochen!“, unterbrach ich ihn und schaute ihn sorgenvoll in die Augen.

Doch er kam mir noch näher, so dass wir nicht einmal mehr unsere Gesichter sehen konnten. Als wäre es eine sanfte Umarmung, standen wir uns gegenüber. Er sprach leise in mein Ohr. „Ich will nicht mehr, dass du dich verletzt oder Angst haben musst verletzt zu werden.“

Ich riss meine Augen verwundert auf. „Was?“, fragte ich und ging einen Schritt zurück. Ich erkannte seinen ehrlichen, innigen Blick. Warum war er plötzlich so liebevoll? Plötzlich wurden meinen Wangen rot und mir wurde ganz warm. „Ich dachte.. du würdest dich aufregen..“

Dann nahm er meine Hand. „Ich will nicht, dass du dich noch mehr verletzt. Du darfst nicht noch mehr Narben tragen.“, sprach er weiter. Ich wusste, dass er sich damit auf meine Narbe am Rücken bezog.

War er also gar nicht wütend auf mich? Er wollte mich nur beschützen und ärgerte sich nicht, dass ich ihm Probleme bereite?

Mein Herz klopfte. Wieso wollte ich nicht weg von ihm, obwohl es mich so nervös machte?

Sanft fühlte ich seine kalte Hand an meiner Wange. Er ging einen Schritt zurück und sah mir tief in die Augen. „Du hilfst mir schon so sehr. Es fällt mir nur so schwer.. meine Kraft zu kontrollieren, und mich zu konzentrieren, wenn du in meiner Nähe bist.“, erklärte er leise. Ich blickte ihn fragend an. Was meinte er damit? Dann sah ich betrübt weg. Lag es also doch daran, dass ich alles falsch machte? Doch er legte seine Hand an mein Kinn und drehte meinen Kopf zu sich. „Deine Sicherheit ist mir am wichtigsten. Um mich konzentrieren zu können, muss ich mir sicher sein, dass es dir gut geht.“, beichtete er mir.

Wir standen uns so nahe. Er hielt noch immer meine Hand. Wieso sagte er mir das jetzt? Was war plötzlich anders, dass er so lieb zu mir war, statt mich zurecht zu weisen? Wortlos sahen wir uns an.

Plötzlich hörte ich einen lauten Schuss. Es halte durch die ganze Höhle. Ich zuckte zusammen. Shiro jedoch blieb ruhig stehen, rollte die Augen und sah genervt herab. Der Schuss war auf ihn gezielt, verfehlte ihn jedoch um einige Meter. Erschrocken erkannte ich ein kleines Mädchen, etwas von uns entfernt stehen. Sie zielte mit einer alten, mit Holzbolzen gebauten Pistole auf uns. Ihre Hände zitterten, ihr Atem war aufgebracht und ängstlich. „Eindringling!!“ Sie starrte uns mit hassendem Blick an. „Was hast du meiner Mannschaft angetan?!“, fragte sie laut. Shiro wandte sich von mir ab, ließ meine Hand los und drehte sich zu ihr. „Und wer bist du?“, kam es respektlos von ihm. Ich stellte mich geschützt hinter ihn und beugte mich neugierig an ihm vorbei.

„Ich bin der Anführer hier! So lange mein Vater weg ist, ist das hier mein Gebiet! Und ihr seid Eindringlinge!“, rief sie mit ihrer schrillen Stimme.

Shiros Blick wurde wieder kalt und emotionslos. Mit langsamen Schritten näherte er sich ihr einfach.

Das kleine Mädchen war höchstens 14 Jahr alt. Sie hatte zwei lange Zöpfe und blondes, beinahe weißes Haar. Sie trug braune leder Kleidung. Ihre Hose verschwand in ihren kleinen, verschmutzen Stiefeln und aus ihrer Weste schaute ein Teil ihres weißen, flattrigen Hemdes heraus. Sie sah aus wie eine Piratentochter.

„Bleib stehen! Oder ich schieße! Keiner erniedrigt meine Männer so! Ich.. ich.. töte dich!“, zitterte ihre Stimme.

Doch Shiro lief weiter. „Freu dich lieber, dass ich deine Leute nur erniedrigt habe und nicht getötet.“

„Was willst du überhaupt hier?! .. Geh einfach. Dann lasse ich dich am leben!“, ermahnte sie ihn, doch ging eingeschüchtert einen Schritt zurück.

Ich blickte mich währenddessen um. Erst jetzt realisierte ich, dass er tatsächlich alle am Leben gelassen hatte. Sie lagen verteilt am Boden und angelehnt an den Wänden und Mauern. Nur wenige bewegten sich noch. Doch alle lebten.

Von dem kleinen Mädchen provoziert, begann Shiro zu grinsen. Er näherte sich ihr und blieb kurz vor dem Rohr der Pistole stehen.

„Shiro… lass uns doch einfach gehen. Wir müssen nur Nagisa holen. Und dann können wir wieder gehen.“, sagte ich um dem Konflikt aus dem Weg zu gehen.

„Nagisa? Unsere Gefangene? Sie gehört mir! Sie wollte unsere Irrlichter klauen!“, nervös zielte sie immer noch auf ihn.

„Die Irrlichter, die ihr zuvor gestohlen hattet?“, fragte Shiro und sah auf sie herab.

„Die Irrlichter gehören niemandem! Dann ist es auch kein Stehlen!“

„Was macht ihr mit ihnen? Weiter verkaufen?“

„Verkaufen? Quatsch! So dämlich sind wir nicht! Aber ich bin auch nicht so dumm, dir zu verraten was wir mit ihnen machen!“, fauchte sie ihn an. Dann ging sie einen Schritt weiter zu ihm und drückte ihm die Waffe an den Bauch. Sie biss die Zähne mutig zusammen und sah ihn wütend an.

Doch im nächsten Moment packte Shiro sie plötzlich an ihrem Kragen am Rücken und hob sie hoch. „Ich frage nicht noch ein Mal.“, meinte er mit drohender Stimme.

Das Mädchen paddelte verärgert mit Händen und Füßen in der Luft. „Hey! Was soll das! Den Teufel werd ich tun dir das zu sagen! Verschwinde! Sonst..- WAA!“

Plötzlich holte er leicht aus und warf sie unbekümmert in den See neben ihnen. Schreiend fiel sie den kleinen Hang hinunter und platschte in das tiefe Nass. Ein kleiner Wasserstrahl sprang in die Höhe und verteilte sich in vielen kleinen Tropfen, welche die Beruhigte Oberfläche in Wallung setzen.

Ich lief auf ihn zu. „Ach herrje… was war das denn?“, fragte ich überrascht und sah ihr nach. Shiro lief jedoch an mir vorbei. „Komm. Wir sind fertig hier.“

Doch ich blickte noch einmal herum. „Aber was machen sie denn jetzt mit den Irrlichtern? Interessiert dich das gar nicht?“

„Nein.“

„Hmh..“ Als ich ihm nachlaufen wollte, hörte ich ein leises Husten. „Bitte… bitte..“

Sofort blieb ich stehen und sah mich fragend um. Erst nach links. Dann nach rechts. Erst nur mit den Augen. Dann mit dem Kopf. Schließlich drehte ich mich komplett. Dann erkannte ich einen jungen Mann an einem Stein liegen. Er hatte sich mühevoll aufgerafft und sah mich flehend an.

„Was?“, fragte ich neugierig und lief auf ihn zu. Ich verstand nicht was er sagen wollte. Immer wieder hustete er und sprach sehr leise. „Bitte. Schwimmen.. sie.. sie kann nicht…“

Ich beugte mich ein wenig zu ihm herunter und streifte meine Haare hinter mein Ohr. „Was ist denn?“

Shiro blieb angespannt stehen und drehte sich zu mir. „Yuki! Was willst du hier noch! Komm!“

„Warte!“, rief ich ihm zu und drehte mich wieder zu dem Jungen. „Was?“ Dann hob er nur seine schwere Hand und zeigte auf den See. Im nächsten Moment brach er erschöpft zusammen.

Mir blieb der Atem stehen. Ich hörte mein Herz so laut schlagen. Es war, als würde ein Blitz durch meine Knochen jagen. Geschockt stand ich auf und lief zum Rand des Sees. Das kleine Mädchen war nicht zu sehen. War sie schon heraus geklettert? Nein. Das hätte ich gehört!

„Sie kann nicht schwimmen!“, kam es laut von mir. „Shiro!“, ich rannte einige Schritte auf ihn zu. „Das Mädchen! Es ertrinkt! Sie kann nicht schwimmen!“, sprach ich weiter.

Doch er drehte sich weg und lief zur Treppe. „Das kann mir egal sein. Sie wollte mich erschießen.“, sagte er und wedelte belanglos mit der Hand.

„Aber sie ist ein Kind!“, schrie ich ihm geschockt hinterher.

„Ein Kind mit einer Waffe?“

Ich merkte, dass reden hier nicht half. Es musste schnell gehen. Sofort drehte ich mich zum See. Ich musste sie retten. Ich konnte kein Kind ertrinken lassen! Ohne weitere Zeit zu verlieren rannte ich auf den See zu. Mir war egal, was Shiro sagte. Ich konnte genauso gut selber entscheiden und das Mädchen retten.

Ich biss die Zähne zusammen und ballte die Fäuste. So schnell wie mich meine Beine trugen, raste ich auf den See zu. Es war relativ hoch. Mein Herz pochte. Adrenalin schoss in meinen Körper. Ich musste sie retten! Ich rannte. Immer weiter.

Gerade als ich zum Rand gelaufen war, packte mich jedoch eine Hand an meiner Schulter. Als würde die Zeit stehen bleiben, blickte ich neben mich. Shiro hielt mich zurück und zog mich vom See weg. Ich riss die Augen fassungslos auf. Ich verlor bei der Schnelle den Halt auf den Beinen und wurde zu Boden geschmissen. Während ich fiel, erkannte ich, wie er an mir vorbei rannte. Mit einem eleganten Hechtsprung stieß er sich vom Rand ab und sprang selber in den See.

„Shiro!“, rief ich laut und schaute kniend über den Rand in den tiefen See.

Es war tief. Es war dunkel. Er schwamm immer tiefer. In kürzester Zeit erkannte ich ihn schon nicht mehr.

Angespannt saß ich da. Mein Herz konnte sich einfach nicht beruhigen. Ich hielt gespannt die Luft an. Meine Muskeln waren alle angespannt.

Die Zeit verging. Jede Sekunde fühlte sich wie eine Minute an. Wo waren sie nur? Ich konnte sie nicht sehen.

Dann hörte ich meinen Namen hinter mir. „YukI!“, rief Kintaro mir zu.

„Yuki!“, hörte ich auch Nagisa nach mir rufen.

Nervös drehte ich mich zum Eingang. Sie standen glücklich, Arm in Arm nebeneinander und winkten mir zu. Doch dann erkannten sie meinen verängstigten Blick. „Was hast du?!“, fragte Nagisa sofort und rannte auf mich zu. Auch Kintaro rutschte etwas die Treppe herunter und stieg die Stufen herab. Er blickte sich etwas eingeschüchtert um als er die ganzen Männer am Boden liegen sah, doch folgte Nagisa auf direktem Weg zu mir.

Ich drehte mich wieder um und beobachtete das Wasser.

„Was ist passiert?“, fragte Nagisa erschrocken. Doch ich konnte ihr nicht antworten. Die Angst drückte mir zu sehr die Luft ab.

Als ich genauer hinsah, erkannte ich jedoch Luftblasen, welche an die Oberfläche trieben und leichte Wellen.

Endlich erkannte ich Shiro wieder auftauchen. Er schwamm mit dem Mädchen im Arm an die Oberfläche und beide holten tief Luft.

„Shiro!“, rief ich laut. Schnell lief ich am Hang entlang, zu einem kleinen Ufer. „Hier. Gib mir deine Hand.“, sagte ich lieb und streckte dem Mädchen meinen Arm entgegen.

Shiros Blick war wieder gelassen und doch ein wenig genervt. Das Mädchen hatte sich um seinen Hals geklammert und schwieg. Ihre Wangen waren errötet und aus ihrem Mund kam lediglich ein peinlich berührtes Schweigen. Als ich sie griff und an Land zog, setzte ich sie neben mich ab. „Ist alles ok? Geht es dir gut?“, fragte ich besorgt und kniete mich vor sie. Das Mädchen blickte jedoch nur auf Shiro.

Sie starrte ihn an, als er nass aus dem See stieg. Von seinen Haaren triefte das Wasser. Seine Haut glänzte in dem leichten Licht und seine Kleidung war durchnässt. Durch sein weißes Hemd erkannte man die Haut darunter. Verliebt sah sie ihn an. Als die bemerkte, wie sie ihn die ganze Zeit anstarrte, legte sie verlegen ihre Hände vor ihre Lippen und errötete noch mehr.

Dann sah auch ich in die Richtung, in welche das Mädchen die ganze Zeit schaute. Ich schluckte und weitete die Augen. Denn Shiro stand hinter mir und schüttelte ein wenig die Tropfen von seinen Händen. Dann knöpfte er sein Hemd auf und streifte sich gelassen die Haare zurück.

Auch ich starrte ihn nun eine Weile an. Bis Nagisa und Kintaro endlich zu uns stießen. „Hey! Ist alles ok?! Ist euch was passiert?“, fragten sie und blieben bei uns stehen.

„Nagisa!“, sofort stand ich auf und drehte mich zu beiden. „Du bist gerettet! Das freut mich!“, strahlte ich sie an.

Sie umklammerte Kintaros Arm fröhlich und kuschelte ihren Kopf an ihn. „Hmh ja! Kintaro hat mich gerettet. Er hat die Wache vor meiner Zelle einfach niedergeschlagen. Wie ein Held! Und hat mich befreit!“, kicherte sie. Verlegen legte Kintaro seine andere Hand auf seinen Kopf. „Ja.. hehe.. ich habe es tatsächlich irgendwie geschafft.“, lächelte er.

Plötzlich sprang Nagisa auf und zeigte auf das Mädchen. „Das ist sie!“, motze sie laut. „Die hat mich einsperren lassen!“

Wir alle drehten uns zu dem Mädchen. Sie jedoch blickte beleidigt weg und seufzte.

Statt sauer zu sein, begegnete ich ihr mit Verständnis und kniete mich wieder zu ihr herunter. „Hey.. du brauchst keine Angst mehr zu haben.“, sagte ich leise.

Doch sie winkelte ihre Beine an und sah zur Seite. „Ich habe gar keine Angst!“, nuschelte sie. Doch ich grinste nett. „Wie ist denn dein Name?“, fragte ich als nächstes. Doch sie blickte nur schweigend Shiro hinterher, als er sein Hemd auszog und sich zu den anderen beiden stellte. Ich erkannte ihren himmelnden Blick und lächelte. „Das ist Shiro.“, erklärte ich und deutete auf ihn. Dann zeigte ich auf mich. „Und ich bin Yuki. Und wie heißt du?“

Erschrocken, dass ich auf Shiro zeigte, klimperte sie desorientiert mit den Augen und kam wieder zu sich. Dann wurde sie wieder rot und legte ihre Hände vor ihren Mund. Plötzlich sah sie herab. Als nächstes kniete sie sich auf, dann versuchte sie ihr Gesicht zu verdecken und ließ sich einfach in meine Arme fallen. „Hnnggg…!“

Verwundert umarmte ich sie. „Hey.. was ist denn?“, fragte ich. Doch sie antwortete mir nicht, sondern brummte nur Töne von sich. Ich wiegte sie etwas in meinen Armen. „Es ist doch alles wieder in Ordnung.“

Auf ein Mal umklammerte sie mich fest. „Der hat mich einfach geküsst!“, sagte sie laut und nervös. Ich zog die Augenbrauen hoch. „Was?!“, fragte ich und schaute zu Shiro. Er war gerade dabei, sein Hemd auszuwringen. „Das ist pädophil!“, motzte ich ihn schockiert an. „Warum tust du sowas?!“

Doch er warf mir sein nasses Hemd ins Gesicht. „Die Göre hatte keine Luft mehr. Das war kein Kuss sondern Beatmung!“, antwortete er genervt.

Ich nahm das Hemd weg und schaute ihn brummig an. Aber das Mädchen drückte sich immer fester in meine Arme.

„Argh! Frauen!“, fauchte Shiro und drehte sich um.

Heimlich blickte das Mädchen über meine Schulter und sah ihm hinterher. „Mein… Name ist… Robin.“, hörte ich sie leise reden. Dann ließ sie mich los und setzte sich wieder hin.

„Robin?“, fragte ich erleichtert. „Ein schöner Name.“ Dann legte ich meinen Kopf etwas schief. „Robin. Sag mal. Was ist das hier eigentlich?“

Doch statt mir zu antworten, schaute sie an mir vorbei und sah wie Shiro von uns weg lief. „Warte! Wohin geht er?!“, fragte sie aufgebracht.

Ich sah kurz hinter mich. Shiro lief genervt den Hang wieder hoch. „Ach der. Dem passiert nichts. Glaub mir.“

Doch sie spielte nervös mit ihren Fingern. „N.. nein… ich… Rede nur weiter wenn er hier bleibt..“
 

(*flüster*Hey Leutz. Schaut mal gerne auf meinen Fanarts vorbei. Da gibt es neue Zeichnungen zur Story! Danke! <3)

Das Vertrauen

Nachdem sich langsam der erste Schock gelegt hatte, sollte ein lautes Getöse folgen.

Ich saß mütterlich neben Robin am Boden, welche sich schon langsam erholt hatte. Doch sie war inmitten eines Streits mit Nagisa geraten. „Jawohl! Ich lüge doch nicht!“, fauchte Robin grimmig.

Nagisa stand mit beiden Händen verschränkt in ihrer Hüfte vor uns und sah auf uns herab. Sie zeigte mit dem Finger drohend auf das kleine Mädchen. „Tze! Ich glaube dir kein Wort. Das sind dumme Kinderphantasien!“

Sofort stand Robin wütend auf und schritt auf sie zu. „Wir klauen die Irrlichter nicht! Wir bitten sie mit uns zu kommen und sie helfen uns! Wir würden ihnen nie etwas antun! Mein Vater und meine Mutter würden es nicht zulassen, dass andere verletzt werden. Unsere Männer können ja nicht einmal Kämpfen! Das sollen sie auch nicht!“ – „Ja das habe ich bemerkt.“, hörte ich Shiro leise aus dem Hintergrund.

Bevor Nagisa jedoch weiter ihre Wut frei lassen konnte, faste Kintaro sie an den Schultern und hielt sie zurück. „Moment, wie helfen die Irrlichter euch?“, fragte er neugierig und unterbrach die beiden. Nagisa erschrak und verstummte überrascht, bevor sie weiter gegen Robin diskutieren konnte. Verärgert faste sie Kintaros Hände und beruhigte sich.

Nach dieser Frage wurde Robin kurz still. Es fiel ihr schwer, weiter zu reden, als würde sie das, was sie uns sagen wollte, nicht erzählen dürfen. Doch sie biss ihre Zähne zusammen und runzelte die Stirn nachdenklich. „Ich… kann es doch sowieso nicht verheimlichen. Schaut doch selber!“, sprach sie weiter und deutete hinter die beiden. Selbst Shiro, der genervt hinter mir stand, horchte nun, was das kleine Mädchen zu sagen hatte.

Nagisa und Kintaro drehten sich um und blickten auf die am Boden liegenden Männer. Kleine, kugelförmige Lichter schlichen sich schwebend an die Bewusstlosen und flogen sanft an ihre Wunden.

„Die Irrlichter… haben heilende Kräfte!“, erklärte Robin.

Starr riss Nagisa die Augen auf. „Aber.. warum.. wusste ich das nicht?“, stotterte sie und blickte um sich. Es stimmte. Zwar verheilten die Wunden nur sehr langsam, doch sie verschwanden ohne Narben zu hinterlassen.

Ich stand auf und stellte mich neben Shiro, während wir alle den Irrlichtern bei der Arbeit zusahen. „Shiro… ist das etwas Besonderes?“, fragte ich leise.

Er verschränkte die Arme gelassen ineinander. „Das wusste selbst ich nicht.“, antwortete er ohne mich anzusehen. Dann blickte er mit hochgezogener Augenbraue zu mir herunter. „Und das bedeutet, dass es etwas Seltenes ist.“, fügte er leicht arrogant hinzu.

Das Staunen der Runde wurde jedoch von Robins stolzen kichern unterbrochen. „Die Irrlichter können sogar noch mehr!“, warf sie ein und hüpfte etwas von uns weg. Sie legte ihre Hände verspielt hinter ihren Rücken und drehte sich wieder zu uns. Aufmerksam sahen wir zu ihr. Nagisa war schockiert von ihrer eigenen Unwissenheit, doch wagte es sich nicht mehr, Einwände zu stellen. Sie war sprachlos und ließ sich von Kintaro stützen.

Robin legte den Kopf etwas schief. Dann grinste sie breit. Sie hob ihre rechte Hand und öffnete diese. Kurz darauf flog ein kleines Irrlicht auf sie zu. Es erinnerte mich an den Abend zuvor, als eines der Irrlichter auf gleiche Art und Weise auf mich zuflog und sich auf meine Hand setzte.

Vorsichtig flüsterte sie dem kleinen Wesen etwas zu, dann präsentierte sie es uns stolz. „Sie können auch das!“, sprach sie laut und hob ihre Hand über sich.

Erstaunt betrachteten wir, wie das Irrlicht aufsprang und hinter Robin flog, Er flog auf und ab, und von links nach rechts. Hinter Robin begann es zu funkeln. Es war ein sanft strahlender Kreis hinter ihr zu sehen, der nur wenig größer als sie war.

Dann machte sie einen Schritt zurück und verschwand plötzlich.

„Was?!“, schrien Kintaro und Nagisa laut und rissen die Augen auf.

„Kuckuck!“, hörten wir Robin plötzlich sprechen, die nun wieder hinter uns auftauchte. Nagisa und Kintaro erschracken und drehten sich sofort um. „Wa!!“ – „Was?! Wie.. machst du das?!“, entrüstet ging Nagisa auf Robin zu. Auch Kintaro war außer sich. „Das… das ist doch eine Teleportation? Aber ich dachte so etwas gäbe es heute nicht mehr?!“

Ich blickte die drei verwundert an. Nun verstand ich, weshalb mich diese Tatsachen weniger überraschten und als normal empfand. Die Heilung. Die Teleportation. Denn ich kannte es bereits von Shiro. Er hatte bereits des Öfteren Portale aus einer einfachen Handbewegung hervor gezaubert und geheilt hatte er mich sogar schon ganz am Anfang. Dadurch war mir nicht klar, wie einzigartig seine Fähigkeiten eigentlich waren. Doch Shiros Kraft war tatsächlich besonders.

Nun sah ich zu Shiro. Er bemerkte sofort meinen auffälligen Blick und begann arrogant zu grinsen. Denn er kannte meine Gedanken in diesem Moment, ohne dass nur ein Wort meine Lippen verließ. Darauf begann auch ich gehässig zu schmunzeln. Denn auch ich wusste, was er dachte.

Mir war bewusst, dass er stolz war. Er wusste, dass seine Fähigkeiten für mich schon als normal angesehen wurden. Irgendwie machte es auch mich stolz zu sehen, dass andere über Situationen staunten, welche für uns bereits selbstverständlich waren.

Als ich die drei so strahlen sah, wurde mir warm ums Herz. Sie lachten, sie betrachteten gemeinsam die Irrlichter. „Wow. Das ist bemerkenswert!“ – „Was können sie noch?“ – „ Die Irrlichter sind toll nicht war?“ Sie waren glücklich. Alles war gut ausgegangen. Selbst für die Verletzten war gesorgt. Und so wie Kintaro und Nagisa beisammen standen und heimlich, jedoch nicht schamvoll, die gegenseitige Berührung suchten und vereinzelnd verliebte Blicke austauschten, war mir klar, dass wohl Nagisa seine Gefühle erwidern würde. Ob er ihr schon seine Liebe gestanden hatte? Ritterlich, als er sie rettete? Ob es dieser Moment war, indem Nagisa sich in ihn verliebt hatte? Oder war sie das schon vorher? Ich freute mich für sie. Doch das sollte wohl ihre Geschichte bleiben.

Nach einer Weile begann Shiro sich weg zu bewegen. „Hmpf. Können wir endlich weiter?“, sagte er mürrisch und war wohl der einzige, der sich nicht freute. Dieses Ereignis, dieser Moment, diese Situation war nichts Besonderes für ihn. Darum wollte er auch nicht länger hier verharren. Doch noch immer von dem Moment erfüllt, sah ich ihm erschrocken nach. „Warte. Du meinst… weiter, weiter? Also, nicht zurück zu Atropos? Sondern… weiter?“

Mit den Händen in den Hosentaschen blieb er locker stehen und sah mich nur mit hochgezogener Augenbraue an. Dann nickte er. „Ja.“, antwortete er einfach.

Dann hörte auch das Geplauder zwischen den anderen Dreien auf.

„Warte, ihr wollt schon gehen?“, fragte Kintaro und sah mich fragend an. „Aber wir konnten uns doch noch nicht bedanken!“sagte er. Dann erkannte ich, wie er und Nagisa ihre Hände festhielten. „Für alles!“, fügte er noch schnell hinzu.

Sofort musste ich schmunzeln. Dann fuchtelte ich lächelnd in der Luft herum. „Ach was.. das haben wir doch gerne gemacht.“, grinste ich. Dann wurde meine Stimme etwas lauter, „Haben wir doch!! Oder?!“, sagte ich in einem lauteren Ton, um Shiro damit zu ermuntern, sich dazu zu äußern.

„Jaja, was auch immer.“, schimpfte er nur leise und drehte sich weg.

Dann runzelte ich leicht die Stirn und dachte nach. „Nagisa.“, begann ich. „Eins musst du mir aber erklären. Wie hast du hier her gefunden und warum konnte Atropos dich finden, obwohl du gar nicht in Gefahr warst?“

Darauf lächelte sie Scharm erfüllt und faste sich an die Schläfe. „Oh.. eh.. also mich haben die Irrlichter her gebracht und.. Atropos kann Seelen finden, die dem Tot nahe sind, also ja.. wie du gesagt hast.. „Seelen die in Gefahr sind“.. aber… Ehm…“, stotterte sie. „Wahrscheinlich hatte sie mich gefunden, weil ich lieber sterben wollte, statt mir das alles gefallen zu lassen…“, erklärte sie reuevoll. „Je näher man mit der Seele am Tot ist, sei es Gedanklich oder Körperlich, kann man mit dieser Fähigkeit gefunden werden..:“

„Nagisa!? Was?“, fragte Kintaro. Doch sie drückte sich in seine Arme um ihn nicht ansehen zu müssen. „Ja! Ich weiß. Ich habe überreagiert! Sowas würde ich nie ernst meinen!“

Doch ich legte sanft meine Hand auf ihren Rücken. Verwundert blickte sie auf und drehte sich zu mir. „Hmh?“

„Ich bin froh, dass du das nicht ernst meintest.“, lächelte ich sie liebevoll an.

Ich konnte mir vorstellen wie sie sich gefühlt haben musste. Es war eine Welle an negativen Gefühlen, die sie seit Tagen überrollte. Schlechtes häufte sich immer wieder und versperrte die Sicht, auf die tollen Dinge im Leben. An den eigenen Tot zu denken ist nicht schlimm. Jedoch nicht an das Leben der anderen zu denken, die mit einem verbunden sind und die man verlassen würde, das ist beinahe unverzeihlich. Aber selbst das, geschieht, nachdem einem endgültig die Kraft und Hoffnung verlassen haben. Auch das ist in meinen Augen verständlich, jedoch kein kräftiges Argument für den eigenen Tot. Denn es gibt genügend Argumente für das Leben. Natürlich ist Nagisa auch sehr emotional und temperamentvoll und eigensinnig und launisch, weshalb sie zu schnell redet, bevor sie versteht.

„Yuki.“, sie sah mich nun glücklich an. „Ihr seid doch auf der Durchreise, richtig? Ist der Weg weit? Ihr könntet doch die Irrlichter um Hilfe bitten. Dann kommt ihr schneller an! So eine Möglichkeit mit einem Portal zu reisen, hat man ja nicht so häufig!“, fragte sie.

„Ehm.. nun.. ich.. weiß nicht…“, überlegte ich. Dann sah ich Shiro an, in der Hoffnung, dass er die Frage beantworten würde.

„Das hat euch nicht zu interessieren. Außerdem, wäre ich nicht ICH, wenn ich das nicht ohne Hilfe schaffen würde.“, begegnete er uns jedoch nur.

Doch ich blickte ihn grimmig an. „Shiro! Ich würde aber auch mal ganz gerne wissen, wohin wir gehen! Das macht mich so neugierig, dass ich schon davon träume, gefragt zu werden, wo wir sind!“

Nachdem ich das sagte, starrte Shiro mich plötzlich mit einem so tief stechenden, schockierten Blick an. „Was?!“, fragte er und drehte sich zu mir. „Du wurdest gefragt? Wonach wurdest du gefragt? Was hast du geträumt?!“, sprach er rasch und ernst. Dann faste er mich an meinen Schultern.

Überwältigt öffnete ich meine Augen weit und verzerrte meinen Mund. „Ähm… Also.. ich wurde mehrfach gefragt, wo ich bin… oder so… Naja jedenfalls-“ – „Wer hat dich das gefragt?“, unterbrach er mich jedoch nur laut.

Die anderen drei standen abseits und beobachteten uns gespannt. Es war mir etwas unangenehm, dass die anderen uns so sahen. Außerdem kam es mir falsch vor, die anderen auszuschließen, mit Themen, die sie nicht kannten.

„Wovon reden die da?“, fragte Robin dann schon leise.

„YukI! Sag es mir.“, sagte er nun, um meine Aufmerksamkeit wieder zu bekommen.

Ich kratzte mir an die Schläfe. „Nun ja.. also… Nami war da… sie wollte für mich da sein… und dann.. war da… Deeon.. der mich nur beschützen wollte.“

„Deeon?!“, sprach Shiro laut. Doch ich schloss grimmig die Augen. „Lass mich doch träumen von wem ich will!“, sagte ich peinlich berührt.

Aber Shiro sah mich ernst an. Dann sprach er ganz leise. „Das waren nicht deine Gedanken. Das war sie! … Sie wollte uns damit aufspüren.“, erklärte er leicht schockiert und sah nachdenklich weg. „Hast du gesagt wo wir waren?!“ – „Nein.. ich weiß ja nicht wo wir sind!“, hob ich die Hände. Wie sollte ich nur reagieren? Waren wir in Gefahr? War Lilith uns schon näher gekommen? Wir waren nun beinahe den ganzen Tag an diesem Ort und waren nicht weiter gezogen. Wir sollten uns nun weiter um unsere Probleme kümmern. Doch wie schwer waren unsere Probleme denn?

„Wir müssen gehen! Jetzt!“, sagte Shiro deutlich und wandte sich von mir ab. „Wir nehmen ein Irrlicht dafür!“, forderte er und sah die anderen drei an.

Sie schauten ihn überrascht an. „Na los!“, forderte er. Er war so aufbrausend und verschreckte die anderen. Einen Moment schwiegen alle. Seine Art war wieder so abstoßend und gemein. Doch ich war es schon gewohnt und stellte mich vor ihn. „Entschuldigt, Shiro ist einfach manchmal so…“, sagte ich und legte eine Hand auf seine Brust, um ihn zurückzuhalten. „Würdet.. ihr uns mit den Irrlichtern helfen? Bitte?“, fragte ich nett. Zwar wusste ich nicht, weshalb Shiro plötzlich so reagierte, jedoch vertraute ich ihm und spielte mit.

Wenn Shiro so wütend wurde wusste ich, dass es ernst war. Jedoch kam er in diesem Augenblick mit Freundlichkeit schneller voran, als mit Einschüchterung. Da er seine Freundlichkeit nicht gut zum Ausdruck bringen konnte, übernahm also ich diesen Part.

Noch immer sahen die drei uns fragend an. „Ich bitte euch… es tut mir leid, wenn wir so plötzlich los müssen. Jedoch sollten wir schnellstmöglich aufbrechen! Wir wären euch so dankbar, wenn ihr uns nun noch ein letztes Mal helfen würdet.“, lächelte ich und legte meinen Kopf schief.

Shiro blickte überrascht zu mir herunter. Doch er schwieg und lies mich das tun, was ich für richtig hielt, statt weiter seine grobe Art zu zeigen. Er würde auf jeden Fall ein Irrlicht bekommen. Ob auf grobe Weise oder auf nette. Ihm war das egal. Doch mir nicht. Also mischte ich mich ein.

Dann kam auch Robin schon langsam zu uns. Sie hielt ein Irrlicht in der Hand und sah mich traurig an. „Natürlich.. Ich helfe euch…“, sagte sie verständnisvoll und blickte dann zu Boden.

„Aber Robin. Was hast du denn?“, fragte ich und kniete mich zu ihr hinunter. Ich versuchte ihr ins Gesicht zu schauen doch sie drehte sich weg. Das kleine Mädchen versuchte meinem Blick auszuweichen und stotterte. „Aber... ehm.. Aber.." Plötzlich sah sie mich mit großen Augen an. „Shiro wird doch wieder kommen oder?“, sprach sie ganz laut und voller Hoffnung.

Ich zog überrascht die Augenbrauen hoch. Erst schwieg ich lächelnd. Dann legte ich meine Hand auf ihren Kopf und grinste. „Natürlich! Wir werden auf jeden Fall wieder herkommen und euch besuchen! Und dann verbringt Shiro den ganzen Tag mir dir.“, versprach ich ihr. Dann hielt ich ihr meinen kleinen Finger hin. „Ich gebe dir mein Wort.“, fügte ich aufrichtig hinzu. Robin verhakte ihren kleinen Finger in meinen. „Versprochen ist versprochen!“, antwortete sie zwar traurig, aber erleichtert. Danach hob sie ihre Hand mit dem Irrlicht und übergab es mir. „Hier. Du musst ihm zuflüstern, wohin ihr wollt! Und dann öffnet es ein Portal dort hin.“, erklärte sie und ging wieder ein paar Schritte zurück.

Ich stellte mich wieder aufrecht hin. „Danke.“

Die Kleine stellte sich vor Nagisa und Kintaro. Alle drei wussten, dass nun ein schneller Abschied folgte. Mit dem Irrlicht drehte ich mich zu Shiro. „Hier. Wohin wird es gehen?“, fragte ich und übergab ihm das kleine Irrlicht. Er öffnete seine Hand neben meiner. Sofort hüpfte das kleine feenartige Wesen mit einem verspielten Sprung von meiner, in seine Hand. Shiros mürrischer Blick wurde darauf wieder befreiter. Er schaute erst mich an. „Das wirst du gleich sehen.“, sprach er mir leise zu. Dann wanderte sein Blick zu den anderen.

Nagisa lehnte sich an Kintaro, welcher sie an sich drückte. Robin stand vor ihnen und sah Shiro betrübt aber tapfer an. „Ich danke euch.“, kam es nun von Shiro. Glücklich doch ohne Worte stimmten sie ihm zu. Kintato lächelte und hob seinen Daumen. Nagisa nickte ihm lächelnd zu. Und Robin unklammerte ihre Arme und versuchte mit ihrem Biss auf die Lippen, ihre Sorgen zu verbergen. Schweigend verabschiedeten sie sich von ihm. Dieser Anblick verwunderte Shiro. Aus irgendeinem Grund machte ihn diese Situation sprachlos. War es, weil sie uns aus freien Stücken halfen, und nicht aus Furcht vor ihm?

Zuletzt schmückte ihn ein erleichtertes Grinsen. Schließlich hob er das kleine Wesen hoch und flüsterte ihm geheimnisvoll zu. Weder ich, noch die anderen verstanden, seine Worte.

Ich hörte nur, wie das Irrlicht kicherte. Dann begann es sofort von seiner Hand zu fliegen und schwirrte hinter uns. Wie wir es zuvor gesehen hatten, flog es hin und her und es begann ein helles Licht in Kreisform aufzuleuchten. Erst war es sehr schwach. Doch mit jedem Flug strahlte es immer mehr.

„Das Portal…“, sprach ich leise und bestaunte das Leuchten.

„Komm.“, hörte ich Shiro plötzlich. Er stellte sich vor das Portal und streckte mir seine Hand entgegen. Seine Stimme war ernst und dennoch vertraulich. Nachdem ich kurz blinzelte und wieder zu mir kam sah ich ihn vertäumt an. Unsere Blicke trafen sich für einen kurzen Moment. Er sah mir tief in die Augen und wartete auf mich. Da wurde mir plötzlich bewusst, dass wir uns näher standen, als ich bisher realisiert hatte.

Wir würden weiter reisen. Wir zwei sollten weiter gehen und mehr zusammen erleben. Wir würden uns von dieser kleinen Gruppe, von den neuen Freunden die wir gefunden hatten, trennen und weiter ziehen. Vielleicht würden wir sogar neue Freunde finden? Vielleicht auch neue Feinde. Doch so lange Shiro bei mir war, hatte ich keine Angst. Ich war nervös. Aber nicht ängstlich. Auf eine gewisse Weise war ich sogar glücklich. Ich wollte bei Shiro bleiben. Ja. Ich wollte mehr erleben. Mit ihm. Ob meine Entscheidung richtig war, darüber dachte ich nicht nach.

Also nickte ich ihm glücklich zu. „Ok.“, dann stellte ich mich mit ihm vor das Portal. Es fühlte sich richtig an, neben ihm zu stehen. Und vor uns beiden wartete die Reise. Ich atmete noch einmal tief ein und aus. Ich wusste nicht, was auf der anderen Seite auf uns wartete, aber ich wusste, dass einfach alles richtig war.

Bevor es jedoch los gehen sollte, drehte ich mich noch kurz zurück und sah über meine Schulter zu den anderen. „Bis bald! Und danke!“, sprach ich noch.

Kintaro und Nagisa winkten und zu, „Yuki! Shiro! Bis dann!“. Auch Robin winkte, mit dem Wissen, dass wir uns wieder sehen werden.

Jetzt sah ich zu Shiro. Auch er sah zu mir hinab. „Dann mal los.", grinste ich ihm zu. Dann liefen wir mit einem großen Schritt durch das Portal und verschwanden.
 

Sofort schloss sich das Portal wieder und das Leuchten hörte abrubt wieder auf. Nun war es wieder leise und dunkel. Als die abschliesende Stille erklang, begann Robin traurig herab zu sehen und rannte plötzlich in das Haus hinter den dreien.

Nagisa drehte sich nachdenklich zu Kintaro und legte ihre Hand auf seine Brust und ihren Kopf an seine Schulter. Sie runzelte die Stirn und schwieg.

„Meinst du, die beiden sind ein Paar?“, fragte Kintaro humorvoll und sah in die Ferne. Doch nachdem er keine Antwort erhielt, zögerte er etwas. „Nagisa.. sind wir.. denn ein Paar?“, fragte er langsam und zögerlich. Doch als er sich traute sie anzusehen, erkannte er erst, dass sie ihm nicht zuhörte. „Was hast du?“, besorgt fasste er sie an der Schulter.

Nagisa schüttelte leicht den Kopf. „Ich verstehe etwas nicht.“, antwortete sie.

„Was denn?“

Dann sah sie wieder auf. „Atropos hatte mir gesagt, dass sie diesen Jungen… Shiro… gesehen hatte.“

„Wie meinst du das, „gesehen“?“

„Mhm.. Naja.. sie hatte gedacht, er würde sterben. Deshalb ist sie gestern Abend in den Wald gegangen. Aber dann war ja alles in Ordnung. Dennoch, konnte sie ihn immer noch sehen. Die ganze Zeit.“

„Die ganze Zeit?" Kontaro erschrak. „Also bedeutet das, dass er in Gefahr ist? Wollte er deshalb unbedingt weiter?“, fragte er aufgebracht.

Nagisa grübelte weiter und legte ihren Finger vor ihre Lippen. „Aber hier schien er doch nicht in Gefahr zu sein. Oder hattest du das Gefühl, dass er nicht Herr der Lage war? Er scheint unglaublich mächtig zu sein… und dennoch, scheint er so nah mit dem Tot verbunden zu sein.. Vielleicht bedroht ihn etwas so mächtiges, was wir uns nicht einmal vorstellen können… oder.. er fühlt sich so sehr zum Tot hingezogen… Vielleicht wird Atropos auch einfach nur alt... wer weiß?“, erklärte sie und blickte wieder hinter sich an sie Stelle, an welcher Shiro und ich durch das Portal gingen. „Vielleicht trifft man sich ja nich ein zweites Mal.", sagte sie zuletzt und lehnte sich lächelnd an Kintaro.
 

Als Shiro und ich durch das Portal traten, kamen wir in einem warmen Gebiet wieder an. Einige Bäume sorgten für Sichtschutz. Sie waren jedoch nicht so riesig und gewaltig wie in dem Wald bei Atropos. Die Dichte nahm etwas ab, also waren wir wohl eher am Ende des Waldes angekommen.  Die Sonne schien langsam unterzugehen und der helle Himmel war mit wenigen Wolken bedeckt, die nun in einem rosa bis roten Farbton schienen. Der Boden war voller Laub und Erde.

Hinter Sträuchern und den wenigen kleinen Bäumen erkannte ich einen Weg.

„Shiro. Wo sind wir denn jetzt?“, fragte ich und sah mich ein wenig um. Es war angenehm warm. Anders als an dem Ort, wo wir vorher waren. Ich hörte Vögel vergnügt zwitschern. Die Blätter raschelten sanft. Hinten auf dem Weg erkannte ich eine Kutsche, die wohl von Pferden gezogen wurde. Es knarrte ein wenig und schnell waren sie ab und vorbei gezogen. Hier schien es weniger mystisch oder beängstigend zu sein. Es war wieder alles neu für mich. Ich war aufgeregt. Was würde als nächstes passieren? Wo waren wir? Was werde ich noch von dieser Welt zu sehen bekommen? Ich strahlte. Meine Freude wollte ich mit Shiro Teilen!

Dann drehte ich mich wieder zu ihm. Doch bevor ich zu reden begann, schwieg ich betroffen. Denn er sah mich weniger glücklich an. Im Gegenteil. Sein Blick war nachdenklich und bedrückt. „Yuki..“, sprach er langsam.

Sofort richtete ich mich aufmerksam zu ihm. „Hmh? Was ist, warum gehen wir nicht weiter?“, fragte ich und lief brav zu ihm.

Er schwieg kurz. Er zögerte weiter zu reden. Er runzelte die Stirn und ballte seine Fäuste zusammen. „Yuki…!“, sprach er wieder. Doch es schien, als würde ihn etwas aufhalten, weiter zu reden. Als würde er sich selbst im Weg stehen. Wenn er nach außen ruhig wirkte, so konfus war sein Inneres.

Ich wartete geduldig, bis er bereit war, weiter zu sprechen. Ich wollte ihn nicht unter Druck setzen. Was würde es sein, das er mir sagen wollte? Anscheinend nichts Positives. Mein Herz begann zu pochen. Waren wir in Gefahr? Nein. Dann würde er anders reagieren. Irgendetwas bekümmerte ihn.

„Yuki… Ab hier kann ich wieder meine Magie benutzen.“, sprach er weiter.

Mein erster Schock legte sich wieder. Ich atmete erleichtert auf. Doch verwundert legte ich meinen Kopf schräg. „Hä? Das ist doch gut! Oder nicht?“, fragte ich ermunternd.

Doch Shiros Blick war noch immer bekümmert. „Lilith ist nicht in der Lage, auf so weiter Entfernung meine Kraft zu lokalisieren. Aber wenn du noch hier bleibst, kann es immer noch gefährlich für dich werden! Ich kann ab hier problemlos Portale erschaffen.… Ich werde dich nach Hause bringen. Wo du in Sicherheit bist.., zu deinem Vater.“

Einen Moment blieb mein Herz stehen. Ich starrte ihn erschrocken an. „Was?“, fragte ich und riss die Augen auf. „Moment. Aber… was ist, wenn ich das nicht will?!“, betroffen wich ich zurück und schüttelte den Kopf.

Nun sah er mich überrascht an doch sein Blick war weiterhin finster. „Du verstehst das nicht..", sagte er leise.

Wieso wollte er plötzlich, dass ich gehe? Ich hatte doch schon schlimmes mit ihm durchgestanden. Und nun wollte er mich nicht mehr bei sich haben? Ich wollte mich nicht von ihm trennen. Allein der Gedanke machte mich traurig.

Ich legte die Hände auf meine Brust und lief auf ihn zu. „Shiro! Ich will gar nicht nach Hause! Ich möchte bei dir bleiben! Meinem Vater geht es gut. Er denkt ich wäre bei Nami! Außerdem, will ich dich nicht alleine lassen! Das geht doch nicht! Nicht jetzt! Und wenn du bei mir bist, dann kann mir doch nichts passieren!“, versuchte ich ihn zu überstimmen. Ich versuchte in seine Augen zu sehen.

Doch er atmete nur schwer aus und sah mich betroffen an. „Als du im Schlaf geträumt hast, wurdest du doch gefragt, wo du dich befindest oder?“

Er fragte nach meinem Traum. Ist es, weil ich ihn genervt habe? War es weil ich ständig gefragt hatte, wo wir waren? War es wegen Lilith? Erstarrt blieb ich stehen und Shiro sprach weiter.

„Lilith hatte deine Gedanken für kurze Zeit unter Kontrolle. Anscheinend konnte sie sich in deinem schwächsten Moment mit deiner Seele verbinden, ohne zu wissen, wo du warst. Und wollte somit herausfinden, wo wir sind. Ich weiß nicht, wie sie das auf so hoher Reichweiter in so kurzer Zeit schaffte. Sie scheint stärker zu sein, als ich dachte.“

Ein Schauer lief mir über den Rücken. Lilith hatte die Kontrolle über meine Gedanken? Und ich hatte es nicht einmal bemerkt.

Meine Gedanken rasten. War ich für Shiro nur Ballast? Sorgte ich dafür, dass Lilith uns finden würde?

Aber ich bemerkte Shiros nachdenklichen Blick. Ihm fiel es anscheinend selber nicht leicht, mich wegbringen zu wollen. Ich wollte nicht weg. Ich wollte bei ihm bleiben. Und nun, sollte mir das alles weggenommen werden? Wenn er das nicht wollte, und ich es nicht wollte, warum sollte ich dann gehen?

„Aber ich habe nicht erzählt wo wir waren!“, wandte ich ein. „Shiro! Ich verspreche dir, ich werde mich nicht noch einmal im Schlaf kontrollieren lassen! Ich.. ich werde dir nicht zur Last fallen! Wir haben doch einen Pakt! Shiro! Wir haben einen Pakt! Dass ich dir helfen werde! Und das kann ich nur, wenn ich bei dir bleibe!“

Doch Shiros Stimme wurde immer tiefer. „Yuki.. das ist kein Spiel…“, sagte er leise und wurde wütend. „Ich konnte dich nicht einmal beschützen! Sie hat es einfach gemacht, ohne dass ich es bemerkt habe!", sprach er reuevoll weiter.

Ich verstummte kurz. Er dachte es wäre seine Schuld gewesen. Er wollte nur, dass ich in Sicherheit war. Dabei war ich es, die ihm meinen Traum verschwiegen hatte.

Doch ich wollte ihn weiter überzeugen. Ich wollte nicht gehen. Und ich wusste auch schon, wie ich ihn überreden konnte.

Ich ballte die Fäuste. „Shiro! Bist du ein Schwächling?“, fragte ich ihn provozierend.

Er erschrak leicht und sah mich perplex an. „Was?!“

Ich wusste, dass er darauf reagieren würde. Dann lief ich sicher auf ihn zu und legte meine Hände in die Hüften. „Shiro! Ich frage dich nochmal! Bist du ein Schwächling?! Oder bist du ein überstarker Dämon, Schrägstrich Mensch, der mächtiger ist, als alle anderen, und sich niemals besiegen lässt?!“, sprach ich laut.

Shiro begann genervt die Zähne aufeinander zu beißen. „Worauf willst du hinaus?“, sprach er leise, und hielt sich zurück, nicht auszurasten.

„Ich weiß ganz genau, dass du stark bist! Du bist kein Weichei! Diese verweichtliche und ängstliche Art gehört nicht zu dir! Du kannst alles! Und du schaffst alles! Alles was du willst! Und ich weiß, dass du mich beschützen kannst! Und darum bleibe ich bei dir! Ich werde keine Geheimnisse vor dir haben! Ich werde dir alles erzählen und du mir auch! Kapiert? Wir bleiben ein Team! Lilith trickst uns nicht aus! Basta! Keine Wiederrede! Ich lasse dich nicht alleine! Besonders jetzt nicht! Du kannst alles schaffen!“, sagte ich deutlich und sah ihn mit dem grimmigsten Blick an, den ich zu bieten hatte.

Shiro sah mich lange an. Seine finstere Miene lächelte sein wenig. Er sah mich für einen Moment einfach nur beruhigt an. Die Angst verschwand aus seinen Augen. Mehr noch, seine hellen Augen funkelten mich erleichtert an. Dann zog er seine Mundwinkel leicht arrogant hoch. Seine angestrengte Stirn lockerte sich und sein Blick war freundlich. „Natürlich kann ich das…“, sagte er leise und stimmte mir unterschwellig zu.

Nachdem er sich endlich überreden ließ, und seine unangenehme, hartnäckige Art fallen ließ, war ich so erleichtert.

Es freute mich so sehr, dass er mich nicht wegschicken würde. Es freute mich so sehr, dass ich bei ihm bleiben durfte.

„Danke!“, sagte ich schnell und umarmte ihn einfach. Ich kniff meine Augen zusammen und drückte mich so feste an ihn, wie ich konnte. Dass sein Körper kalt war, daran hatte ich mich schon lange gewöhnt. Ich wollte diesen kalten Körper nicht los lassen. Ich wollte nicht mehr, dass er sich von mir trennte. Ich hatte das Verlangen, dass er bei mir bleiben sollte. Aber warum war mir das nur so wichtig?

Nun spürte ich plötzlich, dass auch er seine Arme um mich legte.

„Shiro. Ich gehe nicht einfach weg.", nuschelte ich ihm zu.

„Yuki..“, sagte er erleichtert und schloss die Augen. Dann lehnte er seinen Kopf, auf meinen. „Bleib einfach für immer bei mir…“, flüsterte er leise.

Diese Worte klangen so liebevoll. Ich mochte es, wenn er so sprach. Ich kuschelte mich noch fester an ihn. Als wäre es eine wortlose Bestätigung von mir. Bis ich realisierte, was genau er da gerade gesagt hatte. Ich öffnete die Augen weit. „Ehm!!“, mit knallroten Wagen riss ich mich wieder von ihm los und drehte ihm sofort den Rücken zu. „Ehm.. ja! Eh. Also.. wollen wir nicht mal weiter gehen?“, räusperte ich mich und lief etwas von ihm weg. Hauptsache ich konnte mein verlegenes Gesicht nicht sehen. „Da hinten ist ein Weg! Los! Auf dahin!“, sagte ich auffällig konfus und hob befehlend den Finger. Mit tollpatschigen Schritten über die Sträucher und Äste, versuchte ich mich zum Weg durchzuschlagen.

Shiro sah mir schweigend nach und lächelte sanft.

Was war das gerade? Mein Herz pochte. Warum pocht es so? – Herz! Schlag langsamer! – dachte ich mir aufgeregt. Ich konnte mich für den nächsten Moment nicht konzentrieren. Ich wollte einfach verdrängen was passiert war. Es war wie ein Tunnelblick den ich hatte, als ich mit großen Schritten über die Sträucher schritt und mich ungeschickt an den Ästen festhielt. Nach einigem Holpern und Hüpfen war ich endlich an dem Weg angekommen und schaute diesem nach links entlang. Es war ein einfacher Weg aus festgetretener Erde. Sogar die letzten Spuren der Kutsche und der Pferde waren zu erkennen. Als ich dem weg mit meinen Augen folgte, erkannte ich einen wunderschönen, weiten Horizont. Sprachlos schaute ich mich um. Es war atemberaubend.

„Woooow!", staunte ich mit großen Augen.

Weiter hinten wuchsen kaum noch Bäume. Dort begann das flache Land mit einigen Feldern.

Es sah harmonisch aus. Einige Leute waren sogar arbeitend auf den Feldern zu sehen. Die Vögel flogen über das Land. Ein kleiner Bach floss zwischen den Feldern her.

Langsam drehte ich meinen Kopf zu meiner Rechten. Dann hielt ich überwältigt die Luft an und schreckte etwas zurück.

Dort erkannte ich eine riesige Mauer, die nur einige Meter von uns entfernt war. Der Weg endete an einer breiten Brücke und diese Brücke führte durch ein gewaltiges Tor in die Stadt. Ich stellte mich rasch auf den Weg und starrte das Tor vor mir an.

Die heiße Quelle

Das Wetter war schön. Die Sonne schien so warm und angenehm auf meine Haut. Obwohl es doch mitten im tiefen Herbst war, fühlte es sich wie im Sommer an. Konnte man hier überhaupt von Jahreszeiten sprechen? Verblüffender als das Wetter, erschien mir jedoch die Umgebung. Shiro und ich waren durch den riesigen Torbogen gelaufen und fanden uns inmitten einer belebten Stadt wieder. Zusammen liefen wir eine Hauptstraße entlang die mit menschlich aussehenden Dämonen gefüllt war. Genau in der Mitte der langen Straße, waren kleine Büsche und Bäumchen gepflanzt. Hinter ihnen sah ich in der Ferne schon eine Art Marktplatz. Der Boden war aus Kopfsteinpflaster und dicken Steinplatten gebaut. Die Gebäude, entlang der Straße waren gleichmäßige, blockförmige Häuser aus hellem Stein. Entweder waren die Dächer mit rotem Ziegel bestückt oder flach, so dass sie als Terrasse dienten. Alles war im griechischen Stil gehalten. Aufgebaut war die Stadt sehr parallel und gerade. Hinter Säulen und Hausbögen konnte ich kleine offene Innenhöfe in der Mitte mancher kleiner Villen sehen. Viele Häuser waren eher in die Höhe gebaut, mit mehreren Stockwerken. Zwischen einigen Häuserblöcken waren enge Gassen die die große Hauptstraße rechtwinklig kreuzten. Darin führten oft kleine Stufen zu einem höher gelegten Teil der Stadt. Die hellen Steine und Sandsteine sowie das helle Gussmauerwerk aus weißem Beton ließ die Umgebung noch mehr erstrahlen. An einer Stelle erkannte ich ein großes Gebäude mit Freitreppen die zu einer Säulenhalle führte. Kleine Statuen verschönerten die Umgebung. Alles wirkte sehr prachtvoll, alt aber interessant.

Je näher wir dem Markt kamen, desto mehr Geschäfte erkannte man an der Straßenfront der Gebäude. Auch die Anzahl der Personen stieg. Kleine Geschäfte mit offenen Ständen, überdeckt mit leichtem samtigen Stoff waren aufgebaut. Dahinter standen oft nett blickende Verkäufer.

Jeder Dämon der hier entlang lief, hatte die Gestalt eines Menschen. Hier gab es weder Tierdämonen, noch Monster. Ebenso war es hier, trotz der ansteigenden Personenanzahl überhaupt nicht bedrängend wie in dem Atrium, welches ich bei Shiros Bibliothek kennen lernte. Hier schupste, bedrängte und verletzte man keinen.

Beeindruckt von der Stadt, lief ich also mit Shiro hinein und sah mich erstaunt um.
 

Mich überwältigte die gesamte Umgebung. Überall gab es etwas zu sehen. Ich konnte mich nicht entscheiden, wo ich zuerst hinsehen sollte.

„Shiro! Schau mal!“, rief ich, als ich einen Stand mit goldenem, silbernem und glitzerndem Schmuck fand. Energisch packte ich Shiro am Arm und deutete mit meinem Finger darauf. „Oh! Das ist so hübsch!“, sagte ich starrend und lief auf den Stand zu. Während ich verspielt durch den Schmuck sah, blickte mich der alte Verkäufer lachend an. „Möchte die hübsche Dame eine genauso hübsche Kette kaufen? Diese hier passt sehr gut zu ihren Augen.“, meinte er und hob eine goldene Kette mit einem Anhänger aus blauen Opalen. Ich fixierte diese wunderschöne Kette lieblich an und freute mich. „Haach! Die sieht wirklich so hübsch aus!“, kicherte ich und beugte mich vor.

Plötzlich packte Shiro mich jedoch an der Hüfte, hob mich hoch, drehte sich und stellte mich wieder ab. Der Verkäufer schaute mir fragend hinterher.

„Lass das.“, sagte Shiro nur mürrisch und drängte mich voran. Ich schmollte und lief mit ihm weiter. „Mano..“, motzte ich und sah ihn grimmig an. „Oh! Schau mal da!“, als nächstes sah ich an ihm vorbei und erkannte ein Geschäft mit Kleidung. „Ohh! Das sieht ja toll aus!“, quietschte ich entzückt und rannte sofort wieder von Shiro weg. Mäntel hingen an Kleiderharken. Einen braunen Ledermantel griff ich mir und zeigte ihn Shiro. „Guck mal! Das ist etwas für dich! Das würde dir stehen!“, grinste ich ihn an. Er blieb mit überkreuzten Armen stehen, atmete tief aus und rollte die Augen.

Während ich glücklich da stand erfasste mich plötzlich ein delikater Geruch. Begeistert legte ich den Mantel zurück und schnüffelte durch die Luft. „Hmmm… was… ist das?“, fragte ich und sah mich um. Neugierig folgte ich dem Duft und schaute auf eine Bäckerei. „Oh Shiro!“, begann ich wieder und starrte auf die Leckereien eines nächsten Geschäfts. Gerade als ich auf die andere Seite der Straße rennen wollte, griff Shiro mich am Arm und sah mich finster an. „Yuki….!“, ermahnte er mich. Irgendwie wirkte er angespannt. Warum nur? Wir waren doch erst einmal in Sicherheit.

Ich drehte mich kurz erschrocken zu ihm um und grinste ertappt. „Hehe..“

Doch unser kurzer Weg wurde durch meine ständig anhaltende Tuhr immer länger. Ich wollte mir unbedingt so viel ansehen, wie ich konnte. Egal wir oft Shiro mich aufhielt, am Ende hielt meine Aufmerksamkeit nicht lange, und schon stand ich an einem nächsten Geschäft. Langsam kamen wir immer mehr in das Zentrum der Stadt.

Dort gab es ein Geschäft mit Fischen. Ein riesiger karpfenähnlicher Fisch hing an einem Seil kopfüber. Er war mindestens so groß wie ich und könnte mich mit der Breite seines Maules glatt herunter schlucken. Neugierig beugte ich mich zu seinen riesigen Glubschaugen hinunter. Bis er sich plötzlich bewegte und am Seil zappelte. Ich rannte sofort zu Shiro zurück und versteckte mich hinter ihm. Er stand jedoch nur genervt da und wartete, bis wir endlich weiter gingen.

Ein paar Meter weiter, stand ein kleiner hölzerner Zaun mit ein wenig Stroh auf dem Boden. Süße kleine Hasen mit Geweih und Flügel hüpften darin herum. Ich beugte mich verspielt über den Zaun und streichelte eines. Bedenkenlos ließ es sich von mir berühren, sodass ich es sogar auf den Arm nehmen konnte. Bezaubert von diesem kleinen Tier, zeigte ich Shiro dieses Wesen, das sich anscheinend Wolpertinger nannte. Da ich mich jedoch zu weit von dem Zaun entfernte, wurden wir sofort von dem Besitzer getadelt und ich lief schnell weiter, mit Shiros stechendem Blick im Nacken.

Wir gingen gemütlich den Markt entlang. Die Händler waren alle so nett. Natürlich ließ ich mich von jedem Angebot verlocken. Dass sie anderen Dämonen mich verwirrt anstarrten, war mir egal. Ich freute mich über all das und war bezaubert von den neuen Dingen, die ich kennenlernte. Schließlich ließ Shiro auch meine quirlige Art einfach zu und lief mir still hinterher. Für ihn war das alles nichts Neues. Also interessierte es ihn nicht. Er sah lediglich auf mich. Er sah wie ich herum tanzte. Er sah wie ich lachte. Er sah wie ich mich freute.

Ich war jedoch zu sehr auf meine Umgebung konzentriert. Also bemerkte ich nicht, wie seine Laune auflockerte, je mehr er mein Lächeln sah. Verträumt beobachtete er, wie ich mich von Herzen freute.
 

Als ich heiter und sorglos herum spazierte und Shiro alles zeigen wollte, was ich interessant fand, blieb er plötzlich mitten auf einer Kreuzung stehen. Erst als ich einige Schritte weiter hüpfte bemerkte ich, dass er nicht mehr neben mir herlief und drehte mich zu ihm um.

„Shiro?“, fragte ich überrascht und legte meinen Kopf schief.

Er stand nur da, und schaute in den Weg zu seiner Linken. Auch ich sah nun seinem Blick nach. „Müssen wir da lang?“, fragte ich.

„Hmh..“, er nickte mir nachdenklich zu. Anscheinend beunruhigte ihn etwas. Er war jedoch nicht hitzig wie sonst, sondern eher zurückhaltend.

Verwundert runzelte ich die Augenbrauen und sah ihn schweigend an. Was hatte er nur?

Er stand nur da und ballte die Fäuste. Langsam beruhigte auch ich mich.

„Na.. dann los.“, sagte er leise und lief mit langsamen Schritten den Weg entlang. Es fühlte sich an, als würde er sich auf etwas vorbereiten müssen.

Er schwieg eine Weile. Es war eine bedrückende Situation. Den ganzen Weg entlang, sprach er kein Wort. So schwieg auch ich. Er war nachdenklich. Doch egal wie neugierig ich war, ich passte mich ihm an, und wollte ihm nicht zur Last fallen.

Nachdem wir der Straße bis zum Ende folgten, blieben wir vor einem großen Hof stehen. Das Haus vor welchem wir standen, stach zwischen all den anderen besonders wegen seines traditionell asiatischen Aufbaus hervor. Es war ein hoher hölzerner Zaun aus Bambus, der den langen Garten von der Straße abgrenzte. Das Tor stand jedoch offen und ein Pfad führte zu einem Eingang.

Ich blickte umher. Ein kleiner Weg, der mit einzelnen flachen Steinen geebnet wurde, führte durch den Vorgarten, hinter das Haus, zu dem Rest des Gartens. Ich hörte seichtes Wasser plätschern. Die Vögel zwitscherten. Ein großer Kirschbaum ragte leicht hinter dem Haus hervor. Blumen strahlten, das Grün war so wunderschön. Eine kleine, metallische Schwengelpumpe, mit verziertem Griff und langem Hahn führte zu einem winzigen Teich, in welchem das Wasser aufgefangen wurde. Ein kleines Wasserspiel aus Bambus lies dieses Wasser zu einem tieferen Bereich des Teiches fließen. Dabei schaukelte es langsam vor und zurück, wobei ein beruhigendes Klopfen erklang, sobald das Rohr auf den Stein stieß.

Hier sah es plötzlich aus, wie in einer anderen Welt.

Ähnlich wie in der Stadt wirkte alles so harmonisch und friedlich. Alles gab einem das Gefühl, sich wohl zu fühlen. Hier war es jedoch nicht so laut, eher abgeschieden und idyllisch.

Im Gegenteil zu den großen, robusten, steinigen Häusern aus der Stadt, welche mit Statuen und Säulen verziert waren, wirkte dieses Haus jedoch ruhig und natürlich. Es hatte zwei Etagen. Die Wände waren aus Holz und das Dach aus leicht geschwungenem Ziegel. Der hölzerne Engawa, führte wie eine etwas erhöhte Veranda am Haus entlang, bis in den hinteren Garten, hinter dem haus. Vor dem Eingang waren Steinstufen, die zu einer ebenso hölzernen Schiebetür führten. Eine kleine Überdachung führte auch am Haus entlang. An einem kleinen Holzbalken an der Eingangstür hing eine kleine, goldene Glocke. Der Klöppel darin war mit einem weißen Seil an der Seite mit einem kleinen Gewicht befestigt.

Ein letztes Mal sah ich mich um. „Sind wir da?“, fragte ich Shiro, als er vor dem geöffneten Zaun stehen blieb. Er wirkte angespannt und blickte mich nicht an. Seine Augen waren nur auf dieses Haus gerichtet. Warum war er nur so konzentriert? Sollte dies nicht der Ort sein, an dem wir sicher sein sollten?

Shiro nickte jedoch nur. Dann lief er auf den Eingang zu ohne mir zu antworten. Neugierig folgte ich ihm. „Wo sind wir denn? Was ist los? Shiro.“, sprach ich ihm leise zu, als ich neben ihm herlief.

Doch er antwortete mir wieder nicht. Waren wir etwa doch nicht sicher? Doch ich vertraute ihm. Was würde sich hier nur verbergen? Ein Feind? Doch dann würde Shiro nicht so zögerlich sein.

Als wir über den kleinen Weg zu den Steintreppen liefen, standen wir nun vor der Tür. Ich hatte mich etwas hinter ihn gestellt und sah aufmerksam zu ihm auf.

Er biss die Zähne zusammen und ballte seine Faust. Was war nur los? Doch ich wartete ab, statt ihn wieder anzusprechen.

Einen Moment stand er nur da. Er sagte nichts. Er atmete tief. Er war angespannt. Nach kurzer Zeit griff er zu der Glocke. Mit dem Seil ließ er sie drei Mal erklingen. Es war ein heller, doch sanfter Ton. Dann war es leise.

Kurz darauf hörten wir auch schon eine Frauenstimme. „Ich komme!“, kam es uns entgegen. Ich hörte die Schritte im Raum. Ich hörte das Knarren des Holzes. Ich hörte Shiros nervösen Atem.

Dann schob eine ältere, wunderschöne Fuchsfrau die Eingangstür auf. „Sind die Blumen schon da?“, fragte sie lächelnd. Sie trug eine kleine Vase in ihrer Hand. Gekleidet war sie mit einem traditionellen Kimono. Ihre Stimme klang so nett und sympathisch. „Ich hatte doch erst morgen mit…“, doch plötzlich verstummte ihre freundliche Stimme. Mit ihrem, leicht vom Alter geprägten, faltigen Gesicht starrte sie Shiro fassungslos an. Sie riss ihre Augen auf und hielt den Atem an. Auch Shiro wurde ganz starr. Dann lies sie entsetzt die Vase aus ihren Händen fallen und das Porzellan schepperte zu Boden. Es klirrte laut.

Erschrocken blickte ich auf die Scherben und trat einen Schritt zurück. Doch Shiro kümmerte dies nicht. Demütig wich er den Blicken dieser Frau aus und sah herab, ohne der Frau in die Augen blicken zu können.

Ich war sprachlos.

Den Tränen nahe machte die Frau einen großen Schritt vor. „… Shiro!“, sprach sie aus tiefstem Herzen erleichtert. Plötzlich fiel sie ihm um den Hals und umarmte ihn mit aller Liebe. Aus ihren Augen kullerten kleine Freudentränen.

Shiro blieb streng demütig, doch erwiderte die Umarmung sanft. Er biss die Zähne fest aufeinander. „Hallo…“, sagte er leise.

Verwirrt von alle dem, ging ich einen Schritt zurück. Was ging hier vor sich?

Plötzlich hörte ich jemanden aus dem Haus rufen. „Mutter! Ist dir etwas passiert? Ist alles in Ordnung?!“, rief eine junge Männerstimme.

Ich sah, wie ein Fuchsmann die Treppe herunter stürmte, doch mitten auf den Stufen stehen blieb. Auch er trug einen traditionellen Tempelkimono. Seine Haare waren genau so rot wie die der Frau. Und seine spitzen Fuchsohren standen aufgebracht auf. Ein genauso roter Fuchsschwanz ragte entsetzt hervor.

Wie auch die Frau, starrte er fassungslos doch erfreut in unsere Richtung. „Shiro..! Du… lebst?!“

Mir blieb kurz der Atem stehen. Anscheinend kannten die beiden Shiro. Aber warum waren sie so außer sich? Ich wusste nicht ob ich schockiert sein sollte. Diese Frau begann leise zu wimmern. Sie drückte ihr Gesicht an ihn und weinte herzzerreißend. Ihre glückliche Stimme zitterte nun. „Ich dachte.. ich dachte…“, stotterte sie und begann zu weinen. „Ich dachte, wir würden dich nie wieder sehen.“, flüsterte sie.

Shiro wirkte wie gefesselt. Er umarmte sie nur und schwieg. War er deshalb die ganze Zeit so mürrisch gewesen? Dachte er schon die ganze Zeit an diese Situation, die ihm anscheinend unangenehm war?

Nun trat der Mann zu uns. „Mutter. Beruhige dich.“, sagte er sanft und faste sie an den Schulter. Sie stellte sich wieder hin und versuchte zart mit dem Handrücken ihre Tränen wegzuwischen. Ihre Augen waren ganz rot. So vielen Tränen kullerten über ihre Wangen. Ihr erschöpftes Gesicht sah so verweint aus und dennoch lächelte sie. Es war ein mitreißender Moment. Doch ich wusste nicht, was ich tun sollte.

Konfus stand ich nur da und wusste nicht, was gerade geschah. Eingeschüchtert ging ich etwas zurück.

Der Fuchsmann hielt nun diese Frau in seinen Armen. Er war größer als sie und es wirkte, als wolle er sie beschützen. Dann blickte er Shiro an. Ihm konnte Shiro in die Augen sehen, auch wenn sein Blick voller Reue war.

„Shiro. Schön dich zu sehen. Aber wo ist meine Schwester?“, fragte der Junge nun. Shiro blieb noch einen Moment still uns sah ihn nur ernst an.

Der Junge sprach von einer Schwester. Wie aus dem nichts blickte ich ihn überrascht an. „Kitsune?“, kam es plötzlich aus meinem Mund geschossen. Irgendwie wollte ich auch etwas zu der Situation beitragen. Außerdem konnte ich es nicht ertragen, wie Shiro sich alleine dort, demütig präsentierte. Da die beiden Personen vor mir die gleichen roten Haare und Fuchsschwanz sowie Fuchsohren wie Kitsune hatten, war sie die erste Person die mir in den Kopf kam.

Verwundert sahen sie mich an und bemerkten mich wohl erst jetzt hinter Shiro stehen. „Hmh..?“, beide warfen ihre überraschten Blicke auf mich.

Errötet riss ich die Augen auf. Ich hatte ihr herzliches Wiedersehen gestört. Beschämt legte ich meine Hände auf meine Brust und ging einen erneuten Schritt zurück. „Oh… ehm.. entschuldigt bitte.. ich..“, stotterte ich und legte mein Haar hinter mein Ohr. Dann biss ich mir verlegen auf die Lippe. Aus irgendeinem Grund fühlte ich mich hier falsch. Es war ein wichtiger Moment zwischen den Dreien. Ich hatte hiermit nichts zu tun. Und doch musste ich mich einmischen. Hätte ich nur besser den Mund gehalten. Ich kam mir so dumm vor.

„Junge Dame.“, begann der Fuchsjunge zu sprechen. Nervös blickte ich zu ihm hinauf. „Bist du mit Shiro hier?“, fragte er mit ruhiger Stimme und lächelte mich lieb an.

„Ehm.. j.. ja… also.. ja!“, plapperte ich verwirrt und wusste nicht wohin mit meinen Händen.

Doch nun stieg der Fuchsjunge mit einem kleinen eleganten Sprung von der Veranda herab zu mir. Ich wich verblüfft zurück doch vorsichtig fasste er meine Hand und hielt sie wärmend in seinen. „Entschuldige bitte mein egoistisches Verhalten.“, sagte er und hob nun meine Hand. Mit einem zarten Kuss auf meinem Handrücken, begrüßte er mich. „Dass ich ein so süßes Mädchen ignoriert hatte, tut mir schrecklich leid.“, sagte er und sah mich treuherzig leidend an.

Er hatte so warme, weiche Hände. Und mit seiner Bewegung erfasste mich so ein angenehmer Duft von Blumen. Sprachlos blickte ich ihn mit weiten Augen an und meine Wangen erröteten stark.

„Mein Name ist Kisho.“, sagte er und sah mir tief in die Augen. Er stand mir sehr nah und schaute mit einem so liebevollen Lächeln zu mir hinab. Überwältigt von seiner Begrüßung versuchte auch ich sein Lächeln zu erwidern, doch sehr viel zaghafter. „Ehm… ich.. heiße Yuki..“, antwortete ich ihm zögerlich.

„Ah. Ein sehr hübscher Name. Dein Name bedeutet Mut.“, erklärte er mir. Seine Worte waren irgendwie so aufmunternd und freundlich. War ich nicht das genaue Gegenteil von Mut? „Wieso reist du mit diesem störrischen Typen hier her?“, lachte er leicht. Noch immer hielt er meine Hand. Doch plötzlich griff Shiro ihn am Nacken seiner Kleidung und zog ihn grimmig zurück. „Lass sie.“, ermahnte er ihn. Kisho ließ sich jedoch nicht unter und warf ihm einen ebenso grimmigen und doch grinsenden Blick zurück. Sie wirkten wie zwei streitende Brüder.

Die Frau begann nun lauter zu sprechen. „Fängt das schon wieder an?“, stoppte sie beide und grinste glücklich. „Lasst uns hinein gehen. Bitte. Kommt.“

Shiro gehorchte sofort und ließ ihn auch sofort los. Dann blickten wir zu der Frau hinauf. Sie lächelte und schloss die Augen erfreut. „Na los. Ich mache uns Tee.“
 

Nach einer kurzen Weile traten wir auch schon in das Haus ein. Ich folgte Shiro einfach still und leise. Ihm war diese Umgebung wohl schon bekannt. Meine einfachen Lederschuhe, die ich noch von Nagisa bei hatte und Shiros schwarze Schuhe, die er noch vom Ballabend trug zogen wir im Eingangsbereich aus und stellten sie vor die kleine Stufe, die in das Haus führte.

Es war alles sehr traditionell. Die Wände dienten gleichzeitig als Schiebetüren. Die Räume waren mit einfachem Tatamiboden ausgestattet. Er war weder hart wie Stein noch weich wie ein Teppich. Er war einfach angenehm nachgebend und stabil. Shiro und ich saßen schließlich an einem breiten Kaffeetisch. Er war so tief, dass wir auf kleinen Sitzkissen Platz nahmen. Ich kniete auf meinen Beinen, während Shiro im Schneidersitz neben mir saß.

Hinter uns führte eine geschlossene Tür in den Garten. Ich hörte das Plätschern des Wasserspiels und das Vogelgezwitscher durch die dünne Schiebetür.

„So. Also. Erzählt mal. Was treibt euch hier hin?“, fragte Kisho und lief in den Raum hinein. Er stellte vier Tassen auf den Tisch und setzte sich uns gegenüber.

Shiro blickte ihn ernst an. „Wir, brauchen eure Hilfe.“, begann er. „Wir benötigen eine Unterkunft. Mehr kann ich dir nicht sagen.“, erklärte er nur.

Doch Kishos haute plötzlich wütend auf den Tisch und beugte sich vor. „Unsere Hilfe? Du willst unsere Hilfe? Weißt du eigentlich, was Mutter durchgemacht hat wegen dir?“, sagte er leise, damit die Frau im Nebenzimmer nicht mithören konnte.

Nun sah Shiro weg und biss die Zähne aufeinander. Er schwieg nur. Ich schreckte leicht auf und sah ihn mit weiten Augen an.

Da wurde Kishos Stimme wieder freundlicher. „Oh entschuldige.. Es tut mir leid, wen ich dich erschreckt habe..“, sagte er mir mit einem sanften Lächeln. Doch ich hob die Hände und wedelte in der Luft herum. „Ach. Nein. Schon gut.“, grinste ich ertappt. „Aber wenn ich fragen darf… wovon sprechen sie?“, tastete ich mich langsam ans Thema.

Das Lächeln des Fuchsjungen wurde immer breiter. „Ohhh.Yuki. Wie süß du einfach bist. Du musst bei mir nicht so höflich sein. Aber das zeigt deine gute Erziehung.“, sagte er fröhlich und lehnte seinen Kopf auf seine Hand. „Naja.. also das mit Shiro.. ist eine lange Geschichte. Er gehört irgendwie zur Familie. Meine Schwester kennst du ja schon. Kitsune. Sie lebt bei ihm.. und ehm.. ach.. Es tut mir wirklich leid, aber ich glaube, es wäre nicht gut jetzt darüber zu reden.“, versuchte er dem Thema auszuweichen. „Shiro macht manchmal dumme Sachen, weißt du? Haha.“

„Ah.. Ja. Das stimmt.“, begann auch ich zu grinsen. Wir versuchten die Stimmung etwas aufzulockern auf Shiros Kosten. Verträumt sah Kisho mich an und lachte mit mir zusammen. Doch dann mischte Shiro sich ein. „Sie weiß es schon.“, sagte er betroffen, ohne aufzusehen.

Sofort verschwand das dezente Gelächter. Wir sahen Shiro an. „Was?“, fragte ich überrascht.

„Ich verleugne das nicht.“, begann er zu erklären. „Kitsune lebt seit einigen Jahren bei mir. Ich hatte ihrer Familie geschworen, auf sie aufzupassen, so lange ich lebe… und.. dann..“, seine Stimme wurde immer leiser. Dann verstummte er ganz. Er packte mit seinen Händen fest an seine Knie.

Kisho sprach für ihn weiter. „Und dann bekamen wir die Nachricht, von ihm, dass er Kitsune zurückschicken würde. Und wir ihn nie wieder sehen werden. Eiskalt und trocken. Wie wir ihn kennen.“, meinte er ernst. Ich erschrak. Worauf wollte Kisho hinaus? Obwohl ich die Antwort doch kannte, wollte ich sie nicht wahrhaben.

„Das bedeutete also, dass er sterben würde…“, sprach Kisho weiter. Dann begann er nachdenklich zu grinsen. „Und weil wir ja alle wissen, dass Shiro ein Sturkopf ist, der von niemanden besiegt werden kann, konnte das nur eines bedeuten..“

Entsetzt legte ich die Hände vor meinen Mund.

Ich erinnerte mich.

Ich erinnerte mich an den Moment, an dem Shiro so bitterlich weinte. Ich erinnerte mich an den Tag, an dem wir auf dem Dach der Schule saßen und er sich nicht mehr unter Kontrolle hatte. Ich erinnerte mich an den Moment, als er mir erzählte, dass er sich umbringen wollte.

Als ich mich zu Shiro drehte, wich er meinen Blicken aus und schwieg.

„Ich… weiß..“, sagte ich leise. „Aber Kisho!“, sprach ich nun laut. Ich legte meine Hände auf den Tisch und sah ihn ernst an. „Ich weiß, dass ihr sauer auf ihn seid! Und das ist auch euer gutes Recht! Aber bitte… seid nicht zu hart mit ihm. Bitte helft ihm. Er weiß, dass es falsch war. Aber er musste so viel durchmachen, dass dieser Ausweg für ihn als einziger zu erreichen schien. Er war so durcheinander. Ich weiß, dass es schwer ist, für alle Beteiligten! Aber die Augen zu verschließen und nicht zu sehen, dass er, obwohl er am Ende angekommen war, und den einfachsten Ausweg nehmen wollte, er trotzdem noch seine Kraft gesammelt hat um weiter zu leben! Er war kurz davor, und trotzdem hat er sich noch für den schweren Weg entschieden! Ja. Ihr dürft wütend sein! Und seine Entscheidung war egoistisch! Und er ist provozierend und eigensinnig und tut, als würde ihn nichts anhaben! Aber ihr dürft nicht vergessen, was ihn zu seiner Entscheidung geführt hat! Und dass er euch brauch! Und dass er doch nicht aufgegeben hat! Bitte…“

Überrascht sah Kisho mich an. Meine Worte verschlugen ihm die Sprache. Jedoch war er nicht wütend. Er war eher erstaunt.

Mein Herz pochte aufgeregt. Ich wusste nicht, welche Geschichte die beiden gemeinsam hatten, jedoch wusste ich, welche Geschichte ich mit Shiro hatte. Und ich wollte für ihn da sein. Ich wollte ihm helfen.

Auch Shiro sah mich überrascht an. Doch auch er schwieg und war zu gefesselt um etwas dazu zu sagen.

Warum starrten beide mich denn so an? Schließlich schloss Kisho den Mund und grinste locker. „Yuki. Keine Sorge. Wir werden euch natürlich helfen. Und besonders bei deiner zuckersüßen Bitte kann ich doch gar nicht nein sagen.“, sagte er entschlossen.

Stocksteif lehnte ich mich wieder zurück und erschreckte errötet. Zuckersüße Ansprache? „Eh..“, verlegen wusste ich nicht wie ich reagieren sollte und stotterte leise. „Ich.. eh.. also.. danke.?.. Eh..“

„Kisho. Würdest du mir helfen?“, hörten wir nun aus der Tür. Die Fuchsfrau kam gerade mit einer heißen, dampfenden Kanne herein gelaufen. Wegen ihres Kimonos lief sie nur kleine, elegante Schritte.

„Natürlich.“, sofort stand Kisho auf und half ihr den Tee zum Tisch zu tragen. Dann setzten sich beide uns gegenüber. Die ältere Frau hatte ein so aufmunterndes, schönes Lächeln. Doch Shiro konnte es noch immer nicht übers Herz bringen, sie anzusehen.

„Nun..“, begann die Frau und schenkte uns das heiße Getränk ein. „Ich hatte ganz vergessen mich vorzustellen. Mein Name ist Kazumi. Kisho ist mein Sohn. Und wie ich hörte, hast du auch schon Kitsune kennen gelernt, meine Tochter.“, dann stellte sie die Kanne vorsichtig auf einen Untersetzer auf den Tisch.

„Ja. Wir kommen sehr gut miteinander aus. Sie ist sehr freundlich zu mir gewesen. Sie kann zwar manchmal etwas… lebendig sein, aber in den richtigen Situationen ist sie doch sehr erwachsen.“, antwortete ich sofort und nahm meine Tasse zu mir. Während ich trank legte Kisho seinen Kopf schief. „Lebendig? Sie kann eine echte Nervensäge sein. Aber ich glaube Shiro hat ihr schon sehr gut helfen können.“

„Helfen?“, fragte ich bevor ich von dem Tee nippen konnte.

„Oh. Ich dachte, du wüsstest, warum Kitsune bei Shiro wäre? Hat dir das keiner gesagt?“, fragte er mich.

Ich sah fragend zu Shiro. Dieser saß jedoch nur mürrisch an seinem Platz und trank vom Tee. „Eh.. nein..“, antwortete ich zögerlich. Dann sah ich wieder zu Kisho. „Ich kenne den Grund nicht.“

Der Fuchsjunge lehnte sich wieder zurück und überkreuzte die Arme. Dann schloss er, sich erinnernd die Augen, sah etwas herab und nickte einige Male. „Ja.. also Shiro hat uns damals geholfen, her zu ziehen. Wir lebten damals beim Atrium Bellum. Und das soll ja schon was heißen. Die Stadt der Krieger und Kämpfer. Dort wo die übelsten Kerle herkommen. Wie Shiro! Naja, eigentlich lebten wir dort, um die Kranken zu versorgen. Wir sind keine Kämpfer. Doch es war uns untersagt, dort wegzuziehen. Wir.. besonders unsere Mutter, wurden dort.. wie das Letzte behandelt. Shiro half uns dann von dort zu entkommen. Es war eine Nacht- und Nebelaktion mit vielen Verletzten. Kitsune verlor dabei ihre komplette Kraft und Magie. Kurz gesagt: Shiro setzte sich dann dafür ein, dass sie ihre Kraft wieder erlangt. Und sie wollte unbedingt von ihm lernen. Also zogen sie gemeinsam weiter und seitdem lebt sie bei ihm.“

Interessiert an der Geschichte, lauschte ich seinen Worten und trank aus meiner kleinen grünen Tasse. Somit war mir also auch diese Vorgeschichte zwischen Kitsune und Shiro bekannt.

Ich legte die Arme auf den Tisch, mit der Tasse in meinen Händen und dachte nach. „Ihr nennt ihn auch Shiro. Ich dachte, diesen Namen hätte Kitsune sich nur einfallen lassen? Wie habt ihr euch denn eigentlich kennen gelernt?“, fragte ich nun.

Kisho freute sich, dass ich seinen Worten so neugierig folgte und kicherte kurz. „Ach. Das.. also, das war so. An einem Tag in der Stadt des Atrium Bellum, kam so ein total verletzter Typ durch die Straßen. Er war voller Blut und konnte kaum laufen. Ich war gerade auf dem Heimweg nach einem harten Tag. Dieser Typ humpelte a mir vorbei, hockte sich in die nächste Gasse und brach zusammen. Und da wir Fuchsdämonen nun mal nicht anders können als zu helfen, nahm ich diesen schwachen, halb toten Dämonentypen mit. Er war wirklich schwach.“, Kishos Stimme klang immer amüsierter. Er hob die Hand und machte passende Bewegungen zu seiner Geschichte. Ein wenig schaffte er es sogar, Shiro zu necken. Anscheinend wusste auch er, dass Shiro es nicht leiden konnte als schwach bezeichnet zu werden. Ich ließ mich von seiner fesselnden Geschichte und seiner mitreißenden Emotionen in den Bann ziehen und begann auch leise zu kichern.

„Ich nahm also diesen Jungen, der keinen Namen hatte und brachte ihn in unsere Unterkunft. Er war so mürrisch, obwohl ich ihm das Leben rettete! Aber so kennen wir ihn ja. Meine Mutter und meine Schwester kümmerten sich dann um-“

„Kisho!“, unterbrach Kazumi ihn auffordernd freundlich. Er schreckte auf und sah sie mit großen Augen an. Sofort hörte er mit dem erzählen auf.

„Diese Geschichte musst du nun wirklich nicht so sehr ausschmücken. Und ich denke, es ist gerade auch nicht der richtige Zeitpunkt das zu erzählen.“, meinte sie und legte ihre Tasse auf den Tisch.

Ich sah Kisho fragend an. Dann drehte ich mich zu Shiro, der noch immer mürrisch neben mir saß, schwieg und seinen Tee bereits ausgetrunken hatte. Ich hingegen hatte kaum von dem Tee getrunken, da ich Kisho so neugierig zuhörte.

Kazumi wollte Shiro wohl in Schutz nehmen. Nun fühlte ich mich etwas schuldig. Auch wenn er nichts gegen das Gespräch sagte, obwohl er sich stets negativ äußerte, wenn ihm etwas nicht passte, war ihm das Gespräch über seine Vergangenheit unangenehm. Ich verstand ihren Beweggrund. Sie merkte, dass es Shiro nicht gut ging.

„Entschuldige Mutter..“, sagte Kisho brav und spielte an seiner Tasse.

„Entschuldige dich nicht bei mir.“, lächelte sie ihn an und deutete zu Shiro herüber.

Unzufrieden aber verständnisvoll schmollte er etwas. „Entschuldige Shiro.“

Ich sah zwischen beiden hin und her. Shiro hatte einen so nachdenklichen Blick. Kisho saß dort eher gelangweilt.

„Shiro, Yuki.“, hörte ich nun Kazumis sanfte Stimme. „Ich bin zwar neugierig, aber eurem Verhalten und eurer Kleidung nach, seid ihr wohl etwas länger unterwegs.“, dann lächelte sie uns lieb an. „Ihr müsst mir nicht verraten, was euch so bedrückt und weshalb ihr unsere Hilfe braucht.“, nun lehnte sie sich zurück und stand langsam auf. „Wir werden euch gerne helfen. Keine Sorge. Nun nehmt noch ein Bad und ruht euch aus. Es wird schon dunkel. Morgen, können wir weiter reden.“

Kisho stand blitzartig auf und freute sich. „Ja! Lasst uns in die heiße Quelle gehen! Yuki komm, ich zeige dir, wo sie ist!“, meinte er gut gelaunt.

Doch ich lächelte bescheiden. „Ach.. ein Bad würde ich gerne nehmen, wenn das in Ordnung ist. Doch bei der heißen Quelle muss ich wohl leider nein sagen.“, erklärte ich und biss mir zurückhaltend auf die Lippe.

Ich mochte das Gefühl des warmen Wassers und dem darüber schwebenden Dampf. Doch war es mir unangenehm, mit anderen zu Baden und bevorzugte eine Dusche alleine.

„Ach schade.. vielleicht ein anderes Mal... Aber Shiro!“, nun sprang er zu ihm und griff mit seinem Arm um seinen Hals. „Du kommst doch sicher mit! Du stinkst! Was ist das überhaupt für eine Kleidung, die du trägst?“

Genervt legte Shiro seine Hand in Kishos Gesicht und drückte ihn von sich weg. „Vergiss es.“, lehnte er ab.

Kazumi kicherte und legte vornehm ihre Hand vor ihren Mund. „Hihi.. Macht was ihr möchtet. Fühlt euch wie zuhause.“, dann reichte sie mir ihre Hand. „Yuki. Ich werde dir das Bad zeigen. Und ich werde dir neue Kleidung geben, wenn du möchtest.“

Ich blickte überrascht zu ihr und sie half mir aufzustehen „Oh! Gerne! Vielen Dank!“ – „Na, dann komm mal mit.“, sie drehte sich um und ging voraus. Doch bevor ich ihr folgte blieb ich stehen. Es kam mir vor, als würde mir etwas fehlen. Dann drehte ich mich um und blickte auf Shiro. Er würde mir nicht folgen. Natürlich nicht. Obwohl wir noch im gleichen Haus waren, fühlte es sich falsch an, sich von ihm zu trennen, auch wenn es nur die Räume waren, die zwischen uns standen.

In diesem Moment fiel mir auf, dass wir die letzten Tage zusammen verbracht hatten. Wir hatten ja sogar die letzten Nächte immer im gleichen Raum verbracht und die letzte Nacht sogar nebeneinander. Zwar war es besonders aus Schutzmaßnahmen, jedoch gewöhnten wir uns sehr daran.

Shiro blickte schweigend zu mir auf. Er wusste, was mich aufhielt weiter zu gehen. Auch er spürte diese Veränderung, als wir uns trennten. Aber er deutete sicher den Gang entlang. „Geh ruhig.“, sprach er. „Du brauchst hier keine Angst zu haben. Vertrau mir.“

Diese Worte. – Vertrau mir. – Ich hörte sie oft von ihm. Doch auch dieses Mal nahm ich sie herzlich an und nickte ihm zu.

Es wirkte, als bräuchte ich seine Genehmigung, ehe ich irgendwo hingehen durfte. Doch so war es ganz und gar nicht. Es war eher so, dass ich um seine Sicherheit bat, wenn ich mich von ihm entfernte. Dass er mir versprach bei mir zu bleiben, auch wenn ich ihn nicht sehen konnte.

Zufrieden drehte ich mich schließlich wieder zu Kazumi und lief ihr mit schnellen Schritten hinterher. Dann zeigte sie mir den Weg ins Bad.
 

Kisho hatte sich neben Shiro gesetzt und lehnte sich müde auf den Tisch. Er winkelte seinen Arm an und legte seinen Kopf auf seine Hand.

Die Stimmung war nun wieder etwas ruhiger. Shiro saß dort und sah mir noch nachdenklich hinterher.

Kisho gähnte kurz mit breitem Mund und hielt sich die Hand vor. „Haaaahhg… Hmh.. Shiro?“, fragte er dann.

„Hmh?“

„Seid ihr beide… ach egal.“, kam es gelassen von dem Fuchsjungen. Dann stand auch er auf. Seine Stimme wurde auffällig wacher. „Los! Komm lass uns in die Quelle!“
 

Das warme Wasser plätscherte auf mich herab. Während ich die Wärme genoss, legte ich meine Hände auf meine Schultern und dachte nach. Ich träumte vor mich hin und fuhr sacht über meine Haut. Das Wasser perlte etwas von meinem Gesicht herab. Mein Atem war leicht und gleichmäßig und mein Körper fühlte sich erschöpft an.

Shiro wurde hier aufgenommen wie ein Familienmitglied. Kisho wirkt wie ein Bruder und Kazumi wie eine Mutter. Und dennoch war es nicht seine Familie. Es musste sich seltsam anfühlen, von einer Familie aufgenommen zu werden, obwohl man eine eigene hatte, die vor den Augen getötet wurde.

Egal wie lieb sie zu ihm waren. Sie würden nie seine echte Familie ersetzen können.

Shiro hat also eine lange Zeit mit Mephisto und Deeon gelebt. Doch beiden gezeigt, dass er alleine leben wollte. Auch sie waren immer für ihn da. Und nun sehe ich diese Familie hier, die sich um ihn kümmerte. Aber auch sie ließ er nicht an sich heran. Was war es nur, das Shiro so beschäftigte, dass er einfach nicht glücklich sein konnte? War es immer der Gedanke an Lilith? Oder ein noch schlimmerer Gedanke? Warum war er nur so stur? Warum wollte er denn nicht einfach glücklich sein?

„Arrgh!“, ich ärgerte mich über meine eigenen Gedanken und wische über mein Gesicht. Ich wollte doch gerne helfen aber ich konnte nicht! Nun wollte ich mich einfach von meinen negativen Gedanken ablenken. Ich sollte das hier doch genießen, nach allem was geschehen war. Ich drehte mich also um und ließ nun das Wasser auf meinen Rücken plätschern

Das Bad war sehr groß. Es waren drei Duschen an den Wänden angebracht. Auf der anderen Seite des Raumes war eine gläserne Tür, die einen beschlagenen Blick auf die heiße Quelle im hinteren Garten erahnen ließ.

Als ich das erkannte klimperte ich kurz mit den Augen. „Das ist bestimmt diese Quelle.“, sagte ich mir selber. „Sollte ich es doch mal probieren?“, fragte ich mich und drehte im gleichen Moment das Wasser zu. Wieso nicht? Wenn Kisho und Shiro nicht da sein würden, dann kann ich ja doch alleine das Bad genießen.

Vorsichtig tapste ich durch den nebeligen Raum, über den nassen Boden. Von der Wand nahm ich mir ein Handtuch, das dort hing und wischte leicht einen kleinen Kreis an der Scheibe frei. Vorsichtig spähte ich hindurch um den Garten sehen zu können.

Da erkannte ich auch schon die heiße Quelle. Sie war gerade mal so groß wie ein kleiner Pool und hatte mitten drin eine, bis zur Hälfte durchgezogene, gerade eben über die Wasseroberfläche herausragende Bambuswand, die mit Steinen im Wasser ausgeschmückt war, um sich zu setzen. Die Steine die den Kreis der Quelle formten, waren ebenfalls zum sitzen.

Draußen war es bereits dunkel geworden. Jedoch erkannte ich niemanden in dem Wasser sitzen. Also schob ich leicht die Tür auf und streckte meinen Kopf hinaus. Mit einem Blick nach links und rechts vergewisserte ich mich, dass auch niemand da war. Diese Quellen betrat man ohne Kleidung. Also schlang ich schnell das Handtuch um mich und tapste hinaus. Die Luft war etwas kälter, aber angenehm. Mit meinem Fuß tastete ich erst nach dem Wasser. Es war so schön warm.

Erleichtert ging ich schließlich die kleinen Stufen in das Wasser hinab. Das Handtuch ließ ich dabei um. Als mich das warme Wasser erfasste wurde mir so wohl um Herz. Ich setzte mich an die Bambuswand und ließ nur noch meinen Kopf aus dem Wasser ragen. „Hmmmh… Ist das schön..“

Entspannt schloss ich die Augen und legte den Kopf in den Nacken. Genau das beruhigte mich. Die Wärme durchzog meinen ganzen Körper. Mein Herz pochte angenehm langsam und ich atmete befreit von allen Sorgen. Doch gerade als es mir gelang, an nichts zu denken, hörte ich plötzlich eine Stimme aus der Ferne.

„Das wird dir bestimmt gut tun. Meine Mutter hat vollkommen recht!“, sprach Kisho zu Shiro.

Beide trugen nur ein Handtuch um ihre Hüfte. Während Shiro griesgrämig, mit überkreuzten Armen lief, tapste Kisho vergnügt neben ihm her. Seine Fuchsohren waren verspielt zur Seite gedreht und sein Grinsen war nicht zu übersehen.

Ich drehte mich zu ihnen um und versteckte mich halb hinter der kleinen Bambuswand. Zurückhaltend griff ich das Tuch um meiner Brust und starrte sie nur sprachlos an. Es war nur kein knallroter Kopf zu sehen.

Als die beiden nun den kleinen weg von der Tür des anderen Bads zur Quelle liefen, entdeckte Shiro mich sofort und blieb abrupt stehen. „Eh..?“ Auch er war überrascht und starrte mich an.

Etwas beschämt versteckte ich mich nun weiter hinter der kleinen Wand.

Weder er, noch ich sagten etwas. Anscheinend war es ihm genau so peinlich wie mir.

Nun wunderte Kisho sich. „Was ist denn?“, dann schaute er in die Richtung, in die Shiro starrte. „Ah! Yuki!“, sagte er fröhlich und lief auf das Wasser zu. „Du bist also doch gekommen.“

Aber dann griff Shiro ihn an der Schulter und hielt ihn zurück. „Kisho. Wenn sie alleine Baden will, lass sie.“, knurrte er ihn an und wollte ihn zurückziehen.

Kisho überlegte kurz und drehte sich zu Shiro. Aus seinem nachdenklichen, erst zustimmenden Gesicht wurde jedoch ein breites Grinsen. „Nö.“, sagte er nur und sprang sofort auf mich zu. „Yuki!“, rief er erfreut und platschte vergnügt in das Wasser.

„Ahh!“, verlegen zog ich mich zurück und hielt meinen Arm etwas vor dem Gesicht, um mich vor den Wassertropfen zu schützen.

Doch den gleichen Arm fasste Kisho und nahm ihn elegant herunter. „Oh Yuki. Dein hübsches Gesicht zu sehen, lässt ein warmes Bad doch sofort schöner werden.“, lächelte er mich liebevoll an und stellte sich direkt vor mich.

„Kisho!“, brummte Shiro nun. Auch er war ins Wasser gekommen und griff den Fuchsjungen an der Schulter.

Er drehte sich lächelnd um. „Ah. Bist du doch rein gekommen?“, fragte er und hob eine Augenbraue. „Ihr solltet beide mal lockerer werden.“

Miesgelaunt zog Shiro ihn sofort weg und drückte ihn unter Wasser. „Du kleiner..!“
 

Als ich dieses Schauspiel mit ansehen durfte, begann ich zu kichern. Kisho hatte recht. „Shiro.“, lächelte ich ihn an. „Lass ihn. Jetzt sind wir drei halt zusammen hier drin.“, erklärte ich erfreut.

Shiro sah mich verwundert an. Nein mehr sogar. Er sah mich verträumt an.

Das Wasser tropfte von meinem Gesicht. Mit meiner einen Hand legte ich meine nassen Haare hinter mein Ohr und mit der anderen hielt ich noch immer das Tuch vor mich. Der Dampf des Wassers stieg neben mir auf. Meine Wangen waren etwas errötet. War es wegen des warmen Wassers oder doch eher wegen der Situation? Jedenfalls lächelte auch ich ihn vergnügt an und lachte leise.

Shiros Blick betrachtete mich einen Moment. Plötzlich ruckelte es an seiner Hand und er klimperte etwas mit den Augen. Dann kam er wieder zu sich und schaute in das Wasser hinab. Er hatte Kisho noch immer unter Wasser gedrückt. Dieser begann langsam zu zappeln.

Als Shiro ihn dann wieder los lies, sprang er sofort auf und holte tief Luft. „Ahh! Shiro. Danke für den hübschen Einblick unter Wasser, aber so lange kann ich nicht die Luft anhalten.“, lachte er und wischte die Haare aus seinem Gesicht.

Ich riss die Augen auf und überkreuzte sofort meine Beine. Dazu zog ich das Handtuch stramm herunter. Auch Shiro riss die Augen auf und sah Kisho mit einem tödlichen Blick an.

Der Junge hob aber die Hände. „Das war ein Scherz!“, lachte er und ging etwas zurück. Bevor Shiro wieder seine Wut an ihm auslassen konnte, begann ich jedoch zu lachen. Ich legte meine Hand etwas vor den Mund und kicherte vergnügt. „Hihihi.“

Mein Lachen beruhigte Shiro. Er hielt sich zurück, und blickte nur grimmig weg. „Hmpf..“

Statt wieder zu mir zu kommen, lehnte Kisho sich nun auf der anderen Seite an die Steine und genoss das Wasser. „Ahh.. schön.“, schwärmte er und legte die Arme auf den Steinen ab. „So schön war schon lange kein Bad mehr.“

Auch Shiro setzte sich abseits von uns und begann das Wasser zu genießen. Dann war es leise.

Wir hörten nur das Wasserplätschern des kleinen Teichs und einen sanften Wind durch den Garten wehen.

Zusammen konnten wir nun einfach in dieser Stille erfrischen.

Auch wenn es mir erst unangenehm war, mit beiden Männern zu Baden, fand ich am Ende heraus, dass es sogar schöner war, nicht alleine zu Baden. Diese Gesellschaft verhalf mir, von meinen schlechten Gedanken wegzukommen. Ich war einfach nur glücklich.

Als ich kurz in die Runde blickte, erkannte ich, dass Shiro die Augen geschlossen hatte und seinen Kopf nachdenklich herabgesenkt hatte. Woran er wohl dachte?

„Dann werde ich euch gleich mal eure Zimmer zeigen.“, unterbrach Kisho nun die Stille.

„Zimmer?“, fragte ich.

„Natürlich. Oder möchtest du hier im Wasser übernachten?“, grinste er mich an.

„Ehm. Nein.. Aber. Jeder von uns bekommt ein Zimmer?“, fragte ich, ohne weiter über meine Worte nachzudenken.

So wie es mir vorhin schwer fiel, mich überhaupt von Shiro zu trennen, so war der Gedanke, alleine in einem Zimmer zu schlafen noch beunruhigender für mich. Ich wusste, dass ich hier sicher sein konnte, aber meine Gewohnheit wollte, dass Shiro bei mir übernachtet.

„Oha? Weiß ich da von etwas nicht?“, Kisho zog die Augenbrauen immer wieder hoch und sah mich verdächtig an. „Hmh? Hmh?“

Ich schreckte auf und schüttelte den Kopf. „Eh! Nein! Alles gut! Zwei Zimmer sind genau richtig!“, stotterte ich, ehe Gerüchte entstehen würden.

„Hmh.“, dann schaute Kisho zwischen Shiro und mir her. Ich war etwas eingeschüchtert, doch Shiro saß ernst dort und sagte nichts.

„Seid ihr ein Paar?“, kam es nun plötzlich von Kisho.

„Nein!“, kam es im Duett von Shiro und mir als Antwort. Von mir eher überrascht. Von Shiro eher ernst.

Überrascht von seiner Antwort schaute ich ihn an. Ich wusste, dass wir kein Paar waren. - Natürlich nicht. Wir haben einen Pakt geschlossen. Mehr nicht. Außerdem würde sich so jemand doch niemals in mich verlieben. Was sollte ich schon an mir haben, dass mich besonders macht? Ja. Wir haben viel zusammen durch gemacht. Aber er ist ein mächtiger Dämon. Der jedes Mädchen an seiner Seite haben könnte. Besonders… Frauen wie Bastet.. Ich komme doch niemals an Bastet heran. Weder von meinen Fähigkeiten, noch vom Aussehen. Nein.. Shiro würde mich nicht lieben wollen…- Meine Gedanken schwirrten konfus durcheinander. Warum dachte ich überhaupt an die Möglichkeit? Und warum verletzte mich Shiros Antwort eigentlich, obwohl es die gleiche wie meine war?

Betrübt sah ich wieder weg. Mein Gesicht begann rot zu glühen. Blubbernd setzte ich mich tiefer ins Wasser, bis nur noch meine Augen heraus blickten.

Ein Geschenk

Es war leise als ich im Bett lag und schlief. Von draußen strahlte das leichte Sonnenlicht durch das Fenster und erhellte den Raum. Das angenehme Zwitschern der Vögel brachte ein Gefühl des Sommers. Die Sonnenstrahlen schienen auf das Bett und auf mich. Mit der Zeit bemerkte ich die weckende Wärme auf meiner Haut und versuchte mich von dieser Wärme wegzurollen. Zwar war ich noch im leichten Schlaf, doch mit der Zeit konnte ich mich nicht mehr der weckenden Kraft der Sonne und der lebendigen Geräusche entziehen.

Ich rollte ich mich also auf den Bauch und kuschelte mich in das Kissen. Mit einem leisen Seufzer versuchte ich langsam wach zu werden. Mein Kopf versuchte wach zu bleiben, doch mein Körper schlief anscheinend noch und lies sich nicht so leicht bewegen.

Kurz bevor ich mich in meinem Schlaf wieder finden konnte, klopfte es leicht an meiner Tür. „Yuki?“, hörte ich Kisho rufen. „Yuki. Bist du wach?“, fragte er höflich.

Langsam öffnete ich die Augen und blickte zur Tür. „Hmh..“, dann schloss ich wieder die Augen. „Shiro…“, nuschelte ich verschlafen. Doch ich erhielt keine Antwort und richtete mich langsam auf. „Shiro wach auf.“, sagte ich leise und blickte durch den Raum. Jetzt erst realisierte ich, dass ich alleine in meinem Zimmer geschlafen hatte. „Ach ja..“ Shiro war nicht hier. Er hatte im Zimmer nebenan geschlafen, wenn er überhaupt geschlafen hatte.

„Yuki? Ich komme jetzt rein.“, hörte ich nun wieder von der anderen Seite der Tür.  Kisho schob sie auf und kam mit einem Tablett herein gelaufen. „Guten Morgen, schlafende Schönheit.“, begrüßte er mich und trat langsam zum Bett. „Oh.. Guten Morgen.“, schnell wischte ich mir durchs Gesicht und versuche meine zerzausten Haare zu bändigen. Neugierig schaute ich dann auf das Tablett. „Ich habe dir Frühstück mitgebracht. Auch wenn es schon Mittag ist. Aber wir wollten dich ausschlafen lassen.“, lächelte er mich an.

Überrascht und noch etwas verschlafen, nahm ich das Tablett an, das er mir reichte. „D.. danke.“, kam es zögerlich aus meinem Mund. Ich blickte auf das so gut riechende Essen. Ein Teller mit gebratenem Speck und einem Spiegelei. Dazu Tomaten, Gurkenscheiben und Salat. In einer Schale war gekochter Reis und daneben Stand eine Tasse Tee.

Überwältigt starrte ich das Essen an und begann beinahe gierig zu sabbern. Ich spürte wie mein Magen sich danach sehnte, etwas zu essen. Doch im gleichen Augenblick dachte ich noch an Shiros Worte. - Das solltest du nicht essen. Dein Körper würde das nicht überleben. Vieles davon würde dich vergiften oder qualvoll ersticken lassen. – Also verging mein strahlender Blick sofort und wurde eher zu einem gequälten Gesichtsausdruck. „Hmmh.. Danke Kisho.. aber ich weiß nicht ob.. ich das essen kann.“, sagte ich vorsichtig um nicht meine Tarnung auffliegen zu lassen. „Ah. Keine Sorge.“, grinste er und stellte sich gutgelaunt mit den Händen in der Hüfte vor mich. „Shiro hat mir schon gesagt, dass du nicht alles verträgst und war morgens mit mir schon in der Stadt um Zutaten zu besorgen. Ich habe es dann zubereitet. Shiro kann ja nicht kochen. Naja kochen schon.. aber.. naja.“

Als er sprach schaue ich träumend auf das Essen vor mir. Meine Wangen wurden leicht rot. Shiro hatte extra an mich gedacht? Obwohl er selber nicht einmal essen musste, hatte er sich sogar die Mühe gemacht für mich Essen zu besorgen. Mein Herz klopfte erfreut. Ich war kurz sprachlos. Einerseits freute ich mich so sehr auf dieses saftige Essen, andererseits war ich so glücklich über das Essen. Ich war so erfreut, dass mir beinahe die Tränen kamen. „Vielen Dank, Kisho. Das ist wirklich lieb.“ Ich blickte strahlend zu ihm auf. Als er mir in meine funkelnden Augen sah, wurden auch seine Wangen leicht rot. „Ach. Gerne.“, sagte er und lief verlegen wieder zu Tür. „Hach! Wenn ich dein süßes Gesicht sehen durfte, kann der Tag ja nur besser werden.“, sprach er und ging wieder hinaus. „Iss in Ruhe. Und wenn du gleich Hilfe beim ankleiden Brauchst, helfe ich dir auch gerne.“, sagte er zuletzt und knipste mir ein Auge zu. Dann schloss er die Tür wieder hinter sich und ich war wieder alleine.

Nachdenklich sah ich zum kleinen Schrank unter dem Fenster. Dort lag meine neue Kleidung. Es war ein einfacher blauer Yukata. Eine etwas länglichere Kleidung wie eine Art Kleid. Am Bauch wurde es mit einem Obi Gürtel auf Baumwollstoff zusammengebunden. Als mein Blick dann zum Fenster wanderte, konnte ich den hellen Himmel sehen und die Bäume in der Ferne. Doch am meisten bestaunte ich die Vögel, die über uns hinweg flogen. Irgendwie fühlte ich mich so frei wie sie.

Statt weiter zu träumen sollte ich lieber mein Essen genießen! Vergnügt richtete ich mich wieder auf das Tablett und begann zu essen. Erst das Ei, dazu den Reis und immer mal wieder einen Schluck Tee. Zum Schluss dann den Salat. Es dauerte nicht lange, da waren die Teller und Schüsseln leer und mein Bauch gefüllt. „Wuha. Wie lange habe ich nicht mehr so gut gegessen?“, fragte ich mich selber und warf mich glücklich auf mein Bett. Ich fühlte mich wohl. Ich hatte gut geschlafen und nun auch noch gut gegessen. Auch wenn ich wusste, dass wir vor kurzem noch auf der Flucht waren und ich mit Shiro quer durch eine, mir unbekannte Dämonenwelt reiste, kam mir dieser Moment wie Urlaub vor. Diese Ruhe hatten wir uns doch auch verdient.
 

Nach dem Essen kleidete ich mich auch sofort um. „Ob Shiro wohl auch sowas trägt?“, fragte ich grinsend und legte den Stoff um meinen Bauch. Ich stellte mir vor, was er tragen würde. Ob er auch so ein Yukata tragen würde oder noch immer seine Kleidung vom Ball trug. Vielleicht hat er ja nur lässig seinen Yukata offen, dass man seine Muskeln sehen konnte. – Aber egal was er trägt, eigentlich steht ihm sowieso alles.  – überlegte ich grinsend und schaute zur Decke. Erschrocken über meine eigenen Gedanken riss ich die Augen auf und wurde rot. „Arg. Was denk ich denn da?“, fragte ich mich verlegen und stand auf. Ich schüttelte meinen Kopf und lief sofort aus meinem Zimmer.

Es lag im oberen Stockwerk. Der hölzerne Flur führte nach links zur Treppe. Mir gegenüber war das Zimmer, in welchem Shiro übernachtet hatte und rechts von mir endete der Flur an einer Tür, die zum Balkon führte. Diese Tür war einen Spalt offen und dahinter erkannte ich einen roten Fuchsschwanz herum wedeln. Statt also hinunter zu gehen, lief ich auf den Balkon. Langsam näherte ich mich der Tür und öffnete sie vorsichtig. „Klopf, klopf.“, sagte ich und lünkerte hinaus.

Kisho saß am Boden und schaute auf den Garten hinab. „Oh Yuki.“, sagte er und drehte sich erfreut zu mir. „Hat dir das Essen geschmeckt?“ Ich grinste ihm zu. „Oh ja! Sehr! Vielen Dank nochmal.“, dann setzte ich mich neben ihn. „Was tust du hier?“, fragte ich und blickte ebenfalls in den Garten hinab.

Weiter links war die heiße Quelle, in welcher wir gestern badeten. Daneben wuchsen Sträucher und Blumen in vielen verschiedenen Farben und Sorten. Diese hatte ich gestern Abend nicht in der Dunkelheit erkannt. Weiter rechts war ein kleiner Haufen Holz gestapelt. Um einen kleinen Baumstamm mit flacher Oberfläche lagen kleine Holzsplitter herum.

„Ah. Eigentlich beobachte ich Shiro, wie er Holz hackt. Aber er ist gerade irgendwo bei meiner Mutter glaube ich.“, antwortete er mir und deutete auf den Holzstamm im Garten. „Er hackt Holz?“, fragte ich mit einem leichten Lächeln im Gesicht. Das war ja gar nicht Shiros Art. Ich kannte ihn nur als sturen stolzen Dämon. Der sich nicht einmal aus Höflichkeit vor anderen verbeugte. Er wusste ganz genau, dass er stärker war als alle anderen und ließ sich nichts befehlen.

Jetzt grinste auch Kisho. „Ja. Er meinte, dass er wenigstens helfen will, solange ihr hier bleibt. Sein Stolz ist viel zu groß und sein Ego zu dickköpfig, als dass er in jemandes Schuld stehen will. Naja. Ich habe ihm schon gesagt, dass er das nicht muss. Aber er besteht darauf.“, erklärte er und lehnte sich zurück. Ich legte meine Hände beruhigt auf meinen Schoß und sah nachdenklich auf meine Hände. „Kisho. Danke.“, sagte ich leise. „Danke, dass ihr uns helft. Ich weiß zwar nicht, was Shiro dir schon gesagt hat, aber wir können wirklich jede Hilfe brauchen.“ Er zwinkerte mir zuversichtlich zu. „Ah. Natürlich. Ich helfe gerne! Wenn etwas ist, kannst du mir das gerne anvertrauen! Shiro spricht nicht sehr offen mit mir. Aber das ist schon in Ordnung. Er war noch nie wirklich gesprächig.“

Ich begann zu kichern und hielt mir die Hand vornehm vor den Mund. „Hihi. Du erinnerst mich an deine Schwester.“ „Ach ja?“, fragte er und zuckte mit den Ohren. „Ja. Nicht nur vom Aussehen. Kitsune war auch seit dem ersten Tag an dem ich sie kennenlernte für mich da und half mir. Sie hilft genau so gerne wie du. Und verbreitet genauso gute Laune wie du.“, lächelte ich ihn an. Für einen kurzen Moment schaute er mir überrascht in die Augen. Dann errötete er etwas und rieb sich lächelnd den Kopf. „Ach. Das freut mich, wenn ich dir gute Laune bereite. Haha! Dann habe ich ja alles richtig gemacht.“ Auch ich begann zu lachen. Kisho war freundlich zu mir. Wie Kistune damals. Das machte ihn so Vertrauensseelig. Es tat gut jemanden zu haben, mit dem man sprechen konnte.

„Ach ja! Wo ist-“, begann er nun doch wurde plötzlich unterbrochen. „Hey! Du kannst auch helfen!“, hörten wir nun jemanden von unten motzen. Kisho hielt inne und sah neugierig herab. Es war Shiro. Würde er wohl auch einen Yukata tragen? Ich kniete mich hin und beugte mich zwischen dem Holzgeländer durch. „Hmmmh?“ Doch was ich sah, war nur seine alte Kleidung. Er trug nun wieder seine schwarzen Stiefel, seine Hose mit Riemen und seine braune Lederweste. Dazu hielt er nun eine Axt über seiner Schulter.

„Hee! Woher hast du deine Kleidung?“, fragte ich mürrisch. Eigentlich hatte ich mich gefreut, ihn in traditionell asiatischer Kleidung zu sehen. Damit würde er viel netter wirken. „Das fragst du noch? Ich kann Magie anwenden. Weißt du noch? Jetzt komm runter!“, antwortete er mir. „Lass die arme Yuki in Ruhe! Nur weil du arbeiten willst, heißt das nicht, dass sie das auch muss!“, begegnete Kisho ihm aber und nahm mich schützend in den Arm. Plötzlich schmiss Shiro ihm einen kleinen Holzklotz entgegen. „Los jetzt!“ Kisho ließ mich los und wir wichen ihm beide aus, indem wir uns auf den Boden warfen. Wir hockten uns gegenüber und hatten beide die Hände über unseren Köpfen. „Du musst nicht helfen.“, flüsterte Kisho mir zu. „Ach. Das macht mir nichts. Shiro hat vollkommen Recht.“, sicherte ich ihm jedoch zu. Dann stand ich auf und lehnte mich über das Geländer. Ich hörte wieder das Aufkommen der Axt gegen das Holz. Shiro spaltete weiter die Holzklumpen. Es wirkte sehr rabiat und sah aus, als würde man viel Kraft dafür benötigen. „Shiro.. aber.. Holzhacken.. Das kann ich nicht…“, meinte ich und stupste meine Finger aneinander. Nach dem nächsten Schlag setzte Shiro die Axt auf und lehnte sich daran an. „Dazu bist du auch viel zu schwach. Du kannst im Haus sicherlich helfen. Frag Kazumi. Ihr fauler Sohn hilft ihr ja nicht.“ Sofort fauchte Kisho ihn an. „Hallo? Ich höre was du sagst! Ich war heute schon einkaufen und habe gekocht!“

Doch bevor sich ein Streit zwischen den beiden entfachte, den Shiro sowieso gewinnen würde, mischte ich mich ein. „Ist ja in Ordnung.“, grinste ich überfordert und stellte mich vor Kisho, ehe er wieder mit Holz beworfen werden würde. Dann drehte ich mich um und lief mit schnellen Schritten wieder in das Haus.

„Shiro wäre so viel schneller, wenn er seine Magie fürs Holzhacken verwenden würde.“, meinte Kisho und lief mir nach. Nachdenklich ging ich mit ihm die Treppe hinunter. „Hmh. Ich glaube er macht das absichtlich. Soweit ich weiß, hat er schon immer so fleißig gearbeitet.“, meinte ich. Kisho wusste nur von seiner Arbeit als Dämon. Nur durch hartes Training wurde er so stark. Ich jedoch dachte an seine Zeit als Mensch. Als sein Vater damals krank wurde musste er schließlich für die Familie arbeiten. Es war wohl einfach seine Einstellung, nicht faul herum zu sitzen. Würde er also die Magie benutzen, wäre er viel zu schnell fertig und hätte nichts mehr zu tun. Damit wollte er wohl nur Zeit schinden.

Zusammen gingen wir in die Küche. „Mutter. Können wir dir etwas im Haushalt helfen?“, fragte Kisho fröhlich, in der Hoffnung keine Aufgaben von ihr aufgetragen zu bekommen. Ich blickte wieder auf und sah, wie sie gerade dabei war Geschirr wegzuräumen. „Oh. Ich mache das schon!“, meinte ich und lief unaufgefordert auf sie zu. Die Schale sollte ins oberste Regal. Jedoch war Kazumi zu klein, wodurch sie nicht an das Regal kam. „Ach. Das ist nett von dir. Danke.“, lächelte sie. „Achherje. Ich glaube, du bist selber zu klein.“, grinste sie danach und legte eine Hand auf ihre Wange.

Ich stellte mich auf Zehenspitzen und streckte mich in die Höhe. Dabei versuchte ich auf wackeligen Beinen die Schale weg zu legen. Doch auch ich war zu klein, aber das wollte ich mir nicht zugestehen. „Ach.. ich.. schaffe das. Waa!“, ich zitterte zu sehr auf meinen Füßen. Beinahe schepperte die Schale zu Boden. Doch ehe sie auf meinen Fingern rutschte, kam mir Kisho zur Hilfe. „Ups!“, lachte er und nahm die Schale. Er war viel größer als ich und hatte keine Probleme, an das Regal zu kommen. „Ah. Danke Kisho.“, sagte ich und stellte mich wieder aufrecht hin. Er legte seine Hände in seine Hüfte. „Ah. Gerne! So. Können wir dir noch helfen?“, fragte er Kazumi.

Sie legte ihren Finger auf ihre Wange und dachte nach. „Hmh.. es ist alles sauber und aufgeräumt. Die Wäsche ist erledigt, der Garten muss nicht gemacht werden. Eingekauft wurde auch schon. Ihr könnt mir gar nicht weiter helfen.“, lächelte sie lieb. „Was seid ihr denn alle so übereifrig? Shiro wollte mir auch unbedingt helfen. Er hackt jetzt Holz, obwohl wir noch genügend haben.“, sagte sie überrascht. „Dann haben wir zwar genügend Holz für die nächste Zeit, aber eigentlich müsste das nicht gemacht werden.“

Ich drehte mich in zum Garten und blickte hinaus. „Hmh.. Shiro wirkt wieder so angespannt. Dabei könnte er hier mal endlich entspannen.“, meinte ich grüblerisch. „Ich würde gerne mal sehen, wenn er sich entspannt oder glücklich wäre.“ „Dann mach ihm doch eine Freude!“, hörte ich von Kazumi. Verwirrt drehte ich mich zu ihr. „Eine Freude?“ „Ja! Also ich freue mich über Blumen. Ich liebe diesen wundervollen Geruch, wenn er sich in dem ganzen Haus verbreitet. Hach.“ Nachdenklich legte ich meinen Finger an mein Kinn. „Worüber würde Shiro sich denn freuen?“, flüsterte ich leise und sah herab. Dann grinste Kisho mich an. „Na komm. Wir gehen in die Stadt! Und dort lässt du dich inspirieren! Wir werden schon etwas für ihn finden! Ich helfe dir! Und ich werde es dann für dich kaufen.“

Gefasst von seiner Anteilnahme blickte ich überrascht auf. „Das.. würdest du tun?“ „Klar! Für dich immer gerne, liebe Yuki.“, antwortete er und legte seine Arme in die Hüfte. Beruhigt konnte ich nun lächeln. „Danke Kisho.“, sagte ich glücklich und strahlte ihn an. Er lächelte mich sicher an. „Du wirst das schon schaffen! Da bin ich mir sicher.“

„Was soll sie machen?“, hörten wir Shiro plötzlich hinter uns sprechen. Er stand im Eingang der Küche und sah uns mit seinem genervten Blick an. „Nichts!“, antwortete ich auffällig und drehte mich verdächtig zu ihm. „Kisho und ich gehen jetzt in die Stadt!“ „In die Stadt? Schon wieder? Wolltet ihr nicht helfen?“, fragte er und überkreuzte seine Arme ineinander. „Es gibt nichts zu tun! Und, ich will auch etwas von der Stadt sehen! Wir sind ja gestern nur schnell durch gelaufen ohne uns viel anzusehen!“, erklärte ich, ohne ihn direkt anzulügen. Natürlich wollte ich nicht erzählen, was wir eigentlich vor hatten. „Dann werde ich dich begleiten.“, meinte er und deutete mit einer Kopfbewegung zu Haustür. Ich sah ihn überrascht an. „Eh.. ne..“, sagte ich leise und spielte an meinen Ärmeln herum. „Du wolltest hier helfen. Also.. ich will dich nicht dabei stören. Und hier.. sind wir ja sicher.“, argumentierte ich grinsend. Doch er ging auf mich zu. „Du störst mich nicht.“, kam es gelassen von ihm. Überrumpelt sah ich weg. „Ich.. wollte aber mit Kisho in die Stadt..“, sagte ich unangenehm leise und schaute zu Kisho.

Shiro sah mich stutzig und erschrocken an. „Was?“, fragte er verwirrt. Doch Kisho brachte sich mit ein und stellte sich hinter mich. „Ja! Yuki und ich gehen in die Stadt! Mach du hier deine Sachen weiter und arbeite, du fleißiges Bienchen. Wir beide werden Spaß haben und uns die Stadt richtig ansehen. Du hast doch nichts dagegen, oder?“, grinste Kisho ihn gemein an.

Shiro biss die Zähne wütend aufeinander und warf ihm einen verärgerten Blick zu.  Doch Kisho wehrte sich mit einen breiten Grinsen. Dann wanderte sein Blick auf mich herunter. Doch ich wich diesem aus und sah auf meine Hände, die nervös an meiner Kleidung spielten. Es war einen Moment leise. „Tze..“, seufzte Shiro dann und drehte sich wieder weg. „Macht doch was ihr wollt.“, maulte er wütend und lief aus dem Raum. Mit schnellem Schritt näherte er sich wieder dem Garten. Ich sah ihm grübelnd nach. „Warum ist er nur so wütend?“, fragte ich mich leise. Dann war er auch schon aus unserer Sicht verschwunden.  

Fröhlich griff Kisho meine Hand. „Also los!“, lachte er und zog mich sofort hinter sich her. „Wir gehen in die Stadt! Ich hoffe es wird dir gefallen!“, kicherte er glücklich als ich ihm zum Ausgang folgte.
 

Zeitgleich stampfte Shiro in den Garten und griff sich seine Axt beim Laufen. Er war sichtlich verärgert. Wütend packte er fest den Griff und schlug sofort auf das dort aufgestellte Holzstück ein. Durch die Kraft die hinter der Wucht steckte, spaltete er jedoch nicht nur das Holzstück. Die Axt schlug durch das Holz und drang sogar in den Holzstumpf. Bevor er beinahe auch diesen spaltete, zerbrach jedoch der Griff der Axt. Es knackte laut. Holzsplitter flogen in die Luft.

Er stand nun da und hob genervt den restlichen Teil des Griffes, den er noch in der Hand hielt. Dann schaute er auf die Axt herab, die im Baumstumpf klemmte. Wütend biss er die Zähne zusammen, ballte eine Faust und warf den Griff weg. „Verdammt..!“
 

Kisho und ich waren mit schnellen Schritten den Weg in die Stadt entlang gelaufen. „Kisho..“, begann ich und sah ihn lächelnd, aber nachdenklich an. „Warum bist du immer so gemein zu Shiro?“, fragte ich ihn dann während des Laufens.

Er verschränkte die Hände hinter seinen Kopf und lief gemütlich mit mir weiter. „Naja, weißt du. Ich habe es langsam aufgegeben, nett zu ihm zu sein. Er ist doch sowieso immer so mürrisch.“, antwortete er mir. Wir liefen nebeneinander her und näherten uns dem großen Platz. „Weißt du.. Ich habe das Gefühl, dass er krampfhaft versucht einfach nur schlechte Laune zu haben. Das Nervt.“, sagte er und verlangsamte mit mir den Gang. Neugierig sah ich zu ihm auf. Dann richtete ich mich wieder nach vorn. „Ich denke, das macht er nur, um stark zu wirken.“, begegnete ich ihm. Doch Kisho zog die Augenbrauen hoch. „Aber er muss doch nicht immer so mürrisch sein. Er zieht alle anderen damit auch nur runter.“ Dann sah er nachdenklich herab. „Außerdem.. werde ich nicht vergessen, was er tun wollte. Dass er sich das Leben nehmen wollte. Und wir alle ihm egal sind.. Auch wenn ich das meiner Mutter zur liebe nicht anspreche.“

Langsam waren wir an dem großen Platz des Marktes angekommen. Ich hörte ihm zu und blickte über den Markt. „Also ich verstehe ihn.“, erwiderte ich leise. „Er musste immer stark sein. Er musste immer auf der Hut sein. Also wollte er einfach, dass sich alle vor ihm fürchten und ist deswegen immer so schlecht gelaunt. Doch das wurde ihm alles zu viel. Wärt ihr ihm egal, hätte er euch keine Nachricht geschickt. Es ist genau das Gegenteil. Weil ihr ihm viel bedeutet, hat er euch eine Nachricht hinterlassen.“

Als ich das sagte, blieb Kisho erschrocken stehen und sah mich überrascht an.  Doch dann begann er lieb zu grinsen und stieß mich leicht mit seinem Ellbogen an. „Aber du hast keine Angst vor ihm.“, versuchte er vom Thema abzuweichen und lief mit mir weiter. Ich lachte sanft. „Oh. Doch. Ich hatte mal Angst vor ihm. Ich habe seine aggressive Art als erstes kennengelernt. Aber er hat sich seit dem ziemlich verändert..“, antwortete ich und sah mich beruhigt beim Laufen um. „Und du? Warum ärgerst du ihn überhaupt so, ohne Angst zu haben?“, fragte ich und stieß auch ihn mit dem Ellbogen an. „Ach.. ja. Eigentlich hoffe ich immer nur auf seine Treue. Haha.“, begann er zu lachen.  „Treue?“, fragte ich und blieb stehen.

Erst als er ein paar Schritte weiter ging, blieb auch er stehen und drehte sich zu mir um. „Ja.. ich habe dir ja schon erzählt, dass ich ihn damals gefunden habe, wie er durch die Straßen schlich. Total blutig und ohne Kraft.“, begann er zu erzählen. Dann deutete er mit seiner Hand auf eine Bank. Er lief zu ihr und setzte sich. Dann wartete er, bis auch ich zur Bank lief und sprach weiter. „Meine Mutter und ich, und auch Kitsune haben immer versucht zu helfen. In alten Zeiten lebte meine Mutter sogar in der Menschenwelt und half den Menschen dort.“

„Was? Wie? In so einem alten Schrein?“, fragte ich ihn überrascht und setzte mich neben ihn. Aber er sah mich verblüfft an. „Genau. Diese Schreine in der Menschenwelt. Woher kennst du sie?“ Ertappt sah ich weg. „Ach. Ich.. habe mal Bücher darüber gelesen… und ehm.. interessiere mich für die Menschenwelt.. haha..“, grinste ich und kratzte mich am Kopf. Kisho richtete sich wieder nach vorn und dachte nach. „Ach so ist das. Interessant.“ „Jetzt erzähl weiter!“, drängelte ich.

Er lehnte sich nach vorn und erinnerte sich. „Jedenfalls, habe ich Shiro damals mitgenommen. Ich kann niemanden Verletztes liegen lassen. Auch wenn er es nicht wollte und geflucht hat. Er hat mir sogar gedroht mich zu töten. Doch am Ende kamen wir Zuhause an. Meine Mutter hatte sofort begonnen ihn zu verpflegen. Dafür dankt er ihr bis heute. Kitsunes und meine Heilkräfte waren dafür zu schwach. Er sah total schrecklich aus. Seine Wunden waren so tief. Er hatte so viel Blut verloren. Es war schwer für meine Mutter, doch sie sorgte sich Tage lang um ihn. Die Zeit die sie für ihn opferte, hätte sie eigentlich arbeiten müssen. Das übernahmen Kitsune und ich. Wir waren noch sehr jung und unerfahren, aber irgendwie schafften wir es, ihren Job zu übernehmen. Die dämlichen Dämonen im Atrium Bellum bekämpfen sich alle gegenseitig und sind extrem aggressiv. Daher brauchten sie immer einen Heiler. Und das war eigentlich meine Mutter.“

Ich sah ihn neugierig an. „Du hast gesagt, dass ihr von dort geflüchtet seid. Warum konntet ihr nicht einfach gehen?“

„In der Stadt des Atrium Bellum geht man nicht einfach ein und aus. Es ist ein Gefängnis. Und wir lebten halt wegen einigen sehr bedauernswerten Ereignissen mitten drin und wurden einfach schrecklich behandelt. Shiro war wohl auf der Flucht vor jemanden. Denn es kamen Dämonen zu uns, die nach ihm fragten. Doch wir setzten uns für ihn ein und versteckten ihn, statt ihn zu verraten. Obwohl er uns nie erzählte was passiert war. Er war total hilflos und erschöpft. Sein ganzer Körper war mit Verbänden umwickelt und er konnte Tage lange nur liegen. Seine gebrochenen Knochen mussten verheilen. Die Stichwunden in seinem Körper mussten immer wieder versorgt werden. Und während unsere Mutter jeden Abend bei ihm saß und ihn heilte, begann er sogar von ihr zu lernen. Kitsune versuchte ihn immer aufzumuntern, aber er war auch damals schon so mürrisch und hatte wohl nie gelernt zu lächeln. Aber das ist noch eine andere Geschichte. Naja, als Dank hatte Shiro uns aus der Stadt heraus geholfen. Wir flohen mitten in der Nacht. Er machte uns den Weg frei und wir folgten ihm. … Er war damals schon so stark. Doch einen Moment passte Kitsune nicht auf. Und ihre Seele wurde bei der Flucht durch Schattenklingen verletzt. Da verlor sie ihre Heilkraft.“, erklärte Kisho und atmete schwer. „Wir waren alle glücklich frei zu sein. Wir gaben ihm nie die Schuld an ihrem Verlust. Doch statt einfach glücklich zu sein, dass wir frei waren, gab er sich immer die Schuld, dass er Kitsune nicht beschützen konnte und wollte alles tun um ihre Kraft wieder zu holen. Sie lebt seit dem bei ihm und lehrte ihm alles, was sie über die Heilung kannte. In kürzester Zeit perfektionierte er diese Kraft und heilte auch ihre Seele. Er ist uns immer noch dankbar für damals und treu. Daher weiß ich, dass er uns nie etwas tun würde, auch wenn er gerne mal ausrastet.“, Kisho blickte in den Himmel. „Da fällt mir ein, wo ist Kitsune denn eigentlich?“, fragte er mich nun neugierig. Ich sah ihn mit großen Augen an. „Oh.. eh.. Kitsune ist noch in dem Atrium wo Shiro lebt. Ehm.. sie ist da bei einem guten Freund…“, stotterte ich ertappt.

„Wird Shiro verfolgt?“, kam es nun ernst von ihm. Erstarrt sah ich in seine roten Augen. Dann schaute ich zu Boden. „Ja.. Wir sind geflohen..“, gestand ich ihm. „Wir haben.. schon einen weiten Weg hinter uns…“, erklärte ich weiter. „Kommen daher seine Narben?“, fragte er mich. „Seine Narben?“, wiederholte ich. Er hob die Hand und erklärte. „Als wir baden waren, sah ich sie auf seiner Brust und am Bauch. Normalerweise verheilen seine Wunden immer komplett. Aber diese drei Narben sind vorn und hinten zu sehen, als wenn ihn etwas durstoßen hatte.“

Ich erinnerte mich wieder an den Tag, an dem er sich diese Narben zugezogen hatte. - Wir waren in einer Gasse und ein Dämonenmädchen hatte uns angegriffen. Er wurde von ihren Schattenspeeren durchbohrt und wäre beinahe gestorben. Auch er hatte nach der Wunde einer Schattenklinge pder Schattenspeeres seine dämonischen Fähigkeiten verloren. War das ähnlich wie bei Kitsune? Doch das geschah nur meinetwegen. - „Das war meine Schuld..“, sagte ich leise. Ich merkte wie schwer es mir fiel darüber zu reden. Ich hatte den Moment einfach verdrängt und wollte nicht mehr daran denken. Je länger ich aber an den Tag dachte, desto mehr schmerzte mein Bauch. „Ich hatte ihn abgelenkt.. und… naja.. er hatte es ganz knapp überlebt..“, sagte ich leise und schaffte es nicht, Kisho dabei anzusehen. Mich überkamen langsam Schuldgefühle. „Er wollte mich retten und ich habe wieder alles schlimmer gemacht.. Meinetwegen, wäre er beinahe gestorben…“, zitterte meine Stimme. Ich stand traurig auf und hatte wieder den Blick dieses grauenhaften Dämonenmädchens vor mir. Wie sie mich angrinste. – Das ist deine Schuld. – Dieser Satz schallte immer wieder in meinen Ohren.

Aber dann spürte ich, wie Kisho meine Hand faste. „Yuki.“, sagte er nun sanft zu mir und stellte sich neben mich. Ich erschreckte und drehte mich mit Tränen in den Augen zu ihm. „Das war bestimmt nicht deine Schuld.“, beruhigte er mich leise. Aber ich sah weg und kniff die Augen zusammen. „Doch. Ist es. Und ich bereite ihm sowieso nur Probleme. Immer wieder! Dabei will ich das gar nicht. Ich habe ihm versprochen, dass ich ihm helfe! Ich will ihm helfen! Doch am Ende ist er immer nur so wütend. Oder traurig. Und ich weiß nicht was ich tun soll. Ich mache alles nur schlimmer…!“, jammerte ich laut und ballte meine Hände zusammen.

Beruhigend legte Kisho aber seine Hände auf meine Schultern. „Yuki!“, sagte er laut, bis ich ihn ansah. Er beugte sich etwas zu mir herunter. „Ich glaube, dass Shiro dir dafür nicht die Schuld geben würde!“, erklärte er weiter und stellte sich vor mich. Ich schniefte und sah zur Seite. Nun legte er seine Hände zart auf meine Wangen und drehte meinen Kopf vorsichtig zu sich. „Ich mag es nicht, dich traurig zu sehen. Und ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Shiro dich auch nicht traurig sehen will. Er will, dass du bei ihm bleibst, sonst hätte er dich doch schon längst weg geschickt! Du kennst ihn doch. Wenn er auf etwas keine Lust hat, räumt er es schnell aus dem Weg.“, begann er nun zu lächeln. „Sei nicht so streng mit dir. Das ist mein Ernst! Wenn Shiro etwas stören würde, ist er direkt und ändert es! Das weißt du doch selber.“ Er sah mich eine Zeit lang an und versuchte mich aufzuheitern. Ich nickte ihm leicht zu. „Du hast recht…“, gestand ich leise.

„Na komm. Wir suchen mal etwas Schönes für ihn. Du wirst mit Sicherheit etwas finden, das ihn freuen wird!“, sagte er und deutete mit seinem Kopf nach vorn. Nachdenklich sah ich auf. Ich wollte so gerne, dass Shiro sich freut. Ich wollte ihn so gerne glücklich sehen. Ich hoffte einfach, dass ihn ein kleines Geschenk wenigstens zum Lächeln bringen würde. Aufrichtig blickte ich nun in die Straße hinunter. „Ok! Dann mal los!“, sagte ich und lief mit Kisho weiter.
 

Wir begannen den ersten Stand zu besuchen. Er war für Kleidung. „Meinst du, Shiro würde etwas anderes tragen wollen?“, fragte ich Kisho als ich mir verschiedene Oberteile ansah und mit meinen Händen durch die ausgestellten Mäntel berührte. Aber er schüttelte den Kopf. „Hmh. Ich kenne ihn nur in dieser Kleidung. Ich weiß nicht, ob er sich gerne umkleiden würde.“

„Was sucht die junge Dame denn? Vielleicht ein neues Kleid? Wir haben gerade ganz neue Kleider schneidern lassen!“, sagte eine Frau hinter dem Tresen und kam hervor. Als sie uns erkannte war ihr Blick erfreut. „Oh Kisho! Schön dich zu sehen.“, lächelte sie. Kisho nickte ihr zu. „Hallo Livia. Freut mich auch!“, antwortete er und stellte sich zu mir. „Kann ich euch helfen?“, fragte sie nun und legte ihre Arme vornehm vor sich. Kisho legte seine Hand auf meine Schulter. „Ja. Das hier ist eine Freundin von mir. Yuki. Wir suchen etwas für ihren Freund. Hättest du eine gute Idee?“, fragte er.

Die junge Frau kam erfreut auf mich zu. „Hallo Yuki. Was genau suchst du denn?“ Doch ich sah überfordert weg und kratzte mich an meiner Schläfe. „Ehm.. das weiß ich selber noch nicht so genau.“ „Ach, das macht nichts! Soll es ein Geschenk oder eine Überraschung sein? Möchtest du ihm eine Freude von Herzen machen? Oder seid ihr ein Paar? Denn Männer freuen sich meist mehr, wenn Frauen sich neue Kleidung holen, für besondere Momente, wenn du weißt was ich meine. Ich habe da etwas ganz schickes für dich.“

Ich lief rot an und starrte sie mit großen Augen an. „Ehm. Nein! Danke.“, wedelte ich mit meinen Händen in der Luft. „Ich. Ehm. Ich denke, es soll nur eine Kleinigkeit werden! Ich glaube wir sollten weiter gehen! Kisho.“, stammelte ich vor mich hin und blickte zu Kisho hoch. Er belächelte die Situation, nahm mich in seinen Arm und drehte sich mit mir von der Frau weg. „Ah danke Livia. Aber ich glaube, über Kleidung würde er sich nicht so freuen. Aber danke!“ Sie winkte uns hinterher. „Okay. Macht´s gut!“, rief sie uns lieb hinterher.

Mit rotem Gesicht und starrem Blick nach vorn lief ich weiter. „Hmh.. was würde er denn gut finden? Sammelt er etwas?“, fragte Kisho nun und rieb sich den Kopf. Ich blieb gelassen stehen und sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an. „Fragst du das jetzt wirklich?“, fragte ich ihn und dachte dabei an die vielen Seelen, die in seiner Bibliothek gehortet wurden. Doch er grinste. „Abgesehen davon!“, kicherte er und hatte die gleichen Gedanken wie ich. „Vielleicht etwas, dass zu seinem Hobby passt! Hat er ein Hobby?“ Als er das fragte blieb ich stehen und dachte nach. „Hobby..?“ Hinter Kisho erblickte ich nun eine Schmiede. Ich dachte daran, dass er gerne kämpfte. - Vielleicht eine neue Waffe? - Aber ich schüttelte den Kopf verneinend. –Er ist stark genug. Und eine Waffe braucht er wirklich nicht. Das wäre kein Geschenk worüber er sich freuen würde. Und irgendwie ist es kein richtiges Geschenk. –

Also liefen wir weiter.

Wir kamen an einem Geschäft für Samen und Knospen vorbei. Daneben gab es ein Blumengeschäft mit so schönen Blumen, die ich noch nie gesehen hatte. Aber Blumen wären auch nicht das richtige für Shiro.

Zwischen dem Gemenge der herumlaufenden Dämonen, hörte man immer wieder laute Stimmen, die Werbung für ihre Ware machten. Es gab Früchte und Obst, Fleisch und Gemüse. Ich wusste, dass Shiro gerne isst, doch von diesen Gerichten hatte ich leider keine Ahnung. Könnte ich ihm aus meiner Welt etwas kochen, hätte ich das schon längst getan. Aber das war mir hier natürlich nicht möglich.

„Yuki. Weißt du eigentlich was Shiro mag?“, kam es nun von Kisho während wir weiter liefen. Ich überlegte. „Ehm. Also ich weiß, dass er sich gerne als stark präsentiert. Und ich weiß, dass er gerne seine Stärke zeigt. Ich weiß, dass er stolz ist, wenn er andere beeindrucken kann.“ „Und auf Dinge bezogen?“, fragte er nun. „Was meinst du damit?“ „Also. Weißt du, was seine Lieblingsfarbe oder sein Lieblingstier ist?“ Ich begann bei dieser seltsamen Frage zu grinsen. „Hehe. Er hat darüber noch nie geredet. Aber ich denke er würde sagen, dass er keine Lieblingsfarbe hat. Wobei „natürliche“ Farben zu ihm passen. Aber ich denke, seine Lieblingsfarbe, wäre Grün. Für die Hoffnung.“ „Grün? Ich hab eher an rot gedacht. Und was wäre sein Lieblingstier?“, fragte er als nächstes. Mein Grinsen wurde breiter. „Haha. Natürlich würde er auch nie zugeben, ein Lieblingstier zu haben. Aber… es wäre bestimmt einfach nur ein Hund.“ Kisho sah mich verwundert an. „Was? Wieso ein Hund? Ein Klushund? Die sind doch dämlich und einfach nur aggressiv! Ich wusste ja nicht, dass du so von ihm denkst. Besser wäre eine Chimära. Oder nein! Am besten ein Behemoth! Irgendwas starkes, tödliches!“

Doch ich lächelte nur. „Nein. Ein Hund. Ein normaler einfacher Hund ist genau richtig. Aus der Menschenwelt! Er ist treu. Und hat einen ausgeprägten Beschützer-Instinkt. Dort ist der Hund ein Haustier und bleibt bei seinem Herrchen. Außerdem isst er gerne und freut sich, wenn er seine Kunststückchen zeigen kann. Manchmal sind Hunde auch etwas eigensinnig. Haha.“

Kisho begann auch zu grinsen. „So einen Hund kenne ich nicht. So habe ich Shiro noch gar nicht betrachtet. Ihr habt anscheinend wirklich schon viel zusammen erlebt. Aber du  weißt auch, dass ein Haustier traurig wird, wenn sein Frauchen ihn verlässt?“, sprach er nun und sah mich auffällig an. Ich runzelte die Stirn. Was wollte er damit andeuten? Eigentlich wusste ich es genau, doch ich versuchte ihn nicht zu verstehen. „Komm! Lass uns endlich etwas für Shiro finden!“, grinste ich ihn breit an und lief voraus.
 

Ich sah mir den Stand mit den Vasen und Gläsern an. Ich wollte sie gerne berühren, doch die sahen so zerbrechlich und teuer aus, dass ich besser die Finger davon ließ. Danach einen Laden mit magischen Gegenständen. Amulette waren im hinteren Teil aufgereiht. Darunter war auch eines, das mit bekannt vorkam. Es sah aus wie die Sigille, mit der ich Deeon gerufen hatte. Schimmernde Steine die als Talismane dienten und Magierstäbe aus ineinander verdrehtem Holz waren ausgestellt. Dann gingen wir weiter zu einem Stand mit Tränken. Kleine Phiolen mit rotem, dickflüssigem Inhalt. Auf einem Tisch an dem der Verkäufer saß, war ein kleiner Topf aufgebaut in dem etwas köchelte. Kisho ließ mir meine Zeit, das alles anzusehen und erklärte mir manches. Doch egal wie sehr ich über all das staunte, am Ende zog es mich doch wieder zu dem kleinen Stall, in dem die Wolpertinger hopsten.

Vergnügt streichelte ich eines und sah es mit glänzenden Augen an. Kisho freute sich für mich mit. Er bemerkte, dass mir vieles unbekannt war. Statt wie Shiro Abstand zu halten nahm er nun eines dieser geflügelten Hasen aus dem Stall in seinen Arm. Er kuschelte es und zeigte es mir. Doch statt ärger zu bekommen wie ich einen Tag zuvor, als ich eines dieser süßen Tiere aus dem Stall genommen hatte, wurde Kisho vom Tierhalter lächelnd begrüßt.

Ich stand nahe bei Kisho und streichelte mit ihm das Tier. Kisho war ganz anders als Shiro. Vor ihm hatte man keine Angst. Die Leute mochten Kisho. Er war lieb und nett. Es tat gut jemanden nach alle dem zu treffen, der einem das Gefühl des Vertrauens gab. Auch Kisho genoss diese Zeit mit mir.
 

Als ich den Wolpertinger in Kishos Armen streichelte fühlte ich mich wieder glücklich. Wir waren in Sicherheit. Shiro sollte sich nun langsam wieder beruhigen können. Und ich hoffte, dass ich Shiro eine Freude machen konnte, mit einem kleinen Geschenk. Es sollte endlich alles besser werden.

In meinen glücklichen Gedanken versunken schaute mein Blick leicht an Kisho vorbei. Hinter ihm erkannte ich einen Stand mit funkelnden Ketten. Sie hingen alle nebeneinander an einem Stab und spiegelten das Licht der Sonne.

„Was ist das?“, fragte ich und lief neugierig an ihm vorbei. „Hmh?“, Kisho legte den Hasen wieder zurück und drehte sich zu mir um.

„Ah! Ist die Dame an einen schönen Ring interessiert? Hier gibt es nur das Beste!“, sagte mir ein alter Mann mit langem weißem Bart und deutete auf den Schmuck in einem Kasten. Aber ich schüttelte den Kopf. „Nein danke. Mich interessieren diese Ketten dort.“, meinte ich und zeigte auf die silbernen Anhänger die an schwarzem Lederfaden gebunden waren. „Oh. Diese? Das sind Glückbringer aus der Menschenwelt!“, erklärte er mit seiner rauen Stimme und deutete darauf. „Das sind Abdrücke der Pfoten, Hufe und Krallen von Tieren aus der Menschenwelt! Schauen sie. Dies ist ein Pfotenabdruck einer sogenannten „Heuskatze!“ sie steht für Schönheit, Geschmeidigkeit, Anschmiegsamkeit, Liebe, Hingabe und Weiblichkeit. Genau das Richtige für so eine junge Blume.“ „Oh. Ich bin mir sicher, dass es Hauskatze heißt.“, berichtigte ich den Mann. „Haben sie auch einen Pfotenabdruck eines Hundes?“, fragte ich dann. Er sah mich überrascht an. „Ehm. Natürlich! Schauen sie, hier. Der Hundeabdruck. Treue, Schutz, Führung, Liebe, Loyalität.“, sagte er und nahm die Kette mit einem silbernem Hundepfotenabdruck herunter. Er legte sie in seine Hand und zeigte sie mir. „Möchten sie zu dem Anhänger eine schöne Kette?“, fragte er nun. „Nein, danke. Das Lederband reicht.“, lächelte ich. „Kisho! Ich habe was!“, sagte ich fröhlich und drehte mich zu ihm um.

„Hmh? Tiere aus der Menschenwelt? Meinst du das interessiert ihn?“, fragte er und sah ungläubig über meine Schulter. „Ja! Auf jeden Fall!“, antwortete ich sicher. „Na gut. Ist ja dein Geschenk an ihn.“, nahm er meine Entscheidung hin und bezahlte die Kette.

Als der Mann mir diese in die Hand legte, sah ich sie glücklich an. – Shiro ist ein Mensch. Er braucht kein Tier aus der Dämonenwelt! Sondern ein Tier aus seiner Welt! Es wird das richtige sein! Da bin ich mir sicher. – Dachte ich mich selbstsicher und umfasste die Kette mit meinen Händen. „Sagen sie, wofür steht ein Fuchsabdruck?“, fragte ich nun bevor wie gingen.

„Der Fuchs steht für Schlauheit, rasches Denken, Diplomatie, Entschlossenheit, Selbsterkenntnis, Geschick und ist ein guter Lehrer.“, antwortete der Mann. „So. Kisho. Das steht für dich!“, lächelte ich ihn an. „Ein Fuchs? Was ist denn ein Fuchs? Ich hoffe für dich, dass das Tier gut aussieht!“, zog er die Augenbrauen hoch und legte seine Arme in seine Hüfte. „Dann lass uns wieder zurück gehen.“, sagte er schließlich und deutete den Weg zurück.
 

Während wir geradewegs zurück liefen, machten wir keinen Halt mehr an anderen Ständen. Ich wollte schnellstmöglich zu Shiro zurück und ihm das Geschenk geben.

„Und wann gibst du es ihm? Wartest du auf einen bestimmten Augenblick?“, fragte Kisho mich, kurz bevor wir an seinem Haus ankamen. „Ich weiß es noch nicht genau.“, antwortete ich fraglich und lief mit ihm zur Tür. „Gib ihm das noch nicht sofort. Lass uns erst noch drüber nachdenken, wann der perfekte Moment dafür ist! Ja?“, lächelte er mich an und legte seine Hand an die Haustür. Dann schob er diese auf und wie traten ein. „Wir sind wieder da!“, rief Kisho in das Haus hinein. Nachdem wir die Sandalen vorne stehen ließen zeigte Kisho auf die Treppe. „Geh schon mal vor. Ich bringe etwas Tee. Wir können oben weiter drüber reden, damit Shiro das nicht mitbekommt.“, grinste er und zwinkerte mir zu. „Ja! Gute Idee!“, lächelte ich ihm zurück und lief strahlend zur Treppe.

Als ich mit schnellen Schritten zu den Stufen laufen wollte, erkannte ich Shiro im Hintergrund, der gerade aus dem Garten wieder herein lief. „Wieder da?“, fragte er mürrisch.

Ich riss die Augen auf und versteckte auffällig die Kette hinter meinem Rücken. „Eh! Ja!“, sagte ich glücklich und grinste breit. Shiros genervter Blick wanderte von mir, weiter zu Kisho, der auch breit lächelte. „Ich gehe nach oben!“, sagte ich schnell und tapste die Stufen hinauf, ehe Shiro etwas von seinem Geschenk mitbekommen würde. „Mach das, ich komme gleich!“, rief Kisho lächelnd und sah mir hinterher.

Diese glückliche und freundliche Art zwischen Kisho und mir, störte Shiro extrem. Sein Blick wurde immer finsterer. Doch Kisho sah ihn nun erwartungsvoll an und sagte nichts. „Tze..“, äußere Shiro nur grimmig und drehte sich wieder um.

„Eifersüchtig?“, fragte Kisho nun plötzlich mit einem Lächeln auf dem Mund. Sofort blieb Shiro stehen und blickte ihn an. „Was?“, fragte er grimmig. „Na, ob du eifersüchtig bist, dass Yuki mit mir Spaß hat und wir uns verstehen.“, sagte er nun direkt. Aber Shiro begann genervt zu lächeln. „Eifersucht brauche ich nicht.“, log er offensichtlich und versteckte sich hinter einem gelassenen Blick.

Doch Kisho ließ nicht locker. „Bist du verliebt?“, fragte er ihn nun ernst. Einen Moment hielt Shiro die Luft an und schaute ihn überrascht an. Doch dann hob er eine Augenbraue. „Tze.. bist du es?“, wich er der Frage mit einer Gegenfrage aus und wollte direkt wieder gehen.

„Ja. Bin ich.“, kam es jedoch unerwartend von seinem Gegenüber.

Shiro blieb  still stehen und sah ihn einfach nur an.  „Wenn ich so eine liebe und ehrliche Frau wie Yuki neben mir hätte, wäre ich wirklich glücklich. Und würde nicht immer so finster Schauen wie du!“, stieß er ihm an den Kopf.

Shiro war sprachlos. Er blickte ihn mit weiten Augen an und hörte ihm nur zu. „Weißt du warum Yuki so glücklich schaut, wenn ich bei ihr bin?“, fragte Kisho nun und ging auf ihn zu. „Weil ich ihr zuhöre. Weil ich mich um sie kümmere. Und weil ich ehrlich zu ihr bin.“, fügte er sofort hinzu und tippte ihm provozierend auf die Brust.

Shiro konnte seinen gelassenen Blick nicht mehr aufrecht erhalten um seine Unsicherheit zu verstecken und sah Kisho überfordert an. „W.. was?“, fragte er zögernd.

Doch Kisho hob seine Hände erklärend. „So sind Frauen! Sie wollen nicht nur einen coolen Typen, der einen beschützt! Sie wolle auch jemanden, mit dem sie reden können! Und der auch zeigt, dass er Gefühle hat! Und keine kalte Maschine! Meine Güte! Das sieht doch jeder, dass sie dir wichtig ist! Dann sag ihr das auch! Sie hat in der Stadt beinahe angefangen zu weinen, weil sie denkt, dass sie alles nur schlimmer macht und sich um dich sorgt.“, Kishos Stimme wirkte ermahnend, jedoch freundschaftlich. Er überkreuzte seine Arme. „Man. Ich könnte Yuki, diesem kleinen süßen Mädchen niemals solche Sorgen bereiten wollen wie du es machst! Ist dein Stolz dir so wichtig?“, fragte er nun und kehrte ihm den Rücken zu. „Du kannst ja einfach weiter mürrisch das Holz zerhacken. Ich werde gleich zu Yuki gehen und mit ihr reden. Aber weißt du was?“, kam es nun von Kisho.

Shiro stand starr dort und blickte ihm schweigend hinterher. Seine Gelassenheit war nun vollkommen verschwunden. Dann sah Kisho über seine Schulter. „Du brauchst nicht eifersüchtig zu sein. Ich mische mich nicht zwischen euch ein. Denn ich bin mir ziemlich sicher, dass du ihr auch sehr viel bedeutest! Und bestimmt fühlt sie mehr für dich, wenn du nicht immer so unzufrieden wärst.“, sagte er zum Schluss und lief aus dem Raum. Er ließ Shiro alleine dort stehen, der nur sprachlos da stand und von Kisho zu Recht gewiesen wurde. Er stand einfach nur da und dachte nach.
 

Ich saß in der Zeit schon auf dem Balkon und sah mir den Anhänger glücklich an. Das Silber schimmerte schön in der langsam untergehenden Sonne. Und ich freute mich schon, Shiro die Kette geben zu können.

„Yuki.“, hörte ich Kisho nun fröhlich sagen. Er kam durch die Tür mit zwei Tassen in der Hand. Von dem Gespräch mit Shiro ließ er sich aber nichts anmerken. Dann setzte er sich neben mich. „Hier.“, sagte er und gab mir eine Tasse.

„Kisho.. glaubst du… er freut sich wirklich..?“, fragte ich als ich die Tasse annahm und hatte plötzlich Bedenken. „Würde er die überhaupt tragen wollen? Und was ist wenn ihm die nicht gefällt? Kann man die noch zurückgeben? Immerhin war es dein Geld, das du ausgegeben hast!“

Aber Kisho lächelte beruhigend. „Yuki. Wenn es von dir kommt, wird er sich bestimmt freuen.“

Nervös nahm ich nun einen Schluck des Tees. Dies beruhigte mich. Er schmeckte anders als der, den ich zuvor getrunken hatte. „Hmh. So süß!“, bewertete ich den Tee positiv. „Freut mich, dass er schmeckt.“, sagte er und nahm auch einen Schluck. Dann sah er beruhigt in die Ferne und genoss mit zurück gelegten Ohren die letzten Sonnenstrahlen. „So. Wann wäre nun der richtige Augenblick, ihm dein Geschenk zu geben?“, fragte er und sah einen Moment lang in die Wolken. Es war ruhig. Es war schön warm. Aber ich antwortete nicht.

Stattdessen bemerkte er plötzlich ein Wimmern von mir. „Hmh?“, fragend drehte er sich zu mir. „Yuki?“

Mir wurde auf einmal heiß. Mein Herz begann schneller zu schlagen. Ich hatte plötzlich keine Kontrolle mehr über meinen Körper und begann zu weinen. Mein Blick wurde immer verschwommener und mein Magen schmerzte.

„Yuki? Yuki was ist?“, fragte Kisho überrascht.

Doch ich begann einfach zu weinen. Ich konnte meine Gedanken nicht mehr sortieren. Alles wirkte plötzlich so falsch. „Kisho… aber.. was ist, wenn er es wirklich nicht mag? Und wenn er das nicht annehmen würde? Und bestimmt hat Bastet ihm schon was viel besseres Geschenkt!“, begann ich plötzlich zu wimmern. Tränen begannen an meinen Wangen herunter zu gleiten und ich lehnte mich mit meinem Kopf an das Geländer. „Kisho!! Kisho… was mach ich denn nur? Was ist mit Bastet?“, fragte ich laut und begann zu weinen.

Kisho riss die Augen überfordert auf. „Was? Wer ist Bastet? Was ist los Yuki?“

„Bastet sieht so viel besser aus! Und was ist, wenn er sie liebt? Und er mich nicht mag? Ich  bin doch nur wegen des Paktes bei ihm! Ich bin schwach! Und mache nur Schwierigkeiten! Und sie ist stark und hübsch!“, faselte ich konfus.

„Yuki! Beruhige dich! Welcher Pakt? Du musst nicht weinen! Yuki!“, sprach Kisho mir immer wieder zu und nahm mich an die Schulter. „Yuki. Was hast du auf einmal? Du bist kochend heiß!“, fragte er panisch und faste mir auf die Stirn.

Doch mir wurde schwindelig. Ich konnte meine Augen nicht mehr offen halten. Was war nur geschehen, das mir meine Kontrolle entriss? Ich wusste es nicht. Ich wusste nicht was ich tun sollte. Gerade noch genoss Ich die Sonne. Und dann kochte Ich innerlich. Ich konnte plötzlich meinen Körper nicht mehr aufrecht halten. Alles schwankte um mich. „Kisho…“, jammerte ich ließ meinen Oberkörper nach hinten fallen. Er sah mich überfordert an. „Kisho.. dein Schwanz ist so schön weich..“, nuschelte ich nun lächelnd und kuschelte seinen Fuchsschwanz. Ich lächelte müde. „Ohh.. so.. schön…“, faselte ich und drückte ihn an mein Gesicht.

„Yuki!“, sagte Kisho laut, sah mich perplex mit roten Wangen an und hob die Hände. „Was hast du?! Was ist..-“, doch plötzlich erkannte er die Tasse Tee welche ich bei meiner gedankenlosen Bewegung umschmiss. „Oh nein…“, flüsterte er erschrocken und wurde bleich. „Yuki hätte das nicht trinken dürfen…“

Das Gefühlschaos

Shiro stand im Bad. Es war leise. Er war alleine. Mit seiner Hand lehnte er sich an die Wand und hatte seinen Blick betrübt auf den Boden gerichtet. Er war still und nachdenklich, denn Kishos Worte machten ihm zu schaffen. Er biss seine Zähne wütend zusammen. Denn irgendwie musste er einsehen, dass Kisho nur die Wahrheit sagte. Es war ihm unangenehm, dass er in seinen Gefühlen wühlte. Und es war ihm unangenehm, dass er sich selber dadurch eine Schwäche zugestehen musste. „Scheiße…“, fluchte er leise und wischte sich durch die Haare. Dabei fiel es ihm nicht mehr leicht, seine Gefühle einfach zu ignorieren. Verärgert über sich selber, öffnete er mit einer schnellen Bewegung die Riemen seiner Lederweste und warf die Weste neben sich auf den Boden. Dann zog er sein weißes Shirt aus und ließ es ebenso neben sich fallen. Über seinen Oberkörper waren die drei Narben gut zu sehen. Seine Haut war bleich und rein. Nur diese drei Narben, die sich über seinen muskelösen Körper zogen, waren dunkler als die restliche Haut.

Nachdenklich hielt er seine Hand an seinen Nacken und drehte sich etwas um. Ehe er sich weiter auskleidete, erkannte er sich plötzlich selber im Spiegel und hielt einen Moment inne. Er erkannte den ratlosen Jungen im Spiegel, der zwar wusste was zu tun war, sich jedoch dagegen wehrte. „Wie schwach von mir…“, flüsterte er sich zu und sah enttäuscht weg. „Yuki…“, sagte er leise und legte seine Hand auf den Spiegel. „Ich… darf nicht…“

„Shiro! SHIRO!“, schallte es plötzlich durch das Haus. Sofort schreckte er auf und starrte aus dem Raum heraus. Sein Blick war erschrocken, seine Augen aufgerissen. Er horchte. Dieser Hilferuf rüttelte ihn wieder wach. Es war Kishos Stimme. „Shiro! Yuki… geht es nicht gut!“, hörte er panisch. Ohne zu zögern riss Shiro die Tür auf und rannte mit angehaltenem Atem in den Flur. So schnell er konnte, setzte er einen Fuß nach dem anderen, ohne zu wissen, was auf ihn wartete.

Er war aufgebracht und lief der Stimme entgegen. An der Treppe angekommen, starrte er sofort hinauf und erkannte Kisho dort stehen. Er trug mich in seinen Armen und sah bleich zu Shiro hinab. „Ich.. ich weiß nicht was sie hat.“, erklärte er ängstlich. Shiros Blick wurde ernst. Er erkannte, wie ich beinahe bewusstlos von Kisho getragen wurde und mich nicht mehr bewegte. Sofort stürmte er die Stufen hinauf. „Was ist passiert!?“, fragte er streng und prüfte mich mit seinem Blick. Meine Wangen waren errötet doch meine Lippen blass. Schlaff hing mein äußerer Arm herunter und mein Kopf lehnte kraftlos an Kishos Schulter.

Ich bemerkte die beiden nicht. Ich war zu schwach. Es fühlte sich an als würde mein Körper blockiert werden. Mein Schädel brummte und meine Ohren hörten nur noch dumpfe Geräusche. Meine Augen nahmen lediglich verschwommene Silhouetten war, wenn ich es überhaupt schaffte, sie einen kleinen Schlitz weit zu öffnen. Ich konnte mich nicht bewegen und fühlte nur, wie mich jemand trug. Plötzlich wurden die dumpfen Geräusche lauter. Jemand regte sich auf.

„Du Idiot! Was ist mit ihr passiert?!“, schrie Shiro seinen Gegenüber an. „Ich.. ich.. ich weiß nicht. Ich habe ihr Tee gegeben! Den gleichen wie gestern Abend! Darin war ein wenig Vila-Honig!  Mehr nicht. Sie hat nur einen Schluck getrunken und wurde plötzlich total verwirrt! Sie ist total abwesend!“, stotterte Kisho überfordert. „Vila? Von diesen Feen?!“,  maulte Shiro wütend.

Plötzlich fühlte ich, wie jemand meine Stirn berührte. Es war eine kalte Hand. Ich kannte diese Kälte. Ich mochte diese Kälte. Mit meiner letzten Kraft versuchte ich meine Augen zu öffnen. „Shi..ro..“, nuschelte ich leise, doch brach direkt wieder in Kishos Armen zusammen.

„Schnell! Hol sofort etwas Kohle! Und Alraune! Sie ist vergiftet!“, befahl Shiro laut. Dann nahm er mich in seine Arme. „W.. was? Kohle?“, fragte Kisho verwirrt. „Mach schon!“, schrie er ihn aber nur an und deutete die Treppe herunter. Kisho nickte und rannte kuschend an ihm vorbei. Nun musste schnell gehandelt werden. Alle waren angespannt. Schnell schob Shiro die Tür meines Zimmers auf und legte mich vorsichtig in das Bett. „Yuki. Bleib wach. Hey.“, sprach er mir leise zu, kniete sich vor mich und faste meine Hand. Jede Bewegung schmerzte in meinem Körper. Mein Magen zog sich zusammen. Aus meinem Mund kamen nur noch undeutliche Wortfetzen die schmerzhaft untermalt wurden. Ich hatte die Augen geschlossen, war jedoch noch bei Bewusstsein. Auch wenn ich nicht wusste, was gerade geschah oder wo ich war, fühlte ich Shiros Hand an meiner. Das war das einzige, was mich davon abhielt die Bewusstlosigkeit komplett zu verlieren. Ich fühlte mich nicht alleine, solange ich seine Hand spürte.

„Was ist denn los?“, hörte er nun Kazumi von unten rufen, die sich fragend an das Ende der Treppe stellte und hinauf sah. Ohne meine Hand los zu lassen, drehte er sich zur Tür. „Kazumi! Ich brauche Wasser! Und ein Glas! Schnell!“, rief er ihr sofort zu. Ohne es zu hinterfragen, schreckte Kazumi auf und rannte in die Küche. „Wo bleibt Kisho!“, schrie er nun wütend. Denn die Zeit drängte. Der Inhalt des Tees, der meinen Körper vergiftete, wurde immer stärker. Ich war so müde. Ich wollte nicht mal mehr versuchen mich zu bewegen. Ich wollte nur, dass Shiro weiter meine Hand hält. Mein Körper brannte von innen. Doch seine kalte Hand milderte diesen Schmerz. Er saß die Zeit bei mir ohne mich nur einmal los zu lassen.

Kisho rannte aus einem kleinen Hinterzimmer nun wieder zur Treppe. Er spurtete so schnell er konnte. Sein Ohren waren nach hinten geknickt und seine Augen geweitet. In einer Hand hielt er die Kohle und in der anderen das Stück der Alraune. „Hier! Kisho!“, rief seine Mutter ihm zu, als er gerade an der Küche vorbei lief. Sie hielt ihm die Vase mit dem Wasser und ein Glas hin, welches er sich sofort während des Rennens kommentarlos griff. Er war schnell und flink. Dann rannte er die Treppe hoch, wobei er einige Stufen geschickt übersprang. Schließlich kam er in das Zimmer herein. „Hier!“, sagte er laut und reichte Shiro die Kohle, die Alraune sowie das Glas und das Wasser.

Plötzlich fühlte ich Shiros Hand nicht mehr. Sie war einfach weg. Das einzige Gefühl an das ich mich klammerte, verschwand einfach. – Shiro? – fragte ich mich verängstigt und ohne Orientierung. Es fühlte sich an, als hätte mich die letzte Energie verlassen. Es fühlte sich an, als würde ich nun in ein tiefes Nichts fallen. Es fühlte sich an, als würde sich das Licht immer mehr von mir entfernen. Es fühlte sich an, als wäre ich alleine. Doch der schlimmste Schmerz war das Aufprallen meines Körpers auf die stille Wasseroberfläche eines endlosen Meeres.

Auch die dumpfen Stimmen waren jetzt verschwunden. Würde ich sie nie wieder hören? Doch ich war zu schwach um weitere Gedanken darüber zu verlieren. Irgendwie wurde mir alles egal. Sollte Shiro mich nicht halten, würde ich mich einfach davon treiben lassen. Auch wenn ich es nicht wollte.

Shiro kniete vor dem Bett und drehte sich zu Kisho. Die Vase mit dem Wasser und das Glas stellte er auf den Boden und die Kohle nahm Shiro in die Hand. „Schütte etwas Wasser in das Glas! Aber nicht viel!“, sagte Shiro nun und hielt die Kohle über das Glas. „Ja!“ Kisho nickte sofort und hob die Vase etwas an. Während er das Wasser einschüttete, schnipste Shiro mit seiner Hand und das Kohlestück zerbröckelte zu feinem Kohlestaub in das Glas und vermengte sich leicht mit dem Wasser. Das gleiche tat er mit dem Stück Alraune, dass sich als Pulver mit dem Wasser vermischte. „Das reicht.“, meinte Shiro nun gefasst und nahm das Glas hoch. Er handelte schnell und doch versuchte er seine Gedanken beisammen zu halten. Anders als Kisho, der hilflos da stand und von seinen Sorgen gefesselt wurde, handelte Shiro gewissenhaft und  zuverlässig. Und das, obwohl er die gleichen Sorgen mit Kisho teilte.

Nachdem nun das Getränk bereit war, drehte er sich schnell wieder zu mir und setzte sich auf den Rand des Bettes. „Yuki.. trink das.“, sagte er leise. Dann legte er seine Hand sanft hinter meinen Kopf und hob ihn etwas an. Das Glas führte er leicht zu meinen Lippen, doch das dunkle Wasser floss an meinen Mundwinkeln wieder heraus. Kisho stand betroffen im Raum und sah fassungslos zu, was geschah. Shiro tat alles was er konnte, doch Kishos Knochen zitterten und ließen ihn sich nicht bewegen. Auch Kazumi kam nun und stand im Türrahmen. Sie hielt sich schockiert die Hand vor dem Mund. Beide trauten sich nicht zu sprechen.

„Yuki.“, sagte Shiro nun und stellte das Glas auf den kleinen Schrank neben dem Bett. „Ich hab doch gesagt, du sollst wach bleiben.“, meinte er noch und runzelte verbissen die Stirn. Dann legte er seine Hände auf meine Wangen und wischte mir die Haare aus dem Gesicht. „Yuki. Du wolltest bei mir bleiben.“, flüsterte er mir zu und versuchte erneut das Glas an meine Lippen zu legen.
 

Ich fand mich jedoch an einem anderen Ort wieder. Ich wusste nicht wo ich war. Ich wusste nicht warum ich da war. Ich wusste nicht, wer ich war. Es war dunkel. Ich trieb in dem Gewässer eines schwarzen Meeres vor mich hin und starrte in den schwarzen Himmel. Es war still und unangenehm leise. Nicht einmal die Wellen waren zu hören. Auch der Wind war still. Zu sehen war nichts. Nur die schwarze unendliche Weite. Schwach schloss ich meine Augen wieder und fügte mich der schmerzenden Stille.

„Yuki.“, hörte ich jemanden plötzlich leise sprechen. „Wer ist das?“, fragte ich emotionslos und öffnete langsam wieder die Augen. „Wer ist… Yuki..?“ Ich kannte mich selbst nicht mehr. Es war, als hätte ich alles vergessen. Meine Augen verloren ihren Glanz und mein Körper war schwach. „Ich brenne.“, sagte ich leise. „Träume ich? Ich sollte wach bleiben. Aber warum?“ „Yuki.“, flüsterte diese leise Stimme wieder zu mir. „Da.. ist es schon wieder…“, sprach ich zu mir selbst. „Du wolltest bei mir bleiben.“ Ich mochte diese Stimme. „Warum sollte ich.. das wollen…“, fragte ich leise in der Hoffnung, diese Stimme wieder zu hören. Plötzlich fühlte ich eine Kälte an meinen Wangen. „Warum ist es so kalt? .. Ich .. brenne…doch.“, sagte ich verwundert. Aber dann breitete sich diese Kälte weiter aus. Ich spürte sie in meinem Gesicht und an meinem Hals, an meinen Schultern und meinen Händen. „Yuki.“ „Wer… ist Yuki…“, fragte ich wieder und legte meine Hand auf meine kalte Wange. „Woher kenne ich.. diese Kälte?“, zögerte ich. „Wach auf.“ „Aber.. ich kann nicht.“, antwortete ich traurig. „Ich bleibe bei dir.“, flüsterte es mir ins Ohr. „Hör auf Angst zu haben. Ich beschütze dich.“ Verzweifelt legte ich meine Hände vor mein Gesicht. „Ich habe keine Angst.“, begann ich zu weinen. „Ich... ich.. habe keine Angst.. ich.. habe… Angst..“, begann ich zu wimmern. „Yuki. Du wolltest bei mir bleiben.“, sagte die Stimme wieder zu mir. „Wem habe ich das gesagt?“, fragte ich und nahm erschrocken die Hände runter. „Woher kommt diese Kälte?!“, fragte ich nun aufgebracht und riss die Augen auf. Plötzlich sah ich ihn vor mir. „Shiro!“, rief ich laut und streckte meine Hand aus. „Shiro! Hilf mir!“
 

Fassungslos stand Kisho mit seiner Mutter hinter Shiro. Dieser saß auf dem Bett neben mir. Er hielt mich in seinem Arm und drückte mich an sich. „Yuki. Du weißt doch, dass ich bei dir bin.“, sagte er leise. „Also wach auf. Nur kurz.“, wiederholte er immer wieder. „Nur ganz kurz. Vertrau mir.“

„Was.. ist mit ihr?“, fragte Kisho nun zögerlich und ging einen Schritt vor. „Kann ich.. helfen?“ Shiro streichelte meinen Kopf, während er mich an sich drückte. „Nein. Ihre Seele ist in einem Schockzustand.“, antwortete er und blickte über seine Schulter. „Was.. Schock?“, wiederholte Kisho. „Sie wird nach einer Weile von alleine Wach werden. Aber sie muss erst das Wasser trinken, damit das Gift aus ihrem Körper gezogen wird!“, erklärte er. Kisho biss sich auf die Lippe und ballte die Hände. Wütend über seine Hilflosigkeit stand er nur da. Dann biss er sich auf den Finger. „Was kann ich nur tun..“, fragte er leise und sah weg. Plötzlich bemerkte er Kazumis Hand, die ihn am Arm faste. „Kisho!“, sagte sie leise und zeigte auf mich. Kisho riss die Augen auf. „Shiro! Da!“, sagte er laut.

„Shi..ro..“, flüsterte ich leise und öffnete meine Augen nur ein Stück. Shiro lehnte sich zurück und schaute mich erschrocken an. Doch ich sah nur eine Silhouette. „Yuki! Trink das!“, sagte er schnell und legte mir sofort das Glas an die Lippen. „Trink das. Einfach trinken. Bitte.“, sagte er mir und schüttete das Wasser in meinen Mund. Ich vertraute ihm. Ich tat das, was er mir sagte ohne zu wissen, wofür. Als ich diese Flüssigkeit in meinem Mund fühlte versuchte ich benommen zu trinken. Mein Kopf war etwas nach hinten geneigt und er stützte mich mit seiner Hand. Ein paar Tropfen flossen an meiner Wange herunter, aber schwerwillig schaffte ich, das dunkle Wasser zu trinken. „Genau. Das ganze Wasser.“, flüsterte er liebevoll und sah sanft zu mir herab.

Kisho stand angespannt am Bett. Er wollte gerade gehen aber seine Mutter hielt ihn am Arm. Betrübt blieb er stehen. „Es ist meine Schuld..“, flüsterte er ihr leise zu. Sein Blick war traurig und wütend. Mitfühlend sah Kazumi zu ihm. Dann blickten sie wieder zu uns. „Gut so. Yuki.“, sagte Shiro glücklich und nahm das leere Glas wieder weg. Dann wische er die Tropfen von meinen Wangen und hielt mich noch einen Moment behutsam fest. Ich sah ihn emotionslos und benommen an. Mein Körper war noch zu schwach, sodass ich meinen Kopf nicht aufrecht halten konnte. Doch Shiro legte mich sofort wieder beruhigt hin. Bett. „Jetzt darfst du weiter schlafen.“, sagte er mir. Aber ich hatte Angst die Augen wieder zu schließen. Egal wie sehr ich mich fürchte, wieder in dieses Meer zu fallen und einsam daher zu schwimmen, ich konnte es ihm nicht sagen. Es war, als wäre ich nur eine leere Hülle. Doch Shiro setzte sich mir näher und nahm meine Hand. „Ich bleibe auch bei dir. Versprochen.“, sicherte er mir zu. Seine Worte beruhigten mich. Obwohl ich nicht sprechen konnte, wusste er, dass ich mich alleine fürchtete. Wenn ich wüsste, dass Shiro bei mir wäre, brauchte ich mich nicht zu fürchten. Und er würde bei mir bleiben. Ich war mich sicher, dass er bei mir bleiben würde. Ich wusste, dass er mich nicht alleine lassen würde. Also schloss ich beruhigt meine Augen und ließ meinen Körper wieder fallen.

Nun war es ruhig. Kisho trat etwas vor. „Shiro.. ich..“, begann er zu stottern. „Ist schon in Ordnung.“, unterbrach Shiro ihn und sah über seine Schulter, immer noch meine Hand haltend. „Sie wird gesund. Die Kohle und Alraune werden das Gift aus ihrem Körper ziehen. Ich hätte euch die Wahrheit sagen sollen. Dann wäre es nicht dazu gekommen. Es ist nicht deine Schuld.“, erklärte er weiter. Aber Kisho sah ihn verwundert an. „Wahrheit?-“ „Shiro. Wir lassen euch erst einmal alleine. Sag Bescheid, wenn du etwas brauchst.“, unterbrach Kazumi ihren Sohn nun und faste ihm behutsam auf die Schulter.

Shiro wirkte etwas erschöpft aber glücklich. Er schwieg nur und nickte ihr zu. „Wir reden später. Komm Kisho. Wir gehen.“, fügte sie hinzu und zeigte zur Tür. Langsam liefen sie schweigend hinaus. Nun hatte  sich die Aufregung wieder gelegt. Doch Kisho sah mich noch einmal besorgt an, bis er dann die Tür hinter sich schloss und wir alleine waren.
 

Mein Schlaf führte mich wieder in das schwarze Meer. Doch dieses Mal trieb ich nicht orientierungslos herum, sondern floss glücklich durch das Wasser. Ich lächelte. Ich wollte mich nicht mehr vor der Ruhe fürchten. Ich wollte sie genießen. Statt panisch Fragen zu stellen, nutzte ich die Zeit mich zu erholen. Denn ich fühlte noch immer Shiros Kälte an meinem Körper. Somit wusste ich, dass ich nicht alleine war. Also ließ ich meine Seele schlafen, ohne zu bemerken, wie schnell die Zeit verging.

Ich fühlte mich wohl. Ich fühlte mich beruhigt. Ich fühlte mich sicher. Der Schlaf erholte mich zu tiefst. Es kam mir vor, als wäre ich von allen Sorgen befreit gewesen. Beinahe wollte ich nicht mehr wach werden, sondern mich länger an dieser Ruhe erholen. Langsam merkte ich jedoch, wie mein Köper von alleine erwachte. Meine Arme waren schwach doch nur wegen des tiefen Schlafes. Es war eine angenehme Schwäche die mir zeigte, dass ich entspannt und ausgeruht war. Als ich meine Augen schläfrig öffnete erkannte ich das Zimmer wieder, in dem ich lag. Verschlafen sah ich zur geschlossenen Tür. Ich lag auf dem weichen Kissen, zugedeckt mit der dünnen Decke. Doch als ich an meinem Arm herunter sah, erkannte ich eine Hand über meiner. „Hmh?“, ich klimperte überrascht mit den Augen und bewegte mich leicht. Der Arm war kalt und lag über meinem Körper. Ich wusste, dass es Shiro war, der hinter mir lag. Doch es verschlug mir kurz den Atem. Denn nun bemerkte ich auch seinen Körper hinter mir, der sich an mich kuschelte.

Ich hielt die Luft an und riss die Augen erschrocken auf. „Hmgh!“ Überfordert presste ich meine Lippen aufeinander und versuchte mich nicht weiter zu bewegen. – Was macht Shiro denn hinter mir im Bett? – fragte ich mich und tat alles daran, leise zu bleiben. Doch er bemerkte wohl, dass ich wach wurde, denn ich spürte seinen ruhigen und gleichmäßigen Atem hinter mir aufatmen. Dann drückte er mich an sich. „Bleib noch etwas liegen.“, sagte er mir verschlafen leise und umarmte mich stärker. Seit dem Abend zuvor, hatte er sich nicht mehr angekleidet. Daher drang die Kälte seines Oberkörpers auch direkt durch meine Kleidung. Er lag mit mir zusammen unter der Decke und hatte wohl bei mir übernachtet.

Als er mich plötzlich an sich drückte riss ich die Augen noch weiter auf. Ich war aufgewühlt und mein Herz begann stärker zu klopfen. – Was macht er da? - Doch war es ein unangenehmes Gefühl, das er in mir auslöste? Mein Körper wurde vor Nervosität heiß doch Shiros Költe kühlte mich wieder ab. Wenn es ein negatives Gefühl in mir auslöste, warum wollte ich nicht, dass es aufhörte?

Nervös legte ich meine Hand vor meinen Mund und wurde rot. Warum tat ich nichts dagegen? Eigentlich wollte ich nervös an meiner Kleidung spielen, wie ich es immer tat. Aber ich wollte diese vertraute Berührung von ihm weiter spüren. Auch wenn ich vor Panik aufspringen wollte, wollte ich mehr noch seine herzliche Nähe fühlen. Warum war es mich so wichtig? Warum machte es mich glücklich, obwohl es mich beschämte?

Beunruhigt lag ich also da und bewegte mich nicht mehr. Vor Scharm wollte ich am liebsten in das Bett versinken. Was sollte ich nur tun? In dieser Verfassung konnte ich nicht weiter schlafen. Ich spürte Shiro so nahe, wie ich es noch nie gefühlt hatte. Doch umso mehr wollte ich, dass dieses Gefühl für immer anhielt. Was war es nur?

„Yuki.. beruhige dich..“, hörte ich Shiro nun flüstern. Ich biss mir auf die Lippen und bekam eine Gänsehaut als er so leise sprach. „Hmmmmghhh…“ Doch ich versuchte mich zurückzuhalten. Zappelig wuselte ich leicht mit meinem Fuß unter der Decke. Was sollte ich nur tun? Meine Gedanken sprangen wüst hin und her. Wie bin ich in diese Situation gekommen?

Plötzlich spürte ich, wie Shiro seinen Arm von mir nehmen wollte. „Soll ich gehen?“, fragte er und wollte sich weg drehen. Doch panisch packte ich seinen Arm und drückte ihn schnell an mich. „Nein!“, antwortete ich hastig und hielt ihn fest. Ich kniff die Augen fest zusammen und hielt die Luft an. Ich drückte seine Hand an mich und kuschelte mich näher an ihn. Angespannt umklammerte ich seinen Arm und wollte nicht, dass er geht.

Sanft spürte ich nun, wie Shiro seinen Kopf an meinen lehnte. „Alles in Ordnung?“, fragte er nun leise mit einem glücklichen Unterton. Aber ich drehte meinen Kopf beschämt herab. „Hmh..“, bestätigte ich ihn und war im tiefsten Inneren froh, dass er nicht mein Gesicht sehen konnte. Er war so lieb zu mir. Shiro wirkte gar nicht mehr so angespannt wie sonst. Sein ganzer Ärger, den er den vorherigen Tag über hatte, war verschwunden. Wie schaffte er es nur, mich mit seiner egoistischen Negativität zu ärgern und mich jetzt mit seiner lieben Geborgenheit in Verlegenheit zu bringen?

„Soll ich bei dir bleiben?“, fragte er als nächstes. Mein Magen begann zu kribbeln und errötet führte ich seine Hand an meiner Wange, so dass ich ihn kuscheln konnte. „Hmh..“, ich nickte ihm zurückhaltend zu und legte meinen Kopf leicht auf seine Hand. Obwohl es mich peinlich berührte, ihm damit zu zeigen, dass ich seine Nähe genoss, beruhigte mich viel mehr das Gefühl zu wissen, dass er wohl auch meine Nähe suchte. Ohne uns zu trauen, es mit Worten auszudrücken, zeigten wir uns gegenseitig, dass wir den anderen brauchten.

Es war ein sehr privater Moment, indem ich nur mit meinem Handeln entblößte, was ich wirklich fühlte. Dabei verstand ich mich und meine Gefühle doch selber gar nicht. Oder versuchte ich nur, sie nicht zu verstehen?

Ich schloss noch einen Moment die Augen und atmete beruhigend aus. Aber dann sah ich etwas zögerlich auf. „Soll ich bei dir bleiben?“, begegnete ich ihm nun. Sofort bemerkte ich, wie sein Körper sich etwas anspannte und auch er kurz die Luft anhielt. Doch seine Nervosität vertuschte er schnell mit einer innigen Umarmung. „Ja…“, antwortete er. Dann umarmte mich auch sein anderer Arm, der unter meinem Kissen lag und drückte mich einfach an sich. „Yuki. Ich.. ich will, dass du bei mir bleibst..“

Sprachlos lag ich nun in seinen Armen und hörte mein Herz laut klopfen. Mein Kopf lag nun an seiner Schulter und mein Herz raste immer schneller.  „Yuki.“, begann er nun wieder zu sprechen. „Ich brauche dich..“, sagte er still. Überrascht blickte ich auf. „W.. was?“, fragte ich ebenso leise. Doch auch er versteckte sein Gesicht vor mir. „Erinnerst du dich, was ich dir gesagt habe, bevor wir in die Stadt kamen?“, fragte er mich nun. Doch aufmerksam hörte ich ihm nur zu und schwieg. Dann umfasste er mit seiner Hand meine und hakte unsere Finger ineinander. „Du.. sollst für immer bei mir bleiben.. das.. meine ich ernst.“, flüsterte er mir vertrauensvoll zu. „Du.. bist mir so wichtig.. Dabei möchte ich nicht… dass dir etwas passiert.. und doch..“, sprach er zögerlich.

Mein Herz sprang beinahe aus meiner Brust. Selbst das Atmen war schwer. Konnte ich überhaupt Atmen? Ich spürte nichts mehr und horchte einfach nur seinen Worten.

„Yuki.. alle um mich müssen ständig leiden. Seien es Dämonen.. oder Menschen..“, sprach er weiter und wurde immer betrübter.

Was wollte er mir damit sagen? Ich fühlte die Bedeutung seiner Worte, doch ich konnte sie nicht verstehen. Nein. Ich hatte nur versucht sie zu überhören. In meinem Herzen wusste ich ganz genau, was er sagen wollte.

Schweigend ließ ich seine Hand los und drehte mich einfach zu ihm. Das Kissen raschelte leicht, als ich mich bewegte und ich legte mich ihm direkt gegenüber. Als ich ihn ansah, erkannte ich eine kleine Träne an seiner Schläfe herunter kullern. Er blickte mir dennoch tief in die Augen und schwieg. „Shiro..“, sprach ich leise. Ich wollte nicht, dass es ihm schlecht ging. Ich wollte nicht, dass er weinte, ich wollte nicht… ich wollte nicht, dass er alleine war. Mit seinen Gedanken, seinen Gefühlen und seinen Problemen. Ich wollte doch für ihn da sein. Ich wollte doch auch bei ihm bleiben.

Plötzlich füllten sich auch in meinen Augen Tränen. Doch es waren keine Tränen der Trauer. Auch keine Tränen der Unsicherheit. Meine Tränen entstanden aus einem Gefühlschaos, aus welchem sich immer mehr meine Freude hervor kämpfte. Denn mir wurde immer mehr klar, was ich fühlte.  

Als ich ihn da liegen sah, wie er mir ehrlich in die Augen blickte wurde mir ganz warm ums Herz. Seine hellen, beinahe weißen Augen schauten mich so liebevoll an. Ich sah diese Augen gerne. Besonders, wenn sie mir so nahe waren wie jetzt, empfand ich sie als wunderschön. Seine Haare lagen ihm etwas im Gesicht und seine Helle, kalte Haut war leicht rot an den Wangen. In diesem Moment wurde mir klar, dass ich mehr für ihn empfand als ich dachte.

„Shiro.“, sagte ich leise und kniff die Augen zusammen. Dann presste ich mich an seine Burst und umarmte ihn fest. „Shiro. Ich will doch auch bei dir bleiben!“, gestand ich ihm und verlor dabei einige Tränen. Sie flossen an meinen Wangen herunter, auf seine Brust. Überrascht nahm er mich in seinen Arm und erwiderte meine Umarmung. Er legte seine Arme um mich und seine Hand auf meinen Hinterkopf. „Yuki..“, kam es überrascht von ihm. Doch dann lächelte er. „Das freut mich..“, sagte er beruhigt und drückte mich fest an sich.

Doch ich begann zu immer mehr zu weinen. „Ich… will doch gar nicht weinen..“, nuschelte ich. „Warum.. ist das so..?“, fragte ich überfordert und traute mich nicht, ihn loszulassen. Doch Shiro lehnte sich etwas zurück und sah mich liebevoll an. Trotz seines Lächelns verlor auch er Tränen. „Ich weiß es nicht. Doch ich denke, dass es gut so ist, wie es ist.“ Als ich auch seine Tränen sah, war ich erst erschrocken. Doch dass er genau so überfordert war wie ich, beruhigte mich. Denn wir halfen uns gegenseitig durch dieses Gefühlschaos, ohne dass jemand von uns das alleine durchstehen musste.

Ich beruhigte mich, als ich sein liebes Lächeln sah. In diesem Moment, sah er nur mich. In diesem Moment, waren nur wir beide zusammen. In diesem Moment, gab es für mich nichts Wichtigeres als seine Nähe. Nun lächelte auch ich. Unsere Tränen hatten sich tief in uns angesammelt. Und nun hatten wir zusammen einen Augenblick gefunden, an dem wir diese zeigen konnten. Auch wenn wir weinten, war es kein Schmerz, der uns dazu brachte, sondern das Gefühl der Freude.

Ich legte meinen Kopf nun wieder an seine Schulter und atmete langsam aus. Auch wenn ich aufgewühlt war und meine Tränen nicht stoppten zu fließen, begann ich mich langsam zu beruhigen. Shiro nahm mich wieder in seine Arme und lehnte seinen Kopf an meinen. Dann schloss er die Augen und begann auch gleichmäßig zu atmen. Es verging einen Moment, bis ich einfach nur in seinem Arm lag und wir nichts sagten. Träumend legte ich nur meine Hand vor meinen Mund und blickte ins nichts. Ich wollte mit ihm einfach dort liegen. Doch ich fragte mich, wie es hierzu überhaupt kam. Warum lag Shiro neben mir? Warum hatte ich das Gefühl, dass etwas Schlimmes passiert war? „Shiro..“, begann ich nun. Ich hörte ein müdes „Hmh?“, von ihm. „Was.. ist gestern passiert?“, fragte ich ihn leise ohne die Umarmung zu lösen. Aber Shiro atmete tief ein und wieder aus. „Darf ich dir das später erzählen? Ich möchte.. das noch etwas genießen…“, antwortete er müde mit geschlossenen Augen. „Ich möchte nicht, dass der Moment unterbrochen wird… nicht schon wieder.“, sagte er leise. „Es sei denn, es stört dich.“, fügte er noch hinzu, mit dem sicheren Unterton, dass ich keine Einwände zeigen würde. Ich presste die Lippen zusammen, dann sah ich nachdenklich herab. „Mhmh..“, verneinte ich. Was er sagte, dachte auch ich. Ich wollte diese Zeit ebenso genießen. Einfach nur bei ihm. Auch wenn ich neugierig war.

Wieder wurden meine Wangen rot und vor Scharm sah ich weg. Doch gerade als ich meinen Kopf wieder zögerlich nach unten richtete, lehnte Shiro sich nach vorn und Küsste meine Stirn. Es war einsanfter, kalter Kuss. Doch ich habe begonnen, mich in diese Kälte zu verlieben. Überrascht blieb ich einfach nur liegen und bewegte mich nicht mehr.

Als ich dann aber auf der Haut seines muskulösen Oberkörpers eine der drei Narben erkannte, wachte ich wieder auf. „Warum.. trägst du eigentlich kein Oberteil?“, fragte ich nun stumpf. Doch ich bemerkte direkt sein breites Grinsen. „Hmh. Stört es dich?“, antwortete er nur. Sofort schreckte ich mit rotem Gesicht zurück, drückte mich von ihm weg und sah ihn mit großen Augen an. „Also! Das.. das habe ich nicht gemeint! Also.. ich…“ Doch Shiro faste einen meiner ausgestreckten Arme und zog mich lächelnd an sich. „Ich wollte nur Duschen. Und dann hörte ich Kisho um Hilfe rufen.“, erklärte er und hielt meine Hand behutsam.

„Du.. hast also die ganze Nacht bei mir gelegen?“, fragte ich zögernd und sah etwas weg. „Natürlich. Ich habe es dir versprochen.“ Nun wurde ich wieder rot, richtete meinen Kopf herab aber sah schüchtern mit meinen Augen zu ihm hinauf. „Und.. warst du wach.. oder hast du auch geschlafen?“, fragte ich als nächstes. Ich wusste, dass er kaum schlief und Schlaf gar nicht nötig hatte. Doch es wäre mir unangenehm gewesen, wenn er die gesamte Nacht, wach neben mir liegen müsste. Aber er sah mich an. Ich hatte Shiro noch nie so beruhigt und glücklich gesehen. „Wenn du bei mir bist, könnte ich Jahre lang tief Schlafen.“, beantwortete er meine Frage unterschwellig und lächelte mich mit dem süßesten Grinsen an, das er hatte, so dass es mir die Sprache verschlug. Aber er zwinkerte mir darauf direkt zu. „Na gut. Lass uns aufstehen. Du wirst bestimmt hungrig sein. Dieses Mal passe ich aber auf, was du zu dir nimmst.“ Neugierig stemmte ich mich auf, sodass Shiros Arm frei war und er aufstehen konnte. „Moment. War das der Grund für letzten Abend? Dass ich etwas Falsches gegessen habe? Ich kann mich kaum erinnern…“, sagte ich erschrocken und sah ihm nach, wie er vom Bett aufstand. Shiro richtete kurz seine Hose und drehte sich zu mir. „Ich denke, das sollten wir unten bei den anderen beiden besprechen.“, sagte er nur und legte seine Hände gelassen in seine Hosentaschen. Er sah glücklich aus und das machte mich glücklich. Unsere Tränen unsere Angst und unsere Sorgen waren wieder verschwunden.

„Hmh.. na gut…“ , nickte ich ihm zuversichtlich zu. Langsam raffte auch ich mich auf.

Doch gerade, als ich die Decke von mir nahm hörten wir plötzlich ein lautes, aufdringliches Quietschen aus dem Flur. „Ahhhh!“

Perplex sahen wir uns gegenseitig an. „Was war das?!“, fragte ich erschrocken. Doch Shiro sah nur aufmerksam zur Tür. Dann hörten wir Kazumi rufen. „Kitsune!“, freute sie sich laut. „Mama! Ich bin wieder da!“, kam es quietschend von der zweiten Stimme. Jetzt sah ich noch erstaunter zu Shiro. „Kitsune?!“, fragte ich perplex. Sofort liefen wir gleichzeitig zur Tür und Shiro riss sie auf. Dann stürmten wir den Flur entlang bis zur Treppe. Am Geländer blieben wir stehen und schauten zum Eingang hinunter.

Ich traute meinen Augen nicht. Ich starrte überrascht herab und klimperte mit den Augen. Es war tatsächlich Kitsune, die dort unten stand und ihre Mutter fröhlich umarmte und dann auch ihren Bruder begrüßte. „Kitsune..? Aber.. wie?“, fragte ich stotternd und sah zu Shiro. Aber sein Blick wurde plötzlich finster und wütend. Er biss die Zähne zusammen und ballte die Fäuste. Als ich erneut herunter blickte, erkannte ich Deeon, der gerade den Eingang betrat.

Erschrocken hielt ich die Luft an. „Shiro.“, sagte ich nun auffordernd und zog ihm am Arm in das nächste Zimmer. Seine Wut zurückhaltend atmete er schwer und folgte mir. „Yuki. Das ist unnötig. Er hat uns schon bemerkt, lange bevor er überhaupt hier ankam.“; grummelte er mürrisch und überkreuzte seine Arme, während er wütend zu Tür sah. „Und ich.. habe ihn nicht bemerkt..“, fügte er leise hinzu. Aber ich ging auf ihn zu. „Shiro! Wie konnten sie uns finden!“, fragte ich schockiert. Plötzlich bekam ich Angst. Ich erinnerte mich an den Grund, weshalb wir überhaupt hier waren.

Wir waren geflüchtet. Schockierend musste ich feststellen, dass ich wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeworfen wurde. Kein Baden in der angenehm warmen Quelle. Kein streicheln von Wolpertinger oder Einkaufen in der Stadt. Es war wieder die harte Realität. „Glaubst du, dass einer von ihnen.. dich bei Lilith verraten hat?“, fragte ich zögerlich und biss mir auf die Lippe. Nervös begann ich an meinem Ärmel zu spielen und wurde zappelig. „Shiro… was… machen wir jetzt?“, fragte ich aufdringlich und runzelte die Augenbrauen.

Still stand Shiro da. Er war das genaue Gegenteil von mir. Denn er versuchte die Ruhe zu bewahren und auf alles gefasst zu sein. „Ich.. kann mir nicht vorstellen, dass Kitsune die Verräterin ist. Aber wenn sie uns hintergehen wollte und Deeon auch, hätten sie sich nicht so demonstrativ angekündigt und den Haupteingang mitten am Tag benutzt. Auch wenn ich mir wünschte, dass es Deeon wäre.“, nun hob er seine Hand und ballte eine Faust. „Denn dann hätte ich noch einen Grund ihn zu töten.“

Ich sah nachdenklich zu Boden. „Also.. glaubst du.. wir können ihnen vertrauen? Aber wie haben sie uns denn gefunden? Ich schwöre! Ich hatte nicht schon wieder so einen komischen Traum wo ich nach meinem Aufenthaltsort gefragt wurde!“, sagte ich schnell und hob die Hände. Nun legte Shiro nachdenklich seine Hand an sein Kinn. „Hmh.. nur wir beide und der Verräter wissen, dass wir verraten wurden. Richtig?“, fragte er grüblerisch. Ich nickte ihm zu. „Ja.. ehm und dieser Typ.. Darius hat uns das auf dem Dach des Atriums gesagt. Mehr wissen das nicht. .. denke ich.“ „Wir sollten aufpassen, was sie sagen. Erstmal sollten wir wissen, wie sie uns gefunden haben..“, meinte Shiro und blickte herab.

Nun klopfte es an der Tür. „Shiro? Yuki? Wir haben Besuch.“, hörten wir Kisho zaghaft sprechen. Dann schob er die Tür auf. „Ist alles in Ordnung?“, fragte er zögerlich und blickte zu uns. „Kisho.“, sagte ich und deutete herein. „Natürlich.“, antwortete ich ihm und lief zur Tür. Doch ich erkannte seinen traurigen Blick, wenn er mich ansah. „Was hast du?“, fragte ich ihn und versuchte mir nichts vom dem Gespräch mit Shiro anmerken zu lassen. „Yuki… es.. tut mir leid.. wegen gestern..“, sagte er betrübt und sah herab. Aber Shiro trat nun vor und faste ihm an die Schulter. „Ich sagte doch, es war nicht deine Schuld.“, meinte er. „Wir sollten runter gehen. Ich möchte euch sowieso etwas sagen. Da kommt der Besuch gerade recht.“, fügte er hinzu und sah mich an.

Was meinte er damit? Was wollte er besprechen? Wollte er etwa Lilith ansprechen?

Kisho blickte nun überrascht auf. „Hmh?“ Aber Shiro deutete zur Treppe. „Los. Lass uns gehen.“

Gemeinsam traten wir also aus dem Raum und liefen die Treppe hinunter. Ich war etwas nervös. Immerhin wusste ich nicht, wie ich auf Deeon und Kitsune reagieren sollte. Zurückhaltend lief ich also herunter. Ich erkannte als erstes Deeon, der neben Kazumi und Kitsune stand. Er blickte mich ebenfalls zuerst an und lächelte leicht. Dieses Lächeln konnte ich jedoch nicht erwidern. Denn mein Gefühl sagte mir, dass Deeon mir nie etwas tun würde, doch meine Angst sagte mir, dass auch er der Verräter sein könnte.

„Yukiiii!“, hörte ich nun Kitsune rufen. Als wir unten ankamen, rannte dieses kleine glückliche Fuchsmädchen mit wedelndem Schwanz auf mich zu und sprang mir in die Arme. „Wow.. hey..“ Ich fing sie auf und hielt sie in meinem Arm. Es machte mich glücklich sie zu sehen, doch meine Sorgen unterdrückten meine Freude. „Kitsune..“, versuchte ich zu lächeln. „Yuki! Wir haben uns so Sorgen gemacht!“, sprach sie nun weiter. „Aber ich wusste, dass ihr hier sein würdet! Ich bin so froh, dass es euch gut geht!“, begann sie sofort zu plappern.

„Was? Was ist denn geschehen?“, fragte Kazumi nun überrascht. Es war mir unangenehm, doch mein Blick fiel immer wieder auf Deeon. Doch als ich sah, dass auch er mich anblickte, schaute ich nervös weg. Er wirkte beruhigt und glücklich mich zu sehen. Aber sein Blick wechselte nun zu Shiro, der sich mürrisch neben mich stellte. „Was wollt ihr hier?“, fragte er nun grob. Doch Kitsune ließ sich von seiner Art nicht abschrecken und sprang auch ihm in die Arme. „Shirooo!“, quietschte sie ebenso schrill. Doch er trat gelangweilt einen Schritt zur Seite und wich ihr aus. Ihr Sprung glitt an ihm vorbei uns die fiel geradewegs auf den Boden. „Aua!“, es rumste laut und sie hockte nun auf den Boden. Schmerzhaft grinsend rieb sie sich den Kopf. „Ah.. wenn Shiro so gemein ist, ist ja alles beim alten.“, kicherte sie. „Du bist einfach ein Tollpatscht!“, kam es nun grinsend von Kisho, der sich vor sie stellte und ihr den Arm hin hielt. „Gar nicht!“, grummelte sie ihn an. „Natürlich!“, begegnete er ihr darauf und hob sie vom Boden auf. Nun sah ich Kisho und Kitsune zusammen. Abgesehen von ihrem Aussehen, verhielten sie sich auch wie Geschwister. Ich lächelte beglückt sie zusammen zu sehen. Denn sie waren wohl eine lange Zeit getrennt.

„Deeon. Was willst du hier?“, hörte ich nun wütend von Shiro. Sie standen sich wie Rivalen gegenüber. Deeon blieb ruhig, doch in Shiro begann die Wut zu kochen. „Erst sehe ich dich Jahre lang nicht, und dann plötzlich so oft.“, fauchte er ihn an. Doch Kitsune rannte zu ihm. „Nein Shiro!“, sagte sie und packte seinen Arm. Mit der anderen zeigte sie auf Deeon. „Er hat mich gerettet!“, sagte sie schnell und nahm ihn in Schutz.

Überrascht ging ich vor. „Gerettet?“, fragte ich. Auch Shiro sah sie fragend an. „Es stimmt!“, antwortete sie. „Sei nicht so wütend auf Deeon. Er hat mir geholfen aus dem Atrium zu entkommen! Wir haben euch gesucht!“ „Warum entkommen?“, fragte Shiro mürrisch, ihren Worten nicht glaubend. „Lilith hat das Atrium übernommen.“, begann Deeon nun zu erklären. Erschrocken sahen wir ihn an. „Was?“

Doch dann hörten wir Kitsune besorgt reden. „Lilith tauchte plötzlich auf Renektons Ball auf..“, sagte sie und richtete ihren Blick herab. „Sie hat dich gesucht Shiro.. aber … du warst nicht da… Und dann.. kam plötzlich Bastet. Und… stellte sich ihr in den Weg..“, Kitsunes Stimme wurde immer trauriger und ihr Blick düsterer. „Wir hatten alle so viel Angst. Und nur sie traute sich, etwas zu unternehmen. Ich weiß nicht.. ob.. es mutig oder dumm war… Natürlich konnte sie Lilith nichts anhaben. Sie.. lag blutend am Boden. Mit nur einer Handbewegung hat sie Bastet besiegt.“

Mein Herz blieb kurz stehen. Zu atmen fiel mir schwer. Ich konnte nicht fassen, was sie sagte. „Ist.. Bastet..“, stotterte ich leise. „Nein..“, unterbrach sie mich aber und sah zu mir auf. Sie hatte Tränen in den Augen. „Bastet lebt. Aber zur Strafe, hat sie Renekton vor uns allen getötet…“ Plötzlich begann sie zu weinen. „Renekton ist tot… und sie hat das Atrium übernommen… Wir sind… alle panisch weg gerannt. Sie hat Renektons Wachen getötet. Sie hat aus Spaß die Kronleuchter fallen lassen.. nur um zu sehen, wer davon erschlagen wird. Sie hat die Tore verschlossen und hat ihre Monster gerufen die einfach in die Massen rannten und Dämonen zerfleischten..“, weinend ließ sie sich auf ihre Knie fallen. „Kitsune!“, sagte Kisho laut und hockte sich neben sie. Er nahm sie tröstend in den Arm. „Was.. hat das alles zu bedeuten?!“, fragte er aufgebracht. Aber Kitsune klammerte sich an ihn und griff mit ihrer kleinen Hand in seine Kleidung.. „Ich.. ich konnte gerade so entkommen. Mephisto und ich schafften es aus dem Saal. Es war so schrecklich… Er hat meine Hand genommen, und rannte mit mir davon. Auch draußen hörten die Schreie nicht auf. Liliths Monster waren auch dort und griffen alles an, was flüchtete. Sie kreischten und rannten alle durcheinander. Sie stießen alles und jeden um. Mephisto… nahm mich auf den Arm.. und rannte.. er rannte einfach immer weiter… und.. ich..“, doch Kitsune begann immer lauter zu wimmern. Sie weinte immer mehr. Sie begann aus tiefsten Herzen zu schreien und zu weinen. Ihr wimmern trieben auch mir die Tränen in die Augen. Das kleine hilflose Mädchen lag dort in den Armen ihres Bruders und konnte nichts tun außer zu schreien. Es quälte sie. Die Bilder in ihrem Kopf und die Schreie waren zu grausam. Ihr Körper begann zu zittern. Weinend drückte sie ihr mit Tränen durchnässtes Gesicht an Kishos Schulter. Sie konnte nur noch weinen und leiden.

Entsetzt hielt ich die Hand vor dem Mund und sah hilflos zu. Mein Köper war steif vor Schock. Mein Herz raste. Meine Gedanken waren voller Panik.

„Kitune.. alles wird gut.. Kitsune..“, tröstete Kisho sie leise und umarmte sie fest. Ihr wimmern wurde leiser und ihre Schreie hörten auf.

Doch Deeon trat vor. „Als die Masse aus Renektons Saal rannten, war ich mitten drin. Auch mich wollten ihre Monster befallen.“, sprach er weiter. „Ich erkannte Mephisto zwischen den Dämonen flüchten und wollte zu ihm. Ich dachte, dass auch du bei ihnen wärst. Wir rannten uns entgegen. Mephisto drückte mir Kitsune in den Arm und sagte, dass wir dich suchen sollten. Und dann wurde auch er von eines dieser Monster weggerissen. Ob er noch lebt, weiß ich nicht. Ich floh zu dem nächsten Fenster, sprang durch die Scheiben und flog mit Kitsune davon.“

Nun war es leise. Wir mussten den Schock verarbeiten. Fassungslos stand ich nur da. Wir waren still.

Doch Shiro ballte seine Fäuste. Dann schritt er wütend auf Deeon. „Warum hast du nichts getan?!“, schrie er ihn an. „DU BIST EIN VERFLUCHTER ENGEL! WARUM HAST DU NICHTS GETAN?!“ „Weil ich nicht konnte!“, antwortete Deeon. „DU BIST FEIGE GEFLOHEN! ALS ENGEL! DU HAST MEPHISTO IM STICH GELASSEN!“, brüllte er weiter und gestikulierte wutentbrannt.

„Ich brauche deine Hilfe!“, kam es laut von Deeon. „Meine Hilfe? MEINE Hilfe?! Wie wäre es, wenn du anderen Mal hilfst und nicht feige davon fliegst!“ „Ich konnte nichts tun!“, kam es aber wieder von Deeon. Aber Shiro trat ihm noch näher und sah ihm hassend in die Augen. „DU WOLLTEST NICHTS TUN! Du bist nur ein Gefallener, der nie wieder in den Himmel kommen wird!“ „DAS REICHT!“, schrie Deeon nun. Plötzlich entstand eine Druckwelle von Deeon, die uns alle zu Boden riss. Die Wände wackelten, Vasen und Blumentöpfe zappelten, dass sie beinahe herab schepperten. Die Türen wurden aufgerissen und Bilder fielen von den Wänden. Als ich mich am Boden wiederfand sah ich erschrocken auf. Nur Shiro stand noch, jedoch etwas zurückschreckend vor Deeon und hielt sich kraftvoll auf den Beinen. Wir beide starrten perplex auf Deeon.

Denn er stand mitten im Raum und hatte einen Engelsflügel ausgebreitet. Nur einen. „Deeon..“, sprach Shiro verwundert. „Du… hast nur einen Flügel?!“, fragte er verwirrt und stellte sich wieder aufrecht hin. Ich versuchte aufzustehen und starrte Deeons Flügel an. „Das ist… wie bei Nami..“, stotterte ich und raffte mich auf.

Sein weißer Flügel strahlte hell. Einige Federn flogen durch die Luft und sanken sanft herab. Als ich meine Hand öffnete, fiel eine Feder auf meine Handfläche. Träumend sah ich sie an. Sie war so warm. Sie war so weich. Sie vernichtete einen Moment meinen Kummer. Doch ich blickte verzweifelt auf und verlor eine Träne. „Warum..?“, fragte ich Deeon. Ich erkannte diese Feder. Die gleiche lag in dem Schlafzimmer meines Vaters.

Deeon zog seinen Flügel etwas ein und lief mit langsamen Schritten auf mich zu. Vor mich stellte er sich hin und legte seine Hand sanft auf meine. „Ich habe es versprochen..“, sagte er leise und lächelte mich an. Dann wischte er sanft die Träne von meiner Wange. „Wem?“, fragte ich ihn. Nun legte er seine Hand auf meine Wange und sah mir in die Augen. „Deiner Mutter, Misaki.“, antwortete er leise. Ich riss meine Augen auf. Wieso kannte er den Namen meiner Mutter? Was hatte das alles zu bedeuten?

Deeon schloss die Augen und atmete tief aus und wieder ein. Dann richtete er seinen Blick zum Boden. „Irgendwann muss ich es ja doch erklären... Deine Seelen.. habe ich nur aus einem Grund geklaut..“, sprach er zu Shiro. Dann sah er wieder zu mir. Es fiel im schwer zu sprechen doch es war, als würde er endlich eine riesen Bürde los werden. „Ich habe deine Seelen geklaut, um Yuki zu retten…“, erklärte er.

Erschrocken nahm ich die Hände zu mir und ging von ihm weg. „Was? Ich.. verstehe das nicht?!“, fragte ich und schüttelte den Kopf. „Misaki und du wärt bei deiner Geburt gestorben. Doch sie bat mich, dich zu retten und auf dich aufzupassen.“

Ich hielt mir verwirrt die Hände an den Kopf. „Nein.. nein.. das.. geht nicht.. Warum… nein..“ Mir wurde plötzlich schwindelig. Mein Herz raste. Mein Puls stieg rasend an. Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Ich dachte an meinen Vater, der jede Nacht um meine Mutter weinte. Ich dachte an meinen Großvater, der mir die Schuld an Mutters Tot gab. Ich dachte an die Zeit, in der ich einsam und alleine war. „Warum.. hast du sie nicht gerettet?“, fragte ich leise und ging von ihm weg.

„Mein Bruder, wollte nicht, dass sie überlebt.“, erklärte er. „Dein Bruder?!“, fragte ich laut und starrte ihn an. „Er passt auf, dass Menschen keinen Kontakt zu der Dämonenwelt haben. Doch Misaki.. wusste, dass ich ein Engel war. Ich.. hatte mich in sie verliebt. Und hatte somit ihr Schicksal besiegelt, ihren Tot…“

Ich riss die Augen auf. „Was?!“, fragte ich wütend. „Und… Nami?“, zitterte meine Stimme. Deeon sah vorwurfsvoll weg. „Ich.. habe sie erschaffen, damit sie dich vor meinem Bruder beschützen kann, falls er dir doch etwas antun würde… Sie hat die andere Hälfte meiner Engelskraft…“, gestand er.

Mein Körper war starr. Meine Welt stürzte gerade ein. Ich wollte ihm nicht glauben. Ich konnte es einfach nicht.

„Du.. hast meine Mutter getötet..“, warf ich ihm vor und begann zu weinen. Ich starrte ihn mit verurteilenden Blicken an. Dann schüttelte ich ungläubig den Kopf. „Nein.. nein!“, sagte ich leise und weinte. Schnell drehte ich mich um rannte weg. Ich wollte nur noch weg.

Die Erinnerung

Mein Herz wollte nicht aufhören zu schmerzen. Ich war mir nicht sicher, ob ich in der Realität oder einer Einbildung war. Vielleicht ein Albtraum, der mich alles Schlechte fühlen ließ. Ein Albtraum, der meine Welt mit einem Mal zerschmettern wollte und meine Existenz in Frage stellte.

Weinend war ich in den Garten geflüchtet und saß auf der hölzernen Veranda. Meinen Kopf lehnte ich an einen Pfosten und starrte wimmernd ins Nichts. Ich brauchte meine Ruhe. Ich brauchte die Zeit für mich. Ich wollte gerade niemanden sehen. Ich musste erst begreifen, was das alles zu bedeuten hatte. Ich fühlte mich so leer und so belogen.

Im Haus war es leise. Deeon stand noch mitten im Raum und blickte in Richtung des Gartens. Sprachlos blieb er da und schwieg. Mit geballten Fäusten stand Shiro hinter ihm und senkte seinen Blick. „Wie kannst du es wagen?“, fragte er voller Zorn. Nun drehte Deeon sich um. „Wie war das?“, erwiderte er mit ruhiger doch erhobener Stimme. Sofort packte Shiro ihn grob am Kragen. „Wie kannst du es wagen Yuki so zu verletzen? Wie konntest du es wagen, ihr das alles anzutun!“, schrie er ihn an. Seine Faust zitterte und seine Augen zeigten nur seinen puren Hass. Deeon blickte ihn jedoch nur an und behielt die Ruhe. „Lass es…“, sprach er ihm leise zu. Doch das provozierte Shiro nur noch mehr.

Er riss ihn schroff am Kragen zu sich und biss die Zähne zusammen. „Du bist schuld an ihrem Leid! Du bist schuld an dem Tod ihrer Mutter. Du bist schuld an der gesamten Situation! Du bist schuld, dass sie jetzt weint!“, schrie er ihn jedoch an.

„Nur wegen mir, kann sie überhaupt weinen!“, begegnete Deeon ihm. „Schnauze!“, wütend holte Shiro aus. Dann schlug er zu. Seine Faust traf Deeons rechte Wange. Sein gesamter Hass lag hinter dem Schlag. Es war seine geballte Kraft, die er ihn spüren ließ. Ein Windstoß entstand durch die Wucht des Schlages. Der Boden bebte leicht durch Shiros Kraft. Es war pure Abscheu, die er Deeon entgegen brachte. Sein Blick war düster. Sein Körper war angespannt.

Kitsune und die anderen wichen bei der Kraft ängstlich zurück. Sie wussten, welche Macht hinter seinen Schlägen lauerte und auch welche Auswirkungen diese haben konnten.

Doch sein Schlag, ließ Deeon unbeeindruckt. Er stand nur da, den Blick noch auf Shiro gerichtet. Ohne Schmerzen oder Wunden blieb er standhaft. Shiro riss sprachlos die Augen auf. „Was..?“, fragte er erstarrt.

Auch Kistune stand mit schockiertem Blick da und blickte auf Deeon. „Wie.. kann das sein? Niemand hält so leicht einen Schlag von Shiro aus..“, kommentierte sie erschrocken.

Deeons Blick wurde hochmütig. „Du bist schwach geworden.“, sagte er und stieß ihn mit einer leichten Handbewegung weg. Shiro wich zurück und stand ihm fassungslos gegenüber. „Ich sagte doch, du sollst es lassen.“, wiederholte Deeon ruhig. Doch Shiro ließ seinen Dolch ruhelos in seiner Hand erscheinen. „Ich lasse mir nichts von dir sagen! Halt dein verdammtes Maul!“, schrie er ihn an und stürmte direkt auf ihn zu. Wutentbrannt erhob er seinen Dolch gegen Deeon und stach zu.

Es loderte so viel Hass in ihm. Die Luft war angespannt. Kitsune und die anderen gingen in Sicherheit, während sich der Raum immer mehr mit einem gefährlichen Eindruck füllte. Es geschah so schnell. Mit rasantem Schlag richtete Shiro den Dolch auf den Hals. Doch Deeon beobachtete seinen Angriff. Verärgert blickte er auf den Dolch, der sich ihm blitzschnell näherte.

Geschickt wich er dem Schlag zur Seite aus. Dann packte er Shiros ausgestreckten Arm am Handgelenk und drückte seine Hand nach oben. „Was?!“, Shiro konnte nicht schnell genug reagieren. Ruckartig konterte Deeon seinen Schlag einfach aus. Sein Griff war fest und seine Bewegung präzise. Mit der anderen Hand schlug er gegen den Dolch um Shiro zu entwaffnen. Mit raschen Bewegungen griff Deeon den Dolch in der Luft, verdrehte Shiros Arm schmerzhaft und drehte sich. Mit dem Schwung trat er Shiros Beine weg und schmiss ihn rasant zu Boden. Ohne etwas tun zu können, fiel Shiro. Mit einem Mal krachte es laut.

Schockiert stand die Fuchsfamilie am Rand und sah alles mit an. Regungslos hielt Kisho die Hände vor Kitsune um sie zu schützen. Kazumi hielt ihre Hände vor ihrer Brust und sah hilflos mit an, wie Deeon gegen Shiro gewann.

Als Shiro sich am Boden wiederfand blickt er mit schmerzverzerrtem Blick auf. Doch er starrte direkt auf seinen eigenen Dolch, den Deeon ihm drohend vor sein Gesicht hielt. Shiro biss wütend die Zähne zusammen und musste sich seine Niederlage eingestehen. Er war starr. Er konnte sich nicht erklären, wie Deeon seinen Schlag aushalten konnte. Er konnte nicht begreifen, wie Deeon ihn besiegen konnte. Er sah am Dolch vorbei, in Deeons wütendes Gesicht.

„Sie an, was aus dir geworden ist!“, kam es nun aufgebracht von ihm. Deeon nahm den Dolch zurück und schmiss ihn auf den Boden. Er schlug mit der Spitze im Holz neben Shiros Hand ein. Erschrocken riss dieser die Augen auf. Er war bewegungslos. „Was ist mit dir?! Du bist schwach geworden!“, sprach Deeon nun. „Deine Arroganz vernebelt deinen Blick! Du bist einfach schwach geworden! Du versuchst deine Angst und deine Hilflosigkeit mit deiner Wut zu verstecken! Aber das ist der falsche Weg! Wo ist der stolze Junge, der nie aufhören wollte zu lernen? Und der immer nach vorn gesehen hat! Der nie aufgegeben hat!“ Shiro setzte sich auf. „Hör auf!“, schrie er. Doch Deeon sprach mit lauterer Stimme weiter. „Du bist schwächer als die Hälfte meiner Engelskraft! Hast du etwa aufgegeben?“ „HÖR AUF!“, kam ihm wütend entgegen. Doch Deeon trat vor. Er baute sich vor Shiro auf und begann ihn einzuschüchtern. „Willst du einfach weiter weggucken?! Und hoffen, dass alles wieder gut wird?! Das wird es nicht! Das weißt du! Egal wie lange du wartest! Du musst etwas tun! Und nicht alles verdrängen! Dich nicht verstecken! Dich als jemanden ausgeben, der du gar nicht bist, .. Schattenmann.. niemand kennt dich oder deinen Namen! Du hast kein Leben! Lass das! Und zeige wer du bist!“, sprach er und konfrontierte ihn. Doch Shiro konnte seinen Blicken nicht standhalten. „ICH SAGTE DU SOLLST AUFHÖREN!“, schrie er laut und kniff die Augen zu. „Sei einfach still! Sei still.“, befahl er ihm und hielt sich die Hand vor sein Gesicht. Deeon sah überrascht zu ihm herunter und hielt inne. „Lass mich doch einfach in Ruhe.“, sprach Shiro verzweifelt weiter und hielt die Hände nervös an seinen Kopf. Plötzlich kniete Deeon sich neben ihn. Er legte seine Armen an Shiros Schultern und zog ihn zu sich. „Nein. Ich werde immer für dich da sein.“, sprach er ihm leise zu und umarmte ihn.

Erschrocken starrte Shiro auf. Dann biss er verbittert die die Zähne aufeinander und seine Augen füllten sich mit Tränen. „Und wo.. warst du.. als ich dich am meisten brauchte?..“, fragte er ihn verzweifelt. Eine Träne kullerte an seiner Wange herunter als er schwach da saß, von Deeon umarmt. „Ich war nicht weg.“, antwortete er still. „Ich weiß, was du durch gemacht hast. Besonders die letzten Jahre. Ich weiß was du tun wolltest. Ich weiß, wie schwer es für dich war. Doch ich wusste… ich wusste, dass du meine Hilfe nicht annehmen würdest… und… und.. ich habe dir jemanden geschickt… die dich verstehen würde… und die Kraft hat, dich zu heilen. Und du würdest die Kraft haben, sie zu beschützen…“

Shiro war starr. Seine Hände begannen zu zittern. Deeon sprach von mir. Er hatte all die Jahre im Verborgenen mit angesehen, wie Shiro sich verändert hatte. Wie dieser Vertrauensbruch ihn zerstörte. Wie sehr er gelitten hatte, bis er sich das Leben nehmen wollte. Doch bevor es zu spät war brachte er mich in sein Leben. Es war von ihm geplant, dass wir aufeinander treffen würden. Von Anfang an hatte er uns beobachtet.

Seine Worte trafen Shiro tief. Erstarrt saß er dort und blickte gedankenverloren ins Nichts. Doch Deeon umarmte ihn immer noch. Auch ihn schmerzten die Worte, von denen er sich endlich befreien konnte. „Ich habe dich nie alleine gelassen. Ich musste mich eine Zeit lang um etwas anderes kümmern, doch habe immer nach dir gesehen… Und nach einer Zeit.. war.. dein Hass auf mich so riesig.. dass.. ich.. mich nicht traute dir unter die Augen zu treten. Ich habe… dich verletzt. Und es tut mir so leid. Aber ich bitte dich… hasse mich nicht…“ Deeons Stimme wurde immer sanfter und seine Umarmung stärker. Er schloss die Augen und sprach aus tiefsten Herzen. „Bitte… hasse mich nicht..“, wiederholte er.

Shiro blickte erst stur weg. Doch er konnte sein Zittern nicht mehr unterdrücken und seine Trauer nicht mehr verstecken. Er legte seinen Kopf auf Deeons Schulter und erwiderte die Umarmung. Er legte seine Arme an seinen Rücken, dann begann er schwer zu atmen. Schließlich begann er zu weinen. Er konnte seine Trauer nicht mehr verbergen. Er konnte seine enttäuschte Hoffnung über Deeon nicht mehr als Hass verkaufen. Er konnte nicht mehr verstecken, dass Deeon ihm so wichtig war, wie seine Familie. Der sonst harte und grausame Schattenmann zeigte, dass er doch ein liebender Mensch war. Er saß einfach da, ließ sich von Deeon halten und weinte leise.

„Shiro..“, hörte er Kitsune dann vorsichtig sprechen. Sie sah ihn mitfühlend an und näherte sich ihm langsam. Es war neu für sie, zu sehen, dass Shiro seine Gefühle zeigte. All seine Wut war doch nur eine Maske, die seine ständige Trauer verdeckte.

Deeon löste die Umarmung und blieb neben ihm knien. „Shiro..“, sagte sie wieder. „Du musst nicht weinen.“, erklärte sie vorsichtig, mit Tränen in den Augen. „Wir sind alle für dich da. Egal was passiert.“ Shiro sah beschämt weg und antwortete ihr nicht. Plötzlich schmiss sie sich um seinen Hals und umarmte ihn fest. „Shiro. Wir sind alle für dich da!“, versprach sie ihm. Überrascht von ihrer Umarmung blickte er verwundert auf und legte langsam auch seinen Arm um sie. Dann erkannte er Kisho hervor treten und blickte zu ihm. „Shiro. Du kannst dich auf uns verlassen. Wir stehen immer auf deiner Seite.“, grinste er ihn an und legte gelassen die Hände in seine Hüfte. Erst war Shiro verblüfft. Doch dann lächelte auch er und nickte ihm wortlos zu.

„Shiro!“, rief Kazumi nun überraschend laut. Sie eilte unbeholfen zu ihm, schmiss sich auf ihre Knie und fiel ihm ebenso um den Hals. „Shiro! Du gehörst zu unserer Familie! Du darfst immer her kommen, wenn du etwas hast. Wir werden dir immer helfen, wenn du Kummer hast. Auch wenn ich nicht weiß, was dich alles belastet, werde ich dir immer helfen!“, aufdringlich drückte sie seinen Kopf an sich und umarmte ihn fest. Kitsune wich dabei etwas zurück. „Mutter! Ist ja gut. Erdrück ihn nicht.“, meinte sie und stand wieder auf. „Oh.. entschuldige..“, verdutzt trat sie zurück und legte ihre Hände lächelnd auf ihre Wangen. „Ach herrje. Ich wollte dich nicht so überfordern.“, kicherte sie und legte ihren Kopf schief.

Shiro blickte zu ihnen auf. Sie standen vor ihm, bereit ihm zu helfen. Sie waren für ihn da. Sie würden ihn nicht alleine lassen. Kitsune, Kazumi und auch Kisho. Sie würden ihn niemals verletzen wollen. Sprachlos sah er zwischen ihnen umher. Überwältigt von ihrem Mitgefühl begannen sich wieder Tränen in seinen Augen zu füllen, die er tapfer zurückhielt. „D… danke..“, kam es zögerlich aus seinem Mund. Aber Kisho hielt ihm die Hand lächelnd hin. „Bedank dich nicht. Das ist selbstverständlich!“

Nun grinste auch Shiro glücklich. Er griff seinen Arm, dann half Kisho ihm auf. „Und wenn du mal Zeit hast, erklärst du uns einfach mal alles.“, fügte Kisho noch hinzu und packte ihm brüderlich auf die Schulter. Diese Güte kannte Shiro nicht. Er war es gewohnt immer hintergangen und ausgenutzt zu werden. Er kannte es nicht anders, als immer auf der Hut sein zu müssen, mit der Angst, dass ihn jemand töten wollte. Es war für ihn üblich, alles alleine schaffen zu müssen um sein Geheimnis für sich zu bewahren, das sein Leben so gefährlich machte. Und als die einzige Person, die sein Geheimnis kannte und der er vertraute verschwand, hielt ihn nur noch der Hass am Leben. Somit sperrte er alle anderen aus seinem Leben aus und versteckte sich.

Doch jetzt war der Moment gekommen, an dem er sich traute, einen kleinen Schritt vorzugehen und Hilfe anzunehmen. Etwas, das ihn beängstigte und doch so glücklich machte.

„Shiro. Ich muss mit Yuki sprechen..“, kam es nun von Deeon, der zur Gartentür zeigte. Aber Shiro drehte sich zu ihm. „Warte.“, hielt Shiro ihn schnell auf und packte ihn am Arm.
 

Ich saß immer noch nachdenklich im Garten und ließ die Beine von der Veranda hängen. Die Sonne die ich eigentlich immer genoss, begann mich zu stören. Den Vogelgesang, den ich so gerne hörte, empfand ich nun als lästig. Und die Einsamkeit, die ich sonst so hasste, fühlte sich gerade als einzig erträglich an. Mit der Zeit hatte ich mich beruhigt, doch ich konnte immer noch nicht begreifen, was Deeon getan hatte. Es war ein stechendes Gefühl, welches mein Herz quälte.

Ich saß nur da und tat nichts. Die Wolken zogen am Himmel vorbei. Die Vögel flogen über die Stadt und die Sonne stand hell leuchtend über dem Horizont. Mein Weinen hatte sich in leises Schluchzen verändert und schließlich zu einem trauernden Schweigen.

Dann hörte ich, wie jemand vorsichtig die Tür aufschob und leise zu mir trat. Doch ich bewegte mich nicht. Es war mir egal. Ich wollte niemanden sehen. Also ignorierte ich diese Person einfach und blickte in den Garten. Auch die Person schwieg und sah mich wohl nur an. Es war leise. Würde ich die sie nur lang genug ignorieren, würde sie wohl verschwinden. Egal wer es war. Ich wollte niemanden sehen. Es war einfach nur tiefer Hass, den ich in mir spürte.

Plötzlich bemerkte ich Bewegung auf den Holzplatten, die sich mir näherten. Doch ich ignorierte sie noch immer. Im nächsten Augenblick erkannte ich Beine links und rechts neben mir, bekleidet mit einer schwarzen Hose mit Riemen. Es war Shiro der sich hinter mich setzte.

Ich versuchte standhaft meine Abneigung gegen alles aufrecht zu erhalten und wollte auch ihn stur ignorieren. Doch das gelang mir nur schwer. Denn nun faste Shiro mich an meiner Hüfte und hob mich unbeschwert hoch. Dann setzte er mich auf seinen Schoß wieder ab. Überrascht blickte ich um mich. „Was soll das?!“, fauchte ich mürrisch, ohne ihn anzusehen. Gereizt blieb ich jedoch sitzen und überkreuzte meine Arme sturr.

Shiro wirkte ruhig. Er setzte mich einfach ab und legte seine Arme um meinen Bauch. Seine Hände waren kalt. Sein Körper war kalt. Doch mich erfüllte seine Nähe mit Wärme. Obwohl er nur schwieg, milderte er damit meine Wut. Nachdenklich sah ich herab und zügelte meinen Zorn gegen ihn. „Was willst du?“, fragte ich nun.

Sanft beugte er sich etwas vor und lehnte seinen Kopf an meine Schulter. „Ich weiß, wie du dich fühlst.“, flüsterte er mir leise ins Ohr. Erschrocken riss ich die Augen auf. Dann bis ich die Zähne zusammen. Sofort begannen Tränen an meinen Wangen herunter zu kullern und tropften zu Boden. Ich schluckte schwer. „Warum… tut das nur so weh..“, fragte ich leidend. „Warum… schmerzt das so.. ich.. halte es nicht aus..“, winselte ich. Dann legte ich meine Hände vor mein Gesicht und begann zu weinen. Ich weinte laut. Ich weinte aus tiefstem Herzen. Ich weinte vor Schmerzen. Ich weinte über meine Hilflosigkeit. Würde Shiro mich nicht halten, wäre ich vor Trauer zusammengebrochen. „Shiro.. es.. tut so weh…“ Mein Herz schmerzte so sehr, als würde es zerspringen. Doch Shiro drückte mich fest an sich. „Ich weiß..“, antwortete er leise. Ich drückte mich an ihn und weinte. Ich konnte nichts anderes tun, außer zu weinen. Ich spürte meine Beine nicht mehr. Mein Herz raste. Meine Hände zitterten. Ich wollte nur noch sterben. Weinend drehte ich mich zur Seite und legte meinen Kopf an seine Brust. „Wie… kannst du diesen Schmerz nur aushalten..“, fragte ich ihn und schloss schmerzerfüllt die Augen. Ich lag in seinen Armen und wimmerte. Es wäre ein Wunsch von mir, dass dieser Schmerz einfach aufhörte. Ich wollte nichts mehr fühlen. Ich wollte einfach einschlafen und nie wieder aufwachen.

„Ich… habe einfach keine Lust mehr… Wie schafft du das nur..?“, weinte ich. Doch plötzlich spürte ich etwas auf meine Wange fallen. Ich hielt die Luft an und öffnete verwundert die Augen. Es war kalt. Ich legte meine Hand auf meine Wange und spürte eine eisige Träne von Shiro. Verwundert blickte ich zu ihm auf und erschrak. Ich schaute sprachlos in seine verweinten Augen. Doch er lächelte sanft. „Alleine ist es ist nicht auszuhalten..“, antwortete er ehrlich.

Seine Worte wirkten so liebevoll. Obwohl auch er weinte, schien er glücklich und doch traurig zugleich. Seine hellen Augen blickten tief in meine. Einen Moment blieb die Zeit stehen. Mein Körper wurde schwach und mein Herz beruhigte sich. Ich erkannte, dass er mich brauchte, so wie ich ihn brauchte. Ich sah, dass er verwirrt war, genauso wie ich verwirrt war. Ich spürte, dass er einsam war, so wie auch ich einsam war. Ich wusste, dass er die einzige Person war, die mich verstehen konnte, so wie ich ihn verstehen konnte.

„Yuki. Wenn du willst, bleibe ich bei dir, solange du möchtest. Ich werde dich nicht alleine lassen, wenn du mich brauchst.. auch wenn es für immer bedeutet.“

Schweigend sah ich ihn an. Es war leise. Die Sonne schien auf uns. Unsere Blicke kreuzten sich lange. Kein Wort traute sich von meinen Lippen. Seine Nähe fühlte sich so angenehm an. Ich wollte, dass er bei mir blieb. Ich wollte, dass er mich immer halten würde. Ich wollte, dass er mich immer so ansah, wie in diesem Moment. Doch ich konnte es ihm nicht sagen. Ich konnte ihm nicht antworten. Auch wenn ich es wollte. Doch ich traute mich nicht. Ich schaffte es nicht. Ich konnte ihm nicht sagen, wie wichtig er mir war. Warum nicht?

Zurückhaltend senkte ich wieder meinen Blick und legte meinen Kopf wieder an seine Brust. Meine Tränen hielten an und mein Herz war beruhigt. Doch warum, konnte ich ihm nicht antworten? „Was.. ist das für ein Gefühl..“, fragte ich ihn ehrlich und sah verlegen weg. Mein Körper fühlte sich so schwach an. „Ich.. ich..“, kam es nur stotternd von mir. Doch Shiro lächelte und rückte mich an sich. „Ist es denn das gleiche, was ich fühle?“, fragte er leise.

Ich wollte mir einreden, nicht zu wissen, was er fühlte. Doch ich fühlte es. Ich wusste es. Denn ich empfand genau das gleiche.

Meine Wangen wurden rot. Schamhaft drückte ich mich näher an ihn. „Ja…“, flüsterte ich ohne ihn anzusehen.

„Soll ich bei dir bleiben?“, fragte er nun. Mein Bauch begann zu kribbeln. Aufgewühlt drückte ich einen Fuß gegen den anderen. „Ja…“, antwortete ich wieder und nickte nervös. Doch jetzt lehnte er sich etwas zurück. Sanft legte er seine Hand an meine Wange und drehte mich zu sich. Ich blickte in seine Augen. Er sah mich so innig an, als würde er meine Gedanken lesen können. „Für immer?“, fragte er zuletzt. Seine Stimme klang liebevoll. Wieder verschlug es mir die Sprache als ich ihn ansah. In diesem Augenblick ging es nur um uns. Ich blendete alles andere aus. Ich fühlte, wie er mich behutsam in seinen Armen hielt. Ich fühlte mein Verlangen, ihn an meiner Seite haben zu wollen.

„… Ja…“, antwortete ich leise und konnte meine Blicke nicht von ihm nehmen. Mein Herz schlug kraftvoll. Doch es fühlte sich so schön an. Obwohl mich in diesem Moment ein Gefühl von Hilflosigkeit erfasste, half Shiro mir, standhaft zu bleiben.

Er lächelte süß. „Das freut mich..“, flüsterte er erleichtert. Dann lehnte er sich wieder vor und küsste mich sanft auf meine Stirn. „Das freut mich wirklich..“, sprach er leise und drückte mich an sich. Auch ich legte mich zurückhaltend doch glücklich in seine Arme. Ich blendete alles andere aus. Ich legte meine Hand auf seine Brust und schwieg. Es brauchte keine Worte mehr in diesem Moment. Das unausgesprochene war uns bewusst, doch traute weder er, noch ich es in Worte zu fassen. Also blieben wir sitzen und genossen die Nähe des anderen.

Zusammen saßen wir dort und ließen uns von der Sonne wärmen. Nichts sollte uns stören. Wir wollten nur unsere gegenseitige Nähe spüren. Wir wollten einfach nur zusammen sein. Egal was passiert war. Wir gaben uns gegenseitig die Kraft, weiter zu machen und nach vorn zu sehen.

Ich hatte mein Zeitgefühl verloren. Die Sonne schien noch hell am Himmel doch es fühlte sich an, als hätten wir den gesamten Tag dort gesessen. Ich hatte meine Augen geschlossen und döste vor mich hin. Mein Kopf war an seiner Schulter gelehnt und meine Hand lag auf seiner Brust. Ich erholte mich. Shiro hatte sich an den Holzpfosten gelehnt und blickte träumend in den Himmel. Seine Hand lag auf meinen Beinen. Nach einer Weile hörte ich wieder die Vögel zwitschern, öffnete müde die Augen und sah in den Garten. Ich kuschelte mich in seine Arme und atmete beruhigt ein.

Nun sah Shiro zu mir. „Hmh.. Geht es dir besser?“, fragte er. Meine Augen waren noch müde und geschwollen von den Tränen. Aber mein Körper war entspannt. Nachdem er mich das fragte, begann ich auf einmal zu kichern. „Hmh.. Ja. Hihi.“ Auch er begann fragend zu lächeln. „Was ist denn so lustig?“, fragte er mich neugierig.

Ich raffte mich ein wenig auf und legte meine Hand um seinen Hals. Dann lehnte ich meinen Kopf wieder träumend an seine Schulter und sah herab. „Ich weiß nicht warum mir das gerade einfällt.. aber.. ich denke gerade daran, was wir schon alles erlebt haben. Du hast mich alleine in die Dämonenmasse laufen lassen, als ich den ersten Tag in dieser Welt war, aber hast mich vor dem Dämonenmädchen beschützt. Du hast mich alleine im Regen sitzen lassen, aber hast dich um mich gekümmert als ich krank war. Du hast mich vom Dach der Schule geschmissen. Aber hast mich damals vor Darius beschützt.“ Shiro runzelte etwas die Stirn. „Also.. das mit dem Dach..“, unterbrach er mich und kratze sich an der Schläfe. „Ich.. hoffe du weißt, dass ich alles unter Kontrolle hatte. Auch wenn es nicht so aussah.. Aber ich würde dich nie einer Gefahr aussetzen!“, begann er ertappt zu erklären. Vergnügt von seiner stotternden Rechtfertigung drückte ich mich an ihn. Dann flüsterte ich ihm vertraut zu. „Ich habe dir gesagt, dass ich dir vertraue. Weißt du noch? Und das ist auch immer noch so. Ich vertraue dir.. Shiro..“, antwortete ich leise und beruhigte ihn. Shiros Körper entspannte sich wieder und er atmete beruhigt aus.

Verträumt blickte ich in den Garten. „Wir haben gegen Räuber in einer Höhle gekämpft und waren zusammen Eis essen. Du warst als Mensch bei mir und hast in meinem Zimmer übernachtet. Und wir waren bei Atropos. Wir sind durch meine Heimatstadt gelaufen und ich war dir zu langsam. Du hast mich den ganzen Weg lang getragen.“, zählte ich glücklich auf. „Wir haben Kintaro geholfen. Ich hatte dich in meinem Schrank eingeschlossen, als ich dachte, dass mein Vater in mein Zimmer käme. Aber dann war es doch nur Mephisto. Wir… waren auf einem Ball und haben getanzt.. Und.. wir sind.. zusammen vom Atrium gesprungen und sind geflohen…“, zuletzt wurde meine Stimme immer leiser und zurückhaltender. Denn es erinnerte mich an die harte Realität und dass wir Lilith noch immer als Feind hatten. Doch ich sah nun zu ihm auf. Shiro hörte mir zu. Er lauschte jedes meiner Worte und erinnerte sich ebenso wie ich. „Shiro…“, sagte ich nun sicher. „Ich.. kann mir nicht vorstellen, dass du nicht mehr bei mir wärst. Und ich kann mir nicht vorstellen, nicht mehr bei dir zu sein.“, fügte ich hinzu. Er sah mich mit einem liebevollen Blick an und streifte ein paar Haare von meiner Wange. Dann zeigte er mir nur sein wunderschönes, erleichtertes Lächeln.

„Aber..“, nun runzelte ich nachdenklich die Stirn und sah wieder weg. Dann blickte ich in den Garten hinein. „Egal wie sehr ich diesen Moment genießen möchte… Wie wird es denn nur weiter gehen? Ich kann nicht aufhören, darüber nachzudenken.“, gestand ich ihm. Shiro atmete tief aus und sah ebenso in den Garten. „Ich denke, wir sollten das nicht alleine entscheiden. Sondern mit den anderen zusammen.“ „Hmh…“, nickte ich ihm zu. „Wir sollten zu den anderen.“, sagte ich und versuchte mich aufzuraffen. Ich stützte mich auf meine Arme und drückte meinen Körper hoch. Doch im nächsten Moment ließ ich mich erschöpft zurück in seine Arme fallen. „Aber ich will gar nicht aufstehen..“, jammerte ich und kuschelte mich weiter an ihn.

Doch er hielt mich in seinen Armen und stand mit mir zusammen auf. Dabei hob er mich von sich und stellte mich aufrecht hin. „Sei nicht so träge.“, begegnete er mir. Schlapp stand ich vor ihm und lehnte meinen Kopf gegen seinen Arm. „Lass mich.. ich bin… müde.“, beklagte ich mich. Shiro legte seine Hand auf meine Schulter und drückte mich vorsichtig von sich. .„Deeon wollte noch mit dir sprechen.“, sagte er vorsichtig. Als er diesen Namen erwähnte, schmollte ich und wandte mich von ihm. „Hmg… Warum..?“, fragte ich ihn mürrisch und umklammerte mich mit meinen Armen. „Wieso ist er überhaupt noch hier. Und warum akzeptierst du das?“, fragte ich als nächstes. Doch Shiro grinste und streichelte mir über den Kopf.

Er erkannte diese Abneigung die ich gegen Deeon hatte. Denn genau diese hatte auch er für eine lange Zeit.

„Komm jetzt“, sagte er jedoch und zeigte mit einer leichten Kopfbewegung zur Tür ohne mir eine Antwort zu geben. „Wieso bleibst du auf einmal so locker, wenn es um Deeon geht?“, fragte ich ihn mürrisch. Shiro legte gerade seine Hand an die Tür doch stoppte nach meiner Frage. „Weil… ich es jetzt verstehe..“, antwortete er mir, ohne mich anzusehen. Seine Antwort war ehrlich. Doch warum hatte er seine Meinung plötzlich gegen ihn geändert? Ohne weiter darauf einzugehen sah ich ihn verwundert an. Nun schob Shiro die Tür auf. Ich blickte an ihn vorbei, in den Raum hinein. Es war mir unangenehm, denn ich hatte das Gefühl, als wenn alle auf uns warten würden. Kisho, Kitsune und Kazumi saßen an dem Teetisch und hatten sich mit Deeon unterhalten, der an der Wand stand und sich anlehnte. Als Shiro jedoch die Tür öffnete, drehten sie sich schweigend zu uns.

Ich schluckte leicht bei diesem Anblick. Besonders als ich Deeon dort stehen sah. Ich wusste nicht wie ich reagieren sollte. Sie waren alle so still und beobachteten uns. Doch als ich zögernd etwas zurückschreckte, spürte ich Shiros kalte Hand. Ich sah herab. Er faste kommentarlos meine Hand und ließ sie nicht mehr los. Dann lief er voraus und ich folgte ihm in den Raum hinein.

Auch als wir vor ihnen stehen blieben, ließ er meine Hand nicht los.

„Yuki. Ich hoffe, dir geht es besser.“, begann Kazumi sanft zu sprechen und blickte zu mir auf. Ich begann meine Hände zu ballen. Dabei drückte ich auch Shiros Hand, wodurch ich mich sicherer fühlte. „J.. ja…“, antwortete ich und blickte weg. „Hihi. Was hat Shiro denn gemacht? Hmh?“, fragte Kitsune auffällig und zog eine Augenbraue grinsend hoch. Ich blickte sie erschrocken mit großen Augen an. „Was?!“, fragte ich errötet und zog meine Hand zu mir. Sofort begann Kitsune zu lachen. „Haha. War doch nur ein Scherz! Oder so..“, grinste sie mich an. Als nächstes bemerkte ich Deeon vortreten. „Yuki..“, begann er und lief auf mich zu.

Verschreckt ging ich einen Schritt zurück und blickte ihn mit schockiertem Blick an. Bevor er mir näher kommen konnte, stellte Shiro sich jedoch vor mich und packte Deeon an seinem Arm. Schweigend blieb er stehen und sah Shiro, über seine Schulter blickend an. „Nur, weil ich dich nicht mehr töten werde, heißt es nicht, dass ich dir nicht im Weg stehen werde.“, sprach Shiro mit drohenden Unterton.

Nun wandte Deeon sich mir zu, doch ich konnte ihn nicht ansehen. Ich versuchte ihn in diesen Moment zu hassen. Doch tief im Innern konnte ich es nicht. Ich schaffte es nicht, ihm mit so viel Unmut entgegen zu stehen, wie ich es eigentlich wollte doch ich schaffte es auch nicht Freundlichkeit zu zeigen. Ich begegnete ihm nur mit einem verurteilenden Schweigen.

Am liebsten wäre ich gegangen. Seine Worte wollte ich nicht hören. Seine Stimme wollte ich nicht hören. Denn sie machte nicht rückgängig, was geschehen war. Der Gedanke, dass ich ihm vertraute, schmerzte nur noch mehr. Ich fühlte mich so von ihm hintergangen. Ich hätte den anderen glauben sollen. Es war nur die Kraft der Engel, die mich so an ihm faszinierte. Es war nur die Nähe von Nami, die ich in ihm wiederfand und so liebte. Es war nicht er selbst, der meine Gefühle gewann, sondern nur seine Illusion, die meine Blicke trübte.

Nachdenklich sah Deeon nun zu Boden. „Es ist ironisch, dass ich ständig den Menschen schade, die mir am wichtigsten sind...“, hörte ich ihn nun sprechen. Erschrocken blickte ich zu ihm. Es war, als wenn es mir die Luft weg schnürte, sobald ich seine Stimme hörte.

„Misaki war stark.“, sprach er weiter. „Sie war immer ehrlich. Sie hat einfach alles geschafft was sie wollte und war immer selbstlos. Anfangs dachte ich, sie wäre ein Engel gewesen.“ „Deeon! Lass es.“, hielt Shiro ihn auf und drückte ihn zurück. Doch als Deeon den Namen meiner Mutter erwähnte, wurde ich aufmerksam. Mein Herz schmerzte, wenn er ihren Namen sagte, doch ich hatte so viele Fragen. Ich wollte so viel wissen. „Warte Shiro.“, sagte ich laut und lief auf sie zu. „Hmh?“, überrascht drehte Shiro sich zu mir und nahm den Arm runter. „Wie.. hast du sie kennen gelernt?“, fragte ich Deeon zögerlich und stellte mich zu Shiro. Ich legte meine Hände auf meine Brust und blieb vorsichtig stehen.

Deeon blickte herab und dachte nach. „Ich.. erinner mich an sie, als wenn nur wenige Tage vergangen wären..“ antwortete er mir. Aus seinen Augen strahlte die Liebe der Erinnerung, doch ebenso die Trauer seines Verlustes. „Erzähl es mir. Ich .. will es wissen.“, sprach ich selbstbewusst und sah ihn fordernd an.

Shiro stand noch immer schützend vor mir und wartete ab. Doch Deeon drehte sich von uns weg. „Ich kann nicht..-“ „Erzähl mir alles. Deeon! Das ist das Mindeste!“, sprach ich befehlend und sah ihn ernst an. Nun war es still.

Deeon hätte meiner Worte nicht nachkommen müssen. Er musste sich nicht von Shiro aufhalten lassen. Er hätte uns alle ignorieren können, doch das tat er nicht. Sein Wille, sich zu entschuldigen und unsere Freundschaft nicht zu verlieren, war ihm wichtig. Auch wenn ich ihm negativ gegenüberstand, begann er sanft zu lächeln.

Wir sahen gespannt zu ihm. Mit nachdenklichem Blick, wandte er sich von uns ab und lief zurück an die Wand. „Wo.. fange ich an..?“ begann er zu erzählen. „Ich.. Ich war nie ein Engel, der sich an Regeln hielt.“ Dann drehte er sich zu uns und lehnte sich wieder mit seinem Rücken an. „Ich weiß nicht, ob das eher meine größte Schwäche oder meine größte Stärke war, immer gegen den Strom zu schwimmen.“, erklärte er weiter und sah wieder auf. Wir beobachteten ihn und hörten ihm genau zu. „Wir, die gefallenen Engel leben nicht wirklich in dieser Welt oder gar in der Menschenwelt. Wir leben alle zusammen im Haus der Engel und arbeiten für unsere Zukunft. Eine große Bürde, wenn man weiß, wie wichtig unsere Arbeit für das große Ganze ist!“, versuchte er sich zu rechtfertig. Doch betrübt blickte er aus dem Fenster. „Aber… ich.. wollte diese Bürde nie haben. Und ich versuchte ständig davor zu flüchten… und an diesem Tag war eigentlich alles wie immer. …“, erklärte er, und erinnerte sich.
 

Deeon spähte vorsichtig durch den Spalt einer weißen Tür heraus. Er blickte in eine große, hell erleuchtete Halle. Massen von anderen Engeln liefen konzentriert herum und an ihm vorbei. Es war eine riesige Halle die auf zwei Ebenen aufgeteilt war. Durch die Tür sah er direkt zu einer breiten, steinigen Treppe, die zu zwei verschiedenen Korridoren hinauf führte. Die oberen Bereiche waren mit Geländer gesichert. Viele Türen führten zu anderen Räumen und Büros, zu Lagerräumen und Aufenthaltsräume. Es ähnelte einem riesigen Gebäudekomplex mit dem Design eines Schlosses. Nur Engel lebten dort. Sie trugen neumodische und moderne Kleidung und zeigten ihre Flügel. Nur Deeon hielt seine versteckt. Einige trugen schneeweiße Federn, andere waren grau oder rot, braun und sogar lila. Anders als in der Dämonenwelt, die zurückgeblieben und traditionell wirkte, war es dort modern. Sie trugen Anzüge, lässige Kleider, moderne Brillen oder Uhren. Neuzeitige, elektronische Geräte waren dort Standard.

Routiniert und strukturiert folgten sie ihren alltäglichen Arbeiten. Manche genossen eine kurze Pause, andere bereiteten sich auf ihre nächste Schicht vor. Vereinzelt trafen sich kleine Gruppen für ein kurzes Gespräch, ehe es wieder an die Arbeit ging. Grundsätzlich hatte jeder nur seine Arbeit im Sinn. Es war ihr gewohnter Tagesablauf. Da sie die einfache Möglichkeit hatten in die Menschenwelt zu reisen, waren ihnen die neuzeitige Erfindungen und Kulturen nicht fremd. Sie nutzten das Wissend er Menschen für sich und galten damit in der Dämonenwelt als weise. Es war ihnen nicht nur möglich, unbeschwert in die Menschenwelt zu reisen, es war sogar ihre Arbeit, den Überblick in der Menschenwelt zu behalten. Doch nicht als Schutzengel um die Menschen zu schützen, wie man es aus Mythen kannte. Sondern alleine um ihre eigene Existenz zu sichern, selbst wenn es dafür Menschenleben kostete. Es ging nur um die Arbeit und darum ihr Ziel zu erreichen, egal welche Opfer es dafür geben musste.

Deeon lief rasch aus der Tür heraus und schloss sie leise hinter sich. Dabei blickte er sich stets um, denn er wollte unbemerkt bleiben. Nachdem er kurz seine Kleidung richtete, die traditionell wirkte, statt modern, sah er zur Seite. Am Ende dieser Halle war ein offenes, großes Tor welches in ein helles Licht führte.

Er wollte sich unbemerkt durch die Masse seiner Geschwister schleichen. Auf eine Konfrontation wollte er verzichten. Also begann er mit schnellen, aber unauffälligen Schritten weiter zu laufen. Er lief an der Treppe vorbei und wollte sich schleunigst dem Ausgang nähern. Die anderen Engel wirkten uninteressiert an ihm. Sie hatten ihre eigene Arbeit vor sich und bemerkten seine heimliche Art nicht.

Doch gerade als er am Fuße der Treppe vorbei lief, hörte er plötzlich seinen Namen. „Deeon!“, rief jemand auffordernd von der obersten Stufe der Treppe. Ertappt blieb Deeon stehen und rollte die Augen genervt. „Du haust schon wieder ab?“, wurde er kontrollierend gefragt. Versuchend ruhig zu bleiben, drehte er sich nun zur Treppe und sah hinauf. Ein attraktiver Mann mit langen schwarzen Haaren und pechschwarzen Flügeln stand oben und schaute zu ihm hinab. Er trug ein schwarzes Hemd und eine schwarze Anzugweste darüber. Sein Jackett ließ er lässig über die Schulter hängen. Dazu trug er eine schwarze Anzughose und schwarze Lackschuhe. Die Ärmel seines Hemdes waren hochgekrempelt und an seinen Handgelenken trug er vier Uhren, die unterschiedliche Zeiten angaben.

„Ich habe noch etwas zu erledigen. Keine Sorge.“, antwortete Deeon und versteckte sich hinter einen lieben Lächeln. Doch der Mann zog eine Augenbraue hoch. „Was für Kleidung trägst du denn da? So gehst du nicht zu den Menschen oder?“ Deeon sah an sich herab. „Ehm. Natürlich nicht.“, antwortete er zögerlich. „Aber kritisier bitte nicht meinen Stil. Ich mag ihn.“, fügte er dann hinzu und lächelte wieder sanft um gelassen zu wirken. Doch der Mann bemerkte seine innere Unruhe und legte seinen Kopf etwas schief. „Das ist uralter Fummel. Du solltest nicht mehr in der Vergangenheit leben.“, sprach er weiter und überkreuzte seine Arme. Dann machte er eine auffordernde Kopfbewegung. „Arbeitest du?“, fragte er als nächstes. Deeon hob die Schultern locker. „Natürlich. Was sollte ich sonst tun.“, log er ihn an, um den Mann zu beruhigen. „Deeon, vergiss nicht, wie wichtig unsere Arbeit ist. Ich habe keine Zeit jeden zu kontrollieren. Wir müssen alle zusammenhalten.“, sprach er mahnend und doch freundschaftlich. „Beeile dich also.“, ließ er ihn trotz der Mahnung gehen. „Ich weiß, Bruder.“, begegnete Deeon ihm und drehte sich wieder um. Dann lief er mit unauffälligen Schritten die Halle hinunter, gefolgt von den beobachtenden Blicken des schwarzhaarigen Mannes.

Doch Deeon lies sich davon nicht weiter beeinflussen. Er folgte dennoch seinem eigenen Plan. Und dieser war es, sich in die Menschenwelt zu flüchten und seine Sorgen zu vergessen. Also lief er weiter bis zu dem Tor, ohne stehen zu bleiben. Einige Engel kamen ihm aus dem Tor entgegen. Andere gingen wie er hindurch. Es war der schnellste Weg in die Menschenwelt. Deeon machte einen Schritt nach dem anderen, ohne sich noch einmal umzudrehen. Dann trat der hindurch.

Es war hell und warm, als er durch ein weißes Nichts lief. Der Weg zur Menschenwelt war nur durch wenige Schritte mit dem Tor verbunden. Und im nächsten Augenblick, fand er sich schon in einem kleinen Wald eines Parks wieder. Er war endlich in der Menschenwelt angekommen.

Erleichtert blickte er in den Himmel und atmete beruhigt aus. „Hmh. Endlich.“, lächelte er. „Oh.. Moment.“, sprach er sich schnell zu und sah erneut an sich herab. Mit einem Schnipsen veränderte sich seine Kleidung. Statt der traditionellen, weißen Kleidung, trug er nun eine einfache Jeanshose, ein blaues Shirt mit einer dunkelblauen Stoffjacke und bequemen Schuhen. „Das sollte besser sein.“ Nun blickte er sich um. „Hmh.. wo bin ich dieses Mal gelandet?“, fragte er sich.

Deeon wollte nicht seiner Arbeit nachgehen. Stattdessen wollte er eine Auszeit genießen und reiste immer an andere Orte der Menschenwelt. Dennoch brauchte er ein Ziel auf seiner Reise. Es erfüllte ihn, den Menschen einfach nur zu helfen. Er gab ihnen das, was sie sich wünschten.

Die Lebenszeit der Menschen war nur begrenzt. Sein Leben dagegen war unendlich. Er wurde erst sehr spät erschaffen. Somit war er zwar mehrere Tausend Jahre alt, hatte jedoch nicht die Erschaffung der Welt miterlebt. In seinem früheren Leben, als er Gott diente, war er den Angeloi zugeordnet. Es waren Engel, die Menschen halfen und ihnen Botschaften überbrachten. Über ihm standen Engel die Dynameis zugeordnet waren, sie sorgten, für ein gewisses Gleichgewicht in der Menschenwelt. Nur die Seraphim hatten eine noch höhere Position. Sie standen neben Gott und waren seine erstgeborenen, wie Malakhim, Gabriel, Harut und Luzifer.

Die gefallenen Engel, wie Deeon und seine Geschwiter, folgten Luzifers Anweisungen. Sie glaubten, dass nur er sie anführen könnte um ihnen einen grausamen Tot zu ersparen. Denn Luzifer forderte Freiheit und ein eigenständiges Leben. Alle die seiner Meinung waren, fielen mit ihm vom Himmel und wurden verbannt. Somit blieb Deeon nichts anderes übrig, als sich seinen gefallenen Geschwistern anzuschließen, auch wenn er das nie wollte.

Da er damals viel Zeit mit den Menschen verbrachte, waren sie auch nach seinem Fall interessant für ihn geblieben. Er war fasziniert von den Ideen und den Gefühlen, der Stärke und der Freude der Menschen. Obwohl sie so schwach waren, waren sie stark. Sie erschufen nur durch Willenskraft, alles was sie wollten. Trotz der grausamen Menschen, gab es immer noch die Liebenden, die sich für andere opferten. Sie waren zu so vieles in der Lage. Trotz ihres Unwissens über ihr eigenes Leben und der Welt, gaben sie nie auf. Egal wie oft sie schwere Krisen überwältigen mussten, machten sie immer weiter. Auch wenn es eine schlechte Seite der Menschen gab, faszinierte Deeon immer nur das Gute im Menschen.

Er wollte, dass Menschen glücklich sind. Denn das Leben als Menschen war in seinen Augen hart. Daher war es noch schöner für ihn zu sehen, wenn sie sich freuten. Das war sein Ziel. Er wollte Menschen glücklich machen und ihnen das geben, was sie sich wünschten.
 

Deeon lief aus dem Gebüsch heraus und lief in die Mitte des Parks hinein. Es wirkte alles friedlich und ruhig. In der Mitte des Parks war ein Springbrunnen an dem eine Frau mit ihrem Kind entlang lief. „Mama! Bitte! Ich möchte das so gerne! Nur Schokolade!“, flehte sie ihre Mutter an und zeigte auf einen kleinen Eisstand, der auf der anderen Seite des Brunnens stand. Sie ließ sich von ihrer Mutter ziehen und wollte ihren Willen durchsetzen. Doch die Mutter lief mit ihr weiter. „Nein! Du weißt warum! Hör auf so zu quengeln! Wir müssen das Fahrrad holen!“, fauchte sie ihr Kind an und zeigte auf die Fahrräder am Rande des Parks. Doch die Kleine zog ihre Hand weg. „Aber Mama! Bitte!“ „Kein Aber.“, antwortete die Mutter und hob gestresst ihren Finger. „Ich habe dafür keine Nerven! Bleib kurz da, ich hole das Fahrrad.“, sagte sie nur wütend und drehte sich wieder um. Schnell ging sie zu den Fahrrädern, die sich nur wenige Meter von ihnen befanden.

Deeon blickte das traurige Mädchen an. Sie hatte rote Augen und weinte beinahe. Unglücklich stand sie da und blickte ihrer Mutter nach. Nun lächelte Deeon und lief auf die Kleine zu. Er wusste, was er zu tun hatte. „Na du.“, sprach er sie an und kniete sich zu ihr. Dabei hielt er eine Hand hinter seinem Rücken. Sie drehte sich fragend zu ihm aber ging einen Schritt zurück. „Ich.. darf nicht mit Fremden sprechen!“, blockte sie sofort. Doch Deeon lächelte sie liebevoll an. „Du musst nicht mit mir sprechen.“, lachte er nett. „Ich habe mitbekommen, dass du dieses Eis haben wolltest, stimmt das?“ Sie sah ihn zurückhaltend an, aber nickte. „Weißt du was? Ich arbeite da, und habe zufällig ein Schokoladeneis für dich!“, erklärte er nun und holte ein Schokoladeneis in einer Waffel hinter seinem Rücken hervor.

Die Augen des kleinen Mädchens wurden riesig. Sie strahlte ihn glücklich an. „Haa! Darf.. darf ich das haben?“, fragte sie ihn und riss den Mund auf.

„Natürlich. Aber nur, wenn du lieb zu deiner Mutter bist.“, grinste er und gab ihr das Eis. „Ja! Ja!! Ich bleibe artig!“, sprach sie hastig und nahm mit beiden Händen das Eis. „Danke!“, strahlte sie ihn an und begann an dem Eis zu lecken. „Hmhh! Lecker!“, nuschelte sie während sie von ihm weg ging.

Deeon war stolz auf sich. Er hatte einem kleinen Mädchen die Tränen getrocknet und hat etwas Gutes getan. Dies war das Gefühl, was er suchte um selber Glücklich zu sein.

Gelassen legte er nun seine Hände in die Hosentasche und lief weiter. „Hmh. In dieser Stadt war ich noch nicht. Mal sehen, wo ich noch helfen kann. Danach werde ich mal bei Mephisto vorbeischauen und Ar-… ach.. er nennt sich ja jetzt Schattenmann…“, sagte er zu sich. Dann lief er aus dem Park hinaus.

Die Vergangenheit

Der Tag neigte sich dem Ende zu. Es war ein warmer Frühlingswind, der Deeon durch die Straßen dieser kleinen Stadt trieb. Er hatte bereits vielen Menschen geholfen und ihnen das Geschenkt, was sie sich wünschten. Darunter war ein armer Mann, mit Lumpen und vermackten Schuhen. Er hatte sich Geld gewünscht. Also gab er ihm einen Bündel Scheine. Eine weitere Frau hatte das Angebot eines Schuhgeschäftes verpasst. Sie wünschte sich Schuhe einer seltenen Kollektion, welche Deeon ihr geschenkt hatte. Es waren meist nur kleine, lapidare Angelegenheiten, die dennoch die Menschen glücklich machten.

So war auch Deeon glücklich und schlenderte gemütlich durch die Stadt, zurück zum Park. Er lief an einem Kaffee vorbei und über eine Brücke. Die Sonne ging bereits langsam unter und ließ die Stadt in einem warmen rot tauchen. Deeon war stolz auf sich und seine Arbeit. Auch wenn es genau das Gegenteil von dem war, das ihm aufgetragen wurde, fühlte er sich wohl dabei. Er hatte die Aussicht genossen und eine neue Stadt kennen gelernt. Außerdem hatte er an diesem Tag vielen Menschen eine Freude machen können. Gelegentlich traf er auf Missachtung da die Menschen Fremden oft kein Vertrauen schenkten doch überwiegend nahmen sie seine Hilfe an.

Mit einem zufriedenen Lächeln auf seinen Wangen wollte er zurück zu dem Ort, an dem er angekommen war. Denn von dort aus war er am unauffälligsten, wenn er die Welten wechselte. Auch wenn nur noch wenige Menschen unterwegs waren, sollte er dennoch vorsichtig sein. Sein nächstes Ziel war nun Shiros Bibliothek.

Als Deeon um die nächste Ecke blickte erkannte er eine Ampel die über eine wenig befahrene, kleine Straße führte. Ein älterer, gebeugter Mann überquerte mit langsamen Schritten die Straße. Seine Beine zitterten und die Hand die seinen hölzernen Stock führte, war auch sehr schwach. Er hatte soeben die andere Seite der Straße erreicht. Doch bei seinem letzten Schritt auf den Bürgersteig stolperte er plötzlich. Im nächsten Augenblick fiel ihm sein Stock aus der Hand und er fiel zu Boden.

Sofort blickte Deeon zu dem Mann der die Orientierung kurz verloren hatte und lief auf ihn zu. Während der Mann versuchte sich überfordert auf seine zitternden Arme zu stemmen, rannte Deeon zu ihm. „Geht es ihnen gut?!“, fragte er laut und erkannte, dass die Ampel ausgeschaltet war. Der Mann musste sofort von der Straße runter. Deeon blieb kurz der Atem stehen. Dann stürmte er zu dem gebrechlichen alten Mann. Als er angekommen war, griff er ihm sofort unter den Arm und wollte ihm aufhelfen. „Ich helfe Ihnen.“, beruhigte er den Mann. Doch im gleichen Augenblick griff eine junge Frau den Mann an seinem anderen Arm. „Ich helfe Ihnen!“, sprach sie gleichzeitig. Als Deeon überrascht auf sah, erkannte er eine braunhaarige Frau mit ernstem Gesichtsausdruck. Sie packte den Mann und schaute Deeon an. „Schnell! Bevor ein Auto kommt!“, sprach sie und deutete auf den Bürgersteig. „Ja!“, nickte er ihr zu. Zusammen halfen sie dem Mann auf. „So. Vorsichtig. Da ist eine Erhöhung.“, sagte sie dem Mann und zeigte auf den Boden. In kürzester Zeit hatten sie ihn nun in Sicherheit gebracht und setzten ihn vorsichtig auf eine Bank. Kurz darauf befuhr schon ein zu schnell fahrendes Auto die Straße und zerbrach den vergessenen Stock in zwei.

„Ohje.. ohje..“, zitterte die Stimme des Mannes. „Das ist sehr lieb von euch beiden.“, bedankte er sich und atmete schwer aus. „Geht es Ihnen gut? Haben Sie sich verletzt?“, fragte die Frau und kniete sich zu dem Mann herunter. „Haben Sie Schmerzen? Bluten Sie?“, fragte sie besorgt und legte ihre Hand auf seine um ihn zu beruhigen. „Ah. Meine Liebe.“, hustete er lächelnd. „Mir geht es gut. Aber.. Ich glaube mein Gehstock hat es nicht geschafft.. Das war ein Geschenk meines Sohnes.“, sagte er betrübt und blickte herab. Deeon schaute kurz zur Straße. Dort erkannte er Holzstücke. Sein Stock war tatsächlich zerbrochen. Doch Deeon ging einen Schritt vor und zückte den gleichen Stock hinter seinem Rücken hervor. „Machen Sie sich keine Sorgen. Hier ist ihr Stock.“, lächelte er liebevoll und streckte ihm diesen entgegen. Die Augen des Mannes wurden groß. „Oh! Wie schön! Danke junger Mann! Vielen lieben Dank euch beiden! Ich weiß auch nicht, was passiert ist…“, freute er sich und legte dann die Hand auf seinen kahlen Kopf.

Die Frau stand auf und lächelte erleichtert. „Das ist ja nochmal gut gegangen. Wo wollen Sie denn hin? Kann ich Ihnen noch helfen?“, fragte sie und setzte sich neben ihn. Verblüfft sah Deeon sie an. Es war selten, dass jemand schneller seine Hilfe anbot als er. Aber der Mann lachte laut. „Hahaha! Nein, nein. Ich werde die letzten Schritte nach Hause selber schaffen. So alt bin ich auch wieder nicht!“, grinste er mit seinem faltigen Gesicht und stand wieder auf. Direkt beugte er sich etwas vor und hielt sich den Rücken. „Ou.. au..“ Als Deeon ihn stützen wollte, hielt er aber die Hand hoch. „Geht schon. Geht schon. Danke! Ich bin doch noch fit wie ein Grashüpfer oder so ähnlich..“, sagte er jedoch und lief weiter.

Deeon und die Frau sahen ihm noch den Weg hinterher, wie er mit seinen wackeligen Beinen bis zur nächsten Ecke lief und schließlich verschwunden war.

Deeon kratzte sich grinsend den Kopf. „Hmh ob das gut geht.“, meinte er und sah ihm noch nach. „Danke.“, sagte die Frau nun glücklich und stellte sich hinter ihn. Deeon drehte sich überrascht um. „Hmh? Wofür?“, fragte er. Sie sah ihn mit einem liebevollen Lächeln an. „Dass sie dem Mann geholfen haben. Und mir dabei geholfen haben, dem Mann zu helfen. Hihi.“, erklärte sie und blickte ihm ehrlich in die Augen.

Deeon fühlte sich geschmeichelt. Er hatte es noch nie erlebt, dass jemand so selbstlos reagierte. Es war stets so, dass er ausschließlich den Menschen half. Es kam selten vor, dass Menschen anderen Menschen in seiner Gegenwart halfen. Und es war das erste Mal, dass ein Mensch ihm half, jemand anderen zu helfen. Andere Menschen, hatten den Mann auf der Straße stehen lassen. Nur diese Frau hatte den Willen, zu helfen, wie auch Deeon.

Die Frau hatte lange braune Haare und ebenso braune Augen. Sie war sehr schlank und Trug eine einfache blaue Hose, dessen Hosenbeine in braune Stiefeletten verschwanden und eine kurze Jacke. Darunter trug sie ein weißes, elegantes Shirt.

Einen Moment fesselten diese braunen Augen Deeons Sinne. Sie blickte ihn so nett an, dass er einen kurzen Moment das Sprechen vergas. Doch dann schüttelte er kurz den Kopf. „Ehm. Natürlich. Ich helfe wo ich kann.“, antwortete er nett. Dann hob er die Augenbrauen. „Ich habe ihnen auch zu danken, für die Hilfe.“ „Ach. Ich kann es nicht mit ansehen, wenn die Menschen immer so tun, als wären sie blind und einfach bei Problemen weg sehen.“, kam es von der Frau. Dies verblüffte Deeon erneut. Sie sprach von den Menschen, als wenn sie selber keiner wäre. Doch ihre Seele zeigte ganz deutlich, dass sie menschlich war.

„So. Ich gehe dann auch mal wieder. Ich wünsche ihnen noch einen schönen Tag.“, lächelte sie und ging einen Schritt rückwärts. Doch Deeon ging ihr einen erschrockenen Schritt nach. „Ehm. Moment!“, stoppte er sie und hob die Hand. „Hmh?“, sie blieb stehen und sah ihn fragend an. Nun war Deeon kurz stumm. Es war eher ein Reflex, dass er sie aufgehalten hatte. „Ehm.. Also. Kann ich ihnen noch etwas helfen? Also. Ich Meine.. Brauchen sie noch etwas.. Ich würde ihnen gerne eine Freude machen…oder..“, begann er zu stottern. Doch sie kicherte. „Nein. Danke. Ich bin wunschlos glücklich. Ich habe alles was ich brauche.“, antwortete sie ihm herzerwärmend.

Diese Antwort hatte Deeon noch nie gehört. Jeder hatte sich etwas gewünscht. Jeder Mensch wollte etwas haben. Zumeist war es Geld. Manche wollten ihre Wünsche auch nicht äußern. Doch, dass jemand gestand, glücklich keine Wünsche zu haben, war ihm neu. Sie verschlug ihm erneut die Sprache. Er blickte sie mit verwunderten Augen an und blieb starr stehen. Doch die Frau winkte ihm nun zu. „Also dann. Tschüss.“, verabschiedete sie sich nett und drehte sich um. Deeon sah ihr noch sprachlos hinterher. Sie überquerte schnell die Straße und lief auf die andere Seite.

Deeon war fasziniert von dieser Frau. Sie hatte eine so liebevolle und wärmende Aura an sich.

Bevor sie weiter lief, ging Deeon schnell zum Ende des Bürgersteigs. „Verraten Sie mir Ihren Namen?!“, fragte er schnell und laut, ehe die Entfernung zu groß war. Mit dem gleichen frischen Lächeln drehte sie sich beim Laufen um. „Misaki! Ich heiße Misaki! Und Sie?“, antwortete sie. Aufgebracht ging er einen Schritt auf die Straße. „Mein Name ist Deeon!“, rief er schnell. Misaki legte ihren Kopf vergnügt schief. „Ok! Tschüss Deeon!“, verabschiedete sie sich erneut und winkte ihm aus der Ferne zu. Deeon blieb erfreut stehen. Diese Frau hatte es als erster Mensch geschafft, ihn glücklich zu stimmen und ihm eine Freude zu machen.

Nachdem Misaki verschwunden war, lief Deeon direkt weiter zum Park um wieder die Welten unbemerkt zu wechseln.
 

Als nächstes lief er in dem überfüllten Atrium umher. Es war wie immer. Die Dämonen liefen zerstreut in alle Richtungen. Sie drängelten und schubsten. Nur um ihn machten sie einen kleinen Bogen. Denn seine Engelsaura respektierten sie. Somit war es für ihn nie ein Problem schnell von einem Ort zum anderen zu gelangen. Während er durch die Gänge und über die Treppen lief, dachte er über diese Frau nach. Misaki hatte einen besonderen Eindruck hinterlassen. Sie wirkte so ehrlich und lieb. Sie war etwas Besonderes und doch nur ein Mensch. Bis er zur Tür der Bibliothek angekommen war, schwirrten seine Gedanken immer um diese Frau.

Als er schließlich ankam, öffnete er die erste Tür und trat durch den weißen, hellen Gang, der als Schutz der Bibliothek diente. Am Ende öffnete sich die Bibliothekstür von alleine. Es knarrte leicht als sie sich öffnete und er hindurch ging.

Vorsichtig lief er herein und klopfte an der offenen Tür. „Hallo?!“, rief er in den Raum hinein. Die Bibliothek war mit viel mehr Büchern gefüllt. Einige Gänge waren mit verstaubten Büchern zugestellt, da die Regale voll waren. Dann schloss er die Tür und sah sich etwas um. „Ist jemand da?!“, fragte er nun und näherte sich dem Sessel am Kamin.

„Deeon?“, fragte eine quietschende Stimme von der oberen Etage. Deeon blickte hinauf. Dann erkannte er Kitsunes Kopf mit ihrem auffälligem roten Haar zwischen einem Stapel Bücher hervor blicken. „Hallo Kitsune!“, begrüßte er sie und setzte sich auf den Sessel. Kitsune räumte einige Bücher zur Seite, dann stolperte sie über einen Stapel und schmiss diesen um. Sie war hinter den Büchern beinahe nicht mehr zu sehen. Doch verspielt hüpfte sie an das Geländer. „Suchst du Shiro?“, fragte sie und steckte ihren Kopf durch die Sprossen. „Der ist schon länger weg… der müsste jeden Moment wieder kommen.“, beantwortete sie direkt ihre Frage. Dann lies sie den Kopf erschöpft sinken. „Ich versuche schon die ganze Zeit ein wenig Ordnung hier rein zu bringen..“, fügte sie ausgelaugt hinzu.

Deeon sah sich kurz um. Die Bibliothek sah durch ihre Arbeit nur schlimmer aus, als vorher. Doch er begann zu lächeln. „Na, wenn er das so wollte.“, sagte er und legte seinen Arm auf die lehne. Jetzt sprang Kitsune naiv über die zerstreuten Bücher und lief die Wendeltreppe hinunter. „Nein. Ich wollte ihm eine Freude damit machen!“, kicherte sie und lief auf ihn zu. „Glaubst du, er wird sich freuen? Er freut sich nie!“ Deeon musste seine Unsicherheit hinter einem versuchtem Grinsen verstecken. „Ah.. Naja.. Er ist ein sturer Kopf. Du kennst ihn ja.“, antwortete er.

Als sie zu ihm lief, hielt sie sich nun ihre Hände vor den Bauch. „Urg.. mein Magen knurrt..“, faselte sie weiter. „Ich hole mir mal etwas zu Essen.. möchtest du auch etwas?“ Fragend lief sie zur Tür und blieb vor ihr stehen. „Nein danke.“ „Gut! Bis gleich!“, quasselte sie sofort und lief hinaus. Hinter ihr knallte die Tür schließlich laut zu. Dann war Deeon alleine.

Als Kistune verschwunden war, seufzte Deeon kurz und drehte sich dann wieder dem Kamin zu. Als er auf den Tisch blickte, erkannte er ein aufgeschlagenes Buch auf welchem eine Schreibfeder lag. Es war über die Hälfte mit Namen gefüllt. Die Buchstaben waren bereits nah aneinander gequetscht.

Deeon wusste, wie Shiro die Seelen sammelte. Und er wusste, dass es kein Ende für ihn geben würde. Die Menge an Menschen, die er tötete war erschreckend für ihn. Doch er wusste, dass Shiro nicht aufhören würde. Nachdenklich blickte er wieder in das Feuer des Kamins.

Im nächsten Augenblick hörte er schon das aufblitzen des schwebenden Spiegels am anderen Ende des Raumes. Es leuchtete kurz und funkelte. Die die spiegelnde Oberfläche wirkte nur noch milchig und durchsichtig. Dann begann die Oberfläche sich wie Wellen auf der Wasseroberfläche zu bewegen. Nach kurzer Zeit trat ein Fuß mit einem blutigen Stiefel hindurch. Er trat in den Raum. Als nächstes folgte der mit Blut befleckte Körper. Shiro kam wieder. Gelassen trat er durch das Portal hindurch. Dann blieb er stehen.

Er sah sich kurz um und richtete seine Weste. Danach drehte er seinen Dolch stolz in seiner Hand und ließ ihn schließlich in der Luft verschwinden. Bevor er weiter lief, blickte er aber in die Kaminecke. „Ah. Deeon.“, sagte er überrascht und erkannte seinen Besuch sofort. „Du kommst noch so spät?“, fragte er und lief auf ihn zu. Dann ließ Shiro sich neben ihn auf die Couch fallen. Er legte die Beine auf den Tisch, lies seine Arme hinter der Rückenlehne baumeln und lehnte seinen Kopf in seinen Nacken. „Uff…“, entspannt atmete er aus und schloss für einen Moment die Augen. Deeon richtete sich zu ihm und betrachtete kritisch das Blut an seinem Körper. Danach richtete er seinen Blick auf den Tisch. Denn Shiro hatte seine Stiefel auf das offene Buch gelegt. Das Blut befleckte die dünnen Seiten. Es tropfte auch an seinen Händen herunter und an seinem Gesicht. „Das ist nicht sehr respektvoll.“, erwähnte Deeon und deutete auf das Buch. Er dachte an die Seelen, die darin gefangen waren. Doch Shiro seufzte nur und schnipste ein Mal mit seinem Finger. „Jaja..“, sagte er mürrisch. Sofort verschwand das Blut von seinem Körper, von seiner Kleidung und von dem Buch. Sogar die blutigen Abdrücke hatten sich aufgelöst.

„Wann hast du das letzte Mal geschlafen? Du wirkst müde und erschöpft.“, fragte Deeon und setzte sich vornehm hin. Seine rechte Hand legte er auf die Armlehne und mit der Linken stützte er seinen Kopf. Doch Shiro beugte sich nun vor und sah ihn genervt an. „Bist du nur gekommen um zu nerven?“, fragte er ihn ironisch und begab sich dem offenem Buch zu. Nebenbei begann er neue Namen auf die Seiten zu schreiben. „Ich sorge mich um dich.“, begegnete Deeon ihm jedoch und blickte wieder weg. Nachdem Shiro seine Aussage ignorierte, versuchte er sich zu beruhigen und lehnte seinen Rücken an den Sessel.

„Ich sehe, du kommst gut voran…“, wechselte er das Thema und schaute auf die Namen, die in das Buch geschrieben wurden. Stolz grinste Shiro. „Ja! Bald besitze ich genügend Seelen um sie mit einem Dolchstoß zu vernichten, wenn sie sich wagt mir gegenüber zu treten.“, erklärte er und schmiss die Schreibfeder gelassen auf den Tisch. Doch Deeon grinste. „Du solltest lieber deine Bibliothek im Auge behalten. Ich konnte einfach so rein kommen. Lass Kitsune nicht immer deine Bibliothek bewachen.. oder aufräumen.“ Dann grinste auch Shiro und lehnte er sich wieder zurück. „Ha. Kitsune darf hier machen was sie möchte. Auch.. wenn es oft sinnlos ist. Außerdem traut sich niemand hier einzudringen. Denn jeden der das versucht.. werde ich vernichten... Ich bin der stärkste Dämon hier.“, sagte er leise vor sich hin. Nachdenklich blickte Deeon in das Feuer und rollte leicht die Augen. Er mochte es nicht, wenn Shiro sich selber als Dämon bezeichnete. Immerhin war er ein Mensch, der nicht dazu stand. „Musst du immer so… sein?“, begann er. Doch Shiro zog eine Augenbraue hoch. „Hmh? Stolz?“, fragte er ironisch. „Arrogant.“, begegnete Deeon ihm. Aber Shiro legte seine Arme hinter seinen Kopf und schloss die Augen. „Du bist ja nur neidisch..“, grinste er.

Auch Deeon musste schmunzeln. Natürlich hatte Shiro Recht. Er war der stärkste Dämon. Und er durfte auch stolz sein. Doch seine übermütige Art sollte Schwierigkeiten mit sich bringen. Egal wie stark Shiro auch war, dies war seine Schwäche.

„Außerdem könntest du auch mal freundlicher zu den anderen sein. Bei mir schaffst du es ja auch.“ „Spielst du mein Kindermädchen?“, kam es von Shiro. „Du weißt, warum ich das mache.. Du bist nicht anders. Jetzt hör auf mich zu nerven. Wo warst du überhaupt den ganzen Tag?“, fragte Shiro nun. „Wieder in der Menschenwelt? Ist etwas Interessantes passiert? Ich frage mich, warum du dort immer wieder hin willst. Egal wie vielen du helfen willst, sie werden sich nie ändern..“

Deeon dachte kurz nach. Ihm fiel sofort die Frau in der Stadt ein, die er an dem Tag getroffen hatte. „Hmh.. ja. Es ist tatsächlich interessant gewesen… glaube ich..“, antwortete er und rieb sich das Kinn. „Glaubst du?“, lachte Shiro. „Erzähl. Was passierte?“, fragte er neugierig und wandte sich zu ihm.

Deeon dachte einen Moment nach. „Hmh.. ich kann es noch nicht ganz erklären was so interessant daran war..“, sagte er und dachte an Misaki. Sie lächelte ihn liebevoll an. Er wusste nicht, warum er so sehr an sie denken musste doch seine Gedanken trugen ihn immer wieder zu ihr zurück.

„Dann geh doch nochmal hin.“, kam es gelassen von Shiro. Deeon stoppte seine Träumerei. „Zurück?“, fragte er nachdenklich. „Natürlich. Wenn es dich so sehr interessiert, geh einfach nochmal hin. Ist doch egal, ob du zwei Mal am gleichen Ort warst.“, versuchte Shiro ihm zu helfen. „Naja, ich weiß nicht, ob das so leicht ist wie du denkst.“, antwortete Deeon lächelnd. „Was genau war denn so interessant?“, fragte Shiro weiter. Doch bevor Deeon antworten konnte, riss jemand die riesige Eingangstür auf.

„Hallöcheeen! Wieder da!“, kam es laut von Kitsune. Sie trat mit breitem Grinsen herein und blickte sofort zu Shiro und Deeon. „Shirooo! Da bist du ja wieder! Ich habe Besuch mitge- AUA!“, Shiro warf ihr ein Buch an den Kopf. „Du sollst klopfen!“, rief er ihr grimmig zu. Das Buch prallte an ihre Stirn und fiel zu Boden. „Au au au..“, rieb sie sich die rote Stelle auf ihrer Stirn.

Hinter ihr lief nun ein Mann mit roten Haaren herein. Er sah zu ihr hinunter und legte eine Hand in die Hüfte. „Achje.. meine Güte, du könnest einfach mal weniger aufdringlich sein, dann hättest du nicht so viele Beulen am Kopf, Liebes.“, sagte Mephisto und wandte sich den anderen Beiden. Als er Shiro auf der Couch sitzen sah, lief er rasch auf ihn zu, stellte sich hinter die Couch und lehnte sich aufreizend über die lehne. „Hmh.. Also ich würde alles tun was du mir befiehlst, Darling. Aber du darfst mich auch gerne bestrafen,“, flüsterte er ihn lieblich zu und lehnte seinen Kopf auf seine Arme.

Doch Shiro schloss genervt die Augen. „Du könnest Abstand halten.“, kam es kalt von ihm. Doch Mephisto sah ihn bestürzt, mit riesigen Augen an. „Heeee? Aber… aber.. aber…“, faselte er überspitzt schokiert. Im nächsten Moment kam noch jemand in den Raum hinein und schloss hinter sich die Tür. „Tja mein Lieber Mephistoteles! Er gehört halt mir.“, grinste Bastet und stellte sich vor alle. Doch Mephisto blickte sie grimmig, mit schlitzigen Augen an. „Na warte.. Eines Tages..“, grummelte er beleidigt. Amüsiert warf sie ihre langen schwarzen Haare über die Schulter und lief elegant auf die Couch zu. Dann setzte sie sich neben Shiro auf die Armlehne und lehnte sich zu ihm rüber. „Hmh. Soll ich dich nachher massieren?“, fragte sie leise und sah zu ihm herunter. Dann wollte sie seine Haare streicheln. „Hey! Lass das!“, fauchte Mephisto aber und trat vor. Sofort sprang Bastet auf. „Ich mache was ich will!“, keifte sie zurück. „Du musst dich nicht so anbiedern! Er will das doch gar nicht!“, stritt Mephisto sich weiter. „Ach! Du weißt doch gar nicht, was er will!“ „Aber du?!“ „Naja! Also.. ICH weiß zumindest, was seine Vorliebe ist, wenn du verstehst..“ „Wag es dich nicht weiter zu sprechen! Unerhört! Als wenn er so eine Furie-“ „Furie?! Wie nennst du mich?“, schrien sie sich gegenseitig an.

Während sie sich im Hintergrund weiter stritten, hielt Shiro sich genervt die Hand vor die Stirn und seufzte. Deeon musste belustigt grinsen. „Naja, ich werde euch mal verlassen.“, sagte er und stand auf. „Natürlich..“, antwortete Shiro und sah ironisch zu ihm auf. „Ich hatte nichts anderes erwartet.“

Deeon lief mit langsamen Schritten rückwärts zur Tür. Dabei zuckte er mit den Schultern und hob die Hände. „Du kennst mich.“, sagte er vergnügt und erkannte Shiros genervten, aber verzweifelten Blick. Er sah ihm schweigend hinterher. Dann lief Deeon durch die Tür und schloss sie hinter sich.

Kitsune stellte sich nun neben Shiro an die Couch. „Keine Sorge. Ich bleibe bei dir.“, lächelte sie lieb. Shiro hob die Augenbraue unbeeindruckt und sah neben sich. „Hmh. Ich weiß.“, kam es von ihm, als er schließlich seine Hand auf ihren Kopf legte und sie streichelte.
 

Als Deeon uns von seiner Vergangenheit erzählte, setzte ich mich aufmerksam zu den anderen an den Tisch. Shiro blieb an meiner Seite und setzte sich mit überkreuzten Armen neben mich. Wir hörten ihm aufmerksam zu.

„Und dann?“, fragte ich leise. Deeon fiel es schwer zu sprechen. Die Erinnerung riss an seinem Herzen. Er pausierte seine Geschichte und dachte nach. Mit einem traurigen Lächeln blickte er zu mir. „Ich habe das getan, was mir geraten wurde, und bin nochmal dort hin gereist.“, antwortete er mir. „Ich bin mehrere Tage an diesen Ort zurück gegangen. Jedes Mal hatte ich die Hoffnung sie wieder zu treffen. Wärend ich wartete half ich den Menschen wieder. Ich gab ihnen einfach was sie wollten. Doch ihre Freude, machte mich nicht mehr glücklich. Mich betrübte zu sehr der Gedanke, sie nie wieder zu sehen. Ich versuchte an der gleichen Tageszeit am gleichen Ort zu sein, ich versuchte vom erscheinen der Sonne bis zum Mondaufgang auf sie zu warten, doch Tage lang war es vergebens. Ich hatte es eigentlich schon aufgegeben. Ein letztes Mal wollte ich wieder durch diese Stadt gehen. Die Menschen dort kannten mich bereits. Das hätte nie passieren dürfen. Das hätte niemals passieren dürfen. Und als ich an dem Kaffee vorbei lief um zurück zum Park zu gelangen, blickte ich nicht mehr gerade aus. Ich sah nur noch zu Boden. Eigentlich ärgerte mich, dass mich ein Mensch so um den Verstand brachte. Ich dachte, es wäre einfacher das alles zu vergessen. Nach so vielen Tagen war ich so leer und deprimiert. Ich wollte zurück und mich einfach meiner Aufgabe als Engel widmen. Das sollte mich ablenken. Und ich war gerade auf dem Weg und wollte es einfach hinter mir lassen und nie wieder in diese Stadt zurückkehren. Doch plötzlich hörte ich meinen Namen von ihrer Stimme.“
 

„Deeon?“, fragte eine Frauenstimme laut. Er blieb starr stehen. Hatte er die Stimme erkannt? Sie klang nach Misaki.

Überrascht blickte er zur Seite und sah eine Frau im Eingang des Kaffees stehen. Sie hielt ein Eis in einer Waffel in der Hand und beugte sich fragend vor. Als Deeon sich zu ihr umdrehte, wurde ihr Grinsen breit. „Deeon! Ich wusste, dass du es bist!“, freute sie sich und lief auf ihn zu. Als er sie auf ihn zukommen sah, setzte sein Herz einen Moment aus. Dann schlug es mit einem Mal um das Dreifache schneller. Er wusste nicht, ob er einen Tagtraum lebte oder ob das die Realität war. Sein Gedanke, Misaki zu vergessen, war sofort verbannt.

„Misaki?“, fragte er leise und erleichtert. Sie blieb vor ihm stehen. „Ah. Du hast dir meinen Namen gemerkt. Hihi. Das freut mich. Was für ein Zufall, dass wir uns wieder treffen.“ Deeon lächelte sie charmant an. „Ja. Was ein Zufall.“, sagte er und legte seine Hand hinter seinen Kopf. „Aber du hast dir ja auch meinen gemerkt. Das erlebe ich selten.“ „Deeon? Der Name ist total besonders! Den vergesse ich nicht einfach so schnell.“, begegnete sie ihm aber.

Wieder verblüffte ihre Antwort ihn. Wieso schaffte sie es immer, ihn zu überraschen. Wieso brachte sie ihn so aus der Fassung? Obwohl er doch ein mächtiger Engel war, musste er sich anstrengen, sich bei ihr normal zu verhalten. Dass sie seinen Namen nicht vergessen würde, bedeutete gleichzeitig, dass sie auch ihn nicht vergessen würde. Dieses Kompliment freute ihn. Die anderen Menschen durften ihn gerne vergessen. Sie sollten ihn auch vergessen, denn so war es einfacher für ihn auf der Welt den Menschen zu helfen. Doch wenn sie ihn vergessen hätte, hätte es ihn verletzt. Umso mehr freute er sich, dass sie ihn fand, obwohl er sie suchte.

„Wo wolltest du hin?“, fragte sie nun und leckte an ihrem Eis. Deeon wollte sie nicht anlügen. Er versuchte nächstmöglich an der Wahrheit zu bleiben. „Also ich.. nehme mir ein wenig Auszeit von meiner Arbeit. Und dann versuche ich den Men.. den Leuten hier und da zu helfen. Und eigentlich genieße ich das gute Wetter und habe kein wirkliches Ziel.“

Misaki begann nun zu laufen. „Hmh. Ok. Dann geht es dir fast wie mir.“, lachte sie. Während Deeon ihr folgte, liefen sie nebeneinander durch die Stadt. Er war so glücklich, sie wieder getroffen zu haben doch musste seine Freude innehalten. Dieses Mal, wollte er, dass das Wiedersehen länger sein würde.

„Was meintest du damit, dass es dir auch so geht?“, fragte er, um mehr über sie zu erfahren. Misaki blickte lächelnd in die Ferne. Trotz des Lächelns verbarg sich etwas anderes dahinter. „Ach. Ist nicht so wichtig, weißt du.“, antwortete sie und biss von der Waffel ab. Doch Deeon blieb stehen. Als Misaki dies bemerkte, blickte sie fragend zurück. Sie sah in sein gelassenes, aber neugieriges Gesicht. Er zog eine Augenbraue hoch und schmunzelte. „Du hast schon damit angefangen, jetzt musst du es mir sagen.“, meinte er. Doch die grinste ertappt. „Vielleicht ein anderes Mal.“, versuchte sie seine Frage zu umgehen. Dann lief sie auch schon weiter, ohne auf ihn zu warten.

Deeon wollte sich nicht unbeliebt machen, indem er sie penetrant zu einer Antwort brachte. Er hätte sie nur berühren müssen. Durch seine Engelsaura hätte er sie wohl dazu gebracht, ihm eine Antwort zu geben, aber er wollte sie nicht beeinflussen. Also beließ er es dabei und lief weiter. „Hmh.. und wohin wolltest du?“, fragte er, als er sie aufholte.

Nun nahm sie das letzte Stück Waffel in den Mund. „Hmh. Ich wollte einer guten Freundin helfen.“ „Wobei?“, fragte er als nächstes. Doch sie begann zu grinsen. „Hmh. Du bist du ganz schön neugierig.“, begegnete sie ihm und blickte schmunzelnd zur Seite. Überrascht hielt er die Luft an. War er zu aufdringlich? War er ihr nun suspekt? Hatte er sich damit ihre Bekanntschaft verspielt?

Doch sie begann zu lachen und legte ihre Hände verspielt hinter den Rücken. „Haha. Ich mache doch nur Spaß.“, grinste sie. „Ich gehe zu einer Freundin in einem Kindergarten. Denn weißt du… ich… ich nehme auch Momentan eine Auszeit von meinem Job.“, sagte sie glücklich und hopste in schnellen Schritten etwas vor. Dann drehte sie sich kichernd um, grinste breit und zeigte auf ihren Bauch. Verwirrt blieb Deeon stehen. „Hmh?“ Aber sie rollte die Augen. „Du Dummchen. Ich bin Schwanger.“, lachte sie. „Ich bin Krankenschwester in einem Krankenhaus. Aber zum Schutz bin ich beurlaubt. Das ist jetzt der dritte Monat! Und meine Freundin, der ich helfen wollte arbeitet in einem Kindergarten. Dort habe ich dann direkt einen Platz für mein Kindchen sicher.“

In diesem Moment blieb Deeon der Atem stehen. Dass sie schwanger war, bedeutete gleichzeitig, dass dieses Kind auch einen Vater haben musste. Jetzt erst fiel ihm auch der Ring an ihrem Finger auf. Verheiratet war sie anscheinend auch. Es war ein Schock für ihn. Er wusste nicht, wie er reagiere sollte. Er wusste nicht, warum ihn das so schockierte. Er war wie angewurzelt.

„Deeon? Hallo? Alles in Ordnung?“, fragte sie nun und wedelte mit ihrer Hand vor seinem Gesicht. Er blinzelte sofort und kam wieder zu sich. „Ah. Ja. Alles in Ordnung.“ „Möchtest du mitkommen, helfen?“, fragte sie nun. „Wir könnten eine starke Männerhand gebrauchen!“, bat sie ihn unterschwellig.

Aber er hob die Hand vorsichtig. „Ehm. Ich weiß nicht, ob deine Freundin mit einem Fremden mit mir so einverstanden wäre.“, versuchte er sich raus zu reden. Eigentlich wollte er gerne helfen. Und er wollte an ihrer Seite bleiben. Doch er dachte dabei an ihren Mann.

„Quatsch! Du bist kein Fremder! Wenn ich dich mitbringe, ist das ok. Ich weiß ja, dass du gerne hilfst. Du bist ein guter Mensch. Ich vertraue dir.“, antwortete sie jedoch. „Aber.. ich denke, dass dein Mann es nicht gut fänd, wenn ein fremder Mann dich begleitet. Er würde dir bestimmt lieber helfen.“, wich er weiter aus. Aber nun blickte sich etwas betrübt weg. „Hmh.. also… Mein Mann.. Er hat dafür keine Zeit..“, begann sie leise. Aber sofort lächelte sie wieder und lief weiter. „Naja, er vertraut mir! Darüber musst du dir keine Sorgen machen. Wenn du also helfen willst, kannst du gerne mitkommen, ansonsten verabschiede ich mich jetzt hier. Wir schaffen das auch alleine. Also ist das ok.“, sprach sie weiter und blickte während des Laufens über ihre Schulter. Aber sofort lief Deeon ihr nach. „Ehm. Warte!“, sagte er. Denn er wollte doch bei ihr bleiben. Er wollte doch, dass er mehr Zeit mit ihr verbringen konnte. Er hatte doch so lange auf sie gewartet.
 

„Natürlich bin ich mit ihr mitgegangen..“, sprach Deeon lächelnd. Er wirkte so verträumt und ruhig. „Ich war so glücklich darüber. Und dieses Glück wollte ich nie wieder verlieren. Auch wenn ich wusste, dass sie niemals meine Gefühle erwidern würde und jemanden liebte, wollte ich bei ihr sein. Ich wollte sehen, dass sie glücklich war.“, nun blickte Deeon mich an und schwieg kurz. Ich lauschte jedes seiner Worte. Wir alle sahen ihn wie ein neugieriges Publikum an.

Deeon seufzte lächelnd und lehnte sich an die Wand. „Naja, ich fasse mich etwas kürzer.“, räusperte er sich, nachdem er bemerkte, wie sehr er ins Detail ging. „Jedenfalls half ich ihr an dem Tag. Und auch am nächsten. Und die Wochen danach trafen wir uns ebenso. Wir gingen oft durch den Park in der Stadt. Wir redeten. Sie erzählte mir so viel, als wenn ich die erste Person wäre, die ihr zuhörte. Ihr Mann war kaum bei ihr. Er arbeitete viel. Aber sie wollte sich davon nicht unterkriegen lassen. Sie zeigte mir, dass sie alles schaffen konnte. Auch Situationen, die damals schlecht angesehen wurden, wenn Frauen sie machten, schaffte sie. Auch das Heben von schweren Gegenständen wollte sie sich nicht nehmen lassen. Sie konnte einfach alles und ließ sich nicht aufhalten. Auch wenn sie mich ständig mitnahm, hatte sie alles selber geregelt, wenn auch manchmal holperig, und wollte nicht, dass ich ihr als Mann helfen sollte sondern als Freund. Ihren Mann lernte ich auch kennen. Ich traf sie ein Mal zusammen in der Stadt. Sie freute sich so sehr, mich ihrem Mann vorstellen zu können. Er nahm unsere Freundschaft positiv auf. Er bedankte sich sogar, dass ich Misaki half. Ihre Beziehung war glücklich. Leider hatten sie kaum Zeit zusammen. Doch sie basierte auf vollkommenes Vertrauen, weshalb Eifersucht gar kein Thema war. Ich wusste, dass ich mich nicht in ihr Leben einmischen sollte. Auch wenn es mich traurig machte, ihr nie meine Gefühle sagen zu können, versuchte ich mich an den Gedanken zu krallen, sie einfach nur glücklich sehen zu wollen.

Ich habe so viel Zeit wie möglich mit ihr verbracht. Dabei habe ich alles andere vergessen. Wochen lang habe ich mich nicht in der Dämonenwelt blicken lassen. Irgendwann ging ich wieder in die Bibliothek. Alle waren ganz überrascht mich zu sehen.“

„Ich erinnere mich.“, sprach Shiro. „Du hast dich Wochen lang nicht blicken lassen und kamst nur für einen kurzen Augenblick um dein schlechtes Gewissen zu beruhigen. Und dann hast du nichts erzählt.“, meinte er vorwurfsvoll. Von seinen Worten empört schlug ich ihm kurz auf den Hinterkopf. „Shiro!“, ermahnte ich ihn. „Hey. Was?“, begann er zu mosern. „Du kannst sowas doch nicht sagen!“, flüsterte ich ihm wütend zu. Aber Deeon grinste. „Er hat Recht.“, unterbrach er uns. „Es war nicht richtig von mir, alles andere zu vergessen. Meine Pflichten zu vergessen. Meine Freunde zu vergessen… Ihnen dadurch Sorgen zu bereiten.“, sagte er und blickte dabei Shiro an.

Überrascht seufzte Shiro und blickte dann beleidigt weg, während er seine Arme überkreuzte. Da erkannte ich, dass Shiro ihm nicht nachtragend war, weil er ihm damals zu wenig Aufmerksamkeit schenkte. Er machte sich damals fürchterliche Sorgen um Deeon, weil er sich nicht bei ihm meldete.

Ich runzelte etwas die Stirn und dachte nach. Deeon erzählte uns so viel, doch beantwortete er mir nicht die Frage, die mich am meisten quälte. „Deeon...“, begann ich nun. „Wie.. also.. warum.. Ich meine...“ stotterte ich zögerlich. Ich konnte die Worte nicht aussprechen. Aber ich wollte es wissen. Ich wollte es so unbedingt wissen.

„Warum sie gestorben ist?“, beendete Deeon meinen Satz. Nachdem er es schaffte die Worte so sicher zu sprechen, die meine Lippen nicht verlassen konnten, hielt ich kurz die Luft an. Sie war meine Mutter, die Frau die mir am nahsten stand und trotzdem war sie für mich eine Fremde. Es schmerzte nicht, seine Worte zu hören. Dennoch blieb mein Atem stehen.

„Ja..“, antwortete ich leise. Mein Magen begann zu schmerzen. Wollte ich diese Antwort hören? Sollte ich sie überhaupt hören? Ich war nervös.

„Yuki..“, sagte er nun und lief auf den Tisch zu. Er setzte sich uns gegenüber und kniete sich hin. Es war leise. Mein Körper begann leicht zu zittern. Mein Herz klopfte schneller. Ich konnte meine zitternden Hände kaum verstecken und legte sie angespannt auf meinen Schoß. Ich war aufgeregt. Was würde er mir erzählen. Was war geschehen? Was war es, das ihn so belastete. Was war es, was nur er wusste.

Ich biss die Zähne aufeinander und schwieg. Ich konnte nicht mehr reden. Ich war starr und blickte Deeon mit offenen Augen an. Mein Atem war schwer.

Plötzlich spürte ich eine kalte Hand an meiner Seite. Ich schreckte etwas auf und blickte leicht zu Shiro auf. Er drückte mich leicht an sich um mich zu beruhigen doch wich meinem Blick aus. Ohne etwas zu sagen, schlich meine Hand zu seiner und wir hielten uns gegenseitig. In diesem Moment war ich glücklich, ihn bei mir zu haben. Auch wenn er nichts sagte, gab er mir Kraft. Er bemerkte meine Unsicherheit und stützte mich. Als ich seine Hand sicher hielt, atmete ich tief ein und wieder aus. Nun war ich bereit. „Deeon, erzähl es mir.“, sagte ich nun sicher und blickte ihn ernst an.
 

Deeon nickte entschlossen. Dann begann er zu erzählen. „Es war… kurz vor deiner Geburt..“
 

Deeon und Misaki gingen gemeinsam durch die Stadt. Es war kalt und Schneeflocken flogen durch die Luft. Die Sonne war bereits unter gegangen und nur wenige Laternen erleuchteten die dunklen Wege. Der Boden war bereits weiß durch den Schnee und der warme Atem bildete in der kalten Luft Nebel.

Sie liefen denselben Weg, wie beinahe jeden Abend. Er hatte sie zum Arzt begleitet und begann nun mit ihr den Heimweg. Nach etwas längerem Schweigen sah Deeon zu ihr. „Bist du nervös?“, fragte er während des Laufens und schaute zu ihrem prallen Bauch. Misaki begann zu grinsen und streichelte diesen. "Hmh. Nervös nicht. Ich freue mich. Ich freue mich so sehr sie in meinen Armen zu halten.", antwortete sie.

„Hach, ich werde sie so viel knuddeln. Und lieb haben. Und kuscheln und lieben und… Haaaach.“, träumte sie vor sich. „Und ich werde sie ganz lieb erziehen! Aber ich werde auch streng sein! Aber nicht zu streng. Aber sie soll ein ganz nettes Mädchen werden! Und irgendwann werde ich ihr schöne Kleider kaufen. Und wenn sie älter ist, werde ich ihr die Haare frisieren! Hihi. Und dazu die passenden Schühchen! Da freue ich mich drauf.“, faselte sie vergnügt. Deeon lachte. „Das ist keine Puppe. Ich denke, du darfst sie nicht mit deiner Aufdringlichkeit zerquetschen.“ „Nein. Ich werde sie nur unter meiner Liebe begraben! Ha! Und irgendwann ist sie so groß, dass sie zur Schule gehen wird. Sie wird bestimmt so klug wie ihr Vater sein. Und ich werde ihr Frühstück machen und hihi.. jaja.. Das wird meine kleine Yuki.“, antwortete sie heiter und blieb mit ihm an einer Ampel stehen. Ihr Grinsen strahlte über ihr ganzes Gesicht. Es sollte bald soweit sein. Und sie konnte es kaum erwarten.

Sie warteten nun gemeinsam an der Ampel. Es war eine wenig befahrene Straße. Es war dieselbe Straße, an der sie sich vor sechs Monaten kennenlernten. Doch weiter lief Deeon nicht. Sie verabschiedeten sich stets an diesem Ort. Denn er wollte sie nie bis zu ihrem Zuhause begleiten. Die trafen sich dort und verabschiedeten sich dort. Weiter traute Deeon sich nicht, in ihr Leben einzudringen. Sonst würde er der Gefahr zu nahe kommen, sich in sie zu verlieben oder noch mehr unter der Qual zu leiden, dass ihre Liebe einem anderen Mann gehörte.

„Deeon, wir sehen uns nun beinahe jeden Tag. Und ich bin dir für deine Hilfe wirklich Dankbar..", sagte sie nun und blickte auf die andere Seite der Straße. „Ich würde mich freuen, wenn du uns zuhause besuchen würdest.“, sagte sie nun leise, mit dem Wissen, dass Deeon dieses Angebot nicht annehmen würde.

Er drehte sich sanft lächelnd zu ihr. „Misaki, du weißt, dass ich das nicht-“ „Deeon! Magst du mich?“, unterbrach sie ihn aber. Überrascht riss er die Augen auf und wich etwas zurück. „Was? Ich.. also.“, kam es zögerlich aus seinem Mund. Er wusste nicht, worauf sie ihre Frage bezog. „Du… weißt wie ich das meine.“, sagte sie nun und sah nachdenklich herab. „Du musst die Frage nicht beantworten. Entschuldige.. Ich.. wollte mich bei dir bedanken, dass du meine Ehe und mein Leben respektierst. Wir.. haben schon so viel Zeit zusammen verbracht und so viel erlebt. Und ich bin so froh dich zu kennen. Du hast eine so lange Zeit mit mir durchgehalten und bald ist dieses Projekt hier vorbei.“, sagte sie und streichelte ihren Bauch. „Dann werde ich ganz viel Zeit und Kraft für sie brauchen. Ich möchte gerne, dass du dich dann auch gut im sie kümmerst. Und wenn du dich bis dahin noch immer nicht traust, unser Haus zu betreten, werden wir uns kaum sehen können. Deeon, verstehst du was ich sagen möchte?“, erklärte sie und sah ihn mit ehrlichen Augen an. „Ich würde mich freuen, wenn du mitkommen würdest. Du bist mir wirklich wichtig geworden, weißt du? Und… ich bin beinahe traurig, dass ich dich nicht vor alle dem kennen gelernt habe…“, sagte sie und wurde etwas leiser mit der Stimme.

Deeon sah sie verlegen an aber schwieg perplex. Aber sofort hob sie den Finger. „Bilde dir jetzt nichts ein! Ich bleibe meinen Prinzipien treu! Ich bleibe meinem Mann treu! Das weißt du. Ich möchte dich nur nicht als einen sehr wichtigen Freund verlieren. Also denk nichts Falsches!“, faselte sie mit roten Wangen.

Deeon war überrascht aber versuchte ruhig zu bleiben. Sie wusste anscheinend die ganze Zeit, dass er Gefühle für sie hatte. Oder wusste sie es doch nicht so genau? Warum war sie so nervös? Er liebte diese offene Art von ihr. Auch wenn sie oft forsch wirkte war sie immer ehrlich. Sie hatte ihn nie angelogen. Sie hatte ihm nun ihre Gefühle gestanden. Er wusste nicht, ob er ihr nun auch seine Gefühle sagen sollte. Doch es auszusprechen, schien ihm zu schwer. Er sah ihre braunen Augen, in der er sich doch schon lange verliebt hatte, ohne es zugeben zu wollen.

Statt es ihr zu sagen, nahm er nun vorsichtig ihre Hand. Dann lehnte er sich etwas vor und Küsste ihren Handrücken. Auch wenn damit ihre Freundschaft gefährdet wurde, konnte er es nicht mehr für sich behalten.

Seine Hand war weich und warm. Ihre Hand war zart und sanft. Und sein Kuss war liebevoll und ehrlich. „Ich verstehe.“, sagte er, als er noch ihre Hand vornehm hielt und liebevoll zu ihr aufsah. Er hatte es ihr endlich gebeichtet.

Doch als er in ihr Gesicht sah, blickten ihn mit tränen gefüllte Augen an. Besorgt beugte er sich wieder auf doch sie nahm ihre Hand wieder zurück. „M.. Misaki..?“, fragte er. Sie war plötzlich so traurig. Warum nur?

„Deeon…“, sagte sie und ging einen Schritt zurück. Doch dann schüttelte sie Wortlos den Kopf. „Ich.. ich..“, stotterte sie. Als sie sich von ihm weg bewegte, erschütterte Deeon ein Gedanke. Mit seinem Kuss und seiner zarten Berührung, hatte er ihre Gefühle unbewusst manipuliert. Er tat das, was er ihr niemals antun wollte. Schockiert über sich selber, blickte er ihr nur sprachlos hinterher. Anscheinend kämpfte sie gegen diese Gefühle an. Sie wollte keine Liebe in Deeon sehen. Denn sie wusste, dass ihrem Leben nicht antun konnte. Aber sie fühlte diese Gefühle nun so stark, dass es in ihr Verzweiflung auslöste. Es war das erste Mal, dass er sie hilflos weinen sah.

Sie drehte sich flüchtend von ihm weg und legte ihre Hände vor ihr weinendes Gesicht. Sofort rannte sie von ihm weg. Sie konnte ihm nicht mehr in die Augen sehen. Sie traute sich nicht, ihn zu sehen. Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Also rannte sie blind über die Straße. Deeon sah ihr sprachlos hinterher.

Im gleichen Augenblick hörte er das Aufheulen zweier Motoren. Zu spät erkannte er die Scheinwerfer zweier Fahrzeuge, die um die Ecke rasten. Sie fuhren ein Rennen gegeneinander. Dies war nicht selten, da diese Straße so selten genutzt wurde und dadurch als perfekte Rennstrecke diente. Doch warum mussten sich ausgerechnet in diesem Augenblicke ihre Wege kreuzen?

Panisch blickte er von den lauten Geräuschen zurück zu Misaki. Sie drehte sich ebenfalls erschrocken zu dem dröhnenden Geräusch und blieb starr stehen, als sie im Scheinwerferlicht der herannahenden, außer Kontrolle geratenen, Fahrzeuge stand.

Deeon gefror das Blut zu Eis. Es geschah alles so schnell. Was sollte er tun? Was konnte er tun? Sekunden dehnten sich zu Minuten aus. Reflexartig rannte Deeon auf die Straße. Seine Augen waren weit aufgerissen, seinen Arm streckte er Misaki entgegen. Sein Herz blieb stehen. Seine Muskeln waren angespannt. Doch er würde sie nicht erreichen. Nicht so.

Die Geräusche kamen immer näher. Er konnte es nicht zulassen. Er musste sie retten. Warum war sie nur weggerannt? Warum konnte er sie nicht beschützen?

Die Zeit war zu knapp. Gäbe es nur genügend Zeit. Er war nicht schnell genug. Nicht auf seinen Beinen, die ihn angsterfüllt zu ihr führten. Deeon biss die Zähne zusammen. Die Scheinwerfer waren so nahe. Misaki riss ihre weinenden Augen dem Licht entgegen.

Im nächsten Augenblick breiteten sich zwei weiße Flügel aus Deeons Rücken aus. Sie schossen aus seinem Körper und ließen ihn fliegen. In einer rasanten Geschwindigkeit flog er auf sie zu. Der Wind peitschte um seine Ohren. Doch er schaffte es. Er erreichte sie. Er packte sie sicher in seine Arme. Er flog mit ihr in Sicherheit. Er konnte sie retten. Er konnte sie für diesen Moment retten.

Als Misaki sich verwirrt in Deeons Armen wiederfand, blickte sie sprachlos zu ihm auf. Er trug sie in seinen Armen und hatte sich sicher auf einem Knie gestützt. Weiße Federn flogen durch die Luft zwischen den Schneeflocken. Hinter ihm erkannte Misaki seine zwei breite, strahlenden Flügel. „Deeon…“, sagte sie leise.

Er sah schweigend zu ihr herab und blickte in ihre wunderschönen, braunen Augen. Deeon verschlug es die Sprache. Er hatte ihr gezeigt, dass er ein Engel war. Er brach die wichtigste Regel in seinem Leben.

Deeons Nähe, seine Aura und die warmen Federn beruhigten Misaki. Sie öffnete ihre Hand und eine Feder landete sanft schwingend auf ihr. Sie war weich und erfüllte sie mit Freude. „Ist das.. ein Traum?“, fragte sie leise und schaute träumend auf die Feder.

Aber dann wanderte ihr Blick auf Deeons besorgtes Gesicht. Sein Schweigen war ihr Antwort genug. Sie verstand, dass es die Realität war. Sie verstand, dass Deeon etwas anderes als ein Mensch sein musste. Sie verstand, dass Deeon es ihr verschwiegen hatte. „Aber… wieso?“, fragte sie. Wie konnte Deeon es ihr nur erklären? Wie konnte Deeon es ihr begreiflich machen, dass er ein Engel war. Wie konnte er ihr erklären, was geschehen war? Doch Misaki, legte die Feder in ihre Jackentasche und fasste seine Hand. „Wieso hast du es mir nicht erzählt?“, war ihre Frage.

Deeon war verwundert. Es interessierte sie nicht, was genau geschehen war, es interessierte sie nicht, was er war. Sie wollte nur wissen, weshalb er es ihr verheimlichte. Noch immer traute er sich nicht zu sprechen.

Jetzt stellte Misaki sich hin und blickte lächelnd in den dunklen Himmel. „So wunderschön..“, sagte sie, als sie die Federn zwischen den Schneeflocken betrachtete. Dann sah sie zu Deeon. Er stand ihr schweigend gegenüber. Seine Flügel waren angewinkelt auf seinem Rücken. Ihre Reaktion überraschte ihn. Menschen reagierten oft mit Angst auf etwas, das sie nicht kannten oder erklären konnten. Doch Misaki vertraute ihm so sehr, dass sie keine Angst vor ihm hatte. Sie war nicht verängstigt, sondern glücklich. Nun blickte sie ihm tief in die Augen und lächelte sanft. „Ich.. wusste, dass du etwas Besonderes bist.“

Deeon zog seine Flügel wieder ein. Dann trat Misaki ihm nahe gegenüber und faste seine Hand. Deeon wusste nicht, was er sagen sollte. Er wollte ihr so viel erzählen, aber er schaffte es einfach nicht. Misaki wirkte etwas zögerlich aber mutig. Ihre Wangen waren rot. Ihr Blick wirkte noch etwas verweint aber offen. „Deeon..“, begann sie zu sprechen und sah kurz herab. Sie dachte kurz nach. Denn auch sie bemerkte, dass Deeon etwas besorgte. Dann sah sie wieder auf. „Deeon! Ich-“

Doch plötzlich schwieg sie. Plötzlich wirkten ihre Augen starr. Plötzlich verharrte sie in ein und derselben Pose. Plötzlich wehte kein Wind mehr. Plötzlich stoppten die Schneeflocken zu fallen.

Deeon sah zu ihr herab. Wenn er keine Worte finden sollte, würde sie es tun. Das wusste er. Doch als sie erstarrte, wurde sein Blick misstrauisch. „M.. Misaki?“, fragte er. Er sah sie erschrocken an. „Misaki?“, fragte er wieder und faste sie an der Schulter. Doch sie bewegte sich nicht. Es war, als wäre die Zeit angehalten.

Im nächsten Augenblick bemerkte er eine Person auf der anderen Seite der Straße stehen. Sofort drehte er sich um und erkannte einen Mann mit langen schwarzen Haaren und einem schwarzen Anzug. Dieser stand gelassen dort und überkreuzte seine Arme.

Sofort richtete Deeon sich zu ihm und ging einen Schritt vor. „DU warst das!“, rief er ihm wütend zu. „Du hast diesen Unfall hervorrufen wollen!“, warf er ihm aufgebracht entgegen. Doch ehe Deeon weiter brüllen konnte, unterbrach der Mann ihn. „Deeon, du weißt, dass es dazu kommen würde.“, antwortete er ruhig und legte seinen Kopf etwas schief. „Nein!“, schrie Deeon. „Sie wusste es nicht! Sie wusste es nicht!“, wiederholte er. Doch der Mann lief langsam auf ihn zu. „Natürlich wusste sie es. Sie wusste zwar noch nicht genau was, aber sie hatte es bemerkt.“ Deeon trat schützend vor Misaki, die noch immer starr dort stand. „Du hast mich beobachtet?“, fragte er schockiert.

Vor Deeon blieb er stehen. „Du weißt, dass es deine Schuld ist. Sie müsste nicht sterben, wenn sie nichts von uns wüsste.“, sprach er weiter, ohne auf Deeons Frage zu reagieren. „Nein! Du darfst ihr nichts tun!“, sagte Deeon laut und ging etwas vor. Aber der Mann wurde wütend. „DU KENNST UNSERE AUFGABE!“, sprach er laut. „Die Menschen dürfen nichts über Dämonen oder uns erfahren! Und sollten sie es doch, müssen sie sterben. Egal wie. Das zählt für jeden einzelnen Menschen. Wir müssen an uns denken! Daher müssen wir den Tod der Menschen so hervorrufen, dass sie ihren Glauben verlieren.“, erklärte er weiter.

Doch Deeon überlief ein Schauer. Es bedeutete, dass Misaki sterben sollte. Er konnte sie nicht sterben lassen. Er konnte es nicht zulassen, dass sie ihn verließ. „Nein..“, begegnete er seinem Gegenüber. „Ich bitte dich.. ich kann das nicht..“ Doch der Mann grinste. „Oh. Nein. Du musst das nicht tun, Bruder. Dafür bin ich gekommen.“, sagte er und lief auf Misaki zu. Deeon sah ihm nach. Er wusste, dass er nichts gegen seinen Bruder tun konnte. „Bitte! Nein. Ich flehe dich an.“

Der Mann lief um Misaki rum und begutachtete sie kurz. Als er hinter ihr stehen blieb, sah er über ihr zu Deeon. „Ich weiß, wie schwer es ist, jemanden zu verlieren, den man liebt. Aber wir müssen das tun. Sonst sterben wir alle und alle Unschuldigen aus der Dämonenwelt.“ „Sie ist doch auch unschuldig!“, rief Deeon und deutete auf Misaki. „Deinetwegen, ist sie das nicht mehr!“, antwortete der Mann ihm aber. Nun lief er mit schnellen Schritten auf Deeon zu. Deeon stand hilflos da und richtete seinen Blick wehrlos zu Boden. Der Mann packte ihn an der Schulter um ihn zu beschwichtigen. „Deeon. Du wirst weitere tausende Jahre leben! Ihre Lebenszeit ist sowieso begrenzt! Ob sie jetzt stirbt, oder in ein paar wenigen Jahren.“ Wuterfüllt sah Deeon auf. „Luzifer… Du.. bist ein Monster…“, flüsterte er ihm zu.

Der Mann sah ihn erschrocken an. Doch im nächsten Augenblick nahm er seine Arme zurück und seufzte bedrückt. „Das.. tut weh, sowas von seiner Familie zu hören…“, sagte er und ging einige Schritte zurück. „Du weißt, dass ich mich nur darum kümmer, dass wir überleben. So viel Macht zu haben, beinahe gottgleich zu sein ist für mich eine Bürde. Es ist schwer dabei allen gerecht zu werden. Aber ich tu mein Bestes. Auch wenn ich dadurch Opfer bringen muss…“ Nun sah Luzifer besorgt zur Seite. „Es tut mir leid, aber es muss sein.“, kam es leise von ihm. Dann hob er die Hand.

Panisch ging Deeon zu Misaki um sie irgendwie zu schützen. „Nein! Tu das nicht!“, rief er laut und sah zu Luzifer. Doch er blickte mit einem ernsten Blick zurück. Dann schnipste er mit seinem Finger und verschwand.

Der Schnee bewegte sich wieder in der Luft. Die Zeit lief weiter. Deeons Herz schlug rasend schnell. Was hatte Luzifer getan? Er sah angsterfüllt zu Misaki. Diese hatte das Gespräch nicht wahrgenommen und wollte unbesorgt weitersprechen. „Ich muss dir etwas… urgh.. Ah…“, mitten im Satz krümmte sie sich jedoch schmerzerfüllt vor. „Argh… Es.. tut so weh..“, stotterte sie und hielt sich den Bauch fest. Sie brach langsam zusammen. Erschrocken stützt Deeon sie. „Misaki! Was hast du?!“, fragte er sie aufgebracht.

Mit schmerzverzerrtem Gesicht versuchte sie zu ihm auf zu blicken. „Irgendwas… stimmt mit Yuki nicht..“, sagte sie mit schwerer Stimme.
 

Als wir Deeon zuhörten, bemerkten wir seine Trauer. Auch jetzt noch, nach achtzehn Jahren, fiel es ihm schwer, darüber nachzudenken. „Sie… hatte so gelitten…“, sagte er betrübt und sah weg. Einen Moment schwieg er. Er erinnerte sich an den Moment. Er erinnerte sich an den Schmerz und an die Angst in diesem Augenblick. „Luzifer.. hatte ihre Organe beschädigt. Mit einem Fingerschnips… Er.. wollte, dass es wie eine Fehlgeburt aussah, unter dessen Folgen Misaki sterben sollte. Ich brachte sie in ein Krankenhaus… Ich trug sie so weit ich konnte. Ich konnte sie nicht heilen. Ich konnte das Kind in ihrem Bauch nicht heilen. Es … ging alles so schnell. Sie verlor so viel Blut. Sie weinte. Sie schrie vor Schmerzen. Das Kind in ihr war bereits tot. Bevor man mich in dem Krankenhaus von ihr trennte, fasste sie meinen Arm. Sie sah mich so frustriert an. „Kümmer dich um Yuki.“, sagte sie zuletzt. … Kümmer dich um Yuki… das war das letzte, was sie mir sagte… Kümmer dich um Yuki…“, erzählte Deeon und biss die Zähne aufeinander. Dann richtete er seinen Blick mit Tränen in den Augen zu uns. Er sah abwechselnd zu Shiro und mir. Seine Stimme zitterte leicht. „Ich.. fand keine andere Möglichkeit, dich zu retten..“, sagte er und blickte mich in die Augen. „Ich ging sofort in die Bibliothek. Ich brauchte Kraft, ich brauchte genügend Seelen, die mir diese Kraft gaben, um dich zu retten, Yuki. Kitzune war dort, doch sie konnte mich nicht aufhalten. Ich musste mich beeilen. Es gab keine Zeit für Erklärungen. Ich klaute die Seelen, und rettete dich… Eine reine Menschenseele wiederzubeleben braucht mehr Kraft als eine Dämonenseele. Und es war die zweite Regel die ich brach. Einen Menschen wiederzubeleben… Doch ich schaffte es. Ich konnte dieses kleine Wesen, das dort lag retten. Doch musste dafür mit ansehen, wie ihre Mutter starb…“ Deeon wandte sich weg und konnte mir nicht mehr in die Augen sehen. „Meinetwegen.. starb sie. Weil ich mich in ihr Leben einmischte.. Sie würde nie ihre Tochter sehen. Sie würde sie niemals in ihren Armen halten. Und kuscheln. Und all das tun, was sie sich wünschte. Ich habe ihr das alles weggenommen. Und.. ich habe ihr nicht einmal sagen können, dass ich sie liebe…“, erklärte er. Eine kleine Träne kullerte dabei seine Wange herunter, als er trauernd zu Boden sah. Er verstummte.

Nun war es leise im Zimmer. Ich war traurig. Doch ich war auch glücklich. Endlich wusste ich die Wahrheit. Endlich wusste ich, was geschehen war. Auch wenn mein Herz sich dabei zerriss. Ich hatte Mitleid mit ihm. „Deeon..“, sagte ich und lehnte mich etwas über den Tisch. Auch mir liefen Tränen über die Wangen. Aber ich streckte ihm meine Hand entgegen und legte sie vor ihm auf den Tisch ab. Nun blickte er wieder auf. „Ich bin froh, dass du es erzählt hast. Danke.“, sprach ich ihm leise zu, während ich ihm ein trauriges Lächeln entgegen brachte.

Nun lächelte auch er sanft und faste meine Hand.

Gefühle und Sorgen

Ich hatte mich alleine in mein Zimmer zurückgezogen. Schweigend lag ich auf dem Bett und starrte an die Decke. Mein Kopf war gefüllt. Nicht mit Fragen, sondern mit Antworten. Zu viele Antworten, die mir erst ungläubig vorkamen, aber dessen Wahrheit ich nicht in Frage stellen konnte. Nicht hier. Nicht in dieser Welt und nicht in diesem Augenblick.

Dennoch musste ich die Wahrheit erst begreifen. Ich dachte viel über Deeons Worte nach. An die Zeit, die er mit meiner Mutter teilte und auch an den Moment, indem sie starb. Konnte ich Deeon als Schuldigen darstellen? War er wirklich der Mann, der den Tod meiner Mutter zu verantworten hatte? Und selbst wenn dies zutreffen sollte, wie sollte ich ihm in Zukunft gegenübertreten? Als Feind oder Freund?
 

Bevor ich in mein Zimmer ging, wollte Shiro noch mehr erfahren. Er wollte mehr über den Zufall unseres Treffens bis hin zu Namis Aufgabe in dieser Geschichte wissen. Außerdem gab es noch offene Fragen die es zu beantworten galt, wie meinen Gedächtnisverlust kurz nach der Begegnung in der Dämonenwelt.

Deeon erklärte uns, dass er nach meiner Rettung im Verborgenen leben musste. Er musste vermeiden in meine Nähe zu kommen, da er mein Leben sonst in Gefahr brachte. Denn er konnte sich nicht sicher sein, ob Luzifer ihn noch immer beobachtete. Luzifer brachte alles daran, die Menschen von den Dämonen oder übernatürlichem zu trennen. Auch Dämonen, die beabsichtigten in der Menschenwelt ihr Unwesen zu treiben vernichtete er. Die Menschen sollten mit der vollkommenen Unwissenheit der zwei Welten leben. Das war die Aufgabe der gefallenen Engel. Also konnte Deeon es nicht riskieren auch Shiro in Gefahr zu bringen. Sollte Luzifer ihn noch immer beobachten lassen, könnte es sein, dass die gefallenen Engel Shiros Arbeit entdeckten. Aufgrund der gefallenen Engel, die Dämonen bestraften, die in die Menschenwelt reisten um dort Angst und Schrecken verbreiteten, fürchteten sich die Dämonen dies zu tun. Das spielte Shiro in die Hände. Denn er tat dies geschickt und unbemerkt, sodass er mit seiner Seelensammlung der stärkste Dämon wurde, den man kannte. Warum er nie dabei ertappt wurde, lag an mehreren Gründen. Zum einen, hatte er stets einen anderen Namen, zum anderen war Deeon eine Zeit lang bis zu seinem Verschwinden ein Schutz. Denn wenn ein Engel wie Deeon an einem Ort war, gab es keinen Grund für einen zweiten Engel den gleichen Ort zu begutachten.

Da Deeon jedoch einer bestimmten Gruppe von Engel angehörte, konnte er sich mit seiner Kraft an Orte bewegen, ohne dass Dämonen oder Menschen ihn wahrnahmen. Eine Kraft die vor einer lang vergessenen Zeit genutzt wurde um den Menschen Botschaften zu übermitteln. Damit hatte er mich und auch Shiro beobachtet.

Jedoch war seine Angst zu groß, dass Shiro oder mir etwas passieren würde, sobald er in die jeweils andere Welt reiste. Er hatte aber Misaki versprochen sich um mich zu kümmern und sich selber geschworen auf Shiro zu achten. Also erschuf er Nami für mich. Ein Mädchen, das nur ein leben vorspielte. Sie war alles andere als das, was ich kannte. Sie war kein Mädchen, das alles hatte, sondern ein Waisenkind, der alles weggenommen wurde. Sie hatte das gleiche Alter wie ich, war einsam, krank und arm. Mit sechs Jahren fand er sie. Also nahm Deeon die letzte Kraft, die er noch aus Shiros Bibliothek übrig hatte und kombinierte sie mit einer uralten, verbotenen Magie um Nami einen Teil seiner Engelskraft zu geben. Er verlor dabei einen Flügel, den Nami erhielt und verlor die Hälfte seiner Kraft die er nie wieder erlangen würde. Seither war er ihr Mentor. Er gab Nami als Aufgabe, sich um mich zu kümmern und an meiner Seite zu bleiben. Er gab ihr eine Familie und alles was sie nie hatte. Einen Bruder hatte sie beispielsweise gar nicht. Und ihre Eltern hatten sie nur aus einem, von Deeon verursachten Zufall adoptiert.

Hätte Shiro sie an jenem Tag in der Schule entdeckt, an welchem ich mein Gedächtnis verloren hatte, hätte er sofort Deeons Engelskraft in ihr bemerkt, weshalb sie damals das Weite suchte und vor ihm flüchtete. Als er jedoch ein Mensch war und sie kennenlernte, konnte er ihre Engelskraft nicht spüren sondern nur schätzen und sie damit nicht mit Deeon in Verbindung bringen.

Warum ich jedoch mein Gedächtnis verlor, nachdem Shiro mich an dem ersten Tag wieder in die Menschenwelt brachte, konnte Deeon nicht beantworten. Dies lag auch außerhalb seines Wissens. Eine Frage, die also noch unbeantwortet bleiben musste. Jedoch erklärte Deeon uns etwas, das mir Sorgen bereitete.

Denn es war nicht von Beginn Deeons Plan, Shiro und mich zusammen zu führen. Dass ich Shiro damals überhaupt beschworen hatte, war scheinbar alleine Nami zu verdanken. Der Grund dafür konnte Deeon sich nur schwer erklären. Deeon erwähnte von Shiros schwerem Leben, dass ihn immer mehr in den Abgrund zog. Vielleicht wollte sie nur helfen? Denn kurz bevor Shiro sich sein Leben nehmen wollte, brachte sie mich dazu, ihn zu rufen. Vielleicht sah Nami in mir die einzige Person, die Shiro helfen konnte? Vielleicht, hatte sie auch einen ganz anderen Gedanken dabei. Seitdem ich ihre Identität als Engel kannte, sprach ich kein Wort mehr über ihre Gründe und Lügen oder Geheimnisse. Ich dachte nie daran, dass Nami mich den Schattenmann mit einem Hintergedanken rufen ließ.

Auch Deeon war zuerst schockiert, als er bemerkte, dass wir uns trafen. Als Deeon das erfuhr, kam ihm jedoch sofort der Gedanke, dass wir uns gegenseitig helfen konnten. Er kannte uns. Er empfand, dass ich eine genau so besondere Ausstrahlung wie Misaki hatte und hoffte darauf, dass ich Shiro vor seinem Abgrund beschützen konnte. Hätte Deeon Shiro helfen wollen, hätte er es wohl nur verschlimmert. Anders herum konnte Shiro mich beschützen und verband seine Dämonenseele mit meiner, wodurch Engel mich in der Menschenwelt nicht sofort als Menschen erkennen würden. Eine komplizierte aber effektive Angelegenheit.

Als Nichtmensch also Kontakt zu einem Engel zu haben, wäre dann keine Gefahr mehr. Dies führte also dazu, dass Deeon mich zum ersten Mal treffen konnte. Es führte dazu, dass Deeon und ich uns das erste Mal in der Dämonenwelt sahen. Es führte dazu, dass ich Deeon das erste Mal in meinem Leben wahrnahm. Einen Mann, der mich rettete. Einen Mann, der sich all die Jahre beschützte. Einen Mann, dem ich mein Leben zu verdanken hatte.

Also erzählte er mir von Shiros Vergangenheit in der Hoffnung, dass ich Shiro retten würde. Ich erinnerte mich wieder an die vielen Gespräche mit Deeon. Er brachte uns zusammen, mit dem Gedanken, dass Shiro und ich uns gegenseitig helfen würden. Und er hatte damit Recht.

Zuletzt wurde die Engelsfeder, welche mein Vater in seinem Schrank versteckte mit einem kleinen Zufall erklärt. Denn mein Vater hatte weder Kontakt zu Deeon noch zu Nami oder einem anderen Engel. Es war lediglich ein letztes Andenken an meine Mutter. Denn sie hatte die Feder damals in ihre Tasche eingesteckt, als sie Deeon als Engel sah. Somit kam sie in die Hände meines Vaters.
 

Nun waren wir also an diesem Punkt angekommen, an dem Deeon uns dies alles endlich offenbaren konnte. Ich dachte darüber nach, wie Deeon sich gefühlt haben musste, als ich ihn das erste Mal sehen konnte. An den Moment, als ich durch die Massen von Dämonen im Atrium stolperte und er mich auffing. Hatte er mich damals gesucht? Hatte er mich schon gefunden und lief direkt auf mich zu? Ich fragte mich, wie er sich fühlte, als er Shiro das erste Mal nach alle dem getroffen hatte. Welche Gedanken er hatte, als er wusste, dass Shiro ihn wiedersehen würde. Es war in Renektons Halle. Wusste er, dass Shiro ihn angreifen würde? Ich fragte mich, was er all die Zeit nur durchstehen musste und wie schrecklich es für ihn gewesen sein musste.

Außerdem dachte ich an meine Mutter und weshalb sie damals weinend wegrannte, als Deeon sie berührte. Ich kannte die Antwort. Denn ich wusste, wie sie sich fühlen musste. Sie wehrte sich all die Zeit gegen die Gefühle, die sie für Deeon verspürte und bezeichnete sie als Freundschaft. Unbewusst hatte Deeon mit seiner Berührung und seinem Kuss wohl diese Mauer gesprengt, hinter der sie ihre Gefühle versteckte. Sie wusste nicht was geschehen war und wollte nicht ihre Treue zu ihrem Mann verunreinigen. Überwältigt von ihren unwissend manipulierten Gefühlen, die jedoch ihre wahren Gefühle wiederspiegelten, konnte sie nichts tun, als zu flüchten.

Mit all diesem Wissen, war es mir möglich, diese Berührung zu verstehen. Wenn ein Mensch einen Engel berührte, werden positive Gefühle in einem geweckt. Unwissend über diese Fähigkeit, dachte ich, dass es eine Art Liebe war die ich dadurch zu Deeon spürte. Denn jedes Mal wenn ich in einer überforderten Situation stand, schaffte er es, dass mich keine Angst überkam, sondern dass ich mich beruhigte und mich gut fühle. Außerdem bemerkte ich an ihm die gleiche Aura, die ich all die Jahre bei Nami empfand, welche mir ein Gefühl von Vertrauen gab. Doch das war keine Liebe. Ich war lediglich verwirrt von all diesen verschiedenen Emotionen.

Natürlich spürte ich noch ein positives, beglückendes Gefühl, wenn Deeon mich berührte. Doch nun wusste ich, woher dies kommen musste und wusste damit umzugehen. So wie auch Shiro wusste, dass Nami seine Trauer mit einer Berührung nehmen konnte. Es sind Emotionen die unser Körper spürt aber nicht unseren Blick vernebeln.

Aber wie sollte ich mit allem was ich nun wusste umgehen? Das wusste ich nicht. Daher wollte ich mich mit meinen Gedanken zurückziehen.

Die Zeit verging plötzlich ganz schnell. Wo doch gerade erst die Sonne aufging und ich nach einem beruhigenden Schlaf aufstand, war nun tiefe Nacht. Und ich lag die gesamte Zeit nun auf meinem Bett und schaute an die Decke. Ich wollte nicht, dass Shiro bei mir war. Nicht weil ich ihn nicht in meiner Nähe haben wollte, sondern weil ich wusste, dass ich eine lange Zeit nachdenken wollte. Ihn wollte ich nicht mit meiner Stille belästigen, auch wenn ich seine Nähe gerne spürte.

Das viele Grübeln und Nachdenken machte mich nach langer Zeit müde. Meine Augen waren schon sehr schwach und mein Körper schwer. Außerdem hatte mein Kopf so viel gearbeitet, dass ich nun keinen Willen mehr verspürte, weiter nachzudenken. Sollte ich schlafen? Wie spät war es? Der Mond stand jedenfalls schon hoch oben und die Sonne war seit langer Zeit gesunken. Schliefen die anderen schon?

Müde drehte ich mich zur Seite und schloss meine Augen. Ich sollte einfach schlafen und den nächsten Morgen abwarten, in der Hoffnung dass ich mich aktiver fühlte. Der Tag hatte mich viel Kraft gekostet. Ich dachte, dadurch würde ich schnell einschlafen können.

Doch mit geschlossenen Augen lag ich da und dachte noch immer nach. Ich wollte nicht mehr denken. Ich wollte doch schlafen. Warum konnte mein Kopf nicht abschalten? Ich drückte die Augenlieder noch fester zusammen und strengte mich an zu schlafen. „Einfach schlafen..“, sagte ich mir selber, als wäre dies eine Leichtigkeit.

Einen Moment lag ich leise dort.

Ich versuchte mich zu entspannen, doch es gelang mir nicht. Egal wie lange ich versuchte meine müden Augen zu schließen, wollte mein Körper nicht schlummern.

Verärgert seufzte ich und öffnete wieder die Lieder. „Hachh…“ Dann blickte ich auf die leere Seite des Bettes, auf der Shiro am Morgen lag. Nachdenklich legte ich meine Hand auf die Stelle und musste an ihn denken. Würde er auch schon schlafen?

Neugierig stand ich auf und schlich mich leise aus meinem Zimmer. Ich musste leise sein, denn ich wollte allen anderen ihre Ruhe gönnen, so wie sie auch mir Ruhe schenkten. Also schob ich vorsichtig meine Tür auf. Im Flur war es dunkel. Es schien nur das sanfte Licht des Mondes durch einen Schlitz der Balkontür. Leise tapste ich über die Holzdielen zum Zimmer gegenüber. Dort sollte Shiro liegen und schlafen.

Als ich mein Ohr an die Tür hielt um zu versuchen ihn darin zu hören, erkannte ich jedoch keinen Ton. Sollte ich klopfen? Oder sollte ich einfach zurück gehen?

„Wie sieht das denn aus, wenn ich in der Nacht zu Shiro gehe?“, flüsterte mir selbstironisch zu. Ich drehte mich wieder um. Dann wollte ich mich zurück zu meinem Zimmer begeben. Aber mitten im Flur blieb ich wieder stehen, zwiegespalten von dem Gedanken, zu Shiro gehen zu wollen.

Ich blieb einen Moment stehen und biss mir auf die Lippe. Was sollte ich denn sagen, wenn ich ihn wecken sollte? Was sollte ich überhaupt tun, wenn ich ihn weckte?

Doch nun nickte ich mir selber zu und ballte meine Faust zuversichtlich. Ich sollte einfach zu ihm gehen und ihm sagen was ich dachte. Auch wenn es nur die Information war, dass ich nicht wusste was ich dachte.

Schnell drehte ich mich wieder zu seiner Zimmertür und klopfte leicht an. „Shiro? Shiro, bist du wach?“, fragte ich leise. Doch ich hörte keine Antwort. Also schob ich seine Tür leise auf und spähte dezent hinein. „Shiro?“, fragte ich noch ein Mal. Doch ich sah nur in einen dunklen Raum, der meinem ähnlich sah. Das Bett stand leer. Shiro lag nicht darin. Verwundert öffnete ich die Tür nun ganz und blickte in das Zimmer. Shiro war nicht hier. „Hmh?“

Plötzlich hörte ich ein Geräusch in den Flur schallen. Es waren Bewegungen die vom Balkon kamen. Fragend richtete ich mich dem Geräusch entgegen und sah zu der halb geschlossenen Tür die vom Flur zum Balkon führte. Durch den Spalt erkannte ich einen roten Fuchsschwanz, der sich vergnügt hin und her bewegte.

Also lief ich direkt dort hin. Je näher ich der Tür kam, desto deutlicher vernahm ich ein flüsterndes Gespräch zwischen zwei Personen. Das leise Kichern musste Kitsune sein. Fragend öffnete ich vorsichtig die Tür und sah zu den zwei Personen die dort auf dem Balkon saßen.

„Oh. Yuki. Hihihi. Du bist noch wach?“, hörte ich dann auch schon Kitsune fragen, dich sich mit einer roten Nase zu mir drehte. Neben ihr saß Kisho, der gerade ein Getränk in Kitsunes Becher füllte. „Süße Yuki.“, lächelte er beschwipst. „Kannst du nicht mehr schlafen?“, fragte er mich und lächelte vergnügt.

Ich blickte verwirrt zwischen beiden her. „Ehm.. nein.. ich kann nicht schlafen..“, antwortete ich und sah auf die Krüge. „Ist das Alkohol?“, fragte ich nun erschrocken. Kitsune reichte mir ihren Becher grinsend. „Hmmmmmh. Möchtest du auch?“, fragte sie. Aber Kisho drückte ihre Hand zurück. „Aaah. Das lassen wir mal lieber.“, grinste er. „Hey. Wir müssen doch unser Wiedersehen feiern. Wir leben noch, uns geht es gut. Das ist doch toll!“, begegnete Kitsune ihm nuschelnd.

Ich blickte sie verwundert an. „Darfst du.. das überhaupt trinken?“ „NA KLAAR!“, lachte sie laut und lehnte sich heiter an zurück. „Hey. Ich bin schon älter als duuuuu. Hihihi.“ „Aber nicht wirklich reifer.“, kam es grinsend von Kisho. „Mano! Was soll das?“, fragte sie mürrisch.

Aber ich lehnte mich an den Türrahmen und machte mich zum Aufbruch bereit. Die beiden sahen glücklich aus. Kitsune hatte viel durchgemacht, daher verstand ich, dass sie die Zeit mit ihrem Bruder genoss. Doch ich konnte ihre Euphorie in dem Moment nicht teilen. „Ehm.. wisst ihr, wo Shiro ist?“, fragte ich noch schnell. „Jaja! Der ist unten irgendwo und spricht sich mit Deeon aus! Meine Güte.. die Beiden haben sich viel zu erzählen jaja!“, kicherte Kitsune und zeigte in die Luft. Ich lächelte flüchtig. „Hmh.. danke.“, verabschiedete ich mich direkt und wollte wieder gehen. Doch bevor ich die Tür wieder ran zog blickte Kisho mich ernst an. „Yuki!“, rief er mich noch zurück.

Ich drehte mich fragend zu ihm. Er hielt mir die Kette entgegen, die ich für Shiro gekauft hatte. „Hier.“, sagte er mit ruhiger Stimme. „Vielleicht ist ja jetzt ein passender Augenblick.“, sprach er weiter.

Zögerlich näherte ich mich ihm. Diese Kette wollte ich Shiro schenken doch ich hatte keinen Zeitpunkt dafür gefunden. Wann wäre denn der richtige Zeitpunkt? Warum brauchte ich dafür einen besonderen Zeitpunkt? Meine Wangen wurden rot. „Hmh.. Danke!“, sagte ich und nahm die Kette schnell an mich. Kisho lächelte mir zuversichtlich zu, als ich wieder zurücklief und schließlich die Tür wieder schloss.

Leise lief ich schließlich den Flur wieder zurück bis zur Treppe. Auch im Raum unten war es dunkel, also wollte ich vorsichtig hinunter gehen, ohne Kazumi zu wecken. Die Holzstufen knarrten leicht, als ich mich darauf stützte. Doch es war leise genug um niemanden zu wecken. Es war still und fühlte sich seltsam an, nachts in einem fremden Haus herum zu laufen.

Vorsichtig horchte ich, ob ich Deeon und Shiro hören würde und lief in den nächsten Raum. Dann näherte ich mich der Tür zum Garten. Doch als ich die Tür leise öffnete, vernahm ich nur Kishos und Kitsunes Lachen vom Balkon über mir. Shiro und Deeon waren nicht zu sehen. Also lief ich weiter über die Veranda, die um das Haus herum führte. Sie sollten irgendwo hier draußen sein.

Nachdenklich machte ich einen Schritt nach dem anderen. Die Umgebung war ungewohnt leise. Kein Vogel zwitscherte und es war auch windstill. Weder die Bäume raschelten noch die Luft fegte durch meine Haare. Es war lediglich still und friedlich. Es leuchtete auch kein Licht. Weder in der Stadt in der Ferne noch hier am Haus. Nur die Sterne standen hoch am Himmel und strahlten auf uns herab.

An der Ecke des Hauses angekommen, hörte ich eine aufgebrachte Stimme leise sprechen. „Nein! Das.. geht nicht.“, sprach jemand. Ich wusste, dass es Shiro sein musste und blieb stehen, ehe ich um die Ecke blickte. Vorsichtig lehnte ich mich an die Wand und horchte. Warum war Shiro so wütend?

„Hey. Du hast mich darauf angesprochen. Ich sage dir nur meine Meinung.“, antwortete Deeon ihm belustigt. Sie standen auf dem Rasen und diskutierten. Shiro war etwas verärgert, aber Deeon stand ihm gelassen, mit überkreuzten Armen gegenüber.

„Das meinte ich damit nicht!“, schnauzte Shiro ihn an und gestikulierte wütend. „Weißt du, ich würde es ihr sagen. Sonst bereust du es irgendwann. Ich spreche aus Erfahrung.“, erwiderte Deeon. Aber Shiro sah ihn grimmig an. „Das war doch gar nicht Thema des Gesprächs! Es ging um etwas ganz anderes.“ Aber Deeon grinste ihn an. „Ah. Also habe ich Recht, dass du es ihr sagen würdest?“ „Schnautze..“, grummelte Shiro ihn zurückhaltend an. Deeon ging einen Schritt auf ihn zu und hob eine Augenbraue. „Hört sich an, als würdest du dich nicht trauen.“, neckte er ihn. Shiro drehte sich aber verärgert um. „Tze. Ich habe keine Lust mehr auf dieses sinnlose Gespräch.“, fauchte Shiro ihn an. „Das muss ich mir nicht anhören..“, faselte er vor sich hin und lief in Richtung Garten.

Erschrocken bemerkte ich, dass er in meine Richtung lief. Schnell wandte ich mich wieder dem Eingang und huschte rasch in das Haus. Währenddessen stoppte Deeon ihn jedoch noch. „Hey. Sei doch nicht gleich so verärgert. Jeder hat eine Schwäche.“, lächelte Deeon ihn ironisch an und faste ihm an die Schulter. Grimmig blieb Shiro stehen und blickte hinter sich. „Nimm deine Hand da weg! Das funktioniert nur bei Menschen!“, antwortete er ihm aber. Verärgert hob er sein Bein und trat Deeon mit seinem Stiefel in die Seite. „Nerv mich nicht!“ trat er ihn weg, doch Deeon belächelte die Situation nur als er einen Satz nach hinten machte.

Ich versteckte mich hinter der dünnen Wand und horchte aus der Tür. Beide wollten wieder in das Haus. Bevor Shiro die Treppen jedoch zur Veranda hoch lief, blieb Deeon stehen. „Werden.. wir es denn durchziehen wie besprochen?“, kam es nun ernst von Deeon. Neugierig hörte ich genauer hin und lehnte mich näher an die Wand. Es klang, als würden sie nun über etwas anderes reden. Shiro blieb vor den Stufen stehen und drehte sich seitlich zu ihm. „Ich.. weiß es noch nicht..“, antwortete er nachdenklich.

„SHIIIRO!“, rief Kitsune plötzlich über ihm. Verwundert ging er zwei Schritte zurück und blickte zu ihr auf. „Hmh?“ Kitsune beugte sich über das Geländer und grinste breit. „Hihi. Shiro. Shiro möchtest du auch etwas?“, faselte sie belustigt und zeigte ihren Becher. Dabei überschwappte das Getränk darin etwas und platschte herunter.

Shiro ging gelassen einen Schritt zur Seite und wich diesem aus. „Kisho.. du solltest deine Schwester mal etwas zurückhalten.“, sagte er genervt und blickte den grinsenden Fuchsjungen an, der belustigt mit ansah, was Kitsune tat. Kisho hob nur die Schultern und mischte sich nicht weiter ein. „Lass meinen Lieblingsbruder!“, ermahnte Kistune ihn und kletterte auf das Geländer.

Aber Shiro sah zu ihr auf und legte seine Hände in die Hosentaschen. „Wenn du fällst, fange ich dich nicht auf. Ich hoffe, dass du durch ein gebrochenes Bein dazu lernst. Und ich werde dich nicht heilen. Du kannst dann deinen betrunkenen Bruder fragen.“, begegnete Shiro ihr kalt und rollte die Augen. Doch das stachelte sie noch mehr an. „PAH!“, röhrte sie laut und stellte sich auf das Geländer. Kisho bemerkte ihren wackeligen Körper und wandte sich zu ihr. „Kitsune. Lass das.“, versuchte er sie zu beruhigen, und wieder zurückzuziehen. „Ich falle doch nicht!“, versicherte sie und drehte sich zu ihm. „Kisho! Ich- WAAH“, plötzlich rutschte sie mit ihrem Fuß vom Holz und verlor das Gleichgewicht. Sofort stürzte sie herunter, bevor Kisho sie festhalten konnte. „Kitsune!“, rief er laut und versuchte sie zu greifen. Doch es war zu spät. Sie fiel bereits herunter.

Schnell, ohne großen Aufwand seufzte Shiro und stellte sich unter sie. Dann hob er die Arme und fing sie wohlbehalten auf. „UFF!“, stöhnte Kitsune laut, als sie in seinen Armen landete. Nun blinzelte sie mit ihren Augen und orientierte sich schnell. Dann blickte sie neben sich in Shiros genervtes Gesicht. „OH SHIRO!“, sagte sie laut und umschlang seinen Hals. „Ich wusste, dass du mich fangen würdest!“, freute sie sich. Doch Shiro ließ sie im nächsten Augenblick von seinen Armen zu Boden krachen.

„AUA!“, Kitsune fiel herab und landete auf dem Rasen. „Sei nicht so laut. Du weckst Yuki noch.“, ermahnte Shiro sie. Aber Kitsune blickte verwundert zu ihm hoch. „Hä? Yuki sucht dich doch. Ich dachte sie ist bei dir?“, antwortete sie ihm verwirrt.

Ich hörte, dass sie über mich sprachen. Die ganze Zeit hatte ich sie belauscht und nun fragten sie nach mir. Überrascht hielt ich kurz die Luft an und überlegte, was ich tun sollte. Aber ich entschied mich sofort dazu, mich zu zeigen. Also ging ich zur Tür und schob sie auf.

Kitsune saß noch vor Shiro am Boden und erblickte mich als erstes. „Ha. Da ist sie.“, kicherte sie und zeigte auf mich. „Yuki?“, fragte Shiro verwundert und sah zu mir. Ich biss mir auf die Lippe. „Ehm.. ich.. ich.. konnte nicht schlafen…“, stotterte ich mit großen Augen. Verlegen stupste ich meine Fingerspitzen aneinander und sah herab. Sollte ich ihm sagen, dass ich sie belauscht hatte?

Doch Deeon lief zu Kitsune. „Komm.“, sagte er ihr, und hob sie in seine Arme. „Du solltest dich lieber hinlegen.“ Kistunes Augen wirkten nun etwas benommen und müde. „Hmh.. ja.. du hast Recht..“, kam es von ihr als sie sich in seine Arme kuschelte und sich ihre Müdigkeit eingestand. Deeon blickte nun zu Shiro und mir. „Ich werde sie rein bringen.“, sagte er zuletzt, als er schließlich an uns vorbei ging, und Kitsune hinein trug. Shiro und ich sahen ihm noch schweigend nach, bis er hinter sich die Tür schloss. Dann bemerkte ich ein knarren über mir. Kisho war anscheinend auch in das Haus gegangen.

Jetzt war es leise. Nur wir beide standen noch dort. Mein Herz begann stärker zu schlagen, als ich bemerkte, dass Shiro und ich alleine waren. Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Auch Shiro war still.

Ich zupfte nervös an meiner Kleidung. „Ehm.. ich wusste nicht, dass Kitsune Alkohol trinkt.“, versuchte ich die Stille zu unterbrechen. Aber Shiro lief zu mir und stellte sich vor die Veranda. „Yuki. Ist alles in Ordnung?”, fragte er mich jedoch besorgt. „Kannst du nicht mehr schlafen?”

Da ich auf der Veranda stand, war ich etwas größer als er. Zögerlich drehte ich mich zu ihm. „Ehm… ich habe gar nicht geschlafen..”, antwortete ich und traute mich erst nicht ihn anzusehen. Als ich schließlich aufsah blieb mein Herz kurz stehen. Shiro stand da und blickte mich einfach nur an. Doch dieser Blick war so liebevoll und herzlich. Er war ganz alleine für mich da. Am Himmel erkannte ich den hellen Mond auf ihn herunter scheinen und bemerkte die leichten Reflektionen der Sterne in der heißen Quelle.

Ich schluckte errötet und griff an die Tasche meiner Kleidung, in welcher die Kette lag. Shiro lächelte mitfühlend. „Es ist viel passiert.. nicht wahr?“, fragte er und blickte weg. „Es tut mir Leid, dass du meinetwegen nie Ruhe finden kannst…“, sprach er weiter. Aber ich lief sofort auf ihn zu. „Nein. Nein. Das.. ist doch nicht deine Schult!“, sagte ich schnell und wedelte mit den Händen in der Luft. „Es ist nur.. dass ich sogar glücklich bin, dass du bei mir bist.“ Plötzlich errötete mein Gesicht und ich riss die Augen verlegen auf. „Ehm. Also! Ich meine.. Ich bin froh, dass du da bist.. denn sonst hätte ich das alles ja niemals erfahren! Und .. ich.. hach..“, erschöpft seufzte ich und ließ meinen Kopf sinken. Ich hatte keine Energie mehr, mich aus dieser Situation zu retten. Also sprach ich einfach nicht weiter, um es nicht zu verschlimmern.

Shiro hörte mir zu. Er bemerkte, dass ich nervös war, doch reagierte gelassen. Er war erleichtert, dass ich ihm die Schuld abnehmen wollte, die er sich zusprach. Nun drehte er sich um und setzte sich auf die Veranda. „Ich bin auch froh, dass du da bist.. sonst hätte ich das alles wohl auch nicht mehr miterlebt…“, sagte er, ohne mich anzusehen. Er lehnte sich auf seine Arme und blickte in die Dunkelheit.

Ich wusste woran er dachte. Er kämpfte selber mit dem Gedanken, dass er sich das Leben nehmen wollte. Es machte mich traurig, ihn so zu sehen.

Aber ich hockte mich nun zuversichtlich neben ihn, ließ meine Beine von der Veranda baumeln und blickte in den Himmel. „Shiro. Weißt du was?“, fragte ich ihn glücklich. „Ich will nicht mehr in die Vergangenheit blicken!“, sagte ich ehrlich.

Fragend blickte Shiro zu mir. Als er mich ansah, erschreckte er leicht. Denn ich blickte freudestrahlend in den Himmel während mir eine Träne über die Wange glitt. Doch mein Lächeln wurde immer glücklicher. „Shiro. Ich möchte, dass du auch nicht mehr an die Vergangenheit denkst!“, nun drehte ich mich zu ihm. „Ich möchte, dass wir zusammen in die Zukunft schauen, ja?“

Shiros verwunderter Blick wurde zu einem sanften Lächeln. „Hmh..“ Er nickte mir zu. Dann legte er seine Hand sanft auf meine Wange und wischte mir die Träne vorsichtig weg. „Ok.“, antwortete er leise. Unsere Blicke kreuzten sich einen Moment, während er mir innig in die Augen sag. Ich legte meine Hand auf seine und lächelte ihm zu. Seine Hand an meiner Wange war kalt. Aber es war die Kälte, die mein Herz erwärmte. Es war die Kälte, die ich immer bei mir haben wollte.

Seine Augen waren so wunderschön und hell. Sein Lächeln war charmant. Seine Nähe machte mich glücklich. Ich wollte ihm noch näher sein. Ich wollte ihm noch näher sein als jetzt. Ich wollte, dass er mich näher kommt.

Shiro sah mir tief in die Augen. Vorsichtig kam er mir näher. Er hielt seine Hand noch immer an meiner Wange. Auch ich näherte mich ihm zart. Doch plötzlich stoppte er und blickte mich nachdenklich an. Dann nahm er die Hand von mir und drehte sich wieder von mir weg.

„Hmh?“, ich blickte ihn fragend an und klimperte verwirrt mit den Augen. Doch Shiro seufzte laut, wischte sich mit seiner Hand durch die Haare und ließ sich nach hinten auf den Rücken fallen. „Arghhh..“, verärgert lag er da und legte eine Hand vor sein Gesicht. „Ich hasse es, wenn Deeon Recht hat..“, flüsterte er leise vor sich hin.

Ich kniete mich neben ihn. „Was? Was meinst du?“, fragte ich neugierig. Doch Shiro ließ seinen Arm verzweifelt neben sich fallen und blickte zu mir auf. „Ach… das… kann ich dir nicht erklären..“, zögerte er seine Gedanken auszusprechen und lächelte lieb. Ich konnte mir vorstellen, dass es eine Sache zwischen Deeon und Shiro war, die wir sowieso niemals verstehen würden. Er wollte es mir nicht erzählen, das respektierte ich. Also kicherte ich ihm einfach nur zu.

Danach legte ich mich neben ihn, und kuschelte mich vergnügt an ihn. „Hmh.. hihi.“ Shiro sah mich fragen an. „Was..?“, kam es verwundert von ihm. Ich legte meinen Kopf auf seine Schulter, meine Hand auf seine Brust und lehnte mich an ihn. Ich freute mich, wenn Shiro zu verlegen war etwas zu sagen. Das zeigte mir wieder die Menschlichkeit in ihm. „Ach.. nichts nichts.“, kicherte ich ihn an.

Nun lag Shiro doch endlich neben mir und ich musste es ihm nicht mal gestehen.

Schweigend lagen wir also da und genossen die Ruhe. Ich mochte seine Nähe. Sobald Shiro bei mir war, konnte ich mich beruhigen. Ich konnte mich entspannen. Es war das, was mir zum Einschlafen fehlte. Müde schloss ich die Augen und ruhte mich aus. Mein Körper wurde schwer. Meine Atmung wurde langsam. Ich mochte es so sehr, bei ihm zu liegen. Träumend dachte ich über unsere Worte nach.

„Shiro..?“, flüster ich ihm leise zu. „Hmh?“ „Würdest du mir die Narbe am Rücken heilen?“, fragte ich ihn. Ich wollte nicht mehr an die Vergangenheit denken. Ich wollte nicht mehr an meinen Großvater denken und meine Kaputte Familie, wenn ich diese Narbe sah. Ich wollte mich nicht mehr unwohl fühlen, sobald ich daran dachte. Ich wollte die Narbe verschwinden lassen, genau wie meine traurigen Gedanken an früher.

Shiro legte seinen Arm sanft um mich und drückte mich an sich. „Sehr gerne.“, antwortete er mir leise. Dann lehnte er seinen Kopf an meinen. Mit diesem glücklichen Gefühl schlief ich in seinen Armen ein.
 

Es war leise. Mein Körper war beruhigt und schwer. Trotz meiner immer wiederkehrenden Gedanken die mich belasteten, schaffte ich es, neben Shiro Ruhe zu finden. Ich schlief tief und fest bis zum nächsten Morgen. Neben ihm wollte ich einfach alles vergessen. Und genau das tat ich auch.

Als ich allmählich zu mir kam wurde mir klar, dass ich lange geschlafen haben musste. Ich erinnerte mich nur noch, dass ich neben Shiro eingeschlafen war. Doch ich bemerkte, dass ich nunmehr auf etwas weichem lag, statt auf dem harten Holz. Dazu fühlte ich eine weiche dünne Decke über mir. Ich wusste, dass ich nicht bei bei Shiro auf der Veranda liegen konnte.

Kurz packte mich die Panik. Ich öffnete die Augen weit und blickte auf mein Bett indem ich plötzlich lag. Während ich meinen Oberkörper aufrichten wollte, bemerkte ich jedoch einen leichten Widerstand auf mir. Verwundert verharrte ich in dieser Position und schaute ich neben mich. Eine Hand lag auf der Decke. Ich blickte an ihr entlang, den Arm hinauf bis zu dem Körper. Dann entdeckte ich Shiro hinter mir liegen.

Überrascht hielt ich die Luft an und presste meine Lippen aufeinander. Ehe ihn eine hastige Bewegung von mir weckte, beobachtete ich ihn starr. Er lag entspannt neben mir und schlief tief. Dieser Anblick beruhigte mich. Liebevoll musste ich lächeln und atmete ruhevoll aus. Mein Herz klopfte laut. Laut und aufgeregt. Jedoch nur aus Freude. Tief in meinem Inneren hegte ich den heimlichen Wunsch, Shiro neben mir liegen zu sehen.

Meine Wangen erglühten leicht vor Scham als ich ihn dort liegen sah. Dabei wirkte er so ruhig und glücklich. Er atmete langsam ein und aus. Dieser Anblick machte mich einfach glücklich. Shiro machte mich glücklich. Seine Nähe machte mich glücklich. Doch am meisten machte mich glücklich, dass er seine Zeit mit mir teilte. Ich mochte es, wenn er mir seine sanfte Art anvertraute, seine ruhige und liebliche Seite, die er nur selten zeigte. Auch wenn ich es nicht gut heißen konnte, dass er vor den anderen stets stark wirken wollte, beglückte es mich umso mehr, dass er mir wohl als einzige sein friedliches Wesen zeigte.

Vorsichtig drehte ich mich zu ihm und legte mich in seinen Arm. Still lag er mir gegenüber und schlummerte beruhigt. Verträumt blickte ich ihn einen Moment lang an. Seine Haare lagen ihm etwas im Gesicht, seine linke Wange drückte sorgenlos auf das Kissen und seine Lippen waren nur ganz zart geöffnet, während er leise atmete. In diesem Moment war mich nichts wichtiger, als bei Shiro zu sein. Als ich ihn verträumt beobachtete, legte ich meine Hand vorsichtig auf seine Schulter und streichelte sanft mit meinen Fingerspitzen über seine kalte Haut. Seine Schultern waren breit, seine sonst ständig angespannten, muskulösen Arme lagen entspannt vor ihm und eine Hand ruhte auf meiner Seite. Als ich meine Finger langsam an seinem Arm herunter gleiten ließ, weckte es ihn sanft.

Ich bemerkte wie seine Atmung wacher wurde und seine Muskeln sich anspannten. Überrascht nahm ich meine Hand zurück und lehnte mich etwas zurück. „Hmh.. Shiro?“, sagte ich leise. Doch er hatte seine Augen noch immer geschlossen. Dann lächelte ich mitfühlend. „Stehst du mit mir auf?“, fragte ich ihn nun zurückhaltend. Langsam öffnete er seine verschlafenen Augen zu kleinen Schlitzen. Müde seufzte er kurz. „Ich will nicht.“, nuschelte er leise und schloss wieder die Augen.

Vergnügt stemmte ich mich auf und lächelte ihn an. „Na gut, dann stehe ich alleine auf.“, erklärte ich. Doch er faste meine Hand und zog mich zu sich. „Nein..“, hielt er mich auf und umschlang mich mit seinen Armen. Dann zog er mich schweigend an sich.

Widerstandslos ließ ich mich von ihn umarmen aber musste und blickte ihn verblüfft am. „Was ist denn?“, fragte ich und lehnte mich auf meinen Ellbogen. Er versuchte aber meinem Blick auszuweichen und sah nachdenklich weg. Dabei schwieg er und wollte meine Frage nicht beantworten.

„So kenne ich dich ja gar nicht.“, kicherte ich und versuchte ihn aufzuheitern. Doch er drehte sich nun von mir weg und legte sich auf seinen Bauch. Dabei drückte er sein Gesicht seitlich in das Kissen. „Ich… will einfach nicht aufstehen..“, knurrte er wieder und beharrte darauf, liegen zu bleiben. Doch er wirkte so mürrisch. Also wollte ich ihn aufmuntern.

Ich kuschlte mich mich ganz nahe an ihn, legte meine Hand auf seinen Arm und lächelte. „Dann bleibe ich auch liegen.“, grinste ich. „Ich bleibe einfach immer bei dir.“ Sprachlos über meine Antwort, blickte er aufgewühlt zu mir. „Yuki..“, flüsterte er leise.

Shiro wirkte nun so ernst. Langsam begann ich mich zu sorgen. Warum war er an einem so angenehmen Morgen so negativ gestimmt? Warum war er so nachdenklich. Woran dachte er?

„Was ist denn?“, fragte ich ihn besorgt. Shiro sah mich einen Moment schweigend an. Dann atmete er tief aus. „Yuki.. ich..“, begann er. Dann zog er seinen Arm unter meiner Hand weg und legte seine Hand auf meine. „Ich weiß nicht, was ich tun soll…“, bat er plötzlich unterschwellig um Hilfe. Ich war überrascht. Was wollte er mir damit sagen? „Was musst du denn tun?“, kam es nun von mir.

Doch statt weiter zu sprechen, lehnte er sich weiter in das Kissen und blickte grübelnd weg. Verwirrt setzte ich mich nun auf. „Shiro. Was ist denn? Du weißt doch, dass ich dir helfe.“ Doch er drehte seinen Kopf auf die andere Seite und atmete schwer aus. „Dabei kannst du nicht helfen..“, seufzte er entkräftet. Neugierig legte ich meinen Kopf schief. „He. Das kannst du doch gar nicht wissen. Sag es mir doch erst. Dann sage ich dir, ob ich helfen kann.“

Doch ich stieß nur auf sein stures Schweigen. Er lag da und hatte sich etwas von mir abgewandt. Was war es, das ihn so beschäftigte? Was war es, das er mir nicht sagen konnte?

Ich runzelte kurz die Stirn, dann hob ich eine Augenbraue. „He..!“, kam es fordernd aus meinem Mund. Ich lehnte mich über ihn und legte mich auf seinen Rücken. Dabei versuchte ich in sein Gesicht zu blicken, welches er von mir wegdrehte. „Shiro. Jetzt bin ich neugierig!“, schmunzelte ich und blieb auf ihm liegen.

Doch er war noch immer nachdenklich und blieb mürrisch. „Hmmh…“, knurrte er zurück und drehte die Augen weg. Vergnügt begann ich auf ihm zu wippen. „Sag. Los.“, nervte ich ihn. Unbeeindruckt sah er über seine Schulter zu mir. „Fang nicht wie Kitsune an.“, grummelte er und versuchte noch immer seine Sorgen zu verschließen.

Doch ich grinste breit. „Hmh. Ich glaube nicht, dass du grob zu mir werden würdest, wie du zu Kitsune bist.“, sagte ich selbstsicher und hob einen Finger erklärend. Plötzlich bewegte er sich schnell zu mir. Er drehte sich rasch, griff mich an den Schultern, drehte mich auf meinen Rücken und lehnte sich über mich.

Es geschah so schnell, dass ich einen Moment nicht realisierte, was geschehen war. Plötzlich sah ich ihn über mir. Er hielt mich fest und blickte zu mir herab. Überrascht hielt ich die Luft an und blickte mit großen Augen zu ihm. „Hmgh!“, Verdattert presste ich meine Lippen aufeinander. Shiro sah mich mit einer arroganten aber lieben Miene an. Unsere Blicke trafen sich still. Dann grinste er gelassen mit einem Mundwinkel. „Das würde ich tatsächlich nicht..“, antwortete er und lehnte er sich zu mir herunter. Schließlich hauchte er mir einen zarten Kuss auf die Stirn. Perplex schloss ich die Augen und zuckte etwas zusammen.

Der Kuss war kalt. So kalt sie Shiros Körper, der sich vertraut über mich lehnte. So kalt wie seine Arme, die sich neben meinem Körper vom Bett drückten. Diese Kälte. Ich mochte sie so sehr.

Durch diesen eisigen Kuss begann jedoch mein Körper zu glühen. Meine Wangen erröteten, mein Herz pochte schneller. Wie erstarrt lag ich unter ihm und konnte mich nicht bewegen. Mein Bauch begann zu kribbeln. Shiro war mir so nah. Wieso wurde ich nervös? Wieso konnte ich mich nicht bewegen, sobald er mir so nahe kam? Gerade noch lehnte ich mich verspielt über ihn, doch sobald sich die Rollen tauschten, war mein Körper bewegungslos und mein Mund stumm.

Doch die wichtigste Frage die ich mir stellte war, ob Shiro sich genau so fühlte wie ich mich fühlte.

Als er sacht meine Hände faste und sie auf das Bett drückte, öffnete ich meine Augenlieder wieder und blickte in seine hellen Augen. Wir sahen uns einen Moment lang schweigend an.

Was dachte er gerade, als er mich ansah? Und was dachte ich? Ich blickte ihn an und wollte, dass er mir näher kommt. Ich wünschte, dass sich diese letzte, dünne Distanz zwischen uns auflöste und hoffte, dass er das gleiche dachte.

Wäre nun der richtige Zeitpunkt, ihm die Kette zu schenken? „Shiro…“, sagte ich verlegen und blickte errötet weg.

Plötzlich hörte ich eine laute, schrille Stimme aus dem Flur erklingen. „SHIROOO.“, rief Kitsune erschöpft durch das Haus und lief die Treppe torkelnd hinauf. „Shiro! Aufstehen! Yuki! Wach werden.“, wollte sie uns rabiat wecken. Oben angekommen, hörten wir zuerst Shiros Zimmertür, welche laut aufgerissen wurde. Daraufhin folgte ein leises. „Hä?“

Shiro und ich sahen erschrocken zur Tür. Sofort drehte Shiro sich weg, rollte sich geschickt über das Bett und stand rasch auf. Im gleichen Augenblick, öffnete sich die Tür zu meinem Zimmer. „Yukiii! Aufstehen.“, quietschte Kistune mit lauter Stimme und blickte herein. Kindisch hob sie ihre Hand. „Na Yuki? Gut gesch… oh?“, als sie jedoch Shiro am Bett stehen und mich wach im Bett sitzen sah, hielt sie einen Moment inne. Ich sah, dass sie zwar so lebendig wie immer war, ihr Gesicht jedoch dunkle Augenringe aufgrund der Nacht zuvor trug.

Nachdem sie erst mich anstarrte und ihr Blick dann zu Shiro wanderte, breitete sich ein frechen Grinsen auf ihrem Mund. „Ach so ist das.“, sagte sie und legte ihre Ohren verdächtig an. Ich riss meine Augen auf. „Hmh? Was?“, fragte ich ertappt lächelnd. Doch Shiro unterbrach uns. „Kitsune. Was willst du?“, fragte er mit seiner genervten und ernsten Art. Er stand am Bett und überkreuzte seine Arme ineinander ohne sich anmerken zu lassen, dass ihm die Situation überrumpelte. Doch Kitsune ging einen Schritt zurück, wedelte witzelnd mit ihrer Hand und wollte die Tür wieder schließen. „Ach. Ist schon ok. Deeon kann warten. Lasst euch nicht stören.“, grinste sie breit und machte noch einen letzten Blick in den Raum.

Doch schnell lief Shiro zur Tür und riss sie wütend wieder auf. „Kitsune!“, ermahnte er sie mit leicht erröteten Wangen und blickte auf sie herab. Gleichzeitig lief Kisho den Flur entlang.

„Hey Kitsune!“, meinte er als er an ihr vorbeilaufen wollte. „Was hast du jetzt schon wieder gemacht?“, fragte er sie. Dabei wirkte auch er etwas müde und schlaff. Aber seine Schwester drehte sich nur mit einem Grinsen und einem Schulterzucken zu ihm. „Ich habe gar nichts gemacht.“, meinte sie und deutete in das Zimmer.

Müde sah er nun Kitsune an, dann schaute er ihrem Blick in das Zimmer nach. Dort sah er mich auf dem Bett sitzend. Schließlich wanderte sein Blick zu dem wütenden, leicht erröteten Shiro, der aufgebracht in der Tür stand und den Türgriff festhielt. Es dauerte einen Moment, doch dann hob Kisho die Augenbrauen und nickte ihr zu. „Oooh! Achso… Ja dann. Komm, lassen wir die beiden in Ruhe.“, meinte Kisho und faste seine Schwester an der Schulter.

Shiro erstach beide nur noch mit seinem hassenden Blick und schlug die Tür vor ihnen zu. Wütend ballte er die Faust und biss die Zähne aufeinander, doch dann seufzte er, beruhigte sich allmählich und wischte sich durch seine Haare. Mir noch immer den Rücken zugewandt dachte er kurz nach.

Unwissend über das, was passiert war, richtete ich mich nun auf und setzte mich an die Bettkante. „Was ist denn los?“, fragte ich. „Was wollte Kitsune?“ Shiro drehte sich zu mir und deutete aus dem Zimmer. „Deeon wartete auf mich. Ich.. werde mal zu ihm gehen..“, erklärte er schnell und öffnete wieder die Tür. Bevor er jedoch ging, wartete er auf meine Antwort. Zögerlich faste ich an die kleine Tasche meiner Kleidung, in der noch die Kette lag. „Ehm. Ok. Mach das.“, antwortete ich zurückhaltend. Shiro nickte mir noch schnell zu, lief auf der Tür und schloss sie vorsichtig wieder hinter sich.

Nun war ich alleine. Ich ärgerte mich und blickte ihm nachdenklich hinterher. „Ich.. wollte ihm doch die Kette schenken.“, sagte ich betrübt und blickte herab. „Das… war wohl nicht der richtige Augenblick…“, sprach ich mir zuletzt bekümmert zu.

Als nächstes, schaffte auch ich es, meinen Körper aufzuraffen und aufzustehen. Ich griff mir die Kette, lüftete das Zimmer, schüttelte meine Decke ordentlich auf, nahm mir neue Kleidung und lief zielgerichtet aus meinem Zimmer. Zunächst ging ich in das große Bad, ließ meine Kleidung fallen und stellte mich unter die Dusche.

Ich wollte den Tag erholt und gut gelaunt starten. „Hach.. das tut gut..“, stöhnte ich leise und ließ das warme Wasser auf mein Gesicht tropfen. Es war erfrischend und wohltuend. Meine Sorgen versuchte ich damit einfach zu umgehen und konzentrierte mich auf das warme Wasser. Ich versuchte nicht an Shiro zu denken. Ich versuchte meine Gedanken auf etwas anderes zu lenken. „Was wohl Heute auf mich zukommt?“, fragte ich mich leise und glitt mir durch mein Haar. „Was Shiro wohl jetzt macht..?“, fragte ich. Doch ich ertappte mich selber dabei, wie meine Gedanken nur bei ihm waren. Ich kniff die Augen zu und schüttelte den Kopf. „Nein. Nein… Denk doch mal an etwas anderes Yuki..“ Sprach ich mir selber zu und richtete mich wieder dem Wasser. Ich bemerkte, wie die Wärme meinen Körper weckte. „Hmh. Ich werde mal nachsehen, was die anderen so treiben. Vielleicht gehen wir ja wieder in die Stadt?“, spielte ich mit den Gedanken und streifte über meinen Bauch, meinen Schultern, den Armen und meinem Rücken. „Ob Shiro mitkommt?“, fragte ich mich selber. Aber verärgert wandte ich mich der Wasserregler. „Argh! Das nervt!“, ärgerte ich mich selber und biss die Zähne aufeinander. Doch bevor ich das Wasser wieder ausdrehen wollte, blieb ich verwundert stehen. Denn ich fühlte etwas Ungewohntes an meinem Rücken. Etwas fehlte.

„Meine.. Narbe?“, sagte ich erstaunt und wischte mit meiner Hand über meine Haut am Rücken. Ich versuchte sie mehrmals zu erfühlen doch sie war verschwunden.

Noch unter dem Wasserstrahl stehend, lehnte ich mich an die Wand und blickte nachdenklich herab. „Shiro..“, sagte ich leise und musste verlegen lächeln. „Danke..“, flüsterte ich in den Raum. Denn er hatte meine Narbe geheilt. Er hatte mir einen Gefallen getan und mir diesen Wunsch erfüllt. Er hat mir geholfen, nicht mehr an die Vergangenheit zu denken. Er hat mir gemeinsam einen nächsten Schritt in die Zukunft gewagt.
 

Nachdem ich mich abtrocknete und ankleidete, lief ich mit nassen, offenen Haaren aus dem nebligen Bad heraus. Etwas Wasserdampf folgte mir heraus und stieg an die Decke. „So. Jetzt bin ich wieder sauber.“, sagte ich und lief glücklich in den Wohnraum.

Als ich hinein trat, war jedoch niemand zu finden. In der Mitte stand lediglich der kleine Kaffeetisch mit einer kleinen Vase. „Hmh? Wo sind denn alle?“, fragte ich und blickte umher. In der Küche war niemand, im Nebenzimmer auch nicht. Als ich mich nun in Richtung Garten bewegte, vernahm ich Geräusche von dort. Es waren angestrengte und schnelle Geräusche. Verwundert trat ich also zur Tür und trat heraus.

Als ich auf der Veranda stand, traute ich meinen Augen nicht. Ich blieb angsterfüllt stehen und starrte auf den breiten Rasen, neben der Wasserquelle. „Was.. geht hier vor?!“, fragte ich panisch und legte meine Hand schockiert vor meinen Mund.

Deeon und Shiro kämpften gegeneinander. Es war ein mächtiger und schneller Kampf. Shiro wich gerade einem Tritt von Deeon mit einem Sprung nach hinten aus. „Was soll das?!“, fragte ich aufgebracht und lief mit raschen Schritten vor. Ich konnte nicht fassen, was ich sah. Ich dachte, der Streit zwischen den beiden hätte sich gelegt. Ich dachte, dass wir alle zusammen halten würden. Ich dachte, dass sie sich vertragen hätten.

Sie bewegten sich schnell. Ein rasanter Schlag, gefolgt von einem noch schnellerem Tritt von Deeon, Shiro wich zurück, drehte sich geschickt und versuchte Deeon die Beine weg zu treten. Deeon sprang jedoch mit einem wuchtigen Sprung weg und sprintete wieder auf ihn zu. Daraufhin folgte ein senkrechter Schlag. Shiro rollte sich zur Seite und griff mit einem Frontalhieb nach oben an. Deeon hielt seine Arme schützend vor sich und wehrte diesen Schlag ab. Dann ging der Kampf blitzartig weiter. Diese Wucht hinter den Hieben war beängstigend. Warum kämpften sie plötzlich gegeneinander? Was war nur geschehen? Mein Körper war starr, als ich sie kämpfen sah. „Warum?“, fragte ich leise und starrte sie mit ängstlichen Augen an.

„Oh Yuki. Du bist auch endlich wach.“, hörte ich Kitsune gelassen von der Seite sagen, die sich mir belanglos näherte. Ich drehte mich erschrocken zu ihr. „Kitsune!“, sagte ich laut. „Was ist passiert?! Wieso bekämpfen sie sich?!“, fragte ich laut und deutete auf Deeon und Shiro. Kitsune lächelte mir zu und wedelte mit der Hand in der Luft. „Ach keine Sorge. Die trainieren nur.“, erklärte sie.

„Trainieren?“, fragte ich aufgelöst und ließ die Schultern sinken. „Ja genau. Deeon meinte, dass Shiro zu schwach wäre. Das wollte Shiro nicht auf sich sitzen lassen und wollte ihn vom Gegenteil überzeugen. Ist spannend oder? Ich glaube, Shiro gewinnt! Denn Shiro gewinnt immer!“, kicherte sie und wedelte mit ihrem Fuchsschwanz. Dann lief sie an mir vorbei. „Ich hole uns Tee. Setz dich ruhig schon mal.“, sprach sie mir zu und deutete auf die Veranda. Sprachlos sah ich ihr hinterher.

„Sie.. trainieren nur…“, wiederholte ich erneut und drehte mich wieder zu ihnen.

Nun erkannte ich, dass hinter ihren Schlägen zwar eine gefährliche Wucht stand, ihre Gesichter jedoch Ehrgeiz und Freude ausstrahlten. Dazu führten sie den Kampf ganz ohne Waffen. „Training…“, sagte ich ein letztes Mal, realisierend, was das bedeutete.

Ich war grundlos besorgt. Shiro und Deeon hatten sich ausgesprochen. Die Feindseligkeit war überwunden. Dennoch wäre es Shiro mit seinem Temperament zuzutrauen, dass er sich wutentbrannt in einen tödlichen Kampf gegen Deeon stürzte. Dies war aber nun nicht der Fall.

Fasziniert von ihren Bewegungen, Techniken und Angriffen, setzte ich mich gespannt an die Veranda und ließ meine Beine hinunter hängen. Sie wirkten sehr konzentriert. Ihre Bewegungen waren beinahe kaum zu erkennen und von ihren Stimmen erklangen lediglich kurze Angriffsschreie.

Beruhigt, beobachtete ich Shiro, wie er geschickt mit verschiedenen Haltungen Deeons Schläge abhielt und schließlich mit einem heftigen Gegenschlag konterte.

„Ob Shiro wohl wirklich gewinnen würde?“, fragte ich mich leise. Er war schnell und stark. Doch Deeon war ihm ein ebenbürtiger Gegner.

Nun bemerkte ich Kisho neben mir stehen. „Und, wer wird gewinnen, was glaubst du?“, fragte er mich grinsend und setzte sich neben mich. Aber ich schüttelte den Kopf. „Ach. Ich.. bin für keine Seite. Es ist ja nur ein Training.“, log ich lächelnd und beobachtete den Kampf weiter. Eigentlich hoffte ich, dass Shiro gewinnen würde.

Gelassen lehnte Kisho sich zurück, an den Pfosten. „Hmh. Würde Shiro das hören, wäre er bestimmt traurig.“, erwähnte er nebensächlich und sah gemütlich dem Kampf zu.

Sofort richtete ich mich verwundert zu ihm. „Was? Wieso?“, fragte ich erschrocken. Doch statt mir zu antworten, lehnte er sich grinsend zu mir und stupste mich mit dem Ellenbogen an. „Hast du ihm schon die Kette gegeben?“, fragte er mich.

Errötet wich ich seinem Blick aus. „Ehm.. ich.. nein.“, stotterte ich und kratzte mich an der Schläfe. Dabei dachte ich an den Morgen, als Shiro über mir im Bett lag. Ich hatte zwar den Willen ihm das Geschenk zu überreichen, doch wurde dabei unterbrochen. Ich errötete nur noch mehr und legte meine Hände verlegen auf meine Wangen als ich an seinen Kuss dachte. „Hmmmghhh..!“ Mein Gesicht lief rot glühend an. Ich versuchte meine Aufregung hinter meinen Händen und einem unauffälligen Blick zur Seite zu verstecken.

„Warum nicht?“, kam es nun interessiert von Kisho. Dabei lehnte er sich zu mir und stützte sich auf seinem Knie ab. Die Frage zog mich aus meiner Träumerei und ich blickte nachdenklich zu Boden. Dabei bemerkte ich, wie ich die ganze Zeit nervös mit meinen Beinen schaukelte. Warum hatte ich ihm die Kette noch nicht gegeben? Warum fühlte ich diese Angst in mir, wenn ich daran dachte? „Ich.. weiß nicht.“, antwortete ich ihm zögerlich.

„Yuki.“, sprach Kisho auffordernd. „Hmh?“, fragend richtete ich mich zu ihm. Er hatte seinen Blick auf die beiden Kämpfenden gerichtet und meine Nervosität gar nicht weiter beachtet. „Du magst Shiro doch, oder?“, fragte er mich direkt. Erschrocken wich ich etwas zurück und hob die Hand. „Eh! Was?!“

„Er ist dir wichtig, oder?“, fragte er als nächstes. Ich riss die Augen auf. „… Warum.. fragst du?“, stellte ich ihm als Gegenfrage in der Hoffnung, vom Thema abzulenken. Mein Herz begann immer stärker zu klopfen. Worauf wollte Kisho hinaus? Warum fragte er mich das alles?

Kisho blickte in die Ferne und lächelte sanft. „Du hast Angst, dass deine Gefühle von ihm nicht erwidert werden, oder? Dass er sich nicht in dich verlieben würde.“, sprach er ernst und richtete sich schließlich geduldig zu mir.

Sprachlos blickte ich zu ihm. Ich sah ihn mit weit aufgerissenen Augen, offenem Mund, roter Miene und einer erschrockenen Haltung an. Mein Herz blieb stehen. Mir wurde so warm. Es fühlte sich schwer an, zu atmen. Doch es fühlte sich an, als würde ein Vorhang fallen. Als wenn mir ein schwerer Stein von meinem Herzen genommen wurde. Dennoch ließ mich die Wahrheit erstarren. Kisho hatte Recht. Ich wollte es mir nie eingestehen, doch ich hatte mich in Shiro verliebt. Ich wusste nicht, wie lange ich bereits diese Gefühle verschleierte doch sie wurden immer stärker.

Statt mich zu freuen, versetzte es mich jedoch in eine einsame Trauer.

Ich konnte Kisho nicht antworten. Doch mein Schweigen war ihm Antwort genug. Schüchtern zog ich meine Beine ran und umgriff diese mit meinen Armen. Dann legte ich meinen Kopf auf meine Knie und seufzte. „Es.. fühlt sich so schwer an..“, antwortete ich ihm nun ehrlich. Ich wollte mich nicht mehr anlügen. Ich wollte es endlich sagen können. Doch diese Gefühle, denen ich schwere Ketten anlegte, wurden nun gefunden und ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte. Nachdenklich sah ich auf und beobachtete Shiro beim Kampf. „Ich.. Ich bin doch nicht gut genug… Was bin ich schon? Doch nur so ein schwacher, feiger Mensch.“, erzählte ich ihm traurig und blickte weg. Es schmerzte, meine Sorgen zu gestehen.

Shiro genoss ein solch hohes Ansehen. Er war stark, er war mutig und er war charmant. Er war stur und grob, aber liebevoll und ehrlich. Er war so emotional, dass es mich zerriss, ihn leiden zu sehen. Er war attraktiv und eingebildet, aber konnte doch zahm wie ein Welpe sein. Er war loyal, klug und mächtig. Er wusste sich stets zu helfen und konnte alles erreichen, was er sich in den Kopf setzte. Er spielte in einer ganz anderen Liga als alle anderen um ihn. Er war so vieles, das ich nicht war. „Jemand besseres würde eher zu ihm passen..“, sagte ich leise. „Du meinst, jemand wie Bastet?“, fragte Kisho und hob eine Augenbraue. Ich drehte mich überrascht zu ihm. „Was? Du.. kennst sie?“, stotterte ich aufgelöst. Aber Kisho begann zu grinsen. „Nein. Aber du hast mir von ihr erzählt!“, antwortete er gelassen. „Als du ein weeenig benommen warst, hast du ein weeenig seltsames Zeig geredet.“, erklärte er und deutete mit seinem Finger und seinem Daumen etwas Kleines an. „Du hast total unter dem Gedanken gelitten, dass Bastet viel besser sein würde als du, weil sie viel hübscher ist und stärker und so.“, meinte er und lehnte sich wieder an den Balken.

Peinlich berührt legte ich meinen Kopf wieder auf die Knie. „Oh…“, kam es leise von mir und spielte nervös an meiner Kleidung. Kisho zuckte mit den Schultern. „Ich kenne Bastet nicht. Und es könnte sein, dass sie hübsch ist. Und stark und dass sie mehr kann als du.“, sprach er weiter. Seine Worte stachen in mein Herz. Denn er zählte all das auf, indem Bastet besser war als ich. Doch dann faste er mich an der Schulter. „Yuki.“, sagte er tröstend. „Vielleicht ist sie das in deinen Augen, aber bestimmt nicht in seinen Augen.“

Überrascht blickte ich ihn an. Wovon sprach er?

„Also, ich kenne Shiro ja schon lange..“, begann er zu erzählen und lehnte sich wieder gemütlich an. „Und ich weiß, dass ihm noch nie jemand so wichtig war wie du.“, sagte er mit einem stolzen Lächeln auf den Lippen.

Fassungslos von seinen Worten, sah ich ihm mit starrem Blick an. Meine Augen funkelten, erfasst von seinen warmherzigen Worten. Nun zwinkerte er mir zu. „Und ich weiß, dass du in seinen Augen, neben Bastet in allen Kategorien gewinnen würdest. Wenn sie ein funkelnder Stein ist, bist du ein Diamant.“

Schüchtern drückte ich meine Beine näher an mich und wusste nicht, was ich sagen sollte. Es verschlug mir die Sprache. Was er sagte, machte mich glücklich, dennoch konnte ich ihm nicht glauben. „Danke Kisho.. Aber..-“ „Kein Aber!“, unterbrach er mich und hob den Finger. „Glaubst du mir etwa nicht? Oh Yuki! Das finde ich nicht nett! Ich sage nur die Wahrheit.“, jammerte er überspitzt. Ich wusste, dass Kisho mich trösten wollte. Dennoch war mir klar, dass ich nur ein einfacher Mensch war, uninteressant für jemanden, der alles haben konnte.

Plötzlich rückte Kisho näher neben mich und flüsterte mir zu. „Ich beweise es dir.“, lächelte er und beugte sich vor. „W.. was?“, fragte ich zögerlich. Doch er setzte sich tuschelnd neben mich. „Wenn ich es dir beweise, schenkst du Shiro die Kette!“, forderte er heimlich.

Jetzt versteckte ich mein Gesicht noch weiter hinter meinen Knien und sah betrübt weg. „Kisho.. warum musst du mich damit jetzt aufziehen…?“, fragte ich ihn deprimiert. Aber er lehnte sich nun sicher vor um mir in die Augen zu blicken. „Yuki! Ich zeige es dir! Ich zeige dir, dass du ihm wichtig bist. Ich zeige dir, dass du deine Gefühle nicht verstecken solltest! Ich zeige dir, dass du ihm wichtiger bist, als in diesem Kampf zu gewinnen. Und wir wissen ja alle, wie Shiro verlieren hasst.“, plapperte er schnell und leise. Dann stupste er mich mit seiner Schulter an. „Und wenn ich gewonnen habe, musst du Shiro die Kette schenken!“

Nachdenklich verzog ich mein Gesicht. „Ich weiß nicht..“ Aber Kisho lachte nur. „Ok! Wette angenommen!“, und griff mich freudestrahlend am Arm. „Hey!“, moserte ich laut und versuchte mein Gleichgewicht auf der Kante der Veranda zu halten. „Das habe ich gar nicht gesagt!“, meinte ich verärgert und riss mich von ihm los.

Plötzlich umarmte Kisho mich aufgedreht glücklich und drückte mich fest an sich. „OH YUKI!“, sagte er laut und umklammerte mich fest. Dabei kuschelte er sein Gesicht an meines. „OOHHH Du bist ja soooo süß! Ich liebe es, wenn du so niedlich bist! Oh meine süße Yuki!“

Ich versuchte nach Luft zu ringen. „Argh. Was.. soll das?“, fragte ich ihn verwirrt. Doch als ich mich von ihm drücken wollte, blickte ich in die Ferne zu Shiro. Er hatte uns wohl bemerkt und sah aufmerksam zu uns. Deeons Schläge zu kontern gelang ihm nur noch schwer. Statt seinen Gegner anzugreifen, wich er lediglich nur noch den Angriffen aus. „Hey!“, moserte er, von Deeon weg springend und richtete sich zu uns. Dabei konzentrierte er sich nicht mehr auf den Kampf. Eifersüchtig versuchte er abwechselnd zwischen Deeons Schlägen und Kishos Annäherungsversuch an mich zu blicken. Seine Technik wurde unruhig, das Ausweichen wurde langsamer.

„Hach. Hihihi Yuki!“, kicherte Kisho lautstark. Nun blieb Shiro nur noch stehen und wehrte die Schläge mit seinen Armen ab, statt auszuweichen. „Hey!“, rief er erneut und sah zu uns.

„Kisho, was soll das?“, fragte ich ihn leise. Aber er grinste nur und umarmte mich. „Spiel einfach mit!“, antwortete er ebenso flüsternd. Plötzlich faste Kisho mich an den Schultern und drückte mich auf den Rücken. Dabei kicherte er lautstark. „Kisho?!“, fragte ich nun. Aber er lehnte sich über mich und zwinkerte mir zu. „Hihi. OH du bist SO niedlich!“, kam er erneut von Kishos auffälligen Stimme.

Geschockt starrte Shiro zu uns und ließ die Arme fallen. „KISHO!“, schrie er wütend mit hassendem Blick. Dann wollte er auf uns zu rennen. Dabei übersprang er Deeon Kick und wich ihm aus. „Kisho!“, wiederholte er aufbrausend. Doch in diesem Augenblick, griff Deeon seinen Arm. „Hier geblieben!“, rief Deeon, zog Shiros Arm zu sich, trat ihm die Beine weg und schmiss ihn mit einer schnellen Bewegung zu Boden. Mit einem lauten Rumpeln, lag Shiro nun besiegt am Boden. „Gewonnen.“, sagte Deeon schwer atmend und blickte triumphierend zu ihm herunter.

Nun ließ Kisho mich los. „Siehst du.“, sagte er selbstsicher und zeigte auf den besiegten, am Boden liegenden, erschöpften Shiro. Gleichzeitig überrascht von Kishos seltsamen Verhalten und sprachlos über Shiros Niederlage, klimperte ich einige Male mit den Augen. „Aber… was.. wieso.. woher.. wusstest du..“, stotterte ich und sah hin und her.

Aber Kisho stand nun auf. „Hmh. Ich habe gewonnen. Du musst ihm jetzt die Kette schenken.“, grinste er mich an, richtete seine Kleidung und zwinkerte mir zu. Doch ich drehte mich schnell zu ihm um. „Kisho! Aber…“, ich sah ihn erstaunt an.

Aber Kisho stellte sich in die Tür und blieb gelassen stehen. „Yuki… selbst ein Blinder würde merken, dass er nur Augen für dich hat. Und du nur für ihn.“

Ein Teil deiner Seele

„Nun, ich denke, du hast verloren.", sagte Deeon mit einem selbstsicheren Lächeln und blickte zu Shiro herab. Dann beugte er sich zu ihm und reichte ihm seine Hand. Doch Shiro blickte ihn nur grimmig an und blieb am Boden liegen. Er atmete schwer und ruhte sich aus. Dann legte er seinen Kopf zu Boden, breitete er seine Arme erschöpft neben sich aus und drehte sich weg. „Ich weiß“, antwortete er verärgert.

„Du weißt, dass du zu schwach bist. Du weißt was zu tun ist!“, predigte Deeon ihm ernst und wartete auf Shiros Reaktion. Dieser schwieg jedoch nur trotzig und vermied jeden Blickkontakt. Es war ihm unangenehm verloren zu haben. Trotz Kishos indirektem Eingriff in den Kampf, hätte er nicht verlieren dürfen. Im Gegenteil, er hätte Deeon mit wenigen Schlägen überwältigen müssen, so dass er schließlich die Zeit für Kisho gehabt hätte. Stattdessen musste er viel zu lange Deeons Angriffen aufweichen bis er am Ende sogar zu langsam und erschöpft war. Seine Niederlage machte ihm deutlich, dass er tatsächlich schwach geworden war. Er verlor nicht nur diesen Kampf, sondern auch den Kampf am Tag zuvor. Und er würde weitere Kämpfe verlieren.

„Shiro!“, rief ich laut und rannte besorgt auf ihn zu. Er richtete sich sofort etwas auf und sah in meine Richtung. Auch Deeon blickte zu mir. „Du musst es ihr sagen.", flüsterte er Shiro mahnend zu. Unzufrieden biss er die Zähne aufeinander und schwieg.

„Shiro, ist alles in Ordnung?“, fragte ich nun und hockte mich fürsorglich neben ihn. „Was hat Kisho wieder angestellt?!“, begegnete er mir jedoch und setzte sich, Beine überkreuzend, in einen Schneidersitz. Er wollte sich neben seiner Niederlage nicht noch seine Erschöpfung anmerken lassen und überspielte diese mit seiner verärgerten Art und einer lockeren Haltung.

Ich grinste vorsichtig und spielte an meiner Kleidung. „Oh.. Ehm. Er hat nur wieder Dummheiten gemacht. Keine Sorge. Ich habe ihn vertrieben!“, lachte ich und legte meine Hände in meine Hüfte um Selbstbewusstsein vorzutäuschen. Dabei versuchte auch ich meine Nervosität zu überspielen. Denn Kishos Worte beunruhigten mich innerlich. Shiros Reaktion zu urteilen, lag Kisho mit seiner Meinung richtig.

Ich erinnerte mich wieder an seine Worte. – Selbst ein Blinder merkt, dass er nur Augen für dich hat, und du für ihn. – Verlegen errötete ich und schüttelte mir die Gedanken aus dem Kopf.

„Ist bei dir denn alles in Ordnung, Yuki?“, fragte Deeon nun und blickte zu mir. Konfus hob ich die Hände. „Eh. Ja! Ja! Doch, alles ist in Ordnung. Hehe.“, antwortete ich hecktisch und kämmte mir durch die Haare. Shiro hob eine Augenbraue. „Wirkt nicht so.“, stimmte er mit Deeon ein und sah mich fragend an.

Ich blickte beide mit großen Augen an und lehnte mich überfordert zurück. „Ehm! Nein! Alles gut! Ich.. ich habe mich gewundert! Ja! Dass ihr kämpft. Aber dann habe ich ja auch gesehen, dass ihr gar keine Waffen benutzt. Und Kitsune hat mir gesagt, dass ihr nur trainiert. Und ja.. genau. So habe ich mich erst ein bisschen erschrocken.. oder so..“, faselte ich vor mich hin und blickte dann nervös weg.

Shiro lehnte sich nun gemütlich zurück und stützte sich auf seinen linken Arm. Ein Bein streckte er, das andere winkelte er etwas an. Seinen rechten Arm legte er vorsichtig auf seinen Schoß. Dann grinste er. „Tze. Hätte ich meinen Dolch benutzt, wäre er nicht ohne weiteres davon gekommen.“ Arrogant zog er seinen Mundwinkel hoch und zeigte mit einer Kopfbewegung zu Deeon.

Doch Deeon ließ sich von ihm nicht provozieren und deutete ein gleichgültiges Schulterzucken an. „Nun ja. Du bist kein Engel. Also muss ich mir keine Sorgen machen, wenn du ihn benutzt. Da könntest du mich so oft verletzen wie du möchtest.“

Nachdenklich blickte ich hin und her. Shiro versuchte Deeons Gleichgültigkeit mit einem arroganten Grinsen zu kontern. „Hmpf. Das sind wieder die schnöseligen Gefallenen.“ Verwirrt blickte ich zwischen beiden her. „Was? Wie? Was hat das denn für einen Zusammenhang?“, fragte ich und legte meinen Finger nachdenklich auf mein Kinn.

„Weißt du Yuki.“, begann Deeon lieb. „Engel sind unsterblich. Also wir leben länger als Menschen und länger als Dämonen. Aber abgesehen davon, können wir nicht krank werden oder einfach sterben. Außerdem heilt sich unser irdischer Körper schneller, als wir Schaden erleiden. Die einzige Möglichkeit für einen Engel zu sterben ist, wenn eine solche Waffe seinen Körper durchstößt, während sie von einem Engel geführt wird. Wir nennen es dann, den Frieden.“, erklärte er weiter. „Der einzige Schaden, der nicht sofort an unseren Körpern verheilt, ist der mit diesen Waffen. Auch wenn ihn jemand anderes Führt als ein Engel. Sterben können wir dann nicht, jedoch schadet es doch sehr dem Körper. Dieser Dolch den er nutzt, war einst meine Waffe. Sie ist gefertigt aus Engelstränen. Das stärkste Material, das es gibt.“ Seine Stimme wurde etwas lauter und auffälliger. „Eigentlich waren es Zwillings Klingen. Nur jemand hat es geschafft, die anderen zu zerstören.“, erwähnte er auffällig deutlich und blickte dann zu Shiro.

Ich erinnerte mich sogar an diesen Augenblick. Es war der Moment, als beide sich zum ersten Mal wiedersahen. Als Shiro mich unglücklicherweise beinahe mit seinem Dolch erwischt hätte, wurde er mit einer Druckwelle von mir weg geschleudert. Die Kraft die hinter seinem Schlag wartete, wurde auf ihn zurückgeleitet, ließ den Dolch zersplittern und ihn selber bewusstlos werden. Der Kampf war auch eindeutig schneller als das Training jetzt.

„Achso…“, kam es nun aus mir. „Hmh ich erinnere mich! Damals war der Kampf auch viel kraftvoller. Ich hätte mir gar keine Sorgen machen sollen.“, blickte ich glücklich auf.

Deeon begann nun zufrieden zu grinsen. Denn selbst ich hatte bemerkt, dass dieser Kampf schwächer war. Und somit bestätigte auch ich, dass Shiro schwächer geworden war, denn er kämpfte mit aller Kraft, die er noch hatte. „Hmh. Du brauchst dich nicht zu Sorgen, Yuki.“, sagte er sanft lächelnd und reichte Shiro wieder die Hand. „Ich werde aufpassen, dass ihm nichts Schlimmes geschieht.“

Verärgert, von Deeon bemuttert und dadurch unterschwellig aufgezogen zu werden, drehte Shiro sich von der helfenden Hand weg. „Tze.. Und ich empfinde, dass du ein wenig zu viel redest.“, begegnete er ihm nur störrisch.

Deeon zog seine Hand wieder zurück und legte sie in seine Hosentasche. „Nun gut. Ich werde dir eine kurze Pause gönnen.“, meinte er und drehte sich um. „Ruh dich aus.“, hänselte er ihn weiter und lief zum Haus.

Shiro biss die Zähne zusammen als er ihm hinterher sah und ballte eine Faust mit seiner Linken. „Hmgr.. Dieser… Typ…“, flüsterte er verärgert. Denn er wusste, dass Deeon Recht behielt. Mit allem was er ihm gegenüber sagte. Sich auszuruhen oder weniger kraftvoll zu kämpfen war für Shiro jedoch ein Zeichen für Schwäche. Und er tat alles daran, niemals schwach zu wirken. Darum versuchte er dickköpfig zu beweisen, dass er nicht schwach geworden war, was ihm jedoch nicht gelang.

Ich bemerkte, dass Shiro verärgert war. Nachdenklich blickte ich nun auf den Rasen und zupfte am Gras. „Entschuldige..“, kam es nun leise von mir. Verwundert drehte Shiro sich zu mir. „Hmh?“ Dann sah ich auf. „Es.. war meine und Kishos Schuld, dass du verloren hast… Kisho wollte dich absichtlich ablenken und hat so laut rum gebrüllt und ich habe ihn nicht aufgehalten.. dabei weiß ich doch, dass es wichtig ist, sich bei einem Kampf zu konzentrieren..“, entschuldigte ich mich leise. Im ersten Moment schwieg Shiro. Diese Stille machte mich unsicher. War Shiro nun sauer?

Aber er lehnte sich etwas vor und blickte zum Haus. „Yuki. Das war nicht deine Schuld. Und auch nicht Kishos. Auch wenn ich diesen Clown und seine Taten nie verstehen werde.“, begann er mich zu trösten. „Hehe.. ja.. ich weiß auch nicht, was das sollte..“, log ich ihn an und sah mit erröteten Wangen weg.

Doch nun verstummten seine Worte wieder in ein kurzes Schweigen. Er dachte einen Moment nach, bis er sich nun zu mir richtete. „Yuki.. ich muss dir etwas sagen..“, begann er zurückhaltend.

Als ich verwundert aufblickte, erkannte ich jedoch sofort Shiros versteckten Arm auf seinem Schoß. „Shiro!“, unterbrach ich ihn aufgebracht und riss die Augen auf. „Dein Arm!“, sagte ich laut und deutete auf ihn.

Auf der Haut seines rechten Armes bildete sich ein riesiger, farbiger Bluterguss. Ebenso schwoll diese Stelle an. „Was ist mit deinem Ar-“ „Psscht!“, schnell legte Shiro mir seine Hand vor den Mund. „Schrei das nicht so rum!“, forderte er leise und sah sich unauffällig um. Sofort hielt ich inne und sah ihn verdutzt an. „Was?“, fragte ich erschrocken. Doch er blickte mich mit einem desinteressierten, lächelnden Blick an. „Das ist nur ein Bruch.. Das verheilt gleich wieder.“, sagte er belanglos und hielt sich den Arm fest.

Ich sah ihn mit weiten, fassungslosen Augen an. „Hmggg!“, doch bevor ich wieder lautstark los plapperte, biss ich mir auf die Lippe, atmete tief ein und ballte meine Fäuste empört. „Nur ein Bruch?!“, wiederholte ich panisch aber leise. Shiro hielt sich seinen verletzten Arm und blickte auf sein linkes Bein. „Ja.. das Bein auch. Aber mach dir keine Sorgen. Daran bin ich gewohnt. Es verheilt auch gleich.“, dann hielt er schmerzerfüllt die Luft an. „Ich.. arg.. bin den Schmerz nur nicht so lange gewohnt… Normalerweise verheilt das schneller…“, grinste er ironisch und fasste sich nun an sein Bein.

Ich saß perplex neben ihm und wusste nicht wie ich reagieren sollte. Hatte er also die ganze Zeit gebrochene Knochen, ohne das erwähnt zu haben? Hatte er einfach weiter gekämpft, ohne sich die Schmerzen anmerken zu lassen? Hatte er das nur getan, um nicht schwach zu wirken?

Ich holte tief Luft und sah verärgert zu ihm. Meine Muskeln spannten sich an und ich setzte mich aufrecht vor ihn. „Shiro!“, sprach ich ihn wütend an. „Du… bist.. so ein Sturrkopf!“, fauchte ich und seufzte laut. „Mano! Ich.. ich.. natürlich mache ich mir Sorgen um dich! Kein Wunder, wenn du immer so stur sein willst und dir keine Schwäche anmerken lassen willst!“ Sprachlos blickte Shiro mich an. Ich war wütender, als ich hätte sein müssen. Doch mich verärgerte die Tatsache, dass er sich immer verstellte und dies sogar gegenüber seiner Gesundheit.

Dann faste ich an meine Tasche meiner Kleidung. Ich spürte die Kette darin und erinnerte mich, weshalb ich sie gekauft hatte. „Ich.. werde mir immer Sorgen um dich machen, wenn du dich ständig so verhältst.. weil.. weil du mir wichtig bist Shiro..“, sprach ich leise weiter und errötete. Sollte ich ihm nun die Kette schenken? Aber wie würde er darüber denken? Bevor ich die Kette aus meiner Tasche nehmen konnte, hob Shiro jedoch seinen Arm. „Schau, es ist alles wieder gut.“, lächelte er mich liebevoll an. Mein Blick wanderte von seinem vorgetäuschtem Lächeln zu seinem Arm herab.

Doch nun beugte ich mich vor und faste sanft seinen Arm. Dann berührte ich zärtlich die verheilte Stelle mit meinen Lippen und küsste seine eisige, kalte Haut. Ohne aufzusehen biss ich mir auf die Lippen. „Shiro bitte. Bitte hör auf deine Stärke vorzuspielen.“, kam es leise von mir. Mein Herz begann zu rasen. Mir wurde warm und doch fühlte ich mich so sorglos und ungehemmt wie noch nie. „Mir ist es egal, ob du stark bist oder nicht. Mir ist es egal was du alles kannst. Ich meine.. das ist alles überwältigend.. aber damit kann ich nicht mithalten. Was mir aber nicht egal sein kann ist, wenn du dir selber schadest. Und damit kenne ich mich aus! Und ich kann es nicht sehen, wenn du leidest oder Schmerzen hast. Ich finde es so schön, wenn du lächelst, statt deines ernsten Gesichts. Also.. verstehe mich nicht falsch. Das ist auch hübsch! Aber argh.. weißt du.. Shiro.. du.. bist mir so wichtig. Ich.. ich…“, zuletzt begann ich nur noch zu stottern. Beschämt blickte ich schließlich auf und ließ seinen Arm sinken. Doch als ich ihn anblickte, starrte er mich mit einer fassungslosen, stummen Miene an. Seine Wangen waren errötet und seine Augen weit geöffnet. Er blickte mich einfach nur an und lauschte jedem Wort. Verdattert zupfte ich an meiner Kleidung. „Ich.. ich..“, dann fühlte ich nervös die Kette in meiner Tasche. „Ich möchte dir gerne etwas schenken!“, sprach ich nun entflammt und griff die Kette. Überrascht blickte er auf meine geschlossene Hand die ich ihm entgegen hob.

Mein Herz tanzte wild. Jeder Muskel meines Körpers war angespannt. „Das… habe ich gekauft, als ich in die Stadt ging.“, zitterte meine Stimme verlegen. Dann ließ ich den Anhänger an dem Lederband herunter pendeln. Noch immer kam kein Wort aus Shiros Mund. Er blickte nun den Anhänger an und erkannte das Muster der Pfote darauf. Ich deutete auf den Anhänger. „Ehm.. Ich.. also.. Ich.. wollte dir gerne.. etwas schenken.. also.. Ehm.. Damit du dich auch über etwas freuen kannst! Und.. ich.. als ich das sah, musste ich sofort an dich denken… Weißt du.. das ist ein Pfotenabdruck eines Hundes. Aus.. aus der Menschenwelt!“, erklärte ich stotternd. Dann blickte ich träumend auf den Anhänger und beruhigte mich etwas. „Ich musste an dich denken. Hunde.. stehen für Loyalität, Treue.. Schutz.. Führung und.. Liebe..“, erklärte ich mit sanfter Stimme und sah ihn warmherzig an. Dann reichte ich ihm die Kette. Meine Stimme wurde immer leiser. „Ich.. hoffe.. du freust dich..“

Vorsichtig hielt Shiro die Hand unter den Anhänger, sodass ich die Kette langsam in diese hineinlegen konnte. Doch er schwieg weiterhin und schaute nachdenklich auf die Kette. Ich war verunsichert. „Du.. musst sie nicht tragen, wenn sie dir nicht gefällt.“, sagte ich schnell und streifte meine Haare hinter mein Ohr. Aber er blickte mich erschrocken an und nahm die Kette zu sich. „Nein! Ich.. es.. ist nur..“, dann sah er sich erneut die Kette an. „Ich.. habe noch nie etwas so.. also…“, nun begann auch er zu stottern. Verlegen blickte er weg und streifte sich durch die Haare. „Ich.. also.. Yuki..“ Seine Wangen wurden rot und er versuchte meinem verwunderten Blicken auszuweichen. „Hmh?“, ich sah ihn fragend an und horchte, was er sagen wollte.

Er hockte sich wieder mit überkreuzten Beinen hin und suchte die passenden Worte. „Verdammt.. warum ist das so schwer..?“, flüsterte er sich leise zu. Verdutzt blinzelte ich mit den Augen. Was wollte er mir sagen?

Dann wandte er sich mir wieder zu, schaffte es jedoch nicht, mir in die Augen zu sehen. „Yuki.. du.. bist mir auch wichtig.. Also wirklich sehr wichtig!“, kam es nun von ihm. Aufmerksam setzte ich mich hin. Ich wollte wissen, was er mir sagen wollte. Ich wollte wissen, was so schwer war, auszusprechen. Nervös spannte sich mein Rücken an. Ich kniete vor ihm und drückte meine Hände angespannt auf meinen Schoß.

„Yuki…!“, sagte er nun noch einmal und atmete schwer ein. Er war unruhig und zappelig. Immer wenn er zu sprechen anfing, brach er seinen Satz wieder ab. Doch dann blickte er mich an. Als er mich nun aufmerksam neben sich sitzen sah, hielt er kurz die Luft an, atmete entspannt aus und beruhigte sich sofort. Er blickte auf meine langen braunen Haare. Er blickte auf meine weiche Haut und meine erröteten Wangen. Er blickte in meine braunen, großen Augen. Verliebt lächelte er. „Yuki. Ich liebe dich.“, gestand er mir nun.

Im ersten Moment blickte ich ihn sprachlos an. Mir blieb der Atem stehen. Mein Körper war regungslos. Doch mein Herz sprang höher. Es fühlte sich an, als würde ein Feuerwerk in meiner Brust explodieren. Ich musste einen Moment realisieren, was er gesagt hatte. Doch mein Herz schlug immer wilder. Ich war mir der Worte bewusst, die er mir beichtete. Gespannt wartete er auf meine Reaktion.

Aus meinem starren Blick wurde langsam ein sanftes Lächeln. Meine Augen füllten sich mit Tränen die ich einfach nicht zurückhalten konnte. Auf meinen Wangen bildete sich ein unglaublich glückliches Grinsen, das ich nicht verbergen konnte.

Als ich freudestrahlend die Tränen von meinen Wangen wischte atmete ich erleichtert auf. „Shiro.. ich liebe dich auch.“, zitterte meine Stimme. Verliebt beugte ich mich etwas auf und lehnte mich zu ihm. „Shiro!“, wiederholte ich und umarmte ihn liebevoll. Ich legte meine Arme um seinen kalten Körper und lehnte mich an ihn. Auch Shiro erwiderte die Umarmung und schloss die Augen erleichtert.

Dann ließ er sich langsam zurück fallen und legte sich mit mir auf den Rasen. Mein Kopf lag auf seiner Schulter, mein Körper lag quer über ihm. Meine Hände zitterten. „Ich.. ich..“, stotterte ich verlegen und legte meine Handrücken vor meinen Mund. Meine Tränen liefen an meiner Schläfe herunter, auf Shiros Schulter. Ich war so glücklich, dass ich kaum sprechen konnte.

Nun spürte ich, wie er seine Arme an meinen Rücken legte und mich an sich drückte. „Du.. musst doch nicht weinen..“, flüsterte er mir zu. Doch ich schluchzte noch glücklicher. „Ich.. will gar nicht weinen.“, antwortete ich und begann zu lachen. Dann kuschelte ich mich noch stärker an ihn. Ich spürte seinen kalten Körper unter mir. Diese Kälte, die ich so liebte. Ich spürte seinen nervösen Atem und meinen rasenden Herzschlag. Plötzlich legte Shiro seine Hände an meine Hüfte. „Hmh?“, verwundert öffnete ich wieder die Augen. Dann hob er mich in die Luft und blickte zu mir auf. Er zeigte mir sein glücklichstes und warmherzigstes Lächeln. Einen Moment sahen wir uns nur an. Auch ich musste lächeln. So glücklich, hatte ich ihn noch nie gesehen. Fröhlich kicherte ich und legte meine Hand auf seine Wange. Während ich zu ihm herunter sah, tropften einige Tränen auf ihn herab.

Sein Lächeln war so warm und strahlte aus tiefstem Herzen. Es machte mich glücklich ihn so zu sehen. Es machte mich glücklich, dass er mich sicher in seinen Armen hielt. Es machte mich glücklich, dass ich dieses Gefühl nie wieder verlieren wollte. Es machte mich so glücklich, dass ich es nicht beschreiben konnte.

Ich hatte mich so sehr in ihn verliebt. Ich liebte seine schwarzen, zerzausten Haare und seine bleiche Haut. Ich liebte seine weiß-blauen Augen und seinen großen, kalten Körper. Ich liebte seine mürrische Art und sein weiches Herz. Ich liebte seine Stimme und sein Lächeln. Ich liebte ihn so sehr, dass ich ihm mein Leben anvertraute.
 

Im gleichen Moment spähte im Hintergrund ein roter Fuchskopf heimlich aus dem Haus. Kisho erhaschte einen diskreten Blick durch einen Spalt der Tür. Dann blickte ein weiterer Fuchskopf unter ihm in den Garten. Kitsune zwängte sich an die Tür und grinste schließlich frech. „Hmh…“, dann stellte sie sich wieder aufrecht hin und richtete sich zu ihrem Bruder. „Hehe. Ich habe gewonnen.“, meinte sie begeistert und hob fordernd ihre Hand. Aber Kisho drehte sich mit gehobener Augenbraue zu ihr. „Du hast gesagt, dass sie sich heute ihre Gefühle gestehen. Ich habe aber gesagt, dass sie ihre Gefühle noch heute Mittag gestehen. Also genaugenommen, habe ich gewonnen!“, grinste er genau so frech und tätschelte sie auf ihrem Kopf. Kitsune plusterte verärgert ihre Backen auf. „Ach man..“, nörgelte sie.

„Kitsune, Kisho! Hört auf damit!“, forderte Kazumi beide auf. Sie lief gerade aus der Küche und setzte sich mit einem warmen Teekessel an den Tisch.

Dann näherte sich auch Deeon ihnen und schob die Tür zu. Er sah beide mit einem leichten Lächeln auf den Mundwinkeln an und schüttelte den Kopf. Kitsune hob die Hände. „Was denn?“, fragte sie kichernd. „Ich muss doch wissen, ob ich gegen meinen großen Bruder gewonnen habe! Das musste sein.“, erklärte sie sich und lief zum Teetisch. Kisho setzte sich neben seine Mutter und überkreuzte die Arme. „Uff. Naja. Ich hoffe es ist endlich zwischen beiden geklärt. Wie haben die es sich so schwer gemacht?“, fragte er nachdenklich und seufzte. „Ja! Ich verstehe auch nicht, warum die beiden daraus so ein Theater gemacht haben.“, stimmte Kitsune ihm zu und nickte mehrmals. „Ich bin froh, dass Shiro ein so liebes junges Mädchen kennengelernt hat.“, kam es gelassen von Kazumi, die bereits vornehm aus ihrer Tasse trank. Kitsune schüttete nun Tee in drei weitere Tassen. „Hihi. Aber eigentlich war es immer witzig zu sehen, wie die sich verhalten.“, schmunzelte sie. „Mal sehen, wie es weiter geht.“

Deeon nahm nachdenklich eine Tasse und nippte an dem Tee. „Hmh… wie es weiter geht..“, sagte er leise zu sich und stellte die Tasse wieder auf den Tisch. Betrübt sah er sich das Getränk an und schwieg. Denn er wusste, was als nächstes zu tun war. Auch wenn es ihm schwer fiel. Er wusste, was auf sie zukommen würde.
 

Shiro und ich entspannten noch immer im flachen Gras. Ich lag auf ihm und hatte meinen Kopf ungehemmt auf seine Brust gelegt. Meine Hand berührte seine Schulter und träumend sah ich auf die Kette, die er nun um seinen Hals trug. Verzaubernd reflektierte sie die Sonnenstrahlen des warmen Wetters.

Wir hatten die Stille und die gegenseitige Nähe genossen. Es war seltsam, nun das ausgesprochen zu haben, was ich mir lange Zeit nicht eingestehen wollte und nun genießen konnte. Doch es fühlte sich traumhaft an.

Ich kuschelte mich an ihn und dachte nach. „Hmh.. danke..“, unterbrach ich nun die Stille während ich kicherte. Shiro lehnte sich etwas auf. „Hmh? Wofür bedankst du dich?“, fragte er ahnungslos. Nun beugte auch ich mich etwas auf und sah ihn mit einem verliebten Lächeln an. „Dass du es zuerst gesagt hast.“, erklärte ich. Shiros Wangen erröteten und er legte sich wieder gelassen hin. „Hmh.. das.. war anstrengender als jeder Kampf den ich bisher hatte.“, seufzte er und schloss die Augen erholend.

„Ach ja.“, begann ich und setzte mich auf. „Warum habt ihr überhaupt gekämpft? Nur weil du irgendwas beweisen wolltest?“, fragte ich ihn als nächstes und sah neugierig zu ihm herab. Doch Shiro öffnete erschrocken die Augen. Dann richtete er sich auf, sodass ich auf seinem Schoß saß. „Ja.. so.. in etwa…“, antwortete er und sah nachdenklich weg. Doch ich lächelte zuversichtlich. „Hmh. Du solltest dich nicht immer so anstrengen. Entspann dich doch lieber Mal.“, versuchte ich ihm beizubringen. Doch er schwieg und sah noch immer weg. „Was… hast du?“, fragte ich ihn nun besorgt und lehnte mich zur Seite.

„Yuki..“, sprach er nun zögerlich und nahm meine Hand. Dann richtete er sich zu mir. „Ich.. will dich nicht anlügen. Aber ich muss trainieren, weil ich zu schwach geworden bin.“ „Zu.. schwach?“ „Ich habe zu viel meiner Kraft verloren und konnte sie seit Tagen nicht regenerieren…“

Mein Herz klopfte laut als er sprach. Ich hatte ein ungutes Gefühl und mein Magen zog sich zusammen. „Deeon und ich.. haben beschlossen, dass es zu gefährlich ist, wenn ich so schwach bin wie jetzt. Sollte noch mehr Zeit vergehen, werde ich noch schwächer…“, versuchte er mir zu erklären.

Ich blickte in ängstlich an. „Ehm.. dann. Wirst du.. dich einfach wieder regenerieren?“, lächelte ich mit ängstlicher Miene. Aber er umfasste meine Hände und blickte mir ernst in die Augen. „Yuki. Wir werden in die Bibliothek gehen, damit ich wieder zu Kräften komme.“, sagte er und schwieg einen Moment. Er wirkte etwas zögerlich. Doch dann streichelte er meine Hand besorgt. „Und anschließend werden wir die direkte Konfrontation mit Lilith suchen…“

Ich starrte ihn entsetzt an. „W.. was?“, fragte ich und wollte nicht glauben, was er mir darlegte. „Nein.. Moment..“, stotterte ich und dachte nach. Ich war so verwirrt. „Shiro.. aber.. Lilith ist doch.. sie.. dann musst du… nein…“, ich schüttelte verständnislos den Kopf und faste ihn an seinen Schultern. „Shiro. Ich.. möchte nicht, dass du dich Lilith stellst. Gibt.. es nicht vielleicht einen anderen Weg? Ich meine.. Können wir nicht darüber nachdenken?“ „Das haben wir bereits.“, begegnete er mir niedergeschlagen. „Wann habt ihr denn vor zu gehen?!“, kam es nun bestürzt von mir.

Shiro sah mir einen Moment schweigend in die Augen. „Noch Heute.“ Erschrocken wich ich zurück. „Was?!“ „Yuki! Mit jedem Tag werde ich schwächer! Und was ist mit Mephisto? Sollten wir ihn nicht retten? Die Chance wird immer geringer, dass er noch lebt! Ich kann ihn nicht einfach aufgeben! Und sollten wir nicht alle retten, die Lilith wegen „mir“ tyrannisiert?“, versuchte er mir zu erklären. Aber ich wollte seine Argumente nicht hören. Ich wollte nicht wissen, welche Gründe diesen Plan unterstützten. Denn ich wusste, dass sie richtig waren. Dennoch wollte ich Shiro nicht gehen lassen. Ich wollte nicht, dass er sich in Gefahr begeben würde.

„Nein.. Shiro…“, verbittert stand ich auf und schüttelte den Kopf. „Vielleicht.. vielleicht können wir einen anderen Weg finden.“, stotterte ich gedankenlos. Doch auch er stand auf und blickte trostlos herab. „Es gibt keinen…“, antwortete er. „Das alles, ist doch nur meinetwegen passiert.. es gibt nur zwei Wege, entweder stirbt sie, oder-“ „NEIN!“, unterbrach ich ihn laut und starrte ihn mit weitaufgerissenen Augen an. „Du darfst nicht gehen!“, flehte ich ihn an und legte meine Hände nachdrücklich auf seine Brust. Shiro versuchte meine Hände zu fassen und mich zu beruhigen. „Früher oder später muss ich gegen sie antreten..“, sprach er mit leiser Stimme. Ich riss jedoch meine Hände zurück. „Nein!“, erwiderte ich. „Nein!“ sprach ich immer wieder.

Ich wollte nicht einsehen, dass dies der einzige Weg war. Ich versuchte panisch andere Argumente zu finden oder Gründe, damit er nicht gehen musste. Ich konnte es nicht zulassen, dass er in seinen eigenen Tot rannte. Ich konnte nicht zulassen, dass ich ihn verliere. Doch mein Herz war voller Furcht, dass ich keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte.

„Nein… nein…“, wiederholte ich. Kein anderes Wort kam von meinen Lippen. Ich wischte nachdenklich über meine Stirn und schüttelte den Kopf. Mein Herz raste. Ich konnte kaum atmen. Es musste doch einen anderen Weg geben.

Aufgelöst trat ich einige Schritte von ihm weg. „Ich.. vielleicht… ich .. meine… also..“ Dann drehte ich mich um. Ich musste hier weg. Ich musste nachdenken. Es fühlte sich an, als wäre ich in einem Traum gefangen. Es fühlte sich falsch an.

Doch ehe ich mich von ihm wegdrehte, fasste er meine Hand. „Yuki..“, sagte er leise. Starr blieb ich stehen. Dann blickte ich langsam zu ihm. Als ich ihn ansah, hielt ich erschrocken die Luft an. Denn er stand mir entkräftet gegenüber und hielt sich die Hand an sein Gesicht. „Bitte bleib bei mir..“, hörte ich ihn leise sagen. Er biss die Zähne zusammen und versuchte seine Tränen zu unterdrücken. „Ich.. will nicht alleine sein..“

In diesem Augenblick blieb mein Herz stehen. Der Wind fegte um uns und die Sträucher begannen leicht zu rascheln. Mir wurde klar, dass auch Shiro sich fürchtete. Mir wurde klar, dass auch er einen anderen Weg bevorzugen würde. Und mir wurde klar, dass es keine andere Möglichkeit gab. Er war gefesselt von seinem Schicksal, gegen Lilith kämpfen zu müssen.

„Shiro..“, begann ich zu wimmern. Dann drückte ich mich an ihn, „Das ist unfair!“, und brach in Tränen aus. „Das ist so unfair! Wieso du? Du hast doch schon so viel leiden müssen! Du hast doch schon so viel beweisen müssen! Du.. du…“ „Es ist nicht unfair..“, begegnete er mir leise und legte seine Arme um mich. Er lehnte sich etwas vor, sodass sein Kopf an meinem lehnte. „Ich.. habe damals meinen Teil der Vereinbarung nicht eingehalten… Ich bin feige davongerannt. Es ist ihr Recht, sich ihre Seele zurückzuholen.. Und sich dann auch meine zu nehmen.“

Mein Herz zerriss, als er dies gestand. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Denn er hatte Recht. Weinend presste ich mich näher an ihn und drückte meine Finger in seine Kleidung. Tränen liefen an meinen Wangen herunter und ich konnte nicht aufhören zu weinen. Ich hatte solche Angst ihn gehen zu lassen.

Doch Shiro lächelte nun betrübt und sah mich an. „Hmh. Du musst nicht weinen..“ Dann wischte er meinen Tränen weg und legte seine kalten Hände auf meine Wangen. „Ich werde ihr meine Seele nicht geben. Du weißt doch, dass ich der stärkste Dämon bin.“, versuchte er mich zu trösten und küsste mich auf die Stirn. Ich legte traurig schmunzelnd meine Hände auf seine. „Du bist ein Mensch.. vergiss das nicht.“, antwortete ich und genoss seinen kalten Kuss auf meiner Haut.

Ich lächelte beruhigt. Denn ich stellte mir einfach vor, wie er gewinnen würde.

Plötzlich hörten wir, wie jemand die Tür des Hauses öffnete. Wir beide blickten aufmerksam zur Seite. Als ich mich von Shiro wegbewegen wollte, hielt er jedoch seine Arme um mich und stellte sich hinter mich. Er wollte mich nicht gehen lassen. Er wollte jedem zeigen, dass er mich nicht gehen lassen wollte. Er wollte zeigen, dass er an meiner Seite bleiben würde.

Als wir nun zur Tür sahen, erblickten wir Deeon angelehnt an dem Türrahmen stehen. „Hast du es ihr erklärt?“, fragte er ernst. Shiro drückte mich an sich ohne seinen Blick von ihm zu wenden. „Ja..“, antwortete er ebenso ernst. „Dann sollten wir nun gehen.“, erklärte Deeon und lief nun die Treppen zu uns herab.

Erschrocken fasste ich Shiros Arm. „Jetzt?! Aber.. warum so plötzlich?“ Deeon lief an dem Haus entlang. „Wir dürfen keine Zeit verlieren.“ „Aber was ist mit den anderen?!“ Shiro löste seine Umarmung. „Wir können uns nicht verabschieden.“, antwortete er als ich mich ängstlich zu ihm drehte. Aber er versuchte zu lächeln. „Wenn wir es ihnen sagen, dann würden sie uns niemals gehen lassen. Besonders nicht Kitsune.“, sagte er und legte seine Hände auf meine Schultern. Ich sah ihn verängstigt an. „Dann.. werden wir jetzt einfach gehen?“, fragte ich und sah zwischen beiden her.

Deeon lief bereits weiter und wartete schließlich auf uns. Doch statt mir zu antworten, blickte er schweigend zu Shiro. Dieser erwiderte seinen stillen Blick mit einem Nicken. Dann sah er zu mir herab. „Ja..“, bestätigte er.

Ich atmete tief ein. Mein Bauch schmerzte. Mein Herz klopfte. Aber ich war bereit. Würde Shiro an meiner Seite sein, wollte ich mich nicht fürchten. Nicht einmal vor Lilith.

„Kommt.“, rief Deeon und machte eine auffordernde Geste. „Bevor die anderen etwas mitbekommen." Ich blickte ein letztes Mal zu Shiro. „Ich.. bleibe bei dir.“, flüsterte ich ihm ermutigend zu. Er streichelte mir über mein Haar und lächelte traurig. „Lass uns gehen.“

Nun richteten wir uns zu Deeon und liefen auf ihn zu. Deeon legte ihm brüderlich seine Hand auf die Schulter und nickte ihm schweigend zu. Beide wirkten angespannt. Beide wirkten so ernst. Beide waren so stark. Während des Laufens klatschte Shiro die Hände zusammen. Ein magisches Geräusch erklang. Das gleiche, welches ich schon öfters hörte. Er breitete nun die Arme auseinander und vor uns errichtete sich ein blau leuchtendes Portal.

Es geschah alles so schnell. Ich hielt die Luft an. Was würde mich nun hinter diesem Portal erwarten? Was würde geschehen? Doch egal wie viel Angst ich hatte. Ich wollte bei Shiro bleiben. Ich wollte an seiner Seite bleiben. Ich ballte meine Fäuste und lief mit Shiro voran. Nervös blickte ich noch zu ihm hoch als wir vor dem Portal standen. Doch er faste meine Hand und sah mir in die Augen. Ich presste meine Lippen aufeinander. Ich wollte bereit sein. Ich wollte gefasst sein, auf das, was nun kommen würde. Ich wollte stark sein.

„Dann los.“, erklärte ich mutig und trat als erste durch das Portal. Shiro folgte mir sofort und lies meine Hand nicht los. Ich drückte seine Hand fester und blickte gerade aus. Egal was passieren würde. Ich vertraute ihm. Ich wollte mutig dem entgegentreten, das mich ständig verängstigte. Ich wollte genau so mutig sein, wie es Shiro immer sein musste.

Würden wir direkt in der Bibliothek ankommen? Würden wir vor dem Atrium ankommen? Oder doch mitten vor Lilith? Würde ein direkter Kampf starten? Oder werden wir ungesehen durch die Gänge schleichen? Egal was kommen würde. Ich wollte bereit sein.

Das Licht des Portals blendete mich etwas. Ich schloss kurz die Augen und trat mit Shiro hindurch. Ich hielt die Luft an. Ich versuchte mein Herz zu beruhigen.

Doch als ich nun die Augen öffnete, blickte ich auf Namis Haus. Verwundert klimperte ich mit den Augen. Dann runzelte ich die Stirn. „Was? Aber.. wieso sind wir bei Nami?“, fragte ich perplex und drehte mich zu Shiro.

Er sah mich zurückhaltend an. „Hier bist du in Sicherheit.“, antwortete er leise. Aber ich lief erschrocken auf ihn zu. „Was? Nein! Ich lasse dich nicht alleine gehen! Shiro! Ich wollte an deiner Seite bleiben!“, sagte ich laut. Doch so aufgebracht ich war, so ruhig trat er mir entgegen. „Yuki. Ich werde dich bestimmt nicht in Gefahr bringen.“, antwortete er und legte seine Hand an meine Wange. „Nami wird dich beschützen.“

Wütende Tränen kullerten über meine Wangen. Ich starrte ihn wortlos an. Auch wenn ich an seiner Seite bleiben würde, würde ich sie mehr aufhalten als ihnen zu helfen. Ich verstand, warum sie mich wegbrachten. Ich war zu schwach. Ich war keine Hilfe. Warum dachte ich nur daran, dass sie mich mitnehmen würden? Gerade mich, die ich nur Schwierigkeiten machte.

Traurig blickte ich nun herab. „Es.. tut mir leid.. dass ich dir nur im Weg stehe. Ich.. würde dir so gerne.. helfen. Ich möchte auch stark sein. Ich… möchte dir.. ich…“ Verweint wischte ich mit meinen Händen über meine Augen. Dann sah ich zu ihm auf. „Shiro! Ich will, dass du wieder zu mir zurück kommst!“

Plötzlich lehnte er sich vor und küsste mich. Sprachlos riss ich die Augen auf. Ich spürte seine kalten Lippen auf meinen. Ich fühlte seinen eisigen Hauch. Ich fühlte seine zärtliche Nähe. Eine Träne lief an meiner Wange herab, als ich seinen sanften Kuss genoss.

Ich wollte nicht, dass er mich los lies. Ich wollte nicht, dass dieser Moment endete. Traurig schloss ich meine Augen, legte verliebt meine Hände auf seine Brust und krallte meine Finger in seine Weste.

Als er sich langsam von mir löste. Umarmte er mich sanft. „Yuki. Du bist mutig! Du hast mir schon so viel geholfen. Du.. hast mein Leben gerettet. Yuki…“, dann lehnte er sich zurück und blickte mir in die Augen. „Du bist mir wichtiger als mein Leben.“, sagte er und streifte meine Haare von meinen Wangen. Er sah innig zu mir herab. Seine hellen Augen funkelten als er mich anlächelte. „Weißt du, mein Leben war so dunkel und frustrierend. Ich habe mich versteckt und als jemand anderes ausgegeben. Nur damit niemand mir zu nahe treten kann. Ich habe mir feige andere Namen gegeben damit man mich nicht findet. Ich habe mich feige verkrochen. Aber du hast mir die Augen geöffnet.“, erklärte er mir. „Du hast mir gezeigt, wofür ich kämpfen will. Ich will mich nicht mehr verstecken. Yuki. Ich möchte, dass du die erste bist, die weiß wer ich bin.“

Schweigend blickte ich in seine Augen. Sein Blick wirkte aufgeschlossen und tapfer. „Yuki. Wenn ich wieder komme, werde ich es nicht als Shiro. Und auch nicht als Schattenmann. Ich werde „Ich“ sein. Ein Knabe, dessen Mutter ihm den Namen Arkin gab. Ein Junge, der naiv und schwach war. Ein Junge, der nun endlich weiß, wofür er lebt. Für dich. Yuki. Und dieses Leben möchte ich dir schenken.“

Sprachlos sah ich zu ihm auf. Mein Körper war so starr und zitterte. Er hatte mir seinen echten Namen verraten. Er hatte mir sein größtes Geheimnis anvertraut. Da niemand seinen Namen kannte, konnte Lilith ihn auch nie finden. Nun, da er sich ihr stellen wollte, konnte er seinen Namen endlich offenbaren. Und ich war so glücklich, dass ich die erste war, die seinen Namen erfahren durfte. „Arkin..?“, fragte ich leise. Er nickte mir ehrlich zu, erleichtert darüber, mir sein Geheimnis anvertraut zu haben. Dann begann ich zu lächeln. „Den Namen finde ich sehr schön.“, erklärte ich und brachte auch ihn damit zum Lächeln. „Das freut mich.“, begegnete er mir.

Wir standen uns schweigend gegenüber. Ich wusste, dass wir uns nun trennen mussten. Ich wusste, dass ich ihn gehen lassen musste, egal wie sehr ich mich dagegen wehren würde. Angespannt hielt ich mir die Hand vor meiner Brust. Mein Herz zerriss in zwei, doch ich wusste, dass es das Richtige war. Statt meine Tränen zu offenbaren, versuchte ich ihm ein Lächeln zu schenken. „Ich warte auf dich. Lass mich nicht zu lange warten. Verstanden?“, belehrte ich ihn scherzhaft um den Schmerz zu verstecken.

Ich wollte ihm keine Sorgen bereiten, indem ich weinte. Ich wollte stark bleiben so wie auch er es sein musste. Er durfte keine Schwäche zeigen. Er musste stark sein. Wir mussten stark sein.

„Ich werde dich nicht warten lassen.“, antwortete er mit einem gleichen traurigen Lächeln. Er sah mir tief in die Augen. Sein Blick machte mich sprachlos. Ich wollte nicht, dass die Zeit weiter lief. Ich wollte nicht, dass er gehen musste. Ich wollte ihn am liebsten festhalten. Ich wollte ihn an seiner kalten Hand greifen und ihn nie wieder los lassen. Doch ich konnte nicht.

Nun legte Shiro seine Arme um mich und zog mich an sich. „Yuki..“, flüsterte er leise. Auch er wollte diesen einen Moment zu tausenden ausdehnen. Mit dem Wunsch, die Zeit anzuhalten. Doch man kann sich seine Zeit nicht aussuchen. Wir mussten uns trennen und uns dem stellen, das hinter diesem Moment auf uns wartete.

Auch ich legte meine Arme um ihn. Wenn ich ihn nun los lassen würde, sollte ich ihn jemals wieder umarmen können? Meine Augen füllten sich mit Tränen. Doch tapfer lehnte ich meinen Kopf auf seine Brust und atmete schwer. Ich wollte nicht weinen. Ich wollte stark bleiben.

„Es wird Zeit..“, forderte uns plötzlich Deeon auf, der am Portal stand. Er blickte mitfühlend zu uns und wartete geduldig auf Shiro. Erschrocken wandte ich mich zu ihm und riss die Augen auf. Auch Shiro drehte sich zu ihm. „Ich weiß…“, antwortete er leise. Mein Herz pochte laut. Der Abschied stand bevor.

Nun nahm Shiro langsam meine Hand und küsste meinen Handrücken zärtlich. Dann sah er mich mit einem stillen Blick an und trat einen Schritt zurück. Sanft glitt seine Hand von meiner. Als er vom mir weg schritt, konnte ich nicht sprechen. Ich wollte nach ihm rufen. Ich wollte, dass er stehen blieb. Ich wollte nicht, dass er geht.

Bereit drehte er sich zu Deeon und blieb bei ihm stehen. Deeon packte ihm nickend an die Schulter. Letztlich drehte Shiro sich zu mir. Ich stand einsam vor Namis Haus und beobachtete ihn. Traurig legte ich eine Hand an meinen Arm und wartete. Shiro biss die Zähne aufeinander und blickte mich einen Moment lang an. „Ok.“, sprach er Deeon zu und klatschte in die Hand. Dabei schloss sich das erste Portal und ein neues errichtete sich. Doch bevor Shiro hindurch gehen wollte, hielt Deeon ihn kurz zurück. „Hey.“, sagte er ihm leise. „Du wirst Yuki wiedersehen.“ Shiro blickte betrübt weg. „Ja..“, antwortete er und lief schließlich durch das Portal. Dann war er verschwunden.

Achtsam stand ich noch da. Schnell wischte ich mir die kleine Träne weg, die auf meine Wange schlich. Bevor Deeon nun durch das Portal trat, sah er zu mir. „Yuki! Ich werde auf ihn aufpassen. Mach dir keine Sorgen.“, erklärte er optimistisch. Doch ich presste nervös die Hand zusammen. „Kommt bitte unbeschadet zurück! Deeon! Auch du!“ Er lächelte breit. „Natürlich! Wir sehen uns später!“ Er drehte sich zum Portal, sah kurz über seine Schulter und winkte mir zu. Dann sprang er hindurch und das Portal schloss sich.

Schließlich war es leise.

Ich spürte mein Herz noch immer pochen. Der Wind fegte kurz über die Straße und verdeutlichte mir, dass beide weg waren. Sie würden gegen Lilith antreten. Hatte Shiro Angst? Würde er es schaffen? Würden sie es schaffen?

Shiro war weg. Als mir klar wurde, dass es der letzte Augenblick mit ihm gewesen sein könnte, zog sich mein Magen zusammen. Mein Bauch schmerzte und mir wurde schlecht. „Shiro..“, flüsterte ich leise und blickte in die Ferne. Meine Tränen konnte ich jetzt nicht mehr zurückhalten. „Shiro..“, wiederholte ich und begann zu weinen. Er war weg. Und ich würde ihn vielleicht nie wieder sehen.

Ich schluchzte laut und spürte die kalten Tränen über meine warme Wange laufen. Verbittert biss ich die Zähne aufeinander und kniff die Augen zusammen. „Shiro!“, brach es aus mir heraus. Ich hielt die Hände vor mein Gesicht und begann zu wimmern. Meine Atmung wurde immer schneller. Ich keuchte nach Luft während ich immer wieder heulende Geräusche von mir gab.

Meine Beine wurden immer schwächer. Wimmernd ließ ich mich nun auf die Knie fallen und weinte weiter. „Shiro.. bleib bei mir..“, flüsterte ich als ich endlich meine Tränen weg wischte. Doch es folgten weitere. Ich konnte einfach nicht aufhören zu weinen. Meinen Kopf hatte ich zum Boden gerichtet und ich bemerkte die Tränen, die neben meiner Hand auf den Boden tropften. Dann beruhigte ich mich. Ich wollte doch nicht mehr weinen. Ich sollte aufhören zu weinen.

„Shiro.. ich.. ich.. bleibe stark…“, ermutigte ich mich selber. Ich wollte kein Angsthase mehr sein. Ich wollte stark sein. Ich wollte daran glauben, ihn wiederzusehen. Ich schniefte und blickte wieder auf. „Shiro.. Ich.. habe keine Angst! … Los.. geh und Zeig ihr was du kannst!“, sprach ich und versuchte mich zu beruhigen. Ich stand wieder auf. Weinen würde mich nicht weiter bringen. Ich sollte das tun, was Shiro von mir wollte. Ich sollte zu Nami gehen. Ich darf hier nicht bleiben! Ich darf nicht weiter weinen! Ich ballte meine Fäuste und drehte mich zum Haus. Ich wollte genau so stark sein wie Shiro es sein würde. Ich wollte mit ihm zusammen stark sein. Auch wenn wir uns nicht sehen sollten, wollte ich stark bleiben.

Als ich nun langsam über den Hof ging sah ich mutig auf. „Shiro! Ich habe keine Angst!“, sagte ich laut. Dann lächelte ich. Denn ich wusste, dass Shiro gegen Lilith gewinnen würde. „Geh… und zeig ihr was du kannst!“, sagte ich und begab mich zu den kleinen Stufen.

Plötzlich griff mich jemand von hinten und legte seine Arme um meinen Bauch. „Yuki..“, hörte ich Shiro flüstern. Ich hielt erschrocken die Luft an und blieb starr stehen. Er war zurückgekommen. Doch nur für einen winzigen Augenblick. „Danke.“, sagte er und küsste mich auf meinem Kopf. „Ich liebe dich.“, sprach er zuletzt, als er nun wieder die Hände von mir nahm und von mir weg ging. Ich legte meine Hand sanft auf seine doch ließ ihn gehen. Ohne mich umzudrehen lächelte ich. „Ich liebe dich auch.“, antwortete ich. Als ich mich umdrehte, war er jedoch schon verschwunden. Ich war stolz und glücklich, dass ich ihn gehen ließ ohne zu weinen. „Shiro. Du schaffst das!“, sagte ich und blickte zum Horizont. „Und ich werde nicht mehr weinen, bis du wieder da bist!“

„Yuki?!“, hörte ich schließlich hinter mir Nami fragen. Ich drehte mich zu ihr und sah sie an der Tür stehen. „Was.. tust du denn hier?! Ich dachte, ich hätte den Schattenmann auch gespürt?!“, fragte sie verwirrt und sah sich um. „Was ist passiert? Hast du geweint?“

Ich hielt meine Hand an meinen Kopf und lächelte. „Ehm.. hehe… darf ich rein kommen? Dann erkläre ich dir alles..“ Nami zog sofort die Tür auf. „Natürlich!“, sagte sie erst. Doch dann runzelte sie besorgt die Stirn. „Aber.. du bist.. mir nicht böse..?“, kam es von ihr bevor ich hinein lief. Ich schüttelte grinsend den Kopf. „Nami. Ich.. bin dir nicht böse.“, beruhigte ich sie und trat schließlich ein.
 

Shiro und Deeon liefen auf das Atrium Mercatura zu. Das Atrium, indem Lilith nun regierte. „Und, wie hat sie es aufgenommen?“, fragte Deeon Shiro, der ihn langsam aufholte. „Sie ist... tapfer.“, antwortete Shiro zurückhaltend und blieb mit ihm vor dem Gebäude stehen. „Ich hätte nicht gedacht, dass sie dich noch einmal rufen würde.”, sagte Deeon und schlug ihm brüderlich auf die Schulter. Dann blickten beide an dem Gebäude hinauf doch ließen sich nicht von der Höhe einschüchtern. Deeon sah kurz neben sich zu Shiro. „Bist du bereit?“, fragte er ihn. Shiro atmete tief aus und ließ seinen Dolch in seiner Hand erscheinen. „Ich bin bereit.”, antwortete er. Zusammen liefen sie schließlich auf den Eingang des Gebäudes zu. Während des Rennens schlug Shiro die Hände zusammen und erschuf ein neues Portal. Es erschien direkt vor dem riesigen Eingang des Atriums. „Keine Sorge. Wir packen das! Und dann kannst du zu ihr zurück!”, sprach Deeon positiv gestimmt. Shiro wirkte angespannter doch stimmte ihm zu. „Natürlich schaffen wir das!”, antwortete er und rannte schließlich mich Deeon durch das Portal.
 

Nami und ich hatten uns in ihre weiße, moderne Küche begeben. Dort saß ich auf einem Hocker an der Kücheninsel während Nami auf der anderen Seite stand und mir ein Glas mit Wasser reichte. Sie stellte es auf die Küchenzeile und beugte sich über diese. „Hmh.. dann hat Deeon dir ja alles erklärt.. ich hoffe du bist mir dennoch nicht böse?”, fragte sie und lehnte ihren Kopf auf ihre Hand.

Ich genoß einen Schluck des erfrischenden Wassers. „Es ist zwar seltsam.. dass du ein Engel bist… und es ist seltsam, dass Deeon dich irgendwie erschaffen hat.”, begann ich parodierend zu erklären und hob dabei die Augenbrauen. „Aber… wir bleiben doch immer noch Freunde.”, sagte ich und stellte das Glas zurück. Nami lächelte glücklich. „Ich danke dir.”, sagte sie und legte ihre Hand auf meine. Auch ich lächelte. Denn ich wusste, dass Nami mir nie schaden wollte. Ich wusste, dass es nicht ihre Schuld war, dass sie mir nie etwas von der Dämonenwelt erzählen konnte. Und all das, sollte unsere Freundschaft nicht zerstören. „Ich muss mich bei dir entschuldigen..”, sagte ich und drehte das Glas mit zwei Fingern. „Ich.. war echt unfair zu dir. Ich hoffe, du kannst mir verzeihen. Ich habe dich als Lügnerin dargestellt und wollte dir nicht mehr glauben. Und am Ende kam raus, dass das alles nur passiert ist um mich zu schützen.”, entschuldigte ich mich und biss mir dabei nachdenklich auf die Lippe.

Aber Nami grinste breit und lief um die Kücheninsel herum. „Ach Yuki!”, sagte sie laut und hob ihre Arme. „Ich kann dir niemals böse sein. Hihi.”, kicherte sie und umarmte mich fest. Sie drückte mich so sehr an sich, dass mir die Luft kurz wegblieb. „Oh. Wir bleiben für immer Freunde!”, schmunzelte sie. „Nami!.. Argh.. Nami! Luft!”, jauchzte ich nach Luft ringend. Sie ließ mich sofort los aber konnte nicht aufhören glücklich zu Grinsen. „Hmh! Ach entschuldige! Hihi.”, dann lehnte sie sich wieder an die Kücheninsel. „Aber.. wo ist denn jetzt dieser mürrische, finster guckende Schattenmann? Ich dachte, er lässt dich nicht mehr aus dem Auge? Und wo ist Deeon?” Ich sah wieder auf meine Hände und spielte nervös an dem langen Ärmel meiner Kleidung. „Ehm.. sie sagten, ich sollte zu dir, damit ich in Sicherheit bin..”, erklärte ich zögerlich. „In Sicherheit?”, fragte Nami.

Ich wurde immer nervöser und musste an Lilith denken. Ich fragte mich, wo Shiro nun war. Ob er schon bei ihr war? Oder ob sie noch unterwegs waren. „Nun.. Deeon und Shiro.. sie.. sie gehen gerade zu Lilith.”, erklärte ich und versuchte dabei meine Tränen zurückzuhalten. Denn ich wollte nicht mehr weinen. Ich wollte stark bleiben.

„Was?!”, fragte mich Nami plötzlich aufgelöst. „Der Schattenmann und Deeon?” Sie starrte mich mit einem panischem Blick an. Ihre Augen waren aufgerissen und sie reagierte, als wäre etwas schreckliches passiert. „Ja.. Ich.. ich weiß.. was du denken wirst.. aber.. ich glaube sie werden es schaffen.. Ich glaube fest daran, dass sie wiederkommen.”, antwortete ich und blickte eingeschüchtert auf das Glas herab.

Nami wandte sich aber langsam von mir ab. Ihr Blick wurde finster und nachdenklich. „Sie.. sind gerade auf dem Weg?”, erfragte sie. „Ja.. vor einer viertel Stunde oder so haben sie mich hier abgesetzt und sind dann aufgebrochen.” Nami drehte sich von mir weg und wischte gedankenlos über die Küchenzeile. „Yuki.. du.. hast doch noch einen Teil seiner Seele in dir.. oder?”, fragte sie mich aus ohne mich dabei anzublicken. Ich sah sie fragend an und runzelte die Stirn. „Ehm.. wieso fragst du?”

„Du hast noch einen Teil seiner Seele in dir oder nicht?!”, wurde sie lauter. Ängstlich versuchte ich zu lächeln. „Ja..! Ja habe ich… aber.. wieso willst du das wissen? Ist das etwa schlimm? Würde es ihnen helfen, wenn er diesen Teil der Seele hätte?”

Mit langsamen Schritten trat Nami zu mir. Sie schwieg einen Moment und blickte weg. „Was ist denn? Du machst mir Angst.”, sagte ich und starrte sie verschreckt an. Sie stellte sich vor mich und blickte finster zu mir herab. „Die Seele wird nicht ihnen helfen. Sondern mir.”, sprach sie und fasste mir an die Schulter. Doch ich schreckte zurück und stieß dabei den Stuhl um. „Was? Was soll das heißen?” Nami blieb stehen und legte ihren Kopf schief. „Yuki.. ich.. bin nur ein halber Engel… das weißt du.”, begann sie zu erklären. „Aber ich möchte kein Hybrid zwischen etwas heiligem und etwas sterblichen sein. Wäre ich ein ganzer Engel.. dann wäre ich stärker. Ich wäre unsterblich! Und so vieles mehr! Yuki. Ich könnte dir dann viel besser helfen als jetzt!”, sagte sie.

Doch ich legte meine Hände furchtsam vor mich. „Und.. dieser Teil der Seele macht dich zu einem vollständigen Engel?!” „Nein..”, antwortete sie abrupt. „Lilith macht mich zu einem vollständigen Engel.”

Mir blieb der Atem stehen. Meine Hände begannen zu zittern. „Aber.. aber.. Lilith.. will.. Shiro-” „Töten?!”, unterbrach sie mich. Voller Angst schlich ich rückwärts von ihr weg doch Nami näherte sich mir langsam. „Sie will nur ihre Seele wieder haben! Die der Schattenmann ihr geklaut hat! Es ist ihre Seele! Und das wusste er!”, meinte sie und gestikulierte wütend.

Ich hatte Angst vor Nami. Was hatte sie nur vor? Ich fühlte mich wie in einem Albtraum gefangen.

„Yuki. Bitte bleib hier. Es.. wird nur einen Moment schmerzen! Aber ich heile deinen Schmerz sofort! Versprochen! Ich möchte nicht, dass du leidest.”, versuchte sie mich zu beschwichtigen und streckte mir ihre Hand entgegen. „NEIN!”, schrie ich jedoch und wich von ihr weg. Nami versuchte ruhig zu bleiben. „Yuki.. ich bitte dich.. Wenn.. Ich Lilith die Seele beschaffe, dann wird sie mich zu einem vollständigen Engel machen! Das ist mein größter Wunsch.. Bitte hilf mir doch dabei. Als Freundin.”

Der Verrat

„Das kann ich nicht glauben… Nami..“, ich schüttelte den Kopf und versuchte den Abstand von Nami zu vergrößern. Mir kroch ein Schauer über den Rücken. Mein Magen krampfte sich zusammen. Mein Pulsschlag hämmerte in meinem Kopf und mein Körper war kurz wie gelähmt.

Sie stand noch in der Küche und hielt mir ihre Hand freundschaftlich hin. Ich war so verwirrt. Sie sah mich an, als wäre sie meine Freundin, die mir helfen würde. Doch in Wahrheit hatte sie eine böse Schattenseite, die sie mir nun offenbarte. Sie nahm die Hand runter und seufzte. „Yuki. Verurteile mich doch nicht! Ich sehe doch, dass du es tust! Ich habe dir so oft geholfen.. bitte hilf mir jetzt auch.“, sagte sie und ging einen Schritt vor. Panisch wich ich aber zurück. „Aber.. dann stirbt Shiro! Lilith ist schrecklich und böse! Warum-“ „Sie ist nicht böse!“, unterbrach sie mich wütend. „Das ist wirklich ein falscher Ausdruck dafür!“

Aber ich blickte sie uneinsichtig an. „Ist das Wort Tyrann besser für dich?! Sie hat.. einfach Menschen getötet! Und Dämonen.. und.. vielleicht.. sogar Freunde von mir..“, antwortete ich und blickte traurig herab. Nami trat nun weiter vor. „Hast du dir schon mal Gedanken gemacht, weshalb sie das tut?!“, fragte sie.

Nun verstand ich es. Ich wusste, dass sie die Seite von Lilith wählen würde. Denn ich wusste auch, dass Nami niemals ihre Meinung ändern würde. Argumentationen habe ich doch schon immer gegen sie verloren. Nami nahm Lilith sogar jetzt in Schutz.

Was sollte ich tun? Mit dem Wissen, dass Nami ein Engel war und verrückt geworden schien, spürte ich nur eine schreckliche Angst in mir. Es fühlte sich an, wie damals, als ich die Argumentationen gegen Nami verlor. Aber in dieser Situation, hatte es schlimmere Folgen. Ich würde sie nie überreden können! Aber ich konnte Nami den Teil der Seele nicht überlassen. Ich konnte nicht zulassen, dass Nami Lilith helfen würde. Ich sollte fliehen! Denn gegen Nami würde ich nichts ausrichten können. Ich stand bereits im Türbogen, der in den Flur führte.

Verzweifelt blickte ich zu ihr. „Es gibt keinen Grund um andere zu töten!“, schrie ich sie an und drehte mich schnell um. Panisch raste ich den Flur entlang. Ich rannte so schnell mich meine Beine trugen. Ich setzte einen Schritt nach dem anderen, den Blick immer auf die Haustür gerichtet.

Mein Herz raste. Mein Atem stockte. Meine Finger kribbelten und meine Gliedmaßen zitterten. Ich hatte solche Angst. Mein Mund war trocken und mein Kopf dröhnte. Ich hatte nur noch das Ziel zu fliehen. Ich musste hier raus! Wenigstens in die Öffentlichkeit, mit den Blicken der Menschen als Schutz.

Ich atmete aufgebracht. Die Tür war beinahe erreicht. Ich rannte. Ich stürmte auf die Tür zu. Alles andere versuchte ich auszublenden. Mit einem Tunnelblick starrte ich nur auf diesen Weg zum Ausgang. Es war beinahe geschafft. Mein Herz schlug bis zum Hals. Wo war Nami? War sie hinter mir? Ich war unfähig einen klaren Gedanken zu fassen. Meine Furcht versetzte mich in pure Blindheit. Ich fühlte mich so hilflos und verraten.

Als ich die Hand dem Ausgang entgegenstreckte riss ich die Augen auf. Ich hatte schon den Erfolg gesehen. Die Haustür war erreicht. Ich griff mit meiner verschwitzten Hand den Knauf und riss sofort die Tür auf. Doch als das leichte Sonnenlicht durch den Spalt der Tür hereinschien, tauchte Nami plötzlich in einer rasenden Geschwindigkeit neben mir auf und knallte verärgert die Türe zu.

Ich spürte einen starken Windzug durch den Flur strömen, während sie mich verfolgte und dazu ihren Flügel ausbreitete. Als ich mich entsetzt zu ihr umdrehte, sah ich einige weiße Federn wild durch den Flur wehen.

„Yuki!“, sagte sie wütend und sah mich grimmig an. Dann nahm sie die Hand von der Tür und richtete ihre Kleidung. „Das.. enttäuscht mich.. doch sehr..“, erklärte sie und blickte betrübt weg. Ich drückte mich ängstlich an die Wand. Ich war ihr ausgeliefert. Es gab keinen Weg mehr an ihr vorbei. „Du enttäuscht mich auch!“, antwortete ich ihr wutentbrannt. Doch sie starrte mich überrascht an. Dann biss sie die Zähne aufeinander. „Oh.. Yuki..“, drohte sie mir und kam mir mit einem herrischem Blick näher. „Ich verspreche, ich werde es wieder gut machen.“
 

Im gleichen Augenblick hatten Deeon und Shiro sich in das Atrium geschlichen. Es war düster und leer. Kein Dämon war mehr auf den Gängen und keine Monstermenge versperrte die Wege. Eine Totenstille durchquerte die Hallen. Die Geschäfte waren alle versperrt und zugenagelt und füllten die Umgebung mit einer beklemmenden Atmosphäre. Niemand war mehr unterwegs und alle waren geflüchtet oder gefangen. Nur Lilith schwarze Schattenhunde patrouillieren durch die Gänge und zerfleischten jeden, der sich dort aufhielt.

Heimlich schlichen Shiro und Deeon am äußersten Rand entlang, von einem Flur in den Gang zwischen zwei verschlossenen Läden. Vorsichtig lehnten sie sich an die Wand und Deeon erhaschte einen kurzen Blick um die Ecke. „Ich kann niemanden spüren!“, flüsterte Shiro ernst. „Lilith hat einen Bann auf das Atrium gelegt.“, erkläre er genauso leise und drehte sich schließlich zu ihm. „Lilith wird hier sein. Aber wir können sie nicht spüren. Sie wird uns somit auch nicht spüren. Aber ihre Hunde werden uns finden!“ „Dann sollten wir sie einfach erledigen!“, sagte Shiro und deutete auf die Hunde. Deeon hielt ihn jedoch zurück. „Nein. Warte! Es muss nur ein Hinterhalt sein und wir sind geliefert. Außerdem bist du noch zu schwach!“ „Du musst mir das nicht andauernd sagen! Ich weiß das!“, antwortete Shiro erbost und wurde etwas lauter. „Dann gehen wir sofort zu deiner Bibliothek. Du schließt sonst nie den Spiegel in deiner Bibliothek.. und dieses eine Mal hast du es doch getan. Welch Ironie.“, grinste Deeon ihm zu. Aber Shiro tauschte nun die Plätze mit Deeon und blicke ebenfalls um die Ecke. „Sei ruhig!“, forderte er ihn auf und blickte in die Halle.

Auf der anderen Seite waren Schattenhunde zu erkennen, die ihren Weg entlang liefen. Schnell drückte Shiro Deeon gegen die Wand und zog sich mit ihm zurück. „Aufpassen!“, sagte er aufmerksam und duckte sich vorsichtig mit ihm. Aber Deeon blickte in den Gang hinein. „Das ist eine Sackgasse! Hat dich jemand gesehen?!“, fragte Deeon aufgebracht. „Nein.. ich denke nicht.. Ich kann ja mal fragen.“, reagierte Shiro ironisch und blickte ihn mit einem genervten Blick an. Sie hockten sich an die Wand und spähten aufmerksam zum Gangende hin, der zur Halle führte.

Gespannt ließ Shiro seinen Dolch in seiner Hand auftauchen. „Sollte so ein Hund kommen, werde ich-“ „Pscht!“, schnell stieß Deeon ihn an seiner Schulter. Zwei Hunde hatten tatsächlich eine Spur gefunden. Statt ihres normalen Weges, hielten sie ihre Schnauze am Boden und folgten den Spuren zum Gang, in welchem sich Deeon und Shiro versteckten. Das Geräusch ihrer schnüffelnden Nase wurde immer erkennbarer. Die hallenden Schritte ihrer Pfoten wurden lauter.

Statt sich so weit hinten wie möglich zu verstecken, schlichen Deeon und Shiro vorne zum Gangende hin. Sollten die Hunde sie bemerken, wäre es sicherer sie schnell um die Ecke zu greifen und zu eliminieren, statt ihnen noch Zeit für den Alarm zu geben.

Sie horchten auf die Schritte. Die Hunde kamen näher. Angespannten hielt auch Deeon sich bereit zum Angriff. Es musste schnell und lautlos geschehen. Sie hielten die Luft an. Dann machten sie sich bereit zum Angriff.

Die Pfote eines Hundes war gerade an der Ecke zu erkennen. Shiro sprintete los. „Hey!“, hörte er jedoch plötzlich jemanden durch die Halle rufen. Der Hund blieb stehen und drehte sich zu der Stimme um.

Sofort wich Shiro wieder zurück und stemmte sich erschrocken an die Wand.

Es war eine männliche, aber feminin sprechende Stimme. „Hach meine Güte! Was macht ihr schon wieder? Ihr seid so nervig! Kommt jetzt mit! Ich will meine Zeit nicht weiter damit verschwenden euch zu suchen! Hop hop! Die Zeit ist um. Lilith will euch bei sich haben.“, forderte dieser Mann die Hunde auf und zeigte mit einer Hand zu sich. Die Hunde hörten aufs Wort und rannten horchend zu ihm. Sie setzten sich grummelnd vor ihm und warteten auf weitere Anweisungen. „Herrje. Ihr schmutzigen, stinkenden Monster.. Was sollte denn da sein?“, fragte er nun und lief nun zu dem Gang, in welchen die Fährte die Hund führte. „Ich hasse diese Viecher..“, flüsterte er sich selber zu und stellte sich in den Gang.

Plötzlich riss er die Augen auf. Deeon und Shiro hatten sich in den Gang gestellt und blickten zu dem Mann. Dieser stand den beiden sprachlos gegenüber und starrte sie überrascht an. „Eh..!“, er wirkte aufgelöst und stand mit bleichem Gesicht da. Er schien erschöpft. Unter seinen Augen zierten sein Gesicht starke Augenringe. An seinem Hals liefen große rote Narben entlang, welche im Kragen verschwanden. Er trug einen pechschwarzen Anzug dessen rechter Ärmel jedoch nicht ausgefüllt war und leer herunter hing. Seine Haare waren lang und rot.

Shiro begann zu flüstern. „Mephisto!-“ „Pah! Dachte ich es mir doch!“, unterbrach dieser ihn schnell und fasste sich mit seiner linken Hand an seine rechte Schulter, an welcher sein Arm fehlte. „Ihr dämlichen Hunde! Da ist nichts! Umsonst habe ich euch also gesucht!“, sprach Mephisto laut und wedelte mit der Hand arrogant in der Luft rum. Sofort drehte er sich wieder den Hunden zu und lief zurück. „Tze! Und jetzt los! Euretwegen bekomme ich noch Ärger!“, motzte er und machte eine auffordernde Geste. Die Hunde liefen weiter und er ihnen hinterher.

Shiro blieb der Atem stehen. „Mephisto…“, sagte er leise und stand fassungslos da. Deeon ging vor. „Er lebt.“, sagte er erleichtert und blickte ihn ruhig an. Doch Shiro ballte wütend seine Faust. „Sie hat ihn gequält..“, sprach er wutentbrannt und biss seine Zähne zusammen. Aber Deeon fasste ihm an die Schulter. „Und du weißt, dass er uns nie verraten würde. Um ihn also zu schützen, müssen wir schnell handeln!“

„Du hast Recht!“, antwortete Shiro entschlossen und blickte in die Halle. „Es sind nur zwei Stockwerke. Beeilen wir uns!“ Deeon nickte ihm zu. „Dann mal los.“, grinste er ihn entschlossen an. Schließlich drückten sie ihre Fäuste gegeneinander und rannten los.
 

Währenddessen lag ich gelähmt auf Namis Bett. Mein Körper schmerzte. Meine Brust brannte. Ich konnte mich nicht bewegen. Schweißperlen kullerten an meiner Stirn. Ich konnte nur meine Augen bewegen. Es war, als wäre mein Körper bewusstlos gewesen. Meine Handflächen bluteten. Schwer atmend versuchte ich wach zu bleiben. Dabei blickte ich zu Nami hoch. Sie stand mitleidig am Bett und sah zu mir herab. In ihrer Hand hielt sie eine schwarz schimmernde, mit leichtem Nebel umzogene Kugel. Sie hatte bereits den Teil der Seele aus mir herausgerissen.

„Yuki. Es tut mir leid. Schau dir deine Hände an. Hättest du dich nicht so sehr gewehrt, hättest du dir deine Hände nicht verbrannt…“, sprach sie leise. Dann beugte sie sich zu mir. „Hier.. ich heile dich…“ Doch bevor sie meine Hand fassen konnte, riss ich die Augen auf und blickte sie verachtend an. Mit letzter Kraft zuckte ich zusammen und zog dabei meine Hand von ihr.

Betroffen sah Nami weg. „Ich.. mache es wieder gut. Aber wenn du Schmerzen haben willst.. dann lasse ich dir deine Schmerzen…“, kam es verbittert von ihr und sie hielt sich ihre Hand vor ihrer Brust. „Nami.. wieso..?“, fragte ich mit zittriger Stimme als eine Träne an meiner Schläfe herunter floss.

„Ich erkläre es dir! Wir.. sind ja Freunde! Also.. Ich.. ich habe immer nur auf Deeon hören müssen.“, begann Nami. „Ich konnte nie selbstständig leben. Ich bin nur eine Missbildung zwischen Mensch und Engel. Ich bin nichts Ganzes und nichts Halbes. Ich habe mich so gehasst. Und nur Lilith wollte mir helfen. Im Gegenzug sollte ich ihre Seele finden. Ich dachte, das wäre unmöglich. Ich dachte.. ich müsste für immer solch eine Missbildung sein. Aber.. als ich erfuhr, dass Deeons falscher Bruder.. dieser Schattenmann, der Dämon war, dessen Seele Lilith haben wollte, wusste ich, dass ich es schaffen würde. Deeon war so dumm. Er hat es mir einfach erzählt. Er war so verbittert, dass sein Bruder, der Schattenmann, ihn hasste. – PAH! Sie sind doch gar keine Brüder! So ein Schwachsinn. Wie konnte Deeon als Engel so einen miesen Dämonen-Menschen-Hybrid seinen Bruder nennen?! Aber naja.. ich habe die Chance genutzt. Ich… ich habe dich den Schattenmann rufen lassen…“, sagte sie und lief dabei am Bett entlang. „Hätte ich ihn gerufen, hätte er Deeons Hälfte in mir bemerkt und wäre auf mich losgegangen. Ich wusste ja, wie sehr der Schattenmann ihn hasste. Also brauchte ich jemanden, der ihn ruft. Damit ich auch wirklich sicher gehen konnte, dass er die Seele hat!“

Plötzlich rannte sie zu mir und kniete sich konfus vor das Bett. „Bitte glaube mir! Ich wollte einschreiten! Bevor er dich töten würde, hätte ich dich gerettet! Aber.. das war notwendig! Ich hätte dich beschützt! Aber plötzlich wart ihr verschwunden! Und ich wusste nicht wo du warst… Abends hat er dich dann zu mir zurückgebracht..“, verspielt legte sie ihren Kopf nun auf ihre Hand. „Hmh. Weißt du.. du warst total aufgebracht. Du bist einfach in meinem Zimmer aufgetaucht weil dieser Idiot nicht wusste wohin er dich zurückbringen sollte. Aber.. wie hätte ich reagieren sollen? Ich wollte so viel Abstand wie möglich von euch haben! Du durftest nicht wissen, dass ich es geplant hatte.. also..“

Ich sah sie schockiert an. „Du.. hast mein Gedächtnis..-“, stotterte ich. „Ja.. ich habe es nur um diesen einen Abend beraubt.. Du kannst dir ja nicht vorstellen, wie schwer das war! Hahaha!“, lachte sie verrückt. Dann wischte sie vergnügt über ihr Auge. „Hach ja. Aber es hat funktioniert. Engel können das! Es hat mir so viel Energie geraubt. Nur um diesen einen Abend zu löschen. Du wusstest nicht, dass er dich zu mir brachte. Du wusstest nicht, dass ich dich damals ausgefragt hatte! Du wusstest nicht, dass du mir ALLES erzählt hast! Und da wurde mir bewusst, dass er wirklich der Dieb war. Der Dieb, der Lilith beraubt hat!“ Nun stand sie wieder auf und legte ihre Hände in ihre Hüfte. „Naja. Ich musste nur wissen, wie ich ihn irgendwie überwältigen konnte. Er ist als Dämon zu stark. Er hätte mich mit Leichtigkeit getötet. Und als er ein Mensch war, war die Seele beschädigt! Sie musste in ihm heilen! Es hat mich so verärgert, dass ich ihn damals nicht einfach vom Dach schmeißen konnte, wie er dich geworfen hat! Also musste ich warten. Zum Glück hat er als Mensch nicht erkannt, dass ich Deeons heilige Kräfte besitze. Und dieser Mephistopheles?! Ha! Wie dumm er war.“, kicherte sie verspielt. „Er hat mich ständig dumm angesehen, als ich damals zu dir kam. Er hat irgendwas gemerkt. Aber auch er war zu dämlich. Er konnte nicht spüren, dass es Deeons Aura war, die ich ausstrahlte. Nur der liebe Schattenmann hätte das gespürt. Naja… Jedenfalls habe ich dann erfahren, dass der Schattenmann in dem Atrium Mercatura lebt.. und Renekton wollte eine riesige Feier veranstalten.. da konnte ich es nicht anders, als Lilith um Hilfe zu bitten. Denn sie war die einzige, die gegen den Schattenmann ankommt. Ich habe sie überredet, dort hinzukommen. Ich war mir sicher, dass der Schattenmann dort auch sein würde!“

Dann drehte sie sich von mir weg. „Naja.. ihr seid weggerannt… Aber jetzt ist der perfekte Augenblick gekommen. Ich werde jetzt zu Lilith gehen und sie warnen. Danke für deine Informationen. Und wenn der Schattenmann dort auftaucht… dann werden wir ihn überwältigen.“, erklärte sie und lief zur Tür. Sie blieb kurz stehen und blickte über ihre Schulter. „Bitte ruh dich jetzt aus. Und wenn.. wenn ich wieder komme.. dann.. sind wir wieder Freunde! Versprochen.“

Ich konnte ihr nur hilflos hinterher sehen, als sie aus dem Zimmer verschwand und mit einem lauten Klacken die Tür schloss.

Dann war es leise.

Verängstigt lag ich in diesem Bett, unfähig mich zu bewegen. Meine Knochen waren steif. Mein Magen zog sich zusammen. Ich war alleine, ich war machtlos. Meine Brust brannte höllisch. Dieser grässliche Schmerz, der sich wie eine spitze Klinge in meine Brust bohrte, hört einfach nicht auf. „Shiro..“, ächzte ich leise als ich nach Luft rang. Langsam hob ich meine blutigen Hände auf die pochende Stelle meiner Brust. „Es.. tut… so weh..“, weinte ich. Mein Blick verdunkelte sich. Mir wurde schwindelig. „Nein..“, drang leise von meinen Lippen. „Nein…“, sagte ich immer wieder, als ich bemerkte, dass sich ein unsichtbarer Schleier um mich legte. Meine Augen verdrehten sich. „Urgh.. nein.. Ich.. muss…“, kraftlos versuchte ich mich vom Bett zu drücken, doch ich fiel zurück in das Kissen. Es schmerzte so. Warum nur? Wie ist es so weit gekommen? Warum konnte ich nichts dagegen tun? Ich war schwach.

Wie sollte ich Nami in diesem Zustand aufhalten? Wie sollte ich überhaupt Nami erreichen? Wie konnte ich Shiro helfen? Ich war schwach und hilflos. Ich war unfähig etwas zu tun. Ich konnte noch nie etwas erreichen. So auch jetzt. Was konnte ich schon ausrichten? Ich war nicht einmal in der Lage, in die Dämonenwelt zu reisen.

Ich biss die Zähne aufeinander und schloss meine Augen. „Shiro..“, winselte ich. Es war meine Schuld. Nur meinetwegen hatte ich Shiro in Gefahr gebracht. Nur wegen mir, hatte Nami die Informationen um Shiro anzugreifen. Unser ganzer Plan war umsonst. Sie würden Shiro und Deeon überwältigen. Und ich war schuld.

Ich weinte immer weiter. Der Schmerz in meiner Brust pochte immer stärker. „Es.. tut so weh..“, wimmerte ich. Doch ich spürte wie meine Atmung immer flacher wurde. Meine Hände rutschten an meinen Seiten herunter und lagen neben mir. Ich konnte die Augen nicht mehr öffnen. – Dieser Schmerz… ich.. hasse diesen Schmerz.. Ich kenne diesen Schmerz. – Ich erinnerte mich. Diesen Schmerz hatte ich schon einmal erlebt. Damals in der Schule… als Darius mich angriff. Er wollte mir auch die Seele entreißen. Er hätte es auch beinahe geschafft, wenn Shiro mich nicht gerettet hätte.

Doch nun war ich alleine. Es war aussichtslos.

Bevor ich mich jedoch den Schmerzen ergab und die Sinne verlor, riss ich ein letztes Mal die Augen auf. „Darius!“, sagte ich laut und stieß mich mit aller Kraft vom Bett ab. Mir kam eine Idee. Darius konnte mir helfen! Ich wusste, dass er sich an der Schule aufhalten musste! Er war die Hilfe die ich brauchte, um in die Dämonenwelt zu gelangen!

Plötzlich ergriff mich dieser Mut, der mir mit einem Mal neue Kraft schenkte. Trotz der Schmerzen, drehte ich mich vom Bett weg. „Ich muss.. zu Darius!“, sagte ich schmerzerfüllt. Jedoch rollte ich zu weit vom Bett, sodass ich plötzlich herab fiel und mit einem lauten Krachen auf den Boden stürzte. „Argh..!“ Mein Kopf dröhnte. Alles drehte sich um mich. Diese verschwommene, wackelnde Sicht. Dieses störende Piepen in den Ohren.

„Ich muss.. ich.. muss..“, doch ich konnte nicht mehr gegen diesen Schmerz ankämpfen. Schwach lag ich da, und versuchte meine Arme zu heben. Doch ich hatte nicht genügend Kraft. Kraftlos ließ ich mich auf den Boden fallen. Meine Glieder entspannten sich. Eine seltsame Ruhe durchströmte meinen Körper. Schließlich nahm ich nichts mehr wahr und schloss meine Augen. Dann verlor ich das Bewusstsein.
 

Shiro und Deeon hatten es vor die Bibliothek geschafft. Sie schlichen mit schnellen Schritten durch die Halle und blieben an der Tür stehen, die zur Bibliothek führte. „Mach schnell. Mephisto wird die Hunde nicht lange von uns fernhalten können!“, flüsterte Deeon während er hastig die Halle beobachtete.

Shiro griff den Kauf der Tür. Er hatte ihn mit einem Zauber verriegelt und musste diesen wieder lösen. Die Tür schien so unscheinbar wie jede andere Tür in dem Atrium. Seine Bibliothek zu finden, wäre für Fremde beinahe unmöglich. Dennoch verschloss er vor Renektons Ball die Tür und den Spiegel.

Der Knauf leuchtete als Shiro seine Augen schloss und sich konzentrierte. Seine linke Hand lag auf dem Henkel und seine rechte hielt er schwebend vor die Tür. Angespannt blieb er starr stehen. Das helle, auffällige Leuchten breitete sich auf der Tür aus. „Ein wenig schneller..“, drängte Deeon ihn, der sich achtsam umblickte. „Sei still..“, begegnete Shiro ihm angestrengt und konzentrierte sich weiter.

Das Leuchten wurde immer heller und auffälliger. Als es schließlich die ganze Tür umhüllte, hörte man ein leises Klacken des Schlosses. „Jetzt!“, schnell riss er die Tür auf und beide eilten hindurch.

Sie standen nun im Vorraum der Bibliothek. Ein weißer langer Gang, der ebenfalls zur Sicherheit der Bibliothek diente. Vorsichtig zogen sie die Tür hinter sich wieder zu und mit einem leisen Einrasten konnten sie sich in Sicherheit wissen.

Beide blickten den Gang entlang zur großen Bibliothekstür. „Endlich.“, seufzte Shiro und lief weiter. Es war leise. Sie waren angespannt und hielten sich zu jeder Zeit kampfbereit. Nur der Hall ihrer Schritte war zu hören, während sie sich immer weiter der Bibliothek näherten. Ein aufrechter Gang, eine aufmerksame Haltung und wachsame Augen. Schließlich öffnete sich die riesige Tür vor ihnen und ließ sie eintreten.

Als sie inmitten der Bibliothek standen, blickten sie sich kurz um. Es war dunkel und wirkte unbewohnt. Das Feuer des Kamins brannte nicht mehr und es war leise. Scheinbar hatte bisher niemand diesen Raum gefunden. Da Shiro lange Zeit nicht mehr dort war, hatte auch der Raum an Magie verloren und war nur noch eine staubige kalte Bibliothek.

Selbstbewusst drehte Shiro seinen Kopf und ließ dabei seinen Nacken knacken. Dann atmete er aus. „Na gut. Dann werde ich..- Ourgh-!“ Plötzlich verlor er den Halt auf seinen Beinen. Torkelnd beugte er sich vor und hielt sich schmerzerfüllt seine Brust. Dabei suchte er Halt indem er sich an die Lehne krallte und konnte sich mit letzter Kraft auf seinen wackeligen Beinen halten.

„Hey was ist los?!“, fragte Deeon erschrocken und stützte ihn rasch. Doch Shiro drückte ihn von sich weg und hustete. „Lass mich!“, moserte er und versuchte sich wieder aufzurichten. Den Schmerz unterdrückend biss er krampfhaft die Zähne zusammen. „Irgendwas.. ist mit der Seele.. ich denke … ich.. werde zu schwach…“, erklärte er und blickte weg. Doch angespannt machte er langsame Schritte in den Raum hinein und blickte wieder auf. „Ich.. habe keine Lust mehr so schwach zu sein… Nie wieder..“, flüsterte er wütend und stellte sich vor die Regalgänge. „Ich hasse.. diese Schwäche!“

Deeon beobachtete ihn abseits und wartete gespannt. Er blickte Shiro nachdenklich an. Er war stolz wie ein großer Bruder, dass sein jüngerer Bruder niemals aufgeben würde. Doch war er genauso besorgt mit welcher Einstellung er seine Probleme bewältigte. Denn es war immer noch Hass, den Shiro in sich trug, der ihn antrieb. Nicht die Liebe zu Yuki oder das Vertrauen in andere. Es war nicht der Wille zu leben. Es war nicht der Wunsch zu gewinnen. Es war nur der Hass, den er gegen alles hatte. Und dieser Hass gab ihm Energie. Dieser Hass und diese Wut ließen ihn in diesem Moment nicht zusammenbrechen.

Anders als bei Deeon selbst. Ihn trieb die Hoffnung an. Ihn trieb die Liebe zu seinen Freunden an. Ihn trieb das Versprechen an, dass er Misaki gab um mich zu beschützen. Ihn trieb das Versprechen an, Shiro niemals mehr alleine zu lassen. In trieb der Wunsch an, Shiro ein besseres Leben zu schenken, wenn all dies vorbei sein sollte.

Shiro streckte sie Arme leicht von sich ab und konzentrierte sich. Dann schlug er fest mit seinen Händen zusammen und ballte mit ihnen eine Faust. „Kommt her! Ihr gehört mir!“, schrie er schließlich laut und hob seine Hände vor sich. Von ihm breitete sich plötzlich eine leichte Druckwelle aus. Blätter flatterten im Wind und seine Haare und Kleidung bewegten sich ein wenig in diesem Luftstoß. Selbst Deeon erhaschte diese Welle, sodass er überrascht seine Hand vor sein Gesicht hielt und seine Füße fest auf den Boden stemmte. „Wie… kann er noch so viel kraft haben?!“, fragte er sich selber und beobachtete ihn weiter.

Shiros Hände begannen hell zu leuchten. Im gleichen hellen Licht begannen auch die Bücher zu leuchten. Eines fing an sich zu bewegen. Als es in Licht eingehüllt war, weichte eine strahlende Kugel aus dem Buch heraus. Shiro öffnete die Augen. „Kommt.“, befahl er leise streng.

Plötzlich flog diese leuchtende Kugel auf ihn zu und das Leuchten des Buches war erloschen. Es fiel rasant zu Boden und krachte laut auf. Schließlich begannen auch die anderen Bücher zu leuchten und zu strahlen. Eines nach dem anderen begann aus dem Regal zu fallen, während Lichtkugeln auf Shiro zuflogen.

Es wurden immer mehr. Sie wurden immer schneller. Das Aufkommen der Bücher am Boden wurde immer hektischer und lauter. Rasch schwebten sie zu Shiro und verschwanden nacheinander in seinen Händen.

Der Raum war nun hell erleuchtet. Die Regale wippten zur Seite und wieder zurück. Ein Chaos breitete sich durch die fallenden Bücher aus. Und es fielen immer mehr herunter.

Deeon starrte Shiro fassungslos an. „Wieso.. kann er das? Soetwas.. können doch nur…“, sprach er sich leise zu und sah sich um. Die Bücher fielen die einzelnen Seiten raschelten. Ein Regal stürzte um und krachte gegen die Wand. Die Bücher die sich auf der oberen Etage befanden, türmten sich so weit am Boden, dass sie bereits herunter fielen und sich auf den anderen sammelten. Sie fielen auf die Treppenstufen und auf die noch stehenden Regale. Einige Blätter flogen durch den Raum und wurden wieder von Büchern aus der Luft gerissen und zwischen anderen Büchern vergraben.

In all der Unordnung, zischten die leuchtenden Kugeln rasch in Shiros ausgestreckten Händen, bis die Bibliothek ein letztes Mal hell aufleuchtete und sich langsam wieder verdunkelte. Als auch die letzte Kugel in Shiro verschwunden war, blieb er einen Moment schweigend stehen. Es wurde windstill und seine Atmung beruhigte sich.

„Hey… Wie fühlst du dich?“, kam es leise von Deeon, der sich vorsichtig auf ihn zubewegte. Shiro stand noch immer still dort. Er atmete kurz auf und ließ seine Schultern locker sinken. Dann legte er seine Hände in seine Hosentaschen und drehte sich zu Deeon um. „Ich fühle mich grandios!“, sagte er gelassen und blickte ihn emotionslos an.

Nach dieser Antwort hielt Deeon kurz inne. Obwohl er beruhigt war, dass Shiro nun wieder genügend Kraft gesammelt hatte, erkannte er jedoch wieder den kalten und toten Blick in seinen Augen. Diese Kraft half ihm, seine Emotionen zu unterdrücken. Die Kraft half ihm keinen Schmerz zu spüren. Sie half ihm keine Furcht zu empfinden. Auch wenn er innerlich unter all dem litt, ließ diese Kraft ihn wie eine gefühlskalte Maschine arbeiten.

Besorgt nickte Deeon ihm zu. „Hmh.. na dann..“ „Lass uns zu Lilith!“, begegnete Shiro ihm sofort und lief über die Haufen, der vielen Bücher, zu dem Spiegel. Aber Deeon grinste ihm zu. „Ehm. Ich denke es würde zu lange dauern, den Spiegel wieder zu aktivieren.“, begann er und deutete auf den Spiegel. „Es wäre sicherlich schneller durch das Atrium zu gehen. Du weißt wie lange ich damals brauchte um den Spiegel-“ „Bereit.“, unterbrach Shiro ihn aber, während er den Spiegel berührte. Dieser blitzt kurz auf. Das Spiegelbild begann zu verschwimmen und bildete kleine Wellen auf der Oberfläche. Sprachlos starrte Deeon auf den Spiegel. „W.. aber.. oh..“ Unerwartet blinzelte er mit den Augen und blickte zwischen Spiegel und Shiro her. „Na gut.“, nickte er ihm zu und lief zum Spiegel.

„Ich denke sie wird sich in Renektons Halle befinden. Ich werde das Portal direkt vor dem Eingang platzieren.“, erklärte Shiro und wollte die Spiegelung berühren. Deeon griff jedoch seinen Arm und sah ihn ernst an. „Warte!“, hielt er ihn auf. Shiro drehte sich ruhig zu ihm und wartete auf eine Erklärung. „Bist.. du dir wirklich sicher? Du kannst.. mir alles sagen! Selbst wenn du dich fürchtest. Ich werde bei dir sein.“, meinte Deeon brüderlich und stellte sich ihm gegenüber.

Auf Shiros Mundwinkeln bildete sich ein leichtes Lächeln. Doch seine Augen blieben kalt. Es wirkte weder nett, noch arrogant. Es war ein falsches Lächeln. Es war ein gespieltes Lächeln. Deeon spürte, dass Shiros Emotionen vollkommen verschwunden waren und dieses Lächeln nicht echt war.

„Sei unbesorgt Deeon. Es besteht kein Zwang, nun ein Gespräch zu beginnen. Ich bin mir sicher, dass ich das schnell beenden werde. Und ich werde dafür sorgen, dass du sicher mit mir zurück kommen wirst.“, antwortete er in einer monotonen Stimme. Deeon griff ihn freundschaftlich an die Schulter und sah ihm tief in die Augen. Doch sie waren leer und glanzlos.

„Wir.. packen das.“, lächelte Deeon ihm zögerlich zu und stellte sich mit ihm vor den Spiegel. „Dann öffne das Portal.“, meinte er und deutete dabei auf den Spiegel. Shiro trat vor und berührte die Spiegelung. Ein weiteres Mal blitzte es laut und hell auf. Kleine Blitze schlugen heraus und die Spiegelung begann wieder Wellen zu bilden. „Dann… mal los.“, waren Deeons letzte Worte, als er zu Shiro herüberblickte. Kommentarlos sprang dieser jedoch sofort durch den Spiegel. Dann folgte Deeon ihm rasch.

Es war hell, als sie durch das Portal traten. Es war warm. Doch direkt sprangen sie aus dem Portal wieder heraus und standen vor einem gewaltigen, riesigen, ägyptischen Hallentor. Deeon blieb vor diesem stehen und blickte daran hinauf. „Renektons Thronsaal. Ich fand ihn schon immer viel zu pompös. Wundert mich nicht, wenn sie wirklich hier ist.“, sagte er ironisch und sah sich um. „Aber.. es wundert mich, dass sie keine Wachen aufgestellt hat… Das wäre doch selbst für sie .. hey was tust du?!“, fragte er laut, als er Shiro zum Tor laufen sah.

„Lass uns herausfinden, ob sie hier ist.“, begegnete Shiro ihm jedoch nur kalt und legte die Hand auf das Tor. Bevor Deeon ihn aufhalten konnte, begann das Tor sich jedoch zu bewegen. Erschrocken blieb er stehen und blickte aufmerksam vor sich. Es knirschte laut. Das Tor öffnete sich langsam und mit einer gewaltigen Kraft. Etwas Sand fiel herab und die Türen schoben sich von selber immer weiter auf.

Deeon hielt die Luft an. Auch wenn er bereit war, achtete er auf alles, was kommen sollte. Aufmerksam blickte er in den Saal hinein. Er war lang und aus hellem Sandstein. An den Wänden hingen lodernde Fackeln und am Ende des Saales stand ein prachtvoller Thron. Bis auf einer Person war der Saal leer. Eine Frau saß auf dem Thron und blickte gelassen auf die Beiden herab. Als Deeon sie erkannte, wurde sein Blick finster. „Lilith..“, sagte er leise.

Sie grinste beide an und lehnte ihren Kopf auf ihrer Hand ab. Dann war es still. „Lilith wusste, dass wir kommen.“, flüsterte Deeon leise und sah zu Shiro. Dieser begann aber in den Saal zu laufen. „Das wird sie auch nicht retten.“, antwortete er gelassen. Obwohl Deeon ein ungutes Gefühl überkam, folgte er ihm, sich immer wieder umherblickend.

Beide traten ein und das Tor schloss sich hinter ihnen wieder. „Ah. Welch.. unerwarteter Besuch!“, begann Lilith laut zu sprechen und betonte die Ironie in diesem Satz. Mitten im Saal blieben beide stehen und blickten zu ihr. „Hör auf zu sprechen und steig von dem Thron, der nicht dir gehört!“, erwiderte Deeon jedoch erbost und trat vor.

Die Atmosphäre war angespannt. Die Luft knisterte vor Spannung. Es gab kein Zurück. Nun gab es nur noch ein Verlieren oder Gewinnen.

Lilith grinste weiter und beachtete Deeons Worte nicht. Dann richtete sie ihren Blick auf Shiro. „Hmh.. ich sehe, du bringst mir wieder, was du geklaut hast. Sehr nett. Vielleicht töte ich dich dafür auch schnell. Ich überlege es mir noch.“ Shiro begegnete ihr jedoch mit einer emotionslosen Miene und schwieg. Er ließ sich von ihr nicht provozieren und starrte sie ernst an. Er blieb starr und kampfbereit. Er würde alles tun um Lilith zu besiegen.

Ihr Grinsen verging und sie hob eine Augenbraue. „Hmpf. Es stört dich anscheinend nicht weiter, dass ich dein Leben bald beenden werde, was?“, fragte sie Shiro und drehte sich seitlich auf dem Thron. Sie legte ihre Beine über eine Armlehne und machte es sich bequem. Doch Shiro schwieg noch immer. Verärgert darüber runzelte sie die Stirn. „Tze. Du langweilst mich. Zeig mir erst einmal was du kannst!“, sagte sie laut und klatschte zweimal in ihre Hände.

Shiro und Deeon blickten sich um. Es öffneten sich die Seitentüren des Saals. Dahinter hörte man ächzende, grummelnde und fauchende Geräusche. Schattenwesen hatten sich dahinter versammelt und stürmten nun in den Saal herein. Sie waren lang und dürr. Sie waren keine Tiere und auch keine Menschen. Es waren widerliche verkrüppelte Wesen ohne Augen. Ihr Körper bestand aus einem tief schwarzen Schatten und ihre breiten Münder rissen sie extrem weit auf. Zwischen ihren spitzen Zähnen klaffte die Zunge heraus und hinterließ eine blutähnliche, schwarze Substanz, welche herunter tropfte und sich am Boden auflöste. Ihre Klauen waren Messerscharf und lang. Sie schnitten sich bereits gegenseitig in ihr Fleisch während sie versuchten, sich in den Saal zu drängen. Ihre Arme hingen bis auf dem Boden und ihre Beine waren kurz und dürr.

Deeon und Shiro stellten sich Rücken an Rücken. „Das wird schwer. Aber zusammen packen wird das.“, meinte Deeon und ließ ein Schwert in seinen Händen erscheinen. Auch Shiro ließ seinen Dolch erscheinen. „Wie vorhersehbar.“, sagte er und blickte nochmal zu Lilith hinauf. Sie lachte. „Haha! Dann amüsiert mich mal!“, rief sie und legte sich entspannt in den Thron.

Deeon blickte auf die finsteren und grässlichen Monster, die aus den Türen heraus krochen. „Ok. Wie gehen wir vor? Du nimmt alle rechts und ich links? Oder.. hey. Was tust du?“, er blickte über seine Schulter und erkannte Shiro, der sich nur auf Lilith konzentrierte. „Ich werde sie töten.“, kam es leise von ihm. „Was? Hey! Was?!“, fragte Deeon und drehte sich zu ihm.

Doch plötzlich verschwand Shiro. Deeon wurde starr. Ihm blieb der Atem stehen. Selbst Lilith hatte Shiros Verschwinden bemerkt und riss die Augen erschrocken auf. Denn er tauchte sofort neben ihr auf und schlug mit dem Dolch auf sie ein. „Kya!“, sie schrie laut. Rückwärts rollte sie sich weg und stieß sich mit ihren Händen vom Thron ab. Shiros Angriff verlor sich im Stoff des Sitzes.

Als Lilith sich auf ihren Beinen fing, blickte sie wütend zu Shiro. „Ihr solltet mich amüsieren, habe ich gesagt!!!“, schrie sie ihn an und biss die Zähne aufeinander. „Schweig einfach.“, antwortete Shiro jedoch gelassen. „Deine Stimme ist nervenraubend.“

Deeon blickte zu ihnen auf und begann zu grinsen. „Hehe.. so ist er.“, seufzte er glücklich. Dann wandte er sich wieder den Monstern zu, die ihn bereits umzingelt hatten. „Ich werde auch alleine mit euch fertig!“ Kampfentschlossen griff er sein Schwert. Dann blickte er sich gewappnet um. „Dann mal los!“, kam es laut von ihm, als er schließlich der Monstermasse entgegen sprintete und mit seinem Schwert zum Angriff ausholte.
 

Die Monster waren bestialisch und brutal. Eines rannte über das andere, nur um ihr Ziel anzugreifen. Sie fletschten die Zähne und spuckten eine Schwarze Flüssigkeit. Mit ihren Klauen versuchten sie nach Deeon zu schlagen. Mit ihren Zähnen versuchten die sein Fleisch zu reißen. Doch Deeon rannte auf die Monsterwelle zu, die sich ihm gefährlich näherte. Er griff sein Schwert fester und und biss die Zähne aufeinander. Eines der Monster griff ihn an. Noch vor seiner Klaue sprang Deeon hoch in die Luft. Er drehte sich und übersprang die schwarze Masse der Monster. Während er sich dem Boden näherte, holte er fest mit seinem Schwert aus. Dann schlug er mit einer gewaltigen Kraft auf eines der Monster herab.

Der Schlag spaltete den Kopf des Monsters und zog dabei einen mächtigen Windschnitt durch die Masse seiner Gegner. Dieser Windstoß zerfetzte alle, die er erfasste.

Schnell ging der Kampf weiter. Er schlug rechts von sich und wich einem Schlag aus. Dann rannte er zur Seite und rutschte unter dem Sprung eines der Monster her. Während des Rutschens zerschnitt er das Monster von unten. Sie streiften aneinander vorbei und hinter ihm stürzten zwei Hälften des Monsters zu Boden die in die Masse der anderen prallte.

Die blutartige Flüssigkeit, die die Monster verloren, war so schwarz wie ihr äußeres. Sobald es auf dem Boden tropfte, löste es sich in schwarzen Rauch auf. So auch ihre Körper. Jedes Monster, dass er vernichtete, verschwand in dunklem Rauch.

Deeon griff das Schwert mit seinen Händen. Mit dem Schwung des letzten Angriffs, streifte er die Klingenspitze über den sandigen Boden. Daraus folgte ein wuchtiger Schwerthieb, der die Monster vor sich zurückstieß. Noch in der Luft verloren die einzelner Körperteile und lösten sich in Rauch auf.

Ein Monster sprang gerade auf ihn zu. Deeon hielt ihm sein Schwert horizontal entgegen und durch die Kraft des Sprungs, durchstieß die Klinge die Zähne des Monsters, durchtrennte die lange dürre Zunge und spaltete den Kiefer. Etwas des schwarzen Blutes tropfte auf Deeons Wange. Im Eifer des Gefechts, wischte er sich dieses mit seinem Arm weg. Dann löste es sich auf. „Tze. Das ist einfacher als gedacht.“, grinste Deeon schwer atmend.

Plötzlich ergriff ihn ein Monster am Rücken. Es drückte seine Krallen in Deeons Schulter und kreischte mit einem furchterregenden Stimme. Erschrocken blickte Deeon über seine Schulter. Er griff das Monster am Hals und riss es über sich hinweg, zu Boden. Bevor es kreischend aufspringen konnte, stach er diesem die Klinge in die Brust. Das Kreischen verstummte und das Monster löste sich auf.

„Argh. Verdammt.“, verletzt wich Deeon zurück und hielt sich seine Schulter fest.

Etwas Blut drückte sich durch sein Oberteil, doch das hielt ihn nicht auf. Während die Wunde wieder verheilte, wandte er sich zur Seite und sah zu Shiro auf.
 

Shiro hatte sich ein Duell mit Lilith geliefert. Der Kampf war rasant und gewaltig. So wie ein höllischer Sturm, der die Erde erbeben ließ.

Immer wieder rannte er aggressiv auf sie zu, während Lilith jedoch defensiv seinen Angriffen auswich. Er sprang auf sie zu und griff mit seinem Dolch an, doch sie wich mit einer schnellen Bewegung zur Seite aus. Mit dem Schwung des Sprungs, rutschte Shiro auf seine Knie und versuchte ihr die Beine wegzutreten. Doch elegant machte sie einen Salto zurück. Plötzlich tauchte Shiro hinter ihr auf und versuchte erneut auf sie einzustechen, stets mit einer emotionslosen, kalten Miene. Lilith hingegen grinste amüsiert. Sie konnte jedem noch so schnellen Schlag ausweichen und verspottete ihn mit ihrem begeisterten Lächeln. Seinem Schlag aus dem Hinterhalt wich sie aus, indem sie sich lediglich auf den Boden hockte. Shiro blickte zu ihr herunter. Doch sie grinste nur. „Zu langsam.“, verhöhnte sie ihn. Sofort drehte er den Dolch herab und versuchte sie am Boden zu treffen, mit einem senkrechten Schlag herab. Aber sie war erneut zu schnell und sprang von ihm weg. Als er wieder aufsah, erkannte er sie auf der Armlehne des Throns balancieren. „Lass es lieber, du wirst sterben, ehe du mir nur ein Haar-!“ Lilith hielt plötzlich inne und lehnte sich zur Seite. Plötzlich schnellte Shiros Dolch an ihrem Gesicht vorbei und bohrte sich mit der Spitze in den Thron. Erst riss sie erstaunt die Augen auf. Aber dann blickte sie ihn gelassen an. „Hmh. Sehr gut. Du bist stark geworden.“, begann sie und wollte den Dolch greifen.

Sofort ließ Shiro diesen jedoch verschwinden und holte ihn in seine Hand zurück. Lilith hob überrascht die Augenbraue. „Sprichst du auch Mal? Ich weiß noch… damals hast du viel geredet. Ja.. Weil du gar nicht mehr aufhören konntest zu wimmern. Erinnerst du dich?“, grinste sie frech.

Sofort stürmte Shiro auf sie zu und schlug mit einem gewaltigen Angriff zu. Er blieb dabei ruhig und emotionslos. Sein einziges Ziel war zu gewinnen.

Er ließ sich nicht provozieren. Er wusste, dass sie ihn nur ablenken wollte. Er wusste, dass er stark genug war, sie mit einem Schlag zu erledigen. Also konzentrierte er sich nur auf den Kampf. Lilith wich seinen Angriffen nur aus. War sie sich bewusst, dass Shiro stark genug war um sie tödlich zu verwunden? Hatte sie Angst und überspielte diese mit den Provokationen? Shiro hatte das Ziel sie zu schwächen, indem er sie durch ihre defensiven Handlungen erschöpfte. Doch wie lange würde es dauern?

Er wollte gegen sie kämpfen. Er wollte gegen sie gewinnen. Nur er war stark genug dafür. Deeon wollte er nicht in diesen Kampf einzubeziehen. Er wollte nicht, dass Deeon etwas zustoßen könnte. Denn er war sich sicher, dass nur er stark genug war, gegen Lilith zu gewinnen. Es sollte sein Kampf sein. Nur seiner!

„Haha! Huch! Beinahe hättest du mich erwischt!“, lachte sie ihn aus und sprang von ihm weg. Shiro stürmte auf sie zu. Dann holte er aus und schlug mit einem horizontalen Angriff zu. Ehe er sich versah, sprang Lilith jedoch hoch und landete mit einem Fuß auf seiner Klinge. Sie balancierte auf dem ausgestreckten Dolch, überkreuzte ihre Arme und sah zu ihm herab. „Du musst dir viel Mühe gegeben haben, so stark zu werden. Hattest du etwa Angst?“, fragte sie und grinste gemein. Sofort zog Shiro seinen Dolch zurück. Lilith sprang im hohen Bogen von ihm weg, drehte sich elegant in der Luft und landete einige Meter von ihm entfernt.

„Hmh. Denkst du, so könntest du mich schlagen?“, kam es zunächst von ihr, als sie locker stehen blieb und schmunzelte. Shiro drehte sich wortlos zu ihr um. Er musste nur den passenden Augenblick abwarten. In ihrem Drang zu reden und ihn zu verhöhnen, musste er eine Lücke finden, sie zu treffen.

Konzentriert griff er seinen Dolch fester und blickte sie an. Sie legte eine Hand an ihre Wange und lächelte. „Ich finde es süß, wie viel Mühe du dir für mich gegeben hast. Ganz ehrlich!“, sprach sie weiter. Dann begann sie zu Lachen. „Hahaha! Entschuldige, aber ich finde es so faszinierend. Dass du denkst, du könntest mich besiegen. Hahaha.“, kicherte sie und wedelte amüsiert mit der Hand in der Luft herum. Dabei spreizte sie stets ihren kleinen Finger und wischte sich dann eine Freudenträne vom Auge.

Das war der Moment!

Shiro musste angreifen! Sie war in genau diesem Moment unaufmerksam. Ihre Schwachstelle sollte es wohl sein, ihren Gegner zu unterschätzen. Er musste diesen Augenblick nutzen! Schnell!

Shiro biss die Zähne zusammen. Sein Ziel war nur Lilith. Er würde es ihr heimzahlen. Alles was sie ihm antat. Dieses schreckliche Leben, das er führen musste. Die Gewalt, die er erleben musste. Er würde ihr alles zurückgeben.

Er griff seinen Dolch. Dieser Angriff musste treffen! Ein seltener Augenblick! Er projizierte alle seine Kraft in diesen Schlag. Shiro stemmte sich auf den Boden. Er holte aus.

Blitzartig rannte er los. Seine Bewegung war nicht zu erkennen. Er stand direkt vor ihr und wollte seinen Dolch in ihr schwarzes Herz bohren. Er musste sie besiegen. Er würde es schaffen!

Er stand vor ihr. Er stach zu. Sein Atem blieb stehen. Jeder Muskel seines Körpers spannte sich an. Dann riss er seine Augen panisch auf. Denn er blickte in Lilith grinsendes Gesicht.

„Ich, bin auch stärker geworden.“, flüsterte sie ihm zu. Schockiert sah er auf seinen Dolch herab. Lilith hatte ihn mit zwei Fingern aufgehalten. Dann richtete er seinen Blick wieder auf und erkannte ihr überhebliches Lächeln. Ein ungutes Gefühl breitete sich in ihm aus. Sein Körper wurde starr. Ein Schauer kroch über seinen Rücken. Ihm blieb für einen Moment die Luft weg. „Dann lass uns doch Mal richtig kämpfen.“, kam es zuletzt von ihr. Dann riss sie den Dolch aus seiner Hand.

Panik machte sich in Shiro Breit. Fassungslos stand er ihr gegenüber und war gelähmt vor Angst. Es war, als würde die Zeit stehen bleiben. Es war, als würde jede Sekunde ein Unheil geschehen, welches nicht aufgehalten werden konnte.

Schließlich schmiss Lilith den Dolch hinter sich und holte zum Schlag aus. Beinahe hätte sie seine Brust mit diesem Schlag getroffen. Nur knapp konnte Shiro ihrem Angriff ausweichen, indem er sich heftig vom Boden weg drückte und einen weiten Sprung zurück machte. Er wich perplex zurück und sah sie mit großen Augen an und versuchte seinen Schock zu verarbeiten.

Lilith stellte sich hingegen locker hin und legte ihre Hand in ihre Hüfte. „Hmh. Weißt du, es ist nur ein dummer Zufall, dass wir nun hier stehen.”, begann sie und sah sich um. Dann grinste sie frech. „Denn, als ich damals deine Familie töten ließ, hatte ich gar nicht beabsichtigt, dich am leben zu lassen.”

Shiro wurde starr vor Schreck und wurde bleich. „Was?!”

Mein Weg

Es war still. Mein Körper schmerzte wegen des harten Bodens, auf welchem ich gelegen hatte. Meine Gelenke waren steif und mein Rücken fühlte sich starr an. Mein Herz pochte laut als ich langsam die Besinnung wiederfand.

Durch das offene Fenster hörte ich das Rauschen der Bäume, das mir half, die Augen zu öffnen. Verwirrt sah ich mich mit schwerem Blick um und drehte mich zum Bett neben mir. Es war unangenehm und schmerzhaft meinen Körper zu bewegen. Anscheinend hatte ich bis in die tiefe Nacht geschlafen.

Panisch riss ich die Augen auf und sah zur Tür. „Nami!“, schrie ich erschrocken und stemmte mich sofort mit zitternden Armen auf. Ich drückte mich mit meinen Händen vom Boden und schaffte es, mich trotz der Schmerzen aufzustellen. Dann blickte ich mich im dunklen Zimmer um. Mich erhaschte sofort ein tiefer Druck. Ein Druck der Angst, nicht helfen zu können. Ein Druck der Furcht, hilflos zu sein.

Nami war gegangen. Hatte sie Shiro schon erreicht? Wo war Shiro in diesem Augenblick? Ich war alleine. Ich war ängstlich. Wie sollte ich nur helfen?

Doch entschlossen ballte ich meine Fäuste und biss die Zähne aufeinander. Ich wollte mein verzweifeltes, ängstliches Ich hinter mir lassen. Ich wollte stark sein! Ich wollte mutig sein! Ich musste ihm helfen! Ich musste zu ihm!

„Ich werde nicht hilflos hier rumstehen und nichts tun!“, spornte ich mich selber an. Ich musste einen Weg finden, Shiro zu helfen. Und dafür brauchte ich zuerst einen Weg in die Dämonenwelt. Und mir war schon bewusst, welchen Weg ich gehen würde. Ich fühlte ein tiefes Vertrauen in mir. Ich spürte plötzlich dieses Gefühl von Stärke. Mich ließ der Gedanke nicht los, unbesiegbar zu sein. Egal wie stark Nami war. Egal welchen Plan Lilith hatte. Ich würde mich wehren. Ich würde mich wehren, statt mich zu unterwerfen. Ich würde stark sein!

Mein Plan war es, Darius aufzusuchen. Ich hatte das Gefühl, ihn in der Schule zu finden. Er war meine Chance, in die Dämonenwelt zu kommen. Mir war sonst niemand bekannt, der mir in der Menschenwelt einen Weg in die Dämonenwelt bereiten könnte. Also musste dieser Plan funktionieren!

Als ich aus Namis Zimmer stürmen wollte, blieb ich beim zweiten Schritt jedoch stehen. Denn ich sah an mir herunter und erkannte meine zerfledderte Kleidung, die nach Namis Angriff zerrissen war. Der Stoff an der Brust war etwas angesengt durch die Hitze ihrer Hand, die auch meine Handflächen verbrannte. Schuhe trug ich ebenso keine. Doch mein Blick schwenkte direkt zu Namis Stuhl am Schreibtisch, auf welchem ihre Schuluniform gefaltet lag. Ich starrte die Kleidung einen Moment lang an.

Ohne Zeit zu verlieren zog ich mich um und schlüpfte in ihre Schuhe. Ich rannte aus dem Zimmer und mit schnellen Schritten die Treppe herunter. Ich musste mich beeilen! Ich wollte mich von Niemanden aufhalten lassen!

Unten angekommen riss ich die Haustür auf. „Wehe, du bist jetzt nicht an der Schule, Darius!“, sprach ich ernst und starrte in die Dunkelheit.

Doch als ich in die finstere Nacht schaute, hielt ich inne. Mein Atem blieb stehen, als ich nur die Dunkelheit sah die scheinbar die ganze Welt erfüllt hatte. Doch ich wollte mich nicht von meiner Angst vor der Dunkelheit zügeln lassen! Ich dachte an Shiro und Deeon. Sie mussten mutig sein. Also wollte ich es auch sein. „Tze!“ Ich schaute der Dunkelheit wütend entgegen und trat aus dem Haus. Meine Wut auf Nami half mir, gegen meine Angst zu gewinnen. Der Gedanke an Shiro gab mir Kraft meine Angst zu besiegen. Ich hatte schlimmeres als die Dunkelheit erlebt. Diese würde mich auch nicht mehr aufhalten! Ich werde gehen! Entschlossen stieß ich mich von der Tür ab und sprang die Stufen herunter. Ich rannte furchtlos in die Finsternis hinein und folgte der Straße zur Schule.
 

Ich rannte so schnell wie mich meine Beine trugen. Ich machte einen Schritt nach dem anderen durch diese beengende, misstrauische Dunkelheit. Auch wenn Laternen wenige Abschnitte beleuchteten, war es dennoch düster und unheimlich. Niemand kreuzte meinen Weg. Keiner war zu sehen. Nur der sanfte Wind war mein Begleiter durch die Nacht.

Obwohl ich mich vor der einsamen Dunkelheit fürchtete, hatte ich keine Geduld mehr für Angst. Ich war es leid, mich zu fürchten. Denn, war es nicht meine Schuld, dass Shiro nun in Gefahr war? Wäre ich stärker gewesen, hätte ich die Seele vor Nami beschützen können. Wäre ich klüger gewesen, hätte ich die Seele vor Nami versteckt. Doch nun war es so und ich konnte die Zeit nicht zurückdrehen. Nun musste ich versuchen, meinen Fehler zu korrigieren.

Mein Herz raste. Ich atmete schnell und rannte einfach weiter. Meine Gedanken zerrissen mich innerlich. Ich hoffte, rechtzeitig bei ihm zu sein. Ich hoffte, ihm helfen zu können. Ich wollte bei ihm sein. Also rannte ich weiter. Die Luft war kalt, doch mein Körper brannte vor Entschlossenheit. Es führte mich über die Brücke, am Park entlang, an dem Café vorbei und durch eine noch finstere Seitengasse. Mir war der Weg bekannt. Ich war ihn schon viele Male gelaufen. Doch noch nie hatte ich ihn so schnell hinter mich gebracht.

Mein Körper war angespannt. Meine Muskeln waren zum bersten gespannt. Ich hatte nur diesen Weg vor meinen Augen. Doch schweiften meine Gedanken ständig zu Shiro und Deeon. Ich fragte mich, ob sie kämpften. Ich fragte mich, ob Lilith sie dank Nami überwältigen konnte. Ich fragte mich, wie sehr ich es bereuen würde, Nami vertraut zu haben. Doch egal wie oft meine Gedanken mir die schlimmsten Vorstellungen ausmalten, ich wollte stark bleiben! Ich wollte mutig sein! Und ich würde niemandem erlauben, mir im Weg zu stehen.
 

Nach einiger Zeit konnte ich endlich das Tor zum Schulhof erkennen. Erleichtert sammelte ich meine Kraft und sprintete die letzten Meter. „Darius!”, rief ich laut und blieb vor dem großen metallischen Zaun stehen. Ich griff die Gitterstäbe und rüttelte immer wieder ungezügelt daran. „Darius!!!”, schrie ich noch lauter, ohne Rücksicht auf meine Umgebung oder die Nachtruhe. Ich rüttelte fester und lauter. Dabei ignorierte ich den Schmerz in meinen Händen. Denn ich musste mein Ziel erreichen. Ich musste Darius finden!

„Darius!! Darius!”, wiederholte ich und versuchte durch die Dunkelheit den Schulhof zu erkennen. Ich spähte heimlich durch die Stäbe doch erkannte nur den von Schatten verschleierten Hof. „Darius!!”, rief ich erneut und hämmerte verzweifelt gegen die Stäbe. Doch nur das nachhallende Klirren des Gitters kreuzte die Stille. Nachdenklich blickte ich mich um. Ich musste irgendwie auf den Schulhof gelangen! Die Stäbe lagen zu dicht beisammen, sodass ich nicht hindurch passte. Die Mauer war zu hoch, weshalb ich nicht hinüber springen konnte.

Suchend machte ich zwei Schritte zurück und betrachtete das Tor. Ich musste versuchen mich hinauf zuziehen. Ich musste es schaffen, an den Stäben hochzuklettern um über das Tor zu gelangen. Vorsichtig fasste ich an das Tor und tastete mich an den Stäben entlang. Sie waren kalt und glatt. Immer wieder rutschte ich ab. Sobald ich versuchte mich hoch zu ziehen, spürte ich, wie mir die Kraft aus meinen verwundeten Händen entglitt. Ich schaffte es nicht, meinen Körper hoch zu stemmen. Schmerzerfüllt biss ich die Zähne zusammen und versuchte mich noch einmal hinauf zu ziehen. Diesmal drückte ich meine Beine gegen die Stäbe. Doch erneut verließ mich die Kraft.

Sollte mich dieses Hindernis schon aufhalten? „Darius!!”, rief ich wieder und lehnte mich an das Tor. Ich legte meinen Kopf zwischen die Stäbe und atmete schwer. Immer noch war niemand zu sehen. Wie konnte mich eine solche Kleinigkeit aufhalten? Wieder war ich zu schwach. Wieder würde ich es nicht alleine schaffen.

„Nein!”, sagte ich mir und blickte ernst am Tor hoch. „Das wird mich nicht aufhalten!” Schnell wischte ich meine Hände an meiner Kleidung ab. Dann atmete ich durch und holte Anlauf. Mit schnellen Schritten sprang ich auf das Tor zu und fand weiter Oben halt. Sofort griff ich mit beiden Händen die Stäbe und zog mich mit aller Kraft hoch. Den Schmerz in meinen Händen konnte ich nicht ignorieren, doch ich konnte ihn aushalten. Ich zog mich weiter hoch. Mein Atem blieb vor Anstrengung stehen. Das Tor wackelte. Das Klappern der Stäbe war laut. Mit einem Fuß rutschte ich plötzlich ab, doch ich konnte schnell genug mit meiner rechten Hand die oberste Stange des Tores greifen.

Ich zog mich auf und packte auch mit der anderen Hand die Stange. „Komm... schon…!”, schnaufte ich angespannt und konnte mich nun mit den Beinen hochdrücken.

Endlich schaffte ich es! Ich zog mich hoch, beugte mich mit meinem Oberkörper vor und hob ein Bein auf die andere Seite. „Geschafft!” Einen kurzen Moment konnte ich aufatmen, als ich mich auf die Stange des Tores setzte. Mit der Hand auf meiner Brust versuchte ich meinen Puls zu beruhigen. „Ha! Das wäre doch gelacht!”, sagte ich mir begeistert und blickte mich kurz um. Plötzlich fiel mir ein Licht auf, welches aus dem Haus gegenüber strahlte. Scheinbar hatte man mich gehört.

Schnell drehte ich mich zum Schulhof und sah herab. Um nicht von neugierigen Blicken gefunden zu werden, schaute ich in die Tiefe und sprang schnell herab.

Ich landete sicher auf meinen Beinen und federte den Fall ab, indem ich in die Knie sank. Dann richtete ich mich schnell wieder auf und huschte hinter die Mauer. Kurz richtete ich meine Kleidung wieder und wandte mich zu meinem Ziel. Ohne mehr Zeit zu verlieren, blickte ich auf und rannte sofort weiter.
 

Ich erinnerte mich an den Ort, an welchem Darius mich angriff. Es war gleich hinter der Unterführung und hinter dem Gebäude. Das war der Ort, andem ich die Suche nach ihm beginnen wollte. Ich folgte nur dem kleinen Trampelpfad durch die Sträucher und fand mich schließlich auf dem kleinen Weg hinter der Ecke wieder. Ich lehnte mich an die Mauer und sah um die Ecke. „Darius!”, begann ich erneut zu rufen. Dann lief den Weg entlang. Es war finster, sodass ich langsam einen Schritt nach dem anderen machte und mich vorsichtig an der Mauer des Gebäudes entlang tastete.

Langsam klang meine Stimme ungeduldig. „DARIUS!”, schrie ich laut und versuchte durch die Dunkelheit zu sehen. Am ersten Fenster blieb ich stehen und versuchte hindurch zu sehen. Ich legte eine Hand an die Scheibe und schaute neugierig hinein.

Es war nur ein leerer Klassenraum. Die Scheibe beschlug, während ich in den Raum blickte und aufgebracht atmete. Also ging ich weiter bis zum nächsten Fenster. Ich stieg über die kleinen Sträucher die am Gebäude entlang gepflanzt waren und spähte hinein. Doch auch dort fand ich nur einen dunklen Klassenraum. Sollte ich Darius vielleicht doch an einem anderen Ort suchen? Wo könnte er denn noch sein? Ich wusste, dass er sich in der Schule aufhielt. Er hatte gesagt, dass er die meiste Zeit hier verbrachte. Aber wo wollte ich meine Suche fortsetzen?

Bevor ich mich umdrehen wollte um einen anderen Weg einzuschlagen, bemerkte ich jedoch das letzte Fenster, welches einen kleinen Spalt weit offen stand. Es schien nicht verschlossen zu sein und war nur leicht angelehnt. Sofort atmete ich auf und lief mit schnellen Schritten darauf zu. Mein Bauchgefühl hatte mich doch nicht im stich gelassen.

Als ich die Hände gegen das Fenster presste um hinein zu sehen, erkannte ich jedoch auch nur ein unbesetztes Klassenzimmer.

Also drückte ich es mit etwas Kraft auf. Es quietschte leise, als ich es öffnete und zur seite schob. Dann steckte ich meinen Kopf durch das Fenster. „Darius?”, fragte ich vorsichtig. „Darius, bist du da?”, kam es nur noch leise von mir. Langsam beugte ich mich vor und kletterte durch das Fenster hindurch. Vorsichtig trat ich mit meinem Fuß auf den Boden und tastete mich langsam vor. Suchend schaute ich mich im Zimmer um. Doch niemand war dort.

Ich wollte nicht, dass es ein Zufall war, dieses offene Fenster gefunden zu haben, welches zufällig in den Raum führte, in welchem ich Darius gefährlich gegenüberstand. Ich wollte glauben, dass Darius hier sein musste.

Trotz meines verängstigten Gemüts, ballte ich die Fäuste zusammen um mich zu stärken. „Dann muss ich wohl durch die Schule laufen.. und ihn finden..”, flüsterte ich mir eingeschüchtert zu und sah an den Tischen entlang, bis zur hintersten Reihe und den alten Schränken. Jetzt erst erkannte ich die offene Tür des Klassenzimmers und hielt die Luft an.

Ein offenes Fenster, in der Nacht und eine weit aufgerissene Tür die aus dem Zimmer führte? Ich schluckte und mich überkam ein kalter Schauer. Doch ich musste nachsehen, ob Darius hier war. Ich hoffte, dass es Darius sein würde, der die Tür und das Fenster offen gelassen hatte. Doch um es herauszufinden, musste ich nachsehen.

Ich tätschelte mir gegen die Wangen um mich zu ermutigen. „Oke.. Dann mal los!”, meinte ich leise und horchte in die Stille hinein. Doch konnte ich nur meinen eigenen Herzschlag hören der immer schneller wurde. Nichts in diesem Raum durchbrach die schaurige Stille. Mutig lief ich durch den Klassenraum, zwischen den Tischreihen bis zur Tür. Ich presste meine Hand auf meine Brust und hoffe so mein Herz zu beruhigen. Dann sah ich aus dem Zimmer heraus, in den langen noch finsteren Flur. „Darius?" Meine Stimme war nur noch ein zittriges Flüstern. Doch noch immer hörte ich keine Antwort.

Tapfer trat ich heraus und schlich vorsichtig den Gang entlang. „Darius”, begann ich erneut. „Bist du da? Darius bitte. Ich brauche deine Hilfe! Darius!" Obwohl mir die Gänge bekannt waren, schienen sie nun fremd und angsteinflößend. Meine Schritte hallten durch den Flur, während ich mich umsah und jede Tür vorsichtig öffnete, die nicht abgeschlossen war. Ein Raum nach dem anderen war leer. Eine Antwort hörte ich nicht. Anscheinend war niemand hier. Es fühlte sich so beängstigend an, in der nacht einen Dämon in der Schule zu suchen. Doch würde ich weiter so zögerlich nach Darius suchen, würde ich zu viel Zeit verlieren. Obwohl mich meine Angst stets steuerte, musste nun mein Mut gewinnen. Ich musste mich beeilen. Es durfte nicht noch mehr Zeit vergehen. Ich musste mich zusammenreißen!

Entschlossen ballte ich nun meine Fäuste und knallte die letzte Tür zu. „DARIUS!”, schrie ich hektisch und drehte mich um. Ich richtete mich zu der Treppe, dessen Stufen hinauf zur nächsten Etage führten.

Wenn ich Darius nicht finden konnte, musste er mich finden. Also versuchte ich auf mich aufmerksam zu machen. Die Wut über meine Angst und die Verzweiflung, Darius nicht schon gefunden zu haben, halfen mir, mutig zu bleiben. Also stampfte ich zu den Stufen und wollte die Treppe hinauf rennen. „Darius! Ich weiß, dass du hier bist!”, rief ich noch lauter. Gerade, als ich die ersten Stufen hinauf sprintete, hörte ich plötzlich das schließende Geräusch einer Tür hinter mir.

Ich erschreckte und zuckte zusammen. Als ich versuchte mich überstürzt umzudrehen, rutschte ich dabei mit meinem Fuß von der nächsten Stufe ab. Ich riss die Augen auf und spürte, wie ich den Halt verlor. Schnell versuchte ich das Geländer zu greifen um nicht von der Treppe zu stürzen, doch meine Finger verfehlten das Geländer.

Starr kniff ich die Augen zusammen und erwartete einen harten Aufprall. Ich hielt die Luft an und mein Körper versteifte.

Ich fiel!

Doch statt des harten Bodens, landete ich auf etwas weichem.

„Was machst du hier?”, fragte mich jemand. Verwundert öffnete ich meine Augen und erkannte den überraschten Blick von Darius, der zu mir herab sah.

Er hatte mich aufgefangen und hielt mich in seinen Armen. Ich blinzelte mit den Augen und starrte ihn einen Moment lang stutzig an. „D.. Darius?”, fragte ich zurück. Denn ich erkannte weder den knochigen Kiefer, noch die schwarzen langen Hörner die ihn ausmachten. Er sah wie ein Mensch aus. Doch seine Stimme hatte ihn verraten und seine Brille und der reuevolle Blick mit seinen schwarzen Augen.

Ich kannte diesen Blick.

„Wieso.. wo sind deine Hörner?”, stotterte ich verwirrt und runzelte die Stirn. Er ließ mich sofort herunter und richtete seine Brille geniert. „Die sind da, wo sie immer sind.”, erklärte er und sah auch mich verwirrt an. „Was ist mit deiner Seele? Ich spüre in dir nur noch eine menschliche Seele! Und, wo ist der Schattenmann? Und was tust du hier überhaupt?”

Nachdem er mir diese Fragen stellte, griff ich ihn besorgt an seinen Armen. „Darius! Du musst mir helfen! Shiro… der.. der Schattenmann! Er ist in Gefahr! Ich muss zu ihm!”, erklärte ich aufgebracht und starrte ihm in die Augen.

Fragend runzelte er die Stirn und hob die Hände. „Hey. Was? Was ist mit ihm? Wieso sollte er in Schwierigkeiten sein? Er ist der Schattenmann, er kann doch gar nicht in Schwierigkeiten stecken. Außer…”, geschockt riss er die Augen auf und realisierte, was passiert sein musste. „Moment. Meinst du etwa, Lilith...?”

„Bitte! Er will gegen sie kämpfen.”, nickte ich ihm zu und machte einen weiteren Schritt auf ihn zu. Erst schwieg er erschrocken doch wich nachdenklich zurück. „Aber… wenn er sich das in den Kopf gesetzt hat.. wird er es auch tun. Es ist der Schattenmann. Er wird nie aufgehalten. Und ich… ich werde mich ihm nicht noch einmal in den Weg stellen!”, antwortete er und schüttelte den Kopf.

Aber ich fasste ihn an seiner Hand. „Darius! Bitte! Ich bitte dich! Ich muss nur in die Dämonenwelt kommen! Um mehr bitte ich nicht. Ich muss nur dorthin kommen!” Unbeeindruckt blieb er stehen, drehte sich zu mir und schob seine Brille auf seiner Nase hoch. „Yuki.. ich werde dich ganz bestimmt nicht in Gefahr bringen! Es gibt einen Grund, weshalb du hier bist und nicht bei ihm. Und das sollte so bleiben. Außerdem sehe ich keinen Grund ihm zu helfen! Ein blutrünstiges, Seelen raubendes Monster. Ich müsste mehr Angst davor haben, dass er mich doch tötet, wenn ich ihm wieder begegne. Du bist nur noch ein Mensch. Das ist zu gefährlich für dich in der Pangäa! Wenn der Schattenmann will, dass du in der Menschenwelt bist dann sollte es so sein und ich werde mich nicht gegen ihn stellen. Wenn ich außerdem noch auf irgendeine Weise auf Lilith treffe, wird es auch schwere Folgen für mich haben! Ich sehe also keinen einzigen Grund, dich dorthin zu bringen!”, sprach er und überkreuzte dabei unwiderruflich seine Arme.

Er sprach so sehr auf mich ein, dass ich gegen seine Argumente nicht antworten konnte. Er hatte Recht. Ich sah ihn mit großen Augen an und presste die Lippen aufeinander. Ich wollte nicht, dass mein Weg hier enden würde. Wie nur konnte ich ihn überzeugen?

Er stand entschlossen und resolut vor mir. So wie er seine Brille auf seiner Nase auf schob, drehte er sich von mir weg. „Du solltest nun wirklich gehen. Es ist dunkel. Und du solltest auch nicht hier sein.”, meinte er, während er den Gang wieder zurück lief. „Komm, ich bringe dich hier raus. Wenn es so dunkel ist, verirrt man sich schnell.”, kam es von ihm, als er sich ein letztes Mal zu mir umdrehte und eine schnelle Kopfbewegung zum Gangende machte.

Doch ich blieb angewurzelt stehen. Es fühlte sich an, als würde etwas Schweres auf meiner Brust liegen. Als würde es schwerer sein, zu atmen. Darius musste mir helfen. Wieso war ich immer nur zu schwach? Wieso mussten mich immer alle beschützen? Wieso konnte ich mich nie durchsetzen? Was würde Shiro in dieser Situation tun? Was würde Deeon tun? Oder Nami? Oder Mephisto? Sie würden es alle schaffen. Aber was würden sie tun um an ihr Ziel zu kommen?

Ich dachte nach. Gleichzeitig blieb Darius stehen und wartete ungeduldig auf mich.

Was würden sie tun? Was würden die anderen tun?

Plötzlich fiel es mir ein. Es war wie ein Blitzschlag der mich erfüllte. Ich sollte mich nicht fragen, was andere tun würden! Ich sollte fragen, wie ich es tun würde. Ich bin nicht Shiro. Und ich bin auch nicht Mephisto oder die anderen. Ich bin ich. Ich heiße Yuki und bin ein Angsthase. Ich bin schwach und werde ständig beschützt. Denn es gibt zu viele Menschen und Dämonen um mich herum, die stärker sind als ich.  Und damit wusste ich, wie ich Darius überreden könnte.

„Nein!”, begegnete ich ihm laut und ballte meine Fäuste. Verwirrt schaute er mich an und runzelte die Augenbrauen. „Was? Komm jetzt! Los.” Doch statt weiter zu gehen, sah ich ihn nur stur an. Ich biss etwas auf meine Zähne und versuchte meine Unsicherheit zu überspielen. „Darius! Shiro ist in Schwierigkeiten! Und er braucht mich! Sie brauchen mich! Und wenn du mir nicht hilfst...”, sprach ich weiter und begann leicht zu grinsen. „Dann wird Shiro dich erst recht aufsuchen und dein größter Albtraum werden! Und wenn er es nicht wird, dann wird Lilith dich heimsuchen. Irgendwann wird sie herausfinden, dass du uns damals geholfen hast. Egal wie du es sehen willst. Wenn du mir nicht hilfst, wird das schlimmere Konsequenzen für dich haben! Es sei denn, ich helfe Shiro und er besiegt Lilith.”

Nun war es leise.

Darius schaute mich schweigend an. Er wirkte wie versteinert. Ich versuchte meine gelassene Miene aufrecht zu erhalten. Denn eigentlich hasste ich es, anderen zu drohen. Doch in diesem Moment, fühlte ich mich gezwungen, diesen Joker zu spielen. Darius war stärker als ich. Doch es gab kein stärkeres Argument als Lilith und Shiro.

Nach einer Weile stellte Darius sich nachdenklich vor mich. Er seufzte und faste sich an sein Kinn. „Yuki. Denkst du, es ist wirklich notwendig, dich in die Dämonenwelt zu bringen? Vergiss nicht, dass du nur ein Mensch bist! Und ich werde dich sicherlich nicht vor Lilith Haustür abstellen. Woher weißt du überhaupt, wo sie sein sollten? Und warum sollte der Schattenmann Hilfe benötigen?”, versuchte er mich ein letztes Mal umzustimmen.

Doch ich trat entschlossen vor. „Darius! Glaube mir. Ich muss ihm jetzt helfen, so wie er mir immer geholfen hat! Für mich gibt es kein Zurück! Und ich werde es schaffen. Ich brauche nur einmal noch deine Hilfe!” Dann legte ich meine Hände bittend vor mich. „Es reicht mir, wenn du mich einfach nur in die Dämonenwelt bringst. Alles weitere, schaffe ich schon. Du musst nicht einmal mitkommen.”

Ich blickte Darius flehend in die Augen, während er versuchte meinem Blick auszuweichen. Er sträubte sich noch meiner Bitte nachzukommen. Doch ich wusste, dass ich jetzt nicht aufgeben sollte. Denn ich hatte ihn schon überredet. Es fehlte nur noch seine Zustimmung.

Er schüttelte den Kopf. „Ich.. weiß nicht-“ „Darius! Bitte!“, unterbrach ich ihn laut, ehe er weiter sprechen konnte. Dann ging ich auf ihn zu. „Bitte! Wenn du mir hilfst, dann werde ich dafür sorgen, dass Shiro dir persönlich danken wird! Alle werden dir danken! Und.. und…“, ich dachte nach, was ihn noch überzeugen könnten. Ich schaute nachdenkend herab und biss mir auf die Lippe. „Und dann, wenn Shiro…“, doch ich hielt inne, als ich plötzlich seine beruhigende Hand auf meiner spürte.

„Hmh?“, überrascht sah ich zu ihm auf. „Ist in Ordnung.“, sagte er und lächelte nachgiebig. Ich riss die Augen auf. „Wirklich?!“, fragte ich laut und fühlte, wie mein Herz vor Glück aufspringen wollte. Nun ließ er meine Hand los, drehte sich von mir weg und rollte mit den Augen. „Ja ja.. Dann komm jetzt. Wir müssen in die Halle.“

Überrascht atmete ich auf und sah ihm hinterher. „D… Danke!” Ich holte ihn mit schnellen Schritten ein und lief mit ihm den Flur entlang. „Halle?”, fragte ich und runzelte dabei die Stirn. Unsere Schule hatte zwei große Hallen, welche hinter dem großen Schulgebäude standen. Ich fragte mich, welche von beiden er meinte. Denn eine war die Turnhalle und die zweite eine Schwimmhalle. Nachdenklich legte ich meinen Finger auf meine Lippe. Warum sollte in einer Halle das Portal in die Dämonenwelt sein?

Während ich ihm zurück in den Schulraum, durch das Fenster und über den Schulhof folgte, stellte ich mir vor, wie Turngeräte in bestimmter Konstellation aufgebaut werden mussten, damit ein Portal entstehen könnte. Vielleicht sogar in der Form eines Pentagramms? Wäre das nicht zu skurril?

Der Hof war immer noch finster und kaum zu erkennen. Es leuchteten weder Laternen, noch half uns das Mondlicht in der Dunkelheit zu sehen. Doch mit Darius an meiner Seite, der zielstrebig seinen Weg folgte, fürchtete ich mich nicht. Auch ich hatte mein Ziel vor Augen.

Ich bemerkte einen leichten Windstoß, der über den Hof fegte und fühlte die Stille vor dem Sturm. Ich wusste, dass dieser Sturm auf mich zukommen würde. Ich wusste, dass ich auf alles vorbereitet sein musste. Doch statt mich von meinen ängstlichen Gedanken aufhalten zu lassen, die meinen Weg blockierten, die sich das Schlimmste ausmalten, konzentrierte ich mich darauf, stark zu sein. Tief im Inneren wusste ich, dass ich mein Ziel vielleicht nicht erreichen würde. Ich wusste, dass ich nicht rechtzeitig ankommen würde oder vielleicht sogar niemals.

Doch mit Scheuklappen, die ich mir absichtlich aufzog, machte ich einen Schritt nach dem anderen. Ich wollte nicht an das Schlimmste denken! Ich wollte, dass ich es schaffe! Ich wollte mich nicht aufhalten lassen. Nicht einmal von mir selbst. Und ich war stolz auf mich, dass ich das Negative und die Angst so leicht ausblenden konnte, obwohl sie mich doch immer beherrscht hatte.

Als wir schließlich hinter dem Gebäude an dem Weg ankamen, der zur Halle führte, begann ich nach links zu laufen. Darius aber machte eine Kurve nach rechts.

„He?“, verwirrt blieb ich stehen. Er bemerkte mein Zögern und blickte beim laufen über seine Schulter. „Wir müssen in die Schwimmhalle!“, erklärte er, ohne dass ich eine Frage stellen musste. „Oh. Achso. Ok!” Dann nickte ich ihm zu und folgte ihm rasch zum Eingang der Halle.

Er blieb vor der großen Tür stehen und fasste an den Henkel. Als ich mich neben ihn stellte, beobachtete ich neugierig was er tat. „Ist die nicht abgeschlossen? Zauberst du sie auf?“, fragte ich und beugte mich etwas vor. Doch er griff den Knauf fester und fasste mit seiner anderen Hand an die Tür. „Nein nein. Ich kann nicht zaubern. Das können nur sehr wenige Dämonen. Ich benutze Kraft.“, erklärte er. Dann drückte er einmal kurz mit Wucht gegen die Tür. Ich hörte ein lautes Knacken und schließlich war die Tür schon aufgebrochen. Staunend blickte ich den verbogenen Türrahmen an. „Wow. So einfach ging das? ich dachte.. aber… muss die Schule das nicht wieder reparieren?“, stotterte ich. Darius stellte sich mit überkreuzten Armen vor mich. „Was dachtest du denn?“ „Oh ehm! Ich dachte nur, dass du zaubern würdest oder so..“

Darius zog eine Augenbraue hoch. „Ich glaube, du hast eine ganz falsche Sichtweise auf die Dämonenwelt Pangäa und die Dämonen. Ich vermute, das liegt daran, dass dein „Schattenmann-Freund“ alles kann. Aber Dämonen sind nicht alle so besonders. Ich zähle auch nicht zu den stärksten Dämonen meiner Art. Es ist wie bei den Menschen. Wir leben nur in unterschiedlichen Welten, doch haben wir viel gemeinsam. Passt sich ein Mensch nicht an die anderen Menschen an, wird er ausgeschlossen, wenn er nichts Besonderes ist. Das gleiche gilt bei den Dämonen auch. Wenn du nichts Besonderes bist, wirst du einfach ausgegrenzt. Der Unterschied liegt nur in der Weise der Schmerzen, die sie dir zufügen. Dämonen sind offensichtlich grober, barbarischer und brutaler. Menschen hingegen sind oft körperlich schwach, sie sind daher hinterlistiger und verletzen verbal. Gnadenlos sind aber beide.“, erklärte er und blickte zögerlich zur offenen Tür. „Auch wenn ich ein schwacher Dämon bin, bin ich immer noch stärker als die Menschen. Und deshalb verletzt man mich hier nicht.“, sprach er mit leiserer Stimme weiter. Sprachlos blickte ich zu ihm auf. Er wirkte nachdenklich und zögerlich. Ohne weiter zu sprechen lief  er schließlich in die Halle.

Erschüttert sah ich ihm hinterher. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Anscheinend hatte Darius ein schweres Leben in der Dämonenwelt führen müssen. Ich verstand nun, warum er sich immer in die Menschenwelt flüchtete. Aber ich verstand auch, weshalb ich ihn mit Shiro und Lilith so schnell überreden konnte. Er fürchtete sich sehr vor ihnen. Er fürchtete sich vor den Schmerzen, die sie ihm zufügen könnten. Anscheinend musste er schon viele Schmerzen erleiden. Was musste er nur alles schon in seinem Leben aushalten? Auch wenn er es war, der mich damals angriff, fühlte ich Mitleid für ihn. Denn es war Shiro, der ihm damals wieder diese Schmerzen zufügte, die er so fürchtete.

„Yuki! Komm jetzt!“, hörte ich ihn aus der Halle rufen. Ich schüttelte meinen Kopf und besann mich wieder. „Eh. Ja!“ Schnell lief ich hinein. Sofort bemerkte den Schwall Chlorgeruch, der mir entgegen kam, sobald ich das Gebäude betrat. Es war seltsam, die Fliesen des Schwimmbades alleine bei Nacht zu betreten. Ich lief sofort durch zum Becken, an welchem Darius schon auf mich wartete.

Es war finster. Es war still. Ein kleines Notausgangsschild leuchtete im Hintergrund auf und das Mondlicht, welches durch die großen, mit Wasserdunst beschlagenen Fenster schien, reflektierte in dem ruhigen Wasser. Es wirkte befremdend eine solche Ruhe in der Halle zu spüren und nicht eine Welle auf der Wasseroberfläche zu erkennen.

„So, ich werde dich an einem See herauslassen können. Du musst mir nur sagen, an welchem Ort das sein soll.“, begann er und holte eine winzige Ampulle aus seiner Hosentasche hervor, in welcher eine blau leuchtende Flüssigkeit aufbewahrt wurde.

Über den nassen Boden lief ich vorsichtig zu ihm. „Ehm. Also.. Ich muss zu einem Atrium!“, dachte ich nach und biss mir auf die Lippe. „Etwas genauer?“, fragte er und sah mich schräg an. Verlegen spielte ich mir durch die Haare. „Ehm.. also.. ich .. weiß nicht mehr wie es hieß… Aber.. ehm.. Da.. da lebt dieses Krokodil! Ehm.. Renekton? Da wo der Ball war!“, erinnerte ich mich wieder und hob die Hand.

Darius nickte und zog den kleinen Korken aus der Flasche. „Ah ja. Mercatura. Ich werde dich nicht direkt dorthin bringen. Sondern an einen See in der Nähe, hast du das verstanden?“, fragte er mich.

Ich nickte ihm mehrfach zu. „Ja! Ich werde den Weg schon finden.“, versicherte ich ihm und lächelte tapfer. Nun hob er die Flasche und streckte sie über die Wasseroberfläche des Beckens. „Sobald ich es dir sage, springst du in das Wasser. Die Wasseroberfläche wird dich dann nach Pangäa bringen, also in die Dämonenwelt. Und wenn du dort bist, solltest du versuchen unentdeckt zu bleiben.“, erklärte er mir. „Die Dämonen bemerken sofort deine Menschenseele! Also versteck dich. Und mach nichts Auffälliges und-“ „Darius.“, unterbrach ich ihn mit sanfter Stimme. Erschrocken sah er zu mir herunter. Doch ich lächelte liebevoll. „Ich danke dir! Für alles. Und es tut mir leid, dass ich dir mit Shiro Angst gemacht habe. Ich werde dafür sorgen, dass er dir niemals etwas tun wird.“

Einen Moment lang sahen wir uns still an. Doch dann blickte er schnell weg und rückte seine Brille auf der Nase zurecht. „Ich.. helfe dir nicht nur deswegen. Sondern, weil du anders bist. Weil du mir geholfen hast. Weil du mich gerettet hast.“, sagte er und ließ einen Tropfe herab fallen.

Dieser blau schimmernde Tropfen prallte auf die Wasseroberfläche und schlug kleine Wellen, während das Wasser in einem kleinen Bereich zu strahlen begann. Ohne mich anzusehen, sprach er weiter. „Ich habe dich angegriffen. Ich hatte Panik. Du hast meine Hörner gesehen! Und ich dachte, du wärst ein Dämon und würdest mich verraten. Da wo ich herkomme, heißt es bei den Dämonen: töten oder getötet werden. Und plötzlich habe ich diese Menschenseele in dir bemerkt und war verwirrt. Ich hatte einfach Angst. Und als der Schattenmann mich beinahe tötete, hast du ihn aufgehalten. Obwohl du das nicht hättest tun müssen. Du hast mich einfach gerettet. Obwohl ich dich beinahe umgebracht hätte. Und ich habe dir schreckliche Schmerzen bereitet… Ich habe dir Mal gesagt, dass ich hier bin um Menschenseelen zu fressen. Dabei.. esse ich schon lange keine Menschenseelen mehr.. ich hatte einfach nur Angst.“, kam es beschämt von ihm, als er sich an seiner Schläfe kratzte. „Und als ich euch auf dem Dach fand, hattest du ihn wieder aufgehalten. Und du hattest mir vertraut. Jeder Mensch, hätte den einfachen Weg genommen und hätte den Schattenmann einfach seine Arbeit machen lassen. Und jeder Dämon hätte mich persönlich getötet. Nur du nicht. Weil.. du anders bist.. und daher..“, er zögerte und verschloss wieder die Ampulle. Er steckte sie zurück und stellte sich wieder gelassen vor mich. „Daher hoffe ich, dass wir uns auch wiedersehen. Und auf eine gewisse Weise, freut es mich, dass du irgendwie an mich gedacht hast.“, stotterte er und versuchte mit einem Mundwinkel zu lächeln.

Ich strahlte ihn an. Dass er mir die Wahrheit sagte, machte mich glücklich. „Darius. Du bist etwas Besonderes! Lass dir von niemandem etwas anderes sagen!”, sagte ich euphorisch. „Ich danke dir so sehr. Und wenn ich wiederkomme, werde ich mich bei dir revanchieren.“

Überrascht von meiner Antwort, stupste Darius seine Brille wieder auf seine Nase. „Ehm.. du.. du solltest jetzt los. Spring, bevor das Portal sich wieder schließt. Suche am besten nach wenig düsteren oder engen Wegen. Zu den Atrien führen immer sehr offene Wege und Walddichte nimmt in die Richtung der Atrien immer ab.“, meinte er und deutete auf das Wasser.

Ich wusste, dass ich keine Zeit verlieren sollte. Und ich war positiv gestimmt, dass ich es schaffen würde. Ich fühlte mich, als würde ich nun alles schaffen können. „Wir werden uns wiedersehen!“, sprach ich tapfer und ging zum Beckenrand. Vorsichtig blickte ich auf den blau strahlenden Kreis hinab, von dem leichte Wellen ausgingen. Das helle Blau, strahlte durch die ganze Halle. Unsere Schatten schienen breit an den Wänden, während kleine leuchtende Partikel aus dem Wasser schwebten und sich in der Luft langsam auflösten.

„Pass auf dich auf.“, kam es zuletzt von Darius, der mich besorgt ansah. Ich grinste breit und hob den Daumen. „Natürlich!“, antwortete ich laut, dann blickte ich wieder zum Wasser herab. Ich hob mein Bein und machte langsam einen weiten Schritt nach vorn. Dann zog ich meine Arme an und hüpfte hinein.

Sofort spürte ich das kalte, weckende Wasser, das meinem Körper umgab. Mein Herz schlug schneller, als mich die Kälte erhaschte und meine Knochen durchfuhr. Einen kurzen Moment hatte ich meine Augen geschlossen und kniff sie fest zusammen. Die Kälte war bedrückend und doch erinnerte sie mich an Shiro. Sie erinnerte mich an mein Ziel. Diese Kälte, die ich angefangen habe zu lieben gab mir Kraft.

Ich war gesprungen. Ich war hinein gesprungen. Ich hatte nicht einmal gezögert!

Als mich der Druck nach unten zog, spürte ich einen weichen Boden unter mir. Ich öffnete meine Augen wieder, doch erkannte nur das dunkle, beinahe schwarze Wasser. Es war tief und düster. Durch die Wasseroberfläche brach ein leichter Mondschein zu mir herab. Ich stieß mich vom Boden und schwamm hinauf. Dann riss ich meinen Kopf aus dem Wasser und schnappte sofort nach Luft.

Ich atmete ein und wischte meine Haare aus meinem Gesicht. War ich angekommen? War ich in der Dämonenwelt? Schwer atmend blickte ich mich um. Meine Muskeln spannten sich an. Mein Kiefer zitterte. Es war so kalt.

Doch ich grinste, als ich realisierte, dass ich nicht in der Halle der Schule, sondern in einem See auftauchte. „Ich hab´s geschafft.“, sagte ich stolz zu mir und sah mich um, während ich zum Ufer schwamm.

Es war ein großer, langer See. In der Ferne konnte ich wenige weiße Fische erkennen, welche das Weite suchten und aufgewühlt vor mir weg schwammen. Wunderschöne, leuchtende Pflanzen ragten aus dem Wasser und schimmerten in verschiedenen Farben. Als ich mich dem Ufer näherte, fasste ich auf den weichen, mit Moos bedeckten Boden und wollte aus dem Wasser heraussteigen. Mein Atem zitterte. Doch bevor ich aus dem Wasser steige konnte, schwirrte etwas Leuchtendes vor meinem Gesicht. Schnell wich ich zurück und erschreckte. „Waa!“ Ich schrie laut und flüchtete bis zur Nase zurück in das Wasser. Als ich dem leuchtenden, kleinen Wesen nachsah, erkannte ich aber die winzigen Flügel und hörte das leise Kichern.

„Eine.. Elfe?“, fragte ich mich. Diese Wesen hatte ich schon einmal gesehen. „Ein Irrlicht!“, sagte ich laut und stellte mich aufrecht in den See. Bis zur Hüfte stand ich nur noch im Wasser und blickte mich glücklich um. Es wirkte, als würde ich diesen Ort bereits kennen. Die kleinen Irrlichter spielten über die Blüten und am Himmel sah ich den großen Mond, der auf mich herab leuchtete. Der See war von einer dichten Baumreihe umgeben und durch die bunten Lichter, wirkte es einfach nur zauberhaft.

Ein Irrlicht flog vor mir und drehte sich verspielt in der Luft. Verzaubert von ihrem Anblick lächelte ich. „Hallo du..” Liebevoll hob ich meine Hand und ließ sie auf dieser landen. Sie war warm und grinste mich an. „Kannst du mir helfen? Kannst du mir zeigen wo ich hin muss? Ich will zum Atrium.“, fragte ich sie. Dabei beobachtete ich, wie sie sanft auf meiner Hand tanzte und sich dabei immer wieder drehte. Sie machte eine elegante Pirouette, drehte sich wieder zur anderen Seite und sprang wie eine Tänzerin wieder zurück.

Ich beobachtete gerne ihren Tanz, doch wusste ich auch, dass ich keine Zeit hatte. Also biss ich mir auf die Lippe. „Ehm.. weißt du.. ich.. muss mich beeilen. Könntest du mir helfen? Ich bräuchte nur die Richtung oder eine Straße, zu der ich laufen kann.“, fragte ich erneut und runzelte zögerlich die Augenbrauen.

Nun stoppte sie ihren Tanz, sprang mit einem Salto von meiner Hand und flog wieder. Ich bemerkte, wie sie mich anlächelte und kicherte. Dann nickte sie mir zu und flog von mir weg.

„Warte! Heißt das, du hilfst mir?!“ Sofort stieg ich aus dem Wasser und folgte ihr. Ich war von oben bis unten durchnässt. Von meinen Haarspitzen und meiner Kleidung Tropfte das Wasser herab. Obwohl die Kälte meine Knochen zum zittern brachte, wollte ich weiter laufen. Ich ließ mich nicht zurückhalten!

Das kleine Irrlicht flog aber zu schnell. Ich hatte Probleme sie einzuholen. „Warte doch bitte!“, rief ich ihr hinterher während ich erfolglos versuchte, ihr in den Wald zu folgen. Ich rannte über den weichen Boden und sprang gerade über den ersten Busch, da tauchte plötzlich ein zweites Irrlicht vor mir auf. „Waaa!“, abrupt blieb ich stehen und wich zurück. Sie flog in meiner Augenhöhe und legte ihre Hände selbstbewusst an ihre Hüfte. Dann kicherte auch sie. „Ehm..“ ich hielt meine Hand verunsichert an meine Wange. „Hilft.. du mir vielleicht?“ Das kleine Irrlicht kicherte und drehte sich in der Luft. Dann flog sie an mir vorbei. Überrascht drehte ich mich zu ihr. „Oh. Geht es da lang?“, fragte ich und lief wieder zurück. Dieses Irrlicht wartete auf mich und machte mit ihren kleinen Armen eine auffordernde Geste. Sie kicherte und flog langsam weiter als ich ihr nachlief. „Hey. Du bist sehr viel netter als die andere. Vielen Dank!“ Erfreut über die Hilfe, machte ich tapfer einen Schritt nach dem anderen. Ich würde bald bei Shiro sein. Ich würde ihnen bald helfen!

Dieses Irrlicht führte mich nun an einer anderen Stelle in den Wald hinein. Ich stieg über Büsche und Gräser, über liegende Baumstämme und kleinen Pilzen. Je weiter ich in den Wald lief, desto düsterer wurde es jedoch. Langsam bemerkte ich, wie die Farbe der Bäume immer finsterer wurde. Auch die Sträucher wirkten mit den zunehmenden Stacheln immer bedrohlicher.

Als ich mich ängstlich umsah, blieb ich kurz stehen. „Ist.. das wirklich der richtige Weg?“, fragte ich zögerlich und strich meine Haare hinter die Ohren. Im nächsten Moment raschelte es in den Ästen über mir und ein schwarzer Rabe mit drei Augen flatterte davon.

„KYA!“, ich zuckte zusammen und riss die Augen weit auf. Mein Körper wurde starr. Meine Muskeln waren angespannt und mein Herz begann zu rasen. Zitternd hielt ich mich an einem Stamm fest und zog mich zurück. „Ich.. ich.. denke nicht, dass das der richtige Weg ist..“, stotterte meine Stimme, als ich hilfesuchend das Irrlicht ansah. Ich hatte ein ungutes Gefühl dem Irrlicht zu folgen. Darius hatte mir gesagt, dass Wälder offen und nicht düster werden, wenn es in die Richtung des Atriums ginge. Doch dieser Weg war genau das, was er nicht sein sollte.

Das Irrlicht flog kichernd auf mich zu und versuchte mich zu beruhigen. Es flatterte von links nach rechts. Dann fasste es den Saum meines Oberteils und zog sanft daran. Ich sah zu ihr und beruhigte mich. „Ok..“, stimmte ich ihr schluckend zu. Doch bevor ich weiter laufen konnte, kam aus dem Nichts ein kleines Licht, dass das Irrlicht von mir weg drückte. Es war das andere Irrlicht, welches mir zuerst davon geflogen war.

Wütend stieß dieses Irrlicht das andere weg. Ich hörte wütende, piepsende Geräusche und sah, wie beide sich anscheinend stritten.

Verwundert blickte ich zwischen beiden her. Shiro hatte mich gewarnt, dass man Irrlichtern nicht vertrauen sollte. Hatten sie sich etwa einen Spaß daraus gemacht, mich in die Irre zu führen? Schweigend blickte ich mich nochmal um.

Es war sehr dunkel. Die Baumkronen wuchsen ineinander und versperrten sogar die Sicht auf den Himmel. In der Ferne sah man nur noch gruselig wirkende Bäume die in einem schwarzen Wald endeten. Nun war ich mir sicher, dass der Weg falsch sein musste.

Erbost über das Irrlicht, plusterte ich mich auf und ballte die Fäuste. „So ein Mist!“, fluchte ich laut und drehte mich rasch wieder um. Sofort rannte ich wieder zurück. Einerseits wollte ich keine Zeit verlieren. Andererseits machte sich eine Panik in mir breit, den Weg nicht aus dem Wald zu finden oder von wilden Kreaturen gefunden zu werden. Doch mutig wollte ich meinen eigenen Weg finden und versuchte zum See zurückzugelangen.

Obwohl mein Herz immer schneller schlug, wollte ich einen klaren Gedanken behalten. Ich rannte weiter. Alles sah so gleich aus. Ich stieg über Sträucher, Pilze und Äste. Ich lief geradewegs zurück. Bis zu einem großen Stein, an dem ich erschrocken stehen blieb. „Was?“, verdattert blickte ich mich um. Dann sah ich wieder den Stein an. „War… der vorher schon hier?“ Meine Hände begannen zu zittern. Hatte ich mich verlaufen?

„Ach.. das wird.. schon richtig sein!“, sprach ich mir zu und ging einen Schritt zurück. Es führten zwei Wege vom Stein weg. Doch welchen sollte ich nehmen?

Nachdenklich blickte ich die Wege an. Sie sahen beinahe identisch aus. Dunkel und finster. Führte einer aus dem Wald raus? Oder führten doch beide nur weiter hinein? Verzweifelt fasste ich mir am Kopf. Dann stampfte ich wütend auf. „Scheiße!“, maulte ich laut und sah mich panisch um. „Was soll ich tun? Das ist.. doch nicht wahr. Ich.. scheitere jetzt schon? Das kann nicht wahr sein.“ Nachdenklich biss ich auf meinen Finger. „Was mache ich jetzt? Was soll ich machen?!“ Mein Blick richtete sich nun auf einen umgefallenen Baum, der an einem noch größeren Baum gelehnt war. Seine abgebrochenen Wurzeln ragten noch heraus und Moos war schon über den Stamm gewachsen.

„Wenn.. ich dort rauf laufe.. und an dem Baum hoch kletter, könnte ich vielleicht über den Wald schauen?!“ Ich setzte einen selbstsicheren Blick auf und nickte mir zu. „Ja! Das mache ich!“ Dann ging ich auf den Stamm zu, zog mich hoch, kletterte auf diesen und balancierte mich leichtfüßig die Schräge hoch. Einen Schritt nach dem anderen, meine Arme weit ausgestreckt und mit dem Willen nicht aufzugeben!

Weiter oben wurden meine Schritte langsamer. Ich beugte mich vor um mich festzuhalten und mein Gleichgewicht nicht zu verlieren.

Schnell war ich an den gesunden, aufrecht stehenden Baum angekommen und griff zügig dessen Äste. „GESCHAFFT!“, kam es laut von mir, während ich nach Luft schnappte. Mein Körper war angespannt, meine Hände umklammerten krampfhaft den Baum und ich blickte erfreut an dem Stamm auf. „Nur noch da hoch! Ich pack das!“ Ich erkannte einen Ast weiter oben, an welchem ich mich hochziehen konnte. Ich versuchte mich vorsichtig mit einem Fuß auf dem Ast des gefallenen Baumes zu stellen um nach dem anderen Ast zu greifen. Als ich von dort mein Gewicht auf mein Bein stemmte rutschte ich jedoch kurz ab. „Argh! Verdammt. Nochmal!" Also versuchte ich es weiter.

Währenddessen bemerkte ich nicht, dass kleine Tierchen und Baumgeist ähnliche Wesen mich beobachteten. Sie waren friedlich und sahen mir nur neugierig zu, wie ich versuchte nach dem ersten Ast zu greifen.

„Komm schon!“, feuerte ich mich an und versuchte mich erneut vom Stamm zu drücken. Mit Schwung sprang ich ein Stück auf den Ast zu. „HA!“, schnell griff ich diesen und konnte mich nun mit meiner linken Hand an einem anderen Ast festhalten. Ich drückte meine Beine gegen den Baum und versuchte an ihm hinauf zulaufen. Mit aller Kraft zerrte ich mich an den Ästen auf und konnte mit meinem Fuß beinahe auf einem anderen Ast Halt finden. Ich biss meine Zähne aufeinander. Meine Muskeln waren so angestrengt, dass ich kaum atmen konnte. Meine Handflächen schmerzten noch immer durch die frischen Wunden. Doch ich schaffte es, wenn auch nur langsam. Ich zog mich hoch und konnte mich auf einen kleineren Ast stellen.

Als ich versuchte weiter zu klettern, merkte ich es unter meinem Fuß knacken. Starr blieb ich stehen. Denn ich wusste, was das bedeutete. Ich riss die Augen auf und versuchte vorsichtig mein Gewicht mit meinen Armen zu tragen, denn der Halt unter meinem Fuß gab nach. Der Ast schien unter der Belastung zu brechen. Ich wollte mich vorsichtig hochziehen, doch der Ast brach unter mir durch. „WAAA!“

Ich verlor den Halt und konnte mich nur schwer mit meinen Armen halten. Doch auch das schaffte ich nicht lange. Durch den Schwung schaukelte ich zur Seite. Dadurch rutschte ich mit meiner Hand vom Ast. Schließlich fiel ich herab. „Kya!“

Ich schrie, als ich herab stürzte. Dabei prallte ich mit der Seite auf den liegenden Stamm, rutschte auch von diesem ab und landete unsanft auf dem Boden. Es krachte laut. Die kleinen Wesen um mich flüchteten panisch, als ich herabstürzte und versteckten sich wie aufgebrachte, ängstliche Häschen. Blätter und Äste stürzten mit mir herab und der Weg zur Baumkrone wirkte nun noch weiter.

Wie paralysiert fand ich mich am Boden liegend wieder. Der Schmerz fuhr durch meinen gesamten Körper. Mir blieb einen Moment die Luft weg, während ich den Fall zu verarbeiten versuchte. Ich stieß ein leises „Uhrg.“, aus als der Schmerz etwas nachließ und ich wieder atmen konnte. Dann blickte ich hinauf zu den Baumkronen und neben mich, unter den umgefallenen Stamm. Darunter krabbelten kleine Käfer, die ebenfalls das Weite suchten, als ich sie ansah.

Ich verzerrte mein Gesicht, „Irgh…“, und ekelte mich kurz. Versteift stemmte ich mich auf meinen Arm. Dabei legte ich meine Hand an meine Seite, um die Schmerzen zu unterdrücken. „Das.. tat weh..“, meinte ich mit ironischem Unterton und biss mir auf die Lippe.

Als ich meine Kraft zum aufstehen sammelte, hörte ich plötzlich eine Stimme aus der Ferne. „Da hinten!“, sagte jemand. Panisch riss ich die Augen auf. Dann drehte ich mich sofort zur Seite und rollte mich unter den Baumstamm und in das Gestrüpp, welches darunter wuchs. Als ich mich dort versteckte, bemerkte ich ein Rascheln, das sich mir näherte. Ich hoffte in der Dunkelheit nicht gefunden zu werden. Ich hielt ängstlich meine Hand vor meinen Mund und versuchte leise zu sein.

Die Stimme wurde lauter. „Nein! Da war doch jemand! Ich habe jemanden schreien hören!“, sagte ein Mann aufgebracht. Plötzlich sah ich zwei Beine direkt vor mir. Mein Herz setzte einen Moment aus als ich panisch zur Seite blickte und versuchte nicht vor Schreck zu schreien. Der Mann schien am Baum entlang zu laufen. „Vielleicht haben sie wieder jemanden in die Irre geführt!“ Dann hörte ich noch eine weitere Person auf mich zu laufen. „Nur ein Idiot würde sich noch von Irrlichtern ärgern lassen! Wer würde schon einem Irrlicht folgen? Das sagt doch schon der Name, dass man das nicht tun sollte. Also ehrlich!“, antwortete eine Frau erbost. „Komm jetzt! Kintaro! Ich mag diesen Teil des Waldes nicht! Wir mussten nur die Irrlichter einfangen und jetzt können wir wieder zurück!“ „Aber Nagisa! Was ist, wenn jemand unsere Hilfe braucht?“

Überrascht blinzelte ich mit den Augen. „Kintaro? Nagisa?“, fragte ich mich leise. Kurz nachdem ich glücklich aufspringen wollte, hielt ich mich aber selber zurück. Ich war mir nicht sicher, ob die beiden Personen, tatsächlich die Freunde waren, die ich kannte. Ich musste mir ganz sicher sein. Ich durfte mich nicht in Gefahr bringen!

Die Frau bewegte sich wieder von mir weg. „Dann hätte Atropos uns schon Bescheid gesagt! Also komm jetzt! Ich bin müde!“ Nachdem Nagisa das sagte, riss ich die Augen auf. Das mussten Nagisa und Kintaro sein, die ich kannte! Schnell drückte ich mich vom Baum weg und blickte zu ihnen. Der Mann zögerte einen Moment, doch dann folgte er ihr mit schnellen Schritten. „Warte! Ich komme mit! Ist ja schon gut. Lauf nicht alleine durch den Wald. Sonst kommt noch ein Klushund!“ „Pah. Hast du Angst um mich, oder hast du Angst um dich?“, kicherte die Frau und lief mit ihm zusammen weiter.

Ich erkannte die Beiden. Ein Blauhaariger und eine junge Frau mit braunem geflochtenem Haar. Sie hatten beide jeweils ein Glas in der Hand, in welchem ein Irrlicht saß. Strahlend vor Glück versuchte ich mich unter dem Baumstamm wegzurollen. „Kintaro!“, rief ich schnell. Ehe beide zu weit weg waren. „Kintaro!!“, rief ich lauter.

Nun erkannte ich, wie beide wieder stehen blieben. Kintaro sah sich verängstigt um. „Hast.. du das auch gehört?!“, fragte er während ihm ein Schauer über den Rücken lief. Nagisa stellte sich ihm erbost gegenüber. „Tze. Ich wusste es, du bist immer noch total ängstlich! Da war nichts!“ „Aber.. da hat jemand meinen Namen gerufen!“, erklärte er und fasste ihr an den Arm. „Ach.. da hat niemand-“

„Nagisa!!“, rief ich jetzt und versuchte vom Boden aufzustehen. Nun riss auch sie die Augen auf und blieb starr stehen. „Was.. was..“, stotterte sie. „Sag ich doch!“, meinte Kintaro nur und zitterte mit ihr zusammen. Sie sahen sich zusammen um. „Das.. das kam von da..“, sagte Nagisa und zeigte hinter Kintaro. Als er sich wegdrehte, erkannten sie mich am Baum stehen.

Ich war voller Dreck und es war dunkel. Langsam versuchte mich aufzustellen. Anscheinend machte ich einen beängstigenden Eindruck. Denn Kintaro blickte mich panisch an und wich zurück. Auch Nagisa sah mich mit weiten Augen an. Sie waren starr und aufgebracht. Als ich mich nun wie ein Monster unter dem Baum hervorbrachte, machte ich einen Schritt auf sie zu. „Kintaro! Nagisa!“, sagte ich wieder. Beide hielten die Luft an. Sie zitterten und hatten Angst vor mir. Nun drehte Kintaro sich ängstlich um und wollte rennen. „Lauf!!“, schrie er. Gleichzeitig hob ich bittend die Arme. „Wartet! Ich bin es!! Yuki!“, rief ich dazwischen.

Nagisa blieb daraufhin neugierig stehen und flüchtete nicht. Kintaro aber rannte davon. Er rannte einige Meter, dann erst bemerkte er, dass Nagisa ihm nicht folgte. „Nagisa!!“, schrie er und blickte hinter sich. Sie blieb stehen und starrte mich stirnrunzelnd an. Ich lief vor, ordnete meine Haare und wischte mir den Dreck von meiner Kleidung. Auch Nagisa kam mir langsam näher. Sie formte ihre Augen zu kleinen Schlitzen und drehte ihren Kopf schräg. „Y.. Yuki?!“, fragte sie überrascht. Ich grinste breit. „Ja! Ich bin es!“ Ich sprang über ein kleines Gebüsch und ging auf sie zu.

Kintaro kam uns nun wieder näher. „Was.. ist denn?!“, fragte er und starrte Nagisa an. Als sie sich zu ihm drehte, hob sie die kleine Flasche mit dem Irrlicht darin. Dieses erzeugte Licht, sodass er mich erkennen konnte. Überrascht blieb er stehen. „Yuki?!“, fragte er. Dann rannte er schnell auf uns zu. „Aber.. was.. machst du hier? Wo ist Shiro?“, kam es von ihm, als er sich zu Nagisa stelle. Diese lehnte sich an Kintaro und schaute mich zögerlich an. „Yuki.. und warum.. bist du.. ein Mensch?!“

Bleib stark

„Moment, ich muss das einmal zusammenfassen.”, meinte Nagisa verwirrt und schüttelte den Kopf. Sie saß mir gegenüber vom Tisch und sah mich mit einem fragwürdigen Blick an. Kintaro hatte neben ihr Platz genommen und starrte mich ebenfalls stutzig an. Es war mir unangenehm, von ihnen beobachtet zu werden, also versuchte ich ihren Blicken auszuweichen und spielte nervös an meiner Kleidung.

Neben uns knisterte das Feuer in einem kleinen Kamin, der für mich entzündet wurde. Er wärmte mich und hatte meine Kleidung und meinen Körper getrocknet. Obwohl Nagisa und Kintaro mir freundlich gesinnt waren, hielten sie dennoch Abstand von mir.

Nagisa rieb sich das Kinn. „Also.. Shiro.. ist der Schattenmann.”, begann sie aufzuzählen.

Ich nickte ihr zu. „Ja. Genau.”

„Also der echte Schattenmann. Der Schattenmann, vor dem alle Angst haben. Also der Schattenmann, den jeder kennt. Also.. dieser grauenvolle Schattenmann.. der bekannt dafür ist, Menschenseelen zu sammeln?”, fragte sie und tippte dabei mit ihrem Finger auf den Tisch.

Ich zögerte etwas, doch nickte erneut. „Ja.. ganz genau…”

Es wirkte wie ein Verhör zwischen guten Freunden. Es war seltsam ihnen mein Geheimnis zu offenbaren, doch ich blieb mutig und versuchte alle ihre Fragen ehrlich zu beantworten.

„Und du bist ein Mensch?”, fragte sie als nächstes und zog eine Augenbraue dabei hoch.

„J.. Ja.”

Aber Nagisa runzelte die Stirn. „Und ER soll der Schattenmann sein?”, fragte sie wieder laut betonend und konnte die Tatsache noch nicht für möglich halten. Doch ihre Augen zeigten mir, dass sie versuchte mir zu glauben.

Einen Moment sahen wir uns nur schweigend an. Nagisa lehnte sich etwas über den Tisch, während ich zurückhaltend meine Hände auf meinem Schoß abgelegt hatte.

Es war leise. Unsere Blicke kreuzten sich. Sie wartete auf eine Wendung oder eine bessere Erklärung von mir, die alles auflösen würde, was sie nicht begreifen konnte. Doch gab es für mich nichts weiter zu erklären. Ich hatte ihnen alles erzählt. Ich erzählte ihnen von dem Pakt mit Shiro. Ich erzählte ihnen von Lilith. Ich erzählte ihnen von meinen Sorgen und über Deeon. Das alles schien ihre Vorstellungskraft zu übersteigen.

Niemand von uns sagte ein Wort. Das Feuer knisterte in dem Kamin, während die Holzscheite langsam zu Asche verbrannten. Draußen war es noch immer finster und die Äste eines kleinen Baumes klopften leise am Fenster, als der Wind über den Hof fegte.

Nun setzte sich Nagisa kurz auf und richtete ihre Haltung. „Also DU bist ein Mensch... und ER der Schattenmann?”, fragte sie ein drittes Mal.

Doch sofort hob Kintaro eine Hand vor Nagisa und unterbrach sie. „Yuki. Du hast gesagt, dass Shiro deine Hilfe braucht. Du sagtest, dass er gegen Lilith kämpfen will.”, kam es von ihm, während er mich ernst anblickte.

Angespannt biss ich auf meine Lippe. „Ja.. er will gegen sie Kämpfen. Und ich weiß, dass er in einen Hinterhalt gelockt wird. Ich muss ihn vorher warnen! Also muss ich zum Atrium!”, antwortete ich und schloss kurz die Augen. „Ich habe auch keine Zeit mehr. Ich… ich muss mich beeilen!”, sprach ich streng weiter und stand schließlich auf. „Bitte, sagt mir nur, in welche Richtung ich gehen muss. Ich bin euch dankbar für die Hilfe und die Zeit, in der ich mich hier aufwärmen konnte! Aber ich muss gehen!”

„Yuki!”, sagte Nagisa nun und versuchte mich zu beruhigen. Sie legte ihre Hand auf meine und schaute mich mitfühlend an. Nervös blieb ich stehen, bis auch Nagisa sich vor mich stellte. „Bis zum Atrium sind es mindestens Fünf Stunden! Es ist dunkel und es ist kalt! Glaubst du wirklich, dass du das tun willst? Außerdem.. bist du nur ein Mensch.”, versuchte sie mich zu beschwichtigen und blickte mich besorgt an.

Wütend drehte ich mich von ihr weg. Ich musste an Shiro denken, der immer für mich da war. Ich musste an Deeon denken, der immer das Beste für mich wollte. Dann ballte ich meine Fäuste und richtete meinen Blick zum Boden. „Ich.. weiß dass ich nur ein Mensch bin..!”, begegnete ich ihr leise. In meinen Augen sammelten sich Tränen aus Wut. „Ich.. bin es leid immer zu schwach zu sein.”, sagte ich und sah mit einem entschlossenem Blick wieder auf. In mir brodelte eine unbewusste Wut. Mein Puls wurde immer schneller. Meine Muskeln spannten sich an. „Ich muss Shiro helfen! Ich muss Deeon helfen! Ich muss zu ihnen! Sie haben mir immer geholfen! Und jetzt muss ich helfen! Ich muss! Versteht ihr? Und ich werde ihnen helfen! Es ist mir egal, ob ich ein Mensch bin oder, dass ich zu schwach bin! Also werde ich nun weiter gehen! Bitte sagt mir nur, in welche Richtung ich gehen muss. Alles andere, schaffe ich schon.”, meine Stimme wurde immer lauter. Ich blickte zwischen beiden her und erkannte ihre überraschten Gesichter. „Und wenn ihr mir nicht helfen könnt, ist das in Ordnung. Dann werde ich es auch so schaffen!”, begann ich und wollte nun zur Tür laufen.

Plötzlich hielt Nagisa meine Hand und wollte mich stoppen. „Warte.-” Doch ich drehte mich aufgebracht zu ihr. „Nagisa! Bitte! Lass mich! Ich will… ich will ihnen doch nur helfen! Ich.. ich..”, niedergeschlagen über meine eigene Hilflosigkeit, konnte ich ihr nicht in die Augen sehen. „Ich weiß, dass ich es vielleicht nicht rechtzeitig schaffen werde. Aber ich glaube an mich. Und ich werde Shiro nicht im Stich lassen. Ich muss ihm helfen.”

„Und wir werden dir helfen!”, kam es zustimmend von Nagisa. Ich riss die Augen auf. Einen Moment blieb mir der Atem stehen.

„Was?”, fragte ich und drehte mich überrascht zu ihnen. Nagisa überkreuzte ihre Arme. Kintaro stand hinter ihr und legte seine Hand selbstbewusst auf ihre Schulter. Beide sahen mich mit einem entschlossenem Blick an.

„Ihr habt uns auch geholfen!”, erklärte Kintaro und lächelte mich an. Auch Nagisa grinste. „Und deshalb, kommen wir mit! Wenn wir die Pferde nehmen, könnten wir noch schneller da sein! Wir helfen dir. Und-”

Plötzlich krächzte eine alte Frauenstimme in den Raum hinein. „Nein!”, schrie Atropos, die mit ihrem Stock humpelnd den Raum betrat. Sie klang laut und bestimmend.

Wir alle blickten erschrocken zur Tür. Sie blieb mitten im Ramen stehen und lehnte sich mit beiden Armen auf ihren Gehstock. „Ich schätze die Tapferkeit von euch dreien.”, begann sie. „Und es ist immerhin das Richtige, einem Freund in Not bei Seite zu stehen, um ihn zu unterstützen. Das macht Freundschaft aus. Doch… ich kann das nicht zulassen.”, sprach sie offen. Ihr Blick richtete sich zu Nagisa und Kintaro. „Ich kann nicht zulassen, dass euch etwas zustößt. Ich fühle mich für euch verantwortlich. Und ich werde euch nicht in euren eigenen Tod rennen lassen.”, erklärte sie.

Mein erster Schock wurde zu einem ruhigen Verständnis. Ich nickte ihr zu und blickte betrübt herab. Kintaro jedoch ging einen Schritt auf Atropos zu. „Aber Atropos! Wir können sie doch nicht alleine gehen lassen!”, begegnete er ihr laut und hob seine Hände fordernd.

Doch sie sah ihn wütend an. „Ich werde auch nicht gutheißen, dass sie geht!”, maulte sie erbost. „Gegen Lilith zu wettern, ist genauso töricht, wie als Sterblicher die Äpfel der Hesperiden pflücken zu wollen! Oder Medusa in die Augen zu schauen! Es wäre reiner Selbstmord! Und ihr beide werdet nicht mitgehen! Ende!”, erklärte sie. Dabei richtete sich ihr tadelnder Blick langsam zu mir. Ihre grimmige Miene wurde zu einem mitfühlenden Gesichtsausdruck. „Kind. Ich möchte auch nicht, dass du dorthin gehst. Lilith ist ein schrecklicher und erbarmungsloser Dämon. Wenn dein Freund sich schon im Kampf befindet, solltest du dich nicht einmischen und kannst nur hoffen, dass sie ihn nicht tötet…”, sagte sie und schloss nachdenklich ihre Augen. „Doch ich werde dich nicht von deinem Schicksal abbringen, wenn er diesen Weg für dich gewählt hat.”, erklärte sie in einem sanften Ton und seufzte schwer.

Ich sah Atropos aufrichtig an. Ich verstand was sie mir damit sagen wollte. Ich verstand, dass sie niemanden in Gefahr bringen wollte. Ich verstand, dass sie sich vor Lilith fürchtete. Doch das machte mich nicht wütend oder traurig. Denn Atropos war wie eine Mutter, die nur ihre Kinder beschützte.

Mit langsamen Schritten ging ich auf sie zu. „Ich bestimme meinen Weg selbst.”, erklärte ich und grinste selbstsicher. Atropos war sichtlich nicht von meiner Meinung entzückt. Doch sie drehte sich langsam von uns Weg und blickte über ihre Schulter. „Dann komm. Die Irrlichter werden dir helfen!”, sagte sie und lief in den Flur.

Mit einem lauten Knarren öffnete sie die hölzerne Tür, die auf den Hof führte. Im gleichen Augenblick schwirrte ein Irrlicht rasch in das Haus hinein. Es flog um Atropos herum, kicherte und landete verspielt auf ihrer Schulter. Sie war schnell und flink. Als Atropos ihre Hand hob sprang das kleine Wesen auf diese und begann elegant zu tanzen.

Ich blickte überrascht zwischen beiden her. „Sie mochte dich schon seit dem ersten Tag.”, sagte die alte Frau und beobachtete verträumt das kleine tanzende Licht. Dann sah sie zu mir auf. „Irrlichter ärgern normalerweise. Sie will dir jedoch helfen. Sie mag dich. Bitte pass auf sie auf. Sie soll dir nur deinen Weg verkürzen! Bring sie nicht in Schwierigkeiten!”, erklärte sie und streckte die Hand in meine Richtung.

Ich blinzelte verwundert mit den Augen. Das kleine Irrlicht flog kichernd, mit eleganten Pirouetten um mich. Ich war mir nicht sicher, ob ich diese Hilfe annehmen sollte. Doch sie war die einzige Möglichkeit, mich schnell zu Shiro zu bringen.

Nagisa trat neben mich. „Ach ja… Irrlichter können ja Portale erschaffen.”, sagte sie mit großen Augen.

Kintaro folgte uns auch in den Flur. „Aber.. ich.. wir.. können dich doch nicht alleine gehen lassen…” Er klang niedergeschlagen und bedrückt. Doch glücklich über die Hilfe von Atropos, begann mein Herz höher zu schlagen. Denn ich hatte eine Chance, Shiro rechtzeitig zu warnen. Nun hatte ich endgültig die Bestätigung, Shiro helfen zu können! Und wieder überkam mich das Gefühl, endlich etwas bewirken zu können. Ich hatte das Gefühl, stark zu sein. Und ich hatte das Gefühl, alles zu schaffen.

„Kintaro! Atropos hat Recht. Ihr solltet hier bleiben!”, lächelte ich ihn an. „Aber ich danke euch, für euer Angebot! Doch ich werde es schaffen! Da bin ich mir sicher.”

„Kennst du dich denn in dem Atrium aus?”, fragte Nagisa nun dazwischen und runzelte die Stirn. Ich legte meine Hand nachdenkend an meinen Kopf. „Hmh.. naja.. ein bisschen.. also.. nein.”, seufzte ich und schmunzelte ertappt. Doch dann blickte ich sie überrascht an. „Aber ich kenne einen Fuchsdämon, der sich dort auskennt!”

„Naja.. wenn der bereit ist, dir zu helfen…”, begegnete Nagisa mir und verzog ihr Gesicht. Doch meine Mundwinkel formten sich zu einem breiten Lächeln. „Oh ja. Ich weiß, dass sie sauer wäre, wenn ich sie nicht um Hilfe bitten würde!”, antwortete ich erfreut und grinste breit. Denn ich wusste nun, dass mir wirklich nichts mehr im Weg stehen würde.
 

Leider war mir nicht bewusst, dass Shiro und Deeon sich längst im Kampf befanden.

Lilith zeigte mit allen Mitteln, dass sie sich nicht einfach besiegen lassen würde. Der Kampf zwischen ihnen war gnadenlos, grausam und aggressiv. Ein unerbittlicher Kampf dessen Ziel es war, ein Leben erbarmungslos auszulöschen.

Während des Kampfes hatten sie die Halle zerstört. Wände trugen tiefe Risse und Statuen waren zusammengebrochen. Der Boden war stark beschädigt und auch der große Thron wurde zerschmettert. Staub und Sand der zerstörten Umgebung wurde aufgewirbelt, nachdem Shiro nach einem Angriff von Lilith mit einem weiten Sprung nach hinten auswich.

Schwer atmend fing er sich am Boden und streifte wütend etwas Blut von der Lippe. Sein Körper konnte sich nicht schnell genug von den Wunden heilen, die Lilith ihm zugefügt hatte. Darum versuchte er Zeit zu gewinnen um schnellstmöglich wieder Kraft zu erlangen.

Er nutzte einen kurzen Moment, um einen Blick auf Deeon zu erhaschen. Dieser hatte gegen Lilith Monster gekämpft und schien gerade den letzten Dämon mit einem glatten Schnitt durch den Hals zu erledigen. Deeon hatte Shiros Blick erkannt und erwiderte diesen mit einem erschöpften, doch positiv gestimmten Grinsen.

Im nächsten Moment wurde dieses Grinsen jedoch zu einem geschockten Blick, der an Shiro vorbei starrte.

Erschrocken wandte Shiro sich wieder nach vorn und erkannte zu spät, dass Lilith ihm mit einem Angriff entgegen stürmte. Sie kämpfte mit einem schwarzen Schattenschwert und stach mit einem geraden Hieb zu.

Zu schnell sprang sie ihm entgegen und hatte das Schwert bereits ausgestreckt. Shiros Atem blieb stehen. Er riss die Augen auf und biss die Zähne zusammen. Erschrocken versuchte er mit einem reflexartigen Verhalten auszuweichen und den Angriff mit erhobenem Dolch abzufangen.

Doch plötzlich stand Deeon vor ihm und hatte seinen Flügel ausgebreitet. Er war zu ihm hingeflogen und parierte den Schlag mit einem kräftigen Hieb von unten.

Es passierte alles so schnell.

Lilith glitt das Schwert aus ihrer Hand. Nicht vorbereitet auf Deeon, blieb Lilith stehen und sah ihrem Schwert erschrocken hinterher. Es drehte sich in der Luft, ehe es sich schließlich noch im Fall auflöste. Im gleichen Atemzug wandte sie sich wieder Deeon zu. Er holte aus und schlug mit seinem Schwert quer zu. Obwohl Lilith zurückweichte, streifte die Spitze seiner Klinge ihr Gesicht. Bluttropfen spritzen durch die Luft, während Lilith sich mit dem Schlag zur Seite drehte. Sie hielt sich ihre Hand vor ihr Gesicht und und riss die Augen auf. Noch bevor sie realisierte was geschah, drehte sie sich erschrocken zu Deeon, der aber bereits ausholte und sie mit einem wuchtigen Tritt von sich weg beförderte.

Blitzartig wurde sie weggeschleudert und prallte gegen die bereits vom Kampf beschädigte Mauer. Staub wurde aufgewirbelt und einige Steinstücke fielen herab.

Diese Zeit nutzte Deeon, um nach Shiro zu sehen.

„Alles in Ordnung?“, fragte er mit einem gelassenen Grinsen. Shiro hatte sich etwas nach vorn gebeugt um zu Kräften zu kommen. Seine Wunden an den Armen verheilten langsam und schließlich stellte er sich wieder auf. „Ich brauche deine Hilfe nicht. Ich werde das alleine schaffen.“, erwiderte er jedoch stur.

„Natürlich. Das weiß ich. Doch, es war eine schöne Genugtuung für mich.“, begegnete er Shiro und legte dabei seinen Kopf sorglos schräg.

Als sie das Bröckeln der zerschmetterten Steine hörten, wandten beide sich wieder Lilith zu. Sie kletterte aus der kleinen Ruine und trat mit langsamen Schritten vor. Ihre Kleidung abklopfend, blieb sie stehen und sah mit einem genervten, jedoch herablassenden Blick zu ihren Gegnern auf. „Das… hätte ich kommen sehen müssen…“, sprach sie und stellte sich aufrecht hin. Über ihr Gesicht war die tiefe Schnittwunde von Deeons Angriff zu erkennen, die quer über ihr Gesicht gezogen wurde. Etwas Blut triefte herab. Doch im nächsten Augenblick verheilte die Wunde und das Blut löste sich in schwarzen Nebel dampfend auf.

Shiro machte sich sofort wieder Kampfbereit, während Deeon jedoch vor trat. „Lilith. Hör auf!“, rief er ihr zu.

Doch sie überkreuzte ihre Arme genervt. „Das geht dich nichts an! Es geht nur um diesen schwachen, feigen Menschen dort.“, fauchte sie zurück und deutete auf Shiro. Dieser biss die Zähne wütend zusammen. Sein Blick wurde immer finsterer denn Lilith hatte ihn mit den Worten beleidigt, die von ihm am meisten gehasst wurden.

Sie sah beide ernst an. „Ich werde es mir nicht gefallen lassen, von etwas so lächerlich erbärmliches meine Seele klauen zu lassen. Auch nicht, wenn sich ein Engel mir in den Weg stellt! Nicht mit der Kraft, die ich mir erarbeitet habe.“, erklärte sie mit immer ruhiger werdender Stimme.

Doch Deeon hob eine Augenbraue. „Dir geht es also nur um diese eine Seele? Warum ist sie dir so wichtig?“, fragte er und drehte locker das Schwert in seiner Hand.

Doch Lilith hielt inne und begegnete ihm nur mit einem zurückhaltenden Seufzer. Dann erkannte sie Shiro, der sich emotionslos neben Deeon stellte und sie beobachtete. Verwundert runzelte sie die Stirn. „Kann es weitergehen?“, fragte sie und lief Kampfbereit einige Schritte vor. Dabei hob sie ihre Hand und ließ ein schwarzes Schwert in ihrer Hand erscheinen. Sie hielt ihre Klinge locker zum Boden gerichtet und sah Shiro mit einem gezielten, herablassenden Blick an. Dann grinste sie. „Oder traust du dich nicht?“, fügte sie verhöhnend hinzu.

Ohne von Lilith abzusehen wandte Deeon sich Shiro zu. „Hey. Lass dich nicht-“

„Halt dich da raus.“, unterbrach Shiro ihn jedoch, während er an ihm vorbei ging und los rannte.

„Warte!“

Doch Shiro rannte Lilith entgegen. Sein Äußeres zeigte eine kalte, emotionslose Miene. Doch innerlich brannte seine Seele vor Hass und Wut. Er rannte immer schneller, während Lilith vergnügt ihr Schwert erhob und Deeon ihm aufgebracht hinterher blickte. Shiro biss die Zähne zusammen und griff seinen Dolch fester. Seine Beine wurden immer schneller. Der Sand auf seinem Weg wurde mit einem heftigen Wind aufgewirbelt. Ihre Blicke kreuzten sich. Die Luft knisterte vor Anspannung. Er kam ihr immer näher. Er hob seinen Dolch und machte sich für einen frontalen Angriff bereit. Er sammelte seine Kraft und sprang ihr entgegen!

Doch mitten im Sprung verschwand er.

„Hmh!“, Lilith griff auch ihr Schwert fester und begann zu grinsen. „Tze. Wie vorhersehbar!“, verspottete sie ihn und schnellte einen ausweichenden Schritt zur Seite. Sie drehte sich nach rechts und holte aus der Drehung Schwung für einen Gegenangriff.

Denn Shiro tauchte an einer Stelle wieder auf, an welcher er Lilith hinterrücks attackiert hätte. Doch durch Lilith vorausdenkende Handlung, sich sie diesem Angriff aus. Sie holte aus und schlug an der Stelle zu, an welcher sie ihn erwartete. Alles geschah rasant und schnell. Deeon blieb starr stehen. Er wusste nicht, was Shiro vor hatte. Doch er konnte auch nicht erahnen, was Lilith geplant hatte. Um einzuschreiten war es zu spät.

Sie hatte seine Wut ausgenutzt. Sie hatte ihn überlistet und konnte somit einen Gegenangriff starten.

Ein schmerzhafter Aufschrei hallte durch den Raum als die Klinge plötzlich Shiros Brust durchbohrte. Blut spritzte von der Klinge, die aus seinem Rücken stieß.

Shiro hielt den Atem an und riss geschockt die Augen auf. Lilith hingegen blickte selbstsicher über ihre Schulter und war sich des Sieges Sicher. „Ups.. das ging doch schneller als ich dachte. Tze.. dummer Mensch..“, kam es gelassen von ihr und zuckte schmunzelnd mit den Schultern.

Aus Shiros Mund lief Blut. Sein Blick war zum Boden gerichtet. Er stand starr dort und atmete schwer, während seine Haare sein Gesicht verdeckten und er versuchte seinen Schmerz zu unterdrücken.

Lilith grinste zufrieden. „Also dann..- ARGH!“, doch plötzlich stieß auch sie einen Schrei vor Schmerz aus. Deeon tauchte hinter ihr auf und rammte ihr ebenfalls sein Schwert durch den Bauch.

Es war, als würde die Zeit für einen Moment gefrieren.

Geschockt blieb auch sie stehen und riss ihre Augen auf. Sie richtete ihren Blick herab, und erkannte die Klinge, die ihren Körper durchstieß. Abrupt ließ sie ihr Schwert los, sodass dieses sich in Nebel auflöste. Nachdem ihr Schwert verschwunden war, wackelte Shiro auf seinen Beinen und verlor schließlich seinen Halt. Konzentriert bei Bewusstsein zu bleiben, hielt er sich seine Brust und fiel auf die Knie.

Derzeit begann auch ihr Blut aus der Wunde zu laufen und tropfte an ihrem Körper, sowie der Klinge herab. Sie rang schwer atmend nach Luft und blieb starr.

„Lilith. Lass es. Hör mit all dem auf… und ich werde dich verschonen.“, sprach Deeon einfühlsam. „Ich werde nicht zulassen, dass du ihm noch einmal Schaden zufügst.“

Sie spuckte Blut und versuchte ihren Kopf zur Seite zu drehen. Doch bevor sie sich bewegen konnte, drückte Deeon ihr das Schwert noch stärker in den Körper. Er schnitt es tiefer in ihr Fleisch doch zögerte, sie zu töten. „Lilith…!“, sprach er ermahnend und wollte ihre Niederlage erzwingen. Sie hielt die Luft an und biss die Zähne zusammen.

„Du… nervst.“, antwortete sie ihm schmerzerfüllt und öffnete unauffällig ihre Hand. Es erschien ein kleines, silbernes, Münzen ähnliches Amulett zwischen ihren Fingern. Drauf graviert war ein kleines Muster mit geraden Strichen und Punkten. Es war eine Sigille.

Erst als Lilith grinste, bemerkte Deeon, dass etwas nicht stimmte. Erschrocken blickte er herab und erkannte, wie sie das Amulett von sich weg schmiss. Doch ehe er etwas tun konnte, war das Klirren der Münze auf dem Boden zu hören. Lilith sah niederträchtig zur Seite. „Deeon…!“, sprach sie deutlich.

Er sah sie panisch an. „Nein!“

Doch plötzlich wurde der gesamte Saal in einem weißen Licht erfüllt. Dieses helle Licht schien warm und sanft. Doch es war ebenso grell und erschreckend. Einen Moment war nichts zu sehen, außer das stechende, helle Weiß, welches langsam abschwächte und sich zu einem Strahl zusammenzog. Inmitten des Strahls lag das Amulett, welches Lilith von sich weggeworfen hatte. Und innerhalb des Strahls stand auch Deeon, der sich schockiert und panisch umsah. „Nein!“, schrie er wieder und wollte aus den Kreis, der am Boden strahle, heraus rennen. Doch Blitze schlugen auf und hielten ihn zurück.

Lilith wirkte beruhigt. „Hmh.. eine artgerechte Haltung.“, verspottete sie ihn und atmete schwer. Sie holte tief Luft und legte ihre Arme hinter sich. „Argh..!“ Schmerzerfüllt biss sie die Zähne zusammen und griff das Schwert, welches noch in ihr streckte. Mit einem Ruck zog sie es blutverschmiert wieder heraus und ließ es sofort fallen. Es klirrte laut zu Boden.

Während sie nach Luft schnappte, brach sie zusammen und konnte sich auf ihren Hände fangen. „Ich.. hasse diese Engelswaffen.“, sagte sie erbost. Auch sie war nun verletzt und musste sich regenerieren.

Anders als Shiro, kniete Lilith schwer atmend am Boden. Dabei bemerkte sie erst spät, dass Shiro sich langsam vor sie stellte und auf sie herab blickte. Sie beruhigte sich und schaute auch langsam zu ihm. „Wie.. kannst du stehen? Ich habe deine Seele mit meinem Schwert- Argh!“ Doch Shiro trat ihr gegen die Schulter und warf sie damit zu Boden. Sofort stemmte er sich mit seinem Fuß auf ihre Rippen und sah sie mit seinem kalten Blick an. „Mir ist dieser Schmerz bereits bekannt.“, antwortete er ihr und legte seinen Kopf schräg. Dann stemmte er sich fester auf ihre Knochen.

Lilith begann zu schreien. „AAArg! Du.. jämmerlicher.. Mensch.“, schrie sie ihn an und legte ihre Hände an seinen Fuß. Mit Kraft konnte sie langsam sein Bein heben, doch Shiro stützte sich noch einmal auf sie. Wieder kreischte sie vor Schmerzen. Das Knacken ihrer Knochen hallte durch den Saal, welches sich mit ihren Schreien vermischte. Wie ein Insekt, dass Shiro zerquetschte, bewegte er seinen Fuß herablassend auf ihr. Er starrte sie emotionslos an und sah ihr tief in die Augen. Dann zeigte er ihr seinen Dolch.

Lilith versuchte weiter ihren Feind von sich zu drücken. Sie schlug gegen sein Bein und krallte sich in sein Fleisch. Doch er zerquetschte ihren Brustkorb weiter. Sie rang laut nach Luft und biss die Zähne wütend zusammen. „Willst.. du.. nicht mehr erfahren? AARGH!“, fragte sie ihn um sein Handeln zu unterbrechen. Doch er griff seinen Dolch fester und beugte sich zu ihr herab. Lilith grinste trotz Schmerzen. „Über.. deine Familie? Oder … warum ich dich… ausgesucht habe?“, kam es weiter von ihr. Ihre Knochen knirschten. Blut drang aus ihrer Verletzung und ihr Blick war zornig auf ihn gerichtet.

Aber er schaute sie nur belanglos an und legte ihr den Dolch an die Kehle. „Nein…“, antwortete er. Lilith riss die Augen auf. Deeon stand entsetzt innerhalb des Käfigs der Sigille und Shiro erfüllte nur das Gefühl von Erleichterung. Weder die Schmerzen die sein Körper zu tragen hatte, noch die Angst die seine Seele belastete, fühlte er. Es war nur die Hoffnung in ihm, seinen Albtraum zu beenden. Auch wenn sie ihn mit Informationen verlocken wollte, so gab es für ihn keinen Grund, diese Antworten zu erfahren. Er dachte an Kitsune. Er dachte an Kisho und Kazumi, an Mephisto, Bastet und die anderen. Er dachte an Deeon. Und er dachte an mich.

„Ich habe eine Familie.“, waren seine letzten Worte, als er den Dolch fester griff und ihr das Leben nehmen wollte.

„HALT!“, schrie plötzlich jemand durch den Saal. Die riesigen Tore der Halle wurden aufgerissen. Und jemand kam herein gestürmt.

Deeon drehte sich erschrocken zum Eingang, während Shiro sich nicht ablenken ließ und den Anblick von Lilth panischen Augen genoss.

„Nami?!“, fragte Deeon laut.

Sofort hielt Shiro inne. Starr blickte er zum Tor auf und erkannte Nami dort stehen. Sie hatte ihren Flügel ausgebreitet und Federn flogen durch den Saal. Sie schien aufgebracht und starrte zu Shiro herüber. An ihren Armen klebte Blut. Und als Shiro die Seelenkugel in ihrer Hand erkannte, gefror sein Blut. Sein Herz begann zu rasen, denn es war seine Seele und er wusste nicht, was das zu bedeuten hatte.

Während seine Aufmerksamkeit nicht mehr auf Lilith gerichtet war, ergriff diese ihre Chance. Sie schlug ihm sofort den Dolch aus der Hand, griff seinen Arm, zog ihn zu sich und trat ihn mit ihrem Fuß über sich hinweg. „NAMI!“, schrie sie laut.

Shiro wurde mit gewaltiger Kraft weggeschleudert und prallte in die Trümmer der zerstörten Statue.

Deeon blickte erstarrt zwischen Nami und Lilith her. Denn Nami rannte sofort besorgt auf Lilith zu und kniete sich zu ihr. „Lilith! Aber.. aber.. wie kann das..“, fragte sie ängstlich doch versuchte Ruhe zu bewahren. Lilith saß am Boden und versuchte sich aufzurichten. „Schnell. Heil mich. Sofort.“, befahl sie ihr jedoch und deutete auf ihre Wunden. Nami nickte. „Ja! Ich beeil mich. Und dann.. wird alles nach Plan verlaufen..“ Schnell legte sie eine Hand auf ihren Bauch und fuhr langsam über ihren Körper. Unter ihrer Hand begann es hell zu leuchten. Ihre heilenden Kräfte waren stark. Denn schnell schloss sich die Wunde in Lilith Körper und auch ihre Schmerzen waren ausgelöscht.

Deeon konnte nur sprachlos zusehen, was geschah. Er stand wie gelähmt da und starrte auf Nami. „Aber.. Nami..“, dann wanderte sein Blick auf die Seele in ihrer Hand. „Yuki…“

„Sehr gut. Du kamst genau rechtzeitig!“, lobte Lilith Nami und stand sofort auf. Doch Nami sah kurz zu Deeon, bis ihr Blick zurückhaltend zu Deeon wanderte. „Aber Lilith.. ich dachte… du bist stärker…“, flüsterte sie ihr ängstlich zu. Ihre Augen waren weit und wirkten wahnsinnig. Doch erhobenem Hauptes lief Lilith an Nami vorbei und griff sich erfreut die Seele. „Endlich!“, sagte sie glücklich. „Das ist Teil eins! Jetzt fehlt nur noch der Rest!“, freute sie sich und blickte dann zu den Trümmern, in welchem Shiro lag. Bevor sie auf ihn zugehen konnte, hielt Nami sie jedoch an ihrer Hand. „Warte!“, stoppte sie Lilith. Als diese stehenblieb und sich ihr zuwandte, schluckte Nami zögerlich. „Und.. was.. ist mit unserer Vereinbarung?“, fragte sie mutig. Doch Lilith lächelte sie an und deutete auf das Schwert am Boden. „Das habe ich nicht vergessen. Du weißt was zu tun ist. Na los.“, erklärte sie und nickte ihr zu.

Nami schaute auf das Schwert. Lilith Blut war schon aufgelöst. Es war ein weißes, helles Schwert. Ein Schwert aus Engelstränen. Deeons Schwert. Das Schwert eines Engels.

Besorgt bückte sie sich zu der Waffe und hob sie auf.

„Was hat das zu bedeuten?!“, fragte Deeon wütend und blickte beide an. Er versuchte gegen den Käfig zu schlagen doch wurde von zischenden Blitzen zurückgehalten.

Lilith lachte. „Hahaha. Wonach sieht es denn aus?!“, stellte sie als Gegenfrage und hob die Seele in ihrer Hand. Gleichzeitig schaffte es auch Shiro aus den Trümmern und stellte sich wütend neben Deeon. „Was ist mit Yuki!?“, fragte er laut und ballte die Fäuste. Beide waren aufgebracht. Sie waren geschockt Nami auf der Seite von Lilith zu sehen. Sie waren verwirrt. Sie waren ahnungslos. Sie waren verängstigt.

„Nami.. erklär mir das..“, sprach Deeon leise. Doch Nami versuchte reuevoll ihren Blick von beiden abzuwenden. Sie legte ihren Arm um sich und sah zu Boden, als würde sie ihre Fragen nicht hören.

Shiros Herz begann zu rasen. Er wurde bleich. Er konnte seine Emotionen nicht mehr kontrollieren. „WAS IST MIT YUKI!?“, schrie er wutentbrannt. Ihm kamen die schlimmsten Gedanken. Er atmete immer schneller. Sein Puls raste. Seine Wut wurde immer größer. Seine Gelassenheit war vollkommen verschwunden.

„Sie ist tot!“, sagte Lilith grinsend und zeigte ihm die Seele in ihrer Hand. Diese Worte waren ein Stich in Shiros Herz. Er hielt die Luft an und riss die Augen auf. Sein Körper wurde starr. Seine Beine wurden schwach.

Doch Deeon schüttelte den Kopf. „Nein! Das glaube ich nicht!“, begegnete er ihr und starrte Nami hilflos an. Aber Lilith blickte grinsend über ihre Schulter. „Sag es ihnen.“, forderte sie Nami auf. Dann drehte sie sich wieder mit arroganter Miene nach vorn. „Sie hatte den Auftrag, mir die Seele zu bringen und dieses Menschenmädchen zu töten! Und wie ihr seht, war sie erfolgreich.“, schmunzelte sie und legte eine Hand zufrieden in ihre Hüfte.

Shiro traf der Schock so tief, dass er kreidebleich die Kraft in seinen Beinen verlor. Er fiel auf die Knie. Erschüttert von dem, was man ihm sagte, starrte er Nami an.

Ihre Arme waren voller Blut. Und diese Seele war ein Teil seiner Seele. Es war ausgeschlossen, dass mir nichts geschehen war. Sie hatte mir die Seele aus dem Körper gerissen. Sie hatte mir etwas angetan. Shiro dachte, sie hätte mich getötet.

„Nami!“, forderte Deeon sie nun auf.

Doch noch immer versuchte sie seinem Blick auszuweichen. „Sie.. ist tot…“, log sie zögerlich, nur um Lilith Worte zu bestätigen.

Deeon und Shiro waren entsetzt. Beiden raubte es die Sprache. Tausend Gedanken rasten Shiro durch den Kopf und doch konnte er keinen klaren Gedanken fassen. Er wehrte sich gegen den Gedanken, mich verloren zu haben doch schaffte es nicht seine Angst zu kontrollieren.

Sein Blick sank zu Boden. Seine Arme waren schlapp. Er hielt sich eine Hand vor die Augen. „Nein..“, sprach er leise. „Weil.. ich.. nicht bei ihr war..“, flüsterte er sich zu. „Weil ich.. zu schwach bin..“ Es war, als würde seine Welt in sich zusammen fallen. Als hätte man ihm das Fundament seines Lebens zerstört.

Nun hörten sie ein Lachen von Lilith. „Hahaha! Er hat es eingesehen. Naja. Einsicht kommt ja doch zum Schluss.“, grinste sie breit und hob schnippisch eine Augenbraue.

Deeon schloss die Augen und biss die Zähne zusammen. Er konnte nichts tun. Er war gefangen. Gefangen in diesem Käfig und gefangen in seiner Panik. Doch auch in diesem Moment, versuchte er bei Vernunft zu bleiben.

„Gebt ihr auf?“, fragte Lilith.

Deeon sah zu Shiro herab. Er kniete am Boden und war vollkommen entkräftet. „Steh auf.“, sprach Deeon ihm zu. „Du darfst nicht aufgeben!“

Doch Shiro reagierte nicht. Er blickte entgeistert herab und wusste nicht, woran er glauben sollte. Deeons Stimme wurde lauter. „Steh auf!“, schrie er. Denn er erkannte Lilith mit gemütlichen Schritten auf Shiro zulaufen. Sie kam näher und zog ihr Schwert. „ARKIN! STEH AUF!“, schrie er.

Shiro begann zu schluchzen. Er setzte sich auf und blickte mit tränenden Augen zu Deeon.

„Deeon.. ich.. kann nicht.“, sagte er ihm verzweifelt, während ihm eine Träne über die Wange glitt. Er wirkte so hilflos und schwach.

Dieser Anblick traf Deeon tief. Erschrocken kam es ihm vor, als würde etwas Schweres auf seiner Brust liegen. Als würde jemand ihm die Luft abschnüren. Doch Lilith kam ihnen näher. Sie war bereit, Shiro zu besiegen. Sie wollte Shiro töten.

Auch Deeon lief eine Träne über seine Wange, während er aber die Zähne zusammenbiss und seine Fäuste ballte. „Arkin. Du.. musst aufstehen. .. Und.. du musst Lilith besiegen. … Ich.. schwöre dir bei Gott. Wir werden Yuki retten.“, sprach er weiter. Seine Stimme wurde immer ernster. „Und wenn es bedeutet, dass ich mich gegen Gott persönlich stellen werde! Aber.. du musst jetzt aufstehen!! STEH AUF!“

Perplex sah Shiro auf seine Hände. „Yuki…“, flüsterte er sich zu. „Ich hätte…“, begann er zu sprechen und blickte langsam auf. Sein Blick wurde immer wütender. Sein Starren war auf Nami gerichtet. „Ich hätte.. DICH VIEL FRÜHER TÖTEN SOLLEN!“, schrie er laut und sprang wutentbrannt auf. Plötzlich begann er an Lilith vorbei zu rennen. Er rannte so schnell, dass Lilith nur einen Windhauch an sich vorbeiwehen spürte. Sie blieb erschrocken stehen, als der Sand neben ihr aufgewirbelt wurde.

Shiro schien wie ein Berserker zu sein. Er erkannte nur noch Hass und Wut. Er wollte nur noch töten und auslöschen. Sein Blick war nicht kalt oder emotionslos wie gewohnt, wenn er kämpfte. Sondern voll verbitterter Zorn und erbarmungslose Rachsucht.

Er schrie laut, während er versuchte Nami zu attackieren. Er hatte seinen Dolch ergriffen und sprang mit einem mörderisch kräftigen Angriff auf Nami zu. „TEHHA!!“ Doch schnell genug sprang Lilith zu ihr und riss sie mit sich. Sie zog sie beiseite und rettete sie vor Shiros Angriff. „KYA!“, Nami kreischte, als sie in rasender Geschwindigkeit zur Seite gerissen wurde und sich plötzlich mit Lilith am Boden liegend wiederfand. Sie riss die Augen auf und sah zu Lilith, die sofort aufstand und sich Shiro zuwandte. „Lilith.. du.. hast mich.. gerettet.“, stotterte sie. Aber Lilith hob ernst die Hand. „Geh und kümmer dich um den Engel! Beeil dich!“, schrie sie und ließ ihr Schwert in ihrer Hand erscheinen.

Shiros nächster Angriff war ebenfalls auf Nami gerichtet, doch Lilith stellte sich ihm in den Weg und wehrte ihn ab. Sie Klingen trafen aufeinander. Shiros Kraft war so stark, dass er sie langsam herabdrückte. „Aus dem Weg.“, drohte er ihr. Doch sie drückte sich gegen ihn. Schnell konnte sie seiner Stärke nicht standhalten, ließ ihr Schwert sinken und wich zur Seite aus.

Nami stand starr dort und blickte zu ihnen. „Lilith..“, flüsterte sie, gerührt von ihrer Hilfe.

„MACH JETZT!“, befahl Lilith aber strickt und versuchte Shiro weiterhin von ihr fernzuhalten indem sie sich vor ihn stellte.

Shiro sah sie hasserfüllt an. „Ich werde euch beide töten.“ Doch Lilith erwiderte mit einem Grinsen. „Versuch es!“

Schließlich ging der Kampf zwischen ihnen rasant weiter.

Nami blinzelte verdattert und schüttelte den Kopf um sich zu besinnen. Dann rannte sie schnell mit dem Schwert zu Deeon.

Er erkannte ihren verrückten Blick und ihre befremdliche Art. Als sie vor ihm trat, sah er nachdenklich zu ihr herab. „Nami.. warum? Erklär es mir.“, fragte er sie ruhig. Doch noch immer konnte sie ihm nicht in die Augen sehen.

Sie blickte weg und nahm das Schwert in die Hand. „Ich.. ich werde alles wieder gut machen!“, stammelte sie. „Ich.. werde zum Engel.. Deeon.. ich.. muss dich töten. Deeon. Dann werde ich zum vollständigen Engel!“, langsam sah sie zu ihm auf. Aus ihren Augen kullerten Tränen. „Ich will kein Monster mehr sein. Zwischen Mensch und Engel. Ich will so nicht mehr leben.“

„Mein Tod macht dich nicht zum Engel, Nami.“

Geschockt runzelte sie die Stirn und schüttelte den Kopf. „Doch.. Nein. Du hast Unrecht. Lilith hat gesagt..-“

„Lilith benutzt dich nur..“, versuchte Deeon sie zu besänftigen. Aber Nami trat wütend mit dem Fuß auf und hob das Schwert. „NEIN! Tut sie nicht! Sie hilft mir.. DU hast mich immer benutzt!“, schrie sie.

Deeon sah sie aufmerksam an und hielt inne. Nun richtete sie das Schwert auf ihn und hielt es ihm langsam vor die Brust. „Du.. hast mich zu dem gemacht… und hast mich benutzt. Mich dieses Leben spielen lassen… Du hast keine Ahnung! Lilith war bereit mir zu helfen!“, weinte sie doch zögerte zuzustechen.

„Aber ich habe dich nie belogen..“, sprach er ihr leise zu. Nami hatte das Schwert in ihren Händen. Sie wollte es tun! Sie musste es tun! Doch sie konnte nicht.

Sie biss die Zähne aufeinander. Deeon bemerkte ihre Angst. „Es tut mir leid.. wenn ich dich benutzt haben sollte.,,“, begann er nun. Nami blickte erschrocken auf. „Nami, ich wollte nie, dass du dich wie eine Marionette fühlst. Ich wollte dir nur ein besseres Leben geben und Yuki beschützen.. Es tut mir leid.“, sagte er mit sanfter Stimme. Dann legte er seine Hand an sein Schwert und fasste die Klinge. „Ich verstehe deinen Kummer. Aber.. ich kann jetzt nicht zulassen, dass ich auch noch meinen Bruder im Stich lasse.“, sagte er und drückte das Schwert von sich.

Entsetzt griff Nami den Schaft fester, „Was? Nein!“, und versuchte die Klinge noch stärker in Deeons Richtung zu halten. Mit einer leicht aussehenden Bewegung drehte er das Schwert aber von sich weg. Dann fasste er die Klinge stärker. Schließlich riss er es ihr aus den Händen und warf es von sich weg.

Nami sah dem Schwert zitternd hinterher, wie es auf dem Boden aufschlug und gab sich kampflos geschlagen.

„Nami. Du musst das nicht tun. Bitte hilf mir. Hol mich hier raus.“, bat er sie leise.

„Ich.. soll dir… helfen?“

Im Hintergrund kämpften Shiro und Lilith weiter. Lilith versuchte ihn weiterhin von Nami fernzuhalten. Er versuchte Lilith nicht zu besiegen, sondern nur so weit von sich abzuhalten, um Nami anzugreifen.

„Ignorier mich nicht!“, maulte Lilith laut und griff ihm an die Schulter, als er wieder versuchte an ihr vorbei zu rennen. Schnell drehte Shiro sich aber um, ging in die Knie und trat ihr die Beine weg.

Lilith fiel. Noch bevor sie den Boden erreicht hatte, war sie von Shiros Kraft erschüttert. – Das.. kann nicht sein. Wie kann er so stark sein? – Schließlich krachte sie zu Boden und hielt sich schmerzhaft ihre Schulter. „Du…!“, doch als sie aufblickte, erkannte sie wie Shiro bereits auf Nami zu rannte und biss die Zähne zusammen. „Verdammt…“

Nami sprach noch mit Deeon, unwissend was sie erwartete. Sie zögerte und blickte zu Boden. „Ich.. weiß nicht..“

„Du besitzt Fähigkeiten eines Engels. Nami. Und wenn du mir hilfst, werde ich wieder gutmachen, was dich so belastet. Ich werde dir helfen, dass du mit deiner Kraft leben kannst. Ich bin schließlich auch kein ganzer Engel mehr. Denn.. du bist schließlich auch ein Teil von mir.“, sprach Deeon ihr sanft zu.

Zerrissen von ihren Gefühlen, begann sie zu wimmern. „Aber.. ich dachte.. Ich.. ich.. fühlte mich immer so alleine..“

„Hätte ich das gewusst.. es ist meine Schuld. Ich hätte mich viel mehr um dich kümmern müssen. Bitte... verzeih mir..“

Nami ließ die Hände sinken. „Ich.. werde- WAA!“, doch plötzlich kam Shiro auf sie zugerannt. Er packte sie am Hals und schlug sie gegen die nächste Mauer. Sie verschwanden im aufgewirbelten Sand. Dort wo Namis Kopf aufschlug, riss die Wand und Steinstücke krachten neben ihnen herab. Benommen versuchte Nami sich zu orientieren. Blut tropfte an ihrer Schläfe herunter. Sie fasste Shiros Arm und rang panisch nach Luft.

Shiro hielt sie hoch und drückte seine Hand fester zu. „Wie.. konntest du..“ Er packte sie brutal und schlug sie erneut gegen die Wand. „WIE KONNTEST DU!?“

Nami haute panisch um sich. Sie hatte keine Kraft zu reden. Sie hatte keine Kraft sich zu wehren. Nur die Tränen flossen über ihre Wangen.

Shiro biss die Zähne zusammen. „Heulen bringt dir nichts mehr.“, drohte er ihr. „Ich.. werde.. dich leiden lassen.“, flüsterte er ihr wutentbrannt zu. „Ich frage mich.. ob du sterben kannst.“

Als sie seinen Dolch sah, versuchte sie sich noch panischer zu befreien. Sie trampelte gegen die Wand und wollte ihn mit ihren Händen wegdrücken. Doch er nahm die Klinge seines Dolches und drückte diese ganz langsam in ihre Schulter. Grausam begann sie zu schreien. Sie begann zu kreischen und vor Schmerzen zu weinen.

Währenddessen richtete Lilith sich langsam auf. Nachdem der Sand sich legte, konnte sie den qualvollen Schreien nachsehen. Wütend stellte sie sich auf und schaute zwischen Shiro, der Nami quälte, und Deeon, der wehrlos im Käfig stand, her. „Na gut..“, sagte sie und begann ihre Hände aufeinander zu pressen. „Wenn du meinem Engel schadest, werde ich deinem Engel schaden.“, fluchte sie leise und schloss konzentriert die Augen.

Shiro zog seinen Dolch zurück und kam ihr nahe. „Wie.. konntest du..“, sagte er wieder. Doch es war nur Namis schwaches Wimmern zu hören. Sie schloss die Augen und winselte.

„Sie hat dir vertraut!“, schrie er sie an und schlug ihr seinen Dolch in den Arm. Doch ihr Kreischen wurde leiser. Ihr Wimmern wurde zarter. Denn sie verlor langsam ihr Bewusstsein. Blut floss aus ihren Wunden. Ihre Augen verdrehten sich. „Keine Sorge. Wenn du jetzt schläfst, wachst du nie wieder auf.“, kam es zuletzt von Shiro, der ihren Hals noch fester zudrückte und seine Waffe rabiat aus ihrem Arm zog.

„ARKIN!“, hörte er plötzlich Deeon hinter sich schreien. Ohne Nami loszulassen drehte er sich um. Er erkannte Deeon, dessen Arme von Schattenketten gefesselt waren die ihn zu Boden zogen, statt des Käfigs, der ihn vorher noch einsperrte. Doch das war nicht der Grund seiner Warnung. Denn Lilith rannte auf Shiro zu und sprang ihm mit ihrem Schattenschwert entgegen. Schnell versuchte er nach hinten auszuweichen. Dabei ließ er Nami zu Boden fallen doch wurde leicht von der Klinge an seiner Brust getroffen.

Lilith hatte geahnt, dass Shiro ausweichen würde. Im gleichen Schlag, benutzte sie den Schwung ihres Angriffes, um sich seinen Arm zu greifen. Sie klaute ihm den Dolch aus der Hand, drehte sich und trat ihm voller Kraft in die Seite. Mit einem gewaltigen Tritt wurde er an das andere Ende der Halle geschleudert.

Dann drehte sie sich um. „Nami!“, rief sie besorgt und kniete sich neben sie. Ihre Wunden waren tief und das Blut floss an ihrem Körper herunter. Etwas angewidert von ihrer schwächlichen, verwundeten Erscheinung verzog sie kurz ihr Gesicht, bevor sie ihre Hände vertraut auf ihre Wunden legte.

„Lilith..?“, fragte Nami leise, als sie versuchte wach zu bleiben. Sie saß kraftlos an der Wand und wirkte wirr und benommen. Ein dunkler Nebel begann sich unter Lilith Händen zu sammeln welcher ihren Handflächen entwich und in Namis Wunden drang.

„Das wird deinen Schmerz für einen Moment lindern.“, erklärte Lilith ihr und stand wieder auf. Sie blickte zu ihr herab. Dann nahm sie den Dolch, den sie Shiro aus den Händen entrissen hatte, drückte sich diesen in ihre Hand und schnitt sich mit einer schnellen Bewegung in die Haut. „Komm. Du weißt was zu tun ist.“ Meinte sie und reichte ihr die blutende Hand.

„Lilith..“, wiederholte Nami, nur dieses Mal zögerlicher. Sie wusste nicht, ob sie ihr nun vertrauen oder Deeon helfen sollte. Ihr fiel es schwer, sich sofort für eine Seite entscheiden zu müssen. Doch verblendet von ihren Ängsten vor Shiro nahm sie ihre Hilfe an. Sie legte ihre Hand in Lilith und ließ sich aufhelfen. Schließlich drehte Lilith sich um, hielt ihre Hand fest und lief mit ihr zusammen weiter. Nami folgte ihr sprachlos und sah ängstlich um sich. Sie erkannte Deeon, der versuchte sich mit aller Kraft gegen die Ketten zu wehren die ihn auf den Boden zerrten. Doch er konnte nicht gegen die Kraft der Ketten ankommen, die ihn fesselten.

Als sie ihm nun gegenüber standen, blickte Deeon zähneknirschend auf. „Nami!“

Doch Lilith packte ihre Schultern und drehte sie zu sich. „Du weißt, was du zutun hast.“, sprach sie erneut mit ernster Stimme und überreichte ihr den Dolch. Wortlos sah Nami auf die Waffe herab. Sie zögerte.

„Nimm den Dolch. Nami. Nur wenn du es tust, werde ich dir helfen können.“, erklärte Lilith mit leiser Stimme. Erschrocken blickte Nami wieder auf. „Aber…“,

„Lilith! Lass sie in Ruhe!“, kam es angespannt von Deeon. Die Ketten zogen ihn weiter zu Boden. Er verlor die Kraft und fiel auf die Knie. Immer wieder versuchte er seine Arme zu heben um Nami aufrecht anzusehen.

Gedankenlos stand sie nur da und zitterte. Ihre Augen waren leer. Ihre Stimme war leise. Ihr Blick wanderte von Deeon langsam wieder auf den Dolch.

Lilith drückte ihr diesen in die Hände, sodass sie ihn unfreiwillig an sich nahm. Dann stellte Lilith sich nahe hinter sie und flüsterte ihr zu. „Nami. Wir haben uns doch etwas versprochen oder?“, fragte sie mit gespielter freundlicher Stimme.

Zitternd hielt Nami den Dolch vor sich, die Spitze auf Deeon gerichtet und nickte ihr zu. „J..ja.. aber… Deeon..“

„Deeon hat dich nur benutzt. Das hast du mir selber gesagt. Ich werde dich anders behandeln. Alle werden dich anders behandeln.“, flüsterte sie ihr ins Ohr. Dabei lief sie mit Nami einige Schritte vor. Tränen kullerten über Namis Wangen, während sie Deeon immer näher kam.

Deeon versuchte sich weiter zu wehren. Er zog sich nach links und rechts. Er biss die Zähne zusammen und versuchte sich wieder aufzustellen. Der Dolch kam ihm gefährlich nahe. Es war nur ein Stich nötig. Ein Stich mit der Waffe eines Engels, geführt von einem Engel, um sein Leben sofort zu beenden. Ein kleiner Moment, mit schrecklichen Auswirkungen.

„Damit.. kommst du nicht durch Lilith.“, grummelte Deeon wütend und versuchte sich nach hinten zu lehnen.

Lilith zog erst eine Augenbraue genervt hoch. Dann grinste sie verspielt. „Ich denke schon.“, nickte sie ihm zu und legte eine Hand auf Namis Rücken. „Komm, ich werde dir helfen!“, sagte sie laut und drückte Nami mit dem Dolch gegen Deeon.

Deeon schloss verbissen die Augen und hielt sie Luft an. Namis Herz raste immer schneller. Sie riss ihre Augen starr auf, als sie Deeon berührte. Sie blickte entgeistert auf ihre Hände. Ihr Blut gefror. Auch Deeon schaute entsetzt an sich herab. Doch erkannte nur Namis leeren Hände. Der Dolch war verschwunden. Er hatte ihn nicht getroffen.

„Denkst du, ich bin so dämlich?“, hörte man Shiro aus der Ferne sprechen. Langsam lief er auf sie zu. In seiner Hand hielt er seinen Dolch, den er zurück gerufen hatte. Er wusste, dass er seinen Dolch jederzeit aus ihren Händen entreißen konnte. Somit hatte er nur die Zeit bis zum allerletzten Moment heraus gezögert, um seine Kräfte zu sammeln.

„Arkin..“, lächelte Deeon erleichtert und sah zu ihm auf.

Doch Lilith grinste ihn über Nami hinweg an. Dieses Grinsen ließ Shiro schockiert erstarren.

„Ja. Denke ich.“, antwortete sie ihm und hob ihre verwundete, noch blutende Hand. Dann schnipste sie mit ihrem Finger.

Shiro schreckte auf. Egal was Lilith vor hatte. Sie war sich sicher, dass sie gewinnen würde. Und das verunsicherte ihn.

Es war, als würde die Zeit stehen bleiben.

Sofort begann er zu rennen. Er konnte nicht zulassen, dass sie Deeon verletzten. Er konnte nicht zulassen, dass sie Deeon töteten. Er konnte seinen Bruder nicht im Stich lassen. Er musste ihm helfen. Nur wegen seiner Überheblichkeit, hatte er sich und Deeon in Gefahr gebracht. Nur weil er nicht umsichtig genug war, weil er zu langsam war, weil er zu schwach war in seinem Gedanken, nicht verlieren zu können, hatte er Deeons Leben gefährdet.

Noch immer stand Nami wie eingefroren vor Deeon, ihre Hände noch immer auf seine Brust gedrückt. In Namis leeren Händen, begann schwarzer Nebel aufzusteigen. Es kam von Lilith Blut, welches in ihren Handflächen klebte. Aus dem Nebel tauchte ein weiterer Dolch auf, dessen Griff zwischen Namis zitternden Händen gehalten wurde und dessen Klinge in Deeons Brust stach.

Deeon blieb die Luft weg. Mit weit aufgerissenen Augen, blickte er Shiro an.

Nami schreckte auf. „Was..?!“, denn auch sie wunderte sich über den neuen Dolch in ihren Händen. Perplex zog sie die Klinge heraus und ging verängstigt einen Schritt zurück. Blut tropfte von der Klinge, als sie den Dolch verängstigt hochhielt.

Deeon hielt erschrocken die Luft an. Seine Brust begann zu bluten. Schmerzerfüllt verzog er sein Gesicht und sah an sich herunter.

In diesem Moment hielt Shiro panisch inne und blieb stehen.

Mit aufgerissenen Augen erkannte er, wie Nami einen zweiten Dolch in ihren Händen hielt. Die Klinge war ebenfalls aus Engelstränen gefertigt. Ein heller, silberner, beinahe weiß schimmernder Dolch. Kleine Risse zierten ihn. Denn er war zerbrochen und wurde wieder zusammengeschmiedet. Es war der Dolch, den er glaubte verloren zu haben. Der zweite Dolch, den er damals bei seinem Kampf gegen Deeon zerstörte. Sein eigener Dolch, der zersplittert war.

„DEEOON!“

Shiro war außer sich. Sein Gesicht wurde bleich. Seine Augen waren weit. Sein Herz raste. Ein Moment, der jede Sekunde in die Unendlichkeit ausdehnte. Seine Arme begannen zu zittern, seine Beine wurden schwach während er auf Deeon zustürmte.

Schnell griff Lilith Namis Hand und sprang mit ihr grinsend in Sicherheit.

Shiro starrte verstört zu Deeon. Ihre Blicke trafen sich für einen kurzen Augenblick. Nur dumpf hörte er Deeons Stimme sprechen. „Arkin…“ Bis dieser seine Kraft verlor und zusammenbrach.

„Deeon! Nein! Deeon!“, wiederholte Shiro immer wieder. Er rutschte über den Boden und kniete sich neben seinen verwundeten Freund. „Deeon! Nein.. nein.. Ich.. was.. soll ich tun..?! Deeon!“, begann er panisch zu stottern.

Deeon lag am Boden. Sein Schmerz lähmte ihn. Die Wunde in seiner Brust begann in einem warmen, gelben Licht zu pulsieren. Schnell legte Shiro seine Hand auf diese und versuchte sie zu heilen. „Das.. darf nicht sein. Deeon. Was muss ich tun?! Deeon?!“, fragte er und blickte ständig an ihm auf und ab. Er versuchte ihn weiter zu heilen und sah aufgelöst zu ihm hinunter.

„Arkin..“, hustete Deeon leise und rang schmerzhaft nach Luft. Dann legte er seine Hand langsam auf Shiros.

„Deeon. Du musst mir sagen was ich tun soll. Ich.. ich weiß es nicht.“, zitterte seine Stimme. „Mein Wissen.. habe ich doch nur von dir.“

Den Tränen nahe, lehnte Shiro sich über ihn und legte verzweifelt auch seine andere Hand auf seine Wunde. Deeon griff seine Hand und drückte sie fester. „Arkin..du.. weißt es doch.. du kannst nichts.. tun..-“

„NEIN! Scheiße! Nein! Ich muss etwas tun! Irgendetwas! Deeon! Du.. darfst nicht…-“ Shiros Stimme wurde immer leiser. „Du.. darfst mich nicht alleine lassen..“, flehte er. „Ich.. brauche dich doch..“

Auch Deeon verspürte Angst. Sein Körper wurde schwach. Er lag auf seinem Flügel, welchen er ebenfalls nicht mehr bewegen konnte. Seine letzte Kraft steckte er in seine Hand, um zuletzt Shiro beiseite zu stehen.

Er blickte zu ihm auf. Eine Träne tropfte auf seine Wange, als Shiro zu schluchzen begann. Trotz seiner Angst, seiner Hilflosigkeit und diesem Schmerz, legte sich ein beruhigtes Lächeln auf Deeons Mundwinkeln. „Ich.. bin stolz auf dich..“, flüsterte er ihm zu.

Shiro biss die Zähne zusammen. Er begann zu weinen. „Hör damit auf! Sag mir, was ich tun soll!“, bat er ihn inständig. Shiros Körper zitterte. Sein Magen schmerzte. Sein Kopf konnte nicht klar denken. Denn auch er wusste bereits die Wahrheit, die er nicht glauben wollte.

Es reichte ein Stich mit einer Engelswaffe aus, um das Leben eines Engels sofort zu beenden.

„Deeon.. ich.. will das nicht..“, winselte er leise. Tränen füllten seine Augen und machten ihn hilflos. „Ich.. kann das nicht..“, sprach er weiter. Dann legte er Deeons Hand zwischen seine und drückte sie zitternd.

Langsam begann Deeons Körper hell zu leuchten. Shiro riss angsterfüllt die Augen auf. „Was?! Nein! Deeon!“ Er sah panisch an ihm herab. Das Leuchten seines Körpers wurde immer wärmer.

„Es tut mir leid..“, flüsterte Deeon.

Shiros Herz blieb stehen. Sein Magen zog sich zusammen. Denn schließlich begann Deeons Körper sich in warme, leuchtende Kugeln aufzulösen. „Deeon! Deeon… lass mich nicht allein...“

„Bleib stark.. Arkin.“, lächelte Deeon ihm jedoch zu. Sein Körper wurde immer leichter. Die Ketten an seinen Armen fielen klirrend zu Boden. Shiros Hand konnte die seine nicht mehr umklammern und das sanfte Leuchten begann in die Luft zu steigen.

Deeon wirkte beruhigt als er müde seine Augen schloss. Ein seichter Luftstoß wehte wenige seiner weißen Engelsfedern um ihn, als sein Körper zum Schluss hell erstrahlte und Shiro alleine zurückließ.

Dann war es still.

Zusammengekauert hockte Shiro am Boden. Einsam weinte er und legte seine Hände fassungslos an die Stelle, an welcher Deeon gelegen hatte. Er winselte. Seine Augen waren Seelenlos. Sein Kummer verstummte seine Stimme. Tränen tropften auf den Boden und verdunkelten den hellen Sand.

Widerstandslos saß er dort und war gelähmt. Zu tief war der Schmerz, den er erleiden musste. Zu schmerzhaft waren die Verluste, die er nicht verkraften konnte. Sein Körper war reglos und starr. Letztendlich hatte er aufgegeben und ließ den Kopf sinken.

Nach einer Weile waren langsame Schritte zu hören. Lilith stellte sich neben Shiro und sah zu den langsam aufsteigenden Lichtkugeln auf. Eitel blickte sie eine Kugel an und zerstach sie mit ihrem Finger wie eine Seifenblase. „Hmh..“, dann sah sie neben sich auf Shiro herab. „So will ich es sehen.“, schmunzelte sie und ließ ihr Schattenschwert in ihrer Hand erscheinen. Sie grinste breit und Hob ihre Waffe. Dann richtete sie diese auf Shiro herab und stach ihm die Klinge durch den Körper.

Die Hoffnung

Es war leise. Die Luft stand still. Der Himmel war in einem schwachen, dunklen Blau getränkt, während vereinzelte weiße Sterne herab funkelten um dem Auge einen Weg zum Horizont zu ebnen. Makelloses Schweigen. Weder der Wind noch die Natur verursachten ein Geräusch.

Still saß sie da und ließ ihre Beine von dem Balkon herunter hängen. Ihren Kopf lehnte sie auf ihre Arme, welche sie zwischen die Sprossen des Geländers gelegt hatte. Ihre Fuchsohren hingen besorgt herab und ihr Fuchsschwanz lag reglos hinter ihr.

Kitsune starrte gedankenverloren in die Dunkelheit. Ihre Augen waren gefüllt mit Sorgen und Ängsten. Beinahe reglos saß sie dort zusammengekauert, wäre nicht ihr seichtes Atmen da, welches ihren Brustkorb leicht auf und ab bewegte.

Erst als ein leichtes, rot gelbes Leuchten am Horizont erschien und in ihren Augen reflektierte, blickte sie schwach blinzelnd auf. Ihre Knochen erschienen schwer. Das warme Licht weckte ihren Körper. Doch äußerte sich ihr Aufwachen nur in einem leisen Seufzen, während ihre Augen anstelle der Dunkelheit nun das langsame Aufgehen der Sonne betrachteten.

„Kitsune!“, hörte sie nun hinter sich. Ihr Bruder öffnete die Tür zum Balkon. Ohne sich umzudrehen reagierte sie nur mit einem gelangweilten. „Hmh?“

„Da bist du ja! Warst du die ganze Nacht hier?“, fragte Kisho besorgt und trat zu ihr. Doch sie wich seinem Blick aus und sah von ihm weg. „Ich.. konnte nicht schlafen..“, antwortete sie leise.

Kisho aber hockte sich neben sie und legte seine Hand brüderlich auf ihren Kopf und tätschelte diesen. „Mach dir keine Sorgen. Sie werden wieder kommen.“, lächelte er liebevoll und versuchte sie zu beruhigen. „Vielleicht sind sie ja gar nicht bei Lilith. Vielleicht… also.. vielleicht… trainieren sie ja nur irgendwo.. oder holen noch etwas! Oder.. ehm..“, Kisho gingen die Ideen aus. Er versuchte sie erfolglos aufzumuntern.

Kitsune regte sich noch immer nicht. Er kratzte sich an seiner Wange und dachte nach. „Naja. Oder sie hassen dich einfach und konnten es nicht mehr mit dir hier aushalten!“, grinste er frech und blickte sie erwartungsvoll an.

Es dauerte einen Moment, doch langsam drehte sie ihren genervten Blick in die Richtung ihres Bruders. „Das war gemein..“, nuschelte sie leise und sah ihm in die Augen. Kurz erschrak sie sich bei seinem Anblick. Dann sah sie nachdenklich herab und hob ihre Beine zu sich. „Du.. siehst aber auch nicht aus, als hättest du die Nacht geschlafen.“, begegnete sie ihm mürrisch.

Kisho runzelte die Stirn. Augenringe waren deutlich unter seinen müden Augen zu erkennen. Seine Haare schienen etwas zerzaust und doch versuchte er sie mit einem herzlichen Lächeln zu beruhigen. „Ach.. da hast du mich wohl erwischt.“, lachte er und streifte sich durch die Haare. Dann setzte er sich neben seine Schwester und lehnte sich zurück auf seine Arme. „Es kann sein, dass ich mir auch ein paar Gedanken mache.“, sagte er und blickte der aufgehenden Sonne entgegen. Dann schloss er die Augen und genoss die sanfte Wärme zwischen der erfrischenden Luft.

Mit einem Auge schaute er heimlich zu ihr herüber. Nicht nur unser Verschwinden, sondern auch das Wohlergehen seiner Schwester bereiteten ihm Sorgen.

Sie hatte ihren Blick zum Boden gerichtet und streichelte besorgt das Fell ihres Fuchsschwanzes. Sie wirkte müde und erschöpft.

„Kisho..“, begann sie leise.

„Ja?“

„Glaubst du.. Glaubst du.. dass..“, sprach sie weiter doch begann zu stottern. Aufmerksam richtete er sich zu ihr. Er erkannte ihre nervöse Hand, die besorgt über ihr Fell streifte. Er sah ihre Tränen in den Augen, obwohl sie von ihm weg blickte. Und er hörte ihre Angst, an dem Klang ihrer Stimme. Er konnte nicht mit ansehen, wie sie sich quälte, ihre Sorgen auszusprechen. Also rutschte er etwas zu ihr und nahm sie ihn seine Arme. „Ich glaube, dass sie bald wieder hier sein werden. Und wir uns gar keine Sorgen machen müssen.“, flüsterte er ihr zu und setzte sie vorsichtig auf seinen Schoß.

Tapfer schniefte sie, wischte über ihre Augen und drückte sich an seine Brust, ohne eine Träne zu verlieren. „Wirklich?“

Er legte seine Arme vorsichtig um sie und blickte zum erhellten Horizont. „Ich.. hoffe es..“, antwortete er. Seine Schwester umarmend legte er sich langsam auf seinen Rücken und schaute in den von Nacht und Tag vermischten Himmel, bis er schließlich mit Kitsune in seinen Armen Ruhe fand und sofort einschlief.
 

Nach einer Weile wurde Kishos Schlaf von einem immer wiederkehrenden Geräusch gestört. Es war weder das Rascheln der Bäume im Garten, das mit dem Erwachen des Windes begann. Es war auch nicht das Zwitschern der Vögel mit dem Tagesanbruch, dessen sanfte Töne seinen Schlaf sogar nur vertieften.

Noch verschlafen blinzelte er leicht und erkannte Kitsune neben sich. Ihr Kopf lag auf seinem Arm und sie schlief. Von ihr konnte dieses Geräusch nicht kommen.

Benommen vom Schlaf wollte er die Augen wieder schließen. Doch plötzlich hörte er es wieder.

„Kisho! Kitsune!“

Sofort riss er die Augen auf und setzte sich hin. Dabei ließ er Kitsunes Kopf unsanft von seinem Arm fallen, die vom Schmerz erschreckte und erwachte. „Aua..“, säuselte sie müde und legte sich einfach wieder hin.

„Hast du das gehört?!“, fragte Kisho jedoch aufmerksam und spitzte seine Ohren. Es war bereits mitten am Tag. Sie hatten nur einige Stunden dort gelegen. Kisho ignorierend, legte Kitsune ihren Fuchsschwanz über sich und schlief weiter.

Kisho stand auf und sah sich um. „Ich.. habe unsere Namen gehört. Ganz leise.“, sagte er zu sich selbst. „War das Yuki?“, fragte er und blickte in den Garten herab. Doch es war niemand zu sehen. Er beugte sich über das Geländer, um am Haus vorbei zu schauen. Doch auch dort war niemand.

„Kisho! Kitsune! Kazumi!“

„Da!“, sagte er wieder aufgebracht und wurde starr. Versuchte sein Kopf ihm nur einen Streich zu spielen? War er noch zu müde? Oder schlief er etwa noch?

Er blickte sich ernst um. Er war sich sicher seinen Namen gehört zu haben. Es klang wie ein leiser Hilferuf.

Doch er konnte nicht über den Zaun und den hohen Bäumen hinweg schauen, die um das Haus herum standen. Also ballte er die Faust, kletterte auf das Geländer und sprang auf das geschwungene Dach. „Ist das wirklich Yuki?!“, fragte er leise und kletterte rasch auf den Balken in der Mitte des Daches. Er rutschte etwas von den Ziegeln herunter, aber hatte sich schnell wieder gefangen. Oben angekommen blickte er vom höchsten Punkt in die Stadt hinab. „Yuki?“, fragte er sich wieder und blickte umher.

Er sah die Dämonen durch die Stadt laufen. Er erkannte von dort sogar den Marktplatz und die einzelnen kleinen Seitengassen. Seine Ohren und Augen waren wachsam. Und dann hörte er es wieder.

„Kisho!... Kitsune…“

Direkt drehte er sich zu seiner Rechten. Von dort hörte er seinen Namen rufen. Er schaute dem Klang hinterher. Und endlich hatte er gefunden, wonach er suchte.

Kisho wirkte erleichtert, als er endlich einen braunhaarigen Kopf in den Seitengassen herumstreunen sah. Erfreut lächelte er als er mich durch die Gassen laufen sah.
 

„Das gibt es nicht! Das war hier doch irgendwo!“, moserte ich leise. „Kisho! Kitsune!! Oder Kazumi! Hört mich einer? … Das Haus kann doch nicht zu übersehen sein! Ich fühle mich hier wie in einem Labyrinth! Und ich glaube auch nicht, dass Kitsune und Kisho mich überhaupt hören…“

Ich war durch die Stadt geschlichen und hatte mich definitiv verlaufen. Als offensichtlicher Mensch, wollte ich nicht über den, mit Dämonen gefüllten Marktplatz spazieren. Daher versuchte ich Kitsunes Haus über die ruhigen Gassen zu finden. Dies stellte sich jedoch schwerer heraus, als ich zuerst dachte.

Das kleine Irrlicht, welches mich hier her brachte, flatterte grinsend vor mich und kicherte. Ich begegnete ihr jedoch nur mit einer grimmigen Miene. „Kicher nicht so. Ich verstehe ja irgendwie, dass du das Portal nur vor der Stadt platzieren konntest, weil Atropos nicht will, dass man dich sofort sieht.“, begann ich zu motzen und blieb stehen. „Aber du könntest ja mal hoch fliegen und nachsehen, wo hier so ein ganz großes, hölzernes Haus ist! Das erkennst du sofort! Das sieht anders aus als alle anderen! Und dann zeigst du mir wo ich lang muss!“

Das kleine Irrlicht flog kichernd in die Luft und tanze Pirouetten. Dann flog es vor meine Augen und sah mich mit einem schrägen Blick an, während es ihre Hände hinter ihren Rücken legte.

„Hmh.. du verstehst anscheinend gar nicht, was ich meine… Ich glaube ich sollte dir auch gar nicht folgen! Ich weiß, was das letzte Mal passiert ist, als ich einem von euch gefolgt bin!“, sagte ich ihr ernst und hob den Finger. Doch das kleine Irrlicht kicherte wieder und tanzte um meinen Finger herum.

Bestürzt ließ ich den Kopf sinken. „Uff… Du hörst wohl nur auf Atropos… Hmh.. Na dann muss ich wohl weiter suchen!“, erklärte ich und legte meine Arme in meine Hüfte. Schließlich blickte ich mich kurz um.

Ich stand in einer Gasse zwischen zwei langen, weißen Häusern. Weiter hinten war eine kleine Kreuzung, auf welche ich zusteuerte. Geradeaus ging es zu einer steinigen Treppe. Wohin die anderen Wege führten, konnte ich noch nicht erkennen.

„Dann mal los!“, sagte ich laut und hob besorgt die Augenbrauen. „Ich hoffe nur, dass ich nicht wieder in Schwierigkeiten gerate.“

Mit dem Irrlicht zu sprechen half mir, meine Angst zu überwinden. Immerhin hatte ich mich in einer gefährlichen Welt verlaufen und könnte mich nicht einmal wehren, wenn es zu einem Treffen mit einem gefährlichen Dämon käme. Auch wenn das Irrlicht mich anscheinend nicht verstand oder wohl eher nicht verstehen wollte, fühlte ich mich nicht so einsam.

Als ich der Kreuzung näher kam, biss ich mir auf die Lippe. „Hmh.. Wo lang?“, fragte ich das Irrlicht. „Links, rechts oder die Treppe gerade- uuh?“

An der Kreuzung angekommen stieß ich plötzlich mit jemanden zusammen. „Uaah!“, ich prallte an dieser Person ab und wollte erschrocken zurückweichen. Doch dieser Mann griff meine Hände und zog mich an sich ran.

„Yuki!“, hörte ich Kisho erleichtert rufen. Er drückte mich an sich und umklammerte mich liebevoll.

„Kisho?“, fragte ich verblüfft und fand mich in seinen Armen wieder. Er wirkte aufgelöst aber erleichtert.

„Yuki. Wir haben uns Sorgen gemacht! Wo warst du denn so lange?“, begegnete Kisho mir und legte seine Hand behutsam auf meinen Kopf. Dann trat er einen Schritt zurück und hielt mich an meinen Schultern. „Und wo sind die anderen beiden?“, fragte er als nächstes und blickte an mir vorbei. „Ich sehe es nicht gerne wenn du alleine hier herum läufst. Immerhin…“.

Doch plötzlich hielt er inne. Er nahm die Hände zu sich und blickte mich erschrocken an. „Du.. bist.. ein Mensch! Yuki. Was ist mit deiner Seele?! Wieso erkenne ich jetzt, dass du ein Mensch bist?! Was ist passiert?!“

Ich verzog ertappt meinen Mund und kratzte mir die Schläfe. „Nun… um ehrlich zu sein. Wurde sie mir geklaut.“

„Geklaut?!“, fragte er noch aufgebrachter.

„Ja.. also… Kisho. Ich habe nicht viel Zeit!-“

„Wir sollten auch erst einmal hier weg.“, unterbrach er mich besorgt und sah sich kurz um. „Dich soll niemand entdecken.“

Bevor ich antworten konnte, fasste er sofort meine Hand und drehte sich um. „Komm. Hier geht es am schnellsten entlang.“, sagte er zuletzt und lief sofort los.

Ich lief ihm mit schnellen Schritten hinterher. Seine Hand umfasste dabei schützend meine. Es erinnerte mich ein wenig an meinen ersten Tag in der Dämonenwelt, als Kitsune meine Hand hielt und mit mir durch das Atrium lief.

Während wir uns durch die Stadt schlichen, achtete er darauf, dass er nicht zu schnell rannte, sodass ich Schritt halten konnte und achtete bei jeder Abbiegung darauf, dass wir niemandem begegneten. Es ging eine Treppe hinauf und schließlich ein paar Abbiegungen zwischen den Häusern weiter. Das kleine Irrlicht saß dabei durchgehend auf meiner Schulter und hielt sich sicher an meiner Kleidung fest.

Bevor wir um die Ecke liefen, blieb er jedes Mal stehen, um sich zu vergewissern, dass der Gang leer war. Er blieb stehen, hielt seinen Arm hinter sich um mich nicht loszulassen und blickte um die Ecke. Dabei erkannte ich seinen ernsten Blick und bemerkte, dass er sich sorgte.

Dies machte es meinem Gewissen nur noch schwerer, ihm zu erklären, was ich eigentlich vor hatte.
 

Bis wir an einem Hintertor des Gartens ankamen, schwieg er, doch hielt ununterbrochen meine Hand. „So. Da sind wir.“, flüsterte er endlich und sah zum kleinen, zugenagelten Tor. Es war etwas mit Pflanzen bewuchert und Bretter verriegelten es sicher.

„Da durch?“, fragte ich und zeigte skeptisch auf das, nur noch schwer erkennbare Tor.

„Nein. Da drüber.“, antwortete er und nahm mich plötzlich in seine Arme.

„Wha! Kisho!“, ich erschrak als ich den Halt unter meinen Füßen verlor. Verwundert biss ich die Zähne zusammen und blickte zu ihm auf. Meine Wangen erröteten, als ich seinen Körper so nahe spürte. Doch er nahm seine Aufgabe, mich in Sicherheit zu bringen ernst und sah zum Tor.

„Festhalten!“, erklärte er mir und griff mich etwas fester.

„Hmh!“, ich nickte ihm zu und legte meine Hände um seinen Hals.

Dann schaute er hinauf, nahm etwas Schwung aus den Beinen und sprang rasch mit einem hohen Sprung über die Barriere, in den Garten hinein.

Wir kamen sicher auf der anderen Seite an und standen noch abgeschottet hinter großen Büschen zwischen Zaun und Garten. Durch das Gestrüpp konnte ich den Garten mit der heißen Quelle erkennen und den bunten Blumen daneben.

Noch unbemerkt von den anderen, hielt Kisho mich noch immer in seinen Armen und beruhigte sich allmählich. Abgegrenzt von allem anderen, atmete er kurz auf. „Yuki…“, begann er leise zu sprechen und sah nachdenklich herab.

„Hmh?“ Ich drehte mich zu ihm und legte meinen Kopf schief. „Was ist denn?“

Sein Blick kreuzte meinen. Ich presste die Lippen aufeinander, um meine Verlegenheit zu überspielen und starrte ihn mit großen Augen an. Er stand mir so nahe, dass ich nicht wusste, wie ich reagieren sollte.

„Ach.. egal..“, beendete er jedoch seinen Satz. Gleichzeitig wurde ich wieder von ihm abgesetzt während er von mir weg blickte und seufzte. Er war traurig und schien enttäuscht.

„Aber Kisho? … Was ist denn?“, fragte ich und sah ihn verwirrt an. Aber sofort kratzte er sich seinen Kopf. „Ach! Schon gut. Ich hatte nur über etwas Dummes nachgedacht… Komm. Lass uns endlich reingehen! Da können wir dann auf Shiro und euren Engelsfreund warten.“, stotterte er und zeigte auf das Haus.

Als er jedoch Shiro erwähnte, blieb mir einen Moment mein Atem stehen. Ich hatte das Gefühl, zu viel Zeit verloren zu haben. Ich war zu lange herum geirrt. Ich fühlte mich schuldig, nicht schneller hergefunden zu haben. Für einen Moment hatte ich vergessen, dass ich mich beeilen musste. Umso schlimmer traf mich die Erkenntnis, dass ich die Zeit aus den Augen verloren hatte. Es war wie ein Stromschlag, der meinen Körper durchströmte. „Shiro..“, sagte ich leise und sah Kisho mit einem schockierten Blick an. Dann drehte ich mich um. „Kitsune!“, rief ich aufgebracht und rannte los.

„Was?“, Kisho blieb fragend stehen und sah mir nach, während ich nervös zum Haus eilte.

Wie ein aufgescheuchtes Tier rannte ich durch den Garten. „Kitsune!!“, schrie ich laut und sah zum Balkon hinauf, auf welchem Kitsune zumeist saß. Sie hockte dort im Schneidersitz und hatte sich mit dem Rücken an das Geländer gelehnt. Ihre Ohren zuckten, als sie meine Stimme hörte. „Yuki?“ Sie drehte sich um und schaute zwischen den Hölzern des Geländers herab. Sie erkannte mich gerade in das Haus hinein rennen.

Während des Rennens, zog ich meine Schuhe aus, übersprang die kleinen Stufen der Veranda und hastete in das Haus hinein. „Kitsune!!!“, schrie ich wieder und rannte zur Treppe. Kitsune hatte sich sofort in den Flur begeben und kam mir auf der Treppe entgegen.

Ich spurtete die Stufen hinauf. „Kitsune!“, sagte ich erleichtert, als ich sie oben stehen sah.

Ein glückliches „Yuki!“, kam mir von ihr grinsend entgegen. Doch sie blieb stehen und dieses Grinsen veränderte sich schnell zu einem verwirrten Blick. „Yuki? Was hast du?“, fragte sie zurückhaltend. Sie legte ihre Hand nachdenklich an ihre Lippen und beobachtete, wie ich die Treppe hinauf stürmte.

Schnell übersprang ich einige Stufen und fasste sie bittend an der Schulter. „Kitsune! Du musst mir helfen!“, flehte ich laut und beugte mich zu ihr herab.

„W.. was? Was ist denn?“

In diesem Augenblick kam mir Kisho hinterhergelaufen. „Yuki! Was hast du?! Was ist denn plötzlich los?!“, fragte er aufgebracht und blieb an der ersten Stufe stehen.

Ich drehte mich zu Kisho. „Ich.. ich habe keine Zeit! Ich muss Shiro helfen! Und.. und Deeon!“

„Was? Aber.. warum? Yuki. Beruhige dich doch. Komm runter, dann sprechen wir in Ruhe.“, antwortete er mir und zeigte zu sich herab.

„Nein.. ich muss mich beeilen!“, begegnete ich ihm und streifte mir nervös durch die Haare. „Ich habe schon zu viel Zeit verloren! Shiro ist in Gefahr!“

Doch Kisho überkreuzte seine Arme mit einem leichten Grinsen. „Ach Yuki. Du bist wirklich niedlich.“, kicherte er. „Du weißt doch, dass Shiro niemals in Gefahr sein kann. Er ist die Gefahr!“

Zwischen Kisho und Kitsune her blickend, versuchte ich meine Ruhe zu finden. „Nein. Kisho. Du verstehst das nicht. Dieses Mal ist es wirklich ernst!“, versuchte ich ihm zu erklären.

„Warum kann ich deine Menschenseele erkennen Yuki?“, hörte ich plötzlich Kitsune leise hinter mir fragen.

Ich hielt inne.

Als mich Kishos ungläubiger Blick stichelte und Kitsunes ängstliche Frage im Raum stand, realisierte ich, dass ich ihnen alles erzählen musste. Doch sollte ich ihnen wirklich alles sagen? Sollte ich ihnen verraten, dass Shiro ein Mensch war? Sein größtes Geheimnis, das sein ganzes Leben verändern würde, sollte dieses sich verbreiten? Sollte ich ihnen sagen, dass Shiros Seele tatsächlich Lilith gehörte und Shiro nur ein Dieb war? Was sollte ich ihnen sagen? Was durfte ich ihnen sagen? Was sollte ich ihnen verschweigen ohne sie anzulügen?

Nachdenklich biss ich auf meine Lippe und beruhigte mich. Ich musste einen klaren Kopf bewahren um nicht so kurz vor dem Ziel verrückt zu werden.

Ich sah zu Kitsune herab, die mich noch immer fragend ansah. Dann schaute ich zu Kisho, der erwartungsvoll seine Augenbraue hob und seine Arme verschränkte.

Sie waren meine Freunde. Ich konnte sie nicht belügen. Doch um Shiro zu schützen, konnte ich ihnen auch nicht die ganze Wahrheit sagen.

Schließlich atmete ich tief ein. „Entschuldigt…“, begann ich leise zu sprechen. Ich sah von ihnen weg und setzte mich auf die oberste Stufe. Einen kurzen Moment, war es ruhig. Beide warteten gespannt auf meine Erklärung. Während Kitsune sich neben mich hockte, lehnte Kisho sich an das Geländer.

Ohne aufzusehen, versuchte ich ihnen meine Sorgen zu erklären.

„Shiro und Deeon sind zu Lilith. Sie wollen gegen sie kämpfen. … Seine Seele ist für Lilith von so kostbarem Wert. Sie will seine Seele haben. Sie will ihn töten. Und.. er hatte mir einen Teil seiner Seele gegeben.“

„Das wussten wir doch schon.“, unterbrach Kitsune mich.

Kisho trat vor. „Naja, dass Lilith eine Verrückte ist, die es auf Shiro abgesehen hat, habe ich schon irgendwie mitbekommen. Und auch, dass Shiro dir einen Teil seiner Seele gegeben hat, als Schutz.“, begann er. Doch er stellte sich aufrecht hin. „Ich frage mich nur, warum er plötzlich in Gefahr sein soll. Wir wissen doch alle, dass Shiro stark genug ist. Besonders mit seinem Engelsfreund. Und ich frage mich, wo nun der Teil seiner Seele ist, die in dir war?“

Ich schluckte. „Also.. Mir wurde die Seele gestohlen.“, erwiderte ich. Dabei erinnerte ich mich an Namis verrückten Blick, als sie mir die Seele auf der Brust riss. Ein leichter Schauer überkam mich. Doch ich blieb tapfer. „Nami, meine beste Freundin… Sie.. ist auch ein Engel. Sie … steht auf Lilith Seite..“, erklärte ich mit schwerer Stimme. „Shiro hatte mich zu ihr in Sicherheit gebracht. Wir wussten nicht, dass Nami schon die ganze Zeit auf Lilith Seite stand. … Sie hat mir die Seele entrissen und will sie zu Lilith bringen. Also wird Lilith von ihr Unterstützt. Deeon und Shiro … ich habe Angst, dass Lilith und Nami sie in einen Hinterhalt locken. Ich weiß nicht, zu was Nami noch in der Lage ist. Ich.. habe solche Angst.. Ich will nicht, dass ihnen etwas passiert… Und wenn sie auch noch sehen, dass Nami meinen Teil der Seele hat. Ich.. ich war zu schwach.. ich konnte mich nicht wehren. Ich will nicht, dass sie meinetwegen den Kampf verlieren... Ich muss zu ihnen. Kitsune muss mich durch das Atrium leiten. Sie ist die einzige die mir sagen kann, wo ich hin muss. Ich gehe auch alleine! Ich muss Nami aufhalten, bevor etwas Schlimmes passiert.“, niedergeschlagen legte ich meine Hände vor meine Augen. „Ich.. will doch nicht mehr weinen..“ Meine Haare verdeckten den Rest meines Gesichtes. Mein Magen schmerzte. Meine Sorgen wurden immer größer, je länger ich darüber nachdachte.

„Yuki..“, beide blickten mich mit besorgter Miene an. „Du hast jetzt den ganzen Weg alleine hier hin geschafft?“, fragte Kitsune.

Ohne sie anzusehen nickte ich leicht. „Ja..“, antwortete ich kurz.

„Ohne Shiro? Und als Mensch?!“

„J.. ja…“

Plötzlich fühlte ich Kishos Hand auf meinem Arm und erschrak. „Yuki. Sag nicht, dass du schwach bist.“, sprach er mit sanfter Stimme und lächelte. Dann runzelte er die Stirn. „Du.. hast.. etwas so unmögliches geschafft! Weißt du eigentlich, dass es der blanke Wahnsinn ist, dass du es ohne Shiro von der Menschenwelt bis hierhin geschafft hast?! Du bist ganz und gar nicht schwach.“, versuchte er mich aufzumuntern. Dann kniete er sich vor mich. „Und weißt du, Shiro ist auch nicht schwach. Ich bin mir sicher, dass er das schafft. Selbst wenn Lilith Unterstützung bekommt.“, sagte er und legte seine Hand sanft unter mein Kinn. Langsam hob er meinen Blick zu ihm auf. „Mach dir bitte keine Sorgen.“

Auch wenn Kishos Worte mich beruhigten, überzeugten sie mich nicht.

Ich sah ihm traurig in die Augen. „Ich.. kann jetzt nicht so kurz vor dem Ziel aufgeben. Ich.. habe zugelassen, dass Nami gewonnen hat. Jetzt muss ich Nami aufhalten und meinen Fehler wieder beheben. Ich kann.. Shiro nicht im Stich lassen. Ich habe das Gefühl, dass ich zu ihm muss.“, begegnete ich ihm besorgt. „Bitte.. vertrau mir.. Ich.. muss, ich MUSS einfach zu ihm. Ich habe das Gefühl, dass sonst etwas Schreckliches passieren wird!“

Kisho lehnte sich zurück und dachte nach. „Du willst also wirklich zu dem verrücktesten Dämon und dein Leben riskieren, obwohl Shiro vermutlich schon längst den Kampf gewonnen hat?“, fragte er mich ernst. „Und was ist, wenn du Shiro nur ablenkst, wenn du dorthin gehst? Du weißt, wie fixiert er auf dich ist.“

Ich errötete etwas und setzte mich aufrecht hin. Aber dann nickte ich ihm entschlossen zu. „Ja!“, sagte ich beharrlich. „Bitte Kisho! Ich könnte mir vorstellen, dass Shiro sich eher um mich sorgt, wenn Nami mit der Seele dort auftaucht! Ich kann nicht hier bleiben oder zurück. Ich weiß dass ich gehen muss! Ich muss zu ihm. Ich habe.. dieses Gefühl.. und.. es lässt mich nicht los. Ich muss ihm helfen! Bitte Kisho.. vertrau mir!…Ich.. Ich werde gehen. Auch wenn ich es alleine tun muss! Einfacher wäre es nur mit Kitsunes Hilfe.“

Nach meiner Ansprache wurde Kisho still. Er stand auf und drehte sich langsam von mir weg. Dabei legte er seine Hand an sein Kinn und lehnte sich an die Wand.

Also wandte ich mich an Kitsune. „Bitte.“, sagte ich ihr. „Du.. musst mir nur sagen, wo sie sein könnten und wo ich hin muss. Du lebst schon so lange in dem Atrium und kennst dich am besten dort aus. Ich werde es schon schaffen!“

Aber Kitsune runzelte zurückhaltend die Augenbrauen. „Yuki... das ist nicht so einfach! Das Atrium ist so kompliziert aufgebaut.. nur eine falsche Tür und.. du landest bei Lilith Monstern!“

„Aber du kennst doch die richtigen Türen, oder?!“

„Schon.. aber.. es ist... Es ist unmöglich dir das nur zu sagen. Du wirst dir das niemals alleine merken können! Und eine Karte habe ich nicht…“, begegnete sie mir mit einem Kopfschütteln.

„Sie wird es sich auch nicht alleine merken müssen!“, kam es plötzlich von Kisho.

Überrascht blickte ich zu ihm. „Hmh?“

Er grinste mich an und zeigte auf sich selber. „Ich werde mitkommen!“, meinte er überzeugend und stellte sich auf einer Stufe vor uns. „Komm Yuki! Ich will mit dir wetten!“, begann er als nächstes. „Ich werde mit dir dorthin gehen und dir beweisen, dass es Shiro gut geht und er alles im Griff hat! Und wenn ich gewinne… dann…“

„Dann was?!“, fragte ich.

„Dann bekomme ich..”, sprach er weiter und sah mich entschlossen an.

„Was bekommst du dann?”

Er hob den Finger. „Sagen wir, ich bekomme dann einen Kuss!”

„Einen wa-?”

„Und wenn du gewinnst.”, unterbrach er mich, „Werde ich dir das allerbeste Essen kochen, das du als Mensch essen kannst!”, funkelte er mich an.

Einen Moment blickte ich ihn erstaunt mit offenem Mund an.

„Mein Bruder scheint sich ziemlich sicher zu sein…”, warf Kitsune leise ein. Ich drehte mich zu ihr. Doch sie kauerte sich nachdenklich zusammen und zog ihre Beine an. Dann legte sie ihr Kinn auf ihre Knie. „Ich möchte nicht, dass ihr geht.”, flüsterte sie.

Ich nickte ihr liebevoll zu. „Mach dir keine Sorgen. Es wird nichts passieren.”, lächelte ich und reichte ihr meinen kleinen Finger. „Versprochen!”

Kitsune schaute mich kurz an. Dann wanderte ihr Blick auf meinen Finger. Sie zögerte kurz doch dann hakte sie ihren Finger um meinen. „OK!”, stimmte sie, die Lippen aufeinander pressend zu.

„Also nimmst du mich mit?”, fragte Kisho überrascht.

„Ich… bin mir sicher. Ich.. möchte dich nicht in die Sache mit rein ziehen…”, antwortete ich ihm und runzelte nachdenklich die Augenbrauen.

„Tze! Natürlich komme ich mit! Du kannst dir den Weg doch nicht alleine merken. Außerdem schickt man eine junge Dame nicht einsam auf eine Reise. Also egal was du denkst. Ich lasse dich nicht alleine. Außerdem möchte ich mich selber davon überzeugen, dass ich meine Wette gewinne.”, grinste er von sich selbst überzeugt.

Sofort lief mein Gesicht rot an. „HEY! Ich habe der Wette nicht zugestimmt!!!”, protestierte ich laut und ballte die Fäuste. Doch Kisho wandte sich nur kichernd von mir ab. „Hehe. So liebes Schwesterchen. Jetzt musst du mir nur sagen, wo wir hin sollten. Wir werden zurück sein, bevor Mutter wach wird!”, forderte er Kitsune auf und lehnte sich über die Stufen zu ihr.

„Nein…”, begegnete sie ihm jedoch.

„Was?”, verwundert legte er seinen Kopf schief.

„Ich… ich komme auch mit…”, antwortete sie zögerlich, beinahe schon zwanghaft.

Doch Kisho lächelte ihr brüderlich zu. „Hey. Du musst das nicht machen. Mutter bringt mich um wenn dir etwas zustoßen würde.”

„Ein Grund mehr, dass du auf uns aufpasst! Kisho!”, ihre Stimme wurde lauter und energischer. „Ich komme mit und helfe euch! Ich helfe Yuki. Ich helfe Shiro und Deeon!... Und.. vielleicht … vielleicht … ja auch Mephisto…”, sprach sie weiter und senkte ihren Blick als sie Mephisto erwähnte.

Kisho und ich bewunderten ihren Mut. Obwohl sie viele schlimme Erinnerungen mit diesem Ort verbunden musste, wollte sie mit uns dort hin. Wir sahen sie stolz an. Doch dann unterbrach Kisho die Stille. „Hey. Und was ist mit mir?”, fragte er und wuschelte durch ihre Haare.

„Dir ist nicht mehr zu helfen!”, antwortete sie ironisch und zuckte mit den Schultern.

„Aua… das hat weh getan…”, jammerte Kisho und hielt sich seine Brust. Doch dann blickte er mich euphorisch an. „Also dann! Yuki! Lass uns gehen.”, meinte er und reichte mir sicher seine Hand.

Ich schaute ihn dankend an. Ich war glücklich ihre Hilfe zu erhalten. Ich war glücklich nicht alleine zu sein. Ich war so glücklich, endlich das Ziel zu sehen.

Von Glück erfüllt, legte ich meine Hand in Kishos und nickte ihm sicher zu. „Dann Mal los.”, sagte ich und stand mit ihm auf.

Doch im nächsten Augenblick stellte Kitsune sich neben uns und überkreuzte die Arme. „Aber.. wie sollen wir so schnell zum Atrium kommen?”, warf sie nachdenklich ein.

Doch ich grinste. „Oh! Stimmt ja. Ich habe vergessen, euch jemanden vorzustellen!”, sagte ich und blickte auf meine Schulter. Gleichzeitig zeigte sich das kleine Irrlicht, das sich hinter meinen Haaren und unter meinem Kragen versteckt hatte. Nur langsam kam es hervor und blieb auf meiner Schulter stehen. Schüchtern blickte sie an einer Strähne meines Haares vorbei.

„Hey. Sei nicht schüchtern. Das bist du doch sonst auch nie!“, forderte ich sie auf und hielt ihr meine Hand hin. Sie blickte einen Moment auf meine Handfläche, dachte nach und machte schließlich einen kleinen Sprung auf meine Hand. „Sie kann wie Shiro Portale erschaffen! Mit ihrer Hilfe bin ich hergekommen!“

„Ist das eine Fee?“, fragte Kitsune und kam neugierig näher.

Auch Kisho sah sich das kleine Wesen genauer an. „Nein. Das ist ein…-“

„Ein Irrlicht.“, hörten wir plötzlich von der untersten Stufe.

„Hmh?!“, überrascht drehten wir uns alle zur Treppe herab. Kazumi stand am Geländer und blickte zu uns herauf.

„Mutter!“; sagte Kisho schnell und wandte sich ihr zu. „Du bist schon wach?!“

Ohne auf seine Nervosität einzugehen sah sie mit ruhiger Miene zu dem Irrlicht. Ein sanftes Lächeln zeigte sich auf ihren Wangen und sie legte ihren Kopf glücklich zur Seite. „Na du kleines.“, sprach sie. „Kommst du von Atropos?“

„Du kennst Atropos?“, fragte ich erstaunt. Plötzlich sprang das kleine Irrlicht auf. Sie hüpfte in die Luft und starrte Kazumi mit einem neugierigen Blick an. Dann musterte sie Kazumi von Kopf bis Fuß und legte ihren Kopf fragend schief.

Kazumi schien ruhig und besorgt. Statt ihres dauerhaften, liebevollen Lächelns, sah sie uns ernst an und beinahe traurig. „Ich.. kannte sie. Atropos und ihre Schwestern. Damals waren wir gute Freunde.. aber das ist eine lange Geschichte… Sag, Yuki, hat Atropos dich geschickt um Shiro zu retten?“, fragte sie und legte ihre Hand auf das Geländer.

Ich lief zu ihr herunter. „Nein.“, antwortete ich. „Ich will Shiro helfen, weil.. ich.. ein ungutes Gefühl habe. Atropos wollte nicht, dass ich gehe, sie hat mich nicht geschickt… aber wirklich aufgehalten hat sie mich auch nicht..“ Ich dachte nach und sah zur Seite.

Plötzlich hörte ich ein kummervolles Schluchzen. Verwundert blickte ich in Kazumis weinende Augen.

„K.. Kazumi..!“

„Mutter! Was ist?!“ Kisho kam sofort herunter gerannt und faste besorgt die Hand seiner Mutter.

Sie versuchte hoffnungslos ihre Trauer zu unterdrücken, doch konnte sie ihre Emotionen einfach nicht vor uns verstecken. „Shiro.. er.. gehört zu uns. Doch ich habe ihn zu lange alleine gelassen. Und nun.. ich.. ich hätte ihn beinahe schon einmal verloren. Ich.. hätte ihn nicht gehen lassen dürfen. Jetzt verliere ich ihn wirklich.“

Sprachlos stand ich nur da und starrte sie an.

Sie schien wie eine leidende Mutter, die ihrem Kind hinterher trauerte. Sie machte sich Vorwürfe. Sie weinte. Ihr Ansehen schmerzte in meiner Seele.

„Mutter. Bitte weine nicht. Bitte. Ihm wird es gut gehen! Da bin ich mir sicher. Du kennst ihn doch. Er ist stur und macht was er will. Du musst dir keine Schuld geben!“, versuchte Kisho sie zu trösten. Auch Kitsune trat zu Kazumi und umarmte sie. „Mama…“

Sie so leiden zu sehen machte auch mich traurig. Es rührte mich und doch fühlte ich plötzlich tiefe Angst. Dass Kazumi so um Shiro trauerte, machte mich nachdenklich. Es schürte nur noch mehr die Panik in mir, Shiro zu verlieren. Doch als ich mich dabei ertappte, eine kleine Träne zu verlieren, wischte ich diese sofort von meiner Wange.

„Kazumi!“, sagte ich aufrichtig und stellte mich vor sie. „Ich hole Shiro wieder zurück! Du brauchst dir um ihn keine Sorgen machen!“ Entschlossen und mit geschwollener Brust zeigte ich mit dem Daumen auf mich. „Ich werde ihn zurück bringen!“

Die drei Füchse sahen mich schweigend an.

Langsam legte sich ein verweintes Lächeln auf Kazumis Gesicht. Sie ging auf mich zu und legte ihre Hände auf meine Wangen. „Ich werde dich niemals darum bitten. Aber.. ich wäre glücklich, wenn… du ihn wieder zurückbringen würdest.“

Ich grinste breit und legte meine Hände auf ihre. „Natürlich!“, nickte ich ihr zu.

„Ihm wird schon nichts passiert sein! Ich bin immer noch der Meinung, dass es ihm gut geht! Er feiert bestimmt nur seinen Sieg! Dann lasst uns nicht noch mehr Zeit verlieren! Ich will nicht, dass Mutter sich weiterhin so um den Sturkopf sorgen muss!“, sprach Kisho nun und lief in den Raum hinein.

Doch Kazumi sah mir auffällig tief in die Augen. „Wenn es ihm gut ginge.. Hätte Atropos dich nicht mit einem Irrlicht gehen lassen…“, flüsterte sie mir leise zu und wandte sich schließlich von mir ab.

Erschrocken sah ich ihr nach. Was hatte das zu bedeuten?

„Yuki! Komm her. Wir werden das jetzt regeln!“, kam es entschlossen von Kisho, der mitten im Raum stand. „Und Kitsune. Du musst wirklich nicht mitkommen!“, meinte er und zeigte mit dem Finger auf seine Schwester, die noch zurückhaltend hinter ihrer Mutter stand.

Sofort rümpfte sie aber beleidigt die Nase. „Hey! Ich habe doch gesagt, dass ich mitkomme! Ende!“ und stellte sich mit den Händen in der Hüfte neben ihn. Gegenseitig gaben wir uns Mut um uns gegenseitig nicht zu offenbaren, dass die Furcht doch irgendwo in uns lauerte.

„Ihr geht mit?“, fragte Kazumi erschrocken.

„Klar! Keine Sorge. Wir werden ganz vorsichtig sein. Und falls es doch gefährlich wird, verschwinden wir sofort wieder!“, antwortete Kisho.

„Aber-“

„Mutter!“, unterbrach er sie.

Sie starrte ihn sprachlos an.

„Shiro wird es gut gehen. Und uns wird nichts passieren.. Und außerdem..“, sprach er weiter und lächelte liebevoll. „Sind wir es ihm schuldig.“

Traurig senkte sie ihren Blick und stimmte ihm unterschwellig zu. Dann nickte sie bedrückt. „Hmh..“

Kitsune sah zu ihr auf. „Mama. Ich werde mich darum kümmern, dass die beiden nichts Dummes anstellen! Versprochen! Und wir sind ganz schnell wieder da!“

Den Tränen nahe, konnte Kazumi auch ihr nur ein unfreiwilliges Nicken zugstehen.

„Na komme schon Yuki.“, forderte Kisho mich erneut auf und machte eine leichte Kopfbewegung zu sich und Kitsune.

Noch immer grübelnd über Kazumis Worte, runzelte ich die Stirn und kam wieder zu mir. „Ja..!“ Ich stellte mich zu beiden. Das Irrlicht folgte mir und schwebte in kreisenden, verspielten Flügen um mich herum.

Als ich meinen Blick kurz hinter mich drehte, erkannte ich Kazumis traurigen Gesichtsausdruck, ihre besorgte Haltung und die Augen einer verängstigten Frau, die nicht wusste ob ihre Entscheidung die richtige sein würde.

Ohne meinen Blick von ihr abzuwenden sprach ich zum Irrlicht. „Bring uns bitte zum Atrium. Zum Atrium Mercatura.”

Das kleine feenartige Wesen kicherte leise. Dann tanzte sie verspielt durch die Luft. Sie drehte sich einige Male und flog schließlich hinter uns in einem Kreis. Gleich darauf entstand auch sofort ein Portal, das Blau aufleuchtete. Statt diesem staunend entgegen zu treten wie Kisho und Kitsune, richtete ich meinen Blick nur auf Kazumi.

Mir wurde noch nicht klar, was sie sagen wollte. Doch hatte ich ein ungutes Gefühl dabei. Unsere Blicke trafen sich unauffällig, während die anderen das Portal betrachteten.

Kazumi schien mir etwas sagen zu wollen. Doch sie hielt inne. „Bitte… kommt unbeschadet zurück…”, flüsterte sie und hielt die Hand vor ihren Mund.

„Wir kommen wieder Mutter! Mit Shiro! Der wird sich wundern! Mach dir keine Sorgen. Und wenn etwas passieren sollte, haben wir ja ganz schnell ein Portal.”, grinste Kisho breit. „Dann kommt!”, forderte er uns auf und deutete auf das Portal.

Wir stellten uns nebeneinander vor das blau schimmernde Portal und warteten einen Moment.

Ich holte tief Luft, starrte auf das helle Blau und nickte. „Alles klar.”, begann ich. Schließlich wagte ich den ersten Schritt furch das Portal.
 

Ich fühlte diese bekannte Wärme. Ich spürte das Strahlen des Lichtes auf meiner Haut. Mir war das Gefühl eines Portals schon bekannt. Doch noch nie fürchtete ich mich so sehr vor der anderen Seite. Und noch nie fühlte ich dieses Verlangen, endlich anzukommen.

Es war nur ein Moment. Eine kleine Sekunde durch diesen weißen, strahlenden Gang dessen Größe unendlich erschien und doch nur so lang wie ein Schritt war.

Als ich die Augen nervös geradeaus richtete, blendete mich dieses Strahlen. Mein Herz klopfte. War es Angst, die ich in mir spürte? Angst vor der Ungewissheit, oder war es doch Freude, endlich das Ziel erreicht zu haben?

Das stahlende Licht erlosch und gleich darauf fand ich mich an einem kalten Ort wieder.
 

Ich sah direkt auf ein riesiges, altes, braunes Tor. Es war das Tor des Atriums. Ich betrachtete es lange und wartete, bis Kisho und Kitsune bei mir waren.

Bevor ich das Tor öffnete, irritierte mich jedoch ein kleines Leuchten hinter mir. Es flog steil ab und wieder auf. Als ich mich umdrehte, fand ich das Irrlicht geschwächt fliegend. Es konnte sich nur schwer in der Luft halten.

„Was hast du denn?”, fragte ich sie.

Doch Kisho hielt vorsichtig seine Hände unter ihr. „Sie ist bestimmt erschöpft.”, erklärte er und ließ sie langsam auf seine Handfläche landen. „Du solltest etwas schlafen. Das ist vermutlich zu viel für so ein kleines Wesen.”, sagte er leise und beobachtete, wie das Irrlicht auf ihren Knien zusammenbrach und schwer atmete.

„Komm. Hier hast du genug Platz. Keine Sorge.”, vorsichtig zeigte er ihr eine kleine Brusttasche innerhalb seines Oberteils.

Die Augen kaum offen haltend stand das Irrlicht wieder auf. Sie torkelte müde über seine Finger und hopste bedenkenlos in seine Tasche.

Ich musste lächeln, als ich sah, wie zärtlich Kisho mit dem Irrlicht umging. „Schlaf gut. Das hast du dir verdient.”, flüsterte ich liebevoll.

Schließlich wandten wir uns wieder dem Tor und spähten gemeinsam durch einen kleinen Spalt in den Eingang des Atriums. Dort war es dunkel und leise.

Mit einem Quietschen öffnete ich das Tor. Mich überkam ein mulmiges Gefühl, denn es schien alles anders als gewohnt. Kein Dämon lief herum, keine Wesen drängelten durch die breiten Gänge und der Lärm schien verstummt. Nichts ähnelte dem sonst so belebten Ort. Es erinnerte an eine ausgestorbene Stadt.

Als wir nun vorsichtig hinein traten, sah Kitsune sich beunruhigt um. „Irgendwas ist hier nicht richtig...“, murmelte sie leise.

„Hmh.. Scheint doch alles normal zu sein? Nur etwas leer… Meint ihr nicht?“, begegnete Kisho ihr jedoch mit positivem Unterton.

Doch seine Schwester trat vor und blickte in die dunkle Halle hinein. „Nein.. ganz und gar nicht!“, antwortete sie ihm und schüttelte den Kopf. Während sie mutig in die Halle trat, folgten wir ihren kleinen Schritten. „Es ist so ruhig. Ich.. ich spüre keine Anwesenheit. Hier sind weder Bewohner, noch Lilith Monster.. aber. Warum ist denn absolut keiner hier?! Ich verstehe das nicht..“

Dann trat auch Kisho vor. „Du hast Recht. Ich bemerke auch niemanden hier.“ Er lief voraus und blieb in mitten des Eingangsbereiches stehen. Dann blickte er auf und sah zu den vielen Etagen hinauf. „Und hier hast du gelebt Schwesterchen?“

„Nicht so laut!“, ermahnte sie ihn schnell und wedelte mit ihrer Hand.

„Aber hier ist doch niemand!“ Mit schnellen Schritten lief er weiter an der großen Treppe vorbei und sah sich mit einem Blick nach links und rechts um. Die Gänge waren leer. Die Geschäfte geschlossen und zugenagelt.

Ich lief ihnen vorsichtig hinterher und sah mich ebenfalls um. „Aber.. sollte Lilith nicht hier sein? Ich.. war mir sicher…“ Zweifelnd legte ich die Hand an mein Kinn. - Habe ich mich geirrt? - „Wieso ist denn niemand hier?“

Während ich ihnen nachlief und gedankenversunken auf das Holz am Boden blickte, blieb Kisho geschockt stehen. „Wo du es gerade erwähnst..“, kam es erschrocken von ihm und er drehte sich zu uns. „Hört ihr das?“, fragte er.

Kitsune und ich sahen verwundert zu ihm und hielten die Luft an. Wir alle blieben still und horchten in die Stille. Ich hörte nur das Pochen meines Herzens und fühlte die Furcht in meinen Fingern.

Plötzlich schallten Schritte durch den großen Raum. Ich riss die Augen auf. „Da kommt jemand!“, flüsterte ich schockiert und wurde starr vor Schreck.

„Was?!“ Auch Kitsune konnte sich vor Angst kaum bewegen.

Doch sofort griff Kisho unsere Hände und rannte mit uns in den nächsten schmalen Gang zwischen zwei Geschäften. „Seid leise!“, flüsterte er ernst und versteckte uns.

Schnell lehnten wir uns an die Wand. Ich legte die Hände vor meinen Mund um keine Geräusche von mir zu geben. Kisho stand an erster Stelle und hob seinen Arm schützend vor mich. Kitsune hielt sich ängstlich an meiner Kleidung.

Mein Herz begann zu rasen. Mein Atem wurde schwer. Mein Blick war starr auf das Ende des Ganges gerichtet. Die Schritte wurden immer lauter. Mein Körper wurde immer angespannter. War es ein Monster von Lilith?

Schließlich vernahmen wir zwei Stimmen.

„Es.. tut mir leid.. Ich wusste nicht, dass es einen Unterschied macht..“, sagte jemand mit einer tiefen zurückhaltenden Stimme.

„Tze! Du liebe Güte. Das ist doch wirklich nicht dein Ernst! Es kann ja wohl nicht sein, dass mich so ein tollpatischger Typ wie du begleiten muss!“, sprach schließlich der andere.

Ich runzelte die Stirn. Mir kam diese Stimme des zweiten Mannes bekannt vor. Sie klang aufdringlich und arrogant.

„Pff! Und wenn du so schüchtern bist, macht dich das total unsexy!“, fauchte die helle Stimme schließlich.

Direkt wanderte mein Blick zu Kitsune. Auch sie starrte mich sofort an.

„Mephisto!!!“, sprachen wir gleichzeitig.

„Me-Was?!“, fragte Kisho und drehte sich zu uns. Doch ohne uns aufhalten zu können, liefen wir bereits an ihm vorbei. „Wartet!“, flüsterte er uns schnell hinterher.

Noch bevor wir gedankenlos aus unserem Versteck heraussprangen, packte Kisho mich an der Schulter und seine Schwester an ihrem Fuchsschwanz. „Hey! Stopp!“

„Aua!“, Kitsune blieb stehen und drehte sich ihrem Bruder zu. „Keine Sorge! Das ist…“, sie blickte mit strahlenden Augen zu ihm auf. „Das ist Mephisto! Er hatte mich damals gerettet! Und.. ich dachte.. er wäre tot…“ Dann drehte sie sich wieder den Stimmen zu. „Aber anscheinend lebt er noch!“

„Ja und warum lebt er noch?!“, Kisho überkreuzte seine Arme.

„Das ist doch egal! Er ist mein Freund!“

Während Kitsune mit Kisho diskutierte dachte ich nach. Kisho hatte nicht Unrecht. - Weshalb sollte Mephisto noch hier herum laufen? Wurde er nicht von einem Monster von Lilith angegriffen? Nicht umsonst dachten alle, er wäre tot. Und warum ist es hier so still. Wieso sind weder die Einwohner noch die Monster im Atrium? Kisho und Kitsune konnten doch niemanden im Atrium spüren? Und warum ist jetzt ausgerechnet Mephisto hier!? –

„Da stimmt etwas nicht!“, sprach ich und unterbrach beide.

„Aber das ist definitiv Mephisto!“

„Und warum ist er noch hier? Und warum könnt ihr ihn nicht spüren?“, begegnete ich Kitsune.

Kitsune sah ertappt zu Boden. „Ich.. weiß nicht.. aber.. ich kann Mephisto vertrauen. Das weiß ich.. Und dass er noch lebt.. Ich.. ich muss ihm danken. Vielleicht ist ja alles wieder gut? Ich muss mit ihm sprechen! Er kann uns doch sagen, was passiert ist?!“, schließlich blickte sie wieder hoffnungsvoll auf.

„Hmh… keine Schlechte Idee..“, auch ich dachte darüber nach, Mephisto auszufragen. Vielleicht wüsste er mehr.

Nun unterbrach Kisho uns. „Moment. Aber was ist mit dem anderen Typen?! Wenn sie für Lilith arbeiten?”

„Ich werde nachsehen!“, antwortete ich sofort.

„Was?!“

Ich grinste Kisho an. „Naja! Ich werde vorsichtig um die Ecke sehen! Und ich versuche Mephisto herzuholen. Ihm können wir wirklich vertrauen.“

„Nein, nein… dann mache ich das!“, schüttelte Kisho den Kopf.

„Dich kennt er doch gar nicht! Und Kitsune ist zu klein. Sie erkennt er nicht von Weitem. Also! Ich werde nachsehen!“, überstimmte ich ihn.

Kisho biss die Zähne zusammen. „Hmmmgrr… Ja! Dann sei aber vorsichtig!!“

Ich kniff ein Auge zu und hob den Daumen. „Natürlich!“, grinste ich breit. Anschließend lief ich direkt zum Ende des Ganges. Meine Schritte wurden vorsichtiger und kleiner. Leise drückte ich mich an die Wand und horchte den Stimmen.

Noch immer sprach Mephisto unüberhörbar laut. „Du solltest unbedingt was an deinem Selbstbewusstsein ändern! Ist ja schlimm dich zu ertragen!“

Noch während er sprach erhaschte ich einen kleinen Blick um die Ecke. Ich wurde positiv überrascht, als ich zwei Männer vor der großen Treppe stehen sah. Ein Mann mit schwarzem Anzug und roten Haaren stand dort und unterhielt sich mit einer Art Ziegenmenschen. Es war tatsächlich Mephisto der mit einem Satyr sprach. Der Satyr hielt zurückhaltend eine Phiole in der Hand und ließ sich von Mephisto die Visiten lesen.

Als ich sie sah, lächelte ich glücklich. „Es ist wirklich Mephisto..“, flüsterte ich mir zu und machte einen Schritt aus dem Gang heraus. Der Satyr hatte mir den Rücken zugedreht und Mephisto stand ihm gegenüber. Sein Blick war genau in meine Richtung gedreht. Ich wollte unbedingt die Gelegenheit nutzen! Also hob ich auffällig die Arme und winkte Mephisto zu.

Doch er unterhielt sich noch weiterhin mit dem Satyr und schüttelte den Kopf. „Mal ehrlich. Weißt du wie man Selbstbewusstsein überhaupt schreibt?”

„J.. ja… Ich werde mein Selbstbewusstsein ändern..“, zitterte der Satyr.

„ARGH!“, Mephisto ballte die Faust und schlug ihm einmal auf den Kopf zwischen seinen Hörnern. „Du dumme Ziege! So ängstlich wirst du das nie verbessern!“, meinte er verärgert.

„Ja…ja.. entschuldige..“, zögerlich senkte der Satyr seinen Kopf und rieb sich die Stelle zwischen seinen Hörnern.

Doch Mephisto seufzte. „Hach.. aus dir wird…- Hmh? Was zum...?!“ Als sein Blick nicht länger vom Satyr versperrt wurde, wanderte Mephistos Aufmerksamkeit auf etwas, sich im Hintergrund Bewegendes.

Ich hob noch immer die Arme und wedelte immer weiter, bis er mich sah.

Mephisto blieb einen Moment die Stimme weg. Er erkannte mich vor dem Gang stehen und riss die Augen auf. Starr blickte er mich an und sprach nicht weiter.

„W… was ist denn…?“, fragte der Satyr vorsichtig und stellte sich wieder aufrecht hin. Er erkannte Mephistos Blick und wollte sich umdrehen.

„LOS JETZT!“, fauchte der Rothaarige jedoch, und boxte ihm gegen die Schulter. „Nachher bekomme ich noch wegen DIR Ärger, weil du so trödelst!“

„A.. aber du hast doch..“

„LOS!“ Mephisto zeigte die Treppe hoch und sah ihn streng an, ohne dem Satyr Zeit zu geben, sich zu äußern.

Sofort nickte dieser ihm zu und faste die Phiole fester. „J… Ja!“

Mephisto erkannte die ängstliche Haltung des anderen und seine zitternden Hände. Dann wanderte sein Blick auf die Phiole, die er vor sich hielt und an sich drückte und schließlich auf seine unsicheren Hufe, die die Stufen hinauf liefen.

Schnell dachte er nach.

Als der Satyr einen nächsten Schritt auf den Stufen hinauf lief, blieb Mephisto in seiner Nähe und stellte ihm heimlich ein Bein.

Im nächsten Moment stolperte der andere Dämon. „WAAA!“ Man hörte ihn laut schreien, auf der Treppe rumpeln und schließlich klirrte etwas zu Boden.

„Die Phiole!!!“, kreischte Mephisto laut und hielt sich die Hand an seine Wange. „DU IDIOT!“, schrie er laut und zeigte auf die zerbrochenen Scherben.

Zitternd kniete der Satyr sich auf die Treppe und versuchte sich zu besinnen. „Ich.. ich.. es.. tut mir leid.“

„ARGH! Das hilft mir jetzt auch nicht!! TZE!“ Er hielt sich die Hand vor die Augen. Dann holte er tief Luft und versuchte sich zu beruhigen. „Hmh.. Weißt du was? Ich hole eine neue! Geh du rauf und sag ihnen, dass es noch etwas dauert!“, erklärte er und lief direkt die Stufen wieder herunter. Ein letztes Mal drehte er sich zu dem anderen um. „Los jetzt! Bevor wir beide noch Stress bekommen! Mach! Hop! Los!“, forderte er ihn auf, ohne ihm die Möglichkeit zu geben, etwas anderes zu akzeptieren.

„Ja… ja! Ich gehe! Ich sage Bescheid!“, schnell stand der Ziegendämon auf und rannte sofort die Treppe hinauf.

Endlich war Mephisto alleine. Mit einem aufmerksamen Blick sah er sich um und lief wieder in die Eingangshalle herab. Sein Blick war ernst und er hielt seine Umgebung im Auge. Kontrolliert lief er mit einem schnellen Schritt den Weg an der Treppe vorbei, bis zu dem Gang, in welchem ich mich mit Kitsune und Kisho zurückgezogen hatte.

Mephisto blieb streng und er versuchte sich immer wieder unauffällig umzusehen. Einen letzten Blick machte er über seine Schulter, bis er endlich um die Ecke lief und vor uns im Gang stand.

„Mephisto!!!“, quietschte Kitsune und sprang ihm sofort um den Hals.

„Argh!“, überrascht versuchte er sich auf den Beinen zu halten, lief er weiter in den Gang hinein und ließ Kitsune wieder herunter. „PSSST! Bist du verrückt?!“, fragte er und sah sich erneut um.

„Mephisto! Du.. lebst!“, Kitsune hatte Tränen in den Augen, als sie ihn vor sich stehen sah. Sie machte einige Schritte zurück und strahlte ihn glücklich an.

Aber Mephistos misstrauischer Blick wanderte von ihr über Kisho und schließlich zu mir. „Was.. macht ihr hier?!“, war seine erste Frage. Er wirkte ernst und erschöpft.

Als ich ihn betrachtete, erkannte ich sein von Leid und Schmerzen geprägtes Gesicht. Unter seinen Augen zeigten sich schwere Augenringe und an seiner Wange trug er tiefe Narben bis zu seinem Hals. Schließlich fiel mir der leere Ärmel seines schwarzen Jacketts auf. Vor uns konnte er endlich seine gespielte Art ablegen.

„Mephisto… was ist.. passiert..?“, fragte ich entsetzt und starrte ihn erschrocken an.

Er runzelte die Stirn. „Was passiert ist?“, fragte er und kam mir näher. „Lilith ist passiert!“, antwortete er und deutete auf seine Schulter, an welcher sein Arm fehlte. „Und ihr solltet nicht hier sein! Macht, dass ihr wieder verschwindet!“, sprach er uns wütend zu.

Nun trat Kisho vor. „Hey. Wir wollen-“

„Mir ist egal was ihr wollt.“, unterbrach Mephisto ihn jedoch. „Wer bist du überhaupt?! Ach.. das kann mir auch egal sein!“, dann schloss er müde die Augen und sah uns wieder mit einem eindringlichen Blick an. „Geht einfach. Hier gibt es nichts für euch.“, erklärte er zuletzt, als er sich wieder von uns abwenden und gehen wollte.

„Wir wollen zu Shiro!“, begegnete ich ihm schnell und fasste ihn an seiner Hand. Überrascht blieb er stehen und sah zu mir herab.

„Wir wollen Shiro und Deeon helfen! Sie wollten herkommen! Sie wollten gegen Lilith kämpfen! Mephisto, ich werde nicht ohne Shiro und Deeon gehen!“, sprach ich ihm voller Entschlossenheit zu.

Unsere Blicke kreuzten sich. Während meine Augen im Feuer der Motivation brannten, erstach mich sein kalter, emotionsloser Blick.

„Du.. weißt es noch nicht?“, fragte er leise.

„Was?“ Seine Worte weckten in mir eine schreiende Angst, die ich zu unterdrücken versuchte.

Doch er blickte zwischen uns dreien her. „Ihr wisst es nicht? Und ich dachte nur.. ihr seid naiv, dass ihr hergekommen seid…“

„Was wissen wir nicht?!“, kam es genervt von Kisho. „Sprich weiter!“, forderte er ihn auf.

Doch Mephistos Blick wandte sich mir wieder zu. „Yuki..“, sagte er leise und fasste mich mit seiner Hand an meiner Schulter. „Yuki.. Deeon und der Schattenmann, ich meine Shiro, haben verloren..“, sagte er leise.

Ich riss die Augen auf und starrte ihn panisch an. Mein Körper ließ sich nicht mehr von mir kontrollieren. Mein Herz raste. Es fühlte sich an, als würde ich neben mir stehen. Es fühlte sich wie ein Traum an. Es fühlte sich nicht real an. Ich wollte, dass es nicht real war.

Aber Mephisto sah mir tief in die Augen. „Sie.. haben gegen Lilith verloren... “, wiederholte er mit zitternder, einfühlsamer Stimme. „Sie sind tot. Yuki…”

Verlust

Es pochte.

Es hämmerte.

Mein Herz.
 

Wie eine Sirene. Ein Feuer. Eine Explosion.
 

Erschütternd.

Schmerzend.

Brutal.
 

Eine Flutwelle. Unbezwingbar.

Fesselnde Ketten. Kratzend. Kribbelnd. Stechend.

Mir wurde heiß. Mir wurde kalt.
 

Meine Haut schien so bleich wie Schnee. Wie eine einsame Schneeflocke, die nicht mehr die Kraft hatte, sich an die Wolken zu klammern. Eine Schneeflocke, die so zweifelhaft durch die Luft schwebte, nur um am Boden aufzukommen und für immer zu verschwinden.
 

Ich starrte Mephisto an. Seine Augen konnten nicht lügen. Nicht in diesem Moment.

Deeon und Shiro hatten verloren?

Sie waren tot?

Erschüttert begann mein Körper zu zittern. Mir blieb die Luft weg. Meine Brust schnürte sich zu, während mein Bauch sich schmerzhaft verkrampfte.

Verstört wandte ich mich von ihm ab. Ich umklammerte meinen Bauch und lehnte mich aufgelöst an die Wand. Mein Albtraum wurde war.

Verwirrt atmete ich schwer und richtete meinen starren Blick ins Nichts.

„Mephisto!“, sprach Kitsune laut. „Das ist nicht witzig! Lass… lass die Scherze!“, ermahnte sie ihn zögerlich. Auch ihrem Gesicht konnte man den Schock ansehen.

Kitsune und Kisho standen nahe beieinander um sich gegenseitig zu halten. Sie klammerte sich an sein Bein, während er seine Hand an ihre Schulter legte.

Doch Mephisto ließ seinen Blick sinken. Er seufzte trauernd und versteckte sein Gesicht hinter seinen Haaren.

In diesem Moment wurde es Kisho klar. Er riss die Augen auf. Doch biss verbittert die Zähne aufeinander. Auch ihm schien der Schock die Luft wegzudrücken.

Kitsune klammerte sich stärker an ihren Bruder. „Mephisto! Hey! Sag doch was!“ Ängstlich begannen sich Tränen in ihren Augen zu sammeln. „Mephisto! Man macht darüber keine Witze! Wo sind Shiro und Deeon!“

„Kitsune..“, unterbrach Kisho seine Schwester.

Sie schreckte zurück. Dann sah Kisho zu ihr herab, kniete sich tapfer hin und hielt sie fest. „Wir, sollten gehen.“

Doch sie schüttelte verständnislos den Kopf. „Was?! Nein! Dafür sind wir nicht hergekommen! Wir.. wir wollen doch.. Shiro holen! Und Deeon!..“

„Schwesterchen.. Shiro und Deeon kommen nicht mit uns.“

„NEIN!“, schrie Kitsune. „Wir sind extra für die beiden her gekommen!!!“

Er versuchte verständnisvoll zu lächeln. „Bitte.. –“

„NEIN!“ Kitsune schlug seine Hände weg.

„Sie soll ruhig sein!“, flüsterte Mephisto und sah sich besorgt um. „Sonst werden wir gleich noch gefunden.“

Kisho blickte zu ihm auf. Dann richtete er sich wieder seiner Schwester zu.

Wimmernd presste sie ihre Lippen aufeinander. Aus ihren Augen kullerten dicke Tränen und ihre Hände drückte sie fest zusammen. Erwartungsvoll sah sie ihren Bruder an.

Gefesselt von ihrem Willen, die Realität nicht zu akzeptieren, stand sie wütend da und bewegte sich nicht. „Holen.. wir jetzt Shiro?!“, fragte sie schniefend.

Kisho schaute sie lange sprachlos an. Dann wischte er kurz durch sein Gesicht und kniete sich geduldig hin. Er sprach ruhig und streckte ihr seinen Arm entgegen. „Kitsune. Komm bitte her.“

„Nein!“, wehrte sie sich und schüttelte den Kopf.

Währenddessen stand Mephisto bereits am Ende des Gangs und blickte vorsichtig um die Ecke. „Psst!“, kam es nervös von ihm, als er sich wieder den anderen zuwandte.

„Wir gehen jetzt Shiro und Deeon holen!“, sagte Kitsune immer lauter. „Wir sind extra dafür her gekommen!“

Langsam kam Mephisto zurück und hielt seine Hand beruhigend vor sich. „Ruhe!“, flüsterte er warnend.

„Mepshito! Hör auf uns zu ärgern! Wo ist Shiro?!“, fragte sie aufbrausend, den Tränen nahe. „Ich hasse Lügen!“

Nun stand Kisho wieder auf und ging auf seine Schwester zu.

Sie bemerkte seine strenge Haltung und überkreuzte sofort ihre Arme. „Nein! Kisho! Nein! Ich-“

Plötzlich holte Kisho aus und verpasste ihr eine Ohrfeige.
 

Ein kurzes Klatschen erklang und ließ alle Stimmen verstummen.

Dann war es leise.
 

Kitsune riss ihre Augen auf und starrte ihren Bruder sprachlos an. Ihre Wange war errötet, welche sie sich nach einem kurzen Moment des Schocks zögernd festhielt.

Ihre Blicke kreuzten sich einen Moment.

Kisho sah sie wütend an. Er war selten wütend und besonders gegenüber seiner Schwester nie. Doch nun konnte er nicht anders.

Und schließlich begann Kitsune zu begreifen. Ihre Haltung wurde locker und ihr Kopf senkte sich. Sie schloss die Augen und weinte. „Kisho…!“, schluchzte sie leise und hielt sich die Hände vor ihr Gesicht.

Sofort lehnte er sich vor und drückte sie wieder schützend an sich.

Er schwieg und umklammerte sie behutsam, während seine Schwester ihren Kopf an seine Schulter legte.

Niedergeschlagen versuchte sie nach Luft zu schnappen, während ihr Wehklagen auch die anderen Beiden mitriss.

Die Tränen kullerten an ihren Wangen herunter und glitten auf Kishos Kleidung herab. Sie schniefte. Sie weinte. Sie zitterte und klammerte sich an ihren Bruder.

„Kisho.. ich.. will das nicht. Ich.. will sie nicht hier lassen. Ich will Shiro.. und Deeon.. mit nach Hause nehmen.. und..“ doch ehe sie ihren Satz beenden konnte, brach sie erneut in Tränen aus.

Nur schwer schaffte Kisho es, jede Art von Trauer zu unterdrücken, bis auf eine Träne, die langsam über seine Wange schlich. Er biss seine Zähne tapfer aufeinander und schloss die Augen. Dann drückte er sie fester an sich.

Es dauerte, bis er die Kraft sammelte, um endlich aufzuatmen.

„Ich weiß.“, flüsterte er ihr schließlich zu. „Ich will sie auch mit nach Hause nehmen.“ Bevor auch er zu weinen begann, löste er langsam seine Umarmung und sah ihr in die Augen. „Aber.. wir müssen jetzt gehen..“, sprach er ihr sicher zu.

Ihren Blick trübselig zu Boden gesenkt, nickte sie ihm schwach zu und wischte über ihre Wangen. „Hmh..“

Besorgt lächelte er und streichelte ihren Kopf. „Ich bin stolz auf dich.“ Dann stand er wieder auf. „Wir werden gehen.“, begann er. „Ich muss mich für deine Hilfe bedanken.“, sagte er und wandte sich zu Mephisto.

Sein Blick wanderte von Mephistos leeren Ärmel, zur Wunde an seinem Gesicht und den müden Augen. „Du siehst nicht glücklich aus. Warum kommst du nicht mit uns mit?“

Gerührt von dem Moment musste Mephisto sich schnell die Augen reiben. Dann zog er locker eine Augenbraue hoch und wedelte mit der Hand. „Ach.. geht ruhig ohne mich. Ich habe schon einen Fluchtplan.“, dann wurde seine Stimme leiser und er schaute in die Leere. „Ich.. muss mich noch verabschieden.. und dann werde ich gehen. Das habe ich ihm versprochen.“

„Verabschieden?“, fragte Kisho verwundert.

Aber Mephisto konnte ihm nicht in die Augen sehen. Er zögerte, bevor er antwortete, doch sah wieder auf. „Unser Freund.. hat mich um einen Gefallen gebeten.. falls er irgendwann mal „scheitern“ sollte.“

„Was meinst du damit?“

Mephisto schluckte und sah an die Decke. Dann versuchte er wieder mit einem ironischen Lächeln seine Tränen zu unterdrücken. „Es ist total idiotisch. Aber.. er hat mich darum gebeten, seine Seelen auszulöschen, falls ihm etwas passieren sollte. Ich hatte nie geglaubt, dass der Moment wirklich mal kommen würde..“

„Auslöschen..?“, wiederholte Kisho schockiert.

Zögerlich seufzte Mephisto. „Ja.. bevor Lilith ihm seine Seele entreißt.. werde ich sie vernichten… deshalb.. werde ich mich.. von ihm verabschieden..“

Plötzlich wich Kisho zurück. Es war still für einen Moment.

Er runzelte die Stirn und dachte nach. Dabei legte er seine Hand grübelnd an sein Kinn.

„Was ist?“, fragte Mephisto ermüdet.

Er erhielt zunächst keine Antwort. Denn Kisho drehte sich weg und biss immer wieder die Zähne klackernd aufeinander. In kaum hörbaren, flüsternden Worten sprach er mit sich selber.

Nachdem Mephisto in die Runde blickte, schüttelte er mit dem Kopf. „Ich sollte schon längst oben sein.. Ich .. muss gehen..“

„Warte!“, stoppte Kisho ihn schnell und griff ihn an der Schulter. „Warte..!“, sagte er wieder und tippte sich mit dem Finger an die Lippen.

„Was denn?!“

„Lilith will doch Shiros Seele. Oder?!“

Mephisto hielt kurz inne und schaute ihn genervt an. „Ja, und?“

Kishos Blick wurde immer lebendiger. „Warum hat sie sich die Seele nicht schon längst genommen?!“, fragte er mit positivem Unterton.

Mephisto seufzte und lehnte sich an die Wand. „Naja.. sie kann die Seele noch nicht aus seinem Körper ziehen.“, antwortete er gelassen. „Die Dämonenseele hat sich zu sehr an seinen Körper gekrallt. Und sein Körper ist.. irgendwie noch zu stark, so dass er die Seele nicht freigibt.“, erklärte Mephisto und legte seinen Arm verschränkt an seinen Körper. „Ich sollte seinen Körper langsam vergiften.. damit dieser schwächer wird. Doch habe das Gift mit einem Heilserum vertauscht.. in der Hoffnung, dass er aufwachen würde.. aber.. … es ist zu spät… er hat… aufgegeben..“

Kisho wurde starr. Alles Negative blendete er aus. „Also lebt er noch?!“, fragte er hoffnungsvoll.

Aber Mephisto schüttelte verzweifelt mit dem Kopf. „Nein.. also.. ich.. … ich weiß nicht.. Er.. ist nicht bei Bewusstsein! Er atmet nicht einmal! Er hockt angekettet und mit Schattenspeeren durchbohrt, leblos neben Lilith Thron! Also.. Ja. Ich würde schon sagen, dass er so ziemlich, “nicht mehr lebt!““

„Aber die Seele kann Lilith nicht aus seinem Körper zerren, hast du gesagt!“, kam es aufgeweckt von Kisho. „Shiro kann nicht tot sein, wenn sie die Seele nicht aus seinem Körper entnehmen kann!“

„Nein.. ich habe ihn gesehen.. er.. ist tot.. Genau wie … Deeon…“

Nach diesen Worten zuckte mein Körper leicht zusammen.

Ich wollte nicht hören dass sie gestorben waren. Ich wollte nicht hören, dass Deeon und Shiro es nicht geschafft hatten. Es fühlte sich wie ein kleiner Stich im Herzen an.

„Bist du dir da wirklich sicher?“, setzte er nun Mephisto unter Druck.

Aber dieser wich erbost zurück und hob die Hand vor Kisho. „JA! Sie sind TOT!“, sprach er laut.

Nun blickte auch ich ihn wortlos an.

„Deeon hat nichts als ein paar lieblose Federn hinterlassen, hat sich aufgelöst und hat uns einfach verlassen! Und .. der.. Schattenmann… Selbst wenn er noch leben würde! Selbst wenn er nicht tot wäre!! Was dann?! Sobald er die Augen öffnen würde, wird Lilith ihm grinsend die Gliedmaßen abreißen, bis er elendig verblutet! Selbst wenn er jetzt, in diesem Moment noch lebt. Hätte er keine Chance auf Rettung! Sie wird ihm jeden Augenblick die Seele entziehen. Und dann ist es sowieso vorbei!“ Mephisto wurde ungewöhnlich wütend und laut. Seine Stimme zitterte, denn auch er hatte seinen Verlust noch nicht verkraftet.

„Ich habe versucht mich damit abzufinden, dass sie nicht mehr da sind..!“ Langsam begannen Tränen seine Augen zu füllen. Seine Hand zitterte. Er wurde blass und faste sich an seinen fehlenden Arm. „Ich will nicht, dass er noch mehr leiden muss! Er.. hat Deeon verloren.. Er.. hat seine Familie verloren.. Und.. wenn er aufwacht.. würde sie ihn quälen… Das hat er einfach nicht verdient..“

Sanft floss eine Träne an seiner Wange herunter, während er Kisho wütend anstarrte.

Dann begann er zu weinen. „Wenn ich seine Seele auslöschen würde.. wäre es ein viel sanfteres Ende..“

Ergriffen von seiner Ansprache, starrten wir Mephisto sprachlos an. Er war verletzt und schwach. Er war ehrlich und ängstlich. Er war einfach hilflos.
 

Mich hatte das laute Gespräch langsam aus meiner Starre befreit.

Noch perplex von seiner Botschaft, wurde mein Körper ganz starr und bewegte sich nicht mehr. Ich stand lediglich an der Wand und hatte meinen Blick erst dem Boden zugerichtet und dann Mephisto.

Uns alle traf der Schmerz tief. Wie benebelt schaute ich mich um.

Kitsune stand dicht hinter ihrem Bruder und versuchte ihre Tränen zu bändigen, während sie immer wieder über ihre schon rote Nase wischte.

Mephisto zeigte sich von seiner, seit Ewigkeiten vergrabenen Seite. Er zeigte Trauer und Schmerz, welche er doch sonst zu gut vertuschen konnte.

Doch nur Kisho strahlte zwischen den dunklen Gestalten in einem schwachen und doch warmen Licht.
 

Und ich?

Ich stand abseits von ihnen. Meinem Geist vortäuschend, das alles nur ein Traum sei. Nicht realisierend, was dieser Zustand zu bedeuten hatte. Es war als stand ich neben mir selber. Beobachtend, zeitlos. Meine Gefühlswelt verständnislos ignorierend.

Ich war leise. Ich weinte nicht und ich trauerte nicht. Ich fühlte mich falsch.

Aber was war es, das mich noch immer hier stehen ließ? Wieso wollte ich hier nicht weg? Wieso brach ich nicht zusammen, obwohl ich doch sonst so schwach war?
 

Mephisto lies die Schultern sinken und sah weg. Es war leise. Eine bedrückende Stille stand zwischen uns und lastete schwer auf unseren Herzen.

Doch Kisho ballte standhaft seine Hände zu Fäusten. „Gibt es.. nicht irgendeine Möglichkeit…“, begann er zögernd. Wütend darüber, keinen Ausweg zu finden, biss er seine Zähne aufeinander. „Shiro ist hier! Und selbst wenn wir Deeon verloren haben, können wir immer noch Shiro retten! Wir dürfen nicht in Trauer versinken! Nicht jetzt! Wir.. könnten ihn heilen! Wir.. müssen ihn hier weg schaffen… wir können ihn doch nicht einfach hier lassen! Und..“

„Und was dann?“, fragte Mephisto trocken. „Lilith sitzt im gleichen Raum wie er. Du kannst ihn dort nicht befreien. Und wenn du doch zu ihm kommen könntest, wirst du die Ketten nicht öffnen können! Und selbst wenn du das schaffst, indem du die Ketten mit Engels-Licht sprengst, wirst du mit ihm nicht einfach so hier hinaus spazieren! Du kannst nicht schnipsen und bist plötzlich hier weg! … Es.. gibt keine Möglichkeit!“, begegnete er ihm eisern.

Doch plötzlich öffnete Kisho verdattert den Mund und sah Mephisto an. „Doch..“, antwortete er knapp.

„Was?“

„Doch! Ich kann! Ich kann hier hinaus spazieren!“ Sofort kramte Kisho vorsichtig in seiner inneren Tasche seines Oberteils und holte das müde und halb benommene Irrlicht auf seine Hand. Er hob sie hoch und präsentiere sie Mephisto.

Auch ihm blieb einen Moment der Atem stehen. „Ein.. Irrlicht..!?“

„Es kann Portale erstellen und schließen!“, kam es hoffnungsvoll von Kisho.

„Aber.. das würde bedeuten… das… - Nein! Nein.. nein.. ich… es geht nicht. Das wird nie klappen!“ Unentschlossen und überrumpelt von Kishos Idee, schüttelte Mephisto den Kopf. „Wie.. sollten wir.. wir.. nein..“

„Wir müssen Lilith ablenken! Sie kann uns hier nicht spüren! Wir müssen ihr eigenes Schild gegen sie verwenden! Wir brauchen nur etwas zur Ablenkung!“ Kishos Stimme wurde immer motivierter. Er sah Mephisto mit großen Augen an.

Auch mich ergriff plötzlich ein Hoffnungsschimmer.

„Kommt schon! Wir… werden es doch wohl schaffen irgendeine Ablenkung zu finden!“, kam es fordernd von dem Fuchsdämon. Er sah zwischen uns beiden her.
 

Ergriffen von dem Gedanke, Shiro zu retten, sprang mein Herz beinahe aus meiner Brust. Ich erwiderte Kishos Blick. „Ich helfe dir!“ Waren meine ersten Worte.

Sofort machte ich einen gewissenhaften Schritt nach vorn.

Seine Wärme schmelze mein starres Eis. Meine eisigen, zitternden Hände wärmten sich auf und mein Puls pochte immer schneller. Gab es nun doch noch Hoffnung?

„Kisho! Ich helfe dir!“, sprach ich wieder entschlossen und nickte ihm zu. Dann sah ich zu Mephisto und bemerkte, was mich die ganze Zeit aufrecht hielt.

Ich konnte es nicht zulassen, zu scheitern. Ich wollte nicht scheitern. Und ich würde nicht scheitern. Shiro schenkte mir Mut und Kraft. Es war der Wille, nicht verlieren zu wollen. Der Wille, den Shiro so stolz und stur machte. Und dieser war nun tief in mir verankert.

„Wir müssen nachdenken! Was könnte sie ablenken?“, fragte Kisho.

„Jemand muss sie weg locken. Jemand muss sie weg holen. .. Weil man ihr etwas zeigen will!“, war meine erste Idee.“

„Nein nein.. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie jemanden schickt ist zu hoch!“, erwiderte Kisho.

„Dann etwas lautes. Eine Rauferei! Ein Streit.“, antwortete ich schnell.

Mephisto schaute verwirrt zwischen uns her. „Das ist kein Spiel Leute!“, tadelte er uns. Doch wir ignorierten seine Negativität.

„Warum sollte sie sich die Mühe machen, den Streit zu schlichten?“

„Na, dann ein Kampf?!“

„Aber.. Yuki… keiner von uns wäre stark genug. Wenn es nicht einmal Shiro und Deeon zusammen schaffen..“, begegnete Kisho mir zögerlich.

„Aber es muss kein Kampf - gegen sie - sein!“, argumentierte ich. „Es muss sie nur ablenken!“

„Aber die Gefahr ist zu hoch, dass sie einschreitet… ich wüsste nicht wer nur einen Schlag von ihr aushalten würde. Geschweige denn, einen Blick. Wir brauchen etwas anderes.. Ich würde das keinem zumuten..“

„Wir.. brauchen doch nur jemanden, der … stark ist..“

Plötzlich hörten wir Mephisto neben uns seufzen.

Er holte tief Luft und faste sich zwischen die Augen, an die Seiten seines Nasenknochens. „Bastet..“, unterbrach er uns.

„Was?“

Dann rollte er die Augen und presste kurz die Lippen aufeinander. „Bastet wäre stark genug..“, erklärte er gezwungen.

„Bastet?!“, fragte ich laut und sah ihn überrascht an.

Mephisto biss die Zähne aufeinander, legte seine Hand vor sein Gesicht und drehte sich weg. „Ich… hasse es, mir Hoffnung zu machen..“, flüsterte er sich zu, ehe er sich uns wieder zuwandte. „Bastet ist im Raum neben dem Saal eingesperrt.“, begann er zu erzählen. „Lilith hat dort eine kleine Folterkammer und Kerker errichtet. Man kommt auch von einer kleinen Seitentür dort hinein. Ein paar andere Überlebende und auch Bastet sind dort angekettet. … Würde man sie befreien..“

„Dann kann Bastet sie ablenken!“, beendete ich seinen Satz. „Ich weiß, dass Bastet stark ist!“

Doch Kisho schüttelte den Kopf. „Moment. Wir würden die Leute dort doch nur in Gefahr bringen! Wollt ihr das verantworten?!“

„Wir müssen nur schnell genug sein.“ Mephisto legte sich seine Hand an sein Kinn. „Dort ist nur eine Wache… Und wenn Bastet dort randaliert, muss Lilith nachsehen! Sie ist stärker als Bastet, aber auch die einzige die sie wieder zügeln kann. Sie wird Bastet nicht töten. Ich weiß, dass sie Pläne mit ihr hat.“

„Dann können wir zu Shiro und die Ketten lösen! Und schnell mit dem Irrlicht fliehen!“, kam es von mir. „Und später kommen wir und retten Bastet!“

Schnell kramte Mephisto in der Tasche seines Jacketts. „Hier. Eine Berührung damit, wird die Schattenketten auflösen.“, sagte er und zeigte uns eine Feder. Somit stimmte auch er dem Plan zu.

Er zeigte uns eine schneeweiße Feder. Sie strahlte Ruhe und Wärme aus. Es war eine Engelsfeder.

„Ist das…“, stotterte ich. Mir blieb der Atem für einen Moment stehen. Denn es war eine Feder aus Deeons Flügel.

„Ja..“, antwortete Mephisto mir ruhig und legte sie mir in meine Hand. Seine Stimme wurde immer leiser. „Ich konnte eine retten, bevor sie die restlichen verbrannte…“

Nun voller Mut und Kraft, Shiro zu retten, blickte er uns an. „Wir müssen zusammen bleiben!“, sprach er uns zu. „Wir müssen in der Nähe des Irrlichts bleiben! Damit wir alle zusammen verschwinden können! So weit weg wie möglich! Also darf keiner von uns sich von der Gruppe trennen!“

„Ja!“

Kisho und Ich nickten ihm zuversichtlich zu.

Nun kam auch Kitsune zu uns, die sich langsam wieder aufraffte. „Wir.. retten Shiro..?“, fragte sie leise.

Sofort kniete Kisho sich zu ihr. „Ja! Schwesterchen! Wir werden ihn retten! Und wir müssen zusammen bleiben.“

„Na gut.“, kam es entschlossen von Mephisto. „Wir müssen schnell den Gang runter und sofort links. Wir werden an der Wand entlang laufen! Und so schnell und leise wie möglich! Es sollten weder Wachen noch ihre Hunde unterwegs sein. Denn die einzige Person die ihr gefährlich werden könnte, wurde ja bereits beseitigt!“ Er zeigte hinter sich und schaute in die Runde. „Wir laufen bis zum Ende und die Treppen hinauf. Dann wieder links und die erste Tür.“

„Okay“

Kisho, Kitsune und ich sahen ihn aufmerksam an. Dann sahen wir ein letztes Mal in die Gruppe, um uns gegenseitig Kraft zu geben.

Ein kleines Kichern unterbrach die Stille. Kitsune musste sich glücklich die letzte Träne vom Auge wischen. „Ich habe doch gesagt, dass wir Shiro holen! Dafür sind wir doch hier!“

Nun musste auch Mephisto lächeln. „Ja..“, kam sanft aus seinem Mund. Er zögerte etwas, denn es fiel ihm schwer weiter zu sprechen. „Ich.. bin… euch wirklich sehr dankbar dafür… dass ihr hergekommen seid.. und-“
 

„HEY!“ Plötzlich hörten wir eine raue Stimme den Gang herunter brüllen.

„MEPHISTO! Beeil dich mal!“, schrie jemand anderes.

Panisch erstarrten wir. Ich sah Mephisto erschrocken an. Mir blieb der Atem weg. Auch er wurde bleich und starrte mich an.

Doch ich bemerkte, wie sein Blick zu Kitsune und Kisho fuhr und anschließend wieder zu mir. Ein starrer, panischer Blick. Er schluckte. Sein Puls schlug immer höher.

„KOMM HER!“, schrie wieder die raue Stimme.

Mir lief ein Schauer den Rücken entlang. Es war wie ein Schock, der meine Knochen durchfuhr.

Und dann lächelte Mephisto traurig. „Geht..“, flüsterte er zuletzt, als er sich schnell umdrehte.

Panisch riss ich die Augen auf und wollte ihn greifen. „Nein!“

Doch Kisho hielt mich fest. Ich zitterte und sah ihm nach. „Stopp!“, rief ich erneut und schaute Mephisto erschüttert an.
 

Mephisto sollte mit uns fliehen. Wir mussten zusammen bleiben. Und nun wollte er sich von uns trennen. Das wollte ich nicht zulassen. Ich wollte ihn nicht schon wieder verlieren. „Mephisto!“, rief ich ihm hinterher.

Die Zeit verging quälend langsam. Verstört versuchte ich mich von Kisho loszureißen.

„Yuki!“, stoppte Kisho mich aber.

„Nein! Warte!“

„Yuki!“, schnell drückte er mich an die Wand und legte seine Hand auf meinen Mund.

Schweigend erkannte ich ein letztes Mal Mephistos Blick. Ein wohlwollendes und verabschiedendes Nicken zeigte er mir. Bis er schließ lies um die Ecke lief.

Er rannte aus dem Seitengang, in dem wir uns versteckten und drehte sich den rufenden Stimmen zu.
 

„OOOH! Ja! Hallöchen! Na. Das ist ja zucker süß, dass ihr euch um mich Sorgt. Hihi.“, antwortete Mephisto ihnen. Dann lief er auf sie zu. „Na. Was braucht ihr süßen denn von mir?“

Ein großer, zwei Meter großer, mit Muskeln bepackter Echsendämon, mit langem schuppigen Schwanz und spitzen Zähnen wartete mit verschränkten Armen auf den Rothaarigen. Neben ihm stand ein kleinerer Fischdämon mit glupschenden, runden Augen und blauer Haut.

„Ich habe dich doch sprechen hören…“, sagte der kleinere mit seiner fiesen hellen Stimme. „Wer ist da bei dir?!“

„Waaas?“, fragte Mephisto dekadent und wedelte in der Luft. „Haach ich muss halt manchmal mit mir selber sprechen. Wisst ihr, wenn man immer… so einsam ist wie ich..-“

„Halt die Klappe Mephisto!“, unterbrach der Große ihn. „Wer war da bei dir.“
 

Wir hörten das Gespräch erschrocken mit an. Noch immer stand Kisho vor mir und presste mich an die Wand. Wir sahen uns panisch an. Wir mussten uns ruhig verhalten. Wir durften nicht auffallen. Wir mussten leise sein.
 

Dann lief der Echsendämon auf Mephisto zu. Sobald dieser bemerkte, dass er sich dem Versteck näherte, schnellte Mephisto den beiden entgegen. „Hach. DU bist immer so ernst. Haha. Soll ich dich etwas massieren, ja? Das entspannt..“ Mephisto wollte ihm die Muskeln an seinem Arm massieren, doch die Echse lief an ihm vorbei und drückte ihn verachtend weg.

„Lass das.“

Dahinter folgte der Fisch ihm. „Mephisto. Ich hab dich genau gehört!“

„Ich schau selber nach.“, kam es genervt von der Echse.

„Ehm! W… warte doch.“, schnell stellte Mephisto sich vor ihn. „Weißt du. Lilith wartet auf mich. Und ehm.. ich denke wir sollten sie nicht warten lassen. Los los. Also wieder zurück.“

Plötzlich packte die Echse ihm am Kragen und zog ihn grob zu sich. „Halt deine Klappe! Und sag uns lieber wer da bei dir ist!“

„Oh du wirst immer so schnell wütend. Weißt du, dass das echt sexy ist? Wollen wir beide nicht vielleicht zusammen.. hmhh.. also.. du weißt schon.“, Mephisto leckte sich die Lippen und hob gelassen die Augenbraue hoch.

Doch die Eche warf ihn angeekelt gegen die Wand und lief weiter.
 

Sprachlos hörten wir die Schritte immer näher kommen. Kisho und ich waren wie vereist. Unsere Blicke kreuzten sich. Sollten wir rennen? Sollten wir kämpfen? Sollten wir fliehen?

Vorsichtig deutete Kisho auf das Irrlicht in seiner Hand.

Doch sobald wir mit ihrem Portal verschwinden, wäre die ganze Planung umsonst gewesen.

Ich konnte ihm nicht zustimmen. Es musste einen anderen Weg geben.

Also schüttelte ich den Kopf. Doch er runzelte die Augenbrauen und nickte mir zu. Langsam hob er das kleine, Feen ähnliche Wesen und wollte es wecken. Doch schnell legte ich meine Hände an seinen Arm und zog ihn vorsichtig wieder herunter.

Wieder sahen wir uns tief in die Augen. Unsere Blicke kreuzten sich lange. Ohne Worte wusste der andere, was gemeint war. Doch wir konnten uns nicht einigen.
 

„Hey! Wer ist das!“, hörten wir den gemeinen Fisch den Gang entlang rufen.

Erschrocken rissen wir die Augen auf und sahen uns um.

„Wer ist dieses kleine Mädchen!?“, schrie die Echse.

Panisch drehten wir uns zum Ende des Ganges. Kitsune war verschwunden. Denn sie stand nun außerhalb des Ganges und präsentierte sich den wütenden Dämonen.

„Was? Nein!“ Kisho wollte ihr nachlaufen. Wie verwirrt wollte er sie schnell zu sich ziehen. „Kitsu-“, doch ehe er auch sich selber unseren Feinden zeigte, hielt ich seinen Arm fest und zog ihn zurück. „Nicht..“; flüsterte ich ihm besorgt zu und sah an ihm vorbei zu Kitsune. Auch mich schockierte ihr seltsames Verhalten. Wusste sie nur nicht, was sie tat?

Wir beide standen angewurzelt im Gang und starrten Kitsune an. Kishos Herz pochte immer lauter. Ich bemerkte seine Angst und seine aufbrausende Art.

„Ich.. wollte Lilith sehen..“, sprach Kitsune nun naiv und leise.

„Wer bist du?!“, rief die Echse nun lauthals.

„Das! Ach das!.. Die kleine.. ja… ehm ja das ist nur…“, stotterte Mephisto vor sich her.

„Ich.. bin Kitsune! Und ich bin hergekommen, um Lilith zu sehen. Ich.. ich habe schon so viel von ihr gehört.. und ich wollte sie unbedingt kennen lernen..“, antwortete die Kleine und lief mit langsamen Schritten auf die drei zu.

Starr und doch bereit ihr jede Sekunde hinterher zu rennen, blickte Kisho seiner Schwester nach. Ihm verschlug es die Sprache.

„Sie will Lilith ablenken..“, flüsterte ich ihm zu.

Ich verstand, was sie vor hatte. Sie wollte uns helfen. Und anscheinend hatte sie schon einen Plan.

Kisho presste die Zähne aufeinander. „Diese kleine dumme Ziege..“, fluchte er verärgert.
 

Die riesige Echse beugte sich belustigt zu Kitsune herunter, als sie sich mutig vor ihn stellte. „Was?“, fragte er laut. „PA! HAHAHA!“, er begann spuckend zu lachen und riss seinen langen Mund auf. Grinsend und dabei seine spitzen Zähne zeigend blickte er sie an. „Du weißt wohl nicht, mit wem du es zu tun hast!“

Sofort stellte sich Mephisto vor ihn. „Jaaa ach ja! Die Kleine. Weißt du.. sie ist niemand. Irgendein verwirrtes Kind. Haha! Ja… also wirklich nicht zu beachten. Ich wollte sie gerade sowieso rausschmeißen. Es ist nur ein verrücktes Kind.“, meinte er und wedelte mit seiner Hand in der Luft herum.

„Ich habe einen sehr weiten Weg auf mich genommen, um herzukommen. Und nun will ich mich nicht vertrösten lassen. Ich will Lilith sprechen! Außerdem habe ich ihr etwas zu sagen, dass Gewiss ihr Interesse weckt“, kam es fordernd, mit eiskaltem Blick von Kitsune.

Der Fischdämon beugte sich zu seinem Gefährten. „Pff… dummes Gör. Du weißt wohl nicht, dass wir dich einfach mit einer Hand jetzt sofort töten könnten! Wenn du so viel von Lillith gehör hast, weißt du auch bestimmt, dass sie Eindringlinge hasst.“

„Hey Fisk! Hallt die Schnauze.“, ermahnte die Echse den gemein dreinblickenden Fisch.

„Eh! Was!?“,

„Die Kleine ist taff. Wenn es ihr Wunsch ist, Lilith zu sehen, sollten wir ihr den Wunsch doch gerne erfüllen. Ich würde auch zu gerne wissen, welche Infos das kleine Fuchsmädchen hat.“

„Bist du verrückt?! Wenn wir Lilith mit diesem Mädchen nerven, tötet sie am ende auch noch uns!“

Nun meldete Mephisto sich wieder. „Ich werde sie zu Lilith bringen!“, kam es wie aus einer Pistole geschossen.

„Du?“, fragte der Fisch neugierig. „Wieso das denn plötzlich?“

Sofort lief Mephisto ignorant auf Kitsune zu und stellte sich hinter sie. Dann legte er seine Hand auf ihre Schulter. „Komm kleine. Wenn die beiden das unbedingt wollen, bringe ich dich zu ihr. Vorausgesetzt, du willst das wirklich.“

Sie taten, als würden sie sich nicht kennen. Doch Kitsune sah zu ihm herauf. „Ja! Ich will zu Lilith!“, antwortete sie ihm strickt.

Ohne weiter Zeit zu verlieren, griff er ihren Arm und lief mit ihr an den anderen Beiden vorbei. „Du hast Glück! Denn ich wollte sowieso gerade zu ihr!“, meinte er arrogant.

„He. Mephisto.“, die beiden anderen schauten ihm überrascht nach.

„Keine Zeit keine Zeit! Meine Güte!“, Mephisto drehte sich um und rollte die Augen. „Ihr sagt mir, dass ich mich beeilen soll und jetzt haltet ihr mich auf! Dann wollt ihr, dass dieses komische Kind zu Lilith kommt und lasst mich nicht mit ihr gehen. Entscheidet euch doch mal! Das ist hier ja ein Kindergarten! Tze!“

Sprachlos starrten die Echse und der Fisch ihm hinterher und ließen ihn mit Kitsune von dannen schreiten.

„Der Typ…“, knurrte die Echse erbost.

„Aus dem wird man nicht schlau..“, kam es vom Fisch, der sich am Kinn kratzte. „Na los, lass uns auch Mal gehen. Wir müssen noch zur Planbesprechung bevor wir in die Menschwelt gehen..“
 

Nachdem die Gespräche verstummten, spähte Kisho vorsichtig um die Ecke.

„Sind sie weg?“, fragte ich leise, obgleich ich es schon erahnen konnte, dass wir nun alleine waren. Doch er blieb stumm. Schweigend hatte er mir nur den Rücken zugewandt.

„Kisho..?“, zaghaft berührte ich seinen Rücken und blickte in sein Gesicht.

Krampfhaft biss er sich auf die Lippen. Seine spitzen Eckzähne bohrten sich dabei in seine Haut. Seine Augen starrten fassungslos ins Nichts und seine langen Ohren waren entsetzt angelegt.

Bestürzt griff er sich mit seinen Händen in die Haare. „Kitsune…“, kam es leise aus seinem Mund. Dann lehnte er sich zurück an die Wand und richtete seinen Blick dem Boden zu.

Ich hielt inne, als ich diese verloren aussehende Gestalt vor mir stehen sah. Er versuchte stark zu bleiben, doch brachte ihn die unglückliche Abwesenheit seiner Schwester zum zweifeln.

Uns allen lag eine schwere Bürde auf den Schultern. Alle von uns mussten eine Art Verlust verkraften. Doch wir mussten stark bleiben und durften unserer Angst erst ein anderes Mal erliegen.

Ich wartete einen Moment, bis ich langsam vor Kisho trat. Mitfühlend legte ich meine Hände an seine Arme. „Kisho..“, flüsterte ich ihm zu. „Wir holen sie wieder…“

Still versuchte er erst meinem Blick auszuweichen. Doch dann nickte er mir zu.

„Ja… und dann bekommt sie was von mir zu hören!“, antwortete er angespannt, mit einem Hauch von Ironie in seiner Stimme.

Ich war gerührt von seiner aufrechten Haltung und lächelte. „Von mir auch.“, begegnete ich ihm ebenfalls ironisch.

Wieder bei Sinnen, richtete Kisho sich auf. „Komm! Wir müssen uns beeilen!“, sagte er und deutete zum Ende des Ganges.

Ich nickte. „Los geht’s!“
 

Nachdem wir uns wieder aufrafften, rannten wir mit schnellen Schritten aus dem Gang heraus. Kisho lief voraus, während ich ihm sicher folgte.

Wir waren leise. Wir waren flink. Wir waren schnell und unsichtbar.

Zusammen liefen wir den Weg entlang, den Mephisto uns gesagt hatte. Es sollte nicht weit sein. Wir liefen wie vereinbart an den Wänden entlang und versteckten uns hinter jedem Schild und jedem Winkel.

Die Flure und Gänge waren wie leergefegt. Wo vorher eine Masse von laut schreienden Dämonen her trottete, war nun kein Laut mehr zu hören. Manche Geschäfte mit herausragenden Ständen, waren zusammengebrochen oder mit Brettern vernagelt. Einige Laternen, die an Bändern zwischen den Wänden befestigt waren, hingen zerrissen herab. Am Boden und an den Wänden erkannte man vereinzelte Spuren von Kämpfen.

Mich erschütterte der Anblick, doch gleichzeitigt weckte er in mir den Willen, die anderen zu retten. Ich ballte die Fäuste mutig zusammen und rannte hastig weiter.

Niemand begegnete uns auf dem Weg. Weder Freund noch Feind.
 

Wir waren ein gut eingespieltes Team. Sobald Kisho vorsichtig bei den kleinen Nebengängen hielt um schnell um die Ecken zu schauen, hielt ich den Restlichen Raum, sowie den Weg hinter uns im Blick. War die Luft rein, ging es rasch weiter.

Wir verständigten uns ohne Worte. Leise und unauffällig.

Denn wir beide waren es leid, ständig von unserer Angst und Trauer aufgehalten zu werden. So wie Shiro jeden Tag mit erhobenem Haupt voranschritt, wollten wir auch unsere Kraft für diesen Moment geben. So wie Shiro in jeder Situation Stärke und Mut bewies, wollten auch wir uns von unserer Furchtlosigkeit leiten lassen.

Und ich verstand immer mehr, wie es dazu kommen konnte, dass Shiro so stark, mutig und egoistisch, und doch so ängstlich und schwach sein konnte.

Je mehr schlimme Ereignisse auf mich einschlugen, desto mehr musste ich von mir selber verlangen. Nachdem ich immer wieder einen Fehler, eine Ablehnung oder einen unmöglichen Weg vor mir hatte, musste ich mich aufraffen. Ein ständiges verlieren wollte ich nicht mehr akzeptieren. Ich musste härter werden. Ich musste stärker werden, um weitere Fehlschläge auszuhalten. Nicht um sie zu verhindern. Denn Fehlschläge werden immer ein Begleiter des Lebens sein. Wichtig ist nur, diese auszuhalten.

Und so kam es dazu, dass ich mir einredete, alles schaffen zu können, wenn ich nur stark genug wäre.
 

Nachdem Kisho und ich den vollen Weg hinter uns hatten, kamen wir endlich an der von Mephisto beschriebenen Tür an.

Strickt blieben wir vor dieser stehen und blickten uns an.

„Er sagte, dort könnte eine Wache sein.“, flüsterte ich.

„Hmh. Wenn es kein starker Dämon ist, könnte ich in schlafen lassen!“

„Schlafen lassen?!“

Kisho grinste. „Ich bin kein Kämpfer wie Shiro. Aber ich kann sehr gut heilen. Und der Körper heilt am besten, wenn er schläft!“

Ich runzelte vergnügt die Augenbrauen und schmunzelte. „Na dann.“

Gewappnet atmeten wir tief ein. Wir wollten dort hinein. Wir mussten dort hinein. Und niemand sollte uns aufhalten!

„Bereit?“, fragte er mich.

„Ja!“

Dann legte er vorsichtig seine Hand auf den Knauf und drehte diesen leise. Kaum hörbar öffnete er die Tür einen Spalt breit.

Mein Herz schlug immer schneller. Mein Körper war angespannt. Meine Knochen waren Starr und mein Blick immer geradeaus gerichtet. Ich wollte für alles bereit sein.

Mit seinem ausgeprägten Gehör versuchte er in den Raum zu lauschen. Leise blickte er anschließend in den Raum hinein.

Es war ein langer Gang. Er war sehr dunkel und eine leichte Kälte wehte aus ihm. Am Boden lag eine leblose Person. Sie war an die Wand gekettet und atmete nicht mehr. Mehrere Meter weiter, hing eine weitere Person an der Wand. Ihre Hände über ihren Kopf gekettet, nicht einmal den Boden berührend. Dieser gegenüber war eine kleine Tür, die anscheinend in den Thronsaal führte.

Desweiteren war der Raum leer.

„Es ist keiner da.“, kam es überrascht von Kisho, der schließlich die Tür weit öffnete.

Etwas erschrocken über die aufgeschlagene Tür, riss ich die Augen auf und starrte in den Raum hinein. „HMMMGH!“ Erst presste ich die Lippen fest aufeinander, doch als auch ich sah, dass der Raum nur von zwei Gefangenen belegt war, ließ ich entspannt die Schultern sinken und atmete beruhigt aus.

Sofort liefen wir hinein und schlossen die Tür leise hinter uns. Mich belastete zunächst der Anblick des toten Dämons, der wohl seinem Leid erlag. Doch mein Blick wanderte sofort auf den anderen Dämon.

Eine Frau mit langem schwarzem Haar. Sie trug ein zerfetztes Kleid und Blut triefte an ihrer Haut herunter.

„Bastet!“, sagte ich erleichtert und lief auf sie zu.

Das rascheln der Ketten verriet mir, dass sie auf ihren Namen reagierte. Sie schien schwach und müde.

Als ich mich vor sie stellte, fiel mir ihre bleiche, graue Haut auf. Schwarze Streifen zierten sie in weiten Abständen wie ein schwaches Tiegermuster.

„Kisho. Das ist Bastet!“, sagte ich und wandte mich ihm schnell zu. „Du musst sie heilen!“

Ohne zu zögern bestätigte er mich und lief auf die Gefangene zu.

Sie atmete schwer und bewegte sich kaum.

„Schnell!“, sagte ich wieder und sah auf ihre Hände, die bereits vom Druck der Ketten bluteten. „Bastet! Wir holen dich hier raus“

Sie versuchte ihren Kopf anzuheben, als ich wieder ihren Namen nannte. Ein leises Knurren hörte ich von ihr. Jedoch schien sie vollkommen benommen.

„Warte, ich hole sie dort herunter…“ Als Kisho sie nun berührte, riss sie plötzlich die Augen auf.

„GAAR!“, sie schrie laut und versuchte um sich zu treten und zu beißen. Da jedoch auch ihre Beine angekettet waren, konnten wir unbeschadet zurückweichen.

Wie ein wildes, gequältes Tier, fauchte sie uns an und zappelte verrückt.

Kisho schreckte erschrocken zurück. „Wow!“

Doch ich lief auf sie zu und versuchte sanft meine Hände auf ihre Wangen zu legen. „Bastet! Bastet ich bin es! Yuki. Ganz ruhig! Wir holen dich da runter Bastet.“

Als sie mir nun tief in die Augen sah, erkannte ich einen anderen Blick als erwartet. Es war nicht Bastet die mich ansah. Das Weiße in ihren Augen war tief schwarz und sie sah mich hasserfüllt an.

„Ich.. bin nicht.. Bastet..“, knurrte sie wütend. „Ich.. habe mir das.. das Licht genommen. Bastet wäre zu schwach.. um das auszuhalten…“

Ich blieb mutig bei ihr Stehen und sah sie nachdenklich an. „Ich.. verstehe nicht ganz..“

„Ich bin Sachmet!“, brüllte sie mich an, um mich zu verängstigen.

Doch gefasst blieb ich bei ihr und ließ mich nicht einschüchtern. Ich versuchte ihr Verhalten und Aussehen irgendwie zu identifizieren.

Dass ich keine Angst zeigte, ließ sie ernüchtern.

Sie knurrte wieder und zog verärgert ihren Kopf weg. „Bastet und ich teilen uns diesen Körper… ich bin… bin die Starke von uns beiden! Nur wegen mir denken alle, dass sie so… mächtig ist…“

Ich dachte einen Moment lang nach. Denn ich erinnerte mich an Bastets seltsames Verhalten, als sie mir die Haare für den Ball richtete. Damals sprach sie von den gescheiterten Kämpfen gegen Shiro, als sie ihn kennenlerne. Er hatte sie mit Leichtigkeit besiegt, während es ihr schwer fiel, überhaupt etwas gegen ihn auszurichten. Besonders wütend machte es sie, dass er nicht einen Kratzer vom Kampf davon trug.

Nun wusste ich, dass es nur seine immensen Heilkräfte waren, die seine Wunden sofort schlossen.

Als sie mir die Geschichte damals erzählte, wurden ihre Augen ebenfalls schwarz und ihre Haut wurde bleich vor Wut. Schon da war es mir aufgefallen, doch hatte ich es nicht hinterfragt. Anscheinend war es Sachmet, die sich innerlich darüber aufregte.
 

Noch immer mein Ziel klar vor Augen, schaute ich sie ernst an. „Sachmet!“, begann ich zu sprechen. „Wir können dich hier raus holen… wenn du uns hilfst!“

Sie spuckte herablassen etwas Blut aus ihrem Mund. „Tze. Ich soll… euch helfen? …“, fragte sie.

„Ja! Ganz einfach. Du musst einen Kampf auslösen. Du musst Lilith Aufmerksamkeit auf dich ziehen –“

„Damit sich mich am Ende doch tötet?!“, fragte sie aufbrausend.

„Nein! Wir werden einschreiten, bevor Lilith etwas tun kann!“

„Und wie… soll ich irgendwas ausrichten? Mit meinen Wunden… kann ich kaum bei.. Besinnung bleiben..“

Ich ging einen Schritt zu Kisho, der sich eingeschüchtert von Sachmet entfernt hatte. Dann zog ich ihn am Ärmel deutete präsentierend auf ihn. „Glücklicherweise, haben wir den besten Heiler der Welt hier!“

Kisho grinste ertappt. „Eh.. was?“

„Du hast doch gerade noch gesagt, dass du heilen kannst!“

„Ja.. aber…“

„Nichts aber! Heile sie! Sie wird dir nichts tun!“, unterbrach ich ihn und hob einen Finger.

Sachmet schaute ihn mit einem dunklen Blick an. „Ich werde dir nichts tun…“, bestätigte sie mich. „Es sei denn du stehst mir im Weg…“, fügte sie anschließend hinzu. „Alles ist besser als hier zu hängen..“ Kurz hielt sie inne und sah weg. „Du…“, meinte sie zu mir.

„Hm?“

„Bastet.. vertraut dir… und nur deswegen.. helfe ich euch.. Verstanden?“

Erleichtert musste ich lächeln. „Das freut mich.“

„Solltet ihr mich… auf irgend einer Weise aufhalten, … werde ich euch aus den Weg räumen..“

Kisho schauderte kurz vor dieser Drohung. „Ehm.. ja… Das werden wir nicht… Moment kurz.“ Er ging zu ihr und legte seine Hand an ihre Hände. „Ich werde… zuerst das hier lösen..“ Als er versuchte die Ketten zu öffnen, stoppte Sachmet ihn.

„Warte!“, maulte sie wütend. „Heil mich zuerst…. Dann werde ich sie sprengen.“, befahl sie ihm.

„Das ist wirklich in Ordnung für dich?“, fragte Kisho.

„Mach schon!“, brüllte sie ihn an.

Ich zuckte zusammen und sah mich schnell um. „Nicht so laut.“, meinte ich und hob meine Hände besänftigend.

Kisho legte seine Hand sofort auf ihren Rücken. Sanft hielt er seine Handflächen über ihren Körper und ein warmes, gelbes Licht begann zu leuchten. „Es wird etwas dauern..“, sagte er und schloss konzentriert die Augen.

Währenddessen schaute Sachmet mich an. „Wie.. ist der Plan?“

Ich stand ihr gegenüber. „Also.. der Plan..-“

Plötzlich hörte ich die Tür hinter mir knarren. Ich schreckte zurück. Meine Muskeln zuckten schmerzhaft zusammen. Mir blieb der Atem stehen. Auch Kisho schreckte zurück. Ich riss die Augen auf und stellte mich im Affekt hinter die Tür. Mir fiel kein anderer Ort zum verstecken ein. Schnell winkte ich Kisho hastig zu mir. „Komm schon!“, forderte ich ihn auf.

Er befreite sich schnell aus seiner Schockstarre, schüttelte seinen Kopf. Im letzten Moment schaffte er es, sich ebenfalls hinter der Tür zu verstecken, ehe sie weit aufgerissen wurde.

Der tollpatschige Ziegendämon, den wir zuvor mit Mephisto gesehen hatten, kam mit einem Schritt hinein. Ein undeutliches „Sei leise!“, rief er in den Raum hinein.

Kisho und ich waren wie vereist. Wir standen dicht zusammen, direkt neben der Tür. Ein kleiner Blick zur Seite hätte gereicht, um uns zu sehen.

Mein Herz hörte für einen Moment auf zu schlagen. Kisho und ich hielten uns gegenseitig fest.

Sachmet hing noch immer an ihren Ketten und schaute den Ziegendämon grummelnd an. Dann spuckte sie auch ihm gegenüber verachtend auf den Boden.

Weitere Worte wurden nicht gewechselt. Denn der Ziegendämon schaute sie zitternd an und lief rückwärts wieder aus der Tür hinaus. Obwohl sie angekettet war, schien er ihr gegenüber Respekt zu haben.

Er zog die Tür wieder hinter sich zu. Durch sein ungeschicktes Verhalten, ließ er die Tür jedoch nicht im Türrahmen einrasten. Sie sprang mit einem leisen Klacken wieder heraus und ein kleiner Spalt zum Saal öffnete sich.
 

Auch nach weiteren, stillen Momenten, standen Kisho und ich angewurzelt in der Ecke. Wir trauten uns nicht, etwas zu sagen oder gar zu blinzeln.

Genervt davon, rollte Sachmet mit den Augen. „Er ist weg..“

„Eh! Ja!“, sofort ging Kisho wieder auf sie zu und fuhr mit der Heilung fort.

Währenddessen stand ich noch vereist an der Wand. Meinen Puls suchend presste ich meine Arme an mich. Es dauerte, bis ich mich wieder beruhigte.

Doch ein lautes Lachen aus dem Saal, rüttelte mich direkt wieder wach.

Es war ein gemeines und hochmütiges Lachen, das durch den Saal schallte. Neugierig klimperte ich mit den Augen und kam zu mir.

Schleichend bewegte ich mich zur Tür und erkannte den Spalt, der mich in den Saal blicken ließ.

„Mach die Tür zu.“, flüsterte Kisho mir zu.

„Moment noch..“ Ich stellte mich nahe an den Spalt um mehr sehen zu können. Ich sah einen verwüsteten Saal. Ich sah kaputte Statuen und Steine am Boden liegen. Und dann sah ich Mephisto mit Kitsune in mitten diesem Saal stehen.

„Da sind sie!“, sagte ich überrascht.

„Was?“, auch Kisho wollte sehen, was ich sah. Doch Sachmet grummelte. „Mach schon. Sonst wird das nichts.“

Alleine beobachtete ich also die beiden von dem Nebenraum aus. Viel zu gefährlich war die Situation, doch war ich zu neugierig um die Tür zu schließen.
 

Mephisto stand hinter Kitsune. Es schien, als würde er einer dritten Person etwas erklären. Doch ich konnte nicht hören, was er sagte. Dann begann Kitsune wieder zu sprechen. Sie ging einen Schritt vor und sprach ernst und bittend. Sie schüttelte vergebens den Kopf und gestikulierte gefühlvoll.

Ängstlich ging sie dann einen Schritt zurück.

Mir blieb der Atem stehen. Meine Knochen erzitterten. Denn ich sah Lilith auf sie zulaufen. Ich konnte nicht atmen. Ich konnte nicht sprechen.

Lilith sah herablassend auf Kitsune herunter. Belustigt lachte sie laut. Dieses Lachen. Es war sie!

Ich sah, wie Mephisto sich in das Gespräch einmischte und sich vor Kitsune stellte. Doch sofort gab sie ihm eine leichte Ohrfeige. Es klatschte laut und er wurde mit Wucht gegen die nächste Wand geschleudert.

Ein großer Riss entstand durch den Aufprall und einige kleine Steine fielen herab. Von Schmerzen erfüllt, versuchte er irgendwie nach Luft zu ringen.

Kitsune schaute ihm geschockt nach und wandte sich wieder Lilith zu.

Ich hörte sie laut sprechen. „Lilith!“, sagte sie und schaute sie wütend an. Erneut schien es, als würde Kitsune sie um etwas bitten.

Belustigt hockte Lilith sich zu ihr herunter. Sie schaute ihr in die Augen. Kitsune schien verzweifelt, während Lilith beinahe zu gähnen begann.

Ohne zu antworten, hob sie ihre Hand und tippte Kitsune nur mit dem Zeigefinger auf die Stirn.

Es war, als würde die Zeit stehen bleiben.
 

Kitsune wurde bleich. Ihr Körper wurde schlapp. Das Schimmern in ihren Augen erlosch.

Dann sackte Kitsune leblos zusammen und fiel tot zu Boden.
 

Schockiert hielt ich mir die Hand vor dem Mund.

Mein Magen drehte sich. Mir wurde übel.

Ich hatte Angst. Mein Herz raste.

Ich konnte nicht stehen. Meine Knochen zitterten.

Ich hielt die Luft an und lies mich auf meine Knie fallen. Entsetzt starrte ich noch immer in den Saal hinein.

Ich konnte meinen Augen nicht glauben. Mein Hals schnürte sich zusammen.

Ich verlor die Fassung.

In meinem Kopf schien eine entsetzte Leere zu wüten.
 

„Was ist los?! Was ist denn?!“, fragte Kisho, der noch nicht ahnen konnte, was gerade passiert war.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hey Leutz!
Bitte seid nicht wegen des Erstelldatums verwirrt. Die Geschichte habe ich vor langer Zeit angefangen und Jahre liegen gelassen. Damals hatte sie noch einen anderen Namen und eine andere Handlung, bis ich sie zwei mal von Grund auf verbessert habe. Also keine Sorge! Nun schreibe ich fleißig daran weiter.

Vielen Dank, dass Ihr euch entschieden habt meine Geschichte zu lesen! Es gibt nichts schöneres für mich als zu hören, dass euch die Story genau so sehr in den Bann zieht, wie ich mein Herzblut reingesteckt habe! =)

Ich möchte mich an dieser Stelle auch vielmals bei meinen treuen Lesern bedanken! Ihr seid die Besten! Nur Dank euch, habe ich es geschafft, die Geschichte weiter zu schreiben! Ihr helft mir mit jedem Kommentar und jeder privaten Nachricht! Und ihr seid auch so süß =3 Danke für alles!
Danke für diese wunderschöne Unterstützung! Ohne euch hätte ich gar keine Energie und diese Freude zum Schreiben. Danke danke danke!!!

Ach ja! Möchtet ihr ein paar Manga Zeichnungen für die Geschichte sehen, die ich zwischendurch zeichne? Schaut gern bei meinen Zeichnungen rein!

Ich wünsche euch noch viel Spaß beim Weiterlesen und freue mich über jedes Kommentar.

LG
Merle Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
So Leutz.. ich hab mir Mühe gegeben, das Kapitel endlich fertig zu bekommen... x_x Sry für die Dauer.
Hoffe ich mögt es. Das nächste Kapitel wird sehr wichtig. Und emotional. Und naja.. wir werden ein paar alte Leute treffen, die Yuki und Shiro schon eine Weile nicht gesehen haben xD Es wird sehr spannend.
Ich hoffe es sind nicht zu viele Fehler drin.. ich entschuldige mich jetzt schon mal dafür :D
Wenn ich Zeit habe, bearbeite ich das.
Aber ich hoffe, ihr seid erstmal zufrieden =) Was denkt ihr so über das Kapitel?
Übrigens.. wird es leider nun länger dauern, bis das nächste Kapitel kommen wird... tut mir leid =(
Bis dann! Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (131)
[1] [2] [3] [4] [5]
/ 5

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Caildyn
2019-03-22T21:20:23+00:00 22.03.2019 22:20
Ja sag mal, was ist da los? Fast ein Monat und noch nix neues?!

Ich hab die Fanfic jetzt noch ein zweites und drittes Mal gelesen und jedes Mal fallen mir einige kleine Details auf, die ich beim vorherigen lesen noch nicht bemerkt hatte, die aber so verflucht gute Hinweise auf den weiteren verlauf der Story geben!

Mach gefälligst weiter, deine Suchtis gehen sonst vor die Hunde! xD
Antwort von:  _-Merle-_
24.03.2019 01:27
hahahah xD ohje :D vielen dank und entschuldige... x_x
ich bin gerade im endspurt meiner prüfungsphase :D momentan habe ich leider den kopf nur für die schule und die arbeit >_____< es tut mir leid!!!!
ich würde so gerne weiter schreiben.. aber mir fehlt leider die energie dafür xD es kommen auch nur noch 2 kapitel xD oder vll 3... aaaahhh es tut mir so leid!!!
ich habe am 9ten und 10 mai die prüfung. und dann 4 wochen später die mündliche prüfung.. und schreibe jetzt sogar noch klausuren.. x_x mein kopf platzt bald...
ich hoffe, du kannst noch ein wenig warten... T_T
Antwort von:  Caildyn
24.03.2019 17:19
Achsooo, du steckst im Prüfungsstress! Wusste ich nicht, sorry!! >.<
Rock erstmal deine Prüfungen, deine Zukunft zu sichern ist wichtiger als die Geschichte hier fertig zu bekommen.

Da warte ich dann natürlich gerne! :D
Von:  Jayle
2019-03-13T14:04:41+00:00 13.03.2019 15:04
Mensch, jetzt habe ich das Kapitel vor einigen Tagen endlich gelesen und vergesse
ständig es zu kommentieren |D"
Wie gut, dass ich heute daran gedacht habe!x]

Ich fand es witzig, wie das kleine Irrlicht Yuki so ein bisschen geärgert hat. Oder auch, dass
sie es die ganze Zeit zutextet, obwohl sie weis, dass es sie eh nur ärgern will x'D
Und dass Kisho und Kitsune nicht all zu lange gezögert haben Yuki zu helfen,
obwohl sie wissen, wie gefährlich es ist, fand ich toll. Das zeigt, wie tief ihre Freundschaft schon geht.

Und Mephisto ist einfach genial, wie er auf das arme Kerlchen einredet und es dann noch
dazu bringt, ohne ihn weiter zu laufen x'D ...Allerdings hat mich das Ende des Kapitels schon schockiert.
Und ich könnte dich für diesen erneut fiesen Cliffhanger beinahe hassen.....aber auch nur beinahe x'D

Bzw. geh ich dann jetzt mal weinen und Nami, sowie Lilith verfluchen.... uwu
Antwort von:  _-Merle-_
13.03.2019 18:13
Hihihi xD tut mir leeeeeeid xD
Ich habe mega lange auf diesen Augenblick gewartet wo Yuki endlich auf Mephisto trifft xD. Ich weiß dass das Ende gemein ist xD sryyyyy
Es geht noch weiter... Bald... Wenn ich Zeit dafür habe.... XD
Danke für dein Kompliment :) freut mich zu hören dass man erkennt, das die Freundschaft schon stark zwischen ihnen ist :3
Du darfst nicht weinen xD es wird doch alles wieder gut... Oder auch nicht... Und dann vielleicht doch xD
Antwort von:  Jayle
13.03.2019 18:24
Das glaube ich dir nicht, dass es dir leid tut!D: xDD
(Tut es mir nämlich auch nie |D)

Und ich glaube dir, dass du dich auf dieses Treffen gefreut hast xD
Mephisto ist eben cool, auch wenn ich ihn zu Anfang doch nervig fand, mag ich ihn jetzt x3

Wie schön du dir doch selbst widersprichst x'D
Aber am besten finde ich - weinen darf ich nicht, aber Nami und Lilith verfluchen schon x'DD
Antwort von:  _-Merle-_
13.03.2019 18:41
Hahahahahahahaha xD lol. Hahahaha xD ich musste jetzt echt lachen am Ende xD
Jaaaaa die beiden darfst du verfluchen. :D
Weinen darfst du erst im nächsten Kapitel xD
Du darfst gerne raten wieso :D hehe
Antwort von:  Jayle
13.03.2019 19:25
Ich musste selbst lachen, als ich das gemerkt habe x'DDD
Aber danke - obwohl ich das auch ohne Genehmigung getan hätte ;9

Da gibt es ja nur zwei Möglichkeiten.
Entweder vor Freude,
oder weil ich so traurig bin |D
Nagut.....oder weil du wieder einen miesen Cliffhanger machst :< xD
Antwort von:  _-Merle-_
13.03.2019 19:47
Eines davon war richtig hahahahahahahaha xD :3
Hihi
Danke für deine Kommentare :) da wurde ich jetzt mega gerne weiter schreiben aber ich kann niiiicht >.<
Antwort von:  Jayle
13.03.2019 19:52
Dann besteht die Chance zu ein Drittel, dass es das Positive ist! x'D

Schade, aber ich motiviere dich natürlich gerne ;3
Antwort von:  _-Merle-_
13.03.2019 20:47
Hahahahahaha xD <3 wie cool. :D hihihi

Vielen Dank =)
Aber ich zeichne momentan eine Szene. :D eine Leserin wollte die Szene gerne sehen
XD
Fällt dir noch eine Szene ein die du gerne gezeichnet sehen würdest ? :)
Antwort von:  _-Merle-_
13.03.2019 20:48
Die du besonders fandest? Egal mit welchem Charakter
Antwort von:  Jayle
13.03.2019 21:13
Ich würde jetzt spontan sagen diese:
Langsam legte sich ein verweintes Lächeln auf Kazumis Gesicht. Sie ging auf mich zu und legte ihre Hände auf meine Wangen. „Ich werde dich niemals darum bitten. Aber.. ich wäre glücklich, wenn… du ihn wieder zurückbringen würdest.“
Oder die wo Kitsune Mephisto um den Hals springt oder die Letzte Szene des Kapitels. Das sind die, die sich bei mir ins Gedächtnis gebrannt haben :3
Von:  luna4604
2019-03-06T06:55:28+00:00 06.03.2019 07:55
In Kapitel 13 wurde mir immer mehr klar, dass Nami ein Engel ist. Und zu dem der Nami erschaffen hat. Vll war es Blondi. Vll hat er die ganzen Seelen benutzt um aus Nami ein halben Engel zu machen? Aber dass würde nicht passen mit dass er es für seine Liebe getan hat. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass er Nami liebt, weil sie ja ein kleines Kind war als sie verwandelt wurde. Was mir auch noch aufgefallen ist, ist dass Blondi und Nami ähnlich aussehen. Also im Steckbrief Foto.

13 Kapitel

Ohh :3, Awww dass ist einfach zu süß <3. Ich glaub… ich krieg einen Zuckerschock. Shiro gesteht ihr wie wichtig sie für ihn ist! Dass war bestimmt schwer für Shiro und sein Ego.
Worüber ich mich wirklich gewundert habe, ist dass Nami nicht Yukis Gedächtnis gelöscht hat. Davon war ich wirklich felsenfest überzeugt. Aber ich glaube Nami dass sie es nicht war. Nachdem Yuki so plötzlich weiß dass sie ein halber Engel ist, wird sie sie bestimmt nicht anlügen. Ich glaube dann aber Blondi hat ihr Gedächtnis gelöscht. Hoffentlich hat er ein guten Grund dafür.
Was aber wirklich lustig ist, ist der letzte Satz: ,,Was soll den schon passieren?“
Und dann kommt die Überschrift: ,,Ein Kuss“
Das war wirklich lustig XD. Leider kam es in Kapitel 15 nicht dazu…

Kapitel 15

Ich bin wirklich froh, dass immer wenn Yuki denkt dass ihr Vater kommt immer irgendjemand anderes kommt XD. Und Shiro tut mir wirklich wirklich leid Q.Q. Er bekommt sein wohlverdienten Kuss nicht. Außerdem hat sie ihn indirekt abgewiesen in dem sie gesagt hat, dass sie ihren aller ersten Kuss mit der Person haben möchte, die sie liebt. Und Shiro nimmt dass alles so gelassen.
Ich habe eine neue Theorie zu Deeons Liebe

Ich würde sagen sie lebt noch und da ich glaube, dass es Yuki Mutter ist, glaube ich dass Yukis Mutter auch noch lebt. Aber dass passt irgendwie noch so ganz >.<. Ich glaube am besten verwerfen ich die Idee dass Yukis Mutter Blondi Größe Liebe ist. Aber ich glaube sie lebt noch. Ich habe einfach dass Gefühl dass sie noch lebt. Yukis Mutter lebt noch und ist eine Bekannte vom Blondi. Sie trägt Blondi auf, auf Yuki aufzupassen und da Blondi Nami erschaffen hat, ist es auch Mamis Wille auf Yuki aufzupassen. Und Blondi große Liebe kennen man noch gar nicht.

Kapitel 16

Es ist wirklich mega süß wie sehr sich Shiro sich um Yuki sorgt :3. Man merkt richtig, dass Yuki einfach eine Down war. Und es ist wirklich ironisch dass Mephisto sie aus ihre Depression-Phase rausgeholt hat.


Antwort von:  _-Merle-_
06.03.2019 13:48
Hmmmmhh :)))))))
Hihihi.
Danke danke danke danke für dein schnelles Kommentar :3
Man liest du schnell xD ich kann gar nicht so viel am Stück lesen. Mir fehlt dann irgendwann die Motivation. XD
Haha und du schreibst ja dann auch noch so lange Kommentare xD hahaha xD danke. :3
Hnhhh... Ja vielleicht... Vielleicht vielleicht hast du Recht... Aber vielleicht liegst du ein gaaaaaaaaanz bisschen falsch xD so zu 10 % :D und vielleicht sind 90% richtig die du denkst hahaha xD aber nur vielleicht xDD :)

Und zu Nami .... Hhhhmh..... Aaaaahhhh.... Ich kann es dir nicht sagen XD du musst es lesen... Ehm.. ich glaube in Kapitel 33 wird mehr über sie geklärt xD wenn du dich Spoilern möchtest ließ gerne Kapitel Überschrift
...
MAAHAHAHA XD

ABER du musst dich ja nicht Spoilern ...
Oder vll ist das auch falsch was ich sage o.o

XD hihihi <3 du hilfst mir übrigens mega wenn du das alles zusammen fasst. Damit kann ich nämlich sehen ob das alles Sinn macht oder ich irgendwo was vergessen habe xD hahahaha

Ich glaub das ist auch mega hart wenn man eigentlich verliebt ist.. aber so stolz ist.. und aaargh eigentlich sind doch alle doof . Außer diese Person und dann gibt diese Person Dir auch noch nicht Korb für jemanden den man. Hasst xD

Mit der Mutter bist du echt sehr gut Nähe dran xD hihihi du bist mega gut :D

In Kap 16 wollte ich Mephisto Mal wieder mehr rein bringen. Gerade als ich die Kapitel schrieb wollten alle mehr Mephisto sehen xD
Er war bisher nur gut auf Yuki zu sprechen... Und jetzt versucht er ihr.. naja mehr oder weniger zu helfen... Wobei er eigentlich mekrt dass es Shiro ja nicht gut geht. XD

Hehe :) danke nochmal !!!
Ich freue mich schon , wenn du weiter bist :3
Hoffe dir gefällt die Geschichte immer noch so wie am Anfang :)

Und ich hoffe dass ich dich mit der Geschichte etwas ablenken kann wenn du krank im Bett liegst :D <3
Antwort von:  luna4604
06.03.2019 16:25
Naja ich bin fast schon bei Kapitel 30 XD. Mir war halt so langweilig und ich bin am Bett gefesselt und kann nichts anderes tun, da habe ich einfach schon so weit gelesen >.<. Ich konnte halt nicht anders als weiterlesen XD. Und deine Antworten sind aber auch meistens immer länger XD.

Ich bin zwar neugierig, aber spoilern lass ich mich auch nicht gerne XD. Außerdem bemerke ich jetzt, dass ich zwei mal Kapitel 13 geschrieben habe, ich meine natürlich Kapitel 14.

Jaa wie gesagt Shiro tut mir da schon mega leid Q.Q. Er muss einfach aufhören so stolz zu sein...

Also kommt die Mutter aufjedenfall noch mal vor?

Mephisto habe ich mit der Zeit auch angefangen zu mögen ^^.

Und ich muss wirklich sagen, dass deine Geschichte sich mit jedem Kapitel immer verbessert hat. Also ich mag die Geschichte jetzt noch mehr als voher ^^


Antwort von:  _-Merle-_
06.03.2019 21:11
Boa so weit bist du schon x______x und ich hab schon Probleme zwei Kapitel am Stück zu lesen weil mir das zu anstrengend wird xD aber vll habe ich eine andere Sicht drauf weil ich immer nach Fehlern schaue xD

Das mit den Kapiteln habe ich verstanden xD hihihi :D keine sorge. :) Apropos Kapitel. Ich möchte gerne Szenen aus der Geschichte zeichnen ... Einfach random ... Wie ich es teilweise schon gemacht habe. Aber ich weiß nicht welche . Hast du eine Lieblingsszene die ich in einem Bild zeichnen könnte ? :)
Auf den anderen Plattformen wo die Geschichte hochgeladen ist schreibt mir dazu keiner xD
Egal welche Szene . Auch egal welche Charaktere. Hatte vor so drei verschiedene Szenen zu machen. :)

Danke für das Kompliment. :) Das finde ich gut dass dir die Geschichte sogar besser gefällt... Dachte immer die würde etwas... Hnhhh... Langweilig rüber kommen nach ner Zeit. :)
Jemand schrieb mir besonders, dass er es total anstrengend fand überhaupt den Anfang zu lesen weil das alles zu lange dauern würde ... X_x
Hmh
Antwort von:  luna4604
07.03.2019 18:40
Ja das kenne ich. Es ist so anstrengend nach Fehlern zu suchen, außerdem hast du wirklich lange Kapitel. Da stelle ich es mir noch anstrengender vor XD.

Oh ja! Oh ja! Und wa für eine Szene ich habe! Eigentlich wollte ich es dir schreiben, wenn ich den Kommentar über das Kapitel schreibe, aber wenn du schon fragst :). Also in Kapitel 23 da wo Yuki und Shiro Frühstücken und der Junge Yuki sagt, dass er das andere Mädchen liebt und sie dass mega süß findet. Die Reaktionen XD. Der Junge eher ,,Was will sie vor mir?!"-like und Shiro so ,,Sie nennt das Ding süß?" XD. Ich musste wirklich lachen XD.
Und dann am Ende Shiros Kommentare "Eher jämmerlich" XD. Dass war einer der witzigsten Szenen XD

Also ich hab die Geschichte am Anfang auch eher langsamer gelesen, weil ich einfach keine Zeit hatte. Es hat zwar lange gedauert bis Yuki Shiro vertraute, aber ich fand es gut so. Man könnte richtig die Entwicklung ihrer Beziehung ansehen. Ich mag es so, wie es ist ^^
Antwort von:  _-Merle-_
07.03.2019 19:49
Oh Jaaaaa xD du hast Recht die Szene ist wirklich mega witzig xD ich glaub ich zeichne die echt :D

Bei den Kapiteln weiß ich echt nicht ob ich die nicht doch kürzen soll... Aber Kapitel in Büchern sind auch mindestens immer so lang... Hmmmmhh xD
Von:  luna4604
2019-03-04T13:20:07+00:00 04.03.2019 14:20
Also zu Kapitel 9 zweite Hälfte

Aww :3! Das Date ist wirklich einfach zu süß. Und wie sich Shiro, um Yukis verbranntes Bein gekümmert hatte, war einfach mega niedlich <3. Yuki soll Blondi einfach mal vergessen und sich endlich Shiro schnappen!

Kapitel 10

Also die Szene mit dem kleinen Mädchen welches Yukis Seele auffressen wollte ist wirklich gut geworden. Ich glaube du hast ein Talent in gruselig Szenen schreiben. Und es ist auch schön zu sehen, wie sehr Yuki Shiro beeinflussen kann. Hier war es leider nicht so gut. Zum Glück waren Mephisto und Kitsune da ^^. Und zum Glück hat ihn Blondi von den Toten wieder gebracht.

Und meine Theorie zu diesem Schattenmädchen

Irgendwo hat sie gesagt:
,,Sie will ihre Seele wieder!
(Mit sie ist aufjedenfall Lilith gemeint.)
[…] Du hättest ihn töten sollen! Ihn! Er hat keinen Kiefer mehr! Kiefer! Herausgerissen!
(Und hier der Junge mit dem zwei Hörner)
Dein zweiter Dolch ist zerstört! Sie weiß das. Sie weiß das alles! Du bist dumm. Du bist erledigt. Du weißt, dass sie kommt!“
(Und hier wieder Lilith.)
Also weil dass Mädchen weiß, dass Lilith Shiros Seele wieder haben möchte, muss sie wohl ein Abkömmlinge von Lilith sein. Ich glaube der Junge mit dem Hörner ist auch ein Abkömmlinge, da dass Mädchen ihn anscheinend kennt und Lilth vll. Information aus dem Kampf gegen Shiro gegeben hat. Mit du hättest ihn töten sollen, meint sie vll auch, dass der Junge ihr gesagt hat, dass Yuki sein Schwachpunkt ist. Hätte er ihn getötet wäre dass nicht passiert. Dass mit dem zweiten Dolch verstehe ich nicht. Jedoch weiß Lilith dass Shiro geschwächt ist, dadurch dass sein zweiter Dolch zerstört wurde (?). Und wird deswegen bald angreifen. Oder sie denkt dass das Mädchen Shiro umgebracht hat.

Kapitel 11

Endlich klärt sich, weshalb Yuki sich so wohl bei Blondi fühlt. Und man erfährt auch etwas aus der Vergangenheit von den Beiden. Ich finde es auch sehr interessant, dass Shiro ein Mensch geworden ist. Und anscheinend wird Yuki Shiros Medizin für einige Zeit sein. Außerdem ist es wirklich herrlich zu sehen, wie sehr Yuki Shiro unter Kontrolle hat ^^.

Kapitel 12

Die Theorie zur Feder

Als erstes habe ich gedacht, dass die Feder vll. Yukis Mutter gehört und sie wie Deeon auch ein gefallener Engel ist. Ihr Vater wusste das sie ein Engel war und er hebt diese Feder zur Erinnerung auf. Und vll war es dann auch so:
Deeon hat die Bücher für Yukis Mutter geklaut aus Liebe. Am Ende liebt sie aber Yukis Vater und die beiden kriegen Yuki. Deeon akzeptiert dies und als die Mutter starb, machte er es sich zur Aufgabe über Yuki zu wachen. Was aber dann gegen diese Theorie spricht, wäre der Großvater. Er scheint ja ein normaler gewalttätiger Mann zu sein. Oder er ist auch ein Engel, was aber nicht sein kann, weil Yuki nicht dass spürt bei ihm wie bei Blondi. Ich kann mir aber auch nicht vorstellen, dass Blondi Yukis Gedanken gelöscht hat.

Ich bin wirklich froh, dass Blondi anstatt Yukis Vater in das Zimmer gekommen ist. Sonst wäre es wirklich wirklich peinlich gewesen. Was auch nicht toll ist, ist dass Shiro bemerkt hat, dass Yuki in Blondi verliebt ist.

Antwort von:  _-Merle-_
04.03.2019 19:23
Aawwwwaaawwwww :)
Du bist so cool!!!! Waaaaaa
Ich LIEBE deine Kommentare!!!!!!!!!!!!
Aaaaah -kreisch-
Hihihi.
Boa das hat mir meinen Tag gerettet... Nachdem ich 10 Stunden arbeiten musste und danach auch noch Überstunden an nem Tag wo alle frei haben oder nur bis 13 Uhr geöffnet haben xD (Rosenmontag).
Ich bin mit mega schlechter Laune nach Hause gekommen. Und jetzt geht's mir wieder mega gut ^___^ hihihi danke dir!

Wohaaaa ich liebe deine Zusammenfassung und die rausgepickten kleinen Szenen. :3
Hahaha xD dass du Deeon Blondi nennst bringt mich ständig zum schmunzeln hihihi

Und WIEDER hast du zwischen den Zeilen gelesen und verstanden welche Andeutungen ich gemacht habe :D
Hihihi
Das mit dem doch ist passiert, als Deeon und Shiro gekämpft haben.
Es wird nur ganz kurz angedeutet dass er zwei solche hat und als er Yuki beinahe angreift dieser eine dolch zersplittert.
Was daran so besonders ist kommt erst bei Kapitel 35 raus :3 hihihi
XD also dauert noch etwas.
Dieser solch der gaaaanz am Anfang zerbricht ist die Grundlage für den finalen Kampf am Ende. :3 aber mehr sage ich dir nicht ^_^

Aaaahhhhh und das zu der Mutter...
Hmnngghhhhhh..............
......
Aaaahhhh ich will es dir sagen aber du musst es lesen xD hihi.
Du bist soooooo Nähe dran xD hahahahahahahaha
Woooohhaaaaaaa.
Aber du bist die erste die in diese Richtung gegangen ist :3
Andere dachten immer Yuki selber sei ein engel xD

Und bei Shiro war es mir wichtig ihm auch Mal seine Kräfte zu nehmen und dann zu zeigen wie er ohne seine Magie ist. Er fühlt sich ja immer so cool und mächtig weil er es ist xD haha und auch ohne Kraft ist er nicht dumm und ein wenig .. launisch xD naja... Wer soll es ihn verübeln ... So viel wie er durchmachen musste ..

Ich freu mich schon derbe auf deine weiteren Kommentare :3
Nebenbei arbeite ich wieder an der Geschichte und überarbeite die ersten Kapitel. :)

Vielleicht ist dir aufgefallen das alles so aneinander geschrieben ist ... Das ändere ich alles ab. :)
Danke für deine Hilfe !!! Danke danke danke !!!!!!
Antwort von:  _-Merle-_
04.03.2019 19:24
Ich wollte immer *Dolch schreiben und da kam ständig was anderes raus xD Sry... Doofes Wörterbuch
Antwort von:  luna4604
05.03.2019 09:37
Dass freut mich wirklich, dass ich mit meinem Kommentar dein Tag gerettet habe freut mich wirklich sehr! ^o^

Achso ja ich erinnere mich wieder. Ich habe dass mit dem Dolch irgendwie vergessen ^^°. Da muss man sich ja auf Kapitel 35 freuen :D.

Aber dass die Mutter ein Engel ist würde ja auch nicht gehen, da Yuki dann ein Dämon sein müsste :-/, oder der finale Plottwist ist dass Yuki ein Dämon ist. Was ich mir wirklich nicht vorstellen kann, weil alle bis jetzt gemeint haben dass Yuki eine Menschenseele ist. Oder Yuki ist was besonderes weil sie kein Dämon geworden ist. Das konnte vll sein! Und heißt dass dann dass Yuki auf keinen Fall ein Engel ist?

Ich möchte dass Shiro mal ohne Kraft dargestellt wurde.

Bald wird auch schon wieder ein Komm kommen, weil ich schon bei Kapitel 15 oder 16 bin und ich nicht mehr als 4 Kapitel in einem Kommentar fassen kann.... Glaube ich. XD
Und das Problem mit der Autokorrektur kenne ich zu gut... leider XD

Antwort von:  _-Merle-_
05.03.2019 15:16
Hihihi :3 danke!
Jetzt hast du mir sogar meine Pause verschönert mit deinem Kommentar xD die Woche ist so stressig >.<
<3
Hmmh... Wenn du Shiro gerne als Mensch haben möchtest dann freust du dich sicherlich auf Teil zwei :3 da wird er zwar nicht durchgehend ein Mensch sein... Aber ..mm hihihi es wird da eine mega coole Szene geben. Bzw ein witziges Kapitel :3
Musste heute schon Grinsen als ich daran gedacht habe xD
Kennst du das wenn eine Katze ins Wasser soll...
Oder wenn ein Erwachsener Mann Angst vor einer Spritze hat und weg rennt xD
Dieses Verhalten wird Shiro dann auch haben xD
Haha.
Der große Starke Typ... Der dann aber weg rennt wie ein Kind weil er sich seinen Problemen nicht stellen will xD haha
Hat nichts mit Wasser oder mehr Spritze zu tun xD aber etwas dass Shiro nicht mag :D
Hehe
Und das dann als Mensch xD
Naja ich verrate nicht mehr xD Teil zwei wird einfach nur toll :3
Und durch deine Idee Shiro ohne Kraft sehen zu wollen kam ich direkt auf eine neue Idee für Teil zwei. :3

Freue mich total auf deine Meinung zu den weiteren Kommentaren :))))
Antwort von:  luna4604
05.03.2019 16:46
Aww :3, dass ist so toll das ich dir deine Tage verschönern ^^.

Diese Vergleich hören sich wirklich viel versprechend an XD. Ich musste wirklich lachen XD. Ich freue mich wirklich auf Teil 2. Du machst mich wirklich neugierig, was ich bis jetzt weiß ist, dass er es nicht mag schwach zu sein bzw. ein Mensch zu sein. Ich will wirklich wissen was Shiro noch so Angst einjagt XD. Ich will seine Schwächen wissen :).

Und mein Theorie zu den nächsten Kapitel die ich schon gelesen habe sind vll bis morgen schon fertig, wer weiß?
Antwort von:  _-Merle-_
05.03.2019 19:58
jaaa... zur zeit ist auf der arbeit so viel los... V_V bin abends mega fertig... und heute sogar schon in der pause xD

hihihi xD das freut mich xDDD ich mag es wenn du neugierig bist xDD hehe hmmmh wo du es erwähnst... hmh.. was könnte er noch für schwächen haben bis auf die, die er jetzt schon hat...
ich wollte mal, dass er nicht schwimmen kann. aber das war mir zu doof xD vll hat er angst vor ein tier? aus seiner vergangenheit? xD oder... hmhhh. das wäre auch was für teil zwei :D haha

den zweiten teil mache ich mit einer freundin zusammen =) da ist schon so viel geplant. ich schreibe und sie hilft mir ideen zu finden und ist der betaleser :D sie war auch mal "nur eine leserin" und ein fan der geschichte xD

ich FRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRREEEEEEUE mich schon so sehr auf deine theorien =3 bin mega gespannt xD hihihi <3 du machst das so treu und aktiv. das finde ich so toll =)
hihihi =) hoffe dass du ganz schnell fertig bist xD haha <3
Antwort von:  luna4604
06.03.2019 08:42
Ich liege gerade krank im Bett und verpasse gefühlt alles in der Schule. Konzerte, Referate, Teste... Ich muss dass alles irgendwann nachholen Q.Q

Und Kapitel 12-16 habe ich auch schon fertig ^^
Antwort von:  _-Merle-_
06.03.2019 13:38
Oh nein! Gute Besserung o.o
In welcher Klasse bist du denn? :) Ach du wirst den Stoff schon gut aufholen ^_^
Vielleicht musst du ja die Tests nicht nachschreiben xD ich drück dir die Daumen. :3
Von:  luna4604
2019-03-01T19:08:19+00:00 01.03.2019 20:08
Also zweiter Teil Kapitel 6

Yuki tut mir wirklich leid. Das war wirklich nicht ihr Tag, erst zu spät kommen, sich beim Kochen verbrennen…
Das war wirklich nicht ihr Tag. Und dann noch der Dämon. Ich fand, dass du es wirklich gut beschrieben hast wie sie von diesem Dämon weggelaufen ist und wie der Dämon ihr die Seele nehmen wollte und wie Shiro sie retten wollte. Ich habe richtig mitgefiebert.^^ Und die Szene am Ende war richtig süß!
Kapitel 8

Die Szene, inder Shiro Yuki im Regen zurücklasst, ist so emotional Q.Q. AWW, da tut einem Yuki und Shiro so leid Q~Q . Um so schöner war es dann natürlich als Shiro dann doch noch gekommen ist. Yuki soll den Blonden endlich vergessen und sich endlich Shiro schnappen! Und wie Yuki Shiro mit ihren Blicken straft einfach genial XD. Und wie sich Yuki einfach auf Shiro gelegt hatte, XD. Er war so überfordert.
Und meine Theorie zu Nami
Nami hat aufjedenfall ihre Gedanken gelöscht. Das bedeutet gleichzeitig dass sie ein mächtiges Wesen ist. Und ich glaube sie will nur gutes für Yuki, da sie si ja theoretisch schon umbringen könnte, falls sie so mächtig ist.
Kapitel 8
Meine Theorie zu Deeon
Er kennt aufjedenfall ihre Mutter. Vielleicht war er gut befreundet mit ihre Mutter? Das würde aber dann auch bedeuten, dass Yukis Mutter sehr wahrscheinlich etwas von Dämon wusste.
Und es ist wirklich schön zu sehen, dass Yuki so richtig gutgelaunt ist. Und sich die gute Laune nicht verderben lässt.

Kapitel 9 hab ich nur bis zu Hälfte gelesen

Yuki und Shiro Date ist wirklich süß :3. Außerdem hat Shiro wirklich eine einseitig Sicht auf Frauen XD. Schwach und Schweigend am liebsten….
Pffft der kann mich mal!

Antwort von:  _-Merle-_
02.03.2019 02:26
Awwwwwwww =3
Hihihi danke für deine Kommentare!!!!!!! Danke dass du zu jedem Kapitel was sagst... Danke für deine Mühe :) das freut mich so mega!!!!! Wirklich danke danke !!!!!!

Hihi. Jaaaaa..m die Arme Yuki xD die muss aber auch ständig scheiße mit machen xD hahahaha ... Nach der letzten Aktion in.. ich glaube Kapitel 35 tat sie nie noch mega leid xD meine Güte... Was die alles machen muss xD
Ich weiß gar nicht mehr wie das Kapitel endet warum du das so süß findest das hahaha lese ich gleich direkt Mal xD

Und jaaa... Shiro... Der hat schon nen Grund warum der immer so ernst ist.. und emotional... Und hach .. er weiß doch selber nicht was er tun soll... Aber er macht sich dich auch immer Sorgen um Yuki ! Aber das will er doch nicht zeigen xD er ist doch ein Mann! XD
Huuuuiiiiii....
Hmmmmhh die Theorie zu Nami mag ich sehr xD waaaaaa. Wenn du wüsstest xD hihihi. Der klug kombiniert :3
Und bei Deeon ebenso .... Wooohhaaaa und dann die Kombi mit der Mutter xD hahahaha
Du bist so genial :D
Ich verrate natürlich nicht was richtig oder falsch ist... Aber
Ich liebe deine Theorien :)

Und ich dachte mir das Yuki ja nicht immer die kleine ängstliche sein sollte ..m irgendwann bekommt jeder Mal genug und ist genervt xD das hat dann halt Shiro getroffen xD

Hehe xD ja... Shiros Sicht zu Frauen ist.. engstirnig... Besonders generell zu Menschen ! Aber das hat nen besonderen Grund. :)

Vielen Dank nochmal fürs lesen !!! Und für das aktive schreiben und für die Unterstützung :3
Von:  luna4604
2019-02-26T16:41:39+00:00 26.02.2019 17:41
Mir gefällt deine Geschichte wirklich sehr^^. Du kannst wirklich gut beschreiben und ich mag auch die Protagonistin sehr, obwohl sie wirklich ein Angsthase ist XD. Außerdem finde ich Shiro wirklich interessant und ich mag ihn auch sehr. Er ist wirklich nett, aber ist auch ein Meister im Ignorieren XD.
Antwort von:  _-Merle-_
26.02.2019 21:30
Hihi :) vielen Dank für dein Kommentar!!!! Danke danke :) awwwww bei so einem lieben Kompliment will ich direkt weiter schreiben!!! Arghhh aber ich habe keine zeeeit >.<
Ja Yuki ist echt ein mega Angsthase xD aber ich glaube manchmal , dass ich nicht anders reagieren würde wie sie xD kommt vielleicht daher, weil ich sie erfunden habe hahaha xD
Shiro war schwerer zu erstellen. Bin auch mit seinem aussehen noch nicht gaaaanz zufrieden ... Überlege die ganze Zeit ob ich nach der Story Teil zwei anfange, der schon lange in Planung ist und schon viele Notizen und Kapitel Ideen hat, oder ob ich den Manga von Teil eins anfange xD aber das wäre nooooch mehr Arbeit xD
Ich schau Mal... :)
Wollte jedenfalls dass beide Charaktere eine Veränderung durchleben ... Und ich fühle mich mit beiden echt sehr verbunden ... :) ^_^
Danke nochmals für dein Kommentar :). <3
Antwort von:  luna4604
27.02.2019 19:07
Bitte! Ich bin aber auch erst bei Kapitel 4. Da habe ich noch einige Kapitel vor mir ^^°.
Ich glaube jeder normale Mensch würde so reagieren, jedoch ist bei ihr schon extrem. Aber dass macht nichts ^^, ich mag sie trz
Das kann ich mir vorstellen und meinst du mit dem Aussehen, den Shiro auf den Buchcover?
Wie gesagt ich müsste erst dass hier durchlesen und dass sind noch viele Kapitel, die ich aber rmit Vergnügung lesen werde ^^

Antwort von:  _-Merle-_
27.02.2019 19:40
Achso. :)
Oh wenn du noch am Anfang bist. Könntest du mir sagen, ob sich die Kapitel gut lesen lassen? Oder ob das schwer ist... Ich habe die ersten 6 Kapitel glaube ich überarbeitet und ab dem 7ten haben die Kapitel meinen Schreibstil von vor 2 Jahren xD

Ja genau. :) Ich meine den Shiro den ich immer zeichne . XD bin noch nicht ganz zufrieden mit der Frisur und überlege ihn dünner zu machen obwohl ich immer wollte dass er so muskulös ist... Hmmgr...
Shiro hat am meisten schon Wandlungen durch v_v xD
Auf dem Cover für Teil zwei trägt er ja auch wieder andere Kleidung... Da wo Yuki auf ihm sitzt auf dem Thron ... XD
Hach... Ich bin mir unschlüssig ... XD
Er sollte Mal einen Mantel tragen. Aber er ist ja eigentlich so ein.. hmh.. ich würde sagen grober Typ. Ein Mantel würde zu smooth sein... XD und dann habe ich an Handschuhe gedacht.. das ist Oke... Dann sieht er nicht so nackt aus :D
Freue mich wieder von dir zu hören wenn du weiter liest. :)

Ich bin auch auf fanfiktion unterwegs... Da schreibt mir kaum einer.. :( obwohl ich am Tag 20 neue Klicks habe und 70 Favoriten Einträge... Aber irgendwie... Schreibt mir keiner was... Nicht Mal Verbesserungen oder so... X_x dabei gebe ich mir so Mühe für die Leser...
Darum freut mich das umso mehr wenn. Ich ein Kommentar bekomme. :) Dann habe ich auch wieder Lust weiter zu schreiben :)
Antwort von:  luna4604
27.02.2019 20:17
Also ich finde sie lassen sich gut lesen ^^.
Ich bin zwar noch nicht fertig mit Kapitel 4, da es so lang ist, man kommt aber gut durch.

Also ich finde ehrlich gesagt, dass ihn diese Frisur steht. Und das er so muskelös ist finde 8ch eig auch gut. Du könntest aber die Schultern etwas schmaler machen, weil die wirklich sehr breit sind. Und wegen der Kleidung finde ich beide Varianten wirklich schön, wobei mir aber die Variante auf den Thron sogar noch besser finde ^^. Aber in Mantel und Handschuhen würde Shiro auch toll aussehen...
Nur damit du es weißt ich kenne mich überhaupt nicht mit Zeichnen Grafikprogrammen ect. aus, und dass ist nur meine Meinung wie es für mich ist. Eig. habe ich Null Talent in Kunst ^^
Und ich wusste nicht, dass man ohne Handschuhe nakz aussieht O.O.Dann sollte ich wirklich öfter Handschuhe tragen XD.

Und das kenne ich sehr gut. Ich schreibe gerade auch eine Geschichte und habe sie auf Wattpad, Fanfiction.de und animexx hochgeladen. Und ich habe auf animexx von einem ganz lieben Leser zu jedem Kapitel ein Kommentar bekommen (hab erst vier Kapitel) und in Fanfiction.de zwei und auf Wattpad keine. Ich will mich nicht beschweren und 8vh bin wirklich froh darüber, aber man sieht schon die Unterschiede der verschiedenen Plattformen. ^^
Antwort von:  luna4604
27.02.2019 20:32
*Außerdem zu Shiros Aussehehen würde ich vll noch versuchen die Augen etwas größer zu machen, da es von weiten so aussi2als hätte Shiro keine Iris sonder ganz weiße Augen. ^^ Also dass ist nur meine Ansicht ^^
Antwort von:  _-Merle-_
28.02.2019 19:22
Das ist eine gute Idee !!! Ich glaub es sind auch seine Schultern die mich stören hahaha xD du hast ein gutes Auge für sowas. :)
Apropos Auge xD ich werde sie Mal versuchen größer zu machen. :) Mal sehen wie es dann aussieht :D viele mögen nur irgendwie seine Augen total xD ich weiß gar nicht wieso :D haha
Vll kommt dann dieses besondere helle weiß blau aus den Augen besser hervor :)
Danke für deine Tipps !!!
:)
Ohje.. xD sind die Kapitel zu lang...? >.< Früher hatte ich die Kapitel so kurz wie die Hälfte eines Kapitels .. und irgendwann hatte ich zwei mega lange Kapitel ... Und habe dann alle zwei Kapitel zusammen gefügt xD damit die so alle gleich lang sind. :)

Ich finde es so schade dass sich auf den verschiedenen Seiten die Leute so stark anders verhalten... ._. ich fände es schön wenn man wenigstens sehen würde ob die Geschichte wirklich komplett gelesen wird oder nur angeklickt... X_x :)
Und danke dir nochmals für dein treues lesen hihi
Freue mich schon wenn du bei den ganzen plottwists ankommst xD hihi
Antwort von:  luna4604
28.02.2019 20:17
Schön, dass dir meine Meinung gefällt und dass ich dir helfen konnte ^^

Es geht eigentlich, ich werde generell oft unterbrochen beim Lesen.^^
Das stimmt.
Bitte ^^
Also ich weiß nicht genau bei welchen Kapitel ich bin, ich glaube Kap. 5 oder 6. Ich bin dort wo Yuki wieder in der Schule ist. Ich bin mir aber 100% sicher, dass sie von Shiro weiß und extra Yuki ihn rufengelassen hat. Ich bin mir nur nicht sicher, ob Nami dies gut oder schlecht meint. Was aber auch sicher ist, ist dass Nami Yuki und Shiro shippt. Weil sie Shiro einfach exakt so beschrieben hat und so geschockt reagiert hat als Yuki den blonden beschrieben hat. Ich bin mir aber halt nicht sicher ob Nami auf der guten Seite oder auf der schlechten Seite steht. Und wegen diesen Blonden (hab den Namen vergessen ^^°) habe ich einfach überhaupt keine Idee weshalb Yuki ihn so vertraut findet. Vll ist er irgendwie ein Familienmitglied? Ich hab einfach keine Ahnung XD. Aber ich freue mich auf die Plottwist.^^
Antwort von:  _-Merle-_
28.02.2019 20:26
Whuuuuaaaaaa hihihi
Hahahaha xD
Höhöhöhö
Hehe
He...
XD ich geh hier voller Freude ab weil ich das so cool finde was du alles erkennst du vermutest und wo ist du eventuell Recht hast und hihihi...

XD
Hahaha das finde ich immer so toll hahaha xD wenn die Leute die kleinen Hinweise bemerken die ich rein bringe xD hehe
Hmmmmmh :3
Antwort von:  luna4604
28.02.2019 20:52
Für was lernt man sonst gefühlt die ganze Zeit Analysen zu schreiben in Deutsch XD.

Antwort von:  _-Merle-_
28.02.2019 20:59
Hahahahahaha xD sehr cool hehehe xD stimmt :D
Von:  Caildyn
2019-02-23T13:42:46+00:00 23.02.2019 14:42
Bin jetzt grade mit Kapitel 36 durch. Das mit den Plot-twists hast du definitiv raus!

Ich finde auch die Dynamik zwischen den Charakteren klasse, die Entwicklung der verschiedenen Beziehungen etc.

Und der Cliffhanger ist ECHT mies. Vielleicht motiviert es dich ja, dass ich mir die bisher komplette Fanfic am Stück über Nacht reingezogen hab, weil mich die Story komplett gefesselt hat.
Ich würd mich jedenfalls freuen, wenn es bald weitergeht =)
Antwort von:  _-Merle-_
23.02.2019 17:08
hey =)
woha vielen dank!!! =)
das freut mich, dass sie dich so gefesselt hat. das nächste kapitel habe ich auch schon fast fertig =) und jaaaaa es hilft mir tatsächlich jetzt weiter zu schreiben. und das werde ich jetzt auch tun. vll schaffe ich ja auch das neue kapitel heute hochzuladen ^_^
ich habe eine... szene.. da.. hänge ich total x_x weil das nur ein übergang zu einer anderen szene ist.. aber ich kann die ja nicht einfach nur kurz, abgehackt schreiben... auch diesen übergang muss ich ja erklären >_>
aber deinetwegen hab ich jetzt lust das endlich weiter zu machen =)
also.. falls du lust hast.. kannst du einen teil des neuen kapitels schon lesen...
hier:
https://www.fanfiktion.de/s/520abf0000033e031220214e/37/-Cursed-Shadow-Verliebt-in-einen-Daemon

da ist das halbe kapitel schon hochgeladen ^_^

danke auch für dein kompliment =) ehrlich. dass hat mich gerade mega glücklich gemacht ^_^
Antwort von:  _-Merle-_
23.02.2019 17:09
nicht wundern, da ist es das 37te kapitel, weil der prolog als kapitel 1 zählt
Antwort von:  Caildyn
26.02.2019 08:39
Hehe, hab's grad schon verschlungen.

Hab die Fanfic als Favo gespeichert und dich direkt mit abonniert, damit ich auch bloß nix verpassen.

Aber alter, Verwalter... Der Verlauf wird grade ziemlich düster, bin ja mal gespannt, wie das noch was werden soll.
Antwort von:  _-Merle-_
26.02.2019 09:12
Haha xD vielen Dank! Du hast mir sehr geholfen das neue Kapitel fertig zu schreiben. :)
Hihi freut mich dass du die Geschichte auch direkt abboniert hast :3
Dankeeeeeeeeeeee
Jaaaaa xD also ... Sobald ich Zeit habe.. schreibe ich weiter :) ich hoffe euch wird das Ende aus den Socken hauen ^_^
Antwort von:  Caildyn
26.02.2019 15:21
Mach dir keinen Stress :D

Gut Ding will Weile haben ;)

Und gern geschehen, was den Motivationsboost angeht :D
Von:  Je29021996
2018-12-05T17:43:09+00:00 05.12.2018 18:43
Hallo
Ich Fri de deine FF echt klasse ❤️
Wann schreibst du weiter würde mich freuen zu erfahren ob yuki es schafft

Lg
Antwort von:  _-Merle-_
15.12.2018 23:50
hay =) hihi danke für dein kommi =) vielen dank für dein lob =) freut mich dass die geschichte dir gefällt =)
es wird wohl leider noch etwas dauern.. ich habe momentan einfach keine zeit :( so viel stress..
und dazu habe ich momentan das gefühl, dass meine geschichte auch kaum gelesen wird xD also... ist die motivation auch kaum da ...
dieses jahr wird wohl kein neues kapitel mehr raus kommen =) aber ich werde mich anstrengen, dass das nächste wieder sehr spannend wird =)
Von:  Jayle
2018-11-08T23:32:53+00:00 09.11.2018 00:32
Es freut mich, dass Yuki zumindest etwas Hilfe bekommen hat :3
Der Wille von Kintaro und Nagisa war ja da, aber ich kann ihre Entscheidung
letztlich schon verstehen. Außerdem kam Yuki ja schon eine Idee, wen sie fragen könnte ;9
Und ich denke.....sie sollte sich etwas beeilen....^-^"""

Was Nami angeht.....sagte ich schon, dass ich sie nicht leiden kann? Ja?.....dann war das
nicht deutlich genug..... Egal was auch immer in ihrem Kopf vorgeht.....das ist noch lange kein
Grund, jemanden umzubringen. Ich meine, es reicht ja schon, wenn Lilith das macht ~.~
Ich kann sie jetzt nicht unbedingt mehr leiden.....auch wenn sie wegen Yuki gelogen hat. Da bin ich mir
ehrlich gesagt auch noch nicht ganz sicher, ob sie das nicht zu ihrem eigenen Schutz getan hat. Zumindest Lilith gegenüber.

Aber ich habe tatsächlich an die Musik gedacht!xD
Diese Szene war aber auch wirklich traurig .___. Shiro tut mir einfach nur leid.
Und der Cliffhänger ist echt gemein >3<....Jetzt weis ich, wie meine beste Freundin
sich fühlt, wenn ich das mache xD"
ABER der ist wirklich äußerst gemein! D: xD

So, nun zu den Absätzen x]
Es war auf jeden Fall schon besser zu lesen :3 Aber noch besser und übersichtlicher wäre es,
wenn du nach einigen Absätzen, eine Zeile frei lassen würdest C: Als Beispiel kannst du ja gerne mal
in meine Geschichten schauen, brauchst die Kapitel ja nicht zu lesen xD
Antwort von:  _-Merle-_
09.11.2018 00:48
Ok xD Danke für dein Kommentar dazu ^____^ ich hoffe dir gefiel das Kapitel. Mehr oder weniger xD
Freut mich dass du an die Musik gedacht hast :D dann nehme ich die Zeichen jetzt wieder raus xD haha
Tut mir leid dass es gemein ist xD mit dem cliffhänger xD

Ich werde mir gerne mal deine Geschichten durchlesen um mir das anzuschauen :)
Ich benutze freie Zeilen nur wenn sich die Zeit verschiebt oder die Orte sich ändern xD

Aber ich lerne gerne dazu und lasse mich von deiner Formatierung mal inspirieren ^____^ Danke für deine Ideen und Hilfe!!! :)
Antwort von:  Jayle
09.11.2018 00:56
Oh.....vor lauter Nami - Frust, habe ich total verpeilt zu sagen, dass das Kapitel gut war xD
Ach, die hast du wegen mir rein gemacht? Das ist aber lieb gewesen x3
Echt mal, schäm dich D: .....so sehr wie ich das dann immer tue..... 😅😇 xD

Kannst du gerne machen ^-^
Ich persönlich nehme das ~~ wenn sich Orte ändern und das ..... wenn Zeit vergeht xD

Sehr gerne doch :3
Antwort von:  _-Merle-_
09.11.2018 01:04
Oh! Das habe ich noch nie gesehen mit den Zeichen. Auch eine kreative Idee :D interessant!
XD hehe. Wird wohl nur etwas länger dauern bis ich das nächste Kapitel schreibe. Hab die nächsten Wochen viel zu tun :)

So. Nun muss ich aber mal schlafen xD
Gute Nacht ^_^ und Danke für dein Lob :)
Antwort von:  Jayle
09.11.2018 01:10
Danke xD Ich weis auch ehrlich gar nicht mehr wie ich darauf kam....vermutlich fiel mir das
beim Schreiben ein xD
Schade, aber kann man nichts machen ;) ......zur not zeichne ich in der Zeit ganz viele Shiros,
die Nami abmurksen....😈 x'DD

Ich wäre auch schon lange schlafen, hab aber diese Woche noch Urlaub x3
Danke, dir auch eine Gute Nacht ^.^ Und gern doch C:
Von:  Jayle
2018-11-06T13:44:20+00:00 06.11.2018 14:44
Und jetzt kann ich Nami noch weniger leiden....x'D
Mehr kann ich dazu auch gar nicht sagen Dx

Aber ich finde es gut das Yuki über ihren Schatten springt,
um Shiro und den Anderen zu helfen :3 Ich hoffe, dass Kintaro und Nagisa
Verständnis für sie aufbringen...aber davon gehe ich jetzt einfach mal aus C:
....Irrlichter wissen außerdem wohl auch nicht, ob sie jetzt hilfsbereit oder
irreführend sein wollen °w° xD

Naja, mal sehen wie all das weiter gehen wird, ich bin auf jeden Fall gespannt x3
Antwort von:  Jayle
06.11.2018 14:55
Achja! Fast wieder vergessen xD

Wenn du verschiedene Charaktere nacheinander sprechen lässt,
ist es einfacher das zu lesen, wenn du nach jeder wörtlichen Rede ein Absatz machst :)

So z.B

"Dieser Tag wird immer beschissener....", seufzte XXXX.
"Was du nicht sagst? Vielleicht sollten wir ihn einfach verschlafen?", schmunzelte YYY.
ZZ schielte vielsagend zu ihnen "Jungs....könnt ihr das bitte nicht mitten im Kampf besprechen?" Sie wandte
sich von ihnen ab und wich einem Angriff aus. "Außerdem verlierst du gleich deine Hose YYY!"

Ich hoffe, du verstehst was ich meine xD"
Ich meine, man versteht bei dir schon, wer etwas sagt, aber auf diese Weise ist es einfach
leichter zu lesen ^^
Oder auch bei Charakterwechseln oder so, ist es auf diese Weise einfacher zu verfolgen, wer was tut =)

Im allgemeinen ist es leichter zu lesen, wenn man öfter mal einen Absatz macht. Dann hat
man nicht so viel Fließtext und zwischendurch mal eine kleine Pause =)
Wie sagte mal jemand zu mir? "Man kann nie genug Absätze haben" xD Aber übertreiben
muss man es natürlich auch nicht =)

Ich hoffe meine Tipps können dir irgendwie helfen ^-^
Und dass du sie nicht negativ auffasst °-°' |D
Antwort von:  _-Merle-_
06.11.2018 15:45
oohhh vielen lieben dank!!! =) und danke fürs weiter lesen :D
und danke für deine tipps =) ^_^ keine sorge =) ich nehme sowas ganz und gar nicht böse auf xD ich passe mich gern den lesern an. xD
es ist nur witzig, denn ich habe früher mit absätzen gearbeitet.. und dann kam ein kommentar, dass ich nicht so viele machen soll und mehr in einem absatz schreiben soll xDDDD hahaha :D daraufhin habe ich dann kapitel 1 - 6 oder 7 glaube ich genommen und die komplette formatierung geändert.. weil das aber so eine arbeit war .. sind dann geschätzt kapitel 8 - 20 wieder mit vielen absätzen.. und ab 21 habe ich dann wieder mit weniger absätzen geschrieben xDDDD
ich denke ich sollte mal ein zwischending finden =)
aber du hast ganz recht! ich werde versuche nach der wörtlichen rede auf jeden fall absätze zu machen =)
danke danke ^_^
Antwort von:  Jayle
06.11.2018 15:52
Sehr gerne x3

Scheinbar sieht das mit den Absätzen jeder anders xD
Ich persönlich habe inzwischen auch meinen Absätze - Stil gefunden...denk ich xD Bevor mir das
jemand sagte, habe ich nämlich auch mit sehr wenigen Absätzen gearbeitet. Habe aber festgestellt,
dass es mit mehreren tatsächlich einfacher ist zu lesen x]

Und bei der wörtlichen Rede kann das auch hilfreich sein, wenn sich z.B nur zwei unterhalten. Dann muss
man nicht jedes mal dazu schreiben, wer was sagt, sondern macht einfach nach der wörtlichen Rede Absätze =) Das kann das Schreiben solcher Dialoge auch echt einfacher machen x'D

Man muss sich zwar erst ans Absätze machen gewöhnen, aber hat man das mal, geht es
ganz automatisch ^-^ Und freut mich, wenn ich dir helfen konnte =3
Antwort von:  _-Merle-_
06.11.2018 16:24
stimmt =) finde du hast da voll recht =) damit kann man dann auch viel kreativer arbeiten... das nächste kapitel ist zwar schon fast fertig xD aber ich denke ich überarbeite das auch nochmal so mit absätzen xD gihihi :D
danke danke danke ^_^
Antwort von:  Jayle
06.11.2018 16:56
Stimmt ^-^
Ich denke, irgendwann findet man seinen "Absatz - Stil". Und ja, stimmt, damit kann man
kreativer arbeiten :3 Schon alleine, weil man das Kapitel besser einteilen kann C:
Und wörtliche Rede oder Geschehnisse hervorheben kann usw. xD

Oh, das freut mich °w° In beiden Hinsichten x3
Immer wieder gern ^.^
Antwort von:  _-Merle-_
08.11.2018 21:38
so. habe es im nächsten kapitel umgesetzt =) hoffe es ist besser ^_^
und.. wir findet du nami jetzt? xDDDDD
Antwort von:  Jayle
08.11.2018 21:49
Ich muss es noch lesen, mache ich später aber auf jeden Fall x3
Und dann werde ich dir auf jeden Fall Feedback geben ^-^
Antwort von:  _-Merle-_
08.11.2018 22:13
mach das =) freue mich schon.. auf.. deine reaktion .... he..hehehe.. xDDD :D ^_^
Antwort von:  Jayle
08.11.2018 22:20
Ich weis nicht, ob mir das Angst machen sollte.....oder nicht?x'D
Antwort von:  _-Merle-_
08.11.2018 23:02
also... ich sage mal.. ab diesem satz:
Ein Moment, der jede Sekunde in die Unendlichkeit ausdehnte. --
(relativ weit unten) solltest du dir vielleicht dieses lied nebenbei anhören xD als hilfe zum lesen:D
dieses zeichen -- steht auch im text.. dann weiß du das das diese stelle ist. xDDD

https://www.youtube.com/watch?v=ewBOcdz29Sw&list=PLP1jyqtLIROZGv_ChGv4B_oqq82lApP-E&index=3
Antwort von:  Jayle
08.11.2018 23:04
Okay, werde ich machen, wenn ich es vor lauter lesen nicht verpeile x'D
Antwort von:  _-Merle-_
08.11.2018 23:08
ahhahahah xD bin gespannt :D sag mir mal bitte, ob du dran gedacht hast.. und ob das zeichen vielleicht geholfen hat xD
Antwort von:  Jayle
08.11.2018 23:15
Werde ich machen xD
Vermutlich wird es genau das sein.....oder ich denke während des Lesens
an nichts anderes mehr, wie auf derartige Zeichen zu achten x'D
Antwort von:  _-Merle-_
08.11.2018 23:16
oh nein xD bitte lass dich nicht davon irritieren xD also.. wenn du es nicht siehst ist das voll ok! aber du wirst es sehen xD denke ich sehr stark xD
also als ich die musik hörte, hat es genau bis zum ende gepasst :D haha xD
Antwort von:  _-Merle-_
08.11.2018 23:21
Also so als du diesen Satz liest... Sekunden ins unendliche blabla.. relativ am Ende.. Und dann dieses Zeichen -- doppelstrich... dann die Musik an machen und weiter lesen xD
Antwort von:  Jayle
08.11.2018 23:26
Alles klar xD
Die erste Seite - von den 13 - habe ich schon x3

Und ich werde versuchen, mich an deine Anweisungen zu halten ;D xD


Zurück