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Down Hill 3: Crisis

von

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Lagebesprechung

Rhyme hatte es geschafft, unter einem Vorwand aus Efrafa zu gelangen und in die untere Ebene nach Core City zu gelangen, näher gesagt in das dortige Viertel Pardarail, dem sichersten und zugleich luxuriösesten Wohnort in Core City, wo nur Häftlinge von Rang und Namen lebten. Oder eben auch jene Leute, die sich als besonders treu und nützlich erwiesen für den Shutcall der Hauptstadt erwiesen hatten. Hier wohnten auch Kaonashi, Horace und Clockwise, aber auch deren Verbündete Nine und Eleven und auch Fiver und Sezru. Wer hier in Pardarail lebte, der hatte ein gutes Leben, denn hier gab es sogar Einzelduschen, sehr gemütliche und große Zimmer, Fernseher und sogar kleine Küchen mit Kühlschränken und Waschmaschinen. Zwar sprach niemand in Down Hill von Zellen, sondern von „Wohnungen“, aber die Zellen in Pardarail konnte man wirklich als kleine Wohnungen bezeichnen. Warum ausgerechnet dieser Teil von Down Hill so luxuriös ausgestattet war, darüber ließ sich nur spekulieren. Vermutlich kamen damals Straftäter hierhin, die aus gutem Hause stammten und es sich leisten konnten, etwas besser untergebracht zu werden als zum Beispiel die Schwerverbrecher im Asylum. Pardarail war unter den Häftlingen heiß begehrt und jeder war darauf erpicht, dort einzuziehen. Allein schon deshalb, weil die Türen einbruchsicher waren und man zudem ein eigenes Bad hatte. Nirgendwo sonst in Down Hill gab es solche Zellen. Es gab aber noch andere Gebiete in Core City. Abash war ein etwas einfacher gehaltenes Wohnviertel und hatte denselben Wohnstandard wie in Efrafa oder in der Festung Helena. Dort hatte man Gemeinschaftsduschen und musste sich auch die Waschmaschinen mit anderen teilen. Hallion war ein eher heruntergekommenes Viertel, wo sich auch die ganzen Generatoren, Heizungs- und Belüftungsanlagen befanden und wo hauptsächlich gearbeitet wurde. Außerdem lebten dort jene Insassen, die weder die Macht noch den Einfluss besaßen, um in Abash oder Pardarail zu leben. Meist waren es die Sittiche oder 170er, die zum größten Abschaum von Down Hill zählten und noch nicht Big Daddy zum Opfer gefallen waren, dem „Boss“ von Gomorrha. Er war kein Shutcall wie Kaonashi, hatte aber trotzdem Macht und Einfluss und da Kaonashi mit dem Vergnügungsviertel von Down Hill nichts zu tun haben wollte, hatte er Big Daddy am Leben gelassen und mit ihm die Vereinbarung getroffen, dass sie eine Art Kooperation eingehen: Kaonashi ließ ihn seinen Job machen und Big Daddy machte keinen Ärger. So konnte die Ordnung in Core City gewahrt werden. Neben dem Rotlichtviertel und den drei Wohngebieten, die quasi nach Klassen eingeteilt waren, gab es noch das Zentrum, wo auch der Marktplatz lag und damit sämtliche „Geschäfte“. Rhyme bahnte sich seinen Weg durch das Gedränge und erreichte etwas später als geplant Pardarail und klopfte an die Zellentür. Langsam wurde diese geöffnet und Clockwise stand im Türrahmen. Dieser strahlte übers ganze Gesicht und umarmte ihn fast schon stürmisch. „Mensch Rhyme, das ist ja mal eine Überraschung. Damit hätte ich ja jetzt gar nicht gerechnet.“ Clockwise streckte sich ein wenig zu ihm empor und küsste ihn zur Begrüßung, dann führte er ihn in die Wohnung. „Na du scheinst ja das blühende Leben zu sein“, bemerkte Rhyme mit einem Schmunzeln und setzte sich auf die kleine Couch, während Clockwise einen Kaffee vorbereitete. In diesem Gefängnis zählte Kaffee zu einem sehr beliebten Luxusartikel. „Ist alles soweit in Ordnung hier?“ „Zum Glück ja. Kao hatte ja wieder einen Schub gehabt, aber der ist inzwischen wieder abgeklungen. Er muss sich nur erst mal wieder davon erholen und Horace ist auch total am Ende, weil er vor Sorge kaum ein Auge zugekriegt hat. Es sah aber zum Glück schlimmer aus als es war und er meckert inzwischen wieder rum, weil er es hasst, untätig im Bett zu liegen.“ Ja, das sah Kaonashi wirklich ähnlich. „Und wie geht es dir? Kann es sein, dass du abgenommen hast? Du siehst etwas blass aus und dünn bist du auch geworden.“ „Ach weißt du…“ Clockwise seufzte, denn er wusste, dass er Rhyme nicht an der Nase herumführen konnte. Darum war es besser, von Anfang an ehrlich zu sein. „Ich mach mir halt Sorgen um dich. Du begibst dich in Gefahr und lässt dich von diesem Dreckskerl so quälen und ich? Ich sitz hier herum und kann nichts tun, weil ich kein M.O. bin so wie du und Kaonashi.“

„Es ist nicht nur deswegen. Kaonashi braucht dich. Keiner von uns weiß, wann der nächste Schub kommen wird und dann musst du bei ihm sein. Und was ist mit Horace, wenn ihm etwas passieren sollte? Ich bin dann nicht da und ich bin kein studierter Mediziner wie du. Meine Kenntnisse reichen höchstens zur Krankenpflege, aber mehr auch nicht.“ „Ich weiß“, seufzte Clockwise und reichte Rhyme seine Tasse Kaffee. „Aber was nützt es mir, wenn ich euch nicht beschützen kann?“

„Weil es nicht deine Aufgabe ist. Und du siehst deine Aufgaben dort, wo andere sie haben. Kaonashi und ich, wir sind beide M.O.s, deshalb ist es unsere Aufgabe, diese kleine Gruppe zu beschützen. Kaonashi ist unser Anführer, ich werde ihn dabei unterstützen und Kao hat Horace, der ihm beisteht. Und du… eigentlich hast du doch die allerwichtigste Aufgabe von uns allen. Denn du stellst sicher, dass Kaonashi in der Lage ist, uns weiterhin beschützen zu können. Also darfst du doch mit Fug und Recht behaupten, dass du nach ihm das wichtigste Mitglied im Team bist.“ Clockwise schmunzelte und trank seinen Kaffee. „Dir fällt auch immer ein Argument ein, mit dem du mich überzeugen kannst, was? Wo nimmst du nur diese Stärke her?“ „Weil du sie mir gibst“, erklärte Rhyme und nahm seine Hand. „Weißt du, als ich alleine war und auf der Suche nach mir selbst war, da ist mir klar geworden, dass du der Grund bist, der mich weiterhoffen lässt. Ich habe damals durch die Helmstedters wirklich alles verloren. Meine Brüder, mein Leben, meinen Lebenswillen und selbst den größten Teil meines Körpers haben sie mir genommen und inzwischen bin ich kaum noch ein Mensch mehr. Mein Körper ist unnatürlich geworden und es gibt keinerlei Hoffnung, dass es je wieder so wird wie früher. Ich bin dazu verdammt, für immer in diesem Körper zu bleiben. Und das hat mich oft vor die Frage gestellt, warum ich noch lebe und was mein Daseinszweck ist. Was bin ich denn, wenn ich kein Mensch mehr bin? Und das machte es mir leichter, Kaonashis Gefühle zu verstehen. Manchmal stand ich kurz davor, zusammenzubrechen und einfach aufzugeben. Immerhin hatte ich keine Familie, keinen Ort zu dem ich zurückkehren kann. Aber dann erinnerte ich mich wieder an diesen einen Tag, als wir uns kennen gelernt haben. Als du dich heimlich ins Labor geschlichen und mit mir gesprochen hast. Weißt du noch, was du zu mir gesagt hast?“ Clockwise dachte zurück und lächelte. „Ja… ich hab dich gefragt, ob du vielleicht ein Engel bist wegen deiner weißen Haare und deiner Augen. Aber weißt du, was das Seltsame ist? Ich habe dich immer Rhyme genannt, schon damals. Wer hat dir diesen Namen eigentlich gegeben?“

„Das war Dr. Helmstedter. Er wollte mir einen neuen Namen geben, damit ich wohl offiziell zu seinem Besitz werde. Und da ich nach und nach mein menschliches Selbst verlor, da schien mir mein richtiger Name nicht mehr länger angebracht zu sein. Denn mein richtiger Name ist der meines menschlichen Ichs.“

„Aber du bist nicht irgendein Besitz.“

„Ganz Recht…“ Sie wandten sich zur Tür und sahen, dass Kaonashi gerade hereinkam. Er wirkte noch ein wenig angeschlagen, aber zumindest konnte er wieder laufen und das war ein gutes Zeichen. Dennoch stand Clockwise auf und rief fast schon mit strengem Ton „Was machst du denn wieder für Sachen? Du solltest im Bett liegen bleiben und dich schonen, okay? Dein Körper ist noch völlig entkräftet.“ „Es geht mir gut, klar? Ich wollte nur fragen, ob du vielleicht noch etwas Milch hast.“ „Aber trink mir nicht schon wieder aus der Tüte, ja? Was gutes Benehmen betrifft, hast du so einiges nachzuholen, mein Lieber.“ Während Kaonashi Platz nahm, ging Clockwise zum Kühlschrank und holte die Milch raus, dazu noch einen der Aluminiumbecher und stellte beides auf den Tisch, dazu kramte er noch die Kalium- und Siliziumpräparate heraus und gab sie seinem maskierten Freund. Dieser fragte irritiert „Wieso soll ich die schon wieder nehmen?“

„Weil du nach einem solchen Schub eine große Menge an Calcium, Silizium, Kalium und Vitamin K brauchst. Aus diesem Grund bekommst du die nächsten Tage drei Mal deine Präparate und zusätzlich gibt es eine Vitamin K Diät für dich, damit sich dein Körper erholen kann. Ich hab Horace eine Einkaufsliste zusammengestellt und so gibt es die nächsten Tage Grünkohl für dich.“ „Ich hasse dich…“, knurrte Kaonashi und schluckte die Tabletten. „Ums Verrecken fresse ich das Zeug nicht.“ „Doch, das tust du“, erwiderte Clockwise streng. „Grünkohl ist sehr reichhaltig an Vitamin K und wenn du nicht noch irgendwelche Nachwirkungen haben willst, dann wirst du dich an meine Verordnung halten. Vergiss nicht, dass ich für deine medizinische Betreuung verantwortlich bin und wenn du dich so anstellen willst, kann ich ja gerne Horace holen. Mal sehen, was der dazu sagen wird.“ Zwar sah man unter der Maske nichts, aber man merkte schon, dass es Kaonashi überhaupt nicht passte, dass man ihm Vorschriften machte. Meist folgte dann ein wütendes „Du kannst mich mal“ oder „Verreck doch“, aber sie wussten, dass er das überhaupt nicht so meinte. Aber er konnte in der Hinsicht sein Temperament kaum zügeln. Und wie erwartet kam ein leises „Verdammtes Ärztepack“, aber damit beließ es Kaonashi und schluckte seine Präparate und trank seine Milch aus. „Also wo waren wir stehen geblieben?“

„Schon in Ordnung“, meinte Rhyme nur und wollte das Thema beenden, aber da spielte Clockwise nicht mit. „Rhyme hat von seiner Identitätskrise erzählt.“ „Ach ja“, rief Kaonashi und schüttete noch etwas Milch in seinen Becher. „Was das betrifft, da habe ich auch mal darüber nachgedacht. Und da habe ich mir die Frage gestellt, wer denn wohl menschlicher ist: eine Maschine mit der Seele eines Menschen oder ein Mensch mit der Seele einer Maschine. Im Grunde kommt es doch nicht auf die Hülle, sondern auf den Kern an und du bist weitaus menschlicher als jeder Mensch, den ich kenne, Rhyme. Die Einzigen, die womöglich anders von dir denken, sind du selbst und Helmstedter. Um meinen Namensverwandten zu zitieren: Nun, wenn er mich auch täuscht, so ist es also unzweifelhaft, dass ich bin. Er täusche mich, so viel er kann. Niemals wird er jedoch fertig bringen, dass ich nichts bin, solange ich denke, dass ich etwas sei. Und so komme ich, nachdem ich nun alles mehr als genug hin und her erwogen habe, schließlich zu der Feststellung, dass dieser Satz: „Ich bin, ich existiere“, so oft ich ihn ausspreche oder in Gedanken fasse, notwendig wahr ist. Ich denke, also bin ich, denn es ist ein Widerspruch, dass das, was denkt, zu dem Zeitpunkt, wo es denkt, nicht besteht. Darum ist diese Erkenntnis von allen die erste und sicherste, die bei der Philosphie über Leben, Tod, Existenz, Nichtexistenz, Menschlichkeit und allen anderen Werten hervortritt. Und selbst wenn ich mich täuschen sollte, so bin ich. Denn wer nicht ist, kann sich nicht täuschen. Demnach bin ich, wenn ich mich täusche. Und weil ich also bin, wenn ich mich täusche, wie sollte ich mich über mein Sein täuschen, da es doch gewiss ist, dass ich bin, gerade wenn ich mich täusche?“

„Okay, jetzt komme ich nicht mehr mit“, meldete sich Clockwise und trank seinen Kaffee weiter. „Was das Philosophieren betrifft, bist du der Weltmeister schlechthin, Kao. Aber ich kapier dieses ganze Hin und Her einfach nicht.“

„Es ist doch einfach“, erklärte der Maskierte. „Unser Denken allein bestätigt bereits unsere Existenz und solange Rhymes Geist frei ist um aus freiem Willen zu lieben, zu hassen und zu denken, ist er ein Mensch. Und was mit seinem Körper ist, spielt dabei keine Rolle.“ „Ich kapier es trotzdem nicht, was du da gerade geschwafelt hast. Ich bin Schauspieler mit Medizinstudium und kein Philosoph.“ Doch Rhyme lächelte und seine Stimmung schien sich auch sehr gebessert zu haben. „Ich verstehe schon die Botschaft. Wobei aber ein Paradoxon darin verborgen liegt.“

„Und welches?“

„Wenn ich weiß, dass ich nicht existiere, muss ich doch gleichzeitig meine Existenz anerkennen.“

„Die ganze Philosophie ist ein einziges Paradoxon“, meinte Kaonashi nur und fügte noch hinzu „Mein Lieblingsparadoxon ist immer noch das Allmachtsparadoxon: Kann Gott einen Stein erschaffen, den er selbst nicht heben kann? Lässt sich doch wunderbar an Helmstedter anwenden. Kann der Kerl einen Übermenschen erschaffen, den er vollständig beherrschen kann?“

„Wohl eher nicht“, meinte Clockwise und lachte. „Wir wissen ja, was das mit Umbra geworden ist. Und euch hat er ja auch nicht unter Kontrolle kriegen können. Und lange kann er mit seinem Treiben ja auch nicht weitermachen. Aber jetzt sag mal Rhyme… Wie lautet eigentlich dein richtiger Name? Dann muss ich beim Sex nicht wenigstens den Namen laut rausschreien, den dieser Mistkerl dir gegeben hat.“ „Oh erzählt mir alle Details“, kommentierte Kaonashi ironisch und trank den Rest der Milch aus. Rhyme zögerte noch einen Moment und war sich nicht ganz sicher, ob er es wirklich sagen sollte. Unsicher wanderte sein Blick zu dem maskierten 27-jährigen, so als wolle er diesen stumm nach dessen Erlaubnis fragen. Doch als von diesem nichts kam, ging er davon aus, dass es in Ordnung sei. „Mein richtiger Name ist…“ Und hier beugte er sich zu Clockwise vor und flüsterte ihm diesen ins Ohr. Und dieser musste schmunzeln, als er den Namen hörte. „Schon witzig“, meinte er schließlich. „Jetzt haben wir einen Schriftsteller, einen Mathematiker und einen Philosophen. Tja… dann wäre ich wohl der Einzige, der sich nicht sonderlich mit seinem Namen rühmen kann.“

„Du kannst deinen Namen ja ändern lassen. Das ist auch kein Problem“, schlug Kaonashi vor. „Dann könntest du vielleicht den Nachnamen eines Politikers oder Künstlers annehmen.“

„Da könnte ich tatsächlich was haben. Meine Mutter war Französin und hatte einen Namen, der auch zu einem berühmten Künstler gehört.“

„Passt doch perfekt“, rief Rhyme begeistert. „Dann hätten wir einen Künstler, einen Philosophen, einen Mathematiker und einen Schriftsteller.“

„So viel Kultur kriegt man nicht mal in einer Ausstellung zusammen“, scherzte Clockwise und mit einem lauten Lachen stimmten Kaonashi und Rhyme zu. Schließlich aber kam Rhyme auf den Grund seines Besuchs zu sprechen. „Ich habe Neuigkeiten aus Efrafa. Wie es aussieht, ist Mello mit dem Umbra-Gen infiziert worden und nun wird sich offenbar besprochen, ob man ihn töten soll oder nicht. Schlimmstenfalls wird er an Umbras Stelle für die Experimente herhalten müssen.“ „Was?“ rief Clockwise fassungslos. „Das können die doch nicht ernsthaft vorhaben! Das ist… das ist…“ Er wandte sich an Kaonashi. „Kao, wir müssen etwas tun. Wir können doch nicht zulassen, dass Hinrich auch noch an ihn herumexperimentiert und Mello dabei noch draufgeht. Das überlebt er nicht! Wir müssen los und ihn rausholen.“ „Bleib mal auf dem Teppich“, rief der Maskierte und verschränkte nachdenklich die Arme. „Einfach nach Efrafa zu spazieren ist glatter Selbstmord. Zuerst einmal wissen wir ja noch nicht, ob sie ihm tatsächlich etwas antun wollen. Und wenn es wirklich so dringend wäre, hätte Rhyme es doch direkt schon gesagt. Oder irre ich mich?“

„Nun, Helmstedter hat einige Untersuchungen durchgeführt“, erklärte der Weißhaarige. „Allerdings braucht er noch eine Weile, um eine entsprechende Diagnose zu treffen, ob Mellos Blut verwertbar ist und ob sie ihn auch wirklich töten werden.“ Wieder dachte Kaonashi nach, um die ganze Situation abzuwägen und eine richtige Entscheidung zu treffen. Dann schließlich nach einer Weile des nachdenklichen Schweigens murmelte er „Matt ist zwar so einiges zuzutrauen und er tanzt nach Helmstedters Pfeife, aber so kaltherzig ist nicht mal er, als dass er allen Ernstes zulassen würde, dass seine große Liebe auf dem Seziertisch landet. Aber gut, dass du uns diese Nachricht mitteilst, Rhyme. In dem Fall müssen wir unbedingt aktiv werden. Sobald ich die Gelegenheit habe, werde ich die Blutproben und die Unterlagen, die Helmstedter bis dahin zusammengetragen hat, vernichten. Wir müssen weitere Umbra-Experimente so weit wie möglich hinauszögern und verhindern, dass er noch so ein Monster erschafft und er wieder wahllos an den Insassen herumexperimentiert.“ „Und warum ausgerechnet du und nicht ich?“ fragte Rhyme verwundert. „Weil sein Verdacht automatisch auf dich fallen würde“, erklärte Kaonashi. „Es ist jetzt absolut wichtig, dass deine Rolle geheim bleibt und niemand Verdacht schöpft. Und wenn ich entdeckt werde, wird man denken, ich versuche mir Umbras Fähigkeiten anzueignen. Außerdem kann ich wohl schlecht Clockwise und Horace mit dieser Aufgabe betrauen. Wenn Christine mit ihrer Einheit aufkreuzt und das Feuer eröffnet, sind die beiden tot und das kann und will ich nicht verantworten. Also werde ich gehen. Ich werde mich dann über die Luftschächte absetzen, die benutzt sowieso kaum jemand und deshalb werde ich gleich Sezru fragen, ob er mir da behilflich ist. Ich glaube, für Fiver wäre das ein wenig zu gefährlich. Der Junge ist immerhin erst 17 Jahre alt und sowieso noch etwas angeschlagen nach seiner Krankheit. Auf jeden Fall müssen wir die Proben vernichten, bevor Helmstedter dazu kommt, ihre einzelnen Bestandteile zu analysieren und auf die Weise an die Formel für das Umbra-Gen kommt.“

„Heißt also, wir sabotieren fürs Erste Helmstedters weitere Forschungen.“

„Genau“, bestätigte Kaonashi und nickte. „Somit gewinnen wir Zeit und stellen sicher, dass es nicht noch einen zweiten Umbra geben wird.“

„Und was ist, wenn diese Sabotage Mellos Leben in Gefahr bringt?“ fragte Clockwise besorgt. „Sollen wir ihn als notwendiges Opfer sehen, oder wie stellst du dir das vor?“

„Sollte es dazu kommen, dass Helmstedter sein Blut nicht direkt verwerten kann, dann ist er schon mal aus dem Schneider. Mehr als sein Blut entnehmen und es zu untersuchen kann er ja nicht und ich glaube, Matt wird dann auch nicht zulassen, dass der Doktor Mello zu seinem Versuchskaninchen macht und ihn auseinander nimmt. Ich werde mich aber trotzdem sicherheitshalber noch mit Horace besprechen und hören, wie er die Sache einschätzt. Sollte ich mit meiner Annahme falsch liegen, werde ich mir schon noch etwas einfallen lassen. Wir sind immerhin nicht Efrafa. Auch wenn es riskant sein wird, aber ich werde sicher nicht zulassen, dass irgendjemand für diese kranken Experimente draufgehen wird. Und wenn es eben bedeutet, dass wir Mello aus Efrafa rausholen und ihn verstecken.“

„Und wie stellst du dir das vor?“

„Core City ist mein Gebiet und so dumm ist Matt nicht, dass er sich mit mir anlegt. Mag sein, dass er die größere Armee hat, aber Core City ist die Hauptstadt von Down Hill und wenn Efrafa uns den Krieg erklären sollte, werden noch genügend andere Gruppen nicht mit Begeisterung reagieren. Immerhin haben wir Geschäftsbeziehungen zu Songan und Konngara und sogar zur Festung Helena. Außerdem würde auch das Cohan-Duo alles andere als begeistert sein, wenn sie noch arbeitslos werden. Efrafa hätte damit binnen kürzester Zeit den Rest von Down Hill gegen sich und das können sie nie und nimmer riskieren. Also haben wir durchaus Chancen, dass Mello hier unterkommen kann, sollte Matt wider Erwarten seinen Tod beschließen. Aber erst einmal sollten wir das Ergebnis abwarten, bevor wir unnötig die Pferde scheu machen.“

„Okay, dann gebe ich gleich Horace Bescheid“, meldete sich Clockwise. „Rhyme geht wieder zurück und du legst dich wieder hin, bevor du noch umkippst. Was das betrifft, bist du sowieso schon immer viel zu rücksichtslos gewesen, was deinen Körper angeht.“

„Ach hör doch auf“, gab Kaonashi genervt zurück. „Natürlich passe ich auf!“

„Zumindest ein bisschen, aber deine Präparate darf ich dir auch jedes Mal hinterherschmeißen, weil du nie selber daran denkst. Und Horace hält dir doch auch jedes Mal eine Standpauke deswegen.“

„Ist ja gut, Prinzesschen. Ich hab’s kapiert. Ich geh mich dann noch ein wenig ausruhen, bevor ich mich an die Arbeit mache.“ Damit erhob sich Kaonashi und verließ die kleine „Wohnung“. Clockwise atmete geräuschvoll aus und schüttelte den Kopf. Dieser Idiot war doch echt unverbesserlich in mancherlei Hinsicht. Schließlich aber wandte er sich Rhyme zu. „Kommst du bald wieder vorbei, damit wir uns wieder einen schönen romantischen Abend machen können?“ „Natürlich“, versprach Rhyme und nahm ihn zum Abschied in den Arm. „Und wenn das alles hier vorbei ist, dann holen wir jede verlorene Sekunde nach. Wer weiß… vielleicht machen wir mal eine Reise, nach Wien zum Beispiel.“

„Horace würde vor Neid platzen, wenn er das hört.“ Clockwise lachte und erwiderte die Umarmung. Manchmal war es für sie beide sehr schwer in dieser Situation und vor allem die Tatsache, dass Rhyme auf der Seite des Feindes stand und manchmal tagelang nicht nach Pardarail kommen konnte, stellte ihre Beziehung immer wieder auf harte Proben. Aber sie waren beide fest entschlossen, dennoch füreinander da zu sein und an ihren Plänen festzuhalten, die sie für ihre Zeit nach Down Hill hatten. Manchmal waren diese Pläne genau das, was sie durchhalten ließ und die ihnen Kraft gaben. Mit einem leidenschaftlichen und intensiven Kuss nahmen sie schließlich voneinander Abschied und so ging auch Rhyme. Damit war Clockwise allein und er überlegte, was er nun tun sollte. Dann aber entschied er sich, mal nach Sezru und Fiver zu sehen. Immerhin hatte Fiver gerade erst eine leichte Bronchitis überstanden und auch wenn sich Sezru aufopfernd um ihn kümmerte, wollte Clockwise lieber selber noch mal nach dem Rechten sehen. Zwar war er kein offizieller Medic, aber hier in Core City kümmerte er sich trotzdem um die Kranken. Außerdem wollte er lieber nicht zulassen, dass seine Patienten noch an die Falschen gerieten. Zwar war er in erster Linie Schauspieler und eher gegen seinen Willen Mediziner geworden, aber er hielt dennoch an diesem Ärztekodex fest und kümmerte sich sehr um seine Patienten.

Die Diagnose

Matt hatte kaum geschlafen und war müde und erschöpft. Außerdem machten ihm diese Kopfschmerzen zu schaffen. Die Zeit des Wartens verging quälend langsam, in der Dr. Helmstedter die Blutproben auswertete und diese Ungewissheit war kaum auszuhalten. Während der Wartezeit saß er meist bei Morph und Christine. Die beiden sahen ihm seine Unruhe deutlich an, doch die Soldatin selbst schwieg für ihren Teil. Nur Morph suchte das Gespräch. „Wie geht es dir bei der ganzen Sache, Matt? Ist sicherlich nicht leicht, eine Entscheidung zu treffen, oder?“ „Natürlich nicht“, gab dieser zu und kratzte sich am Kopf. „Warum musste es ausgerechnet Mello erwischen und wieso hat Umbra ihn gerettet? Irgendwie kommt mir das Ganze mehr als faul vor, aber ich weiß einfach nicht, wie ich das Ganze deuten soll. Wenn ich ehrlich sein soll, ich bin gerade ratlos.“

„Wen wundert es?“ kam es überraschend von Christine, die die Beine überkreuzt und ihre Jacke ausgezogen hatte, sodass nun ihre diversen Tätowierungen zu sehen waren. „Du bist erst 23 Jahre alt und damit noch viel zu jung für einen Shutcall. Das soll keine Kritik sein, aber dir mangelt es an Erfahrung. Das ist das Problem. Und wenn dann auch noch jemand involviert ist, der dir sehr nahe steht, ist es nur verständlich, dass man ratlos ist. Außerdem ist das Ganze tatsächlich sehr rätselhaft und auch ich könnte jetzt keinen Sinn darin erkennen, warum Umbra plötzlich einen Menschen rettet, anstatt ihn zu töten. Ich kann verstehen, dass es dir schwer fällt, eine Entscheidung zu treffen. Du bist der Shutcall, du triffst hier die Entscheidung, das ist Fakt und das ist der Weg, den du gewählt hast. Und wir werden dir helfen, so gut wir können und jede deiner Entscheidungen akzeptieren.“ „In diesen Momenten muss ich mich an etwas erinnern, was Kaonashi mal gesagt hatte, als ich mich mit ihm zu geschäftlichen Verhandlungen getroffen habe“, murmelte Morph und wirkte nicht weniger demotiviert als Matt. Er hatte zwar nicht die beste Meinung von Mello, aber diese Entwicklung ging auch nicht spurlos an ihm vorbei. „Um etwas zu bekämpfen, das nicht menschlich ist, muss der Mensch selbst zum Unmenschen werden und seine Menschlichkeit über Bord werfen.“

„Klingt ähnlich wie das, was unsere Ausbilder zu sagen pflegten“, bemerkte Christine, ging aber nicht weiter darauf ein. Dieses Gespräch half Matt aber auch nicht wirklich weiter. Er konnte sich gut vorstellen, dass es Mello auch ziemlich beschissen ging und er wahrscheinlich gar nicht geschlafen hatte. Die 24-Stundenfrist war fast vorbei und Helmstedter ließ sich immer noch nicht blicken. Er und seine Assistentin Birdie arbeiteten auf Hochtouren und von ihrer Diagnose würde Mellos Leben abhängen. Als Matt den Untergrund ins Leben gerufen hatte, hätte er sich nie im Leben träumen lassen, dass er mal in so eine Lage kommen würde und über das Leben seines besten Freundes und seiner einst großen Liebe entscheiden musste. Wirklich alles hätte er getan, damit ihm dies erspart blieb. „Sehen wir es einfach mal so“, begann Morph wieder nach einer längeren Pause, um das Schweigen zu brechen. „Mellos Chancen stehen vielleicht gar nicht mal so schlecht. Immerhin hat er nicht das reine Umbra-Gen injiziert bekommen, sondern bekam lediglich Umbras infiziertes Blut. Außerdem ist es doch seltsam, dass Helmstedter und Birdie nicht schon viel früher aufgefallen ist, dass er infiziert war. Immerhin haben sie ihn doch operiert und da hätten sie es sehen müssen. Wahrscheinlich sind diese Fähigkeiten nicht sonderlich stark ausgeprägt.“ Ja, auch Matt hatte sich bereits gewundert, warum erst jetzt aufgefallen war, dass Mellos Blut infiziert war. Wahrscheinlich lag darin ein winziger Hoffnungsschimmer, dass er seinem Freund das Todesurteil ersparen konnte. Aber andererseits konnte es vielleicht bedeuten, dass sich sein Zustand immer weiter verschlechtert hatte und es nur noch eine Frage der Zeit war, bis Mello zu einem zweiten Umbra wurde. Und bevor das geschah, würde Matt ihn töten, auch wenn es ihn schmerzte. Doch lieber wollte er Mello diesen Horror ersparen, zu so einem Monster zu werden. In diesem Moment sah er Bilder vor seinem inneren Auge, wie Mello immer unmenschlicher wurde und nicht mal mehr in der Lage war, zu sprechen oder andere zu verstehen. Doch kaum, dass er daran dachte, kehrte wieder der brennende Schmerz in seinen Kopf zurück, der meist nur einen kurzen Moment andauerte, so als würde ihn jemand mit einer glühenden Nadel stechen. Dabei hatte er diese Kopfschmerzen noch nie gehabt. Erst seitdem Mello hier war. Ob das vielleicht wirklich vom Stress her kam? Birdie meinte jedenfalls, dass es vielleicht psychosomatische Symptome sein könnten. Eigentlich auch kein Wunder. Nach den ganzen Dingen, die in der Vergangenheit geschehen waren, wunderte es ihn auch nicht wirklich, dass es ihm Kopfschmerzen bereitete. Das Ganze war ja auch ziemlich belastend, wenn man so darüber nachdachte. Da kam eben auch dieses gewaltige Gefühlschaos zustande und es wirkte sich dann in Form von Kopfschmerzen auf seinen Körper aus. Dieses verdammte Durcheinander von Gefühlen und diese Ungewissheit… Er hatte Mello gesehen, als er vor den Toren von Efrafa I gefunden wurde. Es war ein schockierender Anblick für ihn gewesen, vor allem weil Mello mehr wie eine Leiche als ein lebender Mensch ausgesehen hatte. Und dann war es auch noch ihr Wiedersehen nach vier Jahren gewesen. Als Matt erfahren hatte, was Mello alles zugestoßen war und dass er sogar noch im Hell’s Gate gelandet war, da hatte es ihn natürlich nicht kalt gelassen. Er war bestürzt gewesen, aber… irgendwie konnte er nicht das fühlen, was er eigentlich fühlen wollte. Natürlich wollte er auch wütend sein, um Mello endlich klar zu machen, dass es Grenzen gab, die er einfach nicht überschreiten durfte. Aber er wollte auch andere Dinge fühlen. Er wollte insgeheim wieder diese alten Gefühle für ihn haben und ihm wieder nah sein, so wie damals, als sie betrunken gewesen waren und er alles auf eine Karte gesetzt hatte. Ja er wollte wieder diese Liebe für Mello fühlen, trotz all der Dinge, die gewesen waren. Aber irgendwie kam ihm diese Liebe nur wie eine Erinnerung vor, die nicht seine war. Er wusste, dass er Mello geliebt hatte, aber jetzt kam es ihm so vor, als hätte es diese Gefühle nie gegeben. Als wäre Mello emotional ein Fremder für ihn. Und das belastete ihn natürlich, auch wenn er bisher niemandem davon erzählt hatte. Schließlich aber erhob sich Christine und entschuldigte sich kurz. „Ich muss in der Festung nach dem Rechten sehen und mich mit Nora besprechen. Ich werde in knapp einer Stunde wieder zurück sein.“ Damit verließ sie den Raum und schloss die Tür hinter sich. Wahrscheinlich aber war dies auch nur ein Vorwand gewesen, um zu gehen. Es war nicht auszuschließen, dass sie längst gemerkt hatte, dass Matt Probleme emotionaler Natur hatte und er jetzt ein Vieraugengespräch mit Morph brauchte, der ihm in solchen Sachen deutlich besser helfen konnte. Sie sah sich da eindeutig nicht in der Lage, ihm da zu helfen, da sie nicht so viel von Romantik oder einfühlsamen Gesprächen hielt. Außerdem konnte bei einer schwulen Beziehung am allerbesten ein schwuler Mann helfen. Morph schien wohl den gleichen Gedanken zu haben und rückte seinen Hut zurecht. „Jetzt sag schon, was dir auf der Seele lastet, mein Freund. Ich sehe dir doch an, dass dich diese verkorkste Beziehung zwischen dir und Mello belastet.“ Matt nahm seine Fliegerbrille ab und rieb sich die Augen. Es war irgendwie eine seltsame Angewohnheit von ihm, die er schon seit seiner Ankunft in Down Hill hatte. Manchmal kam er sich selbst schon fast fremd vor, denn er hatte ganz plötzlich mit dem Rauchen aufgehört und Videospiele spielte er auch kaum noch. Naja, wahrscheinlich war das auf den heftigen Schlag auf dem Kopf zurückzuführen, der ihn fast getötet hatte. Danach hatte er so einige Gedächtnislücken gehabt und wahrscheinlich hatte dies auch diese kleinen Verhaltens- und Charakterveränderungen zur Folge gehabt. „Ich bin nach wie vor furchtbar wütend auf ihn. Aber… irgendwie wünsche ich mir, dass da noch etwas anderes wäre.“

„Etwa Liebe?“ Matt antwortete nicht darauf, aber er wusste, dass Morph sich so seinen Teil dachte. „Ich weiß, dass ich ihn wirklich geliebt habe“, begann der 23-jährige zu erklären. „Aber irgendwie kommt mir das so vor, als wäre das nur eine Art Traum gewesen. Natürlich ist das alles wirklich passiert, aber ich fühle mich einfach nicht so. Es kommt mir so vor, als hätte es diese Gefühle nie gegeben. Aber…“

„Du würdest ihn gerne lieben“, ergänzte der inhaftierte Journalist und nickte. „Das Problem ist, dass du dich emotional von ihm gelöst hast. Diese Liebe, die du für ihn empfunden hast, ist offenbar erloschen, obwohl du dir wünschst, es gäbe sie noch.“

„Total bescheuert, oder?“

„Ach was. Das passiert vielen Ehepaaren, die nichts für die Beziehung tun, sodass irgendwann die Luft raus ist. Da erlöschen leider Gottes auch diese Gefühle mit der Zeit. Ist nicht gerade erfreulich, ich kenne das. Ich hab mir oft gewünscht, nicht schwul zu sein und meine Frau lieben zu können. Dann wäre vielleicht vieles einfacher gewesen.“

„Und was soll ich machen? Kann man da überhaupt noch irgendetwas tun?“

„Nun, das kann niemand sagen. Man kann aber versuchen, daran zu arbeiten. Wenn du wirklich wieder diese alten Gefühle für Mello empfinden willst, dann solltest du darüber nachdenken, dich neu in ihn zu verlieben. Das geht auch. Klappt zum Beispiel bei Menschen, die sich nach einer retrograden Amnesie neu in ihren Partner verlieben, an den sie sich nicht erinnern. Ich habe da sogar schon mal jemanden interviewt. Aber es liegt ganz bei dir und vor allem auch an ihm, wie viel er dafür bereit ist zu tun. Es wird jedenfalls nicht leicht werden, das kann ich dir jetzt schon sagen. So etwas erfordert harte Arbeit und nicht immer gelingt es. Das muss ich leider auch sagen. Ich habe wirklich oft genug versucht, mich in meine Frau zu verlieben, aber letzten Endes konnte ich nichts daran ändern, dass ich keine Liebe für sie empfinden kann. Womöglich lag es aber auch daran, weil ich für sie nie etwas empfunden habe. Bei dir ist es anders. Du hast Mello geliebt und du hast die Motivation, dich wieder in ihn zu verlieben, obwohl er so eine Scheiße mit dir abgezogen hat. Vielleicht klappt da was. Aber… wenn die Diagnose von Helmstedter nicht so ausfällt, wie du es dir erhoffst, dann wirst du gezwungen sein, eine Entscheidung zu treffen. Du musst dann klare Position beziehen und das tun, was du für richtig hältst. Du bist der Shutcall, diese Entscheidung kann dir niemand abnehmen. Außer vielleicht du gibst deinen Posten weiter, dann würde ein anderer über Mellos Leben entscheiden.“

„Was würdest du an meiner Stelle tun?“

„Das kommt auf die Diagnose an. Wenn Hoffnung für ihn besteht, würde ich ihn unter meinen Schutz stellen, auch wenn er ein Vollidiot ist, der schneller mit der Faust zuschlägt als er nachdenkt. Wenn er eine eventuelle Gefahr darstellt, würde ich ihn dort unterbringen, wo er kaum eine Gefahr darstellt und man ihn unter strenger Beobachtung hat. Und sollte er sich zu einer großen Bedrohung entwickeln, würde ich ihn wegsperren und eine Möglichkeit suchen, um ihm zu helfen. Und wenn ich keine Möglichkeit finde und es keinen Ausweg mehr gibt, werde ich dann entweder sein Leid beenden oder warten, bis der letzte Rest Menschlichkeit erloschen ist, damit ich wenigstens keine ethischen Vorbehalte habe, was dann die Experimente mit ihm betrifft.“ Eigentlich hatte Morph ja Recht. Es war die vernünftigste Entscheidung, aber er fürchtete sich vor der Diagnose. Wieder rieb er sich die Augen und fragte erschöpft „Wie spät?“ „Wir haben jetzt gleich 19 Uhr. Also dürfte die 24-Stundenfrist jetzt gleich vorbei sein.“ Nun, dann war auch die Wartezeit endlich vorbei und er würde gleich Gewissheit haben. Damit erhob sich der 23-jährige und verließ den Raum, Morph folgte ihm. Es war ein unsäglich schwerer Gang für Matt und er spürte, wie die Aufregung stieg. Er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, aber es fiel ihm immer schwerer. Wahrscheinlich hatte sich Mello nicht anders gefühlt, als er zu Helmstedters Labor gegangen und sein eigenes Todesurteil vor Augen hatte. Matt hatte nie an so etwas wie Gott geglaubt und jetzt, in dieser Hölle hier, würde er auch ganz gewiss nicht anfangen an Gott zu glauben. Denn hier gab es keinen Gott… nur den täglichen Kampf ums Überleben. Matt erreichte schließlich das Labor, klopfte der Höflichkeit halber kurz an und trat dann ein. Das Labor war schon seit der Eröffnung von Down Hill vor 21 Jahren in Betrieb und mit modernster Technik ausgestattet und ermöglichte nicht nur genaue Analysen und Untersuchungen, sondern auch chirurgische Eingriffe, damit keiner der Insassen das Gefängnis verlassen musste. Es gab genügend Fälle, wo solche Krankenhauseinlieferungen eine beliebte Fluchtmöglichkeit für Insassen waren. Und mit dieser Einrichtung wurde ihnen selbst diese Alternative genommen.

Der Geruch von Desinfektionsmitteln stieg Matt in die Nase und er sah Birdie an einem Tisch sitzen und wie sie etwas durch ein Mikroskop zu erkennen versuchte, während der Doktor selbst mit den Blutproben arbeitete. Obwohl er seit 24 Stunden nicht mehr geschlafen hatte, wirkte er noch hellwach und fit. Die Ankömmlinge schien er bei seiner Arbeit nicht sonderlich zu beachten, sondern ging seiner Tätigkeit seelenruhig weiter nach, sodass Matt natürlich nachfragen musste. „Also Dr. Helmstedter, sind Sie mit der Analyse soweit fertig und können eine Diagnose treffen?“

„Einen kurzen Moment noch…“ Der Doktor hob eine kleine Blutampulle hoch und hielt sie gegen das Licht, wobei er sie ganz vorsichtig schüttelte. Er rückte seine Brille zurecht und schwieg einen Moment nachdenklich, dann aber meinte er „Enttäuschend. Keine Hinweise auf eine Polycythaemia vera…“

„Doktor?“

„Polycythaemia ist auch als Krebserkrankung bekannt und führt aufgrund der erhöhten Zellenanzahl zu einer Blutverdickung. Aber anscheinend war es wohl etwas anderes…“ Etwas ungeduldig räusperte sich Matt, woraufhin er seine Frage mit der Diagnose wiederholte. Daraufhin stellte Dr. Helmstedter die Blutprobe zurück und rückte erneut seine Brille zurecht. „Ach ja… die Diagnose. Nun, Birdie und ich haben die Proben genauestens untersucht. Sowohl das Blut des Infizierten, als auch diese Probe hier.“ Und damit zeigte er ihnen ein Reagenzglas mit einer pechschwarzen Substanz darin, die er aus Mellos Wunde gewonnen hatte. „Bedauerlicherweise konnte ich keine Veränderung seiner normalen Blutwerte feststellen und Umbras Gen auch nicht nachweisen. Es ist, als ob es gar nicht existiert.“ Verwirrt runzelte Matt die Stirn. „Und was bedeutet das?“

„Dass das Umbra-Gen nicht dominant genug ist, um seine Blutzellen permanent zu befallen. Der Vorgang sieht dabei folgendermaßen aus: Das Umbra-Gen verschmilzt quasi mit der DNA und schreibt eine bestimmte Frequenz um, die die Blutproduktion steuert. Der Körper produziert daraufhin neues Blut, welches den Kühlungsprozess des Körpers zur Folge hat, woraufhin der Blutdruck gesenkt und das Blut selbst sich verdickt. Dabei spricht man vom Blood-Freezing. Allerdings ist dieser Prozess bei Mello nur bruchstückhaft, was darauf zurückzuführen ist, weil er nicht das reine Umbra-Gen besitzt. Stattdessen wurden nur Bruchstücke der entsprechenden DNA-Frequenz beeinflusst, sodass sein Körper nur in bestimmten Situationen die Umbra-Blutzellen produziert. Nämlich bei einer starken Adrenalinausschüttung, zum Beispiel bei Schmerzen oder großen Stress. Die Umbra-Zellen vereinnahmen dann die Blutkörperchen, sammeln sich an den verletzten Körperstellen und verbinden sich, dabei wird die Körpertemperatur reguliert, wodurch dann der Blood-Freezing Prozess stattfindet. Der Körper beginnt daraufhin mit dem Wundheilungsprozess und dabei werden die Umbra-Zellen wieder vollständig abgebaut, sodass sie sich nicht mehr nachweisen lassen.“

„Bei Mello verhält es sich ähnlich mit einem HIV-Infizierten“, erklärte Birdie, um es ihnen halbwegs bildlich zu veranschaulichen. „Er hat zwar eine Infektion, aber die Krankheit, also sprich AIDS, hat er nicht. Folglich also kann er nicht zu Umbra werden, zumindest gehen wir momentan noch davon aus. Dies ist erst mal nur eine vorläufige Diagnose.“ Das klang schon mal viel versprechend, doch Matt wollte sich nicht allzu viele Hoffnungen machen, denn es konnte noch ganz anders ausgehen. „Und geht von ihm eine Gefahr aus?“ „Das lässt sich noch nicht zu hundert Prozent sagen“, gab die tollpatschige Ärztin zu. „Dazu müssten wir die Proben längere Zeit untersuchen, um zum Beispiel ein Wachstum feststellen zu können. Aber bisher reagierte Mellos Blut nicht und die Zellen ließen sich wie gesagt nicht nachweisen. Folglich also ist die Gefahr gering, dass er zu einer Bedrohung werden könnte.“

Innerlich atmete Matt auf, aber auch nur innerlich. Nach außen hin blieb er weiterhin gefasst und so fragte er weiter „Und wie hoch ist sein Nutzen für die Experimente?“

„Schwierig zu sagen“, murmelte Birdie und warf putzte schließlich ihre Brillengläser. Bevor sie aber weitersprechen konnte, ergriff Dr. Helmstedter wieder das Wort. „Die Problematik in seinem Fall besteht darin, dass es sich bei ihm lediglich um einen Penumbra handelt, also um einen Halb-Umbra. Sein schwarzes Blut reagiert lediglich so lange, bis der Körper mit der oberflächlichen Wundheilung fertig ist. Und in seinem Fall schreitet sie sehr schnell voran. Ich wage zu behaupten, dass wir sein Blut kaum verwerten können, solange er keinen starken Schmerzen ausgesetzt wird. Auch eine Ansteckung dürfte kaum möglich sein. Aber dies ist lediglich eine oberflächliche Diagnose. Näheres kann ich nur sagen, wenn ich noch ein paar Tage bekomme, um das Umbra-Blut zu untersuchen.“ Matt verschränkte die Arme und dachte nach. Mello war also lediglich ein Halb-Umbra und das schwarze Blut war zu schwach, um vollständig von ihm Besitz zu ergreifen, weil wahrscheinlich die verabreichte Menge zu schwach war. Demnach also konnte er Mellos Todesurteil abwenden und ihm noch eine Chance geben. „Das heißt dann also, wir müssen Mellos Leben nicht unbedingt opfern.“

„Es wäre sinnvoll, einige Versuche durchzuführen und anhand dessen festzustellen, wie sein Umbra-Blut reagiert.“

„In Ordnung“, meinte Matt und nickte bedächtig. Er ging noch mal alle Fakten durch und versuchte eine Lösung zu finden, die alle Beteiligten zufrieden stellte, vor allem aber seinem Freund das Leben rettete. Eine Weile lang herrschte nachdenkliches Schweigen, bis er dann zu dem Entschluss kam „Sie haben die Umbra-Proben, Dr. Helmstedter und können diese näher auf ihre Bestandteile untersuchen. Aber ich will keine unnötigen Opfer, die sich auch vermeiden lassen könnten. Aus diesem Grund sehe ich davon ab, Mello an Umbras Stelle für die Versuche einzusetzen und sein Leben aufs Spiel zu setzen, wenn es nicht die entsprechenden Resultate liefert, die den ganzen Aufwand wert ist. Ich werde Mello unter meine Beobachtung stellen und er wird in Efrafa bleiben. Wenn keine akute Gefahr von ihm ausgeht, dann sehe ich auch kein Grund, ihn zu isolieren und ihn durchzufüttern. Und vielleicht könnten seine Fähigkeiten auch zu unserem Vorteil sein. Wenn seine Wundheilung wirklich schneller ist und Umbras Blut ihm erlaubt, trotz der Freisetzung bei Verstand zu bleiben, können wir ihn beobachten und anhand dessen erkennen, ob es wirklich risikofrei ist, wenn wir Umbras Blut an den anderen austesten.“ Birdie war von der Idee begeistert, was aber auch daran lag, weil sie jeden sofort ins Herz schloss und deshalb sicherlich nicht weniger getroffen wäre wie Matt, wenn Mello für die Experimente geopfert wurde. Was Dr. Helmstedter betraf, so ließ sich nicht direkt erkennen, wie er zu der Sache stand. Dieser Mann war Matt sowieso manchmal ein Rätsel und nicht gerade die vertrauenswürdigste Person. Als Arzt war der Mann ein wahres Genie, das ließ sich nicht leugnen. Aber als Mensch… tja, da würde er nicht unbedingt seine Gesellschaft suchen. Er war sich auch sicher, dass es Helmstedter nicht anders erging und er lieber eine andere Form der Gesellschaft suchte. „Nun gut“, meinte er schließlich und ein eiskaltes Lächeln, welches schon fast bedrohlich und unheilvoll wirkte, spielte sich auf sein Gesicht. „Ich werde mich nach dem Willen des Shutcalls richten und die Proben weiter untersuchen. Wenn ich die Bestandteile habe, werde ich dann auch wieder im Besitz des reinen und unvermischten Umbra-Gens sein, mit dem sich dann auch eine Möglichkeit finden wird, durch die Todeszone zu kommen.“ Damit war dies geklärt, aber Matt beschlich irgendwie ein ungutes Gefühl, wenn Dr. Helmstedter das sagte. Er bedankte sich bei Birdie und Helmstedter für die schnelle Diagnose und verließ das Labor. Immer wenn er dort war und diesen ekelhaften Desinfektionsgeruch in der Nase hatte, wurde ihm fast schon klaustrophobisch zumute und er bekam Kopfschmerzen. Er konnte nicht erklären wieso, aber er hasste dieses Labor.
 

Es machte ihm irgendwie Angst…

Der Umzug

Mello wusste nicht, wie spät es war und wie viel Zeit eigentlich vergangen war. Er konnte nicht sagen, ob die 24 Stunden schon um waren, oder ob es gerade erst eine Stunde vergangen war. Er wusste ja nicht mal mehr, ob es gerade Tag oder Nacht war. Inzwischen hatte er gänzlich sein Zeitgefühl verloren und der Einzige, der vorbei kam, war Rhyme, der ihm etwas zu Essen brachte und versuchte, ihn mit Worten aufzumuntern. Aber Mello verspürte weder Appetit, noch vermochten Rhymes Worte ihm Mut zu machen. Denn es ließ sich nun mal nicht leugnen, dass von dieser verdammten Diagnose sein Leben abhing. So saß er in seiner Zelle, gefesselt und eingesperrt wie ein Schwerverbrecher. Diese quälende Ungewissheit machte ihn fast verrückt und von Kaonashi oder Horace hatte er auch nichts mehr gehört. Er war ganz alleine und konnte nichts tun als zu warten. Schließlich aber hörte er ein vorsichtiges Klopfen an der Tür. „Wer ist da?“ rief er und sah nur den Schatten zweier Füße durch den Türspalt. „Mello? Ich bin es, Echo.“ „Wie hast du mich gefunden?“ „Ich bin dem Geräusch von Rhymes Schritten gefolgt und dann hab ich deine Stimme gehört. Über mein Gehör kann ich mich nach der Zeit in Down Hill sehr gut orientieren. Wie geht es dir denn?“

„Na wie soll es mir schon gehen, wenn mein Leben auf dem Spiel steht?“ gab Mello zurück und klang ziemlich gereizt dabei, aber in Wahrheit war es nur diese verdammte Angst um sein Leben. „Tut mir leid“, kam es von Echo, der durch den barschen Ton etwas eingeschüchtert war und da der 24-jährige Sorge hatte, seinen Gesprächspartner schlimmstenfalls zu verlieren, versuchte er seinen Ton runterzufahren und sich zu beruhigen. „Schon gut, es muss dir nicht leid tun. Es ist nur… diese Situation ist schon belastend genug für mich.“ „Kann ich mir vorstellen. Gerade halten alle eine Versammlung im Speisesaal ab, da Matt offenbar etwas Wichtiges zu besprechen hat.“

„Und wieso bist du nicht auch dort?“

„Wenn alle durcheinanderreden, kann ich mich nicht auf die Orientierung konzentrieren, außerdem wird es dort immer schrecklich laut und ich wollte mal nach dir sehen, nachdem ich von Rhyme gehört habe, wie fertig du bist. Naja… sehen ist ja in meinem Falle nicht das richtige Wort, aber du weißt ja, was ich meine.“ Echo lachte und es schien so, als wolle er irgendwie die Stimmung bessern. Aber er wusste, dass das auch nicht sonderlich half. „Mello, es wird schon alles gut werden, das weiß ich. Matt wird nicht zulassen, dass dir etwas passiert, darauf kannst du dich verlassen. Du musst ihm einfach vertrauen.“

„Das tue ich ja. Aber… was wird dann sein, wenn sich herausstellt, dass ich auch zu Umbra werde? Ich würde zu einer Gefahr für alle werden. Verstehst du das Problem?“

„Selbst wenn… Dr. Helmstedter würde sich sicher etwas einfallen lassen, um das zu verhindern.“

„Ach ja? Er ist doch derjenige, der dieses Monster erschaffen hat.“ Wieder war Echo still und wusste wohl nicht, was er dazu sagen sollte. Schließlich aber räusperte er sich und versuchte es wieder mit der Aufmunterung. „Ich glaube, dass die Versammlung ein gutes Zeichen ist. Immerhin kamen Matts Schritte aus der Richtung von Helmstedters Labor und wenn die Diagnose negativ ausgefallen wäre, dann wäre er doch direkt zu dir gekommen. Aber wenn er alle versammelt, dann scheint es eigentlich mehr wahrscheinlich zu sein, dass er sich etwas anderes überlegt hat.“

„Er hat die Diagnose? Wie ist sie ausgefallen?“

„Das kann ich leider nicht sagen. Ich gehe nicht gerne ins Labor. Dort drin herrscht irgendwie eine unheimliche Atmosphäre, die mir Angst macht. Außerdem hat Morph gesagt, ich solle nicht dorthin gehen und dem Doktor aus dem Weg gehen, eben weil er ein gefährlicher Mann ist. Wir alle in Down Hill wissen, wer der Doktor ist und was er macht. Aber wir sind auf ihn angewiesen. Er ist der beste Arzt und auch der Einzige, der in der Lage ist, das Umbra-Gen herzustellen. Aber auch wenn er ein gefährlicher Mensch ist, so hat er auch Gutes getan. Als Matt mit schweren Kopfverletzungen hergebracht wurde, da hat er ihm das Leben gerettet, genauso wie vielen anderen, die bei den Kämpfen verwundet wurden. Auch dir hat er doch geholfen. Und solange er für uns arbeitet, brauchen wir uns keine Sorgen zu machen. Oder zumindest so gut wie gar keine. Und hey! Es stehen Leute auch hinter dir, obwohl sie dich kaum kennen. Ich zum Beispiel, Rhyme und Birdie wollen auch nicht, dass dir was passiert und auch Morph würde dich nur ungern als Versuchskaninchen sehen.“ „Sehr witzig“, meinte Mello. „Der Typ hasst mich doch.“

„Morph hasst dich doch nicht. Er hält dich lediglich für einen homophoben Idioten, der lieber zuschlägt, statt nachzudenken.“ Na das hört sich doch ganz verdächtig danach an, dass er mich hasst. Nun ja… eigentlich hat Echo ja nicht ganz Unrecht. Wenn Matt direkt nach der Diagnose eine Versammlung abhält, anstatt mit mir zu reden, dann kann es tatsächlich ein gutes Zeichen sein. Aber trotzdem hätte ich jetzt wirklich gerne die klare Ansage, ob ich jetzt auf dem Seziertisch lande oder nicht. „Wie spät ist es jetzt überhaupt?“ Sofort bereute er die Frage wieder, als er sich wieder erinnerte, dass Echo ja keine Augen mehr hatte. „Sorry“, murmelte er nur. „Das war jetzt nicht wirklich taktvoll.“ Doch Echo machte ihm keine Vorwürfe und versuchte dennoch irgendwie eine exakte Antwort zu geben. „Vom Gefühl her würde ich sagen, dass es entweder eine halbe oder eine ganze Stunde nach 18 Uhr ist. Leaks hat meine Armbanduhr so eingestellt, dass sie zur Essenszeit Alarm gibt, damit ich Bescheid weiß.“ Das heißt, ich bin seit knapp 25 Stunden schon wach und ohne Schlaf. Kein Wunder, dass es mir so beschissen geht, dachte sich Mello und tatsächlich fühlte er sich ziemlich elend. Ihm war schlecht, sein Kopf schmerzte und er spürte, wie erschöpft er war. Sowohl psychisch als auch physisch. „Ach herrje“, sagte Echo schließlich nach einer kurzen Weile des Schweigens. „Scheint so, als würde es ziemlich heftig zugehen.“

„Echt? Ich hör hier irgendwie nichts…“

„Ich habe mit der Zeit auch ein feineres Gehör entwickelt. Und so wie es scheint, geht es im Saal ganz schön lautstark vor. Die scheinen wohl alle ziemlich wütend zu sein. Sorry Mello, aber es ist besser, wenn ich erst mal gehe. Morph sagte, ich soll lieber verschwinden, wenn es Ärger gibt.“

„Ja, ist wahrscheinlich besser so. Aber danke für den Besuch.“

„Oh Mann, dir muss es ja wirklich furchtbar gehen… Aber keine Sorge. Matt kommt sicher gleich.“ Mello verstand schon, was Echo damit meinte. Wenn er schon anfing, freundlich zu werden, da konnte es ihm nur beschissen gehen. Zugegeben, ihm fehlte wirklich die Energie, um weiterhin herumzuwettern. Er wollte einfach nur die Diagnose haben und dann schlafen. Einfach nur schlafen und damit diesen ganzen Stress endlich los sein. Es verging aber noch eine Weile, bis sich die Tür zu seiner Zelle endlich öffnete. Zuerst dachte er, es wäre Rhyme, doch es war Matt. Bei seinem Anblick kam wieder Leben in den 24-jährigen und ein leichter Hoffnungsschimmer machte sich in ihm deutlich spürbar, denn der Gesichtsausdruck seines besten Freundes sah zumindest nicht danach aus, als würde dieser sein Todesurteil beschlossen haben. Nein, es gab noch tatsächlich Hoffnung, dass er nicht auf dem Seziertisch endete. „Matt…“ Wortlos holte dieser etwas hervor, was Mello als ein Halsband identifizierte. Es besaß ein kleines Schloss und tatsächlich wurde es von Matt abgeschlossen. Der 24-jährige brauchte einen Moment um zu realisieren, dass Matt ihm gerade tatsächlich ein Halsband angelegt hatte. Und neben Irritation war Verärgerung das nächste, was Mello empfand und laut rief er in seiner typisch rebellischen und respektlosen Art „Was zum Henker soll der Scheiß, Matt? Nimm mir sofort dieses Ding wieder ab.“

„Dieses Halsband wirst du von nun an immer tragen“, erklärte der 23-jährige Shutcall, ohne auch nur eine Sekunde auf Mellos Worte einzugehen. „Und von nun an trägst du den Rang als mein persönlicher Petboy und das Halsband wird dich als solcher ausweisen. Als Petboy bist du mein Eigentum und hast mir zu gehorchen. Ganz egal was ich auch von dir verlange, du wirst dich nach meinen Anweisungen richten, keine Widerworte leisten und du wirst ein neues Quartier beziehen und zwar in Stützpunkt No. 1 in Ebene 0, bis sich hier die Lage beruhigt hat. Solltest du dich meinen Anweisungen widersetzen, steht es mir als dein Besitzer frei, dich zu bestrafen, wie es mir beliebt und sogar, dich eigenhändig zu töten, wenn ich deiner überdrüssig bin.“ Immer noch verstand Mello nicht, was das Ganze sollte und warum Matt das tat. Und so langsam wurde er wütender und hätten ihn die Handschellen nicht daran gehindert, dann hätte er Matt gepackt und ihn durchgeschüttelt. „Was soll der Scheiß, kannst du mir das mal erklären? Und was soll das mit diesem bescheuerten Petboy-Gehabe? Seit wann bin ich denn dein persönlicher Sklave geworden?“

„Seit dem Augenblick, als ich meinen Leuten verkündet habe, dass du nicht als Forschungsobjekt für die Umbra-Experimente eingesetzt, sondern stattdessen hier in Efrafa bleiben wirst. Und um sicherzustellen, dass niemand auf den Gedanken kommt, sich über meine Entscheidung hinwegzusetzen, mache ich dich zu meinem Besitz und von nun an wirst du in jeder Lebenslage mein Eigentum sein, solange wir hier in Down Hill sind.“ Dass Matt diese Entscheidung aus Gründen der Sicherheit getroffen hatte, weil ansonsten das Leben seines Freundes in Gefahr war, hörte Mello zwar, aber er blendete es einfach aus, denn für ihn war es ein Ding der Unmöglichkeit, dass Matt es tatsächlich wagte, ihn zu seinem Sklaven zu machen und ihm dieses Halsband anzulegen, als wäre er ein Tier. Das konnte der mal wieder schön vergessen. „Ums Verrecken werde ich nicht zu deinem Leibeigenen, klar? Und jetzt nimm mir gefälligst dieses Halsband ab, oder ich erwürg dich gleich damit.“ Doch da packte Matt ihn grob an den Haaren und funkelte ihn fast schon feindselig an. „Ich glaube, du hast nicht kapiert, was ich riskiert habe, um dein Leben zu retten. Ich hab mich gegen den Willen meiner Leute gestellt und das Risiko einer Revolte in Kauf genommen, um dich zu schützen. Es gibt hier genug Männer, die einen verdammt guten Grund haben, um deine Umbra-Seite zu hassen. Sie haben Freunde und Kameraden verloren. Teilweise sogar Verwandte. Einige wurden von Umbra verstümmelt und sind fast gestorben. Wenn ich nicht zusammen mit Morph, Christine und meinen treuesten Untergebenen diesen Aufstand beendet hätte, dann hätten sie dich eigenhändig gelyncht, weil du ein Monster bist. Zumindest in ihren Augen. Zwar geht keine Gefahr von dir aus, weil dein Umbra-Gen zu schwach ist, um dich zu einem Umbra zu machen, aber das interessiert sie nicht. In ihren Augen bist du eine wandelnde Zeitbombe, die es zu vernichten gilt. Aber wenn ich dich zu meinem höchstpersönlichen Eigentum mache, werden sie es nicht wagen, dich zu töten. Also ist dies die einzige Chance, die wir haben. Und deshalb ist es mir vollkommen egal, ob es dir gerade passt oder nicht.“ Nun nahm Matt ihm die Handschellen ab und half ihm hoch. „Jetzt komm mit. Je schneller du hier wegkommst, desto besser. Morph und Christine halten die Meute in Schach und beruhigen die Lage.“ Mello war etwas wackelig auf den Beinen, was ihn selber erstaunte. Aber wahrscheinlich war sein Körper durch die ganze Aufregung völlig erschöpft, vor allem weil er nichts gegessen hatte. Sogleich wanderte seine Hand zu dem Halsband, welches Matt ihm umgelegt hatte. Es saß locker genug, dass er zwei Finger durchschieben konnte, aber es war trotzdem ein seltsames und auch recht beschämendes Gefühl. Zusätzlich befand sich an dem Halsband eine Art Ring, an den man eventuell eine Leine befestigen konnte. Allein der Gedanke daran, dass ihm so eine tatsächlich angelegt werden könnte, ließ sein Herz schneller schlagen und ihm wurde mulmig zumute. Als sie auf den Flur hinaustraten, kam ihnen Christine entgegen, die wieder eine Gatling bei sich hatte, die sie sich problemlos mit einem Riemen auf den Rücken geschnallt hatte. Dabei wog das Ding nach Mellos Einschätzung hin gut und gerne mehr als 100kg. Nun gut, Christine sah sowieso schon sehr durchtrainiert aus, aber das Gewicht schien ihr überhaupt nichts auszumachen. Als würde sie eine Plastikpistole mit sich tragen. „Boss, ich hab soweit alles geklärt.“

„Okay. Dann begleite mich eben runter.“ Damit folgte Christine ihnen und schließlich erreichten sie den Fahrstuhl. Nachdem sie drin waren, fuhren sie runter und nach einer kurzen Wartezeit erreichten sie die Ebene 0 und damit die tiefste Ebene, in die der Fahrstuhl fahren konnte. Ihm fiel auch auf, dass es tatsächlich nur drei Ebenen gab, die man als Ziel angeben konnte. Als die Fahrstuhltür geöffnet wurde, trat Christine als Erste raus, wohl vermutlich um für Matt den Weg freizumachen, da stieß sie auch schon mit jemandem zusammen, woraufhin ein lautes Scheppern zu hören war. Mello und Matt traten nun auch aus der Kabine heraus und der 24-jährige sah auch sogleich, mit wem Christine zusammengestoßen war. Es war ein Junge von vielleicht 17 Jahren, gerade mal 1,50m groß und etwas längeren brünetten Haaren, die dasselbe Braun hatten wie seine Augen, die ein wenig verschlossen wirkten. Das Scheppern rührte von einer Werkzeugkiste her, die dem Jungen heruntergefallen war. Auch sonst trug er noch einen Werkzeuggürtel und hinter ihm stand ein Berg von einem Menschen. Mello hatte selten einen derart großen Mann gesehen, der gut und gerne um die zwei Meter groß war, vielleicht sogar ein klein wenig größer. Er hatte ein etwas ernstes Gesicht, wenn auch nicht mit derselben unnachgiebigen Strenge wie Christine. Stattdessen wirkte es eher wie das eines weisen Mannes. Sein brünettes Haar, welches aber auch schon langsam grau wurde, hatte er etwas zurückgekämmt und er hatte dazu noch einen Kinnbart. Seine Arme waren muskulös, wenn auch nicht allzu übertrieben. Aber wahrscheinlich reichten sie aus, um einem Menschen die Knochen zu brechen. Seine linke Schläfe zierte eine dunkle Narbe. Auf seiner Schulter trug er eine riesige Kiste, die höllisch schwer aussah, für ihn aber kein Problem darstellte. Er half dem Jungen mit seiner freien Hand auf die Beine und begrüßte die Ankömmlinge höflich. Dabei fiel Mello auf, dass er eine fast schon fremd anmutende Ruhe ausstrahlte, die einen starken Kontrast zu Christine bildete. Matt wandte sich schließlich Mello zu. „Mello, das ist Hiram, unser zweiter Einheitsführer und quasi Christines Stellvertretung in Efrafa I. Ab heute ist er deine Ansprechperson, wenn ich nicht da sein sollte. Und er hier…“ Damit verwies er auf den Jungen, „…ist unser technischer Fachspezialist Leaks. Er kümmert sich um alle technischen Probleme und baut neue Geräte zusammen. Mit ihm wirst du auch noch zu tun haben.“

„Is dat der Neue, den se aus’m Hell’s Gate gefischt haben?“ fragte Leaks und deutete dabei auf Mello. Sein Gesicht zeugte von deutlicher emotionaler Verschlossenheit, aber dennoch verriet sein Blick, dass sich der Knirps sehr gut durchsetzen konnte. „Ja, ganz richtig“, bestätigte Matt. „Mello ist mein Eigentum und wird vorerst hier in Efrafa I untergebracht werden. Ich verlasse mich darauf, dass ihr ihn in den Alltag dieses Stützpunktes einweist und dafür sorgt, dass er sich während meiner Abwesenheit auch nützlich macht. Ich habe auch nicht sonderlich viel Zeit. Christine, du kannst gerne noch hier bleiben wenn du möchtest.“ Mello entging nicht, dass die Soldatin dem Riesen einen Blick zuwarf, der nicht von Härte und Strenge gezeichnet war. Nein, sie schien Hiram offenbar sehr gut zu kennen und vermutlich war da eine enge Freundschaft oder sogar eine Beziehung im Spiel. Leaks, der aufgrund seiner geringen Größe etwas aus dem Blickfeld geriet, räusperte sich und wandte sich an Mello. „Dann werde ich dir gleich mal deine Unterkunft zeigen gehen. Komm mit.“ Da der 24-jährige wohl davon ausgehen musste, dass Matt keine Zeit mehr für ihn hatte, folgte er Leaks’ Anweisung und ging mit ihm mit. Dafür, dass der Junge recht kurze Beine hatte, war er erstaunlich schnell zu Fuß und Mello musste aufpassen, dass er weiterhin Schritt hielt. „Wat haste angestellt, dass de jetzt n Petboy bist?“ Dem Blondschopf entging nicht, dass Leaks einen Dialekt hatte und wenn ihn nicht alles täuschte, klang es ein wenig nach Südstaatendialekt. „Ich hab mich mit dem Umbra-Gen infiziert.“ „Tja, da haste echt die Arschkarte gezogen. Nya, hier biste erst ma sicher. Meist geht’s hier unten recht ruhig zu, wenn wa keinen Stress mit den Cohans hab’n. Aber die greifen eigentlich fast nie an. So bescheuert sind net mal die. Meist ist da ob’n die Hölle los, weil Konngara ständig Stress mach’n muss. Ständig ham wa ne Schießerei da ob’n und dementsprechend sind die da alle komplett aggro. Ständig haste da ne Keilerei, da packse dir echt da anne Kopp! Deshalb bleib ich lieber hier unten. Hey, wenn de willst, kannste gern mal inne Werkstatt vorbeischau’n. Ich kann immer helfende Hände gebrauch’n.“ Manchmal fiel es Mello schon etwas schwer, Leaks einwandfrei zu verstehen, da sein Dialekt insbesondere dann schlimmer zu werden schien, wenn er sich über irgendetwas aufregte. „Eigentlich ist dat Beste, wat dir hier passier’n kann, dat de hier landest. Hier wird hauptsächlich gearbeitet, aber kämpf’n tun wa fast nie. Wir ham hier dat Lager und prüf’n Waffen, reparier'n und organisier'n de ganzen Bestellungen. Eben halt wat wa so brauch’n. Essenszeiten sind hier genauso wie ob’n und auch sonst ham wa hier fast dieselben Regeln. Einzig dat Essen ist net so jut wie ob’n, da die als Kämpfer natürlich n Recht drauf hab’n. Ansonsten wenn de Frag’n hast, dann kannste immer bei Hiram oder bei mir nachfrag’n. Auf Hiram kannste dich wirklich immer verlass’n, egal wat dein Problem is.“ Sie erreichten schließlich eine Gittertür, die Leaks öffnete und hindurchging. Er kam zu einer Tür hin, die er aufschloss und dann Mello in den Raum eintreten ließ. Das Zimmer war fast genauso eingerichtet wie sein anderes, nur hingen hier keine Poster. „Dat hier is jetzt dein Zimmer. Es is recht abgelegen, weil es dat Zimmer speziell für besondere Gäste oder Bewohner ist. Und da du der Petboy vom Boss bis, wirste hier einquartiert. Wenn de willst, kann ich n CD-Spieler für dich besorgen. Ich krieg andauernd Schrott reingeliefert und bastle daraus wat. Und innem Gefängnis kannste Mucke immer gebrauch’n. Nur mit nem Fernseher sieht’s schlecht aus. Meist ham nur die Shutcalls einen.“ Naja, Musik war immer noch besser als nichts und er war sich sicher, dass er auf das Angebot noch zurückkommen würde. Schließlich zeigte Leaks ihm noch die Dusche (Es war sogar eine Einzeldusche) und wo er seine Wäsche waschen konnte. Als er dann aber merkte, wie erschöpft Mello war und dass es ihm nicht gut ging, unterbrach er die Rundführung und brachte ihn zu seinem Zimmer zurück. „Hat er dich zu hart rangenomm?“ fragte er ihn und stellte die Frage mit einer solchen Selbstverständlichkeit, als wäre sie normal. Mello machte diese Frage jedoch etwas verlegen und sogleich erklärte er „Nein. Es ist nur so, dass ich nicht schlafen konnte, weil ich echt dachte, ich würde auf dem Seziertisch landen und für irgendwelche Experimente missbraucht werden. Mit Matt hat das nichts zu tun.“

„Warum nennste ihn so? Kennt ihr euch?“

„Ja, wir sind beste Freunde und im selben Waisenhaus aufgewachsen. Und vor vier Jahren ist er von der KEE verschleppt worden, ich bin erst vor ein paar Tagen hier gelandet und hab die meiste Zeit davon auf der Krankenstation gelegen.“

„Wat is’n passiert?“ Mello schwieg, da er lieber nicht darüber sprechen wollte. Doch Leaks schien schon an seinem Gesicht erraten zu können, was mit ihm passiert war. „Du bist innen Westblock gelauf’n, oder?“ Als immer noch keine Antwort kam, seufzte Leaks leise und setzte sich zu ihm ans Bett. „Ich kann mir gut vorstell’n, wat du für'n Horror erlebt hast. Ich hab auch den gleichen Fehler gemacht und bin den beiden Psychopathen inne Arme gelauf’n.“ „Und sie haben dir nicht die Augen rausgenommen?“

„Nee, die waren wohl net so interessant für Sigma. Dafür ham se mich an Big Daddy als Petboy verkauft. B.D. ist quasi der Zuhälter hier in Down Hill. In Core City gibt’s n Vergnügungsviertel namens Gomorrha und da werden auch die Petboys vermietet oder verkauft. Dort war ich ne Weile, bis Hiram mich rausgeholt hat. Jetzt bin ich n freier Mann und hier in Efrafa haste nicht so viel vor Übergriffen zu befürcht’n wie woanners.“ Mello sah Leaks mit gemischten Gefühlen an und konnte kaum glauben, was diesem zugestoßen war. Er selbst war ja noch vor diesem Schicksal davongekommen und er hatte gesehen, wie diese Pets ausgesehen hatten. Nackt, angekettet in einer schmutzigen Ecke kauernd… das war kein Leben mehr gewesen. „Wie lange bist du schon hier unten?“ „Na so Pi mal Daumen gerechnet müssen dat jetzt so um die drei Jahre sein.“ Drei Jahre? Dann war der Junge ja noch ein Kind gewesen. „Was sind das nur für perverse Säcke, die so was mit Kindern machen?“

„Wieso Kinner?“ fragte Leaks irritiert. „Wie kommste jetzt drauf?“

„Na weil… wie alt bist du denn?“

„Vor drei Monaten bin ich 28 geworden.“ Mello dachte zuerst, der Typ wollte ihn verarschen. Der sah aus wie ein 17-jähriger und dann war er sogar noch vier Jahre älter als er selbst. Das konnte doch nicht wahr sein. „Ich weiß, es ist wegen meiner Größe“, schlussfolgerte Leaks und nickte. „Da bisse nicht der Erste, der dat denkt. Und wo kommste her?“

„Aus Los Angeles, bin aber in Brooklyn geboren.“

„Ach so, hab ich mir gleich gedacht. Ich komm aus Alabama, ich hab mehr so aufm Land gewohnt und hab da bei meim Alten in der Werkstatt ausgeholfen, schon als ich noch klein war. Und da mein Onkel ne Farm hatte, da hab ich natürlich auch die ganzen Maschinen repariert. Nya, es ging soweit ganz jut, bis dann plötzlich so n Haufen Typen von der KEE zu uns kam und Ärger machte. Die haben mich einfach beschuldigt, n Rebell zu sein und ich hab halt versucht, denen zu verklickern, dat mich det ganze Gedöns null interessiert und ich nur an Maschinen schraube, wat ja kein Verbrechen is. Doch die hattet n Scheiß interessiert und so bin ich einfach hergebracht word’n. Nya so was kommt eben vor, dat da ein Irrtum passiert und man fälschlicherweise hier landet. Aber raus kommste trotzdem nicht. Wat n Scheiß eben. Aber ich will dich net mit meiner Lebensgeschichte volljammern. Ruh dich erst mal aus und ich bring dir wat ausser Küche mit. Und morgen is’n neuer Tag.“ Damit erhob sich Leaks und ging zur Tür. Mello war so müde, dass er sich aufs Bett fallen ließ und ihm die Augen zufielen. Er wachte aber kurz darauf wieder auf, als Leaks zusammen mit Hiram hereinkam und ihm sein Essen und auch die Sachen aus seinem alten Zimmer, welches inzwischen geräumt war. Nachdem sich Mello gestärkt hatte, legte er sich wieder hin und fiel in einen tiefen, erholsamen Schlaf.

Ein rettender Anker

Christine hatte sich geräuschvoll auf einem Stuhl niedergelassen, ihre Gatling beiseite gelegt und dankend das Glas Schnaps angenommen, welches Hiram ihr reichte. Sie stürzte es in einem Zug runter und goss sich gleich noch was hinterher. „Du trinkst in der letzten Zeit viel, Reesa“, bemerkte Hiram und griff statt zum Alkohol lieber zu einer Zigarette. „Und du siehst auch sonst nicht gut aus. Der Stress da oben und diese ganzen Kämpfe müssen dich belastend für dich sein. Vielleicht wäre es besser, ich übernehme deinen Posten da oben und du dafür meinen hier und kommst dann endlich mal zur Ruhe.“ Besorgt betrachtete Hiram seine Kollegin, die für ihn eher eine langjährige Freundin war, mit der er sehr viele Erlebnisse teilte. Auf dem Schlachtfeld hatten sie des Öfteren mal zusammen gekämpft, auch wenn sie in zwei verschiedenen Einheiten waren, die zu Phoenix gehört hatte. Aber er sah sich auch nicht nur als guter Freund, sondern auch als jemand, der sich um sie sorgte. Denn er wusste von Christines selbstzerstörerischen Gedanken und ihren Problemen. Er versuchte so gut es ging ein Stück weit auf sie aufzupassen und ihr zu helfen. Doch das Problem war, dass sie keine Hilfe wollte. Sie hatte sie noch nie gewollt, weil sie alles alleine regeln und niemanden ihre Angelegenheiten hineinziehen wollte. „Das Thema hatten wir doch schon, Vincent“, seufzte die Soldatin und stützte müde ihren Kopf auf die Hand. „Da oben wird ein Anführer gebraucht, der deutlich den Ton angibt, damit kein Chaos ausbricht. Und mit dieser Ruhe komme ich einfach nicht zurecht. Das ist nicht mehr meine Welt und es ist das Einzige, was ich noch kann.“

„Aber es zerfrisst dich. Damals wolltest du doch unbedingt weg vom Schlachtfeld und ein Leben als einfache Frau führen. Was passiert ist, das war schrecklich und ich weiß, dass du dir immer noch die Schuld gibst. Insbesondere die Sache mit Amir. Aber du kannst nichts dafür. Es war ein Unfall!“

„Ein Unfall?“ rief Christine beinahe aufgebracht. „Ich hab ihn erschossen, Vincent. Er wollte mir nur helfen und ich hab ihn erschossen, verdammt. Wäre dieser scheiß Tötungsreflex nicht gewesen, dann wäre das alles nicht passiert. Scheiße noch mal Vincent, ich hab meine eigenen Kameraden getötet. Meine ganze Einheit musste sterben, weil ich Amir und sein Dorf beschützen wollte. Hätte ich mich nicht auf ihn eingelassen und wäre ich wegen meiner Schwangerschaft nicht aus dem Dienst ausgetreten, um bei ihm zu leben, dann wäre Operation Nemesis nicht eingeläutet worden. Niemand verlässt Einheit Phoenix… Das ist ihr unumstößliches Gesetz und ich war naiv zu glauben, dass es bei mir anders sein könnte.“ Ohne es zu wollen, war Christine laut und emotional geworden. Man konnte deutlich sehen, wie sehr es sie emotional mitnahm und dass sie diesen Schmerz selbst nach all den Jahren noch nicht überwunden hatte. Dazu waren die Wunden in ihrer Seele einfach zu tief. Und doch hatte sie niemals eine Träne vergossen. Nicht einmal beim Tod ihres Mannes. Denn sie hatte nie gelernt zu weinen. „Ich habe wirklich alles verloren, nur weil ich als einfache Frau leben wollte. Ich habe all meine Freunde und Kameraden und meinen Ehemann getötet und durch den Bauchschuss habe ich mein Kind verloren. Es gibt für mich einfach nichts mehr, was mir noch einen Sinn zum Weiterleben gibt. Nacht für Nacht träume ich von diesen schrecklichen Bildern. Frauen, die sterben, weil sie versuchen, mit ihren Kindern zu fliehen. Immer wieder höre ich ihre Schreie und sehe die Angst in ihren Augen. Immer noch rieche ich das Blut, das an meinen Händen klebt und selbst jetzt noch sehe ich Amir vor mir, wie er blutend auf dem staubigen Boden liegt und stirbt.“ Natürlich war Hiram klar gewesen, dass Christine das alles noch verfolgte. Es war einfach zu traumatisch gewesen das Ganze. Sie hatte Phoenix verlassen, obwohl ihr Körper extra für den Krieg modifiziert worden war, genauso wie seiner. Sie alle waren mit übermenschlicher Stärke und Ausdauer ausgestattet worden, um die perfekten Soldaten zu sein. Aus diesem Grund war Phoenix ins Leben gerufen worden. Es sollte die perfekte Waffe für den Krieg sein. Christine war die Beste von allen gewesen. Loyal, eine wahre Anführerin und gefühllos und kompromisslos im Kampf. Das Töten war für sie zum Reflex geworden und sie hatte nie etwas anderes gelernt. Sie war eine lebende Killermaschine gewesen. Bis sie dann Amir kennen lernen musste. Ein Zivilist in einem kleinen afghanischen Dorf, in den sie sich schließlich verliebt hatte. Doch solche Gefühle duldete Phoenix nicht. Es machte sie schwach. Also hatte Christine der Einheit den Rücken gekehrt, weil ihr Wunsch nach einem stabilen Leben größer gewesen war und sie etwas anderes erleben wollte, als nur den Tod. Sie war sogar schwanger geworden und hatte Amir geheiratet. Doch Phoenix war nicht bereit, ihren Ausstieg zu akzeptieren. Niemand verließ die Einheit… zumindest nicht lebend. Und deshalb schickte man ihr eigenes Team los, um das Dorf zu zerstören. Christine hatte reagiert, wie eine Soldatin reagierte, die nur das Kämpfen und Töten gelernt hatte. Sie war ihnen bewaffnet entgegengetreten und hatte sie alle getötet und die Wagen und Panzer zerstört, weil sie wusste, dass ihre Einheit auch vor den Zivilisten nicht Halt gemacht hätte. Sie hätten das ganze Dorf dem Erdboden gleich gemacht. Und um all diese Leute zu schützen, hatte Christine ihre eigenen Freunde getötet. Freunde, mit denen sie zusammen aufgewachsen war, nachdem sie als kleines Mädchen von Phoenix rekrutiert wurde. Kameraden, mit denen sie zusammen gelernt und gelacht und ihre ganze Jugend verbracht hatte. Sie waren ihre Familie gewesen. Und diese hatte sie ohne zu zögern getötet, um ihre andere zu beschützen. Doch dann hatte eine Kugel sie in den Unterleib getroffen und das Leben ihres Ungeborenen eingefordert. Verletzt war sie zusammengebrochen und Amir war zu ihr geeilt, um ihr zu helfen. Und das war sein Todesurteil gewesen. Er war von hinten gekommen, wo sie ihn nicht sehen konnte, was ein Fehler war. Dann hatte er sie an der Schulter berührt, während sie schwer verletzt und noch völlig im Rausch des Kampfgeschehens war. In dem Moment hatte ihr Reflex wieder eingesetzt. Dieser verdammte Reflex, sofort zu töten. Jeder normale Mensch hätte anders reagiert. Er hätte sich erschrocken umgedreht und vielleicht sogar die Hand weggeschlagen. Aber das war Christine einfach nicht in den Sinn gekommen, weil ihr seit ihrer Kindheit mit aller Gewalt und Grausamkeit eingedrillt worden war, sofort zu töten. Und so hatte ihr Körper einfach von allein reagiert und sie hatte geschossen. Die Kugel hatte direkt sein Herz getroffen und ihn auf der Stelle getötet. Das war der Moment gewesen, in dem Christines Leben vorbei gewesen war. Sie hatte ihre Freunde und Kameraden, ja ihre Familie getötet um ihren Ehemann und ihr ungeborenes Kind zu schützen. Und letztendlich war Amir durch ihre eigene Hand gestorben. Hiram kannte ihre Geschichte, immerhin hatte er Christine zur Flucht verholfen, als er erfahren hatte, was geschehen war. Er war mit seiner Einheit in den Irak beordert worden und auch er hatte all seine Kameraden verloren, während er selbst von einem Granatsplitter am Kopf getroffen wurde. Schließlich waren sie beide hier gelandet. „Reesa…“ Christine senkte den Blick und schwieg, dann aber holte sie eine Pistole hervor, entsicherte sie und hielt sie sich an die Schläfe. Mit ruhiger Stimme sprach sie „Immer und immer wieder habe ich es versucht, Vincent. Jeden Tag hab ich mir die Waffe an den Kopf gehalten und mir gedacht: drück ab und es ist endlich vorbei. Dann musst du nie wieder diese schrecklichen Bilder sehen und nie wieder das Geschrei von sterbenden Menschen hören. Ich habe niemals jemanden vergessen, den ich getötet habe, oder der an meiner Seite gestorben ist. Das ist meine Bürde. Aber… manchmal wünschte ich mir einfach, es wäre vorbei. Und dazu brauche ich nur den Abzug zu drücken. Ich versuche es wirklich, aber ich schaffe es einfach nicht. Ich bin einfach zu feige zum Sterben.“ Hierauf ergriff Hiram vorsichtig ihre Hand, mit der sie die Pistole festhielt und legte sie auf den Tisch, um sie davon abzuhalten, sich hier jetzt gleich umzubringen. „Du bist nicht feige. Du kannst es nur nicht tun, weil es irgendwo noch etwas geben muss, das dich an dieses Leben hält, auch wenn du es vielleicht nicht direkt siehst. Das beweist, dass du dich selbst noch nicht aufgegeben hast.“

„Wie schaffst du das nur, so stark zu bleiben? Dabei hast du nicht weniger schreckliche Bilder gesehen als ich.“

„Weil ich etwas habe, das mir die Kraft gibt, nicht aufzugeben und stark zu bleiben.“

„Etwa Leaks? Ist er dein rettender Anker?“

„So wie Amir es für dich war. Leaks ist nicht gerade stark und sehr klein geraten. Außerdem wirkt er bereits vom Aussehen her schon sehr jung und weckt eben gewisse Beschützerinstinkte. Ich liebe ihn und er gibt mir das Gefühl, dass ich auch etwas anderes bin als ein Soldat. Nämlich ein Mensch, der lieben und geliebt werden will. Er ist meine Lebenskraft. Und ich bin mir sicher, dass auch du sie noch finden kannst. Nicht alle Männer in Down Hill sind von Grund auf schlecht und du kannst noch mal neu anfangen.“

„Mach dich nicht lächerlich, Vince. Ich bin 42 Jahre alt, eine ausrangierte Soldatin und Schwerkriminelle, ich kann keine Kinder mehr gebären und psychisch bin ich ein komplettes Wrack, was sich nur noch mit Mühe und Not zusammenhalten lässt. Mein Leben ist vorbei und ich habe schon längst die Hoffnung auf ein normales Leben aufgeben. Für mich gibt es nur noch eines, was ich mir wirklich wünsche.“

„Und das wäre?“

„Ich will als Mensch sterben und nicht als Kriegsmaschine, zu der mich Phoenix gemacht hat. Das ist alles, was ich noch will. Ich bin nicht so stark wie du, Vincent. Ich kann nicht noch mal die Kraft aufbringen, um von vorne anzufangen und das alles hinter mir zu lassen. Glaub mir, ich habe es wirklich versucht. Aber selbst in einem ruhigen Umfeld verfolgt mich das alles noch.“

„Weil du Hilfe brauchst, Reesa“, erklärte er und nahm ihre Hand, was eine sehr freundschaftliche Geste war, die ihr Beistand vermitteln sollte. „Du leidest unter schweren Kriegstraumata. Posttraumatische Belastungsstörung ist etwas, was fast alle Soldaten im Außeneinsatz erwartet. Sie halten nur sechs Monate auf dem Schlachtfeld durch und wenn sie zurückkommen, ist die Welt, in der sie aufgewachsen sind, nicht mehr ihre Welt. Sie werden die ständige Angst nicht los und werden von all den Bildern verfolgt, die sie gesehen haben. In dem Fall kann ich dir leider auch nicht helfen, Reesa. Auch wenn ich es gerne würde. Aber bitte versprich mir, dass du die Selbstmordversuche sein lässt, ja? Dein Leben ist viel zu wertvoll, um es zu beenden und du bist nicht feige. Du läufst niemals weg, nicht mal vor dem Leben. Ich bin gerne als guter Freund für dich da, das hab ich dir damals schon versprochen und ich meine es ernst. Ich…“ Es klopfte an der Tür und Spencer, einer von Hirams Leuten kam herein. „Entschuldige Hiram, wir brauchen deine Hilfe beim Verladen.“ „Ich komm schon.“ Damit erhob sich der Riese und ging zur Tür, wandte sich aber dann noch mal an Christine. „Habe ich dein Versprechen?“

„Ich werde es versuchen“, antwortete sie nur und damit gab er sich erst mal zufrieden.
 

Horace war gerade dabei, seinen Text für die Vorstellung zu proben und war in einem leidenschaftlichen Monolog, wie man es von Hamlet und seinem Zitat „Sein oder nicht sein – Das ist hier die Frage!“ her kannte. Doch er wurde mittendrin unterbrochen, als die Tür aufging und Kaonashi mit einem genervten Seufzer hereinkam. „Was ist mit dir los?“ fragte der Schauspieler überrascht. „Ich dachte, du wolltest ein wenig lesen.“ „Wie denn, wenn sich Clockwise in den Kopf gesetzt hat, einen Episodenmarathon mit My Little Pony anzufangen? Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass er sich diese ganzen Märchenfilme ansehen muss, nein jetzt kommt er mit Ponys und Einhörnern, Pegasi und Pegasuseinhörnern an und das ist mir entschieden zu viel des Guten. Manchmal frage ich mich echt, was in seiner Birne vor sich geht.“ „Lass ihn doch. Er liebt es eben kitschig“, meinte Horace nur und nahm das Ganze deutlich gelassener hin. „Er ist mit seinem rosaroten Regenbogeneinhornmärchentraumland glücklich und allein darauf kommt es ja an.“ Da er die Probe wohl vergessen konnte, ließ er es dann doch sein und legte seinen Text beiseite. Stattdessen ging er zum Kühlschrank hin und holte für Kaonashi Milch heraus. „Hast du schon gehört? Dein kleiner Liebling ist noch mal mit einem blauen Auge davongekommen. Sie haben ihn nach Efrafa I gebracht und er ist jetzt zu Matts kleinem Petboy geworden.“

„Trifft sich doch ganz gut“, meinte Kaonashi und trank die Milch aus. „Das erspart uns zumindest den Aufwand, ihn zu befreien. Ich sehe, auf deine Einschätzung kann ich mich eben verlassen.“ Schließlich setzten sie sich beide aufs Sofa und Kaonashi sah sich den Text an. „Ach, willst du heute Abend Hamlet aufführen? Und ich dachte echt, du würdest dich für MacBeth entscheiden.“ „Den hatten wir doch schon letzten Monat, das wäre doch langweilig. Aber ich muss zugeben, dass ich die Rolle des MacBeth liebe.“ Und als wäre das eine indirekte Ankündigung gewesen, erhob er sich und nach einem kurzen Räuspern begann er tief Luft zu holen und seine Miene so zu verfinstern und sich stolz aufzurichten, sodass man wirklich glauben konnte, man hätte einen stolzen schottischen König vor sich, der das Wort an sein Volk richten wollte.
 

„Morgen, und morgen, und dann wieder morgen,

Kriecht so mit kleinem Schritt von Tag zu Tag,

Zur letzten Silb' auf unserm Lebensblatt;

Und alle unsre Gestern führten Narr'n

Den Pfad des stäub'gen Tods. – Aus! kleines Licht! –

Leben ist nur ein wandelnd Schattenbild;

Ein armer Komödiant, der spreizt und knirscht

Sein Stündchen auf der Bühn', und dann nicht mehr

Vernommen wird: ein Märchen ist's, erzählt

Von einem Dummkopf, voller Klang und Wut,

Das nichts bedeutet.“
 

Beeindruckt von der Leidenschaft des Vortrages klatschte Kaonashi ihm Beifall. „Ich kenne kaum Schauspieler, die mich so überzeugen können“, lobte er und so setzte sich Horace wieder neben ihn. Zufrieden lächelnd darüber, dass er seine Arbeit gut gemacht hatte. Ja er war Schauspieler mit Leib und Seele und übernahm meist die Rolle des Gegenparts im Drama, während Clockwise immer die tragischen Helden spielte. Es kam aber auch sehr oft vor, dass Clockwise aufgrund seiner ohnehin schon etwas androgynen Erscheinung einfach in die Frauenrollen schlüpfte, eben weil es keine weiblichen Darsteller gab. Aus der Festung wagten sich die Frauen kaum raus, weil sie wussten, dass die Männer wie die Raubtiere über sie herfallen würden. Und Christine besaß nicht die geringste Leidenschaft für derlei Dinge. „Du hast wirklich Talent“, sagte Kaonashi schließlich, doch Horace ahnte bereits, dass sein maskierter Freund auf etwas Bestimmtes hinaus wollte. „Du kannst dein Umfeld perfekt täuschen und kannst selbst nicht getäuscht werden. Manchmal frage ich mich ob das Gesicht, welches du mir zeigst, wirklich dein wahres ist, oder ob es nur sehr gut geschauspielert ist.“ Das wollte Horace nun nicht auf sich sitzen lassen. Er drückte Kaonashi runter und beugte sich über ihn, wobei er wie immer diesen leicht verschlagenen Gesichtsausdruck hatte, welcher oft den Eindruck vermittelte, als würde er etwas aushecken. „Du kennst doch mein wahres Selbst, Kao. Ich hab es dir doch schon oft genug gezeigt und ich zeig es dir gerne wieder.“ Damit schob er ihm die Maske hoch, beugte sich zu ihm herunter und küsste ihn. „Aber du bist nicht der Einzige in Down Hill, der eine Maske trägt. Nur hat meine Maske einen anderen Namen. Und nur du darfst hinter diese Maske sehen, sonst niemand. Die Einzigen, die sich nicht wirklich die Mühe machen, eine Maske zu tragen, sind Rhyme und Clockwise. Die beiden sind einfach viel zu aufrichtig und gutherzig dafür.“ Schließlich aber seufzte er ganz überraschend und ging von Kaonashi runter. Dieser brauchte nicht großartig zu raten, um zu merken, dass sein Freund irgendwie frustriert war. Bevor er aber weiter darauf eingehen konnte, stand er auf und ging zu dem kleinen Kühlschrank hin und holte sich sein Sandwich raus, welches er sich als Snack für zwischendurch vorbereitet hatte. Sogleich kam von Kaonashi die Frage „Hast du auch eins für mich?“ da antwortete er konsequent „Nein, du hast immerhin noch deine Diät zu halten, bis sich dein Körper vollständig erholt hat.“ „Du bist ja fast genauso schlimm wie unsere Märchenprinzessin nebenan.“

„Weil ich als dein engster Freund und als dein Partner auch Verantwortung für dich habe. Ich weiß, dass du das nicht gerne hörst, aber dein Körper hat auch seine Belastungsgrenzen. Und insbesondere nach einem solchen Schub musst du deine Ernährung so umstellen, dass deine Knochen nicht den Geist aufgeben und du genug Energie bekommst. Und jetzt zieh nicht so ein Gesicht, es sind ja nur noch zwei Tage.“

„Woher willst du denn bitteschön wissen, was für ein Gesicht ich gerade ziehe?“

„Weil ich dich schon von klein auf kenne und weiß, wie du gestrickt bist. Schon damals warst du furchtbar rücksichtslos, was deine Gesundheit anging. Ich darf dich nur mal daran erinnern, als dich dieser Rottweiler damals fast totgebissen hätte, als du zehn warst. Jeder vernünftige Junge in deinem Alter hätte sich nicht mit einem angriffslustigen Kampfhund angelegt.“

„Was sollte ich den machen? Er hat Chris damals ins Bein gebissen und er war erst sieben. Wäre ich nicht dazwischengegangen, dann hätte dieses Mistvieh ihn gekillt.“ Ja das war auch typisch für Kaonashi. Wenn ihm jemand wichtig war, dann überlegte er nicht, sondern machte einfach, ganz egal wie groß die Gefahr auch war. Und nicht selten hatte sein extrem impulsives Verhalten zur Folge, dass er dabei selber in Gefahr geriet. Deshalb war Horace damals nie von seiner Seite gewichen, da er sich immer als Stimme der Vernunft sah und nicht selten Kaonashis Aktionen Einhalt gebieten musste. Vor allem, wenn dieser noch in eine Prügelei geriet, weil irgendjemand ihn zu sehr provoziert hatte. Als Kind war er wirklich ein kleiner Teufel gewesen. Aber seit jenem Tag, an dem Dr. Helmstedter ihr glückliches Leben zerstört hatte, hatte sich Kaonashi verändert. Er war nicht mehr so impulsiv und temperamentvoll wie damals. Er ging stattdessen auf Distanz, war ruhig geworden und eine gewisse innere Verschlossenheit hatte sich bemerkbar gemacht. Horace hatte es am deutlichsten gesehen, vor allem als er erkannt hatte, wie tief der Groll bei Kaonashi saß. Zeitweise hatte er wirklich Angst gehabt, dass sich sein Freund in diesem Groll vollständig verlieren und von ihm gänzlich vereinnahmt wurde und er nichts anderes mehr empfinden würde. Wahrscheinlich wäre es tatsächlich so gekommen, wenn er, Rhyme und Clockwise nicht als rettender Anker da gewesen wären. „Eines verspreche ich dir: sobald wir hier raus sind, werde ich ganz sicher keine Maske mehr tragen. Und du hoffentlich auch nicht.“ „Das wird eh nicht mehr nötig sein“, versicherte Kaonashi ihm. Daraufhin gab Horace ihm noch einen Kuss. Dieses Mal aber länger und leidenschaftlicher. „Deshalb hoffe ich natürlich, dass wir hier nicht mehr allzu lange festsitzen.“

„Da mach dir mal keine Sorge“, kam es von Kaonashi. „Ich hab den Komponisten unseres Teams bereits verständigt. Bei ihm bin ich mir sicher, dass er die kodierten Botschaften verstanden hat und sobald er die restlichen Angelegenheiten geklärt hat, stößt er zu unserer Gruppe dazu.“ Komponist? Horace wurde hellhörig und war sich erst nicht sicher, ob Kaonashi wirklich jene Person meinte. „Du… du hast ihn tatsächlich verständigt? Bist du dir da wirklich sicher, dass das so eine gute Idee ist? Ich meine, er hat doch eine Familie.“

„Es war sein eigener Wunsch gewesen“, erklärte der Maskierte ruhig. „Und er ist sich sicher, dass er mit seinem System den perfekten Fluchtweg aus Down Hill findet und wie wir bei der Vollendung unserer Rache vorgehen müssen. Außerdem ist er nicht auf den Kopf gefallen und weiß sich zu helfen und er hat genauso wie wir einen Grund, sich an den Helmstedters zu rächen. Immerhin haben sie seinen Bruder auf dem Gewissen.“ Zugegeben… Horace motivierte es schon deutlich mehr, wenn er daran dachte, dass der Komponist ihrer Gruppe bald als Verstärkung dazukommen würde. „Na mit ihm im Bunde dürfte es dann wirklich nur noch eine Frage von wenigen Tagen sein, dass wir hier rauskommen. Sag mal, was hat er denn all die Jahre getrieben?“

„Na was wohl? Seine Bude zugemüllt, sich von Junk Food ernährt, Ego-Shooter gezockt und mit Zahlen jongliert, wenn er nicht gerade dabei ist, Firmen abzuzocken und die Dozenten an der Uni mit seiner Art zur Verzweiflung zu bringen.“

„Ja… er ist wirklich ein schwieriger Charakter. Aber mit ihm dürfte der Ausbruch wohl kaum schief gehen. Bleibt nur zu hoffen, dass wir rechtzeitig erfahren, wann er hier auftaucht. Nicht, dass er noch in Schwierigkeiten gerät.“

„Ich werde mal versuchen, an Infos zu kommen. Nur ist es leider ziemlich schwer, Informationen von außen zu bekommen. Aber wenn ich was erfahre, sag ich dir schon Bescheid. Und nun…“ Damit war er es nun, der Horace auf die Couch niederdrückte. „Nun sollten wir endlich mal aufhören, nur über andere zu reden. Clockwise ist gerade beschäftigt und wir haben die Wohnung für uns.“ Doch so wirklich sah Horace nicht danach aus, als würde er in Stimmung sein. Und der Grund dafür lag klar auf der Hand. „Sorry Kao, aber deine Maske ist nicht gerade erotisch. Immer wenn ich sie sehe, kommt es mir so vor, als würde ein verrückter Serienmörder aus einem 80er Horrorfilm über mich herfallen.“

„Hey, du warst für das Design verantwortlich. Also beschwer dich mal nicht. Aber ich weiß schon, wie wir das Problem lösen können.“ Damit zog er seinen Gürtel aus und band damit Horace die Handgelenke über seinen Kopf zusammen. Danach legte er ihm eine provisorische Augenbinde an. „Was hältst du davon?“ Und mit einem zufriedenen Lächeln nickte Horace. „Ja, ich glaube das ist eine sehr gute Lösung. Und irgendwie macht es das auch spannend. Also dann… komm her und nimm mich!“ Und das ließ sich Kaonashi kein zweites Mal sagen.

Petboy und Monster

Mello wachte erst am späten Morgen auf und fühlte sich wirklich gut erholt. Gleich nach dem Aufstehen ging er duschen und genoss dieses herrliche Gefühl, ganz alleine zu sein und dieses Privileg haben zu dürfen, eine Einzeldusche zu haben. Ohnehin wunderte er sich, wie er dazu kam, dass er hier so abgelegen untergebracht wurde, obwohl er aufgrund seines neuen Ranges wahrscheinlich auf der alleruntersten Stufe angelangt war. Aber wahrscheinlich lag es daran, weil es eine Sicherheitsmaßnahme war, da er ja ein Infizierter war und es mit Sicherheit schon alle wussten. Naja, auf eine ziemlich bizarre Art und Weise brachte es wohl doch Vorteile mit sich, ein Infizierter zu sein. Er kam schließlich auf den Gang raus, wusste aber erst nicht, wohin er gehen sollte und war ein wenig ratlos. Wo ging es noch mal zum Speisesaal hin? Er war gestern so neben der Spur gewesen, dass er das einfach nicht mehr auf dem Schirm hatte. Naja, da musste er wohl eben suchen. Also ging er weiter den Gang entlang und traf dabei auf einen muskelbepackten Glatzkopf, der einen Rollwagen vor sich her schob, auf dem zwei Kisten mit Metallteilen lagen. „Hey!“ rief Mello zu ihm herüber. „Wo geht es hier zum…“ „Verpiss dich bloß, du Freak“, gab der Glatzkopf zurück und warf ihm einen herablassenden und verächtlichen Blick zu. Normalerweise hätte Mello sofort die Konfrontation mit dem Kerl gesucht, aber bei den Muskeln war sein Verstand dann doch schneller. Gegen den hatte er nicht die geringste Chance. Der würde ihn noch umbringen, wenn er jetzt einen Streit anzettelte. Also bekämpfte er seinen Ärger und ignorierte den Glatzkopf. Wahrscheinlich war der Blödmann nur mit dem falschen Fuß aufgestanden. Schließlich erreichte er den so genannten „Trakt 01“ und sah, dass die Zellen hier offenbar als Lager umfunktioniert worden waren. Ein paar Leute standen mit Klemmbrettern da und notierten sich die Bestände, es herrschte ziemlich viel Betrieb, aber ansonsten schien hier nicht wirklich etwas darauf hinzudeuten, dass es hier in Richtung Speisesaal ging. Offenbar war der erste Stützpunkt etwas unübersichtlicher als der zweite, wo alles seine strikte Ordnung zu haben schien. Er ging zu einem der Lagerprüfer hin und bemerkte, dass einige mit der Arbeit aufhörten und zu ihm herüberstarrten. Und diese Blicke hatten etwas sehr Feindseliges an sich. Aber davon ließ er sich auch nicht sonderlich verunsichern, sondern ging weiter und krallte sich den nächstbesten Kerl mit Klemmbrett. „Ich bin neu hier. Kannst du mir sagen, wo es zum Speisesaal geht?“ „Tut mir leid, ich kann da nicht weiterhelfen.“ Und damit wandte sich der Lagerprüfer ab und ging. So langsam verstand Mello, was das zu bedeuten hatte. „Ach bitte“, rief er ihm wütend hinterher. „Wie armselig ist das denn bitte? Habt ihr alle Schiss, ich könnte euch anstecken oder was? Ich bin kein Umbra und ich werde auch nicht wie dieses Ding werden. Und wer trotzdem ein Problem mit mir hat, der soll es mir verdammt noch mal ins Gesicht sagen!“ Hieraufhin ließen einige ihre Arbeit stehen und kamen direkt auf ihn zu. Es waren knapp acht Leute und sie sahen stark danach aus, als wären sie auf eine Schlägerei aus. Mello ballte die Fäuste und machte sich bereit, doch bevor die Situation eskalieren konnte, unterbrach sie eine laute Stimme. „Was’n hier los? Wird dat hier n Kaffeekränzchen, oder was?“ Es war Leaks, der Hiram in Begleitung hatte. Beim Anblick des Hünen schwand der Unmut der anderen und sofort gingen sie wieder an ihre Arbeit. Leaks ging direkt zu Mello hin und grüßte ihn, indem er kurz die Hand hob. „Ey Neuer, wat haste hier zu such’n? Haste dich verlauf’n?“

„So in der Art schon. Ich wollte eigentlich zum Speisesaal hin.“

„Ach so. Dann kannste ja mitkomm’. Hiram und ich sind eh auf’m Weg hin.“ Damit folgte Mello den beiden aus Trakt 01 heraus und kaum, dass sie außer Hörweite waren, legte der Hüne ihm eine Hand auf die Schulter. „An deiner Stelle wäre ich etwas vorsichtiger. Zwar geht es hier deutlich entspannter zu als oben, aber du darfst nicht vergessen, wie viele der Jungs hier Opfer durch Umbra erleiden mussten. Es gibt auch so schon genügend Mitläufer hier und wir sind nicht immer da, um auf dich aufzupassen.“ „Ich brauch keinen Aufpasser.“

„Und ob de einen brauchst!“ rief Leaks. „Wenn wa dich allein gelass’n hätt’n, dann wärste mit Sicherheit auseinandergenomm’ word’n wie sonst wat. Pass also besser auf, mit wem de dich anlegen tust. Ansonsten kriegste noch ordentlich eine aufs Maul.“

„Die Sache ist einfach die, dass viele mit der Situation momentan überfordert sind und nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen“, erklärte Hiram schließlich. „Sie haben es jetzt mit etwas zu tun, was sie nicht kennen und was gefährlich ist. Für sie ist es vergleichsweise wie mit einem AIDS-Kranken. Sie fürchten sich vor einer Ansteckung und gehen dir deshalb aus dem Weg oder reagieren aggressiv.“

„Bin ich denn so ansteckend?“

„Nein, zumindest wenn ich es richtig verstanden habe. Du selbst kannst niemanden anstecken, solange dein Blut normal ist. Allerhöchstens dann, wenn dein Umbra-Gen reagiert und sich dein Blut schwarz färbt. Dann wird es ansteckend. Aber das macht für die anderen auch nicht sonderlich viel Unterschied und für sie zählt nur: sie können sich anstecken und die Furcht davor, zu einem Wesen wie Umbra zu werden, ist dann eben groß. Da bleibt es leider nicht aus, dass sie feindselig auf dich reagieren. Deshalb haben wir dich auch in Trakt 00 untergebracht: um dich vor den anderen zu isolieren.“ Na toll… ich bin also jetzt das Monster für die anderen. Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass ich dieses erniedrigende Halsband tragen muss.

Schließlich erreichten sie einen großen Raum, der ähnlich wie der Speisesaal in Efrafa II aussah, nur war er nicht so voll. Nur vereinzelt waren die Plätze besetzt, die anderen schienen sich ihr Essen nur abzuholen und dann wieder zu gehen. Hiram erklärte den Grund. „Wir bekommen hier immer viel Arbeit rein, während in Efrafa II ausschließlich die Kämpfer untergebracht sind. Und da es immer viel zu tun gibt, ist es für die meisten praktischer, wenn sie sich bei der Arbeit eine Pause gönnen und ihr Essen dort zu sich nehmen. In Down Hill kann sehr schnell Langeweile aufkommen und besonders die Rookies können sich kaum an das dauerhafte Leben unter Tage nicht gewöhnen und drehen durch. Deshalb kommen sie meist erst hierher, bis sie sich eingelebt haben. Hier hat man genug zu tun und viele gehen dann hinterher freiwillig zum zweiten Stützpunkt, wenn sie nach einer größeren Herausforderung suchen.“ Sie gingen weiter, doch dann stellte einer der anderen Mello ein Bein, sodass dieser stolperte und im Anschluss hinfiel. Einige der Jungs begannen zu lachen. „Hey du Köter, wie liegt es sich denn so auf dem Fußboden?“ Und dann trat noch einer der anderen hinterher. „Kleine Schlampen wie du bleiben besser im Puff, wo sie hingehören.“ Hiram drehte sich zu ihnen um und sagte nichts. Er sah sie einfach nur an und strahlte dabei immer noch diese unfassbare Ruhe aus, die ihm etwas sehr Charismatisches verlieh. Wie ein ehrwürdiger weiser Mann und doch ging etwas sehr Autoritäres von ihm aus. Und das allein schien schon zu bewirken, dass die Jungs zu lachen aufhörten. Wahrscheinlich lag es aber auch an seinen hohen Rang innerhalb Efrafas und dass er verdammt stark war. „Gibt es ein Problem?“ Da keine Antwort kam, sah er dies als erledigt an und so stellten sich Leaks und Mello an, während Hiram, der offenbar über Privilegien verfügte, direkt nach vorne ging. Schließlich wandte sich der klein geratene 28-jährige an Mello und sah ihn musternd an. „Scheinst nicht gerade einer von der zurückhalt’nden Sorte zu sein, wa? In deiner Lage is dat auch eher besser, im Knast brauchste nämlich Rückrat, sonst pulverisieren die dich noch. Lass dich also bloß net von denen unterkrieg’n, aber lasset lieber, wenn se in der Überzahl sin.“ Schließlich bekamen sie ihr Mittagessen. Für Mello ein wahrer Segen, weil er nach seiner 25-Stundenschicht so erschöpft und müde gewesen war, dass er sogar das Frühstück verschlafen hatte. „Du hängst wohl oft mit Hiram ab, oder?“ bemerkte er und sofort errötete Leaks, was ihn noch jünger erscheinen ließ. Er wirkte ziemlich verlegen und antwortete dann nach kurzem Zögern „Dat läuft zwischen uns schon ne ganze Weile. Zugegeben, ich hab erst n paar Vorbehalte gehabt, aber dat mit Hiram is… naja…“ Unsicher zuckte Leaks mit den Schultern. „Dat ist so ne Seelenverwandtschaft zwischen uns. Ich brauch ihn so wie er mich. Ich bin ja wohl net grad der Größte und hab keine Chance gegen die andren. Und mit dem Körper kann ich auch kaum Gewicht tragen. Hiram ist mir da ne große Hilfe, er passt auf mich auf und für ihn bin ich der Grund, weiterzuleb’n.“

„Hat er Probleme?“

„Er is n Kriegsveteran. Hat seine ganze Einheit im Irak sterben seh’n und ist selbst von ner Granate getroffen word’n. Von der stammt die Narbe anner Schläfe. Er und Christine kennen sich noch von früher und auch sie hat ähnliches erlebt. Hiram steckt dat besser weg als sie, weil er hier n intaktes Leben hat. Er braucht jemand’n, der ihm Halt gibt. So wat macht doch auch ne Beziehung aus. Man is für’n andern da.“ Leaks’ Worte stimmten Mello nachdenklich. Seine Gedanken wanderten zu Matt und daran, was dieser ihm gesagt hatte. Die ganzen unerwiderten Gefühle, der Streit… Irgendwie war das zwischen ihnen beiden auch immer so gewesen. Matt hatte ihm Nähe, Aufmerksamkeit und Hilfe gegeben und als beruhigender Pol auf ihn gewirkt. Und er? Im Grunde hatte er Matt doch gar nichts zurückgegeben… Schließlich gingen sie zum Tisch hin und gesellten sich zu Hiram, der auf sie gewartet hatte. Sofort setzte sich Leaks neben ihn, Mello nahm gegenüber von ihnen Platz und ihm entging nicht, dass er von vielen beobachtet wurde. Aber das interessierte ihn überhaupt nicht und selbst und so ignorierte er die ganzen Blicke. Das Mittagessen bestand aus einem Eintopf mit Brot dazu. Naja, nicht gerade sein Lieblingsessen, aber es sah trotzdem lecker aus. Und was zu essen konnte er jetzt besonders gut gebrauchen. „Und? Wie war deine erste Nacht hier?“ erkundigte sich Hiram direkt, wobei er freundlich lächelte. Er war so anders als Christine, viel menschlicher und es schien wohl zu seinem Charakter zu zählen, dass er den anderen auch aufmerksam zuhörte und ihn mit einer ruhigen Freundlichkeit begegnete. Mit der Art konnte er sicher wunderbar mit Kindern umgehen. „Ganz gut“, antwortete Mello. „Ich hätte nicht gedacht, dass ein Knastbett so bequem ist. Das in meinem alten Zimmer kam mir da deutlich unbequemer vor. Kaum, dass ich im Bett gelegen hatte, bin ich fest eingeschlafen. Ich muss mich aber noch hieran gewöhnen.“ Damit zupfte er an seinem Lederhalsband, welches Hiram und Leaks bis jetzt nicht beachtet hatten. Entweder aus Rücksicht auf seine Situation, oder weil es für sie kein besonders ungewöhnlicher Anblick war. „Ja, dat is schon demütigend“, pflichtete Leaks bei, während er sein Essen zu sich nahm. „Aber es dient auch zu deinem Schutz. Die Halsbänder sin quasi dat Zeichen dafür, dat de dat Eigentum von jemandem bist. Dat machen zum Beispiel die Shutcalls ganz gerne: sie erklären ihren Liebling zum Pet und dat gibt denen Schutz. Denn wer sich an nem Pet vom Shutcall vergreift, der kriegt die Höchststrafe.“

„Er wird getötet?“

„Nee, dem brechen se die Arme und Beine und werfen ihn runter ins Hell’s Gate, damit er dort verreckt.“ Wieder musste Mello wieder an diese stinkende Hölle denken, der er dank Umbras Hilfe entronnen war. Die Leichenberge und die Schreie der Sterbenden… Und in dem Moment musste er sich vorstellen, wie es wohl sein würde, mit gebrochenen Armen und Beinen dort unten zu liegen. Nein, das war zu schrecklich für ihn. „Es gibt da noch genügend andere Arten, die viel brutaler sind. Aber dat erzähl ich lieber beim Ess’n.“ „Ja, das wäre keine schlechte Idee“, stimmte Hiram zu und nickte. „Jedenfalls hast du das Glück, weil du als Petboy zwar den untersten Rang innerhalb von Down Hill einnimmst, aber dafür unter dem Schutz des Shutcalls stehst. Solange du ihm also gehorchst und ihm keinen Grund lieferst, dass er dich fallen lässt, hast du eigentlich nichts zu befürchten.“ Trotzdem behagte ihn der Gedanke nicht, dass er jetzt offiziell ein Sexsklave war. Das war so fürchterlich demütigend für ihn und vertrug sich auch überhaupt nicht mit seinem Minderwertigkeitskomplex, aber da musste er wohl durch. Andernfalls würden ihn die anderen Insassen zerfleischen. Den Willen dazu hatten sie jedenfalls. „Und die ganzen Sachen, die hier lagern… sind die alle für beide Efrafa-Lager?“

„Nicht direkt“, antwortete Hiram. „Wir arbeiten mit der Festung Helena zusammen. Wir nehmen ihre Bestellungen auf und bringen ihnen sämtliche Vorräte. Leaks ist übrigens auch der einzige Mann, der Zutritt zur Festung hat, weil er für die technischen Arbeiten zuständig ist. Im Gegenzug stellt uns Christine ihre Dienste zur Verfügung und arbeitet mit uns zusammen. Wenn wir in Schwierigkeiten stecken, dann bekommen wir noch zusätzlich Verstärkung. Um nichts durcheinanderzubringen und damit alles dorthin kommt, wo es hin soll, wurde vor dreieinhalb Jahren beschlossen, den Stützpunkt hier zum Logistikzentrum umzufunktionieren. Du kannst dir später aussuchen, wo du hin willst und ob du im Lager oder in der Küche arbeiten willst. Du kannst aber auch in der Werkstatt arbeiten. Arbeit gibt es hier mehr als genug.“

Hiram unterbrach die Konversation kurz und hob den Blick und auch Leaks folgte unaufgefordert seinem Blick. Mello, der nicht wirklich verstand, was es da zu gucken gab, drehte sich um und erkannte sofort den Grund dafür, wieso sich alles zum Eingang des Saals umdrehte. Es war Matt. Er kam direkt auf Mello zu und sein Blick zeugte von Ernst und Strenge. Ein Blick, der so gar nicht zu ihm passte. Zumindest war Mello dieser Meinung und er sah seinem Freund die Strapazen an, die er offenbar gehabt hatte. Ohne auch nur irgendjemanden zu grüßen ging er an den anderen vorbei und blieb direkt vor Mello stehen. Und ehe sich der 24-jährige versah, hatte Matt auch schon eine Kette an seinem Halsband befestigt. „Aufstehen und mitkommen“, forderte dieser in einem schroffen Ton auf und begann an der Kette zu ziehen, sodass Mello nichts anderes übrig blieb, als seiner Aufforderung nachzukommen, wenn er nicht ersticken wollte. Dennoch wollte er sich nicht so behandeln lassen. Nicht mal von Matt. „Geht’s auch etwas freundlicher?“ Sofort kassierte er einen Schlag ins Gesicht und fiel nach hinten. Er knallte mit dem Hinterkopf gegen den Tisch, doch den Schmerz nahm er nicht mehr ganz so sehr war, als er wieder dieses eiskalte Gefühl spürte, welches quasi in sein Gesicht strömte und diesen brennenden Schmerz deutlich linderte. Sein Umbra-Blut reagierte verdammt schnell auf Schmerzeinwirkungen. Irgendwie hatte er das Gefühl, es reagierte sogar noch schneller als vorher. Wütend sah Matt auf ihn herab und zerrte ihn an der Kette wieder hoch. „Du hast deinem Besitzer gefälligst Respekt und Ehrerbietung zu erweisen. Und jetzt komm mit. Ich habe keine Lust, wegen dir noch mehr Ärger zu haben als sowieso schon.“ Mello begriff nicht ganz das rücksichtslose und brutale Verhalten von Matt, doch er ahnte, dass dies wohl seinen Grund hatte. Also folgte er ihm und so verließen sie gemeinsam den Speisesaal. Immer noch zog Matt grob an der Kette und zwang Mello, ihm zu folgen. Sie steuerten Trakt 00 an und erreichten ein Zimmer, das sich nicht weit von Mellos entfernt befand und sofort wurde der Angeleinte etwas grob hineingeschubst. Das Zimmer besaß ein großes Bett und einen Schrank, aber mehr auch nicht. Als die Tür hinter ihnen zufiel, atmete Matt geräuschvoll aus und ließ sich aufs Bett niedersinken. „Das nächste Mal stellst du dich nicht mehr so an, klar? Es sei denn, du willst wieder Schläge haben.“ „War das denn unbedingt nötig?“

„Natürlich, was glaubst du denn? Dass das hier ein Spiel ist?“ rief Matt gereizt. „So springt man hier eben mit den Pets um. Wenn sie nicht spuren, dann werden sie geschlagen oder anderweitig bestraft oder erniedrigt und das vor versammelter Menge. Und hier geht es nicht um dich, klar? Ich muss als Shutcall das Gesicht wahren und mir Respekt verschaffen. Wenn ich mir vor versammelter Mannschaft von meinem Pet auf der Nase herumtanzen lasse, verlieren sie die Achtung vor mir und das kann ich mir in der jetzigen Situation auch nicht erlauben. Momentan ist da oben die Hölle los.“

„Was genau ist denn los?“

„Na was wohl? Die regen sich auf, weil ich dich weiterhin hier in Efrafa behalte, obwohl du von Umbra infiziert wurdest. Sie fürchten sich vor eventuellen Gefahren und weil ich dein Leben verschont habe, beginnen sie an meiner Autorität zu zweifeln. Einige sind völlig durchgedreht und gewalttätig geworden. Zum Glück konnten wir eine Revolte verhindern, aber wir haben nicht verhindern können, dass knapp 20 Leute gegangen sind. Und wenn ich meine eigenen Leute nicht unter Kontrolle halten kann, dann werden es immer weniger und das bedeutet, dass Konngara uns wieder angreift und wir dann nicht mehr die besten Chancen haben. Nicht auszudenken, wenn sie sich mit Songan verbünden und uns gemeinsam angreifen. Das könnte unser Ende werden.“ Mellos anfänglicher Ärger war sofort verschwunden, als er erkannte, wie viel davon abhing, dass Matt weiterhin ein starker Anführer blieb. Allein für ihn hatte er all diesen Ärger auf sich genommen und so viel riskiert, selbst seinen Posten als Shutcall. „Tut mir leid, Matt“, sagte Mello schließlich und setzte sich ebenfalls. „Ich hab nicht gewusst, was du alles für mich tust. Meinst du, du schaffst das alles überhaupt?“ „Muss ich wohl. Eine andere Wahl bleibt mir kaum. Das war die Entscheidung, die ich getroffen habe und ich muss mit den Konsequenzen leben. Aber sag mal: wie geht es eigentlich deiner Verletzung? Lass mal sehen.“ Mello legte seinen Arm frei und zeigte ihm die Stelle, wo das Messer ihn verletzt hatte. Die Wunde war nicht behandelt worden, hatte sich aber auch nicht entzündet und das Gewebe schien sich bereits geschlossen zu haben. Es sah lediglich nur noch nach einem Kratzer aus und mehr nicht. Matt begutachtete die Wunde, allerdings mehr aus Interesse daran, wie das Umbra-Blut bei Menschen funktionierte. Besorgt um ihn schien er eher nicht zu sein oder zumindest machte es nicht den Anschein danach. „Wie Helmstedter sagte, die Wunde verheilt ziemlich schnell.“ Schließlich ließ Matt seinen Arm wieder los, nahm die Fliegerbrille ab und rieb sich die Augen. Mello fiel auf, dass Matt sich in vielen Dingen ziemlich verändert zu haben schien. Und das gab ihm irgendwie das seltsame Gefühl, als hätte er hier einen Fremden neben sich, der seinem besten Freund bis aufs Haar ähnelte. Ob es wirklich allein von der Tatsache her kam, dass Matt zu lange in diesem Gefängnis gewesen war? Doch auch sonst wirkte er nicht gerade fit. Er hatte dunkle Augenringe und war blass geworden. Offenbar litt er unter Schlafmangel und Kopfschmerzen schien er auch zu haben. Das sah man ihm deutlich an. „Matt… wie soll das von nun an zwischen uns weitergehen?“

„Ich sag dir, wie es weitergehen wird: ich werde mir das von dir holen, was ich will.“ Irgendwie klang es fast wie ein verheißungsvolles Versprechen, das Mello auf mehr hoffen ließ. Zwar wurde er innerlich noch von einer gewissen Unsicherheit beherrscht, was gleich wohl folgen würde, aber er konnte durchaus nicht leugnen, dass es auch Neugier war, die er empfand. Matt würde sich von ihm holen, was er wollte… Es ließ ihn darauf hoffen, dass diese kalte Distanz zwischen ihnen dahinschmelzen und sie wieder so wie früher diese intimen Momente teilten. Naja… so ganz wie früher würde es wohl nicht sein. Denn nun waren die Karten neu gemischt und das Blatt hatte sich gewendet. Denn nun war es nicht mehr Matt, der mit einer unerwiderten Liebe zu kämpfen hatte und sich mit der körperlichen zufrieden geben musste, sondern er selbst. Tief in seinem Herzen wusste er, dass die Dinge nicht mehr so wie früher waren und es auch nie wieder so sein würde. Matt empfand nicht mehr so wie früher, das wusste er jetzt. Und seine Erkenntnis, dass er Gefühle für seinen besten Freund hegte, kam wahrscheinlich zu spät. Aber in dem Moment musste er sich an das Gespräch mit Horace erinnern, welches er geführt hatte. Dieser hatte ihm erklärt, dass es nun an ihm wäre, dass er dafür sorgte, dass Matt wieder diese Gefühle für sich entdeckte und sich wieder in ihn verliebte. „Zieh dich aus“, kam schließlich die Aufforderung, der Mello ohne zu zögern nachkam. Um ihm die Prozedur etwas einfacher zu gestalten, ließ Matt die Kette los, was den 24-jährigen das Ausziehen seines Shirts erleichterte. Dabei fiel Matts Blick auf seinen Bauch, wo er mit der Machete verletzt worden war. Die Wunde war, obwohl nur ein paar Tage vergangen waren, vollständig verheilt und nicht mal eine Narbe war zurückgeblieben. „Du hast einiges an Muskeln zugelegt seit den letzten vier Jahren.“ „Blieb bei meiner Suche nach dir auch nicht aus. Ich hab mich auch schon mit der Mafia angelegt, weil ich dachte, sie hätten dich gekidnappt und verkauft, oder sogar getötet.“ Hier sah Matt ihn plötzlich mit einem Blick an, der nicht mehr von dieser Kälte und Distanz zeugte, sondern in dem auch Gefühle zu sehen waren. Verwunderung, Schmerz… „Die ganze Zeit hast du nach mir gesucht?“

„Ja. Bis sie mich niedergeschlagen und hergebracht haben. Und der einzige Grund, warum ich den Westblock und das Hell’s Gate überlebt habe, war der, weil ich dich unbedingt wiedersehen wollte.“ Hierauf wagte Mello den Versuch. Halbnackt beugte er sich zu Matt herüber und küsste ihn. Es fühlte sich so vertraut und doch so seltsam fremd an. Viel zu lange war es her, seit sie den letzten Kuss miteinander geteilt, geschweige denn dass sie diese Nähe zueinander geteilt hatten. Damals hatte der Kuss für ihn zum Sex dazugehört, damit er in Stimmung kam. Aber so langsam wurde ihm klar, dass er sich eigentlich nur etwas vorgemacht hatte. Er hatte damals nicht wahrhaben wollen, dass er Matt liebte, weil er den Gedanken nicht ertragen konnte, schwul zu sein. Aber jetzt… Jetzt spürte er einfach nur dieses Verlangen, Matt wieder so nah zu sein und wieder diese alten Zeiten mit ihm zu erleben. Wo sie zusammengewohnt, Matt als Hacker und er als Bote für die Mafia gearbeitet hatten und sie beide ein eingespieltes Team waren. „Ich glaube, ich habe gesagt, du sollst dich ganz ausziehen.“ Matts strenger Ton holte ihn wieder in die Realität zurück und wortlos kam er seiner Aufforderung nach. So streifte er schließlich auch seine Hose ab, dann seine Unterhose, nachdem er seine Schuhe ausgezogen hatte. Vollkommen nackt stand er nun da, während er Matts Blicke spürte. Es fühlte sich schon ein wenig seltsam an. Nicht, weil es an Matt lag. Nein es lag eher an der Umgebung. Sie waren nicht mehr in ihrem Apartment, wo es dank Matts Kabelwirrwarr unordentlich aussah und die Luft nach Nikotin roch. Nein, sie waren in einem unterirdischen Gefängnis in einer Zelle. Es war zum Glück nicht so schlimm wie im Asylum, hier war es wenigstens sauber und das Bett war auch sehr gemütlich. Trotzdem war er irgendwie nervös. Vielleicht weil es das erste Mal seit vier Jahren war, dass er wieder Sex mit Matt haben würde?

Begehren ohne Liebe?

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Der Informant

Mello war nach einer ausgiebigen Dusche in sein Zimmer zurückgekehrt und stellte mit Überraschung fest, dass da schon jemand drin war. Ein junger Mann, der so ungefähr in seinem Alter war und blondes Haar und grasgrüne Augen hatte, schaute sich neugierig bei ihm um und lächelte fröhlich vor sich hin. Er trug einen hellgrünen Kapuzenpullover und bewegte sich so selbstverständlich in seinem Zimmer, als wäre er hier zuhause. „Was zum…“ Bevor Mello weitersprechen konnte, hatte sich der junge Mann mit dem recht androgynen Körper zu ihm umgedreht und sah etwas erstaunt aus. Anzumerken war hierbei, dass Mello nichts als ein Handtuch um die Hüften trug und deshalb erst mal sehr feindselig reagierte. „Wer bist du und was suchst du in meinem Zimmer?“ „Oh entschuldige, dass ich so reinplatze. Mein Name ist Clockwise, ich bin ein guter Freund von Horace und Kaonashi. Ich dachte, ich schau mal kurz vorbei und sag Hallo.“ Er lächelte herzlich und wirkte ein wenig wie Birdie. Es war ein so ehrliches und fröhliches Lächeln, welches irgendwie den Anschein erweckte, als könne nichts auf der Welt sein Herz gänzlich trüben. Nun, da er ein Freund von Kaonashi war, duldete Mello ihn und begann nun, sich anzuziehen. „Ich hab von den anderen erfahren, was passiert ist. Das mit Umbra…“ „Scheint sich verdammt schnell herumgesprochen zu haben, dass ich jetzt ein Freak bin, was?“

„Das bleibt in einem Gefängnis leider nicht aus. Hier ist es wie in einem kleinen Dorf auf dem Land: jeder kennt jeden und solche Nachrichten verbreiten sich schneller als Grippeviren. Aber sag mal Mello, hast du…“ Clockwise sprach nicht weiter, als ein Geräusch vom Lüftungsschacht herkam und er sah, dass Horace gerade hindurch kam. Dieser war mehr überrascht, als er seinen Schauspielerkollegen sah. „Hey Clocky, was suchst du denn hier?“ „Ich wollte Mello mal kennen lernen“, antwortete dieser. „Und ich sagte doch, du sollst mich nicht so nennen. Das klingt bescheuert.“ Mit so viel Besuch auf einmal hätte Mello jetzt nicht gerechnet. Aber andererseits hatte er auch nichts dagegen, immerhin schienen sie ihm helfen zu wollen. „Wie ich sehe, hast du unsere kleine Märchenprinzessin schon kennen gelernt“, stellte der Psychologe fest, wobei Clockwise eine Schmollmiene zog, als er das hörte. Aber das ignorierte Horace einfach und fuhr fort. „Ich wollte mal vorbeischauen und hören, wie es dir so geht. Kaonashi wollte erst selbst vorbeikommen, aber er hat etwas sehr Wichtiges zu erledigen, deshalb hat er leider gerade keine Zeit.“ Mello setzte sich aufs Bett und wischte sich seine nassen Haarsträhnen aus dem Gesicht. Dabei erzählte er von seinem ersten Tag in Efrafa I und wie es mit Matt gelaufen war. Inzwischen vertraute er Horace und Kaonashi und auch Clockwise schien soweit in Ordnung zu sein. Als er schließlich fertig mit seinem Bericht war, verschränkte Horace die Arme und nickte bedächtig. „Okay. Also was ich dir anraten kann ist, dich während deines Aufenthalts in diesem Stützpunkt am besten an Leaks und Hiram zu halten. Sie sind neben Morph, Rhyme und Christine absolut vertrauenswürdig. Aber an deiner Stelle wäre ich vorsichtig, was den Umgang mit Matt und Birdie angeht. Vor allem vor Helmstedter musst du dich in Acht nehmen. Insbesondere jetzt, wo bekannt ist, dass du ein Penumbra bist.“

„Wieso Matt und Birdie?“ fragte Mello und war sichtlich irritiert. Nun gut… Birdie war vielleicht nicht gerade die Geschickteste und stolperte alle paar Meter über ihre eigenen Füße, aber Matt war sein bester Freund und ihm hatte er immer vertraut. Warum hieß es plötzlich, er dürfe es nicht mehr? Horace erklärte es ihm. „Glaub mir, diese Birdie ist eine falsche Schlange. Mit ihr wirst du nur Ärger haben, wenn du dich allzu sehr auf sie einlässt. Außerdem darf man nicht vergessen, dass sie den Doktor regelrecht anhimmelt. Der Kontakt zu den beiden lässt sich leider nicht gänzlich vermeiden, aber wenn du hier weiterkommen willst, solltest du besser auf uns hören. Birdie wird dir nur Probleme machen. Und was deinen Freund Matt angeht, er ist auch nur noch Helmstedters Marionette und tanzt nach seiner Pfeife. Was glaubst du, warum der Doktor in Efrafa ist?“

„Na weil er die Hilfe der anderen braucht, um an Umbra zu kommen.“

„Eben!“ erklärte Horace mit betonter Stimme. „Und genau das wollen wir verhindern. Wir kennen den Doktor schon sehr lange und wissen, wie gefährlich er wirklich ist. Erstens ist er schon als Mensch so genommen ein absolutes Ekel, aber als Arzt ist er ein kaltblütiges Monster. Was glaubst du wohl, was er tun wird, wenn er erst einmal das Umbra-Gen in den Händen hält? Du kannst dir sicher sein, dass es noch sehr viel mehr Probleme geben und er die Insassen als Laborratten benutzt. Und das nimmt Matt in Kauf, um hier rauszukommen. Glaub mir ruhig, wenn ich dir sage, dass hier die Hölle ausbrechen wird, wenn Helmstedter erst mal das Gen in Händen hält.“ Nun gut, Mello hatte das irgendwie schon geahnt, aber trotzdem fiel es ihm schwer, Matt dafür zu verurteilen. Für diesen war es der letzte verzweifelte Ausweg, um Down Hill zu verlassen. Horace schien zu ahnen, was ihm durch den Kopf ging und seufzte. „Den Teufel spürt das Völkchen nie und wenn er sie am Kragen hätte… Und ich sehe schon: der sauberen Herren Pfuschereien ist bei euch schon Maxime.“

„An Umbra zu kommen ist eben die einzige Möglichkeit, aus Down Hill zu entkommen.“

„Und wenn es nicht so wäre?“ Diese Worte machten Mello hellhörig. Zuerst war er sich nicht sicher, ob er es richtig verstanden hatte, doch auch Clockwise nickte bestätigend. „Wir arbeiten ebenfalls an einer Möglichkeit, aus Down Hill zu entkommen, ohne dass irgendjemand dafür geopfert oder zu einem zweiten Umbra gemacht werden muss.“

„Und wie wollt ihr das anstellen?“

„Das können wir dir nicht sagen, zumindest noch nicht. Du musst wissen, wir könnten theoretisch längst hier raus, aber wir haben noch etwas sehr Wichtiges zu tun. Denn Horace, Kaonashi und ich, wir sind nicht als Gefangene hergekommen. Wir sind freiwillig hier.“ Nun glaubte Mello erst recht, sich verhört zu haben. Was für eine Wahnsinnsidee hätte die drei denn bitteschön dazu gebracht, freiwillig ins ausbruchsicherste Gefängnis der Welt zu gehen, selbst auf die Gefahr hin, nie wieder das Tageslicht zu sehen? Das war doch komplett verrückt. „Wieso seid ihr freiwillig hier?“ „Weil wir Helmstedters Treiben ein Ende bereiten wollen“, erklärte Horace. „Dieser Mann hat unser Leben zerstört und unzählige Gräueltaten begangen. Wir wollen nicht zulassen, dass er wieder an Menschen experimentiert und noch mehr Leben zerstört. Aus diesem Grund wollen wir erfahren, was er mit seinen Experimenten bezweckt, wer Umbra wirklich ist und was sich Helmstedter von diesen Experimenten verspricht. Ich hab zwar eine gewisse Ahnung, aber dazu brauchen wir mehr Indizien. Und wenn wir unsere Antworten haben, werden wir Helmstedter töten, seine Arbeit zerstören und Down Hill verlassen. Das ist der Grund, weshalb wir hier sind.“

„Inwiefern hat er euer Leben zerstört?“

„Er hat meine Eltern getötet“, antwortete Clockwise mit Ernst in der Stimme. „Horace hat er als lebendes Ersatzteillager benutzt und Kaonashi war sein Versuchskaninchen.“

„Und was hat er mit ihm gemacht?“

„Das sollte Kao dir selbst sagen“, meinte Horace schließlich. „Aber du siehst, jeder von uns hat triftige Gründe, um an Helmstedter Rache zu nehmen.“

„Und wieso redet ihr nicht mit Matt? Nun gut, er hat sich zwar verändert, aber wenn ihr ihm die Sache erklärt, dann wird er sicherlich…“ Doch da unterbrach ihn Horaces Lachen und er ahnte, dass da wohl schon Versuche gestartet worden waren und diese offenbar erfolglos geblieben waren. Clockwise schüttelte den Kopf und erklärte „Helmstedters Einfluss ist zu groß, als dass wir eine Zusammenarbeit mit Efrafa riskieren können. Außerdem hängen Leben davon ab, dass wir erfolgreich unsere Identität geheim halten können. Nicht nur unsere, sondern auch die von anderen. Außerdem hat Helmstedter Matt schon längst gegen uns aufgestachelt, sodass jegliche Bemühungen komplett gescheitert sind. Aus diesem Grund haben wir es aufgegeben und gehen alleine vor.“ Nun, wenn Helmstedter wirklich so einen großen Einfluss in Down Hill hatte, dann war es wohl tatsächlich das Beste, wenn die drei alleine arbeiteten, wenn sie andernfalls in Gefahr geraten konnten. Aber so ganz leuchtete ihm nicht wirklich ein, was sie dann von ihm wollten. Immerhin war er Matts bester Freund und Mitglied in Efrafa. Als er deshalb nachfragte, hatte er sogleich schon einen Verdacht. „Wollt ihr etwa, dass ich Matt ausspioniere?“ „Nein, überhaupt nicht“, versicherte Clockwise. „Unser Anliegen besteht mehr darin, dass du uns hilfst, mehr über Umbra herauszufinden und was damals alles passiert ist. Denn weißt du… wir arbeiten mit jemandem zusammen, der eine Verbindung zu einem gewissen Waisenhaus hat, in welchem auch du aufgewachsen bist.“ Das warf Mello fast völlig aus der Bahn. Kaonashi und die beiden anderen kannten noch jemanden, der aus Wammys House stammte und sie arbeiteten mit dieser Person zusammen? Aber wer? „Wer ist es? Nennt er sich vielleicht Near?“ Doch sie zuckten beide unsicher mit den Schultern und erklärten „Er nennt sich Fourty-Nine und er ist stets in Begleitung einer Dame, die sich Eleven nennt. Ob es dieser Near ist, können wir nicht sagen.“

„Wie sieht er aus?“

„Die beiden sind stets maskiert und wir können ihr Gesicht nicht erkennen. Aber du wirst die beiden schon noch kennen lernen. Sie leben in Core City, näher gesagt im Pardarail-Viertel. Wenn du mal dort unterwegs bist, kannst du gerne vorbeischauen und die beiden kennen lernen.“ In Mellos Kopf schwirrten die Gedanken umher und er wusste nicht. Wie er das Ganze einordnen sollte. Kaonashi hatte Kontakt zu einem ehemaligen Abgänger aus dem Waisenhaus, der unter Umständen vielleicht Near sein könnte. Aber was machte der denn hier, wenn es denn wirklich er war? „Was genau erwartet ihr von mir?“

„Eigentlich nicht sonderlich viel“, kam es von Horace, dessen Lächeln ein wenig zwielichtig wie das eines gefährlichen Intellektuellen wirkte. Es erinnerte ein klein wenig an Helmstedter, nur war es nicht so eiskalt und herablassend. „Du gehst einfach deinem gewöhnlichen Alltag in Efrafa nach und schweigst über unsere Besuche bei dir. Das erspart uns und vor allem dir Ärger. Wenn die Zeit kommt, werden wir dir mehr erzählen und dann hoffen wir natürlich, dass du uns ein kleines bisschen unter die Arme greifst. Aber das erklären wir dir noch. Dafür helfen wir dir, falls dir Helmstedter gefährlich werden sollte. Immerhin zählst du jetzt offiziell auch zu seinen Opfern und bist in Gefahr. Darum kannst du mit uns rechnen. Im Gegenzug dafür brauchst du nichts Weiteres zu tun, als ein wenig auf deinen Freund Matt aufzupassen und für uns als Informant fungieren.“

„Ich soll ihn für euch also doch ausspionieren?“

„Das hast du gesagt. Vom Spionieren war nie die Rede.“

„Die Sache ist einfach die, dass Matt zwar unser Feind ist“, begann Clockwise zu erklären, „aber wir vermuten, dass auch Helmstedter ihn für seine Zwecke benutzt und er deshalb in Gefahr geraten könnte. Und da wir weitere Opfer durch den Doktor vermeiden wollen, haben wir ein wachsames Auge auf Efrafa. Da wir aber kaum an Matt herankommen, bitten wir dich einfach nur, uns Bescheid zu geben, sollte er sich plötzlich ganz anders verhalten als vorher oder wenn sich sein Gesundheitszustand stark verändert.“ So wirklich sicher war sich Mello nicht, was er davon halten sollte und ob es so eine gute Idee war, Matt zu bewachen. Aber andererseits… wenn er bedachte, dass der Doktor so gefährlich war und an Menschen experimentierte, dann war es vielleicht ratsam, Matt im Auge zu behalten. „Deinem Gesicht nach zu urteilen, hast du bereits gravierende Veränderungen feststellen können“, stellte Horace fest und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand, wobei er die Hände in den Hosentaschen vergrub. „Erzähl uns davon. Jede kleinste Kleinigkeit könnte von Bedeutung sein.“

„Matt hat sich vom Charakter her stark verändert. Als kleiner Junge hat er damals seine Familie durch die KEE verloren und war eine kleine Heulsuse gewesen. Im Waisenhaus haben wir uns ein Zimmer geteilt und ich hab ihn so weit wieder aufgebaut gekriegt, dass er danach einen recht ruhigen Charakter entwickelt hat. Er war vom Wesen her recht gleichgültig gewesen, was irgendwelche Probleme anging und er hat sich nie aus der Ruhe bringen lassen, nicht mal von mir. Er hat einfach sein Ding gemacht, hat eine Zigarette nach der anderen verqualmt und seine Games gezockt, wenn er nicht als Hacker gearbeitet hat. Außerdem hat er sich nie in den Vordergrund gerückt und hatte damals auch nie Ambitionen gezeigt, L’s nächster Nachfolger zu werden. In der Hinsicht war er ein klein wenig sorglos. Aber jetzt hab ich das Gefühl, er ist ein ganz anderer Mensch. Er liebt mich nicht mehr, er ist zu einem Shutcall geworden, der ohne zu zögern Menschen tötet und grausam und brutal ist, er hat von jetzt auf gleich mit dem Rauchen aufgehört und auch seine Spiele zockt er nicht mehr. Außerdem reibt er sich die Augen, was er früher noch nie getan hat und irgendwie hab ich das Gefühl, dass er innerlich vollkommen zerrissen ist und nicht weiß, was er denken oder fühlen soll in meiner Gegenwart. Ich hab auch gemerkt, dass er sehr häufig Kopfschmerzen hat.“

„Hat er dir auch erklärt, warum er sich so verändert hat?“ hakte Clockwise weiter nach und an seinem Gesicht ließ sich erkennen, dass da vielleicht etwas dran war. Mello dachte kurz nach und antwortete „Er sagte, dass er bei seiner Flucht aus dem Asylum eine schwere Kopfverletzung erlitten hat und als er aufgewacht ist, hatte er Erinnerungslücken. Aber die Kopfschmerzen schiebt er auf den Stress, den er momentan hat.“

„Kannst du uns vielleicht verraten, wie Matt mit richtigem Namen heißt?“

„Warum ist das wichtig?“

„Für eventuelle Recherchearbeiten. Es kann gut möglich sein, dass wir auch Matts Familiengeschichte untersuchen müssen.“

„Er heißt Mail Jeevas und soweit ich weiß, hatte er sowohl seine Eltern, als auch einen großen Bruder. Aber mehr hat er mir nie über seine Familie verraten. Lediglich, dass die KEE sie getötet hat und er daraufhin von Watari nach Wammys House gebracht wurde.“ Horace und Clockwise tauschten kurze fragende Blicke aus und es schien so, als würde ihnen etwas Bestimmtes durch den Kopf gehen. Aber wahrscheinlich täuschte sie das nur. Dann aber wandten sie sich wieder Mello zu. „Diese Informationen helfen uns wirklich weiter. Danke, Mello. Wir werden das auf jeden Fall weiter verfolgen und herausfinden, was Helmstedter von deinem Freund will. Sollte dir irgendetwas auffallen, dann sag uns einfach Bescheid, wenn wir wieder vorbeischauen oder wenn du nichts von uns hörst und etwas sehr Wichtiges sein sollte, dann mach einfach Folgendes: Klopf laut gegen die Innenwand des Lüftungsschachtes und ruf nach Sezru oder Fiver. Die beiden können die Nachricht dann auch weitergeben.“

„Wer sind die beiden? Auch Verbündete von euch?“

„So in etwa. Wir passen ein wenig auf sie auf, nachdem sie uns quasi anvertraut wurden. Aber Näheres erfährst du schon, wenn du Nine triffst. So, wir müssen dann auch wieder los. Clockwise, komm wir gehen.“ Damit kletterte Horace den Lüftungsschacht rauf und verschwand. Doch Clockwise blieb noch kurz stehen, begutachtete Mello aufmerksam mit seinen grünen Augen und lächelte dann zufrieden. „Ich glaube, ich verstehe so langsam, warum Kaonashi so viel von dir hält. Du bist ihm wirklich sehr ähnlich. Ich wünsch dir noch viel Erfolg mit deinem Freund Matt. Und lass den Kopf nicht hängen, ja? Auch wenn es vielleicht im Moment schwer ist, aber man kann sich auch ein zweites Mal ineinander verlieben.“ Nun kletterte auch Clockwise hoch in den Lüftungsschacht und folgte Horace. Als sie nach oben mussten, kletterten sie den Schacht hoch, in welchen Leitersprossen festgeschraubt waren, wie man sie beispielsweise an Türmen fand. Während sie hoch in die obere Ebene kletterten, dachte Clockwise nach. „Sag mal Horace… meinst du, dass das alles irgendwie zusammenhängt?“

„Tja…“, murmelte der Psychologe und dachte nach. „So ganz sicher bin ich mir noch nicht. Aber wenn ich mal davon ausgehe, dass Helmstedter irgendetwas an Matt gemacht hat und ihn für einen seiner Versuche benutzt hat, dann könnte ich mir tatsächlich denken, dass es beabsichtigt war, dass Mello von der KEE verhaftet wurde. Womöglich sind die Experimente noch nicht gänzlich abgeschlossen…“

„Und ob da eine Verbindung zu Umbra besteht?“

„Das kann ich im ersten Augenblick noch nicht erkennen. Wenn es stimmt und Matt hatte durch den schweren Schlag einen Gedächtnisverlust, dann sehe ich leider keinen direkten Zusammenhang mit dem Blood-Freezing Experiment. Das wären zwei verschiedene Paar Schuhe. Womöglich hat der Mistkerl zwei Versuche am Laufen, nur dann würde mich natürlich interessieren, was er sich davon verspricht, irgendeinem Menschen, der an Amnesie leidet, seine Erinnerungen zurückzuholen. Das ist für jemanden wie Helmstedter doch viel zu uninteressant. Entweder war es für ihn eine harmlose Spielerei, es ist eine Hirnwäsche oder aber es steckt noch etwas ganz anderes dahinter und genau das müssen wir unbedingt herausfinden. Bei diesem Bastard können wir nie vorsichtig genug sein.“

„Und was ist mit Mello?“

„Nun, den können wir als Informant sehr gut gebrauchen und aus dem Grund werden wir ihn eben im Auge behalten. Nicht, dass Helmstedter noch auf den Trichter kommt, ihn aus dem Weg zu räumen, weil dieser ein Problem für seine Experimente darstellen könnte. Aus dem Grund halten wir ihn erst mal weitestgehend aus der Sache raus. Je weniger er weiß, desto weniger können sie aus ihm herausquetschen. Aus dem Grund werden wir ihm auch nichts von Rhymes Aufgabe erzählen. Das würde alles nur komplizierter machen.“ Ja, das leuchtete ihm auch ein und auch er konnte da nicht so wirklich einen Zusammenhang erkennen, was Matts verändertem Verhalten und dem Blood-Freezing Experiment zu tun hatte. Wahrscheinlich gab es da auch wirklich keinen Zusammenhang und es waren zwei verschiedene Projekte, wie Horace schon gesagt hatte. „Das verkompliziert die ganze Sache schlimmstenfalls noch, oder?“

„Nur, wenn wir uns irritieren lassen und nachlässig werden. Würdest du mir gleich den Gefallen tun und Nine die neuesten Erkenntnisse mitteilen?“

„Klar, kann ich machen. Und was machst du derweil?“

„Na was wohl? Kaonashi natürlich helfen.“

„Bist du dir sicher?“ fragte Clockwise unsicher und blickte skeptisch zu Horace, der diesen Blick aber nicht sehen konnte. „Du weißt doch, dass er uns bei der Sache nicht dabei haben will. Er wird noch richtig sauer werden, wenn du dich schon wieder über seine Anweisungen hinwegsetzt.“ Clockwise wusste, dass die beiden zwar ein Paar waren und sie sich beide liebten, aber die Beziehung zwischen ihnen war nicht gerade die einfachste, vor allem weil Kaonashi gerne das Sagen hatte und Horace sich stets und ständig darüber hinwegsetzte, weil er Kaonashi helfen wollte. Manchmal war es schon ein regelrechter Machtkampf zwischen den beiden und in solchen Momenten wünschte sich Clockwise, dass Rhyme da wäre. Er hatte es immer geschafft, zwischen den beiden erfolgreich zu vermitteln und einen gemeinsamen Nenner zu finden. Und als er wieder an Rhyme dachte, kam die Sehnsucht nach ihm wieder zurück. Das schien Horace zu ahnen, denn als er den Schacht für die erste Ebene erreicht hatte, machte er etwas Platz, damit auch Clockwise Platz hatte und wandte sich zu ihm um. „Ich weiß, dass du Rhyme gerne wiedersehen würdest, aber wenn wir mit der Sabotage beginnen, wird es erst mal ratsam sein, wenn wir uns von Efrafa fernhalten. Allein schon, um Rhymes Leben nicht zu gefährden.“ „Ich weiß“, seufzte Clockwise. „Aber es kann ja nicht jeder das Glück haben, dass du mit Kaonashi jederzeit rumturteln kannst. Ich stell ja schon die Lautstärke höher, um nicht noch selber in Stimmung zu kommen.“

„Ja, das haben wir auch schon gemerkt. Und es ist nicht gerade erotisch, zum Höhepunkt zu kommen, wenn du im Hintergrund Arielle die kleine Meerjungfrau singen hörst.“

„Sorry. Wenn ich Kopfhörer hätte, würde ich sie auch benutzen.“ Schließlich trennten sie sich voneinander. Während Clockwise nach Pardarail zurückkehrte, machte sich Horace weiter auf den Weg nach oben zu Ebene 2. Jetzt galt es, die Lage zu überprüfen und dann zu Kaonashi dazuzustoßen.

Ein Stückchen Alltag

Den Rest des Tages hatte Mello auf seinem Zimmer verbracht und auch keinen großartigen Appetit aufs Abendessen verspürt. Er war auch recht früh eingeschlafen und dementsprechend früh am nächsten Morgen wach. Nach einer heißen Dusche durchstreifte er ein wenig die Gänge und ging seinen Gedanken nach. Er fragte sich, was wohl die nächsten Tage auf ihn warten würde und wie es jetzt weiterging. Müde gähnte er und wollte zum Speisesaal gehen, da hörte er ein lautes Scheppern, gefolgt von einem lauten „Habt ihr Spatenköppe zu heiß gebadet oder wat is los? Wat macht ihr da schon wieda?“ Dieser Südstaatendialekt war wirklich unverkennbar und deutete daraufhin, dass Leaks schon längst bei der Arbeit war. Mello folgte den Geräuschen und sah dann tatsächlich den etwas zu klein geratenen Mechaniker, der die verstreuten Werkzeuge aufhob, die heruntergefallen waren. Er brauchte nicht mal zu grüßen, da bemerkte Leaks ihn schon und hob zum Gruß die Hand. „Ey Mello. Biste wieder am rumsuchen, oder wat biste so früh auf? Bist ja gestern Abend nicht beim Essen gewes’n. Hat der Boss dich zu hart rangenomm?“

„Ich war einfach nur müde, das ist alles. Und was ist mit dir?“

„Meine Schicht fängt schon um fünfe an. Inner Werkstatt ham wa immer genug zu tun, da bin ich schon früher auf’n Beinen. Wo du schon mal hier bis, da kannste auch gleich mitkomm. Ich hab da nämlich wat für dich, wat dir gefall’n könnte.“ Während Leaks die beiden Männer, die Mello einen fast schon tödlichen Blick zuwarfen, alleine aufräumen ließ, gingen sie zum so genannten Trakt 02 und erreichten eine Werkstatt, die wahrscheinlich dazu gedacht war, damit die Insassen hier verschiedene Arbeiten erledigen konnten, um beschäftigt zu werden. Hier wurde an Radios, Waffen, Küchengeräten und anderen Dingen gebastelt. Sogar ein alter Röhrenfernseher wurde gerade repariert. Mello erspähte Hiram, der gerade eine Waschmaschine herschleppte, die offenbar kaputt war. Auch die trug er problemlos mit sich herum, als würde das Ding höchstens einen Kilo wiegen. Mello grüßte den Hünen und folgte Leaks zu einer der Werkbänke hin, wo ein tragbarer CD-Spieler mit integrierten Lautsprechern stand. Es war ein etwas älteres Modell, aber auch nicht komplett veraltet. „Dat Schätzcken hab ich noch repariert gekriegt. N paar Kabel waren kaputt, aber ich konntse auswechsel’n. Hab ich auch schon ausprobiert und es funktioniert. Wat hörste denn so für Musik?“

„Meist etwas in Richtung Rock oder Metal.“ Damit holte Leaks eine Kiste hervor, hievte sie mit viel Mühe hoch, da er nicht sonderlich viel Kraft in diesen dünnen Armen besaß und stellte sie dann auf die Werkbank ab. „Hier, kannste dich bedienen. Wenn de wat findest, kannste gerne mitnehm. Und wenn de dat nicht mehr hör’n kannst, dann kannste einfach wieder zurückbringen und dann was anderes aussuch’n. Ich krieg hier sogar ab und zu mal Hörbücher oder Hörspiele rein. Viele hör’n auch einfach Radio, aber momentan geht det leider net so wirklich.“

„Hier unten hat man Radioempfang? Unter der Erde?“

„Normalerweise net, aber ich hab da eine Art Empfangsverstärker gebaut, womit wa auch hier unten in Down Hill Radioempfang haben. Ist für viele dat Einzige, was sie noch von der Außenwelt zu hör’n krieg’n. Aber dat verdammte Scheißteil funzt net richtig und ich muss dat gleich mal überprüf’n geh’n. Willste nachher mitkomm und mir helf’n? Hiram hat keine Zeit und die Jungs arbeiten inner Werkstatt weiter.“ Da Mello sowieso keine anderen Pläne hatte und er auch nicht mit diesen Kerlen allein sollte, die ihn wahrscheinlich in der Luft zerreißen würden, nahm er Leaks’ Angebot gerne an und durchkramte die Kiste. Da drin war wirklich alles. Angefangen von Hip Hop über Country, bis hin zu Pop, Rock und Heavy Metal. Und tatsächlich fand er auch gleich drei CDs, die seinem Geschmack entsprachen. „Wo kriegt ihr eigentlich die ganzen Sachen her?“ „Die bestell’n wa uns. Wir kriegen aber auch so oft Schrott runter. Entweder reparier’n wa es, oder aber et wird ausgeschlachtet und ich bastle wat Neues draus. Hier gibt’s eigentlich ständig wat zu tun. Vor allem wenn ne Waschmaschine den Geist aufgibt oder wenn’s Probleme mit den Generatoren in Hallion gibt. Irgendwo geht immer wat kaputt und damit wa hier anständig leben, ham wa eben Sorge zu tragen, dat der Laden hier net auseinander fällt. Hier unten sind wa auf uns allein gestellt. Da kommt keiner runter und hilft. Ansonsten ist wirklich Schicht im Schacht. Ey Hiram!“ rief er nun dem Hünen zu. „Haste vielleicht den 8er irgendwo gesehen?“ Daraufhin begann der Riese zu suchen und warf ihm schließlich den gesuchten Schraubenschlüssel zu. Leaks fing ihn auf und steckte ihn in seinen Werkzeuggürtel. „So, ich geh dann mal zum Speisesaal. Ich brauch jetzt ganz dringend nen Kaffee. Kannst ja dein Zeug schon mal rüberbringen und gleich nachkomm. Ich halt n Platz frei für dich. Hiram, kommste auch, oder willste schon gleich los?“ Der 44-jährige sah kurz auf seine Uhr und überlegte. Dann aber erhob er sich mit einem fast schon zufrieden wirkenden Lächeln und antwortete „Die Zeit kann ich mir ruhig nehmen.“ Mello betrachtete die beiden mit gemischten Gefühlen. Sah, wie glücklich sie zusammen waren und wie sie miteinander lachten. Und in dem Moment fühlte er wieder diesen Stich in seiner Brust, als er daran dachte, dass er die Chance auf so ein Glück wahrscheinlich für immer verspielt hatte. Mit gemischten Gefühlen nahm er die CDs und die CD-Spieler brachte die Sachen zu seinem Zimmer. Im Anschluss kam er dann ebenfalls in den Speisesaal und unterhielt sich noch ein wenig mit Leaks und Hiram, bis dann schließlich Frühstückszeit war. Es gab belegte Brote und Kaffee oder Tee. Nach der Stärkung begann die Arbeit für Mello. Da Hiram zu einem Einsatz musste, war es nun Mellos Job, Leaks ein wenig unter die Arme zu greifen und er war auch froh darüber. So hatte er wenigstens etwas zu tun. Da Leaks aufgrund seines recht schmächtigen Körpers auch nicht sonderlich viel an Muskeln hatte (er selbst gab auch zu, ein Schwächling zu sein), schleppte Mello den Werkzeugkasten, was ja für ihn kein Problem war. „Schon seit ich klein war, also noch kleiner als jetzt, da konnt ich nie Muskeln aufbau’n. Ich war ständig der Schwächste von allen, meine beiden Brüder hingegen waren immer Mordskerle mit so Riesenmuckis. Fast so wie Hiram, nur net ganz so groß.“

„Und wie kommt das?“

„Wahrscheinlich weil ich’n Frühchen war, kein Plan… Ich kam so verdammt früh zur Welt, dass ich die Hälfte meiner Kindheit im Krankenhaus verbracht hab. Aber letzt’n Endes hab ich et doch zu wat gebracht. Mag sein, dass ich Muckis wie’n Kind hab, aber wat Technik angeht, da macht mir keiner wat vor. Wenn de nix an Muckis hast, dann haste deine Stärken eben woanners.“ Sie gingen durch eine Zahl an Gängen und erreichten schließlich einen etwas abgelegenen Korridor, wo sich ein Raum mit einem Schild an der Tür befand, auf dem „Technik“ drauf stand. Leaks öffnete die Tür und sogleich sah Mello mehrere Stromkästen und technische Anlagen. „Von hier aus wird dat mit dem Strom geregelt. Abends wird die Versorgung reduziert, um zu verhindern, dat die Generatoren heiß lauf’n und überlast’n. Als ich hier ankam, waren schon zwei kaputt und es at verdammt lang gebraucht, bis ich das wieder reparieren konnt. Also wir machen dat jetzt folgendermaß’n: ich schraub die Kiste auf und schau nach, warum dat mit dem Empfang spackt und du gehst mir dabei zur Hand. Ich werd’ dir schon noch erklär’n, wat de zu tun hast.“ Damit begannen sie nun ihre Arbeit und Mello tat das, was Leaks ihm alles auftrug. Sie verstanden sich auf Anhieb sehr gut und als sich auch noch herausstellte, hatte er ein gewisses Geschick, was solche Arbeiten betraf. Auf Leaks’ Nachfrage erklärte er, dass er selber schon an seinem Motorrad geschraubt hätte, da er den Mechanikern in der Werkstatt nicht traute und sie als abgebrühte Abzocker bezeichnete. Nachdem er das erzählt hatte, wollte Leaks ihn noch etwas auf die Probe stellen und ließ ihn ein paar Kabel auswechseln und selbst das bekam Mello ohne Mühe hin. Der 28-jährige nickte schließlich zufrieden und meinte „Du hast Talent. Also dich könnt ich inner Werkstatt gut gebrauch’n. Und ich glaub, wir beide komm auch so ganz gut miteinander aus, ne?“ Das Angebot nahm er gerne an und insgeheim war er froh, dass er was zu tun hatte und Leaks kein Problem damit hatte, dass er ein „Penumbra“ war. Aber insgeheim beschäftigte ihn noch eine Frage: „Warum gehst du mir nicht aus dem Weg so wie die anderen? Hast du keine Angst, angesteckt zu werden?“ „Net so wirklich“, erklärte der Mechaniker schulterzuckend. „Mein Bruder Harvey hatte AIDS, da lernt man mit so wat zu leben und wenn de wirklich gefährlich wärst, dann hätte der Boss dich net hergeschickt. So seh’ ich dat jedenfalls und Hiram ist stark genug, um Umbra platt zu mach’n.“

Schließlich aber, als sie nach knapp drei Stunden Arbeit den Verstärker wieder zum Laufen gekriegt hatten, gönnten sie sich eine Pause und gingen zu den Aufzügen und fuhren hoch zur Ebene 2, nachdem sie ein Paket aus dem Lager geholt hatten. „Das ist ne Sonderlieferung, die will ich Echo gerne persönlich bring’n. Hat verdammt lang gebraucht, um es zu krieg’n.“ Nachdem sie die zweite Ebene erreicht hatten, folgte Mello ihm und kam zu einem Raum an, der ihm bekannt vorkam. Und tatsächlich: als die Tür geöffnet wurde, sah er Echo auf einem Bett sitzen und Morph war bei ihm, der einen Arm um ihn gelegt hatte und mit ihm zusammen lachte. Als der Rothaarige den Blick hob und Leaks und Mello sah, schwand dieses Lächeln wieder, was aber hauptsächlich an Mello lag, den er nicht ganz so gut leiden konnte. „Yo Morph, spielste wieder Babysitter?“ scherzte Leaks und grinste dabei frech. „Das könnte ich eher dich fragen“, entgegnete der Japaner und nahm seinen Arm von Echo weg. „Hast du was für mich?“ „Für dich net, aber für Echo.“ Der blinde 16-jährige war sprachlos, als er das hörte und war natürlich absolut neugierig, was er denn bekam. Leaks öffnete das Paket und es stellte sich heraus, dass es ein Blindenstock war. „Jetzt kannste dich deutlich besser zurechtfinden und stürzt nicht wieder die Treppen runter.“ Als der klein geratene Mechaniker den fragenden Blick bei Mello bemerkte, erklärte er „Als Echo sich mal verirrt hat, isser die Treppen runtergesegelt und hat sich den Arm gebroch’n. War ne echt schlimme Sache. Er hatte Glück, dasser sich dat Genick net gebroch’n hat.“ Leaks drückte Echo den Blindenstock in die Hand, welcher ihn neugierig betastete. Dann stand er auf und begann sich damit zu orientieren, was ihm erst mal ein wenig schwer fiel, da er sich sonst immer über sein Gehör zurechtgefunden hatte. Er hatte noch sichtlich Mühe und es würde eine Umstellung bedeuten, aber er schien sich sichtlich über sein Geschenk zu freuen. „Super, damit geht es jetzt noch besser. Hey Morph, können wir gleich mal ein wenig spazieren gehen?“

„Klar, kein Problem. Danke übrigens für die Lieferung. Sind eigentlich schon die beiden Funkgeräte repariert?“ „Die bring ich heute Abend vorbei, wenn se fertig gecheckt sind. Ich musste die Kontakte auswechsel’n, die war’n durch die Säure komplett kaputt.“ Mello entging nicht, dass Morph immer wieder zu ihm herübersah und wahrscheinlich hatte es unter anderem mit seinem Halsband zu tun. Er fragte sich, was dieser Kerl wohl für eine Beziehung zu Matt hatte und warum sich dieser so für ihn einsetzte. Hatten sie vielleicht mal etwas miteinander gehabt? Als er daran dachte und ein Bild vor seinen Augen auftauchte, zog sich seine Brust schmerzhaft zusammen und zugleich fühlte er neben dem Schmerz auch etwas anderes. War es Wut? Nein, es war Eifersucht. Ja, er war eifersüchtig auf diesen Kerl, der eine so enge Beziehung zu Matt hatte. „Morph, können wir kurz alleine reden?“ Alle Beteiligten waren etwas überrascht, als Mello das sagte, doch da erhob sich auch schon Echo und begann nach Leaks zu suchen. „Leaks, begleitest du mich kurz?“ „Null Problemo. Aber schlagt euch ja net die Zähne ein, ihr beiden, klar?“ Damit verließen die beiden das Zimmer und Morph und Mello waren nun allein. Der Japaner kratzte sich kurz hinterm Ohr und wirkte ein klein wenig ungeduldig. „Was willst du mit mir besprechen?“ Mello musste tief durchatmen, um nicht schon wieder doch hitzig zu reagieren und wieder zuzuschlagen. Aber er konnte einfach nichts dran machen, dass dieser Kerl die Eifersucht in ihm weckte. „Ich wollte wissen, was da zwischen dir und Matt ist. Habt ihr was miteinander?“ „Spielt das eine Rolle?“ fragte der Journalist etwas hinterlistig und seine Augen ruhten wachsam auf Mello, als wollten sie irgendetwas erspähen, was ihn verraten könnte. Manchmal war dieser Kerl ihm wirklich unsympathisch, aber andererseits durfte er auch nicht außer Acht lassen, dass Morph ihm das Leben gerettet hatte, als sie von Umbra attackiert worden waren. „Soll das hier ein Spielchen werden?“ „Für einen Petboy, der den alleruntersten Rang im Gefängnis einnimmt zusammen mit den 170ern und Sittichen bist du ganz schön vorlaut.“

„Ich lass mich eben nicht gern für blöd verkaufen und was für einen Rang ich hab, ist mir eh scheißegal.“ Doch Morph dachte nicht daran, so schnell mit offenen Karten zu spielen. Nein, er schien Mello eher testen zu wollen und hakte weiter nach. „Ich dachte, Matt ist für dich nur ein guter Freund, mit dem du ab und zu mal in die Kiste springst und das war’s. Dann kann es dir doch eigentlich komplett egal sein, wenn ich etwas mit ihm habe. Ich würde mich jedenfalls sehr gut um ihn kümmern.“ Nun reichte es Mello endgültig. Er packte Morph am Kragen und funkelte ihn angriffslustig an. „Lass bloß die Finger von ihm, klar? Mag sein, dass ich verdammt viel Scheiße gebaut habe und Matt das Herz gebrochen habe, weil ich nicht wusste, dass er Gefühle für mich hatte. Aber ich werde garantiert nicht einfach so zulassen, dass sich ein anderer an ihn ranschmeißt.“

„Und wieso?“ fragte Morph und schien nicht sonderlich von Mellos Drohgebärden beeindruckt zu sein. Der Kerl hatte echt Nerven aus Stahl. Und als der 24-jährige sah, dass es dem Japaner verdammt ernst war, was er sagte, da platzte es einfach aus ihm heraus. „Weil ich ihn liebe und nicht zulassen werde, dass ich ihn für immer verliere, verdammt noch mal.“ Morphs Miene blieb unbewegt. Es war schwer festzustellen, was er gerade dachte oder fühlte und ob er sonderlich von Mellos Liebesgeständnis überrascht war. Dann aber stahl sich ein ungläubiges Lächeln auf seine Lippen. „Und wie kommst du zu der überraschenden Einsicht? Hattest du über Nacht eine Erleuchtung oder rührt es einfach nur von der Tatsache her, dass du Matt nicht gehen lassen willst und ihm sein neues Glück nicht gönnen kannst?“

„Tu nicht so, als wüsstest du, wer ich bin, klar? Ich weiß, dass ich Matt mies behandelt habe, aber ich muss mich noch lange nicht vor dir rechtfertigen.“

„Das mag stimmen, aber ich will Matt vor weiteren Enttäuschungen beschützen und so aggressive und gewaltbereite Typen kenne ich zur Genüge. Sie beteuern immer ihre Liebe und versprechen, sich zu bessern. Aber letzten Endes prügeln sie doch ihre Partner krankenhausreif, wenn ihnen irgendetwas gegen den Strich geht.“

„Ich bin kein Schläger!“

„Und was war, als du Matt verprügelt oder mir eine reingehauen hast? Wenn du so weitermachst und nicht endlich mal an deinem Verhalten arbeitest, dann wird Matt nur wieder verletzt werden und das werde ich ganz sicher nicht zulassen. Er soll nicht dieselben Erfahrungen machen müssen wie ich und von dem Menschen verraten werden, den er geliebt und dem er blind vertraut hat.“ Hier kühlte sich Mellos Temperament schlagartig ab, als er das hörte. Er sah, dass sich Morphs Blick verändert hatte. Enttäuschung und Schmerz über einen unfassbaren Verrat waren ihm anzusehen und nun begann er zu verstehen, was dahintersteckte. Sogleich beruhigte er sich wieder und ließ von ihm ab. „Was ist passiert?“ Morph richtete seinen Hut und setzte sich nun ebenfalls. „Ich war verheiratet. Meine Eltern haben mich recht schnell an die Frau gebracht, als sie gemerkt haben, dass ich auf Männer stehe. Naja… eigentlich bin ich eher bisexuell, aber das hat für meine Familie, die sehr konservativ war, keinen Unterschied gemacht. Ich war gezwungen, diese arrangierte Ehe einzugehen, da ich sonst aus der Familie verstoßen geworden wäre. Zuerst haben Haruna und ich nur zusammengelebt und es existierte nur eine freundschaftliche Basis. Aber dann haben wir uns verliebt. Ja ich habe sie wirklich geliebt, bis sie dann hinter mein Geheimnis kam und das konnte sie mir einfach nicht verzeihen, insbesondere da wir eine gemeinsame Tochter hatten. Ihr Vater war bei der KEE und so haben die mich abgeholt und nach Down Hill gebracht. Meine Tochter werde ich höchstwahrscheinlich nie wieder sehen, meine Familie hat mich verstoßen… man könnte mich fast schon als gescheiterte Existenz bezeichnen, wie so viele hier in Down Hill. Ich hab nur einer Person je meine Geschichte erzählt und selbst da habe ich gelogen, um die Gefühle dieser Person nicht zu verletzen.“ Diese Geschichte war echt hart und ging selbst an Mello nicht spurlos vorüber. Aber jetzt verstand er wenigstens, warum Morph so feindselig auf ihn reagierte und wieso er Matt unbedingt beschützen wollte. „Wie bist du damit klar gekommen?“ „Man muss die Dinge einfach akzeptieren wie sie sind. Etwas anderes bleibt einem hier auch nicht übrig. Ich versuche nach vorn zu sehen und das Beste aus meiner Situation zu machen. Matt ist ein sehr guter Freund für mich und als wir ihn damals aufgegabelt haben, war er mehr tot als lebendig. Es grenzte an ein wahres Wunder, dass er überlebt hat und selbst danach ging es ihm richtig beschissen.“

„Aber… ihr seid jetzt nicht zusammen, oder?“ Morph musste in diesem Moment lachen und holte ein Päckchen Zigaretten heraus, nahm sich eine und zündete sie an. „Nein, wir sind nur gute Freunde. Falls es dir noch nicht aufgefallen ist: ich bin mit Echo zusammen.“ Mello runzelte überrascht die Stirn. „Ist er nicht etwas jung?“ „Hier in Down Hill gibt es so einige Paare mit großem Altersunterschied. Leaks ist zum Beispiel 16 Jahre jünger als Hiram. Und für uns spielt das Alter eh keine Rolle. Leaks pflegt dann immer zu sagen: Wat sich liebt, dat liebt sich halt. Und wenn du Matt wirklich liebst, dann hoffe ich für dich wirklich ernsthaft, dass du ihm nicht schon wieder wehtust. Ansonsten bekommst du es mit mir zu tun.“

„Schon kapiert… Aber sag mal, wie kommt Echo eigentlich her? Er war doch erst 12 Jahre alt als er hergebracht wurde und wie ein Psychopath sieht er mir nicht aus.“

„Tja… er war der Sohn einer sehr einflussreichen Politikerfamilie. Und diese wollte sich dem Kira-Regime nicht beugen, sondern hat sich für die Demokratie engagiert und sich gegen die Diktatur gestellt. Sie waren quasi die Leitfigur der Opposition und aus dem Grund hat man sie aus dem Weg geräumt und Echo, der damals noch zu jung war, um eine ernste Gefahr darzustellen, wurde dann nach Down Hill gebracht. Er kam zum gleichen Zeitpunkt wie Matt hier an und den Rest der Geschichte kennst du ja. Sie wurden von Sigma und Scarecrow Jack in den Westblock verschleppt, Echo verhalf deinem Freund zur Flucht und wurde dann selbst seiner Augen beraubt. Zusammen mit Christine und Hiram hab ich dann den Westblock gestürmt und Echo da rausgeholt, bevor Jack sich an ihm vergehen konnte. Danach war er bei Dr. Helmstedter in Behandlung und ich hab mich seitdem um ihn gekümmert. Tja, zuerst war es eben nur der Beschützerinstinkt, dass ich mich um ihn gekümmert habe und als Echo schließlich älter wurde, da kamen auch andere Gefühle. Richtig zusammen sind wir aber noch nicht lange.“

„Wenn Echo so viel erlebt hat… wie kann er dann noch so unbeschwert sein?“

„Das ist einfach seine Art. Er versucht immer tapfer zu sein und konnte sich anscheinend schon immer sehr gut an neue Situationen anpassen und die Dinge so akzeptieren wie sie sind. Und außerdem…“ Ein Schrei von draußen unterbrach den Journalisten sofort und er sprang auf, Mello ebenso. Sie eilten auf den Flur raus und sahen auch schon Birdie, die völlig durch den Wind war und auf sie zugerannt kam, bis sie dann ungünstig auftrat und vornüber zu Boden stürzte. „Birdie, was ist los?“ „Im Labor!“ rief die Ärztin hektisch und rappelte sich wieder auf. „Im… im Labor ist eingebrochen worden und alles ist zerstört! Die ganzen Geräte, die Blutproben! Und jemand hat Rhyme niedergeschlagen.“ Sofort eilten Morph und Mello los, um sich das näher anzusehen. Sie erreichten schließlich das Labor und sahen schon anhand der Tür, dass sie gewaltsam aufgebrochen worden war. Neben der Tür lag Rhyme, der eine blutende Wunde am Hinterkopf hatte und ohne Bewusstsein war. Während Mello versuchte, Rhyme wieder aufzuwecken, ging Morph im Labor nachsehen. Und was er sah, war ein einziges Bild der Zerstörung. Sämtliche Messgeräte, Glasbehälter, Mikroskope und weitere Utensilien waren komplett zerlegt worden. Mehrere Flüssigkeiten, die in den Reagenzgläsern aufbewahrt worden waren, verteilten sich in großen Pfützen auf dem Tisch und auf dem Boden und vermischten sich miteinander. Auch das Umbra-Blut war davon betroffen. Morph war erst mal vollkommen sprachlos, als er dieses Chaos sah und zuerst verstand er auch nicht so wirklich, was das zu bedeuten hatte und wieso jemand das Labor zerstören wollte. War es vielleicht Umbra gewesen? Nein, das war eher unwahrscheinlich. Es hätte Rhyme sofort getötet und nicht extra das Labor zerstört. Wieso denn auch? Tja… das mussten sie noch in Erfahrung bringen. Erst mal galt es, Mello von hier wegzubringen, bevor er noch ins Visier der anderen geriet. Außerdem musste er Alarm auslösen. Er wandte sich an den 24-jährigen, der sich noch um Rhyme kümmerte. „Mello, geh sofort wieder nach unten. Ich ruf gleich den Alarm aus und wenn sie dich noch hier finden, gibt es wieder nur Ärger. Und lass dich die nächste Zeit besser nicht mehr hier blicken.“ Da Mello lieber Schwierigkeiten vermeiden wollte, befolgte er Morphs Ratschlag und eilte zu den Aufzügen hin. Er beschloss, lieber nicht auf Leaks zu warten, sondern schnellstmöglich nach unten zu kommen. Irgendjemand hatte das Labor verwüstet und sämtliche Proben ruiniert. Irgendwie beschlich ihn das Gefühl, als wüsste er bereits, wer dahinterstecken könnte. Kaonashi und die anderen hatten ja angedroht, dass sie nicht zulassen würden, dass Helmstedter an das Umbra-Gen herankommen würden. Und nun war all das hier zerstört worden, wodurch weitere Forschungen nicht mehr möglich waren. Mello war sich sicher, dass das Kaonashis Werk war. Und Rhyme war in dem Moment leider zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Na hoffentlich war die Verletzung nicht allzu gravierend.
 

Kaonashi und Horace waren durch den Lüftungsschacht dank Fivers Führung wieder sicher nach Pardarail gelangt, hatten sich aber, nachdem sie weit genug von Efrafa entfernt waren, doch ziemlich gestritten. „Wie oft soll ich dir eigentlich noch sagen, dass du dich da raushalten sollst?“ rief Kaonashi mit deutlicher Verärgerung in der Stimme, doch den Psychologen juckte das im Moment wenig. „Ich wollte dir helfen, klar? Alleine wärst du nie auf die Idee gekommen, Rhyme niederzuschlagen, damit er aus dem Schneider ist und der Verdacht nicht auf ihn fällt. Naja, zumindest wird das diese Pfeifen aus Efrafa von seiner Spur ablenken, aber Helmstedter wird wahrscheinlich erst mal misstrauisch bleiben. So leicht lässt der sich ja auch nicht an der Nase herumführen.“ „Trotzdem… deine Einmischung war mehr als unnötig und so langsam platzt mir auch echt der Kragen mit dir. Ich wäre echt dankbar, wenn du auch nur ein einziges Mal auf das hörst, was ich dir sage.“

„Jetzt sei doch nicht gleich so eingeschnappt. Ich kann auf mich aufpassen und ich weiß, wann es zu gefährlich ist. Aber du glaubst doch wohl nicht im Ernst, ich sitz einfach nur seelenruhig rum und lass dich alles allein machen. Wozu wären wir denn sonst zusammen? Doch wohl nicht, um nur miteinander zu schlafen.“

„Dir ist schon klar, dass Fiver alles hört, oder?“ Der 17-jährige, der vorausgegangen war, kroch einfach weiter und schien sich nicht sonderlich an dem Gespräch zu stören. „Er ist doch selber mit Sezru zusammen und er ist kein kleines Kind mehr. So und jetzt lass uns dieses leidige Thema doch einfach beenden. Es reicht schon, dass wir genug Zeit gewonnen haben. Bis die neues medizinisches Equipment zusammengesammelt haben, dauert es noch eine ganze Weile und mit dem Umbra-Blut kann Helmstedter auch nicht mehr herumspielen. Jetzt müssen wir uns nur überlegen, wie wir weitermachen sollen.“

„Erst mal abwarten. Die in Efrafa sind jetzt in Alarmbereitschaft und da wäre es eh gefährlich, wenn wir uns wieder dort blicken lassen. Und? Hast du Mello schon als Informant gewinnen können?“

„Ich denke schon“, antwortete Horace und gab Fiver Bescheid, dass sie weitergehen konnten. Sie erreichten nun den Schacht, der senkrecht nach unten führte und so begannen sie nun langsam mit dem Abstieg. „Nachdem ich ihm unser Vorhaben erklärt habe, hat er mir einige Informationen gegeben, die Matt betreffen und ich hab auch schon mit Clockwise darüber gesprochen. Ich erzähl dir aber gleich alles in Ruhe, wenn wir wieder zurück sind. Aber so wie es aussieht, scheint Helmstedter noch an etwas anderem zu arbeiten außer an Umbra. Nur ist mir nicht ganz klar, was das für einen Zweck erfüllen soll.“

„Erzähl es mir am besten jetzt, dann kann ich mir wenigstens schon mal ein paar Gedanken dazu machen.“ So erzählte Horace ihn von Mellos Informationen und dessen Beobachtungen, was Matts Verhalten anging. Hier aber hielt Kaonashi inne und auch wenn sein Gesicht nicht zu sehen war, so wusste Horace dennoch, dass das Gesicht seines Jugendfreundes sehr ernst geworden war. „Da klingelt bei mir etwas“, murmelte dieser schließlich und nun war auch der Schauspieler neugierig geworden. „Ach ja? Woran denkst du gerade?“ „Erinnere dich doch an den Komponisten. Bei ihm wurden doch bestimmte Teile seines Hirns mit denen seines Zwillingsbruders operativ transplantiert und wir konnten auch keinen genauen Sinn darin erkennen. Und jetzt entwickelt er eine Methode, mit der er verlorene Erinnerungen wachrufen kann…“

„Meinst du, darin besteht ein Zusammenhang?“

„Ich bin mir nicht sicher, aber es könnte zumindest sein, dass sie auf ein und derselben Idee beruhen, die Helmstedter verfolgt. Er will anscheinend irgendetwas über Erinnerungen herausfinden und ich vermute, dass ihm dies sogar noch wichtiger ist als das Umbra-Projekt.“

„Und woher willst du das wissen?“

„Keine Ahnung. Das sagt mir einfach mein Gefühl. Und ebenso sagt mir mein Gefühl auch, dass Mello speziell dafür nach Down Hill gebracht wurde: weil er beobachten will, ob es auch tatsächlich funktioniert. Vermutlich war Matt nur ein einfaches Testobjekt gewesen so wie der Komponist, aber trotzdem sollten wir verstärkt ein Auge auf ihn haben. Man weiß ja nie, was der Doktor als Nächstes im Schilde führt.“

Erneute Zwischenfälle

Mello war wieder in seinem Zimmer und hatte den CD-Spieler angeschaltet und hörte ein wenig Musik, während er die Gedanken kreisen ließ. Die Tatsache, dass Kaonashi das Labor verwüstet und Rhyme niedergeschlagen hatte, beschäftigte ihn und er fragte sich, was wohl als Nächstes passieren würde. Zu gerne hätte er nach dem Rechten gesehen, doch das war wohl keine gute Idee. In seiner jetzigen Situation würde es nur Ärger geben, denn da er mit Umbras Blut infiziert war, würde man sofort ihn als Schuldigen anprangern. Selbst wenn er ein Alibi hatte. So lag er eine Weile auf seinem Bett und starrte die Zimmerdecke an. Na hoffentlich war Rhymes Verletzung nicht gefährlich. So wie er geblutet hatte, war der Schlag nicht ohne gewesen. Was wohl jetzt passieren würde? Mello wusste gar nicht, wie lange er insgesamt wartete. Zwischendurch schaltete er das Radio ein und erfuhr auf die Weise, dass draußen ein heftiges Gewitter tobte und es schwere Schäden gab. Ansonsten lief nur der übliche Klatsch und Tratsch, der ihn früher immer dazu bewegt hatte, sofort das Radio auszuschalten oder den Sender zu wechseln. Aber jetzt war er verrückterweise froh über diesen belanglosen Quatsch, denn es gab ihm ein Stück Normalität zurück. Und in einem Gefängnis wie diesen war es für viele wahrscheinlich das Einzige, was sie davon abhielt, komplett durchzudrehen. Nun gut… Am Anfang war kaum etwas zu hören, außer einem lauten Rauschen, aber nach einer Weile herumprobieren hatte er dann die Antenne so ausgerichtet, dass er fast störfrei hören konnte. Am Abend verließ er sein Zimmer und ging zum Speisesaal hin. Dabei war er so in seinen Gedanken vertieft, dass er erst zu spät merkte, wie sich jemand von hinten anschlich, ihm einen Sack über den Kopf stülpte und ihm die Hände auf dem Rücken festband. „Hey!“ Sofort ging Mello zum Gegenangriff über. Er riss sich los und trat um sich, doch da legte sich ein Arm um seine Kehle und ihm wurde die Luftzufuhr abgeschnitten. Ein heftiger Schlag traf ihn in die Magengrube, ein weiterer erwischte seine Rippen. Diese Schläge paralysierten den 24-jährigen kurz, als auch schon wieder dieses eiskalte Gefühl sich in seinem Körper ausbreitete und augenblicklich den Schmerz betäubte. Und so waren die Schläge eigentlich nicht mehr so schlimm, doch ihm wurde weiter die Kehle zugeschnürt, sodass er langsam aber sicher in Atemnot geriet. Schließlich wurde er an den Beinen gepackt und getragen. Dabei hörte er, wie sich seine Angreifer unterhielten. „Meinst du wirklich, das ist eine gute Idee? Wenn der Boss das mitkriegt, bringt er uns um.“

„Woher soll er das wissen? Wir haben ein bisschen Spaß mit diesem Freak und dann bringen wir ihn um. Dann gibt es auch keine Zeugen.“ Nun wurde Mello klar, was diese Kerle mit ihm vorhatten und allein bei dem Gedanken, dass ihm wieder dasselbe Martyrium blühen würde wie im Westblock, verkrampfte sich sein Magen und er stand kurz vor einer Panik. Mit aller Kraft versuchte er sich irgendwie loszureißen und trat um sich so gut es ging. „Verdammt, der wehrt sich aber ordentlich…“ Sofort kassierte er einen Schlag ins Gesicht. „An deiner Stelle würde ich nicht so herumzappeln und schreien. Wenn du nicht willst, dass wir hier gleich eine Frau aus dir machen, dann halte gefälligst still.“ Und als Mello die Klinge eines Messers an seiner Kehle spürte, erstarrte er. So langsam wurde ihm klar, wie gefährlich die jetzige Situation war und diese Dreckskerle ihn wirklich abstechen würden. Verdammt noch mal, wie hatte das nur soweit kommen können? Er hatte sich einfach zu sicher gefühlt und völlig außer Acht gelassen, dass dies hier immer noch ein Gefängnis war. Das hier war Down Hill. Ein Ort, an dem man um sein Leben kämpfen musste und wo das eigene Leben nur so viel zählte, wie es von Nutzen war. Und nun würden diese Schweine gleich über ihn herfallen, ihn vergewaltigen und dann im Anschluss umbringen. Als wäre dieser Alptraum im Westblock nicht schon schlimm genug gewesen. Als er sich nicht mehr länger wehrte, wurde er von mehreren Händen gepackt und mitgezerrt. Wohin die Reise ging, konnte er nicht sagen, aber dann wurde er zu Boden geworden und schlug sich dabei an der Schulter und am Kopf. Zum Glück reagierte noch sein Umbra-Blut, sodass es nicht allzu sehr wehtat, aber wirklich darauf verlassen, dass es nicht gleich anders wurde, konnte er sich auch nicht. Ehe er reagieren konnte, wurde ihm der Fuß einer seiner Entführer ins Gesicht gedrückt, während ein anderer ihm die Hose runterzog. „Meine Fresse, hat der einen süßen Arsch.“ Und sofort klatschte eine Hand auf sein Hinterteil und er hörte mehrere Stimmen laut lachen. Mello spürte wieder diese kalte Klinge, die langsam über seine Haut fuhr. „Was meint ihr? Ob wir ihm erst mal das Spielzeug reinschieben sollten, damit sein Blut besser schmiert?“

„Meinst du echt, dass das bei dem Blut klappt?“

„Ausprobieren können wir es ja. Und wenn nicht, dann haben wir wenigstens unseren Spaß.“ Mellos Herz begann langsam zu rasen und er stand kurz vor einer Panik. Sie würden ihm doch nicht wirklich… „Nein, nehmt eure verdammten Hände weg!“ Er versuchte sich irgendwie zu wehren, doch er wurde unerbittlich festgehalten, sodass jede Gegenwehr vollkommen zwecklos war. Innerlich stellte er sich schon auf das Schlimmste ein, doch da ertönte plötzlich der ohrenbetäubende Knall von Schüssen und Schreie waren zu hören. Der 24-jährige spürte, wie der Fuß von seinem Gesicht heruntergenommen wurde und dann kamen auch schon Schritte näher. Endlich wurde ihm der Sack vom Kopf gerissen und er sah Matt mit einer Pistole in der Hand. Bei ihm war Hiram, der Mellos Fesseln einfach zerriss, als wären sie aus Papier. Der Rothaarige baute sich vor einem der Männer auf, den Mello als den einen Glatzkopf wiedererkannte, den er mal angesprochen hatte, als er nach dem Speisesaal gesucht hatte. Er kauerte vor Schmerz stöhnend auf dem Boden und presste eine Hand auf sein blutendes Knie. Offenbar hatte Matt ihn in die Kniescheibe geschossen. „Du wagst es also tatsächlich, dich an meinem Eigentum zu vergreifen, Edge?“

„Boss… ich…“ Ein weiterer Schuss traf den Glatzkopf ins andere Knie, woraufhin dieser laut aufschrie. „Ich will nichts mehr von dir hören“, erklärte Matt in einem scharfen Ton. „Du kennst die Gesetze von Down Hill. Wer sich am Eigentum eines Shutcalls vergreift, der wird mit dem Tode bestraft.“ Und damit steckte er die Pistole ein und wandte sich Hiram zu. „Wirf ihn ins Hell’s Gate runter und lass ihn dort verrotten. Und sorg dafür, dass der restliche Abschaum ihm folgt. Ich dulde keine Verräter in meinen Reihen.“ „Wird gemacht, Boss.“ Damit schnappe sich Hiram die Verletzten und schleifte sie mit sich. Mello brauchte erst einen Moment, um sich von dem Schreck zu erholen, kam dann aber wieder auf die Beine und zog seine Hose wieder hoch. „Woher hast du gewusst, dass wir hier sind?“ „Leaks hatte mir gesagt, dass Edge sich verdächtig verhält, deshalb hatte ich noch ein paar Leute angesetzt, die ihn im Auge behalten sollten. Und als du weggebracht wurdest, bin ich euch gefolgt. Alles in Ordnung?“ „Ich glaub schon“, murmelte Mello und brauchte einen Moment, um erst mal zu verdauen, welch einer gefährlichen Situation er da gerade entkommen war. „Sie haben zwar ordentlich zugeschlagen, aber wegen dem Umbra-Blut spür ich eigentlich kaum was davon. Danke für die Rettung.“ „Das war keine Rettung, ich hab lediglich die Besitzverhältnisse klargestellt“, entgegnete der 23-jährige kalt und wandte sich ab. Sein kalter und abweisender Ton traf Mello hart und für einen Moment war dieser wie vom Donner gerührt und verstand dessen Reaktion nicht. Nachdem sie gestern das erste Mal seit vier Jahren wieder miteinander geschlafen hatten, war er irgendwie davon ausgegangen, dass ihr Verhältnis nicht mehr ganz so angespannt war. Zumindest hatten sie sich zwischendurch auch mal ganz gut unterhalten können, aber jetzt verhielt sich Matt wieder so kalt und abweisend ihm gegenüber. „Matt, was ist denn los? Bist du irgendwie sauer auf mich, oder warum redest du so mit mir?“

„Natürlich bin ich wütend. Immerhin stellen sich schon meine eigenen Leute gegen mich und vergreifen sich an meinem Eigentum und das bist eben du.“

„Ich hab es ja kapiert, du musst mir das jetzt nicht stets und ständig unter die Nase reiben. Aber nur weil du sauer auf die bist, brauchst du das noch lange nicht an mir auszulassen!“ Es war wieder so, als hätte es den gestrigen Tag nicht gegeben. Als wären sie sich wieder so fremd, als Mello gerade erst in Down Hill angekommen war und Matt sich ihm völlig fremd gegenüber verhielt. Und er verstand einfach nicht, warum das so war. Hatte er irgendetwas gesagt oder getan, womit er Matt verärgert haben könnte? „Ich verstehe dich nicht, Matt. Was zum Teufel hast du für ein Problem mit mir, dass du mich so anfahren musst, obwohl ich dieses Mal nichts falsch gemacht habe? Oder wirfst du mir etwa vor, dass ich diese Beinahe-Gruppenvergewaltigung provoziert hätte? Wenn das der Fall ist, dann kann ich dir nur sagen: du hast sie nicht mehr alle! Ich hab nie drum gebeten, dass die mir einen Sack über den Kopf stülpen, mich verprügeln und dann kidnappen, um mir den Arsch aufzureißen.“ „Ich hab keine Lust auf deine Kindereien“, kam es von Matt genervt zurück und er verließ den Raum. „Verschwinde wieder auf dein Zimmer. Ich hab wegen dem Einbruch im Labor sowieso genug Probleme, weil natürlich viele denken, dass du dahintersteckst und du Rhyme fast erschlagen hast.“

„Du traust mir das doch wohl nicht im Ernst zu.“ Das wollte Mello nicht auf sich sitzen lassen. Er lief Matt hinterher und hielt ihn am Arm fest. „Du weißt, dass ich so etwas niemals tun würde.“ Hier aber riss sich der Rotschopf los und verpasste dem 24-jährigen einen Schlag ins Gesicht und stieß ihn zu Boden. „Was spielt das für eine Rolle? Fakt ist, dass ich genug Probleme habe, um die ich mich kümmern muss. Und seit du hier in Down Hill bist, gibt es mehr als genug Ärger. Glaubst du etwa, ich bin blöd? Umbra verfolgt dich anscheinend und ich weiß echt nicht, ob du mir nicht vielleicht etwas verschweigst.“ Diese Worte schmerzten Mello, aber er wusste, dass Matt ja eigentlich Recht hatte. Er hatte Geheimnisse vor ihm. Er fungierte als Kaonashis Informant, um diesem zu helfen, Dr. Helmstedter aufzuhalten und nicht zuzulassen, dass dieser Matt oder sonst noch jemandem etwas antun würde. Für einen Moment überlegte er sich, ob er Matt nicht vielleicht doch etwas erzählen sollte. Einfach nur, um für klare Verhältnisse zu sorgen. Aber dann ließ er doch von der Idee ab. Nachdem er von Kaonashi gehört hatte, wie gefährlich der Doktor war und dass er schlimmstenfalls sogar Matt etwas antun würde, konnte er es nicht tun. Noch einmal konnte er nicht zulassen, dass seinem besten Freund etwas passierte, nur weil er mal wieder schneller handelte als nachzudenken. „Matt, ich hab echt keine Ahnung, warum Umbra so fixiert auf mich ist und wenn ich es wüsste, hätte ich es dir schon längst gesagt. Und ich weiß auch nicht, wer das verdammte Labor verwüstet hat. Ich bin es jedenfalls nicht gewesen, weil ich drei Stunden lang zusammen mit Leaks den Empfangsverstärker repariert und den Stromgenerator gewartet habe. Ich bin nicht dein Feind, Matt. Warum zum Teufel denkst du das bloß?“ „Weil ich niemandem hundertprozentig vertrauen darf“, erklärte dieser und wirkte immer noch sehr gereizt. „Hier in Down Hill darf man niemals jemandem blind vertrauen, denn irgendwann hintergeht dich genau jene Person, von der du dachtest, sie wäre dein Freund.“ Zuerst war sich Mello nicht sicher, ob das jetzt eine Andeutung auf ihn war. Und um diese Zweifel auszuräumen, fragte er deshalb nach. „Redest du von mir?“

„Nein, verdammt. Es geht nicht immer nur um dich, klar?“

„Wer war es dann, der dich verraten hat?“

„Was spielt das für eine Rolle? Es hat mir gezeigt, dass ich nur mir selbst vertrauen kann und im Gefängnis ist es auch das, was dich am Leben erhält.“ Nun wurde Mello wirklich sauer. Es reichte schon, dass Matt ohne Grund wütend auf ihn zu sein schien, aber dass dieser ihm nicht vertrauen wollte, war nun endgültig zu viel. Er drängte Matt gegen die Wand, hielt ihn an der Schulter gepackt und küsste ihn. Dabei war es ihm völlig egal, ob er gleich wieder einen Schlag ins Gesicht kassierte, aber er musste Matt jetzt verdammt noch mal den Kopf waschen. „Ich liebe dich, Matt. Und wenn du schon mir nicht vertrauen willst, dann kannst du wenigstens darauf vertrauen, dass ich alles tun werde, um dich zu beschützen.“

„Du mich beschützen?“ fragte Matt und lachte ungläubig. „Ausgerechnet du? Du bist gerade erst ein paar Tage hier und hast doch keinen Plan, wie der Laden hier funktioniert und du bist nicht mal mit den einfachsten Gesetzen von Down Hill vertraut. Du bist ein Petboy und soweit ich weiß, hab ich vor der hungrigen Meute gerettet und verhindert, dass sie dich lynchen. Wie willst du mich also beschützen, wenn du dich nicht selbst beschützen kannst?“ Weil ich dieses Mal nicht alleine bin, dachte sich Mello, aber er ließ es unausgesprochen, um sich nicht zu verraten. Er wusste, dass er im Nachteil war, weil er vieles in Down Hill noch nicht kannte und nicht viel vom Gefängnisalltag mitbekommen hatte. Aber er wusste, dass er Kaonashi, Horace und Clockwise vertrauen konnte. Und sie hatten versprochen, ihm zu helfen, wenn er sie regelmäßig mit Informationen versorgte. Und auch wenn Kaonashi zunächst etwas zwielichtig wirkte wegen der Maske, so konnte Mello seine Motive nachvollziehen und er hatte ihn als jemand kennen gelernt, der zwar nicht zu der selbstlosen Sorte zählte, allerdings schien er es ehrlich zu meinen, dass er Helmstedter aufhalten und weitere Opfer verhindern wollte. Und er hatte ja auch Recht gehabt, als er sagte, dass es gefährlich wäre, wenn das Umbra-Gen in die falschen Hände geriet. Es wäre eine Katastrophe, wenn es noch ein zweites Monster gäbe, das nicht durch Kugeln zu töten war und wahllos Menschen in Stücke riss. Allein die Erinnerung daran war erschreckend und er hatte sich oft die Frage gestellt, welcher Wahnsinn denn so eine Kreatur hervorbringen konnte. Doch nur ein Mensch, dem das Leben von Menschen vollkommen egal war und der sie nur als Ressourcen für seine Forschungen ansah. Und er hatte am eigenen Leib erfahren, was Helmstedter für ein Mensch war. Nur hatte er noch Glück gehabt, im Gegensatz zu Rhyme, der von diesem Dreckskerl ziemlich übel rangenommen worden war. „Du kannst über mich denken, was du willst“, sagte Mello schließlich und man sah ihm an, dass er enttäuscht darüber war, dass Matt nicht mal ihm vertrauen wollte. „Aber ich werde dich niemals hintergehen, um dir zu schaden. Meinetwegen kannst du sauer auf mich sein, weil ich dich verprügelt und scheiße behandelt habe. Ich hab’s verdient, ich weiß! Ich hab es auch akzeptiert, dass du mich nicht mehr liebst, aber das heißt nicht, dass ich dich deswegen einfach fallen lasse. Nein, verdammt. Ich werde dich schon dazu bringen, mir wieder zu vertrauen und dich noch mal in mich zu verlieben. Und wenn es verdammt noch mal das Letzte ist, was ich tue.“ Und damit drückte Mello ihm einen Kuss auf die Lippen. Für einen Moment sah es so aus, als würde Matt schwach werden. Als würde er sich diesem Moment einfach hingeben und es zulassen. Doch dann drückte er Mello von sich und wirkte beinahe schon wütend über diesen Kuss. Dann holte er wieder die Leine heraus und legte sie ihm an. „Du bist manchmal echt wie ein Hund, der nie eine richtige Erziehung genossen hat. Ich glaube, es wird mal langsam Zeit, dass ich dir beibringe, wie der Hase hier wirklich läuft und dass du es besser sein lassen solltest, dich über deinen Besitzer zu stellen.“

„Was zum Teufel soll der Scheiß jetzt auf einmal?“ Ein heftiger Ruck ging durch die Leine und Mello stolperte nach vorne, dann stürzte er zu Boden. Sogleich wurde ihm ein Fuß auf die Schulter gedrückt, um ihn am Aufstehen zu hindern. „Ich habe überhaupt keine Lust, mich von dir herumkommandieren oder mir auf der Nase herumtanzen zu lassen.“

„Was ist mit dir los, Matt?“ Mello sah, wie sich das Gesicht seines Freundes vor Schmerzen verzog und wie dieser sich eine Hand gegen die Schläfe presste. Wahrscheinlich war es der ganze Stress, weswegen er so aggressiv war. Ja, dachte sich der 24-jährige und beruhigte sich langsam wieder. Wahrscheinlich braucht Matt nur jemanden, an den er all seinen Stress abbauen und an den er sich abreagieren kann. Und dafür hat er wohl mich ausgesucht.

Mello dachte daran zurück, was Matt alles für ihn getan hatte. Ihm verdankte er sein Leben und ohne Matts Einsatz hätten ihn die anderen auseinandergenommen und umgebracht. Und nun war es nun an ihm, Matt zu helfen, indem er es einfach ertrug, dass dieser auch mal grob ihm gegenüber wurde. Auch jemand wie Matt hatte seine Belastungsgrenzen und diese schien er anscheinend erreicht zu haben. Und um nicht zusammenzubrechen, musste er sich an jemanden abreagieren. Mello erkannte, dass er derjenige sein musste, der für Matt diesen „Punchingball“ spielen musste. Denn das schien momentan die einzige Möglichkeit zu sein, ihm zu helfen. Darum gab er es auf, sich weiterhin mit ihm zu streiten und schluckte seinen Ärger herunter. Und im Grunde genommen war er ja selber schuld, dass Matt ihm nicht vertrauen konnte. Immerhin hatte er ihn wirklich mies behandelt und da konnte er nicht erwarten, dass alles wieder besser wurde, nur weil sie gestern miteinander geschlafen hatten. Manche Dinge brauchten eben ihre Zeit.
 

Morph hatte es geschafft, unbemerkt aus Efrafa zu verschwinden und machte sich auf den Weg nach Pardarail. Auch wenn es zunächst keine verwertbaren Spuren zum Einbruch gegeben hatte und Rhyme niemanden gesehen hatte, so war er sich sicher, dass eine ganz bestimmte Person damit zu tun hatte. Den anderen hatte er erst mal nichts gesagt, da er sich zuerst sicher sein wollte, dass er mit seinem Verdacht richtig lag. Selbst Matt hatte er im Unwissen gelassen, denn er wollte unnötigen Ärger vermeiden, da er wusste, wie schlecht er auf Kaonashi zu sprechen war. Als er nach einer Weile das Luxusviertel der zweiten Ebene erreichte, kam es auch gleich schon zum Zusammenstoß, als nämlich Fiver um eine Ecke eilte und nach hinten fiel. Doch Morph reagierte noch schnell genug, um ihn festzuhalten, damit er nicht hinstürzte. „Hey Fiver, was bist du denn so schnell unterwegs?“ Bevor der Junge mit Gesten antworten konnte, kam auch schon Sezru herbei, der Morph mit einem feindseligen Blick anfunkelte. Aber das störte den Journalisten nicht sonderlich. Sezru starrte wirklich jeden so an, der Fiver zu nahe kam. Soweit Morph richtig informiert war, war Sezru in sehr schwierigen Verhältnissen aufgewachsen, als Krimineller nach Down Hill gekommen und hatte einen Narren an Fiver gefressen. Er begleitete ihn überall hin und beschützte ihn mit seinem Leben. „Wir sollen für Horace einen kleinen Botengang erledigen“, antwortete der 23-jährige mit den dunkelgrünen Augen und den Piercings im Gesicht. „Und was treibt dich her?“

„Ich muss mit Kaonashi in einer sehr wichtigen Angelegenheit sprechen.“ Da das geklärt war, verabschiedete sich Morph wieder und sah Sezru und Fiver nach. Die beiden waren wirklich gute Jungs und vor allem sehr hilfreiche Informanten für ihn. Schließlich erreichte er die richtige Tür und klopfte an. Es dauerte etwas, bis geöffnet wurde und ihm das bizarre Grinsen der Maske ihm entgegenstarrte. Doch davon ließ er sich auch nicht sonderlich beeindrucken. „Na so was. Wenn das nicht der berüchtigte Morphius Black ist. Was verschafft mir die Ehre deines Besuchs?“

„Nur ein Gespräch“, erklärte der Japaner. „Ich hatte gehofft, du könntest mir ein paar Fragen beantworten.“

„Eigentlich kennst du ja meine Haltung zu den Efrafaniern. Solange du in ihren Namen kommst, habe ich nichts zu sagen.“

„Ich bin aus eigenem Antrieb hergekommen. In meiner wahren Rolle als Morphius Black.“ Morph blieb entspannt, trotz der Tatsache, dass er direkt mit dem Shutcall von Core City sprach, den man auf keinen Fall unterschätzen durfte. Immerhin war er sogar so gefährlich, dass selbst die Cohans großen Respekt vor ihm hatten. Aber er wusste, dass man sehr vernünftig mit Kaonashi reden konnte und außerdem hatte dieser sogar seine Bewunderung für seine journalistische Arbeit ausgesprochen und zugegeben, ein Fan seiner Arbeit zu sein. „Ich wollte wissen, ob du das Labor zerstört hast und wenn ja, ob es mit deinen Vorwürfen bezüglich Helmstedter zu tun hat.“ Kaonashi verschränkte die Arme und schien zu überlegen, ob er es wirklich sagen sollte. Dann aber entschied er sich doch dafür. „Also gut, aber nur weil ich dich für vertrauenswürdig genug halte, dass du die Informationen auch sorgsam verwendest. Ich habe Helmstedters Labor verwüstet und die Umbra-Proben vernichtet. Ich will Zeit gewinnen, um mehr über die Experimente herauszufinden, die die Familie Helmstedter betreibt.“

„Du meinst Magnum Opus?“ Ein Nicken kam zur Antwort, wobei Kaonashi noch hinzufügte „Helmstedter würde das Umbra-Gen niemals dem Untergrund überlassen, nur damit ein paar Gefangene von hier abhauen können. Ich weiß nicht, welchen Zweck Magnum Opus erfüllen soll, aber das werde ich noch herausfinden und bis dahin werde ich verhindern, dass der Doktor an den Schlüssel zum Umbra-Gen kommt.“

„Verstehe. Das ist alles, was ich wissen wollte.“ Damit wandte sich Morph ab und wollte gehen, doch da hielt Kaonashi ihn noch mit einer Frage zurück. „Wie kommst du als Anführer von Jericho dazu, dich auf diesen Handel mit Helmstedter einzulassen?“

„Ich habe mich nie auf Helmstedters Handel eingelassen“, erklärte der Rothaarige, ohne sich noch einmal zu Kaonashi umzudrehen. „Ich will nur, dass Echo ohne Angst in dieser Hölle leben kann und ich ihm eines Tages etwas anderes bieten kann als nur eine Geschichte zum Vorlesen. Er sollte nicht in diesem Gefängnis erwachsen werden, genauso wenig wie Fiver und die anderen Jugendlichen hier in Down Hill. Ich verabscheue diesen Arzt, aber ich glaube an das, wofür Matt kämpft. Das ist ein Unterschied. Denn er will diese Diktatur genauso beenden wie ich. Und wenn der Zeitpunkt kommt, werde ich in Aktion treten und ihm die Hilfe geben, die er brauchen wird. Und bis dahin werde ich nichts tun, was dich in deinem Vorhaben behindert, aber helfen kann ich dir leider auch nicht. Ich hoffe, du verstehst das.“

„Natürlich. Aber keine Sorge, Morphius. Ich habe genug Mittel, um mein Ziel zu erreichen. Und wenn ich alles habe, dann werde ich den Weg öffnen, der aus Down Hill rausführt.“

„Hast du etwa alle drei Schlüssel?“

„Nein, einer fehlt mir noch. Aber den hole ich mir auch noch, wenn die Zeit reif ist.“

„Und kann ich darauf vertrauen, dass du dein Versprechen einhältst?“

„Für den wahren Erben L’s halte ich mein Versprechen.“ Damit verabschiedete sich Morph wieder und machte sich auf den Rückweg. Dabei ließ er sich noch mal alles durch den Kopf gehen und musste fast schmunzeln, als er daran dachte, dass Kaonashi ihn doch tatsächlich als wahren Erben L’s bezeichnet hatte. Er selbst hatte sich nie so gesehen, auch wenn er schon immer den legendären L bewundert hatte, der es im Alleingang gegen Kira aufgenommen hatte. Zwar hatte es dieser nicht geschafft, aber Morph hatte es sich dennoch zum Ziel gemacht, L’s Aufgabe zu Ende zu führen, auch wenn er kein offizieller Erbe war, da er nicht Wammys House entstammte. Aber er glaubte an L’s Ideale und hatte sie zu den seinen gemacht. Und da Matt im Grunde genauso wie er das derzeitige Regime beenden wollte, verfolgten sie die gleichen Ziele. So war es eben dazu gekommen, dass er sich ihm angeschlossen hatte. Und bis es soweit war, konnte er getrost Gosuto die Leitung von Jericho anvertrauen. Sobald sie hier abhauen würden, würde Gosuto zur Stelle sein und sie rausholen und in Sicherheit bringen.

Stimmungsschwankungen

Widerstandslos war Mello Matt gefolgt und fragte sich, was wohl dieses Mal auf ihn warten würde. Eine innere Unruhe ergriff nun Besitz von ihm und er verspürte eine gewisse Aufregung. Schließlich, als sie wieder den Raum ansteuerten, in welchem sie miteinander geschlafen hatten, kam ihm eine gewisse Vorahnung, was jetzt folgen würde. Aber er hatte noch keine Ahnung, was sich Matt wirklich ausgedacht hatte. Denn kaum, dass die Tür hinter ihnen zugefallen war, folgte auch schon das Kommando „Ausziehen und dann auf alle Viere.“ Wortlos entkleidete sich der 24-jährige und folgte Matts Befehlen. Sein Herz schlug schneller und als er diesen harten und kalten Boden unter sich spürte, da kam auch die Angst. Doch das schien Matt nicht sonderlich zu kümmern. Er ging zu einem Schrank hin und öffnete ihn. Als Mello sah, dass dort Fesseln, Lederriemen und andere Werkzeuge drin waren, setzte sein Herz fast einen Schlag aus und er wollte schon aufstehen, doch dazu ließ es Matt nicht kommen. Er holte eine Metallkette heraus und tauschte sie mit dem Lederhalsband aus, dann befestigte er die Kette an einem Ring, der in den Boden geschraubt worden war, sodass Mello gezwungen war, auf dem Boden zu bleiben. „Dieser Raum wurde vor einiger Zeit noch vom vorigen Shutcall benutzt, um seine Pets zu erziehen. Teilweise waren hier noch ganz andere Dinge hier gewesen, wie zum Beispiel eine Peitsche mit Nägeln besetzt, aber viele bekamen auch Brandzeichen verpasst, um auf diese Weise auf ewig als Besitz markiert zu werden. So etwas waren ja schon Methoden aus dem alten Rom gewesen. Aber keine Angst, ich werde dir schon kein Brandzeichen verpassen. Nein, ich werde dir schon anderweitig Unterwürfigkeit und Gehorsam beibringen. Denn die Gesetze von Down Hill besagen: wenn ein Halter sein Pet nicht unter Kontrolle bekommt, muss er es entsprechend disziplinieren. Wenn dies nicht funktioniert, muss er es verkaufen oder töten.“ Mello sah auf, so weit es seine Kette zuließ und er sah, wie Matt eine kleine Kiste herausholte. Seine Nervosität stieg und er fragte sich, was denn jetzt folgte. Vor allem beunruhigte es ihn schon zu hören, dass Matt tatsächlich mit dem Gedanken spielte, ihn zu töten oder zu verkaufen. „Du… du machst Witze, oder?“ „Sehe ich aus, als würde ich lachen?“ fragte Matt schroff und damit war der letzte Zweifel beseitigt. Er meinte es wirklich ernst. „Die Gesetze hier sind grausam und teilweise unmenschlich, vor allem, weil die Menschen hier in ein Klassensystem eingeordnet werden. Aber es ist hier die einzige Chance, um Ordnung in das Chaos zu bringen. Selbst die Shutcalls halten sich an die Regeln und deshalb werde ich dich disziplinieren, damit es gar nicht erst dazu kommt.“ Nur aus den Augenwinkeln sah Mello, wie Matt eine Lederpeitsche hervorholte und ehe er sich versah, kassierte er damit einen kräftigen Schlag auf Hintern, kurz darauf folgte der nächste. Mello biss die Zähne zusammen und spürte, wie der Schmerz wieder von dieser schleichenden Kälte geschluckt wurde. Und das bemerkte nun auch Matt, der nun deutlich kräftiger zuschlug. Der Schmerz war für Mello immer noch spürbar, aber gleichzeitig erfüllten auch leichte Lustschauer seinen Körper und damit verschwand auch diese Kälte in seinem Körper. Schließlich, als sein Hintern ziemlich gerötet war, hörte dieser, wie Matt wieder in der Kiste zu kramen begann. „Scheint so, als würdest du auf so eine Behandlung stehen“, stellte der 23-jährige fast schon amüsiert fest, was dem Blondschopf fast die Schamesröte ins Gesicht trieb. Es konnte ja selbst nicht glauben, dass er auf so etwas tatsächlich ansprang, aber sein Körper sprach da eine ganz eindeutige Sprache. „So und jetzt kriegst du ein kleines Geschenk von mir…“ Aufgrund der Kette konnte Mello sich nicht umdrehen und erkennen, was Matt als nächstes vorhatte. Aber er spürte da auch schon sofort, wie sich da etwas Hartes durch seinen Schließmuskel schob. Es fühlte sich wie ein Dildo an und es fühlte sich irgendwie befremdlich an. Er stand nicht sonderlich auf solche Sachen und es fiel ihm deshalb auch schwer, sich darauf einzulassen. Vor vier Jahren war der Sex mit Matt ganz anders gewesen. Diese Spielchen waren immer überflüssig gewesen, denn auch wenn Mello so ziemlich der Untere von beiden war, so hatte trotzdem eine Gleichberechtigung zwischen ihnen existiert. Und diese war jetzt genauso zerstört worden wie dieses Verhältnis zwischen ihnen. Zugegeben, diese Spielchen hatten einen gewissen Reiz, aber es war einfach nicht dasselbe. Den Abend zuvor war es zwar auch nicht so gewesen wie vor vier Jahren, aber es war nicht so fremd wie jetzt.

Als eine Vibration durch sein Innerstes ging, da waren diese Gedanken mit einem Male wie ausradiert und Mello stöhnte laut auf, als intensive kribbelnde Lustschauer durch seinen Körper rasten und sein Herzschlag schneller wurde. Es kostete ihn Mühe, nicht zu laut zu schreien, doch für Matt war das nicht genug. Er wollte dieses Spielchen noch weiter treiben. „Halt besser still, wenn es nicht allzu sehr wehtun soll.“ Bevor Mello begriff, was als Nächstes passierte, spürte er, wie der Druck auf seinen Anus noch weiter verstärkt wurde und Matt im Begriff war, ihm noch einen zweiten Vibrator einzuführen. Mellos lustvolles Stöhnen verwandelte sich in einen erstickten Schmerzensschrei, als der Druck in seinem Inneren noch weiter erhöht wurde und eigentlich schon an eine Unmöglichkeit grenzte. Es tat entsetzlich weh, doch sein Umbra-Blut reagierte gar nicht, es war nicht mal diese innere Kälte zu spüren. Mello versuchte wirklich, es irgendwie auszuhalten, aber er konnte nicht verhindern, dass ihm die Tränen kamen. Eine Woge des Schmerzes und der Lust erfasste ihn und er hatte Mühe, halbwegs vernünftig zu atmen. „Dein Arsch kann ja so einiges aushalten“, kommentierte Matt trocken und betrachtete den am Boden kauernden 24-jährigen, dem der kalte Schweiß auf der Stirn stand und der wirklich sichtbar zu kämpfen hatte, diesen immensen und vor allem schmerzhaften Druck auszuhalten. Und genau das verwunderte Matt, denn eigentlich hätte er damit gerechnet, dass Mellos Umbra-Blut automatisch reagieren und den Schmerz deutlich lindern würde. Immerhin hatte ihm das Auspeitschen ja auch nicht sonderlich viel ausgemacht. „Matt…“, hörte er seinen besten Freund mit Mühe hervorbringen. „Nimm… nimm sie bitte raus… es tut weh, verdammt…“ Eindeutig, Mello hatte Schmerzen und das bedeutete, sein Umbra-Blut wirkte nicht. Aber warum? Es reagierte doch automatisch auf Schmerzeinwirkung, da es sich um eine Art Schutzmechanismus handelte. Warum also wirkte es jetzt nicht, wo es eigentlich wirken sollte? Matt studierte Mello genauer und sah, dass dessen Glied steif war. Und das ließ ihn zu einer etwas gewagten Theorie kommen: das Umbra-Blut wurde bei einer großen Hormonausschüttung offensichtlich gehemmt. Es konnte keine schwarzen Blutzellen produzieren, weil die normalen Blutkörperchen durch die Botenstoffe zu dominant waren und sich nicht vereinnahmen ließen. In dem Fall war das Umbra-Blut also nicht gänzlich vollkommen, wie alle immer gedacht hatten. Es hatte offenbar einen Schwachpunkt und diesen hatte er eher durch Zufall entdeckt. Nun, in dem Fall sollte er seine Strategie lieber ändern. „Na gut, da du so schön darum gebeten hast, werde ich dir einen Vibrator wieder rausnehmen. Aber so leicht wirst du mir trotzdem nicht davonkommen.“ Mello hörte die Schritte von Matts Stiefeln und zu seiner unendlichen Erleichterung wurde der eine Vibrator langsam herausgezogen, woraufhin auch gleichzeitig der Schmerz deutlich nachließ. Immer noch lief ihm kalter Schweiß von der Stirn und das Atmen fiel ihm schwer. Erschöpft sank er auf dem Boden zusammen, doch eine Verschnaufpause sollte ihm allerdings nicht gegönnt werden. Denn so leicht wollte Matt ihn nicht davonkommen lassen, immerhin hatte Mello noch seine Lektion zu lernen. Also holte er gleich sein nächstes Spielzeug raus. Er holte ein kleines Lederband hervor und schnürte es straff um Mellos erigierten Penis. „Ah… Matt! Was… was zum Teufel soll das?“

„Ein Pet hat erst seinen Herrn zu befriedigen, so lauten die Spielregeln. Wenn du also Erleichterung willst, dann musst du auch etwas dafür tun, mein Lieber. Betteln allein reicht nicht.“ Damit lockerte die Kette ein wenig, woraufhin Mello nicht mehr ganz so eingeschränkt war. Mello wusste, was er zu tun hatte und brauchte nicht extra eine Aufforderung. Er öffnete den Reißverschluss und befreite Matts Glied aus seiner Hose. „Los, mach schon“, forderte der 23-jährige beinahe schroff auf und packte Mello grob an den Haaren. Dieser ignorierte diese Behandlung und begann nun, mit seiner Zunge Matts Eichel zu umspielen, saugte und knabberte daran und ließ dessen Glied dann vollständig in seinen Mund gleiten. Er versuchte es wieder so zu machen wie gestern, da er gemerkt hatte, dass es Matt besonders gefallen hatte. Und tatsächlich verfehlte dies seine Wirkung nicht, insbesondere als er auch Matts Hoden bearbeitete. Ein leises Keuchen war zu hören und der Griff um Mellos Haare verstärkte sich. „Wenigstens etwas, wozu dein vorlautes Mundwerk gut ist.“ Diese Bemerkung ließ Mello unbeantwortet. Nun ja… das wäre gerade ohnehin etwas schwierig geworden. Nur dieses Mal fiel es ihm etwas schwerer, sich zu konzentrieren, denn wegen diesem verdammten Vibrator hatte er genug damit zu kämpfen, mit diesen körperlichen Empfindungen fertig zu werden. Seine Erregung steigerte sich immer weiter und würde bald einen Punkt erreichen, an dem sie zu einer Qual wurde, wenn er nicht schnell Erleichterung fand. Doch es würde nicht nach seinem Wunsch ablaufen, das wusste er. Es brachte ihm nichts, weiterhin seinen Dickkopf durchsetzen zu wollen und immer nur nach den eigenen Regeln zu spielen. In Down Hill würde ihn das nicht weit bringen, sondern schlimmstenfalls seinen Tod bedeuten. Er würde sterben, wenn er weiter auf diesem Egotrip blieb und er würde nicht nur selbst ins Unglück stürzen. Nein, schlimmstenfalls würde er Matt auch mit reinziehen, weil dieser sofort versuchen würde, ihn zu retten. So langsam musste er lernen, sein Schicksal zu akzeptieren und mit dem Strom zu schwimmen, anstatt immer nur wie eine Abrissbirne herumzuwüten. Ansonsten würde es wahrscheinlich auch zwischen ihm und Matt nicht besser werden.

Mello ging nun deutlich direkter und gieriger vor als vorher. Dieses immense Gefühl der Lust, welches ihn erfüllte, riss ihn vollkommen mit und er wollte es Matt genauso spüren lassen. Er wollte ihm beweisen, dass er nicht nur der cholerische Unruhestifter war, der sofort zuschlagen musste. Wenn seine Chance darin bestand, Matt näherzukommen, indem er sich ihm vollständig unterordnete, dann würde er es auch tun. Zwar hatte er akzeptiert, dass es wohl nie wieder mehr so sein würde wie früher, aber das bedeutete nicht, dass sich seine Gefühle für Matt geändert hatten. Er wollte, dass sich Matt ein zweites Mal in ihn verliebte und dazu war er auch bereit, diesen Schritt zu gehen. Vielleicht bestand ja die Chance, dass nach Down Hill vielleicht wieder etwas Normalität einkehren und sie wieder gleichberechtigt sein würden, so wie früher. Dann wäre Matt kein Shutcall mehr, der unter einem immensen Druck stand. Sie könnten noch mal ganz von vorne anfangen und dann würden hoffentlich auch diese Spielchen aufhören. Zwar hatten sie einen gewissen Reiz, aber es war nicht die Art von Sex, die er bevorzugen würde. Und er hasste es, nackt auf diesem kalten und harten Betonboden in einer fensterlosen Zelle mehrere Meter unterhalb der Erdoberfläche zu hocken.

Matts Hand verkrallte sich schmerzhaft in seinen Haaren und dann, mit einem lustschweren Keuchen, ergoss er sich in Mellos Mund, woraufhin er sich aus diesem zurückzog. Nachdem der 24-jährige alles geschluckt hatte, holte er schnappatmig Luft. Inzwischen pulsierte sein Glied fast schmerzhaft und das Blut staute sich in seiner unteren Hälfte. Er konnte es kaum noch aushalten und auch Matt bemerkte dies. Also zog er an Mellos Kette und zwang ihn somit, ins Bett zu steigen. Daraufhin schaltete der 23-jährige den Vibrator aus und zog ihn heraus, woraufhin er ihn beiseite warf. „Und? Wirst du dich von nun an auch immer an die Regeln halten und auf alles hören, was ich dir sage, ohne dass du dich gegen mich auflehnst oder mir widersprichst?“ Mello senkte den Blick und nickte. „Ja, ich werde dir keine Schwierigkeiten mehr bereiten, Matt.“ Und diese Antwort schien dem Shutcall zu genügen. Er drückte Mello aufs Bett nieder, beugte sich über ihn und küsste ihn. Es steckte eine wilde Leidenschaft in seinem Kuss und dann begann er damit, sich auch dem Rest von Mellos Körper zu widmen. Er liebkoste seinen Hals, umspielte seine Brustwarzen und strich sanft mit einer Hand über seinen Bauchnabel. Nun hatte sich das Spielchen deutlich geändert. Ging es vorher hart und distanziert vor und erschien Matt da noch wie eine völlig fremde Person, so schien er jetzt wieder ein Stück weit zurückgekehrt zu sein und für Mello war dies eine besonders große Erleichterung. Dieser andere Matt… dem fühlte er sich einfach nicht verbunden und er war nicht in der Lage, für ihn das Gleiche zu fühlen wie für den Matt, den er liebte. Er liebte den Matt, der leidenschaftlicher beim Sex war, der Rücksicht auf ihn nahm und ihn nicht wie sein persönliches Spielzeug behandelte.

Mello keuchte schwer und hatte das Gefühl, gleich zu explodieren. Er wollte es jetzt, wollte es unbedingt und so schlang er seine Arme um Matts Körper, als er unter schwerem Keuchen ein leises „Nimm mich…“ hervorbrachte. Doch da spielte sich ein überlegenes Lächeln auf die Lippen des 23-jährigen, der herausfordernd fragte „Wie war das noch mal?“ Und sofort setzte Mello ein „Bitte…“ hinterher, woraufhin er ein erneutes Eindringen in seinen Anus spürte und laut stöhnte. Und wegen der beiden Vibratoren vorhin, die ihm mehr Schmerz als Lust beschert hatten, spürte er nicht einmal Schmerzen, als Matt in ihn eindrang. Eine unbeschreibliche Hitze erfüllte ihn und seine Hände verkrallten sich in Matts Shirt. Es fühlte sich so unbeschreiblich gut an und in diesem Moment hatte er auch die Schmerzen von vorhin wieder vergessen, genauso wie die grobe Behandlung. Jetzt in diesem Moment war wieder der alte Matt bei ihm und auch wenn er sich nicht erklären konnte, woher der plötzliche Stimmungswandel herrührte, so war es ihm jetzt in diesem Moment auch völlig egal. Und als Matt sich mit tiefen und harten Stößen in Bewegung setzte, da schwand auch gleichzeitig Mellos Kraft, noch weiterhin klar zu denken. Sein Herz hämmerte in der Brust, sein ganzer Körper wurde von einer intensiven Hitze erfasst und er keuchte schwer zwischen lautem Lustgestöhne. „Mail…“ Matt selbst hatte seine Hände ins Bettlaken verkrallt und sein Gesicht zeugte von lustschwerer Hitze. Seine Wangen waren gerötet, sein Blick wirkte ein wenig unfokussiert und wieder beugte er sich zu Mello herunter, um ihn zu küssen. Dieser wurde sofort von Mello erwidert, der sich Matt quasi entgegenstreckte, um ihn noch intensiver zu spüren. Sein Körper folgte nun gänzlich seinem eigenen Verlangen und dann schließlich fanden ihre Hände zueinander, umschlossen sich und sie blickten einander in die Augen. Mello sah in diese tiefbraunen Augen, die ihm seit Jahren so vertraut waren und die er unter tausenden wiedererkannt hätte. Ja… das waren eindeutig Matts Augen. Jetzt in diesem Moment war er es wirklich. Es war, als hätte er in diesem Moment einen lange verschollenen Geliebten wiedergefunden, nach dem er so lange verzweifelt gesucht hatte, was ja auch im Grunde der Fall war. Überwältigt von all diesen Gefühlen, sammelten sich Tränen in seinen Augenwinkeln und er bäumte sich laut stöhnend auf, als Matt einen besonders sensiblen Nerv berührte und diesen dann immer wieder traf und ihn damit immer mehr an die Grenzen brachte. Schließlich löste Matt das Band, welches fest um Mellos Penis geschnürt war und begann diesen nun mit festem Griff zu massieren. „Mihael“, hörte er die Stimme seines besten Freundes flüstern und irgendwie hatte es etwas sehr Angenehmes und Vertrautes, wenn Matt diesen Namen in diesem Moment aussprach. Auch dieser stieß langsam an seine Grenzen. Seine Stöße nahmen an Härte zu und seine Bewegungen wurden immer schneller. Mello wurde fast schon schwindelig, er nahm alles um sich herum wie durch einen dichten Schleier wahr und vergaß auch das Gefängnis um sich herum und auch die Kette und das Halsband. „Mail“, keuchte er und vergrub seine Finger in dessen Shirt. Sein Herz raste, das Blut kochte in seinen Adern und ihm war so unbeschreiblich heiß zumute. Schweißperlen glänzten auf seiner Stirn und tief in seinem Herzen wünschte er sich, dass dieser Moment ewig währe. Das Blut rauschte regelrecht in seinem Kopf und er spürte, dass er sich nicht mehr zurückhalten konnte. Und als Matt sich laut stöhnend aufbäumte und eine heiße Flut Mellos Innerstes durchströmte, da kam auch er zu seinem Orgasmus. Kurz hielten sie inne, um zu Atem zu kommen, dann aber beugte sich Matt zu ihm herunter und küsste ihn. „Und?“ fragte er fast schon herausfordernd. „Schaffst du noch eine Runde?“ Als Mello das hörte, lachte er und grinste frech. „Darauf kannst du wetten, mein Lieber.“

So verging die Nacht und sie kosteten die Zeit in vollen Zügen aus, die sie für sich hatten. Mit einem Male war Matt nicht mehr der strenge und eiskalte Shutcall. Stattdessen war er wieder genau derselbe, der er gewesen war, bevor er nach Down Hill gebracht worden war. Und irgendwie erschien es Mello, als wäre dies nur ein schöner Traum, der bald wieder vorbei war. Doch ihm war es egal. Er war glücklich, dass er wieder den alten Matt hatte. Nachdem sie sich völlig verausgabt hatten und sich im Anschluss eine heiße Dusche gönnten, ging Mello in sein Zimmer, Matt wollte kurz weg, um ein paar Sachen zu holen. Erschöpft ließ sich der 24-jährige aufs Bett fallen und stand kurz davor, einzuschlafen. Doch er kämpfte gegen die Müdigkeit an und schaffte es erfolgreich, wach zu bleiben. Knapp zehn Minuten später kam Matt zurück und hatte ein Paket dabei. Mello runzelte verwundert die Stirn und fragte „Was hast du da?“

„Deine Bestellung“, erklärte der Rothaarige und stellte es auf dem Boden ab. Doch statt Mello stand Matt darauf. „Um sicherzugehen, dass die Lieferung nicht unterschlagen wird, hat Morph sie mit meinem Einverständnis unter meinem Namen aufgegeben. Da drin hast du erst mal genug Klamotten. Wenn dir einige nicht passen sollten, gib sie im Lager ab. Vielleicht können wir sie dann in Core City verkaufen und dann bestellen wir dir passende Sachen. Und dann habe ich noch etwas…“ Matt öffnete die Kiste und begann darin herumzukramen. Dann schließlich holte er vier Schokoladentafeln heraus und reichte sie Mello. „Die hab ich dir auch gleich mitbestellt. Teil sie aber gut ein. Luxusartikel wie Süßwaren, Zigaretten und Alkohol bekommen wir nur in begrenzten Mengen im Monat geliefert. Vier Tafeln alle zwei Wochen ist das höchste der Gefühle. Wenn du nachbestellen willst, dann gib einfach Morph, Hiram oder Leaks Bescheid.“ Irgendwie kam es Mello wie eine Ewigkeit her, seit er zuletzt Schokolade gehabt hatte. Sogleich öffnete die Verpackung der ersten Tafel und dann biss er ein Stück dieser süßen Köstlichkeit ab. „Ich hätte echt nicht gedacht, dass es selbst solche Sachen im Knast gibt.“

„Tut es auch eigentlich nicht. Zu verdanken haben wir das den ID-Karten der Wärter, die vor 15 Jahren von den Insassen getötet wurden. Über diese können wir fast alles bestellen, was wir brauchen. Allerdings können von den ganzen Karten nur drei oder vier auch solche Luxusartikel bestellen. Und dazu zählt auch Schokolade. Selbst hier in Efrafa ist die Vergabe solcher Dinge streng nach Hierarchie eingeteilt. Je wichtiger man für Efrafa ist, desto mehr bekommt man auch. Und da ich eben der Shutcall bin und du mein Petboy, da ist es auch völlig legitim, dass du auch was bekommst. Es ist nur wichtig, dass du damit nicht vor den anderen herumprahlst und dich deutlich zurückhältst. Das wäre in deiner Situation am besten und vor allem weil Neid, Habsucht und vor allem Futterneid an der Tagesordnung stehen. Es wäre einfach besser, wenn du ihnen keine zusätzliche Angriffsfläche bietest, denn selbst als Petboy eines Shutcalls bist du nicht hundertprozentig sicher.“ Ja, das hatte man gesehen. Mello hatte wirklich Glück gehabt, dass Matt ihn da rechtzeitig herausgeholt hatte. „Musst du nicht langsam mal zurück?“

„Nein, es eilt nicht allzu sehr. Ich hab meinen Leuten gesagt, dass ich meinen Petboy disziplinieren muss und dass es noch etwas dauern kann. Folglich also kann ich noch ein wenig hier bleiben.“ Und Matt machte sein Versprechen wahr. Sie verbrachten die ganze Nacht zusammen und es schien wirklich so, als wäre wieder alles beim Alten. Doch dann, als Mello am nächsten Morgen aufwachte, holte ihn die Realität wieder ein, als Matt verschwunden war.

Beunruhigende Entwicklung

Matt war mitten in der Nacht wieder aufgewacht und spürte die starken Kopfschmerzen. Da er so nicht weiterschlafen konnte, musste er wohl oder übel aufstehen und als er aufstand, merkte er, dass er gar nicht in seinem Zimmer war. Nein, er war noch bei Mello. Seltsam… wieso war er denn hier? Matt erinnerte sich noch bruchstückhaft daran, dass er Mello eine Lektion erteilen wollte, weil dieser sich immer noch so aufmüpfig benahm. Ja richtig, danach war er noch bei ihm geblieben. Was ihn dazu geritten hatte? Er konnte sich das nicht erklären und schnappte sich seine Jacke, dann verließ er das Zimmer und ging zu den Fahrstühlen hin. Die Kopfschmerzen waren zwischendurch vollständig verschwunden und das Medikament, was Birdie ihm versuchsweise gegeben hatte, hatte auch gut gewirkt… bis jetzt. Denn jetzt waren die Schmerzen wieder da. Hoffentlich hatte sie noch etwas von den Medikamenten und sie wirkten länger.

Er fuhr hoch in die zweite Ebene und erreichte nach kurzem das Labor, welches nun ziemlich kahl aussah, nachdem die meisten zerstörten Gerätschaften entsorgt oder zu Leaks in Reparatur gebracht worden waren. Da dieses gerade nicht besetzt war, ging er ins Bereitschaftszimmer nahe der Quarantänestation, wo Birdie zu finden war. Sie hatte einen Mundschutz und Handschuhe an und desinfizierte gerade das gesamte Mobiliar. Und so wie er sie kannte, schon zum vierten oder fünften Mal am Tag. „Birdie?“ Die blonde Frau erschrak fast und drehte sich ruckartig zu ihm um. Als sie ihn sah, atmete sie erleichtert aus. „Ach du bist es, Matt. Na komm doch rein. Was kann ich für dich tun?“

„Das Übliche“, antwortete er und musste kurz husten, da dieses Desinfektionsspray seine Atemwege etwas reizte. Nicht selten hatte er mit dem Gedanken gespielt, Birdie von ihrem Putzwahn abzubringen. Was das anbetraf, konnte sie echt eine Plage sein. Ganz egal wie freundlich und hilfsbreit sie war. „Meine Kopfschmerzen sind wieder da.“

„Und haben sie geholfen?“ fragte sie und begann seine Pupillen zu untersuchen. „Ich hab das Gefühl, mir fehlen ein paar Erinnerungen, als ich bei Mello war. Kannst du mir erklären, was das zu bedeuten hat?“ Die junge Ärztin überlegte kurz. Sie betrachtete ihn besorgt und strich ihm dann durchs Haar. „Als du hergebracht wurdest, hattest du keine Erinnerungen und Dr. Helmstedter und ich haben eine spezielle Elektroschocktherapie angewandt, um bestimmte Hirnareale zu stimulieren und somit deine Erinnerungen wieder wachzurufen. Es können womöglich Spätwirkungen sein, aber ich werde sehen, die in Stresssituationen auftreten können. Stimmungsschwankungen können auch auftreten. Wir werden das erst einmal mit der medikamentösen Behandlung weiter fortfahren und ich werde sehen, dass ich mithilfe des Equipments, das nicht völlig zerstört wurde, eine bessere Behandlung zu finden. Und wie geht es Mello denn so?“ Matt wich ihrem Blick aus und sein Gesichtsausdruck hatte etwas Melancholisches an sich. „Er ist okay“, meinte er nur und Birdie ahnte, dass da wohl irgendetwas im Argen war. Darum blieb sie bei ihm sitzen und fragte. „Was ist los mit dir, Matt? Ich sehe doch, dass dich irgendetwas beschäftigt. „Hey, du kannst gerne mit mir reden. Immerhin höre ich mir als Ärztin auch die Sorgen und Probleme meiner Patienten an und hier in Down Hill ist ja wohl so ziemlich jeder mein Patient, dem es zu helfen gilt.“ Hierbei strahlte Birdie übers ganze Gesicht und es hatte etwas sehr Herzliches, als auch Naives. Sie war eine sehr gutherzige Person, aber leider auch schrecklich naiv und tollpatschig. „Ich weiß gerade selber nicht, was mit mir los ist“, seufzte er und lehnte sich mit dem Rücken zur Wand. „Ich weiß, dass ich etwas für Mello empfunden habe und ein Teil von mir will ihn auch lieben. Aber im Grunde ist er rein gefühlsmäßig ein Fremder für mich und ich fühle mich innerlich völlig zerrissen. Ich weiß nicht, was das zu bedeuten hat.“ Birdie nahm kurz ihre Brille ab und begann die Gläser zu putzen. Sie schien sich unsicher zu sein, was sie dazu sagen sollte und dachte nach. „Vermutlich war die Therapie zur Wiederherstellung deiner Erinnerungen nicht gänzlich erfolgreich gewesen und vermutlich kommen die Kopfschmerzen daher, weil deine Erinnerungen mit deiner emotionalen Erinnerungen in einem Konflikt stehen, weil du bei deinem Gedächtnisverlust auch diese Gefühle zu Mello verloren hast.“

„Warum hast du mir das nicht schon viel früher gesagt?“

„Ich wollte das erst noch weiter beobachten. Es hätte ja durchaus sein können, dass es nur stressbedingte Symptome sind. Aber da sie meist dann auftreten, wenn es um Mello geht, dann bleibt für mich persönlich nur die Schlussfolgerung, dass es mit der Memoria-Therapie zusammenhängt. Wir schauen erst einmal, dass wir das Ganze medikamentös behandeln können. Und wichtig ist, dass du zu mir kommst, wenn es wieder Probleme geben sollte. Wir werden schon eine Lösung finden, damit die Kopfschmerzen weggehen.“ Memoria… Matt wusste noch, wie er aufgewacht war, als er den Schlag auf dem Kopf überlebt und Birdie und Dr. Helmstedter mittels einer neu entwickelten Therapie seine verlorenen Erinnerungen zurückgeholt hatten. Sie nannten es die Memoria-Therapie… Die ganze Zeit hatte er keine Beschwerden gehabt und ausgerechnet jetzt, wo Mello in Down Hill war, fing alles an. Oh Mann, dieser Kerl machte aber auch nur Ärger. Matt nahm die zwei Tabletten ein, die Birdie ihm reichte und als er den Blick zu ihrem Schreibtisch wandern ließ, entdeckte er ein Foto von ihr, welches sie zeigte, als sie schätzungsweise noch zehn Jahre jünger war. Es zeigte sie mit einem Jungen von vielleicht sieben oder acht Jahren in einem Rollstuhl sitzen und neben ihr ein junger Mann, der ungefähr ihr Alter haben musste. Sie sahen alle drei sehr glücklich auf dem Foto aus und was auffiel, war die Tatsache, dass Birdie da noch schulterlange Haare hatte. „Das Foto da habe ich noch gar nicht bei dir gesehen.“ Er deutete auf das Bild und als Birdie seinem Fingerzeig deutete, lächelte sie traurig. „Ich hab es rausgeholt, um ein wenig in Erinnerungen zu schwelgen.“

„Wer sind die beiden?“

„Mein Mann Keith und mein Sohn Casey.“ Matt stutzte, als er das hörte. Birdie hatte nie erzählt, dass sie eine Familie hatte. Sonst sprach sie immer von ihren Freunden oder Eltern, wenn sie mal zu viel aus dem Nähkästchen plauderte. „Ich wusste gar nicht, dass du eine Familie hast.“ „Ich hatte eine“, korrigierte sie und lächelte traurig. „Keith ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen und meinen Sohn habe ich auch verloren. Meine Eltern sind auch bereits verstorben, als ich 17 Jahre alt war und somit ist mein Job als Ärztin eigentlich das Einzige, was ich noch habe. Und ich bin auch froh, dass ich trotz allem nie aufgegeben habe, denn so kann ich anderen Menschen helfen. Ich habe meine Familie nicht retten können, aber ich will anderen helfen und wenn ich sehe, dass ich anderen helfen kann, dann gibt es kein schöneres Gefühl auf der Welt.“ Außer eben die Geborgenheit einer Familie, die sie verloren hatte. „Weißt du, der Spitzname Birdie kam von meinem Verlobten. Er meinte, ich erinnere ihn irgendwie an einen Kolibri. Klein, hektisch und lebhaft, aber auch süß und sie haben etwas Elfenhaftes an sich. Er hat mich immer Kolibri genannt, aber da Casey das Wort nicht wirklich aussprechen konnte, hat er mich immer Birdie gerufen.“ Die Ärztin kicherte, als sie sich zurückerinnerte und nahm das Foto in die Hand. „Übermorgen ist der Tag, an dem Keith und ich geheiratet haben. Das war vor elf Jahren. Schon verrückt. Ich war genauso alt wie du, als ich geheiratet habe. Und Keith war so alt wie Mello.“

„Wann war der Unfall?“

„Vor sieben Jahren. Casey war erst drei Jahre alt… Aber lass uns das alte Thema nicht aufwärmen. Ich hab damit inzwischen abgeschlossen und ich will auch eigentlich nicht in der Vergangenheit leben.“ Da Matt sich gerne noch etwas hinlegen wollte, bevor er wieder an die Tagesarbeit ging, verabschiedete er sich von Birdie, die ihm noch ein Medikamentendöschen in die Hand drückte. „Eine Tablette morgens und eine abends“, ermahnte sie ihn. „Sollten die Kopfschmerzen stark sein, dann nimm noch eine zusätzliche am Mittag. Dann wünsch ich dir mal eine gute Nacht. Ich leg mich auch gleich ins Bett. Es ist ja sowieso momentan nichts zu tun.“ „Bleibt nur zu hoffen, dass es nicht schon wieder einen Einbruch gibt.“

„Das hoffe ich auch.“ Damit verließ Matt das Bereitschaftszimmer und ging zurück in sein Zimmer.
 

Echo schlich müde durch den Gang, während er sich mit seinem Stock vorantastete. Er ärgerte sich gerade selbst, warum er so viel hatte trinken müssen. War doch klar, dass er dann mitten in der Nacht aufwachte und dringend aufs Klo musste. Morph hatte ihn ja noch gewarnt aber nein, er hatte es trotzdem machen müssen. Wie spät es wohl war? Verdammt spät, so wie er schätzte. Es war totenstill auf dem Gang und wahrscheinlich war auch schon Birdie aus dem Bereitschafszimmer raus. Na hoffentlich lief er dabei Christine nicht über dem Weg. Wenn sie die Nachtwache hielt, konnte sie echt gefährlich sein und einmal hätte sie ihn fast erschossen. Ob es Mello wohl gut ging? Seitdem dieser Vieraugengespräch mit Morph geführt hatte, schien es recht ruhig um ihn geworden zu sein. Na hoffentlich ging es ihm gut, aber da er ja bei Leaks und Hiram war, brauchte er sich ja eigentlich keine Sorgen zu machen. Er würde schon zurechtkommen und da unten in Ebene 0 war eh nicht viel los. Morph hatte ihm auch schon angeboten gehabt, dass sie beide dort unten leben könnten, aber Echo wollte lieber nicht mit dem Cohan-Duo auf einer Ebene leben. Das machte ihm einfach zu viel Angst. Echo dachte für einen kurzen Moment nach und fühlte sich plötzlich etwas unbehaglich. Er konnte es nicht genau beschreiben, es war so, als würde ein eiskalter Schauer über seinen Rücken jagen, der leichte Beklemmung bei ihm auslöste. Vielleicht sollte er doch zu Morph ins Zimmer gehen und bei ihm schlafen. Dann fühlte er sich wenigstens sicherer. Also ging er, anstatt zurück in sein Zimmer, weiter den Gang entlang, als er die Toiletten verlassen hatte und ging langsam den Gang entlang. Sein Gehör half ihm dabei ungemein bei der Orientierung und es war ihm sogar möglich, jeden Gefängnisinsassen anhand seiner Schritte sofort zu identifizieren. So war er wenigstens vorgewarnt, wenn sich Christine nahte, denn dann musste er sich bemerkbar machen, denn lautloses Schleichen und Verstecken war extrem gefährlich und hatte nicht selten zur Folge, dass sie sofort das Feuer eröffnete. Auch wenn sie eine sehr gute Kämpferin war, so reagierte sie sehr schreckhaft und dann fast schon panisch. Insbesondere wenn es still war. Morph hatte erklärt, dass es daher kam, weil Christine unter posttraumatischer Belastungsstörung litt, was auf ihre Vergangenheit als Soldatin zurückzuführen war. Deshalb durfte man bloß nichts tun, was sie erschrecken und bei ihr eine Kurzschlussreaktion auslösen könnte. Denn der letzte Kerl, der in ihr Zimmer geplatzt war und sie aus den Schlaf gerissen hatte, dem hatte sie versehentlich eine Kugel zwischen die Augen gejagt, weil sie ihn für einen Angreifer gehalten hatte. Darum hatten sie alle wichtige Regeln einzuhalten. Und diese lauteten, dass man laut auf sich aufmerksam machen musste, wenn Christine auf ihren nächtlichen Rundgängen war und man durfte niemals ihr Zimmer öffnen und sie direkt wecken, wenn sie schlief. Stattdessen musste man laut rufen und gegen die Tür schlagen. Das war die sicherste Methode, um nicht versehentlich von ihr erschossen zu werden. Schließlich erreichte Echo einen Raum, der ihn nun neugierig stimmte. Er hörte von der anderen Seite der Tür ganz schwach aber dennoch hörbar ein leises Piepen und ein Rauschen. Es kam ihm irgendwie bekannt vor, nur konnte er es gerade nicht genau erkennen. Im Normalfall hätte er die Tür geöffnet, aber er hätte sowieso nicht sehen können, was dahinter lag. Also konnte er sich das Ganze auch genauso gut sparen. Schließlich ging er weiter und hatte Morphs Zimmer fast erreicht, da blieb er abrupt stehen, als er Schritte hörte. Zuerst dachte er, es wäre bloß Birdie, da sich diese Schritte eindeutig nach Absätzen anhörten. Doch sofort verwarf er diesen Gedanken wieder, denn die Schritte selbst klangen irgendwie anders. Sie hatten nicht dieses unbeholfene Auftreten, sondern klangen fest, zielstrebig und schnell. Das waren nicht Birdies Schritte. Aber welche Frau mit Absätzen konnte das denn sonst sein? Christine und Birdie waren die einzigen Frauen in Efrafa und Christine trug Militärstiefel. Aber wem gehörten die Schritte dann? Hatte Christine vielleicht Chain oder Abyss aus der Festung zur Verstärkung geholt? Unsicher, was er tun sollte, blieb er stehen und überlegte. Dann aber ergriff ihn plötzlich jemand, hielt ihm die Hand vor dem Mund und zog ihn irgendwo hin. Nun geriet Echo in Panik und wollte sich losreißen und um Hilfe rufen, doch da er leise ein „Keine Angst, ich tu dir nichts.“ Diese Stimme kam ihm vertraut vor, aber in seiner Angst konnte er sie nicht zuordnen. Wenn ihn sein orientierendes Gedächtnis nicht täuschte, wurde er gerade in einen Seitengang gezogen und er fragte sich, was das zu bedeuten hatte. Schließlich aber blieb die Person, die ihn festhielt, stehen und hielt ihm immer noch den Mund zu. Echo horchte und konnte hören, wie die Schritte weitergingen. Sie entfernten sich wieder und dann hörte der blinde 16-jährige nur noch, wie eine Tür geöffnet wurde und die Person mit den Absatzschuhen dahinter verschwand und wie die Tür zufiel. Nun ließ die andere Person Echo los und nahm die Hand weg, sodass er wieder vernünftig atmen konnte. Dann schließlich spürte er, wie eine Hand seinen Kopf streichelte. „Entschuldige, ich wollte dir keinen Schreck einjagen. Es ist alles gut, mach dir keine Sorgen.“

„Wer… wer bist du?“

„Ich bin ein Freund.“

„Du bist nicht aus Efrafa, oder? Deine Stimme klingt nicht wie all die anderen.“

„Das ist richtig“, bestätigte der Unbekannte und zuerst rechnete Echo damit, dass dieser wieder abhauen würde, doch stattdessen blieb er noch und erklärte „Es gehen einige seltsame Dinge hier in Efrafa vor sich und ich will herausfinden, was es ist. Ich habe es einfach mal für klüger gehalten, dich aus der Gefahrenzone rauszuholen. Je weniger du weißt, desto besser ist es.“

„Und wer bist du? Wer war die Frau gerade eben und wieso hast du mich versteckt?“

„Meinen Namen kann ich nicht nennen, aber einige nennen mich den Schriftsteller.“ Schriftsteller? Das klang irgendwie nach Morph, der ja Journalist war. Aber… arbeitete dieser Schriftsteller wirklich mit ihm zusammen? „Arbeitest du für Morph?“ „Nein, aber mein Freund ist sozusagen ein Fan von ihm“. Diese Stimme klang männlich, knapp 25 bis 28 Jahre alt. Morph ertastete schlanke und vielleicht etwas zierliche Finger. Und aus der Stimme konnte er zumindest heraushören, dass diese Person keine bösen Absichten hegte, oder zumindest nicht feindselig war. Doch wirklich beruhigte ihn das auch nicht, denn er verstand überhaupt nicht, was hier vor sich ging. „Und wer war diese Frau gerade eben?“

„Eine sehr gefährliche Person, die zu allem bereit ist. Aber keine Sorge, die kommt so schnell nicht wieder. Fürs Erste hast du nichts zu befürchten. Aber sag mal, was machst du noch um 3 Uhr morgens denn hier auf dem Flur?“ Was? Drei Uhr war es schon? Oh Mann, er hatte aber auch echt ein miserables Timing, was das Aufstehen betraf. „Ich musste zur Toilette und wollte danach zu Morph.“

„Ach so“, meinte der Unbekannte daraufhin und klopfte ihm auf die Schulter. „Soll ich dich eben hinbringen, oder findest du alleine hin?“ „Ich komm schon klar“, antwortete Echo und ertastete dann wieder mit seinem Blindenstock den Weg. „Dann ist ja gut“, sagte der Unbekannte schließlich und Echo hörte, wie er davonging. „Dann wünsche ich eine gute Nacht und noch etwas: bleib nachts besser im Bett. Kinder sollten sich nicht draußen herumtreiben, wenn die seltsamsten Gestalten hier herumschleichen. Aber zumindest kannst du dich ja auf dein Gehör verlassen. Die Nacht, die uns der Augen Dienst entzieht, macht, dass dem Ohr kein leiser Laut entflieht. Was dem Gesicht an Schärfe wird genommen, muss doppelt dem Gehör zugute kommen. Und es wird nach Nacht noch Tag, selbst wenn der Hahn nicht kräht.“ Irgendwie kam Echo das mit dem Hahn bekannt vor. Das stammte doch von Shakespeare, oder nicht? Welcher Insasse zitierte denn noch mal von Shakespeare und anderen Werken? Tja, das fiel ihm leider nicht mehr ein und so beschloss er, lieber schnellstens zu Morph zu gehen, bevor er noch ungewollt in irgendetwas verwickelt wurde. Zwar konnte er sich nachts ganz gut auf sein Gehör konzentrieren, weil es so wenig Störfaktoren gab, die ihn irritieren konnten. Aber irgendwie fühlte er sich in dieser Nacht einfach nicht wohl in seiner Haut und deshalb war er auch froh, als er Morphs Zimmer erreichte. Leise öffnete er die Tür und trat ein. Dem Rhythmus seines Atems zufolge schlief dieser gerade, also war Echo nun umso leiser und tastete sich an sein Bett heran. Doch egal wie lautlos er war, er konnte trotzdem nicht verhindern, dass Morph aufwachte, als er zu ihm ins Bett kroch. Verschlafen setzte sich der Japaner auf und rieb sich die Augen. Es war stockfinster im Raum, nur die LED-Anzeige des Weckers gab ein schwaches Licht ab. „Echo… was ist los?“

„Kann ich bei dir schlafen?“

„Klar, kein Problem“, murmelte der 27-jährige müde und rückte etwas zur Seite, damit auch Echo Platz hatte. Dann legte er einen Arm um den blinden Teenager und drückte ihn fest an sich. Diese Nähe und Geborgenheit gaben dem 16-jährigen wieder etwas Ruhe und Sicherheit zurück und so dauerte es nicht lange, bis er eingeschlafen war, genauso wie Morph. Ruhe und Stille herrschte in Efrafa und es war eine außergewöhnlich friedliche Nacht, in der es keinen Angriff gab, kein Alarm ausgelöst wurde und die einzigen Geräusche stammten von den Nachtwachen, die durch die Gänge patrouillierten. Aber selbst die wurden nachlässig und so war es ein leichtes für Horace, diese zu umgehen. Er kam zum vereinbarten Treffpunkt, wo Rhyme bereits ungeduldig wartete. Nervös blickte sich der Weißhaarige um und man sah ihm an, dass Helmstedter ihn wieder ziemlich bearbeitet hatte. An Rhymes Handgelenken waren Abschürfungen, die von Fesseln herrührten und er war auch im Gesicht verletzt worden. Auch sonst schien es ihm schwer zu fallen, sich richtig zu bewegen. „Du bist spät“, bemerkte der Weißhaarige mit den magentafarbenen Augen. „Was hat dich aufgehalten?“ „Echo ist durch die Gänge geschlichen und ich wollte nicht, dass er ihr über den Weg läuft. Deshalb bin ich ein klein wenig spät. Und wie steht es mit dir? Du siehst gar nicht gut aus. Hat Helmstedter dir das wieder angetan?“ Rhyme antwortete nicht, er wollte auch nichts dazu sagen und drückte Horace einen Briefumschlag in die Hand. „Das ist alles, was ich an Informationen zusammentragen konnte.“

„Wie hast du…“

„Ich hab getan, als wäre ich in Ohnmacht gefallen und als Helmstedter den Raum verlassen hat, habe ich so schnell ich konnte alles durchsucht und hinterher aufgeschrieben, was ich als wichtig erachtet habe. Darunter habe ich einige Aufzeichnungen über ein Projekt namens Memoria gefunden. Es geht wohl um die Erforschung von Erinnerungen und des Bewusstseins. Und auch zu Boneshield und Deus Ex Machina. Nur zu Umbra habe ich noch nichts finden können. Ich bleib aber dran.“ Das war doch schon mal sehr hilfreich. Horace war mehr als zufrieden damit und wusste, dass insbesondere Kaonashi mehr über Boneshield herausfinden wollte. So viele Informationen hatten sie schon lange nicht mehr bekommen. Dann aber fiel Rhyme noch etwas ein, was er als nennenswert erachtete. „Diese Aufzeichnungen hatten nicht bloß allein Helmstedters Unterschrift. Es sieht so aus, als würde er jedes Mal ein Kürzel benutzen, was ich aber noch nicht ganz einordnen kann. Und das sind die Buchstaben B.C.“ B.C.? Damit konnte Horace erst mal nichts anfangen und das Einzige, was ihm dazu einfiel, war Before Christ und das konnte es ja nicht sein. Vielleicht war es für ihn ein Vermerk. Auf jeden Fall sollten sie das im Auge behalten, denn nichts, was Dr. Hinrich Helmstedter niederschrieb, war unbedeutend. Dazu war dieser Mann einfach zu gefährlich. „Okay“, sagte Horace schließlich und steckte den Umschlag ein. „Dann bin ich wieder weg. Und du passt auf dich auf, okay? Wir arbeiten weiter dran und bald bekommen wir noch zusätzliche Verstärkung nach Down Hill. Dann bringen wir Helmstedter und all die anderen um, die auf unserer Liste stehen. Lange wird es nicht mehr dauern, versprochen.“

„Ich komm schon klar“, versicherte Rhyme und lächelte. „Ich habe schon viel Schlimmeres durchgestanden, da ist das hier noch ganz gut zu ertragen. Und hat Kaonashi seinerseits neue Infos?“

„Ja. Mello ist jetzt unser Informant, damit wir herausfinden, was Matt für eine Rolle in Helmstedters Plänen spielt und ob der Doktor ihn vielleicht einer Hirnwäsche unterzogen hat. Vielleicht finden wir so über Umwege mehr raus. Aber sag Mello nichts von deiner Rolle. Je weniger er weiß, desto besser. Immerhin hat es fast ganz Efrafa auf ihn abgesehen und es wäre nur riskant für uns.“ Rhyme nickte und sah sich unruhig um. Wenn sie irgendjemand belauschte, dann war es aus und alles flog auf. Deswegen war es umso ratsamer, bloß vorsichtig zu sein. „Noch etwas: ich weiß nicht, ob ich mir nur irgendetwas zusammenreime, aber es gibt tatsächlich einige Hinweise in Helmstedters Aufzeichnungen, die bestätigen, dass es bald einen vierten Magnum Opus geben wird und dass sich dieser noch in der Entwicklung befindet.“

„Was?“ Nun entglitten Horace fast die Gesichtszüge, als er hörte, dass Helmstedter trotz ihrer Überwachungen und Sabotageaktionen dennoch einen weiteren Übermenschen heranzüchten wollte. „Verdammt… das hat uns noch gefehlt. Und hat der Magnum Opus schon eine Bezeichnung?“ „Leider nein, aber ich bleib dran. Ich glaub, du solltest jetzt besser gehen. Christine kommt gleich her, um hier ihren Rundgang zu machen.“ Horace nickte und verabschiedete sich, dann eilte er den Gang entlang, aus dem er gekommen war und kletterte in den nächsten Lüftungsschacht. Seine Gedanken kreisten unaufhörlich um diese neue Entwicklung und sein Magen verkrampfte sich. Allein der Gedanke, dass es bald noch einen Magnum Opus gab, war beängstigend. Die ersten beiden waren ja noch menschlich und stellten keine Gefahr dar. Doch Umbra war anders. Es war unmenschlich und mörderisch veranlagt. Es kannte weder Freund noch Feind, nur potentielle Beute. Und nun sollte es bald noch einen geben. Wenn dieser sogar noch gefährlicher wurde als Umbra, dann konnte es noch sehr gefährlich werden. Und dabei hatten sie wirklich alles getan, um genau das zu verhindern und nicht zuzulassen, dass noch eine solche Killermaschine herangezüchtet wurde. Aber so wie es aussah, hatten ihre Mühen nichts gebracht. Blieb nur zu hoffen, dass sie es wenigstens verhindern konnten, dass der Magnum Opus, oder auch M.O. genannt, nicht einsatzbereit gemacht wurde. Denn einen Kampf gegen ein solches Wesen konnte man nur schaffen, wenn man selbst einer war.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich hatte die Idee ganz spontan gehabt, dass Leaks im Südstaatendialekt spricht. Ist ja auch mal eine nette Abwechslung. Da ich aber nicht sonderlich versiert darin bin, wie man ihn aufs Deutsche übertragen kann, hab ich seinen Dialekt ein klein wenig an den Ruhrpottdialekt angelehnt. Ich dachte das passt besser und ist auch nicht ganz so schwer zu verstehen. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
So, damit geht auch der dritte Teil von Down Hill zu Ende und es sind immer noch viele Fragen ungeklärt. Wer ist B.C., welche Funktion hat Projekt Magnum Opus und was für Pläne verfolgt Dr. Helmstedter und welche Rolle spielt Birdie in diesem Spiel? Fragen über Fragen, die nur langsam beantwortet werden und keiner ahnt, dass die Unruhe in Efrafa erst der Anfang ist.

Im nächsten Teil geht es natürlich spannend weiter, aber ich muss euch schon mal vorwarnen: Teil 4 wird noch ein paar Tage auf sich warten lassen müssen, weil ich nämlich derzeit ziemlich viel Arbeit habe und erst noch schauen muss, wie ich das alles organisiert bekomme. Aber keine Panik! Es geht bald weiter und dann wird Mello endlich dem geheimnisvollen „Nine“ gegenüberstehen, der mehr über Wammys House und L’s Tod zu wissen scheint. Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (13)

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Von:  San-Jul
2015-05-23T15:57:02+00:00 23.05.2015 17:57
Wow,
mir tut Matt leid, ich hoffe es geht ohm bald besser :)
Und es gibt immer mehr fragen. Yay, es wird immer spannender.
Es wäre wirklich passend, wenn dieser "nine" einer wäre, der direkt mit dem Wammy Hause und dem Kira Fall in Verbindung stand. Vollkommen Ironisch wäre es, wenn es Light wäre xD
Ist doch nicht schlimm, dass es etwas dauert. Du kannst dir ruhig zeit lassen :)
Ganz liebe Grüße San-Jul
Antwort von:  Sky-
23.05.2015 18:00
Nein, es wird nicht Light sein, weil es ja nicht ganz logisch wäre. Immerhin hat Kira ja die ganze Welt unterjocht und eine Diktatur aufgebaut. Da wäre es nicht sonderlich sinnvoll, wenn er plötzlich im Gefängnis wäre. Aber... ich will auch nicht zu viel spoilern. Die wahre Identität von Nine wird allerdings nicht direkt offenbart. Es gibt aber viele Andeutungen. Er selbst bezeichnet sich als L's Schatten, der sein Erbe weiterreichen soll. Sein vollständiger Deckname "Fourty-Nine" also 49) ist auch eine Anspielung. Es darf also schön gerätselt werden.
Antwort von:  San-Jul
26.05.2015 18:08
Ich muss dir jetzt mal meine Theorie unterbreiten:
Also der kleine, weiße Giftzwerg (ich hab den Namen vergessen XD) hat den Kampf gewonnen und denkt sich Light´s Idee war ganz gut, lass uns das doch weiter führen und ist jetzt Kira. Natürlich hat Light überlebt und der Giftzwerg hat ihn, um´s zu vertuschen, ihn das Gefängnis gestecket.
Zu 49:
Es ist L´s Sohn, den er mit Beyond hatte XD (es sind Ferien und ich hab bald Prüfungen und laber ständig so nen Blödsinn XD)
Aber es könnte wirklich L´s Sohn sein, oder sein verschollender Bruder (am Ende ist es Light´s Kind, dass er mit Misa hat, aber dafür wäre er ein bissl zu jung) oder es ist Watari XD
Ach nach dem Ausbruch treffen sie Light? Das wäre echt cool, aber dann mit nem richtig genialen BUUMM und Explosionen und Waffen und ja ;)
Ok, ich bin einfach zu durch für den Tag XD
Ganz liebe Grüße
San-Jul
Von:  San-Jul
2015-05-18T05:07:17+00:00 18.05.2015 07:07
Ein super kapitel, wie kommt man nur auf sowas? :)
Ich freu mich für mello, er hat wieder schokolade XD
Lg San-Jul
Antwort von:  Sky-
18.05.2015 07:13
Frag mich lieber nicht. Ich hab eben eine ziemlich versaute Fantasie *erröt*
Ich wundere mich eher, warum die Freischalter das nicht als Adult eingestuft haben.
Antwort von:  San-Jul
18.05.2015 18:02
Das wundert mich auch, aber da es nicht so ist, ist es doch nur gut ;)
Und versaute Ideen sind immer wieder gut :)
Von:  San-Jul
2015-05-14T06:32:09+00:00 14.05.2015 08:32
Wow, noch mehr sachen zum Nachdenken, noch mehr Beziehungsprobleme und noch mehr Geheimnisse.
Es wird immer besser, ich freu mich schon auf das nächste Kapitel.
Lg
Von:  San-Jul
2015-05-12T05:06:09+00:00 12.05.2015 07:06
Yay, die ergebnisse wurden vernichtet, das erfreut einen gleich mal den morgen. Es war ja klar das die beiden dahintersteckten. Ich hoffe es geht so weiter :)
Von:  San-Jul
2015-05-11T14:24:09+00:00 11.05.2015 16:24
Erstmal ein richtig geniales Kapitel;)
Allerdings mach ich mir sorgen um Matt, was er wohl hat?
Und das Birdy auch mit in dieses Unterfangen verwikelt ist, ist schon wirklich merkwürdig.
Helmstedter wird auch immer grußelig.
Lg San-Jul
Von:  San-Jul
2015-05-09T20:05:17+00:00 09.05.2015 22:05
Uhh, das klingt echt verheißungsvoll :)
Von:  San-Jul
2015-05-08T16:23:06+00:00 08.05.2015 18:23
Ist super geworden, vor allem der dialekt ist voll genial xD

Antwort von:  San-Jul
08.05.2015 18:26
Ach und ich wollt noch anmerken, dass die Beziehung von den beiden in die richtige Richtung geht (meiner meinung nach) ;)
Antwort von:  Sky-
08.05.2015 18:32
Ja, ich muss zugeben dass mir diese Entwicklung auch ganz gut gefällt (bitte mein perverses Grinsen ignorieren). Aber das steigert sich noch so mit der Zeit. Wobei ich aber schon mal anmerken muss, dass ich meinen Schreibstil zu Sexkapiteln ein klein wenig ausgebaut habe. Inzwischen bin ich ein kleines bisschen mutiger geworden als zu Anfang von Last Desire.
Antwort von:  San-Jul
09.05.2015 14:05
Das Grinsen ignoriere ich nicht, da mach ich mit (mit der Horde Yaoi-Fans;))
Wenn du noch besser bei Sexkapiteln schreibst, weiß ich nicht, ob ich das überleben werden ;) aber darauf freu ich mich :)
Von:  San-Jul
2015-05-05T20:16:33+00:00 05.05.2015 22:16
Ich würde tippen, dass matt schon mal mit einem helmstetter und/oder experimenten am eigenen/anderen körpern zu tun hatte. Aber ich freu mich, dass von mello keine umbra artige gefähr ausgeht :)
Lg
Von:  San-Jul
2015-05-05T04:36:55+00:00 05.05.2015 06:36
Wow, der plan hört sich gut an. Irgendwie hab ich voll angst, dass Mello was schlimmeres passiert.


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