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Defeated at her own game

Fortsetzung zu "Missing Piece of the Puzzle"
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Dann wollen wir doch mal sehen, ob sich der Hund wieder einfindet... Komplett anzeigen

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Kriesentreffen

„Master?“
 

Der kleine Mann sah sofort auf, als Mirajane an den Tisch trat, auf dem er saß.

Neben ihm kauerte Asuka mitten auf der Holzplatte, neben sich ein Glas Fruchtsaft, vor sich ein Blatt Papier und einige Stifte. Von Zeit zu Zeit hielt sie ihm ein Bild vor die Nase, das er gebührend bewunderte.
 

Doch jetzt galt seine Aufmerksamkeit der Takeover-Magierin, die mit einer aufholenden Geste in die Gilde zeigte.

„Gibt es irgendeinen Grund, warum es hier so leer ist?“, fragte sie und er konnte Sorge in ihrem feinen Gesicht lesen.
 

Tatsächlich war kaum einer anwesend.

Makao und Wakaba lungerten ein paar Tische weiter herum, aber sie langweilten sich, weil Kinana nicht da war, die sie hätten ärgern – beziehungsweise mit ihr schäkern – können.

Gajeel saß etwas einsam am Tresen und knabberte an einem alten Scharnier, Pantherlily neben sich. Das Knacken, wenn das Metall zwischen den Zähnen des Dragonslayers brach, hallte durch den gesamten Saal.

Nab, Visitor und ein paar andere standen am Eingang herum, in ein Gespräch vertieft.

Und Max befand sich am Requestboard und murmelte etwas vor sich hin, während er sich anscheinend für einen Auftrag zu entscheiden versuchte.

Ansonsten war niemand da.

Nicht einmal Cana befand sich an ihrem Stammpatz an der Bar, eine Tatsache, die einem beinahe Sorge bereiten konnte.

Er wusste auch, dass Reedus und Warren unterwegs waren.
 

Und er wusste noch etwas anderes.

Das würde er aber mit Sicherheit nicht verraten, schon gar nicht der weißhaarigen Schönheit vor sich.
 

Stattdessen grinste er sie an und zauberte damit Verwirrung auf ihr Gesicht. „Vielleicht denken sie sich ja eine Überraschung für dich aus?“, fragte er dann mehr, als dass er ihr geantwortet hätte.
 

Mirajane musterte ihn kurz, ehe sie nur halbwegs überzeugt nickte.

Mochte sein, dass sie in ein paar Tagen Geburtstag hatte, aber sie wusste doch sowieso, dass das gefeiert werden würde. Als ob Fairy Tail sich einen Grund zum Feiern entgehen ließe. Also, was sollte daran überraschend sein?

Dennoch kehrte sie zum Tresen zurück, wohlwissend, dass sie aus Makarov nichts herausbekommen würde, selbst wenn er mehr wusste. Wenn er wollte, dann konnte der gemeinhin zwergenhafte Master sehr verschwiegen sein. Und im Moment schien er zu wollen.
 

~*~
 

Lisanna hätte ihn dafür vermutlich dankbar umarmt, so froh wäre sie gewesen, dass der Master nicht verriet, wo sie und all die anderen sich gerade befanden.

Behutsam balancierte sie einen Stapel Tassen aus der Küche hinaus und stellte sie auf dem Tisch ab.
 

Hinter ihr folgte eine blonde Gestalt mit zwei Kannen, aus denen es verführerisch nach frischem Kakao roch.
 

Lisanna grinste vor sich hin, als sie die erwartungsvollen Gesichter um sich herum sah, die sich im Moment vermutlich weniger auf den Grund des Zusammenkommens bezogen, als auf das Heißgetränk. Reih‘ um wurde eingeschenkt und als Lisanna ihre Tasse entgegennahm, lächelte sie der Wohnungsbesitzerin – Mieterin – fröhlich zu.

„Danke nochmal, Lucy, dass du uns deine Wohnung zur Verfügung stellst“, sagte sie, wohlwissend, dass die Stellarmagierin es eigentlich gar nicht mochte, wenn hier ein solcher Auflauf herrschte.

Nun, gemeinhin bestand der Besuch bei ihr auch aus Happy, Gray und Natsu und war meistens unangekündigt.
 

Die drei waren jetzt zwar auch da, wurden aber durch die Anwesenheit von Erza und – in Happys Fall – Charle ein wenig im Zaum gehalten.
 

Insofern erwiderte Lucy das Lächeln auch nur, als sie endlich dazu kam, sich selbst zu setzen. „Ach was. Ist ja für einen guten Zweck“, erwiderte sie.
 

Das ist es tatsächlich, dachte Lisanna bei sich und kicherte vor sich hin, wenn sie an den Grund ihres Zusammentreffens dachte.
 

„So, und du willst jetzt also den Spieß umdrehen, ja?“, wollte schließlich Cana wissen, deren Stimme, obwohl es kaum Mittagszeit war, bereits wieder angeheitert klang. Das mochte auch an dem kleinen Fläschchen liegen, von dessen Inhalt sie gerade einen guten Schuss in ihren Kakao geschüttet hatte.
 

Lisanna ignorierte das, ging aber auf die Frage ein: „Natürlich will ich. Das ist ja nicht mehr mit anzusehen. – Und…“, sie grinste hinterhältig, „außerdem haben doch einige von euch ihr etwas heimzuzahlen, oder?“
 

Nicht wenige der anwesenden Gildenmitglieder blickten in diesem Moment höchst interessiert in die Gegend, dazu gehörend natürlich Gray, aber allen voran Elfman und Evergreen, die seit ein paar Wochen zu Mirajanes persönlichen Trophäen zählten.

Immerhin hatte sich ihr Verhältnis deutlich gebessert, auch wenn man (noch) nicht davon reden konnte, dass sie zusammen wären. Ob das jetzt trotz oder wegen Miras Bemühungen so war, wollte allerdings keiner so recht einschätzen.

Im Moment war das allerdings auch nicht weiter wichtig.
 

„Und was genau hast du vor? Auf die üblichen Tricks wird sie nicht hereinfallen. Die nutzt sie selbst“, mischte sich Erza in das Gespräch mit ein, gab allerdings damit Bixlow eine Steilvorlage: „Genau. Zu einem Tanz wird sie sich sicher nicht überreden lassen!“ Da er ausnahmsweise sein Visier nicht trug, sah jedermann sein Feixen, als Evergreen und Elfman einen kurzen Blick tauschten und dann blitzschnell wieder voneinander wegsahen. Sie verfluchten es ganz offensichtlich beide, dass die Geschichte inzwischen bis zu Bixlow durchgedrungen war.
 

Alle anderen Anwesenden lachten, bis Alzack vernehmlich auf den Tisch klopfte. „Wolltet ihr nicht eigentlich etwas besprechen?“, fragte er schmunzelnd in die Runde. Für ihn und Bisca schien der Grund des Treffens eher belustigend als ernstzunehmend zu sein. Kein Wunder, die beiden waren schließlich die Einzigen hier, die den Schritt bereits getan hatten, den Lisanna ihre Schwester zu schubsen plante.
 

Sofort verstummten alle und sahen Lisanna an, die abwehrend die Hände hob. „Glaubt ihr, ich hätte euch alle zusammengetrommelt, wenn ich schon einen Plan hätte? Ich weiß wirklich nicht, wie wir das Ganze angehen sollen. Erza hat Recht, Mira-nee wird sich nicht von den einfachen Tricks übertölpeln lassen. Die Geburtstagsfeier fällt demnach aus. Zu offensichtlich“

Das war auch so ziemlich das Einzige, worüber Lisanna sich sicher war.
 

Lucy hatte das Kinn auf eine Hand gestützt und blickte nachdenklich drein. „Ich meine, ich weiß ja nicht, was Mira schon so alles angestellt hat, aber wenn ich es richtig verstehe, dann funktioniert nichts, was in großer Runde stattfindet, oder?“
 

Es war Levy, die das zustimmende Nicken übernahm, hätte Lisanna aufgrund ihrer… Abwesenheit… zwischendurch doch keine klare Antwort geben können.

Die Script-Magierin aber kicherte. „Glaub’s mir, Lu-chan, Mira hat bereits ALLES ausprobiert, was auch nur annähernd mit einer Fete zusammenhängt“
 

„Also in kleiner Runde… eine fingierte Verabredung?“, meldete sich Kinana zu Wort.
 

Diesmal schüttelte Erza den Kopf. „Auch da kommt sie drauf. Außerdem ist es zu wahrscheinlich, dass da etwas durchsickert“ Ihr scharfer Blick, der sich dabei einzig und allein auf Happy legte, bewies, an wen sie bei ihren Worten dachte.

Zitternd sah der blaue Kater sich nach einem Fisch- äh… Mauseloch um, doch er fand natürlich keins.
 

Doch zu seinem Glück wandte sich die allgemeine Aufmerksamkeit recht schnell wieder dem Thema zu und das Rätselraten ging weiter, ohne dass jemand eine brauchbare Idee gehabt hätte.
 

~*~
 

Lisanna knurrte leise vor sich hin, während sie mit Elfman durch Magnolia lief. Sie waren auf dem Rückweg von dem ‚Krisentreffen‘, wie Cana den Massenbesuch bei Lucy genannt hatte.

Der Name war hängen geblieben, aber ansonsten war es nicht wirklich weiter gegangen.

Und das störte Lisanna empfindlich.
 

Um sich etwas abzulenken, blickte sie sich auf dem Markt um. Es war später Nachmittag, die meisten Händler hatten bereits abgebaut und nur wenige harrten noch aus.

Lisanna hörte die Stimme eines reisenden Händlers, der in Magnolia geradezu berühmt war. Sein Stand war ein jedes Mal, wenn es ihn hierher verschlug, völlig belagert. Er verkaufte zwar im weitesten Sinne nur Krimskrams, aber da waren oft Kleinode dabei, um die wahre Kriege stattfanden.
 

Offenbar feilschte er noch mit jemandem, denn auf seine stets nur minimal abgeänderten Preisforderungen antwortete jedes Mal eine melodische Frauenstimme, die sicherlich eine andere Muttersprache gehabt hatte als die meisten hier.
 

In diesem Moment erstarrte Lisanna und griff nach Elfmans Jackenärmel.

„Ich glaub‘ ich spinne!“, wisperte sie erstaunt, ehe sie lauter hinzufügte: „Die Stimme kenne ich doch!“

Nalini

Voller Überraschung starrte Lisanna die Frau an, die unbeugsam mit dem reisenden Händler feilschte.
 

Langes, glänzend schwarzes Haar, geflochten zu einem dicken Zopf, fiel ihr über den Rücken hinab. Zwei verschiedenfarbig blaue Strähnen verliehen dem Ganzen noch mehr Extravaganz.

Der zierliche Körper dagegen wurde von schimmerndem, mitternachtsblauen Stoff umhüllt, der sich der Kontur anpasste. Ein breites Stück davon lief über die linke Schulter der Frau und fiel locker über ihren Arm.

Das Kleidungsstück war über und über in Grün, Silber und Gold bestickt.
 

„Nalini!“

Lisannas Stimme schallte so laut über den Marktplatz, dass sich so einige Bewohner Magnolias nach ihr umdrehten. Doch als sie in der Ruferin eine Fairy-Tail-Magierin erkannten, wandten sie sich achselzuckend wieder ab. Wer verstand schon diese Rabauken.
 

Die Einzige, die sich langsamer umdrehte, war die blau gekleidete Frau.

Sie hatte ein schmales Gesicht mit exotischen Zügen, doch jetzt weiteten sich ihre dunklen Augen vor Verblüffung.

Sie musterte Lisanna von oben bis unten, schien dann aber ersteinmal deren Bruder mit Sicherheit zu erkennen. „Elfman!? – Und dann musst du… Lisanna?“
 

Die Weißhaarige strahlte ihr Gegenüber an. „Ja, ich bin’s. – Güte, Nalini, was tust du denn hier?“, erwiderte sie freudig und ohne auf eine Antwort zu warten rannte sie der schwarzhaarigen Frau entgegen und umarmte sie stürmisch.
 

Die schien noch etwas überrumpelt, drückte Lisanna aber ebenfalls an sich, ehe sie sie von sich schob und ein paar Schritte auf Elfman zutrat. „Vorbei die Zeit, in der ich zu dir hinabschauen konnte, hm?“, fragte sie.
 

Tatsächlich überragte der Magier sie sicherlich um zwei Köpfe. „Ich bin eben ein Mann!“, lautete dessen Antwort nur und noch ehe die Schwarzhaarige verwirrt sein konnte, mischte Lisanna sich wieder ein. „Achte einfach nicht drauf, Nalini. Er hat in den letzten Jahren einen leichten Tick ausgebildet“, kicherte sie, ehe sie die offenbar alte Bekannte begierig anfunkelte, noch immer auf eine Antwort wartend.
 

Nalini schmunzelte. „Genau genommen könnte ich dich das auch fragen. Dies hier ist nicht gerade deine Heimatstadt, würde ich sagen. – Aber wenn du es so gerne wissen willst: Ich bin auf eine Hochzeit eingeladen und suchte noch ein Geschenk“
 

„Eine Hochzeit? Von wem?“
 

Die Schwarzhaarige lachte. „Das wüsstest du wohl gerne, hm?“, fragte sie zurück, anstatt eine Antwort zu geben, ehe sie sich wieder dem Händler zuwandte. Offenbar hatte sie ihr Geschäft noch nicht aufgeben wollen.
 

Der hagere, ältere Herr blickte zwischen seiner Handelspartnerin, den Fairy Tail-Magiern und dem fraglichen Schmuckstück hin und her, ehe er abgrundtief seufzte. Heute war sein letzter Tag in Magnolia und er wollte keinen zerstörten Karren riskieren. Also hielt er die Hand auf. „22.000“

Das lag weit unter seinen bisherigen Forderungen.
 

Nalini schien zwar nicht genau zu wissen, warum – oder besser: durch wen – sie dieses Zugeständnis verdiente, aber der Preis gefiel ihr umso mehr.

Anstandslos zählte sie das Geld ab und nahm dafür das sorgfältig in Packpapier gewickelte Gekaufte entgegen.

Freundlich verabschiedete sie sich, ehe sie sich wieder den beiden anwesenden Strauss-Geschwistern zuwandte. „Ich glaube ich weiß, warum ihr hier seid“, sagte sie ernster als bisher, „Es ist selbst bis zu mir gedrungen, die Nachricht von dem Überfall“
 

Lisanna verzog das Gesicht.

Sie war damals erst fünf Jahre alt gewesen, sie erinnerte sich kaum, aber dennoch war ihr diese Umschreibung eindeutig zu lasch.

„Überfall, ja, so kann man es auch nennen. Eine Jagd war es, eine einzige Jagd. Und das nur, weil so jemand wie unsere Eltern den Leuten fremd war – und Mira-nees Veränderung erst recht“
 

Nalini verzog das Gesicht, ehe sie zwischen den beiden hin und her sah. Es war ihr anzumerken, dass sie sich kaum traute, zu fragen: „Was… was ist mit Mirajane?“
 

Zu ihrer Erleichterung reagierte Lisanna mit einem Grinsen. „Mira-nee geht’s gut. Sie hat bloß in der Gilde zu tun“, antwortete sie.
 

Nalini atmete auf, ehe sie innehielt. „Gilde? Dann haben eure Eltern tatsächlich Recht gehabt. Es gibt hier sowas?“
 

Lisanna lachte. „Oh ja und mehr als genug davon. Und Fairy Tail ist nocheinmal etwas ganz Besonderes“ Sie klang richtig stolz, bei diesen Worten.
 

„Fairy Tail“, wollte Nalini wissen.
 

Lisanna und Elfman wechselten einen vielsagenden Blick, ehe sie fast gleichzeitig sagten: „Unsere Familie“
 

~*~
 

So schlenderten die drei noch eine Weile plaudernd über den Marktplatz, beobachteten die letzten Händler beim Einräumen.
 

Das hieß, Lisanna und Nalini plauderten, Elfman war auffallend still. Bis er schließlich, aus heiterem Himmel, den Blick auf Nalini gerichtet, sagte: „Du bist… hübsch“
 

Während die Gemeinte ihn ein wenig konsterniert anblickte, prustete Lisanna los und hielt sich den Bauch vor Lachen. Beinahe wäre sie nicht einmal auf den Beinen geblieben. Als sie sich schließlich, mit Tränen in den Augen, wieder einigermaßen fing, brachte Nalinis Gesichtsausdruck sie fast erneut dem Zusammenbruch nahe.

„Sei‘ froh, dass er nicht ‚männlich‘ gesagt hat“, kicherte sie, ehe sie durchatmete und fast verschwörerisch hinzufügte: „Er übt. Für Evergreen“
 

„Gar nicht wahr“ Wie ein trotziges Kind wandte Elfman sich ab, unwissend, dass er Lisannas Worte damit nur bestätigte.
 

Seine Schwester konnte kaum noch an sich halten und auch Nalinis Mundwinkel zuckten, als sie zu begreifen schien.
 

Allerdings waren Elfmans Worte noch jemand anderem zu Ohren gekommen.

Mit raschen Schritten näherte der Mann sich, die Augenbrauen skeptisch zusammengezogen. In einer Sprache, die keines der beiden Strauss-Geschwister verstand, wandte er ein paar Worte an Nalini.
 

Die winkte allerdings nur ab. „Nein, ich bin nicht in Schwierigkeiten. – Und es wäre übrigens schön, wenn du so sprechen könntest, dass nicht nur ich dich verstehe“
 

„Natürlich“, kam es ernst von dem jungen Mann, der kaum älter als Lisanna und Elfman schien. Er hatte ebenso schwarzes Haar und einen ähnlich dunklen Teint wie Nalini. Zu einer einfachen, hellen Hose trug er eine Art Hemd, das aber bis zu den Knien herabfiel. Der Kragen war großzügig in Creme und Rot umstickt.
 

„Gutaussehende Begleitung hast du, Nalini“, kommentierte Lisanna bloß trocken und machte sich damit, obwohl die Worte ähnlich waren, durch ihr sichereres Auftreten weit weniger zum Affen als ihr Bruder zuvor.
 

Dennoch lachte nun Nalini auf.

„Ja, gutaussehende Begleitung habe ich“, bestätigte sie schmunzelnd und hakte sich bei dem jungen Mann unter, ehe sie hinzufügte: „Mir war schon klar, dass du Jeevan nicht mehr wiedererkennst“
 

Lisanna hustete erschrocken.

„Jeevan?“, echote auch Elfman und musterte den Schwarzhaarigen.

Dann schien ihm etwas zu dämmern. „Tenrô“, konstatierte er nur und Lisanna schlug sich selbst leicht vor die Stirn. „Natürlich! Deswegen komme ich durcheinander“, gab sie zu und seufzte. „Manchmal ist es nicht leicht, sieben Jahre im Verzug zu sein“

Elfman legte ihr tröstend den Arm um die Schulter, was bei ihrem Größenunterschied etwas seltsam aussah.

Dennoch lächelte Lisanna ihn kurz an, ehe sie sich wieder Nalini zuwandte, im deutlichen Wissen, dass sie erklären sollte. „Mira-nee und wir beide haben es damals geschafft, zu fliehen. Genau genommen ist Miras Magie erwacht, auch wenn uns das zuerst nur Schwierigkeiten brachte. So konnten wir uns durchschlagen, bis hierher. Wir fanden eine der Gilden, von denen Mama und Papa stets gesprochen hatten. Fairy Tail. Master Makarov nahm uns wie seine eigenen Kinder auf. Auch Elf-nii-chan und ich erlernten Magie und Mira-nee fand sich mit ihrer ab, die im ersten Moment etwas beängstigend wirkt. Vor einigen Jahren war dann wieder eine jährliche Prüfung, deren Sieger im Rang steigt und bessere Aufträge annehmen darf, um Jewel zu verdienen. Dabei bekamen wir es mit einem schier unbesiegbaren Gegner zu tun. Nur die ureigene Magie der Gilde rettete uns allen das Leben, doch zu dem Preis, dass fast die gesamte Gilde sieben Jahre lang versiegelt war.

Es ist noch kein halbes Jahr her, dass wir wieder zurück sind. In diesen sieben Jahren… wir sind nicht gealtert, das siehst du wohl. Und manchmal fällt es schwer, nachzuvollziehen, wie sehr andere sich verändert haben, in dieser Zeit“
 

Nalini hatte aufmerksam zugehört, ebenso wie ihr Begleiter, der das Ganze offenbar kaum glauben konnte. Die Frau war es, die sich zuerst wieder fing. „Jetzt verstehe ich einiges. Du müsstest inzwischen gut Mitte zwanzig sein, oder, Lisanna? Dennoch siehst du aus wie 17. Jetzt ergibt alles einen Sinn“
 

Die Weißhaarige nickte. „Genau das ist der Grund“, erwiderte sie ernst, verharrte allerdings nicht lange in dieser ruhigen Stimmung.

Stattdessen richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf Jeevan. „Als ich dich das letzte Mal sah, warst du noch ein Baby!“
 

Jeevan schmunzelte, gab aber keine Antwort. Wie sollte er auch kontern? Als nicht einmal Einjähriger damals, vermochte er sich rein gar nicht an Lisanna und ihre Geschwister zu erinnern. Einzig das weiße Haar kam ihm bekannt vor.
 

Nalini, die den Blickwechsel der beiden gesehen hatte, sah Lisanna gespielt mahnend an. „Er ist zu jung für dich. – Außerdem ist er verlobt“
 

Augenblicklich hob Lisanna abwehrend die Hände.

Sie verstand sehr wohl, dass die Ältere mit ihr spielte, aber dennoch gefiel ihr dieses Thema ganz und gar nicht. Vor allem nicht, weil der Gesichtsausdruck Nalinis ihr zeigte, dass ein einziges falsches Wort ihrerseits eine Fragerunde auslösen konnte, die Mirajane sicher in Nichts nachstand.

Fieberhaft suchte Lisanna nach einer schlagfertigen Antwort, ehe sie einen ganz anderen Zusammenhang begriff.

Sofort hellten sich ihre Gesichtszüge wieder auf. „Ah, ich verstehe. Es ist Jeevans Hochzeit, wegen der du hier bist?“
 

„Ertappt“, gab Nalini lächelnd zu. Sie schien nicht böse darum, dass Lisanna ihrer Stichelei aus dem Weg gegangen war.
 

„Wie heißt sie denn?“, wollte Lisanna jetzt von Jeevan wissen.
 

Der schlug doch tatsächlich ein wenig die Augen nieder. „Sora“
 

In seiner Aussprache klang der Name etwas anders, als Lisanna ihn gewohnt war, aber sie erkannte ihn trotzdem.

Leise kicherte sie vor sich hin. „Sagt dir der Name Gray Fullbuster etwas? Dem solltest du nämlich hier in Magnolia aus dem Weg gehen“

Innerlich grinste sie. Da hatte der Tick ihrer Schwester ja doch einmal etwas Gutes. So war sie über den Klatsch informiert, an dem, wie sie jetzt entdeckt hatte, Jeevan nicht ganz unschuldig war.
 

Besagter blickte sie allerdings nur fragend an und auch Nalini schien nicht zu verstehen, worauf Lisanna hinaus wollte.
 

Die atmete tief durch, als würde sie ein großes Wagnis eingehen, weiterzusprechen und fragte amüsiert weiter: „Lyon Vastia? Klingelt da etwas?“
 

Jeevan horchte ein wenig auf, zuckte dann aber nur mit den Schultern. „Einer ihrer Bekannten, ja. Sie hat ihn wohl mal erwähnt“
 

Lisanna biss sich auf die Unterlippe. „Einer ihrer ehemaligen Gildenkameraden, ja“, berichtigte sie, ehe sie hinzusetzte: „Einer ihrer ehemaligen Gildenkameraden, der mal hinter ihr her war“

Jetzt schien Jeevan endgültig aufmerksam und so berichtete Lisanna weiter: „Lyon gehört zu der Gilde Lamia Scale, ebenso wie Sora – bis vor wenigen Wochen, soweit ich weiß.

Irgendwann in der Zeit, in der meine Gilde versiegelt war, hat er den Gerüchten nach angefangen, sie zu umschwärmen. Zuerst nur, um seine etwas… übereifrige Teamgenossin Sherry vom Hals zu haben, dann um Sora‘s Selbst Willen.

Wie der Klatsch berichtet hat sie sich ein paar Mal von ihm ausführen lassen, ehe sie vor knapp einem Jahr radikal von ihm abwandte. Ich nehme an, der Grund steht gerade vor mir“, dabei zwinkerte sie Jeevan zu, „Jedenfalls kam es Lyon da in mehrerer Hinsicht gerade Recht, dass meine Gilde zurückkehrte und mit ihr Juvia.

Juvia wiederrum will aber nichts von Lyon wissen, dafür umso mehr von meinem Gildenkameraden und Lyons altem Bekannten Gray.

Der erwidert das sogar, gibt es allerdings nicht zu.

Also ist Lyon weiterhin hinter Juvia her.

Und wenn du Pech hast, wird Gray, solltest du ihm jemals über den Weg laufen, dich dafür verantwortlich machen. Und den Guten willst du nicht erleben, wenn er wütend wird. Dann läuft es dir aber sowas von kalt den Rücken herunter!“

Sie grinste leicht, als sie sah, dass Jeevan sich versteifte. Der Arme konnte ja nicht wissen, dass ihre Formulierung sich eher auf Grays Magie als auf dessen Temperament bezog.
 

In punkto Elan würde man sich da eher vor Natsu in Acht nehmen müssen, würde sich das Ganze um Lucy drehen oder vor Gajeel, ginge es um Levy – die vier waren, neben Gray und Juvia, die nächsten Baustellen ihrer Schwester, soweit Lisanna wusste. Aber das tat jetzt nichts zur Sache.

Ihr Lächeln wurde jetzt beruhigend. „Keine Angst, Jeevan. Elfman wird dich beschützen. – Der kann ein richtiges Biest werden, weißt du?“

Auch hier wusste niemand – außer Elfman selbst natürlich – dass sie das wortwörtlich meinte, aber dennoch entspannte Jeevan sich sichtlich.
 

Im gleichen Moment meldete sich die Turmuhr im Stadtzentrum zu Wort.

Lisanna zuckte zusammen. „Mist, ich habe Mira doch ausrichten lassen, dass ich heute koche, damit sie sich nicht hetzen muss, wo sie heute schon allein in der Gilde war! Autsch, das wird jetzt knapp“

Sie packte Elfman am Ärmel und wollte ihn schon mit sich ziehen, als ihr noch etwas einfiel. „Ich glaube, ich habe eine blendende Idee! Nalini, seid ihr noch ein paar Tage hier?“
 

Von der plötzlichen Eile der Weißhaarigen etwas überrumpelt, brauchte die Angesprochene ein paar Sekunden, um zu nicken. „Wir wohnen in dem Gasthaus direkt am Turm“
 

„Gut!“ Lisanna war auf einmal sehr aufgedreht. „Richte dich darauf ein, dass du bald mal Besuch bekommst! – Bis bald, Nalini, Jeevan!“ Das letzte rief sie bereits wieder quer über den Marktplatz, weil sie schon losgelaufen war.

Zurück blieben die beiden Schwarzhaarigen – und ein paar Passanten, die ihre Aufmerksamkeit allerdings, wie üblich, bald wieder abwandten…

Der Plan

„Ja, ja, ich komme ja schon!“

Evergreens Stimme klang noch halb verschlafen, als sie auf heftiges Klopfen hin die Tür ihres Zimmers in Fairy Hills öffnete.
 

Im Flur stand – wie erwartet – Lisanna, die Wangen gerötet, den Atem etwas beschleunigt, als sei sie gerannt.
 

Evergreen zog die Augenbrauen hoch und schloss den schlichten Morgenmantel, den sie trug. „Also, was ist, dass du hier den Wecker spielst?“
 

Lisanna grinste spitzbübisch. „Wir treffen uns zum Mittag bei Lucy. Ich habe Neuigkeiten!“
 

„Schon wieder Krisentreffen?“ Evergreen unterdrückte ein Gähnen. Es war wirklich noch zu früh.
 

Lisanna aber schüttelte nachdrücklich den Kopf. „Keine Krise. Eher ein Glücksfall. – Bis nachher!“

Ohne darauf zu warten, ob Evergreen nicht vielleicht etwas Besseres vorhatte, wirbelte Lisanna herum und eilte weiter zum nächsten Zimmer. Wendys.
 

Evergreen schüttelte den Kopf, während sie ihre Tür schloss.

Ein Glück für Lisanna, dass Erza am Ende des Ganges wohnte. So würde sie die wenigstens nicht direkt aus dem Schlaf reißen, sondern schon vorher geweckt haben. Es konnte ihr einige Beulen ersparen.

Überhaupt, so aufgedreht kannte sie Lisanna kaum. Meistens fiel Mirajanes jüngere Schwester kaum auf, war zurückhaltend und abwägend.

Nun, diese Sache schien ihr wichtig zu sein.
 

Evergreen seufzte, als ihr bewusst wurde, dass sie Lisanna sowieso helfen würde. Allein schon um Frieds Willen.

Bisher verhielt der sich noch unauffällig genug, dass Bixlow noch keinen Ansatz zum Sticheln gefunden hatte, aber… Evergreen wusste, was passierte, wenn der Seelenmagier richtig aufdrehte. Im Bezug auf sich und Elfman bekam sie das Tag für Tag in voller Härte mit.

Und sie wollte es Fried eigentlich ersparen, das ebenfalls zu erleben. Zumal sie nicht genau einzuschätzen wusste, ob Fried sich seiner Sache bisher überhaupt so sicher war.

Moment.

War sie denn anders?

War sie denn sicher?

Während sie sich auf ihr Bett setzte, erlaubte sie sich für ein paar Augenblicke an Elfman zu denken. Es stimmte schon, er war etwas Besonderes für sie. Bei ihm zu sein, bedeutete ein anderes Gefühl, als nur jenes, im Kampf ein gutes Team abzugeben – was sie zweifelslos auch taten.

Aber… ging dieses Gefühl so tief, wie mancher behaupten mochte? Liebte ausgerechnet sie, die zarte Fee, diesen Koloss von einem Mann, der noch mehr Ego als Muskeln besaß?
 

~*~
 

„Da Natsu den Kühlschrank schon im Vorhinein geplündert hat, kann ich euch leider nichts zu essen anbieten“

Lucy klang eher sauer als wirklich entschuldigend und sofort packte der rosahaarige Dragonslayer sich Lucys Bettdecke und versteckte sich darunter, als könnte ihn das vor ihrem Zorn beschützen.

Leider katapultierte er dabei Gray auf den Boden, der vorher auf dem Bett gesessen hatte. Knurrend rappelte der Eismagier sich auf, entledigte sich mit einer einzigen Bewegung seines Mantels, behielt Hemd und Hose aber erstaunlicherweise an, ehe er sich auf Natsu stürzte.
 

Aus den beiden Magiern und der Bettdecke wurde ein verworrener Haufen und einzig Erza behielt den Überblick. Mit zwei gezielten Schlägen setzte sie die Streithähne schachmatt.
 

Gray rappelte sich als Erster benommen wieder auf und suchte mit den Augen seinen Mantel, nur um beinahe wieder umzukippen, als er das Kleidungsstück in Juvias Armen vorfand.
 

Levy kicherte und Lucy stützte die Stirn auf eine Handkante. „Also, wenn Lisanna nicht bald kommt, schmeiße ich mindestens die beiden da hochkant raus“, knurrte sie leise vor sich hin.
 

„Soll ich dir helfen?“

Das war Erza gewesen, die bereits voller Tatendrang mitten im Raum stand und mit ihrer doch etwas erschreckenden Aura sowohl Gray, als auch den gerade erwachten Natsu direkt wieder in einen ohnmachtsähnlichen Zustand versetzte.
 

Rasch winkte Lucy ab. „Schon gut, Erza. So ist es auch in Ordnung“, seufzte sie und zog ihre Bettdecke zwischen den Rabauken hervor.

Das gesteppte Material war an einem Ende angesengt und an anderer Stelle vereist.

„Na prima“, brummte die blonde Magierin ironisch, wurde aber von weiteren Unmutsbekundungen abgehalten, weil es an der Tür klingelte.

„Na endlich“, rief Levy und war schon auf dem Weg, Lisanna hereinzulassen.
 

Die weißhaarige Magierin kam in den Raum, eine Hand in die Hüfte gestützt, leicht nach Luft schnappend. „Endschuldigt bitte, aber ich musste durch halb Magnolia laufen. Mira-nee war auf dem Markt“, japste sie.
 

„Aber von der Gilde hierher, muss man doch gar nicht über den Markt“, wandte Charle ein, die auf Wendys Schoß saß und dem üblichen Chaos bisher nur desinteressiert zugeschaut hatte.
 

Lisanna nickte rasch. „Von der Gilde nicht. Aber vom Gasthaus am Uhrturm aus“, gab sie zurück, warf Luxus, der ihr seinen Stuhl anbot, einen dankenden Blick zu und setzte sich, im Versuch, zu Atem zu kommen.

Als sie das geschafft hatte, legte sie ein Briefkuvert auf den Tisch, das mit einem blauschimmernden Band verziert war.

„Das ist unser Trumpf“, erklärte sie freudestrahlend und sofort trafen sie mehrere, unverständige Blicke.

Einzig Elfman zeigte keine Reaktion, aber er wusste ja auch, worum es sich bei dem Brief handelte. Insofern hörte er auch nur mit halbem Ohr zu, als Lisanna jetzt erzählte, wo sie gewesen war. Stattdessen beobachtete er Evergreen aus dem Augenwinkel.
 

„… und da kam mir die Idee, dass wir sie mit ins Boot holen könnten. Mira-nee hat Nalini immer geliebt und wird sich bestimmt rasend freuen, ein Lebenszeichen von ihr zu erhalten.

Damals… als unsere Eltern starben, ging alles viel zu schnell. Eigentlich wollten wir zu Nalini, als wir flohen, dabei wussten wir nicht einmal, wo die war. Naja, wir haben sie ja auch dann nicht gefunden, sondern sind stattdessen hier gelandet. – Wie auch immer. Ich war also heute im Gasthaus, in dem Nalini und ihr Begleiter untergekommen sind. Und da habe ich ihr von Mira und Fried und von unserem Problem erzählt und ob sie uns nicht gerne helfen würde. Sie hat sich eine Weile mit ihrem Mitbewohner unterhalten, keine Ahnung, über was, ich verstehe die Sprache nicht, ehe sie zugestimmt hat. Genau genommen hat sie meine Idee sogar noch verbessert. Ich hatte ja ursprünglich vor, beide, Fried und Mira-nee, jeweils auf einen Auftrag zu schicken, der zufällig in der gleichen Gegend liegt. Nalini und ihr Begleiter sollten inkognito die Auftraggeber spielen. Dann ist Nalini mir aber ins Wort gefallen und hat gemeint, wir sollten das Spiel vielleicht etwas direkter aufziehen. Ich hab‘ nur gewitzelt, wir könnten die beiden ja schlecht in eine Besenkammer sperren, worauf ihr Begleiter nur trocken gekontert hat, es müsse keine Besenkammer sein.

Also.

Nalini lädt Mira-nee in diesem Brief zu einem Treffen ein, einfach so, weil sie endlich wieder voneinander hören. Jeevan dagegen wird, gemeinsam mit seiner Verlobten, etwas zurechtbasteln, das wir Fried als Auftrag unterjubeln können. Offenbar hat Jeevans Verlobte da schon eine Idee und so ist es weniger auffällig. Was haltet ihr davon?“
 

Für einen Moment war es still in Lucys Wohnung, ehe alle auf einmal durcheinander zu plappern begannen: „Das ist die beste Idee, die wir bisher hatten!“

„Ja, so könnte es funktionieren“

„Das ist gut!“

„So ein Zufall!“

„Dieser Nalini sei Dank!“
 

Ein Klopfen an der Tür ließ alle ebenso schnell verstummen, wie sie losgeredet hatten. Wer konnte das sein?
 

Als Lucy die Tür öffnete, schrak sie zusammen. „M-mira…“, stotterte sie überrascht.
 

„Dachte ich’s mir doch, dass ihr alle hier seid“ Die Älteste der Strauss-Geschwister streckte den Kopf zur Tür hinein.
 

„Mira-nee…“, Lisanna war kurz davor rot zu werden und klang wie das leibhaftige, schlechte Gewissen.

Das Briefkuvert hatte sie rasch hinter dem Rücken verschwinden lassen.
 

„Was tut ihr hier?“, wollte Mirajane mit einem skeptischen Blick in die Runde wissen.
 

„Ach weißt du, Mira-nee…“, setzte Lisanna an, wurde allerdings von Elfman unterbrochen: „Wir bereiten eine männliche Geburtstagsparty für dich vor, Nee-chan!“

Lisanna blinzelte etwas, ehe sie rasch hinzufügte: „Genau das tun wir. Und wir haben auch ein ganz besonderes Geschenk für dich. Aber jetzt kusch, morgen erst“
 

Mirajane verdrehte zwar die Augen, ließ sich aber von Lucy aus der Tür schieben.

Als ihre Schritte auf der Treppe zu hören waren, atmeten alle Anwesenden hörbar aus. Das war knapp gewesen.
 

Und jetzt prustete Lisanna doch los. „Ein Glück, Elf-nii-chan, dass du nicht ‚männliches Geschenk‘ gesagt hast!“
 

„Au ja, das wäre ein bisschen sehr direkt gewesen!“, grinste Levy.
 

Evergreen winkte ab. „Ach was, das fällt bei ihm doch gar nicht auf“ Da lachten sie alle noch mehr.
 

Mirajane, die die Lachsalven dank offenem Fenster noch auf der Straße hören konnte, runzelte die Stirn, schüttelte dann aber den Kopf und machte sich auf den Weg zurück zur Gilde.

Sie würde ja morgen erfahren, was diese Chaostruppe sich ausgedacht hatte.

Ein Geschenk für Mirajane

„Beruhigt euch, Leute!“

Kinana zwängte sich durch eine Gruppe Magier, die den Weg zwischen den Tischen verstopften und bemühte sich, das voll beladene Tablett dabei nicht fallen zu lassen.

Nicht weit von ihr entfernt hatte Lisanna ein ähnliches Problem.

Im Gegensatz zu den vergangenen Tagen platzte die Gilde heute aus allen Nähten, jeder einzelne Magier war da, nicht ein einziger weggeblieben.

Mirajanes Geburtstag musste doch gefeiert werden! (So wie jeder andere Geburtstag und sonstiger Festtag auch.)

Einzig Kinana und Lisanna hatten darunter zu leiden, denn Mira war – natürlich – am heutigen Tag vom Bardienst befreit und so blieb die Bewirtung der ungebändigten Truppe an den beiden Jüngeren hängen. Ein hoffnungsloses Unterfangen.
 

„Hey, Kinana! Noch eins!“ Wakaba winkte ihr mit seinem Bierkrug zu.
 

Kinana nickte in seine Richtung, war aber im Moment zu sehr in der Menge verkeilt, um zu ihm zu gelangen.
 

„Hey, pass‘ doch auf!“

„Endschuldige, Laki!“

„Ich meine doch nicht dich, ich meine Max!“

„Sorry...“

„Na das fällt dir aber früh ein, nachdem sich schon andere für dich endschuldigt haben“

„Woher hätte ich denn wissen sollen, dass das du bist und nicht ein Tisch? Ich habe hinten keine Augen!“

„Ich bin vielleicht Holzmagierin, aber deswegen ist mein Körper wohl immer noch weicher, als der Tisch!“

„Wirklich?“
 

Das Klatschen einer Ohrfeige verriet, was Laki von Max‘ Probe aufs Exempel hielt.
 

„Sie mööööööööögen sich!“, krähte Happy quer durch die Gilde.

Doch da hatte er sich die Falschen ausgesucht. Im nächsten Moment verschluckte ein Sandsturm den blauen Kater und ließ ihn zu Boden gehen.
 

Während Lucy ihn seufzend aus dem Sandhaufen zog und abklopfte, zog Natsu los, seinen geflügelten Freund zu rächen und stürzte sich auf Max.

Dabei riss er Laki, die noch immer direkt daneben stand, mit in das Gerangel, die wiederum wollte sich irgendwo festhalten, erwischte dabei aber Jets Hemd, der wiederrum Droy mit sich riss und so entstand die schönste Kettenreaktion.
 

Kinana konnte gerade noch zur Seite hechten, ehe sie auch noch involviert gewesen wäre und Lisanna ließ blitzschnell ihr Tablett fallen und verwandelte ihre Arme im Vogelflügel, um sich dem Getümmel zu entziehen. Kopfschüttelnd standen sie schließlich beide am Tresen.

„Geburtstagsparty, ja klar“, bemerkte Lisanna ironisch.

Kinana zuckte mit den Schultern. „War doch klar, dass es so kommt“ Damit drehte sie sich um und begann abzuwaschen, die Zeit nutzend, in der garantiert keine neuen Bestellungen kommen würden.
 

~*~
 

Eine halbe Stunde später hatten sich alle wieder einigermaßen beruhigt.

Für Kinana und Lisanna bedeutete das, dass der Marathon von neuem begann, aber sie störten sich nicht daran.

Außerdem bekamen sie jetzt Hilfe, denn drei pinkhaarige Hilfskellnerinnen huschten durch die Gilde.
 

Die eine war Virgo, die Lucy zwischendurch gerufen hatte, um sich aus dem Getümmel, in dem sie trotz aller Bemühungen irgendwann versunken war, herauszuholen.
 

Die anderen beiden gehörten allerdings nicht einmal ansatzweise zur Gilde, aber eigentlich hatte Lisanna nur darauf gewartet, dass sie Besuch bekommen würden. Zudem waren Sherry und Chelia eine wirkliche Hilfe.

Nur das mit ihnen gemeinsam – natürlich – auch Lyon aufgetaucht war und Juvia davon ebensowenig begeistert war, wie Gray, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.

Wo Sherry war, war seit Neustem Ren nicht weit und wo Ren war, da waren die restlichen beiden Mitglieder der Pegasus-Boygroup.

Zu Erzas Erleichterung ließ sich wenigstens Ichiya nicht blicken.

Dafür begrüßte Jenny gerade Mirajane, als wären sie beide beste Freundinnen und die Rivalitäten des großen, magischen Turniers nie gewesen.

Mirajane schien das auch nicht so ganz zu schmecken, zumindest schien sie nicht unglücklich, als Hibiki Jenny schließlich ‚entführte‘.
 

Lisanna sah dem Ganzen mit einem lachenden und einem weinenden Auge zu. Als ob Fairy Tail alleine nicht schon zu genug Chaos fähig war. Sie beugte sich etwas über den Tresen. „Kommst du einen Moment alleine klar?“, wollte sie von Kinana wissen und als die nickte, verzog Lisanna sich mit einem buchstäblichen Aufatmen aus dem Gildengebäude. Sie brauchte dringend frische Luft.
 

Allerdings kam sie nur zwei Schritte weit.
 

„Lisanna…“
 

Aufgrund der fremdartigen Aussprache, wusste die Weißhaarige sofort, wer da nicht weit entfernt stand. Sie drehte sich um. „Jeevan. Was tust du hier?“
 

Der junge Mann senkte etwas den Blick. „Ich fürchte, ihr müsst euren Plan abbrechen. Es…“, seine Stimme schien ein wenig erstickt, „ es wird wohl keine Hochzeit geben. Und in meiner Familie herrscht dicke Luft“
 

Lisanna trat mit gerunzelter Stirn einen Schritt näher. „Was ist passiert?“, wollte sie wissen und in diesem Moment klang sie ebenso sanft wie ihre ältere Schwester es meistens tat.
 

Jeevan hob den Kopf und lächelte sie etwas traurig an. „Sora und mein Vater haben sich in die Haare gekriegt. Vater will ein traditionelles Hochzeitsfest, Sora will ihre alte Gilde einladen und eine große Sache draus machen. Ich meine, bei den traditionellen Festen wird zwar auch die halbe Welt eingeladen, aber es… es ist ein anderer Stil. Gesetzter. Zeremonieller. Naja und jetzt sieht es so aus, als würde es eben gar keine Hochzeit geben“ Er seufzte.
 

Lisanna verzog das Gesicht.

Das hörte sich nach einer ziemlich verfahrenen Situation an. Soweit sie wusste, war Lamia Scale alleine zwar nicht halb so wild wie Fairy Tail, aber mit einem edlen Fest hätte eine Gildenparty wahrlich nichts zu tun.

Das beste Beispiel spielte sich gerade in ihren Rücken ab – dem Geräuschpegel nach zu urteilen, war die nächste Schlägerei ausgebrochen.

Sie schüttelte sich innerlich. „Ich kenne Sora kaum, aber… ich glaube, sie kann ein ziemlicher Dickkopf sein, oder?“, fragte sie sacht weiter.
 

Jeevan nickte. „Und sie ist nicht auf den Mund gefallen. Beides Dinge, die Vater nicht wirklich passen. Er mag es nicht, wenn man ihm wiederspricht und schon gleich zweimal nicht, wenn eine Frau das tut. Das lässt er sich nicht einmal von Mutter gefallen und die hat ihn eigentlich ganz gut im Griff“
 

Lisanna legte den Kopf schief. „Das mag‘ nicht zum Thema gehören, aber… ist er eigentlich dein leiblicher Vater?“
 

Zur Antwort lachte Jeevan nur freudlos auf. „Nein, Lisanna. Nach meiner Zeugung hat sich mein leiblicher Vater nie wieder blicken lassen. Mutter hat Ajith auf der Flucht kennengelernt, als sie von euch wegmusste. Sie haben geheiratet und er hat mich adoptiert. Zwei Jahre später kam Kirpal. Dennoch hat Vater die Entscheidungsgewalt im Haus und auch über mich. Ich komme mit ihm klar, aber… was er verbietet, bleibt auch verboten“
 

„Das heißt, wenn, dann müsste Sora klein bei geben, um den Schlamassel zu lösen, ja?“

Während Lisanna das fragte, überlegte sie bereits, wie und auf welche Weise das zu erledigen war.
 

„Warum fragst du nicht jemanden, der es wissen muss? Der sie länger kennt?“, wollte plötzlich jemand in ihren Rücken wissen.
 

Lisanna wirbelte herum.

Zu ihrer Schande musste sie eingestehen, dass sie Gray, der im Portal des Gildengebäudes lehnte, erst jetzt bemerkte.

Der Eismagier hatte, wie üblich, nur eine Hose an, das Hemd musste ihm bei der letzten Rangelei abhandengekommen sein.
 

„Und wen zum Beispiel?“, fragte Lisanna genervt.

Es gefiel ihr nicht, dass Gray gelauscht hatte.
 

Gray zuckte mit den Schultern. „Lyon zum Beispiel“, erwiderte er trocken, ehe er sich von der Wand abstieß und in der Gilde verschwinden wollte.
 

Im ersten Moment wollte Lisanna ihn zurechtstauchen, immerhin gehörte es sich wohl kaum, vor Soras Verlobten von deren Verflossenem zu reden, ehe ihr klar wurde, dass Grays Tipp gar nicht einmal so dämlich war. Lyon könnte vielleicht wirklich etwas wissen.

„Gray!“, rief sie ihren Gildenkameraden zurück.
 

„Hm?“ Gray drehte nur den Kopf.
 

„Schickst du Lyon bitte raus?“
 

Gray grummelte nur erneut, ehe er im Gebäude verschwand. Im nächsten Augenblick hörte sie ihn quer durch die Gilde brüllen: „Lyooooooon!!“
 

„Schrei‘ doch nicht so, Gray! Glaubst du, ich hätte mich mit Juvia-chan aus dem Staub gemacht, oder was?“
 

Ausnahmsweise ging Gray nicht auf die Provokation ein, sondern antwortete nur gefährlich neutral: „Dein Typ wird verlangt“
 

Jeevan sah auf, als erneut jemand aus dem großen Gebäude trat. Zu seiner gelinden Verwirrung trug dieser junge Mann, ebenso wie der zuvor, nur eine Hose.

Seine Jacke kam ihm allerdings gleich darauf nachgeflogen.
 

„Behalte deine Sachen bei dir!“

Eindeutig der von grade.
 

Jeevan schmunzelte, als er daran dachte, was Lisanna über diesen Gray und diesen Lyon erzählt hatte. Offenbar hatte sie nicht übertrieben. Die beiden waren sich spinnefeind.
 

Tatsächlich zog der Silberhaarige vor ihm sich jetzt seine Jacke vom Kopf, drehte sich halb zurück und konterte nicht minder ätzend: „Lass die arme Juvia doch meine Jacke behalten, wenn sie will!“
 

„Juvia will Lyon-samas Sachen nicht haben!“, kreischte eine weibliche Stimme aus dem Gebäude dazwischen.
 

„Was?“, wurde Jeevan plötzlich angefaucht, merkte erst jetzt, dass er leise vor sich hin gelacht hatte.

Der Silberhaarige – Lyon – hatte sich wieder ihm zugewandt. Die Jacke hatte er jetzt an, wenn auch offen. Auf der Brust seines Gegenübers konnte Jeevan das gleiche Symbol erkennen, das Sora bis vor kurzem auf dem Wangenknochen getragen hatte. Das war also ihr ehemaliger Gildenkamerad.

Anstatt zu antworten, nickte Jeevan seinem Gegenüber grüßend zu.
 

Der verzog etwas den Mund, erwiderte die Geste allerdings und entspannte sich ein wenig.

„Darf ich erfahren, wer du bist?“
 

Die Antwort übernahm Lisanna und fasste die momentane Lage gleich in ein paar Worten zusammen. „Jeevan ist Soras Verlobter. Dummerweise sind sich sein Vater und Sora nicht wirklich einig, was die Art der Hochzeit angeht“
 

„Sora wollte uns alle einladen, ich weiß. Sie hat davon erzählt, als sie uns eröffnete, dass sie offiziell aus der Gilde austreten wird“, erwiderte Lyon schlicht.

Die Tatsachen waren also offensichtlich nichts Neues für ihn.
 

Dennoch fühlte Jeevan sich unangenehm gemustert. Der Blick seines Gegenübers war nicht einmal unfreundlich, aber zugleich kalt wie Eis.
 

Lisanna schien das auch bemerkt zu haben. „Lyon, hör‘ auf ihn einzufrieren. Das kannst du mit deinen Gegnern machen“
 

„Und wer sagt, dass er nicht mein Gegner ist?“ Lyons spitzer Ton verriet, wie wenig ernst er das meinte, aber Jeevan zuckte dennoch zusammen. Doch dann wurde der Magier wieder neutraler. „Also gut. Wo genau liegt das Problem?“
 

Erleichtert begann Jeevan zu berichten. Von den Richtlinien der traditionellen Zeremonie, von all dem, was sich von der lockeren Atmosphäre der hiesigen Hochzeiten anscheinend so unterschied.
 

Lyon hatte sich inzwischen rücklings an die Hauswand gelehnt und hörte ruhig zu, ohne zu unterbrechen.

Als Jeevan endete, blickte Lyon ihn direkt an. „Für mich ist die Sache klar, mein Freund. Sora hat Angst“
 

„Angst?“, fragte Jeevan mit gerunzelter Stirn nach.
 

Lyon nickte. „Ja. Sora ist in der Gilde geboren. Ihre Eltern, ich meine sogar, ihre Großeltern waren schon Magier von Lamia Scale. Die Art, wie Feste und auch Hochzeiten im Umkreis der Gilde gefeiert werden, das ist ihre ‚Tradition‘. Der ganze Staat, den du aufgezählt hast, das ist ihr fremd. Sie hatte nie Kontakt dazu, vermutlich auch, weil du sie nie dahineingedrängt hast. Versteh‘ mich nicht falsch, ich finde das gut. Aber für sie muss es ein ziemlicher Kulturschock sein, plötzlich den Traditionen unterworfen zu sein. Sie hat Angst etwas falsch zu machen. Ihr ist erst jetzt bewusst geworden, dass sie in deiner Familie, deiner Kultur eine Fremde ist“

Lyon hielt die Arme verschränkt, seine Jacke lag längst wieder zu seinen Füßen.

Keiner störte sich daran.
 

Für einen Moment war es still.

Lisanna sagte nichts, weil sie Lyon so überhaupt nicht kannte und Jeevan sagte nichts, weil er an diesen Worten eine Weile zu kauen hatte. Dennoch, das hörte sich alles logisch an.

„Und… und was schlägst du vor?“, wollte er schließlich zögernd wissen.
 

„Ihr feiert zweimal. Einmal auf deine und einmal auf ihre Weise. So hat jeder etwas davon und sie kann sich von ihrer Angst vielleicht dadurch ablenken, dass es nichts an deinen Gefühlen ändern wird, wenn sie einen Fehler macht“
 

Jeevan konnte nicht verhindern, dass seine Augen leuchteten. Das hörte sich gut an. Sehr gut sogar. Der ideale Kompromiss.

Dennoch… „Du kennst sie gut“, konstatierte er nur.
 

Lyon neigte etwas den Kopf, sodass seine obere Gesichtshälfte im Schatten lag. „Ich habe fast acht Jahre lang mit ihr zu tun gehabt. Ihr kennt euch vielleicht… maximal ein Jahr, würde ich schätzen. Ich habe sie kennengelernt, wie sie sich gegenüber jenen verhält, bei denen sie sich zuhause fühlt. Bei dir ist sie, noch, fremd. – Und ehe du fragst, Jeevan, ja, ich habe es eine Weile lang ernst mit ihr gemeint. Zum einen, weil Ooba Babasaama, die Masterin meiner Gilde, mich sonst im wahrsten Sinne des Wortes durchdrehen lassen würde. Zum anderen um Soras Selbst willen. Sie ist eine faszinierende Frau mit einer sehr eigenen Magie. – Als wir uns das letzte Mal zu zweit trafen, hat sie von dir erzählt. Da dürfte sie dich gerade erst kennengelernt haben. Gegen das, was sie damals schon an dich band, komme ich nicht an, das weiß ich“

Er lächelte etwas und sah Jeevan jetzt direkt an. Dann drehte er sich um, hob seine Jacke auf und verschwand ohne ein weiteres Wort in der Gilde.
 

Wieder sagte keiner etwas, bis Jeevan schließlich verlauten ließ: „Er ist ein wenig seltsam. Wie kommt es, dass er einmal so kiebig ist und dann mit jemandem, auf den er guten Gewissens ebenso eifersüchtig sein könnte, normal redet, ja ihm sogar hilft?“
 

Lisanna wägte ihre Antwort eine Weile ab.

„Weißt du, so überkreuz sind Gray und Lyon gar nicht. Die beiden hatten einst die gleiche Lehrmeisterin und haben sich durch einen dummen Zufall gegenseitig für deren Tod verantwortlich gemacht. Das ist inzwischen geklärt. Dennoch sind sie sich sehr, sehr ähnlich – und genau deswegen krachen sie gerne aufeinander. Die Sache mit Juvia… manchmal glaube ich, Lyon will gar nicht wirklich etwas von ihr. So wie er Gray ständig provoziert, will er den eher auf sie zu schubsen. Aber bisher funktioniert das ebenso wenig wie Mira-nee‘s Bemühungen“, sie kicherte, wurde aber schnell wieder ernst.

„Nun? Meinst du, Lyons Vorschlag wird auf offene Ohren stoßen? Sonst brauche ich Mira-nee ihr Geburtstagsgeschenk gar nicht erst zu geben“
 

Jeevan schloss kurz die Augen, ehe er nickte. „Wird schon. Wir ziehen den Plan durch, ich versprech’s, Lisa“
 

„Huch, hat Nalini dir meinen alten Spitznamen verraten?“, lachte Lisanna.
 

Jeevan gab keine Antwort, als er sich herabbeugte und zum Abschied einen Kuss auf Lisannas linke Wange und einen auf die rechte andeutete. Dann drehte er sich um und war bald darauf um die nächste Ecke gebogen.
 

Auch Lisanna wandte sich wieder der Gilde zu. Es würde Zeit, dass sie Kinana wieder unterstützte. Allerdings wäre sie beim Loslaufen beinahe mit jemandem zusammengestoßen. „Luxus!?“, fragte sie entgeistert.
 

„Wer war das?“, wollte der Blitzmagier nur wissen.
 

Lisanna zuckte mit den Schultern. „Ein Bote für unsere Trumpfkarte bezüglich Mira-nee“
 

„Das gerade eben sah aber nicht nach ‚Botschaft‘ aus“
 

„Eifersüchtig?“, fragte Lisanna provokant, während sie an ihm vorbeiging.

Zu ihrer Überraschung bekam sie keine Antwort und als sie sich überrascht umblickte, war kein Luxus weit und breit. Seltsam… Sie hielt sich allerdings nicht lange mit der komischen Szene auf, sondern beeilte sich, zurück zum Tresen zu kommen.

Es wurde Zeit, dass Mirajane ihr Geschenk bekam.
 

~*~
 

Es dauerte minutenlang, bis Ruhe herrschte, obwohl Lisanna schließlich zum Mikrofon gegriffen hatte.

Jetzt bat sie Mirajane zu sich auf die Bühne.
 

Während Makao und Wakaba Herzchenaugen bekamen – Mirajane trug zur Feier des Tages nicht ihr übliches Kleid, sondern eines, dass nicht nur enger anlag, sondern auch in einem weit satteren Rot leuchtete, als sonst – lag noch ein anderes Augenpaar ruhiger, aber nicht weniger fasziniert auf ihrer Gestalt.

Fried stand wie üblich etwas abseits, aber er musste bei diesem Anblick dennoch schlucken, sich nichts anmerken zu lassen.

Diese Frau macht mich nochmal fertig…
 

Fast erleichtert konzentrierte er sich auf Lisannas Worte, als die wieder zu sprechen begann: „So und jetzt möchte ich dir im Namen aller ‚Alles, alles Gute‘ wünschen und dir endlich dein Geschenk überreichen, das – wie durch ein Wunder – das Chaos des Tages überlebt hat“

Lisanna zwinkerte ihrer Schwester zu und reichte ihr dann das Briefkuvert.
 

Mirajane schien erst verwirrt, dann las sie den kurzen Gruß, der bereits auf der Außenseite stand und ihre Augen weiteten sich. „Nalini?“, fragte sie entgeistert.
 

Lisanna nickte freudestrahlend. „Ich habe sie letztens zufällig getroffen. Du weißt doch, Wendy, Juvia, Charle und ich waren auf unserer Mission ziemlich weit weg. Naja, und dann haben wir ein wenig geredet und dann hat sie mir diesen Brief an dich mitgegeben“, flunkerte sie.

Nun, die Sache mit dem Zufall stimmte ja.

Nur das mit der Mission nicht. Zumindest nicht so ganz.
 

Mirajane schien das ausnahmsweise nicht zu bemerken. Schwungvoll umarmte sie ihre jüngere Schwester und dann auch Elfman, der ebenfalls auf die Bühne gekommen war. „Ich danke euch. Dir, Lisanna, für dieses wunderbare Geschenk. Und euch allen, Leute, für diesen Tag. Danke!“
 

Die Menge jubelte, doch als sie schließlich verstummte, kicherte Lisanna leise vor sich hin. „Mira-nee? Einen Programmpunkt können wir dir aber nicht ersparen…“

Sie wies mit der Hand hinter sich, wo jemand mit Sonnenbrille, weißem Anzug, weißem Hut und Gitarre Aufstellung genommen hatte.

Gajeel.

Und während die Hälfte der Gilde die Flucht ergriff, lächelte Mirajane nur vor sich hin.

So ist Fairy Tail eben… Und was Lisannas Ankündigung vom vergangenen Abend angeht… das Geschenk ist wirklich etwas Besonderes!

Zu Gast bei Familie Nadu

Hier muss es sein… Mirajane beschleunigte ihre Schritte etwas.

Sie war fast drei Tage unterwegs gewesen, mit dem Zug und zu Fuß, um in diesen Teil von Fiore zu kommen, der schon fast an der Grenze zu Seven lag, jenem Land, aus dem Nalini eigentlich stammte, soweit sie noch wusste.

Viel wusste sie allerdings nicht, das musste sie zugeben. Es war zu lange her. Sie war sieben gewesen, als sie Nalini zum letzten Mal sah.

Dennoch, sie freute sich auf das Wiedersehen.
 

Ihre Ankunft schien bereits gemerkt worden zu sein, denn noch bevor sie klopfen konnte, wurde die große Flügeltür, die die Vorderfront des Hauses zu beherrschen schien, geöffnet und eine einladende Geste bat sie herein.
 

Erst als sie in dem hohen Flur stand, kam sie dazu, den jungen Mann anzusehen, der sie empfangen hatte.
 

Ihre Musterung wurde mit einem feinen Lächeln beantwortet. „Da du mich ebenso wenig wiedererkennen wirst, wie es deine Geschwister taten – ich bin Jeevan. Freut mich, dich… wiederzusehen“
 

Dass das letzte Wort übertrieben war, wussten beide, aber dennoch erwiderte Mirajane das Lächeln. „Das kann ich nur zurückgeben. – Lisanna hat schon erzählt, dass du sehr viel von Nalini hast. Die Schönheit sollte einen also nicht wundern“
 

„Na, na, flirtest du etwa mit meinem Mann?“, mischte sich eine andere Stimme ein, die Mirajane den Kopf wenden ließ.

„Keine Sorge“, gab sie schmunzelnd zurück. „Du hast ihn ganz für dich. Ich bin aus anderem Interesse hier“
 

Sora warf ihr bläuliches Haar zurück und lachte. „Ich weiß. Sāsa hat dich eingeladen. Nalini, meine Schwiegermutter“
 

Mira nickte. Sie hatte sich schon denken können, was das für sie fremde Wort in Soras Satz bedeutete. Offenbar war Sora wirklich bestrebt, in dieser Familie anerkannt zu werden.

Gegenseitiger Respekt… eine der wichtigsten Grundlagen…

Sie beobachtete, wie Jeevan Sora einen Arm um die Taille legte und sie an sich zog, ohne allerdings sie, den Gast, aus den Augen zu lassen.

„Wenn du mir sagst, wo ich mich hinsetzen kann, kann ich auch alleine auf Nalini warten. Ich nehme an, sie hat noch zu tun?“, wandte Mirajane daher ein, aber Jeevan winkte sofort ab.

„Wir leisten dir Gesellschaft, bis sie sich loseisen kann. Im Moment sind noch Reste der Familie da, von der Feier. Da kommt sie nie so schnell weg. Gerade meine Onkel triezen sie manchmal ganz schön“
 

„Wegen ihrer… eurer Vergangenheit?“, wollte Mira ernster wissen.

Sie hatte die Geschichte damals oft genug gehört, auch wenn sie erst Jahre später die Zusammenhänge verstanden hatte, als sie alt genug dazu war.
 

Jeevan nickte etwas. „Es fehlt dadurch der gesamte Familienzweig meiner Mutter auf solchen Feiern. Das nutzen Vaters Verwandte natürlich aus. Aber selbst wenn Mutter wüsste, wo Teile ihrer Familie sich aufhalten, ich glaube nicht, dass sie denen freiwillig noch einmal gegenüber treten würde“
 

„Weil die sie damals auf die Straße gesetzt haben, schon klar. – Obwohl die sicher sehr komisch gucken würden, wenn sie erfahren, zu was Nalini es im Nachhinein gebracht hat. Ehemann, zwei Söhne, davon einer jetzt verheiratet, das große Haus, ihr scheint nicht den schlechtesten Lebensstandard zu haben“
 

„Die Gesichter zu sehen, wäre wahrlich eine Überlegung wert. – Hallo Mirajane, schön, dich zu sehen!“, mischte sich auf einmal Nalinis Stimme ein.

Sie stand in der Tür, die den Flur mit einem großen Salon verband und kam jetzt näher um Mirajane zu umarmen. Die aufgenähten Schmucksteine auf ihrem Gewand – das gleiche, wie sie es bei der Begegnung mit Lisanna getragen hatte – klickten leise gegeneinander.
 

Mira erwiderte die Umarmung nur zu gern.

Dann folgte sie Nalinis Bitte in den Salon, aus dem die Gastgeberin gekommen war.
 

Kurz darauf saßen sie in einer gemütlichen Ecke, Jeevan und Sora hatten sich entfernt. Während Mirajane sich neugierig umsah, fühlte sie, dass Nalini sie musterte.

„Was ist aus dem kleinen Teufel Mira geworden?“, fragte Nalini schließlich in die entstandene Stille hinein.
 

Mirajane lächelte etwas. „Ein Dämon“, gab sie zurück, fügte jedoch hinzu: „Auch bei uns ist einiges passiert, weißt du? Damals, als wir fliehen mussten, es war meine Magie, die uns den Weg ebnete. Takeover-Magie. Ich kann Geschöpfe unterwerfen, mir ihre Seele untertan machen. Aber nicht irgendwelche Geschöpfe, sondern waschechte Dämonen. Satan Soul nennt sich dieser Zweig“
 

„Satan…“, wiederholte Nalini leise. „Das erklärt deinen damaligen Charakter, aber nicht, warum hier jetzt eine höfliche, junge Dame vor mir sitzt, die so aussieht, als könnte sie keiner Fliege etwas zu Leide tun“
 

„Oh, ich kann auch ganz anders“, erwiderte Mirajane schmunzelnd, ehe sie ernst wurde. „Genau genommen bin ich eine Weile lang sogar noch schlimmer geworden, als du mich vielleicht noch kennst. Ich war ziemlich ungnädig und habe keine Möglichkeit ausgelassen, mich besonders mit einer Gildenkameradin zu bekriegen.

Die einzigen, zu denen ich wirklich nett war, waren Elfman und Lisanna. So ging ich auch meist mit ihnen gemeinsam auf Aufträge um die Miete für unsere Unterkunft zu verdienen. Und dann kam jener, schreckliche Tag…“

Mirajane schluckte kurz und blinzelte etwas.

Obwohl sich inzwischen alles zum Guten gewendet hatte, tat die Erinnerung noch immer weh.

„Unser Auftrag hieß, ein Monster zu bekämpfen. Es war ein schwerer Kampf, wir waren alle erschöpft. In unserer Verzweiflung hat Elfman versucht, das Monster zu übernehmen. Seine Takeover-Magie bezieht sich genau auf diese Wesen.

Aber es war damals noch nicht stark genug. Er schaffte das Takeover, aber er verlor die Kontrolle, erkannte uns nicht mehr.

Vertrauensselig wie Lisanna ist, stellte sie sich ihm in den Weg, versuchte mit ihm zu reden. Er schleuderte sie beiseite. Ich bin zu ihr gerannt, als sie reglos liegen blieb, hab sie angeschrien, angefleht, bei uns zu bleiben. Aber auf einmal… war sie einfach weg. Wir haben tagelang an ihrem Grab gestanden. An dem auf dem Friedhof und an dem, das die Gilde an ihren Lieblingsplatz angelegt hatte.

Elfman ist an seinem Schuldgefühl fast erstickt.

Und ich… ich habe in dem Versuch ihn zu trösten und dem Wissen, dass die Trauer um Lisanna schwer über der gesamten Gilde lag, gemerkt, wie einsam ich eigentlich war.

Ich musste für Elfman stark sein, ich musste für Lisannas besten Freund Natsu stark sein, ich musste… für die Gilde stark sein. Aber ich hatte niemanden, bei dem ich mich ausheulen konnte. – An diesem Tag habe ich meine Magie tief in mir verschlossen, habe mich mehr um die Gilde bemüht, bin ruhiger und umgänglicher geworden, zu allem und jedem nett und höflich.

In gewisser Weise habe ich mit dieser neuen, offenen, leutseligen Art Lisannas Platz in der Gilde übernommen. Aber tief innen drin… ich hatte meine Verletzlichkeit erkannt und wollte sie doch verbergen. – Elfman konzentrierte sich mehr und mehr auf seine Körperkraft, hat nie wieder versucht, sich ganz auf seine Magie zu verlassen. Ich hätte meine Magie beinahe nie wieder benutzt. Am Jahrestag dieses schrecklichen Unglücks waren wir stets gemeinsam auf dem Friedhof…“

Während sie erzählte, waren Mirajane jetzt doch die Tränen gekommen. Wie Perlen rannen sie über ihre Wangen und tropften auf ihren Rock hinab, ohne dass sie es verhindern konnte oder wollte. Wenn sie ehrlich war, tat es gut, einfach mal darüber zu reden, was sie lange Zeit beherrscht hatte.
 

Nalini hatte sich kurzentschlossen neben ihr auf den Sessel gequetscht und hielt ihre Hand, aber Mirajane erahnte die Frage bereits, die Nalini auf der Seele brannte: „Aber, wie kann das sein? Lisanna ist doch… am Leben“
 

„Und keiner hat es gewusst, ja. Das, was dafür verantwortlich ist, lässt sich einfacher glauben, wenn man ständig mit Magie zu tun hat, aber lass‘ mich versuchen zu erklären. Es… es gibt noch eine andere Welt neben unserer, eine Parallelwelt. Man nennt sie Edolas. Auch dort gibt es Magier, aber die Magie dort ist endlich. Deswegen hatte der König sogenannte ‚Anima‘ entwickelt, Weltentore, die Magie aus unserer Welt saugen konnten.

Eines dieser Anima war es, das uns Lisanna entriss. Dass das mit dem Unfall zusammenfiel, war purer Zufall. Sie wurde nach Edolas gezogen und landete über Umwege bei dem dortigen Fairy Tail, dem Pendant unserer Gilde.

Es ist so, in Edolas laufen stets Doppelgänger der hiesigen Leute herum. Auch mich und Elfman gibt es dort. Und es gab auch eine Lisanna. Die war aber kurz zuvor von einer Klippe gestürzt und dort in Edolas tatsächlich verstorben. Als dann unsere Lisanna plötzlich vor der Tür stand, wurde sie mit offenen Armen empfangen, lebte sich dort schließlich ein und… ja, sie hätte dort vermutlich für immer gelebt. Wenn nicht ein schrecklicher Anima-Angriff vor einigen Jahren unser ganzes Fairy Tail nach Edolas versetzt hätte. Lisanna erkannte in denen, die sich frei bewegen konnten, die Gildenkameraden, die sie aus ihrem alten Leben kannte, aber sie wollte die Mirajane und den Elfman aus Edolas nicht unglücklich machen. So wäre sie dort geblieben, wenn nicht, durch das Ende des Krieges, in den wir verwickelt wurden, schlussendlich alle Magie aus Edolas verbannt worden wäre.

Auch Lisanna, die ja körpereigene Magie besitzt, kehrte somit zu uns zurück. Fairy Tail hat getobt vor Freude über ihre Rückkehr. Und Elfman und ich… es war wie ein erster Atemzug nach sehr, sehr langer Zeit“ Mirajane lächelte jetzt, wenn auch unter Tränen.
 

Nalini atmete tief durch. „Das erklärt einiges. Ach, Mirajane, das Schicksal hat euch aber auch übel mitgespielt…“

Sie legte einen Arm um die Jüngere und zog sie tröstend an sich, eine Geste die Mirajanes Lächeln Tiefe verlieh.

„Als ob es dir damals besser gegangen wäre“, brachte sie hervor.
 

„Na, ich war selbst Schuld. Wenn ich mich als Fünfzehnjährige mit einem Jungen einlasse, der mich dann mit seinem Kind sitzen lässt… dass meine Familie mich auf die Straße setzte, das war vielleicht nicht sonderlich nett, aber ich war nicht unschuldig daran“, wandte Nalini ein.
 

Mirajane sagte nichts dazu. In gewisser Weise mochte Nalini recht haben, aber ihr persönlich war die Umschreibung ‚nicht sonderlich nett‘ zu untertrieben. Familien zeichneten sich dadurch aus, dass sie dann zusammenstanden, wenn es Schwierigkeiten gab. Nun, vielleicht war sie durch die Gildenfamilie auch einfach verwöhnt.
 

Sie saßen noch lange in der gemütlichen Ecke, redeten über Gott und die Welt, merkten kaum, wie die Zeit verging.

Dass ihre Bekanntschaft darauf beruhte, dass Nalini als sechzehnjähriger Flüchtling ein Dreivierteljahr bei der damals siebenjährigen Mirajane und deren Familie gelebt hatte, hätte wohl niemand so recht geglaubt. Sie schienen wie die besten Freundinnen.

Als Nalini, mit einem Blick auf den bereits dämmernden Himmel, schließlich vorschlug, Mirajane konnte doch über Nacht bleiben, hatte die keine Einwände. Die Gilde wusste sowieso, dass sie ein paar Tage wegbleiben würde.
 

~*~
 

Am nächsten Tag, gegen Mittag, brachen die beiden Frauen auf, um auf den Ebenen nicht weit entfernt vom Anwesen von Nalinis Ehemann, zu picknicken.

Von Sora hatte Mirajane Anziehsachen bekommen, die der Familie genehmer waren und so trug sie jetzt eine recht enge, dunkelorangene, bauchfreie Bluse und dazu einen bestickten, gleichfarbigen Rock, der bis über die Füße fiel. Das komplette, gewickelte Gewand, wie Nalini es trug – heute in Rot – wäre für die Wanderung und für jemanden, der nicht gewohnt war, sich darin zu bewegen, etwas zu viel gewesen.
 

In ihrer Begleitung befand sich diesmal Nalinis jüngerer Sohn Kirpal, sechzehn Jahre alt und im Normalfall – so verriet Nalini Mirajane mit einem Augenzwinkern – nicht halb so höflich, wie er sich gegenüber der weißhaarigen Magierin zeigte. Sein Verhalten lag vermutlich an einer gewissen, in Fiore sehr verbreiteten, Zeitschrift, von der Nalini ganz genau wusste, dass sie ab und an durch ihre Söhne ins Haus getragen wurde: Dem Weekly Sorcerer.

Von diesem Punkt an wusste Mirajane, wie sie den jungen Mann zu nehmen hatte. Ihr war schon klar, dass er sich halb schüchtern, halb bewundernd zurückhielt, wenn er sie bisher nur als Model vom Zeitschriftencover kannte. Erstaunlich, dass der Sorcerer hier herumflog und die Existenz der Gilden dennoch nicht halb so bekannt war, wie Mira es gewohnt war.
 

Sie schob den Gedanken beiseite, als Nalini eine Decke auf einer Hügelkuppe ausbreitete und ihr winkte, sich zu ihr zu setzen. „Von hier aus kannst du die Grenze nach Seven schon sehen. Da vorne ist Fiore zu Ende“, sagte sie und zeigte auf einen Waldrand ein Stück entfernt.
 

„Du bist glücklich hier, oder?“, wollte Mirajane wissen und lehnte sich etwas zurück, die Hände hinter den Rücken abgestützt.
 

„Oh, das bin ich. Nicht nur, weil ich damals nie geglaubt hätte, dass ich es mal soweit schaffen würde… ich bin glücklich, eine Familie gefunden zu haben. Mancher von den Verwandten meines Mannes versucht mich zwar kleinzukriegen, aber das werden sie sowieso nicht schaffen“ Sie grinste spitzbübisch.
 

„Wie kommt es, dass ich dir das sofort glaube?“, entgegnete Mirajane nur und schloss halb die Augen um sich gegen das helle Sonnenlicht zu schützen.
 

„Und du?“, wollte Nalini wissen.
 

„Oh, ich auch. Die Gilde ist meine Familie. Ich habe meinen Platz in dieser Welt gefunden. – Was ist?“

Sie hatte Nalinis forschenden Seitenblick bemerkt.
 

Die Schwarzhaarige legte den Kopf schief und der kleine, rote Fleck, den sie auf der Stirn trug, blitzte im Sonnenlicht auf. „Mal abgesehen von deiner hochgelobten Gilde und deinen Geschwistern… gibt es da ‚Familie‘ für dich?“
 

Etwas verwirrt blickte Mirajane auf. „Wie- ach das meinst du. Nein, da ist niemand…“

Wie um ihre Worte Lüge zu strafen, zog sich ein leichter Rotschimmer über ihre Wangen.

Mirajane wusste selbst nicht, ob das so war, weil sie log, oder weil sie automatisch an jemand ganz bestimmten denken musste. Doch, da ist jemand. Aber… auch wenn ich es mir wünsche… ich glaube nicht, dass das etwas wird…, stellte sie in Gedanken richtig.

Ja, inzwischen wünschte sie sich, dass sich das zwischen Fried und ihr endlich klären würde. Der Kampf gegen die Höllenpferde und… und ihr Eingeständnis sich selbst gegenüber war mehrere Wochen her, aber bisher… wie sollte sie das auch klären.

Für einen Moment schloss sie wieder die Augen, versuchte ihre Gedanken zu ordnen, als plötzlich japsende Rufe erklangen.
 

„Cācī Nalini! Cācī Nalini!“

Im nächsten Moment stürmte ein kleines Mädchen zu ihnen und fiel vor Nalini auf die Knie, zerrte an ihrem Arm.
 

Während Kirpal zusammenfuhr und aufsprang, blieb seine Mutter sitzen, aber sie legte beruhigend den Arm um das Mädchen und sah es eindringlich an. „Sahana, was ist?“
 

Das Mädchen sah sie aus tränennassen Augen an. „Jamini ist weggerannt! Er ist weg!“ Das Kind begann jetzt zu schluchzen.
 

Nalini strich ihr behutsam über den Kopf. „Warum ist er denn weggerannt?“
 

„Er hat Angst gehabt. Ganz doll Angst. Aber Māṁ sagt, Cācī Sora hätte ihn erschreckt und dass Jamini von selber wiederkommt. Aber Māṁ hat selber nur Angst, weil… weil… weil Jamini in den Wald gelaufen ist!“ Jetzt heulte das Mädchen richtig.
 

Nalini kniff die Lippen zusammen und zog die höchstens Achtjährige auf ihren Schoß, wiegte sie in den Armen. „Ihr kleiner Hund, ein halber Welpe noch“, erklärte sie mit einem Seitenblick zu Mirajane, die etwas erschrocken dasaß.
 

Das Kind tat ihr Leid. Wenn einem Kind sein Haustier weglief, schmerzte das. Sie brauchte sich da nur an Elfman und seinen Sittich erinnern.

Sie warf einen Blick hinüber zum Wald. Am Waldrand begann die Grenze, aber da gingen noch mehr Gerüchte um dieses Dickicht um und sie ahnte, warum die Mutter des Mädchens Angst hatte, allein dort hinein zu gehen, nur um den kleinen Hund zu suchen. Allerdings bezweifelte sie auch, dass der Hund selbst zurückkommen würde.

„Ich gehe das Tier suchen“, sagte sie kurzentschlossen und war mit einer einzigen Bewegung auf den Beinen.
 

Nalini sah auf. „Bist du dir sicher? Im Grenzwald sollen sonstwas für Kreaturen herumlaufen!“
 

Mirajane winkte ab. „Ich kann auf mich aufpassen, Nalini. Ich bin Magierin, schon vergessen?“

Im gleichen Moment zerriss ein helles Jaulen die Luft. Kein Zweifel, das war der Welpe. Und die Energiewolke, die Mirajane in derselben Richtung ausmachen konnte, gefiel ihr ganz und gar nicht.

Sie straffte die Schultern. „Halt‘ dem Kind die Augen zu“, befahl sie Nalini, die der Aufforderung perplex nachkam.
 

Im nächsten Moment verstand sie, warum. Ein dunkler, fast schwarzer magischer Zirkel erschien über Mirajane und binnen Sekunden hatte sich ihr Aussehen verändert.

Aus der anmutigen, jungen Dame war ein Wesen geworden, das Nalini lieber nicht genauer kennenlernen wollte. Es spannte jetzt die Schultern an und mit einem krachenden Geräusch entfalteten sich schwarze, fledermausartige Flügel.

Nalini zuckte zurück, als ein Blick des Wesens sie traf, ehe sie begriff, dass das ein beruhigendes Lächeln hatte sein sollen. Durch die Dämonenfratze war das kaum zu erkennen.
 

„Ich hole den Hund – und sehe nach, was da wütet. Bring‘ die Kleine ins Haus, das ist zu gefährlich hier draußen“
 

Das war noch annähernd Mirajanes Stimme und so gehorchte Nalini anstandslos und stand auf, das Kind auf ihre Hüfte gesetzt.
 

Als Mirajane das sah, wandte sie sich um, streckte die Flügel aus und sprang ab. Das letzte was sie noch hörte, ehe das Rauschen der Luft sie umfing, war Nalinis Stimme, die tröstend auf das Kind einredete: „Du hast es doch gehört, Sahana. Wir finden Jamini, glaube mir…“

Mirajanes Konzentration richtete sich auf den Wald. Der kleine Hund war jetzt vermutlich das geringste Problem…

Von Teddybären und falschen Runenritttern

Wie ein Raubvogel auf Beutesuche kreiste Mirajane über dem Wald. Die fledermausartigen Flügel weit ausgebreitet nutzte sie die Energiewolke unter sich als Auftrieb.

Sie hatte ihren Gegner ausfindig gemacht.

Dort, unter dem Blätterdach war er. Aber sie wurde noch nicht schlau daraus, deswegen griff sie noch nicht an.
 

Die Aura dieses Wesens… Mirajane kannte Monster, kannte Biester, kannte Dämonen und kannte außer Kontrolle geratene Tiere. Das da war ihr fremd.

In gewisser Weise zerrte diese Aura an ihr, als wollte sie sie überreden einen Takeover-Versuch zu starten und Mirajane musste sich zusammennehmen, damit ihre Magie dieser Aufforderung nicht folgte.

Misstrauisch drehte sie Runde um Runde, unentschlossen, was sie tun sollte.

Mehr und mehr sagte ihr Gefühl ihr, dass es hier um weit, weit mehr als um den verschwundenen Welpen ging. Wenn der überhaupt noch am Leben war. Nach dem quiekenden Jaulen vorhin, war kein weiterer Laut zu vernehmen gewesen. Auch das seltsame Wesen verhielt sich auffällig still. Spürte es ihre Anwesenheit und versuchte sich zu verstecken? Ungewöhnliches Verhalten für einen Dämon oder ein ähnliches Lebewesen.
 

Da sah sie plötzlich etwas schwarzmetallenes durch die Baumkronen blitzen, grünes Haar wallte hinterher.

Das kenne ich doch… Fried!?

Was tat der denn hier? Hatte er den Auftrag, dieses seltsame Vieh zu eliminieren?

Da war einer der hiesigen Menschen anscheinend doch ganz intelligent gewesen.

Nun, wenn sie schon mal hier war, konnte sie ihm auch helfen.
 

Langsam ließ sie sich absinken, setzte auf einem starken Ast knapp unterhalb der Baumkronen auf. Mit zusammengekniffenen Augen beobachtete sie den Kampf, der inzwischen entbrannt war.
 

Das ‚Vieh‘ sah aus wie ein zu groß geratener Teddybär mit extrem hässlicher Fratze und sehr, sehr langen Klauen. Sein tatsächlich plüschig aussehendes Fell war zitronengelb.
 

Fried stand dem Biest in seiner Rüstungsform gegenüber, wich aber einzig aus und wenn er attackierte, reichte die eingesetzte Kraft kaum aus, dem Vieh eine Reaktion zu entlocken.
 

Was sollte das?

Sie kniff die Augen zusammen.
 

Da, jetzt wurde Fried beinahe getroffen und dennoch schlug er nicht zurück.
 

Kurzentschlossen sprang Mirajane von ihrem Ast hinab und landete knapp hinter ihm.
 

Etwas erschrocken blickte Fried sich um, erkannte sie, runzelte wohl die Stirn, sah aber sofort wieder nach vorn.
 

„Das Ding sieht zwar aus wie ein missratenes Kinderspielzeug, aber bist du sicher, dass du mit ihm spielen solltest?“, wollte Mira wissen.
 

Keine Antwort seitens Fried, stattdessen wich er wieder nur aus, landete jetzt direkt neben ihr. „Was tust du hier?“
 

„Nalini wohnt auf dem Anwesen da vorne. Eigentlich suche ich nur einen entlaufenen Hund“, gab Mirajane zurück und ihr Tonfall klang bedingt durch die Satan-Form ein wenig zynisch.

„Du könntest das auch abkürzen“, fügte sie dann mit Blick auf den Teddybären hinzu und wollte bereits ihre Energie seitlich von sich sammeln, da hielt Frieds scharfe Stimme sie zurück: „Nicht! Ich soll ihn nur einfangen, nicht zu Kleinholz verarbeiten. Wenn einer von uns ihn ernsthaft angreifst, bleibt nicht mehr viel von ihm übrig“

Das war auch wieder wahr.
 

Mira ließ die Hände sinken und musterte den Grünhaarigen aus dem Augenwinkel. „Du wirst aber nicht dazu kommen, deine Runen zu schreiben, wenn du in so einem kleinen Radius ausweichst“, wandte sie ein.
 

Fried riskierte abermals einen Blick zu ihr. „Die Falle steht schon, ich muss ihn nur da hin locken. – Spring‘ du lieber zur Seite weg, sonst tappst du gleich rein“, erwiderte er dann.
 

Mirajane kam seinem Tipp nach. „Ich sollte wirklich aufhören, dich zu unterschätzen“, entgegnete sie und wich noch ein Stück weiter weg. Dabei suchte sie am Waldboden nach einem Anzeichen für die Runenfalle, aber sie fand nicht das Geringste.

Woher wusste Fried eigentlich so genau, wo seine Fallen waren?

Konnte er das fühlen, so wie sie die Stärke eines solchen Viehs fühlen konnte, um einzuschätzen, ob sich ein Takeover lohnen würde?
 

Sie sah auf, als Fried sich auf einmal in seine normale Erscheinungsform zurückverwandelte, sein Rapier in der Hand. Die Klingenspitze glitt knapp vor der Nase des Teddy-Monsters vorbei, sodass die Augen des Viehs wütend aufglühten.

Mit weit vorgestreckten Klauen wollte es sich auf Fried stürzen, doch da waren nur noch Runen. Fried hatte sich blitzschnell aufgelöst und setzte sich ein paar Meter weiter hinten neu zusammen.
 

Mirajane grinste. Jetzt befand sich die Falle sicher genau zwischen ihm und dem Biest.
 

Und tatsächlich.

Kaum stürmte der großgeratene Teddy vorwärts, sausten violette Runenwände um ihn herum hinauf und er lief dagegen. An der Kontaktfläche färbten sich die Runen für einen Moment rot, gaben aber nicht nach. Tobend wie ein wilder Stier hüpfte das Teddyvieh durch seinen unsichtbaren Käfig, lief immer und immer wieder gegen die Wände.
 

Fried sah diesem Treiben mit einem sarkastischen Lächeln zu. „Na also“

Er steckte sein Rapier weg und kam ein paar Schritte auf Mirajane zu. „Und du suchst also einen Hund, ja?“
 

„Einen Welpen, ja. Er ist weggelaufen, weil er anscheinend Bekanntschaft mit dem Teddy gemacht hat“
 

„Wenn es eine kleine, schwarze Fellkugel ist, die sich kaum auf ihren Beinen halten kann, so kurz sind die noch, dann hat sich das Tier eher vor mir erschreckt, als ich den Teddy zurück in den Wald gescheucht habe. Ich konnte nicht darauf achten, wohin das Tierchen gelaufen ist“
 

Mirajane nahm diese Neuigkeit ungerührt zur Kenntnis, während sie ihr Satan Soul ablegte. Offensichtlich brauchte sie es wohl doch nicht.

Und im Nachhinein war es egal, wer den Welpen weggescheucht hatte, auf jeden Fall war er hier im Wald und wahrscheinlich verletzt. Also sollte sie ihn wohl besser finden. Schließlich hatte sie es versprochen.

„Na dann warte du mal schön auf deine Auftraggeber. Ich gehe den Hund suchen“, sagte sie also nur.
 

Fried nickte ihr zu – ehe er plötzlich an ihr vorbei sah. „Ich glaube, die Suche kannst du dir sparen…“, murmelte er und seiner Stimme war nicht zu entnehmen, was er davon hielt.
 

Mirajane wirbelte herum und runzelte unwillkürlich die Stirn.
 

Da kam eine Gruppe Runenritter zwischen den Bäumen hindurch, soweit so gut.

In ihrer Mitte schwebte ein bläulich-durchsichtiger Käfig aus magischem Stein. Vermutlich für den Teddy. Auch nichts Schlimmes.

Was sie aber empfindlich störte, war der kleinere Käfig, den einer der Runenritter über seiner flachen Hand schweben ließ und in dem der Welpe lag, blutüberströmt.
 

„Was soll das?“, fragte sie, wurde aber ignoriert, als sei sie nicht da.
 

Über ihre Schulter hinweg sprach der Anführer der Runenritter – bei dem es sich eindeutig nicht um Lahar handelte, den würde Mirajane auf Meilen Entfernung erkennen – Fried an: „Sehr gut, er ist gefangen. Hier ist der Lohn“ Seine blecherne Stimme stand dem Klirren der Münzen im Inneren des geworfenen Beutels in nichts nach.
 

Mirajane konnte sich gerade noch ducken, ehe sie von dem Geschoss getroffen worden wäre. „Hey!“
 

Wieder schienen die Runenritter sie nicht einmal wahrzunehmen.
 

Auch Fried, der jetzt an ihre Seite trat, schaute skeptisch drein. Er hatte den Geldbeutel zwar aufgefangen, beachtete ihn aber ansonsten nicht weiter.

Stattdessen musterte er die Gruppe vor seiner Nase.

„Deswegen mag‘ ich es bei solchen Aufträgen, mit Bixlow zusammenzuarbeiten“, murmelte er fast tonlos vor sich hin.
 

Mirajane sah ihn fragend an. „Warum denn das?“
 

„Weil er mir vermutlich sagen könnte, warum die Truppe mir komisch vorkommt. Die wirken wie programmiert, wie Seelenlose“

„Seelenlose Runenritter?“

„Würden echte Runenritter einen kleinen Welpen einfangen? Und abgesehen davon… wer führt die Exekutiv-Corps an?“

Da brauchte Mirajane nicht lange zu überlegen: „Lahar“

„Siehst du den hier irgendwo?“

„Nein, aber er ist doch sicher nicht der einzige Truppenführer“

„Nein, aber der oberste“

„Auch wieder wahr. – Du hast recht, hier stimmt was nicht“
 

Fried nickte ernst, ehe er einen Blick über die Schulter zu dem tobenden Teddy warf. „Wenn ich dir ein Zeichen gebe, lasse ich die Runen fallen. Sieh‘ zu, dass du das Vieh zerstörst“, wisperte er dann.
 

Mirajane blinzelte kurz, nickte aber. Die Erklärung für Frieds Sinneswandel würde wohl später folgen.

Sie hätte kaum bis fünf zählen können, da erkannte sie das kurze Nicken des Grünhaarigen und wie er sein Rapier zog, vorwärtsstürmte.

Im gleichen Moment hörte sie hinter sich das triumphierende Brüllen des Teddys, die Runen waren gefallen. Mirajane sprang zur Seite und verwandelte sich noch in der Bewegung. Mit einem verzerrten Grinsen nahm sie die Hände seitlich, sammelte Energie und schickte sie mit einer schnellen Vierteldrehung dem Teddy entgegen: „Soul Extinction“

Das zitronengelbe Pelztier wurde von der dunklen Energie verschluckt und restlos aufgelöst.
 

Die Runenritter schrien gepeinigt auf, als habe der Angriff sie getroffen.
 

Mira atmete zufrieden durch, als sie hinter sich das Klirren von Klingen vernahm.

Hatte Fried es tatsächlich mit allen – angeblichen – Runenrittern aufgenommen? Gut, dass sie zurückschlugen und nicht nur abwehren und sich auf die Gesetze beriefen, bewies, dass sie nicht echt waren, aber dennoch… sie waren eine riesige Übermacht und ein falscher Schritt würde reichen, Fried in den versiegelten Käfig zu befördern, aus dem er aus eigener Kraft nicht mehr hinauskommen würde.

Rasch wirbelte sie herum, versuchte die Situation zu erfassen.
 

Fried hatte inzwischen seine Flügel und zischte zwischen den Gegnern hin und her, momentan noch kaum in Bedrängnis.

Aber momentan duellierten sich auch nur drei der Gegner mit ihm, der Rest hatte sich um den kleinen Käfig mit dem schwer verletzten Welpen gruppiert, als handele es sich bei dem um einen Schatz.
 

Probehalber machte Mirajane einen Sprung auf diese Gruppe zu – und diesmal schien man sie zu bemerken. Eine ganze Horde Naginatas wurde auf sie gerichtet und fast ein Dutzend zusammengekniffene Augenpaare fixierte sie.

„Was wollt ihr mit dem Hund?“, versuchte Mirajane erneut, mit den Rittern zu reden.
 

Mehrere von ihnen öffneten und schlossen den Mund, wie ein Fisch, brachten aber keinen Ton heraus. Nur einer schien zum Sprechen fähig zu sein.

Wenn Mira noch einen Beweis gebraucht hatte, um die da als falsch abzustempeln, dann hatte sie ihn jetzt.

Und die Worte machten es noch schlimmer: „Der gibt gutes Trägermaterial ab“
 

Ein Zischen erfüllte die Luft, als Fried sein Rapier mit solch einer Wucht herumriss, dass er sich für einen Moment freikämpfen konnte, der lang genug war, dass er einen Blick zu der Gruppe am Hundekäfig werfen konnte. „Dachte ichs mir doch. Zu denen gehört ihr also. Eibins Labor“, knurrte er vor sich hin und auch wenn Mirajane nicht wusste, wovon ihr Gildenkamerad da sprach, wusste sie, dass die… Dinger vor ihr endgültig als Feinde einzuordnen waren.
 

Mit einem sarkastischen Lächeln drehte sie die Hand, sodass ein verirrter Sonnenstrahl ihre Klauen aufblitzen ließ. „Na denn…“, murmelte sie und stürzte sich in die Gruppe.

Mit den Klauen zielte sie auf den Hundekäfig, wich ansonsten nur aus.

Die Krieger schienen sie nicht gut treffen zu können, oder sie hielten sich aus irgendeinem Grund zurück, wer wusste das schon.

Endlich trafen ihre Krallen. Ein Klirren, ein Scharren – der Käfig hielt.

Also noch ein Versuch.

Inzwischen hatten die Gegner sie wieder abgedrängt, also begann Mirajane das Spiel von vorn, kämpfte sich erneut durch und wurde jetzt radikaler. „Evil Spark!“ Diesmal war das Klirren lauter, ein Krachen folgte – und der Käfig zerbrach fein säuberlich.
 

Ehe die Gegner zugreifen konnten, packte Mirajane das Hundekind am Nackenfell und sprang außer Reichweite. Der Welpe jaulte schmerzerfüllt, aber darauf vermochte sie jetzt keine Rücksicht nehmen. Rasch brachte sie den Kleinen zwischen zwei großen Wurzeln in Sicherheit und stellte sich schützend davor.
 

Zwei der falschen Ritter waren ihr gefolgt, bedrohten sie nun mit ihren Naginatas, aber Mirajane war weitestgehend unbeeindruckt.
 

Was sie viel mehr störte, ja, ihr Sorgen bereitete, war die Tatsache, dass der Rest nicht untätig blieb, sondern jetzt mehr als ein Dutzend der falschen Runenritter auf Fried eindrangen. Immer und immer wieder konnte er sich mit gewagten Rundumschlägen seines Rapiers befreien, aber es wurde knapper und knapper. Er war erschöpft.
 

Mirajane biss die Zähne zusammen, musste sich zwingen, nicht dazwischen zu gehen. Fried ist ein starker Magier, er kann auf sich selbst aufpassen. Er hat mich bereits mehrfach gerettet, er ist stark…

Sie konnte es kaum mit ansehen, dass er immer und immer mehr in Bedrängnis geriet. Wenn er jetzt nicht bald alle Register zog…

Da geschah es.
 

Fried ging zu Boden und sofort warfen sich die falschen Runenritter wie wilde Tiere auf ihn.
 

Mirajane knurrte dumpf.

Ehe diese merkten, wie ihnen geschah, beseitigte ein martialischer Klauenhieb beide Gegner auf einmal, sie kämpfte den roten Schleier herunter, der ihre Sicht trüben wollte. Satan Soul hatte sich einmal selbstständig gemacht, damals gegen Fried, als sie aufgrund der langen Pause ihre Magie nicht im Griff gehabt hatte. Das würde ihr wahrlich nicht noch einmal passieren.

Gezielt packte sie den ersten der falschen Ritter am Nacken, dieser zappelte und schrie und mit einer Bewegung aus dem Handgelenk brach Mira ihm das Genick und schleuderte ihn beiseite.

Dann griff sie nach dem Nächsten, diesmal seitlich an der Kehle und da auch dieser aufkreischte, drangen ihre Klauen in die Haut, aber sie erwischte die Halsschlagader nicht, ehe sie auch diesen ungeduldig wegschleuderte.

Das waren Puppen, keine Lebewesen, nicht wert, darauf zu achten, ob sie am Leben blieben.
 

Als sie den nächsten an sich riss, wäre Fried frei gewesen, wegzuspringen, aber er war kampferfahren genug, um mit einem Blick zu bemerken, dass er ihr damit in die Quere gekommen wäre. Mira wusste, was sie tat, aber sie stand inmitten der falschen Runenritter. Eine unüberlegte Bewegung seinerseits, die sie störte und zögern ließ und sie wäre in arger Gefahr…


Nachwort zu diesem Kapitel:
Wer das wohl ist...? Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Nalini und Jeevan sind beides indische Namen, Nalini bedeutet "die Lotusgleiche" und Jeevan heißt "Leben".
Auch ihr Umfeld ist etwas an indische Kultur angepasst.

An dieser Stelle will ich gleich vorwarnen: Ich werde in Bezug auf Nalinis Familie ziemlich auf den Klischees herumreiten.
Ich weiß natürlich, dass nicht alles immer so stimmt, wie ich es darstellen werde, aber ehe sich jemand verletzt fühlt, sage ich lieber dazu, dass das alles nur Mittel zum Zweck ist.
Meine beste Freundin, die selbst indische bzw. tamilische Wurzeln hat und die Geschichte hier ein wenig gegenliest, war jedenfalls mit der Darstellung einverstanden. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Was meint ihr? Ist der Plan gut? Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Du wirst dich noch wundern, wie besonders, Mira... Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Das glaube ich allerdings auch...
Und? Familienverhältnisse nun geklärt?

Kleine Erklärung anbei:
Das 'gewickelte Gewand', das Nalini trägt, ist natürlich dem indischen Sari abgeschaut und auch das, was Mira geliehen bekommt, stammt aus dieser Region. Die bauchfreie Bluse ist eine Choli, wie sie normalerweise unter dem Sari getragen wird und der Rock ist sozusagen der Unterrock, der normalerweise unter dem Sari verschwindet.
Heutzutage gibt es die Bluse, nebenbei bemerkt, auch in längerer Form, also ohne das Bauchfrei und es gibt auch Saris, die nicht mehr gewickelt werden, sondern so genäht sind, dass das Wickeln sozusagen vorgearbeitet ist, aber ich wollte bei der Familie da oben bei den traditionellen Tatsachen bleiben.

Kirpal bedeutet 'Höflich'
Sahana heißt 'Melodie'
und Jamini ist 'Nacht'.

Sora, aus dem Japanischen, hat auch eine Bedeutung und die lautet 'Himmel' Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Tjaja... Wetten auf den Sieger des Kampfes werden angenommen^^ Komplett anzeigen

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