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Alles dieser Welt

für dich
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Willkommen im neuen Jahr, liebe (hoffentlich noch existierende) Leser und Mitautoren,

2014 hat richtig reingehauen und deswegen schäme ich mich dennoch für den riesigen Abstand zwischen diesen beiden Kapiteln. Vorsatz fürs neue Jahr ist definitiv produktiver zu sein. Wer glaubt die Uni auch, der sie ist? Einen so mit Arbeit vollzuladen ;)
Ich hoffe, ihr hattet ein tolles Jahr und dass ihr sanft oder auch mit einem Knall ins neue gerutscht seid.

Viel Spaß beim Lesen und Danke, dass ihr am Ball bleibt!

Frohes Neues,
Petulia Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Uaaah, Hallo Hallo und nachträglich frohe Ostern!
Est tut mir unglaublich leid, wie schleppend ich mit den Uploads vorankomme. Der weitere Verlauf der Story ist von so vielen Möglichkeiten geprägt, dass ich immer wieder in ältere Kapitel zurückkehren und Dinge ändern muss. Klar, das ist keine Entschuldigung und es tut mir wirklich wirklich leid.
Ich hoffe, euch geht es gut, bei allem was ihr so treibt und dass ihr diese Geschichte noch nicht ganz vergessen habt. :)
Liebe Grüße,
Petulia Komplett anzeigen

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Allein

Begleitet vom Applaus eines Saales voll adrett gekleideter Menschen stieg Harry Potter auf das Podium, wo er Margaret Darneys Hand schüttelte und kurz Kindheitsfreundin und langjährige Mitarbeiterin Hermine Granger an sich drückte, welche mittlerweile Leiterin der Abteilung für Magische Strafverfolgung war und vor Stolz strahlte. Dann positionierte sich der berühmteste Mann Englands in Richtung des Publikums und lächelte, einzelnen Teilnehmern zunickend, bis der Applaus erstarb. Alle Augen richteten sich auf ihn in seinem weinroten Umhang und die bekannte Brille auf der Nase sitzend.
 

“Ich bin Harry Potter, geboren am 31. Juli 1980. Am 31. Oktober 1981, exakt 15 Monate später, wurde mein Name geboren.

Manche Zauberer haben große Namen, manche haben kleine Namen. Kleine Namen werden vielleicht nie in einer Zeitung stehen oder von Fremden benutzt, doch sie werden voller Liebe ausgesprochen von jenen, die den Namensträger kennen. Diese Menschen wissen, ob Peter lustig, weise oder hilfsbereit ist. Isst er gerne Porridge oder Ei zum Frühstück und war seine größte Kindheitsangst das Alleinsein oder die Dunkelheit? Kleine Namen gehören immer ganz eng zu ihrem Träger. Sie sind eins und werden von ihren Liebsten gekannt und wertgeschätzt.
 

"Große Namen sind jene, die die Öffentlichkeit kennt. Sie stehen für ein Ergebnis, eine Tat, eine Eigenschaft. Sie werden gefürchtet oder respektiert oder verehrt. Albus Dumbledore beispielsweise ist einer der größten Namen jüngerer Geschichte: Orden der Merlin erster Klasse, Großmeister des Zauberergamots, Schulleiter, umstrittener größter Zauberer aller Zeiten. Man hat ihn geliebt, beneidet, für seine großen Taten gerühmt.

Ich erinnere mich daran, wie damals Aspekte seiner Vergangenheit zwar verzerrt jedoch mit wahren Kern aufgedeckt wurden. Wir alle, selbst ich, waren zutiefst erschüttert, weil wir den Menschen hinter dem Namen vergessen hatten. Als jemand, der Dumbledore mehr oder weniger kannte, wollte ich nur an seine Titel denken, an seine Brillianz - doch der Mann war alt!”

Ein leises Lachen ging durch das Publikum und auch Harry Potter schmunzelte.
 

“Auch er war einmal ein tollkühner Teenager, auch er hat wie jeder von uns Fehler gemacht. Der Mensch Albus Dumbledore war warmherzig, verständnisvoll, mutig, stark, optimistisch und an unserem Wohl interessiert - ein Mann, dem ich mein Leben zu verdanken habe. Das ist der Mann, an den ich denke, wenn ich seinen Namen ausspreche.

Harry Potter war gleich von Beginn an ein großer Name. Ein Name, der einen Krieg beendete. Er wurde gefeiert und bejubelt, obwohl es eigentlich meine Mutter war, welche diese großartige Tat vollbrachte, indem sie sich für mich opferte.
 

"Nichts von alledem ahnte ich als Kind und als ich von meiner Zauberernatur und meiner Brühmtheit erfuhr, überrumpelte es mich. Alles, was ich mir je wünschte, war ein normaler Junge mit fabelhaften Freunden und guten Noten zu sein. Aber mein Name war mir weit voraus. Er stellte Erwartungen an mich, er machte mir Vorwürfe. Im Laufe meiner Schulzeit machte er mich zu einem Versager, einem Lügner und Betrüger, was mich wütend machte. Manchmal jedoch war er auch der Funken Hoffnung, ein Anführer und Lehrer, der “Auserwählte” und dies war noch viel schlimmer als die Abneigung, denn was würde geschehen, wenn ich den Anforderungen meines Namens nicht gerecht werden könnte? Wenn ich nicht helfen konnte? Im Großen und Ganzen war ich ein einfacher Teenager, dem Voldemort ein verantwortungsreiches Leben in die Wiege gelegt hatte.
 

"Ich möchte mich nicht beschweren, keinesfalls. Damals jedoch kannte man nur Harry Potter, den Jungen, der lebt, den Auserwählten, den Leiter der Aurorenzentrale. Die meisten unter Ihnen kannten mich nur durch die Medien, kannten nur meinen Namen und das möchte ich ändern. Ich möchte, dass Sie den Mann kennen, der nun unsere Gemeinschaft anführen soll.

Ich bin Vater, Ehemann, Stammkunde bei Weasleys Zauberhaften Zauberscherzen und Flourish und Blotts, Schokofroschliebhaber - ich habe meine eigene Karte viel zu oft, falls sie noch in jemandes Sammlung fehlt. Doch seien Sie gewarnt: Ich sehe stämmiger aus, als ich bin.”


Erneut lachte das Publikum und klatschte hier und da vergnügt in die Hände.
 

“Am liebsten esse ich den Braten meiner Schwiegermutter und verfolge so viele Quidditchspiele wie möglich, wenn zwischen der Arbeit und meiner Familie Zeit ist, denn der Sport war schon immer meine Leidenschaft. Oft genug zanke ich noch mit meinen Freunden Ron und Hermine, ebenso sehr wie mit meiner Frau, die der Meinung ist, man solle lieber Bücher über mein Temperament als meine Jugend schreiben.

Ich bin kein Held, sondern ein Mann wie jeder andere, lediglich mit einer Art Verantwortung, die mein ganzes Leben auf meinen Schultern liegt. Ich trage die Verantwortung meines Namens, denn auch wenn er auf eine Weise verwendet wird, die mich nicht repräsentiert, so muss ich für meine Fehler geradestehen und mein Bestes geben, damit Sie wissen, wer Harry Potter ist und wofür er steht. Ich will Sie in meine Entscheidungen einbeziehen, ich will Ihre Meinungen hören. Ich will Erklärungen liefern, wo sie noch weiter benötigt werden. Ich denke in dieser Hinsicht hat mein Vorgänger Kingsley Shacklebolt einen grandiosen Start vorgelegt.
 

"In jenem Zusammenhang würde ich gerne die Bedenken ansprechen, die sich kürzlich geäußert haben. Wir unterstützen und regen Sie an, die Muggelgeräte, welche in den letzten Jahren den Zauberermarkt bereichert haben, zumindest auszuprobieren. Sie sind nicht als Ersatz, sondern als Bereicherung Ihres Haushalts gedacht und zur Vereinfachung des gemeinsamen Lebens. Zudem unterstützen wir den Kontakt zu Muggeln und das sichere Leben unter Ihnen. Anders als von vielen verstanden bedeutet dies NICHT, dass wir uns den Muggeln offenbaren wollen oder werden. Das Internationale Statut zur Geheimhaltung der Magie ist und bleibt in Kraft als eines der wichtigsten Gesetze unserer Gesellschaft. Sollte aus unwahrscheinlichen Gründen, eine Änderung dieser je in Betracht gezogen werden, so ist es selbstverständlich, dass dies in einer öffentlichen Debatte behandelt würde.
 

"Hinzu freue ich mich, verkünden zu können, dass wir eine engere Zusammenarbeit zwischen Schule und Ministerium anstreben, sodass wir die Bedürfnisse unserer anstrebenden Hexen und Zauberer verbessert erfüllen und ihre Ausbildung optimieren können. Hierbei werden alle Entscheidungen ausschließlich von der Schulleiterin getroffen, sowie es schon mit den seit längerem erfolgreichen AGs wie Tanzen, Kochen und Kunst, und anderen aus Schülerinitiative entstandenen Veranstaltungen geschehen ist. Somit werde ich mir auch weiterhin Zeit nehmen, um die Schule zu besuchen und Erweiterungskurse zum Thema Verteidigung gegen die Dunklen Künste zu halten. Bisher wurde außerdem beidseitiges Interesse an verbesserten Schwimmmöglichkeiten und einer breiteren Fächerwahl gezeigt. Ein System hierfür wird von Fachkräften beider Institutionen ausgeklügelt, bevor es zur Bewertung präsentiert werden kann.
 

"Meine Kinder sind mein größter Stolz und ich möchte ihnen sowie Ihnen garantieren, dass Sie Ihr Leben in einer gesunden und sicheren Gemeinschaft führen können. Es liegt sehr in meinem Interesse, das positive Verhältnis zwischen Ministerium und Gesellschaft durch regen Austausch und gegenseitiges Verständnis aufrecht erhalten und stärken zu können. Ihr Vertrauen in mich erfüllt mich mit Ehre und Stolz und ich werde mein Bestes tun, um den an mich gestellten Herausforderungen gerecht zu werden.

Ich bin Harry Potter, ein kleiner Mann mit großem Namen. Auf eine blühende Zukunft und gegenseitiges Kennenlernen. Vielen Dank!”

Nun brach ein tosender Beifall aus. Nach und nach erhoben sich die Zuschauer, während Harry Potter für Kameras grinste und seinen Kollegen die Hände schüttelte. Wenige Reihen weiter vorne drehte dessen Sohn, Albus Potter, sich um und schenkte seinem besten Freund seinerseits ein breites Grinsen. Der Potterspross applaudierte heftig und zwinkerte Scorpius zu, dann wandte er sich wieder in Richtung seines Vaters.
 

Das kurze Gefühl des Glücks und der Vertrautheit entschwand mit dem Moment, in dem Scorpius Malfoy seinen Kopf aus dem flachen Denkarium hob und in sein dunkles Wohnzimmer zurück taumelte. Sein Ohren klingelten noch von dem Tumult des Saales, den er virtuell besucht hatte. Diese Besuche in die Vergangenheit, nur um noch einmal das Gesicht seines besten Freundes zu sehen, markierten die jeweils erreichten Tiefpunkte in Scorpius Leben.

Die Chudley Canons machten eine Trainingspause und so gab es für ihn nichts zu tun. Rein gar nichts, außer auf seinen Galleonen zu sitzen und sie aus dem Fenster zu schmeißen. Mit seinen Team Mitgliedern war nichts anzufangen, da diese jede freie Sekunde mit ihren Familien oder Partnern verbrachten oder ihren Süchten nachgingen. In der Hinsicht war er wenigstens noch nicht ganz so schlimm dran. Es wurde erst beängstigend, sobald man die Namen und den Wert eines jeden Krauts kannte, dass derzeit schwarz vermarktet wurde und an den Punkt wollte er nicht gelangen. Um die Triste des Alltags auszublenden war eine schnelle Pfeife allerdings nicht zu verachten.
 

Vielleicht wäre er soweit auch gekommen, wenn sich nicht Rauchschwaden in seinem Wohnzimmerspiegel geformt hatten, die das Wort “Besuch” bildeten. Mit einer Mischung aus Missbilligung und Neugier legte er die Pfeife wieder zur Seite und stieg die, hinter einer kaum bemerkbaren Tür verborgene, Holztreppe hinab ins Apartment seiner Haushaltshilfe. Es war weitaus weniger luxuriös als sein darüber liegendes Loft, aber Ms Holling lebte keineswegs schlecht darin. Sie war der Engel, der für ihn putzte, einkaufte und kochte und er versorgte sie mit einem ordentlichen Gehalt, einem eigenen Apartment und einem guten Wein jede Woche. Die Düfte des Abendessens waberten durch die Luft und als er sie einsog, war er froh nicht geraucht zu haben.
 

“Mr. Malfoy, Ihr Gast wartet im Flur. Es ist ein junger Mann namens Earl Rockwood.”

Scorpius fiel die Kinnlade herunter.

“Unmöglich”, murmelte er und eilte zur Haustür. In der Tat stand dort ein Schrank von einem Mann, dessen Gesicht ein grimmiges Grinsen zierte.

“Ich glaube es nicht!”, rief Scorpius begeistert aus und zog seinen alten Freund absolut überwältigt in eine brüderliche Umarmung.

“Hey, Mr Malfoy.”, witzelte der Größere und seine Stimme war tief und rauchig.

“Mann, du klingst gefährlich.”, stellte Scorpius fest, woraufhin der andere ein kehliges Lachen ausstieß.

“Zeig mir schon deine Bude! Mal sehen, ob die von In-Fly deinem Palast gerecht geworden sind.”

“Ach, was! Die haben total übertrieben.”, tat er ab, führte seinen Freund aber in Richtung der Wand, wo auf sein Armwinken hin ein kreisförmiger Teil seines Loftbodens zu ihnen hinab sank, sodass sie darauf steigen konnten. Der frei schwebende Lift transportierte sie hinauf in sein Reich und verschmolz dort wieder mit den anderen Dielen.

“Krötenkack, das gibt’s nicht!” Scorpius zwinkerte seinem blaffen Freund zu.

“Alles Zauberstabfrei und ich kann ihn auch deaktivieren. Dann kommt man nur noch durch Ms Hollings Wohnung hier rein.”

“Wenn’s weiter nichts ist.”, murmelte Earl und wanderte begeistert von Raum zu Raum.

 

“Was für eine krasse Küche - als ob du je kochst!”

“Na na na, mal nicht so abschätzig. Ab und zu gibt es Menschen zu beeindrucken.”

“Ah, verstehe.” Sie grinsten einander an, dann war Earl wieder abgelenkt.

“Dein Wohnzimmer ist ja nur von Glas umgeben!” Gemeinsam sahen sie zur Westseite hinaus auf die beschäftigten Straßen, von denen man keinen Laut hörte.

“Nicht ganz. Von außen sieht es aus wie eine elegante, aber normale Häuserfront.”

“Natürlich, wie konnte ich nur etwas anderes annehmen.”

Earl ging zur anliegenden Glaswand und entdeckte sogleich den Pool im Garten.

“Was? Da könnte man ja vom Balkon aus reinspringen!”


“Ganz genau.”, bestätigte Scorpius ohne mit der Wimper zu zucken.

“Du Schnösel... Ich hätte so etwas eher bei Lysander erwartet als bei dir.”

Der Malfoy lachte. “Ach was, das hier ist nichts im Vergleich zu dem, was der sich leisten kann. Wie viele Firmen besitzt der jetzt?”

“Uff, frag mich nicht. Ich weiß nur, dass alles von dem gesponsort wird. Der dürfte mich ruhig mal sponsorn. Aber los, jetzt zeig mir das berühmt berüchtigte Bad!”
 

Der Wunsch war ihm Befehl und Scorpius positionierte sich hinter Earl, falls dieser umfallen sollte. Sprachlos starrte der Besucher in den Raum, bis er sich gefangen hatte.

“Wie passt das hier rein? Das ist ja riesig. Eine Regendusche? Tschuldige, Regenwalddusche? Warme Steine, ein Quellwaschbecken und was ist das? Noch ein Pool? Nein, soll das die Badewanne sein?” Earl beugte sich über das in den Naturstein eingelassene Becken.

“Warum schimmert das so?”, erkundigte er sich und beugte sich über den Rand des Beckens, bevor er die Antwort bekommen konnte. “Machst du Witze? DU HAST EIN AQUARIUM UNTER DEINEM FUSSBODEN?!”

“Pscht, Mann, sei nicht so laut.”, lachte Scorpius und klapste dem anderen freundschaftlich auf die Schulter.

“Ich glaub, ich spinne. So viel Luxus kann sich doch ein einzelner Mann nicht gönnen. Ich brauch erstmal was von der Pfeife, die ich in deinem Wohnzimmer gesehen habe.”

So machten sie es sich von der Abendsonne beschienen gemütlich und teilten das beruhigende Kraut miteinander, wie alte Freunde es eben taten.
 

“Hätte mir mal jemand gesagt, dass Quidditchspieler so viel Gold machen...”

“Ja, sag mal, wie läuft’s eigentlich bei dir? Und überhaupt, wie komme ich zu der Ehre deines Besuchs?”

Earl paffte etwas grünen Dampf aus.

“Ich wollte natürlich deinen Pool benutzen.”, scherzte er, bis er wieder etwas ernster wurde. “Ich habe meinen Job gekündigt.”

“Was? Wieso?”, fragte Scorpius überrascht und runzelte die Stirn, als sein Freund die Achseln zuckte. “Karriere hast du doch gemacht?

“Ja, du auch.” Verständnislos blickte Scorpius ihn an.

“Ich habe echt hart für die Karriere gearbeitet, während sie anderen nur so zuflog. Die Potters und Weasleys und Longbottoms und Scamanders und alle diese Leute, allein wegen des Namens will man die einstellen. Der Name ist Gold wert, aber Rockwood? Erklär das mal deinen Kunden, wenn so einer bei dir arbeitet. Der wird doch bestimmt nicht vernünftig arbeiten. Der wird nur Schaden bringen.”
 

Mit einem Mal war jede Unbekümmertheit aus Earls Stimme gewichen und Scorpius wurde klar, dass dies der Grund war, weshalb Earl zu Besuch gekommen war.

Du hast doch stets getan, was man von dir verlangt -


“Ja und niemand hat sich je bedankt.”, fuhr Earl dazwischen.

Und du wusstest nie, warum?

“Klar, wusste ich warum, Mann. Wegen meinem Namen, weil ich böse aussehe. Was kann ich für meine Statur und meine Augenbrauen? Ich war zuverlässig, hab mich angepasst, doch alle haben mich gehasst. Haben hinter meinem Rücken über mich gelacht.

“Das tut mir echt leid, Alter. Kann ich dir irgendwie helfen? Dir nen Job besorgen?”

Aufgebracht fuhr der Größere sich durch die Haare.

“Ich brauch keinen neuen Job, Scorp. Da ändert sich doch nichts. Überall, wo ich hingehe, bin ich vorbelastet. Durch mein Aussehen und meinen Nachnamen. Aber das ist es ja. Deshalb bin ich hier, weil du auf dem selben Besen sitzt!”

Scorpius lachte nervös.

“Eigentlich geht’s mir ganz gut.”

“Wie oft siehst du deine Arbeitskollegen?”, fragte Earl abrupt.

“Nicht so oft, die haben halt ne Familie und so -”

“Na und? Macht doch nichts? Da kann man doch trotzdem nen Arbeitskollegen zum Essen einladen, oder? Es ist spitze, dass du dem Team immer wieder zum Sieg verhilfst, aber da hört es dann auch schon auf.”

“Tja, dann ist das so, aber hör zu Earl, so leid es mir mit deinem Job tut, bei mir sieht das einfach anders aus.”
 

“Wieso hast du dann keine Familie?” Earls Worte wurden immer aggressiver, als wolle er verzweifelt Bestätigung in seinem alten Freund finden.

“Ich treffe Frauen, aber es passt eben nicht so.”

Du warst auch mal verliebt, doch das ist lange her - heute liebst du keine mehr und du wüsstest nicht, warum. Aber ich weiß es. Du hast dein Gefühl einfach getötet, irgendwann, damit dich nichts verletzen kann.

Nun braute sich auch in Scorpius die Wut zusammen.

“Was soll das, Earl? Du tauchst hier aus dem Nichts auf, um mich zu beleidigen?”, fragte er nun lauter. Unbehagen nahm seinen Körper ein.

“Warum tust du so, als sei nichts falsch? Wir haben beide das gleiche Problem, wir können einander helfen. Komm mit mir, Mann, ich habe einen Plan.”, drängte Earl.

“Wie oft soll ich’s dir noch sagen? Mir geht’s gut. Ich bin lange nicht so verbittert wie du!”

Der stämmige Rockwood stand auf und Scorpius tat es ihm nach.
 

Earl begann leise.

“Du bist reich, du bist berühmt. Du hast dein Ziel erreicht und jetzt stellst du fest, dass du trotzdem nicht glücklich bist. Weil es nicht so leicht ist, nur der zu sein, der du als Kind schon werden solltest.

“Wovon redest du?”, zischte Scorpius.

Denn was du erreicht hast, ist so zu sein, wie du als Kind nie werden wolltest. Nämlich allein. Ständig allein. Schrecklich allein. Ewig allein.

“Verlass mein Haus.”, befahl Scorpius, doch Earl’s Stimme baute ein Crescendo auf, während er wütend wegen dessen Ablehnung auf Scorpius zutrat.

Verdammt dazu, allein zu sein. Nicht mal mit deinem Freund kannst du ehrlich sein. Sieh dich doch um, sieh endlich ein: Du bist allein, du bleibst allein. Allein!

Seine tiefe Stimme dröhnte durch die Wohnung und Scorpius stürzte sich unbewaffnet auf ihn, doch im selben Augenblick, war der vor Zorn und Enttäuschung dampfende Earl mit einem Knall verschwunden. Scorpius stieß in seinem Hechtsprung gegen den Couchtisch, wobei er sich die Lippe blutig schlug. Eine Hand auf dem Mund blieb er auf dem Teppich liegen und Earls tiefer Bass hallte in seinen Ohren. Allein. Allein. Allein. Allein.
 

Die Wahrheit schwang nur für ihn hörbar in der Luft, gemeinsam mit dem köstlichen Geruch des Abendessens, das Ms Holling für ihn in seine Küche hinauf gezaubert haben musste. Dank der Schalldämpfung hatte sie keine Ahnung, was hier oben vorgegangen war. Mit Sicherheit würden zwei Portionen auf dem Tisch stehen. Sein Mund schmerzte unerträglich und eventuell hatte er mehr als nur seine Lippe verletzt. Alle Freude über Earls Erscheinen war verflogen, denn die wahre Grund für sie, war nun aufgedeckt. Nicht, dass er Earl jahrelang nicht gesehen hatte, sondern dass Scorpius allein war.
 

Denn was du erreicht hast, ist so zu sein, wie du als Kind nie werden wolltest.

Ich bin Scorpius Malfoy und mein Name wurde lange vor mir geboren. Er beschrieb die Laufbahn meines Lebens, unveränderlich von dem Moment an, indem Harry Potter den Dunklen Lord besiegte. Ich bin ein reicher Versager, ein berühmter Heuchler, ein ungeliebter Star. Ich bin ganz und gar mein Name.

Trotzdem

Die helle Morgensonne in den Augen wälzte Scorpius sich auf den Rücken. Sein Arm fiel über die Breite des Doppelbettes und traf auf kalte Leere. Kurz kniff er einmal die Augen zusammen und wünschte sich, sie würde den Montag nicht immer wie einen Montag erscheinen lassen, immerhin war für ihn noch Wochenende. Er hörte sie klar im Bad plätschern und griff nach der Zeitung, die sie ihm bereits neben das Bett gelegt hatte, wie jeden Montag.

Potter-Special las er sofort und erneut erfasste ihn Unmut. Dennoch konnte er nicht umhin, den Tagespropheten auf angegebener Seite aufzuschlagen.
 

Bereits eine Woche ist seit dem spektakulären 49. Geburtstag des nationalen Helden Harry Potter vergangen. Der einst jugendliche Freiheitskämpfer und Kriegsführer, der in jungen Jahren bereits so viel erreichte, geht nun auf seine Fünfzig zu. Wer die letzten dreißig Jahre auf dem Mond verbracht hat, mag sich wundern, was dieser Mann in seinem Leben erreicht hat, außer die Welt zweimal vor dem Untergang zu bewahren? - Als sei es nicht genug, dass wir ihm unser Leben zu verdanken haben!
 

Augenverdrehend ließ Scorpius die Zeitung sinken. Auf der nächsten Seite erweckten jedoch Fotos seine Aufmerksamkeit und er setzte wieder an.
 

Wie Minister Potter stets betont sind seine Kinder sein ganzer Stolz. Mit zwei vollausgewachsenen Zauberern und einer Hexe bereichert sein Nachwuchs auf entscheidende Weise unsere Gemeinde. James Sirius Potter, der Älteste, dessen schwarzes Haar in keinem seiner männlichen Vorfahren nachsteht, arbeitete nebst seinem Vater im Ministerium in der Aurorenabteilung. Auch wenn der junge Mann es erst nach der zweiten Prüfung zur Aufnahme brachte (es wird gemunkelt, die erste Prüfung sei absichtlich zu schwer angelegt worden, damit ihm keine Vorzugsrechte nachgesagt werden konnten), ist er ein Vorbild für nachkommende Schüler, von denen viele sich unterschätzen. Nach einigen Jahren im Einsatz setzte er seinem Erfolg die Krone auf, indem er die Kommuni-Spiegel erfand, die nun jedermanns Haus bereichern.
 

Interessanterweise erwähnte der Prophet nicht, dass James nur selten offizielle Arbeiten erledigte und fast keinem mehr zu Gesicht gekommen war. Ganz typisch, dass sie diesen Klan so in die Höhe lobten.
 

Der zweitälteste Sohn, Albus Severus Potter, der nach zwei grandiosen und berühmten Männern jüngerer Geschichte benannt ist, tut sein bestes den “großen Namen”, die ihm voranschreiten, gerecht zu werden. Er arbeitet im Außendienst und scheut weder Zeit noch Mühen, um internationale Verbindungen aufrecht zu erhalten und die Zauberergemeinschaft auf globaler Ebene zu vereinigen. (Anbei sehen sie ein Foto der letzten Woche, auf dem Mr Potter Junior mit dem Anführer eines Lateinamerikanischen Stammes zu sehen ist. Bei diesem Besuch wurden essentielle Verhandlungen abgeschlossen - siehe Tagesprophet Nr 178.)

Auch das Küken der Potterfamilie, Lily Luna Potter, ist den Medien keineswegs fremd. Ganz im Gegenteil trägt sie trotz des jungen Alters eines der meist abgebildeten Gesichter Großbritanniens, da sie als erfolgreiches Model tätig ist. Mehr und mehr Geschäfte hoffen auf einen Vertrag mit dem schönsten Potterspross, um den Erfolg der eigenen Marke zu garantieren. Mit und mit ist Lily Potter auch international bekannt und reist beinahe so viel wie ihr großer Bruder, wobei aber gemunkelt wird, dass Potter Senior die Tätigkeit seines Sohnes weit mehr unterstützte als die seiner Tochter.

“Verstehen Sie mich nicht falsch,”, erläuterte er für einen Autoren des Propheten, “ich bin mehr als stolz auf meine Tochter. In meinen Augen war sie seit ihrer Geburt die schönste Hexe Englands, doch als Vater hüte ich sie natürlich wie einen Augapfel. Ich denke, es ist mehr als verständlich, dass ich sie, gerade im jungen Alter, vor der Bewertung der Öffentlichkeit schützen würde. Es war mir stets ein Grauen, dass sie von der männlichen Hälfte der Bevölkerung, wir beide wissen ja wie es ist, als Objekt gesehen würde. Zu meiner Erleichterung musste ich aber erkennen, dass Lily eine sehr starke und reife Frau ist, die für ihre Ehre kämpft und für ihre Rechte einsteht.”
 

Genau diese von Potter gemiedene Bewertung übte Scorpius aus, als er das Bild des Pottermädchens studierte, auf dem sie ausgelassen in die Kamera lachte. In der Tat würde er mittlerweile nicht mehr zögern müssen, um zu sagen, ob sie eine Potter oder eine Weasley war, denn ihr Name und Gesicht waren so bekannt wie die Zauberscherze ihres Onkels.
 

Mit dem Namen Potter geht auch immer der einer weiteren alten Zaubererfamilie einher - der Weasleys. Während sie einst an ihren roten Haaren unverkennbar waren, mischt sich das Bild nun deutlich. Eine gerade uns sehr vertraute ehemalige Weasley ist mit Harry Potter verheiratet und die sportliche Mutter, seiner drei Kinder. Ginny geborene Weasley geheiratete Potter ist mit ihren Sportartikeln auch Teil unserer Verlagsfamilie und hütet ihre Abteilung ähnlich wie ihre Kinder, seit sie ihre Karriere als Sportlerin beendete.

Ihr Bruder Ron Weasley, zugleich auch bester Kindheitsfreund des Ministers, und dessen Frau Hermine Granger sind ebenfalls keinem im Lande unbekannt. Im Ministerium arbeitet sie ganz eng mit Harry Potter zusammen, während Mr Weasley die zweite Geschäftsniederlassung von Weasley’s Zauberhaften Zauberscherzen in Hogsmeade leitet und täglich zwischen England und Schottland hin und her reist. Die Sprösslinge dieses berühmten Pärchens sorgen zwar für nicht allzu viel Aufsehen wie es die Potters tun, jedoch arbeitete sich der jüngere, Hugo Weasley, mit Geschick an die Spitze der Abteilung für Internationale Angelegenheiten und Sport als Veranstaltungskoordinator beinahe jeder Versammlung unserer Gesellschaft.
Auch unter den anderen Weasleys dieser Generation, insgesamt zwölf Cousins und Cousinen, werden sie ihrem Nachnamen gerecht. Somit arbeitet Roxanne Weasley mit Tatendrang in der Mysteriumsabteilung, Victoire Weasley, liiert mit Potters Patensohn Lupin, führt ein beliebtes Café in der Winkelgasse, ihre Schwester Dominique Weasley arbeitet derzeit für das französische Ministerium und Molly Weasley ist in die Fußstapfen ihrer Tante Hermine gestiegen und schreibt in der ganzen Nation beliebte Bücher.
 

Scorpius runzelte die Stirn. Rose Weasley war mit keinem Wort erwähnt worden, doch ihr unverfehlbares Gesicht grinste nebst ihrem Bruder aus dem Propheten heraus.
 

“Was soll der grimmige Blick?”, fragte Jean, die mit einem Handtuch bekleidet sein Schlafzimmer betrat. Rasch legte er die Zeitung beiseite und versuchte sich von ihren gebräunten langen Beinen ablenken zu lassen. Jedoch fiel es ihm schwer.

Es ist nie vorbei.”, sagte er. “Es geht nie zu Ende.

“Was denn?”, erkundigte sie sich und band ihre feuchten Haare zu einem Knoten auf ihrem Kopf. Er selbst verschränkte die Arme hinter seinem.

Jede gute Tat, jede Heuchelei, es ist nie vorbei.”, murmelte er vermutlich mehr zu sich selbst als zu ihr. Ein paar Minuten lang stand sie bloß dort und cremte sich ein, während er sie beobachte, einen gewissen Missmut im Bauch. Wieso hatte er auch den Tag damit begonnen, verdammte Lobeshymnen über Englands Vorzeigefamilien zu lesen? Die Erfolgsgeschichten seiner ehemaligen Schulkameraden. Mit einem Blick auf die aufgeschlagene Zeitungsseite trat ein verstehender Ausdruck auf Jeans Gesicht. Sie war zwar manchmal ungemütlich und viel zu korrekt, aber sie war intelligent und aufmerksam.

“Nur weil dein Team ausnahmsweise nicht auf der Titelseite steht, brauchst du gar nicht eine solche Schnute ziehen.” Unberührt von seiner schlechten Laune schlüpfte sie in ihre Hose.
 

“Bleib hier.” Selbst Scorpius war sich nicht sicher, ob er bat oder befahl, ganz davon abgesehen, dass Jean sich nichts befehlen ließ.

“Wie du weißt, muss ich zur Arbeit.”, tat sie es ab.

“Wie du weißt, bin ich deine Arbeit. Wie viel zahlen sie dir?”


Mit gehobenen Brauen drehte sie sich um und stemmte verärgert die Hände in die Hüften. Sie waren Freunde und normalerweise hätte er sich entschuldigt, doch in diesem Augenblick verfestigte sich ein Trotz in seinem Kopf, der kindischer Weise nicht weichen wollte.

“Zügle deine Zunge, Malfoy.”, mahnte sie. “Wir können auch wieder auf Distanz gehen.”

Noch immer im Bett liegend rieb er sich den drei Tage Bart.
“Komm lieber wieder her.” Standhaft schüttelte sie den Kopf und klaubte ihre Kleider des vergangenen Abends zusammen, um sie in eine Tasche zu stopfen.

“Ich bin nicht dazu aufgelegt, dass du deine schlechte Laune an mir auslässt.”

“Du liebst meine schlechte Laune, deshalb hast du mir die Zeitung hingelegt.”, widersprach er hartnäckig und sie seufzte tief. Ernst sah sie ihm in die Augen.

Es hört niemals auf, aber es geht immer weiter, also bleib entspannt. Mach dir keine Sorgen, du bekommst die Chance wieder in Ruhm zu scheinen und sobald du wieder spielst, erwachen deine Fans zum Leben.”

“Es geht nicht um Fans.”, sprach der Trotz erneut aus ihm. Bitter beobachtete er, wie sie sich zum Gehen vorbereitete.
 

Bleib entspannt.”, wiederholte er ihre Worte mit deutlich anderem Ton als zuvor.

“Spät zur Arbeit zu sein, ist nicht gerade entspannend. Außerdem entspannst du genug für uns beide.” Dennoch hätte sie schon längst gehen können, das Gespräch abbrechen, ihn bis nächste Woche verwünschen können. Es gab zwei Dinge, die Scorpius Malfoy lagen: Quidditch und Frauen. Wenn er spielte, dann gewann er auch.

“Setz dich auf die Couch.”, wies er leise aber neckend an und sie quittierte es mit einem weiteren Seufzen, während sie in ihrer Tasche hektisch nach etwas wühlte.
“Wo ist mein Kalender?”, fragte sie zurecht anklagend, denn sobald sie die Worte ausgesprochen hatte, entdeckte sie das kleine ledernde Buch zwischen Scorpius Fingern. Lässig richtete er sich vom Bett auf und rutschte von dessen Kante.

“Malfoy, ich hab keine Zeit.” Nun war sie sichtlich genervt. In ihm breitete sich hingegen eine tief zufriedene Ruhe aus.

Setz dich auf die Couch.”, wiederholte er und grinste leicht. Je näher er ihr kam, desto mehr konnte er sehen, wie ihr Gesicht darum kämpfte, verstimmte Züge beizubehalten.

“Ich will mich nicht setzen.”, entgegnete sie zurück weichend, als er vor ihr nicht Halt machte.


“Dann lehn dich an die Wand.”, bot er an, denn in just dem Moment erreichte sie rückwärts die Tapete, während Scorpius bloßer Körper sie von vorne einschloss.
 


 


 


 


 

Und ich sag dir, sei mal nicht so ein Erbsenzähler. Es ist klar, jeder macht mal Fehler!” Kenneth Bailey lehnte mit lässig verschränkten Armen an der Kante seines Schreibtisches, auf dem sich die Arbeit türmte, mit der er sich beschäftigt hatte, bevor seine Kollegin das Büro gestürmt hatte.

“Ich habe das ganze Wochenende an diesen bescheuerten Akten gesessen, weil irgendwer zwei Fälle vertauscht hat.”, entgegnete sie ungläubig und wedelte mit einem Stapel Hefter in seine Richtung. Kenneth musterte sie amüsiert, während sie sich vom Herzen redete, was offensichtlich die letzten drei Tage konstant an ihr genagt hatte.

“Das kann doch nicht so schwer sein. Wenn Trudy gleich kommt, werde ich mich erstmal mit ihr unterhalten. Hier ist nie wirklich so viel Betrieb, dass einem solche Fahrlässigkeiten unterlaufen sollten.” Wie ein Wasserfall reagierte sie sich mit ihrem Redeschwall ab und damit hatte sie im Prinzip begonnen, als sie eine Viertelstunde vor Arbeitsbeginn eingetroffen war. Momentan trug sie einen blass mint-grünen Umhang, so wie er, den sie bereits zuhause übergeworfen haben musste, denn normalerweise wechselte sie erst hier aus ihrer Freizeitbekleidung heraus. Ihr rotes Haar trug sie an diesem Tag zu einem glatten Zopf, jedoch war er durch all die Aufregung ein klein wenig zerzaust. Bis auf wenige Ausnahmen wie diese, verlor Rose Weasley nur selten die Fassung auf der Arbeit. Für gewöhnlich war sie gefasst, gut gelaunt, organisiert und stets bereit Verständnis oder Sympathie zu zeigen. Bei Ausnahmen wie dieser ließ sie ihre Kollegen allerdings Teil an ihrem Leben außerhalb der Praxis haben.
 

“Letzte Woche war die entspannteste Woche, kaum kritische Fälle, eher Präventivpatienten und ich hatte mich so gefreut, das Wochenende in vollen Zügen zu genießen.”

Zwischen Bergen gibt es immer Täler.”, gab er zu bedenken.

“Was?”, fragte sie verwirrt und er zuckte nur mit den Achseln, konnte aber die Bewegung um seine Mundwinkel herum nicht verbergen.

“Ken, du könntest mich schon mal trösten, statt dich über mich lustig zu machen.”, beschwerte Rose sich, bis ihre Augen groß wurden und sie mit zügigen Schritten auf ihn zuhielt.

“Mr. Bailey, muss ich gerade feststellen, dass du mein gesamtes Wochenende in Anspruch genommen hast?”

“Irgendwie musste ich es ja schaffen.”, witzelte er, doch sie war so fassungslos, dass sie ihn gar nicht hörte. Erneut tat sie einen Schritt auf ihn zu, langsam zu ihrer Rage zurück findend und bevor er sich ernsthaften Ärger einhandeln konnte, zog er eine Dose mit Eiscreme aus der Tasche bei seinen Füßen und hielt sie ihr entwaffnend vor die Nase. Abrupt blieb sie stehen.

“Eis.”, stelle sie verwirrt fest.

“Nein, nein, da hast du dich vertan. Dies hier ist eine Entschuldigung.” Nun war Rose noch sprachloser und begann dann befreiend zu lachen. Zufrieden mit sich selbst hielt er ihr das Eis weiter entgegen, bis sie es schließlich annahm.


“Das hier also für ein ganzes Wochenende Verzweiflung und Recherche.” Gespielt argwöhnisch betrachtete sie die Dose in ihrer Hand.

“Das hier, weil ich ein fabelhafter, umgänglicher, zu lobender Superchef bin, dem es keine Freude bereitet, seinen Mitarbeitern unnötig Arbeit aufzuhalsen.”

“Ich sehe, was du tust.”, antwortete sie amüsiert.
 

“Wenn es nach mir ginge, würde ich dich natürlich aus fragen, aber da wir beide wissen, dass das außer Frage steht, war ich sogar da so höflich, dir die Peinlichkeit zu ersparen.”

“Gut.”, lobte sie, während sie das Eis zur Aufbewahrung in sein Gefrierfach steckte. “Noch einmal hätte ich dich nur ungern abblitzen lassen. Das ließe ja den Eindruck erscheinen, du hättest keine anderen Optionen.”

Tadelnd schnalzte er mit der Zunge.

“Ich sollte dir wirklich Manieren beibringen.”

“Solltest du.”, stimmte sie vollen Ernstes zu.

“Und trotzdem wirst du einmal mit mir ausgehen müssen.”

“So?”, fragte sie überrascht von der Tür aus und er deutete auf seinen Terminkalender.

“Auf deine Bitte hin habe ich den Irren aus Ruthford angenommen und er ist der absolute Horror.”, flüsterte er, da mittlerweile weitere Kollegen eingetroffen waren.

“Du bist ein wahrer Held, Ken.” Kichernd verschwand Rose auf den Flur hinaus.
 


 


 


 


 

“Dominique, ma cherie! Du siehst aus wie eine Göttin.”

Die Angesprochene richtete sich auf und kramte schnell ihre Haare und rückte ihr Kleid zurecht, denn bis zu diesem Augenblick hatte sie auf dem Fußboden gehockt und versucht ihren lang verschollenen Lieblings-BH unter dem Bett hervor zu retten.

“Claude, was für eine Überraschung.” Sie ließ sich von ihm in eine Umarmung ziehen und ertrug endlose Küsse auf beide Wangen, bis er den letzten schmatzend auf ihrem Mund platzierte und ihr augenblicklich übel wurde. Dies verbarg sie unter ihrem Signaturstrahlen.

“Ich habe gehört, du reist ab. Quelle tragédie!”


“Ach, na ja, es stand ja schon lange fest, dass ich mir mal etwas anderes ansehe.”


“Bien sur, aber ich habe gehört, du fliegst nicht nach Kanada?”

“Nein, nein, nach England.”

Claude schlug übertrieben erschrocken die Hände vor den Mund. Für die Franzosen war Kanada, das Möchtegern-Frankreich, schon schlimm genug gewesen. In England sahen sie jedoch einfach nur ein graues nasses Loch auf der Landkarte. Sie lächelte entschuldigend.
 

“Angleterre, quelle tragédie!”, kommentierte er und murmelte weiter auf französisch, wie leid es ihm täte, bis Dominique ihn laut übertönte.


“So schlimm ist es nicht. Ich werde endlich wieder die Gelegenheit haben, meine Familie zu sehen und außerdem habe ich meine Meinung für meine Freundin geändert. Sie braucht meine Hilfe.”

“Ah, nun, es gibt stets ein morgen, also gib nie auf, mignonne Dominique. Weil auch dein Tag kommt, freu dich schon drauf, denn es ist so.” Freundlich verbarg sie ihre Verstimmtheit unter dem fest gemeißelten Lächeln und ertrug erneut seine ‘bises’, unter der Aussicht, dass sie diesmal den Abschied bedeuteten.

“A bientôt!”, rief er süßlich beim Hinausgehen und sie kniete sich wieder auf den Boden, um ihren BH zu finden. Innerhalb von einer halben Stunde musste sie alles gepackt haben und es lag noch das gesamte Zimmer vor ihr. Wenn wenigstens nicht alle ihre Kollegen persönlich vorbeikämen, um sich ach so herz-zerrissen von ihr zu verabschieden, wäre sie lange fertig. Es erschien ihr beinahe so, als wüssten die anderen, wie viel Arbeit noch vor ihr lag, bis sie am nächsten Tag den Heimweg antreten konnte.
 

Sicher genug flog erneut die Tür auf. Zumindest befand Dominique sich bei diesem Überfall bereits in einer präsentablen Position, doch es war nur ihre Praktikantin Charlotte, die ganz aufgeregt mit einer Zeitung wedelte.
“Mademoiselle Delacour, sie haben es schon wieder getan.”

“Beruhige dich, Charlotte, und dann sag mir, wovon du sprichst.” Theatralisch wie alles, was durch den Komplex des Ministeriums wandelte, atmete sie dreimal tief ein und aus und reichte dann mit bedeutungsschwangerem Blick die Zeitung weiter. Es war der Tagesprophet mit einem Special zu ihrer Familie, in welchem Charlotte einen Satz hervorgehoben hatte:

“... ihre Schwester Dominique Weasley arbeitet derzeit für das französische Ministerium...”, las Dominique, verdrehte die Augen und stemmte die Hände in angemessener dramatischer Manier in die Hüften.

“Incroyable! Wie oft habe ich diesen Leuten schon geschrieben, dass ich meinen Namen habe ändern lassen? Anstatt darüber einen Artikel zu bringen, ignorieren sie mein Anliegen, damit sie nur für die Publicity “Weasley” benutzen können.”

“Absolut incroyable!”, stimmte Charlotte zu.

“Ja, merci beaucoup, ich schreibe noch einen Brief.”


“Soll ich das für Sie erledigen?”, bot die Praktikantin an.

“Nein, nein, ich mache das schon.”

Damit verabschiedete sie sich und endlich herrschte noch einmal Ruhe im Raum, die sie allerdings jetzt dafür nutzen musste, den Redakteuren des Tagespropheten erneut die Leviten zu lesen.
 

Gerade nachdem sie den ersten Satz vollendet hatte, ging die Tür erneut auf und sie musste stark an sich halten, nicht die Fassung zu verlieren.

“Mademoiselle, ich bin es noch einmal. Pardon für die Störung.”


“Kein Problem, Charlotte, was gibt es denn?”

Das Mädchen sah schüchtern zu Boden und sofort wusste Dominique, dass jetzt etwas kritisches folgen würde. Charlotte sah immer so aus, wenn sie etwas sagte, dass sie nicht sagen sollte, etwa weil es streng vertraulich war, oder weil es Dominique unangenehm sein könnte.

“Ich wollte Sie nur daran erinnern, dass Sie einen Zauberstab haben. Zum Packen, Mademoiselle Delacour.”

Tatsächlich verschlug es der Angesprochenen die Sprache, dann lachte sie herzlich.

“Danke, Charlotte.”, sagte sie aufrichtig und das Mädchen verschwand erleichtert wieder auf dem Flur.
 


 


 


 


 

“Grace! Ich bin wieder zuhause.”, kündigte Rose sich an und kickte ihre Schuhe von den Füßen. Ihre Mitbewohnerin ließ ein Geräusch verlauten, um ihre Position im Wohnzimmer anzukündigen. Dort saß sie, genüsslich an einem Kracher lutschend, auf dem Sofa und lackierte ihre Fußnägel. Den Kracher in der Backe grinste sie Rose an und beendete ihre Arbeit am linken kleinen Zeh.

“Du siehst entspannter aus.”, stellte die Weasley fest. “Ist mit Milly alles wieder gut?” Nach einer Inspektion der Süßigkeitenbox entschied Rose sich ihrerseits für einen Kracher. Grace zuckte zur Antwort die Achseln.

Mach es wieder gut, mach dich endlich frei von den Schuldgefühlen. Es ist nie vorbei.”, riet sie ihrer Mitbewohnerin, doch Grace lutschte nur auf dem Bonbon.

“Weißt du, eigentlich ist es gut so.”, sagte sie dann. “Ich glaube, ich habe mich damit abgefunden und Milly auch. Wir haben noch mal Kaffee getrunken und es war nicht das gleiche. Ich denke, es ist schon vorbei.”

Überrascht hob Rose die Augenbrauen. “Wow, das hatte ich nicht erwartet. Aber solange es dir gut geht... Sag mir bloß Bescheid, wenn du wen brauchst okay?” Grace nickte lächelnd und nach einem kurzen Blick durch die Wohnung fügte Rose hinzu: “Bis dahin sollte ich wahrscheinlich mal versuchen, Ordnung in diese Höhle zu bringen.”

Die Restenergie des Tages nutzend stand sie auf und begann mit dem Unmöglichen.

“Ich gebe dir zehn Minuten, dann gibst du den Geist auf.”, kicherte Grace und vermalte sich dabei, woraufhin sie genervt zischte.
 

“Hat sich dein Aktendrama eigentlich aufgeklärt?”

“Oh ja!”, bestätigte Rose halb amüsiert. “Es war natürlich Kenneth, der es versemmelt hat. Wenigstens hatte er den Anstand sich mit Eiscreme zu entschuldigen.”

“Das zeugt doch von einem wahren Gentleman.”, zwinkerte Grace und Rose runzelte verwirrt die Stirn.

“Was soll dieser Unterton? Er ist sowieso total komisch in letzter Zeit und fragt mich ständig aus.”

“Das ist natürlich ganz schrecklich.”, triezte Grace. “Ich denke auch, dass du dich mehr unter die Leute mischen solltest.” Allerdings zog ihre Unschuldsmiene nicht. Immerhin war es Roses Job die verborgenen Gefühle und Motive von Menschen zu identifizieren und so zögerte sie keine Sekunde lachend ein Kissen durch den Raum zu werfen.


“Du bist so hinterhältig, Grace Parrish! Hast du ihn etwa darauf angesetzt, mich zu einem Date zu bewegen, damit du Recht behältst?”

“Vorsicht, mein Nagellack!”, protestierte Grace und versuchte ihr Gegenüber ernst anzusehen, konnte ihr Amüsement jedoch kaum verbergen.

“Zugegebenermaßen habe ich es vielleicht mal erwähnt, so nebenbei. Aber ich musste ihn kaum zwingen! Er findet dich wirklich süß.”


“Er ist mein Chef!”, schnaubte Rose, woraufhin die Augenbrauen der Anderen verheißungsvoll in die Höhe schossen.

“Wenn dir keine bessere Ausrede einfällt, habe ich prinzipiell gewonnen. Dass er dein Chef ist, spricht umso mehr dafür!”


“Das ist echt lieb von dir, Grace, aber um ehrlich zu sein, bin ich nicht der Typ für Affären.”, murmelte Rose und wandte sich wieder dem sie umgebenden Chaos zu.
 


 


 


 


 

Nach einem Besuch seiner Eltern zu seiner eigenen Bleibe zurückzukehren, machte für Carl fast keinen Unterschied. Von einem Wohnsitz über dem Tropfenden Kessel wanderte er nur ein paar Straßen weiter zu seinem Heim über dem Agrippa. Es lag in der Nähe der Nocturngasse und war anders als seine darüber liegende Wohnung, dunkel, grungy und meist von lauter Musik und ausgelassenen Gästen erfüllt.

Jetzt schienen nur noch ein paar restliche Kerzen darin, die Stühle waren auf die Tische gestellt, während Besen und Putzeimer ihre Arbeit taten und hinter dem Tresen kümmerte sich eine blass-blonde Frau, um den Abwasch der Gläser. Beim Geräusch der sich schließenden Tür sah sie fröhlich aber müde auf.
“Herr Longbottom, du bist aber spät zurück.”, grüßte sie neckend und nahm eines der frisch gespülten Gläser wieder heraus, um ihm einen Koboldschnaps zum Abend einzuschenken. Missbilligend schüttelte er den Kopf, nahm aber auf einem Barhocker Platz und sah sie über den Tresen hinweg an. Wie immer auf der Arbeit trug sie schwarze, ihrer Figur schmeichelnde Kleidung, welche einen harten Kontrast zu ihrer hellen Haut und Haaren bildete, doch die Kundschaft wertschätzte den Aufzug. Er selbst sah sie lieber in Strickpullovern oder Leinenhaushosen. Selbst ihre normale Alltagskleidung, wenn auch teilweise anstößig, gefiel ihm weit besser als der Baraufzug.

Seinen Blick ignorierend stieg sie mit den Füßen auf die Ausbuchtung des Tresens, lehnte sich hinüber und küsste ihn auf die Lippen. Weich wie immer, der Atem eine Mischung aus Minze und Maya-Rum und ihre durchdringenden Augen wie meist geöffnet.
 

“Wie ist das passiert? Wie hast du das hingekriegt?”, hatte sein Arbeitskollege Wouter gefragt, nachdem er Carls Freundin das erste Mal gesehen hatte. Sie war an ihrem freien Tag bei ihm auf die Arbeit gekommen, weil er seinen Tee vergessen hatte. Sie hatte dunkelgrüne hochhackige Schuhe getragen, eine enge Lederhose, eine durchscheinende Bluse und einen dünnen Umhang getragen. Jeden Anblick, den er auf sie erhielt, wollte er für immer in seinem Kopf behalten. Denn er hatte keine Ahnung, wie dies passiert war. Was er getan hatte, um mit dieser Frau zusammenleben zu dürfen.
Lindsey war anders als die Art Frau, mit der ihn der Rest der Welt vermutet hätte. Sie war stark mit ausgeprägten Meinungen, sie konnte oberflächlich sein, kalt, abschätzig. Sie war ein Mensch der Parties liebte, genauso wie Skandale und eine Frau, die nur wenig ernst nehmen konnte. Zudem war sie wunderschön. Jeder, den er kannte, zweifelte an der Dauerhaftigkeit dieser Beziehung. Manchmal tat er es auch, in seinen dunklen Stunden, wenn man behaupten könnte, es gäbe solche für ihn. Wahrscheinlich waren es eher ihre dunklen Stunden, in denen er so dachte, weil sie ihm Angst machten.
 

Und da ist sicher noch ein paralleler Lebensweg.”, hatte sie eines Abends gesagt, während sie philosophierend auf dem Teppich lagen und über das Schicksal sprachen. “Ich weiß, das klingt jetzt schräg, aber ich glaube, es wär doch ein Privileg, ihn zu finden und dann weiter drauf zu gehen. Zu sehen, wie das eigene Leben wäre, wenn man ein paar andere Entscheidungen getroffen hätte.”

Solche Entscheidungen, wie nicht mit ihm zusammen zu sein. Er verstand nicht, was sie in ihm sah. In solchen Momente blickte er zurück und sah die Jahre, in denen man ihre Beziehung nicht mehr als ein gelegentliches Techtelmechtel hatte nennen können. Die Jahre in denen er die Warnungen seiner Freunde und Familie beiseite geschoben hatte, bis sie einander irgendwann jeden Tag sahen. Bis sie irgendwann einfach beieinander wohnten, er nicht mehr auf Dates ging und Lindsey keine anderen Männer mehr traf. Plötzlich ohne sich dafür zu entscheiden, war er glücklich geworden.
 

“Grübelst du schon wieder?”, fragte Lindsey, die sich auf ihre Seite zurückgezogen und mit dem Abwasch fortgefahren hatte, offensichtlich enttäuscht über die geringe körperliche Beachtung, die er ihr schenkte.


“Ja, tut mir leid. Aber du weißt ja, dass diese Outfits einfach keine Wirkung erzielen können bei mir.” Entgegen seiner Erwartung grinste sie jetzt schelmisch.

“Vielleicht funktioniert es ja, wenn ich es ausziehe.”

“Willst du mir nicht erzählen, wie dein Tag war? Oder mich nach meinem fragen?”

Die Gläser spülten sich selbst weiter und sie trat in Richtung der Treppe die zu ihrem Apartment führte. Mit dem Rücken zu ihm zog sie den Reisverschluss ihres Oberteils hinunter, sodass ihre Haut sich vor ihm entblößte. Gerade so, dass er ihre roten Lippen erspähen konnte, drehte sie den Kopf zurück zu ihm und sagte: “Ich erzähle dir mehr, nachdem der Abend auch schön war.”

Sachte den Kopf schüttelnd kippte er sein Getränk hinunter und folgte ihr die Treppe hinauf mit der Sicherheit, dass sie im Laufe des Abends ein paar Gläser in der Bar zerbersten hören würden.
 


 


 


 


 

Aus mehreren triftigen Gründen fühlte er sich schlecht bei seinem Vorhaben. Zum einen war es sehr spät und zum anderen war er viel zu lange fort gewesen. Aber seine eigene Vorfreude war einfach zu groß, um den Moment weiter hinauszuzögern. Den Weg in die Wohnung fand er gut, denn zu seinem Glück waren die Passwörter nicht geändert worden und seine Stimme war noch immer willkommen. Die Wohnung erschien still und die Obstplatte auf dem Esstisch war nicht angerührt worden, bis auf eine Erdbeere vielleicht. Mit weiterem Skrupel trat er auf das Schlafzimmer zu und klopfte beschwingt. Das schlechte Gewissen konnte er in den Wind schlagen, immerhin war dies ein historischer Moment in ihrer Freundschaft. Nach kurzem Rascheln und Getuschel, seine Vermutung traf also zu, hörte er ein “Wer zur Hölle ist da?”.

Nun konnte nichts das Grinsen von seinen Lippen wischen und er öffnete voller Elan die Tür. Dann entglitt ihm ein kurzes vergnügtes Schnauben, denn er hatte doch nicht ganz Recht behalten. Scorpius saß nicht mit einer, sondern mit zwei Frauen im Bett. Beide bildschön natürlich obwohl mild verwundert, während Scorpius Miene von Bestürzung, zu Freude zu Fassung wechselte.
 

“Ladies, darf ich vorstellen: Lang verschollener, vermeintlich bester Freund und Albus, dies sind Sonntag und Montag.”

Verlegen wuschelte Albus sich durchs Haar. “Vermeintlich bester Freund also? Autsch, das tut weh.”

“Verdienterweise.”, konterte Scorpius und deutete an, dass Albus sich umdrehen solle, damit die drei sich ankleiden konnten.

“Also, es ist Montag, wieso hast du dann zwei Wochentage zu Besuch?”, erkundigte der Gast sich, um die Bekleidungsstille zu überbrücken.

“Wie das so ist, konnte Jean, das ist Sonntag, sich nicht losreißen heute morgen -” Ein dumpfes Geräusch deutete an, dass eben jene dem Lebemann mit dem Kissen eins übergezogen hatte. “Daher ist sie den ganzen Tag geblieben und Gail, das ist Montag, ist pünktlich gekommen.”

“Ah, ja, ich hoffe, ich habe hier nichts unterbrochen.”

“Keine Sorge.”, versicherte, wie es ihm schien, Jean. “Ich sollte eigentlich vor 12 Stunden auf der Arbeit sein.”

“Verstehe.”, grinste Albus. Als er sich wieder umdrehen durfte, sah er wie Gail seinem Freund einen fragenden Blick zuwarf und er schien die Fragen mit einem “Du kannst auch gehen” zu beantworten, denn sie zog sich nun ein T-Shirt über.
 

“Al!”, sprach ihn Scorpius an, nachdem die Frauen sie verlassen hatten. “Womit verdiene ich die Ehre?” Sie zogen einander in eine brüderliche Umarmung.
“Was für eine Ehre? Ich bin heute erst wieder angekommen, um meinen besten Freund zu besuchen. Der...” Albus zögerte, denn erst jetzt bemerkte er den Ausdruck auf Scorpius Gesicht und inspizierte schnell den Rest des Zimmers. “... total high ist.”

Zustimmend grinsend nickte Scorpius ihm über die Schulter zu, denn er wanderte jetzt, nur mit einer Jeans bekleidet, in die Küche zu dem zuvor vernachlässigten Obstteller.

“Scorp, ist bei dir alles klar?”

“Sicher.”, antwortete dieser. “Ich vergnüge mich nur. So wie du, nur verschwinde ich nicht monatelang dafür.”

Erneut verlegen kratzte Albus sich am Kopf. “Ja, war echt der Hammer dieses Mal. Lateinamerika, sind da auf ne total durchgedrehte Zauberergemeinschaft getroffen. Die zaubern noch durch Opfergaben und sind total intelligent, deswegen war es bisher auch so schwer, mit ihnen in Kontakt zu treten. Wir haben schon ein paar Handelsverträge abgeschlossen, das hast du vielleicht bei der Alkoholauswahl festgestellt?”

“Nee.”, wehrte Scorpius knapp ab.
 

“Hey, es tut mir leid, von da aus ist es nicht so leicht sich zu melden. Ein Papagei aus dem Amazonas wäre wohl kaum durch die Kontrollen gekommen und das Ganze hat sich einfach so ewig in die Länge gezogen. Aber jetzt bin ich hier und du bist meine erste Anlaufstelle.”

Daraufhin musste Scorpius so sehr lachen, dass er sich beinahe an der gerade verspeisten Traube verschluckte.

“Du warst noch nicht bei Longbottom?”

Ertappt grinste Albus und sah seinen besten Freund dann ernst an.

“Das ist auch ein Grund, warum ich hier bin. Ich habe Neuigkeiten.”

“Oh man, ihr habt euch getrennt?”, fragte Scorpius nicht wissend, ob er sich freuen, oder traurig sein sollte, wenn auch beides eher gestellt wäre.

“Bei Merlins Barte, nein, natürlich nicht! Aber allen ernstes, das ist mir jetzt wichtig.”

Sich für alles wappnend schluckte Scorpius und erwiderte den Blick des Potters dann.
 

“Ich werde Amy heiraten. Ich habe ihr heute den Antrag gemacht.” Wie immer grinste Albus absolut überschwänglich und Scorpius nickte nach einer kurzen Verdauungspause.

“Ah, krass, gut gemacht.”

“Du freust dich nicht?”, erkundigte Albus sich enttäuscht und runzelte die Stirn, denn offensichtlich und vermutlich auch zurecht, hatte er eine etwas andere Reaktion erwartet.

“Doch, ist super! Hochzeit!” Der Blonde stieß die Faust in die Höhe und brachte sich damit beinahe zum Sturz vom Stuhl. Albus musterte ihn gründlich.

“Okay, Scorp, das probieren wir wann anders noch mal, mit echtem Enthusiasmus dann. Jetzt kramen wir erstmal den guten Schnaps raus und du erzählst mir, welcher Gnom in deinen Garten geschissen hat.”

Living Hell

“WAS?!”

Dort stand sie, die Perfektion in Person. Ihr zarter Mund war zu einem runden O aufgeklappt, ihre Bambi Augen starrten ihn groß an und ihr Haar war eine goldene Mitte aus elegant und legere. Der Schock hatte sie so tief ins Mark getroffen, dass sie erschüttert Halt auf einem Stuhl suchte.

“Wieso? Ich verstehe das nicht.” Nachsichtig ging Hugo vor ihr in die Hocke und nahm ihre Hand in seine.

“Es tut mir wirklich leid, bitte, sei mir nicht böse.”

Ihre Nasenflügel zitterten zart und ihm entging nicht wie sich Tränen über ihrem Unterlied sammelten.

“Aber es war doch alles perfekt mit uns. Es hat doch gut funktioniert!”

“Ich habe bisher alles für dich getan und mich immer für dich rein gehangen. Dein Wohl ist mir das wichtigste auf der Welt.”

“Ja, genau. Deswegen macht das überhaupt keinen Sinn.”, fuhr Lily ihm dazwischen. Sie suchte nach Zustimmung in seinen Augen, doch er gab sie ihr nicht.
 

“Deswegen macht es perfekten Sinn. Ich bin ein Eventmanager, ich bin in beinahe jede Veranstaltung involviert, die Großbritannien auf dem Deckel hat. Mein Job spannt mich voll ein und du, bald Englands Nummer Eins Model, brauchst jemanden, der dich gebührend vertreten kann. Du brauchst einen vernünftigen Agenten. Jemanden, der die Kontakte hat und vor allem die Zeit, sich darum zu kümmern.”

Traurig sah sie auf ihn hinab.

“Du weißt, ich würde meine Arbeit für dich nicht aufgeben, wenn es nicht wirklich das beste wäre, Lil.”

Unterstützend fuhr er mit dem Daumen über ihren Handrücken und wandte den Blick keine Sekunde von ihrem.

“Hugo...”, bat sie quengelnd. Als er nicht darauf einging sah sie an die Decke, um die Tränen am Fließen zu hindern. Dann seufzte sie unzufrieden.

“Ich kann doch nicht agentenlos durch die Gegend laufen. Ich brauche dich Hugo. Ohne dich bin ich niemand!”

“Das ist doch Unsinn, Lily. Wieso sollte ich so viel für dich tun, wenn es das nicht Wert wäre? Du hast es drauf, bist wunderschön und zielstrebig. Das hättest du auch ohne mich geschafft, aber ich wollte Teil deines Glücks sein.”
 

Seine Schmeicheleien waren ihr unangenehm und so stupste sie ihn leicht an.

“Hör schon auf, damit kannst du dich auch nicht retten. Wo soll ich jetzt wen finden?” Nun lachte er auf.

“Glaubst du etwa, darum hätte ich mich nicht längst gekümmert?”


“Du hast dir schon jemanden rausgesucht?”, fragte sie ungläubig.

“Freitag ist der Termin.”

Endlich überzeugt schlich sich ein Lächeln auf ihr Gesicht und sie zog ihn in ihre Arme.
“Hugo, du bist der Beste! Was würde ich nur ohne dich tun?”

“Wahrscheinlich genau dasselbe, aber schön, dass du mir alles anrechnest.”, murmelte er in ihr Haar.
 


 


 


 


 

Oh, England! Von wegen grau und trist und nass, dachte Dominique spöttelnd, während sie geradezu durch die vertrauten Straßen Londons tanzte. Zurück zu sein, war das Schönste der Welt, so wenig sie es erwartet hatte. Bei ihren bisherigen Wochenendbesuchen hatte sie es kaum geschafft die Hälfte der Leute, die ihr wichtig waren, zu sehen. Geschweige denn einen gemütlichen Spaziergang zu machen! Eigentlich hatte sie die meiste Zeit mit Corban verbracht, dies jedoch niemandem verraten, weil sich ihre Beziehung bisher auf eine Affäre beschränkt hatte. Ihr längerer Aufenthalt würde diese Umstände mit Sicherheit ändern.

Keineswegs unabsichtlich war sie nicht direkt in den Tropfenden Kessel appariert, sondern genoss den kurzen Spaziergang zum Straßeneingang des Pubs. Nie hatte sie sich so gefreut, eine derart stickige, dunkle Örtlichkeit zu betreten.

Seit Mrs Longbottom und nicht Tom den Laden schmiss, war es zwar deutlich sauberer geworden, doch die wenigen Fenster hatten sich nicht vermehrt und auch die düster schrägen Ecken waren nicht begradigt worden. Genau das machte seinen herrlich bekannten Charme aus. Dominique fühlte sich pudelwohl, sich einen Weg durch das vielseitige Klientel zu bahnen. Manche Zauberer machten den Muggelgeschichten wirklich alle Ehre.
 

“Dominique!”, rief Mrs Longbottom aufgeregt und eilte auf sie zu. Freudig umarmten die Frauen sich und richteten einander Beglückwünschungen und Komplimente aus.

“Du bist bestimmt unterwegs, dich mit meiner Amy zu treffen, nicht wahr?”, fragte die ältere Frau augenzwinkernd und Dominique bejahte, woraufhin ihr viel Spaß gewünscht wurde.

Obwohl sie den Pub nicht als beengend empfunden hatte, fühlte sie sich befreit und noch besserer Laune, als sie in den Hinterhof trat und von dort aus in ihre allerliebste Winkelgasse. Egal an welchem Wochentag und egal zu welcher Tageszeit die Winkelgasse war immer voll gepackt, gesprächig, geschäftig. Begeistert warf Dominique Blicke in jedes Schaufenster, als sei sie noch nie zuvor hier gewesen. Da war die Eulerei, Flourish und Blotts, Alles in einem Stab, die Apotheke und natürlich knall bunt und unübersehbar Weasleys Zauberhafte Zauberscherze. Nach ihrem Treffen musste sie definitiv einen Abstecher dorthin machen. Jetzt hatte sie nur Zeit einem verblüfften George durchs Schaufenster zu zu winken und weiter die Kopfstein gepflasterte Straße entlang zu eilen.
 

Das Sandwitch war eng besiedelt mit Hexen und Zauberern, die ihre Mittagspause dort verbrachten, oder sich vom Einkaufen ausruhen mussten. Außerdem war da noch ein kleiner runder Holztisch, an den sich drei junge Hexen drängten. Sie alle hatten vor Freude und Aufregung gerötete Wangen und plauderten eifrig drauf los, da sie gerade erst Platz genommen hatten. Als die Tür aufschwang und über das Gespräch aller Anwesenden geradeso die Glocke zu hören war, schauten sie erst nicht auf. Doch als sich eine blonde Schönheit zu ihnen durchdrängte und bereits völlig aus dem Häuschen winkte, sprangen sie in die Höhe und stürmten alle gemeinsam auf die Freundin zu.

“Dome!!!”, riefen die drei jeweils und quietschten glücklich.

“Ahh! Es ist so schön, euch zu sehen.”, grüßte die Neuankommende beinahe zu Tränen erfreut und drückte ihre Kindheitsfreundinnen so fest, dass diese um Atem rangen.

“Platz da!”, befahl sie dann einem kleinen Zauberer am Nebentisch, um sich neben die anderen quetschen zu können.

“Wie lange haben wir dich nicht gesehen?”

“Verdammt bist du dünn! Füttern die dich nicht, die Franzacken?”

“Dome, ich bin so froh, dass du kommen konntest!” Sie alle redeten durcheinander und brauchten einige Minuten, bis sie sich beruhigt hatten und einander tatsächlich verstehen konnten.
 

“Dominique!”, rief dann eine vierte schrill überraschte Stimme und ihre große Schwester Victoire wuselte mit einem Tablett ihrer Bestellungen herüber.
“Vic, hey!”, lächelte Dominique, während jene sich sammelte.

“Ich hatte schon ganz vergessen, dass du wieder da bist. Dachte irgendwie gestern wäre ein Traum gewesen.”, kicherte Victoire und gab den anderen damit zu verstehen, dass sie Dominique beinahe ebenso lange nicht gesehen hatte.

“Also hier: schwarzer Tee mit Vanille für Amy, ‘irgendwas mit Alkohol’ für Roxanne,”, die Angesprochene nahm ihr unbekanntes Getränk zufrieden entgegen, “und ein Ingwertee für Rose.”

“Ich hatte keinen Ingwertee bestellt.”, protestierte Rose mit gehobenen Augenbrauen.

“Ich weiß, aber es war zu lustig.”, tat Victoire es ab, blies sich eine Locke aus der Stirn und eilte davon.

“Als ob es nicht reicht, dass meine roten Haare mich meilenweit verraten. Ernsthaft! Als ob die Weasleys die einzigen rothaarigen Briten seien.” Augenverdrehend schlürfte Rose an ihrem Tee und verzog die Miene.
 

“Na na!”, tadelte Dominique gut gelaunt wie eh und je. “Heute gibt es keine schlechte Stimmung. Immerhin hat Amy uns doch was zu verkünden?” Sie lächelte der schüchtern grinsenden Longbottom zu.

“Wie!”, beschwerte sich Roxanne sogleich, die zuvor aufgestellte Regel ignorierend. “Dominique hast du’s schon verraten?” Ungläubig beäugte sie Amy, die bestürzt drein blickte.

“Irgendwie musste ich sie doch nach England locken, bevor sie nach Kanada verschwunden wäre!”

“Schwache Ausrede.”, kopfschüttelnd trank sie von ihrem Gebräu, das eher nach Alkohol mit irgendwas roch als andersherum. “Was, wenn Rose und ich auch wegflögen? Einfach so zack, weil du uns nicht verraten hast, dass du uns was großes verraten willst?”

Bevor Amy sich wehren konnte, sprang Rose verlegen ein.

“Ich weiß es auch schon.”

“Was?!”, rief nun Amy. “Woher?”

“Von Albus.”, antwortete die Rothaarige schnell und biss sich auf die Lippe, während Amys Gesicht vor Wut rot wurde.

“Was hat er? Hat er nicht alle Zutaten im Kessel? Ich wollte es euch sagen!”

“So viel zur guten Stimmung..”, murmelte Dominique trocken amüsiert. Allerdings war Roxanne wie verwandelt, da sie nun als Retterin in der Not agieren konnte.

“Aber hey, ich weiß es noch nicht. Mich kannst du noch völlig unvorbereitet treffen und ich tue so, als hätte ich den Ring an deinem Finger nicht gesehen.”
 

“ROXI!”, riefen alle drei und Amy warf frustriert die Arme in die Luft und stampfte aus dem kleinen Café, in dem sich alle Augenpaare auf sie gerichtet hatten. Hastig folgten die anderen ihr, sich bei Gästen, die sie anrempelten, entschuldigend.

“Amy, warte mal!! Wir konnten dir ja noch gar nicht gratulieren.”

“Gute Güte, seit wann hat die Frau so viel Power?”, keuchte Dominique.

Amy marschierte ziellos die Winkelgasse herunter. Ginnys Temperament schien sie über die gemeinsamen Jahre mit Albus inspiriert zu haben. Irgendwann blieb sie schnaufend stehen und sah wahllos umher. Endlich holten die anderen sie ein.

“Erzähl’s uns einfach und wir schwören, wir werden vollkommen überrascht sein und uns riesig freuen.”, flehten sie.

“Fein!”, gab Amy mit Trotz in Blick und Stimme zurück. Dann breitete sie die Arme aus und rief so laut, dass alle Umstehenden erschrocken innerhielten: “ICH HEIRATE ALBUS POTTER!!! Los, freut euch!”

Panisch sahen die anderen zwischen einander hin und her, unsicher ob sie lachen oder weinen sollten. Dominiques Blick war wild. Wer hatte ihre schüchterne, unsichere, stets vergebende Freundin gegessen?
 


 


 


 


 

“Na ja, wenn man so mit den Potters abhängt wird man bestimmt ein wenig aufsässig, meinst du nicht?”, räumte Corban für die Longbottom ein, nachdem Dominique ihre Sorgen mit ihm geteilt hatte.

“Ich weiß nicht...”, murmelte sie gegen seine Schulter. “Wir haben sie glaube ich wirklich verletzt und enttäuscht.”


“Domi, du hast doch gar nichts falsch gemacht. Dir hatte sie es doch schon längst gesagt, deswegen bist du ja hier...”, wies er hin und sie verdrehte von ihm ungesehen die Augen. Domi war der schrecklichste Spitzname, den man ihr je verpasst hatte. Sogar Micki war besser gewesen, auch wenn sie Fred und Lorcan damals in der Zweiten immer ausgeschimpft hatte, sie nach einem Jungen zu benennen. Zwischen all den spießigen Leuten im Ministerium hätte sie sich über ein lockeres “Hey, Micki” jedoch mehr als gefreut.
 

Vielleicht hatte Corban Recht... Hätte sie aber nicht auf die großen Neuigkeiten hingewiesen, hätte Roxanne sich nicht aufregen können, auch wenn es nur gespielt war. Wieso hatte Rose nicht verschweigen können, dass Albus, der Troll, der besten Freundin seiner Verlobten zuerst von den Neuigkeiten erzählt hatte? Auf Männer war wirklich kein Verlass. Wie um ihr Bestätigung zu liefern, grunzte Corban verschlafen. Leicht hieb sie ihm auf den Oberarm.

“Wach bleiben!”

“Sorry...”, murmelte er. “Du hast nichts mehr gesagt, da dachte ich vielleicht würdest du auch schlafen.”

“Du weißt, dass ich so nicht einschlafen kann.”

Sie spürte wie er sich das Gesicht rieb und fühlte sich sogleich schlecht. Daher kamen seine folgenden Worte nicht überraschend.

“Bitte, Domi, lass das nicht an mir aus. Ich genieße es einfach, dass unsere gemeinsame Zeit nicht auf zwei Tage beschränkt ist.”
 

Seufzend lehnte sie die Stirn an seine warme Haut. Wenn sie ehrlich war, rührte ihre Sorge nur von der komischen Person, zu der sie geworden war. Drama war Teil ihres Lebens gewesen, genau solche Szenarien wie die im Café waren eine wichtige Komponente ihrer Freundschaft. Allerdings hatte Amy normalerweise nicht im Mittelpunkt dessen gestanden. Von dem einen Mal abgesehen, als sie Albus gestanden hatte, ihre Jungfräulichkeit an seinen mittlerweile in einen Einsiedlerkrebs verwandelten Bruder verloren hatte. Aufregender war es bei Amy eigentlich nie zugegangen.

Insgeheim schämte Dominique sich dafür, wie viel sie in den Leben ihrer Freundinnen verpasst hatte. Irgendwann hatte Rose einen Job bekommen, den sie jetzt schon seit ein paar Jahren verfolgte, doch was genau sie machte, hatte Dominique noch immer nicht verstanden.

“Du hast Recht.”, flüsterte sie entschuldigend. Corban nahm dies gelassen an und wandte sich zu ihr um.

“Gut. Dann vergiss das alles und lass dich von mir ausziehen.” Neckisch küsste er ihren Hals und sie kicherte vergnügt.

“Ich habe doch schon nichts mehr an.”

Kurz ließ er von ihr ab, um sie an zu zwinkern. “Doch, ich habe eine Socke vergessen.”
 


 


 


 


 

Albus wusste nicht, wo ihm der Kopf stand. Geschweige denn, ob er überhaupt noch einen hatte. Man konnte nie wissen, was die Lateinamerikaner in ihre Flaschen gebraut hatten. Vielleicht fanden sie es witzig, wenn alle Briten ohne Kopf herum liefen und alle Verhandlungen, die sie auf seiner Reise abgeschlossen hatten, waren durch irgendeines ihrer Rituale rückgängig gemacht worden. Seine Bemühungen wären vergebens, all das Lob ungerechtfertigt. Oh, und wenn man erstmal bemerkte, dass jedermanns Köpfe verschwanden - er würde Rechenschaft ablegen müssen. Doch ohne Kopf könnte man ihn gar nicht erkennen! Was würde Amy dazu sagen? Was hatte er getan?

“Scorpius!”, krächzte er verzweifelt. “Scorp, habe ich einen Kopf?”

Der Blonde hing über der Rückenlehne seines mittlerweile umgekippten Sofas. “Ja, Mann... Sieht zwar nicht schön aus, aber er’s da.”

“Merlin, sei dank.”, stöhnte Albus erleichtert und kam auf die Idee, zur Sicherheit nach zu tasten. “Du hast Recht, Kumpel. Er ist da, der Gute.”
 

Mit verschleierten Blicken sahen sie einander an und begannen kehlig zu lachen.

Keiner von ihnen wusste, wie viele Stunden seit Albus Ankunft vergangen waren. Auch hatten sie die vielen Flaschen Hochprozentiges um sie herum nicht gezählt, oder die nächtlichen Abschirmungszauber von den Fenstern entfernt.

“Ich bin ein schlechter Gastgeber, Albus. Hast du Hunger?”, fragte Scorpius ernstlich beschämt.

“Oh nein! Oh nein. Wenn ich jetzt esse... kommen... also, viele Liter Alkohol hoch.” Dabei rülpste er und verzog das Gesicht beim widerwärtigen Geschmack.

“Erst, wenn du was isst? Ich könnte so auch...”

“Ja, du hast Recht.” Eine Weile lang zögerten sie.

“Sollen wir?”

“Ja.”
 

Spätestens wenn man gemeinsam erbrechen ging, wusste man, was wahre Freundschaft war. Um den Geschmack vergangener Getränke zu vertreiben, kramte Scorpius vorn übergebeugt stark schwankend nach Minzmargaritas.

“Margarita? Schon gemixt? Scorp, das ist eklig.”

Voller Elan wandte Scorpius sich um und zeigte mit der Flasche auf seinen im Schneidersitz dahockenden Freund.

“Nein, Kumpane! Schmecke deinen Atem - DAS ist widerlich. Nimm jetzt Minzmargaritas - sie...” Er unterbrach seinen Werbespot, um kurz zu sich selbst zu kichern und wieder eine stabile Haltung einzunehmen.

“Minzmargaritas - ja! Trinken wie ein Troll. So war das. Trinken wie ein Troll, riechen wie die Zahnfee. Sie wird nie wissen, wie dünn dein Blut wirklich war.” Absolut von sich selbst überzeugt kicherte er schon wieder.

“Geht so echt der Slogan?”, fragte Albus zweifelnd.

“Ja, Mann! Hast du noch nie Minzmargaritas, trinken wie ein Troll gehört? Probier’s aus.”

“Okay, cheers.”
 

Tatsächlich fühlte er sich nach den ersten paar Schlucken frisch und absolut ansehnlich. Durch das gemeinsame Erbrechen reduzierte sich die Trunkenheit, wobei er eigentlich deutlich besser dabei war, als sein Freund. Albus hatte vielleicht zweimal in seinem Leben so viel getrunken.

“Du hast ein Leben.”, gab er beneidend zu.

“Ach.”, tat Scorpius es ab und sah fort. Vielleicht kamen sie langsam auf den Grund der Tatsachen. Mit einem heftigen Kopfschütteln bemühte Albus sich ein wenig klarer zu sehen.

“Doch, doch! Du bist so frei, kannst tun, was du willst und kriegst trotzdem deinen Job getan.”

“Haha, ich dachte du wär’st mit deinem Prinzesschen glücklich.”, rülpste Scorpius und Albus war dankbar für den Minzmargarita, der auf dessen Atem zu ihm schwebte.

“Klar, bin ich das!”, protestierte er. “Du doch auch mit deinen Prin... deinem Haarem?”

Zu viele Frauen, zu viel Geld.”, erwiderte der blonde Star, woraufhin der Potter stutzte. Zu VIELE Frauen? Er hätte nicht erwartet, dies von einem Mann zu hören, den er mit zweien im Bett gefunden hatte.
 

Es ist viel zu viel, was mir auch viel zu gut gefällt.” Er setzte den Flaschenhals an die Lippen, wurde jedoch unterbrochen, als der Potter auf seinen kurzen Einwurf einging.

“Dann triff dich einfach weniger und spende mehr. Easy peasy.”

“Ach, ich brauch nur etwas Ruhe, das wär nicht schlecht. Zu viel Sex, zu wenig Schlaf...

Zu viel Sex? Er klang beinahe wie Amy. Verwirrt rückte Albus näher an Scorpius heran, der sich ihm nun endlich öffnete.

“Du musst einfach entspannen, Mann. Komm mal mit mir, raus hier.”

Ich will nicht wissen, was ich muss!”, protestiere Scorpius und machte eine ausschweifende Bewegung mit der Hand, sodass Albus ihm schnell die Falsche abnahm, bevor sich ihr gesamter Inhalt über den Tisch ergoss.

Ich brauch kein Haus aus purem Gold, ich hab das alles nicht gewollt. Wofür werd ich denn nur bestraft?” Je mehr Scorpius redete, desto besser konnte Albus selbst Worte formen.
 

“Nein, keiner bestraft dich. Ich will dir auch keine Vorschriften machen, ich mein nur, so als Tipp. Dafür sind Freunde doch da. Vielleicht weißt du einfach nicht, wie du mit allem umgehen sollst.” Da er kaum wusste, wo der Spitzhut zwickte, war er sich nicht sicher, was er seinem Freund raten konnte. Doch mit einem Mal schien der vorher so ausgelassene Malfoy bedrückt und trübselig.

Das ist der Fluch der Menschen, die zu gut aussehen. Es hört niemand hin, wenn ich was sag. Alle sehen nur ‘Scorpius Malfoy - Held der Stunde’. Aber außerhalb des Quidditchfeldes existiere nicht. Mein Leben ist die Hölle, schon viel zu lang.”

Mit einem lauten Poltern rollte Scorpius vom Tisch herunter und Albus sprang trotz seiner Trunkenheit erschrocken und panisch auf. Dabei mehrere Stühle umstoßend hechtete er um den Tisch herum, wo Scorpius sich lachend krümmte. Eine Träne rollte seine Wange hinunter. Mit einem Mal spürte Albus wie er langsam aber sicher ausnüchterte. Sorge und Adrenalin kämpften gegen den Alkohol in seinen Adern.

“Scorp.”, sagte er aufgeregt und drehte ihn auf den Rücken entgegen der schmerzlichen Proteste.
 

“Ich kann nicht weg, Al. Es hat keinen Sinn.” sagte er keuchend. “Schöne Dinge, überall. Die Blumen blühn, als würden sie dafür bezahlt, doch das lässt mich so kalt wie ihr Duft.” Er starrte in irgendeine weite Ferne, als sei er für einen Augenblick nicht mehr da.

“Aber wieso? Von dem, was du gesagt hast... Vielleicht kannst du diese Kleinigkeiten nicht mehr wertschätzen, weil es so viele gibt.” Wahrscheinlich könnte er genauso gut Luft sein, denn die Ohren seines Freundes waren blockiert.

Ich brauch nur etwas Ruhe und Einsamkeit - dann komm ich schon zurecht. Nur noch ein Flirt, noch ein Kuss...” Gedankenverloren spitze er die Lippen und ließ sie schmatzen, als habe er einen Geist geküsst. Dann schwieg er eine Weile, wobei seine Augen umherwanderten, als betrachte er den Geist. “Ich war auch mal verliebt.

Scorpius zuckte nun, als schluchze er. Albus stockte der Atem. Zwar machte sein Freund keinen Sinn mehr, doch sprach er gerade wirklich von - Rose? Niemals konnte er immer noch der Schulzeitromanze mit seiner Cousine nachtrauern. Beinahe musste Albus lachen. Seine aufgerissenen Augen stoppten an Scorpius linkem Arm. Dort prangte das stumme Tattoo des verfluchten Mals, welches das Glück des Malfoys gekostet hatte, ihm zugleich aber Freiheit geschenkt hatte. Zumindest war Albus davon ausgegangen. Wenn er ihn jetzt so sah, schien er gefangen in sich selbst zu sein.
 

“Immer wieder, immer wieder, immer wieder.”

“Was? Scorp?” Kaum mehr als ein Krächzen war die Stimme des am Boden Liegenden.

Nur noch einmal vögeln, dann ist wirklich Schluss. Ich kann doch nichts dafür, dass ich ein Glückspilz bin und jedes Herz gewinn.

“Nein, nein kannst du nicht. Wir kriegen das hin, Kumpel. Versprochen.”

Tag für Tag. Wo ist der Notausgang?” Alle seine Versuche waren vergebens und so schlüpfte er aus seinem Pullover und schob ihn unter den Kopf, des murmelnden Betrunkenen.

Immer laut, immer bunt ist auf die Dauer nicht gesund.

“Ich weiß.”, versicherte Albus. Was würde Rose tun, wenn jemand so am Rad drehte? Sie würde Rat wissen, schließlich hatte sie jeden Tag mit solchen losen Kanonen zu tun. Bei dem Gedanken zuckte er zusammen. So sollte er Scorpius nicht bezeichnen, er war nur betrunken und sentimental. Und nahm Drogen. Erneut schüttelte Albus den Gedanken ab und tat so, als habe er den Vorrat seines Freundes nicht gesehen.

Die Blühmen blühn. Erzähl mir davon. Erzähl mir vom Mohn.”

Gegen den dunkel braunen Geschirrschrank hockend erzählte Albus vom Mohn bis ihm mitten auf dem strahlend roten Blütenblatt die Augen zu fielen.
 


 


 


 


 

“Dad, bitte! Ich habe doch schon mehrmals gesagt, dass alles okay ist.” Genervt von einer weiteren Lektion ihres stets besorgten Vaters, schnalzte Lily mit dem Kaugummi in ihrem Mund. Von dem Geräusch zuckte Harry zusammen und streckte die Hand aus.

“Her damit.”

“Was?” Ungläubig stützte sie die Hände in die Hüften. “Ich bin 22 Jahre alt. Wenn ich Kaugummi kauen will, dann kann ich das auch.”

“Du wohnst in meinem Haus -”


“Weil du mir verbietest, auszuziehen, Dad.” Mittlerweile beherrschte sie es gut, ihre Stimme ruhig zu halten, auch wenn sie sich gerne aufregen wollte.

“Dann, bitte, lass den Mund geschlossen! Es lenkt stark ab.”

“Es lenkt davon ab, sich Argumente entgegen meiner auszudenken?”, fragte sie frech nach, denn Diskussionen dieser Art führten sie nur allzu oft. Ließe er sie endlich ausziehen, würde es auch zu weniger Interessenkonflikten kommen.
 

“Kennst du diesen Mann überhaupt? Was, wenn er völlig andere Werte verfolgt, als die, die du verkörperst?” Während er unruhig durch den Raum tigerte, setzte sie sich müde auf die Sofalehne. Ihre Mutter ging am Türbogen vorbei und warf ihr einen vielsagenden Blick zu, welchen Lily mit einem Augenverdrehen erwiderte. Bevor Ginny Potter aus ihrem Blickfeld verschwand, konnte sie ein Lächeln auf deren Lippen ablesen.

“Erst einmal weißt du sehr wohl, dass ich meine Interessen sehr gut vertrete. Außerdem hütet Hugo mich beinahe mehr als du! Er würde niemals fahrlässig vorgehen und ich treffe den Anwärter auf den Job auch erst noch. Es steht noch nichts fest.”


“Wie kannst du das sagen?”, rief er entgeistert und fuhr sich durch das grau melierte Haar. Ihre Mutter war schön, keine Frage, doch Lily war sich sicher, dass sie ihre interessanten Gesichtszüge ihrem Dad zu verdanken hatte. So komisch er in Kindertagen ausgesehen haben mochte, er war ein stattlicher und ansehnlicher Mann. Wenn er nicht so starrköpfig wäre, würde sie vielleicht auch öfter zugeben, wie gern sie ihn hatte.
 

“Hugo hat momentan selbst sehr viel um die Ohren. Ich von allen Leuten bekomme erster Hand mit, wie eingespannt er in jede unserer Veranstaltungen ist. Wie soll er da Zeit haben, sich auch noch um dich zu kümmern?"

"Er will dich loswerden.”

“So ein Unsinn! Ich stimme Hugo völlig zu. Ich möchte meinem besten Freund nicht zur Last fallen. Er hat schon genug für mich getan.”

“Und wenn dieser Herr - wieso wissen wir eigentlich seinen Namen nicht? Wenn er also nichts taugt, dann stehst du ohne Ausbildung, ohne Agenten, ohne Arbeit da!”

Ähnlich wie er es tat, wenn er gefrustet war, fasste sich sich an die Stirn und seufzte. Dann trat sie auf ihn zu und legte ihm die Hände auf die Schultern, sodass er stehen bleiben musste.

“Dad, bitte vertrau mir. Ich kann nicht erwachsen werden und meinen eigenen Weg gehen, wenn du mir keine Entscheidungsfreiheit lässt. Ich laufe schon nicht weg.”

In diesem Moment klingelte es an der Tür und mit einem letzten Blick und einem Zwinkern machte Lily sich auf, den Gast willkommen zu heißen.
 


 


 

Amy wippte unruhig auf und ab, während sie vor der Haustür der Potters stand. Wie eh und je war sie gleich auf die Stelle apparariert und wartete auf Einlass in den Grimmauldplatz Nummer 12. Entgegen dem, was sie in Beschreibungen der damaligen Zeit gelesen und gehört hatte, war es ein grandioses Haus. Ohne Frage war natürlich viel restauriert und renoviert worden, sodass die “Blackness” verschwunden war. Jetzt war das Haus hell und freundlich mit genau der richtigen Prise geheimnisvoll. Sie wusste, dass man das “schreckliche Portrait” im Flur nicht hatte beseitigen können und so hatte Ginny Weasley, die ihrem Mann zu liebe dort eingezogen war, irgendwann die gesamte Wand herausgesprengt und neu gezogen.

Die Tür ging überschwänglich auf und Amy fand sich dem Inbegriff der Schönheit gegenüber und wünschte sich, sie hätte doch ihren etwas hübscheren Umhang angezogen. Lily war ein Stück größer als sie, schlank und hatte das offenste und umwerfendste Gesicht, das Amy je untergekommen war. Vor dieser Frau, so jung sie auch war, fühlte sie sich mittlerweile klein und unwichtig. Wann war die kleine Lily zu einer Sirene mutiert?
 

“AMY!”, rief der jüngste Potterspross außer sich vor Freude und zog sie in eine feste, mädchenhafte halb-tanz-Umarmung. “Herzlichen Glückwunsch, Amy! Ich kann es kaum erwarten, dass du Teil unserer Familie wirst. Also, ein richtiger Teil. Eigentlich bist du es ja eh schon.” Bevor sie zur Seite trat, um den Gast einzulassen, drückte Lily ihr einen dicken Kuss auf den Wangenknochen. Nur gut, dass die modernen Hexen von heute den Lippenstift der Marke ‘Walburga-Wunderlippen’ aus dem Weasleyshop trugen - eine weitere Referenz zu dem Flurportrait eben jenesn Hauses, das Amy nun betrat. Indes war Lily nicht zu stoppen in ihrer Begeisterung.

“Bestimmt können die anderen Mädels sich gar nicht halten. Die schönen Kleider die wir tragen werden! Natürlich nicht schöner als du.”, versicherte Lily und Amy strengte sich an, nicht die Stirn zu runzeln. Es war stark zu bezweifeln, dass sie an ihrer Hochzeit tatsächlich die Schönste wäre, was mit ihrer baldigen Veela- und Modelfamilie? Nicht, dass das wichtig wäre. Albus liebte sie. Beim Gedanken an ihren Verlobten, kniff sie frustriert die Lippen zusammen. Diese Geste gebrauchte sie wirklich nur äußerst selten, wenn es um ihn ging.
 

“Wir dürfen doch Brautjungfern sein? Oh, aber das musst natürlich du entscheiden. Tut mir leid, dass ich so viele Ideen habe. Weißt du, ich freue mich einfach so rieeesig darauf. Wann immer es sein wird, natürlich kein Grund zu stressen.”

“Lily, lass Amy doch erst einmal atmen.”, wies Ginny gütig an.

“Ja, danke.”, rutschte es Amy heraus, doch ihre zukünftige Schwägerin nahm es ihr nicht übel, sondern beschenkte sie mit einem ihrer berühmten Zwinkern.

Nun war es an Ginny, Amy in die Arme zu schließen. “Herzlichen Glückwunsch, Amy. Du bist wirklich ein Segen.”

“Auch von mir!”, schaltete sich nun der junge Minister höchstpersönlich ein. Er drückte ihr fest die Hand und lächelte zuversichtlich.

Zu einem Kuchen setzten sie sich gemeinsam ins Wohnzimmer.
 

“Ist Al nicht bei dir?”, fragte Ginny, die vermutlich nicht einmal Zeit gehabt hatte ihrem eigenen Sohn zu gratulieren, so wie es klang. Unbehagen machte sich in ihr breit.

“Nein, ich hatte gehofft ihn hier zu treffen.”

“Er ist doch kürzlich erst angekommen. Wir dachten er wäre bestimmt bei dir.”

Kurz hustete Amy und schluckte dann schwer an dem Stück Pflaume, dass ihr im Hals stecken geblieben war.

“War er auch. Aber er wollte natürlich seinem besten Mann Bescheid sagen.”

“Scorpius?”, rief Lily begeistert. “Natürlich Scorpius. Weiß nicht, was James dazu sagen wird, aber es war kaum anders zu erwarten! Wir wollen dich von hübschen Männern umrahmt wissen.”

“Lily.”, mahnte Ginny, ohne ihr Lächeln zu verlieren.

“Ach komm, Mum. Das letzte Mal, als wir ihn gesehen haben, sah er total komisch aus und das ist jetzt wie lange her? Wer weiß, ob er überhaupt noch menschlich ist.”
 

Amy wurde es bei dem Thema ganz verdächtig heiß. Seit sie mit Albus zusammen war, hatte sie James stets vermieden. Immerhin hatten sie beide eine Art Vergangenheit, an die sie sich nur ungern erinnerte und die sie nicht zwingend mit den Eltern der Brüder teilen wollte. Wirklich nicht gerne, eigentlich gar nicht. Niemals. Auch Harry schien ein Themenwechsel lieb.

“Ich bin mir sicher, du brauchst dir um Al keine Sorgen machen.”

“Er ist schon fast einen Tag weg.”, warf Amy ein und strafte sich sogleich selbst. Was war schon ein Tag, wenn er zuvor monatelang fort gewesen war. Nein, eigentlich war es genau das. Er war wiedergekommen, hatte ihr einen Antrag gemacht, einen schönen Abend mit ihr verbracht und war dann nachts verschwunden! Wer tat denn so was? Wann hatte er überhaupt Zeit gehabt, Rose davon zu erzählen? Aber natürlich. Rose hatte es vermutlich selbst vor ihr gewusst.

“Wie gesagt,”, wiederholte Harry zuversichtlich, “kein Grund zur Sorge.”
 


 


 

Vermutlich wussten die Potters selbst nicht so genau, was sie mit Amy anfangen sollten. Sie tranken bereits an ihrer dritten Tasse Tee. Vielleicht hatten die Potters auch ganz wichtige Dinge zu tun und fühlten sich aufgrund der Verlobung verpflichtet, Zeit mit ihr zu verbringen. Sonst war es nichts ungewöhnliches, dass sie sich allein die Zeit dort vertrieb, denn die Famile hatte immer etwas zu tun.

“Du brauchst übrigens nicht nur Werbung in deiner Zeitschrift gebrauchen, auf der ich drauf bin, weil ich es bin. Wirklich. Keine Bevorzugungen.”, bat Lily eindringlich, denn in der Tat hatte es sich schon ein paar Mal ergeben, dass sie als Werbegesicht zwischen die Seiten gelangt war. Außerhalb ihrer Fotos wegen Artikeln, die über sie geschrieben worden waren. Amys Zeitschrift war eigentlich auf beide Geschlechter ausgelegt, doch wie es mit den meisten nicht sportlichen oder politischen Magazinen war, lasen am Ende doch mehr Frauen die Mirror Mail, als dass es Männer taten.

“Mach dir darüber keine Gedanken. Du kommst nur rein, wenn es verdient ist.” Nun zwinkerte Amy ihrerseits und Lily grinste zufrieden. Man sollte eher sagen grinste zufrieden ihr strahlend weißes - ja, blendendes - Lächeln. Wie bekam man Zähne so weiß?
 

Amy war nicht verbittert oder neidisch, keineswegs. Schließlich war sie auch nicht hässlich! Früher hatte sie vielleicht nicht viel von Haaren und Mode verstanden, doch als Chefredakteurin und Herausgeberin ihrer eigenen, gar nicht so unbeliebten, Zeitschrift wusste sie durchaus, wie sie aufzutreten hatte. Selbstbewusst, wenn auch stilgetreu und gepflegt, aber dennoch legere. Doch neben Lily verblasste selbst Dominique. Hatte Ginny Tränke geschluckt, als sie schwanger war? James und Albus waren auch nicht von schlechten Eltern, doch Lily... Das war etwas ganz anderes und Amy wüsste gerne, wie sie es ähnlich hinkriegen konnte, wenn es irgendwann bei ihr soweit käme. Aussehen war gewiss nicht alles, doch es half einem in der heutigen Welt enorm weiter. Darauf, dass ihr Kind Verstand hätte, konnte sie ja selbst achten. Sie würde sicherlich keinen aufgeblasenen Lysander Scamander in die Welt setzen. Oh, schlechtes Beispiel Amy, stöhnte sie innerlich auf. Luna und Rolf hatten Lysander sicherlich nicht absichtlich zu einem reichen, selbstgefälligen, schmierigen -
 

“die Wohnung?”

“Hm, bitte, ja was?”, aus der Fassung gebracht fuhr sie zusammen, als ihr auffiel, dass Ginny sie angesprochen hatte.
“Wie es mit der Wohnung geht? Brauchst du da Hilfe?” Erleichtert, dass es eine so einfache Frage war, schüttelte sie den Kopf.

“Nein, nein, jetzt ist Al ja auch wieder da. Theoretisch.”

Schweigend warfen sie einander Blicke zu.

“Könnte es sein, dass er bei euch zuhause wartet? Wer weiß... mit einer Flasche besten Eischampagners - er wird niemals warm!”, imitierte Lily die Radiowerbung.

“Weißt du, vielleicht hast du Recht. Ihr habt bestimmt auch genug zu tun.”

“Nein, so war das nicht gemeint!”, protestierten alle drei gleich bestürzt. Manchmal waren sie Albus sehr ähnlich. Amy lächelte aufrichtig und dankte für den Kuchen, Tee und die Unterhaltung.

“Wahrscheinlich fragt er sich wirklich, wo ich bleibe.” Je öfter sie es sagte, desto zuversichtlicher wurde sie. Er hatte ihr so sehr gefehlt, dass sie es kaum erwarten konnte, ihn endlich wirklich für sich zu haben.
 


 


 

Es dauerte kaum eine Sekunde, dass sie diesen Wunsch bereute. Etwas, oder wie sie Augenblicke später feststellte, jemand, fiel regelrecht aus dem Kamin heraus. Er trug einen schmutzigen, zerknitterten braunen Anzug, dessen Krawatte und ausgewählte Ärmelknöpfe abhanden gekommen waren. Wirklich auszumachen war der Jemand darin erst an dem schwarzen staubigen Heuhaufen, der sich Haarschopf nannte. Der Fahne nach zu urteilen, wollte Amy unbedingt auf James tippen, doch auch hier wurde ihr Wunschdenken bestraft.

“Hornschwanzmist.”, lallte der sturzbetrunkene Mann bei ihrem Anblick und versuchte sich mit dem Albuslächeln zu retten. Doch es war so schief, dass er keine Chance hatte. Zumindest stand der Faktor des Überraschungsmoment auf seiner Seite, denn Ginny war so sprachlos, dass sie nicht losschreien konnte. Albus machte Anstalten sich aufzurichten, landete jedoch auf dem Hosenboden.
 

“Albus.”, sagte Amy leise und sogar Lilys verstört belustigte Miene verwandelte sich nun in eine sehr besorgte. Amy musste damit rechnen, dass Lily sich zu Gunsten ihres Bruders opfern würde. Ein Angriff stand also außer Frage. Sie musste mit Worten ran. Erst einmal.

“Amy, warte. Ich muss atmen und dann -”

“Albus.”, unterbrach sie erbarmungslos. “Hast du bis gerade gesoffen?”

“Ja. NEIN!”, stammelte er flehend, sich den Ruß aus dem Gesicht wischend und dann nach ihr greifend. “So war’s nicht.”

“Warst du bei Scorpius?”

“Ja, ja ich schwöre es. Nur wir beide.” Natürlich waren es nur sie beide gewesen. Seine größte Sorge schien zu sein, dass sie glauben würde, er sei fremd gegangen. Das würde sie ihm niemals zutrauen. Gut, eigentlich hatte sie ihm auch nicht zugetraut am Tag nach ihrer Verlobung in diesem Zustand im Haus seiner Eltern aufzutauchen, damit er ihr aus dem Weg gehen konnte. Wenigstens bis er präsentabel aussah, das war definitiv sein Plan gewesen.
 

“Amy, ich schwöre es. Scorpius brauchte mich. Er war mit zwei Frauen und ich musste...” Eigentlich war es egal, was er ihr erzählte. Eigentlich war sie auch überrascht, dass sie so ruhig bleib und ihre Hände nicht einmal zitterten. Gemächlich, aber bestimmt, zog sie den Ring von ihrem Finger und legte ihn auf den Kaffeetisch. Entsetzt keuchte Albus und kroch nach vorne, doch sie wich zurück.

“Ich weiß nicht, ob wir dafür bereit sind. Deine Prioritäten scheinen nicht ganz dort angekommen sein und mit der Wahl deines besten Mannes kann ich nicht über einstimmen. Lass dich nicht blicken, bis dein Gehirn wieder funktioniert. Dann sehen wir weiter.”

Damit marschierte sie aus dem Raum.
“Amy!! Dad, hilf mir, ich muss... aufstehen, ich muss.” Doch er hatte weder die Kraft noch die Koordination, sich irgendwohin gezielt zu bewegen.

Sie schlüpfte in ihren Umhang und nahm ihre Tasche, dann marschierte sie genauso zielstrebig ins Wohnzimmer hinein, wie sie es zuvor verlassen hatte. Erst vor dem hoffnungsvoll und zugleich verwirrten Albus machte sie halt, bückte sich und küsste ihn auf die verdreckte Wange.

“Ich liebe dich.”, sagte sie forsch und verschwand diesmal tatsächlich.
 


 


 

Zuhause angekommen kochte sie sich zuerst einmal einen Tee. Bis Albus soweit war, dass er sich erklären konnte, würde sie auch in der Lage sein, zu zu hören. Am meisten empörte es sie eigentlich, dass er versucht hatte seinen Zustand vor ihr zu verstecken und nun hatte er sie beide vor seiner Familie bloß gestellt.

Es klopfte leise am Fenster. Für einen Augenblick fragte sie sich, ob es Albus sein konnte und er sich vielleicht doch nicht ganz so schlau anstellte, wie sie gehofft hatte. Stattdessen war es eine kleine, elegant ausschauende Eule, die gemächlich auf und ab wippte. Rasch öffnete Amy das Fenster und nahm den kleinen Zettel entgegen, der an ihrer Kralle befestigt gewesen war. Sobald sie die Nachricht geöffnet hatte, wusste sie, dass sie nicht für sie bestimmt war.
 

In jeder zweiten Zeitschrift steht, wie gut es jedem Menschen geht, der immer alles haben kann. Die Wahrheit ist, ich glaub nicht mehr daran.
 

“Malfoy.”, murmelte sie missbilligend und fasste sich besorgt an die Stirn. Es war unverwechselbar seine Handschrift, eng und klein, doch es klang nicht nach seinen Worten. Auch er war mehr als einmal Subjekt eines Artikels in ihrer Zeitschrift gewesen und seine Lebensweise und sein Auftreten waren dem Geschriebenen in jeder Hinsicht gegensätzlich.

Mit zusammengekniffen Lippen warf sie den Zettel ins Feuer. Malfoy schrieb Dinge, die unmöglich aus seinem Mund stammen konnten und Albus verhielt sich wie ein komplett anderer Mensch. Hatte der Quidditchstar ihrem Freund Drogen verabreicht? War Albus Charakter verkehrt, bis deren Wirkungsstoffe seinen Kreislauf verließen?
 

Unglücklich raufte sie sich die Haare. Wahrscheinlich war es am besten, wenn sie gar nicht dachte und einfach schlief. Genug Echtzeit-Konversationen standen ihr noch bevor, dass sie sich jetzt keine Gedanken darüber machen wollte.

Darüber zum Beispiel was Albus getrieben hatte. Ob er Drogen genommen hatte. Dass sie Malfoy nicht als großen Bestandteil ihrer Hochzeit haben wollte. Eine Auseinandersetzung mit Rose, falls sie einen Kompromiss mit Al eingehen musste. Im Übrigen war Amy sich unsicher, wie ihre Freundin mittlerweile dem Malfoy gegenüber stand. Sie wusste, dass die beiden sich seit Jahren nicht gesehen hatten. Das konnte ein Vorteil sein.

“Sei leise Kopf.”, murmelte sie hoch unzufrieden.

Angeber

“Wo warst du? Ich habe überall nach dir gesucht.” Sobald Hugo einen halben Fuß in die Tür gesetzt hatte, schob Rose ihn hinein und platzierte ihn auf einem Sessel.

“Tee? Kekse? Kuchen? Kaffee?”, bei dem letzten Wort verzog sie angewidert das Gesicht.

“Wasser, danke.”

Hugo faltete die Hände im Nacken, sodass sich sein Hemd um seinen breiten Oberkörper spannte. Sie sah ihn wirklich zu selten. Immerhin kam es ihr immer noch eigenartig fremd vor, dass er sich jetzt rasierte und überhaupt, dass er einen guten Kopf größer war als sie. Hübsch war er auch noch, aber single! An Interesse lag das wohl kaum, doch sie hoffte insgeheim, dass sich niemand an ihn heran wagte, weil alle Frauen Angst vor ihrer Inspektion hätten. Für Hugo nur das beste.

 

“Warum bin ich überhaupt hier, Schwesterherz?”, fragte er nach ein paar Schlucken Wasser, während sie schon Pergament und Feder heraus kramte und genervt die Augen verdrehte.

“Amy und Albus?”

“Ich dachte, die sind momentan auseinander.”, gab er schulterzuckend zurück und sie strafte ihn mit einem entsetzten Blick.

“Sie hatten einen Mini-Zoff, den Amy mit ‘Ich liebe dich’ beendet hat. Deshalb sind sie wohl kaum von einander getrennt.” Frauen und ihre Rationalisierung.

“Laut Lily hat sie ihm den Ring hingelegt!”

Erneut verdrehte sie die Augen.


“Hugo, so schlau du auch sein magst, von Beziehungen verstehst du nichts.“

“Aber du! Wie lange bist du jetzt schon single? Hattest du überhaupt was mit irgendwem in den letzten 10 Jahren? Bei mir geht wenigstens was -”
 

Ihr Kissen traf ihn mitten im Gesicht.


“Ahh, wieso tust du das immer?”, stöhnte er.

“Damit du mir ja nichts über dein Liebesleben erzählst! Und nein, es ist nicht 10 Jahre her, danke vielmals.” Mit leicht geröteten Wangen senkte sie den Blick auf das Pergament.

“Gut, jedenfalls ist die Hochzeit, wenn sie denn stattfindet, noch ziemlich weit hin.”

“Sie findet statt!”, erklärte Rose deutlich und ihr Blick ließ keinen Widerspruch zu. “Dafür will ich auch noch gar nicht planen, sondern für die Verlobungsfeier.”

“Rose!”, protestierte Hugo, doch just in dem Moment sprengte Grace die Sitzung. Mit einem sehr wüsten Haarschopf, der stark auf eine nicht allzu lange Begegnung mit dem Bett hindeutete - es war ja bloß Nachmittag - einem schwarzen Tshirt und sonst nur einem Höschen bekleidet stolperte Roses Mitbewohnerin aus ihrem Zimmer.
 

“Verdammter Stuhl, ich stoße mich jeden Tag an dem Mistding.” Ihre Miene hellte deutlich auf als sie Hugo erblickte. Sein Gesichtsausdruck hatte seine genervten Züge verloren und seine Augen klebten an den deutlich falschen Körperbereichen.

“Mini Weasley!”, begrüßte sie unter verschlafen drein blickenden Augen hervor grinsend.

“Grace.”, erwiderte er freundlich, aber knapp. Rose vermutete, dass ihm sonst vielleicht sein Grips von der Zunge gerollt wäre. Grace war ein Vamp, zumindest wenn es um Männer ging, denn sie hatte nichts zu verlieren. Auch ihr war Hugos Reaktion auf ihr Erscheinen nicht entgangen. Beschwingten Schrittes ging sie auf ihn zu und drückte ihm einen saftigen Kuss auf die Lippen.
“Schön, dich zu sehen. Sei nett zu deiner Schwester!” Damit zwinkerte sie Rose zu und verschwand in der Küche. Rose wiederum grinste nur amüsiert, während Hugo tiefer in den Sessel senk und sich die Stirn rieb.
 

“Mann, oh mann. Ich sollte öfter vorbeikommen.”, wisperte er mit nicht wenig Eindruck in der Stimme.

“Tut mir leid, du wirst sie nur wenig interessieren.” Schulter zuckend verzierte sie die Überschrift ihrer Liste.

“Ich weiß und es ist ein Verlust für alle Männer der Nation.”

“Zurück zum Thema. Wir haben eine Verlobungsfeier zu organisieren und du bist der talentierteste, durchgeplanteste, meist gebuchte Veranstalter Englands.” Mit großen Welpenaugen strahlte sie ihn an und er lachte.

“Fein, ich helfe dir. Aber nur, weil du so schlau warst mir zu schmeicheln und weil Grace so verdammt...” Unter ihrem abfälligen Kopfschütteln brach er ab und hob entschuldigend die Hände. “Ist gut, ich sag’s nicht. Es ist nur dass -”

“Psch.”, unterbrach sie ihn diesmal mit Worten und drehte das Radio auf.
 

“... mehrere Anschläge in vereinzelten Dörfern Englands. Was zuerst wie Freizeitdelikte von Muggleteenagern aussah, scheint nun eine großflächigere Verbindung zu haben. Beim halbseitigen Einsturz, der als Baufälligkeit in den Mugglemedien identifiziert worden war, wurden nun eindeutig magische Spuren entdeckt. Da nun die Aufmerksamkeit des magischen Strafkommandos geweckt wurde, investigieren sie die anderen Vorfälle auf mögliche Zusammenhänge. Zum Wetter...”
 

Rose drehte das Radio jetzt wieder leiser. “Ich bin mir ziemlich sicher, dass es das Einkaufszentrum in Ottery St Catchpole war. Vielleicht sollten wir bei Nana und Granddad Weasley nachschauen, ob alles okay ist.”

“Klingt nach nem super Plan! Die würden sich eh freuen, uns zu sehen.”
“Freu du dich nicht zu früh.”, warnte Rose schnell, bevor er auf falsche Gedanken kam. “Die Planung nehmen wir uns trotzdem noch vor.” Er stöhnte und sie lächelte in sich hinein. Früher hatte sie ihn immer herumkommandieren können. Es war ein Teil ihrer geschwisterlichen Beziehung gewesen und es nun ähnlich tun zu können, erfüllte sie mit einer gewissen nostalgischen Zufriedenheit.
 


 


 


 


 

Der Duft von Kakao kitzelte Lindsey unter der Nase. Je mehr sie in das Reich des Bewusstseins eindrang, desto mehr Nuancen nahm sie war. Kaffee gab es auch, genauso wie Pfannkuchen - und war das Ei? Ein paar Minuten blieb sie noch liegen, dann schlüpfte sie in einem großen Pullover und tapste in die Wohnküche.

“Oh, wow, warte, gib mir einen Moment!”, sagte Carl überrumpelt und strahlte sie an, worauf sie verwirrt ihre Augen rieb.

“Was’ denn los?” Langsam trottete sie auf ihn zu, der natürlich schon sein Hemd trug, und schlang ihre Arme um seinen Körper. Er drückte ihr einen Kuss auf das Haar und ignorierte den Fakt, dass er immer noch Pfanne und Schaber in der Hand hielt.

“Du bist einfach so wunderschön, dass es mich umgehauen hat.”

Wider Erwarten erhielt er dafür keinen Kuss, sondern einen halbherzigen Faustschlag in die Magengegend.

“Ich habe nicht mal Make up drauf.”

“Und genau so gefällst du mir am besten.”
 

Lindsey goss sich eine Tasse Kakao ein und warf ihm über deren Rand einen grummeligen Blick zu. “Wenn du müde und zerzaust bist und noch nicht die top (un)bekleidete Geschäftsfrau mit einem Herzen aus Stein, welcher alle Gäste zu Füßen fallen und deren Mann allein verbittert im Bett sitzen muss, weil es creepy wäre, wenn er, wie der Rest der Männlichkeit, ihr beim Tanzen auf der Bar zu sehen würde.”, fuhr er unbeirrt fort und erntete dafür endlich ein Lächeln.

“Wenn du willst, tanze ich gleich jetzt auf der Bar. Exklusiv für dich.” Nah bei ihm stehen reckte sie den Kopf nach oben und küsste ihn, sodass er zum brutzelnden Ei schielen musste.

“Mh, Lindsey.”, murmelte er in den Kuss hinein.

“Bitte?”

“Das Ei verbrennt.” Sie seufzte und zerstörte die Haut, die sich auf ihrem Kakao gebildet hatte.
 


 


 

“Carl, du musst mir nicht jede Woche Frühstück machen. Die meisten Männer machen das nur die ersten Monate, wenn überhaupt.”, erinnerte sie ihn mit vollem Bauch zum dutzendsten Mal.

“Der Sonntag ist unser Tag. Du kannst ausschlafen und keiner von uns muss arbeiten. Wenn es gut läuft darf ich dich 24 Stunden lang ansehen, halten und küssen und mich von deinem ungezügelten Pessimismus berieseln lassen.” Ein freundliches Lächeln begleitete diese Worte und er begann ihre Füße zu kneten, die unter dem Tisch auf seinen Beinen ruhten. Sie blätterte in einem Magazin über Frauenmoden und kringelte hier und da ein Kleidungsstück ein.

“Alles so schwarz.”, beobachtete er und lehnte sich näher, um besser hinein gucken zu können.
 

“Das Kleid ist schön.” Mit dem Finger tippte er auf ein 50er Kleid mit großen Punkten darauf und sie verzog das Gesicht.


“Sowas kannst du Amy zu Weihnachten kaufen. Massier weiter.”

Auf einen vielsagenden Blick seinerseits hin fügte sie “Bitte.” hinzu.

“So ein Kleid könntest du heute Abend tragen.”

“Heute Abend wozu?”, fragte sie, ohne aufzublicken aber mit deutlich misstrauischem Unterton.

“Wir sind zum Abendessen bei meinen Eltern. Die Verlobung feiern.”

Lindsey stöhnte und sah vom Magazin auf. “Kann ich irgendwie aus der Nummer rauskommen?”

“Nein.”, sagte er kompromisslos.

“Carl! Deine Familie kann mich nicht einmal leiden. Ich könnte die Zeit so viel besser nutzen, als mich von den Longbottoms dulden und bewerten zu lassen.”
 

“Du bist eben etwas unkonventionell.”, lenkte er zur Verteidigung seiner Familie ein und begann Zauberstabschwingend, den Tisch abzuräumen. “Wie gesagt, wenn du einmal in solch einem Kleid steckst, ist das etwas ganz anderes.”

Empört setzte sie ihr Kürbissaftglas etwas zu heftig ab. “Wie oberflächlich ist das denn? Wieso sollte ich so tun, als wäre ich jemand anders? Du bist scheinbar so auch mit mir zufrieden. Oder nicht?”

“Natürlich!”, stöhnte er und schüttelte den Kopf, da er mal wieder alles falsch gemacht hatte. “Es ist einfach wirklich wichtig, dass du mitkommst. Außerdem wird Al da sein! Dann hast du sogar deinen Kumpel dabei.”

Unglücklich biss sie sich auf die Lippe. “Fein, aber ich bleibe nicht für die Brettspiele.”

“Okay, kein Problem!”, stimmte er sofort zu und sie seufzte resignierend.
 


“Tausend Kröten, anstatt einen romantischen Nachmittag miteinander zu verbringen und Sex zu haben, werde ich mich von deiner Familie unter die Lupe nehmen lassen müssen.”

Amüsiert ob ihres Missmuts stützte er sich an der Küchentheke ab.

“Wir können nicht immer Sex haben.”

“Von wegen.”, gab sie gedehnt nach. “Darf ich meine eigenen Klamotten tragen?”

Optimistisch ignorierte er den bissigen Unterton und nickte fröhlich. “Wie wär’s mit dem hübschen schwarzen Kleid, dass bis zu den Knien geht?”

“Sehr witzig, du weißt schon, dass ich mehr als eins habe, das lang ist.” Betreten sah er zu ihr, da in seinem Verständnis ‘lang’ bis zum Boden bedeutete.

“Na, das eine. Was vorne kürzer ist als hinten... Mit dem, was so...” Verzweifelt rang er nach Worten. Dieser Mann konnte komplizierte Tränke und Heilmittel herstellen, er konnte sich jedes Detail eines verdammten Vogels merken - doch ein Kleidungsstück beschreiben? Merlin, hilf. Schmunzelnd ließ Lindsey ihn in der Küche zurück.
 


 


 


 


 

In Eile suchte Roxanne ihre Kleidung zusammen. Wenn sie nicht so ein Chaot wäre, müsste sie sich nicht ständig stressen. Amy würde mit Sicherheit einen Tick bekommen, wenn sie zu spät käme. Es war ihr letztes geplantes Treffen vor der Verlobungsfeier und ihre Freundin war so nervös, als stünde die Hochzeit bereits bevor. Einen süßeren und lieberen Menschen als Amy gab es nicht, doch Roxanne hegte die starke Befürchtung, dass sie sich in null-komma-nichts in Bridezilla verwandeln konnte. Gerade während sie sich ein Top überstreifte, klopfte jemand in ihrem Spiegel. Nach einem schnellen Blick auf die Wanduhr ließ sie das Gespräch zu. Statt ihren langen Beinen betrachtete sie nun das Gesicht von Lorcan Scamander.
 

“Woah!”, rief er sogleich. “Eigentlich wollte ich dich überraschen, aber - was ein Anblick!” Grinsend schlüpfte sie in eine Jeans, sodass er schmollend den Mund verzog.

“Hey, Buddy, was gibt’s? Ich hab leider nicht viel Zeit.”, trieb sie ihn an, zu seinem Anliegen zu kommen.

“Treffen mit den Mädels?”, vermutete er und sie nickte seufzend.

“Jaaa, ich wette es wird wieder mega anstrengend.” Überrascht hob er die Brauen.

“Ach so? Ist nicht mehr alles so rosig zwischen euch? Haha! Ein Wortwitz.”, bekicherte er sich selbst. Missbilligend warf sie ihren gerade verwandten Lipgloss gegen den Spiegel, der jedoch vom Imperviuszauber abgewehrt wurde, bevor er das Glas berühren konnte.

“Natürlich ist alles gut! Es ist nur lange her, dass wir so zusammen kommen konnten und es braucht Angewöhnung.”

“Stimmt!”, jubelte er begeistert. “Das Quartett ist wieder vollständig. Ihr wart einfach nicht im Gleichgewicht ohne Dome. Ich weiß eh nicht, was sie in Frankreich wollte. Dann auch noch im Ministerium! So ernst kann sie doch gar nicht sein.”

“Du würdest dich wundern.”, murmelte Roxanne und fragte ihn dann stumm, ob sie sich ein blaues Haarband umbinden sollte oder nicht.

“Top.”, lobte er.
 

“Wenn jetzt alle wieder da sind, sollte ich vielleicht doch kommen.”


“Wie? Doch kommen?” Entsetzt hockte Roxanne sich vor den Spiegel und er zuckte mit den Achseln.

“Mit Al habe ich eigentlich nie sooo viel zu tun gehabt und ich hab hier alle Hände voll.”

“Charlie kommt doch auch! Was willst du dann überhaupt arbeiten?”, jaulte Roxanne und wedelte mit dem Finger vor seinem Gesicht.

“Ganz genau! Irgendwer muss doch den Laden schmeißen. Keine Panik, zur Hochzeit komme ich auf jeden Fall!”

Sie rümpfte die Nase und schaute beleidigt drein. “Ich kann nicht glauben, dass du nicht herkommst. Sogar dein Bruder kommt und den kann niemand leiden.”

Lorcan grinste wissend. “Und Malfoy kommt auch? Arrghh die Hochzeit wird der Hammer, allein schon um alter Zeiten willen.”
“Siehst du? Du verpasst was.”

“Ach quatsch, weißt du wie oft diese Leute noch zusammenkommen werden, im nächsten Jahr?” Freudvoll ließ er seine Augenbrauen auf und ab hüpfen.
 

Roxanne zögerte kurz. “Und was ist mit Fred? Er braucht dich.”

“Ist der immer noch nicht besser drauf?”, fragte Lorcan bedrückt und sie zuckte mit den Schultern.

“Ich habe auch lange nicht mehr mit ihm geredet, aber das letzte Mal als ich ihn gesehen habe, lag er zusammengekauert in der Badewanne, weil er da eingeschlafen war!”

Er verzog mitfühlend das Gesicht. “Klingt übel. Aber ich kann trotzdem nicht kommen.”, setzte er sofort an, bevor Roxanne weiter versuchen konnte, ihn zu überzeugen.

“Fein, wenn du meinst.”, gab sie schließlich nach.

“Wie steht’s eigentlich mit dir?”

“Wie, mit mir?” Kritisch hob sie eine Augenbraue.

“Hast du es ihnen gesagt?”

“Nein.”, gestand sie. “Bisher gab es nicht so den richtigen Zeitpunkt.”

“Aaaha, das riecht aber ganz penetrant nach einer faulen Ausrede. Mit wem gehst du dann zur Feier?”

“Niemandem. Es geht um Amy und nicht um meine Liebesprobleme. Ich muss jetzt los!”, antwortete sie barsch, doch er ließ sich wie immer nicht beirren.

“Viel Spaß bei den Mädels! Wenn ich wieder komme, will ich keine gedrückte Stimmung vorfinden.”

“Ich kümmer mich drum, Chef!” Sie salutierte, seine Abbildung verschwand und sie machte sich auf.
 


 


 


 


 

Rose Weasleys Gesicht machte ihrem Haar gebührende Konkurrenz. Es war erst weiß geworden und hatte sich dann mit und mit immer roter gefärbt. Sie stand ihrer besten Freundin gegenüber, deren Verlobungsfeier sie in den letzten Wochen mehr als akribisch und perfekt geplant hatte.

“Du bist nicht lustig.”, sagte sie streng und Amy sackte das Herz in die Hose.

“Rosie...”, setzte sie schon einmal an, doch bis zum zweiten Wort ließ die Angesprochene sie nicht kommen.


“Nein, nein, nein. Du hast kein Recht mich zu ‘rosie’en.”

Amy seufzte. Nach diesem Streit würde sie gleich einen zweiten vom Zaun brechen und zwar mit Albus, der ihr dieses Unglück eingebrockt hatte.

“Es war von Anfang an klar, dass Malfoy Albus Trauzeuge sein sollte.”

“Vielleicht hättest du mir das mal vorher sagen sollen.” fuhr Rose dazwischen.

“Hör doch mal zu, verhext!”, beschwerte Amy sich, die ohnehin auf dem heißen Stuhl saß.
 

“Nach der Sache mit den vermeintlichen Drogen -” Diesmal war es Dominique die entsetzt aufsprang.


“Drogen?”, japste sie und Amy verdrehte die Augen.

“Ist ne andere Geschichte.”

“Raus damit!”, sagten die Blonde und dunkle Weasley gleichzeitig, während Rose Amy lieber weiter gelyncht hätte.

“Nach der Verlobung wollte Albus Malfoy Bescheid sagen, daher ist er dorthin und kam bis zum nächsten Spätnachmittag nicht zurück.”

“Was?!”

“Ich dachte, er hätte mit Malfoy Drogen genommen, aber das hatte er doch nicht.”

“Moment mal, also stimmte das Gerücht, dass du zwischenzeitlich die Verlobung abgesagt hast?”

“Ja.”

“Wieso erfahre ich nie etwas?”, heulte Roxanne beleidigt, doch Rose schob sie beiseite.

“Siehst du Amy? Wenn Malfoy seine Finger in der Sache hat, kommt Albus nachher noch drei Tage zu spät zu seiner eigenen Hochzeit.” Amy ignorierte den Einwand und fuhr mit ihrer Geschichte fort.
 

“Nach der Sache hatte ich ja auch entschieden, dass Malfoy nicht der Trauzeuge werden darf. Albus war total zerstört, aber mich zu heiraten war wohl wichtiger. Seine zweite Option war James, aber der hat auf den Brief nicht geantwortet und die Eule ist nicht einmal zurück gekommen.” Daran wie Amy bei James Namen geschluckt hatte, machte sich bemerkbar, dass sie vielleicht doch Malfoy bevorzugte. Allerdings nur vielleicht!

“Es kann doch sein, dass James sich noch rechtzeitig wieder meldet.”, lenkte Rose hoffnungsvoll ein.

“Um ehrlich zu sein, will ich es Albus nicht nehmen. Immerhin ist es auch seine Hochzeit.”

“Sechs Jahre, Amy.”, giftete Rose. “Sechs Jahre lang bin ich ihm aus dem Weg gegangen.”
 

“Ja, und weißt du was? Sechs Jahre lang bist du ihm auch auf Hogwarts aus dem Weg gegangen und dann schwupps hast du ihn hinter unserem Rücken geknutscht. Außerdem habt ihr euch damals auch nicht leiden können und trotzdem super Veranstaltungen auf die Beine gestellt. Hör also auf dich zu beschweren und stell deine eigenen Interessen hinter meine. Ich kann Malfoy auch nicht leiden und es ist meine Hochzeit bei der er eine große Rolle spielt. Wenn du nicht meine erste Brautjungfer sein willst, dann sag rechtzeitig Bescheid.”

“Nein!”, rief Rose sofort und man sah ihr das schlechte Gewissen gleich an. “Ich werd versuchen, mich zusammen zu reißen. Die Verlobungsfeier ist aber schon fertig geplant, da lass ich ihn nicht mehr drin rum pfuschen!” Amy lächelte zufrieden und verabschiedete sich. Während sie den Raum verließ, rief Rose ihr hinterher: “Und du schuldest mir einen riesigen Gefallen, Longbottom.”

Dann wandte sie sich an Dominique und Roxanne, die unsicher herum standen. Sobald sie die aufwallenden Tränen sahen, huschten sie zu ihr und nahmen sie in den Arm.

“Ich habe Angst.”, wisperte sie.
 


 


 


 


 

Beim Anblick des in den Himmel ragenden Gebäudes blieb Lily stutzend stehen. Es war definitiv die richtige Adresse. Ihre Point me Zauber schlugen nie fehl. Niemals. Doch dies konnte nicht Hugos Ernst sein. Sie hasste das Gebäude allein schon, weil es so Zauberer untypisch war. Wie konnte sie Hexen und Zauberer anwerben, wenn sie für diese Firma arbeitete? Für diesen Mann? Es musste ein Scherz sein. Ein sehr, sehr schlechter Scherz.

Schon hatte sie ihren Handspiegel herausgezogen, um Hugo zu kontaktieren, doch da besann sie sich. Er hatte es wahrscheinlich wirklich gut gemeint, er hatte ja keine Ahnung.Am liebsten wollte sie gleich kehrt machen, doch immerhin hatte sie einen Termin und wenn sie jetzt einen Rückzieher machte, würde er wissen, weshalb. Nein, sie war eine starke Frau. Sie würde dort hinauf gehen und ihm höflich aber bestimmt mitteilen, dass sie nicht ins Geschäft kommen würden.
 

Die Schultern straff betrat sie das Hochhaus. Die Innenräume wurden von Glas, Stahl und Wasser dominiert. Das Gebäude war von innen hol, sodass sich alle Räume außen befanden. Vom obersten Stock an plätscherte ein Wasserfall munter im Quadrat von Etage zu Etage. Exotische Vögel zwitscherten bezaubernde Melodien und hockten in den Ästen, die vom Wasser gespeist wuchsen. Der gerissene Geschäftsmann lullte seine Kunden und Partner bereits ein, sobald sie den ersten Fuß durch die Tür traten.

Die Empfangsdame war adrett gekleidet und unter keinen Umständen menschlich. Ihr pechschwarzes Haar viel bis zum Boden, beinahe ohne sich zu bewegen. Ihre Haut schimmerte rosa und das nicht nur auf den Wangen, sondern auf jedem sichtbaren Zentimeter. Als sie sprach glaubte Lily einem Glockenspiel zu lauschen und so hörte sie zuerst gar nicht zu. Dies schien die Dame wenig zu interessieren und sie geleitete die junge Hexe zu einem zu 80 Prozent umschlossenen, runden Schacht. Unbeirrt lächelnd deutete sie auf den Eingang und Lily folgte der Anweisung. Für einen Augenblick stand sie dort und fragte sich, was sie tun sollte. Bevor sie ihre Bedenken äußern konnte, wurde sie auf Höchstgeschwindigkeit hinauf gesaugt.

Erschrocken kam sie auf der, wie es schien, obersten Etage an und verließ sofort den Aufzug. Zu ihrer Überraschung fühlte sie sich nicht unwohl und bei einem Blick in die verglaste Wand erkannte sie, dass man ihr den raschen Aufstieg auf nicht aufsah. Sie atmete noch einmal tief durch und betrat dann das ihr bereits verhasste Büro.
 

Beinahe hätte sie nun wackelige Knie bekommen. Ihr war nicht bewusst gewesen, dass es über die Grundform des Komplexes hinausragte und unter ihren dünnen Absätzen sah sie tief unten eine Straße mit Ameisen großen Menschen darauf. Noch war sie allein im Büro und so nutzte sie die Ruhe, um sich an das eigenartige Gefühl zu gewöhnen und aufrecht auf beiden Beinen zu stehen. Mehr als den kurzen Augenblick gab er ihr jedoch nicht. Mit äußerst unhöflicher Manier ploppte es und er saß lässig auf seiner Schreibtischplatte.

“Lily Potter, welch eine Überraschung.”, säuselte er und sie verengte die Augen.

“Scamander, sparen Sie sich Ihr Gefasel.”, kam sie sogleich zur Sache. Mit seinen Spielchen hatte sie vor langer Zeit abgehakt. Wenigstens schien er ein wenig überrascht über ihre formale Anrede, stellte sich jedoch darauf ein.

“Aber, aber. Es ist Teil meiner Gastfreundschaft, Sie zumindest für einen Drink hier zu behalten.”

“Danke, ich verzichte, ich bin nur hier, um -”

“Lily.”, unterbrach er ruhig und zwei Martinigläser mit leuchtend rotem Inhalt erschienen mittig zwischen ihnen schwebend. “Ich bitte Sie, seien Sie nicht so ungemütlich.” Damit fischte er sein eigenes Glas aus der Luft und hielt ihr ihres hin.
 

“Wovor haben Sie Angst?”, fragte er mit seiner tiefen Stimme und aus Trotz nahm sie das Getränk an, probierte es jedoch nicht.

“Angst mit Sicherheit nicht. Gesundes Misstrauen.”, korrigierte sie kühl.

“Was kann schon passieren? Sorgen Sie sich, dass sich Ihre Meinung ändert, wenn Sie zu lange hier bleiben? Wir beide wissen, dass ich sehr überzeugend sein kann.” Sein Zwinkern widerte sie an und sie hielt auf die Tür zu.

“Was auch immer, Mr Scamandar. Die Zeit Ihrer Tricks ist vorbei.”

“Okay, okay, warten Sie.”, bat er und richtete sich nun mit ehrlichem Blick, wie er wohl glaubte, auf. Mit einer ausladenden Geste bat er sie auf einem Hocker an der Glaswand Platz zu nehmen. “Dem einen Drink haben Sie doch gerade zugestimmt. Geben Sie mir die Chance.”

Das Gefühl der Überlegenheit ergriff Besitz von ihr und sie wusste, das war es, was er wollte. Sie in sein klebriges Spinnennetz locken, indem er ihr eine falsche Sicherheit einbläute. Beschämt musste sie zugeben, dass es funktionierte. Pikierte setzte sie sich und beobachtete jede seiner Bewegungen genau.
 

“Was denken Sie?”

“Worüber?”

“Was ich geschaffen habe.” Interessiert erwiderte er ihren Blick und wartete auf ihre Antwort.

“Um ehrlich zu sein, habe ich keine Ahnung, was Sie geschaffen haben. Abgesehen davon einen Schandfleck in die Umgebung zu setzen.”

Nachsichtig lächelnd legte er den Kopf schräg.


“So schlimm, Lily Potter? Hassen Sie es wirklich so sehr? Oder hassen Sie mich so sehr?” Das Wissen, das in seinen Augen funkelte, drohte ihr den letzten Nerv zu rauben. Du bist erwachsen, ermahnte sie sich selbst. Er ist ein Geist deiner kindischen Vergangenheit.

“Hassen ist ein starkes Wort. Ich kann weder das eine noch den anderen leiden.”

“Ah, verstehe. Ich bin überrascht. Ich hätte gedacht, die schöne Aufmachung würde Ihnen zusagen. Sowie der Nervenkitzel.” Sein Blick wendete sich erklärend nach unten auf den verschwindenden Boden. Zugegebenermaßen musste sie einen Fuß auf dem Boden behalten, um Schwindelgefühle zu verhindern.
 

“Spannende Tricks, um Kunden zu gewinnen.” In ihren Worten lag ein eindeutiger Vorwurf.

“Sie glauben also, es liegt an dem Gebäude, dass wir zwei ins Geschäft kommen werden. Interessant.”, drehte er ihr die Worte süffisant im Mund um.


“Scamander -”, setzte sie an, doch erneut unterbrach er sie.

“Haben Sie keinen Durst?”

“Was ist in dem Getränk? Warum soll ich es so dringend trinken?” Er lachte amüsiert.

“Wie schade, dass Sie ständig mit Hintergedanken rechnen und mir nicht zutrauen, ein guter Gastgeber zu sein. Ich dachte allerdings, Sie wollen so schnell wie möglich fort. Dazu wird es nicht kommen, bevor Sie nicht ausgetrunken haben.”

Wie zur Ermunterung nahm er selbst einen Schluck und erneut angetrieben von einer Portion Trotz nippte sie an dem Drink. Zumindest fiel sie nicht um oder verlor ihr Bewusstsein. Doch der Mann vor ihr war gewitzt und zudem nicht untalentiert. Er war in jeder Hinsicht gefährlich. Was auch immer zwischen ihnen beiden vorgefallen war und ob Hugo es wusste oder nicht - weshalb hatte ihr bester Freund geglaubt, es wäre ein guter Schachzug sich an den Teufel zu verkaufen?
 

“Was meinen Erfolg angeht: Ich weiß, was Menschen wollen. Womit habe ich Geld verdient? Mit dem Spiegel in deiner Tasche.”
“Den Sie nicht erfunden haben!”, giftete sie sogleich. James hatte, inspiriert von seinen beiden Namensgebern, das Prinzip der Kommunikation durch Spiegel vertieft, verbessert und erweitert. Allerdings verstand James nichts von Verkauf oder Strategie und so hatte er sich zu Lilys damaligem Entsetzen mit Lysander Scamander zusammen getan, welcher das Produkt zielsicher und erfolgreich auf den Markt gebracht hatte. Beide schwammen sie beinahe augenblicklich im Gold. Dabei hatte James es sich eingeteilt und entschlossen, nie wieder zu “sklaven”, sondern nur noch für sich selbst zu arbeiten und zu tun, was ihn erfüllte.

Dies war eine weitere Sache, die sie Lysander in die Schuhe schob, wenn es auch ungerechtfertigt war. Seit Jahren hatte sie James nicht mehr gesehen und sie fragte sich, ob er seine Familie vergessen hatte. Rasch schüttelte sie die Gedanken von sich ab und versuchte sich zu erinnern, was ihr Gegenüber gerade gesagt hatte.
 

Arrogant hob er eine Augenbraue.

“Haben Sie zugehört?”

“Nein, es hat mich wenig interessiert.”, antwortete sie schnippisch.

“Natürlich. Ich habe Ihnen nur Ihre Frage beantwortet. Mit dem gerecht verteilten Gewinn habe ich mir ein Unternehmen aufgebaut, welches in andere Unternehmen investiert, sie unterstützt und bei der Vermarktung ihrer Produkte hilft. Je größer das Unternehmen wurde, desto mehr Angestellte hatte ich zu unterhalten, welche alle ihre eigenen Vorstellungen mitbrachten. So haben wir uns auf immer mehr Felder ausgeweitet. Meine Angestellten lieben es hier. Dieses Gebäude hält alles bereit, was sie brauchen, um sich wohl zu fühlen und ihre Bestleistungen zu erbringen.”


“Und wie bewerkstelligen Sie das?”, fragte sie desinteressiert. Es war unglaublich wie selbstgefällig ein einziger Mensch sein konnte.

“Das werden Sie herausfinden, wenn Sie Teil der Familie sind.”
 

“Nein. Kennen Sie das Wort? Nein? No? Non? Niente? Niet? Welche Sprache muss man mit Ihnen sprechen, damit Sie es verstehen?”, brauste sie auf. Es war nicht, dass er es nicht los lies. Es war die Selbstverständlichkeit, mit der er seinen Sieg in der Tasche zu haben glaubte.


“Die Sprache des Erfolgs.”, gab er sachlich zurück. In der Tat brachte sie das innerlich zum Stocken. Das würde sie sich jedoch nicht anmerken lassen. Sogleich bemühte sie sich wieder um eine gefasste Haltung. Sie musste ihr Temperament im Zaum halten. Sie musste die Oberhand behalten.

“Mr Scamander, ich weiß, Sie glauben, Sie haben schon gewonnen. Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass ich nur hier bin, um Ihnen das Gegenteil persönlich mitzuteilen. Ich habe keinerlei Interesse an Ihnen, Ihrem Unternehmen und daran von einem der beiden vertreten zu werden. Ich weiß, wofür ich stehe und meine Kunden wissen es auch - sie schätzen es. Allerdings fürchte ich, dass Sie und ich nicht für das Gleiche stehen und wir nicht auf einen Nenner kommen werden.”

“Woran machen Sie das fest?”, hakte er interessiert nach.
 

Seine Tonlage war ernster geworden und gab ihr das Gefühl, dass er sie als seriösen Gesprächspartner ansah. Da, schon wieder spielte er mit ihrem Bewusstsein.

“Ich bin bodenständig, ehrlich, fleißig, mir treu und bescheiden. Sie hingegen sind aufgeblasen, manipulierend, egozentrisch und arrogant.”

“Das zurecht.” Bereits öffnete sie den Mund, um empört zu widersprechen, doch er fuhr fort. “Erst einmal: Was sie als Egozentrik auslegen, interpretiere ich als Selbsttreue. Schauen Sie da, eine erste Gemeinsamkeit. Manipulierend nun... Sie werben für Produkte mit ihrem gut bekannten Gesicht und ihrer Schönheit. Manipulieren sie damit nicht den Willen und die Wünsche der Gesellschaft? Ein fauler Mensch könnte niemals schaffen, was ich geschaffen habe und ohne Ehrlichkeit kann man nicht auf Vertrauensbasis handeln. Deshalb werde ich jetzt ehrlich mit Ihnen sein: Ich bin nicht bescheiden, weil ich stolz sein kann, auf meinen Erfolg. Sie hingegen scheinen Grund zu haben, bescheiden zu sein.” Die Wut kochte in ihr, doch sie überspielte es indem sie genervt den Kopf schüttelte und das Getränk hinunter kippte.

“Eine weitere Wahrheit: Ohne mich, haben Sie keine Chance.”
 

Selbstbeherrschung hin oder her. Sie hasste diesen Mann. Das Glas, das sie gerade zuvor auf den Tisch gestellt hatte, war wieder voll. Wütend stand sie auf, packte es und pfefferte es gegen die Wand, wo es zerbarst.

“Unbeschreiblich!”, kochte sie. “Kaum zu glauben, was Sie sich rausnehmen. In welcher Welt leben Sie, dass Sie erwarten, mich durch Beleidigungen überzeugen können?” Er schwieg und beobachtete, wie sie tobte, was sie weiter zur Weißglut trieb.

‘Ah, schau mich an. Ich bin der Mann, der alles kann!’”, imitierte sie ihn abfällig.

“Antworte.”, forderte sie zischend und er erhob sich und tat einen Schritt auf sie zu. Lily hatte schwer damit zu kämpfen, nicht zurückzuweichen.

“Schön, dass Sie es so sehen.” Es war zum Mäuse melken. Du bist ein Model, Lily, warnte sie. Benimm dich! Doch sie hätte von Anfang an wissen müssen, dass sie nicht hätte kommen dürfen. Es war nur ein Spiel für ihn.

“Wir würden ein perfektes Team abgeben, wir würden -” Aber sie wollte nicht mehr hören, wie sehr sie auf ihn angewiesen war - laut ihm!
 

“In deiner Phantasie scheinst du der Größte zu sein. Gib noch ein bisschen an für mich. Du weißt, ich höre es gern, wie du von dir selbst sprichst. Ich hör dir zu mit offenem Mund und tu so, als glaub ich dir jedes Wort.” Er tippte sich an die Nasenspitze und wartete, bis ihr Redeschwall eine Pause ließ.

“Lily, wie wäre es, wenn ich meinen Plan vorstelle.”


“Plan?”, fauchte sie. “Du kannst keine direkte Antwort geben. Alles, was du sagst, ist schwammig und abgewogen. Immer höher, immer weiter, immer lauter, immer besser. Immer, wenn ich gerade gehen will, fällt dir noch einer ein! Ich habe genug davon. Wie um alles bei Merlin kannst du auch nur eine Sekunde glauben, dass ich mit dir arbeiten will?”

Die Hände in der Hosentasche stand er da und ließ ihre Worte unbeeindruckt über sich ergehen. Hatte er gemerkt, dass er die Sache falsch angegangen war?

Ich bin tausend mal besser als du.”, fauchte sie und atmete dann tief durch. Immer noch schwieg er, bis ihre Atmung sich beruhigt hatte. Als er endlich sprach, war seine Stimme leise und eindringlich.
 


“Schau mich an. Ich bin der Mann, der alles kann. Du hast Potenzial, Lily. Nicht nur das begehrteste Gesicht Englands, sondern was das begehrteste Gesicht auf internationaler Ebene sein sollte und könnte. Doch wie kannst du dir deinen Traum erfüllen? Wieso hat Hugo Weasley, dein Agent, resigniert mit der Begründung, dass er dich nicht gebührend vertreten kann? Wieso bist du hier? Weil ich es kann. Ich habe Kontakte, ich verstehe den Markt und ich werde nicht nur dein Gesicht verkaufen, sondern deine Vielseitigkeit, dein Temperament, deine Überzeugungskraft, dein Identifikationspotenzial. Mir ist es egal, was du von mir denkst. Du brauchst mich und ich brauche dich. Was fehlt meinem Unternehmen? Lily Potter. Bekannt, beliebt, angesehen, vertraut. Man fühlt sich zuhause, wenn man dich sieht. Als wärest du jedermanns Freundin und ich muss jedermanns Freund sein. Ich kann so weiter machen wie bisher, mich weiter vergrößern und muss nur wenige Abstriche machen. Du allerdings brauchst mich.” Sein eindringlicher Blick ruhte auf ihr.
 

Lysander Scamander hatte es wieder getan. Sie hatte gewusst, er wollte, dass sie sich sicher fühlte. Sie hatte gewusst, dass er sie austrickste. Doch das war ebenfalls sein Trick gewesen. Das Gefühl zu haben ihn doppelt zu durchschauen, hatte sie unvorsichtig gemacht und er hatte sie provoziert, sodass sie sich öffnete. Wenn es auch auf negative wütende Weise gewesen war, sie hatte ihre Fassade gebrochen und ihm indirekt das Du angeboten. Ihm direkte Angriffsfläche geliefert und er hatte ins Schwarze gezielt. Da stand sie nun mit dem Mann, den sie verabscheute und ehe sie sich’s versah ließ sie ihn treffen. Den Zauberstab auf seine Augen gerichtet zischte sie:


“Einen Monat. Halte deine Versprechen oder Englands beste Freundin wird dich mit Insiderinformationen zu deinem Unternehmen zerstören. Du kannst nur gewinnen, wenn ich nicht verliere.”

Dann verschwand sie und der Scherbenhaufen in der Ecke setzte sich zu einem unverletzten Glas zusammen, in dessen Behältnis eine hellrote Flüssigkeit schwappte.

Geld

Carl machte sich bald auf den Heimweg. Erst hatte er seine aufgebrachte Schwester und Mutter beruhigt und erklärt, dass Lindsey es nicht so mit Herzduseleien habe und mit Zuneigungsbeweisen nicht sonderlich gut umgehen konnte. Albus bot sogar an, selbst nach ihr sehen zu gehen, doch Carl lehnte höflich ab.

“Danke, Albus, aber sie ist meine Freundin. Ich weiß schon, wie ich zu ihr durch komme.”

Tatsächlich war er sich allerdings gar nicht so sicher, was in sie gefahren war. Zwar wusste er, dass sie seine Familie nicht mochte, oder eben nicht mochte, dass sie nicht gemocht wurde, wie sie glaubte, jedoch hatte sie das noch nie so offen geäussert.
 

Traurig schüttelte er den Kopf, während er durch die leere und leicht feuchte Winkelgasse Richtung Heim schlenderte. Seine Beziehung war so perfekt abgesehen von seiner Sorge, Lindsey zu verlieren und dem Manko mit seiner Familie. Erst seit relativ kurzer Zeit, vielleicht zwei Jahren, waren Lindsey und er zusammen. Gleich nach Ende der Schulzeit hatten sie sich ein paar Mal gesehen, dann jedoch aus den Augen verloren. Erst als sie das Agrippa aufgemacht hatte, waren sie einander wieder öfter über den Weg gelaufen und hatten sich einander wieder genähert. Bis er irgendwann der letzte Gast gewesen war.
 

An eine Laterne gelehnt und die frische Luft atmend erinnerte er sich daran, wie Lindsey ihm einen Schnaps einschenkte und damit ihre Tradition begann. Er hatte ihn getrunken und dann noch einen und diese zusätzlich zu seinem gesamten Konsum an jenem Abend. Eigentlich hatte er nie viel Zeit dort verbracht, doch an dem Tag wollte er ihr kurz Hallo sagen, ließ sich zu einem schnellen Getränk überreden und beim Beobachten ihrer Interaktionen mit verschiedenen Gästen entschied er sich, zu bleiben.
 

Schon damals hatte es ihn verstimmt, wie die Männer sie ansahen. Doch er hatte ihre taffe und selbstbewusste Art bewundert, die sie seit jeher an den Tag legte und welche sie für viele so unerreichbar erscheinen ließ. Wie schon früher hatten ihre unterschwellig aufreizende Art und Auftritt ihn nicht beeindrucken können. Erst nach seinem zweiten Schnaps, als sie erschöpft gegen die Theke lehnte, verlor er den Verstand. Er war darum herumgegangen und hatte sie einfach geküsst. Daraufhin trafen sie sich regelmäßig, anfangs weniger, später mehr, bis sie einander täglich sahen und er sie irgendwann seiner Familie als seine Freundin vorstellte - war es auch eher unfreiwillig gewesen.
 

Es war bei Fleurrish und Blotts gewesen, erinnerte er sich, wohin er sie geschleppt hatte, weil er ein Buch für sein Regal suchte. Ein neues Buch pro Monat hatte er sich seit seinem ersten Gehalt gegönnt. Dort stolperte er jedoch auch über seine Mutter und Amy.

“Carl!”, hatten sie überschwänglich gerufen und ihn fest in die Arme geschlossen.

“Ich dachte schon, wir sehen dich gar nicht mehr. Du bist so viel unterwegs in letzter Zeit.”, freute sich seine Mutter übertrieben.

“Ja, das stimmt wohl, Mum. Also, äh...”, hektisch suchte er im Laden nach Lindsey, doch leider fand sie ihn zuerst.

“Baby, was hältst du von dem hier?”, fragte sie kritisch und hielt ihm einen Pflanzen umrahmten Wälzer hin.
 

Amy und Hannah Longbottom starrten die beiden ungläubig und verwirrt an. Lindsey brauchte eine Sekunde, um sie zu bemerken und dann eine weitere, bis es klickte.
“Longbottom! Und, oh, schön, Mrs Longbottom.” Fehler Nummer eins: Meine Schwester mit dem Nachnamen anreden, dachte Carl panisch. Schon rümpfte seine Mutter die Nase.

“Lindsey.”, grüßte Amy unfähig irgendeine Gefühlsregung auszudrücken.
“Ihr kennt euch?”, fragte Mrs Longbottom überrascht.

“Aus der Schulzeit.”, erklärte Amy, ohne den Blick von Lindsey zu wenden. “Das ist Lindsey Fl-”

“Mum!”, unterbrach Carl. “Das ist meine Freundin.” Damit schlang er einen Arm um eben jene und zog sie an sich, wobei sie sich komplett steif hielt.
 

Nun machte sich unverhohlenes Unverständnis auf Hannah Lonbottoms Gesicht bemerkbar. Lindsey in ihren hohen Schuhen, der engen Jeans, dem blassen Gesicht mit schwarz umrandeten Augen und dunkelroten Lippen. Jeder Mensch würde denken, dass sie fabelhaft aussah. Seine Mutter jedoch dachte offensichtlich ‘Merlin, lass dies nicht von Dauer sein.’

“Wie schön.”, sagte sie stattdessen und streckte eine Hand aus. Lindsey ergriff sie und lächelte unsicher.

“Sie interessieren sich also für Kräuterkunde, Lindsey?”

Amy schnaubte und erntete undankbare Blicke von Carl und Lindsey.

“Nein.”, sagte die Angesprochene dann aufrichtig. “Ich dachte nur, es sieht ulkig aus und hat einen komplizierten Namen - es muss Carl gefallen.”
 

So wenig er gedacht hätte, es könnte in dieser Situation möglich sein, hatte Carl lachen müssen. Fröhlich hatte er sie an sich gezogen und Lindsey einen Kuss auf die Wange gedrückt, woraufhin Amy sich verschluckt und lautstark gehustet hatte und seine Mutter ihre Einkaufstasche hatte fallen lassen. Seitdem war es nicht wirklich besser geworden. Zwar fragte seine Schwester nicht mehr ständig: “Wie Carl? Das kann doch nie im Leben passen!” und sein Vater sah das Ganze entspannter, aber mehr als zivil konnte man das Verhältnis nicht nennen.

So offen wie heute, hatten sie sich jedoch nie angefeindet. Er musste dringend mit Lindsey sprechen.
 

Zuhause angekommen stellte er fest, dass die Tür nicht abgeschlossen war und betrat die Bar, woraufhin er zuallererst stockte. Die Haare des Mannes waren ebenfalls blond und nicht viel kürzer als Lindseys, sodass Carl die zweite Person beinahe nicht bemerkt hätte, so nah waren sich die beiden Köpfe. Dann fasste er das gesamte Bild auf. Seine Freundin hatte die Arme um den breiten Rücken eines großen Mannes geschlungen, dessen Kopf hinter ihrem verschwand, aber dessen Mund sich auf Höhe ihres Nackens befinden musste. Seine Hände griffen fest in ihre Taille, sodass sie sich halb unter dem bauchfreien Oberteil befanden und er sehen konnte, dass der Mann sie an sich zog.
 

“Hey!”, rief Carl aufgebracht, da ihm nichts besseres einfiel und marschierte auf die beiden los. Lindsey schrak nicht einmal wirklich auf und machte sich erst recht nicht von dem anderen los. Sondern hob nur den Kopf und sah Carl mit merkwürdigem Gesichtsausdruck an.

“Baby -”, begann sie, doch er unterbrach sie wirsch.

“Nichts da, Baby. Was ist hier los?” Der andere löste sich von ihr und fuhr sich rasch durchs Haar, wagte es aber nicht Carl für mehr als einen Augenblick anzusehen. Dem Longbottom stockte der Atem. Vor ihm stand Scorpius Malfoy. Jedoch ein Carl bis dato unbekanntes Exemplar. Es machte den Anschein, als habe der Blonde geweint, jedenfalls sah er extrem fertig aus. Aber Carl war wütend. Es war nicht das Bild, dass er beim Nachhause kommen erwartet hatte. Vor allem nicht nachdem, was im Haus seiner Eltern gelaufen war.

“Es ist besser du gehst.”, wies er den Malfoy an, welcher nickte und mit einem letzten Blick auf seine gute Freundin disapparierte.
 

“Carl!”, beschwerte die sich sogleich. “Hast du nicht gesehen, dass es ihm dreckig ging?”
“Hast du dich nicht selbst gesehen, wie du dich hier von einem anderen Mann begrapschen lässt, eine Stunde nachdem du meine Schwester zutiefst beleidigt hast?”
“Zutiefst beleidigt?”, brauste sie nun auf. “Sie hat mich doch nur gefragt, weil sie sich dazu verpflichtet gefühlt hat.”

“Sie hat dich gefragt, weil sie dich integrieren möchte, weil sie weiß, dass ich dich liebe und weil sie dachte, du freust dich vielleicht, wenn sie sich dir öffnet.”

“Warum sollte mir so was Spaß machen? Mich in ein Kleid zwängen, dass sie ausgesucht hat und welches sicher nicht nach mir aussehen wird, neben Barbie und ihren anderen dicken Freundinnen. Da bin ich das Anhängsel, das eigentlich nichts mit der Gruppe zu tun hat. Es gäbe eh nur böses Blut! Außerdem gehe ich nur deshalb auf Hochzeiten, weil ich trinken und feiern kann und es gutes Essen gibt. Wenn ich die Hochzeit repräsentiere, muss ich mich auch Amy repräsentierend verhalten.”
 

Wütend fuhr Carl sich durch die Haare.

“Na schön, dann kommst du nicht mit.”, entschied er klar und deutlich.
“Was?”

“Ja, du hast schon richtig verstanden. Du bist meine Freundin, aber Amy ist meine Schwester. Das ist einzig und allein ihr Tag und ich bin als ihre Familie da. Wenn du nicht Teil davon sein willst, dann wirst du es eben nicht.”

“Bist du irre?”, fauchte sie zornig.

“Irre? Ich bin nicht der, der meine Familie beleidigt, Amy zum Weinen gebracht und danach Zuflucht bei einem anderen Mann gesucht hat.”

“Zu deiner Information: Scorpius ist bei mir aufgetaucht, weil es ihm dreckig geht! Wir haben uns lediglich umarmt.”

“Wolltest du deswegen früher weg, damit du ihn treffen kannst?”

“Nein, Mann! Hör auf dich wie ein Mädchen zu benehmen.”
 

Es war unmöglich gegen sie zu gewinnen. Diskutieren mit ihr war sinnlos, weil sie in ihrem Kopf doch so oder so Recht hatte. Ihre Haltung drückte Selbstbewusstsein aus auf eine Weise, als sei dieser Streit nur ein lästiger Gnom in ihrem Garten. Nichts weltbewegendes, keine große Sache, wertlos.

“Vielleicht würde ich das, wenn du dich mehr wie eine anständige Frau verhalten würdest.”, konterte er und ihre Nasenflügel flatterten zornig.

“Anständig? Was, wie Amy? Brav und lieb und perfekt? Albus hier und ach wir heiraten, weil alles im Leben romantisch ist und ich habe keine Sorge in der Welt.” Abfällig schnaubte sie und er rollte die Augen zur Decke.

“Wenigstens kann sie sich auf einen Mann beschränken.”


“Um Himmelswillen, sei nicht so melodramatisch! Hab ich ihn geknutscht? Nein. Hatte ich Sex mit ihm? Nein. Hat er mich überhaupt auch nur angemacht? Nein! Er hat mich umarmt!”

“Umarmung! Das bedeutet, dass man die Arme UM einander legt und nicht auf halbem Weg Halt macht. Er hat dich angepackt, wie ein Stück Fleisch. Ich habe doch gesehen, wie seine Finger sich in deinen Körper gegraben haben. So viel Fleisch ist gar nicht an dir dran, wie der in der Hand hatte!”

“Aargh, wovon redest du überhaupt?”, rief sie verzweifelt. “Die meisten Männer halten Frauen eben so. Das ist er nicht anders gewöhnt.”

“Die meisten Männer.”, wiederholte er missbilligend. “Mache ich was falsch, indem ich dich vernünftig in den Arm nehme? Soll ich dich lieber begrapschen?”

“JA!”, bestätigte sie zu seiner Überraschung und nahm ihm vorüber gehend den Wind aus den Segeln. “Du könntest ruhig mal zupacken, anstatt mich in den Arm zu nehmen wie eine gute Freundin, oder ein Kind oder... oder deine Mutter!”


Seine Augen wanderten unruhig zwischen ihren hin und her, unverstehend.

“Wo kommt das auf einmal her? Nur weil Malfoy dich einmal zwischen die Finger kriegt, weiß ich nicht mehr, wie ich meine eigene Freundin anzufassen habe?”

“Es geht nicht um Malfoy.”, stöhnte sie. “Den hast du ins Spiel gebracht. Und wo wir einmal dabei sind, sage ich dir eben was Sache ist. Du bist fürsorglich und romantisch und zärtlich und das ist super, wirklich. Aber manchmal würde ich gerne begehrt werden -”

“Ich begehre dich!”, rief er aus. “Du bist die einzige Person überhaupt, die ich begehre.”

Erschöpft rieb sie sich die Stirn. “Ich weiß, aber ich meine es anders. Für dich ist Sex so eine lässige Sache, wenn wir denn mal welchen haben.”

Sein Blick konnte erschrockener nicht werden. Mit den Dingen, die sie ihm um den Kopf warf, hatte er nie und nimmer gerechnet.
 

“Wir haben ständig Sex.”

“Haben wir nicht! Vielleicht einmal die Woche.”

“Man kann halt nicht immer Sex haben!”

“Immer? Wir haben fast nie Sex, weil du immer sagst ‘man kann halt nicht immer Sex haben.’ Selbst wenn, es ist immer dasselbe!”

“Und was ist so falsch daran, dass ich dich respektiere?” Mittlerweile sah er richtig geknickt aus und er begann ihr Leid zu tun.

“Nichts ist falsch daran. Aber sieh mich an, was siehst du?”

“Dich.”

“Du siehst deine Freundin, die dir gehört. Andere Männer sehen schlanke Beine, einen straffen Hintern, runde Brüste und mein Gesicht vor allem dann, wenn sie es als lüstern oder anzüglich deuten.”

“Aber du bist doch kein Objekt!”, protestierte er und schüttelte den Kopf, um nicht daran zu denken, was andere Männer über sie dachten.

“Nein, aber ich bin heiß! Das siehst du nur nie. Du denkst ich bin schön und süß und liebenswert - warum auch immer. Und du hast Sex mit mir, weil du es kannst, nicht weil du mich ansiehst und es einfach willst. Du begehrst mich nicht richtig.”
 

Völlig ratlos stand er vor ihr. Was sie von ihm wollte, schien so paradox.

“Du willst, dass ich mich wie ein fremder Mann verhalte, der mit dir seinen Sextrieb befriedigen will?”

“Ich will, dass du mich willst. Ich will, dass du mir das zeigst und dass du mich anfasst und hältst und dass du... dominant bist.” Wieso verstand er nicht, was sie versuchte ihm zu erklären?

“Was, mit fesseln und so?”, brach es heiser und panisch aus ihm hervor. Zügig ging sie auf ihn zu, packte ihn bei der Krawatte und zog heftig daran, sodass er sich auf einen Hocker setzten musste. Dann drückte sie ihn gegen die Bar und eroberte seinen Mund.

“Das, das ist dominant. Ich weiß, was ich will und ich bekomme es. Warum? Weil ich dich will.”

“Jetzt gerade?”, fragte er ungläubig und entlockte ihr damit ein ungewolltes Lächeln. Schweiß stand auf seiner Stirn und sein Blick war wild.

“Ja, weil du sexy bist, wenn du dich aufregst.”

“Im Ernst?”
“Schon. Der grimmige Blick steht dir.”
 

Überfordert rieb er sich das Gesicht und zog sie an sich, sodass ihr Kopf auf seiner Schulter zu ruhen kam. Einige Minuten saßen und standen sie nur so beieinander und dachten über das Geschehene und Gesagte nach, bis er irgendwann die Stille brach.

“Du siehst fantastisch aus, das weißt du doch. Ich begehre dich, nur vielleicht nicht in der Kleidung, bei der du es dir wünschst. Ich mag dich, wenn du die Kleidung trägst, die andere nicht zu Gesicht bekommen. Das macht mich doch anders, oder? Dass ich mich nicht von der Kleidung beeinflussen lasse, die du trägst, um andere zu beeinflussen. Das ist die, in der dich andere Männer sehen. Die, in der du mit ihnen flirtest. Ich bin nicht einer von vielen.”

Gedankenverloren streichelte sie mit den Fingerspitzen sein Bein.

“So überlässt du ihnen das Spielfeld. Du räumst ihnen einen Teil von mir ein, sogar einen großen. Willst du nicht, dass ich ganz dir gehöre?”
 


 


 


 


 

Mit 22 Jahren sollte man meinen, dass man sein Leben selbstständig und Eltern unabhängig planen dürfte. Gerade als erfolgreicher Mann wie er, der sich einen Namen machte. Doch wenn seine Mum ihm schrieb, dass es Abendessen bei den Potters gab, dann gab es Abendessen bei den Potters. Weder er noch Rose konnten sich abgesehen von der kurzfristigen Nachricht eigentlich beschweren. Immerhin kamen ihre jeweilig besten Freunde auch.

Daher sagte Hugo kurzerhand ein Date ab - wirklich darauf gefreut hatte er sich eh nicht - und kleidete sich etwas alltäglicher. Wie gehabt brachte jeder etwas zum Abendessen mit und so griff Hugo sich eine Tüte Chips.

“Mum, du hast vor zwei Stunden Bescheid gesagt! Ich brauche Stunden, um selbst zu kochen.”, begründete er seinen Faux-Pas vor Hermine, die ungeachtet seines Alters mit erhobenem Zeigefinger dastand. Lily kicherte und zog ihn mit sich.
“Ich finde die Chips klasse.”

Hermine runzelte die Stirn, war sie doch noch immer sicher, dass Lily magersüchtig war.


“Lils!”, rief Rose durch den Raum. “Hab gehört, du hast nen neuen Agenten?” Mit dem Zauberstab schleuderte sie den Blattsalat so stark, dass die Schale beinahe vom Küchenblock sprang.

“Allerdings.”, brummte Harry.

“Ich hab nicht mehr genug Zeit.”, warf Hugo weitaus kleinlauter ein, als er es Rose berichtet hatte.

“Dir macht auch niemand einen Vorwurf.”, versicherte Ginny warm. “Scamander ist ein klasse Geschäftsmann.”

“Sicher, aber genau das sorgt mich. Er sieht das Produkt, nicht Lily.”, meldete Harry sich erneut, doch Rose hatte längst den Salat vergessen.

“Scamander? Lysander? Spinnt ihr?”

“ROSE!”, mahnte ihre Mutter und sie verdrehte die Augen.

“Er ist ein lebenssaugender, eigennütziger, unflexibler, unausstehlicher Schnöselgnom.”, schnaufte Rose und Lily klatschte in die Hände.

“Super! Da waren ein paar bei, die ich ihm noch nicht an den Kopf geworfen habe.” Die meisten außer Albus runzelten die Stirn.
 

“Ich denke, du hast die richtige Entscheidung getroffen, Schwesterlein. Er wird dir deine beste Chance geben.”

“Als ob! Genauso gut könnte ich es allein schaffen.”, widersprach sie energisch und Rose bestärkte sie heftig darin.

“Wieso bist du dann bei ihm unter Vertrag gegangen?”, fragte Albus misstrauisch und sie verschränkte trotzig die Arme.

“Man könnte sagen, es ist so was wie ne Wette.”

“Du hast eine Wette auf deine berufliche Zukunft abgeschlossen?”, fragte Harry entgeistert.

“So wie ich dich kenne, hast du auf den Teil gewettet, der deine berufliche Zukunft killt?”, tippte Hugo schlau und Lily knuffte ihn in die Seite.

“Wie gesagt, ich brauche Scamander nicht.”

“Lily!”, stöhnte Harry und rieb sich unter der Brille die Schläfen.

“Onkel Harry!”, sprang Rose ein, obwohl sie seine Meinung vollkommen teilte. “Das grau melierte Haar steht dir wirklich spitzenmäßig. Sehr sexy.”

“Ganz genau.”, stimmte Ginny leise zu und küsste ihn auf die Wange.
 


 


 

“Also, Albus, du hast eine wichtige, lebensverändernde Entscheidung getroffen.”, setzte Ron ernst an, kurz nachdem sie mit der Hauptspeise begonnen hatte. “Ich, als dein Pate, möchte dir ganz dringlich von ihr abraten.”
“RON!”, rief Hermine ohne eine Sekunde zum Aufwärmen zu brauchen.

“Amy wird dir dein Leben nehmen, dir alle Freuden vorenthalten -”

Außer sich packte Hermine ihren Mann am Arm und zerrte ihn vom Tisch fort, während der versuchte sich zu entreißen.

“Es war ein Witz, ein WITZ, Mine!”, hörte man ihn gerade noch rufen, bevor sie in der Küche verschwanden. Ginny verdrehte die Augen über das taktlose Verhalten ihres Bruders und tat Teddy mehr Brokkoli auf, der verspätet erschienen war.
 

Die jüngeren der Anwesenden ignorierten das Verhalten des Ehepaars und Lily drückte Albus fest an sich.

“Ich bin so stolz auf dich. Zwar dachte ich immer, du würdest Rose heiraten, aber Amy geht auch klar.” Er schnaubte und wuschelte ihr durchs Haar, was sie ausnahmsweise zuließ.

“Wie läuft es mit den Vorbereitungen?”, fragte Teddy. Er klang müde. Da Victoire sich um das Café kümmerte, war er unbewusst zum Hausmann geworden und erledigte ihren Papierkram zuhause, wo ihm seine Zwillinge um die Ohren sprangen. ‘Warum muss jede Weasley Generation Zwillinge haben?’, hatte Fleur gestöhnt, welcher Fred und George nicht gerade gnädig gegenüber gewesen waren.

“Gut.”, brachte Hugo sich wieder ein. “Rose hatte Glück, dass sie mich zur Mithilfe nötigen konnte.”
 

“Besser als mein neulich ernanntes Helferlein!”, unterbrach seine Schwester und blickte Albus anklagend an, der wie immer unbeirrt grinste.

“Du machst das schon, Rosie. Scorp ist kein übler Kerl, er -”

“Ist ein lügender, manipulativer, arroganter, ausnutzender -”, redete sie sich schon in Fahrt, als Ginny den Kopf schief legte.

“Ist etwas vorgefallen zwischen euch?” Rose blieben die Worte im Hals stecken, doch unbewusst kam Harry ihr zu Hilfe.

“Du weißt doch, dass Ron sie zum Malfoyhass erzogen hat. Albus hat doch immer über die Feindseligkeiten gezetert.” Peinlich berührt fuhr Albus sich in die Haare und mied Roses Blick.

“Vielen Dank auch.”, machte sie dennoch auf sich aufmerksam. Lily sah verzweifelt zwischen den beteiligten hin und her und ernannte sich zur Vermittlerin.

“Rose, sieh es doch mal so: Scorpius ist Albus bester Freund und dazu noch verdammt sexy. Du hast schon mal mit ihm gearbeitet und es ist super gelaufen, warum sollte es nicht klappen?”

Frustriert warf Rose ihr Besteck auf den Teller, sodass es unangenehm klirrte.
“Wieso erzählen mir alle das? Ich hatte fast Sex mit dem Kröter. Wenn ich ihn nicht sehen will, will ich ihn nicht sehen.” Wütend stapfte auch sie in Richtung Küche los, bis ihr einfiel, dass ihre Eltern sich dort aufhielten. Also wandte sie sich um und setzte sich auf ein in der Nähe stehendes Sofa. Harry und Ginny starrten unbehaglich auf den Tisch. Da Rose nicht ihre Tochter war, sahen sie es normal davon ab, sie zurecht zu weisen.

“Scheint doch nicht wegen Ron zu sein.”, murmelte Harry verlegen.

“Wahrscheinlich Erdbeerwoche.”, wisperte Hugo, woraufhin er einen wütenden Tritt von Lily verspürte und man ihr gezischtes “Eine wütende Frau muss nicht zwingend ihre Tage haben, du taktloser Troll.” vernahm.
 

Albus erhob sich und ging zu seiner besten Freundin. Unterwegs wies er die anderen, inklusive seiner Eltern, mit einem energischen Kopfrucken, zu verschwinden. Rose machte widerstrebend Platz für ihn und er zog sie an sich.

“Rosie, es ist unsere Hochzeit.”, setzte er nach einer Weile an.

“Ja, okay, ich hab’s verstanden. Bitte, fang nicht schon wieder davon an.”, schnappte sie und versuchte von ihm abzurücken, was er nicht zu ließ.

“Aber ich bin genau die Person, bei der du dich aufregen solltest. Ich bin dein bester Freund und derjenige, der entgegen deinem und Amys Wunsch, trotzdem Scorpius ausgewählt hat. Du hättest sie nicht so anfahren dürfen.”

“Vielleicht hättest du einfach gleich zu mir kommen sollen.”, giftete sie uneinsichtig und er seufzte.

“Ich weiß. Was passiert ist, ist passiert. Ich will, dass du ein Teil von unserer Hochzeit bist und dass Scorpius einer ist. Ich will außerdem, dass es die fetteste Party des Jahres wird und dass alle Spaß daran haben. Amy ist nur noch am Weinen. Überall, wo ich hingehe, wird gestritten. Es ist kaum auszuhalten. Was ist passiert? Weißt du noch, als alles mal so gut war?” Während er redete, spürte er warme Tränen auf seinem Hemd und ein ruckartiges Schulterzucken. Mitfühlend rieb er ihren Arm.
 

“Ich hasse es auch, Al! Von dem Moment, in dem Amy es uns gesagt hat, ist einfach alles schief gelaufen. Ich will so sehr, dass sie glücklich ist und wenn ich dafür mit Malfoy ins Bett muss.”

“WAS?!”, japste er entsetzt und sie knuffte ihn halb lachend, halb heulend in die Seite.

“Ich habe eben ein bisschen viel Koboldschnaps vor getrunken. Und zu allem Übel habe ich auch noch meine Tage.” Er konnte nicht umhin vergnügt zu grinsen.

“Zwar wird deine Mum dich umbringen und dein Dad erst Recht, falls meiner ihm erzählt, was du eben hast platzen lassen -”

“Merlins alte Unterhosen, verdammt!”, fluchte sie und wahre Panik stand ihr ins Gesicht geschrieben.

“- aber ich habe die perfekte Lösung.” Zwinkernd bugsierte er sie zum Kamin und schrieb eine schnelle Notiz, die er per Eule rausschickte. Dann warf er Flohpulver in die Flammen, schubste sie hinein und sagte seine Adresse auf.
 


 


 


 


 

Die Wanduhr zeigte 21 Uhr abends an und bisher war nichts schreckliches passiert. Amy und Dominique streckten sich auf der Couch, die Albus verkleinert und an seinen Besen gebunden einmal aus Österreich mitgebracht hatte. Damals war Amy fast umgekommen vor Sorge, denn vor Abflug hatte er ihr eine Eule geschickt und war dann erst fünf Tage später aufgetaucht. Nass vom Schweiß und Regen hatte er vor der Tür gestanden, das zottelige Haar über seinem Gesicht klebend und sie trotz ihres dünnen Nachhemdchens an sich gedrückt.

Während er ihr seinen schweren, wärmenden Reisemantel anzog, erzählte er ganz aus dem Häuschen, dass er sie (die Couch) zwar geschrumpft habe, das Gewicht dabei allerdings nur halbiert bekommen hatte, weil ihm der Zauber nicht mehr richtig eingefallen war. Kopfschüttelnd stand sie vor ihm und fragte sich, warum sie nicht endlich ins Haus gingen. Unter dem Mantel klebte ihr Nachthemd an ihren Brüsten und auch ihr Haar wurde immer strähniger vom Regen. Doch Albus war der glücklichste Mensch der Welt. Er zielte auf die Couch und vergrößerte das schöne Stück, deren Polster ebenfalls trieften und aus denen eimerweise Wasser austrat, als er sich mit Amy darauf warf. Lachend lagen sie im Regen und knutschten mitten auf dem Bürgersteig auf einer klatschnassen Couch, an der ein Besenstiel lehnte. Danach lagen sie beide mit einer ganz schrecklichen Grippe flach.
 

Amy seufzte einmal bei der Erinnerung und nahm einen großzügigen Schluck ihres Weins.

“Unser Leben war so gut, Dome.”, sinnierte sie und Dominique nickte bedeutungsvoll. “Trotz des Regens und der Grippe waren wir so glücklich und nichts konnte uns stören. Und jetzt? Alles versinkt im Chaos. Die Hochzeit soll perfekt sein und Albus Freunde und meine Freunde hassen sich.” Leicht anklagend schielte sie zu der blonden Schönheit, die sehr konzentriert ihre Nägel studierte.

“Hm?”, machte sie, sobald ihr auffiel, dass sie um einen Kommentar nicht drumrum kam. “Komm schon, Amy. Früher hat es dich auch nie gestört. In der Siebten, deiner Sechsten, hast du sogar nen heftigen Streit mit Al vom Zaun gebrochen, weil er ne Party für Gryffindors und Slytherins geschmissen hat!”

“Diese Party ist jetzt meine Hochzeit!”, erinnerte Amy düster. “Ich will den neuen Lebensabschnitt nicht mit bösem Blut beginnen.”

“Verstehe.”, murmelte Dominique. Bei ihr war auch alles anders. Sie war anders. Seit ihrer Auszeit war es immer schwerer, der unbeschwerte, lebenslustige Mensch zu sein, als den man sie kannte. Immer aufmunternde Worte und ein Lächeln auf den Lippen. Was, wenn sie dieser Mensch nicht mehr war?
 

Früher hatte ihr manchmal Rockwood geholfen, sich daran zu erinnern. Er erwartete gar nichts von ihr, sondern scherte sich nicht darum, ob sie sich freuen oder aufregen wollte.

“Sag mal.”, flötete sie los. “Kommt Earl auch?”

“Wer?”

“Earl Rockwood.”

“Bloß nicht!”, stöhnte Amy und nahm darauf einen weiteren großen Schluck. “Ich komme mir jetzt schon vor, als arbeite ich in einem Kindergarten. Ich muss auf Scamanders gutes Benehmen achten, James aus dem Weg gehen, wenn der denn kommt, Rose und Malfoy an der Leine halten, Malfoy aber als willkommenen Teil der Gesellschaft aufnehmen und Flint integrieren!” Sogleich biss Amy sich auf die Zunge, während Dominique sich an ihrer fast verschluckte.

“Wie meinst du das, integrieren?”

“Ich habe sie gefragt, ob sie Brautjungfer werden will.” Wenn es irgendwie ging, wurden Domes ohnehin riesigen Augen noch größer.

“Flint? Warte, warte, warte. Deine Brautjungfern sind: Rose, Roxanne, ich und Lily - deine besten Freundinnen und die Schwester deines Bräutigams. Was hat Flint denn da drin zu suchen?”

“Sie ist mit meinem Bruder zusammen. Ich liebe ihn, tja und er... also, er liebt sie eben auch. Oder wurde einer Gehirnwäsche unterzogen, oder hat nen Liebestrank geschluckt, was weiß ich!”, fügte sie beim angewiderten Blick ihrer Freundin hinzu.

“Du kannst sie nicht einmal leiden.”

“Muss ich mich jetzt auch noch mit dir rumschlagen?”, fragte Amy müde. “Sie hat sowieso nein gesagt.”

“Was hat sie?”, rief Dominique jetzt noch empörter aus als zuvor. Ihr stand wortwörtlich der Mund offen. “Wie unverschämt! Wann war das?”

“Vorgestern beim Abendessen mit meinen Eltern.” Frustriert ließ Amy den Kopf von der Lehne baumeln.
 

Sie hatte die Entscheidung ganz allein getroffen, ohne Albus oder Carls Einfluss. Das gesamte Abendessen hatte es sie gebraucht, den Mut zusammen zu nehmen und den Mund auf zu machen.

“Man hätte meinen können, ich habe verkündet: ‘Hallo, alle zusammen, ich bin schwanger und werde ein Marsmännchen gebären, dass die gesamte Erde dominieren soll.’ Carl und Albus waren positiv überrascht -”

“Weil die Invasion eines Babyaliens auch ziemlich angenehm sein muss.”, witzelte Dominique, hörte jedoch beim Anblick von Amys undankbarer Miene zu grinsen auf.

“Mein Vater hat eigentlich nicht zugehört und meine Mutter sah irgendwie... komisch aus. Eben so als würde ich einen Marsmenschen gebären, der die Welt dominieren will.”

“Jetzt komm mal zum Punkt.”, zeterte Dominique, auf das eigentliche Ereignis pochend.

“Okay! Flint hat erstmal gelacht und das hat Mum zehn mal wütender gemacht. Dann hat sie mein Gesicht gesehen und so voll entsetzt geguckt. So, weißt du, wenn man was checkt und der Kopf nach hinten ruckt? Wie bei nem Huhn? Nur, dass sie leider trotzdem klasse aussah.”

“Ja, ja, Huhn. Kann ich mir gut vorstellen. Ein Albino-Huhn mit schwarzen Augenringen. Wir könnten auf deiner Hochzeit Hühner-Frikassee servieren...”

“Was? Ihh!”, protestierte Amy angewidert. “Hör jetzt mal auf, oder willst du die Geschichte nicht hören?” Brav blinzelte Dominique mehrmals mit verschlossenen Lippen, um ihr voran stehendes Schweigen anzukündigen.
 

“Jedenfalls hat sie nicht lang gezögert, nachdem der Groschen gefallen war und meinte nur ‘Nee, lass mal.’” Wie versprochen blieb Dominique stumm. “Das war dann so, als hätte sie verkündet, dass sie einen Außerirdischen einer anderen Galaxie gebären wird, der gegen mein Alienbaby um die Macht kämpfen will! Da war es wieder einen Moment still, davon abgesehen, dass Albus gelacht hat, weil er die Situation so bescheuert fand - hoffe ich. Wir haben sie alle nur angestarrt und irgendwie hat sie das als Angriff genommen.”

‘Okay, weiter mit den Konversationen.’, hatte Lindsey mit gehobener Augenbraue gesagt und die Familienmitglieder kritisch betrachtet. Amys Gesicht musste zu dem Zeitpunkt eine sehr entstellte Version eines Horrorfilmopfers widerspiegeln, das gerade erfahren hatte, dass es selbst der Mörder war.

‘Meine Tochter hat gefragt, ob du ihre Brautjungfer sein möchtest.’, wiederholte ihre Mum tonlos, doch zutiefst bestürzt.

‘Hab ich mitbekommen. Aber es macht mir nichts aus, kein Stück damit zu tun zu haben. Ich brauche kein Mitleid.’ Gerade als Amy erklären wollte, dass sie es nicht aus Mitleid gesagt hatte, sprang ihre Mutter erneut ein.

‘Wie kannst du es wagen, so undankbar zu sein, wenn Amy dir trotz allem so viel Nettigkeit entgegen bringt. Schämst du dich nicht?’

Flints Augen verengten sich. ‘Nein, eigentlich geht es mir ganz gut damit, dass ihr mich nicht leiden könnt. Dann muss ich nichts vorspielen, mich in abscheuliche Kleider zwängen und so tun, als ob mir High Tea tatsächlich schmecken würde.’

‘Raus aus meinem Haus, du Dirne!’ fauchte ihre Mum. Carls Freundin machte einen spöttischen Knick und verschwand in dem Augenblick, in dem Amy wütend ‘Mutter!’ rief und in Tränen ausbrach.
 

“Heftig.”, kommentierte Dominique und schenkte sich bei dem Stichwort mehr Wein ein. “Ganz schön dreist von der ‘Dirne.’”

Jedoch war Amy nicht danach sich über Lindsey Flint auszulassen. Bisher hatte sie sich nie Gedanken darüber gemacht, wie sie sich gefühlt haben musste, als Carls Freundin nicht akzeptiert zu werden. Oder überhaupt als die Person, die sie war, nicht akzeptiert zu werden. Mit Carl sprach ihre Mutter momentan auch nicht, denn anstatt den gesamten Abend dort zu verbringen und sich zu entschuldigen, hatte er sich lautstark mit Mrs Longbottom gestritten und Albus gebeten, da zu bleiben.

“Ach, da gibt es ja noch eine ganz andere Sache!”, fiel es Amy wieder ein.

“Seit du deine Zeitung rausbringst, hast du immer den neuesten Klatsch. Wer hätte es gedacht.” Dominique zwinkerte ihr zu, jetzt da sie sich vom tiefsten Schock erholt hatte.

Knapp erzählte Amy von Carls Fund, als dieser nach Hause gekommen war.

“Geheult?”, keuchte Dominique, gerade als der Kamin aufloderte.
 

“Wer hat geheult?”, japste Rose, die selbst ein wenig mitgenommen war und gerade aus dem Kamin gepurzelt kam. “Es tut mir leid, Amy, dass ich so einen Aufstand gemacht habe. Darf ich mit euch Wein trinken?”

Die Hausherrin lächelte erfreut und winkte den Neuankömmling in ihre Arme.

“Dieser Bissen Gerüchteküche wird dich interessieren, Rosie.”

Mit einem trockenen Roten versorgt richtete Rose ihre volle Aufmerksamkeit auf ihre jüngere Freundin.

“Als Carl neulich nach Hause kam, hat er Malfoy im Agrippa gefunden, wo er sich ausgeheult hat!”

Bedeutungsschwanger nickte Dominique, als ihre Cousine bei ihr nach Bestätigung suchte.

“Wieso hat er geheult?”

Nun konnte Amy leider nicht weiterhelfen. Rasch erklärte sie, dass Carl den Eindringling ohne zu zögern oder nachzufragen, raus geschmissen hatte, um ein Huhn mit Lindsey zu rupfen.

“Immer dasselbe mit den Klatschzeitschriften.”, seufzte Rose theatralisch. “Sie haben den großen Aufhängertitel, aber keine Aufhängerstory dahinter.” Spielerisch boxte Amy sie in die Seite.

“Die MirrorMail ist keine Klatschzeitung, danke sehr. Wir legen hohen Wert auf Wahrheit und Glaubwürdigkeit und Relevanz unserer Texte!”

“Natürlich.”, bremste Dominique, einen barmherzigen Ausdruck auf dem Gesicht. Rose tätschelte Amys Kopf, die sie verzweifelt abzuschütteln versuchte, bis alle drei in Gelächter ausbrachen.
 


 


 


 


 

Tausendmal hatte er Amy versprochen, nichts dummes anzustellen.
“Es ist nur ein Abend mit den Jungs. Sogar Carl kommt, was soll da schon schlimmes passieren?” Missbilligend hatte sie nur ab gewunken und ihn damit aus der Küche gescheucht. Wegen gehäufter Delikte in den letzten Monaten schlossen viele Bars bereits sehr früh, also hatten sie sich auf Lysanders Einladung in eine seiner Örtlichkeiten eingelassen.

Als Albus ankam war sie gut besucht. Beinahe ausnahmslos Männer lachten laut am Tresen, sprachen vertraulich auf den Sesseln, oder beäugten zufrieden die leicht bekleideten Tänzerinnen. Das Licht war schummrig und zeichnete weich, was es berührte. Die lauten Klänge der Musik dröhnten in seinen Ohren, bis sie sich in den Hintergrund spielte, sobald er es als unangenehm empfand.
 

Lysander grüßte ihn mit seiner Zigarre wedelnd und Albus nahm Platz schräg gegenüber des gut gekleideten Herrn, der ihm fröhlich zu zwinkerte. Scorpius war ebenfalls schon da, äußerst angeheitert. Innerlich seufzte Albus, während er sein Lächeln nicht verlor. Sein bester Mann musste sich am Riemen reißen. Momentan schlug er heftig zwischen den Extremen und spätestens bis zur Hochzeit mussten sie das in den Griff kriegen. Oder besser noch, vor dem Treffen mit Rose.

“Albus, du siehst gut aus!”, pfiff nun jemand hinter ihm und er erblickte Fred, der auf ihn zu schwankte. Erfreut sprang Albus auf und zog ihn in eine brüderliche Umarmung. Diesen Weasley hatte er schon lange nicht mehr zu Gesicht bekommen und allzu schlecht schien es ihm nicht zu gehen.

“Schön, dass du da bist, Bruder!” Auf dem Weg zu seinem Sitzplatz stieß Fred sich das Knie an dem tiefgelegenen Glastisch.
“Hornschwanz Scheiße, dieser Design. Scamander, du Sack -”, jaulte Fred überzogen und rieb sich das Bein, als habe jemand hineingestochen. Unbeirrt widmete Lysander sich weiter seiner Zigarre und seinem Whiskey.
 

“Die Runde ist fast vollständig.”, stellte Lysander fest und blickte die ehemaligen Slytherins an. “Fehlt nur Earl.”

“Den konnte ich genauso wenig erreichen, wie meinen Bruder. Habe seit mindestens einem Jahr nichts von ihm gehört. Ihr?” Rasch schüttelte Scorpius den Kopf und auch Lysander verneinte, während Fred sich unerklärlicherweise vor Lachen schüttelte.

“Warte mal, fast vollständig?” Stirnrunzelnd sah Albus sich mit einem mal um und sein Freund nickte zu den Stangen, die vom Boden bis zur Decke ragten. An einer davon stand eine unverkennbare Blondine mit ranken, schlanken Beinen, die ausgelassen mit einer ihrer Freundinnen tanzte. Ungemein erleichternd war ihr normaler Aufzug, dennoch drohte Albus Unterkiefer die Tischplatte zu grüßen.
“Lindsey ist hier?”, rief er überrascht und die anderen drei nickten unbeeindruckt. Sein Blick auf ihr erweckte ihre Aufmerksamkeit und sie ließ die Tanzfläche für ihn hinter sich.
“Albus!”, rief sie und drückte ihn an sich. Ihre kurze Lederhose umfasste gerade ihren schönen Hintern und da sie stand, war es ihm unmöglich sie ebenfalls vernünftig zu umarmen. Den anderen warf sie Luftküsse zu und machte es sich auf der Sessellehne bequem.

Als Lysander ihr eine Zigarette anbot, nahm sie die ohne zu zögern an.

“Al, warum siehst du so aus, als hättest du nen Geist gesehen?”, bemerkte sie nach ein paar Zügen belustigt. Der Angesprochene atmete tief ein und versuchte Worte zu fassen.
“Was macht sie hier?” Die Frage richtete sich an Lysander und ignorierte den beleidigten Gesichtsausdruck der Frau.

“Die Runde kommt zusammen. Ich hatte Lust auf alte Zeiten.” Lysanders schöne Gesichtszüge strahlten Unverständnis aus.

“Ich hätte auch auf Linda verzichten können.”, warf ein lallender Fred ein und zwinkerte ihr schief zu. “Jetzt kann ich mich nich entspannen. Muss auf der Hut sein.”
 

Albus war beinahe außer sich.

“Carl kommt heute Abend. Trauzeugen ONLY, heute Abend.”, erklärte er verzweifelt.

“Longbottom kommt?”, fragten Scorpius und Lysander aus einem Mund, woraufhin Albus sie mit einer Geste bedachte, die ungewohnt unfreundlich für ihn war.

“Hört ihr je zu, wenn ich was sage?”, rauchte er. Mütterlich streichelte Lindsey seinen Hinterkopf.
“Keinen Grund zur Sorge, Al. Carl muss heute lange arbeiten. Er kommt frühestens in einer halben Stunde.”

“Musst du nicht arbeiten?”, brummte Albus. Sie zuckte nur mit den Schultern, sodass er annehmen musste, ihre Aushilfe sei eingesprungen.

“Und was sagt Carl, wenn er dich hier findet?”

Erneut zuckte sie mit den Schultern, woraufhin Albus schon nachfragen wollte, doch dies zu Verhindern schien in ihrem Interesse zu liegen.
 

Ein neues Thema suchend beugte sie sich interessiert zu dem Besitzer der Örtlichkeit vor.

“Unser Küken hat sich die Frau fürs Leben geangelt. Bei dir kann es ja wohl kaum an fehlendem Interesse liegen, dass du es so weit nicht geschafft hast.”
“Sehr gut erkannt.”, lobte Lysander arrogant. “Es liegt an meinem fehlenden Interesse.”

“An Frauen oder Heirat?”, kicherte Fred, der stark auf ersteres hoffte und dem bereits ein beleidigendes Wort auf der Zunge lag.

“An den meisten Frauen, die sich für mich interessieren. Sie bieten nichts.”

“Was muss eine Frau dir bieten, Scamander? Ich kann mir nicht vorstellen, dass es mehr als eine hübsche Statur braucht.”, unterbrach Carl Longbottom. Albus stand auf und gab ihm die Hand, ebenso der etwas unbeholfenere Fred und die anderen beiden nickten ihm zu.

“Sieh an, wenn es nicht der Mann ist, der Lindsey gezähmt hat.”, säuselte Lysander und kommentierte damit sogleich den spannungsgeladenen Blickkontakt des Pärchens. Carl runzelte die Stirn ob ihrer unerwarteten Anwesenheit, schien jedoch keine Szene machen zu wollen. Höflich lächelte er stattdessen den Gastgeber an und nahm das Getränk entgegen, das herbei geschwebt kam.
 

“Hey-”, grüßte Lindsey. Ihr Ton war weit weniger anzüglich als der, mit dem sie zuvor jeden der anderen Männer angesprochen hatte. Er war weniger schwer, nicht so betrunken von der Atmosphäre der Bar, nüchterner, neutraler. Auch war es, als wollte sie mehr sagen, beließ es jedoch bei dem einen Wort. Ihre Unentschlossenheit war deutlich spürbar. Ein Limbo zwischen dem, was sie tun wollte und was sie unsicher war, tun zu können. Scorpius spürte es alles in dem kleinen Wort.

“Hey.” Carls Blick, der auf ihr ruhte, war warm, vertraut, ermutigend.

“Ich konnte nicht umhin, die vorherige Konversation zu überhören.”, gestand er dann, um von sich abzulenken. “Frauen müssen was genau mitbringen, um dich zufrieden zustellen?”

Der Angesprochene schnaubte. Mysteriös umspielte der dabei freigesetzte Rauch sein Gesicht.

“Ich mag nicht so tief gehend und umsichtig sein wie du, Longbottom, doch ich bin vielschichtiger, als du annimmst.”

“Ach ja?”, grunzte Scorpius amüsiert und warf einen Arm um Carl, der sich sogleich versteifte. Albus schloss, dass er wohl immer noch nicht sehr gut auf Scorpius zu sprechen war. Natürlich hatte Amy ihm gleich von dem Vorfall im Agrippa berichtet. Scorpius zu konfrontieren hatte er noch nicht geschafft.

“Mein umsichtiger Kumpel hier und ich fragen uns, wie das aussieht. Was meinst du, Carlo? Einem Hochstapler wie dem glauben wir kein Wort.”
 

‘Carlo’ schien die versuchte, wenn auch unbeholfen betrunkene Entschuldigung zu erkennen und ließ die ungewollte körperliche Nähe über sich ergehen. In Lindseys Blick schien etwas wie Dankbarkeit zu liegen. Entspannt lehnte Albus sich zurück und nahm sich erst einmal aus der Konversation heraus. Wenn es um das Gewinnen von Herzen ging, hatte er den Grand Prix bereits Heim geholt.

“Klar, in nichts bin ich besser, als im Überzeugen.”

“Eher manipulieren.”, murmelte Fred und die anderen Männer schnaubten zustimmend. Es war äußerst selten, dass Lysander eins auf die Schuppen bekam und sie kosteten es gerne aus.

“Oder auch unrealistische Wünsche erzeugen.”

“Oder arrogant gucken...”

Unbeeindruckt lächelte Lysander in die Runde und ließ die spaßhafte Kritik an sich ab perlen.
 

“Ein Beispiel für die eigentliche Frage: Ich traf eine Frau in einer Disco. Sie war schön, mit sehr vollen Lippen. Unsere Blicke gingen tief.”

“Tieeef?”, fragte Fred glucksten und malte mit seinen Fingern Kreise über seinem Brustkorb.

“Auch das, wenn du es wissen musst, aber das spielt keine Rolle. Jedenfalls war klar, dass hier was lief. Ich wusste, heute Nacht geht garantiert nichts schief. Ich schließe jeden Deal.”


“Und ich bin raus!”, verkündete Lindsey, während sie ihre Zigarette im Aschenbecher zerdrückte. “Ich habe eine gesamte Schullaufbahn eurer Schürzenjagden hinter mir. Genug ist genug.”

Entschlossen stand sie auf und strich ihr lockeres Top glatt. “Ist ja ne Männerrunde, nicht Albus?” Liebevoll streckte sie ihm ihre pinke Zunge entgegen.

“Tut mir Leid, Lin.”, gluckste er, entspannter als zuvor.

Einen zarten Lippenstiftglanz hinterlassend drückte sie Carl einen Kuss auf und marschierte in Richtung der Tür. Mit dem Blick folgte er ihr, sich wünschend er könnte bei ihr bleiben. An der Tür fasste ein Suffopfer ihr an den Hintern und gerade als er sich schon erheben wollte, schlug sie die Hand des Mannes weg und hielt ihm ihren Mittelfinger vors Gesicht. Zufrieden widmete Carl sich wieder Lysanders Erzählung.
 

Nach einigem Geplänkel, das man sich im Nachhinein hätte sparen können, gingen wir zu ihr.

“Als Mann wie du einer bist, hätte ich erwartet, dass du sie mit in dein beeindruckendes Heim nimmst.”, gestand Carl neugierig.

“Auf keinen Fall. Vielleicht wenn ich auf ein richtiges Date gehe, also tatsächlich mal eine interessante Dame kennenlerne, deren Gunst etwas Aufwand Wert ist, dann vielleicht. Aber solche findet man nicht in einem Club und denen, die man dort findet, verrate ich lieber nicht zu viel über mein Privatleben.”

“Meine Worte!”, stimmte Scorpius überschwänglich zu und lachte dann im Chor mit den anderen darüber. “War nur ein Witz. So viel denke ich darüber nicht nach.”

Lysander gönnte sich einen Moment Auszeit, um den Weg zur Bar einer knapp bekleideten Kellnerin genau zu verfolgen. Carl hingegen wandte seinen Blick unbehaglich von diesen Damen ab, wohl in dem Wissen, dass Lindsey vor ihrer Selbstständigkeit in ähnlichen Verhältnissen gearbeitet hatte. Dass sie augenscheinlich immer noch in Bars wie diese zurück kehrte, machte ihm mulmig zumute.
 

“Sobald wir da waren, hatte ich keine Lust mehr, meine Zeit unnötig zu verschwenden, denn sie ist kostbar. Ich wollte nur noch eins und war bereit dafür. Immerhin war sie jung und wunderschön, doch sie fand ihre Zeit scheinbar etwas kostbarer. Sie gab mir zu verstehen, sie wollte erstmal meine Brieftasche sehen.

“Sie wollte Geld?”, fragte der Longbottom verblüfft und Scorpius ruckte ein wenig an dem Arm, der immer noch um dessen Nacken lag.

Geld, Geld, Geld, mein Freund.”

“Hat der sich ne Prostituierte geangelt.”, lachte Fred außer sich vor Spott.

“Wohl kaum. Sie war eine Spielerin, die genauestens die Zeitung gelesen hat und wusste, wer ich bin und was ich bieten kann.”

“Hast du bezahlt?”

“Bei Merlin, nein! Als ob ich das nötig hätte. Schau uns an. Wir sind erfolgreiche, gut aussehende Männer, wir brauchen uns niemanden kaufen.” Bei diesen Worten lag sein Blick eher weniger auf dem Außenseiter in der Gesellschaft.

“Sex ist kein Marktgut. Das hat sie in meinen Augen entstellt.
 

“Will denn jeder nur Geld?”, klinkte Albus sich jetzt noch mal ein. Wohlstand war eher ein Nebenprodukt von etwas gewesen, dass er liebte.

Auch wenn euch das nicht so gefällt, das Wichtigste auf dieser Welt ist Geld.”, entschied Lysander gleichgültig.

“Das sagst du, weil du es hast.”, gab Fred zu bedenken. “Was ist mit Liebe?”

“Und Familie.”, fügte Carl hinzu, sodass die anderen sie überrascht ansahen, besonders Fred. Sogleich verteidigte er sich.

“Ich mein ja nur! Klar, ich knie und bete um einen Haufen Knete, weil mein Job anständig bezahlt werden sollte, aber es gibt doch auch andere Dinge.”

“Ich bin ziemlich zufrieden so mit meinem Leben.”, deklarierte Scorpius und mied konsequent Albus Blick, der mit sorgevollem Anliegen auf seinem Freund lag.

“Ah, da fällt mir plötzlich doch eine Lösung ein, denn ein Geheimnis gibt es schon zum Glücklichsein. Ich weiß es jetzt, Scamander. Deine These wird gleich aus den Angeln gehoben, denn ich weiß, wie man auch als armer Schlucker mega happy wird. Ich werde es beweisen.”, dröhnte Fred begeistert und nickte heftig, darauf wartend, das sie es ihm nachtäten.

“Schieß los, Weasley.”, forderte Lysander und Fred zwinkerte ihm zu.

Es ist einfach, eher schlicht, doch ich sag’s euch ins Gesicht: so richtig billig wird der Tipp dann leider nicht, denn ich will... Geld!” Kichernd kugelte er sich in seinem Sessel, während die anderen die Augen verdrehten und sich fremdschämend die Stirn rieben.
 

“Wo wir von Frauen sprechen-”, der Scamander musterte Carl genüsslich. Die Luft, die zwischen dem Pärchen gestanden hatte, war auch ihm nicht entgangen. “Drei haben keine Beziehung, einer übertreibt es und du Longbottom? Das ist wohl die verrückteste Kombination, die mir seit Malfoy und Weasley untergekommen ist.”

Scorpius verstärkte seinen Griff um Carl, der sich daraufhin endlich losriss.

“Na ja, es funktioniert prima.”

Scorpius lachte. “Der Vamp und der Nerd, wo hört man so was? Es funktioniert, das habe ich ja letztens gesehen.” Wütend funkelte Carl ihn an, doch Lysander schaltete sich ein.

“Deswegen macht diese Vereinigung auch so wenig Sinn. Eine konventionelle Beziehung würde doch für Lindsey nicht funktionieren und eine unkonventionelle nicht für dich.”

“Warum interessiert euch das so?”, seufzte Carl. Immer war es das selbe, egal aus welcher Richtung die Kritiker sein Zusammenleben mit Lindsey auseinandernahmen. “Es funktioniert so, wie es ist. Sie weiß schon, was sie tut, sonst wäre das nicht so lange gegangen.” Beinahe wie als Schutzfunktion verschränkte er die Arme.
 

“Ist doch egal.”, bat Albus um Einhalt. “Wenn Carl sagt, alles ist gut, können wir ihm das in Bezug auf sein Privatleben glauben.”

Nun prustete Fred los. “Gut? Das klingt viel zu langweilig für Madame Flint.”

Jetzt platzte Carl der Kragen. Mit rotem Kopf hieb er auf die Lehne seines Sessels und sagte laut: “Ich bin ja auch zu langweilig!”

Nun waren die anderen still und die Rhythmen des Raums rückten wieder ein wenig mehr in den Vordergrund.

“Da habt ihr es.”, grummelte Carl wieder leiser. Scham stand in seinem Gesicht, dass er diese Tatsache freigelegt hatte und dann auch noch auf solch explosive Art und Weise.

“Wie meinst du das?”, fragte Albus besorgt. Erst schwieg Carl, doch weil die anderen geduldig und neugierig warteten, gab er nach.

“Es war alles gut, bis Malfoy hier letztens da war.” Zwar wenig zu seiner Überraschung, dennoch zu seinem Missmut, kannten sie alle die Geschichte. Auch Scorpius schien wenig begeistert darüber. Dennoch waren die Herren plötzlich sehr an Longbottoms Geschichte interessiert. Immerhin ging es um ihre alte Freundin und den Mann, dessen Leben das unproblematischste ganz Englands zu sein schien - von ihr abgesehen.
 

“Dann haben wir gestritten und plötzlich aus dem nichts heraus, wirft sie mir diese Dinge an den Kopf, die alle mit Sex zu tun haben.”

“Woooh!!!”, brach Fred ungeschickt die Stimmung mit einem Aufschrei und seiner in die Luft gestoßene Faust.

“Wenn es um Sex geht, wird es immer heikel. Das behalten die ewig in sich drin.”, gab Scorpius zu bedenken. Albus vermutete, dass dahinter auch die Absicht lag, von seiner Beteiligung an der Geschichte abzulenken.

“Aber Lindsey doch nicht!”, beklagte Carl sich. “Sie hält mit nichts hinter dem Busch.”

“Wenn sie einen mag schon. Darf ich fragen, was genau sie dir an den Kopf geworfen hat?”, fragte Lysander sachlich fachmännisch, sodass sein Gegenüber unruhig im Stuhl herumrutschte.

“Sie sagt ich soll dominanter sein. Es ist total absurd!”, brauste er auf. Es war mehr als offensichtlich, dass er sich ununterbrochen den Kopf darüber zermartert hatte. “Sie will, dass ich sie wie ein Objekt behandele, sie mehr begehre. Das ist doch Blödsinn!”

Endlich hatte sich Lysanders Zigarre ausgeraucht und er drückte sie im Aschenbecher aus. Dort brauchte es nicht lange, bis sie sich erneut zusammensetzte. Stolz deutete Fred darauf, denn sie stammte aus der Phönixkollektion seines Vaters.
 

“Sie will nicht, wie ein Objekt behandelt werden.”, begann Albus. “Offensichtlich will Lindsey etwas ernstes, sonst wäre sie nicht mit dir zusammen. Aber sie liebt es, die Draufgängerin zu sein, die sie ist. Weil du ihre ganzen “inneren Werte” so verehrst, hat sie die Sorge, dass du das, was sie eigentlich ausmacht, nicht wertschätzt und nicht willst.”

“Ich kenne sie schon echt lange, Kumpel.”, beteiligte sich Scorpius ernst. Seinem Blick in Carls Richtung unterlag noch immer eine entschuldigende Note. “Sie liebt das Feuer, das Spiel, das Risiko. Am Anfang dachte ich eigentlich, sie macht nur deswegen mit dir rum.”

“Vielen Dank auch.”, erwiderte Carl ungewohnt spitz.

“Willst du die Meinung eines Experten -”

“Wer macht dich zum Experten?”, wandte Scorpius ein, der mindestens genauso viel Erfahrung hatte.

“- der einigermaßen nüchtern ist?” Mit gefalteten Händen lehnte Lysander sich vor. Carl zuckte mit den Schultern. Der Großteil ihrer kleinen Gruppe würde sich morgen wahrscheinlich eh nicht zurück erinnern können.

“Über gute Beziehungen kann ich dir nichts sagen, da bist du dein eigener Experte.” Lysanders Stimme hatte einen beinahe väterlichen Klang eingenommen. Nichts liebte er mehr, als Dinge besser zu wissen. “Aber was verdammt guten Sex angeht, bin ich dein Mann.”

Bisher erschien Carl wenig überzeugt, was Lysander dazu verleitete, eindringlicher zu werden.

“Verdammt gut, himmlisch, unvergesslich, alle Sinne raubend, unersättlich. Einmaliger Sex, Carl.”
 

“Raus mit den Tipps, ich bin ganz Ohr.”, verkündete Fred. Beim Vorlehnen vergoss er sein Herrengedeck Zentimeter von Lysanders Schuhen entfernt. “Zum Glück.”, gluckste Fred und plumpste dann vor dem beinahe Geschädigten auf die Knie.

“Oh, du Gott des Sexes, vergib mir und behellige uns mit deiner Weisheit. Ändere unsere Leben.”

Allesamt sahen sie auf den ausgelassenen Weasley hinunter. “Wahrscheinlich ganz gut, dass er den Teppich getränkt hat an seiner Stelle.”

“Carl.”, sagte Lysander wieder fachmännisch. “Du vergötterst Lindsey und das ist gut.”


“Vertrauen ist sehr wichtig.”, warf Albus ein.

“Aber sie muss das Gefühl haben, dass es besonders ist, dass sie dich hat. Dass sie dafür arbeiten muss. Sie will dich auf jegliche Weise beeindrucken müssen. Deshalb ist es so schwer für sie, dass du sie nicht ganz akzeptierst.”

“Aber ich akzeptiere sie ganz!”

“Wieso berührt es dich dann nicht, wenn sie arbeitet. Wenn sie sich außerhalb eurer vier Wände befindet?” Forsch kam Scorpius Stimme von Carls rechter Seite. Beinahe anklagend.

“Ich will nicht einer von vielen Männern sein.”
“Ignorier doch diese Grindelohs.”, befahl Lysander barsch. “Darum geht es ja. Sie will ihren Spaß haben und den will sie mit dir, aber du willst ihn nicht. Zeig ihr, dass du sie begehrst, dass sie dir gehört.”

“Ich kann so etwas nicht.”, heulte Carl auf. “Ich bin nicht so. Ich kann ihr nicht geben, was sie will. Ich bin nicht gut genug für sie!”

Schweigend, resignierend betrachteten sie ihn. Interessant zu wissen, dass nirgends alles reibungslos lief. Traurig zu wissen, womit das Paar kämpfte. Genugtuend zu wissen, dass man nicht der einzige war, der sein Soll nicht erfüllen konnte.

“Solange du das glaubst, wirst du es nicht sein.”, verkündete Lysander das Urteil und hielt dem Blickkontakt eisern stand, bis sein Gegenüber ihn unzufrieden brach.

M&F

Wieso kroch er eigentlich so oft auf den Knien in letzter Zeit? Glücklicherweise lag es diesmal nicht an übermäßigem Alkoholkonsum - den sparte er sich für den späteren Abend auf - sondern an seiner Faulheit. Albus hatte schlicht und einfach keine Lust ins Wohnzimmer zu laufen, nur um seinen Zauberstab zu holen. Irgendwo dort unter dem Schrank war sein Manschettenknopf verschwunden und er war Mann genug, ihn wieder hervor zu angeln. Oder zu viel Mann, denn seinen Arm konnte er nicht besonders weit darunter schieben. Es dauerte nur wenige Sekunde da grölte er: “Amy! Schatz!”
 

Wenige Sekunden später erschien sie aus dem Wohnzimmer und fasste sich bei seinem Anblick an den Nasenrücken.

“Hast du mich gerade hergerufen, damit ich dir helfe, anstatt selbst den kurzen Weg zu gehen?”

“Ich hätte hin und zurück gehen müssen und du...” Unschuldig grinsend rollte er ganz auf den Rücken, seine Hand noch immer unter dem Schrank.

“Du siehst klasse aus. Besonders von hier.” Ungläubig schüttelte sie den Kopf und strich den Stoff ihres anthrazitfarbenen Neckholders glatt, sodass er nicht darunter gucken konnte.

“Süßeste Amy, würdest du einem armen Schlucker wie mir helfen und mit deinem zierlichen Arm den Manschettenknopf holen?”, säuselte er.

“Du bist so ein Trottel.”, murmelte sie, deutete mit ihrem Zauberstab auf den Schrank und zauberte stumm das silberne Accessoire herbei. Flink schoss es darunter hervor und traf Albus an der Stirn.
 

“Au, danke. Ich liebe es, wenn du lächelst, aber so grimmig siehst du einfach noch viel besser aus.”, kommentierte er beim Aufstehen, lockte ihr damit ein Lachen heraus und verdiente sich einen Kuss. Und noch einen. Sein Arm schlang sich um ihre Taille und er ließ den Kopf an ihrer Stirn ruhen, ohne sie dabei aus den Augen zu verlieren. Unter ihrem schwarzgefärbtem Wimpernkranz hindurch sah sie verliebt zu ihm hinauf.

“Ich wünschte heute wäre schon die Hochzeit.”, wisperte er und sie schloss nur glücklich die Augen.

“Vielleicht können wir auch einfach nur zu zweit die Verlobung feiern.”, hoffte sie beim Gedanken an die bevorstehende Feier, an das Treffen von Rose und Malfoy, an Lindsey, die Carl zuhause lassen würde und an Mr Potter, der wegen eines Notfalls viel zu spät kommen würde. Und beim Anblick von Albus in seinem maßgeschneiderten Hemd aus Himalayafasern mit diesen grandiosen Muskeln. Bevor sie sich in ihn verliebt hatte, war ihr nicht klar gewesen, dass sie an einem Körper wie seinem Gefallen finden würde.
 

“Ach was, es wird fabelhaft werden und wenn du verzweifelst, schau einfach mich an und vergiss alles andere.” Erneut küsste er sie sanft und während sie ihn in Richtung des Bettes dirigieren wollte, wich er lachend aus.

“Sparen wir uns das für heute Nacht.”, zwinkerte er. “Ich wollte noch bei Scorpius vorbeischauen und sichergehen, dass alles ok ist.” Das veränderte ihre Laune schlagartig.
“Wirklich, Al? In vierzig Minuten wollen wir da sein.” Seine zärtlichen Beschwichtigungsversuche schlugen nicht mehr an und um dies zu demonstrieren, verschränkte sie ihre Arme abweisend vor ihrer Brust.

“Ich weiß, aber es soll alles glatt laufen, oder?”, versuchte er es also diplomatisch. “Er ist mein bester Freund, mein bester Mann und er hat... eine schwierige Phase momentan. Wenn es Rose wäre -”

Genervt verdrehte sie die Augen, hob aber ergebend die Arme.

“Rose muss man nicht babysitten. Tu, was du nicht lassen kannst. Aber wir gehen zusammen auf unsere Verlobungsfeier, Albus Severus Potter.”, mahnte sie. Im Hinausgehen hörte er, wie sie ihm nachrief: “In einer halben Stunde bist du hier!”
 


 


 


 


 

Ungewöhnlich verspätet erreichte Carl die Party. Ungewöhnlich für ihn, denn sonst war er immer auf die Minute genau dort, wo er sein musste. Das Ambiente schien jedoch locker genug, um ihm seinen Fauxpas zu verzeihen. Viele der Gesichter waren ihm unbekannt und er vermutete sie als Amys und Albus Arbeitskollegen. Gemeinsam mit einigen Pärchen verschaffte er sich stockend Einlass in die Örtlichkeit und hielt dann sofort auf die Glastüren zu, welche auf eine große Hinterterrasse führten. Sie war romantisch von einigen Papierlaternen beleuchtet und bot sich perfekt an einem warmen Abend wie diesem. Rose hatte den Termin wohl absichtlich auf einen indischen Sommertag gelegt und ein paar Isolationszauber über die Terrasse gesponnen, sodass auch die luftig bekleideten Damen draußen nicht frieren würden.
 

“Carl, da bist du ja.” Begeistert über sein Auftauchen eilte seine Schwester zu ihm und umarmte ihn.

“Klar, bin ich hier. Herzlichen Glückwunsch, Amy.”

“Danke.” Überwältigt sah sie sich um und er tat es ihr gleich. Wenn er auch von Rose extravaganteres gewohnt war, so erschien ihm die Gestaltung der Örtlichkeit auf den Punkt perfekt. Bevor sie Hand angelegt hatte, hätte Amy wahrscheinlich beim Anblick des Biergartens die Hände über dem Kopf zusammen geschlagen. Nun baumelten sanfte Lichter über den mit Sekt bewaffneten Gästen, die sich mit und mit sammelten. Auch die Tabletts, auf denen volle, wie leere Gläser, sowie Häppchen thronten, schwebten eigenständig durch die Menge. Über die Tische hatte man leichte Tücher in unaufdringlichen Herbstfarben drapiert. Sie positionierten sich entlang der abschirmenden Hecke, sodass sich die Tanzfläche zwischen sie und die Glaswand zum Innenraum bettete. Hinter dieser Wand konnte Carl entspannende Sitzecken, ein Büffet und eine Bar erahnen. Vor dieser warm getünchten Landschaft sah Amy in Carls Augen sehr bleich aus.
 

“Alles in Ordnung?”
“Ja.”, versicherte sie etwas außer Atem, wobei ihr Blick rastlos hin und her wanderte. “Es sind nur so viele Leute und ich schwöre, ich habe Reporter gesehen. Falls du Albus findest, bitte schick ihn zu mir.”

Der Abend hatte vor einer Viertelstunde begonnen und schon hatte sich das Pärchen aus den Augen verloren.

“Das ist alles viel mehr Stress, als ich dachte.” Beruhigend legte er ihr seine Hand zwischen die kühlen Schulterblätter. Dankend sah sie zu ihm auf. “Am liebsten würde ich gerade Kuschelsocken tragen, Albus schmusen und von mir aus alle Platten von Nimbus Three Million anhören, die er besitzt.”
 

Carl drückte sie fest an sich und legte seine Hand auf ihr Haar - eine Geste, die sie zu seiner Überraschung nicht ablehnte. “Du musst deinen Kopf abschalten und einfach deine Feier genießen. Es geht um euch zwei.”

“Ja, aber ich weiß nicht mal, wo er ist.”, erwiderte sie aufgebracht und drückte sich etwas von ihrem Bruder ab. “Diese Feier ist eine tickende Bombe, Carl. Rose hat mich fast avaderd, als ich Malfoys Namen nur erwähnt habe und du hast noch nicht einmal deine Freundin dabei meinetwegen. Du hättest sie doch mitbringen können, Carl.”

Er schmunzelte. “Das ist nur eine Sache zwischen Lindsey und mir, mach dir darüber keine Gedanken. Und auch der Rest wird sich geben! Versuch einfach, dich zu entspannen und ich sorge dafür, dass dein persönlicher Potter zu dir zurück findet.” Ein letztes Mal drückte er sie, dann nickte er ihr aufmunternd zu und sie straffte dankbar die Schultern.
 

Auf die Höflichkeit bedacht, noch einmal offiziell zu gratulieren, hielt er also Ausschau nach Albus und begrüßte unterwegs ein paar andere bekannte Gesichter, bis ihm sein Gesuch ins Auge stach. Auch Albus stand draußen, ein wenig abgeschirmt mit Malfoy, wohl in der Absicht für einen Moment den Gratulanten auszuweichen. Carl jedoch hatte einen Auftrag und so ging er zielstrebig auf die beiden zu.

“Ich hab’s dir doch eben gesagt. Zeig dich von deiner besten Seite. Sei dein schmierigstes, arrogantestes Selbst von mir aus. Hauptsache du verbreitest... oder bist guter Laune.” Von Carl unterbrochen sahen sie auf.

“Albus.”, grüßte er. “Herzlichen Glückwunsch noch einmal zur Verlobung.” Sie zogen einander in eine brüderliche Umarmung.

“Danke, Carl. Lindsey ist nicht dabei?”, fragte Albus verwundert.

“Nein, nein, sie hatte ja keine Lust.”, verdrehte er die Wahrheit ein wenig, was Malfoy nicht zu entgehen schien. “Aber Amy sucht dich dringend, soll ich dir ausrichten.”

“Klar.” Albus klopfte seinem besten Freund auf die Schulter, wobei Carl sich sicher war, dass ein vielsagender Blick der Geste einher ging und wuselte dann strahlend zu seiner Verlobten zurück. Die beiden ungleichen Männer blieben allein zurück.
 

Malfoy war eigenartig stumm und starr. Carl folgte neugierig seinem Blick und dieser verfing sich gleich in einem roten Lockenschwall. Rose. Rose? Er erinnerte sich an Amys Worte, denen er zuerst nicht viel Bedeutung beigemessen hatte. Wie es schien, war das sieben Jahre alte Kriegsbeil noch immer nicht begraben.
Unnötigem Drama vorbeugend schob er sich vor Malfoy und verbarg ihm die Sicht. Erster Schritt getan, jetzt musste er ihn nur noch in ein Gespräch verwickeln.

“Tja... wie läuft die Arbeit? Wann ist das nächste Spiel?”, versuchte er es unter bestem Vorsatz. Verwirrt sah der Blonde ihn an und antwortete dann trocken.

“Ende Herbst. Training geht jetzt wieder los.”

“Richtig, richtig. Ganz schön spannend...” Ratlos wippte er ein wenig auf und ab. “Hast du dich schon mal übel verletzt?”

Malfoy fixierte ihn für einen Augenblick. Einen langen Augenblick. “Sollen wir einfach was trinken gehen, Longbottom?”

“Ja, super Idee.”, warf Carl sich sofort auf den Rettungsreifen.
 


 


 

“Tante Fleur, wow, diese Blumen sind ja fantastisch, danke!”, strahlte Albus und umarmte seine Tante und Onkel. Auch Amy bedankte sich, nachdem sie genüsslich an dem ca zwanzigsten Strauß gerochen hatte, mit dem sie heute beschenkt worden waren. Ein Glück hatte sie keinen Heuschnupfen. Das Geld, dass sich vermutlich in den kleinen Säckchen an jedem Präsent befand, begutachteten sie nicht. Bei so einer Feier musste man wohl darauf vertrauen, dass niemand sich darüber her machen würde.

“Sie haben einfach Geschmack, Mrs Weasley.”, lobte auch sie, woraufhin die wunderschöne Frau abwinkte.

“Ich bitte dich, spätestens jetzt bin ich Fleur für dich.” Ihr französischer Akzent tanzte wie eine von einem Liebhaber komponierte Melodie durch die Luft, doch heute ließ Amy sich nicht beirren. Albus Arm ließ nur in wenigen Momenten ihre Taille los, die meiste Zeit war sie bei ihm und wusste das, egal mit wie vielen Menschen er schäkerte, er ganz bei ihr war.


“Auf unserer Hochzeit wird das alles noch schlimmer.”, wurde es ihr noch einmal bewusst und er küsste sie aufmunternd.

“So ist das, wenn man Berühmtheit heiratet. Nicht alles nur Glitzer und so.”, grölte Fred, der sich ihnen etwas zu wackelig näherte, dafür dass es noch so früh war. In seinen Händen trug er drei Shotgläser und reichte ihnen je eins. Gerade wollte Amy ablehnen, doch er bestand darauf.

“Oder soll ich dir etwa auch einen Strauß Blumen schenken?” Das war vielleicht etwas zu laut, denn Tante Fleur drehte sich mit pikiertem Gesichtsausdruck zu ihnen zurück. Lachend nahm Amy ihm das Glas ab und sie prosteten einander zu, bevor die beißende Flüssigkeit ihre Rachen hinunter schoss.

“Bist du alleine hier?”, erkundigte Amy sich freundlich. Freds Blick wandte sich in ihre Richtung. Er war eigenartig... eigenartig.

“Dachte, ich suche mir hier die Schönste aus, aber sie ist schon verlobt.”, versuchte er einen schmeichelnden Scherz, doch er erreichte seine Augen nicht. Als er sich abwandte, sah Amy fragend zu Albus auf, der bedrückt die Schultern zuckte. Dann nahmen sie gleich weitere Gäste in Anspruch.
 


 


 

Es dauerte bestimmt eine halbe Stunde, bis Ruhe in die Feier Einzug hielt und das allgemeine Gratulationsgrüßen sein Ende nahm. Die Brautjungfern waren gemeinsam erschienen und hatten in der Ankunftsphase aneinander gehalten, um sich in dem Ansturm der Feiernden nicht aus den Augen zu verlieren. Jetzt hatten sie endlich einen gemütlichen Tisch draußen gefunden, um den sie sich versammeln konnten. Lily sah aus wie ein Edelstein, da ihr kurzes flatteriges Kleid über und über glitzerte. Allein deshalb hatte ihnen das Eintreten Schwierigkeiten bereitet, denn Kameramänner verschiedener Tagesblätter standen bereit, um sie von ihrer Schokoladenseite einzufangen - ein Geschehen, das sie offensichtlich liebte.

Rose erblickte hinter dem Küken einen blonden Haarschopf und ihr Herz gefror für einen Augenblick. Doch es war nicht Malfoy. Amy schien den Fremden zu kennen und verabschiedete sich kurz, um mit ihm zu plaudern, obwohl sie ihren Brautjungfern gerade erst fünf Minuten gegönnt hatte.

“Diese ewigen Verpflichtungen. Das nächste Mal darf eine von euch eine Party schmeißen.”, stöhnte sie im Vorbeigehen.
 

“Du hast es einfach himmlisch hinbekommen, Rose.”, schwärmte Lily aufrichtig.

“Die Petit Fours sind klasse.”, murmelte Roxanne, in deren Mund sie gerade eines zerkleinerte.

“Das sind Canapés.”, korrigierte Dominique.

“Was sind dann Petit Fours?”

“Sie sind süß und außerdem Gebäck.”

“Jedenfalls sind sie klasse.”, zwinkerte die Dunkelhäutige.

Einen Martini in der Hand gesellte sich nun Grace zu ihnen und nahm Amys Platz ein.

“Sieh sich einer diese umwerfenden Mädels an!”, lobte sie und drückte jeder von ihnen einen Kuss auf die Wange. “Dominique, was ein Hammerkleid! Hast du es aus Frankreich mitgebracht?”

Die Angesprochene bejahte begeistert und schob sich eine Strähne ihrer Hochsteckfrisur hinters Ohr.


“So bedeckt hab ich dich selten gesehen, Dome.”, bemerkte Roxanne. “So wenig Dekolleté.” Interessiert sah Grace zu der ihr Unbekannten hinüber.

“Hi, ich glaub wir haben uns noch nicht kennengelernt. Grace!”

“Roxanne.” Sie schüttelten einander die Hände und begannen eine Diskussion über Dominiques früheren und jetzigen Klamottenstil.

“Sie kann sowieso alles tragen. Hätte heute wahrscheinlich auch in Blaumann und Heels auftauchen können, und wir wären ihr trotzdem zu Füßen gefallen.”

“Apropos!”, mischte sich Rose ein. “Liebste Dominique, wer ist der Waschbrettbauch, den du angeschleppt hast?”

“Das ist Robert...”, erwiderte sie wenig begeistert. “Er ist mein neuer Kollege und war ganz heiß darauf die Potters kennenzulernen, also habe ich ihn mitgebracht.”

“Oh.”, machten die anderen, enttäuscht von der wenig aufregenden Geschichte. Etwas Hoffnung blieb jedoch bestehen - Waschbrettbauch blieb Waschbrettbauch.
 

“Rosie, wieso hast du eigentlich nicht Ken mitgebracht?”, fiel es Grace ein und die Angesprochene bereute gleich, Grace mitgebracht zu haben. “Mit ihm hättest du sicher einen klasse Abend gehabt.”

“Ken?”, hakte Dominique kichernd nach, die im Takt der Musik wippte. “Klingt auch Waschbrett bauchig.”

Rose seufzte und trank ihren Sekt aus.

“Er ist mein Boss und das ist Grund genug, ihn nicht mitzubringen. Davon abgesehen will ich ihm keine Hoffnungen machen.”

“Warum nicht?”, hakte Lily nach und schürzte enttäuscht die roten Lippen.

“Weil ich nichts mit meinem Boss anfangen werde.”

“Warum nicht?”, fragten sie alle im Chor und brachen in Gelächter aus. Rose blies eine Locke aus ihrer Stirn.

“Wenn euch der Grund nicht reicht, dann muss der es tun, dass ich eine grausige Barbie abgebe.”
 

Die Jüngste unter ihnen ließ ihr Grinsen zuerst zu einem verhaltenen Lächeln schrumpfen. Zwei Männer hielten auf das Grüppchen zu, mit zwei Frauen im Schlepptau.

“Hugo.”, grüßte Grace einen Schluck von ihrem Drink nehmend mit lasziv auf ihn gerichteten Blick. Er grinste sie an, was das Mädchen an seiner Seite deutlich missbilligte. Statt sie zu beschwichtigen gab er Lily zur Begrüßung einen Kuss, die ihrerseits ihren kühlen Blick nicht von dem anderen Mann nahm.

“Ms Potter. Ladies.”, grüßte der mit seiner tiefen Stimme. Auch den anderen war seine Anwesenheit nicht entgangen. Sie alle waren definitiv voreingenommen, was den ungebetenen Besucher anging.

“Scamander.”, erwiderte Lily.

“Ms Potter,”, setzte er mit deutlich leiserer Stimme an, “es sind Reporter anwesend und wir drei täten gut daran uns fröhlich und zivil miteinander zu zeigen.”

“Meine Aufgabe heute ist, meine Schwägerin zu unterstützen.”, lehnte sie ab, doch Hugo begab sich nun auf die Seite des Geschäftsmannes.

“Nur für eine halbe Stunde, Lil. Das ist wichtig für uns alle.”

Die Potter seufzte gedehnt, grinste den anderen dann zu und verschwand mit den beiden und ihren Anhängseln.
 

“Wow, was ein Mann.”, kommentierte Grace strahlend. “Scamander, den wollte ich immer schon in Person treffen.”

“Er will dich mit Sicherheit auch in Person treffen.”, bedeutete Roxanne vielsagend, woraufhin Grace herzhaft lachte.
“Das kann gut sein, aber ich werde ihn enttäuschen müssen.” Sie ließ ihren Blick umher schweifen und deutete dann auf die andere Seite des Hofs. “Sie da vorne ist mehr nach meinem Geschmack.”

Überrascht hob Roxanne die Augenbrauen. Mal wieder schien sie, was Informationen anging, weit hinterher zu hängen, denn den Verbliebenen am Tisch schien es keine Neuigkeit zu sein. Sie blies sich eine ihrer schwarzen Locken aus der Stirn und überlegte noch, ob sie sich mit Roses Mitbewohnerin anfreunden sollte, als sie Onkel Charlie erspähte. Eine Traube Verwandter hatte sich längst um ihn versammelt.
 

“Hah, auf Onkel Charlie kann man sich verlassen, wenn es darum geht irgendjemandem die Show zu stehlen.”, scherzte sie, entschied aber, ihn in einer ruhigeren Minute zu begrüßen. Daher hielt sie ein vorbei schwebendes Tablett an und griff nach den Getränken darauf.

“Auf, auf, Mädels! Wir, der verbliebene Kern, die tapferen Zurückgebliebenen, müssen dieser Party einen Namen verleihen. Runter mit dem guten Zeug.” Vor jeder der anderen platzierte sie zwei Shotgläser. Der Widerspruch glänzte bereits in Dominiques Augen, doch Grace kam ihr zuvor, indem sie begeistert eines der Gläser hob.

“Die Party wird immer besser. Wie wird man Brautjungfer, ihr Glücklichen?” Damit verschwand die Flüssigkeit, so schnell sie eingeschenkt worden war.
 


 


 

Über die gesamte Dauer ihrer Unterhaltung hinweg hatte es in ihre Richtung geklickt und geblitzt. So war Lily erneut froh ein ihr von Scamander angebotenes Getränk geleert zu haben.
“Was sagst du, Lust auf einen Tanz?”, bot ihr Hugo von ihrer rechten Seite an. Scamander hatte seine Begleitung in ein Gespräch verwickelt, doch Hugos stand gelangweilt neben ihnen und hoffte auf einen Augenblick ehrlicher Aufmerksamkeit. Dennoch griff Lily nach der Hand ihres besten Freundes und genoss zum ersten Mal den Abend, während sie umeinander tanzten. Wieder einmal bewährte es sich, dass sie ihn dazu gezwungen hatte, Tanzen zu lernen.
 

“Wer ist sie?”, brachte sie irgendwann das Thema auf das am Rande sitzende Mädchen.

“Niemand besonders.”, kommentierte er desinteressiert. Unter ihrem vielsagendem Blick fuhr er fort. “Wir waren auf ein paar Dates, aber es ist nicht wirklich was.”
“Und da bringst du sie auf eine familiäre Verlobungsfeier?”, fragte sie ungläubig, sodass er die Schultern zuckte.

“Klar, ich dachte, dann hat sie noch ein bisschen Spaß, bevor ich ihr den Korb gebe.” Sich fremdschämend schloss sie die Augen.

“Hugo, du bist unmöglich! Zum einen hat sie offensichtlich keinen Spaß -” Er unterbrach sie, indem er sie kraftvoll von sich wegdrehte und dann wieder heranzog. “Und zum anderen ist es sehr hoffnungsvermittelnd, sie auf so eine Feier mitzunehmen.”
“Ihr seht das alles viel zu interpretativ.”, kommentierte er, um daraufhin das Thema zu wechseln.
 

“Wie ist es mit Scamander?”

“Lenk nicht von dir ab!”, befahl sie. “Seit wann bist du so rücksichtslos?” Doch ihr bester Freund blieb standhaft.

“Gewinnt er die Wetter oder kann er wirklich so wenig, wie du behauptest?” Sofort verdüsterte sich ihr Blick und schoss kurz in die Richtung des Geschäftsmannes, sodass Hugo zufrieden grinste.

“Hast du mich absichtlich bei dem Kerl abgeliefert?”, ließ sie sich darauf ein.

“Quatsch!”, protestierte er sofort. “Ich konnte ja nicht wissen, dass du ihn so wenig leiden kannst. Du hast nie ein Wort über ihn gesagt. Wie ist es also?” Während sie Kreise zogen, beobachtete sie ihn, wie er mit seiner Begleitung flirtete, wie immer jedes Wort, jede Bewegung abwiegend und gezielt setzend. Natürlich hatte sie Hugo nie etwas von ihrem Scamander Patzer erzählt. Aber das war lange her, Vergangenheit, daher machte es keinen Sinn, es noch einmal auszugraben.
 

“Es ist zu früh, um es wirklich zu sagen.”, begann sie zögerlich. “Er ist sehr von sich überzeugt, hat bisher aber nichts getan, als mich zu studieren. Es sorgt mich, dass wir noch keine Aufträge von neuen Klienten an Land gezogen haben.”

“Er muss dich erstmal kennen lernen.”
Sie war nicht überrascht, dass er Scamander verteidigte. Hugo lag viel daran, dass die Kooperation sich lohnen würde, nachdem er Lily diese Richtung vorgegeben hatte.

“Seit wann versteht ihr euch so gut?”, hakte sie interessiert nach.

“Tun wir nicht.”, wehrte er ab. “Wie funktionieren nur ähnlich. Legen viel Wert auf unsere Arbeit...” Und behandelt scheinbar eure Frauen ähnlich, fügte sie in Gedanken bitter hinzu. “Eigentlich kannte ich gar nicht so gut, als ihm die Idee kam, dich zu vertreten.”
 

Ungewollt trat sie ihm auf den Fuß, da sie abrupt stehen blieb. “IHM kam die Idee?”

Ungläubig starrte sie ihren Cousin an.

“Ja - hm, ich weiß es nicht mehr.”, sagte er zögerlich. “Wir hatten uns auf einer Gala getroffen und uns unterhalten.” Anderen Tänzern ausweichend bewegten sie sich an den Rand der Tanzfläche, er in seinen Erinnerungen wühlend, sie auf alles, was er sagte, die Ohren spitzend.

“Da kamen wir auf dich zu sprechen und darauf, dass ich nicht glaube, den Anforderungen gerecht zu werden. Ich weiß nicht mehr, ob er es vorgeschlagen hatte, oder etwas gesagt hat, was die Idee in meinem Kopf geformt hat. Jedenfalls bin ich sicher, dass es von ihm aus kam und dass ich den Gedanken grandios fand.” Unbeirrt lächelte er sie an, nichts ahnend von dem Todestrank, der in ihr brodelte.
 

“Freunde dich nur nicht zu gut mit ihm an.”, warnte sie und stolzierte dann, ihren süßesten Gesichtsausdruck tragend, auf ihren neuen Geschäftspartner zu. Dieser wandte sich genugtuend um, neugierig darauf, weshalb sie ihn wieder aufsuchte.

“Sie Wicht.”, sprach sie lieblich, zu oft blinzelnd. Augenblicklich zuckten seine Augenbrauen, weil er ihre Fassade erkannte. “Es tut mir Leid, aber ich müsste mir Mr Scamander einmal ausleihen.”, entschuldigte sie sich bei der unvergnügten Frau hinter ihm und geleitete ihn Abseits der anderen.

“Sie schulden mir Erklärungen.”, knurrte sie unterwegs mit deutlich anderer Stimme. Er wandte den Kopf über seine Schulter und rief belustigt: “Jemand befreie mich von diesem Drei-Köpfigen-Köter.”

“Sehr witzig.”, zischte sie.
 


 


 

Endlich hatten sie ein wenig Ruhe. Die Hände auf der Hüfte seiner Verlobten versank Albus in ihren Augen. Auch sie hatte ihre Sorgen vergessen und strahlte. Seine Sonne. Er wollte sie küssen, gleich hier inmitten der Tanzfläche, wirklich küssen. Wollte seine Hände in ihrem Haar vergraben, ihre Finger in seinem Kragen spüren und sie nach einer Weile auf seine Hüfte heben. Unsägliche Dinge wollte er tun, doch wenn er ihr davon erzählte, würde sie es auf den Alkohol schieben.

Als habe die Musik seine Gedanken gelesen wurde sie sukzessiv langsamer. Ohne den Blick von ihr abzuwenden, zog er sie näher an sich, sodass ihre Oberkörper sich beinahe komplett berührten.


“Albus.”, flüsterte sie verlegen. Ein rosa Alkoholschimmer lag auf ihren Wangen und er streifte eine von ihnen mit seinen Lippen.
“Ich liebe dich.”, wisperte er und vergrub seinen Kopf in ihrer Halsbeuge. Sie roch nach Frühling, so lieblich und erfrischend. Seine steigende Anzüglichkeit entging ihr kaum.
“Ich hatte vorgeschlagen zuhause zu bleiben und die ganze Nacht im Bett zu bleiben.” Bei dem Gedanken brummte er wohlig. “Aber wie es ist, musst du dich wohl gedulden, Herr Potter. Mindestens bis dein Vater hier war.”

Enttäuscht aber weiterhin glücklich ließ er sie eine Pirouette drehen, um sich von ihrer verlockenden Nähe zu befreien. In dieser Bewegung mangelte es ihm plötzlich und er zog sie ein wenig zu hastig an sich, sodass sie in seine Brust stolperte.

“Was -”

“Meine Cousinen drehen total ab.”, murmelte er fassungslos und nickte in Richtung eines Stehtisches. Dort hatte Grace gerade Roxanne einen dicken Kuss mitten auf die Lippen gedrückt. Dominique und Rose lachten mit vor dem Mund gefalteten Händen und Roxanne wirkte zu überwältigt, um eine Regung zu zeigen. Amy zuckte mit den Schultern.

“Roxi wirds schon überleben.”
 


 


 

Eine gute Anzahl Gläser vor sich her dirigierend hielt Rose auf die gut besuchte Theke zu und wich dabei scherzenden Gästen und ihren ausladenden Gesten aus. Einer traf sie beinahe mit seinem Ellbogen ins Gesicht, doch sie schaffte es gerade noch auszuweichen.

“Rosie.”, kam Albus gut gelaunte Stimme plötzlich von links und sie wandte sich erfreut nach ihm um. “Du sollst doch nicht die Kellnerin spielen, nachdem du diesen Wahnsinn organisiert hast.”

Trotz ihrer Heels musste sie sich weiter auf die Zehenspitzen stellen, um ihm einen fröhlichen Kuss auf die Wange zu drücken.

“Das stört mich überhaupt nicht. Unser Tisch war etwas voll und ich bin eh unterwegs zur Toilette.”

“Solange du mir versprichst, dass du entspannst!”, forderte er von einem Ohr zum anderen grinsend.

“Machst du Witze? Ich habe einen Heidenspaß, vor allem wenn ich zwei Lovebirds wie euch sehe. Das ist wie Felix Felicis schlucken.”
 

Tatsächlich schmerzten ihre Wangen fast vom vielen Lachen und der ausgelassen guten Stimmung, die jeder an den Tag legte. Eine viertel Stunde zuvor hatten sie und die anderen Mädchen träumerisch dem frisch verlobten Paar bei einem rosa rot verliebten Tanz zugesehen. Ähnlich wie mit Zuckerguss überzogene, Schokoladen bestreute und karamellisierte Zuckerwatte - so süß, dass es beinahe ekelhaft, aber dennoch unwiderstehlich war. Bloß würde sie es Albus gegenüber nie so ausdrücken.

“Hopp, geh und knutsch deine Zukünftige mehr. Genug, dass sie sich mindestens eine Woche nicht über ihren Job beschweren kann.”, forderte sie zwinkernd und lieferte die leeren Gläser ab. Dort traf sie auf ihren Onkel Charlie, der sie solange über ihr Leben ausfragte, bis ihre Blase zu platzen drohte und sie beinahe auf die Toiletten rennen musste.
 

Die Erleichterung, die sie beim Verlassen des hübschen Bads verspürte, war beinahe lächerlich und dennoch fühlte sie sich frei und bereit, den Abend weiter zu genießen. Weiter hinten im Gang fiel die Tür der Männertoilette ins Schloss und die Schritte, die darauf gefolgt waren, verstummten plötzlich. Rose bewegte sich nicht. Mit einem Mal wurden ihre Hände heiß und schwitzig, ihr Herz pochte so laut und heftig, dass sie die Musik kaum zu sich herüber wabern hörte. Sie zwang sich zu atmen, schließlich konnte sie gar nicht wissen, wer da ein paar Schritte hinter ihr stand. Bloß sie wusste es doch. Sechs Jahre. So lange war sie ihm aus dem Weg gegangen. Das konnte sie auch jetzt tun und ihn vielleicht den ganzen Abend vermeiden. Aber es war zu spät. Sicher was sie erwarten würde, drehte sie sich langsam um.
 

Scorpius war nicht erstarrt wie sie. Er lehnte lässig an der Wand, die Hände in den Hosentaschen. Sein Haar war dunkler, als es gewesen war. Die Gesichtszüge kantiger, weniger jugendlich und sein Gesichtsausdruck ernster. Jedoch lag ein ihr bekannter, selbstgefälliger Zug darauf.

“Weasley, verrückt dich hier zu sehen.” So schnell ihre gute Laune verflogen war, so schnell nahm Abneigung sie ein. Ohne dass irgendetwas geschehen war, wurde sie wütend auf ihn und ballte die Hände zu ihren Seiten zu Fäusten. Aber sie würde ihm nicht die Genugtuung geben, sie zu provozieren.
“Ich habe kein Interesse an einem Gespräch.”, erwiderte sie kühl. Mit der Spur eines Lächelns stieß er sich von der Wand ab und wanderte auf sie zu.

“Ich fürchte, darum wirst du kaum kommen.”

“In Zukunft vielleicht nicht, jetzt schon.”
 

In dem Moment, indem sie sich weg drehte, hielt er sie am Handgelenk fest. Zornig flog ihr Kopf herum, um ihn anzufunkeln, doch er gab sie ohnehin sofort frei. Angespannt starrten sie einander an, unfähig in der Miene des anderen zu lesen. Ihr Puls tanzte zu einem Armeemarsch in gefühlt dreißigfacher Geschwindigkeit, während sie dort stand, ohne etwas tun zu können. Er war ihr viel zu nah, sein Gesichtsausdruck spiegelte nichts von der Unsicherheit wieder, die sie spürte.

“Du hast mich vermisst.”, wisperte er und sie wollte ihn so gerne anschreien.

Doch das Klacken hoher Schuhe näherte sich rapide und beide wirbelten in Richtung der Quelle herum. Abrupt hielt Lily bei ihrem Anblick an.

“Oh je.”, rutschte es ihr heraus und sie eilte wieder in die andere Richtung.

“Klasse!”, fauchte Rose ihr Gegenüber an. “Jetzt haben wir bereits die Stimmung einer anderen Person versaut. Genau deshalb will ich dich nicht sehen. Weil du miese Laune verbreitest, wo du auch hingehst, Malfoy.” Sie spuckte seinen Namen mit so viel Abscheu, wie eine gutherzige Person wie sie zusammen nehmen konnte.
 


 


 

Merlin, war sie schön. Ihr rotes Haar umrahmte feurig ihr sommersprossiges Gesicht und die klar definierten Lippen. Dunkel glimmten ihre braunen Augen unter ihrer Wut und ihrer Abneigung. Trotz der ungehalten zusammen gekniffenen Augenbrauen war sie wunderschön und sein Verstand wusste nicht, wie er damit umgehen sollte. Vielleicht hatte er das Gespräch falsch begonnen. Vielleicht waren Arroganz und Gefälligkeit nicht der richtige Weg zu ihrem guten Willen gewesen. Letztes Mal hatte es funktioniert. Doch es war nicht letztes Mal.

“Es könnten auch deine giftig sprühenden Augen und dein viperhaftiges Auftreten sein, dass den Leuten die Stimmung verdirbt.”, gab er zu Bedenken, sodass ihre Nasenflügel gefährlich aufblähten.

“Du bist kein bisschen anders.”, zischte sie abfällig.

“Du auch nicht. Wie immer streng, verklemmt, bitter und bei jeglicher Ausgelassenheit unerwünscht. Es ist schon gut, dass ich dich damals nicht -”

“Wag es nicht!”, fauchte sie und ihre Hand schoss auf ihn zu. Erneut umfasste er fest ihr Handgelenk, um den Schlag abzuhalten.
 

Diesmal ließ er jedoch nicht los. Die Berührung brannte in seiner Handinnenfläche, aber er ließ sich nichts anmerken. Den Griff starr und kontrolliert war sie ihm jetzt sicherlich näher, als es ihr lieb war. Abwehrend zog sie den Kopf von ihm weg, um möglichst viel Raum zwischen ihnen zu schaffen.

Mit einem Ruck zog er sie näher und versank seinen provokativen Blick in ihren Augen. Die geschwärzten Wimpern umrahmten ihre sonst haselbraune Iris. Es war zu leicht sich ihr Gesicht sehr viel gefügiger vorzustellen. Zwar erwachsener jetzt, fraulicher, aber genauso sehnsüchtig wie damals. Sehnsüchtig nach seinen Lippen und seiner Berührung. Wie vom Schlag getroffen ließ er ihren Arm fallen. Sofort stolperte sie zurück. Das Gesicht aus seinen Alpträumen entfernte sich und er marschierte zurück zur Feier.
 


 


 

Zufrieden damit, das Geschehen zu beobachten, stand Carl in der Nähe einer Hecke und verfolgte das Treiben. Die Band spielte gute Musik, zu der er seinen Fuß rhythmisch wippen ließ. Roxanne hatte ihn vor einer kurzen Weile zum Tanzen aufgefordert, doch er hatte dankend abgelehnt. Seinen Tanz mit Amy hatte er bereits hinter sich und der hatte ihm für diesen Abend genügt. Zwar hatte er sie zum daheim bleiben beordert, dennoch trübte es seine Stimmung ein wenig, dass Lindsey nicht da war. Natürlich hätte er sie normalerweise gerne bei sich gehabt. Dann hätte er mit ihr tanzen können.

Schon seit Ewigkeiten bettelte sie ihn darum an, ihr vernünftigen ‘Pärchentanz’ beizubringen, wie sie es nannte. Er wusste, dass sie bei Veranstaltungen wie diesen beeindrucken wollte, doch bisher hatten sie es aus arbeitstechnischen Gründen und wohl auch aus Faulheit nicht geschafft, vernünftig zu üben. Er bereute es, dass sie es nicht getan hatten und dass Lindsey nicht hier war, denn es wäre die perfekt Gelegenheit gewesen, mal etwas anderes miteinander zu machen.
 

Das Fehlen ihrer Anwesenheit begleitete ihn jede Minute, die er auf dieser Feier verbrachte. Er betrachtete die vielen Mädchen und Frauen in ihren pastellfarbenen Kleidern, konform und lieblich aussehend. Schön zwar, doch ihm fehlte die Abwechslung. Kaum dass er sich versah, ertappte er sich dabei, Lindsey zwischen den Anwesenden zu sehen und sich zu fragen, was sie getragen hätte. Zweifellos hätte er sie gebeten, etwas ‘braves’ anzuziehen, etwas anständiges und insgeheim hoffte er, dass sie die Bitte ignoriert hätte. Vielleicht hätte sie viel Rücken oder Bein gezeigt, einen Schlitz im Stoff, der ihre zarte Haut bis hinunter zu den in schwarzen, gefährlichen Pumps steckenden Füßen umrahmt hätte. Oder vielleicht ein Kleid, dessen Rock durchscheinend war. So oder so konnte sie alles tragen, mit ihrem wunderschönen Körper. So viel zierlicher als ihre Persönlichkeit.
 

Carl lehnte den Kopf zurück an die Außenmauer des Gebäudes. Wahrscheinlich hatte er ein wenig mehr getrunken, als ratsam gewesen wäre. Alles, was er sich wünschte, war seine atemberaubende, sexy Freundin an seiner Seite zu halten, sodass jeder Mann ihn ungläubig und neidisch ansehen würde. Stattdessen stolperte wenige Minuten später eine andere Blondine in seine Arme. Sie kicherte und blinzelte zu ihm hoch.

“Ups.”

“Dome.”, grüßte er beschwerlich, während er ihr half, wieder sicher auf beiden Absätzen zu stehen. “Bist du betrunken?”
“Nein.”, sagte sie mit ernster Mine, grinste jedoch gleich wieder. “Nein, bin ich nicht. Aber, oho, du solltest Roxy sehen. Sei froh, dass ich dich zuerst gefunden habe. Los, tanzen wir!”
 

Schon schloss sich ihre Hand um seinen Arm und das erste, was er dachte, war, dass Lindseys Finger mit Ringen geschmückt gewesen wären. Dennoch folgte er Albus Cousine auf die mittlerweile gut besuchte Tanzfläche, wo sie begann einen unmöglichen Tango auf ein Softrocklied zu tanzen.

“Auflockern, Carlchen!”, forderte sie und schüttelte seine Arme. “Vertrau mir, ich bin nicht so betrunken, wie ich erscheine. Bloß gut drauf.”

Klar, dachte er und konzentrierte sich darauf die unvereinbaren Taktarten anzugleichen, bis es ihm tatsächlich Spaß machte. Es war unsinnig, sich dafür schlecht zu fühlen, den Abend zu genießen. Sicherlich würde Lindsey ihm bei seiner Rückkehr zu spüren geben, dass sie ohne ihn und die Party einen klasse Abend hatte. Da konnte er sich genauso gut unter die Menschen mischen.
 


 


 

Rose brauchte eine Weile, bis sie in der Verfassung war, zu den anderen zurück zu kehren. Die erste Begegnung war zwar glimpflicher verlaufen, als in ihren tödlich endenden Vorstellungen, aber sie war auch so viel schrecklicher gewesen. Allein gespürt zu haben, dass er solch eine Macht über sie hatte, war beängstigend gewesen. Glücklicherweise traf ihr Blick nicht mehr auf seinen, bis sie bei ihren Freundinnen am Rande der Tanzfläche draußen angekommen war, wo sie sich ein bereitstehendes Shotglas zu eigen machte. Mittlerweile war Fred bei ihnen, dem die anderen halb belustigt, halb besorgt lauschten.

Seine Krawatte saß mehr als schief und angesichts seines eher instabilen Halts auf dem Boden, war Rose überrascht von der Klarheit seiner Sprache. Gerade flanierte er an den Menschen in seiner Umgebung vorbei.
 

Man sieht sie gern am Wochenende - Sportlich moderne Herren mit heißem Blick.” Der Trunkenbold hatte sich eine verlegen kichernde Dame ausgewählt, die er in seine Arm zog. “Sie zerren frisch gestrichene Damen auf die Tanzflächen der Republik.

Dominique und Roxanne machten Platz für Rose in ihrer Mitte und warfen ihr beide besorgte, wenn auch verschleierte Blicke zu, fragten jedoch nicht. Kühl spürte Rose Lilys Hand auf ihrer Schulter, die stumm Unterstützung ausdrückte.


“Rose!” Auch Fred hatte sie entdeckt und steuerte nun auf sie zu. Die Frau, die er sich zuvor herbei geangelt hatte, ließ er achtlos auf der Tanzfläche zurück.

“Na, Fred.”, grüßte sie. “Was veranstaltest du hier für ein Theater?”

Das Balzverhalten erwachsener Menschen ist interessanter als so mancher glaubt.” Vielsagend neigte er den Kopf. “Von Brusthaartoupet bis Botoxmaske - in Kriegen der Liebe ist alles erlaubt.”

“Genau deshalb date ich nicht.” Sich an Unbeschwertheit versuchend zwinkerte Rose Grace zu, deren rechte Augenbraue misstrauisch hochschoss.
 

Vertraulich lehnte ihr Cousin sich zu ihr rüber und verriet mit gedämpfter Stimme: “Männer und Frauen sind das nackte Grauen, wie sie sich stundenlang tief in die Augen schauen und Frauen anderen Frauen ihre Männer klauen -

Und die Männer an den Frauen ihren Frust abbauen.”, fügte sie bereitwillig hinzu, sodass er begeistert in die Hände klatschte und seinen Sing-Sang weiterführte.

Denn Männern und Frauen ist zu zu trauen, dass sie sich gegenseitig gern die Nacht versauen, wenn sie schmachten bis ins Morgengrauen und dann doch wieder allein nach Haus abhauen.” Als ob er eine Art Regentanz aufführte, hüpfte er durch die Umstehenden, sodass Dominique verstört den Kopf schüttelte.

“Ich hatte mich gefreut ihn zu sehen. Ursprünglich. Ich hätte weiter trinken sollen, anstatt beim Tanzen auszunüchtern. Beschwipst ist er leichter zu ertragen.” Mit heftigen Bewegungen pflichtete Roxanne kichernd bei, die sich prächtig amüsierte.
 

Sie liegen schon Mittags in den Büschen.”, hörten sie ihn rumoren, während er tatsächlich auf den Knien war. Sie vergruben die Köpfe in den Händen, während Grace vergnügt lachte. Wie ein Indianer pirschte er sich an ein heftig flirtendes Pärchen und sah zwischen ihnen hinauf.

Nachts kann man kaum noch durch den Stadtpark gehen.” Dann sprang er auf und schlich sich an Scamander und seine Dame an, denen er beiden einen Arm um die Schulter warf. 
“Romantische Schwärmer nennen es ‘Liebe’.”, säuselte er, sodass nun Lily auflachte.

“Immerhin hat er ein Gespür dafür, wen er anpöbeln sollte.”

Ich würde sagen, hier kann man Hormone bei der Arbeit sehen!”, verkündete er und ließ sich verscheuchen, nicht ohne gleich das nächste Pärchen anzusteuern und in ihre Richtung die Augen zu verdrehen.
 

Ihr Männer und Frauen seid das nackte Grauen, wie sie sich stundenlang tief in die Augen schauen.” Er schnappte sich die Dame und drückte sie an sich. “Und die Frauen anderen Frauen ihre Männer klauen.

Und die Männer sowieso nur Scheiße bauen.” Fest packte Dominique Fred am Ohr und zerrte ihn von den anderen Gästen fort, sodass er nicht allzu viele belästigen konnte.

“Ahh.”, zeterte er.

“Genug von deinen Weisheiten über die Beziehung zwischen Männlein und Weiblein.”, entschied sie so streng sie grinsend konnte, sodass er scheinheilig nickte.

“Verstehe, verstehe, du findest das unangebracht.”

“Ganz genau.” Zufrieden blickte sie in die Runde, doch da machte der Weasley auch schon wieder den Mund auf, seinen Blick fest auf Grace gerichtet, einen beinahe entschuldigenden Blick in den Augen.

Manche Männer lieben Männer, manche Frauen lieben Frauen. Da gibt’s nichts zu bedauern und nichts zu staunen. Das ist genauso normal wie Kaugummi kauen, doch die meisten würden sich das niemals trauen.

“Cheers!”, pflichtete sie ihm fröhlich bei und ermutigt von ihrer Zustimmung, wandte Fred sich kurzerhand um, packte den hastig vorbei eilenden Malfoy und drückte ihm einen dicken Kuss auf den Mund.
 

Die meisten ihrer Freunde lachten, husteten verlegen oder waren einfach stumm, doch aus irgendeinem Grund entfuhr Rose eine Art gurgelnder Schrei, bei dem ihr die Luft eigenartig quer im Hals steckte. Malfoys Blick traf ihren nur für den Bruchteil einer Sekunde, dann schoss seine Hand vor und traf Fred so hart in die Brust, dass dieser in den Tisch hinter ihm krachte und ihn mit zu Boden riss. Nun schrieen einige Frauen auf und mehrere Männer äußerten sich empört über den Aufstand.

Von dem kleinen Tumult alarmiert eilten Amy und Albus herbei, gerade rechtzeitig um zu sehen, wie Fred sich dem davon marschierenden Malfoy in den Rücken warf. Gemeinsam stürzten sie zu Boden und begannen auf einander einzuschlagen, wobei der Blonde Quidditchspieler durch sein Training und den geringeren Alkoholpegel klar die Überhand hatte. Er hockte über dem anderen Trauzeugen und schlug ihn, während der wild um sich hieb und trat.
 

Albus, Grace und Scamander setzten sich gleichzeitig in Bewegung, um die Raufbolde auseinander zu zerren und in den Schwitzkasten zu nehmen.

“Um Himmels Willen, stopp!”, schrie Amy aufgeregt und den Tränen nahe. Ob vor Wut oder Verzweiflung war nicht sicher.

Es knallte und Harry Potter erschien wüst drein blickend unter den verblüfften Schaulustigen, den Blick wild umher schweifend.

“Albus!”, rief er laut und autoritär. “Schnell -” Doch wozu er seinen Sohn anleiten wollte, wurde von einem dröhnenden Lärm verschluckt. Rose sah gerade wie der Zaubereiminister, dem zwei Auroren gefolgt waren, mit ihrer Unterstützung einen Schutzschild errichtete, als es hinter ihr explodierte. Die Wucht riss sie vorwärts von den Füßen und in einem Chaos an Körpern und Kleidern stürzte sie zu Boden. Sie hörte das Schreien derer, die sich ihren Weg so gut sie konnten aus dem brennenden Gebäude bahnten und die gerufenen Anweisungen ihres Onkels, dann wurde das Summen in ihren Ohren zu betäubend.

Waldspaziergang mit Folgen

Am Tatort herrschte Chaos. Die meisten Gäste waren nach kurzer Befragung und Detailaufnahme nach und nach entlassen worden. In wenigen Tagen würden sie ins Ministerium vorgeladen werden, um dort Zeugnis abzulegen. Jetzt brauchte man Platz und Ruhe, um den Tatort zu sichern. Gelbes Band sperrte die Örtlichkeit ab, überlagert mit vielen Schutzzaubern, damit gerade Muggle nichts von dem Tohuwabohu mitbekamen. Jene Anwohner, denen die Explosion unmöglich verborgen bleiben konnte, wussten davon bereits nichts mehr. Zwar schienen die Ministeriumsangestellten ziellos herum zu wuseln, jedoch erledigten sie tatsächlich strebsam ihre Arbeit. Eine Gruppe Reporter umringte einen mittelgroßen schwarzhaarigen Mann.
 

“Herr Minister, man sagt, als Sie auf der Feier erschienen, versuchten Sie sogleich eine Warnung auszusprechen. Woher wussten Sie, was geschehen würde?”, rief einer, der das Interview zu führen schien. Vermutlich war er vom Tagespropheten. Harry Potter nickte, um anzuzeigen, dass er die Frage verstanden hatte.

“Ich wusste es nicht gleich, ich hatte nur eine Ahnung. Eine sehr dringende, wenn Sie so wollen. Ich hatte meinem Sohn gesagt, dass ich mich verspäten würde, weil mich Finerick gebeten hatte, einen anderen Anschlag mit zu untersuchen. Während wir an dem Fall arbeiteten, trafen wir auf immer weitere Spuren, die wahllos und beinahe lachhaft waren.”
 

“Wie meinen Sie das?”, schoss sofort jemand anders eine Frage, während das Kratzen von Federn rundum vernehmbar war.

“Nun es tauchte Evidenz auf, die mit dem Fall gar nichts zu tun haben konnte, sodass wir uns über ihre Verknüpfung die Köpfe zerbrachen, bis mir der Gedanke kam, dass sie vielleicht tatsächlich sinnlos waren. Ich vermutete, dass ich absichtlich von meiner Teilnahme an der Feier abgehalten werden sollte.”

“Interessant!”, murmelte jemand begierig.
 

“Glauben sie, dass sie aus dem Schießfeuer gehalten werden sollten?”

“Nein, ich glaube eher, dass man unsere Schutzschilde verhindern wollte.” Der Minister warf einen Blick zum Tatort, wo er gerade mithelfen sollte.
 

“Das klingt beinahe so, als hätte dieser Angriff tödlich und ohne Vorwarnung enden sollen?” Rasch schüttelte er den Kopf.

“Nein, der Explosionsherd war theoretisch harmlos positioniert, jedoch unterschätzt. Ich möchte niemandem einen Mordversuch unterstellen, da bisher alle Anschläge glimpflich verliefen. Jedoch vermute ich, dass man die aktive Verhinderung von Schaden durch das Ministerium umgehen wollte. Jetzt würde ich gerne zu den Untersuchungsarbeiten zurückkehren.” Bei anderen Prominenten hätten die Reporter vielleicht darauf bestanden, weiter zu fragen. Angesichts der Autorität ihres Ministers wichen sie aber mit einem “Vielen Dank.” zurück und suchten sich ein neues Opfer.
 

Lindsey hatte es endlich geschafft sich durch die schützende Vorhut durchzukämpfen und stürmte auf das Gelände, es hektisch absuchend. Vielleicht war er schon fort oder verletzt? Die meisten waren zu beschäftigt, um sie zu bemerken und die, die sie ansprechen wollten, ignorierte sie. Als erstes erspähte sie Rose, die auf sie deutete und mit den anderen sprach. Dann endlich sah sie Carl. Er trat gerade aus den Trümmern der linken Gebäudehälfte hinaus, die Hände von Handschuhen befreiend.
 

Erleichtert und gleichermaßen bestürzt rannte sie auf ihn zu. Kurz bevor sie ihn erreichte, sah er auf und empfing sie dann in seiner Umarmung. Mit all ihrer Kraft drückte sie ihn an sich. Er roch schrecklich nach Feuer und Chemikalien.
 

“Ich hab’s eben erst erfahren.” Ihre Stimme drang heiser an sein Ohr. “Bist du okay?”

“Ja.”, versicherte er sofort und strich ihr das Haar aus dem besorgten Gesicht. “Das ist der erste Moment an diesem Abend, an dem ich froh bin, dass du nicht hier warst.”

“Sind alle in Ordnung?”

“Zum Glück war Mr. Potter schnell hier. Einige Gäste sind jetzt im St Mungo, aber nur wenige in kritischer Lage. Die meisten waren draußen, weil Fred und Malfoy sich geprügelt haben.”
 

Skeptisch hob sie die Augenbrauen und sah sich dann um. Der Weasley hockte bei seinen Cousinen, die Hände im zerzausten Schopf vergraben. Roxanne rieb ihrem Bruder den Rücken und sprach mit einem Medimagier. Scorpius war nirgends zu sehen.

“Wieso bist du nicht nach Hause gekommen?”

“Sie haben mich gebeten, den Ort auf Spuren zu untersuchen. Ich werde wohl auch noch einige Zeit bleiben müssen.”, erklärte er entschuldigend. Enttäuscht sank sie auf die Fußballen. Nach der schrecklichen Angst wollte sie ihn nicht wieder gehen lassen.
 

Albus kam in zerklüftetem Anzug auf sie zu geschritten.

“Lindsey.”, grüßte er und zog sie in eine Umarmung. “Gut, dass du nicht da warst.”

“Ich bin es leid, das zu hören.”, brummte sie. “Tut mir leid, was hier passiert ist. Seid ihr alle in Ordnung?” Er nickte zerstreut.

“Amy ist ziemlich mitgenommen, aber sie will nicht in unsere leere Wohnung zurückkehren. Ich kann’s auch verstehen, aber ich weiß nicht, was ich mit ihr machen soll. Ich muss hier bleiben.”
 

Sorgenvoll beobachtete er die Gruppe seiner Freunde. Seine eckige Stirn war verdreckt, die Brauen gefurcht. Er sah älter aus, als sie ihn vielleicht je gesehen hatte, aber irgendwo in seinen Mundwinkeln versteckte sich dennoch seine Jugend. Lindsey würde es vielleicht niemals zugeben, aber Albus war ein Mensch, den sie beschützen wollte. Sie alle hatten ihn schon immer beschützen wollen. Ihren Welpen.
 

“Wieso kommt sie nicht mit zu mir?”, schlug Lindsey aus dem Nichts vor, beinahe ohne nachzudenken. Gleichermaßen verblüfft sahen Carl und Albus sie an. Wäre sie vorher doch da gewesen, hätten sie vermutet, sie habe sich den Kopf gestoßen.

“Wir haben genug Platz für alle. Dann muss niemand allein sein.” Albus lächelte schwach und zerrte sie mit in Richtung der anderen. Die Mädchen, die sicherlich großartig ausgesehen hatten, erschienen nun arg zerrupft.

“Lindsey hat angeboten, dass ihr im Agrippa übernachten könnt.”, wiederholte Albus ihren Vorschlag, erwartungsvoll in die Runde blickend. Ähnliche Überraschung wie zuvor machte sich breit. Die Stille war unbequem. Lindsey spürte, wie ihr heiß wurde, und wollte das Angebot abtun. Dann meldete sich Roxanne zu Wort.

“Klar, das ist lieb.” Nun nickten die anderen und erhoben sich.
 

Nach kurzen Abschiedsworten und Umarmungen folgten Lindsey Amy, gestützt von Rose, Barbie, Roxanne, eine Unbekannte, die sich als Grace vorgestellt hatte, und Fred. Teilweise Seit-an-Seit apparierten sie in die Lokalität hinein, in der die Stühle bereits verkehrt herum an den Tischen schwebten. Rasch entzündete Lindsey im gesamten Barbereich Kerzen und stellte Getränke und etwas Brot mit Dip auf dem Tresen ab. Ein wenig unbehaglich standen die anderen im Raum, außer Fred, der bereits an einem Barhocker zusammengesunken war.

Auf Roses Anliegen hin geleitete Lindsey sie und Amy in ihr Schlafzimmer, wo sie per Zauberhand das Bett frisch überzog und Handtücher bereitlegte. Dann überließ sie es der Weasley ihre beste Freundin zu behüten und kümmerte sich unten darum, alle Tische zur Seite zu rücken. Die entstehende geräumige Fläche legten sie mit Schlafsäcken für jeden aus. Unter ihnen herrschte eine gedrückte Stimmung und kaum jemand sprach lauter als im Flüsterton. Da Fred bereits schnarchte, ging Grace Lindsey dabei zur Hand, ihn in einen Schlafsack zu befördern.

“Was ein Brocken!”, wisperte die Fremde und Lindsey warf ihr einen Seitenblick zu.

“Lust auf einen Schnaps?”, fragte sie zögerlich und die andere nickte. Beim Anblick der klaren Flüssigkeit schlossen sich einige weitere an.
 

Etwas später kam Rose wieder herunter. Auch sie schien sehr müde zu sein.

“Amy hat nen Schlaftrank genommen.”, sagte sie erklärend und alle zuckten zusammen, da sie verhältnismäßig laut sprach. Dann wandte sie sich jedoch an Lindsey und senkte ihre Stimme wieder.

“Ist es wirklich ok, wenn sie in eurem Bett schläft?”

“Klar.”, sagte Lindsey schnell. “Wir nehmen einfach das Sofa.”
 

“Das ist wirklich lieb. Sie war total durch.”, sagte Rose aufrichtig.

“Wenn ich mal nett bin, muss man es ausnutzen.” Auch auf dem Gesicht der Rothaarigen schlich sich ein kleines Grinsen ein, dass jedoch gleich von ihrer Müdigkeit übermannt wurde.

“Wir sollten uns schlafen legen.”, wandte sie sich an die anderen. Ein sanftes Geraschel trat ein, während sie sich bettfertig machten und in ihre Schlafsäcke schlüpften. Währendes löschte Lindsey einige der Kerzen wieder und wartete bis alle gut verpackt waren, bevor sie nach oben ging.
 


 


 

Dominique war sich sicher, dass die anderen schon schliefen, als Carl nach Hause kam. Gleich an der Tür zog er die Schuhe aus, sodass er sie nicht aufwecken würde, während er zum Tresen schlich. In ihren Schlafsack vergraben folgte sie seinen schwarzen Socken mit den Augen. Flint war sein Kommen nicht entgangen und sie kam bereits die Treppe runter geschlichen. Im glimmenden Kerzenschein sah Dominique wie Carl seine Freundin von der letzten Stufe aus in seine Arme zog und sie beide sich eine Weile nur hielten. Flints Kopf ruhte in seiner Halsbeuge, wo sie sicherlich seinen Geruch einsog, der durch Ruß verfälscht sein musste. Zwar hatte Dominique in Carl nie einen massigen Mann gesehen und Flint durch ihr selbstbewusstes Auftreten als sehr aufgeblasen wahrgenommen, doch wie sie nun standen, wirkte die andere Blonde sehr klein in seinen Armen.
 

Im Flüsterton erzählte sie ihm etwas und deutete mit dem Kopf nach oben. Vermutlich erklärte sie, dass Amy ihr Bett eingenommen hatte. Carl nickte verständnisvoll und überlegte, bevor er etwas antwortete. Es lag eine Vertraulichkeit darin, wie Flint zu ihm auf und er auf sie hinab schaute. Sie lächelte ihn müde an und streichelte gedankenverloren seinen Oberarm, während sie sich weiter leise unterhielten. Dann senkte er seine Lippen auf ihre. Dominique konnte beobachten wie ihre Zungen sich trafen und normal hätte sie der Anblick einer knutschenden Flint abgestoßen, doch sie wandte den Blick nicht ab. Stattdessen fragte sie sich, womit die andere Blonde so viel Liebe verdient hatte. Carl schlang die Arme um seine Freundin, sodass ihre Zehen einige Zentimeter über dem Boden schwebten und trug sie dann die Treppe hinauf. Das letzte, was Dominique hörte, bevor sie einschlief, war das dezente Kichern, das zu ihr hinüber schwebte.
 


 


 


 


 

Die Stimmung im Hause der Potters war gedrückt. Harrys Kopf lag auf der Arbeitsplatte, die Brille aufgeklappt neben ihm. Ginny saß an seiner Seite und massierte seinen Nacken, doch auch sie wirkte sehr angeschlagen.

“Danke, Hugo, dass du zugesehen hast, dass Lily herkommt.”, murmelte sie und ihr Neffe, auf der Armlehne des Sofas nickte müde. Es war früher morgen und seine Eltern waren mit hier gewesen, nachdem sie panisch versichert hatten, dass es Rose und den anderen Mädchen gut ging. Doch er hatte nicht mit ihnen Heim gewollt. Lieber hatte er auf Lily aufgepasst und war sichergegangen, dass sie gut zu Bett kam. Da saß er nun im Wohnzimmer auf das zu kochen beginnende Teewasser lauschend. Teddy hatte es aufgesetzt, bevor er zurück zu seiner eigenen Familie gekehrt war und in wenigen Sekunden würde Hugo den neuen Tee einschenken, bevor das nervenzerreißende Pfeifen einsetzen konnte.
 

Sein zerschlissenes Hemd hatte er gegen einen alten Pulli von Albus getauscht, der an den Armen ein wenig zu knapp war. Lily hatte ihn rausgesucht, sie selbst schon in Schlafhose und Tank-Top. Dann hatte er sich neben sie gelegt, damit sie in seinen Armen einschlafen konnte und sich nicht so allein fühlte. Natürlich wusste er, dass er ihr niemals die Geborgenheit vermitteln könnte, die James ihr früher gegeben hatte, doch er musste sein bestes tun. Lily war so stark, doch oft war sie es, weil sie das Gefühl hatte, so sein zu müssen. Zielstrebig, gewitzt, beherrscht, aber eben doch die freche, lebensfrohe und jung gebliebene Lily. Wenn sie ihn nicht mehr bräuchte, wäre er gänzlich überflüssig. Wäre ihr an dem Abend etwas zugestoßen...

“Hast du dich um deine Freundin gekümmert? Geht es ihr gut?”, erinnerte er sich an Lilys schläfrige Frage, während er die Pfefferminze überbrühte. Nein, das hatte er nicht. Er wusste nicht mal, ob seine Begleitung zu dem Zeitpunkt noch da gewesen oder frustriert vorher gegangen war. Als er Lily das gestanden hatte, war sie trotz der Erschöpfung unzufrieden gewesen. Sie hatte die Stirn gerunzelt, ihn schlaff in die Seite geboxt und “Du bist unmöglich” gemurmelt.
 

Vorsichtig beschwor er die Tassen in eine Schwebeposition und beförderte sie ins anliegende Wohn- und Esszimmer. In diesem Moment loderte der Kamin auf und die grünen Flammen spuckten einen jemand oder ein etwas in den Raum. Obwohl Hugo die Tees nicht in der Hand gehalten hatte, krachten sie zu Boden. Durch den Schrecken, den er selbst verspürte, hätte er naiverweise einen Aufschrei von Ginny erwartet. Doch in einer raschen Bewegung war sie herum gewirbelt und stand nun mit angespanntem Körper und ausgestrecktem Zauberstab kampfbereit. Auch Harry war aufgesprungen und hatte sich neben seiner Frau positioniert und Hugo schämte sich für seine langsame Reaktion.

Der Mann auf dem Boden war groß und wild. Noch hockte er mit gesenktem Blick, die riesigen Schultern gebeugt und von langen dunklen Zotteln bedeckt, die zusammen mit dem dünnen, schäbigen Sweatshirt einen sehr ärmlichen Eindruck abgaben. Dann richtete er sich auf. Die das Kerzenlicht reflektierenden Augen strahlten Sorge aus, doch als er das Empfangskommittee erkannte, brach kurz ein weißes Grinsen das schmutzige Gesicht entzwei.
 

Ginnys Zauberstab fiel klappernd zu Boden. Nun noch erschrockener als vorher drehte Hugo sich zu ihr und entdeckte vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben Tränen in den Augen seiner Tante Sie tat zwei kräftige Schritte vorwärts und schlag ihre Arme um den Mann, den Hugo nun endlich als ihren Sohn erkannte. Der hob seine Mutter hoch als sei sie ein Kuscheltier, mit selbiger Leichtigkeit und Zärtlichkeit. Auch Harry hatte seinen Zauberstab sinken lassen. In sein von der Nacht gezeichnetes Gesicht hatte sich eine eigenartige Ruhe genistet.

“Dad.”, sagte James mit seiner tiefen Stimme und streckte einen Arm in die Richtung seines Vaters. Ginny löste sich von ihrem Sohn und beobachtete wie zwei ihrer liebsten Männer einander in eine gleichermaßen väterliche Umarmung zogen. Plötzlich fühlte Hugo sich wie ein Eindringling, der eine zutiefst intime Szenerie störte.

“Hugo, großer Hippogreif, dir wächst ja ein Bart.”, bemerkte James ihn jedoch und gab ein dröhnendes Lachen von sich. Dann reichte er Hugo seine Pranke, der sie schmerzhaft schüttelte. Nun da er etwas näher an ihm stand, fiel Hugo auf, dass James gar nicht so viel größer war als er. Sein massiges Erscheinen wurde durch schiere Muskelmasse bewirkt.
 

“James.”, flüsterte Ginny, deren Hände zitterten, doch sie kam nicht dazu weiter zu sprechen. Die Wohnzimmertür schob sich auf und eine vom Schlaf noch kleiner erscheinende Figur trat zerknautscht in den Raum. So gut wie Hugo sie kannte, wusste er ihr Gesicht zu lesen. Sie hatte sich Sorgen gemacht, ob des Lärms. Doch jegliche Worte blieben ihr im Hals stecken, als sie mit riesigen Augen ihren Bruder erblickte. Unbändige Freude hatte Hugo erwartet, doch mit den Strapazen der Nacht schien Lily, ähnlich wie ihre Mutter, gänzlich überfordert vom Aufwallen ihrer Gefühle. Sie brach in herzzerreissendes Schluchzen aus, sodass James auch sie rasch an seine Brust zog und ihren Kopf in seinen Händen verbarg. Seine Mutter zog er nach einem kurzen Moment mit in die Umarmung und Harry streichelte behutsam den Rücken seiner Tochter. So leise er konnte, verschwand Hugo aus der Haustür.
 


 


 


 


 

Obwohl die Anstrengungen der vergangenen Nacht bis in die frühen Morgenstunden gedauert hatten, wachte Lindsey wie immer mit der Sonne auf. Hier in der Abstellkammer strahlte sie keineswegs so hell wie in ihrem wunderschönen Schlafzimmer, doch diese Übernachtung war auch eine Erfahrung wert. In der eigenen Abstellkammer übernachten. Ihr Nacken war auf Carls Oberarm gebettet und sie wandte ihm den Kopf zu, um ihn wach zu küssen. Katastrophe hin oder her, sie hatte die eigenartige Distanz ihres Streits aus dem Weg geräumt. Ihre schreckliche Sorge um ihn war so viel wichtiger gewesen, als Recht zu behalten.
 

“Morgen.”, murmelte er verschlafen gegen ihre Lippen. Sie musste schmunzeln, als sie bemerkte, dass noch immer Dreck an seinen Schläfen haftete.

“Du hast dich wohl gestern nicht so gründlich gewaschen.”, neckte sie, sodass er sich übers Gesicht rieb.

“Ja, tut mir leid, dass es so spät wurde. Du hättest nicht aufbleiben müssen.”

“Ich weiß, aber dann hättest du dich versehentlich zu deiner Schwester ins Bett gelegt. Ganz so viel Glück braucht sie nicht.”

“Ihre Verlobungsfeier wurde gestern in die Luft gesprengt.”, seufzte er und sie verzog reumütig den Mund.

“Schon klar, schon klar. Ich bin froh, dass es dir gut geht.”

“Hey, man hätte dir schon was gesagt.” Sanft zog er sie näher an sich.
 

“Bis das gestern Abend passiert ist, hätte ich dich wirklich gerne dabei gehabt.”

“Das lag in deiner Hand.” Ihr Ton war etwas schnippischer als sie geplant hatte. “Du hattest mir Hausarrest gegeben, weißt du noch?”
 

“Dazu stehe ich auch. Dabei bleibe ich auch.”

Sie stöhnte ungläubig. “Komm schon, Carl. Das ist doch Unsinn. Bloß, weil ich nein gesagt habe?” Da war er wieder. Der Streit, der angekrochen kam, um ihnen die Ruhe zu rauben.

“Du weißt, dass es darum geht, wie du es gesagt hast.”

“Deine Mum war fast noch entsetzter über Amys Idee als ich!”, wandte sie ein, als sei die Absurdität der damaligen Situation und dieser Diskussion offensichtlich.
 

“Lass uns das Thema wechseln.”, resignierte er, und fütterte damit weiter ihren Trotz. “Es ist klasse, dass du alle eingeladen hast, hier zu übernachten. Sehr nobel.”

“Genau das, was Amy gemacht hätte, nicht?”, frotzelte sie und er fuhr sich frustriert durch die Haare.

“Warum musst du dich immer so über meine Schwester auslassen? Was hat sie dir denn getan, außer dich zu bitten, Teil des schönsten Tages ihres Lebens zu sein?” Glücklicherweise war er besser darin, seine Stimme unter Kontrolle zu halten als sie. Er sprach versöhnlich, nicht anklagend.

“Aaah, schon wieder dieser Kitsch! Eine Hochzeit ist nie der schönste Tag des Lebens. Es gibt tausend schönere.”

“Sich mit dem Menschen zu verbinden, den man liebt, ist nicht schön?”, fragte er jetzt herausfordernd.
 

“Ist man nicht so schon genug verbunden? Was ändert es in der Beziehung, außer dass man langweilige Standardfotos hat und den gleichen Nachnamen.”

“Man beginnt eine Familie zu werden.”, murmelte er und sah sie dann ernst an.
 

“Wir werden wohl nie heiraten.” Sie wusste, dass er es als Frage meinte.

“Zumindest nicht so wie Amy.” Es war kein Nein, aber auch kein Ja.

“Wie meinst du das?”

“Nicht so eben. Wenn wir Hochzeitsfotos machen, dann Unterwasser oder auf einem Drachen reitend. Außerdem steht mir kein weiß. Dann seh ich aus wie eine Tapete an der Wand. Nur weiß.” Sanft küsste er ihren Kopf.

“Du kannst aber nicht schwarz tragen.”

“Nein, aber vielleicht blau.”, überlegte sie. “Und ich würde hier feiern. Zuhause.”

“Hier passt aber kein Drachen rein.” überlegte er und sie lächelte über seine pragmatische Denkweise.
 

“Ich will auch keine Torte.”, entschied sie.

“Keine Torte? Weshalb das?” Bei diesem ihrer Wünsche war er überrascht.

“Es bleibt eh viel zu viel übrig und sie sieht nur schön aus, schmeckt aber nicht. Stattdessen fände ich einen riesigen Schokobrunnen gut.”

“Okay, damit bin ich einverstanden.”, nickte er und streichelte ihren Rücken.

“Alle anderen müssen Hosen tragen, wenn ich schon ein Kleid trage.”

“Auch okay.”, lachte er und so fantasierten sie noch etwas weiter, zum Beispiel darüber, seiner Mutter nur Hochprozentiges anzudrehen.

“Sie wird sich sowieso möglichst schnell abschießen wollen, um so wenig wie möglich von deinem Untergang mitzubekommen.”, witzelte Lindsey.

“Ja ja, damit sind wir fast wieder beim Thema, bevor wir uns um die Horde in deiner Bar kümmern.”, seufzte er und sah sie an. “Wirst du die Brautjungfer meiner Schwester?”

Bevor sie antwortete, schmiegte sie sich näher an ihn. “Ja.”

“Wirst du mich heiraten?”, fragte er dann mit derselben Ruhe und Gelassenheit in der Stimme. Lindsey reckte den Kopf nach oben und küsste ihn. Dann sah sie ihm tief in die Augen.

“Ich liebe dich, Carl... Aber nein, ich werde dich nicht heiraten.”
 

Er nickte nur und reckte den Blick gen Decke. Er war weder überrascht, noch enttäuscht, noch wütend. Er war genauso wie immer: Überglücklich, dass er sein Leben mit dieser komplizierten, anstrengenden Frau teilen durfte.
 


 


 

Die Dunkelheit, die sie zu erdrücken schien, wurde lichter, ihre Augenlieder transparent. So wie sie aus den Tiefen des Schlafs erwachte, sprang auch ihr Bewusstsein an. Als sei sie aus kaltem Wasser aufgetaucht, schoss Amy nach oben und sog tief und hart die Luft ein. Orientierungslos wanderten ihre Augen umher, bis die Erinnerung vollends zurückkehrte und mit ihr der Schmerz in ihrer Hüfte, die sie sich geprellt hatte. Rasch zwang sie sich dazu, ihren Atem zu beruhigen und sich auf ihre Umgebung zu konzentrieren. Das Schlafzimmer war hell eingerichtet und groß, da es auch das Wohnzimmer beherbergte. Die Farbgebung hielt sich pastellig mit wenigen dunkleren Tupfern dazwischen wie dem Perserteppich, der den Boden zierte. Es schien gemütlich und heimelig und Amy schämte sich ein wenig, in all der Zeit nie dort gewesen zu sein.

Noch mehr schämte sie sich dafür, dass sie mehr Lindsey darin erwartet hätte, mehr Kälte.
 

Zwei riesige Regale nahmen die Wand neben der Sofas ein und Amy erkannte Carls Vorlieben in den Buchrücken. Vom Türbogen aus drangen Geräusche einer arbeitenden Dusche, sowie dumpfes Stimmengewirr zu ihr. Vorsichtig wickelte sie sich aus dem Laken und steuerte den massiven Kleiderschrank an. Davor hielt sie Inne. Die Kleidung einer anderen Frau durchzusehen, war eine sehr intime Geste. Doch wenn sie sich Carls Kleidung ausborgen wollte, musste sie wohl oder übel hinein sehen. Daher zog sie die Türen auf und wurde fast von der Dichte an Kleidung erschlagen. Beinahe alles hing auf Bügeln: Kleider, Hosen, Blusen, Umhänge, Pullover, Röcke und wow - auf den Regalen am Boden des Schranks reihten sich unzählige Schuhpaare aneinander.

Amy hatte die Schritte erst kaum wahr genommen, doch dann spürte sie einen Blick im Rücken und wirbelte herum. Lindsey stand mit einer Tasse Kaffee im Türrahmen. Amys Herz verwandelte sich zu Stein.
 

“Oh, Lindsey, es tut mir so leid. Ich wollte eigentlich nur Kleidung von Carl... und da-”
 

“Kein Stress.”, unterbrach Lindsey tonlos und deutete auf die Tasse Kaffee. “Wollte die nur hochbringen für Al.”

“Albus ist hier?”, krächzte Amy verdattert. Schulterzuckend nickte die andere Frau in Richtung des Badezimmers. Dann schritt sie auf Amy zu.
 

“Carls Klamotten würden aussehen wie Kartoffelsäcke an dir. Glaub mir, ich habe Erfahrung.” Hastig trat Amy zur Seite, als Lindsey sich vor dem Schrank positionierte. Sie selbst trug eine enge dunkelblaue Jeans und ein abgeschnittenes T-Shirt, das ein wenig von ihrem cremig hellen Bauch frei gab. Darüber einen leichten Cardigan und wenn Lindsey tat, was Amy befürchtete, würde sie sich unheimlich blamieren. Auf keinen Fall konnte sie derart selbstbewusst Lindseys Kleiderschrank tragen. Ihr Gegenüber musterte sie maßnehmend.

“Carls Klamotten passen schon, ich bin nicht so schlank wie du.”

“Du hast Kurven.” Es klang beinahe wie eine Anschuldigung. “Das heißt, dir passt alles, was mir gepasst hat, bevor der Job mir meine gestohlen hat.” Nun musterte auch Amy die Freundin ihres Bruders und schämte sich sogleich. Wie hatte ihr entgehen können, dass aus der bombigen Lindsey... jemand so zierliches geworden war.

“Hier.” Plötzlich hielt Amy einen Haufen Klamotten in der Hand. Darunter auch ein seidiger grüner Slip. “Keine Panik, ist nie getragen.” Damit schritt Lindsey zur Tür und verschwand auf der Treppe.
 


 

Wieder unten musterte Lindsey ihre Bar, die weitaus mehr einer Jugendherberge glich. Die Schlafsäcke bildeten einen Haufen in der hinteren Ecke, wo Roxanne und Grace gerade begonnen hatten, sie aufzuräumen. In der Mitte bildeten einige der Tische eine riesige Frühstückstafel, auf der sich Leckereien türmten. Carl und sie hatten mit Rührei angefangen. Dann war Molly Weasley mit einem Fresskorb erschienen und selbst Barbies Schwester Shelly hatte einen Hefezopf ihrer “Maman” mitgebracht, bevor sie mit ihren Bälgern wieder verschwunden war. Fred war bereits gegangen, an seiner Statt hockten aber der Drachen-Weasley und eine ihr unbekannte Rothaarige am Tisch und gelangten an die letzten Meter ihres Frühstücks.

“Wir sollten ein Heim für verlorene Weasleys aufmachen.”, brummte sie in Carls Ohr, der es sich an ihrem Platz hinter dem Tresen gemütlich gemacht hatte und Kakao schlürfte. Seine Brille saß ein wenig schief und sie rückte sie zurecht.

“Ich weiß, dass es dir eigentlich nichts ausmacht.”, kommentierte er, während er seinen Arm um sie schlang.
 

Amy war ihr gefolgt und kam gerade die Treppe hinunter in Strumpfhose und einem von Lindseys Kleidern mit Wollpulli darüber. Ihre Freundinnen eilten sofort auf sie zu, um sie in ihre Arme zu schließen und zum Esstisch zu geleiten.

“Sie sieht schick aus.”, stellte Carl fest. “Ich wusste gar nicht, dass Amy solche Kleider besitzt.” Lindsey versetzte ihm einen zärtlichen Hieb auf den Hinterkopf.

“Das sind meine Klamotten. Ich merke mir das für das nächste mal, wenn du vorschlägst, ich soll mich mehr wie deine Schwester kleiden.” Er gluckste und schielte hinauf zu ihr.
 

“Du siehst gut aus.”

“Zu spät.”, tadelte sie und begann neuen Kaffee zu kochen.

Mit und mit verabschiedeten sich einige der Besucher und während Amy längst satt war, falls sie überhaupt Hunger gehabt hatte, aß Albus sich immer noch fleißig durch das Frühstück. Einhändig, musste man hinzufügen, denn die Hand seiner Holden ließ er in keinem Moment los. Amys drei Freundinnen waren auch noch da und saßen um sie herum, was Lindsey sehr missfiel. Seit einigen Minuten stand sie schon dort, ihre vierte Tasse fest umklammert, und versuchte Mut zusammen zu nehmen. Carl verstand, ohne dass sie es erklären musste und so machte er den Abwasch vorerst alleine. Gerade wollte Lindsey den Schritt gehen, als die Tür zu ihrer Lokalität erneut aufschwang und Roses Bruder mit müden Augen eintrat.
 

“Morgen.”, grüßte er erschöpft und suchte dann nicht wie erwartet seine Schwester, sondern seinen Cousin. “Al, dein Bruder ist da.”

Alle Köpfe schossen hoch und Albus sprang auf voll verwirrter Begeisterung. Amy noch immer festhalten eilte er auf Hugo zu, sodass sie völlig perplex stolperte und er herumwirbeln musste, um sie am Aufschlag zu hindern. In dieser Hektik huschte auch Lindsey vor und nahm Amy beim Arm. Die Arme starrte mit wilden, beinahe ängstlichen Augen in ihre.

“Oh.”, sagte sie leise. “Willst du deine Sachen wieder?”
 

Nun war Lindsey verdattert. “Was? Achso. Nein. Ähm.” Sie starrten einander an. Vermutlich beide mit dem selben verwirrten, ängstlichen Gesichtsausdruck. Lindseys Herz hämmerte, denn nun hörten natürlich doch alle zu. “Tut mir leid, wie ich reagiert habe.”

Unverständnis schlich sich in Amys Augen. Lindsey biss kurz die Zähne zusammen und sagte dann: “Brautjungfer und so. Das würde ich machen. Halt, gerne. Ich würde das gerne machen.”
 


 


 


 


 

Albus war müde. Er hockte auf seinem angestammten Sessel im Wohnzimmer seiner Eltern, in dem die Kerzen tief brannten. Leere Butterbierflaschen übersäten den Couchtisch und darüber hinweg betrachtete er seinen Bruder. James war beinahe zu lang für das Sofa, auf dem er leg. Einen breiten Arm unter den Kopf geklemmt spielte er mit seinem Zauberstab in der anderen Hand. Es war ein eigenartiges Gefühl, seinen Bruder so anzusehen, wenn er dem James, den er kannte, so wenig ähnelte. Er war schlaksig gewesen, ihrem Vater sehr ähnlich. Nun war er breit, muskelbepackt, sein Gesicht Wetter gegerbt und von langen Zotteln umrahmt. Er sah aus wie “Sirius”, hatte ihr Vater gesagt.
 

Albus wusste nicht sicher, wie sein Dad sich fühlte darüber, dass James nach Jahren des ausbleibenden Kontaktes zurückkehrte. Sicherlich freute er sich, doch bei weitem nicht so deutlich wie Ginny Potter. Oder Lily. Seit James Ankunft am frühen Morgen hatte sie alle Termine abgesagt und war den gesamten Tag dort gewesen, bis sie vor wenigen Stunden an seiner Seite eingeschlafen und von ihm ins Bett getragen worden war. Sie war nicht mehr das Mädchen das James gekannt hatte und Albus fragte sich, wie sein Bruder reagieren würde, wenn ihm das bewusst wurde. Doch bisweilen schien auch Lily es in seiner Gegenwart zu vergessen. Kaum war er durch die Tür getreten, war sie einige Jahre gejüngert.
 

Albus seufzte tief.

“Sag schon.”, forderte James ihn auf und auf Albus Armen prickelte es. Die Stimme war so tief, so befremdlich, als würde sie den Umweg durch James Kehle nicht nehmen, sondern gleich aus der Brust dröhnen.

“Ganz schön abgefahren. Ich wusste nicht, wann wir dich noch mal zu Gesicht kriegen.” Sein Bruder nickte langsam. “Das wusste ich auch nicht.” Doch seine Stimme war unbeschwert, entspannt. Albus könnte kurz wegschauen und eine Sekunde später wäre James verschwunden und er wäre nicht überrascht, wenn sein Bruder keinen Moment zögern würde, sie zu verlassen. Dann würde er zurückkehren nach hier und da, wo er gewesen war. In den Amerikas, hatte er grob angedeutet, teilweise mehr spezifisch auf Alaska und Argentinien hinweisend. Warum bei Merlin, wollte Albus fragen. Was hatte sein Bruder dort zu suchen. Doch er tat es nicht. Genauso wie die anderen es nicht taten. James war wie ein Tier, ein Hengst vielleicht, der ausgerissen war und zwar gutmütig und freundlich zurückkam und all ihre Wärme geschenkt bekam, aber bei einer falschen Bewegung wieder Reißaus nehmen könnte.
 

“Hattest du meine Briefe bekommen?”, fragte Al möglichst ohne den verborgenen Vorwurf mitklingen zu lassen. James rieb sich das Gesicht, tatsächlich in Gedanken.

“Muss wohl, sonst wüsste ich nicht Bescheid. Hat sich nicht ergeben, zu antworten. Als ich von der Explosion gehört hab... Ich hab keinen Moment gezögert, Mann.”

“Und jetzt da es uns gut geht...”

“Mach dir mal nicht in die Hosen, Albus.”, neckte James ihn und erhob sich in Richtung Küche. Ihre Mum hatte ihn gezwungen frische Kleidung anzuziehen, doch seine alte war ihm zu klein. Das T-Shirt spannte um seinen Oberkörper und ließ ein wenig Bauch frei und die einst lockere Schlafhose, die als einzige über seine Unterschenkel gepasst hatte, war ungewohnt figurbetont.

“Ich bleib ne Weile.”, hörte Albus ihn aus der Küche, wo zwei Gläser aneinander klirrten. “Noch’n Bier?” Er bejahte und hörte die Kronenkorken von den Flaschen fliegen. “Hab eh’n paar Sachen zu erledigen, paar Leute zu besuchen.” Er kam zurück ins Wohnzimmer getrottet, die Füße in zu kleinen Hauspantoffeln steckend. Wie konnte ein ausgewachsener Mann so explodieren?
 

“Was für ein fantastisches Leben, Al. Du heiratest dein Hogwarts Herzblatt. Kannst du das glauben? Mein kleiner Bruder heiratet.”, gluckste er und hob sein Butterbier gegen Als, um anzustoßen. Der Jüngere erwiderte und trank einen Schluck des wärmenden Gebräus.

“Es fühlt sich gar nicht so verrückt an.”, stellte er fest. “Einfach richtig.” Anders als erwartet beschnaubte James diese Aussage nicht. Er nickte bloß weise.

“Gute Wahl, Al. Ernsthaft gute Wahl. Besser hätte ichs nicht machen können.” Es erschien Albus als habe James entweder vergessen, dass er noch vor ihrem Verlobten mit Amy geschlafen hatte, oder dass er diese Tatsache als nichtig abtat, jedenfalls schien sie ihn nicht zu beirren. Als das Paar zuvor am Tag völlig überrumpelt im Haus der Potters erschienen war, hatte er Albus in eine feste, brüderliche Umarmung gezogen und ihm dann sogleich strahlend auf die Schulter geklopft. Amy hatte er ebenfalls in den Arm genommen, genau so wie ein baldiger Schwager es tun sollte. Obwohl sie die meiste Zeit über still gewesen war, bevor sie die Potters allein gelassen hatte, war James unbeirrt gewesen.
 

Irgendetwas war anders an James. Albus wusste es und vermutlich war das auch, was er in seinem Vater erkannt hatte, der es vermutlich auch wusste. Nur war ihnen beiden nicht klar, woran es lag und James schien nicht bereit, es ihnen zu verraten. Vermutlich mussten sie erst einmal damit zufrieden sein, ihn zu sehen und bei sich zu haben und der Rest musste sich mit der Zeit entwickeln.
 


 


 


 


 

Das Zimmer war abgedunkelt, sodass die Sonne keine Ablenkung bewirkte. Rose saß mit sauberem Umhang auf ihrem Stuhl, die Schreibfeder über ihrem Pergament schwebend. Mr Renwig war vor wenigen Minuten erst eingetroffen. Da sie gestern nicht zur Arbeit hatte erscheinen können, musste sie heute einen neuen Fall aufrollen.

“Habe ich das richtig verstanden, dass Sie nicht aus eigenem Interesse hier sind? Ihre Schwester schickte Sie?”, erkundigte sie sich und lächelte ihn freundlich an. Der Mann war ungefähr so alt wie ihr Dad, um die 50 rum. Er war sehr schlank, ein wenig zu schlank vielleicht und sein Haar war bereits stark ergraut.

“Ja, ja genau. Meine Schwester.”, er gluckste. “Vielleicht sollte sie selbst herkommen. Sehr ungläubig.” Ihre Feder kratzte von selbst über das Pergament, sodass sie sich auf den Mann vor sich konzentrieren konnte.
 

“Aber Sie sind schon freiwillig hier? Niemand hat Sie gezwungen?”

“Wenn Sie mich dann in Ruhe lässt...” Seine Stimme verlor sich und er sah an Rose vorbei.

“In Ordnung.”
 

Sie holte ein Glas Wasser hervor und gab ein paar Tropfen eines Tranks hinein. “Diesen Trank benutzen wir besonders bei unseren ersten Unterhaltungen, damit Ihr Kopf sich ganz entspannen und konzentrieren kann. So bekommen wir ein besseres Bild von dem, was in Ihnen vorgeht.” Bereitwillig begann er zu trinken, obwohl er scheinbar kaum zugehört hatte, sondern aus dem Fenster gestarrt hatte. Müde wie sie war, hatte sie selbst einen Trank zur Konzentration genommen. Normalerweise tat sie so etwas nicht, doch unter den Umständen war es wohl angemessen gewesen.

“Also dann, Mr Renwig, machen Sie es sich bequem und erzählen Sie mir, wieso Sie glauben, dass Ihre Schwester Sie hergeschickt hat.”

Der Mann legte sich zurück und während er sprach schloss er unwillkürlich die Augen.
 

Ich ging spazieren im Wald. Das mache ich öfter, wissen Sie? Das Haus kann so beengend sein und auch da - ich musste einfach hinaus. Ich spazierte umher und horchte auf die Wesen, die mich umgaben. Da sah ich ein Stück Holz. Das sah heilig aus.
 

“Was bedeutet heilig?”

“Es hat mich angezogen, von allen Stücken Holz, sah es so wunderbar aus. Also steckte ich’s ein und nahm es mit nach Haus und da schnitzte ich mir einen Gott daraus.

Es war schwer, nicht zu husten. “Einen Gott? Was stellen Sie sich unter einem Holzgott vor, Mr Renwig?”

Seine Hände formten etwas unerkenntliches. “Pure Schönheit.”, erklärte er begeistert. “Das Stück war bereits heilig, es musste nur geformt werden. Dann hab ich meinen Gott ins Regal gestellt. Da hat er einen schönen Ausblick über die Welt und solange er nicht verspricht, was er später nicht hält, lässt sich sagen, dass mir Gott ziemlich gut gefällt.

Hektisch unterstrich die Schreibfeder ‘solang er nicht verspricht, was er später nicht hält’ und Rose kratze ihren Zeigefinger.
 

“Gehören Sie einer Religion an?”, fragte Rose neugierig und er lachte.
 

“Sie etwa? Wenn auch andere behaupten, das wäre nicht normal: Ich habe einen Gott bei mir im Regal.” Bevor er weiter sprudeln konnte, stoppte sie ihn.

“Einen Moment, Mr Renwig. Sie haben also aus besagtem Stück Holz etwas geschnitzt und es für einen Gott befunden und ihn daher behalten?”

“Es ist ein Gott. Ich wusste das, sobald er fertig war.” Rose musterte ihn eindringlich. Nun gut, du musst ja nicht alles in einer Sitzung aufrollen.

“Und wer findet das nicht normal?”, fragte sie daher weiter.
 

“Ich weiß, es ist verrückt nicht wahr? Meine Schwester natürlich. Meine eigene gute Schwester. Dabei gibt es viele Beweise. Denn schon bald darauf begann’ ein paar Wunder zu geschehen: ich wurde unglaublich reich und noch unglaublicher schön!” Der Effekt schien abgelebt zu haben, dachte sie zu sich selbst.

“Sie wurden unglaublich reich? Das hat ihre Schwester nicht erwähnt.”

“Ich habe das ganze Geld gespendet.” Als sei es keine große Sache, zuckte er beiläufig mit den Schultern. Misstrauisch lehnte Rose sich vor.

“Sie haben sich nichts selbst gekauft? Gar nichts.”

“Ganz genau.” In seiner Miene konnte sie keine Lüge lesen und so lehnte sie sich zurück.
 

Warum konnte ihr Ken nicht mal einen ganz normal geschädigten Menschen vorsetzen?

“Nun, aber dann können Sie es ihrer Schwester ja nicht beweisen.” Beinahe verletzt starrte er sie an.

“Glauben Sie etwa auch, dass ich lüge?”, empörte er sich.

“Nein.”, antwortete sie rasch, aber ruhig. Sie war sich ziemlich sicher, dass Renwig es mit Leprechaungold zu tun gehabt hatte, ohne davon zu wissen. “Ich versuche Sie und ihre Schwester lediglich an gegenseitiges Verständnis anzunähern. Sie sprachen von mehreren Wundern?”

“Jaha! Ich brachte Lahme zum Rennen und die Blinden zum Sehen!
 

“Durch einen Irium-Za- “, setzte sie an.

“Nein, nein, meine Schwester hat auch versucht alles zu rationalisieren. Ich bitte Sie, Ms. Weasley.” Unwillkürlich runzelte sie die Stirn. Zum einen, weil sie es hasste geschmälert zu werden, und zum anderen, weil sie plötzlich vielleicht ihre Strategie ändern musste. Gerade als sie sachte nach ihre Schreibfeder greifen wollte, um diese in die Hand zu nehmen, sprach Mr Renwig sie an.

“Sehen Sie, sogar hier wirkt die Macht Gottes nach. In meiner Gegenwart macht sich die Feder eigenständig.” Er lachte dröhnend und sie nahm die Feder fest zwischen beide Finger. Während seine Augen beim Lachen geschlossen waren, verwandelte sich die Schreibfeder in einen Kugelschreiber.
 

“Sind Sie sicher, dass Sie nicht gläubig sind? Die ‘Wunder’, die sie beschrieben, erinnern sehr an Jesus’ Taten...”

“Ich bitte Sie.”, sagte er erneut. “Wäre ich gläubig, wäre es doch Gotteslästerung, mir einen Gott zu halten, oder so was. Die Christen sind dort immer so anfällig in diesen Dingen. Fanatiker.”
 

“Nun, aber Sie haben an Ihren Gott geglaubt, wenn alle anderen ihn nicht annehmen wollten. Haben Sie sich da nicht ähnlich gefühlt?”, erkundigte sie sich auf der Suche nach einer Bestätigung für ihre Vermutung.

“Ich habe doch mehr Verstand.” Wieder war da dieser väterliche Ton in seiner Stimme, den sie gar nicht leiden konnte. “Jetzt hatte ich alles: Rum, Reichtum und Macht, doch man weiß, wie so was ausgeht.

“Wie geht es denn aus?”

“Na, haben Sie mal den Herrn der Ringe gelesen? Diese Dinge machen verrückt.” Vermutlich war es das erste Mal in ihrem Leben, dass sie auf der Arbeit, oder vielleicht je, auf ein Tolkien Werk angesprochen worden war. Obwohl sie endlich Bestätigung darin fand, nicht der einzige Nerd zu sein, der die Magierwelt durchwanderte, machte es ihr Mr. Renwig nicht sympathischer.
 

Und so hab ich ihn genommen irgendwann in der Nacht und hab ihn zurück in den Wald gebracht.” Zurück in den Wald. Merlin, hoffentlich war ihre Vermutung ganz und gar falsch. Ihre Augen huschten zur Uhr.

“Die Sitzung ist gleich vorbei.” Bei ihren Worten hellte sich seine Miene noch ein wenig auf. “Bevor wir sie schließen und einen neuen Termin vereinbaren, habe ich noch eine Frage: Können sie genau beschreiben, wie ihr Gott aussah?”
 

Enttäuscht, da er noch nicht gehen konnte, sank er zurück und schmollte dezent. “Gut, er war länglich. Ungefähr so und etwa fingerdick?” Bei meinem Barte, hätte sie beinahe gesagt, doch sie beherrschte sich. Dieser Mann hatte seinen Zauberstab in den Wald geworfen. Ken würde sich freuen.
 


 


 


 


 

Als Model hatte man wirklich kaum Zeit für irgendetwas. Am heutigen morgen hatte Lily an einem Meet and Greet der Black Widow Garments teilgenommen, die sie anwerben wollten, um deren traditionelle Zaubererkleidung zu promoten. Das hatte bereits ewig gedauert. Danach ein Testshoot für die darauf folgende Woche und in fünfzehn Minuten war sie mit ihrem Agenten verabredet. Aber man musste sich seine Zeit nehmen, wo man konnte, dachte Lily und knotete das Handtuch um ihren frisch geduschten Körper etwas enger. Ihre Nachricht, dass sie sich lieber im Felicis treffen wollte, hatte er sicherlich längst erhalten und würde auf die Minute genau am vorbestellten Tisch warten. Für so einen öffentlichen Treffpunkt musste man sich gescheit heraus putzen, könnte sie ihm sagen, doch das würde sie nicht.

Er wollte sie an Bord, dann würde sie das Ruder schwingen und dann würde er eben ein paar Minuten auf sie warten müssen. Außerdem hatte sie ihren Auftritt für das Mittagessen perfekt geplant und musste sicher gehen, dass er nichts an ihrer perfekten Erscheinung stören würde. Bis sie abflugbereit war, war sie bereits eine halbe Stunde zu spät und der gemütliche Flug würde eine weitere halbe Stunde obendrauf schlagen. Sie war keine Diva. Ganz im Gegenteil, sie legte Wert auf Pünktlichkeit, Höflichkeit, gutes Arbeitsklima und begeisterte Kunden. Doch ihr Agent - nein, Scamander! - der war eine andere Nummer. Er war ihr Feind und es würde alle neun Leben einer Katze brauchen, um sie vom Gegenteil zu überzeugen.
 

Bereits vor der Landung sah Lily die Reporter, die vor dem Felicis warteten. Diese Menschen hatten seit James Rückkehr ihr Haus belagert, dennoch war sie ihnen wohl gesinnt. Anders als Scamander wollte man diese Gruppe nicht zum Feind haben. Sie strahlte, zwinkerte und rief einem neugierigen Reporter, was sie wohl für ihre Haare nutze, gut gelaunt “Longbottom’s Sieben Tage Regenwetter” zu, bevor sie dem Stewart ihren Besen reichte und im Restaurant verschwand. Dort wurde ihr Lächeln kälter. Scamander saß an einem abgeschiedenen Tisch, den sie sich gewünscht hatte, mit Krawatte und Anzug. Sobald er sie sah, stand er auf. Seine Anstalten, ihren Stuhl zurück zu ziehen, ignorierte sie.

“Sie sollten einen Umhang tragen.”, tadelte sie und dankte dem Kellner für die Karte.

“Das Meet and Greet.”, schloss er und passte sich gleich ihrem Verhalten an. “Sie haben nicht mit mir besprochen, dass Sie dort hingehen.” Der Kellner fragte nach Feenwein, sie verneinte freundlich und bestellte ein Perlwasser, das herrlich auf der Zunge prickelte.

“Stimmt. Sie hätten mir davon abgeraten.”
 

“Wie können Sie sich so sicher sein, Lily?”, forderte er sie heraus. Sie war nicht in der Stimmung für Schlawenzeleien.

“Dazu sind sie zu modern. Mit ihrem Riesenkomplex, den ewigen Anzügen...”

“Was ist so falsch an Modernität?”

“Was ist so falsch an Tradition?”, konterte sie und schenkte dem süßen Kellner ihr hübschestes Lächeln. Scamander beobachtete sie. “Ich möchte die Hexen und Zauberer, die meine Kunden sind, wissen lassen, dass ich sie als solche schätze. Umhänge sind unglaublich modisch.”

Ihr Gegenüber schnaubte und nippte an seinem Getränk.

“Wären Sie heute da gewesen, wüssten Sie, dass ich Recht habe.”, schnippte sie. “Die Looks sind fantastisch und obwohl ich nicht das Gesicht der Linie sein möchte, werde ich Black Widow Umhänge tragen. Sie werden es auch tun.”

Belustigt schüttelte er den Kopf. “Danke nein, zurück nach Hogwarts will ich nicht.”

“Wollten Sie sich nicht bemühen, das Unternehmen mit meinen Idealen kompatibel zu machen? Traditionstreue gehört zu diesen Idealen und Sie werden einige der Umhänge, die ich aussuche, in der Öffentlichkeit tragen und bei Fragen mit dem Namen des Labels antworten. Haben Sie auch Echsen auf dem Speiseplan?”, fragte Sie den Kellner, ohne ihren forschen Blick von ihrem Agenten zu nehmen, der diesen eisern erwiderte.

“Deal. Sie nimmt den gedämpften Lachs und ich die Kürbissuppe, danke.” Süffisant lächelnd gab sie die Speisekarte zurück und lauschte Scamander, der sich, die Hände auf dem Tisch verschränkt, vorlehnte.
 

“Dann zu meinen Menüpunkten.”, trieb er das Geschäft voran. “Sie sprachen bereits den so verhassten Komplex an: Das Studio ist beinahe fertig.” Er zog einige Darstellungen aus seiner Aktentasche und tippte sie nacheinander mit dem Zauberstab an. Um eine Zeichnung von Lily herum verwandelten sich die Bilder konstant in neue Szenerien. Schlösser, harmlose Wälder bis zu Dschungeln, Schneewelten, Wohnzimmer und weitere Beispiele bauten sich auf den Papieren zusammen.
 

“Das sind nur Ideen. Fast alles wird in dem Studio möglich sein. Sicherlich, mit etwas vorauseilender Ankündigung, aber möglich.”

“Unterwassershoots?”, stellte sie die Möglichkeiten sogleich scheinbar unbeeindruckt auf die Probe. Es war eindeutig, dass sie begann ihm auf die Nerven zu fallen, doch er beherrschte sich.

“Zugegeben, das gestaltet sich etwas schwieriger. Natürlich ist es unmöglich einen Raum unter Wasser zu setzen und in die bisherigen Pläne ist es nicht berücksichtigt -”

“Kann es möglich gemacht werden?”, unterbrach sie und er lächelte nonchalant.

“Ich werde es in die Wege leiten.”

“Fabelhaft!” Nun schenkte sie auch ihm ein Lächeln, doch man konnte es als Versehen verbuchen, da ihr duftender Fisch im selben Moment heran schwebte.
 

“Ich habe noch ein paar Jobangebote und Interviewtermine. Witch Weekly und Teen Witch wollen beide über James reden. Sie arbeiten in Kooperation: Die Witch Weekly würde das Interview veröffentlichen, Teen Witch die Photos.”

Sie seufzte. “Das bedeutet doch sicherlich, zwei Termine oder? Was interessiert es Teenager, ob mein Bruder zurück ist?”

“Sie himmeln Sie an, ganz klar. Und James ist auch ein Leckerbissen.”, erwiderte er gerade bevor er seine Gabel in den Mund schob.

“Leckerbissen? Er sieht aus wie ein Einbrödler aus den Bergen, der noch nie die Zivilisation gesehen hat!” Etwas blitzte in Scamanders Augen.

“Wie ist es mit James zurück?”, horchte er, doch er war nicht vorsichtig genug gewesen. Sofort fuhr sie die Barrikaden auf.

“Na na, Scamander, das hier ist kein Date, es ist ein Businessmeeting.”

“Ich darf also nichts über das Privatleben meiner Klientin erfahren?”
 

“Kannst ja gerne demnächst die Witch Weekly kaufen und nachlesen.” Hoppla, da war sie versehentlich erneut ins informelle Du gerutscht. Sogleich fasste sie sich und er passte sich den Verlagerungen ihres Auftretens an.
 

“Gut, dort werde ich zusagen. Quidwitch möchte dich ebenfalls drin haben, ein blattgroßes Foto -”

“Ist das Ihr Ernst?”, tadelte sie. “Quidwitch tut vielleicht so, als sei es ein frauenfreundliches Sportmagazin, doch ihr Hauptkäufer sind Männer. Ich werde nicht halbnackt mit einem Besenstil zwischen den Beinen abgelichtet werden.”

“Gut.”, reagierte er kurz und schlug eine Seite in seinem Notizheft um. “Animalistic würde Sie gerne für ihre Kampagne nutzen für die Styxeule, die neu in ihr Sortiment eingeführt wird.”

“Mr Scamander, auch Animalistic bevorzugt für ihre Kampagnen nackte Frauen, um den unwiderstehlichen Reiz ihrer exotischen Tiere zu demonstrieren. Beginne ich hier eine Struktur zu erkennen?”

Scamander seufzte und schlug sein Notizheft zu. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und musterte sie.

“Sie waren sich doch so sicher, mich gebührend vertreten zu können. Das sind die Angebote, die sie nicht aussortieren? Wobei ich bisher doch deutlich gemacht habe, dass ich kein Interesse an -”
 

“Lily.”, unterbrach er mit ruhiger Stimme. “Hören Sie mir zu. Ich sagte, ich sei mir sicher, Ihnen in Ihrer Karriere weiterhelfen zu können. Ihre Karriere so in die Höhe treiben, wie nur ich es kann.” Gerade wollte sie schon unterbrechen, doch er sprach unbeirrt weiter. “Sie wissen das. Sie wussten es schon immer.” Und nun lehnte er sich vor, damit nur sie ihn hörte. “Sonst wären Sie vor all den Jahren nicht zu mir gekommen, um mich um Hilfe zu bitten. Als erfolgreiches Model muss man wandelbar sein.”, wiederholte er ihre Worte von damals. Ihr Mund wurde schmal, ihre Augen verengten sich. Überschreite diese Grenze nicht, warnte sie. Doch er tat es.
 

“Du musst zeigen, dass du sexy bist, Luna. Du musst neue Herausforderungen annehmen, du -”

“Sie sagen mir nicht, was ich muss, Scamander, oder dieser Deal ist schneller Rauch, als sie ihre Zigarre anstecken können. Sie werden den Angestellten mitteilen, ich habe einen Eilbrief erhalten und werden mir bei unserem nächsten Treffen vernünftige Vorschläge mitbringen. Guten Tag.” Damit ließ sie seine Krawatte los, strich ihr Kleid glatt und kehrte mit unbeschwertem Lächeln zu ihrem Besen zurück.

Langweilig

Übermotiviert war Fred um einiges zu früh zum Treffpunkt erschienen. Es gab einen Ruf wieder her zu stellen, schließlich war ihm völlig entfallen, dass auch Dominique auf der Verlobungsfeier sein würde. Dominique, mit der er seit gut zwei Jahren nicht mehr als wenige Sätze gewechselte hatte. Natürlich war es ihre Schuld gewesen, dachte er seine Hemdsärmel umschlagend. Vielleicht auch ein bisschen seine, weil er stets verabredet gewesen war, doch hauptsächlich ihre. Wenn sie nach England gekommen war, hatte sie niemand außer ihrer Freundinnen und engerer Familie gesehen.
 

Die Speisekarte schwebte vor ihm auf Brusthöhe, die meiste Zeit sah Fred aber aus dem Fenster. Mit ihrem neuen anständigen Auftreten waren angeblich auch unausstehlich anständige Manieren einhergegangen, hatte er sich sagen lassen. Als habe sie auf sein Kommando gewartet erspähte er auf der Straße vor dem Café ein paar langer Beine, welche halb von einem Etuikleid verborgen wurden. Diese Beine reckten sich und erst da bemerkte er die Jeans in bedrohlicher Nähe. In unausweichlicher Nähe. Alle Vorsicht vergessend gab Fred der Neugierde nach und erhob sich halb aus seinem Stuhl, um zu erkennen, wen Dominique vor dem Fenster knutschte. Zu dem paar löchriger, tief hängender Jeans gehörten abgewetzte Lederboots, eine passende Lederjacke über einem lockeren T-Shirt, dessen Ausschnitt mehrere Tattoos zerteilte, und ein zotteliger dunkler Haarschopf. Gegen die heruntergekommene Erscheinung des Mannes erschien Dominique noch strahlender mit ihrer sonnigen, gepflegten Haut und dem weichen Dutt.

Sie lachte den Mann an und gab ihm einen Kuss zum Abschied, sodass Fred sich in seinen Sessel plumpsen ließ und sogleich die Speisekarte näher zu sich zog.
 

Gleich darauf ertönte die Klingel der Lokaltür. Er blickte auf, überrascht, nickte Dominique zu, erhob sich jedoch nicht zu einer Umarmung. Gut gelaunt ließ sie sich ihm gegenüber nieder und schlüpfte augenblicklich aus den Pumps. Seine Augenbrauen rückten ein Stück in Richtung seines Haaransatzes.

“Hey.”, grüßte sie und beugte sich vor, um ihm kurz die Hand aufs Knie zu legen. Dann griff sie ebenfalls nach einer Karte.

“Meine Güte, habe ich Hunger. Wie geht es dir?”

Sie war locker, legère, aber er spürte eine Blockade.

“Gut.”, sagte er lahm. Ihr alarmierter Blick warnte ihn, dass er seine Antwort hätte ausschmücken sollen.

“Komme gerade von der Arbeit.”, fügte er also hinzu und lehnte sich bequem nach hinten. Hoffentlich hielt sie ihm zu gute, dass er nüchtern war.
 

“War viel los?” Schon langweilte er sich. Wegen solch albernem Geplänkel hatte er Dominique sicher nicht vermisst. Beste Freunde waren sie lange nicht, eine solch innige Beziehung, in der sie das zweite Bein des anderen gewesen waren, gehörte einer dämmrigen Vergangenheit an. Aber sie waren doch offen miteinander gewesen, gelassen und gemütlich.

“Nee.”, sagte er und wandte den Kopf an den Kellner, welcher sich freundlich in ihre Richtung gebeugt hatte. “Einen Cappuccino und den griechischen Salat, bitte.”

Einen weiteren Augenblick lang studierte Dominique die Karte. Dann faltete sie sie zusammen und schenkte dem glücklichen Kellner ein warmes Lächeln.

“Einen Kürbissaft und den Troll Burger, bitte.” Auf das Stirnrunzeln ihres Cousins hin hob sie die Augenbrauen.

“Was denn? Er heißt Troll Burger, weil er riesig ist, nicht des Fleisches wegen..”


“Eben.”, schmunzelte er.

“Ach, ich falle noch vom Fleisch, wenn ich jeden Tag auf der Arbeit nur Salat esse. In Frankreich war es eine absolute tragédie, wenn man sich nicht damenhaft ernährt hat.” Nicht, dass Dominique irgendwo zu viel hatte sitzen gehabt, aber tatsächlich erschien sie bei genauerer Betrachtung ungewöhnlich schmal.
 

“Wie gefällt es dir, hier zu arbeiten?”

Wenig begeistert zuckte sie die Schultern. “Es ist ganz okay. Die Auflagen sind ähnlich wie in Lyon, die Stimmung aber ein wenig herzlicher.” Ihr Blick driftete in eine staubige Ecke rechts von ihm. “Herzlich ist das falsche Wort. Etwas echter vielleicht.”

“Du klingst wenig begeistert vom einen oder anderen.”, stellte er fest.

“Ach.”, tat sie es ab und behielt ihr Lächeln bei. “Das ist eben die Abteilung.”

“Vielleicht ist es auch der falsche Beruf.” Sie lachte, obwohl sie das nicht wirklich witzig fand.

“Angesichts dessen, wie viel Arbeit ich reingesteckt habe, wohl kaum.”

“Das hat nichts zu sagen. Die viele Arbeit könnte aber der Grund sein, wieso du dir jetzt nicht eingestehen willst, dass sie umsonst war.”
 

Dominique seufzte tief und spielte mit einem Ring an der Hand.

“Weißt du, Fred, eigentlich ist es ziemlich aushaltbar. Es wäre bloß toll, wenn man meine Entscheidung akzeptieren würden. Möglicherweise wäre ich öfter nach England gekommen, wenn nicht ständig darüber genörgelt würde, dass ich so weit weg bin.”

“Ich glaube, du bist absichtlich so weit weggezogen.”, vermutete er etwas zu provokativ.

“Es gab eine offene Stelle im richtigen Job und ich habe die Chance genutzt. Es hat sich bezahlt gemacht.”

Die Getränke erschienen auf ihrem Tisch.

“Ja, du hast Recht.” Überrascht blickte sie von ihrem Saftglas auf und ihre Gesichtszüge glätteten sich.

“Schon damals wusste ich, dass du dich nach einem Leben in farblosen Kostümen, strengen Frisuren und einem kalt distanzierten Umfeld sehnst.”

Sofort machte sie eine Art Schnaub-, Stöhngeräusch mit dem sich ihr Blick verfinsterte.

 

“Ehrlich, wenn du mir weiter deine abstrusen Beschwerden vorhalten willst, geh ich lieber. Wieso glaubt ihr alle, ihr würdet mich besser kennen als ich selbst?”

Unzufrieden verschränkte sie die Arme.

“Es gibt genug Zeichen dafür, dass du keine geborene Bürodame bist.”, beschwichtigte er nun mit sanfterer Stimme.

“Ach, ja?”

Er zuckte mit den Schultern. Dabei schwappte sein Heißgetränk beinahe über. 
“Dein Rockstar Liebhaber zum Beispiel erscheint mir als ziemlich drastische Zuflucht.”

Ihre Augen weiteten sich und sie verhinderte gerade noch sich zu verschlucken.

“Wie -”


“Ich habe euch gesehen.”, ersparte er sich gleich die Diskussion. Sie lief rot an, doch er blieb gelassen. “Schieß los. Wie kommt’s?”
 Mit einem Mal müde verdrehte sie die Augen. “Er ist ein Freund von mir.”
 

Gerade wollte er sie triezen, da tauchte der Kellner mit ihrem Essen auf. Während Freds Salat nicht zu wünschen übrig ließ, war Dominiques Burger gigantisch. Begeistert klatschte sie in die Hände und breitete vorfreudig eine Serviette auf ihrem Schoß aus. Gerade wollte sie den ersten herzhaften Bissen nehmen, da stoppte sie sich. 
“Wo wir bei unangenehmen Themen sind: Was hattest du auf der Verlobungsfeier geschluckt?”

Verstimmt kaute er auf einer Tomate. Gerade von diesem Thema hatte er ablenken wollen. Das war nicht der erste Eindruck, den er auf sie hatte machen wollen.

“Es war eine Party und ich habe in Ehren von Albus und Amy angestoßen.”, gab er selbstgefällig zurück. Etwas Saft rann entlang ihres Kinns, bis sie das Rinnsal geschickt wegwischte. Wenigstens fühlte sie sich wohl genug, zu essen, was sie wollte. Sicherlich würde ihr nicht jedes Gegenüber das gleiche Gefühl vermitteln. Das war etwas.

“Und in Ehren von Albus und Amy hast du deklamiert, was für ein Schwachsinn Liebe ist und Beziehungen nur für Spatzenhirne seien.”, erwiderte sie sarkastisch. Seine Verlegenheit überspielend zwinkerte er.

“Das war ein kleiner Witz von mir.”

“Betrunkene sind die ehrlichsten Menschen. Was habe ich verpasst?” Jetzt sah sie ihn ernster an als zuvor, auffordernd. Fred blieb jedoch standhaft.

“Wenn alles Hals über Kopf für ein Pärchen jubelt und sich davon inspirieren lässt, muss man die Meute wieder auf den Boden der Tatsachen holen. Mir tut es bloß leid, dass ich so betrunken war. Ausnahmezustand.”

Erneut zwinkerte er freundschaftlich. Und ein kleines Lächeln schlich sich auf ihre kauenden Lippen.
 


 


 


 


 

Das Wohnzimmer des angehenden Ehepaars war zum Bersten gefüllt. Amy konnte den Tisch, auf dem sie Leckereien, Butterbier und Kürbissaft angeordnet hatte, kaum sehen. Nervös im Türrahmen stehend knetete sie ihre Finger und hütete ihre kleine Herde Hochzeitsplaner. Merlin sei Dank würde es nur wenige dieser Treffen geben. Sie hatten Katastrophe auf der Tagesordnung stehen. Fast alle waren schon da und mehr und mehr wurde Amy bewusst, dass sie sich eine viel zu große Hochzeitsgesellschaft ausgesucht hatten. Lily war weniger aufgedreht als sonst, sondern zeigte sich von ihrer charmantesten, aber auch arrogantesten Seite. Ziemlich sicher lag das an Scamander, der sich auf der anderen Seite des Raumes mit Lindsey unterhielt, die sich nur wenig wohl fühlte in ihrer Haut. Carl stand daher in ihrer Nähe, wobei er sich mit Fred unterhielt, der von Dominique und Roxanne stetig beäugt wurde. Rose saß auf einem unbequemen Holzschemel, ihre Teetasse fest umklammert, und lauschte lächelnd den anderen. Vor Amy konnte sie jedoch nicht ihre Nervosität und Aversion verbergen, über den bald zu erscheinenden Trauzeugen. Wer wusste schon, was auf der Verlobungsparty zwischen Malfoy und Rose geschehen war - die Anspannung gelöst hatte es sicher nicht.
 

Wo war Malfoy überhaupt? Und wo Albus, der ihr beistehen sollte, nicht alles ab zu blasen, bevor es in Stücke zerfetzt würde. Als sie einen Schatten auf sich spürte, drehte sie sich hoffnungsvoll um, bloß um auf die Brust ihres baldigen Schwagers zu blicken.

“James.” Rasch trat sie einen Schritt zurück, um ihm ins Gesicht blicken zu können und stieß dabei gegen Lindsey, die von Lysanders Hand in ihrem Rücken abgefangen wurde.

“Entschuldige, Lindsey.”, hauchte sie und fühlte sich plötzlich eingeengt, als bekäme sie keine Luft mehr. James begann bereits die anderen zu begrüßen und so nutzte sie die Gunst seines Erscheinens und huschte aus dem Raum. Im dunkleren Flur fand sie endlich Ruhe, um durch zu atmen. Das Gemurmel aus dem Wohnzimmer und ein gelegentliches Lachen war immer noch deutlich zu vernehmen. Je schneller es vorüber war, desto besser, beschloss sie und steuerte das Schlafzimmer an. Wie so oft bewies sie, Albus gut zu kennen. Er steuerte gerade aus dem Bad dieselbe Tür an.


“Amy, ich komme sofort.”, verkündete er rasch, verschwand dann im Schlafzimmer und schloss die Tür hinter sich. Dahinter hielt er Inne und hoffte Amy würde nach unten zurück kehren, bevor er sich vor den Spiegel hockte und Scorpius Namen mit seinem Zauberstab darauf schrieb. Das Wort verblasste und so tat es Albus Gesicht, doch Scorpius erschien nicht.
 

“Scorp.”, sagte Albus ins Leere. “Scorpius.” Auf der anderen Seite hörte er eine Bewegung und dann antwortete eine kratzige Stimme.

“Albus?”

“Ja, wo bist du? Amy wird wahrscheinlich schon wahnsinnig. Wir beherbergen einen Zoo in unserem Wohnzimmer und ich schaue auf die Uhr. Du bist immer noch nicht da, keine Ahnung, wo du bleibst?” Ungeduldig knetete er seine Finger.

“Was ist denn los mit dir?”, krächzte sein Freund.

Ich bin genervt, ich bin frustriert, weil hier einfach nichts passiert. Was machst du?” Er hatte begonnen auf der Kommode zu trommeln.

Ich sitze... auf meinem Stuhl. Und ich schaue aus dem Fenster.” Es war als setze Albus Gehirn für einen Augenblick aus. Immerhin war es nicht so einfach, gegen das Wissen anzukämpfen, dass sein Kumpel sich mal wieder zu gedröhnt hatte. Also versuchte er lieber, so zu tun, als sei das nicht der Fall.

Und ich stell mir wieder mal die alten Fragen: Wo komm ich her, wo geh ich hin und wie viel Zeit, werd ich noch haben.

“Nicht mehr viel Zeit, wenn du nicht bald auftauchst, denn Amy wird dich umbringen lassen. Glaub mir Kumpel, Rose übernimmt den Job mit Freude.” Sofort schluckte er. Solche Waffen aufzufahren, war nicht seine Art. Scorpius brauchte Hilfe, aber wieso jetzt? Wieso konnte man nicht einmal auf ihn zählen?
 

Ich denke nach über die Welt, über das was wirklich zählt.” Keine vernünftige Antwort.

“Scorpius, wieso? Warum bist du nicht hier?”

“Mir ist langweilig, sterbens langweilig... ohne dich. Wo bist du?” Beinahe hätte Albus mit der Hand auf die Kommode gehauen. Bereits seit einer halben Stunde warteten sie auf Scorpius und er würde sich nicht von ihm weitere Aspekte seiner Hochzeit verbocken lassen. Bester Freund hin oder her. 
“Ich liege auf meinem Bett und ich starre an die Decke und ich wünsche dir die Pest an den Hals. Lässt mich hier sitzen einfach so, aber vielleicht kommst du ja bald?” Beinahe drohend ließ er den Satz ausklingen. Pause am anderen Ende.

Ich hab schon vier mal onaniert -” Bevor Albus explodieren konnte, flog seine Tür auf und Amy kam herein gestapft. Ihre Wangen waren vor Stress gerötet.

“Albus, was tust du hier oben?” Ihr Blick wanderte zu Als geballter Faust und dann zum Spiegel. “Scorpius? Ist er das? Redest du mit ihm?” Tief seufzend nickte Albus.
 

Seine Verlobte machte zwei große Schritte auf den Spiegel zu und baute sich davor auf, wohl wissend, dass Scorpius sie sehen konnte.
 “Malfoy, weiß der Teufel, wo du steckst, eins ist klar: Sogar Albus ist wütend auf dich. Du hast ordentlich verbockt und wenn du auch nur der geringste Teil dieser Hochzeit sein möchtest, dann bewegst du deinen vermutlich besoffenen Arsch auf der Stelle in unsere Wohnung. Ich gebe dir 5 Minuten und keine länger.” Damit schnappte sie Albus Zauberstab und beendete das Gespräch. Er sah Verständnis suchend in ihr Gesicht.

“Er hat es nicht leicht -”, begann er, doch wenn es um Scorpius ging hatte er bei Amy keine Chance.

“Es ist mir egal! Lindsey und Dominique giften sich unten an, Scamander spielt irgendwelche dreckigen Tricks, Rose ist am Ende ihrer Nerven und zuckt jedes Mal, wenn jemand den Raum betritt und Carl - Carl ist hoffnungslos. Wir waren ein gutes Paar, es war alles gut und mit dieser verdammten Hochzeit geht alles schief!” Schniefend stapfte sie davon und die Badezimmertür fiel ins Schloss. Sich wappnend ging Albus in Richtung Wohnzimmer, in dem man beinahe nicht mehr treten konnte. Er musste demnächst seinen Vater konsultieren, wie man es vergrößern könnte.
 

“Hey, hört mal alle.”, sagte er schwach in den Raum, doch kaum jemand bemerkte ihn, außer Rose, die ebenso ausgelaugt drein blickte, wie er sich fühlte. Das Gemurmel herrschte weiter, er sah Lindsey seiner Cousine einen abschätzigen Blick zu werfen und wie Lily Lysander gewisse Abfuhren an den Kopf warf. Deren Geschäftsbeziehung würde er gar nicht erst versuchen zu verstehen. Mit einem Mal begann sein Kopf zu brummen und er verstand Amy nur zu gut. Dann erhob Rose sich.

“Hört her!”, rief sie mit autoritärer Stimme und langsam ebbte das chaotische Geräuschmeer ab. “Amy ist total fertig mit den Nerven und wenn ich mir Albus ansehe, er auch. Wir reißen uns jetzt alle zusammen und wenn Amy gleich runter kommt, arbeiten wir produktiv und mit guter Laune an ihrer Hochzeit, klar? Wenn es gut läuft, müsst ihr euch alle eine Weile nicht wieder sehen -” Ihr Blick ruhte besonders auf Lindsey und Dominique. “- und Malfoy und ich kümmern uns um das meiste.” Sie tat tapfer, doch man sah sie schlucken und als seien ihre Stoßgebete auf taube Ohren gestoßen, machte Scorpius sich von der Tür aus bemerkbar.
 

“Hört, hört.” Zu Albus Überraschung sah er besser aus, als erwartet. Weitaus besser. “Danke.”, murmelte er seinem Kumpel zu, während der den Raum für sich einnahm und hier und da eine Hand schüttelte. Der Blonde positionierte sich neben Rose und während sie hart daran arbeitete sich nichts anmerken zu lassen, verriet Scorpius sich tatsächlich nur durch das Tappen seines Zeigefingers an seiner Jeans. Angelockt von der wohltuenden Ruhe wagte auch Amy sich zurück und sofort wurde das Sofa für sie und Albus frei geräumt und die Planerei durfte beginnen. Roses Feder kritzelte eifrig alle Vorschläge auf ein Blatt Pergament zu Unterpunkten, die sie sich vorher bereits überlegt hatte.

“Ich will eine Gartenhochzeit.”, murmelte Amy.

“Die ganze Familie wird kaum in irgendeinen Garten passen...”, gab Roxanne zu bedenken und alle schwiegen einen Augenblick.

“Was ist mit der Maison Delacour?”, warf Dominique ein. “Heiratet doch in Frankreich.” Ein Stirnrunzeln und Kopfschütteln durchzog den Raum. “Mamie und pépère haben einen wunder, wunderschönen Garten. Er ist riesig mit einem Brunnen, einer Terrasse -”

“Wie sollen wir eine Hochzeit in Frankreich planen?”, warf Lindsey genervt ein. “Wie sollen alle Gäste dorthin kommen?”
 

Amy schwieg eine Weile. Alle anderen waren still. Es war ihre Entscheidung.

“Sie kriegen das hin.”, sagte sie dann mit Kopfnicken zu Rose und Scorpius. “Wenn sie einen Silvesterball auf die Beinen stellen können, dann auch eine Hochzeit in Frankreich. Ich glaube zwar, dass das deine Hochzeit sein sollte dort, Dominique, aber du hast es vorgeschlagen und ich finde die Idee gut.”

Begeistert klatschte Dominique in die Hände, während Rose nicht sicher war, ob sie sich ehrgeizig oder erschlagen fühlen sollte.

“Rose, Malfoy -”

“Scorpius.”, korrigierte Albus subtil.

“Wir bekommen von der Britch eine ordentliche Summe für die Hochzeit beigesteuert, was vollkommen unnötig ist. Andere Leute können sich gar keine Hochzeit leisten, aber uns schmeißen sie es nach. Dafür wollen sie über die Hochzeit schreiben dürfen. Da sie das so oder so tun werden, habe ich zugesagt.” Überrascht hob Rose die Augenbrauen. “Das Geld ist nicht für die Hochzeit, es ist für euch zwei. Ich weiß, was das für eine Arbeit wird und du brauchst mindestens genug Geld für ein Spa-Wochenende danach. Wenn du eins machst, nimm mich mit.” Sie lächelte müde. “Ich gehe jetzt schlafen. Bedient euch an den Macarons. Sie sind lecker.”
 Damit ließ sie die Gesellschaft zurück. Als sich bereits alles in Bewegung setze, auch zu gehen, verlangte Rose noch einmal nach Aufmerksamkeit. “Ich brauche Terminkalender von allen, ich brauche Größen, Farbpräferenzen, Begleitung sobald wie möglich, Addressen und Kontakte von möglicherweise hilfreichen Quellen, vor allem von dir, Scamander, von euch eine Gästeliste, Albus, und, Dome, ich brauche einen Lageplan der Maison und Details über ihre Kapazitäten. Danke.”
 

Nun offiziell entlassen verpufften die Gäste nacheinander. Einen schneidenden Kommentar ihres Kollegen erwartend, wandte Rose sich gewappnet in seine Richtung und entdeckte Schweißperlen auf seinem Gesicht. Sein Blick war nicht auf sie, sondern ins Leere gerichtet. Albus, der bemerkte, wie sehr Scorpius sich zusammen gerissen hatte, alarmierte Lysander und sie packten ihren Freund an den Armen. Seine Augen flatterten und er begann den Kopf hängen zu lassen. Lindsey reagierte ebenfalls schnell und sorgte dafür, den Rest abzulenken und zum Verschwinden zu bringen. Rose wusste nicht recht, was sie tun sollte. Mitleid oder Wut oder Abneigung, es schien alles gleich. Die beiden Männer stützten den Malfoy und führten ihn in Richtung der Tür, um so schnell wie möglich ins Freie zu gelangen. Wie von einem Magneten angezogen, folgte Rose ihnen und betrachtete dabei die stolpernden Füße des blonden Mannes. Auch er bemerkte sie und sah sie zum ersten Mal seit seiner Ankunft an.

“Hey, Rose.”, brachte er gerade so mit schiefem Grinsen hervor. Dann war er im Vorgarten und erbrach sich auf Lysanders Anzughose. Bei dem Geräusch zuckte Rose zusammen und wandte sich rasch ab, Lily erschien allerdings gerade erst an der Haustür. Mit mitleidiger Miene betrachtete sie Scorpius.

“Der arme Kerl. Er scheint Sie genauso zum Kotzen zu finden, wie ich.” Im Vorbeigehen schenkte sie Lysander ein Lächeln und stolzierte dann, Albus unfreiwillig von Malfoy wegziehend, die Straße hinunter, um eventuell lungernde Paparazzi von dem geschwächten Mann fort zu locken.
 


 


 


 


 

“Feliz navidad, feliz navidad...”

“Roxanne.”, warnte Dominique streng und sah ihre Freundin genervt an. Diese blickte unwissend auf.

“Du summst schon wieder. Spanische Weihnachtslieder, ernsthaft. Es ist Oktober.” Dominique wandte sich wieder ihren Papieren zu und suchte nach der Stelle, an der sie aufgehört hatte zu lesen. Gerade hatte sie den Absatz neu begonnen, als neben ihr “This is Halloween” ertönte und sie aufgab.
 “Das war eine verdammt blöde Idee.”, verkündete sie. Mehr als zufrieden klappte Roxanne ihren eigenen Ordner zu, auf den Dominique so gerade versuchte, einen Blick zu werfen.

“Klar, war ja auch deine.”

Dominique ließ ihre bloßen Zehen wackeln und stellte verärgert fest, dass der Nagellack an ihrem kleinen Zeh abgeblättert war. Gut, dass sie heute keine Peeptoes trug. Gut, dass sie heute überhaupt keine High Heels trug. Wenn sie ihrer Arbeit etwas übel nahm, dann dass sie ihre Liebe zu hohen Schuhen etwas dämpfte. Schwarze Schuhe shoppen machte erstens keinen Spaß und diese halbe Höhe, die sie maximal tragen durfte, machte sie ganz verrückt. Daher erwischte sich Dominique an besonders frustrierenden Tagen dabei, im erstbesten Pub in Jeans und Sneakers zu schlüpfen. Meist war es der schäbige Irish Pub um die Ecke, der am frühen Arbeit noch nicht allzu gut besucht war. Ihr einziger Zeuge war der bärtige Kellner, der bereits zu grinsen begann, wenn er die Türglocke läuten hörte. Nicht selten versuchte er sie auf ein Bier zu überreden, doch leider konnte sie Muggelbier auf den Tod nicht ausstehen. Viel zu herb.
 

“Woran hast du gearbeitet?”, fragte sie Roxanne, die es sich mittlerweile auf ihrer Picknickdecke bequem gemacht hatte. Heute hätte Dominique auch lieber in Jeans wechseln sollen. Im Etuikleid auf dem Rasen liegen war enorm unentspannt.

“Ich habe mir Rezeptideen für heute Abend angesehen.”

“Was? Aber ich dachte, wir wollen nebeneinander her arbeiten?” Dominique schmollte beleidigt.

“Ich habe zu gestimmt, um dich glücklich zu machen. Aber die Mysteriumsabteilung hat nicht umsonst ihren Namen. Ich kann nicht einfach meine Unterlagen im Park auspacken. Dann noch gleich um die Ecke vom Ministerium.”

“Wie meinst du das, du wolltest mich glücklich machen?”


“Na, du scheinst irgendwie nicht so viel zu haben, was dich beschäftigt hält.” Unbekümmert zuckte Roxanne die Schultern, während Dominique ihre straffte.


“Entschuldige bitte, ich arbeite. Das hatte ich auch eigentlich jetzt vor, hättest du nicht unablässig gesungen. Ich dachte, es wäre vielleicht schön, wenn wir überhaupt was unternehmen.”

“Ist’s doch auch, Domi. Aber ich vermisse dich. Die alte Domi.” Roxanne legte den Kopf schief, um zu ihr aufgucken zu können und blinzelte in den ergrauenden Himmel. Eine Brise zupfte an ihren störrischen Haaren und Dominique wünschte sich eine ähnliche Mähne, die ihren Kopf wärmen konnte. Stattdessen schloss sie einen Knopf ihres Mantels. Der Wärmezauber behafteten Umhang musste in der Öffentlichkeit leider in ihrer Handtasche verweilen.
 

“Es gibt keine alte Domi, weil’s keine neue gibt.”, erklärte sie steif. Ihre Freundin seufzte.

“Ich weiß nicht. Mir fehlt deine gute Laune. Mit der Arbeit -”

“Was und Mysteriumsangelegeneheiten sind total dein Ding?”

“Schon, ja. Es ist aufregend und ein bisschen gruselig, da steh ich total drauf. Und nebenher habe ich begonnen ein Buch zu schreiben über Minderheiten in unserer Gesellschaft.”

Dominique gluckste. “Werwölfe wie Tante Mine?”

“Nee, einfach Minderheiten eben...” Roxanne wandte ihren Blick zurück gen Himmel. Die abendliche Kälte begann die letzten Überbleibsel des Sommers fort zu drängen. “Wir sollten uns wahrscheinlich auf den Weg machen.”


“Ich habe nicht so wirklich Lust.” Dennoch stand sie auf und begann ihre Sachen einzupacken und Roxanne tat es ihr nach.
“Wieso? Kannst dir doch schön einen Tee zu hause machen oder so. Ich kann auch mitkommen und wir lackieren deine Nägel neu.” Sie grinsten einander an, doch dann wurde Dominique ernster. “Ist wohl nicht so ne gute Idee. Mein Mitbewohner ist so ein eigenartiger Mensch. Ich fühle mich nicht richtig wohl, Leute dort hin mitzunehmen.” Weswegen sie auch immer eine gute Ausrede hatte, bei Corban zu schlafen. Außer heute. Heute war er mit seinen Jungs unterwegs. Sie waren allesamt tättoowierter, schäbiger und gruseliger als er. Keiner von ihnen würde ihr jemals auch nur in die Nähe ihres Bettes kommen und sie verstand auch nicht, was er an ihnen fand. Doch sobald sie etwas in der Richtung ansprach, machte er dicht. ‘Sie waren schließlich kein Paar.’

 

“Was ist mit deinem Mitbewohner? Du hast ihn bisher gar nicht erwähnt.” Neugierde stand Roxanne ins Gesicht geschrieben, während sie los schlenderten in die Richtung einer kleinen Gasse, von der aus man ungesehen apparieren konnte. 
“Ich versuche das Thema zu vermeiden. Vicky ist schon ganz verrückt geworden, wenn Mum davon hört, wird sie mich entführen, wenn sie muss, damit ich nicht da bleibe.” Auf ihr Augenverdrehen hin lachte Roxanne.

“So schlimm?”

“Um ehrlich zu sein: Ja.”, lachte nun auch Dome und etwas in ihr schien sich zu lösen. “Es ist ein bisschen, als würde man mit einem Tier leben. Den ganzen Tag über hört man nichts von ihm und es schleicht sich schon die Hoffnung ein, dass er tot ist. Vom Balkon gefallen oder so. Aber um Mitternacht wacht er auf und entscheidet sich plötzlich dazu durch die Wohnung zu rennen, Wäsche zu waschen, den Hausflur zu staubsaugen, zu essen, zu spülen, sich tausendmal in der Badewanne die Hände zu waschen - in der BADEWANNE - und lauthals mit seiner Freundin zu diskutieren. Manche haben einen Job, du Trollfresse!”, schnauzte Dominique in die Leere auf eine Art und Weise, als habe sie diese letzten Worte bereits seit langem laut sagen wollen.
 


“Vielleicht ist er ein Vampir?”, schlug Roxanne gut gelaunt vor, als sie sicher war, genug gehört zu haben.

“Einer der unattraktiven, gruseligen Sorte.”

“Schreit nach Tod durch Pfahl.”

“Schade. Hatte mich darauf gefreut, ihm den Kopf abzutrennen.”

“Von unserem friedensfrohen Sonnenschein hast du dich in einen ganz schön gewalttätigen Mörder verwandelt. Denk nur dran, den Kopf ganz ab zu hacken, sonst wird er zum Kopflosen Nick Nummer 2 und nervt dich in alle Ewigkeiten.”, warnte Roxanne weise und hielt, als sie ihren Abschiedsort erreicht hatten.


“Das ist ein ziemlich guter Tipp! War cool, dass du mitgekommen bist, auch wenn es langsam wirklich zu kalt für diese Aktionen wird.” Die beiden Frauen nahmen einander herzlich in die Arme, verabredeten sich für morgens früh und disapparierten gleichzeitig.
 


 


 

Zuhause angekommen schlich Dominique durch die Wohnung. Meist merkte sie nicht, dass sie es tat, bis sie bereits ihr Zimmer erreicht hatte. Die Küche war eigentlich wirklich schön und gemütlich, doch hielt sie sich selten darin auf. Es war eine Art Vermeidungstaktik. Anders als Fred scheinbar vermutet hatte, nahm sie nicht durch die Arbeit ab. Schön und gut in Frankreich hatte sie abends manchmal keine Zeit gehabt, sich durch die Leckereien des Landes zu futtern. Besonders seit sie in England war, hatte sie allerdings einfach keine Lust zum Essen. Am wenigsten in dieser Wohnung, wo sie sich höchstens einen schnellen Salat zu bereitete, um ihrem Mitbewohner nicht über den Weg zu laufen. Oft genug machte Corban sich über ihre starke Abneigung lustig, aber er lebte ja auch nicht mit dem Kerl! Ständig hinterließ er Notizen, wenn er irgendwo Krümel entdeckt hatte, putzte aber selbst nie. Paranoid war er auch noch und so schloss Dominique sich in ihrem Zimmer ein, wo sie durchatmete und so tun konnte, als existiere er nicht. Bis er eben seine mitternächtlichen Rituale begann.
 

Einige Tage hatte sie schon nicht mehr hier geschlafen. Wenn die Wohnung sich je nach zuhause angefühlt hatte, dann tat sie es spätestens jetzt nicht mehr, da sie beinahe jeden Tag bei Corban übernachtete. Er war gut zu ihr, er war gut im Bett und er stand darauf, wie gestriegelt und gesetzt sie sich kleidete und mittlerweile verhielt. Genauso wie sie darauf stand, dass er so anders war, als sie. Ihre Freundin, alle ihre Freunde, waren so sehr davon überzeugt, dass sie sich verändert hatte, wie sie darauf bestand, dass dem nicht so war. In Frankreich war es einfacher gewesen, sich ein zuhause in der unternehmerischen politischen Welt zu recht zu bauen. Niemand kannte sie dort, sie hatte sein können, wer sie wollte - solange sie mit den verlangten Standards übereinstimmte.

Als ihr auffiel, dass sie seit einer guten Viertelstunde auf ihrer Bettkante hockte, ohne irgendetwas zu tun, entzündete sie rasch die Kerzen im Raum. Es war Zeit tatsächlich zu arbeiten, nachdem sie es im Park nicht geschafft hatte. Doch erneut saß sie an ihrem Schreibtisch und starrte auf dessen Platte. Bis sie schließlich von irgendeinem Kobold geritten ein Blatt Pergament aus der Schublade holte, ihr Tintenfass öffnete und aus dem nichts heraus einen Brief zu schreiben begann.
 



Earl,

 

begann sie und zögerte. Nicht lange genug jedoch, um darüber nach zu denken, was sie tat und warum.


 

ich bin vor einer Weile aus Frankreich zurück gekommen und war überrascht, dich nicht als Teil von Albus Bräutigamsgesellschaft vorzufinden. Ich hätte gedacht, ein solches Event käme dir ganz und gar gelegen. Du weißt doch, dass Albus heiratet? 
Überhaupt habe ich dich nicht gesehen. Wurdest du von der Firma an einen anderen Standort versetzt? Eine Besenfirma, oder? Bist du trotzdem innerhalb Englands? 
Ich arbeite momentan beim englischen Ministerium. Der Tapetenwechsel tut gut!


Sieht man dich zur Hochzeit?



Mit vielen Grüßen,


Dominique Delacour
 

Da war er. Warum auch immer, aber er war ein Brief und gleich morgen würde sie eine Ministeriumseule damit beauftragen, ihn auszutragen. So musste es wohl sein.
 


 


 


 


 

Auf ihrem Weg zum Büro sah Lily die Briefe und Notizen durch, die man ihr an der Tür gereicht hatte. Bereits beim ersten Blick hatte sie schnauben müssen. Petra lächelte ihr in der Eingangshalle zu und grüßte mit der eigenartig melodischen Stimme, die Lily ein paar Mal erfolglos zu imitieren versucht hatte. Zielstrebig setzte sie einen Fuß in den Aufsog und verlor nicht einmal mehr die Zeile, die sie las. Im 28. Stock lag ihre Abteilung. Ein Stockwerk, das Scamander eigens für diese hatte anlegen lassen. Nun lag sein Büro den Wolken etwas näher.

Zugegebenermaßen liebte sie das 28. Stockwerk. Auch hier plätscherte der endlose Wasserlauf seine Bahn nach unten und exotische Vögel badeten in kleinen Pools, die er hinterließ. Zur Verkündung ihrer Zusammenarbeit hatte Lysander sie in eine ähnliche Aufmachung gesteckt, beinahe ungesichert in das Utop klettern lassen und sie dort vom firmeneigenen, kürzlich angeworbenen Fotografen Howard Clark ablichten lassen. Es waren grandiose Fotos gewesen, viel versprechend und sie zogen Enttäuschung hinter sich her. Die Korridore waren mit riesigen Postern geschmückt, die teils sie, teils Inspiration abbildeten. Maskenräume und Ankleidezimmer schmiegten sich aneinander, platzmachend für das magische Studio.
 

Marketing stand unten auf der Tafel, doch in Wahrheit lebten hier oben die kreativen Köpfe der Firma. Scamander hatte nicht gelogen, als er sagte, sie würde alles bekommen, was sie brauchte. Nur hatte sich der Aufwand noch nicht bezahlt gemacht.

Zu ihrer Überraschung wartete er bereits in ihrem Büro, das nicht im geringsten nach einem Büro aussah. Viel eher ein modernes Wohnzimmer, in dem sie gemütlich Kunden und Auftraggeber empfangen konnte. Oder auch Scamander.

“Lily.”, grüßte er geschäftlich und beobachtete wie sie die Post auf den Tisch und ihren Umhang auf einen Stuhl warf. Sie hatte nicht gelogen, als sie verkündet hatte, die Black Widow Trachten in ihre Outfits zu integrieren. Sie hatte auch nicht gelogen, als sie darauf beharrt hatte, dass sie nicht altmodisch, sondern kleidsam waren. Ihr Goldkaffee mit Karamell schwebte in ihre Hand und bevor sie irgendetwas sagte, nahm sie ein Blatt Pergament wieder in die Hand.

“Anpreisung eines Urlaubs mit Meermenschen.”, las sie vorwurfsvoll.

“Es ist eine große neue Sache. Es sind Warmwasser-Meermenschen, ganz andere Nummer als unsere. Erst einmal werden Urlaube am Mittelmeer angeboten. Diese Werbekampagne wäre für Archimedes Reisen.”

Sie hielt die Hand hoch. “Bikinishoot am Strand.”

“Bikini, nicht nackt.”

“Darum geht es nicht.” Sein Blick haftete an ihren langen Beinen, während sie zu dem himmelblauen Sofa ging, sich setzte und sie überschlug. Die dunkle Strumpfhose erinnerte an Rosenstränge, die sich ihre Schenkel hinauf rankten.
 

“Es ist langweilig. Genauso wie Werbung für einen Kombi. Jedes magische Auto ist ein Kombi.”

“Ja, aber nur bis zu einem bestimmten Volumen. Das ist quasi eine Limousine.”

“Ein Anreiz der Limousine ist, dass sie auch aussieht wie eine.”, belehrte sie ihn müde. “Scamander, ich dachte, Sie verstehen mich. Die drei Monate sind fast rum.”

Er lockerte seine Krawatte und setzte sich auf die Sesselkante ihr gegenüber.

“Teil unseres Deals war, dass Sie kooperativ sind.”, erinnerte er sie. “Trotzig wehren Sie sich gegen alles, was ich vorschlage. Das eine ist Ihnen zu züchtig, das andere zu gewagt und das nächste zu langweilig. Wenn Sie meine Hilfe nicht wollen, hätten Sie sie nicht annehmen dürfen.”

Sie schürzte die Lippen. Trotzig nannte er sie und versuchte erneut, sie auf ihr Alter zu reduzieren.

“Ich wollte nie Ihre Hilfe.” Sogleich stellte sie fest, dass sie trotzig klang.

“Aber Sie haben sie angenommen. Sie sind den Deal eingegangen und der Deal war, dass Sie mich Sie vertreten lassen. Keine Jobs anzunehmen, schmerzt Ihrer Karriere viel mehr als meiner.”

“Fangen Sie nicht wieder damit an.”

“Aber es ist wahr! Ich bin ein knallharter Geschäftsmann, haben Sie gesagt. Ich gehe über Leichen für meinen Job und Sie sind mein Job. Aber Sie lassen mich ihn nicht machen.”
 

Ehrlichkeit stand ihm nicht. Sie stand ihm ganz und gar nicht. Sie brach dieses Bild, dass sie von ihm hatte und nahm ihr den Wind aus den Segeln und das wusste er. Ehrlich aber vielleicht nicht aufrichtig. Ihm war mehr als bewusst, wann er die Wahrheit ins Spiel bringen musste, um zu gewinnen.

“Sie haben gesagt, sie wissen, was ich brauche. Sie haben gesagt, nur Sie können mir helfen. Wieso schleppen Sie mir dann nur Mist an?”, erwiderte sie barscher, als sie beabsichtigt hatte.

“Ich sagte, ich habe die Mittel, Ihnen zu helfen. Nicht, dass ich Gedanken lesen kann oder ein Lily Potter Experte bin.”

Ihr Kaffee war leer und wie immer füllte er sich sogleich wieder auf. “Ich muss sagen, ich bin enttäuscht. So sehr mir diese Zusammenarbeit gegen den Strich geht, ich hatte erwartet, dass sie aufregender verlaufen würde. Ich hatte Ihnen mehr zugesprochen, als Sie verdient haben.”

“Zu einer Kooperation gehören zwei.” Seine Haltung war ruhig. Die nahende Deadline schien ihn nicht zu beunruhigen. “Wenn Sie mir nicht sagen, was Sie wollen, kann ich es Ihnen nicht geben. Anstatt alles so heftig abzuwehren wie einen verrückten Klatscher, wäre es nicht schlecht, mir ab und zu mal den Quaffel zu zu werfen.”
 

Quidditchanalogien - er hasste Quidditch. Sie liebte Quidditch. Er hatte stets Hintergedanken, sie war direkt. Wieso arbeitete er sich soweit in ihr Feld vor? Unwillkürlich zuckte ein Lächeln um Lilys Mundwinkel. Ganz vielleicht war ihm ja bewusst, dass seine Taktik nicht funktionierte. Fein. Wenn er so tun wollte, als könnten sie zusammen gewinnen -

“Ich mache ästhetische Bilder, ästhetische Werbung. In ihnen liegt Kunst, sie werben durch Kreativität und Zauberhaftigkeit. Für eine alberne Küstenwerbung, bei der ein paar Schwanzflossen aus dem Wasser schauen, kann man auch meine Cousine Lucy fragen. Dafür braucht man nämlich keine Erfahrung, sondern nur ein hübsches Gesicht. Machen Sie nicht noch einmal den Fehler, mich auf mein Gesicht zu reduzieren.” Sie ging zum Kühlschrank und zog eine Flasche Wasser heraus.

“Danke.”

“Bitte?”

“Danke.”, wiederholte er mit derselben Ernsthaftigkeit. “Für Ihre Kooperation.”
 

Was spielte er? Ohne ein Wort oder einen weiteren Blick ging sie zum Trainingsraum und begann sich dort zu entkleiden. Höflich verweilte er, wo er saß und lauschte dem aufschnappenden BH.

“Was steht heute an?”, rief er hinüber, um sein Aufbrechen hinaus zu zögern. Der 28. Stock war sein liebster Stock. Zwar liebte er jede seiner Abteilungen, jeden Aspekt seiner Firma, doch sie liefen alle reibungslos. Der 28. Stock forderte ihn jeden Tag aufs Neue heraus. Ohne Frage tat das jeder Zuwachs des Unternehmens, doch dieses Mal war es anders.

“Cardio und Yoga.”, kam es aus dem Trainingsraum zurück. Wenn Bambi auch glaubte, er wolle ihr schaden, hatte er Hugo ganz aus Eigeninteresse dazu überredet, sie in die Hände von Lizzard zu geben. Die neue Abteilung dehnte seine Firma, bog sie und verlieh ihr neue Züge, die sich in keiner der anderen wieder fanden. Sie bäumte sich auf gegen Konventionen und Uniformität und brachte Bewegung in die Unternehmenslandschaft.

Die Herausforderung galt nicht nur ihm selbst, sondern allen Mitarbeitern und wenn die Potter es auch nicht mitbekam, es hagelte Kritik von allen Seiten. Skepsis wuchs ihm entgegen, ähnlich wie damals bei der Namensgebung seines Unternehmens. Man riet ihm etwas schickes, klassisches, transparentes - etwas wie Scamander Inc. Doch der Name Scamander war bereits gekleidet in Biester und Wissenschaft. Er hatte etwas Neues gebraucht ohne die Vertrautheit zu verlieren. Etwas flexibles, einschlägiges, tiefgründiges. Zu oft vergaßen die Leute, dass Risiko ein Teil der Firma war und von Anfang an gewesen war. Wer nicht mit einer gesunden Beziehung zu Risiko spielte, konnte nicht gewinnen. Er würde gewinnen.
 

“Sind Sie noch da?”

“Tatsächlich, ja.” Ihre Füße schlugen in regelmäßigem Rhythmus auf den sich wohl unter ihr bewegenden Boden auf. Er fragte sich, ob sie durch den Wald lief oder über einen Strand und dachte sich, wahrscheinlich habe sie sich für Felder entschieden - doch er wollte nicht gucken gehen. Offensichtlich war ihr seine Anwesenheit unangenehm.

“Ich gehe gleich.”, verkündete er daher nach ein paar Minuten. Darauf bekam er keine Antwort. Stattdessen schaltete sie das Radio an und leise Musik begann zu dudeln.

“Ich wollte noch wissen, ob es Neuigkeiten zur Hochzeitsplanung gibt? Wie ein ungefähres Datum?”, rief er etwas lauter und musste innerlich grinsen. Ihren Gesichtsausdruck konnte er sich zu gut vorstellen, wie sie genervt blinzeln und nach unten links schauen würde, weil es sich ihr nicht ergab, wieso er in ihrem Büro verweilte.

“Nein. Es gibt wohl... Verständigungsschwierigkeiten.” Ähnlich wie hier, wollte er sagen, da begannen die Nachrichten.
 

“Endlich hat das Zaubereiministerium einen Lead, was die Verursacher vergangener Attentate angeht. Bisher konnte man vermuten, dass die Anschläge miteinander zu tun hatten, jedoch gab es nie einheitliche Beweise, die auf bestimmte Täter hinwiesen. Mit dem Erscheinen des dunklen Mals über dem Spielplatz in Reddich wird nun auf eine Art rechte Gruppe spekuliert, welche die Vorstellungen von Todessern teilen und diesen nacheifern.
 

Lily kam aus dem Trainingsraum geeilt in knappen Hosen und SportBH, einen wilden Gesichtsausdruck tragend.

“Davon habe ich gar nichts mitbekommen.”, keuchte sie und drehte mit dem Zauberstab die Lautstärke auf. Auch Lysander verkrampfte. Den ganzen Tag über hatte er fahrlässiger Weise nicht die Nachrichten gehört.
 

“'Nein, ich möchte keine falsche Hoffnung verbreiten.', sagte der Zaubereiminister, kurz nach dem Erscheinen des schrecklichen Zeichens. 'Die neuesten Entdeckungen sind kein verdienst unseres Teams, sondern wurden von den Tätern eigens aufgedeckt. Ich werde mich nicht mit etwas rühmen, das mir meine Gegenspieler in die Hände gelegt haben, denn eines ihrer möglichen Motive könnte sein, ihnen Fahrlässigkeit zu zuschreiben, sodass wir uns in Sicherheit wiegen. Gleichzeitig möchte ich Sie jedoch nicht in Panik versetzen. Voldemort und seine Anhänger sind tot. Diese Nachahmer sind nicht mehr als das. Gefährlich in ihrer Blindheit, jedoch nicht so ruchlos in ihrem Wahnsinn, wie Lord Voldemort es einmal war. Was immer sie sich zu erreichen erhoffen, wir werden sie daran hindern.' Große Worte der Entschlossenheit von Minister Potter. Bei dem Anschlag auf den Spielplatz waren keine Kinder anwesend. Jedoch stellt die Szene der Verwüstung die Muggel vor Ratlosigkeit. Auroren sind im Einsatz, um den Schaden zu dämmen und die Muggel zu beruhigen. Haben wir es mit einer Terrorgruppe zu tun? Ist ihr Motiv eine Bloßstellung des Ministeriums, ein Racheakt, pure Aggression? Wir halten Sie über alle Neuigkeiten auf dem Laufenden."
 


Noch immer hielt Lily verkrampft den Zauberstab ihrer Hand. Der zuvor vom Sport gerötete Kopf war bleich und entrückt. Lysander wusste nicht, was er sagen sollte. Er knetete die Hände und sah zwischen Ihnen und Lily hin und her. Sie wollte vieles tun, zu viel auf einmal, doch sie war an den Boden gefroren, bis sie endlich den Zauberstab sinken ließ und er zurück in die Dynamik des Unternehmens eilte.
 


 


 

“Dad? Mom, wo ist Dad?”, platzte es aus Albus heraus, sobald er im Haus seiner Eltern erschienen war. Diese Idee hatte er wohl nicht als einziger gehabt. Seine Großeltern, zahlreiche Tanten und Onkels, Geschwister und Ted inklusive Vicky und Zwillingen tummelten sich um seine resigniert drein blickende Mutter. Resignation wechselte zu Dankbarkeit, als sie ihn erblickte.

“Albus, Merlin sei Dank, ich dachte, du wärest einer deiner Cousins und Cousinen.”

“Keine Sorge, die sind allesamt bei Amy und warten auf meine Nachricht. Ähnliches hier?” Knapp ließ er den Blick über seine Familie schweifen, die vermutlich allesamt überstürzt hier aufgetaucht waren, nachdem sie die Neuigkeiten hörten. Lily trug sogar noch Trainingskleidung, in der sie mit den Zwillingen alberte.

“Sie wollten es natürlich alle aus erster Quelle und ich habe ihnen allen gesagt, dass Harry auf unbestimmte Zeit im Ministerium bleiben muss.”

“Vic und Teddy? Sind sie ok?” Die beiden hielten sich im Arm und ließen die Augen nicht von ihren Rabauken.

“Oh ja. Sie waren bei deiner Großmutter, als es passierte. Stell dir vor...” Ginny schweifte ab. Sie war wachsam, doch nicht so erschüttert wie einige im Raum. Albus war stolz auf seine Mutter, so stark zu sein, auch wenn er wusste, woher es rührte. Sie hatte das dunkle Mal nicht zum ersten Mal gesehen. Kaum einer von ihnen, hatte es zum ersten Mal gesehen. Auf Nana Mollys Gesicht lag ein grauenvoller Schatten und ihm war bewusst, dass er nicht einmal annähernd nachvollziehen konnte, welche Schrecken dieses Zeichen einst bedeutet hatte. Doch es konnte keinesfalls dasselbe bedeuten?
 

“Dad glaubt nicht, dass es ernst ist, hat er gesagt?”

“Natürlich ist es ernst.”, zischte seine Mutter streng und zog ihn ein wenig beiseite. “Es ist eine Katastrophe, Al. Als dieses Zeichen das letzte Mal im Himmel stand, bedeutete es Krieg. Wir wären alle fast gestorben. Dein Vater -” Sie schlug die Hände vor den Mund und drückte sich an den Türrahmen. Dein Vater war tot, hatte sie sagen wollen. Um sie zu beruhigen, nahm er ihre Hände in seine. 
“Sieh dir deine Großeltern an. Sie haben zwei Kriege überlebt - einen dritten bestimmt nicht.”

“Aber Mum, das bedeutet doch keinen Krieg. Dad hat dem Radio gesagt, es sind Nachahmer. Du glaubst doch nicht -”

“Natürlich nicht.”, unterbrach sie und gewann ihre Fassung wieder. “Wir haben ihn alle sterben sehen, aber das macht die Sache nicht weniger ernst. Fanatiker können genauso schreckliche Dinge tun und man kennt ihre Absichten nicht. Wie soll Harry jemanden schnappen, wenn er nicht weiß, wonach er suchen muss? Was, wenn es gefährlich ist? Was, wenn sie es auf ihn abgesehen haben?”

“Er muss doch nur die Gesellschaft beruhigen. Um das schnappen kann sich Featherby kümmern mit den anderen Auroren.”

“Du kennst doch deinen Vater.” Ginny sah starr durch die Familienmitglieder. Ihr Blick lag auf James, doch sie schien nicht zu sehen, wie bleich und unruhig er war. Ihn musste Albus sich also als nächstes vornehmen. “Harry wollte nicht Minister werden, er wollte Auror bleiben. Wenn er jetzt die Chance hat noch mal Held zu spielen, wird er es tun, egal, was es kostet.”

“Ach, Mum. Dad ist nicht der Mensch, der das Heldentum sucht.”, schlug Albus ihre Sorge in den Wind.

“Er kann nicht anders.”, beharrte sie tonlos, während er sanft ihren Rücken massierte. Es missfiel ihm ganz und gar, sie so zu sehen. Seine Mutter war kein Mensch, der über reagierte. Auch Tante Fleur entging Ginnys Unruhe nicht.
 

“Wann kommt ‘Arry zuruck?”, fragte sie und Ginny straffte die Schultern.

“Ich weiß es nicht, Fleur.” Sie sprach nun lauter als zuvor. “Das Ministerium hat alle Hände voll zu tun. Deshalb ist Hermine auch nicht hier. Sie werden sicherlich bis spät in die Nacht auf der Arbeit bleiben. Ich möchte bald Mittagessen, wenn ihr also andere Pläne habt, verfolgt sie bitte. Ich verspreche, Eulen auszusenden, sobald ich mehr weiß.”

Die meisten sträubten sich zu gehen, doch Onkel Charlie schlug vor in den Fuchsbau weiter zu ziehen. Albus vermutete, sein Hintergedanke war, Nana Molly eine Beschäftigung zu ermöglichen. Dankbar nickte Ginny ihrem Bruder zu und ging dann zu Teddy und Victoire, um sie zu bitten, dort zu bleiben. Remus und Romulus schienen eh kein Interesse daran zu haben, Lily Ruhe zu gönnen. Victoire strich Teddy durch das weiß bleiche Haar und nickt ihm zu, sodass er zustimmte und Ginny einen Kuss auf die Wange drückte. Dann begannen die meisten sich von der Hausherrin zu verabschieden und verpufften.
 

“Halten die Paparazzi sich noch vom Haus fern?”, fragte Albus in die verbliebene Runde.

“Ja, zum Glück.”, antwortete Lily sofort. “Ich glaube, Dad hat es sehr deutlich gemacht, dass es inakzeptabel ist, dieses Haus zu belagern. Deshalb warten sie vorm Ministerium.”

“Hoffen wir, dass es so bleibt.” Ginny setzte sich aufs Sofa und kam endlich dazu, ihren Tee zu trinken. Sie sah müde aus und Albus konnte ihr nicht verübeln, dass sie James kaum Beachtung schenkte. Ihm jedoch stachen die zitternden Hände immer mehr ins Auge. Teddy schien es ähnlich zu ergehen. Er berührte James leicht an der Schulter.

“Alles klar?”, fragte er und Remus wurde sofort darauf aufmerksam. Er rannte auf James zu und wollte sich an dessen Bein klammern - es war ein Hobby der Jungs geworden, sich an den starken Waden herumtragen zu lassen - doch James wich aus und verließ ohne ein Wort den Raum. Verblüfft sahen sie einander an und hörten die Haustür zu schlagen.

“Was ist los? Ist er ok?”, fragte Ginny verwirrt und mit noch tieferer Sorge in der Stimme.

“Ich glaube, ja.”, sagte Lily ruhig. “Er führt nur ein anderes Leben als wir.”

“Du glaubst, es ist die Enge und der Stress?”, fragte Albus überrascht. Sein Schwester nickte und er musste die Stirn runzeln, ähnlich wie Teddy. Scheinbar tippten sie beide eher auf Drogen.
 


 


 


 


 

“Es ist seit 2 Wochen ruhig, es ist sehr wohl Zeit wieder über schöne Sachen nachzudenken.”, belehrte Dominique Rose durch ihren Handspiegel.

“Kannst du wieder zu Dominique werden, der alles egal ist?”, stöhnte ihre Freundin, die lediglich den Kiefer der anderen zu Gesicht bekam. Von ihrem kleinen Spiegel sah ihr Rose entgegen und vom großen Spiegel in der kürzlich gesäuberten Toilette strahlte ihr ihr eigenes Spiegelbild entgegen. “Wo bist du eigentlich?”

Dominique ignorierte ihre Freundin weiterhin und wechselte von Pumps zu Sneakern. “Hör auf, von dir abzulenken Rosie. Es wird eine Frühsommerhochzeit und es ist Zeit, dass du zu planen beginnst. Albus und Amy haben mit der Gästeliste angefangen und bisher sind es 200. Da sind die Leute, die ihnen ihre Sekretärinnen empfehlen noch nicht bei.”

“Oh Drachendung, erinnere mich nicht an solche Dinge! Ich gehe ja in zwei Tagen.”

“Du gehst?”, fragte Dominique überrascht und schob zwei Drachenzahnohrringe durch ihre Ohrlöcher. Charlie hatte sie ihr mitgebracht und seit dem waren sie ihre Lieblinge.

“Ja. Malfoy hat sich durch nichts beirren lassen. Bestand darauf, dass wir es bei ihm machen. Es geht mir so was von gegen den Stricht.” Rose rauchte förmlich und so entschied Dominique es wäre Zeit das Gespräch zu beenden.

“Ok, viel Erfolg, bis dann.” und sie steckte den Spiegel in ihre Handtasche, in der bereits ihr Kleid und ihre High Heels steckten.
 

Dann verließ sie die Frauentoilette und hielt auf die Tür zu. Aus dem Augenwinkel sah sie den bärtigen Kellner ein Glas putzen. An der Tür angekommen, hielt sie und wartete eine Sekunde. Dann wandte sie sich um und ging ein paar Schritte auf die Bar zu.

“Du hast mir kein Bier angeboten.”, stellte sie fest. Zum ersten Mal sah sie ihn wirklich an. Die locker umgebundene Schürze war dreckig und sein Bart dunkel. Die Augen unter seinen Brauen waren jedoch von Lachfalten geziert und leuchteten verschmitzt.

“Du warst ein paar Tage nicht hier.”, stellte er im Gegenzug fest.

“Also bestrafst du mich für meine Unzuverlässigkeit.”

Er lachte ein angenehmes, echtes Lachen. “Bestrafen? So, so. Du magst kein Bier.”

“Wie kommst du darauf?” Sie tat beleidigt, doch es zog nicht. Er hob den Kopf in ihre Richtung, nur ein wenig.

“Du hast immer abgelehnt.”

“Vielleicht bist du nicht mein Typ.” Sie trat noch einen weiteren Schritt auf ihn zu, herausfordernd.

“Ich bin hundertprozentig dein Typ. Dein Kopf ist nur zu voll mit anderen Dingen. Und deiner Abneigung zu Bier.”

“Warum bist du dir so sicher?”

“Du hättest gehen können, aber du bist noch hier.” Sie packte ihre Handtasche fester, drehte sich um und ging wieder. Was ein selbstgefälliger Idiot, sagte sie sich und gestand sich nicht ein, dass er sie neugierig machte. Wenn er wüsste, wer daheim auf sie wartete, würde die Selbstsicherheit schon von ihm abfallen. Gerade die Türklinke in der Hand hörte sie ein dumpfes Geräusch hinter sich. Ein volles Glas, das auf den Tresen gestellt wurde. Nach kurzem Zögern wandte sie sich um. Dort stand der Kellner an seinem gewohnten Platz und zwischen ihnen ein Bloody Mary. Ein Punkt für den Bart, dachte sie grinsend.
 


 


 


 


 

Rose war zu spät. Sie war nie zu spät. Alle ihre Hoffnung hatte darin gelegen, dass Dominique ihr von dem Treffen abriet. Jetzt musste sie doch hin und sie musste sich sputen. Verdammter Malfoy. Sie würde es handhaben wie zu alten Zeiten - mit Souveränität und Strenge. Er hatte keine Chance, irgendwie an sie ran zu kommen. Da ist eine Wand, Malfoy, und du bist auf der anderen Seite. So wie auf der Verlobungsfeier würde er sie nicht aus der Fassung bringen. Da hatte er den Alkohol auf seiner Seite gehabt. Jetzt kam sie bewaffnet mit einer To-Do-Liste an ihrer Seite.

Die Adresse wirkte unspektakulär. Schick, aber unspektakulär. Die Schultern gestrafft und sich wappnend betätigte sie die Türklingel. Es dauerte nicht lange, bis eine kleine, mittelalte Dame die Tür öffnete. Sie schien überrascht, ähnlich wie Rose.

“Oh, ähm, entschuldigen Sie, ich suche Malfoy? Also, Mr Malfoy?”, versuchte sie es und war sich schon halb sicher, dass er ihr die falsche Adresse gegeben hatte, als sie herein gebeten wurde.

“Ja, ja, kommen sie rein. Die meisten kommen oben an, daher...”, erklärte die Dame und wuselte vor Rose her. Sie deutete Rose an sich ans Ende des Korridors zu stellen, schwang den Zauberstab und Rose ging fast in die Knie, als sich plötzlich der Fußboden hob. Sie musterte die Dame, die nun vor der einzigen anderen Tür im Flur stand und sie ebenfalls verwirrt musterte.
 

Vermutlich hatte Rose sich gerade zum Affen gemacht. Vermutlich wussten alle, wie dieser Aufzug funktionierte und was sie zu tun hatten, wenn sie bei Malfoy ankam. Die Dame hielt sie für völlig unfähig.

Rose sah hinauf und entdeckte plötzlich, dass ein Loch über ihr in der Decke klaffte, doch sah sie noch nichts, außer der Seitenwand eines Regals. Ihr Kopf erreichte die Höhe der Decke, oder des Fußbodens und in dem Moment, indem sie die Grenze überwand explodierte Musik an ihre Ohren. Sie zuckte und hob die Hände daran, um sich vor dem plötzlichen Lärm zu schützen. Dann fiel ihr entgeistert der Mund auf. Sie musste in einem Wohnzimmer stehen, doch erkannte sie nichts davon. Es herrschte Chaos. Nein, Rose, es herrschte eine Party.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo lieber Mexxler!

Für alle, die durch den Vorgänger Ein Lied für Uns hergefunden haben: Danke noch einmal, dass ihr am Ball geblieben seid und genug Neugierde für mehr mitbringt :)
Für alle neuen Leser: Herzlichen Willkommen, ich hoffe euch wird es gefallen !
Anstatt für die Uni zu lernen, wie ich es tun sollte, schreibe ich momentan fleißig weiter und wenn alles gut läuft, gibt es bald das erste Kapitel. Darauf, dass ich den Erwartungen gerecht werden! *Salbei Tee in die Luft stoß*

Cheers,
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Kommentare zu dieser Fanfic (5)

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Von:  Farbwolke
2017-11-06T19:01:29+00:00 06.11.2017 20:01
Bämz!
Was für ein Start. Richtig geil. Ich bin auf jeden Fall jetzt schon gespannt. Ich fand die Rede von Harry sehr gut. Was ich interessant fand war die Tatsache das Earl vorbei kam.
Ich werde in den nächsten Kapiteln sicher noch einiges erfahren :)

Grüße
Farbwolke
Von:  Amayane
2016-03-31T13:34:40+00:00 31.03.2016 15:34
Ich hab vor kurzem die erste Geschichte gelesen und war da schon hin und weg :) Als ich dann gesehen hab, dass es eine Fortsetzung gibt, konnte ich gar nicht mehr aufhören zu lesen und freu mich jedes Mal, wenn du endlich wieder ein neues Kapitel hoch lädst 🙈 Man fiebert mit jedem Charakter mit und vor allem Rose und Scorpius haben es mir angetan, kann es kaum erwarten, wie es weiter geht, also schreib bitte schnell weiter
Lg :)
Von:  Joylee
2015-04-18T19:28:33+00:00 18.04.2015 21:28
Ich habe schon den ersten Teil gelesen und war hin und weg... und jetzt bin ich sehr gespannt wie es weitergeht:) Ich habe das Kommentieren bei den ersten Kapiteln voll vergessen und jetzt möchte ich das kurz nachholen. Ich bin echt begeistert und die FF fesselt mich total^^

Ich hoffe, wir sehen Rose und Scorp wieder mal zusammen^^ echt schade wie es im Moment bei diesen ist.
Und ich hoffe du bringst Lily und Lysander wieder mal zusammen auf die Bildfläche... ich habe diese beiden im ersten Teil geliebt und hoffe dies wird noch etwas. Die sind echt spannend;)

Ich hoffe du schreibst bald weiter. Ich bin schon echt gesannt, wie es weiter geht. Ich geb mir Mühe beim nächsten Mal das Kommentieren nicht zu vergessen.
LG
Antwort von:  Petulia
20.04.2015 12:22
Hey Joylee,
super lieb, dass du dir die Zeit genommen hast und sogar die erste FF schon gelesen hast! Es ist vielleicht ein bisschen albern, aber mir geht immer das Herz auf, wenn ich sehe, dass ich nicht umsonst schreibe ^^
Da du schon so lange am Ball bist, bedanke ich mich, dass du mit auf diese Reise gehst und nicht zwischendurch aufgegeben hast.
Bis zum nächsten Kapitel,
Petulia ;)
Von:  DoD
2015-01-20T21:13:42+00:00 20.01.2015 22:13
Ich habe mir vorgenommen im neuen Jahr Fanfics zu kommentieren die mir gefallen. Eine Sitte, die ich mir schon längst hätte angewöhnen dürfen, wie mir auffällt.

Mir gefällt sehr, we du mit Songs umgehst. Diese Art, Lyrics als gesprochene, bzw gesungene Elemente zu verwenden, ist so frisch und unverbraucht, dass sie mir immer wieder ein Grinsen ins Gesicht gezaubert hat, selbst dann, wenn das Ganze zeitweise ein bischen konstruiert ist. Das Konzept funktioniert über die ganze Länge und ist zusammmen mit enem tollen Spannungsbogen Mitgrund, warum mir "Ein Lied für dich" gefallen hat. Dass du mit Klugscheisserboy auch in der älteren Vergangeheit der die Ärzte gebuddelt hast, find ich umso erfrischender.


Mir gefallen deine Charaktere sehr, obwohl ich mir wünschen würde, dass die anderen Mädchen neben Rose ein bisschen mehr Spielzeit bekommen. Die Dynamik, Tiefe und Schwächen deiner eigenen Charaktere gefallen mir sehr - ebenso wie das thematisiseren der Bedeutung von Namen. Ich freu mich auf mehr und versichere Dir, ich werde wahrscheinlich nicht jedes Kapitel kommentieren, aber gerne lesen.


Grüsse, DoD
Antwort von:  Petulia
22.01.2015 12:34
Hey!
Wow, wie erfrischend und was für eine klasse Idee :)
Danke, dass du dir die Zeit genommen hast, meine Fanfiction zu kommentieren. Vor allem freut es mich, dass du auf Einzelheiten eingehst, die dir gefallen oder eben nicht gefallen haben! Ich denke, du wirst dich freuen, denn einige der anderen Charaktere werden definitiv wichtiger im zweiten Teil ;)
Also vielen vielen Dank und viel Spaß beim Lesen,
Petulia
Von:  Anastasia
2014-11-12T23:43:26+00:00 13.11.2014 00:43
Also das klingt doch sehr vielversprechend! Nicht, dass mir Scorpius' Alleinsein gefällt, aber es ist ein interessanter Anfang. Ich bin schon gespannt wie es weitergeht :)


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