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Sommersturm

von

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I


 

- Percy -


 

Es gab genau zwei Dinge, an die er sich noch erinnerte.

Zum einen war das sein Name, Percy. Er hieß Percy Jackson und zum anderen erinnerte er sich an Luke.

Luke Castellan. Sein Wissen über diesen Jungen war ziemlich spärlich. Er wusste, dass Luke größer als er war. Sein Haar war sandblond, seine Augen blau und über seine rechte Wange, bis hin zum Kiefer, zog sich eine lange und dicke, weiße Narbe. Das Wichtigste, was er über diesen Jungen jedoch wusste war, dass er sein Freund war. Sein fester Freund.
 

Percy zog die Augenbrauen zusammen und blinzelte vorsichtig. Als Licht in seine Augen fiel entschied er sich dafür, die Lider lieber noch etwas geschlossen zu halten und noch einen Moment abzuwarten, bis er einen erneuten Versuch startete seine Umgebung wahrzunehmen.
 

„Ich glaube, er wacht auf“, drang eine ruhige und sanfte Mädchenstimme an sein Ohr. Er hörte Schritte, die sich von ihm entfernten. „Ich gehe Jason und Reyna Bescheid geben“, dieses Mal sprach ein Junge.
 

Die Stimmen kamen ihm nicht vertraut vor, sie waren ihm schier unbekannt. Im Anbetracht der Tatsache, dass er das Gefühl hatte außer Luke und sich noch nie einen anderen Menschen getroffen zu haben, war dies jedoch wohl auch kein großes Wunder.
 

Die Tür wurde geöffnet und der Typ hatte offenkundig das Zimmer verlassen, bevor Percy vernahm, wie das Zimmer wieder geschlossen wurde.
 

Percy überlegte, was er nun tun sollte...

Er hatte mehrere Möglichkeiten.

Sein Instinkt riet ihm aufzuspringen, versuchen alle Verfolger hinter sich zu lassen und so schnell wie möglich zu verschwinden.

Obwohl er das Gefühl hatte, dass er für gewöhnlich stets auf seinen Instinkt vertraute, entschied er sich jedoch für eine andere Alternative.
 

„Wo bin ich?“, die Worte kamen ihm bloß leise über die Lippen. Er hatte das Gefühl, seit Ewigkeiten nicht mehr gesprochen zu haben.

Erneut versuchte er zu blinzeln und bei diesem Versuch schien das Licht nicht seine Augäpfel ausbrennen zu wollen.
 

„Du bist im Camp Jupiter“, antwortete ihm die Mädchenstimme und als er endlich einigermaßen klar sehen konnte, blickte er in ihr Gesicht.

Sie war niedlich, das fiel ihm als erstes auf, und entweder hatte sich dieses Mädchen sehr viel und oft in der Sonne aufgehalten oder es war ihre natürliche Hautfarbe. Er biss sich auf die Unterlippe. War dieser Gedanke irgendwie rassistisch gewesen? Das unangenehme Gefühl, welches ihn beschlich, sprach eindeutig dafür. Plötzlich überkam ihn das Bedürfnis sich zu entschuldigen, aber er unterließ es. Er hatte nicht vor irgendwie seltsam auf sie zu wirken. Seltsam oder wie ein Irrer...
 

„Camp Jupiter?“, fragte er sie und runzelte die Stirn. Was sollte das sein? Ein Sommercamp für Astronomie begeisterte Jugendliche? „Was mache ich hier?“
 

„Das...“, ihre goldenen Augen betrachteten ihn sanft. Allerdings kam sie nicht dazu ihre Antwort auszuformulieren, denn auf einmal ging die Tür des Zimmers wieder auf.
 

Drei weitere Personen kamen herein.

Zwei eben jener Personen trugen Bettlaken? Weiße Bettlaken und lila Umhänge.

Vielleicht war er gar nicht bei Astronomie Begeisterten gelandet, sonder bei irgendeiner irren Sekte.

Die dritte Person, eindeutig ein Asiate, blieb an der Tür stehen. Percy war sich absolut sicher, dass er es war, der gegangen war um Jason und Reyna Bescheid zu geben.
 

Jason und Reyna.

Das mussten dann wohl die beiden Sektenanführer in Bettlaken und Umhang sein.

Ohne jeden Zweifel, da war Percy sich absolut sicher.
 

Jason trat an sein Bett.

Hellblonde Haare, strahlend blaue Augen, eine kleine Narbe an der Oberlippe und ein Lächeln auf den Lippen, welches Percy sich wünschte ihm aus dem Gesicht wischen zu können. Doch auch dieses Mal gelang es ihm erfolgreich, sich seinem inneren Drang zu widersetzen und irgendwie hatte er das komische Gefühl, damit ziemlich gegen seine Prinzipien zu verstoßen.

Percy zog unwillkürlich die Augenbrauen zusammen. Wenn er diesen Kerl rein äußerlich betrachtete, war er absolut sein Typ aber irgendwie konnte er ihn allein deshalb vom ersten Moment an nicht ausstehen.

Wo war Luke?
 

„Hey“, begrüßte der blonde Schönling ihn.

Schönling, das beschrieb ihn Percys Meinung nach sehr gut. Er hätte darauf wetten können, dass er einige Verehrerinnen hatte. Vielleicht war seine Bettlaken-Kollegin ja sogar seine feste Freundin.
 

„Mein Name ist Jason“, stellte er sich vor.

'Weiß ich', schoss es Percy durch den Kopf. Er setzte sich langsam auf und nahm die ausgestreckte Hand zögernd entgegen. Er erwiderte ein knappes „Percy.“

Die Augenbrauen behielt er auch weiterhin skeptisch zusammen gezogen. Er traute diesem Typen nicht. Sein Instinkt, dieser meldete sich in letzter Zeit ziemlich häufig bei ihm, sagte ihm, dass er hier in Gefahr war und dass Blondie kein Freund sein konnte.

Er wollte hier weg. Vielleicht hätte er doch zu Plan A greifen sollen und weg rennen, so lange es ihm noch möglich gewesen war.
 

„Percy“, wiederholte Jason und deutete auf die anderen Personen im Zimmer, während er ihre Namen aufzählte.

„Das sind Reyna, Hazel und Frank.“
 

Es war ja immer schön und gut Namen zu Gesichtern zu haben. Es gab jedoch andere Dinge, die ihn weitaus mehr interessierten.

„Was mache ich hier?“
 

„Das“, Percy wandte den Blick zu Reyna, als diese schließlich das Wort ergriff. „Wollten wir dich eigentlich fragen. Frank und Hazel haben dich vor drei Tagen aus dem kleinen Tiber gezogen.“
 

Das Mädchen, welches den Namen Hazel trug, nickte.

„Du lagst mit dem Gesicht nach unten auf dem Wasser. Wir dachten schon du wärst ertrunken.“
 

Percy hob eine Augenbraue und sah damit so aus, als glaube er die anderen würden ihn auf den Arm nehmen. Er hatte das Gefühl, dass die alleinige Vorstellung, wie er ertrank, der totale Schwachsinn war.
 

„Wo kommst du her?“, fragte ihn Jason.
 

Percy hatte keine wirkliche Lust, diesem Typen irgendwelche Fragen zu beantworten. Ihm war wohler bei dem Gedanken, dass dieser Junge so wenig wie möglich über ihn wusste. Da er jedoch nicht einmal wusste, wie alt er war und wo er her kam, gab es ohnehin nicht viel, was er über sich hätte preisgeben können.

Ein Schulterzucken leitete seine Antwort ein. „Ich habe keine Ahnung“, gestand er.

„Ich weiß nichts außer... kennt ihr einen Luke? Luke Castellan?“
 

Seinen Freund zu finden, würde ihm vielleicht helfen herauszufinden, wer er war und woher er kam. Allerdings musste er sich augenblicklich selbst eingestehen, dass dieser Gedanke selten dämlich war. Wieso sollten diese Leute seinen Freund kennen, wenn sie offenkundig nicht wussten wer er war?
 

Seine Selbsterkenntnis wurde ihm von einem Kopfschütteln des blonden Jungen bestätigt.
 

Percy versuchte nicht allzu enttäuscht zu wirken und gab sich stattdessen Mühe, die Situation gekonnt zu überspielen.

„Tragt ihr immer diese Bettlaken?“
 

Sowohl Jason, wie auch Reyna verzogen empört die Gesichter.

„Wir sind Neu-Roms Prätoren und das sind keine Bettlaken, das...“
 

Percy hörte schon gar nicht mehr zu.

Neu-Rom? Rom? Was?

Er war sich eigentlich ziemlich sicher, kein Italiener zu sein. Er dachte kurz nach, außer Pizza fiel ihm spontan nicht einmal irgendetwas italienisches ein. Außerdem kannte kein Wort in dieser europäischen Sprache, mit den Ausnahmen die einfach jeder kannte.

Ciao, Si, Pizza, Pasta und Scusi.
 

Ein Schnippen vor seinem Gesicht holte ihn wieder aus seinen Gedanken heraus.

Jason betrachtete ihn strafend. Allem Anschein nach war es aufgefallen, dass er mit den Gedanken abgedriftet war.
 

Percy schreckte etwas zurück und blinzelte.

„Kann mir jetzt mal einer erklären, was es mit diesem Camp Jupiter auf sich hat?“
 

Was daraufhin folgte, verirrte Percy bloß umso mehr.

Was er behielt waren Dinge wie Legion und Kohorte, neurömisches Reich und Nachkommen der Götter.

Normalerweise hätte er diese verkleideten Spinner für verrückt erklären sollen und um ein Taxi bitten, welches ihn irgendwo hin brachte. Er wusste nicht wohin, Hauptsache weg von hier, aber er hatte nicht das Gefühl, dass diese Leute ihn anlogen.

Schlimmer noch, er hatte das Gefühl einer von ihnen zu sein. Dieses Gefühl würde zumindest sein anderes Gefühl, nicht ertrinken zu können, erklären.

Was könnte eine bessere Erklärung für solche Fähigkeiten sein, als die Verwandtschaft mit einem römischen Gott?
 

„Wenn du bleiben willst, musst du der Legion beitreten.“
 

Die Art und Weise, wie Jason diese Worte aussprach gefiel Percy nicht.

Er klang so ernst und streng, er hatte das Gefühl als würde er jetzt an Ort und Stelle dazu gedrängt werden eine Entscheidung zu treffen.

Was bildete dieser Schnösel sich eigentlich ein?

Er war gerade erst aufgewacht und hatte erfahren, wo er überhaupt war. Traurigerweise wusste er augenblicklich mehr über dieses Camp und diesen blonden Prätoren als über sich selbst.

Er würde jetzt garantiert keine voreilige Entscheidung treffen, vor allem dann nicht, wenn dieser Blondschopf es von ihm verlangte.
 

Der Trotz spiegelte sich in den meergrünen Augen des Gedächtnislosen.

Er bemühte sich jedoch zu einem überzeugend verlegenden Lächeln und hob die Augenbrauen ein wenig an.

„Ist es vielleicht möglich, erst einmal etwas zu essen?“  

II


 

- Percy -


 

Es war Percy nicht bloß gegönnt zu Essen, bevor er irgendwelche Zukunft beeinflussende Entscheidungen traf, ihm blieb sogar noch ausreichend Zeit für eine Dusche und freundlicherweise hatte man ihm sogar frische Kleidung bereit gestellt.

Frische Kleidung bedeutete in diesem Fall eine Jeans und ein violettes Shirt auf dem golden das Logo dieses Camps gedruckt war. Ein goldener Lorbeerkranz und die Buchstaben SPQR.
 

Er war noch nicht dazu gekommen die Bedeutung dieser vier Konsonanten zu hinterfragen, doch Jason hatte ihm dieses Shirt als Camp-Shirt präsentiert.

Percy wusste noch nicht einmal, ob er in diesem Camp bleiben wollte. Entweder hatten sie hier in diesem römischen Lager also keine andere Kleidung zur Verfügung oder der Blondschopf legte es darauf an ihn zu einer Entscheidung zu drängen oder gar zu provozieren.

Keine dieser Alternativen gefiel ihm sonderlich. Dies würde immerhin bedeuten, dass eine römische Clubmitgliedschaft ihn dazu verpflichtete tagein tagaus violett zu tragen.
 

„Nun ja... besser als orange“, murmelte er und zuckte mit den Schultern als er frisch geduscht vor einem Spiegel im Badezimmer stand und das besagte Shirt in der Hand hielt.

Seine alten Klamotten lagen noch auf dem Boden vor der Dusche. Eine dunkle Shorts und ein blaues Polohemd. Er hatte das dumpfe Gefühl, dass diese Kleidungsstücke ihm nicht gehörten. Hazel hatte ihm jedoch versichert, dass sie ihn exakt in dieser Kleidung gefunden hatten und dass sie trocken gewesen war, obwohl er mit ihr am Körper im Wasser getrieben hatte.
 

Doch egal was man ihm erzählte, er hatte nicht das Gefühl, dass diese Kleidung die seine war.

Ebenso war er sich ziemlich sicher, dass ihm irgendetwas fehlte.

Er strich sich bei diesem Gedanken über den Hals, dort fühlte er sich irgendwie nackt. So als habe er früher irgendetwas dort getragen, mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Kette.
 

Der Schwarzhaarige schnaubte frustriert und zog sich das lila Shirt an und die Jeans über seine Unterwäsche.

Es brachte ihn nun nicht weiter über Dinge nachzudenken ohne auch nur einen leisen Anhaltspunkt zu haben.
 

Er strich sich mit einer Hand durch das noch feuchte Haar, schob eine Hand locker in seine Hosentasche und zwinkerte seinem eigenen Spiegelbild zu, als er einen kühlen, metallenen Gegenstand in seiner Hand spürte.

Stirn runzelnd zog Percy den goldenen Kugelschreiber aus seiner Hosentasche, von dem er sich absolut sicher gewesen war, dass er ihn nicht aus seiner alten Hose herausgenommen hatte.
 

Percy hatte weder eine Ahnung, wieso er überhaupt einen Kugelschreiber mit sich herum getragen hatte noch weshalb dieser wie durch Geisterhand in seiner neuen Hose wieder aufgetaucht war.

Entweder wurde er langsam wirklich irre oder er hatte die Hosen verwechselt.

Sofort blickte er an sich herunter. Nein, es lag keine Verwechslung vor. Dies war eindeutig das Kleidungsstück, welches Blondie ihm überlassen hatte.
 

Schulter zuckend wurde das Schreibgerät nun erst einmal genauer in Betracht genommen.

Percy drehte den Kugelschreiber in seiner Hand, auf dessen Seite stand der Schriftzug 'Anaklysmos'.

„Springflut“, murmelte er und wusste nicht, weshalb er sich so sicher über die Bedeutung dieses Wortes war.

Etwas gedankenverloren drehte er die Kappe des Stiftes ab und warf ihn schließlich erschrocken von sich als sich, anstelle eines harmlosen Kugelschreibers, ein etwa 1m langes Schwert in seiner Hand gebildet hatte.
 

Das Schwert klirrte laut auf dem Fließenboden des Badezimmers und Percy wich ein paar Schritte zurück.

„Um Himmels Willen!“, fluchte er verärgert. Das hätte ganz schön ins Auge gehen können, wortwörtlich.

Erst nachdem er ein Mal tief durchgeatmet hatte, wagte er es die Waffe vom Boden in die Hand zu nehmen.
 

Seine Augenbrauen hoben sich überrascht.

Das Schwert war leicht und der Griff lag perfekt in seiner Hand, als wäre es für ihn geschmiedet worden.

Interessiert wurde das Schwert in der Hand gedreht, bis es auf einmal an der Tür klopfte.
 

„Percy? Bist du soweit?“
 

„Ähm...“, er betrachtete hilflos das Schwert in seiner Hand.

Es war eindeutig eine dumme Idee, bewaffnet das Badezimmer zu verlassen.

Das würde zu viele Fragen aufwerfen, die er nicht einmal wirklich beantworten konnte.

Percy hatte keine Ahnung woher dieses Schwert kam, außer seine Hosentasche wäre eine ausreichende Quellenangabe, noch wusste er wie er es wieder in einen Kugelschreiber zurückverwandeln konnte.

Ein Griff in seine andere Hosentasche verriet ihm, dass dort nicht auf magische Art und Weise eine Gebrauchsanweisung für Springflut erschienen war.
 

„Ich bin sofort fertig...“, entgegnete er etwas hastig und schaute sich im Badezimmer um.

Schließlich kam er auf die Idee das Fenster zu öffnen und das Schwert aus diesem zu werfen. Sein gesunder Menschenverstand hielt ihn jedoch davon ab.

Dass ihn dabei irgendjemand sehen könnte war ihm relativ egal, ihm ging es mehr darum dass jemand anderes das Schwert finden könnte und dann würde er wahrscheinlich keine Gelegenheit mehr bekommen es näher zu untersuchen, geschweige denn es weiter in seinem Besitz zu behalten.
 

Percy kam also auf die spontane und glorreiche Idee, das Schwert unter seiner alten Kleidung zu verstecken.

Seine getragene Unterhose legte er ganz oben auf, damit niemanden das dringende Bedürfnis überkam sich der Wäsche anzunehmen.

Solche Dinge ließ man doch stets lieber den Verursacher entfernen.

Er grinste und war überaus zufrieden mit sich selbst.
 

„Percy, beeil dich!“, wurde er nun etwas gedrängt. „Reyna besteht darauf, dass du noch vor dem Abendessen zu Octavian gehst und...“
 

Der schwarzhaarige Neuankömmling öffnete die Tür und stand kurzerhand vor Hazel.

„Zu wem?“

Die Art und Weise, wie Hazel den Namen 'Octavian' ausgesprochen hatte, machte ihm bereits wenig bis gar keine Lust darauf ihn zu treffen.
 

„Unser Augur“, erklärte Hazel und fasste ihn am Handgelenk. „Er soll die Augurien für dich lesen und dann sehen wir, ob du überhaupt auch nur theoretisch hier im Camp bleiben darfst.“
 

Augurien.

Percy verzog das Gesicht. Das hatte er, glaubte er, schon einmal in einem Film gesehen. Irgend so ein Irrer, der sich selbst als Augur bezeichnete las aus Tiergedärmen das Schicksal oder die Zukunft... oder so etwas in der Art.

Bei dem Gedanken an den Geruch der Gedärme verging ihm jeder Appetit.

Wieso hatten sie nicht zuerst essen gehen können?
 

„Glaubt ihr noch an so etwas?“, Percy machte kein Geheimnis daraus, dass er das als ziemlich naiv empfand.

„Mehr oder weniger“, gestand Hazel, „Eigentlich eher weniger.“

„Aber?“

„Wir halten uns an das Gesetz und die Regeln.“
 

Die Augenbrauen des Jungen hoben sich wieder stark an und seine Stirn runzelte sich so deutlich, dass es unmöglich war ihm nicht anzusehen, dass er diese Praktiken als überaus dämlich empfand.

Er widersprach jedoch nicht weiter. Hazel machte die Regeln immerhin nicht, sie befolgte sie bloß und wenn man hier eine angenehme Zeit verbringen wollte, dann war dies wohl unausweichlich.
 

Percy ging unmittelbar neben Hazel. Er empfand dieses Camp als äußerst seltsam, vielleicht lag dies auch daran, dass überall lila schimmernde Geister herum schwirrten.

Diese Tatsache erbrachte ihm die Erkenntnis, dass nicht etwa er irre war oder die anderen, sondern die ganze Welt. Die Welt, wahrscheinlich sogar das ganze Universum, war verrückt und diesen Umständen musste man sich anpassen.
 

„Diese lilanen Geister...“

„Die Laren“, klärte Hazel ihn kurzerhand auf.

Es war ihm eigentlich ziemlich egal, wie man diese Toten betitelte, aber sie schienen tatsächlich etwas ganz Normales in diesem Camp zu sein.

Percy nickte langsam. „Eh ja... die Laren...“, wie auch immer, „Weshalb nennen die mich die ganze Zeit Greggus? Ich heiße nicht Greg.“
 

Er bildete sich das nicht ein.

Es war nicht jeder einzelne dieser lila schimmernden Geister, doch einige von ihnen zischten immer wieder leise 'Greg', wenn er an ihnen vorbei ging.

„Mein Name ist Percy.“
 

„Graecus“, sagte Hazel und hob die Augenbrauen. „Das ist Latein und bedeutet Griechisch.“
 

„Ich dachte hier ist alles Römisch?“
 

Hazel widersprach nicht.
 

„Wieso nennen sie mich dann einen Griechen?“
 

Hazel zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Die römischen Götter waren mal griechisch“, erklärte sie ihm.
 

Das hatte Percy sogar selbst gewusst, er fiel ihr jedoch nichts in Wort.

Stattdessen blickte er Hazel erwartungsvoll an, immerhin wollte er eine Erklärung hören.
 

Das Mädchen zuckte jedoch mit den Schultern.

„Die Griechen und die Römer waren verfeindet. Vielleicht können die Laren dich einfach nicht ausstehen und das ist ihre Art und Weise es auszudrücken.“
 

Wie nett.

Er kam hier her, hatte keinerlei Ahnung wer genau er war und woher er überhaupt kam und man begegnete ihm mit Abneigung.

Er fühlte sich nicht sonderlich wohl und das Gefühl, das er hier nicht sein sollte, wuchs weiter in ihm an.

Wo auch immer er her kam, wo auch immer sein Freund Luke war, dort gehörte er hin und nicht in dieses römische Camp.
 

„Was ist das?“, fragte Percy auf einmal und deutete auf einen blauen Werkzeugschuppen. Über der Tür hing ein mit Spinnweben umhüllter Dreizack.

Er runzelte die Stirn.
 

„Das ist der 'Tempel' von Neptun“, erklärte Hazel.

Sie wollte ihren Weg einfach weiter fortsetzen, doch Percy folgte ihr nicht.
 

Der Schwarzhaarige blieb stehen und hatte das Gefühl, dass sein Magen sich einmal herum drehte und umstülpte.

Das war Neptuns Tempel? Das störte ihn gewaltig.
 

Hazel trat neben ihn.

„Ist alles in Ordnung?“
 

Percy zuckte mit den Schultern.

„Keine Ahnung...“, er wandte sich ihr zu. Seine Fingerspitzen kribbelten etwas.

„Lass uns zu diesem Octavian gehen...“

Das ungute Gefühl, bei dem Anblick dieses Werkzeugschuppens, wollte ihn einfach nicht verlassen. Diese Hütte machte ihn traurig.

„Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass er mein Vater ist?“
 

„Wer?“
 

„Neptun.“
 

Hazel hob die Augenbrauen. „Neptun ist dein Vater? Eigentlich wünsche ich dir das nicht. Die Römer haben Angst vor Neptun und dem Meer. Ein Kind des Meeresgottes gilt als schlimmes Omen. Beim letzten Mal, als eines der Legion beigetreten ist, wurde ein riesiges Erdbeben ausgelöst und...“
 

„Und ihr glaubt wirklich, dass das Kind Neptuns Schuld daran war?“
 

„So wird es überliefert.“
 

Percy war nicht überzeugt, aber anstatt weiter zu diskutieren setzte er sich selbstständig in Bewegung.

Hazel holte ihn sofort wieder ein und führte ihn zum Tempel Jupiters.
 

Diesen Gott verehrten die Römer mehr als offenkundig.

Marmorboden und goldenes Kuppeldach.
 

Percy rümpfte die Nase, solch eine Frechheit.

Was machte Jupiter zu einem besseren Gott als Neptun?
 

In der Mitte des Tempels, der zu allen Seiten offen für die Winde war, stand ein Marmoraltar und vor diesem stand ein Junge in einer Toga, der vor einer massiven goldenen Statue eine Art Ritual durchzuführen schien.
 

„Mh...“

Percy betrachtete die Jupiter-Statue und er wusste, dass der Blitz, den diese in der Hand hielt, anders aussehen müsste.

Er glaubte das nicht bloß, er wusste es, schwieg jedoch.
 

Der Junge machte irgendwelche Handbewegungen und rote Blitze jagten aus dem Himmel.

Percy versuchte unbeeindruckt zu bleiben und verschränkte die Arme.
 

Dieser Augur hatte noch rein gar nichts gemacht, was ihn persönlich betroffen hätte, und dennoch war er ihm direkt unsympathisch.
 

Octavian wandte sich ihnen zu.

Er war groß, seine Hosen waren ihm irgendwie zu groß und mit seinen strohblonden Haaren und den blauen Augen erinnerte er ihn ein wenig an seinen Freund.
 

Bei diesem Gedanken verzog er sofort das Gesicht.

Luke sah besser aus, sehr viel besser.

Die Gesichtszüge seines Freundes waren markanter, männlicher und er wirke in seinem kompletten Auftreten stärker. Außerdem war Luke muskulöser, größer und seine Augen waren von einem helleren und hübscheren Blau. Lukes Haare waren sandblond und dunkler als die des Augurs.
 

Percy seufzte sehnsüchtig.

Er vermisste seinen Freund, obwohl er sich nur an dessen Aussehen erinnern konnte und daran, dass er ihn liebte. Das wusste er nicht, das fühlte er.

Es tat ihm weh, nicht einmal zu wissen wie seine Stimme klang...
 

„Der Graecus“, begrüßte Octavian ihn und lächelte.

Augenblicklich war dieser Typ ihm noch unsympathischer.

Er begrüßte ihn als Griechen, das fasste er nach seinem Wissen als Beleidigung auf, und sein Lächeln wirkte unglaublich hinterhältig.
 

„Und du bist der, der kleine Tiere tötet?“, entgegnete Percy trocken und behielt die Arme verschränkt vor der Brust.
 

„Schon lange nicht mehr“, erklärte Octavian gelassen. „Heutzutage werden Stofftiere verwendet.“
 

„Im Ernst?“

Das konnte doch bloß ein Scherz sein.

Welcher Augur, der ernst genommen werden wollte, las den bitte aus den Innereien eines Stofftieres.
 

Doch der Haufen an ausgehüllten Plüschtieren und die Berge an Füllwatte, die Percy im nächsten Augenblick hinter dem Altar auf dem Boden liegend entdeckte, bestätigten die jämmerliche Wahrheit.

Der Augur der Römer las aus den 'Gedärmen' von niedlichen, leblosen Kuscheltieren.

Na wunderbar und das Urteil dieses Typen sollte nun über seinen möglichen Verbleib entscheiden.

Der Schwarzhaarige wirkte unzufrieden in seiner kompletten Gestik und Mimik.
 

„Stimmt irgendetwas nicht?“
 

Percy wünschte sich, dass Octavian einfach davon absehen würde mit ihm zu sprechen.

„Alles super, war bloß noch nie bei so einer Tierschlachtung dabei. Ich hoffe mein Magen verträgt das“, sein Sarkasmus hallte lebhafter als beabsichtigt, aber es kümmerte ihn nicht.

Sollte Octavian sich beleidigt fühlen, dann war er zumindest mal nicht der einzige Leidtragende in diesem Camp.
 

Octavians Augen wurden schmaler und seine Augenbrauen zogen sich zusammen.

Vielleicht war es keine kluge Idee, diesen Typen zu verärgern. Zum Einen sollte er ja noch für ihn aus den 'Gedärmen' lesen und zum Anderen hatte er ein Messer in greifbarer Nähe und er hatte... einen Kugelschreiber?
 

In Gedanken verloren hatte sich Percy instinktiv in die Hosentasche gefasst und spürte, dass der Kugelschreiber dort drin war.

Er konnte es sich nicht erklären, aber als er ihn herauszog war es Springflut. Wie war das möglich? Er hatte das Schwert im Badezimmer gelassen.
 

„Was ist das?“, wurde er vom Augur gefragt.
 

„Ein Kugelschreiber“, Percy schob ihn sich wieder in die Hosentasche. „Schreibt ihr hier noch mit Federn und Tinte?“
 

Octavian überging diesen Kommentar einfach.

„Hast du ein Opfer mitgebracht?“
 

„Verdammt! Ich wusste doch, dass ich etwas vergessen habe. Soll ich eben auf die Jagd gehen?“
 

Auf einmal stieß Hazel ihm unsanft den Ellenbogen in die Seite.

Scheinbar schien auch sie der Ansicht zu sein, dass man Octavian besser nicht zu sehr reizte.

Wo waren bloß seine Manieren geblieben?
 

Er versuchte sich nun ernsthaft zusammenzureißen und räusperte sich.

Er malte sich in seinem Kopf aus, wie Octavian das Messer griff und ihn mit diesem ausnahm, so wie eines der unzähligen Kuscheltiere.

Mit dieser selbst eingebläuten Drohung gelang es ihm gleich sehr viel besser den schlaksigen Jungen ernst zu nehmen.
 

„Ich habe leider kein, ehm, Opfer dabei.“
 

Octavian wandte sich um und schob eine Kiste unter dem Altar hervor.

Offenkundig war er auf solche Fälle genauestens vorbereitet, denn er zog allen Ernstes einen Teddybären aus dieser und legte ihn auf den Altar.
 

Percy verstand nicht, was Octavian da nun vor sich hin brabbelte, irgendetwas auf Latein, dafür beobachtete er aber sehr genau wie dieser den Teddybären kaltblütig aufschlitzte und seine Innereien entnahm.
 

Als die leere Teddybär-Hülle auf den Boden fiel verspürte Percy das Bedürfnis diese aufzuheben und beim Verlassen des Tempels mitzunehmen.

Er war jedoch augenblicklich dankbar für seine Selbstbeherrschung und dass er diesem Drang erfolgreich widerstanden hatte.

Diese Szenerie hätte bloß peinlich enden können.
 

Als Octavian ihnen wieder das Gesicht zukehrte blickte er in zwei fragende Gesichter.

Nicht nur Percy, sondern auch Hazel, waren interessiert an dem, was der 'große' Augur gelesen hatte.
 

„Gute Nachrichten!“

Das klang doch schon einmal gut.

„Wenn er möchte, dann darf er der Legion beitreten. Sag Reyna und Jason, dass ich einverstanden bin.“
 

Dieser Typ sprach eindeutig zu Hazel und nicht zu ihm, obwohl es um ihn ging und er anwesend war. Das war wohl seine persönliche Strafe: Die Ignoranz des 'mächtigen' Auguren Octavian.

Vielleicht würde er bei Gelegenheit Zeit dafür finden sein Verhalten ihm gegenüber zu bedauern, irgendwann einmal in ganz ferner Zukunft.
 

„Sehr gut“

Hazel fasste Percy am Handgelenk und zog ihn mit sich.

Er hätte darauf wetten können, dass sie Octavians Gesellschaft nicht gerne in Kauf nahm.
 

Percy zuckte mit den Schultern und folgte dem Mädchen.

„Wir sehen uns“, waren seine einzigen Worte zu einem lässigen Abschied.
 

Während sie den Tempel verließen spürte Percy den Blick des blonden Auguren im Rücken.

Dieser konnte ihn wohl genauso wenig leiden wie andersherum.

Percy hatte sich jedoch auch nicht sonderlich darum bemüht in der Gunst dieses Jungen zu stehen. Er hoffte, dass er das nicht irgendwann einmal bereuen würde.  

III


 

- Percy -


 

Das Essen in diesem Camp schmeckte wunderbar.

Percy hatte sich an einem der Tische der fünften Kohorte gesetzt, immerhin waren Frank und Hazel die einzigen Leute die er hier zumindest annähernd kannte.

Da niemand widersprochen hatte, war der Platz neben Hazel von ihm eingenommen worden.
 

Während sie gemeinsam aßen erklärte Hazel ihm die Regeln des Camps, ihm fiel auf dass es hier eine Menge Pflichten gab und man eine Menge Gesetze einzuhalten hatte.

Wo auch immer er her kam, er glaubte, dass es dort wesentlich lockerer ans Tagesgeschäft ging.
 

Als Percy fragte wie es möglich sei, dass sich sein Teller von alleine füllte, berichtete Hazel ihm von den Aurae.

Dies waren unsichtbare Windgeister, die genau wussten was die Camper auf ihren Tellern vorfinden wollten und es ihnen beschafften.
 

Mit einem Cheeseburger hatten diese Geister sehr richtig bei ihm gelegen.

Percy hatte jedoch einige Momente gebraucht um zu verstehen, dass diese Speise noch gut war, trotz der blauen Färbung des Brötchens.

Er konnte sich nicht zusammenreimen, was das bedeuten sollte. Alle anderen bekamen normales Essen serviert und er war sich sicher, dass er nicht an blaue Burger gedacht hatte.

Wer kam auf solch eine Idee?
 

Weder Hazel noch Frank konnten ihm dieses Phänomen erklären.

Sie versicherten ihm jedoch beide, dass die Aurae nicht bekannt für solche Scherze waren und die blaue Färbung wohl in irgendeinem Zusammenhang mit Percys Essverhalten stehen musste.
 

Percy hatte fieberhaft darüber nachgedacht, in der Hoffnung sich vielleicht an etwas zu erinnern, während er diese spezielle Variante eines Burgers verspeiste.

Dieser Versuch hatte jedoch keinerlei Früchte getragen und er war lediglich mit Kopfschmerzen belohnt worden.
 

„Deine Erinnerungen kommen sicherlich von ganz allein wieder“, sprach Hazel ihm gut zu.

„Du darfst dich einfach nicht hetzen und verlange nicht zu viel von dir.“
 

Percy schmunzelte dankbar.

Die Wahrheit war jedoch, dass das alles leichter gesagt als getan war.

Er war hier in diesem Camp aufgewacht, mit nur sehr geringfügigen Erinnerungen und ohne Anhaltspunkte wo er hin gehörte und wo er her kam.

Es nervte ihn nichts zu wissen. Es war anstrengend sich nicht darüber bewusst zu sein, wer man eigentlich war.

Aber dennoch hatte Hazel wohl Recht. Er konnte sich nicht mehr abverlangen als möglich war, obwohl er das sehr gerne würde. Er hatte das Gefühl, dass er mehr tun müsse. Irgendwo brauchte man ihn, ganz sicher.

Und wenn es bloß sein Freund war, der ihn an seiner Seite wissen wollte. Ob er in diesem Moment wohl nach ihm suchte?
 

Percy war so sehr in Gedanken versunken gewesen, dass er trotz der eingetretenen Stille im Pavillon, bloß das Ende von Jasons Ansprache mitbekommen hatte.

Zusammen mit Reyna saß dieser am Prätorentisch, nahe des Senats.
 

Percy hatte seine Gabel im Mund und kaute etwas auf dieser herum. Seinen Kopf hielt er gestützt auf einem Arm und sah Stirn runzelnd hinüber zu dem Prätoren-Paar. Die beiden wirkten so vertraut miteinander, während sie miteinander redeten und machten sich schließlich gemeinsam auf den Weg, den Pavillon zu verlassen.

Hätte er sich ein wenig mehr für Klatsch und Tratsch interessiert, hätte er seine Bekannten wohl gefragt ob diese tatsächlich ein Paar waren.
 

Percy zog sich die Gabel aus dem Mund und wandte sich Hazel zu.

„Was hat er da eben erzählt?“
 

Für diese Frage erntete er einen mahnenden Blick. Dieses Mädchen konnte ja richtig streng aussehen, wenn sie es darauf anlegte und Percy hob überrascht die Augenbrauen.

Hazel war so ein unglaublich niedliches Mädchen, da wollte ein solcher Ausdruck nicht recht zu ihr passen, dennoch wirkte sie sehr ernstzunehmend.
 

„Du solltest hier wirklich zuhören, wenn Ansagen gemacht werden. Es ging um den Appell in einer Stunde. Wir haben alle Zeit noch aufzuessen und uns schließlich vorzubereiten. Anschließend wird es heute noch ein Kriegsspiel geben.“
 

Er runzelte die Stirn.

Die spielten hier tatsächlich Krieg?

Wie wäre es mit einem einfachen 'Capture the Flag' oder einem gemütlichen Zusammensitzen am Lagerfeuer?

„Muss ich da mitmachen?“
 

Hazel runzelte die Stirn.
 

„Das kommt ganz darauf an, wie du dich gleich beim Appell entscheiden wirst“, antwortete Frank schließlich, bevor das Mädchen es tun konnte.
 

Percy war deutlich anzusehen, dass er einen Augenblick brauchte um zu verstehen.

„Also sollte ich mich der Legion anschließen, bin ich dazu verpflichtet bei diesem Spiel mitzuwirken?“
 

Die beiden nickten.

„Und solltest du dich der Legion nicht anschließen, wirst du morgen früh das Camp verlassen müssen. Der Senat wird sicher nicht noch eine Ausnahme durchgehen lassen.“
 

„Was für eine Ausnahme?“
 

Hazel stand vom Tisch auf.

„Du fragst zu viel. Das wird sich alles klären, falls du der Legion beitrittst.“

Ihr Blick fiel auf Frank. „Ich werde mich nun umziehen gehen.“
 

Frank stand plötzlich auf.

Dabei stieß er gegen den Tisch und sein Kelch fiel um und der Inhalt ergoss sich über den ganzen Tisch.

Er errötete vor Scham, weil er so ungeschickt gewesen war. Es dauerte jedoch nur wenige Augenblicke, bis das Missgeschick beseitigt wurde.

Percy tippte auf die Windgeister.
 

„Ich komme mit!“
 

Natürlich musste Frank sich ebenfalls für den Appell und das Kriegsspiel vorbereiten.

Percy war sich jedoch sicher, dass seine Motivation mitzukommen, eine andere war.

Bei Hazel und Frank war er sich relativ sicher, dass sie noch kein Paar waren. Aber wenn es nach dem asiatischen Jungen ging, dann würde sich das noch ändern.

Hazel konnte er in dieser Angelegenheit nicht einschätzen.
 

„Was ist mit mir?“, fragte Percy. „Wo bekomme ich die passende Ausrüstung her?“

Sein lila Shirt und diese Jeans waren wohl kaum für ein solches Vorhaben geeignet.
 

„Also entscheidest du dich für die Legion?“
 

Manche Fragen, und diese war zweifellos eine davon, waren nicht nötig gestellt zu werden.

Die Teilnahme an diesem Kriegsspiel setzte immerhin den Beitritt der Legion voraus.

„Ich gönne euch den ganzen Spaß nicht alleine und möchte auch etwas davon ab haben.“
 

Es überraschte ihn zu sehen, dass Hazel sich scheinbar über diese Entscheidung freute.

Sie kannten sich kaum. Dennoch schien sie seine Gesellschaft als angenehm zu empfinden.
 

Die Entscheidung für die Legion hatte ihn relativ spontan überkommen.

Percy hatte keine Anhaltspunkte darüber wer genau er war und wo er hin gehörte.

Er kannte bloß seinen Namen und er hatte den Namen seines Freundes.

Es gab mit Sicherheit unzählige Lukes in den USA, er war darüber aufgeklärt worden dass sie nicht in Italien waren, und eine blinde Suche würde ihn nicht weiter bringen.
 

Es war die klügste Entscheidung, die er seiner Meinung nach treffen konnte, erst einmal im amp Jupiter zu bleiben.

Allem Anschein nach war er ein Halbgott oder zumindest der Nachfahre eines Gottes. Hier hatte er Gleichgesinnte und war zumindest nicht auf sich alleine gestellt.

Wenn all das was Hazel ihm über die Monster und dem Geruch von Halbgöttern erzählt hatte, stimmte, dann hätte er dort draußen ohnehin auf Dauer alleine keine Chance zu überleben.

Er würde also erst einmal hier bleiben und dann weitersehen.
 

Wenn sein Freund ebenfalls ein Halbgott war, dann würde er eventuell früher oder später ebenfalls hier landen.

Vielleicht würden mit der Zeit auch seine Erinnerungen zurückkommen und er würde wieder wissen, wo er hin zu gehen hatte.

Darüber, dass er zu diesem Zeitpunkt dann im Dienst der Legion stand und dieser verpflichtet wäre, machte er sich zu diesem Zeitpunkt noch keine Gedanken.
 

„Frank wird dann gemeinsam mit dir eine Rüstung besorgen.“
 

Als der genannte Junge von dem Mädchen angesehen wurde, widersprach er ihr nicht.

Percy fragte sich, ob das wohl immer so lief. Wahrscheinlich würde Frank alles tun, wenn es von Hazel gewünscht wurde.
 

Bei diesem Gedanken zog sich ein amüsiertes Schmunzeln über Percys Lippen.
 

Er wartete auf Frank, um seine Rüstung zu bekommen und trat von einem Fuß auf den anderen.

Sie hatten immerhin bloß eine Stunde Zeit und mit dem Heraussuchen und Anprobieren würde es sicher eine Weile dauern.
 

Frank wäre lieber mit Hazel mitgegangen, das sah man ihm deutlich an. Als dieser von ihr jedoch einen flüchtigen Kuss auf die Wange bekam, schien er besänftigt und besserer Laune zu sein.

Daraufhin hatte Percy zwei Alternativen für die Beziehung der beiden.

Entweder beruhte Franks Interesse an Hazel auf Gegenseitigkeit oder dieses Mädchen wusste lediglich, wie sie ihre Macht auf ihn nutzen konnte.

Die erste Variante gefiel ihm besser.
 

Sie verließen zu Dritt den Pavillon und als sich ihre Wege trennten, folgte Percy schließlich Frank.

Noch hatte er Zeit, seine Entscheidung über den Beitritt in der Legion zu überdenken.
 

Percy hatte etliche Rüstungen anprobiert.

Keine hatte ihm so wirklich passen wollen und das ärgerte ihn ziemlich.

Ein Mal hatten sie eine gefunden, die hätte ihm perfekt gepasst, wenn sie nicht kaputt und somit nicht verschließbar gewesen wäre.

Schlussendlich hatte die Zeit in zu einer Entscheidung gedrungen, während Frank ihn kurzzeitig alleine ließ, um sich selbst noch umziehen zu können.
 

„Müssen wir so rennen?“, rief Percy Frank zu, während er neben diesem rannte.

Das war ziemlich anstrengend mit der Rüstung, die er sich ausgewählt hatte.

Er bereute es, doch keine andere genommen zu haben. Die, die er jetzt trug, war nicht bloß zu schwer sondern auch zu weit für ihn.

Im Stehen hatte sie sich akzeptabel angefühlt. Doch jetzt, da er in Bewegung war, war sie die Hölle.
 

Frank nickte bloß, antwortete jedoch nicht.

Vielleicht lag es an der hohen Disziplin, die hier herrschte. Hazel hatte ihm von all diesen Regeln und dem Sinn für Ordnung berichtet.

Vielleicht waren die Strafen für Unpünktlichkeit sehr unangenehm.
 

Percy stellte sich vor, wie Frank es in diesem Moment vielleicht bereute noch einmal zu ihm gekommen zu sein, um ihn abzuholen.

Damit riskierte er zu spät zu kommen und ihn würden sie wahrscheinlich dafür bestrafen.

Ihm selbst würden sie wohl nichts antun können. Percy war der Legion immerhin noch nicht beigetreten.
 

Als sie den Platz schließlich erreichten, standen dort bereits alle versammelt.

Percy fing den Blickkontakt zu Reyna und Jason auf und ihm wurde bedeutet, zu ihnen zu treten.

Er trennte sich also von Frank, während dieser an den ersten vier Kohorten vorbei rannte und von jedem bei seinem verspäteten Erscheinen beobachtet wurde.

Das war ihm wahrscheinlich unsagbar peinlich und es tat Percy Leid, dass er wegen ihm in diese Situation gekommen war.

Doch zumindest schaffte Frank es noch, vor der Nennung seines Namens in Reih' und Glied zu stehen.
 

Percy wünschte sich, er hätte seinem Bekannten einfach folgen und sich in die Reihen der anderen einfügen können.

Er stand nun Jason und Reyna gegenüber, einem erdnussfarbenen Pegasus und zwei Metallhunden, der eine war silbern und der andere golden. Dabei wurde er von geschätzt zweihundert bewaffneten Jugendlichen beobachtet.

Diese beiden Hunde starrten ihn an, als könnten sie jeden Augenblick dazu ansetzen ihn anzugreifen, um ihn anschließend zu fressen.
 

„Lass dich nicht von Aurum und Argentum stören“, sprach Reyna. „Sie werden dir bloß dann schaden, solltest du es wagen in ihrer Anwesenheit zu lügen.“
 

Sympathische Hunde...

Da er jedoch so gut wie nichts wusste, würde es ihm wohl ohnehin schwer fallen zu lügen.
 

„Flaggen!“, rief Jason über den Platz.

Das kam so plötzlich, dass Percy ein wenig zusammenfuhr.

Er beobachtete, wie die Standartenträger die Flaggen der jeweiligen Kohorte präsentierte und schließlich wurde die Stange mit dem goldenen Adler in die Höhe gestreckt.

Percy wusste mittlerweile, dass dies das Symbol dieser Legion war. Hazel hatte ganze Arbeit mit ihrem Crashkurs geleistet.
 

„Römerinnen und Römer“, es war noch immer Jason, der zu der Menge sprach.

Entweder hatte der Typ mehr zu sagen als seine weibliche Kollegin oder er liebte es einfach derjenige zu sein, der das Sagen hatte und auf den alle hörten.

Seine Stimme hallte zumindest fest und dominant über den Platz, wie es von einem Anführer erwartet wurde.

„Einige von euch haben sicher davon gehört! Vor ein paar Tagen haben Hazel Levesque und Frank Zhang einen Jungen aus dem kleinen Tiber gezogen!“
 

Percy hatte das Gefühl, den Blick jedes Einzelnen auf sich zu spüren. Sie streckten die Hälse, bloß um ihn erblicken zu können.

Er mochte das nicht, gab sich aber nicht die Blöße sich das anmerken zu lassen.

Stattdessen grinste er schief und winkte einmal in die Runde.

„Hi~“
 

Jason trat nun weiter vor Percy und betrachtete ihn.

Dieser Typ war ein Stück größer als er selbst und das wurmte ihn. Diese paar Zentimeter, wieso hatte er die nicht noch wachsen können? Vielleicht würde ja noch ein Wachstumsschub kommen, er hatte immerhin keinerlei Ahnung wie alt er überhaupt war.

Wenn er jedoch so an sein Spiegelbild dachte, dann würde er sich auf 15 – 17 Jahre schätzen.
 

„Nenne der Legion deinen Namen!“, befahl Jason ihm.
 

Er runzelte die Stirn.

„Percy Jackson!“
 

„Und Percy Jackson“, er mochte es nicht wie Blondie seinen Namen aussprach. Er wusste nicht so recht woran es lag, aber vielleicht beruhte sein Gefühl Jason gegenüber auf Gegenseitigkeit.

Obwohl sie sich gar nicht kannten glaubte Percy, dass sie niemals wirklich Freunde werden könnten. Es war als wäre er dazu verdammt diesen Jungen zu seinem Erzfeind oder zumindest größten Konkurrenten zu haben.

Er konnte jedoch nicht bestimmen worauf sich dieses Gefühl begründete.

„Möchtest du der Legion beitreten?“
 

Was war das für eine dämliche Frage?

Nein natürlich nicht. Er stand bloß zum reinen Vergnügen ausgerüstet hier und wollte sich das einmal kurz ansehen bevor er das Camp verließ. Er hatte gehört, dass der Appell etwas sei, das man sich unbedingt ansehen musste, wenn man mal in Neu-Rom war.

Wie gerne hätte er ihm doch auf diese Art und Weise geantwortet, doch es war klüger dem Prätor in Anwesenheit der gesamten Legion nicht mit triefendem Sarkasmus zu begegnen.

Weshalb konnte Reyna dieses 'Aufnahmeritual' nicht durchführen? Ihr gegenüber wäre er sicher entspannter gewesen, wobei diese beiden Metallhunde ihn doch ziemlich nervös machten...
 

„Ja“, sprach Percy deutlich. „Ich möchte der Legion beitreten.“

Das wollte er tatsächlich, auch wenn es sehr wahrscheinlich weitaus angenehmere Dinge gab, vor allem da der Beitritt Jason automatisch zu seinem Vorgesetzten machte.

Er bemühte sich sehr nicht das Gesicht zu verziehen bei diesem Gedankengang.
 

„Was sagen die Augurien?“, fragte Jason und sein Blick schweifte hinüber zur ersten Kohorte.
 

Percy folgte dem Blick des Prätoren.

Octavian, er fragte sich wie eine Teddybär tötende Vogelscheuche es bis zum Zenturio schaffen konnte, trat hervor.

„Ich habe für Percy Jackson in den Gedärmen gelesen!“, verkündete er laut und stolz.
 

Er hatte lediglich ein Stofftier auseinander genommen und schien dafür die gleiche Anerkennung zu erwarten wie jemand, der ein riesiges Monster zur Strecke gebracht hatte.

Percy verdrehe etwas die Augen und war im selben Moment dankbar dafür, dass dies scheinbar niemand mitbekommen hatte.
 

„Die Augurien sind positiv! Er darf der Legion dienen!“
 

Für Percy war dies nun wirklich keine Überraschung gewesen.

Er war im Tempel Jupiters bereits über diese Entscheidung gespoilert worden und hätte darauf wetten können, dass auch Jason und Reyna bereits über das Ergebnis des angeblichen Hellsehers in Kenntnis gesetzt worden waren.

Er wollte den Römern den Spaß jedoch nicht verderben, wenn sie auf dieses ganze Theater so viel Wert legten.
 

„Ave! Heil!“, brüllte die Menge.

Percy tat das mit einem einfachen Heben der Augenbrauen ab und ließ die ganze Situation unkommentiert.
 

Reyna war es nun, die die kommandierenden Offiziere aus jeder Kohorte heran winkte.

Jetzt würden sie wahrscheinlich darüber entscheiden wem die große 'Ehre' zufiel, ihn aufzunehmen.
 

„Rekrut“, sprach Octavian ihn an. „Kannst du ein Empfehlungszeugnis vorlegen? Oder ein Zeugnis?“
 

War das sein Ernst?

Percy zog die Augenbrauen zusammen.

„Muss ich wohl im Fluss verloren haben. Soll ich danach suchen gehen?“

Dieses Mal war die Antwort aus ihm herausgeschossen, ehe er darüber nachgedacht hatte.

Er sollte den Vorsatz, sich diesen Typen nicht weiter zum Feind zu machen, über Bord werfen. Damit hatte er mittlerweile wohl ohnehin keine großen Aussichten auf Erfolg mehr.
 

Octavian sah empört aus, doch ehe er diesen Streit fortführen konnte kam Reyna dazwischen.

„Percy Jackson kam ohne eine Empfehlung zu uns!“, sie sprach deutlich für die ganze Legion. „Er braucht einen Legionär, der für ihn bürgt. Welches Kind Neu-Roms ist bereit, diese Verantwortung auf sich zu nehmen?“
 

Es herrschte einige Zeit Schweigen und auf einmal meldete sich eine Stimme laut und kräftig.

„Ich bürge für Percy Jackson!“
 

Das war doch jetzt wohl ein Scherz?

Percy hatte insgeheim darauf gehofft, dass sich Frank oder Hazel für ihn melden würden, doch stattdessen war Jasons Stimme auf dem Platz erhallt.

War es schon zu spät der Legion nicht beizutreten?
 

„Aber Jason-“, startete Reyna einen Einspruch, welcher mit einer kurzen Geste des blonden Prätors einfach abgewürgt wurde.
 

„Ich, Jason Grace, Prätor der 12. Legion, Sohn des Jupiters und ehemaliger Legionär sowie Zenturio der fünften Kohorte, bürge für den Rekruten Percy Jackson!“
 

Reyna schien diese Wendung nicht zu gefallen und das ließ sie sich deutlich aus dem Gesicht lesen und Percy wünscht dich, dass man ihm diese Unzufriedenheit genauso deutlich wie ihr ansehen konnte.

Sie blickte zu Octavian als erhoffe sie sich, dass dieser der Bürgschaft widersprach. Der Augur schwieg jedoch und wandte den Blick ab. Er schien nichts gegen diese neue Situation einzuwenden zu haben. Er wirkte sogar ziemlich zufrieden mit dieser Situation.
 

Reyna schnaubte, fuhr schließlich jedoch fort.

„Jason Grace, du kannst für den Rekruten bürgen. Wird die fünfte Kohorte Percy Jackson akzeptieren?“
 

Es dauerte nicht lange, bis die Fünfte einstimmig mit den Schildern auf den Boden schlug.

Die schienen wohl eine Menge auf Jasons Urteil zu geben, ansonsten konnte Percy sich nicht vorstellen, weshalb sie ihn ohne groß zu zögern aufnahmen.

Immerhin kannte keiner von ihnen seine Stärken und Schwächen. Nicht einmal er selbst konnte Auskunft über diese Eigenschaften geben.
 

„Meine Kohorte hat gesprochen. Wir akzeptieren Percy Jackson als Rekruten“, sagte der Oberzenturio der fünften Kohorte.
 

„Meinen Glückwunsch“, Reyna klang etwas missbilligend als sie dieses Mal zu Percy sprach. Die Bürgschaft ihres Kollegen schien sie sehr zu stören.

Percy empfand diese Reaktion als ziemlich unfair. Er hatte Jason nicht um diesen Gefallen gebeten und er wäre auch niemals auf die Idee gekommen dies zu tun.

„Du bist auf Probatio und erhältst eine Tafel mit deinem Namen und deiner Kohorte. In einem Jahr oder sobald du eine tapfere Tat vollbringst, wirst du ein vollgültiges Mitglied der zwölften Legion werden.“
 

„Diene Rom, gehorche den Regeln und verteidige das Camp ehrenvoll“, ergriff Jason plötzlich wieder das Wort und in seinem Blick lag eine unausgesprochene Warnung, während er Percy ansah.

„Senatus Populusque Romanus!“

Die komplette Legion wiederholte den Ruf.  

IV


 

- Percy -


 

Percy hatte keine Ahnung wie die Römer es geschafft hatten, in solch kurzer Zeit eine solche Festung zu bauen, aber Tatsache war, dass sie dazu offenkundig in der Lage waren.

Als er mit Hazel zum Jupiter-Tempel gegangen war, hatte diese noch nicht an Ort und Stelle gestanden. Das hätte er auf keinen Fall übersehen können.
 

In diesem Spiel wurde tatsächlich ein kleiner Krieg simuliert.

Zwei Kohorten verteidigten die Festung und die anderen drei griffen sie an.
 

Die fünfte Kohorte, zu diesem 'Verein' gehörte Percy nun, gehörte zu den angreifenden Parteien.
 

An und für sich war Percy zufrieden damit in dieser Kohorte untergekommen zu sein.

Frank und Hazel waren ihm sympathisch. Die beiden hatten ihn nicht bloß freundlicherweise aus dem Wasser gezogen, sondern sie hatten sich seiner angenommen und dafür gesorgt, dass er nicht alleine und aufgeschmissen in diesem fremden Camp war.

Er hätte an diesem Ort nirgends lieber sein wollen, als bei ihnen.
 

Die Umstände, wie er in diese Kohorte gekommen war, störten ihn jedoch gewaltig.

Dieser Jason Grace hatte für ihn gebürgt. Er fühlte sich dem Blonden nun noch mehr unterstellt als ohnehin schon. Hatte es dem Kerl nicht gereicht, bereits als Prätor das Sagen über ihn zu haben?
 

Percy und die anderen warteten, bis die Zenturionen der zweiten, vierten und fünften ihre Besprechung abgeschlossen hatten.

Als schließlich Dakota, er war der Oberzenturio der fünften Kohorte, gemeinsam mit Jason zurück zur Gruppe kam zog Percy die Augenbrauen zusammen und wandte sich an Hazel.
 

„Ich dachte die Prätoren sind die Schiedsrichter bei diesem Spiel?“
 

Sie schüttelte den Kopf. „Bloß Reyna“, sie deutete mit einem Nicken nach oben in den Himmel.

Die Prätorin kreiste auf ihrem Pegasus weit über dem Schlachtfeld.

„Jason besteht darauf mitzuspielen.“
 

Wie herzallerliebst von ihm.

Percy verschränkte die Arme vor der Brust und schwieg.
 

„Der Plan ist wie folgt“, Jason bedeutete den anderen näher zu kommen.

Percy war versucht dieser Aufforderung zu trotzen, doch seine Neugier war größer.

„Sie haben Wasserkanonen aufgebaut“, erklärte der blonde Prätor. „Ich schätze, dass das Octavians Idee war um meine Blitze im Zaum zu halten.“
 

Sohn des Jupiter. Blitze.

Scheinbar reichten die Fähigkeiten eines Halbgottes ziemlich weit, wenn Jason ein solches Können von seinem Vater geerbt hatte.

Wenn Percy den ganzen Erzählungen so lauschte dann konnte er tatsächlich sehr gut darauf verzichten, völlig durchnässt von einem der Blitze getroffen zu werden.
 

„Wie werden wir es dann machen?“, fragte einer der Legionäre.
 

„Wie wäre es mit dem Einsatz von Schwert und Schild?“, schlug Percy vor und runzelte die Stirn. „So haben die es im alten und echten Rom sicher auch gemacht.“
 

Nur wenige konnten seinen Vorschlag mit Humor nehmen.

Jason gehörte zu jenen, die das überhaupt nicht lustig fanden. Das war seinem wütenden Blick deutlich zu entnehmen.

… dabei hatte Percy diesen Vorschlag tatsächlich ernst gemeint.
 

Man wandte sich wieder an Jason und Dakota und erhoffte sich einen besseren Plan.

Percy jedoch empfand das Vorhaben als grandios unspektakulär.
 

Während Hazel, Dakota und Jason in einem Tunnel verschwinden würden, sollte der Rest mit Hilfe der anderen beiden Kohorten die Verteidiger ablenken und beschäftigen.

In der Zwischenzeit würden Hazel und die beiden anderen sich ihren unterirdischen Weg bis zur Mauer bahnen. Dort würde es schließlich an Dakota liegen, mit Hilfe von Weinranken, die Mauer einzunehmen und die Wasserkanonen außer Gefecht setzen, damit diese niemanden mehr zurückdrängen konnten.

Anschließend würde Jason die Mauer erklimmen, wenn Percy es richtig verstanden dann war der Prätor ein richtiger Superman und konnte fliegen. Von da an sollte dann alles einfach laufen.

Jason würde seine Blitze einsetzen, den Weg ebnen und die Tore öffnen. Seine Mitstreiter würden in die Festung eindringen und sobald das Banner erobert wäre, hätten sie dieses Spiel gewonnen.
 

Percy glaubte, nicht der Experte für Pläne zu sein. Diesen Plan hielt er jedoch für das größte Schauspiel überhaupt.

Wenn Jason fliegen konnte, weshalb flog er nicht einfach hoch genug, so dass die Wasserkanonen ihn nicht erreichen konnten? Mit dieser Variante konnte man sich den ganzen unnötigen Ablenkungsquatsch und die Tunnel-Geschichte sparen.

Mit ein paar Blitzen wäre es dem 'Sohn des Himmels' sicherlich auch möglich gewesen, die Wasserkanonen innerhalb kürzester Zeit in die Luft zu sprengen.
 

Er schwieg jedoch und behielt seine Missmut für sich.

Vielleicht wollte Jason den anderen lediglich das Gefühl geben gebraucht zu werden, zumindest irgendwie und ein wenig.
 

Er lauschte weiter, als Jason jeden auf Positionen einteilte. Jeden – bis auf ihn.
 

„Hey Grace!“

Percy wollte sofort darauf aufmerksam machen. Er war sicherlich bloß vergessen worden, weil er der Neue war und man sein Gesicht deshalb nicht vermisste.

„Was soll ich machen?“
 

Der Angesprochenen wandte sich ihm zu und legte ihm eine Hand auf die Schulter.

„Du hast noch keinerlei Kampferfahrungen. Du bleibst einfach hier und wartest bis die Schlacht entschieden ist.“

Mit einem knappen Schulterklopfen ließ der Blonde von Percy ab und gab dem Rest ein Zeichen.

Der Angriff begann.
 

In Percy brodelte es.

Woher wollte dieser arrogante Idiot wissen, wie viel Erfahrung er im Kampf hatte?

Er erinnerte sich zwar nicht daran, jemals einen Kampf bestritten zu haben, jedoch wusste er sehr genau wie er ein Schwert zu halten hatte.

Instinktiv griff er in seine Hosentasche und zog den Kugelschreiber aus dieser. Er löste die Kappe und in seiner Hand wuchs ein Schwert heran.

Springflut. Das war seine Waffe.
 

Percy war in diesem Camp gelandet, ohne Erinnerungen an das was gewesen war, wo er her kam und was ihn selbst ausmachte.

Doch eines wusste er in diesem Moment sehr genau:

Er war niemand der bloß zuschaute, wenn andere kämpften.
 

Das Schwert lag leicht und sicher in seiner Hand.

Diese Klinge war ihm mit einem Mal so vertraut als wäre sie ein Teil seines Armes, eine tödliche Verlängerung. Selbstverständlich wollte er in diesem Spiel niemandem das Leben nehmen, aber er wäre durchaus dazu in der Lage gewesen.
 

Der Tunnel, in dem Jason und die anderen verschwunden waren, war geschlossen.

Hazels Fähigkeit war irgendwie beeindruckend. Percy war jedoch etwas enttäuscht, dass sie sich nicht dafür eingesetzt hatte ihn mit ihrer Gruppe mitzunehmen.

Es störte ihn, so maßlos nutzlos eingeschätzt zu werden.

Percy traute sich durchaus zu zumindest genauso sehr den Lockvogel spielen zu können wie alle anderen.
 

Bisweilen war das Geschehen auf dem Schlachtfeld sehr einseitig.

Die Kämpfer der angreifenden Legionen liefen zwar auf die Mauern zu, wurden jedoch immer wieder aufs neue von starken Wasserströmen aus den Kanonen zurückgedrängt.

Es gab für niemanden ein nennenswertes Herankommen.
 

Percy spürte, wie zuerst seine Fingerspitzen kribbelten und dieses elektrisierende Gefühl sich schließlich durch seinen ganzen Körper zog.

Er betrachtete die nassen Massen und das viele Wasser und ein siegesgewisses Grinsen legte sich auf seine Lippen als er auf einmal wusste was er zu tun hatte.
 

Er ließ Springflut einfach fallen.

Er hatte noch immer keine Ahnung wie er dieses Schwert in seinen Kugelschreiber-Gestalt zurückverwandeln konnte, aber es würde gewiss in eben dieser Gestalt wieder in seiner Hosentasche erscheinen.
 

Percy näherte sich der Mauer. Einige Zeit wurde er dabei von niemandem bemerkt und auf einmal riefen ihm Leute zu, er solle schnell wieder verschwinden.

Sie mussten ihn für einen unbewaffneten Idioten halten. Das war ihm nun jedoch egal.
 

Eine Grube öffnete sich unmittelbar vor der Festung und die drei Höhlenforscher kamen aus dieser.

Octavian entdeckte diesen Einsatztrupp und befahl einen Angriff auf diese.

Die Wasserkanonen konnten sie aus dieser Nähe nicht treffen, aber die Krieger aus der ersten und dritten Kohorte hatten jedoch auch noch andere Möglichkeiten, zu versuchen die Angreifer unschädlich zu machen.
 

Das Treiben interessierte Percy jedoch nicht.

Es war ihm bloß Recht, wenn Jason auf Widerstand stieß. Er sah sich stattdessen in der Menge um und fand schließlich, wen er suchte.

„Frank!“, rief er.
 

Der Angesprochene drehte sich verwirrt herum, als er Percys Stimme so plötzlich vernahm.

Die anderen Legionäre, die ihm beistanden, taten es ihm wie aus einem Reflex heraus nach.
 

Diese Unachtsamkeit wurde von den verteidigenden Römern auf der Festung sofort wahrgenommen. Man schoss auf diese Gruppe, doch bevor das Wasser sie erreichen konnte hob Percy die Arme.

Das Wasser blieb augenblicklich stehen, teilte sich schließlich in drei und wurde zurück in die ausgehende Richtung geschickt. Mit diesem Schwall Wasser schoss Percy eiskalt drei Legionäre der ersten Kohorte von der eigenen Mauer.
 

Dieses Ereignis weckte eine Menge Aufmerksamkeit.
 

Frank starrte Percy fassungslos an und die Legionäre um ihn herum wichen zurück.
 

„Was ist los?“, Percy runzelte die Stirn. „Ich bin auf eurer Seite.“

Grinsend klopfte er Frank auf die Schulter. „Lass uns das Banner holen und das Spiel gewinnen.“
 

„Aber Jason...“
 

Percy schnaubte.

„Er mag euer aller Anführer sein“, er rang sich mit viel Mühe dazu durch nicht die Augen zu verdrehen. „Aber ihr seid dennoch in der Lage selbstständig zu denken und zu agieren, oder nicht?“

Er hielt einen erneuten Beschuss von Wasser zurück und bemerkte gar nicht wie viele der Römer ihn anstarrten.

„Wir sehen bloß eine zuvor noch nicht da gewesene Chance und ergreifen sie. Jeder Kriegsführer wäre stolz auf solche Soldaten!“
 

Percy achtete darauf nicht schlecht über Jason zu reden sondern bloß gut über das, was sie bewirken könnten.

Er rechnete sich nämlich keine guten Chancen auf Erfolg aus, wenn er ihren Prätoren kritisierte.
 

Dennoch zögerten sie noch.

Ihre Blicke fielen auf das Wasser, welches sich vor ihnen wie eine Mauer aufbaute.

„Kinder Neptuns sind ein schlechtes Omen“, murmelte ein Mädchen aus der Gruppe.
 

Percy nickte, davon hatte er schon gehört.

„Ich bin ein schlechtes Omen für Octavian und die erste Kohorte“, grinste er.
 

Mit diesem Spruch konnte er Frank ein Schmunzeln entlocken und dieser regelte den Rest für ihn.

„Wir haben nichts zu verlieren, oder? Normalerweise hätten wir lediglich als Lockvögel und Zielscheiben agiert. Nun sind wir aber in der Lage, zumindest den Versuch zu starten etwas zu bewirken.“

Der asiatische Junge wurde von den anderen gemustert, sie sahen schließlich von ihm zu dem Wasser und anschließend ruhten ihre Blicke auf Percy.

„Was sollen wir tun?“
 

Es gefiel Percy auf der Stelle, dass er als Neuling und Probatio die vollwertigen Legionäre befehligte.

Nun war er an der Reihe und seine Kameraden bekamen sofort seinen spontanen Plan geschildert.
 

Es stellte sich schließlich als ein Leichtes heraus, die Mauer zu erklimmen.

Die Verteidiger hatten es noch ein paar Mal versucht, sie mit Wasser abzuwehren, doch sie kamen damit nicht gegen Percy an. Als sie nahe genug an der Mauer waren, ließ er die Kanonen schließlich einfach platzen und spülte den Teil dieser Mauer frei von Soldaten.

Mit Hilfe von Enterhaken erklommen er, Frank und zwei weitere Legionäre die Mauer.
 

Auf der anderen Seite war mittlerweile auch Jason nach oben gedrungen.

Allem Anschein nach hatte der Plan des großen Prätoren wohl doch etwas mehr Zeit in Kauf genommen als geplant.
 

„Sucht das Banner!“, befahl Percy und obwohl er keine Befehlsgewalt über die anderen hatte gehorchten sie.
 

Er selbst blieb auf der Mauer.

Es trachtete Percy nicht nach dem Erfolg, das Banner zu erobern. Er hatte ein ganz anderes Ziel vor Augen.
 

Percy griff in seine Hosentasche und wie erwartet fand er dort den Kugelschreiber wieder.

Er rannte die Mauer entlang, streckte die Hand aus und brachte eine der noch aktiven Wasserkanonen zum explodieren.

Das Wasser strömte dabei sowohl über Jason wie auch über Octavian und seine Gefolgsleute.
 

„Was für ein Missgeschick“, tat Percy unschuldig und verwandelte Springflut in ein Schwert, welches er lässig einmal in der Hand drehte. „Ich hab dich gar nicht gesehen, Grace.“

Damit hatte er Jasons Blitze, insofern er sich nicht selbst grillen wollte, ausgeschaltet.
 

„Was soll das Jackson? Wir sind ein Team und ich habe dir befohlen dich raus zu halten“, knurrte er.
 

„Ich sagte doch, es war ein Missgeschick!“, er schnalzte mit der Zunge und richtete sein Schwert auf Octavian. „Ihr solltet euch besser ergeben. Ansonsten ist hier noch ausreichend Wasser, um euch auf andere Art und Weise davon zu überzeugen.“

Er lächelte freundlich.

Als Percy schließlich das Wasser aus den Leitungen einer zerstörten Kanone zog ließen Octavian und die anderen ihre Schwerter fallen.

Percy erntete sowohl von Octavian, wie auch von Jason böse Blicke und das verschaffte ihm in diesem Augenblick eine riesige Genugtuung.
 

Die Tore der Festung wurden aufgebrochen und Frank drang mit den anderen und dem feindlichen Banner ins Freie.

Sie bejubelten laut Percys Namen.
 

„Jackson! Jackson! Jackson!“

Es dauerte nicht lange, bis der Rest der Angreifer diesem Chor beistimmte. Sie hatten gewonnen und das mit der Hilfe eines Rekruten auf Probatio.
 

Schmunzelnd senkte Percy das Schwert.

„Wir sollten uns über den Sieg freuen, Grace.“

Er legte es darauf an, den Blonden zu provozieren. Nachdem dieser ihn so dermaßen unterschätzt hatte, dass er ihn rein gar nichts hatte machen lassen wollen, geschah ihm das bloß recht.
 

„Percy Jackson!“, hallte mit einem Mal eine starke Frauenstimme laut über das Feld.

Reyna war mit ihrem Pegasus gelandet und von diesem herabgestiegen. Um sie herum zogen die beiden Metallhunde ihre Kreise und fletschten besorgniserregend aggressiv wirkend die Zähne.
 

Percy fragte sich, ob die beiden Hunde sich der Laune der Prätorin anpassten.

Er runzelte die Stirn, das roch nach Ärger.  

V


 

- Percy -


 

Percy stand im Vorraum des Prätorenzimmers.

Die beiden Metallhunde saßen vor der Tür und starrten ihn bedrohlich an.

Wenn er auch nur eine einzige falsche Bewegung machte, so hatte er das Gefühl, würden diese Tiere ihn auseinander nehmen.

Er übte sich also in Geduld, während aus dem Zimmer laute und verärgerte Stimmen drangen.
 

Hinter der geschlossenen Türe des Zimmers, in dem er wohl noch Ärger bekommen würde, stritten und diskutierten in diesem Augenblick Mr. Superman, Mr. Teddymörder und Reyna.

Percy wagte es nicht, sich für die Prätorin einen Spitznamen auszudenken. Vor ihr hatte er tatsächlich Respekt.

Er schob sich die Hände in die Hosentaschen und wippte auf den Füßen etwas vor und zurück, während die Ungeduld und Nervosität in ihm stetig größer wurde.
 

Percy hasste es zu warten, vor allem dann, wenn er Ärger zu erwarten hatte.
 

Schließlich wurde ihm jedoch endlich irgendwann einmal die Tür geöffnet.

Jason bat ihn herein.

Noch bevor er dieser Bitte nachkommen konnte, schoben sich die beiden Hunde in den Raum.

Er empfand diese Tiere irgendwie als beunruhigend…
 

„Jackson!“, sprach Reyna streng zu ihm. Jason stellte sich wieder zu ihr, kaum war die Zimmertür wieder geschlossen.
 

Percy hob aufmerksam die Augenbrauen.

„Ja, bitte?“
 

Reyna konnte scheinbar nicht ruhig stehen bleiben. Sie begann damit im Raum auf und ab zu gehen.

Das machte den Neuen nur noch weiter nervös, jedoch war der Anblick noch immer angenehmer als Octavians wutverzerrtes Gesicht oder Jasons bedrohlicher Blick.

Die beiden nahmen ihm die Geschehnisse auf der Mauer wohl besonders übel.
 

„Du bist neu hier im Camp“, setzte Reyna nun wieder an, „und du widersetzt dich nicht bloß deinen Vorgesetzten sondern du greifst diese obendrein auch noch an.“

Ihre dunklen Augen trafen Percys Blick und ihr Ausdruck jagte ihm einen unangenehmen Schauer über den kompletten Rücken.
 

„Ein Sohn Neptuns!“, warf Octavian ein.

„Was erwartest du? Er ist nicht nur ein schlechtes Omen für uns alle, er bringt nur Unruhe in unsere Ordnung! Er-„
 

„Halt den Mund, Octavian!“, Jasons kühler Ton galt dem Auguren.

„Du hast die Zeichen für ihn gelesen und gesagt er könne der Legion beitreten. Ich will also nichts von irgendwelchen bösen Omen hören! Lies das nächste Mal deine Innereien ordentlicher!“
 

Octavian presste wütend die Lippen aufeinander und betrachtete den männlichen Prätoren mit einem zornigen Blick.

Das erste Mal schien Percy so etwas wie Sympathien für den Sohn Jupiters zu haben.
 

Reyna schien sich von den Worten der beiden Jungen nicht ablenken zu lassen und ihr Blick ruhte weiterhin auf dem Sohn Neptuns.

„Ich warte auf deine Verteidigung!“
 

Percy runzelte die Stirn. Er wagte es nicht den Blick abzuwenden.

„Ich dachte einfach, dass mein Plan besser ist als der von Jason.“

Er war nicht so dumm es mit einer Lüge zu versuchen, immerhin waren die beiden metallischen Hunde im selben Raum und diese würden ihn sofort enttarnen.

„Jason hat mich unterschätzt und ich habe ihm bewiesen, dass ich zu mehr in der Lage bin als er mir zutraut.“
 

„Du hast meine Autorität untergraben!“, schnaubte der blonde Sohn Jupiters.

„Du hast meinen Befehl missachtet und mich in meinem Kampf behindert!“
 

Der Sohn Neptuns hob die Augenbrauen.

Er konnte in diesen Punkten wohl keine überzeugenden Gegenargumente vorbringen.

„Ich hatte um einen Platz in deinem ‚großartigen‘ Plan gebeten“, er zuckte mit den Schultern.

„Als mir dieser Platz verweigert wurde habe ich eben selbst die Initiative ergriffen.“
 

„Du hast hier noch an keiner einzigen Trainingseinheit teilgenommen“, wandte Jason sofort ein.

Reyna ließ ihn reden. In erster Linie ging es hier immerhin um ihren Kollegen.

„Es gab für mich also keinerlei Anhaltspunkte wie gut du bist oder was du kannst. Es hatte also durchaus seinen Grund, weshalb ich verlangt habe, dass du dich aus dem Geschehen raushältst! Wenn dein Vorgesetzter dir einen Befehl gibt, dann hast du diesem Folge zu leisten. Und wenn dieser Befehl lautet, dass du nichts tust, dann tust du nichts!“
 

„Also ist es mir hier nicht erlaubt selbstständig zu denken und zu handeln?“
 

„Wenn du einen Befehl hast“, Jason trat näher auf ihn zu. „Dann denkst du bloß darüber nach, wie du ihn am schnellsten und möglichst genau ausführen kannst!“
 

Percy hob eine Augenbraue an.

„Du musst aber zugeben, dass du mich ganz schön unterschätzt hast und mich durchaus sinnvoll in deinen Plan hättest einbringen können.“

Er ließ sich von Jason nicht verängstigen.

„Vielleicht befürchtest du gerade sogar, dass ich ein besserer und stärkerer Anführer als du sein könnte?“
 

Auf Octavians Lippen bildete sich mit einem mal ein amüsiertes Grinsen.

Diese Spannungen, die sich mehr und mehr zwischen dem Sohn Jupiters und dem Neptuns aufbauten, waren deutlich zu spüren.
 

Der Prätor fasste sich jedoch, noch bevor Reyna sich auf irgendeine Art und Weise einmischen musste.

„Du wirst heute Abend dem Essen fern bleiben, Jackson. Stattdessen wirst du zuerst die Waffen in der Waffenkammer polieren und anschließend wirst du das Vergnügen haben Scipios und Hannibals Ställe sauber zu machen. Im Anschluss stehen noch die Sanitäranlagen auf deinem heutigen Tagesplan. Wenn du damit fertig bist sei es dir gegönnt ins Bett zu gehen und morgen früh solltest du dir nicht erlauben zu spät beim Appell zu sein, ansonsten lasse ich mir eine unangenehmere Strafe für dich einfallen.“

Jason verzog keine Miene, während er seine Predigt hielt.

„Du bist auf Probatio, Jackson, vergiss das nicht. Ich kann dich hier sehr schnell wieder raus schmeißen, wenn du es nicht für nötig hältst dich an die Regeln zu halten!“
 

Percy erwiderte den Blick seines Gegenübers mit festem Ausdruck. Er würde sich nun keinerlei Schwäche erlauben, er dachte nun nicht einmal für eine Sekunde daran sich eventuell zu entschuldigen.

„Dann habe ich ja nun einiges zu tun“, erwiderte er trocken. „Bin ich entlassen?“
 

Jason nickte zur Tür und erlaubte ihm das Zimmer zu verlassen.

Die Anwesenheit des Neptun-Sohnes wollte er nun ohnehin nicht mehr länger in Kauf nehmen.
 


 

Als Percy wieder ins Freie trat, warteten dort bereits Frank und Hazel auf ihn.

Die beiden sahen ihn besorgt, jedoch auch neugierig an.

Seine erste Reaktion war ein lockeres Schulterzucken.
 

„Hast du großen Ärger bekommen?“, fragte Frank.

„Ich fand dich klasse dort auf dem Marsfeld!“

Percy zweifelte keinen Augenblick daran, dass der Sohn des Kriegsgottes das ernst meinte.
 

„Mh“, Hazel schien Frank nicht vollkommen zuzustimmen.

„Den Part, in dem du Jason behindert hast, den hätte ich ausfallen lassen oder anders gestaltet.“
 

Percy grinste schief und schob sich die Hände in die Hosentaschen.

„Mh… ja, das haben mir Jason und Reyna auch gesagt.“ Er legte die Stirn in Falten. „…so in etwa.“
 

Er ging an seinen beiden Freunden vorbei.

„Ich bin dann mal ein paar Waffen und Rüstungen polieren.“
 


 

Der Sohn des Meeres widersetzte sich der Strafe nicht, er nahm das einfach so hin. Sich dieser Sanktion zu widersetzen würde ihm wohl ohnehin nur mehr Ärger bereiten, als er nun ohnehin bereits hatte.

Im Großen und Ganzen widerstrebte ihm dieses System im Camp Jupiter sehr. All diese strengen Regeln nervten ihn bereits jetzt. Percy hatte keinerlei Ahnung wer genau er war, aber er war definitiv kein Mensch, der sich solch strengen Richtlinien unterwerfen wollte. Dieser Gehorsam widerstrebte ihm, das wollte einfach nicht in seine Natur passen. Er war wie das Meer, die wilde See die sich von niemandem bändigen ließ.

Auf der anderen Seite fühlte er sich von dieser Einrichtung abhängig. Percy wusste nicht wo er ansonsten hin sollte. Er hatte keinerlei Ahnung, wo er her kam. Wo sollte er sicher sein wenn nicht hier, unter Gleichgesinnten?

Er wusste um die Existenz der Monster und Kreaturen außerhalb dieses Camps. Er würde mit Sicherheit dem ein oder anderen Gegner erfolgreich entgegen treten können, aber er hatte seine Grenzen und früher oder später würde er sein Leben lassen müssen, wenn er auf sich alleine gestellt war.
 

Percy blickte in einen der polierten Helme und betrachtete sein Spiegelbild darin.

„Luke…“, murmelte er leise.

Sein Freund war sein Hoffnungsblick. Er suchte sicherlich nach ihm und er würde dieser Suche sehr gerne seinerseits entgegen kommen. Er hatte jedoch keinerlei Vorstellung davon, wo er hätte beginnen sollen. Es gab keinerlei Hinweise auf den Aufenthalt seines Freundes.
 

Er erinnerte sich bloß an sein Aussehen.

Luke war groß gewachsen, größer als er selbst. Seine Augen waren hellblau, wie der Himmel an einem Sommermorgen… Der Gedanke brachte ihn zum Schmunzeln.

Und obwohl eine dicke, weiße Narbe sich über die rechte Wange seines Freundes zog, schadete das in keiner Weise dessen Attraktivität.

Sein Gefühl sagte ihm, dass sein Freund viele Verehrerinnen hatte.
 

Der Probatio schnalzte amüsiert mit der Zunge bei diesem Gedanken, so viele Verehrerinnen und der Typ hatte einen Jungen zum Partner.
 

Mit einem Mal ließ er vor Schreck den Helm fallen.

Wie konnte er so blind und blöd gewesen sein? Er hatte einen Hinweis. Er hatte ihn von Anfang an gehabt.

Camp Half-Blood. Das orange Muskelshirt, welches sein Freund in seinen Erinnerungen trug... die Aufschrift auf diesem.
 

'Camp Half-Blood'
 

Er sprang auf und ließ die restliche Arbeit einfach liegen.

Jason und seine Strafe konnten ihm in diesem Augenblick gestohlen bleiben.

Nach dieser spontanen Erkenntnis hatte er weder die Ruhe noch das Verlangen weiterhin Waffen und Rüstungen zu polieren.
 

Camp Half-Blood.

Er wiederholte es immer wieder in seinem Kopf.

Das orange Shirt, welches er getragen hatte.
 

„Verdammt!“, fluchte er und stürmte die Treppe nach unten um schließlich die Waffenkammer zu verlassen.

Der Meister der Kammer versuchte ihn noch aufzuhalten, doch er wimmelte diesen einfach ab.
 

Percy schloss einen kurzen Moment die Augen.

Camp Half-Blood und die Farbe Orange.

Wieso hatte ihn von den anderen niemand nach diesem Camp gefragt, obwohl er den Namen groß auf der Brust getragen hatte?
 

Er musste ganz dringend mit irgendwem darüber sprechen.

Camp Half-Blood. Vielleicht war das so etwas ähnliches wie dieses Camp Jupiter. Vielleicht kam er dort her?

Er schnaubte. Sein Freund hatte dieses Camp eindeutig besucht, er würde dort auf jeden Fall Hinweise finden.

Sehr wahrscheinlich würde er sogar ihn dort finden ...
 

Percy lief einigen Laren über den Weg und fragte nach seinen Freunden.

Während die eine Hälfte ihn bloß als Graecus ‚beschimpfte‘, teilte ihm die andere Hälfte mit weder Frank noch Hazel zu kennen.

Er konnte nicht ausmachen ob dies die Wahrheit war oder ob man lediglich kein Bedürfnis hatte, ihm zu helfen.
 

Der Entschluss, sich an Jason und Reyna zu wenden anstatt an seine beiden Freunde Frank und Hazel, behagte ihm nicht ganz aber er würde wohl ohnehin früher oder später diesbezüglich bei ihnen vorsprechen müssen.

Weshalb sollte er die Angelegenheit also nicht direkt hinter sich bringen?

Er holte einmal tief Luft und vernahm sehr deutlich wie genervt er war, als er schließlich wieder ausatmete.
 

Percys Beine trugen ihn wie von alleine und er fand seinen Weg ohne groß darüber nachdenken zu müssen, wo er hinzugehen hatte.

Kurze Zeit später stand er an seinem Ziel und klopfte an der Tür.

Mit etwas Glück war Jason nicht da. Er hoffte es. Auf Blondie hatte er definitiv am wenigsten Lust.
 

Er trat erst ein, als er herein gebeten wurde.

Reynas Stimme klang streng und kühl. Es machte sich Unbehagen in ihm breit, aber davon ließ er sich nun nicht abhalten.
 

„Jackson!“
 

Seine Hoffnung auf Jasons Abwesenheit starb augenblicklich.
 

„Ich kann mir kaum vorstellen, dass du mit deinen aufgetragenen Arbeiten bereits fertig bist.“
 

Es fiel ihm schwer nicht die Augen zu verdrehen.

Natürlich war er damit noch nicht fertig. Zeitlich wäre das ein Ding der Unmöglichkeit oder der unordentlichen Arbeit gewesen.

„Ich habe ein wichtiges Anliegen!“
 

„Erfüll‘ deine Pflichten und wir werden dich anhören.“
 

„Ich sagte, dass es ein wichtiges Anliegen ist!“, beharrte Percy und zog die Augenbrauen zusammen.

Dieser Typ löste in ihm das stetige Verlangen aus ihm zu widersprechen und die Stirn zu bieten.
 

Reyna bedeutete ihrem Kollegen mit einer simplen Geste der Hand, dass sie die Angelegenheit übernehmen würde.

Scheinbar hatte die junge Frau ein Gespür für diese explosive Mischung an Halbgöttern.

„Es fällt dir offenkundig schwer Befehlen Folge zu leisten“, stellte die Prätorin sehr nüchtern fest.
 

Wie Recht sie damit doch hatte.

Es widerstrebte Percy zutiefst sein Handeln nicht selbst zu bestimmen und sich dem Wort eines anderen fügen zu sollen.

Er sah jedoch ein, dass es nicht klug war dies nun zu Wort zu bringen.
 

„Dein Befehl lautet, dass du dich zurückhalten sollst und führst eigenmächtig eine Gruppe von Legionären an und obendrein behinderst du deinen Vorgesetzten im Kampf. Nun lautete dein Befehl die Waffen und Rüstungen zu polieren und anschließend die Ställe auszumisten und stattdessen sehe ich dich hier vor mir stehen und du hast mit Sicherheit noch keinen nennenswerten Bruchteil deiner Aufgaben verrichtet.“

Die beiden Metallhunde standen knurrend zu Reynas Linken und Rechten.

„Ich frage dich also: Was ist so wichtig, dass du erneut nicht deinen Befehlen Folge leistest?“
 

Die Leute hier nahmen ihr Camp wirklich unglaublich ernst.

Kriegsspiel. Armee. Vorgesetzte. Strenge Regeln und Pflichten.

Ein angenehmer und entspannter Aufenthalt während des Sommers war hier definitiv nicht möglich.
 

„Es geht um meine Herkunft“, begann Percy.

Er zuckte mit den Schultern.

„Nun, vielmehr um einen Freund, ich glaube ich weiß wo ich ihn finden kann.“ Er runzelte die Stirn.

Percy sah keinen Grund darin sich vor diesen Fremden zu outen. Es ging niemanden hier etwas an, dass er einen festen Freund hatte.

„Camp Half-Blood.“
 

Beide Prätoren sahen ihn an.

„Wir haben noch nie von einem Camp Half-Blood gehört“, ergriff Jason schließlich das Wort.
 

„Ich habe mich aber daran erinnert“, beharrte Percy. „Es muss dieses Camp geben, vielleicht ist es wie dieses hier für Halbgötter und andere Nachfahren der Götter.“
 

Jasons Brustkorb hob und senkte sich sehr stark.

Percy war sich sicher, dass der blonde Superman mindestens ein genauso großes Bedürfnis hatte ihm eine rein zu hauen wie anders herum.

„Wir haben noch nie von einem anderen Camp gehört und wir sind nicht erst seit gestern auf dieser Welt.“
 

Wunderbar.

Offenkundig schien man ihm nicht glauben zu wollen.
 

„Wenn es ein anderes solches Camp geben sollte, dann wissen wir nichts davon und das würde einen guten Grund haben!“
 

„Aber ich-“

Percy wollte den beiden klar machen wie wichtig es war, dem nachzugehen.

Dieses Camp Half-Blood war eventuell seine Heimat. Es war der Ort, an dem Luke sehr wahrscheinlich auf ihn wartete.
 

Jason zuckte mit den Schultern.

„Bis auf deine spontanen Erinnerungen gibt es keinerlei Anhaltspunkte für dieses Camp und niemand hier hat Zeit einem Mythos nachzujagen, der für uns als Legion von keiner Wichtigkeit ist.“
 

„Es ist für mich wichtig!“, entgegnete Percy scharf und ballte die Hände zu Fäusten.

Er konnte nicht verstehen, weshalb man nicht bereit war ihm zu helfen.

Wäre jemand anderes an seiner Stelle, würde er alles daran setzen diesem jemand beiseite zu stehen und mit ihm herauszufinden wo er her kam und wie er dorthin zurückkehren konnte.

Waren diese Möchtegern-Römer der Neuzeit etwa alle solch riesige Egoisten?
 

„Niemand hält dich davon ab zu gehen.“

Jason hob die Augenbrauen.

„Du bist auf Probatio und bist noch keinen Dienst angetreten. Verlasse die Legion, wenn dir danach ist, aber danach erhältst du keine zweite Chance hierher zurück zu kommen.“
 

Percy sah fragend zu Reyna.

Sie widersprach nicht. Scheinbar schien das seine einzige Möglichkeit zu sein: Das Camp verlassen und es auf eigene Faust zu versuchen.

Dafür würde er eine Menge Glück brauchen.

Die Überlegung, dass er dort draußen nicht ewig alleine überleben konnte, hatte er bereits… nun stand er jedoch vor einer Art Ultimatum.
 

Nichts in der Welt war ihm wichtiger als wieder zu Luke zurück zu kommen und zu wissen, wer er selbst überhaupt war.

Hier im Camp Jupiter schien er zwar sicher zu sein, aber man unterstützte ihn nicht darin, Antworten zu bekommen.
 

Percy ballte die Hände zu Fäusten und seine Fingernägel drückten sich dabei unsanft in seine Handflächen.

Er presste die Lippen aufeinander und verließ den Raum.

Weder Reyna noch Jason hielten ihn auf.
 

Er mochte in diesem Camp sicher sein.

Doch wollte er den Schutz solch arroganter und egoistischer Leute?!

Er knallte die Tür hinter sich zu, um seinem Unmut Ausdruck zu verleihen und weil er seine Wut schlichtweg gerade nicht unter Kontrolle hatte.

VI


 

- Percy -
 

Percy schlug die Decke zur Seite und rutschte langsam von seinem Bett.

Er nahm seine Probatio-Tafel ab und legte diese auf den Nachtschrank.

Dort war sie sicher gut aufgehoben.

Wenn er jetzt ging, dann würde er wohl ohnehin keine weitere Chance mehr haben, in dieses Camp zurückzukehren.

 

Sein Blick huschte kurz auf das zweite Bett in diesem Zimmer.

Frank lag dort und schlief. Der Gute rechnete nicht einmal damit, dass Percy in dieser Nacht auf irgendeine dumme Idee kommen könnte.

Der Sohn Neptuns fasste einen kleinen Rucksack, den er sich besorgt hatte und stopfte dort zwei weitere Paar Hosen und von diesen lila Shirts hinein.

Sein Kugelschreiberschwert befand sich in seiner Hose und mehr Besitztümer hatte er nicht.

Er lief also keinerlei Gefahr, irgendetwas vergessen zu haben.

 

Vorsichtig schlich er zur Tür und öffnete diese leise.

Liebend gerne hätte Percy sich an Hazel oder Frank gewandt, um sie um ihre Unterstützung zu bitten.

Er hatte jedoch davon abgesehen.

Die beiden waren derzeit seine einzigen Freunde und er wollte sie nicht in Schwierigkeiten bringen, egal ob sie diesem Plan zugesagt hätten oder nicht.

Als Frank sich in seinem Bett regte, hielt Percy kurz inne.

Er hielt die Luft an und wartete ab, sein Blick ruhte auf Frank. Er betete stumm dafür, dass der Junge jetzt nicht wach wurde.

Tatsächlich drehte sich der Sohn des Mars bloß auf die andere Seite und schlief weiter.

Glück gehabt.

Percy schob sich aus der Tür heraus und schloss diese anschließend, genauso leise, wieder hinter sich.

Vielleicht wäre es die klügere Entscheidung gewesen hier im Camp zu bleiben, in Sicherheit und unter Gleichgesinnten.

Doch, obwohl das alles hier ihm anderes weismachen wollte, fühlte er sich hier nicht zugehörig.

Was brachte ihm ein Leben in Sicherheit, wenn er im Gegenzug unwissend über sich und seine Herkunft bleiben würde? Das ließ ihm keine Ruhe und hier konnte er scheinbar keine Antworten finden.

Was brachte ihm ein Leben unter anderen Halbgöttern, wenn sein Freund Luke nicht unter ihnen war? Er vermisste ihn so sehr, obwohl er keine Erinnerungen an ihre Beziehung hatte, wusste er, dass dieser Junge sein fester Freund war und dass er ein schwarzes Loch in ihm zurückgelassen hatte.

Er konnte hier nicht bleiben, denn niemand schien ein großes Interesse daran zu haben, ihm zu helfen Antworten zu finden.

Wer war er und wo gehörte er hin?

 

Percy lief den Flur entlang zum Haupteingang, um die Kaserne der fünften Kohorte zu verlassen.

Niemand hielt ihn zurück, als er das Gemäuer verließ und im Freien halfen ihm seine Instinkte dabei den Blicken der Wachposten zu entgehen und das Innere des Camps zu verlassen.

 

Percy stand vor dem kleinen Tiber.

Hier war wohl schlussendlich die Grenze. Er presste die Lippen aufeinander und zögerte noch einen Augenblick.

Er entschied sich jedoch nicht mehr um und machte einen Schritt ins Wasser.

„Hey!“, der Ausruf kam so überraschend, dass Percy beinahe gestolpert und ins Wasser gefallen wäre.

Er fasste sich, fand festen Stand in dem kleinen Fluss und wandte sich schnurstracks der Stimme zu.

In der Hand hielt er Springflut, sein Schwert und fühlte sich bereit für ein Gefecht.

 

„Du hast also vor zu gehen?“, fragte der blonde Junge ihn und schien unbeeindruckt von dem Schwert in der Hand seines Gegenübers zu sein.

 

Von allen Leuten dieses Camps musste ihm ausgerechnet Jason Grace auflauern?

Zumindest hatte er ihm gegenüber keinerlei Skrupel, wenn nötig, unverschämt zu werden.

 

„Und du willst mich aufhalten?“

Percy brachte das Wasser im Fluss in Wallung und ließ es zu seiner freien Hand hin aufsteigen.

„Lass den Mist“, erwiderte der Prätor kühl.

„Du solltest wissen, dass Wasser Elektrizität leitet. Das bekäme dir sicher nicht gut. Leg dich also besser nicht mit mir an.“

 

„Du würdest dich selbst auch unter Strom setzen.“

Jason schnaubte belustigt.

„Jackson, ich kann in eine Steckdose fassen, ohne dass mir etwas passiert. Du wärst mir also absolut unterlegen.“

Percy hasste es das zu hören. Er verabscheute es, wenn andere glaubten ihm überlegen zu sein. Das wusste er mittlerweile und er spürte es auch in diesem Augenblick wieder.

Die Versuchung anzugreifen und zu beweisen, es durchaus mit dem Typen aufnehmen zu können, machte sich deutlich in ihm bemerkbar.

Er wusste nicht, wie es ihm gelang dieses Verlangen zu unterdrücken, aber er behielt die Beherrschung. Gerade so.

 

„Keine Sorge. Ich will dich nicht dazu auffordern, mit mir zurückzukommen.“

Jason schüttelte langsam den Kopf.

„Du bist ein Unruhestifter. Du bringst Unordnung und Chaos, genau das was ich von einem Sohn Neptuns erwartet hatte und genau das, was wir hier nicht wünschen.“

Percy blickte in die eisblauen Augen des blonden Jungen.

Wieso verschwendete dieser Großkotz seine Zeit und hielt ihn unnötig auf, wenn er doch scheinbar froh war, dass er ging?

 

„Ich hätte es dennoch bevorzugt, wenn du geblieben wärst. Dir jedes Mal aufs Neue Disziplinaraufgaben zuzuteilen wäre für mich weniger Aufwand gewesen, als dich zu begleiten.“

Percy verzog das Gesicht.

„Bist du wahnsinnig? Ich will dich nicht dabei haben! Bleib bloß hier, ich brauche dich nicht!“

 

Jason zuckte mit den Schultern.

„Das liegt weder in deiner noch in meiner Macht.“

Er kam auf Percy zu. Anstatt durch das Wasser zu laufen, ging er jedoch durch die Luft über das Wasser und fasste am anderen Ufer wieder Boden unter den Füßen.

 

„Wie meinst du das?“

Percy drehte sich mit ihm mit, um ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Das Schwert behielt er noch immer fest in der Hand.

„Ich meine damit, entweder bleibst du im Camp und fügst dich den Regeln und genießt die Gesellschaft von ein paar Leuten, die dich trotz deiner Aufmüpfigkeit leiden können“, er runzelte die Stirn, „oder du lebst damit, dass du mich 24 Stunden am Tag ertragen musst, bis sich unsere Wege hoffentlich bald wieder trennen können.“

Percy zog die Augenbrauen zusammen.

„Ist das dein Ernst? Willst du mich verarschen? Ich brauche und will dich nicht an meiner Seite!“

„Ich könnte mir auch Schöneres vorstellen“, Jason zuckte mit den Schultern und schob die Hände in die Hosentaschen.

„Im Gegensatz zu dir habe ich jedoch Respekt vor jenen, die über mir stehen und befolge meine Anweisungen!“

Unwillkürlich entkam Percy ein kurzes Lachen.

„Du bist also ein gehorsamer Schmierlappen. Das passt irgendwie.“

Auf die Gesellschaft von Grace hätte er verzichten können. Als Wegbegleiter wären ihm Hazel oder Frank sehr viel lieber gewesen, doch dieser Großkotz war scheinbar alles, was er an Auswahl hatte und dort draußen ließ es sich zu zweit besser überleben als alleine.

Er ließ sein Schwert fallen, damit dieses die Gelegenheit hatte bald wieder als Kugelschreiber in seiner Hosentasche zu erscheinen.

 

Jason sah verärgert aus.

Ehe er dem Ärger jedoch wörtlichen Ausdruck verleihen konnte, stieg ihm die Verwirrung ins Gesicht.

„Bei Dis, was tust du da?“

 

Percy winkte locker ab.

„Das kehrt schon wieder zu mir zurück.“

Er trat neben seinen unfreiwilligen Weggefährten.

 

Jason atmete schwer durch und klang dabei ziemlich genervt.

„Weißt du eigentlich, wessen Waffe das einst war?“

Percy blinzelte überrascht und beobachtete, wie Jason sein Schwert vom Boden aufhob.

„Sagt dir Herkules etwas?“

„Mh.“

„Dieses Schwert galt als verschollen und nun führt es ein Sohn Neptuns“, diese Tatsache schien ihn sehr unzufrieden zu stimmen.

Jason streckte die freie Hand in Percys Richtung aus und dieser verstand nicht, was Blondie von ihm wollte.

„Die Kappe?“, er hob die Augenbrauen.

Percys Ausdruck blieb verständnislos.

Jason verdrehte die Augen und griff in Percys linke Hosentasche und zog dort die Kappe des Kugelschreibers heraus.

„Hey!“, beschwerte der Schwarzhaarige sich und wollte zurückerobern, was ihm gehörte. Als er jedoch Jasons Arm berührte bekam er einen elektrischen Schlag und ließ sofort wieder von ihm ab.

Er hielt inne, während der andere die Kappe auf die Spitze des Schwertes steckte und dieses wieder zum Kugelschreiber schrumpfte.

Percy fasste jemanden an und bekam von der Person einen elektrischen Schlag. Es war nicht diese Art von Schlag, die man bekam weil jemand sich durch Reibung etwas aufgeladen hatte, sondern als ginge tatsächlich Elektrizität aktiv vom Körper des anderen aus.

Diese Situation kam ihm so vertraut und bekannt vor…

Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als Jason ihm den Kugelschreiber entgegen hielt.

„Du musst es nicht jedes Mal wegwerfen, bloß damit es wieder seine harmlose Gestalt annimmt.“

 

Percy fischte schnell den Kugelschreiber aus der Hand des anderen, als befürchte er wieder einen Stromschlag zu bekommen, wenn er nicht schnell genug war.

„Woher weißt du das?“

 

„Weil ich kein Idiot bin“, erwiderte Jupiters Sohn trocken und ging an Percy vorbei.

Dieser ließ den Kugelschreiber wieder in seiner Hosentasche verschwinden. Er schloss zu dem anderen auf und ging neben ihm her.

„Ich bin auch kein Idiot!“

 

Jason hob zweifelnd die Augenbrauen.

„Nein. Als Halbgott alleine in die weite Welt zu ziehen und sich ohne Begleitung den Monstern zu stellen, die einen töten wollen, ohne jeden Plan oder eine Prophezeiung ist unglaublich intelligent und weise.“

Der Sarkasmus war so beißend hart, dass man ihn nicht einmal mit viel Mühe hätte überhören können.

 

„Ich bin bloß meinem Instinkt gefolgt!“

„Dann wird dein Instinkt dich eben früher oder später umbringen!“

 

„Wird er nicht“, Percy wusste, dass dies nicht sonderlich schlagfertig war aber er wollte das letzte Wort in dieser Angelegenheit gehabt haben.

 

Sie gingen eine Weile, bis Jason schließlich anhielt.

„Und?“, fragte Percy. „Wollen wir unsere Reise zu Fuß fortsetzen? Wir könnten an die Straße gehen und ein Taxi anhalten.“

„Wir können fliegen.“

Percy schüttelte sofort den Kopf. Fliegen war nicht gut, gar nicht gut.

Sein Instinkt riet ihm dazu, davon abzusehen.

„… ich überlege mir zuerst, wo meine Reise hinführen soll und dann-“

 

„New York“, unterbrach Jason ihn und hob die Augenbrauen, während er Percys Blick auswich.

„Was?“

„Wir müssen nach New York! Und Fliegen geht am schnellsten.“

„Warte, was?“

Percy glaubte nicht richtig verstanden zu haben.

Als er vor den Prätoren stand und sie um Hilfe gebeten hatte, wussten sie anscheinend von nichts.

Und auf einmal stand Jason vor ihm, erzählte ihm dass er ihn begleiten müsse und konnte ihm einen Ort nennen, zu dem sie mussten?

Das war doch wohl ein blöder Scherz?

„New York?“

„Das sagte ich, ja.“

„Warum New York?“

Jason blickte zu Percy.

„Ich habe meine Quellen, das muss reichen. Ich habe keine Ahnung wo oder was dein Camp sein soll, aber ich weiß, dass wir nach New York müssen.“

„Ach“, der Sohn Neptuns verschränkte in einer protestierenden Geste die Arme vor der Brust.

„Hat dir das dein Chef gesagt, der dir auch aufgetragen hat, dass du mich begleiten sollst?“

 

Jason verdrehte die Augen, suchte dann jedoch den Blickkontakt und sah ihn ernst an.

„Dir bleibt nichts anderes übrig, als mir zu vertrauen.“

 

Diesem Typen vertrauen?

Alles sprach dafür ihm zu misstrauen. Percys Instinkte warnten ihn vor Jason Grace und er war versucht nach seinem Kugelschreiber zu greifen und das an Ort und Stelle zu klären.

Jason wusste offenkundig mehr aber wollte sein Wissen nicht mit ihm teilen. Solche Menschen waren doch immer gefährlich und er beschloss vorsichtiger und aufmerksamer den je zu sein. 

Vielleicht war das alles ein Trick aber vielleicht gelang es ihm tatsächlich mit der Hilfe des anderen dorthin zurückzufinden, wo er eigentlich hingehörte.

„Wir werden nicht fliegen!“, schnaubte Percy. „Nur damit das klar ist!“

Seine Augen hatten einen harten Ausdruck. Der Sohn der Meere war weit davon entfernt Jason Grace zu vertrauen aber für den Augenblick schien er sein einziger Anhaltspunkt zu sein.



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