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DayFail

Ein Versprecher kommt selten allein
von

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An den Leser

An den Leser
 

Kennt das nicht jeder von seinem Tag? Aus seinem Leben? Tägliche Sätze, ganz gewöhnlich gesprochen, ganz unschuldig gemeint und ein anderes Ohr vernimmt diese in einem ganz anderen Kontext. Zwar heißt es, wer zweideutig denkt, hat eindeutig mehr zu lachen, aber manchmal…

Seit ich in diese Studentenwohngemeinschaft gezogen bin, oh je, was habe ich da alles erleben müssen. Hinter verschlossenen Türen oder gar offen in ein Gesicht gesprochen, gab es bis zu meiner Approbation als anerkannter Humanmediziner beinahe jeden Tag ein Missverständnis oder wie ich es zu nennen pflegte DayFail. Aber es ist wohl auch meine eigene Schuld, schließlich wusste ich doch auf was ich mich da einlasse. Wusste ich es wirklich? Mehr als einmal stellte ich mir die Frage, warum ich überhaupt nach Eton und vor allem in diese Wohnung gezogen bin. Warum bin ich nicht ausgezogen? Bin diesem Chaos, diesen teilweise Querulanten und Diven nicht einfach entflohen? Vermutlich, weil ich trotz all den DayFails aus meiner Traurigkeit in dieses bunte und turbulente Leben gezogen bin und wohl noch nie in meinem Leben, soviel Vergnügen wieder haben werde.

Nein.

Nein, so kann ich doch wohl kaum meine Geschichte beginnen.

Oder?

Mein Name ist Naoise O’Reilly, ich bin seit einigen Jahren ein angesehener Mediziner und guter Freund einer kleinen, wenn gleich auch sehr chaotischen Gruppe. Kennengelernt habe ich meine engsten Freunde während meiner Studienzeit in Eton. Und auch wenn es in den folgenden Episoden nicht den Anschein hat, so muss ich doch sagen, dass ich keinen Tag bereut habe. Jetzt wo ich reifer und erfahrener bin, lächle ich oft über die Geschichten, sie heitern mich auf und oft lachen wir gemeinsam auf unseren regelmäßigen Zusammenkünften. Aus diesem Grund bitte ich dich, lieber Leser, schmunzle und lerne etwas aus den kleinen Episoden dieser Geschichte, denn vielleicht könnte es dir schon im nächsten Augenblick ebenso ergehen.
 

Dr. med. Naoise O‘Reilly

Willkommen in Eton – oder ist das wirklich England?

Gleich eines riesigen eisernen Lindwurms, entsprungen aus der Anderwelt, schlängelte sich der Zug an den schroffen Felsen der Highlands, dem saftige Grün der schottischen Landschaft und gelangweilt dreinblickenden Kühe entlang, wie auf unsichtbarer Spur scheinbar dem eigenen Willen folgend. Vereinzelte Häuser luden zu romantischen Träumereien und sehnsuchtsvollen Gedanken ein, doch der junge Mann mit den rotblonden störrischen Locken schenkte diesem Schauspiel keinerlei Beachtung. Nur gelegentlich lösten sich die blassgrünen Augen von dem Buch und suchten nervös in der Ferne nach unbeweglichen Dingen, welche sich dem Betrachter trotz rascher Reise niemals dem Blick entzogen.

»D… der Puls liegt weit über 120. Die Pupillen verengen sich. Kalter Schweiß…«, murmelte Naoise und schluckte schwer.

Es waren nur wenige Augenblicke, ehe alles Blut aus den Wangen wich, kalter Schweiß auf seiner Stirn ausbrach und die Schläfen hinabrann. Binnen von fünf Minuten stieg Übelkeit in ihm auf, so dass er rasch wieder seiner Lektüre zuwandte.

Naoise O’Reilly, geboren und aufgewachsen in Irland, 25 Jahre alt, Medizinstudent im 8 Semester, hatte nach dem psychischen Zusammenbruch und folgenden Amoklaufes des Dekans auf seiner Universität beschlossen in Eton sein Studium fortzuführen, wenngleich noch einige andere Dingen hinzu kamen, welche seinen Entschluss noch bestärkt hatten. Sicherlich hasste es der Ire zu reisen, besonders mit Bus, Auto oder Bahn. Auf ein Boot wagte sich für gewöhnlich nicht einmal, wenn es im Hafen lag, allein schon der Gedanke an das Schaukeln, das ständige Hoch und Runter, ewige Hin und Her, drehte ihm völlig den Magen um. Und dennoch, lieber die Fähre, als ein Flugzeug. Er hätte auch fliegen können, aber seine noch größere und verständliche Abneigung ein Flugzeug, ja geschweige denn eine Flughafen zu betreten, hatte ihm nur die Möglichkeit einer recht ungemütlichen Fähr- und Zugfahrt gelassen. Der Kapitän hatte sich nicht wirklich über den sich ständig übergebenen Passagier gefreut, der kaum dass er an Deck war, schon über der Reling hing und sich zuerst sein ganzes Mittagessen, gefolgt von seinem Frühstück und eventuell sogar noch etwas von dem vorabendlichen Abendbrot noch einmal durch den Kopf gehen ließ. Im Gegensatz hatte sich der seit mindestens 100 Jahren dort befindende Schiffsarzt endlich über einen derartig schlimmen Fall von See-, bzw. Reisekrankheit gefreut und begann, kaum dass Naoise zu ihm gebracht worden war, an diesem allerlei Rezepturen auszuprobieren – geholfen hatten diese zu aller Bedauern gerade einmal zehn Minuten, woraufhin der Arzt von Neuem begann. Im Zug bat Naoise um ein Einzelabteil, schließlich wollte er sich wenn nötig selbst kurieren, was normalerweise auf dem Rücken liegend und mit hochgelegten Füßen geschah. Der Schaffner hatte den von der Fährfahrt noch völlig schweißüberströmten und schneeweißen Iren mit einem süffigen Grinsen in die Mitte des Zuges geführt und behauptete dass dort der ruhigste und sicherste Platz sei. Dem jungen Mann war es völlig gleich, Hauptsache er war dort ungestört und musste sich nicht vielleicht auch noch mit einem Mitreisenden unterhalten.

Mit einer knappen halben Stunde Verspätung kam der Zug in Eton an, als Naoise vollkommen verschlafen, verkatert und wankenden Beinen mit seinen zwei Koffern, welche all seine gesamten Habseligkeiten enthielten, ausstieg. Nur mit viel Mühe und allerlei Überredungskunst, war es dem Iren gelungen, seine Tante Maddy zu dem Kauf der Karten zu bewegen. Sein wohl stärkstes Argument war, dass sie ihren verhassten Neffen für die nächsten Jahre nicht mehr zu Gesicht bekommen würde, wenn denn überhaupt noch. Auch wenn Maddy eine alte und verschrobene Hexe in den Augen von Naoise war, so konnte sie doch recht spendabel sein, wenn es darum ging, das einzige männliche Wesen in ihrem Haus aus diesem fernzuhalten. Ein leichtes Lächeln stahl sich auf die Lippen des jungen Mannes, wenn er nur an ihr Gekreische dachte, sobald er in den langen Ferien für einige Wochen zurück kam und seinem Vater immer ähnlicher zu sehen begann. Es war nicht so, dass sie ihren Zwillingsbruder gehasst hatte, nein ganz im Gegenteil. Bis zu ihrer Ehe mit einem gewissen Herold McFarlley waren sie unzertrennlich und verstanden sich außerordentlich prächtig. Vermutlich war es einfach die Art und Weise, wie McFarlley die arme Tante Maddy nach zehn Jahren weniger glücklicher Ehejahre mit leerem Konto und immensen Schulden einfach über Nacht „verließ“, in dem er sich vor ihren Augen splitternackt auszog und im gemeinsamen Schlafzimmer am Deckenbalken erhängte. Seine letzten Worte waren wohl, dass Maddy ihn nicht glücklich gemacht habe und sie nur eine frigide Vettel sei – wobei der genaue Wortlaut wohl wesentlich unflätiger und mit etlichen Spott- sowie Fluchworten gespickt war. Nachdem die Muskeln des Kerls erschlafft waren, gleich wohl seine letzte doch recht langanhaltende Erektion erst nach acht Stunden nachließ, sein Darm und Blase auf dem Ehebett entleert hatten, fand die Tante ihre Fassung wieder und stieß wohl ihren ersten Angstschrei beim Anblick eines Mannes aus. Seither hegte sie eine regelrechte Panik vor allen Männern, selbst vor ihrem eigenen Bruder. Als dann eine Sozialarbeiterin mit dem dreijährigen Naoise vor ihrer Tür stand, ihr erklärte, dass dessen Eltern bei einem tragischen Flugzeugabsturz ums Lebens gekommen waren und sie laut dem Testament der Eltern nun das Sorgerecht und die Vormundschaft inne hatte, war die liebe Tante Maddy nach einem halberstickten Schrei ohnmächtig zusammen gesunken und konnte erst nach einer halben Stunde wieder ins Bewusstsein zurück geholt werden. Das war genau drei Jahre nach McFarlleys Tod.

Naoise wurde in dem ehemaligen Schlafzimmer untergebracht, auch wenn dies eins der größeren Räume war und besonders zu Protesten der beiden wesentlich älteren Töchter kam. Aber Maddy war nach dem Tod ihres Gatten aus diesem Zimmer gezogen und hatte es leer stehen lassen. Warum also nicht das verhasste Männerding – wie sie den Jungen manchmal zu nennen begann - dort einziehen lassen, wo der ganze Schrecken begonnen hatte? Außerdem gab es keine schöne Erinnerung in diesem Raum, war doch alles nur eine Pflichtübung gewesen. Tante Maddy konnte dieses Zimmer auch nach Belieben einfach abschließen und da es im zweiten Stock lag, gab es für Naoise auch keine Möglichkeit aus dem Fenster zu klettern. Sobald der Junge im schulfähigen Alter war, schickte Maddy ihn in die möglich entfernteste Schule mit einem Internat, wobei sie keine Kosten scheute. Anfangs fiel es dem Kleinen schwer, einerseits war schließlich sein letzter Umzug in die Hölle gewesen und nun sollte er doch im Himmel gelandet sein? Andererseits wurde in der Schule wie in Irland seit vielen Jahren üblich nur englisch gesprochen, Tante Maddy aber sowohl mit ihren Kindern, als auch mit Naoise nur gälisch, gar englisch in ihrem Haus unter härtesten Sanktionen verboten hatte und so kannte er keine andere Sprache als das gälische Irisch. Aber nach einigen Wochen und nachdem er dort viele Freunde gefunden hatte, sich selbst sogar einige Kinder fanden, die nebenher etwas gälisch sprachen und er sogar von den Lehrern aufgrund seines gut gesitteten und ruhigen Charakters gelobt wurde, lebte er sich gut ein und genoss von da an jeden Tag fern ab von Tante Maddy und den zwei gemeinen Cousinen, welche ihn doch nur immer wieder triezten und quälten. Nach der Grundschule, wechselte er auf eine weiterführende Schule, welche Maddy für ihn in Belfast ausgesucht hatte, da im dortigen Internat sogar die Unterbringung über die Ferien möglich war. Hier wurde der Grundstein für seinen weiteren Lebensweg endgültig gelegt und sein Wunsch Arzt zu werden erwachte beim ersten wilden Herzklopfen für den Schularzt. Ein hochgewachsener stämmiger Mann, die eisblauen Augen hinter den Brillengläsern blickten stets ernst und mit festem Willen auf die Schüler. Naoise mochte den Geruch, welcher an den Sachen des Arztes haftete, liebte dieses leichte sanfte Lächeln und besonders aber hatten es ihm diese großen starken Hände angetan. Vielleicht war es der frühe Verlust des Vaters oder aber doch nur jene flatterhafte jugendliche Liebelei, für beinahe anderthalb Jahre verbrachte der Bursche mehr Zeit beim Schularzt, als im Klassenraum was sich besonders auf seine Leistungen niederschlug. Tante Maddy war es gleich, solange sie ihren Neffen nicht zu Gesicht bekam, konnte dieser tun und lassen was er wollte und so ignorierte sie die Briefe von der Schule, schrieb nur einmal zurück, dass man sie nur im Falle eines Schulabganges informieren solle, damit sie sich rechtzeitig um eine andere Schule bemühen würde. Also sprach der Lehrer, der Direktor, ein Sozialpädagoge, ein Psychologe, der Internatsleiter, der Vertrauenslehrer und letztlich sogar der Schularzt Naoise in dessen Gewissen. Besonders Letzterer hatte auf den Jugendlichen den meisten Einfluss, vielleicht aber war es auch das Argument, dass er beim weiteren Fernbleiben des Unterrichtes von der Schule verwiesen werde würde. Es dauerte einige Zeit, ehe die Leistungen des Burschen sich wieder besserten, denn Liebeskummer ist die unheilbare Krankheit der jungen Leute, welche allerdings bald schon vergessen ist. Naoise fand einen Weg für sich, dem Schularzt dennoch immer lange nah sein zu können, so begann er vorerst das stärkere Interesse an Medizin statt an dem Mann vorzuheucheln und wurde zum Hilfssanitäter. Je älter er aber wurde, umso mehr vergaß sein Herz jene törichte knabenhafte Schwärmerei, ernste große Bewunderung ließ sein Blut kochen - aus der ersten großen Liebe wurde jenes Idol, welchem er sein ganzes weitere Leben nach eifern würde.

Eton – nein England – war wesentlich anders, als es sich der Ire gedacht hatte. Sein Bild war stets von nebelverhangenen und feuchten Tagen, wo das Licht kaum mehr als eine Armlänge hindurch drang geprägt. Vermutlich war es auch Maddys Einfluss, dass er sich die Engländer als schlechtgelaunte, hochnäsige Frackträger vorstellte und er eine vorbei eilende junge Frau im Sommerkleid anhielt.

»Verzeihung, Mum, aber Eton ist das wirklich sein? England? «, fragte Naoise sie mit dem wohl schlechtesten Englisch, zu dem er nur in unsicheren Situationen fähig war.

Sie hob eine Augenbraue, blickte auf den attraktiven, wenngleich auch verwirrten jungen Mann vor sich und stellte vorerst die Reisetasche neben sich ab. Den Kopf leicht auf die Seite gelegt, die Hüften leicht nach vorne geschoben, die rotgeschminkten Lippen zu einem leichten Lächeln verzogen und mit den langen schwarzen Locken spielend, begann sie etwas zu flirten.

»Ja, das ist Eton. Das einzig wahre Eton in England. Wo wollen Sie denn hin? Vielleicht kann ich Ihnen ja helfen?«, flötete sie süßlich.

Naoise, welcher kaum große Erfahrungen im Umgang mit jungen Frauen hatte, errötete leicht und blickte sich dann erneut etwas orientierungslos um.

»Hm, ich sehe nicht Nebel. Keine Engländer auch. Das ist sehr seltsam.«, murmelte er, ehe sein Blick wieder auf sein Gegenüber richtete.

Diese begann leise zu lachen, obgleich der recht merkwürdigen Äußerungen des Iren. Schließlich lachte sie immer lauter, bis ihr die Tränen in die Augen schossen.

»Nebel? Herrje, aus welchem weltvergessenen Dörfchen kommen Sie? Na, dass Sie aus dem Ausland kommen, hört man ja, aber das? Nein, wie köstlich. Nebel und Engländer? Glauben Sie etwa, dass wir hochgeschlossen mit Schirm und Melone herum laufen? Oh je, na da muss ich Sie wohl enttäuschen, wir sind auch nur gewöhnliche Menschen und das Wetter ist durch aus besser, als sein Ruf. «, amüsierte sich die junge Frau und strich sich einigte Strähnen aus dem Gesicht.

Naoise errötete etwas, räusperte sich etwas und versuchte zu lächeln, doch allzu leicht gelang es ihm nicht.

» Klireekill, ich komme aus Klireekill. Aber aufgewachsen in Dublin und Belfast auch eher.«, sprach er letztlich recht zerknirscht und umschlang fester den Griff an seinem Koffer, dass die Fingerknöchel leicht hervor traten.

»Oh, Sie sind Ire? Das… das… nun das hätte ich jetzt nicht wirklich vermutet. Bei dem Englisch, aber die Iren sind wirklich ein eigenständiges Völkchen nicht? Und dann noch aus den großen Städten. Da hat Ihnen aber jemand einen ziemlich großen Bären mit uns aufgebunden, wie? «, noch immer versuchte sie dem jungen Mann vor sich ein noch so kleines Lächeln abzugewinnen. Doch Naoise zog die Augenbrauen leicht zusammen, schnaubte leise und senkte dann leicht den Kopf.

»Sie finden das also komisch? Lachhaft? Hm? Nun ich hoffe, Sie hatten Ihren Spaß.«, knurrte der Ire, ehe er sich zum Gehen abwandte.

»Eines trifft zu, hochnäsig und unfreundlich sind die Engländer allemal.«

Die junge Frau begriff, dass sie da in ein ziemliches Fettnäpfchen getreten war, denn sofort verschwand das Lächeln und Entsetzen spiegelte sich in ihren Augen wieder. Sofort sprang sie Naoise in den Weg, verschränkte mit einem leicht verzückten sanften Lächeln die Hände vor ihrem Schoss und verneigte sich leicht.

»Bitte entschuldigen Sie, ich meinte es doch nicht böse. Aber Ihre Ausdrucksweise und dann noch diese Ansichten. Verzeihen Sie, ich hätte das nicht so deutlich werden lassen sollen. Aber wenn Sie mir sagen, wo genau Sie hin müssen, dann zeige ich Ihnen gerne, dass wir Engländer ein sehr hilfsbereites Völkchen sind und vor allem zu unseren Nachbarn.«, lächelte die junge Frau.

Der Einzug – oder wo das Chaos wohnt

[…]

Die Tür wurde aufgerissen und ein hochgewachsener junger Mann mit rotem langem Haar, welches ihm in Strähnen vor dem Gesicht hing, die Wangen hoch gerötet und mit einem wütenden Ausdruck in den stechend grünen Augen stand vor Naoise und blickte auf diesen keuchend herab. Das wohl merkwürdigste war doch, dass er in einem Kilt stand. Ein Schotte? Der Kerl sah wirklich so aus, wie sich wohl jeder einen Schotten vorstellen würde bis auf diesen sanften Ausdruck in den Augen.

»Was? Wer?«, kam als einziges über die vollen Lippen.

»Verzeihen Sie, Sir. Aber ich suche die Oxfortstreet 27b. Dort soll eine Studentenbleibe frei sein und ich…«, begann der Ire, doch noch er ausgesprochen hatte, wandte sich der Andere ab und neigte sich leicht nach innen und rief: »He, Doktor, da steht einer für dich vor der Tür.«

Dann verzogen sich die Lippen zu einem Grinsen und er legte eine Hand auf die Schulter des Iren, welcher etwas verwirrt blickte.

»Nun steh nicht draußen und frier, nur herein in das Paradies.«, mit diesen Worten zog er sein Gegenüber in das Innere und schloss die Tür hinter sich.

Kurz strich er sich die Haare aus dem Gesicht, band sie mit einem Gummi, welchen er um sein Handgelenk getragen hatte, zusammen. Naoise versuchte noch die Bedeutung der Worte zu begreifen, als auch schon ein stattlicher Mann mit stahlblauen Augen und nussbraunem Haar aus einer Tür in den Flur heraus trat, wobei er sich die Hände an einem Handtuch abtrocknete. Er sah etwas verschlafen aus, was besonders durch den Drei-Tage-Bart verstärkt wurde.

»Laurel, noch bin ich kein Doktor. Herr Gott nochmal. Okay, also wen haben wir denn da?«, seine Stimme war dunkel und samtig.

»Ach Papperlapapp, ist doch Nonsens, Dr. John. Das bisschen was du noch hast. Außerdem warum hast du denn sonst diese Leichen im Keller hm? Ja, ja, weiß doch jeder hier was du da unten so treibst.«, lachte Laurel und stieß Naoise leicht in die Seite. »Keine Sorge, Kleiner, war nur Spaß. Also wenn du eine Bleibe suchst, dann wendest du dich am besten an Dr. John hier, ihm gehört das Haus.«

Für einen kurzen Augenblick wusste der Ire nicht was er sagen sollte, denn dieser Scherz war doch recht makaber gewesen und die Stöße des Schotten taten doch schon etwas weh.

»Hast du nicht irgendwo einen Baum zu fällen? Einen Steingraben auszuheben?«, sprach John leicht genervt und reichte letztlich dem Neuling die Hand.

»Jonathan McCullough und der Witzbold im Röckchen ist Laurel McKinley. Und Sie sind?«

»He, das ist ein Kilt, eines jeden Schotten Stolz. Nur echte Kerle tragen keine Unterhose. Also ein bisschen Respekt Engländer!«, eine Mischung aus Ernst und Komik schwang darin.

»Urgh, das wollte keiner wissen, geschweige denn sich vorstellen.«, erklang hinter Laurel eine Fistelstimme, nur wenige Augenblicke trat ein schlanker Mann mit feuerrotem Haar und dunkelblonden Schnauzer durch die gerade geschlossene Tür.

»Und ob das Weglassen der Unterhose und Preisgeben seiner Genitalien wirklich mit Stolz verbunden sein sollte, wage ich doch zu bezweifeln. Ich nenne so etwas einfach nur Exhibitionismus oder übermäßiges Selbstvertrauen. Aber ich kann es auch gerne sexuelle Belästigung nennen, wenn du es besser verstehst.«, da bemerkte er Naoise und trat auf diesen zu, reichte ihm die Hand.

»Lawrence McNeil, aber alle nennen mich einfach nur Law. Ich studiere Jura, also kannst du dich vertrauensvoll an mich wenden, sollte dieser Grobian dir zu nahe treten. Dann verklagen wir ihn zusammen.«, lächelte er, was von dem Anderen mit einem bösartigen Knurren begleitet wurde.

[…]

Unverhofftes Wiedersehen – oder was macht der denn hier?

[…]
 

Der Zusammenstoß war der Anfang vom Ende, der Ire lag auf dem Rücken und spürte erst wenige Augenblicke später, kurz nachdem der Schmerz in Kopf und Rücken nachgelassen hatte, das Gewicht auf sich. Was Naoise zuerst sah, waren wehende strohblonde Haare und darunter verborgen solche tiefdunkelbraune Augen, dass sie schon beinahe schwarz schienen, welche erst erschrocken, dann aber verzückt auf ihn blickten.

»Ach du liebe Güte, nein, nein was haben wir denn hier?«, diese Stimme würde sich wohl ewig in sein Gedächtnis brennen, denn sie passte in keinsterweise zu dem jungen Mann.

So zart gebaut, gar feminin, so dunkel und maskulin war die Stimme, aber doch so sanft und melodisch. Naoise schien es, als würde ein Wesen Annwyns auf ihm liegen und in dessen Bann schlagen wollen. Es war so hypnotisierend, so wehrte sich der Ire nicht, als die tastenden Finger über seinen Leib fuhren. Die scharfgeschnittenen roten Lippen verzogen sich zu einem genüsslichen Lächeln, gaben den Blick auf perlenweise Zähne frei, welche nun leicht auf der Unterlippe ruhten. Dieser Moment, Naoise stockte der Atem, als das Gewicht plötzlich von ihm genommen wurde. Der Ire blieb auf dem Rücken liegen, blickte nun auf die Zimmerdecke und versuchte seine Gedanken zu ordnen, als ein Stimmengewirr ihn letztlich aus seiner Lethargie riss.

»Er ist heute erst eingezogen, vergraul ihn nicht schon wieder, Gary.«

»Wieso vergraulen? Er hat es doch genossen. Jedenfalls hat er sich nicht gewehrt.«

»Wie auch, wenn du auf ihm liegst. Der arme Kerl hat heute nun wirklich schon genug durch gemacht. Jetzt fehlt ihm noch, dass so ein launisches kleines Mädchen wie du an ihm rumfummelt. Lass ihn doch erst einmal ankommen. Laurel hat ihn schon genug entsetzt.«

»Ich bin kein launisches kleines Mädchen, ich bin nur sehr zickig und emotional flexibel, weiter nichts! Und was heißt hier, Laurel hat ihn genug entsetzt? «

»Du kennst doch Laurel, für einen Außenstehenden ist das nun wirklich…«

»Über was sprecht ihr?«

»Nigel, ich hatte mich schon gefragt, wo du bleibst.«

»Lexi hatte Probleme beim Parken. Ach du lieber Himmel, Gary, was hast du denn da schon wieder angestellt?«

»Wieso ich? Er war im Weg, da sind wir zusammen gestoßen.«

»Nun ja, aber ich denke dass kannst du als Rekord verbuchen. So schnell hattest du wohl noch keinen Mann unter dir.«

»Nicht mal Laurel, das ist wahr. Vielleicht hätte ich es mal so versuchen sollen.«

»Vergiss das mal ganz schnell, Freundchen, sonst kannst du dich mit meinem Anwalt unterhalten.«

»Law ist noch kein Anwalt, also zählt das nicht.«

»Kacke, ach das ist doch Nonsens. Dann verklag ich dich eben, wenn er fertig ist.«

»Und wer sagt dir, dass ich dir helfe?«

»Weil wir beide vom selben Schlag sind, Law. Du wirst doch nicht etwa einen Bruder im Stich lassen hm?«

»Wir sind aber keine Brüder.«

»Nicht im Blute, sondern im Geiste. Tradition und Ehre, hm? «

»Ach du liebe Güte, jetzt wird er wieder philosophisch.«

»Äh Jungs, warum liegt da einer auf dem Boden?«

Scheinbar hatten alle Naoise vergessen, welcher noch immer auf dem Boden lag und sich nicht bewegte. Plötzlich erschien das Gesicht von John über ihn, welcher voller Sorge auf ihn hinab blickte.

»He Kleiner, alles in Ordnung mit dir? Hast du irgendwo Schmerzen? Ein Taubheitsgefühl?«

Langsam richtete sich Naoise auf, schüttelte lächelnd den Kopf und erhob sich schließlich. Dann richtete er seinen Blick auf die Runde und auf die neuen Gesichter. Der junge Kerl, mit den strohblonden Haaren und der melodischen Stimme hieß Gary und neben diesem stand ein anderer, die gleichen Augen, aber ansonsten… das musste also der genannte Nigel sein. Aber wer war Lexi? Diese unausgesprochene Frage beantwortete sich nur einen Wimpernschlag später, als die Tür sich erneut schloss und er in ein längst vergessenes Gesicht blickte. Diese Augen, dieses Eisblau im rechten Auge, dieses Lindgrün links und dazu jener kecke Ausdruck. Naoise öffnete die Lippen, wollte etwas sagen, als ihm der Andere bereits zuvor kam.

»Ich glaubs ja nicht, Läusenaeuse. Lange nicht gesehen! Was führt dich nach Eton? Hä? Wundert mich, dass du noch nicht in China oder am Südpol bist.«

Alexis John Kelly, schon damals ein äußerst exzentrischer Junge, das letzte Mal hatte ihn Naoise in Belfast vor 8 Jahren gesehen und nicht wirklich vermisst. Besonders dieser ewige Spottruf: »Naeuse hat Läuse!«, war eine große Last gewesen, war doch kein Tag ohne vergangen und besonders die unteren Klassen hatte sich darüber amüsiert. Aber das war lange her, dennoch schien es der Andere nicht vergessen zu haben. So straffte der Ire seine Glieder, atmete tief durch und setzte ein gezwungenes Lächeln auf, schließlich war es die angenehmste Art dem Feind die Zähne zu zeigen.

»Hm, 1.980.364 Mal habe es dir nun schon gesagt, aber ich wiederholte es für dich gerne noch einmal, weil dein Schneckenhirn es nicht zu verstehen scheint. Das spricht man Nischa aus, nicht Naeuse, Alice.«

Sämtliche Gesichtszüge des Angesprochenen entglitten, ein kurzer Blick in die Runde und in die breitgrinsenden Gesichter, ja das Nigel laut prustend zu lachen begann, verärgerte ihn. Obwohl es für ihn das letzte Mal nicht so gut ausgegangen war, musste er beweisen, dass er es sich nicht gefallen lassen würde, dass ihn diese Waise der Lächerlichkeit preisgab.

»Vorsicht, Naoise, Vorsicht! Du weißt was das letzte Mal passiert ist, als du mich so genannt hast.«, knurrte nun seinerseits Alexis und trat drohend auf den ehemaligen Mitschüler zu.

»Ja, ich habe dir die Nase gebrochen und den linken Bankenzahn ausgeschlagen. Hat dich aber auch nicht hübscher gemacht.«, sprach Naoise leicht amüsiert und hob drohend leicht die Faust. »Aber ich rufe es dir gerne noch einmal ins Gedächtnis, falls du es vergessen haben solltest.«

»He, schon gut. Himmel, wir waren Kinder, ich dachte, dass wäre dein Spitzname! Woher sollte ich denn bitte wissen, dass du wirklich Naoise heißt.«

»Ich weiß schon, Nordiren haben es nicht so mit gälisch.«, gab dieser spitz zurück.

»Stopp mal! Halt! Jetzt nochmal langsam für uns alle.«, unterbrach Lawrence die beiden Streithähne. »Ihr zwei kennt euch von früher? Ich dachte du kämst aus L.A. Lexi und Ni hätte Irland nie verlassen?«

Alexis verdrehte entnervt die Augen. »Wie oft eigentlich noch, ich wurde in Holywood geboren und nicht in Hollywood. Ganz großer Unterschied.«

Seid er in die Gemeinschaft eingezogen war, hielt sich dieses Gerücht und irgendwie konnte er es nicht vernichten. Nun vielleicht hatte es jetzt endlich ein Ende

Lauschangriff – oder was war daran falsch zu verstehen?

[…]

Gary legte sein Ohr auf das Holz und lauschte auf das, was dahinter wohl gesprochen würde.

»Du musst dich entspannen, sonst bekomme ich ihn nicht hinein! «, murrte gerade Naoise und blickte auf den Schotten, welcher mit zusammen gebissenen Zähnen vor ihm saß. Laurels Fuß schmerzte und was sein Gegenüber da tat, war mehr als schmerzhaft, aber der Stiefel musste an, denn die Kälte würde ihm noch schlimmer zusetzen.

»Sollte ich ihn nicht besser reinstecken? «; brachte der Schotte hinter den Zähnen hervor.

Doch Naoise schüttelte energisch den Kopf.

» Er ist beinahe auf die doppelte Größe angeschwollen. Nein, nein, lass mich das lieber machen. Ich habe in solchen Dingen mehr Erfahrung. Allerdings musst du mir sagen, wie weit ich kann. «, mit diesen Worten schob der Ire den Stiefel über den Fuß. Der Knöchel passte kaum noch durch die Öffnung und so zischte und stöhnte Laurel als dieser langsam im Leder verschwand.

»Tiefer! Noch etwas tiefer! Tiiiiiiefer! «, dirigierte er, doch dann schrie er auf.

»Himmel noch eins, das war zu tief! «, keuchte Laurel und legte den Kopf zurück in den Nacken, wobei er die Luft scharf zwischen den Zähnen einsog. Naoise kannte keine Gnade und erhob sich schließlich.

»For Christ sake, so schlimm kann es wohl kaum sein. «, bei diesen Worten öffnete er die Tür und blickte überrascht auf Gary. Dieser stand keuchend vor dem Iren. Seine Erregung drückte deutlich gegen den Stoff der Hose. Von der Stirn des jungen Mannes rann der Schweiß. Die Augen fiebrig heiß, die Wangen waren gerötet und die Lippen bebten.

»Hast du nicht gesagt, dass du nicht auf Männer stehst? «, brachte der Engländer schließlich hervor.

»Hast mich abblitzen lassen, aber mit Laurel machst du es! Du bist so ein Idiot! «, schluchzend wandte sich Gary ab und lief davon.

Naoise blieb zurück und fragte sich ob er wirklich in diesem Haus richtig wäre.

[...]



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