Zum Inhalt der Seite

elleth

-Elbenmädchen-
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Prolog

Weithin reichte der Lärm eines nahen Kampfes und zerstörte die Ruhe des südlichen Düsterwaldes. Orkische Pfeile hagelten auf einen Trupp Elben nieder. Es waren nur wenige des schönen Volkes, die meisten davon Frauen, gegen gut vier Dutzend ihrer hässlichen, verstümmelten Verwandten.

Das zischende Kampfgebrüll der düsteren Orks kam immer näher. Aus den Baumreihen ringsherum drangen sie vor, ihre grobgeschmiedeten Schwerter schwingend, die nur zum Dreinschlagen und Zertrümmern, aber nicht zum Kämpfen geschaffen worden waren.

Mit bewegungsloser Miene sah der Elbenhauptmann, hochgewachsen, feines, blondes Haar, gekleidet in Düsterwaldtracht, dem Angriff auf seinem edlen Pferd entgegen. Er wusste, dass die Aussicht schlecht war, lediglich sechs Krieger standen ihm zur Verfügung. Der Überfall kam völlig überraschend. Seit dem großen Krieg gegen Sauron hatten sich keine Orks mehr so weit in den elbischen Teil Düsterwalds vorgewagt.

Er hörte die leisen Seufzer der Frauen, wenn sie verwundet fielen und die schrillen Schreie der Feinde. Überall Leichen und schon wieder fiel ein Krieger von Pfeilen getroffen. Es war der letzte Bogenschütze gewesen. Eine Elbin sah kurz schmerzerfüllt zu dem schönen Schützen hinab, dann nahm sie den Bogen und trat an seine Stelle.

Verbissen versuchten die Elben ihre Gegner zurückzudrängen. Sie hatten viel zu verlieren, sehr viel.
 

Suchend blickte der Hauptmann sich um. War sie schon gefallen? Nein. Sein Blick blieb an einer jungen Frau hängen, einer Menschenfrau. Den Elben an Schönheit ebenbürtig mit ihrem welligen, flachsblondem Haar, das ihre Schultern sanft umschmiegten und einem feinen, ebenmäßigen Gesicht. Ihre elegante Haltung verriet ihre Abstammung aus hohem Geschlecht. Einer zarten Blume gleich, stand sie inmitten gefallener Elbinnen, auf deren schöngewirkten Kleidern sich ihr eigenes Blut dunkel abzeichnete.

Die junge Frau hatte Entschlossenheit in den Augen, als sie ihr kleines Kind an sich drückte und mit der freien Hand ein Schwert vor sich hielt. Sie war bereit ihr Kind bis zum letzten Tropfen vor den herannahenden Orks zu schützen.

"Ioreth, mabo 'waew!"[1]

Die Frau blickte zu dem Hauptmann, der mit seinem Hengst auf sie zukam. Eilig sprang der Elbenkrieger ab und half Ioreth, die ihm ängstlich ind die Augen schaute, auf das weiße Pferd. Liebevoll streckte er seine Hand nach ihr aus und strich ihr über die Wange. Ein zuversichtliches Lächeln huschte kurz über seine sonst starren Lippen, das schnell wieder verflog.

"drego!"[2]

Klatschend landete seine Hand auf der Kruppe von Gwaew und hastig galoppierte dieser davon. Ioreth schaffte es gerade noch ihr Kind sicher zu halten und sich selber trotzdem an die Mähne zu klammern. Über die Schulter warf sie noch einen flüchtigen Blick zu ihrem Gemahl, der sich wieder in den Kampf stürzte.
 

Mehrere Orks rannten der davoneilenden Reiterin nach, verschossen Pfeile und brüllten laut in ihrer grässlichen, Ekel erregenden Sprache. Unter all dem Geschrei konnte Ioreth einen Satz ganz deutlich heraushören und er jagte ihr Angst ein, mehr Angst, als jemals zuvor. Der Anführer der Orks, ein großes, besonders hässliches Exemplar, dass drohend sein Schwert schwang und die schwarzen, fauligen Zähne wie ein Raubtier entblößte, schrie ihr in gebrochenem Sindarin nach.

"Anno i chên!"[3]

Das Kind, sie wollten das Kind. Angstschweiß brach auf Ioreths hoher Stirn aus. Nein, niemals würde sie es ihnen geben und wenn sie es selber töten müsste. Der Tod war allemal besser, als Gefangener dieser schrecklichen Kreaturen zu sein.

Ohne auf Gwaew zu achten, gab sie ihm die Sporen. Fast schon brutal bohrte sie ihre Fersen in seine empfindliche Flanke, nur damit er schneller lief. Weg nur weg von diesem Ort. Das Kind würde sie ihnen nie geben, eher wählte sie den Tod.

Zischend flog ein Pfeil durch die Luft. Erstickt unterdrückte Ioreth den Schmerzensschrei, als das orkische Geschoß sich in ihren Rücken bohrte. Gwaew ritt unbeeindruckt weiter. Wenigstens das Kind sollte in Sicherheit sein.
 


 

Ihr Herz war schwer und verkrampfte sich unter Schmerzen. Er war tot, sie spürte es, diese unendliche Leere tief in ihrem Inneren. Ihr Gemahl war gefallen.

Tapfer hielt sie sich an der Mähne, des nun schreitendes Pferdes fest. Ihr Blick verblasste allmählich, angesichts des hohen Blutverlustes. Ihre Hand strich über das Fell des Schimmels welches durchgeschwitzt, feucht und blutverklebt war.

Zaghaft wagte Ioreth einen Blick über die Schulter. Der Düsterwald verblasste immer mehr, war bald nichts weiter, als ein weit entfernter Schatten, der sich in die verschwommene Gegend um sie herum einfügte und dennoch konnte sie Orkgebrüll hören.

In ihrem Kopf drehte sich alles und mit Mühe schaffte sie es noch, das kleine Bündel Leben in ihren Armen festzuhalten. Gwaew verfiel immer mehr in einen sehr langsamen Schritt, aus Furcht seine Reiterin könnte herunterfallen. Mittlerweile hing diese mehr, als dass sie saß. Als der treue Elbenschimmel schließlich stehen blieb, blickte die blonde Frau auf. Ihre Haare lagen wirr im Gesicht und aus matten Augen sah sie nur noch flimmernde Schatten. Irgendwo aus weiter Ferne, spürte sie Hände, die nach ihr griffen. Sie war zu schwach sich noch zu wehren.

"Nicht meine Tochter", flüsterte sie mit dünner Stimme.
 

"Hohe Frau?"

Dumpf drang die Frage durch den Nebel. Langsam öffnete Ioreth die Augen. Ihr Körper schmerzte so sehr und sie musste ihr Herz zwingen, noch weiter zu schlagen.

"Lalven?"

Verwirrt blickte sie mit ihren Augen umher und musste schließlich erkennen, dass sie nicht wusste, wo sie war. Sie lag am Fuße einer hochgewachsenen Buche und starrte in das gelöcherte Blätterdach. Leicht wehte der Wind zwischen den Blättern und erschuf immer neue Muster des einfallenden Lichtes. Es war ruhig, nur wenige Vögel zwitscherten, idyllisch und friedlich, weit weg von der Schlacht. Wie schön wäre es, wenn Lalven, ihr geliebter Gemahl auch hier wäre.

Ein Schatten beugte sich über sie und wischte ihr den Schweiß von der Stirn.

"Hohe Frau?" fragte jener erneut und Ioreth schaute ihn an.

Es war ein dicklicher Mann, bäuerlich gekleidet und mit freundlichem Gesicht.

"Meine Tochter?"

Mit letzter Kraft versuchte die junge Frau sich aufzubäumen, wurde jedoch sanft zurück in das weiche Moos gedrückt.

"Macht euch keine Sorgen. Sie ist hier." Der ältere Mann wich zur Seite und gewährte ihr den Blick auf ein größeres Nest aus Moos und Stoff, indem das kleine Mädchen ihre winzigen Händchen in den Himmel streckte, als wolle sie die entfernten Blätter pflücken.

Ioreth lächelte erleichtert und voller Liebe. Sie war froh, dass es ihrem Kind gut ging und doch war sie voller Trauer. Die Wunde war tief und blutete unaufhörlich. Sie spürte wie der warme Lebenssaft unaufhörlich den Waldboden unter ihr tränkte und begierig vom Moos aufgesogen wurde. Sie würde sterben, wenn nicht an der Wunde, dann an ihrem gebrochenen Herzen. Lalven war tot und ohne ihn zu leben sinnlos, egal wie sehr sie versuchte für ihre Tochter zu überleben.

Zitternd legte sie ihre bleiche, fast durchscheinende Hand auf den Arm des Fremden.

"Bitte, kümmert euch um mein Kind. Nie darf sie gefunden werden. Niemand darf wissen, wer sie ist."

Ihre Stimme war sehr schwach und ihr Ende unausweichlich.

"Hohe Frau, was redet ihr? Ihr werdet euch selber um die Kleine kümmern können."

Ioreth lächelte schwach.

"Ich wünschte, es wäre so, aber der Schmerz ist zu groß und mein Herz so schwer."

Ihre Augen begannen feucht zu glänzen und Sehnsucht loderte in ihnen auf, doch wurde ihr Blick immer leerer.

"nae Lalven! irannen ven adertho. daritham am Ioreth i gen mil?"[4] seufzte sie immer leiser werdend, bis ihre Augen sich für immer schlossen und ihr Herz unter der Last endgültig stehen geblieben war. Betroffen senkte der Mann sein Haupt. Für alle Ewigkeit war das Licht der Herrin Ioreth aus Dol Amroth von Mittelerde verschwunden.
 

Mit dem blondgelockten Kind auf dem Arm stand Maurin, Bauer aus Gondor am Grab der schönen Unbekannten. Eigentlich wollte er nur an den westlichen Rand von Düsterwald, wo eine besonders widerstandsfähige Weizenart wild wuchs und eine reiche Ernte in der derzeitigen Dürreperiode sichern könnte, doch nun stand er vor einem aufgehäuften, in die Länge gezogenen Erdhügel, an dessen Ende eine kugelige Figur aus Steinen stand.

Bedauernd sah er auf das Kind in seinen Armen nieder. Es war schon seit einiger seltsam ruhig und blickte stumm auf das Grab seiner Mutter. Wusste es, dass seine Mutter tot war? Vorsichtig begann er das Kind zu wiegen, als er zu dem Grab sprach.

"Macht euch keine Sorgen. Ich werde euer Kind aufziehen und beschützen, als wäre es mein eigenes."

Ein lauter Seufzer schlich sich aus seiner Kehle, als er die spitzen Ohren des kleinen Mädchens sah. Sie war zwar nur eine Halbelbe, aber auch unsterblich und er nur ein einfacher Mann. Welches Versprechen hatte er gegeben? Wenn der Tod ihn im Alter holt, wird sie wahrscheinlich immer noch ein Kind sein. Es war unmöglich sie ihr ganzes Leben zu beschützen und bewahren, aber wie konnte er einer Sterbenden den letzten Wunsch abschlagen?

Maurin schüttelte energisch den Kopf. Er beschloss sich Hilfe zu holen bei den Zauberern aus Isengard. Die wüssten sicher, was zu tun wäre, wenn die Zeit gekommen war.
 

[1] "Ioreth, nimm Gwaew!"

[2] "Flieh!"

[3] "Gib das Kind" -> is ja gebrochenes Sindarin ^^

[4] "Ach Lalven, ich wünschte wir wären wiedervereint. Wirst du auf Ioreth warten, die dich liebt?" -> sinngemäß sollte es so heißen, tut es aber wohl nicht ^^°

Elbenseele

Pausbäckige, dunkelgelockte Kinder spielten auf den saftiggrünen Hügeln, in denen die höhlenartigen Hobbithäuser gehauen worden waren. Rauchwolken stiegen in den Himmel auf und üppig wachsende Gemüsepflanzen standen vor den runden Eingängen.

Pfeifend und mit sich selbst zufrieden spazierte ein alter, aber rüstiger Mann durch das Auenland, Heimat der friedlichen Hobbits. Unter seinem spitz zulaufendem Hut mit der breiten Krempe, quoll grau-weiß geschecktes Haar hervor. Sein grau-blauer Mantel schleifte bei seinen weit ausholenden Schritten über den Boden und ließ ihn wie einen verarmten Wanderer wirken; doch seine äußere Erscheinung trog. Er war einer der mächtigsten Zauberer Mittelerdes, nur Saruman der Weiße, Herr von Isengard war ihm noch überlegen. Hier, im Auenland nannte man ihn Gandalf, doch die Person, die einige hundert Meter hinter ihm herlief, kannte ihn als Mithrandir.

Der Zauberer bog in einen sandigen Weg ein, der etwas von den anderen Höhlen wegführte. Zielstrebig steckte er seinen knorrigen Stab vor jeden seiner Schritte, bis er zu einer recht großen Höhle kam. Auch der Garten davor war ausladender, als die anderen. Er stand nun vor Beutelsend, Wohnstätte der Beutlins.

Rechtzeitig zur Abenddämmerung hatte er es erreicht, denn die Sonne verglühte bereits im Westen, wo die Unendlichen Lande, Paradies der Elben, lagen.

Amüsierte Falten bildeten sich um seine Augen, in denen die Weisheit von Generationen und Völkern leuchteten, als er einen kleinen Hobbit geschäftig zwischen Tomaten und Kartoffeln umherwuseln sah.

"Bilbo, mein Freund."

Der Hobbit blickte auf. Zwischen seinem dunklen Haar schimmerten ergraute Locken und aus seinem Gesicht sprach pure Gemütlichkeit, die im Gegensatz zu der Abenteuerlust in seinen freundlichen Augen stand. Ein lautes, erfreutes Lachen drang aus der Kehle des leicht pummeligen Halblings, als er aufsah und den Ankömmling entdeckte.

"Gandalf."

Mit seinen haarigen, riesigen Füßen flitzte er schneller zum Gatter, als seine Größe und Statur vermuten ließen.

"Komm rein! Ich mach uns Tee. Wir haben uns lange nicht mehr gesehen, mindestens drei Jahre." Amüsiert und gleichzeitig überrumpelt folgte Gandalf dem wild gestikulierendem Bilbo zur runden Tür aus stabilem, grün bemaltem Holz.

"Mithrandir!"

Der Zauberer drehte sich zu der Person, die ihn gerade gerufen hatte.

"Hast du nicht etwas vergessen?"

Ein empörtes Blitzen fuhr durch Gandalfs Augen.

"Meine liebe Tuilinn, ein Zauberer vergisst nie etwas", tadelte er das junge Mädchen, welches wütend über Zaun und Garten zu ihm schaute.

Sie stützte ihre Hände so schwungvoll in die Hüften, dass ihre mittelblonden, leicht gelockten Haare kurz aufwippten.

"Ach nein? Du hast mich immerhin in Bree vergessen. Hätte Butterblüm mir nicht gesagt, wo du hin wärst, hätte ich dich nie gefunden."

Gandalf lächelte versöhnlich.

"Verzeih, aber ich fand es gut, wenn du gezwungen wärst, schnell zu gehen."

Tuilinn grummelte verhalten. Diese Art der Erziehung gefiel ihr nicht.
 

Etwas zog an Gandalfs Mantel und wissend blickte er hinab zu Bilbo, dem die Frage förmlich ins Gesicht geschrieben stand.

"Bilbo Beutlin, darf ich dir Linn vorstellen?"

Der Hobbit trat hinter dem Zauberer hervor und musterte das Mädchen, das ihn mit hochgezogener Augenbraue ansah. Er empfand sie als äußerst hübsch, für einen Menschen. Ihre schlanke, hohe Gestalt und ihre Haltung strahlte etwas sehr Vornehmes aus, während ihre grün-blauen Augen, die mittelblonden Haare, die ungebändigt und leicht wirr über ihre Schultern hingen und das dunkelgrüne, knielange Reisegewand mit dem grauen Mantel und den hohen Stiefeln etwas Verwildertes an sich hatte.

Ihr Interesse war nicht weniger unverhohlen. Überall in diesem Landstrich wimmelte es von Hobbits. Sie waren bedeutend kleiner als Menschen, etwas mehr, als die Hälfte und von meist rundlicher Statur, ein sehr bäuerliches Volk mit dunklen Locken und freundlichen Gesichtern und das Exemplar vor ihr, schien nicht anders zu sein, bis auf seine Augen. Der Glanz darin war anders, als bei denen, die sie auf der Jagd nach Gandalf bisher getroffen hatte. So voller Neugier und Fernweh. Es war unverkennbar, dass er schon viel gesehen hatte. Viele Gegenden und Völker, unter anderem auch Elben, dass verriet das Leuchten. Tuilinn wusste in den Augen von Elbenfreunden fand man den Sternenhimmel wieder. Mithrandir hatte solche und auch bei Maurin, ihrem längst verstorbenen Ziehvater, waren sie vorhanden.

Der gute, alte Maurin, mit Wohlgefallen dachte sie an ihn. Ein langes, erfülltes Leben hatte er gehabt, über hundert Jahre, sehr lange für einen Menschen, einen ewig Sterblichen. Kein Mensch war ihr jemals wieder so nah ans Herz gerückt, wie er, nicht in all den Jahrzehnten seit seinem Tod und viele vergängliche Generationen von ihnen hatte sie erlebt.
 

Sie schreckte auf, als Gandalf ihren Namen rief. Ein amüsiertes Lächeln lag auf seinen Lippen, die von einem ergrauten Bart umrahmt waren.

"Steh da nicht so rum! Komm endlich rein!"

Das Mädchen nickte und betrat den Garten. Sie registrierte ihre Umgebung kaum und dennoch würde sie sich noch nach Jahrhunderten später daran erinnern, wie prächtig er gewesen war und wie schön alles gedieh und sie würde sich an den Gärtner erinnern, der sie, zwischen Beerensträuchern, argwöhnisch gemustert hatte. Ein älterer Hobbit, dicklich und gemütlich, der einem jüngeren, der bei ihm stand, wohl bis zu ihrer Ankunft etwas erklärt hatte.

Vor Bilbo verneigte sich Tuilinn höflich ihren Kopf.

"Ich grüße euch Bilbo Beutlin. Möge euer Leben und erfüllt sein."

Sie konnte das zufriedene Lächeln auf seinen Lippen sehen. Höflichkeiten, waren jedem Hobbit eine Freude und so verneigte auch er sich.

"Seid auch gegrüßt und willkommen in Beutelsend."

Er hieß seine beiden Gäste hereinkommen.
 

Das Haus war äußerst klein für so hochgewachsene Personen wie Gandalf und Tuilinn. Gebückt folgten sie dem munteren Bilbo in das Wohnzimmer, welches etwas höher war, als der Rest des Hauses. Dort hieß dieser sie an den Kamin setzen, in dem ein kleines Feuer für die hereinbrechende Nacht einzündet war.

"Ist Frodo nicht da?" fragte der Zauberer schließlich, als er eine schöngeschnitzte Pfeife aus seinem Mantel hervorzog und begann sie mit Pfeifenkraut zu stopfen.

Bilbo unterdessen wuselte in der Küche herum und bereitete das Abendessen. Er liebte das Kochen fast so sehr, wie das Essen.

Vorsichtig entzündete der alte Mann mit einem glühenden Span seine Pfeife und zog nachdenklich daran.

"Wie lange kennt ihr euch?"

Gandalf schaute zu seinem Schützling neben sich. Das kleine Kaminfeuer warf ein Spiel aus warmen, orangefarbenem Licht und Schatten auf ihr Gesicht. Man sie ihr ihre Herkunft nicht an. Ihre blonden Haare waren sorgsam so gelegt, dass sie zumindest die obere Hälfte ihrer Ohren verdeckte und die menschliche Gesellschaft hatte das elbentypische Leuchten mit der Zeit erblassen lassen. Noch nie hatte sie einen ihres Volkes gesehen und Gandalf schallt sich innerlich dafür. Sie war gerade erst erwachsen geworden und konnte weder die Sprache, noch die Gepflogenheiten der Elben. In diesem Punkt hatte er versagt, so auch Saruman und Radagast.

"Ich weiß nicht mehr, schon sehr lange, selbst für mich und für einen Hobbit ganz bestimmt", antwortete er schließlich. Tuilinn drehte ihr Gesicht zu ihm.

"Dann seid ihr sehr gute Freunde nicht?"

Der alte Mann nickte.

"Weiß er es?"

Gandalf nahm einen tiefen Zug und blies die Rauchwolke in Form eines galoppierenden Pferdes ins Feuer.

"Nein. Niemand weiß es und es ist momentan gut so."

Seine Hand streichelte seinen grauen Bart.

"Jeder sieht in dir nur einen Menschen, auch er."

Das Mädchen nickte verstehend und blickte an Gandalf vorbei in die Küche.

"Er ist nett", bemerkte sie.

"Ja, das ist er, wie die meisten Hobbits, aber er besonders."

Tuilinn sah, wie der Hobbit immer wieder umher lief und viele Speisen in Schüsseln und auf Tellern umher trug. Erstaunt stieß das Mädchen den alten Mann in die Seite und deutete zu dem Hobbit.

"Wer kommt denn noch?"

Das kehlige Lachen von Gandalf verwirrte sie nur noch mehr. Was war denn an ihrer Frage so lustig? "Niemand, dafür ist es noch zu wenig."

Skeptisch hob Tuilinn eine ihrer hellen Augenbrauen. Noch zu wenig? Gandalf lachte immer noch.

"Hobbits sind sehr gute Esser, wie du sehen wirst", erklärte er fröhlich.
 

Erschrocken fuhr Tuilinn herum, als die Tür aufsprang und ein weiterer Hobbit das Haus betrat. Er sah Bilbo nicht unähnlich, nur eben bedeutend jünger. Seine blauen Augen stachen unter den braunen Locken und geraden Brauen deutlich hervor und gaben ihm eine Ausstrahlung, die sich sehr von den anderen seines Volkes unterschied. Verwundert blieb der junge Hobbit stehen und starrte das Mädchen an. Erst, als er Gandalf erkannte, vermochte er sich zu lösen. Der alte Zauberer lächelte.

"Frodo mein Junge, schön dich wiederzusehen."

Der Angesprochene verneigte sich und lachte dann laut.

"Gandalf!"

Stürmisch stürzte er auf den Grauen zu und umarmte ihn freundschaftlich, als Bilbo zum Essen rief.
 

"Wie lange werdet ihr bleiben?" fragte Bilbo beiläufig, als er und Gandalf gemütlich am Kamin saßen und Pfeife rauchten.

Der Gefragte zog tief ein und blies den blauen Dunst nachdenklich in die Luft.

"Nur diese Nacht. Wir waren im Norden und sind nun auf dem Weg nach Gondor. Ich dachte nur, da wir ohnehin nahe des Auenlandes sind, könnte ein Besuch bei alten Freunden nicht schaden."

Der Hobbit nickte verständig und ein mildes Lächeln huschte über seine schmalen Lippen, während er im Augenwinkel das Mädchen und seinen Neffen, der auch sein Zögling war, beobachtete.

Beide saßen etwas entfernt um einen Tisch und spielten Schach. Sie lachten und scherzten zusammen. Es war eine Freude ihnen zuzusehen, doch etwas machte ihn an diesem Menschenmädchen stutzig.

"Deine kleine Schülerin scheint noch sehr jung zu sein."

Innerlich lachte Gandalf. Für eine Elbe, war sie tatsächlich jung, aber von den Hobbitgenerationen hatte sie schon so einige miterleben können.

"Nun ja, Linn hat das Erwachsenenalter gerade erst erreicht, aber sie ist manchmal noch sehr kindlich."

Auch er sah nun wohlwollend zu seinem Schützling und Frodo hinüber. Die Jugendlichen lachten sich nun beide an und Frodo sah dem Mädchen tief in die grün-blauen Augen.

Frodo stutzte. Ihre Augen glichen tiefen Bergseen, in deren eisiges, ruhiges Wasser er nun hineinstieß. Die Kälte um ihn herum betäubte alles und er tauchte immer weiter in die Dunkelheit. Lichter schossen auf ihn zu, Sternschnuppen gleich. Ihre Berührungen waren angenehm, sie weckten seine Sinne wieder und dann sah er ihn, den größten und schönsten Stern, den er je gesehen hatte. Weißes Licht, kalt und warm zugleich, strahlte jener aus. Frodo versuchte ihn zu berühren. Einen einzelnen Strahl berührte er mit seiner Fingerkuppe, dann verschwamm alles wieder. Linn hatte geblinzelt und sah ihn nun überrascht an.

"Frodo, ist alles in Ordnung?"

Verwirrt nickte dieser. Was war es nur, was er da gesehen hatte?

Den Rest des Abends blieb er still und starrte sie förmlich an, was Linn zusehends verunsicherte. Als sie schließlich in ihrer Nervosität einige Schachfiguren vom Tisch fegte und diese polternd auf dem Boden aufschlugen, weckte sie Gandalfs Aufmerksamkeit.

Stirnrunzelnd betrachtete er mit physischem und psychischem Auge den jungen Hobbit, der sich kaum rührte. Frodo war tief beeindruckt und leicht erschrocken von dem, was er gesehen hatte, aber gesund. Er hatte etwas gesehen, was nur wenige jemals erblicken durften: das Wesen der Elben.

Es war nicht schlimm, niemand würde einen Schaden davontragen, sie würden sicher nicht einmal verstehen, was es gewesen war, aber er wusste nun, dass Linn nicht länger in seiner Obhut verbleiben konnte. Die Zeit war gekommen, die Maurin so befürchtet hatte. Tuilinn musste zurück zu ihresgleichen. Der magische Deckmantel, der ihre Abstammung versteckte, begann zu bröckeln und noch einmal würde Saruman sich weigern ihn zu erneuern und er selber war zu schwach dafür. Gandalf war ohnehin der Meinung, dass es für das Mädchen besser wäre unter Elben zu leben. Sehr lange schon kannte er Tuilinn und er spürte, wie einsam sie war. Zu Menschen pflegte sie, wenn überhaupt, nur oberflächliche Beziehungen. Zu groß war noch der Schmerz, als sie Maurin verlor und auch dessen Tochter Milwa altern und sterben sah in dem Wissen, dass sie selbst nie wirklich älter werden konnte und auch nie sterben würde. Alles um sie herum verging. Es war, als säße man für alle Ewigkeit inmitten eines Blumenfeldes, dass jedes Jahr blühte und verblühte. Ein Kreislauf, in dem man nicht eingreifen konnte. Solange Tuilinn unter Menschen versteckt wurde, würde sie diesem Kreislauf immer zusehen müssen, aber sie war kein Teil davon. Das Schicksal der Menschen berührte sie, bohrte sich mit jeder vergehenden Generation wie ein Stachel immer tiefer in ihr Herz.

Der Graue seufzte mitleidig. Linn musterte Frodo immer noch verwirrt. Sie hat noch nicht verstanden, was geschehen war. Selten hatte jemand ihr wahres Wesen gesehen. Gandalf nahm seinen Stock in die Hand und schlug mit der Spitze krachend auf den hölzernen Boden. Frodo schreckte auf und sah den Zauberer verwirrt an.

"Es ist nicht unbedingt höflich, ein junges Mädchen so anzustarren, mein lieber Frodo."

Gandalf lachte. Ein roter Schimmer stahl sich in das Gesicht des jungen Hobbits und leise murmelte er eine Entschuldigung. Hatte er sie wirklich angestarrt? Es war ihm schrecklich peinlich und das Lachen von Gandalf und Bilbo machte es nicht gerade besser. Er entschuldigte sich rasch und ging zu Bett.
 


 

Die warme Spätsommersonne stand am Himmel, als Gandalf und sein Schützling sich wieder auf den Weg machen wollten. Bilbo und Frodo standen vor der Haustür und sahen zu den Großen auf. Linn schwieg, genauso wie Frodo. Seit gestern Abend war der junge Hobbit verändert. Er war stiller und Bewunderung lag in seinen Augen, die noch heller strahlten, als am Tag zuvor. Lag es an ihr? Was hatte sie getan?

Die Verabschiedung dauerte einige Zeit; vor allem Bilbo wollte seinen Freund so schnell nicht wieder gehen lassen. Erst als dieser ihm versicherte auch wirklich zu seinem Ehrentag zu kommen, konnte Gandalf seine Wanderschaft fortsetzen.
 

Stumm schaute Frodo Beutlin den beiden Großen lange nach, bis jemand ihn anrempelte. Überrascht drehte der Hobbit sich zu der Person um, die sich gerade mehrfach entschuldigte. Ein Lächeln huschte über seine Lippen.

"Samweis Gamdschie", tadelte er gespielt, "kannst du nicht aufpassen, wo du hinläufst?"

Der dicklichere Hobbit mit den helleren Haaren schaute geknickt drein.

"Herr Frodo, bitte verzeiht. Ich hab euch nicht gesehen. Es tut mir wirklich leid."

Angesichts des reumütigen Gesichts, welches sein junger Diener hatte, konnte Frodo sich ein Lachen nicht verkneifen.

"Schon gut, Sam, aber woher stammt deine Unachtsamkeit, es ist doch sonst nicht deine Art." Verwirrt blinzelte Sam.

"Ich ähm... ich habe dem Mädchen nachgeschaut. Sie hatte so was an sich, wenn ihr versteht..." Er stockte einen Moment und schüttelte den Kopf. "Ach woher sollt ihr denn, ich versteh es ja selber nicht, aber sie hatte so was, was ich nicht erklären kann, nur nicht menschlich. Nicht dass ich schon viele Menschen gesehen hätte, aber die waren ganz sicher nicht so."

Krampfhaft rang er nach den richtigen Worten und verhaspelte sich immer weiter, bis er tief Luft holte und seine Gedanken auf den Punkt brachte.

"Meint ihr, sie war eine Elbin? Denn wenn alle Elben so was haben wie sie, würde ich sie gerne mal sehen."

Frodo lächelte seinen Diener freundlich an.

"Du und deine Elben", meinte er spöttisch, bevor eine kratzige, alte Stimme Sam zurück zur Arbeit rief.
 

Besorgt schielte Gandalf zu seiner Begleitung hinüber, die mit gesenktem Kopf etwas hinter ihm ging.

"Hast du etwas?"

Linn schreckte auf und trabte schnell neben den alten Mann. Fragend blickte sie zu ihm auf.

"Wieso war Frodo so komisch? Hab ich etwas Schlimmes gemacht?"

Überraschend blieb Gandalf stehen und drehte sich zu dem verwirrten Mädchen. Seine Mimik war ernst und machte ihr etwas Angst.

"Nein, hast du nicht, wenigstens nicht absichtlich."

Linn wich einen Schritt zurück.

"Er hat wohl nur deine Elbenseele gesehen."

Das Mädchen wich noch einen Schritt, stolperte und landete unsanft auf dem sandigen Boden. Alle Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen und ihre Augen waren weit aufgerissen.

"Wird es ihm schaden?"

Ihre Stimme überschlug sich fast vor Zittern. Sie hatte solche Sorge um Frodo. Überrascht blinzelte Gandalf, über ihre Reaktion. Hatte er ihr wirklich solch einen Schrecken eingejagt? Versöhnlich lächelte er.

"Mach dir keine Sorgen! Es wird ihm nicht schaden, ganz sicher nicht. Nun wird er von allen Elben als elvellon, als Elbenfreund erkannt. Ich glaube nicht, dass ihm das jemals ein Schaden sein dürfte." Erleichtert atmete Tuilinn aus. Tadelnd sah sie zu dem alten Mann auf. Dass er ihr so eine Furcht einjagen musste. Sie hatte schon Angst gehabt, Frodo verhext zu haben oder so etwas Ähnliches. Ruckartig stand sie auf und klopfte sich den Staub von der Kleidung.

"Musst du mich dann so erschrecken?"

Zornig blickte sie auf und bemerkte, dass Gandalf sie immer noch ernst ansah. Irritiert hob sie eine schmale Braue. Der Graue antwortete sofort auf ihre stumme Frage.

"Frodo konnte Sarumans Zauber durchschauen und wenn er das kann, können andere das auch." Wieder wurde sie blass und sah ihn besorgt an.

"Und was nun? Kann man das nicht auffrischen?"

Zu ihrer Enttäuschung schüttelte er den Kopf.

"Nein, das wäre nicht gut. Es ist eben doch nur eine Täuschung für eine Welt, in die du nicht gehörst. Lass uns erst mal schnell nach Isengard zurückkehren, danach sehen wir weiter."

Unbeirrt ging Gandalf weiter. Sein Entschluss stand nun endgültig fest. Er würde Tuilinn in die Obhut der Waldelben übergeben. Dort konnte sie dass sein, was sie war und war nicht länger mit den Menschen und ihrem Schicksal konfrontiert.

Sindarin und andere Probleme mit Elben

Eilig ritt ein Trupp Elben über die lange Straße von Düsterwald nach Isengard, wo sie bereits erwartet wurden. Gandalf der Graue persönlich hatte an Thranduil Herr von Düsterwald und König der Waldelben eine Nachricht geschickt. Elinol, Hauptmann der Reiter, runzelte seine schöne Stirn. Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, was einen so langen Weg wert war. Sein Herr hatte ihm nichts Näheres verraten.

Er drehte seine dunkelgrünen Augen zu einem weiteren Elben, der gerade zu ihm aufschloss. Er erkannte Tawarên, seinen treuen Freund.

"Elbische Pferde sind zwar ausdauernd, aber dieser Galopp wird selbst ihnen nicht gut bekommen", ermahnte der Grauäugige. Elinol zog die dunklen Augenbrauen zusammen und verlangsamte sein Tempo.

"Du hast Recht."

Tawarên grinste.

"Sicher hab ich das. Hab ich doch immer. Aber sag..." Er machte ein ernstes Gesicht und sah seinen Hauptmann durchdringend an. "...weshalb die Eile? Willst du so schnell zurück? Sei doch froh, dass du für einige Zeit nicht die Grenze bewachen musst. Oder liegt es vielleicht an Eliant? Du willst wohl den Rest unserer Zeit in Bruchtal verbringen, bevor wir nach Düsterwald zurückmüssen?"

Elinol gab seinem Pferd Norui die Sporen, so dass es ein Stück vortrabte und er sich den Fragen seines Freundes entziehen konnte. Natürlich war er froh einige Zeit keine Wache schieben zu müssen, aber es machte ihn neugierig, was so wichtig war, dass vier Elbenkrieger quer durch ein reines Menschengebiet reiten mussten.
 

Elinol stoppte sein Pferd und zwang somit auch die anderen Elben hinter ihm anzuhalten.

"Was ist los Hauptmann? Stimmt etwas nicht?", fragte Ithildin, dem das plötzliche Halten etwas verstimmte.

Er war nun schon lang genug Grenzwache, um hinter jedem Stein einen Ork, Troll oder Schlimmeres zu vermuten. Elinol drehte seinen honigblonden Schopf zu seinem Untergebenen um und musterte ihn streng. Ithildin sollte gefälligst Ruhe bewahren und seinen Unmut für sich behalten. Neben dem Grenzwächter, in seiner grünen Kleidung und dem grauen Mantel darüber, der am Rücken von Köcher, Bogen und einem Schwert mit weißem Griff und schmaler, silber-weißer Klinge, zusätzlich an den Körper gedrückt wurde, löste sich Lagor, Tawarêns Pferd und schritt zum Hauptmann.

"Wieso hältst du?"

Elinol sah seinen Freund nicht an, dennoch bemerkte dieser das blaue Leuchten in seinen Augen. Er konzentrierte sich auf etwas in der Ferne.

"Siehst du, der Orthanc und Isengard?"

Tawarên stutzte. Noch etwa zwei Wegstunden vor ihnen, ragte, umgeben von üppigem Wald, ein weißer Turm, wie eine Nadel, in den Himmel. Gleich einem Spinnennetz, umrahmten gepflasterte Wege das bizarre Gebäude. Das war sie also, Heimstätte von Saruman und Sitz der Zauberer von Mittelerde.

"Da müssen wir hin."

Tawarêns Augen folgten Elinols Arm, den er nun ausgestreckt vor sich hielt. Allerdings zeigte er nicht auf den Orthanc, sondern auf einen Fleck dahinter. Der etwas jüngere Elb mit den grau-grünen Augen runzelte die Stirn.

"Nicht zum Orthanc?"

Der Hauptmann schüttelte seine langen, glatten, honigblonden Haare.

"Nein, wir müssen zum Waldrand dahinter."

Er gab Norui die Sporen und galoppierte weiter voraus. Tawarên, Ithildin und Dhoron seufzten, folgten ihm dann aber doch.
 

Auf die Umgebung konzentriert und dennoch gelassen ritt Elinol durch den Wald. Der Weg war schmal und wie ein Baldachin verschränkten sich die Äste, über den Elbenköpfen, ineinander. Nur gelegentlich drang die Sonne in ihrer vollen Pracht durch die Kronen, sonst nur einige Strahlen, die allem eine angenehm schattige Atmosphäre gaben. Buntes Vogelgezwitscher und einige Rehe, die, durch die Bäume hindurch, interessiert zu den Ankömmlingen blickten, gaben dem Frieden den letzten Schliff.

Dhoron, ein recht junger Elb, dessen Haare etwas dunkler waren, als die der anderen, richtete seine Augen geradeaus. In der Ferne, unter einer großen Eiche, hatte er etwas entdeckt. Die graue Farbe des Mantels war im dunklen Schatten kaum erkennbar und doch handelte es sich hierbei um eine Person.

"Hauptmann seht!"

Elinol nickte knapp.

"Ich habe es bereits gesehen. Es ist Mithrandir."

Der alte Mann erwartete sie bereits. Aufgerichtet stand er im Schatten des großen Baumes, der den Weg gabelte. Seine Augen leuchteten und ein Lächeln zierte seine Lippen, als er die Elben auf sich zukommen sah.

"Sei gegrüßt Elinol aus Düsterwald! Wir haben uns lang nicht mehr gesehen."

Der eher schweigsame Elb sprang von seinem Pferd und verneigte sich vor dem Magier, dessen wahre Macht nicht mit seinem Äußeren vereinbar war.

"Sei gegrüßt Mithrandir. Nicht mehr, seid eurem letzten Besuch bei Thranduil."

Kein Lächeln stahl sich in sein hübsches Gesicht. Emotionslos stand er dem alten Mann, den er schon sehr lange kannte, gegenüber. Gandalf machte dies nichts aus. Er war es gewohnt, dass Elben seiner Position das Wort Emotion nicht einmal buchstabieren konnten, geschweige denn, diese auch noch zu zeigen.

Bedachten Schrittes ging der alte Mann auf den Ewigjungen zu, die Stirn nachdenklich in Falten gelegt und den Griff um seinen knorrigen Stab verstärkt.

"Auf ein Wort, Elinol, ich denke nicht, dass dein König dir schon alles erklärt hat."

Der Elb nickte und übergab Tawarên, der auch abgesessen hatte die Zügel, um Gandalf aus der elbischen Hörweite zu folgen.
 

"Was glaubst, über was sie reden?"

Dhoron stützte seine Unterarme neben dem Sattelknauf ab und hielt die Zügel locker in der Hand, während er neugierig zu seinem Hauptmann hinüberschaute.

"Weiß nicht, werden wir sicher bald erfahren", antwortete Tawarên schulterzuckend.

Auch er beobachtete Gandalf und Elinol sehr genau und was er sah, gefiel ihm nicht. Es musste ein sehr spezieller Auftrag sein, denn Elinol runzelte abwechselnd die Stirn oder hob eine seiner dunkelblonden Augenbrauen. Eins war klar, dieser Auftrag gefiel ihm nicht, auch wenn sein Körper sich kaum rührte.

"Sieht nicht nach was Einfachem aus, oder?"

Dhorons mittelblonde Haare fielen über seine Schultern, als er noch weiter absank. Aus dem Augenwinkel schielte er zu Ithildin, der seinen Kopf in alle Richtungen drehte, um zu lauschen. Der jüngere Elb seufzte bei dem Anblick. Hinter jedem Grashalm und unter jedem Kiesel vermutete Ithildin eine Bedrohung, deswegen war er auch freiwillig mitgekommen, damit nichts Gefährliches in das Gebiet der Waldelben eingeschleppt wurde.
 

Gandalf und Elinol trennten sich.

"Aufsitzen!" sagte der Elb scharf zu Tawarên, als er diesem den Zügel von Norui wieder abnahm.

"Wir folgen Mithrandir."

Wie aufs Stichwort kehrte der Magier auf einem fuchsfarbenen Pferd, zwischen den Bäumen, herausgeritten. Im Schritt folgten die Elben dem alten Mann, während Elinol mit ruhiger Stimme seinen Begleitern den Grund für ihre Reise erklären musste. Tawarên grinste belustigt, Ithildin schien unbeteiligt und Dhoron glotzte seinen Hauptmann nur zweifelnd an.

"Weswegen?" fragte er schließlich verwirrt.

Elinol zeigte nicht einmal ein Muskelzucken.

"Es ist unser Auftrag und wir haben darüber keine Fragen zu stellen!"

Seine Stimme war hart und erlaubte nicht die geringste Spur von Widerspruch.

"Das ist ein merkwürdiger Auftrag und erklärt immer noch nicht unseren Umweg über Bruchtal", murmelte der junge Elb.

Elinol verdrehte die Augen und drehte nun doch seinen Kopf zu seinen Leuten um.

"Weil ich Elrond etwas von Thranduil ausrichten sollte."

Geflissentlich ignorierte er das breite Grinsen auf Tawarêns Gesicht. Dieser ritt so nah an Dhoron, dass er ihm ohne Probleme in der Seite anhauen konnte.

"Unser König hat ihn doch nur dort hingeschickt, wegen Eliant. Sicher steht bald eine Hochzeit ins Haus."

Der jüngere Elb wandte seinen Blick von Elinol ab, der sich grummelnd zurückdrehte und stur auf Gandalfs Rücken starrte, und auf Tawarên zu. Unglaube stand in seinen Augen. Der Hauptmann und Frauen, das war so untypisch und dann noch mit Eliant. Nur Arwen war ihr in Bruchtal an Schönheit, Anmut und Geist überlegen. Sie passte so gar nicht zu dem schroffen, abweisenden Elinol, außerdem hieß es, Elrohir sei an ihr interessiert. Wohl doch nur wieder eines dieser Gerüchte.

Immer noch starrte Dhoron seinen Kameraden mit offenem Mund fragend an.

"Du glaubst mir nicht? Es stimmt aber. Zur Festigung des Bündnisses zwischen Bruchtal und Düsterwald wurde beschlossen, dass Eliant mit einem Waldelb verheiratet werden soll."

Angestrengt versuchte Tawarên ein ernstes Gesicht zu machen.

"Da die Braut ja nicht irgendwer ist, sondern Glorfindels Mündel und damit annähernd Elronds Patenkind, kommt als Gemahl nur mindestens ein Hauptmann in Frage, der zudem Thranduils Vertrauen genießt."

Dhoron wunderte sich etwas, weshalb die Mundwinkel des anderen Elben nervös zu zucken begannen.

"Allerdings gibt es in ganz Düsterwald nur einen Hauptmann, der weder verheiratet, verlobt oder versprochen ist und das ist Elinol."

Das Zucken wurde immer stärker und letztendlich brach er in lautes Lachen aus.

"Weil unser König sich Sorgen macht, sein treuer Hauptmann würde nie heiraten, hat er Elronds Vorschlag zugestimmt."

Feixend schaute er geradeaus zum Hauptmann. Irrte er sich oder war da ein leichter, roter Schimmer an der äußersten Spitze seiner Ohren?

"Er ist so ungeschickt bei Frauen, dass jetzt sogar schon sein König als Kuppler einspringen muss." Die Ohrspitzen waren wirklich gerötet. Es schien dem sonst so unterkühlten, unangreifbaren Elinol peinlich zu sein.

"Du hättest sehen müssen, wie erfreut Eliant war, als sie ihn dann endlich gesehen hat. Nicht umsonst hat sie uns sofort weggeschickt", fuhr Tawarên unbeirrt fort.

Dhoron konnte es sich lebhaft vorstellen und musste unwillkürlich grinsen. Eliant war nicht unbedingt für ihre Schüchternheit bekannt und das dürfte Elinol wohl ziemlich überfordert haben.

"Tawarên?"

Der Angesprochene horchte auf und sah zu seinem Hauptmann. Geradeausschauend saß er auf seinem Schimmel. Der Körper hatte sich Noruis Bewegungen perfekt angepasst und gab dem strengen Elben doch eine Spur von Gelassenheit und der Rotschimmer war endgültig verflogen.

"Wenn du nicht die nächsten Jahrhunderte die Pferdeställe ausmisten willst, solltest du jetzt besser still sein oder ich werde Dhoron erzählen, wie du dich bei Eirien angestellt hast."

Die dunkle Stimme war klar, ernst und frei von jeglicher Drohung oder Spott. Tawarên schluckte, lief knallrot an und schwieg peinlich berührt. Schallend lachte Dhoron auf und fing sich einen bösen Blick von Ithildin.

Allmählich ebbte das Lachen ab und auch Tawarên bekam eine gesündere Gesichtsfarbe, schwieg aber weiterhin. Erst jetzt bemerkte Dhoron den finsteren Blick, der auf ihm lag. Irritiert sah er zu Ithildin.

"Was ist?"

Der ältere Elb mit den hellblonden Haaren sah ihn abschätzig an

"Musst du so laut sein?", zischte er, "so werden uns unsere Gegner meilenweit hören."

Der Mittelblonde lächelte immer noch versöhnlich.

"Ithildin, wir sind hier in Isengard, was für Gegner erwartest du hier? Tollwütige Eichhörnchen oder rollige Wildkatzen?"

Der Angesprochene knurrte verächtlich und ließ sich mit seinem Pferd zurückfallen

"Orks können überall lauern", murmelte er und fing sich wieder ein Augenrollen Dhorons ein.
 

Einige Meter voraus deutete sich eine Lichtung an, denn die Sonne brach mit aller Macht durch das Blätterdach. In dem Tempo würde es noch einige Minuten dauern, bis sie die Hütte erreichten, welche unübersehbar in der Mitte der Lichtung, umringt von einem kleinen Garten, stand. Unbeirrt ritt Gandalf darauf zu und bemerkte nicht, dass der Abstand zu den anderen immer größer wurde. Das Rascheln in den Blättern kam diesen merkwürdig vor.

Misstrauisch reckte Elinol seinen Kopf zum Blätterdach über sich und suchte dies ab. Es kam ihm vor, als würde ein Schatten über ihnen durch die Äste wandeln. Ein Blick zu den anderen, gab ihm Zustimmung. Auch sie hatten etwas bemerkt, denn angespannt saßen sie auf ihren Pferden und lauschten jedem Geräusch. Besonders Ithildin schien verkrampft, einen Pfeil bereits schussbereit im Bogen haltend.

Ein sehr lautes Rascheln in einer blattreichen Buche voraus, schreckte die Elben auf. Ithildin riss seinen Bogen hoch und schoss auf den Schatten. Ein spitzer Schrei ertönte, als jene vermeintliche Bedrohung aus dem Blätterdach fiel und sich beim Aufprall auf dem harten Weg, den Fuß verknickste. Seine Verwirrung für sich behaltend, blickte Elinol in zwei grün-blaue Augen, die ihn geschockt vom Boden hinauf ansahen.

Der Ausdruck in ihren Augen änderte sich. Wütend blickte sie an den beiden ersten Reitern vorbei zu einem weiter hinten, der sie mit einer Mischung aus Misstrauen und Verzeihung ansah. Beschämt versuchte er den Bogen vor ihrem bohrenden Blick zu verstecken.

Tawarên war der Erste, der sich fing. Belustigt schloss er zu Elinol auf und sah auf Ithildins ,Feind' hinab.

"tiro firiel!"[1]

Und sogleich spürte er ihren fragenden Blick auf sich. Er lächelte, doch es kam Linn unecht, fast schon überheblich und spöttelnd vor. Sie verstand nicht, was es war, aber dem vergnügten Ton zu urteilen, musste es etwas auf ihre Kosten gewesen sein.

"Was fällt euch ein, ihr hättet mich töten können", schimpfte Linn unvermittelt los, dass die vier Männer erschrocken zurückzuckten.

"edain"[2], murmelte Tawarên kopfschüttelnd, sowohl amüsiert, als auch leicht schockiert über ihren Wutausbruch.

Wiederum glotzte ihn das Mädchen verständnislos an. Es war ein komischer Anblick fand er. Das Mädchen, mit den zerzausten Haaren, indem sich einige Blätter beim Sturz verfangen hatten und dem zerrissenen Kleid, saß, mit angewinkelten Beinen und zurückgelehntem Oberkörper, da und blickte sie mit aufgerissenen Augen fragend an. Er lachte auf und weckte nun auch endlich Gandalfs Aufmerksamkeit.

Der Zauberer hörte das helle Lachen Tawarêns und drehte sich auf seinem Fuchs um. Erstaunt sah er sich die Szene, die sich ihm bot an und kehrte hastig um.

"Linn, bist du in Ordnung?" fragte er das blonde Mädchen von seinem Pferd herab. Verwirrt blickte sie zu ihm auf und er verstand, weshalb der Elb so gelacht hatte. Auch ihm schlich sich ein Lächeln auf die Lippen.

"Sieh haben mich einfach abgeschossen", klagte das Mädchen kleinlaut. Die merkwürdige, aber unendlich klangvolle und schöne Sprache, hallte noch in ihrem Kopf. Gandalf seufzte.

"Du bist auch selber schuld, was kletterst du so auffällig in den Bäumen, wo du doch genau weißt, dass Elben kommen?"

Empört über sein Tadel sprang sie auf, nur um kurz danach wieder auf den Boden zu plumpsen. Ein stechender Schmerz bohrte sich in ihr Fußgelenk, als sie dieses aufzusetzen versuchte. Mit schmerzverzerrtem Gesicht rieb sie sich den Knöchel.
 

Vorwurfsvoll blickte Elinol über die Schulter zu Ithildin, der versöhnlich und beschämt lächelte, bevor er absaß und Tawarên den Zügel zuwarf. Überrascht blickte Tuilinn auf, als sich der gutaussehende Mann zu ihr hinunterkniete.

"mae govannen Linn",[3] begrüßte sie der Blonde und erntete dafür einen hilflosen Blick.

Sie fasste es als Gruß auf und erwiderte ihn mit einem scheuen Nicken, was der Elb zu verstehen schien. In seinen eher neutralen Augen blitzte kurz etwas Freundlichkeit auf.

"aranno ven mîn úgarth"[4], fuhr er fort, während er ihr Gelenk betrachtete.

Linn errötete beschämt, als Elinol ihr Kleid bis zu den Knien hochschob. Sie spürte seine kalte Hand, die ihren Unterschenkel fixierte und wie die andere vorsichtig über das Gelenk strich. Ein heißkalter Schauer zog sich über ihren Rücken. So nah war ihr noch nie ein Mann gewesen. Doch etwas an ihm war seltsam. Kritisch musterte sie ihn, während er ihren Fuß schmerzhaft in sämtliche Richtungen bog. Seine Ohren! Irritiert von den Spitzen Ohren musste sie sich zurückhalten, um sie nicht zu berühren und zu sehen, ob sie genauso echt waren, wie ihre. Ihre blonden Haare streiften Elinols Gesicht, als sie schwunghaft ihren Kopf in Gandalfs Richtung drehte.

"Das sind ja wirklich Elben", bemerkte sie erstaunt.

"Natürlich", lächelte der alte Mann, "oder glaubst du ich würde dich belügen?"

Zu einer Antwort konnte sie nicht mal mehr ansetzen, denn Elinol hatte sie auf den Arm genommen und trug sie zu Norui, wo er sie in den Sattel hob. Verwirrt hielt sie sich am Sattel fest, als der Elb vor ihr aufsaß. Vorsichtig nahm sie ihre Hände vom Sattel und legte sie auf Elinols Hüfte, als sich das Pferd in Bewegung setzte.
 


 

Nachdenklich schaute Elinol in das kleine Zimmer, aus dem nur schwaches Kerzenlicht drang.

"Es ist nichts gebrochen und wird schnell heilen. Wir werden ohnehin reiten, also sollte es keine größeren Verzögerungen oder Probleme geben."

Gandalf nickte.

"Und du weißt, was du noch zu tun hast?"

Leicht zuckte eine dunkelblonde Braue. Natürlich wusste er, was er noch zu tun hatte, auch wenn er es nicht verstand. Dieses Mädchen sollte nicht nur so schnell wie möglich Sindarin lernen, sondern auch noch einiges andere, was eine Grenzwache, ausgerechnet eine Grenzwache, können muss. Wenigstens konnte sie reiten, dass hatte er bemerkt und das mit dem Klettern war auch kein Problem. Es würde wohl eine einfache Reise werden. Elinol nickte und wandte sich dann seinen Leuten zu, die sich am Kaminfeuer wärmten. Dhoron und Tawarên zogen den sichtlich beschämten Ithildin immer noch auf. Diesem war der ganze Vorfall mehr als peinlich und er hatte sogar angeboten, dem Mädchen sein Pferd zu überlassen, was schon außergewöhnlich ist. Elinol war zufrieden, vielleicht würde dieser Vorfall ihn endlich von seiner Paranoia befreien.
 

"Wie fühlst du dich?"

Gandalf saß auf einem Stuhl und schaute besorgt in Tuilinns Gesicht. Ihr Fuß lag ausgestreckt auf einem niedrigen Hocker, während ihr Körper tief im weichen Sessel verschwand.

"Gut", antwortete sie knapp und der Graue streichelte sich den Bart, wobei er sie kritisch musterte.

Aus dem Wohnzimmer drangen elbische Laute an ihre Ohren. Die Sprache war wirklich schön, auch wenn sie diese nicht konnte, noch nicht.

"Wissen sie, wer ich bin?"

Der Graue schüttelte den Kopf.

"Nein und es wäre sicher besser, wenn du es ihnen erst erzählst, wenn ihr am Ziel seid."

Linn nickte verstehend.

"Können sie auch die Allgemeinsprache?"

Enttäuschung und leichte Panik breitete sich in ihr aus, als der alte Mann wieder den Kopf schüttelte. Wochenlang mit Leuten unterwegs sein, deren Sprache sie nicht verstand und die ihre nicht konnen. Sie seufzte enttäuscht.
 


 

[1]"Schaut, ein (sterbliches) Mädchen!"

[2]"Menschen"

[3]"Seid gegrüßt Linn" -> in etwa

[4]"Vergebt uns unsere Schuld!"

Angriff!

@ berit: na sicher mach ich weiter ^^, siehste, geht doch schon weiter...
 

@ Dax: Naja, ich denke nicht jeder Ork, Goblin oder Troll kann die Allgemeinsprache ^__^ , aber im Großen und Ganzen hast du sicher Recht, außerdem hab ich ja nie behauptet, dass die Elben sie wirklich nicht können. Tuilinn soll es nur erstmal glauben.
 


 

Die Morgendämmerung brach gerade über Isengard herein, als Gandalf sich von seinem Schützling verabschiedete. Beide standen als schattige Figuren vor der kleinen Hütte, indem Tuilinn die letzten Jahrzehnte gelebt hatte. Trauer und Angst standen ihr deutlich ins Gesicht geschrieben, denn nun hieß es von allen Bekanntem Abschied nehmen und in eine Welt eintreten, die sie gerade mal aus Gandalfs Geschichten kannte. "Vergiss nicht, nichts preiszugeben!" ermahnte der Magier. Linn nickte und fasste sich an ihre blonden Haare. Zwei sehr breite Strähnen hatte sie sorgsam über die Ohrspitzen gelegt, bevor diese in einen lockeren Zopf eingebunden wurden. Es würde sicher reichen und zur Not konnte sie immer noch die Kapuze ihres Reisemantels zum Verstecken der Ohren nehmen.

"Schade, dass du nicht mitkommen kannst." Ihre Stimme klang enttäuscht und unsicher. Sie hätte den alten Mann gern dabei gehabt, um jemanden zum Reden zu haben. "Werden wir uns wieder sehen?" Fragend schaute sie den väterlichen Freund an. Sein Gesicht rührte sich kaum, aber in seinen Augen stand Wehmut. "Ja, jedoch fürchte ich, ein Schatten wird sich über Mittelerde legen, wenn wir uns in Düsterwald wieder sehen." Tuilinn runzelte die Stirn. Was meinte er? Sie konnte mit seinen Rätseln selten etwas anfangen. "Ich weiß nicht, ob ich mich darauf freuen soll oder nicht."

Das Gespräch wurde unterbrochen, als auch Elinol zu ihnen ging. Er berührte Linn an der Schulter und zwang sie so, sich zu ihm zu drehen. "Tolo!"[1] sagte er sanft, aber mit Bestimmung. Fragend wandte Tuilinn sich von dem Elb ab, der sich nun zu einem anderen, dessen Name sie als Dhoron in Erinnerung hatte, begab und diesem die Zügel von Linns Pferd, einer sandfarbenen Stute mit dunkler Mähne, abnahm, und sah zu Gandalf. Dieser lächelte sie freundlich und aufmunternd an. "Du sollst dich beeilen." Ermunternd schubste er das Mädchen zu Elinol hin. Zaghaft humpelte sie die kurze Strecke und blieb schließlich ratlos vor dem Pferd stehen. Ohne weiteres und vor allem ohne Schmerzen konnte sie nicht darauf steigen. Ein leiser Entsetzensschrei entfuhr ihr, als sie zwei Hände an der Hüfte packten und sie emporhoben, dass sie mit Leichtigkeit in den Sattel steigen konnte. Verwirrt sah das Mädchen zu Elinol hinab. Dieser Elb war ihr mehr als unheimlich. Er war überaus höflich, aber auch so schrecklich unnahbar und abweisend. Nachdenklich beobachtete sie ihn, wie er mit einem Schwung in den Sattel seines Schimmels sprang und diesen zum Drehen bewegte. Nacheinander setzten sich alle Pferde in Bewegung und Linn beschlich ein banges Gefühl. Sie fühlte sich herausgerissen aus ihrer Welt und hineingeworfen in etwas, was sie weder kannte, noch wo sie hinwollte. Größere Einsamkeit, als sie je in all den Jahren ihres Lebens gespürt hatte, stürzte nun mit einem Mal auf sie ein. Ein tieftrauriger Seufzer entfuhr ihr, der auch Tawarên, der neben ihr ritt, nicht entging. Freundlich lächelnd sah er sie an. "van garich?"[2] Ein entschuldigendes Lächeln und fragende Augen waren die Antwort. Sie konnte sich nicht mal annähernd vorstellen, was der Elb gefragt hatte. Bestürzt über diese Sprachbarriere, drehte Tuilinn ihren Kopf geradeaus und musterte Elinols Rücken. Sein Pferd war in einen gemächlichen Schritt verfallen und der weiße Schweif schwang hypnotisierend hin und her. Es hatte etwas Beruhigendes an sich und ließ sie für einige Zeit ihre Sorgen vergessen.
 

Längst hatten sie den Orthanc hinter sich gelassen und auch Isengard würden sie bald verlassen. Wehmütig schaute sie noch einmal zu dem hohen, weißen Turm. Gern hätte sie sich von Saruman verabschiedet, dem sie auch einiges zu verdanken hatte.

Zur Linken konnte Tuilinn die letzten schneebedeckten Ausläufer des Nebelgebirges erkennen, doch das interessierte sie wenig. Um sie herum stoben ständig elbische Laute auf. Dhoron und Tawarên unterhielten sich die ganze Zeit über ihren Kopf hinweg und sie wurde das Gefühl nicht los, dass sehr oft über sie gesprochen wurde. Die beiden Männer waren seit Isengard so in ihr Gespräch vertieft, dass sie erst jetzt bemerkten, welchen Weg ihr Hauptmann eingeschlagen hatte. Verwirrt schaute der hellblonde Tawarên auf. Er tauschte kurz einen Blick mit Dhoron aus und holte mit einem schnellen Trab Elinol ein. "Wo willst du lang?" Finster schielte der Hauptmann zur Grenzwache hinüber. "Vom Süden her." Tawarên stutzte. "Wieso? Wir könnten doch wieder über Imladris..." Elinol unterbrach seinen Freund, indem er ihn scharf ins Auge nahm. "Weshalb dieser Umweg? Willst du nicht so schnell wie möglich nach Hause zu Eirien?" Der Hellblonde bekam einen verklärten Blick. "Eirien", seufzte er. "Ich hab sie schon lange nicht mehr gesehen."
 

Die Reise war ohne Ereignisse und zur Abenddämmerung hatten sie den Rand des Fangorn erreicht, wo das Nachtlager aufgeschlagen wurde. Sich unnütz vorkommend saß Tuilinn beim Reisegepäck und schaute den geschäftigen Elben zu. Tawarên schichtete Holz auf und wenig später flackerten die ersten Flammen. Ihre Augen wandten sich nun zu Ithildin und Elinol. Ersterer hatte mit strengem Blick die Wache übernommen, während der Hauptmann die Pferde mit etwas trockenem Gras abrieb.

Das Mädchen war völlig in ihren Gedanken abgedriftet, als sich jemand von hinten an sie heranschlich. Ihre elbischen Ohren hatten sich noch nicht an die sehr leisen Geräusche anderer Elben gewöhnt und so nahmen sie nichts Ungewöhnliches war. Desto größer war der Schrecken, als sie an den Schultern gepackt wurde. Mit einem spitzen Schrei sprang sie auf und drehte sich um. Ihr Herz klopfte wild und umso größer war die Erleichterung, dass es sich bei dem vermeintlichen Angreifer nur um Dhoron handelte. Verständnislos schaute dieser in die Runde. Ithildin hatte aufgeschreckt seinen Bogen auf ihn gerichtet und ließ diesen, unter Elinols strengem Blick, nur widerwillig sinken, Tawarêns Augen leuchteten amüsiert und Tuilinn sah ihn empört an. Entschuldigend lächelte der junge Elb und erkämpfte sich so einen erleichterten Seufzer von ihr.

"nin govedich?"[3] Frustriert ließ Linn ihren hübschen Kopf hängen. Nicht schon wieder. Wieso quälten diese Elben sie so? Was wollte er denn nun von ihr? Hilflos sah sie in sein lächelndes Gesicht. Die Unbeholfenheit des Mädchens schien ihm auch noch Freude zu bereiten.

Linn blieb überrascht stehen und schaute Dhoron fragend an, als dieser auf sie zuging und ihr Handgelenk ergriff. "Tolo!"[1] forderte er freundlich auf. Erfreut schaute Tuilinn auf. Dieses Wort verstand sie. Er wollte, dass sie ihm folgte, nur wohin?

Das Mädchen legte ihren Kopf schief und blickte ihm fragend ins Gesicht. "Wohin?" flüsterte sie verständnislos. Er antwortete nicht, sondern zog sie hinter sich her, bis sie Wasser plätschern hörte. Dhoron hatte sie zu einem kleinen Teich geführt, der wohl unterirdisch von einer kleinen Quelle gespeist wurde und die nahen Bäume mit Wasser versorgte. Dankbar sah das Mädchen zu dem Elben auf. Das war genau das, was sie jetzt brauchte. Lächelnd drehte Dhoron sich um, als Tuilinn sich an das Wasser kniete und einen Teil ihrer Sachen abstreifte, um sich besser waschen zu können.
 

Etwas später kehrten beide zurück. Tuilinn war nicht zu überhören. Der verletzte Fuß erlaubte ihr keine lautlosen Schritte und somit blieb auch Ithildin ruhig auf seinem Platz. Wortlos humpelte das Mädchen ans Feuer und setzte sich etwas abseits, wo sie dennoch genügend von der Wärme abbekam, um nicht zu frieren.

Neugierig beobachtete sie die anderen Elben. Diese lachten, schwatzten und kümmerten sich nicht weiter um sie, dennoch konnte Linn an den gelegentlichen Blicken, die man ihr zuwarf, ableiten, dass auch sehr viel über sie gesprochen wurde. Zu gern wüsste sie, was es war. Gandalf hatte ihr doch bei Zeiten einige elbische Wörter beigebracht, wieso fielen sie ihr nur nicht ein? Deprimiert und sich isoliert fühlend, ließ sie die Sätze ihrer Begleiter auf sich einprasseln und versuchte bekannte Laute und Wörter herauszufiltern. Es blieb ihr wohl nichts anderes übrig, als die Sprache zu lernen.
 

"Wie lange willst du das Spiel durchhalten?" fragte Tawarên seinen Hauptmann mit ständigem Blick auf das deprimiert dreinschauende Mädchen. Jener zuckte nicht einen Muskel. "Sie soll es so schnell wie möglich lernen und je größer der Druck ist, desto schneller geht es." Er richtete seinen Blick auf Linn, die müde erschien. Es war ihr deutlich anzusehen, dass sie angestrengt nachdachte. "Sieh sie doch an! Im Gegensatz zu dir versucht sie ihr Situation zu ändern." Empört schob Tawarên sein Unterlippe vor. "Wie soll ich das denn jetzt verstehen?" Elinol sah aus den Augenwinkeln kurz zu seinem Schwager. "Das du ein schlechter Schüler warst", antwortete er trocken.
 

Ein lautes Wiehern unterbrach ihr Gespräch. Verwirrt drehten sich alle Köpfe zu den Pferden, die unruhig zu tänzeln begannen. Zwischen ihnen stand ein überraschter Dhoron, der geschockt zu Ithildin starrte. "Ich dachte, du wärst ein Ork", murmelte dieser kleinlaut. Suna, Linns Stute, wollte sich gar nicht mehr beruhigen. Nervös zog sie an dem Seil, das sie am Baum festhielt, in dem der Pfeil eingedrungen war. Hastig bewegte das Mädchen zu dem Tier, um es zu beruhigen. Unter geflüsterten Worten und den sanften Streicheleinheiten kühlte sich die schöne Stute schließlich ab und schnaubte nur noch verächtlich. Als sie schließlich wider ruhig dastand, wand Linn sich mit saurem Gesicht Ithildin zu. "Du Dummkopf von einem Elb. Hast du keine Augen im Kopf? Du hättest Suna verletzten können. Wieso darf so etwas Ungeschicktes wie du eigentlich einen Bogen tragen? Dich sollte man den Rest der Reise fesseln und an deinem Pferd festbinden, damit du keinen Unsinn mehr anstellst." Schockiert setzte Ithildin einen Schritt zurück. Mit solch einem Donnerwetter hatte er wahrlich nicht gerechnet und so war er froh, als sich sein Hauptmann schließlich einmischte.

Elinol stand nun hinter dem Mädchen und legte zur Beruhigung seine Hand auf ihre Schulter, jedoch hatte er es noch nie mit einer wütenden Frau zu tun gehabt. Tuilinns blau-grüne Augen funkelten ihn zornig an. "Und du", jede Zurückhaltung verlierend, tippte sie ihm mit dem Zeigefinger gegen die Brust. "Was bist du eigentlich für ein Hauptmann, wenn du nicht mal deine eigenen Leute unter Kontrolle halten kannst?" Verständnislos und leicht sauer, ließ der Elb ihre Beschimpfungen über sich ergehen. Zu gerne hätte er ihr geantwortet, aber dafür war noch nicht der richtige Zeitpunkt. Dafür war er froh, als Tawarên schallend zu lachen begann und somit Linns gesamte Aufmerksamkeit auf sich zog. "amman gladhach? sedho!"[4] zischte sie mit einem Blick, der töten konnte. Augenblicklich verstummte der Elb und starrte seinen Hauptmann verwirrt an. Ein leises Grummeln entfuhr ihm, als er die Mundwinkel Elinols amüsiert zucken sah. Warum musste dieser auch immer Recht behalten?

Linns Wut verrauchte. Verwirrt stand sie da und zweifelte an ihrem Verstand. Ohne es bewusst zu bemerken, war sie in die Sprache übergegangen, die sie schon seit Stunden hören musste. Es war, als wären diese Worte schon immer in ihr gewesen, wie auch ihr Blut, nur mussten sie erst geweckt werden. Sie war über sich selbst erstaunt, wie schnell sie sich doch einige Worte, die sie zufällig aufgeschnappt hatte und zuordnen konnte, zu eigen machen gemacht hatte. Zugegeben ihre Aussprache war holprig, aber es war zumindest ein Anfang.
 

Langsam humpelte sie zurück zum Feuer und ließ sich dort nieder. Dhoron kam zu ihr und setzte sich neben sie. Ein zufriedenes Lächeln lag auf seinen Lippen, über die freundliche Worte kamen. Das Lächeln erstarb schnell, als er zusehen musste, wie Tuilinns Kopf immer tiefer sank. Erneut konnte sie ihn nicht verstehen. Wahrscheinlich hatte nur die Wut die Sprachbarriere für wenige Augenblicke überwunden. Tröstend berührte der Elb ihre Schulter. Verständnis, Zuversicht und Aufmunterung lagen in seinen Augen. Leise seufzte sie, bevor sie ihm gequält entgegenlächelte. Stumm nickte Dhoron, bevor er sich erhob. "si losto!"[5] Mit diesen Worten ging er um das Feuer und löste den verstörten Ithildin von seiner Wache ab.
 


 

Die nächsten Tage waren relativ ereignislos und zäh verstrichen. Die Pferde behielten meistens nur den Schritt bei und somit war der Fangorn nach einer Woche immer noch neben ihnen. Tuilinn langweilte sich, war zudem müde und hungrig. Die langen Tage im Sattel waren doch anstrengender, als anfangs gedacht und sie begann Isengard schmerzlich zu vermissen. Die Elben kümmerten sich die meiste Zeit wenig um sie, was ihrer Langeweile nur noch mehr Nahrung gab. Mittlerweile konnte sie einen Großteil der fremden Sprache recht gut verstehen, doch was sich die Männer erzählten, war weder besonders aufregend, noch lehrreich. Neben ihr ritten Dhoron, der ab und an mit ihr ein paare Worte wechselte und sich auch sonst um sie bemühte und Tawarên, der meistens damit beschäftigt war seinen Hauptmann zu nerven. Er quengelte wie ein Kleinkind, weil ihm alles zu langsam ging. Ohnehin schienen diese Elben Kindern sehr ähnlich zu sein. Von der hochgepriesenen Weisheit, die dieses Volk besitzen soll, konnte Linn nur bei Elinol etwas erkennen, aber der war ohnehin immer nur mit sich selbst beschäftigt.

Tawarên veranlasste Lagor schneller zu laufen und holte zu Elinol auf. "Du bist so schweigsam, mein Freund", meinte er zu dem Honigblonden. Elinol sah seinen Freund nicht an, antwortete aber dennoch. "Ich war nur in Gedanken. Ich frage mich, weshalb unser König dieses Mädchen sehen will." Verstehend nickte der Jüngere, doch dann zog sich ein breites Grinsen über sein Gesicht. "Vielleicht sucht er für sie auch einen Bräutigam", kicherte er. Dunkelgrüne Augen sahen ihn gelangweilt an. "Sei nicht albern. Sie ist ein Mensch."

"Scheint Dhoron aber nicht zu stören." Knapp schaute er über die Schulter zu dem jungen Elben hin, der Tuilinn mit einem etwas verklärten Blick ansah. Elinol knurrte nur, kümmerte sich aber nicht weiter drum. Sollte er mit dem Mädchen doch machen, was er wollte. Was ging ihn das an? Diese Linn war ohnehin eine nervenaufreibende Person. Er war immer noch leicht beleidigt, dass sie ihn an jenem Abend so beschimpft hatte. Ihre ,Ausbildung' überließ er seitdem Tawarên und Dhoron, die sie ohnehin mehr mochte, als ihn.

"Wie macht sie sich?" fragte er den jüngeren Elben neben sich beiläufig. Dieser sah erfreut auf. "Soweit ganz gut. Mit dem Schwert haperst noch, das kann sie nicht mal richtig halten, aber im Bogenschießen macht sie sich gut. Sie lernt schnell", sagte er, ohne dass der Stolz auf seine eigene Leistung überhörbar war. "Elinol? lugin."[6] Überrascht horchte der Angesprochene auf. Normalerweise sprach sie ihn nicht an oder tat sie es nur, um ihn zu ärgern? Wie konnte sie jetzt Hunger haben? Die letzte Mahlzeit lag doch erst einen Tag zurück. Diese Menschen waren echt schwach.

"Oh ja, sie lernt wirklich schnell", zischte er gereizt zum kichernden Tawarên, bevor er sich zu dem Mädchen umdrehte. Seine Wut verebbte sofort, als er in ihre hilflosen grün-blauen Augen sah und ihren Magen deutlich knurren hörte. Nervös und leicht beschämt lächelte sie den Hauptmann an. "lugin", sagte sie noch einmal kleinlaut. Elinol seufzte und schaute zu Dhoron, der nun hinter dem Mädchen ritt. Der junge Elb zuckte nur mit den Schultern. Im Grunde war er für eine Pause sehr dankbar, zeigte dies aber nicht. Er wurde enttäuscht, denn wortlos stoppte Elinol seinen Schimmel, bis er auf Tuilinns Höhe war und kramte schließlich ein Stück Lembas aus seiner Satteltasche. Dankbar lächelnd nahm das hungrige Mädchen diese entgegen und begann nachdenklich daran zu kauen. Elinol blieb neben ihr, da Dhoron sich anscheinend lieber mit Ithildin beschäftigte. Der paranoide Elb konzentrierte sich, unter Dhorons spöttischen Zwischenrufen, mal wieder auf seine Umgebung. So nah am Fangorn, war ihm unheimlich. Niemand wusste, was für Wesen im dichten Gehölz dieses unheimlichen Waldes lebten. Es verfolgte sie, das hatte er im Gespür. Bereits in Isengard glaubte er, Orks gesehen zu haben. Als sie eine der Straßen, die zum Orthanc führen, überquert hatten, glaubte er eines dieser abscheulichen Wesen in einiger Entfernung ausgemacht zu haben.
 

Seufzend schluckte Tuilinn ein Stück Lembas herunter. Es schmeckte gut, aber nach Tagen nur mit dem Reisebrot, war es ihr zuviel. Finster schielte Elinol zu ihr hinüber. Es war unübersehbar, dass die Reise ihr zuviel war. Keine freie Minute hatte sie seither gehabt. Kurz vor und nach Einbruch der Nacht musste sie Fechten und Bogenschießen üben, um sich im Notfall verteidigen zu können und die Tage über saß sie nur auf dem Pferd. Er wusste nicht, ob sie schlief, denn nachts saß sie immer abseits in der Dunkelheit.

"Ich hab genug. Ich will zurück nach Hause. Jeden Tag Lembas und arrogante Elben, das ist zu viel." Verunsichert schaute Elinol Tuilinn an. Wie die letzten Tage schimpfte sie wieder in der Allgemeinsprache, in der Hoffnung die Elben würden es nicht verstehen. Auch Dhoron bemerkte dies und ritt an sie heran. "Was habt ihr?" fragte er in Sindarin. Es dauerte einen Herzschlag, bis das Mädchen den Sinn seiner Worte verstanden hatte und den Kopf schüttelte. "Nichts", flüsterte sie verhalten. Freundlich und gutmütig lächelte Dhoron sie an, während Elinol seufzte. Wenn man sie ansprach, war sie so schüchtern und zurückhaltend. Er mochte Menschen nicht, weil sie von der Erscheinung der Elben stets so beeindruckt waren, dass sie unbrauchbar für jegliche Kommunikation wurden.

Zufrieden ließ Dhoron sich wieder zurückfallen, um Ithildin noch etwas aufzuziehen. Tuilinn sah ihm noch etwas nach, bevor sie sich wieder zurückdrehte. Die Beziehung zwischen den Beiden stimmte ihn nicht gerade wohlwollend. Ein Elb und ein Mensch.
 

Unmerklich schreckte Linn auf. Sie hatte im Wald etwas knacken gehört und drehte sich nun dorthin. Zwischen den dichten, alten Bäumen sah sie viele Schatten und blitzende Gegenstände. Nervös zog sie an Elinols Ärmel und zeigte zum Wald hin. Erst hatten seine dunkelgrünen Augen einen verwirrten Blick, doch als er in den Wald blickt, verstand er sofort. Etwas Genaueres konnte er zwar zwischen den Bäumen nicht erkennen, aber es war dennoch nicht zu unterschätzen. "no tiriel!"[7] flüsterte er und hörte, wie Ithildin daraufhin seinen Bogen spannte.

Das Gras nahe des Fangorn war mannshoch und bot ein gutes Versteck, für jeden, der nicht gesehen werden wollte. Elinol wusste, sie waren unterlegen und bis zum sicheren Fluss war es noch ein gutes Stück. Er konnte das Wasser bereits rauschen hören, aber es war dennoch zu weit weg.

Überraschend bäumte sich Suna auf. Aus dem hohen Gras heraus glotzten zwei gelbe Augen die Stute mordlüstern an, während ein dunkelbrauner, Arm mit dicker, lederner Haut ihren Zügel gepackt hatte. Mit einem spitzen Schrei stürzte Tuilinn zu Boden und sah sich nun von vielen scheeläugigen Gestalten, die im hohen, braunen Gras versteckt, kaum erkennbar waren. "orchoth!"[8] schrie Ithildin aufgebracht. Erst jetzt stürmten aus dem nahen Wald viele dieser verstümmelten, lederhäutigen Kreaturen heran und die ersten Pfeile flogen.

Suna wieherte laut auf. Zwischen den Elbenpferden und den Orks im Gras gefangen, gab es für sie keine Fluchtmöglichkeit. Panisch bäumte sie sich immer wieder auf, schlug mit ihren Hufen aus und wieherte in Todesangst. Von ihren Hufen getroffen, torkelte ein warzenübersähter Ork aus seinem Versteck und wurde sofort von Ithildins Pfeil niedergestreckt. Auf allen Vieren krabbelte Tuilinn erschrocken zurück, als der stinkende Ork auf sie zukippte.

Schwarze Pfeile flogen durch die Luft und bohrten sich in Sunas Fleisch. Das Tier überschlug sich in seiner Angst und landete mit panischem Blick auf der Seite. Linn konnte sich gerade noch zwischen Noruis Beinen in Sicherheit bringen. Suna schlug, von Pfeilen durchbohrt, immer noch wild um sich, bis zwei oder drei Orks mit ihren Schlachtschwertern aus ihren Verstecken sprangen und wie wild auf das blutende Tier einhackten. Entsetzliche Schreie des sterbenden Tieres hallten über die Ebene südlich des Fangorn und schreckten nun auch die sonst so ruhigen Elbenpferde auf. Norui tänzelte nervös und Elinol hatte Schwierigkeiten, ihn daran zu hindern Tuilinn zu zertrampeln. Das Mädchen war wie gelähmt, als die Schlacht wirklich begann. Immer mehr schwarze Pfeile bohrten sich vor ihr in den sandigen Boden und das Orkgebrüll nahm weiterhin zu. Wie in Trance hörte sie Elinol Befehle schreien.
 

Mit kühlem Blick sah Elinol die Schar Orks auf sich zukommen. Im Wald waren es etwa zwei Dutzend, aber wie viele im Gras, vermochte er nicht zu sagen. Mit Geduld versuchte er Norui zu beruhigen, der gewaltsame Tod Sunas hatte den Hengst aufgeschreckt und die panischen Schreie der Stute schienen immer noch wie ein Echo über der Ebene zu schallen.

Sich mit den Schenkeln an den unruhigen, tänzelnden Hengst festklammernd, ergriff er seinen Bogen und legte einen weißgefiederten Pfeil an. "mabo i chui! MAETHO!"[9] schrie er laut. Die anderen Elben folgten dem Befehl und innerhalb kürzester Zeit fielen die ersten Orks. Die Treffer der Elbenkrieger waren sehr genau, denn Panik vermochte ihr Herz nicht zu erreichen.

Elinol legte gerade einen neuen Pfeil an und zielte auf ein besonders großes Exemplar, welches gerade aus dem Wald stürmte. Blau blitzten die elbischen Augen, als sie den kräftigen Ork ins Visier nahmen. Dieser schien jedoch gelassener zu sein und in seinen roten Augen blitzte etwas Untypisches auf. Ein gehässiges Grinsen legte sich auf seine vernarbten, schmalen Lippen, als er Elinols eiskaltem Blick standhielt. Er warf seinen verknöcherten Schädel in den Nacken, streckte die Arme von sich und stieß einen langen kehligen Schrei aus. Unbeeindruckt schoss Elinol seinen letzten Pfeil ab und verfehlte den scheinbaren Anführer der Gegner. "meigol am! CARO HE FERN!"[10] brüllte der elbische Hauptmann, während er sein Schwert packte und dem ersten Ork, der zu nah an sein Pferd kam, den Kopf abschlug.
 

Geschockt starrte Tuilinn immer noch zu Suna, unter der sich die Erde nun blutrot färbte. Ihre treuen, großen Augen waren weit aufgerissen und starrten sie an, während sich über ihren Hals tiefe Wunden streckten. Sie hatten auf das Tier eingehauen, wie auf ein Stück Holz. Die Gedärme quollen aus dem aufgeschlitzten Leib und verteilten sich, teilweise von den schweren Orks in den Sand gedrückt, nun bis zu dem Mädchen hin.

Ein Zischen ließ Linn aufschauen. Über Sunas Kadaver hatte sich ein Ork aufgebaut. Seine geduckten Bewegungen glichen denen von Eidechsen. Seine raue Zunge wanderte über seine kaum vorhandenen Lippen und leckte Blut von ihnen. Mit einem Satz sprang er von Suna und landete vor Tuilinn, die ihm ängstlich entgegensah. Panisch kroch sie zurück, bis ihre Finger an etwas Kaltes stießen. Sie schielte einen Moment dahin und erkannte ein weiteres der orkischen Schwerter mit ihrer breiten, schweren Klinge und der hochgebogenen Spitze, die einen Zweikampf mit ihnen unmöglich machten.

Blind tastete sie die Klinge entlang, bis sie auf leichte Erhebungen stieß, welche feucht und warm waren. Neugierig drehte sie ihren Kopf dahin und stieß einen erschreckten Schrei aus. Hinter ihr lag ein Kadaver. In seiner Stirn steckte ein elbischer Pfeil und seine Hand umklammerte immer noch das Schwert.

Der Ork hinter ihr zischte wieder. Hastig und angewidert versuchte Tuilinn dem toten Ork die Waffe zu entreißen, doch das schwere Schwert löste sich nicht. Mit einem Stein, der neben dem Kadaver gelegen hatte, versuchte das Mädchen die Finger zu brechen und der andere Ork kam immer näher. Erschrocken hielt sie inne, als sie den feuchten Atem der verstümmelten Kreatur in ihrem Nacken spüren konnte. Sämtliche Farbe wich aus ihrem Gesicht und ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken. Ihre Finger verkrampften sich um die Waffe vor sich, so dass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten. Mit Schwung drehte das Mädchen sich um und riss das Schwert dabei mit. Der Ork sprang verwirrt zurück, so dass die schwere Klinge ins Leere schlug. Panisch schaute Tuilinn in die gelben Augen des Feindes. In diesen loderte nun Lust auf. Er hatte wohl nicht mit Gegenwehr gerechnet.

Ein leiser Schrei entfuhr Tuilinn, als sie grob am Fußgelenk gepackt wurde und von einem borstigen Arm immer näher zu der Kreatur gezogen wurde. Schon bald fand sie sich unter dem Ding wieder, welches sie gierig betrachtete. Ihre Hand tastete blind den Boden ab, nach einem Stein, dem Schwert oder sonst etwas, was sie als Waffe hätte nutzen können. Die grässliche Orkfratze näherte sich immer mehr ihrem Gesicht. Feuchter, stinkender Atem berührte ihre feine Haut, als sie endlich mit den Fingerspitzen den Griff des Orkschwertes berührte.

Ein Pfeil bohrte sich neben Linns Gesicht in den Boden und zwang den Ork über ihr aufzusehen. Diesen Moment nutzte Tuilinn. Von Angst bestärkt ergriff sie das schwere Schwert und schlug es dem überraschten Ork in den Leib. Dieser torkelte verstört zurück, bis er letztendlich wortlos umkippte.

Den Tränen nahe blickte das zu Tode erschrockene Mädchen auf die Leiche hinab, bevor sie sich endlich traute, den Pfeil anzusehen. Die Federn waren weiß und die Spitze silbern

glänzend, er war von den Elben. Vorsichtig blickte sie auf und sah in Dhorons Gesicht. Der junge Elb sah sie besorgt an. Sie nickte ihm dankbar zu, auch wenn sie am Liebsten zusammenbrechen und weinen würde.

Sie hatte den Kontakt zu seinen kühl dreinblickenden Augen noch gar nicht lösen können, da brach das Pferd unter Dhoron mit schmerzerfülltem Blick aus. Wild warf es seinen Kopf herum, in den sich ein schwarzer Pfeil gebohrt hatte. Immer wieder buckelte es und bäumte sich auf, bis es letztendlich unter Dhoron zusammenbrach. Dieser hatte keine Zeit, großartig nachzudenken, denn hasserfüllte, brüllende Orks rannten auf ihn zu. Ohne sein Pferd war er eine viel leichtere Beute. Emotionslos warf der junge Elb seinen nun nutzlosen Bogen und den leeren Köcher weg und zog sein langes, silbernes Schwert mit der schmalen Klinge aus der Scheide am Rücken.
 

Erschrocken von dem Bild wich Tuilinn zurück. Sie wollte hier weg. Überall lagen nur noch Leichen herum. Nur weg, nur noch weg. Ein kehliger Schrei hallte in ihrem Ohr laut auf und versetzte sie in nie gekannte Panik. Angsterfüllt ließ sie das blutverschmierte Schwert in ihrer Hand fallen und rannte kopflos weg. Immer weiter entfernte sie sich von den anderen und spürte dabei, wie Schatten im Gras sie verfolgten.
 

Elinol blickte sich verwundert um. Die Orks konzentrierten sich immer weniger auf ihn und seine Leute. Wo waren sie abgeblieben? Er sah ihre Schatten schnell durch das Gras laufen und erkannte auch schon bald ihr Ziel. Etwas entfernt ragte ein blondgelockter Kopf zwischen all dem braunen Gras hervor und sah hilflos zu den näher kommenden Feinden. Die Panik war dem Mädchen deutlich ins Gesicht geschrieben, als sie sich immer weiter durch die Halme kämpfte.

Sie wollten Tuilinn?! Die Erkenntnis beantwortete Elinol auf einen Schlag viele Fragen. Ohne zu zögern gab der Elb Norui die Sporen und preschte auf das Mädchen zu.
 

Schwerfällig versuchte Tuilinn zwischen den unübersehbaren Grashalmen hindurch sich einen Fluchtweg zu bahnen. Ihre elbischen Sinne waren von Angst blockiert und somit bemerkte sie den großen Ork hinter sich nicht, dessen rote Augen jede ihrer Bewegungen, jedes Muskelzucken, Wimpernschlag, flatternde Haarsträhne, genauestens beobachtete. Immer näher kam er an sie heran, zog bereits genüsslich ihren Duft ein. "Ioreth daro!"[11], raunte er mit seiner kratzigen Stimme, die dem sonst feingeschliffenen Klang des Sindarin einen unnatürlich schroffen und widerwärtigen Ton verlieh.

Erschrocken hielt das Mädchen an und drehte sich um. Ihre Knie zitterten und ihr Körper bebte, als sie in die roten Augen blickte. Ioreth? Hatte er sie wirklich Ioreth genannt? "Ioreth." Ein fast schon sanftes Lächeln umspielte seine aufgesprungenen, rauen Lippen und entblößte eine Vielzahl schwarzer, fauliger Zähne. Tuilinn rührte sich nicht, aber ihre panisch aufgerissenen Augen verfolgten die rissige, haarige Hand, die zu ihrem Gesicht gestreckt wurde. Ihr stockte der Atem. Der Gestank, der von dieser Kreatur ausging, war nahezu betäubend. Interessiert betrachtete der Ork eine gelöste Strähne ihres mittelblonden Haares, die er sich um seinen blutverschmierten Zeigefinger gewickelt hatte. "Ioreth", wiederholte er mit seiner kratzigen, tiefen Stimme, die Sanftheit des Klanges allerdings nur wenig Abbruch tat. Tuilinn war viel zu verstört, um zu widersprechen. Sie verstand gar nichts mehr und blieb einfach nur noch gelähmt stehen. Ihre Lider schlossen sich, in der Hoffnung, dass alles nur Einbildung war. Unwillkürlich zuckte ihre Körper zusammen, als er von diesem Ding berührt wurde und stille Tränen rollten ihr Gesicht hinab.

"Linn garo avorn!"[12] Elinols Stimme riss Tuilinn aus ihrer Starre. Sie öffnete die Augen und sah den Elbenhauptmann im Galopp auf sich zureiten. Er hatte streckte seinen Arm nach ihr aus. Hastig griff sie danach und wurde von Elinol hinter sich in den Sattel gezogen. Augenblicklich machten sich die Orks an ihre Verfolgung. Einen flüchtigen Blick über die Schulter riskierend, bemerkte Tuilinn, dass ihre Verfolger auch ohne Pferde sehr schnell waren. Der Abstand zwischen ihr und dem rotäugigen Anführer schien nicht zuzunehmen. "si dartho...Ioreth si dartho!"[13] Angewidert und verstört drehte sie ihren Kopf weg. Was wollte diese Kreatur nur von ihr und woher kannte er ihre Mutter. Die Tränen unterdrückend krallte sie sich in Elinols Hemd.

Sie schaute erst auf, als sich lautes Wasserrauschen mit den Kampfschreien der Orks vermischte. Ungläubig erhaschte das Mädchen einen Blick an Elinol vorbei. Tatsächlich, ein breiter Fluss mit nicht ungefährlichen Strömungen durchschnitt ihren Weg, doch der Elb ritt unbeirrt darauf zu. Das Ufer lag einige Meter über dem Wasser und viel zu weit von dem anderen entfernt. Tuilinn ahnte Böses. Er hatte doch nicht etwa vor, da hinein zu springen? Die Strömungen waren viel zu stark. Erneut sah sie zu den Orks hinter sich. Je näher der Fluss kam, desto langsamer wurden sie. Sie schienen das Wasser zu fürchten, genauso wie sie.

Das Rauschen wurde immer stärker, aber Elinol dachte nicht daran, anzuhalten. "Elinol, halt an!" Er reagierte nicht. Nervös zupfte Tuilinn an seinem Hemd. "Elinol, ich kann nicht schwimmen", schrie sie hysterisch. "Dann lernst du es jetzt." Seine Stimme war ungerührt von ihrer Angst und ließ dem Mädchen keine andere Wahl. Sie legte ihre Arme um Elinols Körper, drückte sich fest an ihn und schloss die Augen, als Norui sich vom Ufer abdrückte und in die Luft sprang.

Platschend tauchten die Körper in den Fluss ein. Die plötzliche Kälte lähmte Tuilinn und so konnte sie nicht gegen die Strömung ankämpfen, die sie von Elinol forttrieb.
 

[1] "Komm!"

[2] "Was hast du?"

[3] "Begleitest du mich?"

[4] "Warum lachst du? Sei still!"

[5] "Nun schlaf!"

[6] "Elinol? Ich habe Hunger."

[7] "Seid wachsam!"

[8] "Orks!"

[9] "Nehmt die Bögen! KÄMPFT!"

[10] "Schwerter hoch! TÖTET SIE!"

[11] "Ioreth halte an!"

[12] "Linn halt dich fest!"

[13] "Bleib hier!...Ioreth, bleib hier!"

Kaltes Wasser

Klatschend schlug Tuilinn auf der harten Wasseroberfläche auf und wurde in die nasse Kälte gerissen. Sofort fraß sich der Frost in ihren Körper und lähmte sämtliche Sinne. Ihre klammen Finger lösten sich von Elinol und die Strömung trieb sie immer weiter von dem Elben fort.

Weiße Gischt und aufgewirbeltes Wasser störten kurz Elinols Orientierungssinn, doch schon bald fand er sich wieder zurecht. Er hing immer noch an Norui, welcher sich hastig zur Oberfläche durchzukämpfen versuchte, jedoch vom Strom immer weiter abgetrieben wurde. Sein Reiter spürte eine Bewegung hinter sich und bemerkte erst jetzt den fehlenden Druck um seinen Bauch und am Rücken. Einige Blasen ausstoßend, drehte er sich um. Linn fehlte. Er hatte sie verloren und nun trieb sie immer weiter von ihm davon. Er konnte ihr Gesicht erkennen, wie es ihn fast geisterhaft ansah. Ihre Augen waren müde und kaum noch lebendig. Die Kälte fraß ihre Sinne auf.

Ihre Lippen bewegten sich und ein Schwarm kleiner Luftblasen verlor sich im Strudel über ihr. Ohne Ton rief sie seinen Namen und dennoch verstand er sie. Das Mädchen streckte ihre Hand in seine Richtung und versuchte nach ihm zu greifen. Sie griff ins Leere und lediglich einige winzige Strudel bildeten sich zwischen ihren Fingern. Hilflos musste Elinol ihr nachsehen. Er öffnete seinen Mund, um sie zu rufen und bemerkte, dass seine Luft ausging. Das kalte Wasser, welches er geschluckt hatte, brannte.

Mit panischen Bewegungen stieß Norui durch die Wasseroberfläche. Elinol klammerte sich hustend an seinen Rücken und zog nun gierig die frische Luft ein. Hastig wanderten seine Augen über den Fluss.

"Linn!"

Etwas unterhalb entdeckte er ihre bleiche Hand, die sich für einen Moment aus dem Wasser streckte, um dann wieder verschluckt zu werden. Der Elb holte tief Luft und tauchte wieder ab.
 

Immer mehr lähmte die Kälte Tuilinns Körper und sie spürte kaum noch, dass ihr die Luft längst ausging. Schwärze legte sich über ihre Augen und das Gefühl von Frieden kehrte in ihr Herz ein. Um sie herum war nur dieses lichtdurchflutete Blau mit seinen vielen weißlichen Strudeln. Dann wurde das Wasser ruhiger. Ihre müden Augen blickten starr nach oben und langsam senkten sich die Lider. Als Linn diese wieder öffnete, blickte sie in Licht. Es war gebündelt und ungewöhnlich hell. In ihrem Geist hörte sie jemanden ihren Namen rufen und betörenden Gesang. Vorsichtig streckte sie ihren Arm danach aus. Ein weißer Lichtstrahl berührte ihre Fingerkuppe und wand sich, wie eine Ranke darum. Es war ein angenehmes Gefühl, warm und beruhigend. Der Gesang wurde stärker und nun erkannte sie auch Wörter darin. Glockenhelle Stimmen, jenseits von allem auf Mittelerde sangen von Sternen, dem Meer und einer längst mythischen Vergangenheit. Tuilinn schloss ihre Augen und ließ ihr Herz dem Lied lauschen. Wie ein Buch öffnete sich die Vergangenheit, an der sie noch keinen Anteil haben konnte.
 

Laut klopfte ihr Herz, als sie die beiden Reiter näher betrachtete. Elben, es waren Elben. Seit Amroth und Nimrodel hatte es keine vom schönen Volk je wieder hierher verschlagen. Ioreth brannte sich jede Bewegung des Anführers ein, als dieser von seinem weißen Ross stieg. Höflich verbeugte er sich vor dem Fürsten von Dol Amroth, in dessen grauen Augen und der edlen, hochgewachsenen Gestalt er das Elbenblut erkannte.

"Seid gegrüßt Lalven aus Düsterwald!" begrüßte Ioreths Vater, ein feinsinniger Mann mit bereits ergrauten Schläfen, die Ankömmlinge .

"Auch ich grüße euch, Herr von Dol Amroth und ebenso eure Tochter."

Lalvens stechendgrüne Augen wanderten zur jungen Ioreth, deren Wangen sich unter seinem Blick rot verfärbten. Ihr Herz schlug immer lauter. Der Elb vor ihr, war ganz anders, als sie sich dieses Volk vorgestellt hatte. Seine Gestalt war jung, attraktiv, anziehend und dennoch zeugte der Glanz seiner undurchdringlichen Augen von Weisheit und Alter.

Lalven brach den Augenkontakt abrupt ab und wandte sich seinem Pferd zu. Er nahm die Zügel und warf sie einem weiteren Elben, mit silberweißem Haar zu. Interessiert sah Ioreth ihnen zu, während ihr Vater und das höhere Hausvolk sich an ihr vorbei zurück in das Innere des Herrschaftshauses drängten. Das Mädchen hörte, wie elbische Worte gewechselt wurden, dann wandte sich der Silberweiße ab, doch bevor er mit dem anderen Pferd hinter sich zu den Ställen ritt, betrachtete er die Tochter seines Gastherren sehr genau. In ihrem grünen Kleid, mit den sparsamen, goldenen Verzierungen, welches eng an ihrem gemeißelten Körper lag und zum Boden hin zu einer kleinen Schleppe auslief und dem blonden Haaren mit den großen Locken, die einen kleinen goldenen Reif um ihrer Stirn teilweise verdeckten, war sie einer Elbe an Schönheit durchaus ebenbürtig. Die Art, wie sie aufgerichtet auf der steinernen Treppe stand und ihre zierliche Hand auf dem groben, grünlichen Stein des Geländers ruhte, unterstrich ihre Anmut, die edle Abstammung und die unverkennbare, reizvolle Jugend in ihren tiefen, glänzenden, blauen Augen.

Enttäuscht bemerkte der silberweiße Annûn dass ihre Augen sich von ihm abwandten und zu Lalven wendeten, der nun auf sie zutrat.

"Ich werde euch und eure Begleiter zu euren Quartieren bringen, wenn ihr erlaubt Hoher Herr."

Ein scheues Lächeln legte sich auf ihre blutroten Lippen, als der blonde Elb zufrieden nickte und ihr schließlich in das Haus folgte. Die anderen Elben, bis auf Annûn, der sich erst um die wertvollen Pferde kümmern musste, gingen ihnen nach.
 

Immer mehr verschwammen und verblassten die Bilder, so sehr Tuilinn sie auch festhalten wollte. Sie wollte noch nicht weg. Ein leichter Ruck ging durch ihren Körper, der sie noch weiter von der Vergangenheit wegtrieb. Auch der Gesang in ihrem Herzen verstummte allmählich.
 

Mit weitgreifenden Armbewegungen kämpfte Elinol sich zu der regungslosen Linn durch. Er hatte Glück, dass die Strömung hier nicht allzu sehr an ihm zerrte und das Mädchen immer näher kam. Eine Armlänge war sie noch von ihm entfernt. Er streckte seinen Körper und berührte ihre Fingerspitzen. Eilig verhakte er seine Finger um ihre und zog sie zu seinem Körper.
 

"Was war das?"

Die Frage kam nicht aus Linns Mund, sondern hallte nur in ihrem Herzen, umso überraschter war ihr verstörter Geist, von der Antwort, die kam. Eine Stimme, klar und sprudelnd wie Wasser, geisterhaft und allmächtig zugleich, sprach zu ihr.

"Ich habe dir erlaubt, die Vergangenheit zu sehen."

Tuilinn versuchte mit ihrem müden Geist die Worte zu verarbeiten. Sie spürte, wie ihr Körper bewegt wurde.

"Wer bist du? Ist das ein Traum?"

Die Stimme antwortete nicht und das Lied war endgültig verstummt.
 

Elinol betrachtete sie einen Moment. Ihr Gesicht war friedlich und die blonden Haare stoben in der Strömung auf und glichen einer Wasserpflanze mit unzähligen, feinen Zweigen, die sich zur Oberfläche hin reckten. Einige Strähnen umspielten sanft ihre Ohren und deckten sie für einen Moment vollständig auf. Elinol schaute für einen Augenblick hin und blinzelte verwirrt. Hatte er es sich nur eingebildet oder waren die Ohren wirklich spitz, wie bei Elben?

Sein Versuch genauer hin zu sehen, wurde unterbrochen. Von der Wärme des anderen Körpers verunsichert öffnete Tuilinn halb ihre Augen. Sie konnte nichts sehen und war mit ihrem Geist immer noch in ihrem Traum gefangen.
 

Tuilinn spürte schwache Wärme, die ihren Körper berührte. Vorsichtig öffnete sie die Augen. Da war nichts als Schwärze und dennoch ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit. Ihre verschlossenen Lippen lösten sich.

"Wo bist du hin?" fragte sie stumm und stieß dabei den letzten Rest Luft aus.

Ihre Haut kitzelte etwas, als sich die letzte Luftblase an ihrer Nasenspitze in zwei kleinere zerschlug, doch sie war zu müde. Kraftlos, ihre Seele länger zu halten, starrte sie in die Leere.
 

Der Elb schaute in ihre blau-grünen Augen. Sie waren trüb und zeigten, wie nah Tuilinn an der Schwelle des Todes war. Ihr Mund öffnete sich, wobei der letzte Rest Luft entwich. Auch die anfängliche Spannung in ihrem Körper ließ immer mehr nach. Elinol drückte ihren sterbenden Körper an sich. Mit einer Hand fixierte er ihren Kopf im Nacken und presste seine Lippen auf ihre. Tuilinn bewegte sich leicht, als Luft in ihre Lungen drang.

Hastig zog Elinol sie mit zur Wasseroberfläche, wo er prustend auftauchte. Das Mädchen in seinen Armen war immer noch bewusstlos. Angespannt wartete er auf einen Atemzug von ihr, doch nichts. Erneut zog er sie zu sich heran und gab ihr etwas von seiner Luft ab.
 

Tuilinn war schwindelig und nur allmählich treib sie aus der Traumwelt davon. Sie spürte, wie warme Luft in ihre Lunge drang und sie immer mehr zurück ins Leben holte. Vorsichtig blinzelte sie und blickte direkt in ein verschwommenes, dunkelgrünes Auge. Für einen Moment schloss sie die Lider wieder und verarbeitete die Situation in ihrem Kopf. Sie spürte den weichen Druck auf ihren Lippen und seine Hände, die ihr Gesicht festhielten. Er küsste sie!

Abrupt drehte sie ihren Kopf zur Seite und hustete den letzten Rest Wasser aus ihrer brennenden Lunge, bevor sie, wie ein Fisch auf dem Land, laut nach Luft schnappte. Elinol wagte es nicht, sie loszulassen. Er hielt sie, mit einem Arm unter ihre Brust gelegt, über Wasser. Seine Nähe war ihr unangenehm und sie war sauer. Wütend strampelte sie sich los und schlug ihm ins Gesicht.

"Wie kannst du es wagen?" zischte Linn heiser und hustete danach wieder laut.

Sie bemerkte nicht einmal, dass sie sich von allein nicht über der Oberfläche halten konnte. Panisch begann das Mädchen mit den Armen auf das Wasser zu schlagen, sank jedoch immer tiefer. Wild strampelte sie mit ihren Gliedern und wirbelte immer mehr Wasser auf, welches sie schließlich ständig schluckte.

Elinol hatte sich schließlich von der Ohrfeige und dem folgenden Unverständnis erholt und bewegte sich nun auf die panische Tuilinn zu. Mit festem, aber schmerzlosem Druck umfasste er wieder ihren Körper und zog sie mit dem Rücken nah an sich heran.

"Ganz ruhig. Bleib ruhig. Es wird dir nichts geschehen."

Nahezu sanft hauchte der unterkühlte Elb die Worte in Tuilinns Ohr. Allmählich zeigte es seine Wirkung und das Mädchen ließ sich von seiner singenden Stimme beruhigen. Angestrengt zog er das ängstliche Mädchen zu dem flachen Sandufer, in dessen Nähe die Strömung sie geschwemmt hatte.
 

Erschöpft krochen beide an Land. Der feine Lößsand klebte an ihrer nassen Kleidung und die verdunkelten Haare hingen schlaff und wirr herunter. Müde und den Tränen nahe, blickte Tuilinn auf zwei schlanke, weiße Pferdebeine, die langsam auf sie zukamen. Norui schnaubte erfreut, als er das kriechende Mädchen und seinen pitschnassen Reiter sah.

Tuilinn atmete hastig ein, als sie ihren Oberkörper abstieß und nach hinten bog, um sich mit den Armen abzustützen. Genervt versuchte sie ihre Haare in Form zu bringen und bemerkte dabei Elinols Blick nicht, der versuchte noch einmal eine Aussicht auf ihre Ohren zu erhaschen.

Erst jetzt fiel Tuilinn auf, das da noch mehr Tiere waren. Ihre Augen maßen mehrere Pferdebeine ab, die ruhig um den kleinen Strand standen und sie beobachten schienen. Bedächtig blickten ihre Augen von den Hufen aufwärts, bis sie schließlich an einer glänzenden Lanzenspitze hängen blieb.

Wackelig richtete Elinol sich auf und sah den Reitern mit ihren eisernen Helmen und den wehenden Pferdehaaren darauf entgegen. Aus der Reihe Berittener löste sich nun ein Knabe, der gerade erst Flaum im Gesicht bekommen hatte. Seine Augen waren grau und feurig.

"Was sucht ihr in der Riddermark?"

Riddermark? Elinol stutzte. Waren sie vom Fluss soweit südlich abgetrieben worden? Er hatte extra eine Route nahe des Fangorn gewählt, um den Rohirrim auszuweichen.

Erschrocken sprang Tuilinn auf und sah sich von einigen Speerspitzen verfolgt.

"Wir haben nichts getan", stotterte sie kleinlaut auf Westron.

Augenblicklich sah sie sich dem stechenden Blick des jungen Anführers ausgesetzt.

"Gehört ihr zu denen?"

Trotz seiner Jugend war die Stimme des Jungen scharf und durchsetzend. Tuilinn schätzte ihn auf 16 oder 17 Jahre, konnte sich aber auch irren, da der Helm mit dem Strang aus weißem Rosshaar sein Gesicht fast gänzlich verdeckte.

Der Knabe ließ sein Pferd zu Seite gehen und deutete auf einige Personen hinter sich. Tuilinn blinzelte, als drei blonde, zerzauste Schöpfe auftauchten. Ihr Blick blieb an dem Ersten hängen und Erinnerungen wallten auf. Das letzte Mal, als sie Dhoron gesehen hatte, war sein Pferd gestürzt und eine Handvoll Orks griff ihn an.

"Dhoron!" rief sie erfreut zu dem jungen Elben hin.

Verwundert blickte dieser auf, lächelte das Mädchen dann aber glücklich an.

"Wer seid ihr und was wollt ihr in Rohan?" fragte der Junge Rohirrim erneut.

Versöhnlich sah das Mädchen den Jungen an.

"Verzeiht! Wir wollen nichts Böses, wir waren nur auf der Durchreise und wurden angegriffen." Skeptische Augen musterten ihren nassen, frierenden Körper.

"Dann war es eure Pferde, die wir tot auffanden?"

Sämtliche Farbe wich aus Linns Gesicht und stumm nickte sie. Betrübnis machte sich in ihr breit. Nie würde sie die schmerzlichen Schreie ihrer lieb gewonnen Stute im Todeskampf vergessen. Ihre Gefühlsregungen entgingen dem Rohirrim nicht. Milde wurden seine Züge, als er das Mädchen ansah.

"Ich bedaure euren Verlust."

Knapp nickte das Mädchen und griff gedankenverloren nach Noruis Halfter, der immer noch neben ihr stand. Traurig streichelte sie den Nasenrücken des edlen Tieres.

"Ich muss euch dennoch bitten, mich nach Edoras zu begleiten. Niemand darf ohne die Erlaubnis des Königs durch Rohan reisen."

Tuilinn blickte verstört auf. Es würde die Reise unnötig verlängern und seit dem Angriff fühlte sie sich nicht mehr sicher. Sie hatte Furcht vor dem großen, rotäugigen Orkanführer.

"Wer bist du eigentlich?" fragte sie schroff.

Der Junge blinzelte verwirrt über den plötzlichen Gefühlswandel der Blonden.

"Éomer, des Königs Neffe und mit wem hab ich die Ehre", sagte er ruhig.

Tuilinn beruhigte sich sichtlich. Über die königliche Familie wusste Gandalf nur Gutes zu berichten.

"Das sind Elinol, Dhoron, Tawarên und Ithildin aus Düsterwald...", erklärte sie, wobei sie jeden der Elben nacheinander ansah.

Éomer nickte ihnen zu und gab den beiden Letztgenannten ihre Pferde zurück, bevor Linn fortfuhr. Der wartende Blick des Rohirrim lag bereits auf ihr.

"...und mein Name ist Linn."

In seinem Sattel streckte Éomer sich in die Höhe und lächelte Linn oberflächlich an.

"Nun gut, Linn, dennoch muss ich euch bitten, mich zu begleiten."

Fragend blickte das Mädchen zu Elinol, der wie immer ein ungerührtes Gesicht hatte. Sie seufzte und übersetzte ihm Éomers Worte. Schließlich nickte der Elb und ging auf Norui zu, der immer noch die Streicheleinheiten genoss. Eilig half er Tuilinn in den Sattel und setzte sich schließlich hinter das frierende Mädchen. Es schien ihm sicherer, wenn sie wieder angegriffen werden sollten.
 

Wortlos setzte sich die Schar Reiter in Bewegung. Linn blickte sich verstohlen zu Elinol um, an dessen Wange sie immer noch ihren roten Handabdruck sehen konnte.

"aranno!"[1] flüsterte sie beschämt.

Sie hatte völlig übertrieben. Dhoron lauschte angespannt. Es gefiel ihm nicht, dass das Mädchen bei Elinol saß, so weit weg von ihm und er sich mit Ithildin auf Gloss drängen durfte und schon gar nicht gefiel ihm dieser Abdruck im Gesicht des Hauptmannes.

"ha mae", [2] versicherte der Honigblonde mit leiser Stimme. Mit leichter Besorgnis blickte er auf ihre nassen Haare und den zitternden Körper.

"van garich?"[3]

Er fragte kühl, denn Emotionen waren nicht seine Stärke. Linn umarmte sich und versuchte ihre Körperwärme festzuhalten.

"im ring", [4] antwortete sie leise.

Elinol seufzte, schaute dann aber wieder auf das zitternde Mädchen hinunter. Er verstand ohnehin nicht, wieso die Rohirrim so schnell weiter wollten. Menschen hatten einfach keinen Anstand. Auch er könnte ein wärmendes Feuer jetzt gut vertragen und ihm bekam die Kälte noch wesentlich besser, als der zierlichen Linn.

Stoff raschelte auf und Tuilinn blickte aus den Augenwinkeln verstört zu Elinol. Er hatte seine Arme um sie gelegt und sie näher an seinen Körper gezogen. Das Mädchen schloss leicht ihre Lider und genoss seine wohltuende Wärme und den angenehmen Duft nach Wald und wilden Kräutern.

"garo hannad."[5]

Ihre Stimme war nicht mehr als ein leises Wispern. Éomer schaute sich zu ihnen um. Die seltsamen Laute hatten ihn neugierig gemacht und er suchte nach ihrer Quelle. Die elbischen Begleiter waren befremdlich und beunruhigten auch die restlichen Ritter der Riddermark. Sie wussten nicht, wie sie sich gegenüber den leuchtenden Gestalten in ihrer Mitte benehmen sollten. In ihrer Nähe fühlten sich die Menschen barbarisch, unscheinbar und primitiv. Es war ein merkwürdiges Gefühl für die stolzen Rohirrim. Éomer hatte damit keine großen Probleme. Er war noch zu jung, als dass sein Stolz seine Neugier im Zaum halten konnte. Besonders interessierte ihn, warum Linn, ein Menschenmädchen mit den Elben reiste und wieso der Elb mit dem etwas dunkleren Haar sie die ganze Zeit so komisch ansah. Tatsächlich war Dhoron wenig von der Nähe Linns zu Elinol begeistert und behielt sie ständig argusähnlich im Auge.

Elinol bemerkte Dhorons Blicke, tat sie aber leichtfertig ab. Er konnte sich nicht auf einen einzelnen Elben mit gekränktem Ego konzentrieren. Für den jungen Mittelblonden war das Menschenmädchen ohnehin nichts weiter, als eine kurze Spielerei bis ihr sterblicher Körper seine Jugend verlor.

Nachdenklich sah er auf die, von Nässe verdunkelten, blonden Haare vor sich hinab. Unmerklich war sie zusammengezuckt, als sie in der Ferne den Ort wiederfand, wo sie überfallen worden waren. Es war ein seltsamer Angriff gewesen und der Hauptmann nahm sich vor sie darauf anzusprechen, sobald sie Edoras und damit einen einigermaßen sicheren Ort erreicht hatten, denn wie sicher konnte schon eine Siedlung sein, die nur von Menschen bewacht wurde?
 

[1] Verzeih!

[2] Es ist gut/ okay.

[3] Was hast du?

[4] Mir ist kalt.

[5] Hab Dank!

Abendessen in Edoras

@ berit: 'Türlich taucht Éowyn auch auf, sie gehört einfach zu Rohan dazu, auch wenn ich sie nicht sonderlich leiden kann *Arwen-Fahne schwenk und Faramir hinterhertrauer*, genauso wie Gríma -.-

Die Rohirrim waren noch längere Ritte, als die Elben gewöhnt und so wurden die erholsamen Nächte außerhalb der Sättel kürzer und die beschwerlichen Tage scheinbar immer länger. Es war für alle sehr anstrengend, aber besonders für Tuilinn. Ihr Körper erschien in den letzten Tagen ausgemergelt und die bläulichen Augenringe in ihrem blassen Gesicht immer tiefer. Nicht nur, dass der Schock des Angriffs noch tief saß, auch die Strapazen dieses unplanmäßigen Rittes, machten ihr zu schaffen. Die Elben und besonders Dhoron versuchten alles, um ihr wenigstens etwas Ruhe zu gönnen. Woher sollten sie auch wissen, dass die ständige Bewachung ihres Schlafes, alles nur noch schlimmer machten?

Beruhigend wiegte Norui bei jedem Schritt. Sein Reiter blickte stur geradeaus und beobachtete die weitreichende Grasebene. In der Ferne wuchs Rauch in vielen kleinen Säulen in den Himmel. Das musste Edoras sein. Seine Augen wanderten zu dem Schopf mittelblonder, zerzauster Haare vor sich. Tuilinn lag sicher an seiner Brust gestützt und hatte die Augen geschlossen. Erholsamen Schlaf konnte sie nicht erwarten, denn Elben schliefen mit offenen Augen und wandelten dann durch fast reale Träume. Sie war es durchaus gewohnt, wie ein Mensch zu schlafen, doch erschöpfte es auf Dauer ihren müden Körper zu sehr.

Stirnrunzelnd bemerkte Elinol ihre ruhigen Atemzüge, fasste es jedoch als Gelegenheit auf. Mit den Augen tastete er ihr Gesicht ab, welches zur Hälfte ihm zuneigt war. Der Anblick im Fluss ließ ihn nicht los. Er musste wissen, ob er sich das mit den Ohren nur eingebildet hatte oder nicht. Zaghaft näherte sich seine Hand ihrem Haare, welches die Ohrspitzen stets verdeckte. Unter den neugierigen Blicken seiner Begleiter, berührte er eine Haarsträhne, um sie zur Seite zu legen. Er schreckte zurück, als Éomer sich zu ihnen umdrehte.

"Das ist Edoras", sagte er voller Stolz und zeigte auf eine Ansammlung von Holzhäusern, die sich einen Hügel hinauf, zu einer riesigen Halle, hinzogen.

Tawarên runzelte die Stirn. Zugegeben, die Halle aus dunkelbraunem Holz war beeindruckend und das Sonnenlicht, welches von den goldenen Verzierungen reflektiert wurde und wie dutzende, kleine Sterne wirkten, war ein atemberaubender Effekt, aber so recht konnte der Elb den Stolz in der Stimme und den grauen Augen der Jungen nicht nachvollziehen. Die Siedlungen der Elben mit ihrer grazilen Architektur, wo Schönheit und Weisheit allgegenwärtig waren, waren doch wesentlich beeindruckender als Edoras, welches sich nicht einmal über längere Zeit verteidigen konnte.
 

Müde schlug Linn ihre Augen auf, als Noruis einlullender Schritt abrupt aufhörte. Etwas verwirrt sah sie sich um. Sie standen inmitten eines größeren Platzes, umringt von vielen kleinen Häusern mit geschnitzten Giebeln und grobgezimmerten Türen, aus denen sich großgewachsene Menschen, mit grauen Augen und Haaren, von blond bis dunkelbraun, strömten. Sie drängten sich um den Platz, der wohl als Markt diente und sahen sich die Ankömmlinge an oder begrüßten die heimgekehrten Ritter.

Das blonde Mädchen fühlte sich unwohl und sah unsicher hinter sich zu Elinol. Zu ihrem Bedauern und ihrer Überraschung, war er nicht mehr da. Ein innerliches Grummeln breitete sich aus. In gewisser Weise waren diese Elben absolut unhöflich, wenn es ihnen passte verschwanden sie einfach, dabei waren sie so lautlos, dass selbst andere Elben sie nicht hören konnten.

Immer mehr Menschen drängten sich um die Pferde und kamen immer weiter an Norui heran. Das Mädchen auf dem ruhigen Pferd, fühlte sich alleingelassen. Ein erschreckter Laut, drang aus ihr, als jemand unvermittelt an ihre Haare fasste. Empört und leicht verängstigt drehte Linn sich um und sah in das runzelige Gesicht einer buckeligen, alten Frau.

"Haare wie goldene Seide."

Die Greisin lachte kehlig und entblößte ihren letzten, angefaulten Zahn.

"Wie bei den legendären Fürstentöchtern aus Dol Amroth, wie bei Sahuld und Ioreth."
 

Elinol spitzte die Ohren. Ioreth? So hatte der rotäugige Ork doch Linn genannt. Er drehte sich von Éomer weg, der ihm gerade einiges zu erklären versuchte und schaute zu dem blonden Mädchen, welches die alte Frau sowohl hilflos, als auch erschrocken anstarrte.
 

Dhoron versuchte sich durch die Menschen zu Linn durchzukämpfen. Er bemerkte ihre Unruhe und wollte sie aus dem Trubel, den ihre Anwesenheit heraufbeschworen hatte, raushalten. Immer noch zu weit von ihr entfernt, musste er zusehen, wie Elinol neben dem weißen Pferd auftauchte und das verstört wirkende Mädchen aus dem Sattel zog.
 

"Linn?"

Sich schwer von der Frau lösend, blickte die Angesprochene neben hinunter in Elinols hübsches, alterloses Gesicht.

"Komm, der König erwartet uns."

Verwirrt sah sie ihn an. Ihre Lippen zitterten etwas und ihre Augen waren weit auseinander gerissen. Ein verunsichertes Runzeln huschte über die Stirn des Elben. Wie konnten die Worte einer alten Frau sie nur so durcheinander bringen?

Derweil verloren die Menschen jegliche Zurückhaltung. Angelockt von den Elben, dem schönen Mädchen und vor allem von ihren prächtigen Pferden, stürzten sie förmlich auf den Platz. Ihre Hände tätschelten die weißen, muskulösen und edlen Elbenpferde, die nun doch etwas unruhig wurden.

Elinol konnte Tuilinn gerade noch auffangen, als diese vom unruhigen Norui rutschte. Erschrocken klammerten sich ihre Hände an sein grasgrünes Hemd. Der Schreck saß immer noch tief, als der große Elb sie durch die Menschen hindurch, zu den anderen führte.
 

Dhoron kämpfte sich zurück und erwartete seinen Hauptmann und das Mädchen mit kritischem Blick. Es gefiel ihm nicht, dass Tuilinn sich schutzsuchend an Elinol klammerte.

"Bist du eifersüchtig?"

Finster schielte der Mittelblonde zu Tawarên, der neben ihm grinste. Abweisend strich Dhoron sich eine lange, seidig glänzende Strähne hinter sein spitzes Ohr.

"Wieso sollte ich?"

"Weil unser Hauptmann dir gerade dein Spielzeug wegnimmt?"

Dem Gespräch überdrüssig, wandte sich Dhoron ab. Es gefiel ihm wirklich nicht, dass Linn sich nun fast ausschließlich in Elinols Nähe aufhielt. Selbst beim Bogenschießen, war sie ständig geistig abwesend. Was wollte sie von Elinol? Der konnte doch mit Frauen nichts anfangen, wenn er selbst Eliant hatte abblitzen lassen.

"Wusstest du, dass er sie geküsst hat?"

Abrupt drehte der jüngere Elb sich wieder zu Tawarên. Sein Mund war überrascht und fragend aufgerissen.

"Sie hat im Schlaf gesprochen", erklärte der Hellblonde ungewöhnlich ernst.

Dhoron wusste nicht, was er zuerst machen sollte, Elinol wütend zur Rede stellen oder sich deprimiert zurückziehen. Er entschied sich für den mittleren Weg und hoffte auf eine neue Chance.
 

"Elinol?"

Scheu zupfte Linn an der Kleidung des Elben, um seine Aufmerksamkeit zu erhalten. Fragend blickte er zu ihr hinab. Eine ihrer Augenbrauen war skeptisch hochgezogen.

"Wieso verstehst du Éomer? Ich dachte, du kannst kein Westron."

Wenn er sich ertappt fühlte, so sah man das dem Elben nicht an.

"Westron nicht, aber Rohan", erklärte er, ohne dass seine Stimme schwankte.

Tuilinn gab sich damit zu Frieden, es hatte ohnehin keinen Sinn aus ihm die Wahrheit zu bekommen, wenn er es nicht wollte.

Sie wandte sich ab und blickte nun Dhoron an. Der Elb schien ihr verstimmt und so schenkte sie ihm ein aufmunterndes Lächeln. Sofort zuckten seine Mundwinkel nach oben.

"Du siehst blass aus."

Er schaute das blonde Mädchen besorgt an, doch sie nickte nur leicht.

"Ich hab mich nur etwas erschrocken. Kein Grund sich zu sorgen."

Beide schauten die Treppe aus geglätteten Feldsteinen hinauf, als Éomer sie von der Plattform, zu der sie hinaufführte, rief. Er drängte zur Eile, denn Théoden war zwar ein gerechter und gutmütiger König, aber es war dennoch nicht angebracht, noch höflich, ihn warten zu lassen. Der königliche Neffe führte die Ankömmlinge in das Innere der Halle.
 

Die Audienzhalle, in der sie sich nun befanden, war ein großer, lang gestreckter Raum, mit hoher Decke, die von vielen glatten Säulen getragen wurde. Obwohl es Tag war, musste die Halle von Fackeln erhellt werden, die kaum die Dunkelheit in allen Winkeln verscheuchen konnte. Lediglich zur Tür und einiger schmaler Fenster fand die Sonne ihren Weg hinein und versprengte einzelne Lichtschranken durch den Saal.

Tuilinn fühlte sich inmitten der zwielichtigen Atmosphäre unwohl. Die Wachen mit ihren harten Gesichtszügen und den zusammengepressten Lippen, jagten ihr etwas Angst ein. Schutzsuchend griff sie nach dem Arm, der neben ihr hing. Es war Dhoron, der zuerst überrascht, dann erfreut auf ihren blonden Schopf schielte.
 

Éomer hielt an und stoppte so indirekt auch Elinol und dessen Männer. Verwirrt blickte Tuilinn geradeaus. Ein Mann mit stechenden, grauen Augen und graumeliertem Bart blickte die Elben abschätzend an. Um seine hohe Stirn wand sich ein schlichter, goldener Reif und sein langes Gewand leuchtete, selbst im dunklen Schatten, zinnoberrot. Das war Théoden, Thengels Sohn und König von Rohan. Neben ihm stand ein junger Mann, der sein jüngeres Abbild zu sein schien, ebenfalls mit den stechenden Augen, die sowohl sanft und gütig, als auch hart und gnadenlos leuchteten. Der junge Mann war Théodred; gerade mal den ersten Flaum gegen einen Bart eingetauscht, stand der Thronerbe hoch aufgerichtet da und stützte seine Hand an dem Griff seines Schwertes. Auf der anderen Seite des Königs stand noch eine Person. Langes, gewelltes, flachsblondes Haar umschmiegten das fast gemalte Gesicht mit den roten Lippen und den kühlen Augen. Tuilinn betrachtete das junge Mädchen in dem weißen Kleid, welches ihren noch nahezu kindlichen Körper sanft umschmiegte, mit unverhohlenem Interesse. Hübsch war das Kind, wenn auch sehr abweisend. Einst dürfte aus ihr eine kalte Schönheit werden und irgendwie erinnerte sie Linn an Elinol, der war ebenso wohlgeraten und mindestens genauso abweisend.
 

Elinol trat nun vor und neigte sein Haupt vor dem König. Sie tauschten einige Worte, die Tuilinn nicht verstand. Es war eine sehr kräftige Sprache, die von Théoden geradezu in den Raum geschmettert wurde.

"Worüber sprechen sie?" fragte sie Dhoron leise flüsternd. Der Elb wandte sich lächelnd zu ihr.

"Er erlaubt uns den Aufenthalt in Rohan und lädt uns als Gäste ein."

Das Mädchen nickte und musterte wieder den König. Er kam ihr immer freundlicher und gütiger vor, je mehr sie ihn betrachtete. Einst muss er ein großer Krieger gewesen sein, ein starker, junger Mann.

Ihre Betrachtung wurde unterbrochen, als Dhoron sie mit sich zog. Die Dienstmädchen, die aus dem Schatten getreten waren, waren Linn gar nicht aufgefallen, doch nun folgte sie ihnen.
 


 

Etwas abseits von der Stadt, erstreckten sich die Weiden, die meisten ohne Gatter, lediglich die Mutterstuten und ihre Fohlen, waren zu ihrem eigenen Schutz eingezäunt. Auf eines dieser Geländer aus Holzpfählen, hatte Tuilinn ihren Kopf gelegt und beobachtete, wie ein junger Hengst eingeritten wurde. Das schwarze Tier buckelte unter seinem Reiter, dessen blonde Haare wild durch die Luft flogen. Sie war so vertieft in den Anblick, dass sie auch die herannahende Person nicht bemerkte.

"Sie ist gut, nicht?"

Überrascht schreckte Tuilinn hoch und sah Éomer fragend an. Jener hatte nur Augen für den Reiter auf der Weide.

"Meine Schwester Éowyn ist so gut, wie jeder Mann."

Tuilinn sah nun wieder zu dem Reiter. Der Hengst hatte sich beruhigt und bekam von dem Mädchen auf seinem Rücken den hals getätschelt. Linn war beeindruckt. Éowyn mochte gerade das zwölfte Lebensjahr erreicht haben und zähmte bereits derartig wilde Pferde. Die königliche Nichte blickte nun zu ihrem Bruder und dem fremden Mädchen aus Isengard. Ihre Augen waren selbst jetzt kühl und voller Stolz. Es war, als würde sie versuchen, sich gegenüber den beiden hervorzutun.

"Können alle Frauen in Rohan das?"

Éomer lachte.

"Nur die, die Schildmaid werden. Éowyn ist immerhin von königlichem Blut."

Das blonde Mädchen nickte. Schildmaid, ja, davon hatte sie schon gehört. Mithrandir hatte oft von den wehrhaften Jungfern aus der Riddermark gesprochen.

"Da fällt mir ein, ich habe euch gesucht, um euch wegen des Festmahls Bescheid zu sagen."

Der Junge kraulte sich leicht verlegen den braunen Hinterkopf. Fast hätte er vergessen, weswegen er die ganze Umgebung nach ihr abgesucht hatte. Blau-grüne Augen schauten ihn erwartungsvoll an. Éomer blickte zur Sonne, die immer weiter nach Westen zog.

"In etwa einer Stunde, also wenn die Sonne hinter dem westlichen Horizont verschwindet, gibt König Théoden zu Ehren seiner Gäste ein Festmahl. Er würde sich freuen, wenn ihr auch daran teilnehmt." Ein schüchternes Lächeln legte sich über die jugendlichen Lippen, als Tuilinn erfreut zusagte. Hastig entschuldigte sich der junge Rohirrim und entschwand zurück in die Stadt.
 

Tuilinn blieb nicht lang allein mit ihrer Betrachtung von Rohans Schildmaid, denn einer der Elben hatte sie ebenfalls gesucht. Mit gerunzelter, ernster Stirn wanderte Dhoron den zerfurchten Feldweg entlang. Verwirrt betrachtete Linn die ernsten Züge des Elben.

"Was hast du?"

Dhoron blickte sie abschätzend an, sagte aber erst nichts. Sie konnte seine tiefen, überlegenen Atemzüge hören. Schließlich überwand er sich doch.

"Ist es wahr? Hast du Elinol geküsst?"

Tiefrot lief das Mädchen an und schaute schamvoll zu Boden.

"Nun ja...ganz so ist es nicht. Es war nicht wirklich ein Kuss."

Verwirrt schaute der Elb auf die stammelnde Linn hinab.

"Also nein?"

"Nein!"

Ein erleichtertes Lächeln zierte das Gesicht des Elben. Tuilinn sah ihn schräg an. Wieso freute er sich so darüber? Seufzend wandte sie sich ab und blickte wieder auf die Weide. Éowyn war nun auch fertig. In einiger Entfernung rieb sie den schwitzenden Rappen mit etwas Stroh ab.
 

Schweigend standen nun Dhoron und Tuilinn am Holzzaun und beobachteten die Fohlen, die wild auf der Weide herumtollten. Éowyn war schon längst gegangen und hatte die beiden in ihren Gedanken alleingelassen. Der Elb betrachtete das Mädchen, welches ihren Oberkörper über den Zaun gelehnt hatte, von oben herab. Wie gern würde er einmal ihre Lippen berühren und ihre Haut spüren.

"Dhoron?"

Der Elb schreckte auf. Hatte sie ihn erwischt? Zu seiner Erleichterung schaute sie immer noch geradeaus.

"Was ist denn?"

Sie drehte ihren Kopf und kleinere Strähnen fielen ihr über die Stirn.

"Hab ich Elinol etwas getan oder wieso kann er mich nicht leiden?"

Erstaunt blickten die grünen Augen sie an.

"Wie kommst du denn darauf, dass er dich nicht leiden kann?"

Sie seufzte und drehte sich nun um, um sich mit dem Rücken am Geländer anzulehnen.

"Er ist immer so abweisend und wenn er mir hilft, dann auch nur aus Pflichtgefühl. Ich bin ihm doch nur eine Last."

Lächelnd schüttelte Dhoron sein blondes Haupt, in dem einige Strähnen zu kunstvollen, kleinen Zöpfen geflochten waren.

"Der Hauptmann ist eigentlich immer so. Es ist nicht so, dass er dich nicht leiden kann. Es ist nur..." Er runzelte kurz seine Stirn, als er überlegte. "...er sieht es eben nicht gern, dass du mir gefällst."

Sein verschmitztes Lächeln trieb ihr die Röte zurück ins hübsche Gesicht. Dhoron triumphierte innerlich. An ihrer Reaktion konnte er erkennen, dass sie zumindest geschmeichelt war.

"Sieh nur, die Sonne geht unter."

Unvermittelt lenkte er vom Thema ab und deutete auf den roten Feuerball, der sich langsam hinter die grünen Hänge im Westen schob.

"Lass uns gehen! Wir werden sicher schon zum Essen erwartet."
 

Nervös rutschte Tuilinn auf dem samtbezogenen Holzstuhl hin und her. Sie fühlte sich etwas eingeengt, so viele Personen an einem Tisch hatte sie noch nie gesehen. Ihr Blick ging starr geradeaus, auf die überladene Tafel. Sie traute sich nicht einmal neben sich zu sehen, sonst hätte sie bemerkt, dass sie sehr nah am König saß, zwischen Éowyn und Elinol. Das verschüchterte Mädchen sah nicht mal Dhoron, der ihr gegenübersaß und nur selten den Blick von ihr abwandte.

Zaghaft streckte sie ihre Hand nach einigem Gebäck aus, welches auf einer gefußten Schale über den restlichen Speisen thronte und bemerkte dabei nicht, wie der weite Ärmel ihres Kleides aus blauem Brokat an einen der silbernen Becher stieß und diesen umkippte. Das schimmernde Wasser ergoss sich über den Tisch und tropfte schließlich auf Elinols grüne Hose. Hastig, aber leider schon zu spät, versuchte das Mädchen den Becher aufzufangen. Eine andere Hand griff nach dem Kelch und legte sich über Tuilinns zitternde Finger. Erschrocken blickte sie in Elinols gleichgültiges Gesicht, bevor sie ihre Hand zurückzog. Beschämt schaute sie auf ihren Schoß.

"ae! aranno! i ú-anirannen." [1]

Sie konnte Elinols Blicke immer noch auf sich spüren, was ihr sichtlich unangenehm war.

"avgaro tress! ha nen",[2] hörte sie seine kühle, unbeeindruckte Stimme.

Peinlich berührt, sank Tuilinn in sich zusammen und versuchte den Rest des Mahls nicht weiter aufzufallen.
 

"Ich habe gehört, ihr seid aus Isengard."

Eine noch fast kindliche Stimme sprach Tuilinn an. Ruckartig drehte sie ihren Kopf zur Seite und bemerkte die flachsblonde Éowyn erst jetzt. Das junge Menschenmädchen lächelte tapfer, doch in ihren Augen lag noch frische Trauer. Mitleid ergriff Linn, auch wenn sie nicht wusste, was passiert war.

"Nun ja, nicht ganz. Ich habe hinter Isengard gelebt."

Neugierig blickte Éowyn sie an.

"Ich habe gehört, Isengard ist von einer hohen Mauer umgeben."

Tuilinn nickte begeistert. Das Gespräch hatte sie von ihrem Missgeschick mit dem Becher abgelenkt.

"Ja, das stimmt. Sie ist absolut undurchdringlich."

Die Schildmaid zeigte sich erstaunt.

"Habt ihr etwa ein so großes Problem mit Orks?"

Zu ihrer noch größeren Überraschung schüttelte Tuilinn den Kopf.

"Aber nein. In Isengard gibt es keine Orks, dass würde Saruman nie zulassen."

Ithildin an der anderen Seite der Tafel, horchte auf. Ihm ging dieser Schatten, den er auf einem der Wege zum Orthanc gesehen hatte, nicht aus dem Kopf. Sollte er Elinol davon berichten? Er entschied sich dagegen. Sicher würde der Hauptmann ihn nur wieder für paranoid halten.

"Dann habt ihr mehr Glück, als wir", meinte Éowyn betrübt. "Seit Monaten werden wir immer wieder von Orks heimgesucht, aber wir schaffen es nicht, sie zu verjagen. Ich wünschte, ich könnte mich an ihnen rächen, doch das ist verboten."

"Éowyn! Es ist genug."

Nun mischte sich nun auch Théoden in der Sprache seiner Väter ein. Ihm war es unangenehm, dass Fremde von den Problemen in seinem Land erfuhren. Streng blickte er seine Nichte an, bevor er jeden seiner Gäste ins Augenmaß nahm.

"Verzeiht meiner Schwestertochter. Sie redet manchmal mehr, als gut für sie ist."

Elinol nickte dem Führer der Rohirrim knapp zu, als dieser sich wieder langsam auf seinen kunstvoll geschnitzten Stuhl sinken ließ.
 

Linn verstand zwar die Worte des Königs nicht, aber an der Tonlage und an Éowyns Gesichtsausdruck, konnte sie ablesen, um was es sich gehandelt haben musste und sie gab sich die Schuld. Sie wollte die königliche Nichte aufmuntern, doch schon spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter. Verdutzt drehte sie sich zu Elinol, der sie streng ansah.

"ha mae." [3]

Tuilinn verstand nicht recht. Mit ihrem ganzen Körper drehte sie sich zu dem Elben, wobei der schwere Stoff ihres edlen Kleides raschelte. Eine der wenigen Hofdamen, die wohl ursprünglich aus Minas Tirith stammte, hatte es ihr geliehen.

"dan..." [4]

Elinol ließ erst keine Diskussion aufkommen.

"si mabo! i aes ammaer athlembas." [5]

Er hielt ihr ein Stück Rehbraten vor die Nase. Zaghaft streckte sie ihre Finger danach aus und nahm es vorsichtig in selbige. Wie ein Mäuschen knabberte sie an dem Stück Fleisch. Es war wirklich vorzüglich, doch vermochte es nicht, ihre Gedanken abzulenken. Tawarên, der neben Dhoron saß, bemerkte ihren Blick und seufzte leise.

"Linn lasto or Elinol! sin terias vîn law." [6]

Das Mädchen gab auf und versuchte sich auf die Köstlichkeiten zu konzentrieren, unter denen sich der Tisch bog, als sie am Ärmel gezogen wurde. Es war Éowyn, die mit ihrem fragenden Gesicht und den neugierigen Augen einem Kind ihres Alters, viel ähnlicher war, als die mutige Reiterin, vom frühen Abend.

"Was ist Jungfer Éowyn?"

Die eisblauen Augen des Mädchens wurden immer größer. Sie schien wirklich sehr neugierig zu sein. Ihre Augen blickten nun an Tuilinn vorbei zu Elinol, der zwar lauschte, aber dem ganzen keine Beachtung schenkte.

"In welcher Sprache habt ihr gesprochen?" Ein leichtes Lächeln zeigte sich auf Linns Lippen.

"Sindarin, die Sprache, die bei den Waldelben gesprochen wird."

Die junge Schildmaid zog eine Braue hoch.

"Und worüber habt ihr gesprochen?"

Die Mittelblonde sah das Mädchen in dem weißen, silberverziertem Kleid, mit den ebenfalls ausgestellten Ärmeln, freundlich an.

"Nichts von Belang. Elinol hat lediglich..."

"Nun denn Jungfer Éowyn, es kann wirklich nichts von Belang sein, wenn sie sogar eine Sprache benutzen müssen, die wir nicht können, um uns mit ihren Belanglosigkeiten nicht zu belästigen."

Verwundert und zornig blickte Tuilinn über die Tafel zu dem Mann, von dem diese Frechheit kam. Ihre Augen blieben an einem jungen Mann hängen, der dem Bild der Rohirrim überhaupt nicht entsprach. Seine Gestalt und auch seine Bewegungen glichen einem kriechendem Tier, einer Eidechse oder einer Natter. Die schwarzen Haare lagen glatt an seinem Schädel, der seinem Gesicht ein totenkopfähnliches Aussehen verlieh. Die blutunterlaufenen Triefaugen blickten die Gäste des Königs anmaßend an.

"Es könnte aber auch sein, dass sie uns mit dem bezaubernden Klang dieser Sprache beglücken wollten", gab die königliche Nichte trocken zurück.

"Bezaubernd oder verhexend?"

Triumphierend sah der Schwarzhaarige, dessen Alter Tuilinn auf Mitte zwanzig schätzte, die junge Éowyn an. Irrte sich das Mädchen oder blitzte in seinen Triefaugen so etwas wie Lust auf, als er die fast kindliche Schildmaid betrachtete? Nein, sie irrte sich nicht, denn die königliche Nichte rutschte angewidert auf dem Stuhl zurück, bis ihr Rücken ohne jeglichen Hohlraum an die Lehne stieß.

"Nun wenn ihr wollt, könnte ich euch die Sprache lehren, damit ihr sowohl bezaubern, als auch verhexen könnt", wandte sich Tuilinn an den Schwarzhaarigen, um ihn von der angeekelten Éowyn abzulenken.

Schallendes Gelächter hallte über die Tafel. Die Anwesenden machten die Quelle bei Théodred, Théodens Sohn aus. Amüsiert lehnte er sich hinter seiner Cousine über den Tisch, um Linn besser sehen zu können.

"Glaubt ihr nicht, dass der königliche Berater bereits genug von der Natur verhext wurde?"

Der strenge Blick der königlichen Familie und besonders vom König selber, hielten den Berater ab, das Wort erneut zu ergreifen. Beleidigt und gedemütigt lehnte sich der Schwarzhaarige zurück und versuchte scheinbar im Boden zu versinken.
 

"Wer war das?" fragte Linn ihre Nachbarin, die erleichtert aufatmete.

"Gríma Schlangenzunge", antwortete Éowyn mit einem angewiderten Ton und verzogenem Gesicht.

"Der Name passt. Ein wirklich unangenehmer Zeitgenosse", bemerkte die Mittelblonde trocken und erntete dafür ein Augenrollen von Elinol, ein amüsiertes Lächeln der königlichen Nichte und das glucksende Kichern von Tawarên.
 


 

[1] Oh! Verzeih! Das wollte ich nicht.

[2] Mach dir keine Sorgen! Es ist ja Wasser.

[3] Es reicht!

[4] Aber...

[5] Hier nimm! Das Essen ist besser als Lembas.

[6] Linn, hör auf Elinol! Es sind nicht unsere Probleme.

Der gewisse Unterschied

*jedem Leser eine Kerze in die Hand drück* Bringen wir doch mal ein klein wenig Licht in die Vergangenheit ^^
 


 

Unbeweglich stand Elinol vor dem Eingangstor der goldenen Halle und schaute sehnsüchtig in den Himmel, über den sich Milliarden funkelnder Sterne verstreut hatten. Neben ihm drehte ein beunruhigter Ithildin seinen Kopf in alle Richtungen. Der ältere Elb fühlte sich nicht sonderlich wohl. Von einer der königlichen Wachen, hatte erfahren, dass seit einigen Monaten immer wieder Orks in Rohan gesichtet worden waren. Ithildin hatte sich vorgenommen, wenigstens solange sie hier waren, die nächtliche Wache zu übernehmen, denn so gut die Rohirrim auch sein mochten, an einen Elb kamen sie nicht heran.

Elinol atmete die kühle Luft tief ein. Kurz überblickte er das nächtliche Edoras. Aus einem lang gestreckten Holzhäuschen an dessen Front eine zusammen gezimmerte Balustrade stand, die wohl zum Anbinden der Pferde diente, drang Licht, Lachen und Musik. Es war Edoras einziges Wirtshaus. Er ließ seinen Blick weiterwandern, zu einigen schattigen Gestalten, die über die Straße huschten und im Wirtshaus verschwanden oder aus ihm heraustorkelten. Zwischen ihnen sah er eine bekannte Person. Es war die alte Frau, die Linn vor einigen Stunden so erschreckt hatte. Wie hatte sie das Mädchen gleich genannt? Ioreth? Der Name kam ihm bekannt vor, sehr sogar.

Elinol verschwand in der Halle. Er hatte noch etwas zu erledigen und außerdem wurde es Zeit auch ein wenig zu schlafen.
 

Mit gemischten Gefühlen passierte Tuilinn die engen Gänge zu den Gemächern. Die wenigen Fackeln an den Wänden, ließen ihren Schatten bedrohlich groß wirken. Der Weg zu ihrem Zimmer schien ihr so unglaublich lang.

Sie horchte auf, als hinter ihr Schritte erklangen. Eine Wache war es nicht, deren Schritte waren fest und hart, genauso wie die der anderen Rohirrim auch. Einer der Elben konnte es auch nicht sein, die waren nicht zu hören und wenn doch, klang es nicht so. Es waren schlurfende, hinkende Schritte, gemischt mit dem Geräusch schleppenden Stoffes.

"Ihr seid noch wach?" Abrupt drehte Linn sich um und blickte in das bleiche Gesicht Grímas. Ein süffisantes Lächeln lag auf seinen dünnen Lippen. Angewidert verengte das Mädchen ihre Augen. "Wie ihr seht." Der hässliche Mann begann sie zu umkreisen, ohne seine Triefaugen von ihrem Gesicht abzuwenden. "Warum so feindselig?" Tuilinn rümpfte die Nase. Dieser Typ war ihr unheimlich. Sämtliche Rohirrim hatten den herben Geruch von Erde, Gras und Pferden an sich haften, nur dieser nicht. Gríma roch nach Leder und auch ein wenig nach verwestem Fleisch. Sie kannte diesen Geruch, konnte ihn nur nicht einordnen.

Er umkreiste sie weiterhin und Linn hatte das Gefühl, als würde er sie beschnüffeln, wie einen Hund. "Was wollt ihr?" fragte die Blonde, ohne den Ekel in ihrer Stimme zu verbergen. Erschrocken riss sie ihre blau-grünen Augen auf, als Gríma sie gegen die Wand stieß und sich ihrem Gesicht näherte. "Euch warnen, hohe Frau." Sein feuchter, warmer Atem wehte ihr ins Gesicht und ließ sie vor Anwiderung erschauern. "Was fällt euch ein?" Ihre Stimme überschlug sich fast vor Wut und ihre Augen blitzten ihn gefährlich an. "Shht!" Sie konnte seinen kalten Finger auf ihren Lippen spüren. "Glaubt ihr, nur weil ihr Isengard verlassen habt, könnt ihr entkommen?" Verwirrt und zornig blickte Tuilinn ihm entgegen. Sie verstand nicht, wovon er redete und sein ernstes Gesicht mit dem undefinierbaren Glanz in den Augen, beunruhigte sie zutiefst.

Schlangenzunges Kopf schnellte zurück, als sich Schritte näherten. Er trat von Linn zurück und blickte zu den Schatten an der Wand, die sich näherten. Kräftige, feste Schritte gingen dem Erscheinen von Théodred und Éomer voraus. Verwundert blieben die beiden stehen und glotzten den königlichen Berater an. Das Missfallen seiner Existenz war ihnen deutlich anzusehen. Der Schwarzhaarige gab einen unwilligen Laut von sich. "Isengard und sein Herr haben sich verändert und egal, an welchen Ort ihr fliehen werdet, die Veränderungen werden euch immer wieder einholen." Er fasste seinen Mantel enger und verschwand in die entgegengesetzte Richtung. Verwirrt blickte Tuilinn zu Théoden und Éomer, die ebenso verstört schienen. Dankbar nickte sie ihnen zu und begab sich schnellstmöglich in ihr Gemach.
 

Ein Schatten huschte lautlos zwischen den Häusern hindurch, bis er vor dem einer abgelegenen, halbzerfallenen Holzhütte stehen blieb. Mit Nachdruck klopfte er an die morsche Tür und wartete ab. Krächzend öffnete sich die Tür und ein altes, faltiges Gesicht schob sich in den Spalt. Neugierig musterte sie den Ankömmling, dessen Gesicht von einer breiten Kapuze überschattet war. "Oh, ihr seid es. Kommt doch herein!" Die Tür wurde ganz aufgezogen und die gebückte Greisin trat zur Seite. "Ihr habt mich erkannt?" Der Ankömmling klang überrascht. "Ich bin in Dol Amroth geboren. Euresgleichen erkenne ich deswegen selbst in tiefster Finsternis", antwortete sie trocken, während sie die Tür hinter dem Fremden schloss.

Watschelnden Schrittes tapste sie zu einem alten Tisch, der aus ungehobeltem Holz zusammengezimmert war. Dort ließ sie ich auf einen der drei altersschwachen Stühle sinken und betrachtete den Mann interessiert. Dieser streifte seine Kapuze zurück und entblößte langes, hellblondes Haar, welches hinter die spitzen Ohren gekämmt war. "Was führt euch zu mir?" Der Elb griff eine Stuhllehne und zog die Sitzgelegenheit vor, um sich der Greisin gegenüberzusetzen. "Lasst uns reden!"
 


 

Immer noch etwas verstört, trat Tuilinn aus dem Badezimmer zurück ins Schlafzimmer. Sie verstand nicht, was Gríma von ihr gewollt hatte, was er gemeint hatte. Isengard soll sich verändert haben? Sie schüttelte den Kopf und tat alles nur als die Spinnereien eines Verrückten ab.

Seufzend setzte sie sich auf das Bett. Es war groß, aber nicht sehr weich. Der hölzerne Rahmen war rotbraun gestrichen und das Bettzeug roch wie jeder Stoff hier, nach Wiese und Wiesenblumen. Sie zog den Zopf, mit dem sie ihre Haare gebändigt hatte über die Schulter und schlüpfte unter die Decke. Das Kissen war härter, als erwartet, aber immer noch besser, als der Boden nahe des Fangorn.

Starr blickte sie zur lehmbedeckten Decke, die sich immer mehr in der Ferne verlor, je näher sie der Traumwelt kam.
 

Wasser tropfte von der hohen Höhlendecke auf den bereits feuchten Boden. Nur wenig Licht fiel vom Eingang her in das Labyrinth aus Gängen und Schächten, die tief in den Bauch des Gebirges führten. Ein Feuer brannte auf einer natürlichen Plattform, die vom Wasser, etwas oberhalb des Bodens, aus dem Gestein gefressen wurde. Lärmende, dunkle Gestalten saßen drum herum und wärmten sich.

Der Ankömmling rümpfte die Nase. Je näher er dem Feuer kam, desto intensiver wurde der Gestank, der von den Gestalten ausging. Augen im Schatten blitzten blau auf, als sich hinter dem Feuer eine große Person löste und auf den Ankömmling zutrat. Stoff raschelte leise auf, als der Ankömmling sich zur Begrüßung verneigte. Seine Augen blickten an der anderen Person hoch. Sie war mindestens zwei Köpfe größer und das warme, gelbe Licht des Feuers schimmerte auf der schwarzen Rüstung. Schatten flackerten dort, wo das Gesicht hätte sein müssen und wo lediglich zwei glühende Punkte bedrohlich heraus starrten und jede Bewegung des anderen verfolgten. "Hast du dich entschieden?" Die Stimme des Schwarzen hallte unwirklich in der Höhle wieder. Tief, bedrohlich, geisterhaft, als würde sie aus dem Grab entsteigen, nur um die Erde zu erschüttern. Einige der Gestalten zuckten zusammen und sprangen geduckt zurück. Ihre funkelnden Augen blieben an der hohen Gestalt in der schwarzen Rüstung angsterfüllt hängen. Das Feuer beleuchtete ihre harten Züge.

Der Ankömmling achtete nicht weiter auf die verschreckten Orks. Er zitterte, aber nicht vor Angst. In seinen Augen stand Gier, Lust und Verzweiflung. "Ich will sie haben. Ich muss sie haben." Seine Stimme war von den inneren Dämonen verzerrt und bebte, dennoch war der melodiöse Klang nicht zu überhören. Er hob seine zitternde Hand und betrachte sie mit ihrem Blick. "Ich will sie", wiederholte er mit Nachdruck. Der schwarze Ritter blieb ungerührt. Ausdruckslos sahen seine glühenden Augen auf den vermummten Ankömmling hinab. "Dann zerstöre alles, was sie noch an ihn bindet!" Ruckartig blickte der Andere auf. "Das Kind?" Erstaunen und leichte Bestürzung waren heraus zu hören, doch der schwarze Ritter rührte sich nicht. "Wie? Sie lassen es nie unbewacht und ich bin nur ein einzelner Mann." Zum ersten Mal bewegte sich der Schwarze. Er drehte seinen Oberkörper etwas und deutete mit seiner großen, eisenumschmiedeten Hand die unbeleuchteten Höhlenwände entlang. Erst jetzt bemerkte der Ankömmling die vielen Augenpaare, die ihn erwartungsvoll beobachteten. Zähne blitzten auf, die nichts lieber wollten, als sich an sein Fleisch zu graben. "Sie gehören dir", donnerte die Stimme und angstvolles Raunen folgte, um sich in den Gängen, die an die Höhle anschlossen, zu verlieren. "Sie werden nie auf mich hören", gab der Ankömmling zu bedenken, doch wieder starrte der schwarze Ritter ihn ausdruckslos an. Die Gelenke der Rüstung quietschten, als er den Arm vorstreckte. Schwarzer Rauch stieg säulenartig aus der Innenfläche des Eisenhandschuhs auf. Innerhalb eines Herzschlags verdichtete sich der Qualm und ein Schwert, mit langer, anthrazitfarbener Klinge blitzte gefährlich in der Faust des Schwarzen. Wortlos übergab er sie dem Ankömmling. "morgul"[1], stieß dieser überrascht aus, als er die Waffe in seinen Händen hielt. Das Schwert war schwer und eiskalt, jedoch keine Kälte, die von außen durch die Haut drang, sondern die den Körper von innen auskühlte und das Herz vereisen ließ.
 

Tuilinn konnte die Kälte spüren. Ihr Körper zog sich schutzsuchend unter der Decke zusammen, während ihr Geist zum nächsten Ort davoneilte, geführt von dem Lied, das wieder in ihrem Herzen erklungen war.
 

Lalven sah seiner Gemahlin nach. Pfeile regneten auf sie nieder, doch Gwaew galoppierte mit der blonden Reiterin unbeirrt davon. Ein stechender Schmerz ließ den Elbenhauptmann herumfahren. Vor ihm stand ein orkischer Bogenschütze, dessen Zähne ihn gefährlich anblitzten. Unbeeindruckt griff der Elb nach seiner Schulter und riss den blutverschmierten Pfeil heraus. Ehe der Ork sich versah, glitt das elbische Zweiklingenschwert durch seinen Körper.

Kalt blickte Lalven sich um. Die Frauen waren alle tot und der letzte seiner Männer kämpfte gerade aussichtslos gegen den Tod an. Schweiß perlte von der hohen Stirn des Hauptmanns und die Wunde an der Schulter brannte. "saew"[2], bemerkte er trocken, als die Umrisse der Orks und Bäume vor seinen Augen zu verschwimmen begannen. Seine blonden Haare fielen ruckartige über die breiten Schultern, als er erschöpft in die Knie sank.

"mae govannen Lalven."[3] Der Elb spürte, wie jemand ihn umkreiste. Stolz versuchte er den schweren Kopf aufrecht zu halten, um wenigstens etwas von dem Feind zu erhaschen. Ein Kopf beugte sich zu ihm herunter und entsetzt riss Lalven die erblindenden Augen auf. Trotz des Schleiers, der auf seinen Augen lag, hatte er erkannt, wer der Feind war. "ech?"[4] Der andere lachte. "sui cenich."[5]

Lalven spürte einen Druck auf seinem Brustkorb, sicher ein Fuß, der sich gegen ihn gestemmt hatte und ihn nun auf den Waldboden stieß. "i venthed lîn."[6] Lalven nickte, mehr zu sich selbst, als zur Bestätigung des anderen. Das Ende war gekommen und so schloss er erwartungsvoll die Augen. Er spürte den feuchten, laubbedeckten Boden unter seinem Rücken und sog den herben Duft des umgebenden Mooses ein. "gen milin Ioreth"[7], wisperte Lalven angesichts des Todes. Sie war die Einzige gewesen, die er je geliebt hatte und sie nicht noch einmal sehen zu dürfen, schmerzte den Elben mehr, als die brennende Wunde auf seiner Schulter, von der sich das lähmende Gift immer weiter zu seinem Herzen fraß.

Erwartungsvoll öffnete er die Augen, als er den anderen wütend schnauben hörte. Das Letzte, was er sah, war ein schmaler, blitzender Strich, der auf ihn stürzte; eine dunkle Klinge, die erst die Luft zerschnitt, bevor sie sich in den schönen Körper bohrte. Lalven stöhnte auf. Es schmerzte mehr, als jede andere Waffe. Impulsartig und heiß brennend wie Feuer breitete sich die schwarze Magie des Schwertes in seinem Körper aus und drohte diesen zerbersten zu lassen. Verkrampft versuchte der Hauptmann den Schrei zu unterdrücken. Er wollte dem anderen nicht die Genugtuung geben.
 

Zufrieden beobachtete der Gegner, wie Lalvens Atmung immer stockender und flacher wurde. Letztendlich waren die grünen Augen des Hauptmannes leer, blind und tot. Das Schwert wurde aus dem erkaltenden Körper gezogen und Blut ergoss sich über die grüne Düsterwaldtracht. Lalvens Mörder wandte sich ab und überließ den gierigen Orks die Leiche. Begierig stürzten sich Mordors Bewohner darauf und das Knacken von Knochen, die zwischen Zähnen zermalmt wurden, Schmatzen und das Zerren an Fleisch erschütterte den Düsterwald und ließ all seine Bewohner angstvoll verstummen.
 

Tuilinn schreckte hoch. Schweißgebadet saß sie in ihrem Bett und wollte nicht begreifen, was sie gerade geträumt hatte. Es war so real gewesen. Sie konnte den Schmerz ihres Vaters am eigenen Leib spüren. Ein banges Gefühl erfüllte ihr Herz. Sie fühlte sich unsicher und der Gedanke an Flucht schrie in ihrem Kopf.

Verstört sprang sie aus dem Bett und kleidete sich hastig an. Sie wollte hier weg, nur noch weg. Auf keinen Fall wollte die in den Düsterwald, dort wo ihre Eltern starben, wo etwas so entsetzliches geschehen war, dass ihr Geist sich weigerte, jemals wieder drüber nachzudenken.
 


 

Angelockt von dem Licht einer Lampe und Geräuschen, betrat Ithildin den Pferdestall. Seine blaufunkelnden Augen überblickten die einzelnen Boxen, in denen Rohans prächtigste Pferde standen. Sie waren ruhig und dennoch überkam den Elben das Gefühl, nicht allein zu sein. Leise schlich er sich an den ersten Pferden vorbei. Die Tiere kümmerten sich nicht um ihn. Verwundert blieb er stehen, als er Licht in einer der hinteren, strohausgelegten Boxen entdeckte.

Erwartungsvoll blieb der hellblonde Waldelb stehen und spähte, hinter einem der hohen Pfähle, die nicht nur die einzelnen Stallabteile voneinander abtrennten, sondern auch die Decke stützten, hervor. Abschätzend wanderte sein Blick über den Rücken der braunen Stute, neben der nun eine Hand vorschnellte. Ithildin konnte sehen, wie die kleine Laterne aus Eisen und Glas an einen, dafür vorgesehenen, Nagel in der Stallwand gehängt wurde. Der Hand folgte ein Kopf, dessen blonde Haare vom Licht in warmes, flackerndes Orangerot getaucht wurden. Überrascht schnellte Ithildin hervor und erschreckte den Eindringling. "Was machst du hier?" Tuilinn versuchte erst gar nicht zu antworten. Ertappt starrte sie zu Boden und scharrte etwas vom Stroh zur Seite. Finster blickte der Elb an ihr vorbei und blieb an einem Sattel mit gepackten Taschen hängen, den sie in ihren Händen hielt. Sie hatte ihn wohl gerade erst angehoben und wollte ihn nun dem Pferd überwerfen. Schweigend nahm Ithildin ihr die schwere Last ab und verstaute sie sicher über der Tür der Box. Ohne auf ihren kurzen Protest zu achten, ergriff er Tuilinns Handgelenk und zog sie hinter sich her aus dem Stall.
 

Mit gesenktem Kopf stand Tuilinn neben Ithildin, der gerade an Elinols Zimmertür klopfte. Lautlos glitt sie auf und der Bewohner sah beide verwundert an. Elinol musste gerade geschlafen haben und das nicht sehr gut. Er war nur noch mit seiner Hose bekleidet, die er sich wohl hastig übergestreift hatte. Die honigblonden Haare waren zerzaust und verschlafen wischte er sich mit der Hand durch sein Gesicht. "Was ist denn?" fragte der müde Hauptmann leicht gereizt. Ithildin zog das Mädchen in seiner Hand näher heran. "Ich hab sie erwischt, wie sie eines der Pferde stehlen wollte." Sie schwieg immer noch, wand sich aber innerlich unter Elinols scharfem Blick. Der Honigblonde seufzte, als er das Mädchen am Unterarm ergriff und es grob in sein Zimmer zog. "Ich kümmere mich darum." Ithildin nickte seinem Hauptmann zu bevor er verschwand.
 

Elinol schloss die Tür hinter sich und fixierte das schweigende Mädchen streng. Er fasste an ihre Schultern und drückte ihren Körper zurück, bis sie gegen einen Sessel stieß. Überrascht ließ das Mädchen sich in ihn fallen und sah erwartungsvoll zu dem Elben auf. Dieser stützte seine Arme auf den Lehnen ab und beugte sich zu ihr hinunter. Tuilinn fühlte sich etwas unwohl. Ihr Blick haftete irritiert auf seinem nackten Oberkörper. Unter der weißen Haut deuteten sich wohldefinierte Muskeln an, ohne Elinol wie ein einziges Muskelpaket wirken zu lassen.

Nervös riss sie sich von dem Anblick los und sah ihn flehend an. "Lass mich gehen!" Ihre Stimme war nicht mehr, als ein Flüstern. Der Elb hob eine dunkelblonde Augenbraue. "Wohin?" Sie antwortete nicht und sah ihn nur traurig an. Stutzend blickte er in ihre feuchten Augen, in denen das Blau-grün mit den Tränen scheinbar auslaufen wollte und einem undefinierbarem, aber ihm seltsam bekanntem Leuchten Platz machte. "Wohin?" wiederholte der Elb mit Nachdruck. Starr sah das Mädchen ihn an, lediglich ihre Unterlippe erblasst unter dem Druck ihrer Zähne, mit denen sie darauf biss. Mir einem unwilligen Laut stieß er sich vom Sessel ab und wandte ihr den Rücken zu. Schweigend ging er einige Schritte auf das Bett gegenüber zu, ihre Blicke wohl auf seinem nackten Rücken spürend.

Tuilinn setzte mehrmals zu einer Antwort an, schloss den Mund dann schließlich ohne ein Wort gesagt zu haben und musterte den Elben. Die langen honigblonden Haare fielen bis über die Schulterblätter. Kerzenlicht vollführte ein Schattenspiel dort, wo die trainierten Muskeln zum Rückgrat hin abfielen. Unterhalb der linken Schulter zog sich ein schmaler, rosa schimmernder Strich, bis etwa eine Handbreit schräg über den Lendenwirbel, hin, der bereits unter dem Hosenbund lag. Sie wendete ihren Kopf einen Moment ab, um nicht näher darüber nachzudenken, woher er diese Narbe hat.
 

Erneut versuchte sie zu einer Antwort anzusetzen. "Ich weiß, dass die Orks hinter mir her sind. Ich will zu ihnen und damit den Rohirrim helfen." Verblüfft hob Elinol seinen Kopf und schaute sie schockiert über die Schulter an. Ihre Augen waren gesenkt und ohne auf seinen Gesichtsausdruck zu achten, redete sie weiter. "Es ist nur meine Schuld, dass sie hier sind und soviel Leid über die Leute bringen. Wusstest du, dass sie die Eltern von Éomer und Éowyn getötet haben?" Endlich hatte das Mädchen ihren Kopf gehoben und schaute dem Elben entschlossen entgegen. Ihr Kopf zuckte unmerklich etwas zurück, als Elinol sich ihr wieder ganz zuwandte. "Bist du von Sinnen?" fragte er schroff. "Das sind Rohans Probleme, nicht unsere. Sollen sie sich auch darum kümmern." Das blonde Mädchen zuckte erschrocken zusammen. So hatte sie Elinol noch nie erlebt, so hatte sie überhaupt noch keinen der Elben erlebt. "Aber, ich hab ihnen diese Probleme doch erst eingeschleppt. Sollten wir ihnen dann nicht helfen?" Die dunkelgrünen Augen wurden unheilvoll zusammengekniffen. "Wir? Wir tun gar nichts", zischte der Honigblonde, "warum sollten wir Menschen helfen? Die Angelegenheiten dieses unzivilisierten Volkes kann uns herzlich egal sein."

"Du wirst also nichts unternehmen?" Fast ängstlich entließ sie die Frage in den Raum und erntete einen wütenden Blick des Mannes vor ihr. Seine Ohrenspitzen waren vor Wut dunkelrot angelaufen, während in seinen Augen Unverständnis und Zorn stand. "NEIN! Ich werde das Leben meiner Männer doch nicht wegen den Problemen von primitiven Menschen gefährden." Seine laute Stimme erschreckte Tuilinn zutiefst und seine verletzenden Worte ließen sie Elinol getroffen ansehen. Es war ihr klar, dass sie kein Mensch war, aber sie war unter ihnen aufgewachsen und einige auch in ihr Herz geschlossen. Das Elbenmädchen fühlte sich bedeutend mehr als Mensch, denn als eine vom schönen Volk.

Bestürzt bemerkte Elinol den bekümmerten Blick des Mädchens. Er hatte völlig vergessen, dass sie auch ein Mensch war. Beschämt über seinen eigenen Wutausbruch, wollte er gerade zu einer Entschuldigung ansetzen, als das Mädchen aufgesprungen war und ihn mit zornesblitzenden Augen fixierte. "Wenn alle Elben so denken, wie du, dann ist es kein Wunder, dass eure Zeit in Mittelerde abgelaufen ist. Fahrt ruhig alle so schnell wie möglich gen Westen und nehmt bloß eure Arroganz und Selbstherrlichkeit mit!" Elinol hätte schäumen können vor Wut. Was bildete dieses Mädchen sich ein? "Wir würden es sicher alle sofort mir Freuden tun, dann wären wir endlich befreit vom Gestank, den die Menschen in Mittelerde verbreiten. Sie sind wie Ratten, die sich überall verbreiten; sie stinken und machen nur Probleme."

"Du bist die lebende Überheblichkeit in Form eines Elben. Wenn alle so sind wie du, will ich gar nicht zu euch." Das Mädchen hatte sich in Rage geredet. Unbewusst war sie auf den größeren Elben zugegangen und funkelte ihn nun von Angesicht zu Angesicht entgegen. In Elinols Augen loderte blinde Wut und so bemerkte er im nächsten Moment nicht einmal, mit was er das Mädchen konfrontierte. Er wollte es ihr heimzahlen. "Kann mir nur recht sein. Ich verstehe ohnehin nicht, weshalb ich ein Menschenmädchen zu den Waldelben bringen soll. Da wäre mir ein Zwerg als Fracht lieber." Tuilinn blinzelte verwirrt. "Fracht? Nur eine Fracht? War ich nicht mehr für dich?" Sie war verletzt, mehr noch als das. Seine abfälligen Worte steckten wie eine Morgulklinge in ihrer Brust und sie konnte spüren, wie sich ihr Gift immer weiter ausbreitete.

Überheblich schaute der Elb auf das Mädchen hinab, welches getroffen zu Boden blickte. Er hatte begonnen es zu umkreisen und stand nun hinter ihr. "Wieso solltest du? Immerhin stehst du unter mir. Weißt du, es gibt einen gewissen Unterschied zwischen Menschen und Elben." Abrupt drehte sie sich um und sah ihm ins edle Gesicht. Sein Blick war schneidend und drohte ihr Herz zu vereisen. "Wir sind in jeder Hinsicht besser", ausdruckslos stieß er die Worte heraus.

Elinol trat auf sie zu und zwang das Mädchen rückwärts auszuweichen. Verstört blickte sie hinter sich, als sie die Bettkante an ihren Beinen spürte. Scheu wanderten ihre Augen zwischen dem Hindernis hinter sich und dem Elben vor sich umher. "Elbische Soldaten sind perfekte Killer, sie hinterlassen nie Spuren." Ohne mit der Wimper zu zucken stieß er die überraschte Tuilinn auf das Bett. Fragend und irritiert schaute sie zu ihm auf. Ein leichtes Lächeln huschte über Elinols Lippen, als er sich zu ihr hinunter beugte und ihre Hände über dem Kopf fixierte. Sie musste blinzeln, weil seine langen Haare in ihr Gesicht fielen und Tuilinn die Sicht nahmen. "Ich könnte dich hier und jetzt nehmen und wenn ich mit dir fertig wäre, würdest du nur noch um mehr betteln." Entsetzt wand sie sich unter seinem Griff und bemerkte, dass sie zwischen seinen angewinkelten Beinen lag. Er demonstrierte ihr seine Macht. Nun war er wahrlich in der Lage, sich zu nehmen, was er wollte, denn Linn war viel zu überrascht, um zu schreien.
 

Elinol richtete sich etwas auf und sah dem Mädchen unter sich direkt in die angsterfüllten blau-grünen Augen. Linn blinzelte verstört und beruhigte sich etwas, als sie seinen Blick registrierte. Die Wut daraus war verschwunden, stattdessen war der übliche, matte Glanz zurückgekehrt. Er würde ihr nichts tun, ganz bestimmt nicht. Erleichtert atmete sie seinen Duft nach wilden Kräutern ein, der intensiver wurde, als sein Gesicht sich wieder ihrem näherte. Perplex hielt das Mädchen die Luft erneut an, als sie seinen Atem auf ihrer Haut

spüren konnte. Vorsichtig stupste er mit der Nasenspitze immer wieder gegen ihre erhitzende Haut und blies den Atem sacht den Unterkiefer entlang, bis er an ihrem Ohr ankam. Sie erschauerte und ihr ganzer Körper schien zu kribbeln, als mit den Lippen für den Bruchteil einer Sekunde ihr Ohr berührte. Absichtlich stieß er etwas warmen Atem mit aus, der sie in der empfindlichen, halbbedeckten Ohrmuschel kitzelte. Dieses intensive Gefühl ließ sie für einen Moment die Augen schließen. Sie könnte ihr Herz wild und laut pochen hören.

"Ich bin nicht Dhoron. Ich schlafe nicht mit Menschen und wenn sie noch so hübsch sind", wisperte der Elb sanft. Irritiert öffnete Tuilinn die Augen und sah, wie sich der Kopf Elinols immer weiter entfernte. Er ließ ihre Handgelenke los und strich zärtlich mit den Fingerspitzen ihre Arme, den seitlichen Brustansatz und die Rippen entlang, bis er an ihre empfindliche Taille kam und die Hände wegzog. Wortlos stand er auf und verschwand schnell im Badezimmer nebenan.

Irritiert richtete das Mädchen sich auf und strich sich durch die blonden Haare. Sie wusste nun gar nicht mehr, was los war. Erst streiten sie sich und dann... Und ihr Herz wollte sich so schnell auch nicht wieder beruhigen. Um einen klaren Gedanken fassen zu können, schüttelte sie den Kopf. Eilig krabbelte sie aus Bett und verließ das Zimmer. Krachend knallte die Tür zurück ins Schloss, so dass Elinol es ganz sicher gehört haben muss.
 

Nach Luft ringend lehnte Tuilinn sich neben Elinols Zimmertür an die Wand. Sie hatte den Schatten, der auf sie zukam, nicht einmal bemerkt; umso mehr zuckte sie vor Schreck zusammen, als sie einen Kuss auf ihrer Wange spürte. Es war Dhoron, der sie nun frech angrinste. "Was machst du noch so spät hier?" Tuilinn rieb sich mit starrem Blick die Wange. "Ni-nichts." Sie traute sich nicht zu sagen, was bei Elinol passiert war. Der mittelblonde Elb wollte dem Mädchen lächelnd einige Strähnen hinter das Ohr streichen, doch reflexartig hielt sie seine Hand zurück. "Hast du was zu verbergen? Ich möchte doch nur deine entzückenden Ohren sehen." Zuckersüß flötete Dhoron nahe an ihrem Ohr. Entsetzt und knallrot schüttelte Linn heftig den Kopf. Nicht nur, dass er auf keinen Fall die Ohrspitzen sehen sollte, er war ihr zudem auch noch viel zu aufdringlich. Von so etwas, hatte sie für heute wirklich genug.

"Dhoron, lass sie in Ruhe!" Murrend blickte der Angesprochene Elb auf. Vor ihm stand Tawarên, gerade eine Kapuze über seinen Kopf zurückwerfend. Sicher war er ausgegangen und war eben erst zurückgekehrt. "Ist ja schon gut", knurrte Dhoron und begab sich in sein Zimmer, allerdings nicht ohne Tuilinn noch einmal lächelnd anzusehen und zu zuzwinkern. "Wenn du dich einsam fühlst, du weißt ja, wo ich bin."

Tawarêns argwöhnischer Blick begleitete den jüngeren Elben. "Halte dich besser von ihm fern, Linn." Das Mädchen nickte verstört und wollte auch gerade gehen, als der Elb sie noch einmal zurückhielt. "Kommst du gerade von Elinol?" Linn wurde heiß. Beschämt, rasenden Herzens und mit rotem Kopf schaute sie auf den Boden aus Holzdohlen, aber kein Wort kam über ihre Lippen. "Ich verstehe. Gute Nacht." Seufzend ging der Elb an ihr vorbei und verschwand in Elinols Zimmer.
 


 

[1] "Hexerei"

[2] "Gift"

[3] "Sei gegrüßt Lalven"

[4] "Du?"

[5] "Wie du siehst."

[6] "Das ist dein Ende."

[7] "Ich liebe dich, Ioreth"

Ioreth und Lalven

Still saß Tuilinn am Frühstückstisch und knabberte gedankenverloren an einem Stück hellem Weizenbrot. Hunger hatte sie eigentlich nicht, der gestrige Abend hatte die den ganzen Appetit gekostet. Scheu blickten ihre Augen umher. Éowyn fehlte, aber das war nicht weiter verwunderlich. Sie hatte das Mädchen vorhin zu den Weiden gehen sehen, auch fehlten der Prinz und der königliche Neffe, sowie der Berater Schlangenzunge. Nur einige vom Hausvolk waren zugegen und der König, der in seinem Stuhl eingenickt zu sein schien.

Seufzend legte das Mädchen das angeknabberte Brot auf den Teller zurück. "Hast du keinen Hunger?" Fragend blickte sie auf und sah gegenüber in Dhorons immer lächelndes Gesicht. Aufgezwungen lächelte sie zurück. "Mach dir keine Sorgen, ich bin schon satt." Elinol neben ihr runzelte die Stirn. "Von zwei Bissen?" fragte er sie leise, so dass selbst die anderen Elben es nicht hören konnten. "Seit wann kümmerst du dich um die Probleme von Menschen?" Ihr Fauchen zeigte ihm deutlich, dass sie noch aufgebracht war und wie er sich eingestehen musste, zu Recht. Er war in vielerlei Hinsicht zu weit gegangen.

Überrascht hielt Tuilinn den Atem an, als Elinol sein Frühstück beiseite geschoben hatte und sich zu ihr hinüberbeugte. Seine Stimme klang schuldbewusst, etwas, was sie ihm nicht zugetraut hatte, als er sich in aller Form bei ihr für sein Verhalten am Vortag entschuldigte. "Ich kann es nicht wieder gutmachen und kann dir nur anbieten, bei einem der anderen mitzureiten, wenn du dies wünscht", sagte Elinol, nachdem er sich wieder aufgerichtet hatte. Wenn er überrascht gewesen war, als Linn ihn anlächelte, so konnte er dies geschickt verbergen. Abweisend schüttelte sie den Kopf. "Ist schon gut. Es war ja schließlich auch meine Schuld. Ich hab den Streit schließlich angefangen." Erleichtert fuhr sie mit dem Frühstück fort. Wo nun auch dies aus der Welt geschafft war, hatte sich ihr Appetit auch wieder eingestellt.

Missmutig hatte Dhoron die Szene zwischen dem Mädchen und seinem Hauptmann beobachtet. "Eifersüchtig?" Ithildin neben ihm lächelte amüsiert, etwas was der jüngere Elb gar nicht gebrauchen konnte. "Du siehst wohl überall deine Geister?" Ein grimmiges Lächeln huschte über Dhorons Lippen, von dem sich der Ältere nicht beeindrucken ließ. "Ich sehe, was ich sehe und ich kann dir sagen, Freund, du hast dieses Spiel längst verloren." Ungerührt fuhr der Hellblonde mit dem Essen fort, während der Mittelblonde neben ihm sich nicht traute Elinol und Tuilinn aus den Augen zu lassen.
 

Ioreth unterbrach das Lesen und blickte verwundert auf. Musik drang in ihr Gemach. Überrascht schaute sie aus dem Fenster, durch dessen farbige Mosaikstücke am oberen Rand blaue und grüne Strahlen auf das frisch bezogene, weiße Himmelbett und die cremefarbenen, glasierten, Steinfliesen fiel. Es war noch heller Tag, viel zu früh für das Fest und Musik.

Nachdenklich legte sie die Schriftrolle neben sich auf einen kleinen Holztisch und lauschte noch ein wenig. Es waren zweifellos keine hiesigen Musikanten, dafür war die Melodie zu festlich, rein und irgendwie betörend. Die Fürstentochter erhob sich aus dem samtbezogenen Sessel und begab sich auf die Suche nach der Klangquelle.
 

Elinol blinzelte, als er aus der dunklen Halle ins Sonnenlicht trat. Vor der Treppe, scharrten vier Pferde im Sand, die Zügel gehalten von den noch jungen Stallburschen. Tuilinn war bereits bei den Tieren und streichelte Norui über den Nasenrücken. "Sie hat wohl einen Narren an dem Tier gefressen", bemerkte Tawarên, neben seinem Hauptmann, amüsiert. Jener hob die Augenbraue und beobachtete mit leichtem Argwohn Dhoron, der sich dem Mädchen näherte. Er flüsterte ihr etwas zu und sie lachte glockenhell auf. "Und da hat jemand einen Narren an ihr gefressen." Tawarên musste unwillkürlich über seinen Hauptmann lachen. Wäre es nicht zu abwegig, hätte er meinen können, der Ältere wäre eifersüchtig. Dieses Wechselspiel zwischen ihm und Dhoron ging schon seit Imladris so. Es war in Elronds Haus nicht zu übersehen gewesen, dass der jüngere Elb ein oder mehrere Augen auf Eliant geworfen hatte, diese sich jedoch lieber mit Elinol beschäftigte.

Der Honigblonde sah zu Tawarên hinüber. In seinem Gesicht konnte er ablesen, was sein Schwager dachte. "Sie ist ein Mensch", bemerkte er trocken, "ich will nur nicht, dass Dhoron sie deswegen ausnutzt." Der andere Elb nickte geheimnisvoll lächelnd und folgte Elinol die Treppen hinunter, wo Éomer sie bereits erwartete.
 

Lalven horchte auf, als er Schritte die steinernen Gänge entlangkommen hörte. Er vermutete nicht, dass es sich um eine Dienerin handelte, denn dafür waren die Bewegungen zu grazil. Es konnte nur eine Hofdame sein. War ihre Musik hier unerwünscht?

Die Stoffvorhänge zum Balkon, auf dem sich Lalven und einige seiner Männer befanden, bewegten sich. Der elbische Hauptmann konnte hinter ihnen eine Person ausmachen. Vorsichtig trat er auf den Ankömmling zu und schob den Vorhang zur Seite.

Ioreth wich erblichen zurück. Der Elb vor ihr, hatte sie zu Tode erschreckt. Warum mussten sie sich auch immer so anschleichen? Stirnrunzelnd betrachtete Lalven das blonde Mädchen. Er hatte nicht damit gerechnet, dass es ausgerechnet die Tochter des Gastgebers sein würde. Seit ihrer Ankunft war er ihr nur selten begegnet, was er zutiefst bedauerte, da er ihre Gegenwart stets genoss.

"rodwen Ioreth, hab ich euch erschreckt?" Ioreth beruhigte sich, als sie seine kraftvolle, angenehme Stimme vernahm und blinzelte ihn verwirrt an. Rodwen? Das Wort hatte sie schon mal gehört, im Unterricht, aber sie hätte nie gedacht, dass sie die elbischen Sprachen jemals würde anwenden müssen. Ein leichter Rotschimmer legte sich über ihre Wangen, als sie den Begriff endlich zuordnen konnte. Edeljungfrau, natürlich, was hätte er auch sonst zu ihr sagen sollen? Aber in seiner Sprache klang dieser Titel bedeutend edler und vornehmer.

Tapfer blickte sie auf, selbst auf die Gefahr hin, wie sonst auch, bei seinem Anblick zu stottern und zu erröten. Ein unsicheres, aber liebes Lächeln lag auf ihren roten Lippen. "Nein, nein, es ist nicht schlimm. Ich hätte eben nicht so neugierig sein sollen." Lalven nickte knapp, konnte sich aber nur schwer zu einem Lächeln durchringen. Irritiert, von seiner abweisenden Art, fuhr das flachsblonde Mädchen fort. "Ich habe Musik gehört und wollte nachschauen, woher sie kommt", versuchte sie ihr Eindringen zu entschuldigen. Der hellblonde, um etwas mehr als einen Kopf größere Elb, schob den Vorhang etwas zur Seite und ermöglichte Ioreth den Blick auf den langen Balkon.

"Ich hoffe, wir haben euch nicht gestört." Das Mädchen schaute zu dem silberweißhaarigen Elben auf der Balkonbrüstung, der eine Harfe in seiner Hand hielt. Wie war sein Name doch gleich? Annûn? Lächelnd schüttelte das Mädchen wieder den Kopf. "Nicht doch, wirklich nicht. Bitte entschuldigt, ich habe euch unterbrochen." Erfreut schmunzelnd erhob sich Annûn etwas und verneigte sich leicht. "Würdet ihr uns etwas Gesellschaft leisten?" Lalven ging an der Fürstentochter vorbei und bot ihr einen Stuhl an, der bis eben ungenutzt an der Wand gestanden hatte.
 

Betrübt schaute Tuilinn zurück auf die immer kleiner werdenden Häuser und Weiden von Edoras. Sie war traurig, dass sie sich nicht mehr von Éowyn verabschieden konnte. Rohans Schildmaid war noch immer nicht von den Weiden zurückgekehrt gewesen, als Elinol zum Aufbruch gedrängt hatte.

Als Edoras nicht mehr zu erkennen war, drehte sie schließlich auch ihren Kopf zurück und blickte auf Elinols Rücken. Viel lieber hätte sie vor ihm gesessen. Es war dort viel bequemer und sie konnte sich an seine Brust lehnen, wenn sie müde war, sie konnte nicht nach hinten wegrutschen und außerdem, hingen dort kein Köcher, Bogen und seine beiden Kurzschwerter vor dem Gesicht. Allerdings musste sie sich auch eingestehen, dass es so wohl noch am Besten war. Aus irgendeinem Grund, fühlte sie sich bei Elinol am Wohlsten, aber nach dem gestrigen Abend, war es besser, sich nicht seinen Blicken auszusetzen.

Tuilinn blickte zu den anderen Elben. Dhoron hatte von den Rohirrim ein neues Pferd geschenkt bekommen, einen ruhigen, trittfesten, grauen Wallach. Die Pferdelords konnten das Tier entbehren, genauso wie das kleine Lasttier, welches von Tawarên neben Lagor geführt wurde. Ein munteres, etwas größeres, kräftiges, haselnussbraunes Pony mit wachen Augen, welches des Öfteren schnaubend die Mähne schüttelte.
 

Ioreth genoss den Gesang eines der Elben, zu dem Annûn auf der Harfe spielte. Der Silberweiße blickte ständig zu der Fürstentochter, deren Gesicht durch das dunkelblaue, enggeschnittene Kleid, mit dem runden Ausschnitt zu strahlen schien.

Das Mädchen sah fragend zu Lalven hoch, der neben ihr auf der Balkonbrüstung saß. So schön das Lied auch klang, sie hatte Probleme damit, alles zu verstehen. Der elbische Hauptmann bemerkte ihren Blick und wartete auf ihre Frage. "Wovon singt er?" Das Unverständnis kleiner Kinder leuchtete in ihren strahlendblauen Augen. Ein scheues, gütiges Lächeln huschte kurz über seine sonst starren Lippen. "Er besingt das Schicksal von Lúthien." Irritiert runzelte das gebildete Mädchen die Stirn. "Lúthien? Das klingt elbisch, aber in dem Lied ist sie doch gestorben."

Seine weichen, wohlriechenden Haare berührten ihr Gesicht, als er sich zu ihr hinunterbeugte. Er flüsterte, um Sänger und Harfenspieler nicht zu stören. "Sie hatte sich in Beren, einen Sterblichen verliebt und sein Schicksal angenommen, um nicht ohne ihn leben zu müssen." Überrascht schnappte Ioreth nach Luft und blickte Lalven wehmütig an. "Das ist traurig, aber auch schön. Ich wusste nicht, dass Elben ihre Sterblichkeit ablegen können." Nachsichtig schüttelte der Elb den Kopf. "Können wir eigentlich auch nicht, nur die Halbelben haben die Wahl. Lúthien war eine Ausnahme." Ioreth stieß einen leisen, enttäuscht klingenden Laut aus, bevor sie sich erhob.

Annûn hielt inne und sah das Edelfräulein trostlos an. "rodwen Ioreth, ihr verlasst uns schon?" Freundlich lächelnd sah sie den Elben, dessen Musik wahrlich bezaubernd war, an. "Verzeiht Annûn, aber die Zeit steht nicht still, auch für mich nicht, dennoch hoffe ich euch heute Abend, auf dem Fest anzutreffen." Ihr Blick wanderte von dem silberweißhaarigen Elben zu Lalven, der ihr ein Nicken und ein scheues Lächeln schenkte.
 

Tuilinn schreckte auf und schüttelte leicht den Kopf, um zu klaren Gedanken zu kommen. Bereits seit dem Frühstück verfiel sie immer wieder in diese Tagträume. Es kam ihr seltsam vor, von ihren Eltern zu träumen, von all dem, was lange vor ihrer Geburt lag. Ihre Lippen öffneten sich. Sie wollte es Elinol erzählen, ließ es dann aber doch sein. Wie sollte sie ihm dies erklären, ohne für eine Hexe oder Ähnliches gehalten zu werden? Seufzend ließ sie den Kopf sinken. Das alles hatte sie nur diesem Licht zu verdanken. Was war es gewesen? Ein Maia, Vala oder Ilúvatar selbst? Es brachte nichts, darüber nachzudenken. Gedankenverloren lehnte sie ihren Kopf an Elinols Rücken und kuschelte sich eng an ihn. Es war ihr egal, dass er es war. Es hätte jeder sein können, denn sie suchte nur nach Halt.

Elinol unterdrückte den Drang, sich nach Linn umzudrehen. Er spürte ihre ruhige, aber schwere Atmung, bei der sich ihr Körper noch etwas enger an seinen drückte. Etwas bedrückte das Mädchen, aber er wollte sie nicht fragen. Der Elb war schon froh darüber, dass sie, nach dem gestrigen Vorfall, scheinbar wieder Vertrauen zu ihm fasste. Es erschien ihm besser, das Mädchen in Ruhe zu lassen, bis sie ihm endgültig verziehen hatte.
 

Der gepflasterte Platz innerhalb der Burg war überfüllt mit Menschen, die tanzten, lachten, sangen, spielten, aßen und tranken. Mehrere Feuerstellen erhellten die Nacht ein wenig und dienten gleichzeitig als Kochstelle für Spanferkel, Hirschbraten, Suppe und vielerlei anderer Speisen. Nahe des Wohnhauses und soweit weg wie möglich von den Ställen, war eine Bühne aufgebaut, auf der eine Gruppe buntgekleideter Musikanten spielte, während davor und auch auf dem Rest des Platzes getanzt wurde.

Lalven saß am fürstlichen Tisch und sah dem Treiben stirnrunzelnd zu. Die Menschen hatte schon eine merkwürdige Kultur. Ihre Musik war lauter und herber, als die der Elben und auch ihre Tänze schienen ausgelassener und wilder. Ein leichtes Lächeln huschte amüsiert über seine Lippen, als er sah, wie einer seiner Männer versuchte mit einer der jüngeren Hofdamen zu tanzen. "Anstatt zu lachen, solltet ihr es selber versuchen." Der Fürst beugte sich von seinem etwas erhöhten Thron zu seinem Gast hinunter und lächelte diesen verschmitzt an. "Es ist nämlich nicht wirklich so einfach, wie man denkt." Ein kräftiges, wohlwollendes Lachen entfuhr dem reifen Menschen. Er liebte es zu feiern, weil sein Volk es ebenfalls liebte und heute war ein wirklich guter Tag dafür.

Lalven blickte die Tafel entlang. Sämtliche Fürstenkinder waren darum verteilt, vier Söhne und zwei Tochter, alle wohlgeraten, gebildet und von freundlichem Wesen. Nur ein Kind fehlte. Mit Bedauern stellte der Elb fest, dass es die älteste Tochter Ioreth war. Seine Augen wanderten den gesamten Platz entlang, doch nirgends konnte er sie ausmachen. Enttäuscht widmete er sich, unter dem Blick der jüngsten Töchter neben sich, seinem Essen.

"Schmecken deine Ohren wirklich süß?" Irritiert schaute Lalven neben sich. Zwei große Kulleraugen, in denen sich die Sterne und Feuerschein spiegelten, schauten ihn erwartungsvoll an. "Hildr, was fragst du denn da?" Ioreth stand nun hinter ihrer kleinen Schwester und sah den Elbenhauptmann entschuldigend an. Erfreut musterte er das junge Mädchen, deren Schönheit durch ein smaragdgrünes Kleid, welches die Schultern ausließ und mit silbernen Stickereien veredelt war, unterstrichen wurde. Ihre langen flachsblonden Haare waren hochgesteckt worden und um ihre feine Stirn, wand sich ein schlichter, silberner Reif. Ihre kleine Schwester, die nicht älter als sechs war, ließ nicht locker. "Aber er hat doch spitze Ohren", bemerkte sie standhaft. "Und du hast doch selber zu Aerin gesagt, dass du seine spitzen Ohren so süß findest." Verunsichert blieb Ioreth stehen. Sie traute sich nicht, in Lalvens Gesicht zu sehen, zu peinlich war es gewesen. "Komm Hildr, du musst ins Bett." Hastig schnappte sie sich das Kind und verschwand mit ihm und glühendem Kopf im Wohnhaus.
 

Müde blinzelte Tuilinn und bemerkte erst jetzt, Tawarên, der sie wohl schon eine Weile interessiert und grinsend anschaute. Das Mädchen mochte diesen Blick bei dem Elben, was diesen nicht weiter zu stören schien. "Du siehst ihr wirklich ähnlich", sagte er leise. "Wem?" Der Hellblonde ritt mit Lagor näher heran. "Ioreth und Sahuld." Sein Blick fiel auf Elinol und er gab diesem zu verstehen, dass der Rest bei ihm lag. Es war ihm wichtig, so schnell wie möglich, das immer noch gespannte Verhältnis zwischen den Beiden wieder zu glätten. "So hat die alte Frau mich genannt." Ihre blau-grünen Augen blickten fragend zu Elinol hoch. "Elinol? Wer sind die Beiden?" Der Elb schielte einen Moment über die Schulter zu ihr. "Fürstentöchter aus Dol Amroth, soviel ich weiß." Tawarên seufzte. Elinol galt nicht gerade als der Gesprächigste, aber das war ein Witz. "Es heißt, sie seien sich sehr ähnlich gewesen. Fast wie ein Ei dem anderen und sie teilen sich ein ähnliches Schicksal." Tuilinns Neugier war geweckt. Sie kannte ihre Eltern nur teilweise aus den Erzählungen Maurins und Mithrandirs, aber das waren meist nur kurze Passagen, Vermutungen und Fakten, sie wusste nicht einmal die Namen ihrer Geschwister und Eltern.. Über Lalven, ihren Vater, wusste der Istari Mithrandir mehr zu berichten, doch auch dies waren meist Fakten und Werdegänge.

"Waren sie Schwestern?" Tawarên schüttelte leicht den Kopf. "Sie haben nicht mal zur selben Zeit gelebt. Sahuld verschwand vor gut fünfzig Jahren und Ioreth wurde vor gut 300 Jahren geboren." Linn hörte ihm aufmerksam zu. Ihr war nun klar, weshalb die alte Frau sie mit den beiden verglichen hatte. Ioreth war ihre Mutter, da war es nicht verwunderlich, dass sie ihr ähnlich sah. "Was ist mit ihnen geschehen?" Der Hellblonde schaute sie nicht an, sondern starrte geradeaus. "Sahuld verschwand eines Tages, man fand wohl nur noch ihr zerfleischtes Pferd und Ioreth ging im Düsterwald verloren, zusammen mit ihrem Gemahl und einigen Zofen und Soldaten." Betrübt schaute das Mädchen hinunter zu dem Gras, welches sich zwischen den schlanken Pferdebeinen bog. Es war nichts Neues für sie. Sie hatte geträumt, was mit ihrem Vater geschehen war und von Maurin kannte sie das Schicksal ihrer Mutter.

"Du musst wissen, Ioreth war mit einem Waldelben verheiratet", fuhr Tawarên fort. Er hatte sich in alten Erinnerungen verloren und begann in einem melodiösen Singsang zu verfallen, bis er schließlich die Heldentaten Lalvens und sein ungewisses Schicksal zu besingen begann. Tuilinn versuchte ihm aufmerksam zuzuhören, doch da war nichts dabei, was Mithrandir ihr nicht schon erzählt hätte. Vom Krieg gegen Sauron wusste sie bereits, auch, dass ihr Vater dort bereits mitgekämpft hatte, von seinem Kampf gegen einen Ostling, dem die schwarze Magie nicht fremd war und noch einiges andere. Viel mehr, interessierte sie ihre Mutter, über die sie fast gar nichts wusste und die für diesen widerlichen Ork mit den roten Augen so wichtig schien. "Elinol?" Der Honigblonde schielte wider kurz über die Schulter und gab ein knappes "Hmh?" Tuilinn schluckte den Klos in ihrem Hals herunter. Sie wollte es unbedingt wissen. "Kanntest du Ioreth?" Irritiert hob Elinol eine Braue, wollte ihr aber eine Antwort nicht vorenthalten. "Ja." Das blonde Mädchen zog einen Schmollmund. Musste man diesem Elben denn alles aus der Nase ziehen. "Wie war sie so?" Eine Zeitlang herrschte Schweigen, nur das Schnauben der Pferde und Tawarêns Gesang war zu hören. Schließlich konnte Linn spüren, wie der Elb tief Luft holte. "Sie war schön, selbst für elbische Maßstäbe, klug und anmutig, so wie eine Frau ihres Standes zu sein hatte. Ich weiß, dass sie den Hauptmann und ihr Kind sehr geliebt hatte."

"Sie hatten ein Kind?" Gespielt überrascht stieß das Mädchen die Frage aus. "Was ist mit ihm geschehen? Ist es auch verschollen?" Elinol nickte. "Ich verstehe bis heute nicht, weshalb sie ihr Kind mitgenommen hat." Seine Stimme klang seltsam, nachdenklich und wütend. Dieses Rätsel musste ihn wohl schon eine Weile beschäftigen und ihm sicher auch manchmal den Schlaf rauben.

"Elinol, bist du krank?" versuchte sie den Elben von seiner Trübsinnigkeit, die sie verschuldet hatte, abzulenken. Verwirrt schaute sie der Honigblonde über die Schulter an und erntete nichts weiter, als einen ernsten Blick ihrerseits. "Du musst es sein, sonst würdest du einen Menschen nicht in so gutes Licht stellen." Grummelnd drehte er sich wieder um und versuchte ihre Bemerkung nicht zu beachten. Sie hatte ihm wohl doch nicht ganz verziehen.
 

Unschlüssig stand Ioreth im Eingang des Haupthauses und schaute über den Festplatz. Sie traute sich nicht zurück zu ihrem Vater an die Tafel. Immerhin saß Lalven immer noch da und nach dem, was er erfahren hatte, konnte sie ihm doch nicht mehr unter die Augen treten. So peinlich war es gewesen und einer Fürstentochter ganz und gar nicht würdig.

"rodwen Ioreth, gewährt mir doch die Ehre, mit euch tanzen zu dürfen!" Aus ihren Gedanken gerissen, blickte sie die Treppe hinab, an der zwei Elben standen. An dem überaus hellem Haar, erkannte sie Annûn und der andere war Girithon, die rechte Hand Lalvens. Freundlich lächelte sie Annûn an und reichte ihm, unter Girithons enttäuschtem Blick, ihre zierliche Hand, um sich, auf das Tanzparkett vor der Bühne, führen zu lassen.
 

Mit zusammengekniffenen Augen, beobachtete Tuilinn einen Käfer, der sich in Elinols langem Haar verfangen hatte. Zögerlich nahm sie eine Hand, die sie auf der Hüfte des Elben liegen hatte und wollte mit ihr das Insekt aus dem Wirrwarr honigblonder Haare befreien. Linn riskierte einen unsicheren Halt, was sich prompt rächte. Norui trat mit dem Hinterlauf in eine Unebenheit und schwankte für einen Moment stark. Das mittelblonde Mädchen auf seinem Rücken verlor das Gleichgewicht und rutschte fast über die Kruppe. Verzweifelt schlang sie ihre Arme um Elinols Bauch und drückte sich fest an seinen warmen Körper. Erschocken rang das Mädchen heftig nach Luft.

Elinol erstarrte, als Linn sich an ihn klammerte und ihm für einen Moment die Luft nahm. Vorsichtig legte er seine warme Hand, auf ihre beiden, die sie angstvoll auf seinen Bauch gelegt hatte. Verwirrt zuckte sie zusammen und zog beide Hände rasch zurück.

Eifersüchtig bemerkte Dhoron den verlegenen Rotschimmer auf Linns Wangen. Die Nähe zwischen seinem Hauptmann und dem Mädchen passte ihm ganz und gar nicht, hatte er sich doch Chancen bei der Mittelblonden ausgerechnet und sie wäre sicher nicht seine schlechteste Eroberung gewesen, bevor er sich verlieben, heiraten und sich für den Rest des Lebens binden würde.
 

Annûn war ein wirklich guter Tänzer, doch vermochte er es nicht, Ioreths Gedanken von Lalven abzulenken. Alles hatte sie versucht, um dem elbischen Hauptmann, der ihr vom ersten Augenblick an gefallen hatte, aus dem Weg zu gehen, um nicht, in seiner Gegenwart, in ein Fettnäpfchen zu treten, aber da hatte sie Rechnung ohne Hildr gemacht.

Ihr Tanzpartner stoppte, als ihm jemand leicht auf die Schulter schlug. Fragend drehte er seinen Kopf und blickte Lalven verwirrt an, bevor er Ioreths Hand losließ. Missmutig stimmte er dem Partnerwechsel zu und überließ die verdutzte Fürstentochter seinem Vorgesetzten.

Jener lächelte nicht einmal, als er Annûns Platz übernahm und das Mädchen gekonnt über das Tanzparkett führte.

Ioreth war zu verwirrt und peinlich berührt, um auch nur einen Ton zu sagen. Schweigend tanzte sie mit dem schönen Elben. "Eure Schwester ist sehr aufgeweckt", unterbrach Lalven ihre Gedankengänge und zwang sie somit, zu ihm aufzublicken. Seine langen Haare fielen auf ihre nackte Schulter, als er sich zu ihrem Ohr beugte und ihr etwas zuflüsterte. "Es freut mich, dass euch meine Ohren gefallen." Eine heiße Woge wallte in Ioreth auf. Verstört blickte sie in Lalvens schmunzelndes Gesicht, bevor sie sich losriss und davonlief. Es war gemein von ihm, sich über sie lustig zu machen.
 

Ithildin und Tawarên bauten das Lager auf. Elinol hatte sie an einem kleinen Teich halten lassen, der lediglich von einem einzelnen Bach gespeist wurde. Blinzelnd streckte Tuilinn ihr Gesicht richtung Sonne. Es war eigentlich noch viel zu früh, um ein Nachtlager aufzuschlagen, gerade mal die dritte Stunde nach Mittag.

"Linn?" Sie schaute zu Elinol, der sie zu sich gerufen hatte. Neugierig ging sie zu dem Elben, an das Ufer des Teiches. "Was ist?" Das ernste Gesicht verunsicherte sie etwas. "Zieh dich aus!" Sie legte ihren Kopf schief und blickte ihn verständnislos an. "Zieh dich aus", wiederholte er mit Nachdruck. Sie glaubte sich verhört zu haben, doch da trat Elinol bereits an sie heran und öffnete gekonnt ihr Mieder. Raschelnd fiel es in das Gras und Tuilinn stand nur noch mit einem grünen, kurzem Kleid, kniehohen Schnürstiefel und enger, grün-grauer Hose da.

Klatschend landete ihre Hand in Elinols Gesicht und hinterließ einen roten Abdruck. Sie blinzelte und mit jedem Liderschlag verflog ihre Wut. Entschuldigend blickte sie den Elben an, während sie ihre schmerzende Hand hielt. Ungerührt stand der Honigblonde vor dem Mädchen. "Es wird Zeit, dass du schwimmen lernst." Ohne näher auf sie einzugehen, entledigte er sich allem, bis auf die Hose und ging ins Wasser.
 

Endlich schlief Ioreth, nachdem sie sich erst in den Schlaf weinen musste. Sie hatte versucht, dem ganzen so gegenüber zutreten, wie es sich für eine Jungfer ihres Ranges ziemte, doch war sie erst 16, unerfahren und viel zu emotional, um damit umgehen zu können. Noch nicht einmal geistig wirklich erwachsen.

Jemand stand neben ihrem Bett, sorgsam darauf bedacht, sie weder zu wecken, noch in das Licht des Mondes zu treten, welches durch das Fenster direkt auf die Schlafstätte fiel.
 

Unschlüssig stand Tuilinn bis zu den Unterschenkeln im kühlen Teichwasser. Vor ihren Zehen machte der Grund einen Absatz und das Wasser wurde trüber. Sie scheute sich davor, auch nur einen Schritt weiter zu gehen, denn obwohl Elinol nur etwas weniger, als zwei Meter entfernt war, reichte ihm der Wasserspiegel bis zum unteren Rippenbogen. Der Elb sah wartend zu ihr. Er konnte nicht verstehen, wovor das Mädchen sich fürchtete.

"Was sein muss, muss sein, Linn." Schwach lächelnd drehte Linn ihren Kopf zu Tawarên, der grinsend hinter stand. Was meinte er denn damit schon wieder? Noch ehe sie über die Bedeutung seiner Worte nachdenken konnte, hatte der Hellblonde sie auch schon geschubst. Mit einem überraschten Aufschrei flog Tuilinn ins tiefere Wasser und versank erstmal wie ein Stein.
 

Die Gestalt stand stumm neben dem Bett und beobachtete das schlafende Mädchen. Ab und an seufzte sie leise. Ihr Kopf drehte sich und zog den linken Arm nach sich, der angewinkelt auf dem oberen Ende des Kissens liegen blieb. Ihre Atmung war ruhig und der Brust samt Decke hob und sank sich in regelmäßigem Takt. Der ungebetene Besucher streckte eine Hand nach ihrem Gesicht aus und strich zärtlich eine blonde Locke aus ihrem friedlichen Gesicht. Er wartete einige Zeit und schien den Geräuschen außerhalb des Gemaches zu lauschen. Doch da war nichts zu hören, außer dem Fest, welches im Burgplatz noch immer gefeiert wurde.

Die Gestalt stützte beide Hände neben Ioreth in das Kissen und versank ein Stück. Seine Haare fielen ungestüm über seine Schultern und die brennenden, verlangenden Lippen, näherten sich ihrem leicht geöffneten Mund.

Ioreth erwachte, als sie einen Druck auf ihren empfindlichen Lippen spürte. Verwundert schlug sie die Augen auf und blickte in ein beschattetes Gesicht. Erschrocken drückte sie sich in die Kissen zurück, als sie die Lippen des anderen immer noch spürte. Der Kuss war zwar zärtlich, aber kalt, feucht und für sie unangenehm. Das Mädchen fühlte sich ausgeliefert und schutzlos. Mit verzweifelter Kraft, stieß sie den Eindringling von sich und krabbelte auf die andere Seite.
 

Prustend tauchte Tuilinn vor Elinol auf und suchte bei ihm Halt. Erschrocken schlang sie ihre Arme um seinen Hals und blickte sauer zu Tawarên hinüber, der am Ufer stand und lachte. Nur sehr zaghaft ließ sie von dem Honigblonden ab und stellte sich hin. "Bist du jetzt fertig?" Elinol versuchte seine Ungeduld zu beherrschen. Das Mädchen blickte zu ihm auf. Nervosität stand in ihren Augen und der Elb wusste nicht, wie er sie ihr nehmen sollte. Vorsichtig nahm er sie bei den Händen und zog das widerstrebende Mädchen noch tiefer ins Wasser.
 

Grübelnd ging Lalven im Gang vor Ioreths Gemach auf und ab. Es ließ ihn nicht los, dass das Mädchen so schnell verschwunden war und er rang nun mit sich, bei ihr anzuklopfen und sich zu entschuldigen. Plötzlich spitzte er die Ohren. Er hörte ungewöhnliche Geräusche aus dem Zimmer. Ioreths angstvolle und dennoch wütende Stimme war deutlich zuzuordnen, aber mit wem sprach sie da? Schritte von nackten Füßen drangen in die Ohren des Elben und dann ein unterdrückter, fast gewimmerter Schrei. Eilig warf Lalven die Tür auf und blieb im ersten Moment angewurzelt stehen. Er konnte gerade noch sehen, wie jemand aus dem Fenster sprang. Seine Füße trugen ihn schnell dorthin, jedoch kam er zu spät.

Lalvens Augen blitzten blau auf, als er aus dem Fenster spähte und den Eindringling suchte. Unten torkelten einige Festgäste herum, mehr Personen konnte er allerdings nicht sehen. Fluchend wandte er sich ab und drehte sich wieder in den Raum.

Zitternd stand Ioreth hinter dem Bett und starrte ins Leere. Der Elb ging auf sie zu und berührte sie leicht an der Schulter. Das Mädchen zuckte zusammen und sah ihn angstvoll an. Es dauerte einen kurzen Moment, bis sie den Elben erkannte. "Hauptmann Lalven?" Tränen brachen sich ihren Weg frei und rollten ungehindert ihr Gesicht hinab. "Er stand einfach da, als ich aufgewacht bin... Ich hatte solche Angst." Ihre Finger krallten sich in Lalvens Hemd. Der Elb schlang tröstend seine Arme um ihren zierlichen, von Krämpfen geschüttelten Körper. "Es ist alles gut. Du bist jetzt sicher."

Vorsichtig führte er das Mädchen zurück zu ihrem Bett. Hastig krabbelte sie hinein und schlüpfte schutzsuchend unter die Decke. "Schlaf jetzt und hab keine Angst! Er wird sich sicher nicht wieder herwagen." Mit geröteten, traurigen Kulleraugen schaute Ioreth ihn an. Sie bemerkte nicht einmal, dass sie seine Hand fest umklammert hielt und es wäre ihr auch egal gewesen; sie hatte Angst und wollte jetzt auf keinen Fall allein sein. "Bitte, bleib hier! Ich will nicht allein bleiben." Im ersten Moment überrascht, lächelte Lalven sie schließlich an. Lautlos legte er einige Sachen ab und schlüpfte zu ihr unter Decke. Schutzsuchend kuschelte sich das Mädchen an seinen warmen Körper. Seine Nähe, milderte ihre Angst vor dem Unbekannten etwas und erleichterte ihr schließlich das Einschlafen.
 


 


 

@ berit: Sicher verrat ich dir, wer der Mörder ist, so in ein paar Kapiteln ^^

Wenn er dann endlich mal richtig auftaucht, wird es wohl auch keine größere Überraschung sein, jetzt vielleicht noch, aber bin mit ihm ja noch net durch.
 

@ MayLynn: Oi, was hast du denn gedacht, was Eli schlimmes mit Tuilinn anstellt? Rape? Killing her softly? Naja, ich hoffe, dein Herz hat sich wieder beruhigt ^^
 

@ Dax: Nyo, wie du siehst, bin ich fleißig, aber es kann halt manchmal etwas länger dauern und das mit dem Freischalten ist ohnehin ne Sache für sich. Sind halt nicht viele Freischalter.
 

@ mitsuki11: Was soll ich sagen, ich bin ein äußerst selbstkritischer Mensch. Nur eine Passage, die mir nicht gefällt und ich kann den ganzen Teil nicht mehr lesen. Ist ja nichts schlimmes, so geb ich mir wenigstens noch Mühe ^^

Hmh... zur Vater-Mörder-Theorie schweig ich. Das Rätsel wird ja noch früh genug gelöst. Ach ja, viel eher müsste ich mich bedanken, dass du und die anderen meine FF überhaupt lest, also Dankefein XD

Menschen- und Elbenherzen

@ siane: Was soll ich sagen? Elinol erfährt es bald...sehr bald ;-)
 

@ Dax: Na ja Dhoron ist eben jung. Hab die Einstellung von einigen Jungs aus meiner ehemaligen Klasse übernommen. Die sehen Mädchen wirklich nur als Trophäen, aber er ist nicht ganz sooo schlimm.
 

@ mitsuki11 : Na sicher geht's weiter ^^, zumindest noch ein paar Kapitel
 

@ berit: Nun ja, schwimmen hat Tuilinn wohl nun gelernt und wer Ioreth geküsst hat? Tja, finde es selber heraus ^__^
 


 


 

Müde und mit letzter Kraft klammerte Tuilinn sich an Elinol. Es kam ihr vor, als könnte sie jeden Grashalm spüren, auf den Norui trat. Jeder einzelne ihrer Knochen schmerzte und die Bewegungen des Pferdes verschlimmerten dies nur noch. Nie hätte sie gedacht, dass Schwimmen einen derartigen Muskelkater auslösen könnte, aber der Elb vor ihr, hatte nicht locker gelassen. Heilfroh war sie gestern Abend mehr kriechend, als gehend aus dem Wasser gestiegen und war auch sofort etwas abseits vom Feuer eingeschlafen.

Mit besorgtem Blick trieb Dhoron seinen Wallach nah an Norui heran und versuchte Linn in die Augen zu sehen. "Geht es dir gut?" Langsam und erschöpft drehte das Mädchen ihren Kopf zu dem Elben. Ein scheues, müdes Lächeln lag auf ihren Lippen. "Ja, keine Sorge, mir geht es bestens, nur etwas müde." Finster blickte Dhoron zu seinem Hauptmann, den das Ganze nicht zu interessieren schien. "Kein Wunder, bei dem Sklaventreiber." Elinol reagierte noch immer nicht. Er war die kleinen Rebellionen des jüngeren Elben gewöhnt und war schon zu lange Soldat, um deswegen einen Streit heraufzubeschwören.

Tuilinn runzelte die Stirn. Sie war zu müde für diese elbischen Sticheleien. "Er hat es doch nur gut gemeint", flüsterte sie halb weggetreten und lehnte ihren schweren Kopf an Elinols Rücken. Seine honigblonden Haare fielen dem Mädchen ins Gesicht und zufrieden sog sie den angenehmen Duft auf, der von ihnen ausging. Einschlafen konnte sie nicht, dafür schmerzten ihre Muskeln zu sehr bei dem anstrengenden Ritt.
 

Ein Falke flog über ihren Köpfen hinweg und Elinol schaute zu ihm auf. Seine Augen folgten dem prächtigen Greifvogel und im Halbprofil konnte Tuilinn die Sehnsucht in seinen Augen sehen. Woran er wohl dachte?

Hastig wandte Tuilinn ihren Blick ab und beobachtete, wie das Gras sich unter den schlanken Pferdebeinen bog. "Elinol?" Sie konnte spüren, wie der Elb sich straffte. "Was hast du gegen Menschen?" Zischend sog der Honigblonde Luft ein. "Bist du mir immer noch böse?" Das Mädchen schüttelte unmerklich für ihn den Kopf. "Nein, aber ich möchte es trotzdem wissen." Neugierig schaute sie zu ihm auf und bemerkte, wie sein Kopf sich betrübt gesenkt hatte. "Sie sterben. Ihr Leben ist nicht mehr, als ein flüchtiger Augenblick." Schmollend verzog Tuilinn ihr Gesicht. "Und was ist daran so schlimm? Ich versteh dich nicht." Sie hörte sein bedrücktes Seufzen. "Es ist schlimm, wenn das Herz eines Elben ihnen gehört." Verwirrt blinzelte das Mädchen. War es das, was ihn mit Ioreth verband, Liebe? Hatte er sie geliebt?

"Warum ist es dann schlimm?" fragte sie mit trockenem Mund. Der Gedanke, dass er bereits eine andere liebte, weckte Unbehagen in ihr.

"Wenn der Mensch stirbt, wird das treue Elbenherz aus Gram daran zerbrechen. Ein gebrochenes Herz ist für Elben so schlimm, dass sie dahinsiechen, bis auch sie sterben. Verstehst du? So eine Liebe ist völlig sinnlos, weil beide irgendwann deswegen sterben werden." Seine Stimme war klar und doch gedämpft. Schwer von Traurigkeit und Kummer.

Tuilinns Hände krallten sich in sein Hemd und umarmten seinen Körper verzweifelt. Sie hatte es selber nicht bemerkt, aber Elinol schon. Sein Herz schlug schneller, als ihm klar wurde, wie sehr sie ihn festzuhalten versuchte. Der Gedanke, dass auch er sterben könnte, ließ ihr Herz zusammenkrampfen. Das Mädchen suchte keinen Halt, es versuchte ihn festzuhalten, bei sich zu halten.

Traurig kämpfte Elinol gegen den Drang an, ihre verkrampften, zitternden Hände zu streicheln und ihr etwas von der Angst zu nehmen. Er durfte es nicht tun, denn dann hätte er Gefühlen freien Lauf gelassen, die nicht sein konnten.
 

Die Nacht war hereingebrochen und Elinol hatte angewiesen, das Lager an einer einsamen Bauminsel inmitten des Grasmeeres aufzuschlagen. Fröstelnd zog Tuilinn die raue Decke enger um ihren Körper und blickte starr in das Feuer, dessen orangerote Flammen fröhlich tanzten. Ihr war nicht danach fröhlich zu sein. Kummer hielt ihr Herz gefangen und je öfter sie zu Elinol schaute, desto stärker wurde das Gefühl. Sie hatte nicht einmal bemerkt, wie viel er ihr mittlerweile bedeutete oder war es einfach nur, weil er sie abwies? Wie gern hätte sie ihm ihre wahre Gestalt gezeigt, aber sie befürchtete, ihn nur noch mehr in Gefahr zu bringen.

Das Laub neben ihr raschelte etwas, als sich Tawarên zu ihr setzte. Gespielt verträumt sah er zu seinem Hauptmann hinüber. "Schlag ihn dir besser aus dem Kopf!" Verdutzt blickte ein Paar blau-grüner Augen den Elben von der Seite an. "Es ist sinnlos, ihn zu lieben. Wenn nicht mal Eliant, die ein Juwel unter unserem Volk ist, es geschafft hat, wie dann ein Mensch?" fuhr er unbeirrt fort. Linn blickte zu Boden und hob ein verwelktes Blatt auf. Nachdenklich drehte sie es zwischen ihren schlanken Fingern. "Hast du Angst, dass ich ihn mit in den Tod nehmen könnte?" Zaghaft schüttelte er seinen hellblonden Schopf. "Ich habe Angst, dass du ihn noch früher verlassen könntest. Menschenherzen sind nicht treu." Beleidigt schob sie die Unterlippe vor. Sie war sich nicht vollends sicher, ob sie es als Beleidigung sehen sollte, denn ein Mensch war sie eigentlich nicht. "Das trifft nicht auf alle zu", belehrte sie leise, bevor ihr scharfer Blick Tawarên fixierte. "Und überhaupt, wieso machst du dir nur Gedanken um Elinol?" Ihr Blick huschte kurz zu Dhoron, der dem Gespräch angespannt zu lauschen versuchte. "Hast du denn keinerlei Angst um Dhoron?" Überrascht starrte der Hellblonde sie an. "Nein", brach es aus ihm heraus, als wäre allein die Vermutung lächerlich. "Er weiß, was er tut und er hatte nie ernsthafte Absichten." Empört war Tuilinn aufgesprungen und blickte zornig auf den verwirrten Elben hinunter. Sie glaubte, sich verhört zu haben. "Heißt das, dass mit meinen Gefühlen ruhig gespielt werden darf?" Zornesröte trieb in ihr Gesicht. "Ist dir klar, dass man Menschen auch das Herz brechen kann und dass sie daran kaputtgehen können?" Herausfordernd funkelte sie Tawarên an. "Aber sie sterben nicht daran", versuchte er sich kleinlaut zu verteidigen. "Und wenn doch?" Das Mädchen stemmte angriffslustig ihre Hände in die Hüfte. "Ich bin kein Spielzeug für eure niederen Triebe. Aber für euch Elben bin ich wahrscheinlich nicht mehr, als ein besseres Haustier." Tränen des Zorns stiegen in ihr auf. Wenn das alles wahr war, hätte ihr Herz auch gebrochen werden können. War sie in den Augen der Elben so ohne Wert, dass es egal war? Sauer und enttäuscht drehte sie sich weg. Ihr Blick fiel zu Elinol, den sie schockiert ansah. "Ich bin doch gar kein Me..." Noch bevor sie das Geheimnis ausplaudern konnte, unterbrach sie sich mit einem Kopfschütteln selbst.

Enttäuscht und traurig legte sie sich etwas abseits zum Schlafen nieder. Verwirrt blickte Elinol ihr nach. Was war sie nicht? Was wollte sie sagen? "Freund?" Wie aus einem Traum aufgeschreckt schaute der Angesprochene zu Tawarên hinab. "Sie ist immer noch ein Mensch." Der Hauptmann nickte. Es war unnötig ihn immer wieder daran zu erinnern, das konnte er selbst noch am Besten.
 

Schweigend ritt die kleine Gruppe über die unbewohnte Ebene zwischen der Lautwasser und der Limklar. Ihre Route führte, aus Sicherheit vor den Orks, ein Stück weiter östlich entlang, als die Alte. Seit Tagen herrschte eine bedrückende Stimmung. Linn sprach seit ihrem Streit mit Tawarên nicht ein Wort mehr, was auch auf die Elben abfärbte. Elinol war noch nie ein großer Redner gewesen, genauso wenig Ithildin, aber selbst Tawarên und Dhoron schwiegen die meiste Zeit des Tages über.

Hilfesuchend blickte Elinol gen Himmel. Er konnte Linn hinter sich spüren, sie war ihm nah und doch so weit entfernt. Bei jeder Rast zog sie sich zurück und sprach kein Wort. Manchmal verweigerte sie sogar das Essen. Er begann sich Sorgen zu machen und spürte bereits den Schmerz, den ihr Verhalten bei ihm auslöste. Nur mit Dhoron wechselte sie von Zeit zu Zeit noch ein Wort.
 

Plötzlich hielt Gloss an. Sein Reiter Ithildin hatte sich in dem Steigbügeln aufgerichtet und blickte starr geradeaus. Seine sonst grünen Augen leuchteten meerblau auf. "Was ist?" fragte Elinol überrascht. Der Hellblonde drehte sich zu seinem Hauptmann. Tuilinn erschrak. Durch die hellen Haare und die leuchtenden Augen, wirkte der Elb unnahbar, eiskalt und fast schon gespenstisch. "Eine Wagenkolonne, sie kommt direkt auf uns zu." Elinol runzelte die Stirn. Wagenkolonne? Das konnten nur Menschen sein, aber diese Gegend war gänzlich unbewohnt. Niemand von ihnen traute sich so nah an Lórien heran, aus Angst vor Galadriel, die bei ihnen als weiße Hexe verschrien war.

Er spürte Linns Hände, die seinem Körper folgten, als auch er sich aufrichtete. Nach einem kurzen Moment ließ er sich wieder in den Sattel sinken. "Sie werden verfolgt." Das Mädchen hinter dem Hauptmann riss die Augen auf, als er Norui die Sporen gab und versuchte zur Seite auszuweichen. "Werden wir kämpfen?" fragte Dhoron mit zitternder Stimme. Die Aussicht auf eine Schlacht, sorgte bei dem jungen Elben für Adrenalinstöße. Finster fixierte der Hauptmann seinen Untergebenen. "Das ist nicht unser Problem." Wütend schnaubte Tuilinn. Diese Gleichgültigkeit gegenüber anderer Rassen war ihr mehr, als nur zuwider. Verstohlen wagte sie einen Blick an Elinol vorbei und hielt die Luft an. "Könnte es aber werden", bemerkte sie trocken und deutete auf den aufgewirbelten Staub, der einen dunklen Pulk, kaum voneinander unterscheidbarer Wesen, vor sich her, direkt auf sie zu trieb. "Noch viel weiter östlich ausweichen kannst du nicht, es sei denn, du willst im Anduin ertrinken und jeder andere Richtung bedeutet, ihren Weg zu schneiden." Elinol grummelte. Das Mädchen hatte Recht, aber ein Kampf war viel zu gefährlich, solange sie bei ihnen war. "Wir bleiben hier und warten ab. Vielleicht ziehen sie an uns vorbei." Ungläubig nahmen die anderen Elinols Befehl auf. Dieser Glaube, war der Gipfel der Naivität.
 

Unruhig schnaubten die Pferde, als die ersten Geräusche der Wagenkolonne vom Wind angeschwemmt wurden. Ochsen, die die Karren zogen, brüllten laut und angstvoll auf, Kinder weinten und Frauen jammerten. Noch gut eine halbe Meile.

Tuilinn zuckte zusammen und kauerte sich an Elinol, als etwas laut krachte und danach Zischen und schmerzerfülltes Gebrüll folgte. Norui setzte einige Schritte nervös zur Seite. Der Gestank der Orks war nun unverkennbar. Sie konnte nicht glauben, dass die Elben alles so ruhig nahmen. Ein Seitenblick zu den anderen, erfüllte sie mit ohnmächtiger Wut. Gelassen sahen die elbischen Krieger zu, wie die Wagenkolonne von den Orks aufgerieben wurde. "Willst du ihnen nicht helfen?" fragte sie Elinol mit schwacher Stimme. Sein Blick war starr geradeaus gerichtet. Ohne jede Reaktion sah er zu, wie einer der Orks auf den Ochsenkarren sprang und mit seinem Schwert, wie wahnsinnig, begann auf eines der beiden Kinder, die dort Schutz gesucht hatten, einzuschlagen.

"Es sind etwa eineinhalb Dutzend Orks und ein knappes Dutzend Menschen, Rohirrim, würde ich sagen", erläuterte Tawarên nüchtern. Zornig krallten sich Tuilinns Finger in Elinols Umhang und zogen heftig dran. Verwirrt drehte dieser sein Gesicht zu ihr. "Willst du sie sterben lassen?" Ausdruckslos sah er sie an. "Besser sie, als wir. Wenn wir uns einmischen, wird es uns vielleicht nicht besser ergehen." Das Mädchen schnaubte verächtlich. "Idiotischer Elb. Du hast allemal mehr Chancen zu überleben, als diese Schar von Bauern." Ein Pferd wieherte jämmerlich auf, als einige Orks sich auf das Tier stürzten. In Todesangst zerrte es an dem Halfter und dem Seil, mit dem es an einem der drei Karren festgebunden war.
 

Die Kolonne war nun nah genug, um jedes Detail auch ohne elbische Augen erkennen zu können. Eine Frau, deren braunes Haar zerzaust und die Kleidung zerfetzt war, trug ein weinendes Kleinkind auf ihrem Arm. Kurz schaute sie zu den Elben hinüber, deren starre Miene sich selbst bei diesem Bild nicht erweichten. Tuilinn schluckte. "Tu doch etwas, Elinol, bitte", flehte sie den Unberührbaren an, doch dieser zuckte nicht einmal mit einem Muskel.

Mittlerweile war der erste Wagen an ihnen vorbeigezogen, aber ohne Hilfe würden die Orks ihn in spätestens einer halben Stunde einholen. Auf ihm hockte ein bärtiger, kräftiger Mann mit sonnengebräunter Haut, der die flüchtenden Ochsen immer weiter Antrieb.

Nervös schaute Tuilinn zu den anderen Wagen. Sie kamen nicht, stattdessen wehte der Geruch von Blut und Innereien herüber. Das Fletschen von Zähnen, Entfleischen von Knochen und Kampfgebrüll hallte durch die Luft. Linn konnte ein Kind weinen hören, vielleicht das Letzte. Wütend über die Untätigkeit und Gleichgültigkeit der Elben, griff das Mädchen nach Elinols Bogen.
 

Überrascht blickte Elinol zu Tuilinn. Es war ihr einfacher gefallen, als sie dachte, ihm den Bogen und einige Pfeile abzunehmen. Voller Tatendrang rannte sie auf die brennenden Wagen und Orks zu. Sie konnte Dhoron noch ihren Namen rufen hören, reagierte aber nicht darauf. Diese überheblichen Elben konnten ihr gestohlen bleiben.

"Diese Närrin", zischte Elinol und gab Norui die Sporen. Die anderen Elben folgten mit gemischten Gefühlen. Das Mädchen hatte es doch geschafft, nun mussten sie kämpfen, dabei wären die Orks sicher abgezogen, wenn die Menschen alle getötet worden wären.
 

Ein schrilles Heulen ließ Linn stirnrunzelnd stoppen. Verwirrt schaute sie sich um. Die Orks waren alle verschwunden. Weder hören, noch sehen, noch riechen konnte sie Mordors Geschöpfe. Plötzlich zischte etwas an ihrem Gesicht vorbei und bohrte sich in den Boden. Mit zittrigen Fingern legte sie einen Pfeil an und spannte die Bogensehne etwas.

Das Hufgetrappel der herannahenden Pferde stoppte abrupt. Lautes Wiehern folgte, als mehrere Orks aus dem braun-grauen, vertrockneten Gras auftauchten und nach den Zügeln griffen.

Linn stockte der Atem, als sie erneut zu einem der Wagenwracks schaute. Auf dem Kutscherbock stand ein Ork. Seine Haut war dunkel und schimmerte schleimig, während seine Augen rot glühten. Schweiß bildete sich auf Tuilinns Stirn. Es war DER Ork. "Ioreth?" zischte er in dem Versuch zärtlich zu klingen. Zitternd trat das Mädchen einige Schritte zurück.

Noruis erschrecktes Wiehern drang in ihre Ohren. Erschrocken wandte sie ihren Blick zu dem Pferd und atmete erleichtert auf, als sie Elinol unverletzt mit einem Ork kämpfen sah. Feuchter Atem zwang das Mädchen, sich wieder umzudrehen. Der Ork stand direkt hinter ihr. Erschrocken fuhr sie herum und piekste die Pfeilspitze in seine Brust. Unbeeindruckt sah die Kreatur sie an. "Ioreth...melethril"[1] Ein leises, angewidertes, verunsichertes Wimmern entfuhr dem Mädchen. Ihre blau-grünen Augen weiteten sich entsetzt, als eine pelzige Hand auf sie zukam und versuchte ihr Gesicht zu berühren. Erschrocken stolperte sie einige Schritte zurück und hielt ihm den Pfeil unter die Nase. "Komm mir nicht zu nahe!" Verwirrt blinzelte der Ork. Nahezu menschliche Züge nahm er dabei an. "nin milo...Ioreth vain!"[2] Der Bogen bebte unter ihren zitternden Händen. Die Sehne schnitt sich etwas in ihre Fingerkuppe ein, aber sie war unfähig endlich zu schießen.
 

"Elinol!" Unfähig ihm zu helfen, schaute Ithildin zu seinem Hauptmann. Dhoron, der ihm den Rücken freihielt schüttelte mit dem Kopf. Der Honigblonde Elb war direkt in die Reichweite der orkischen Armbrustschützen gelaufen. Lange konnten sie nicht darüber nachdenken. Tawarên warf ihnen einen strengen Blick und einige Handzeichen zu. Sie mussten die Orks von den Pferden fernhalten. Ohne die Tiere hatten sie einen Vorteil auf ihrer Reise weniger und die die stinkenden Kreaturen schienen dies zu wissen.

Elinol runzelte die Stirn, während er versuchte den schwarzen Bolzen auszuweichen. Es waren noch gut 20 Meter bis zu dem Rotäugigen und dem blonden Mädchen.
 

Tuilinn schluckte. Krampfhaft kämpfte sie gegen den inneren Widerstand an. Ihre Füße setzten noch einen Schritt zurück, als der Ork sich zu ihr vorbeugte. Weiß traten die Knöchel ihrer schweißnassen, verkrampften Hände hervor, als sie den Bogen bis aufs Maximum spannte. "Komm nicht näher!" zischte sie bedrohlich.

Hinter ihr ertönte ein lautes Gebrüll. Überrascht ließ sie den Pfeil los. Die Sehne surrte leise, als der weißgefiederte Pfeil knapp am Kopf des Rotäugigen vorbei flog. Ihr Blick wanderte von dem Ork vor ihr, der wütend und tadelnd an ihr vorbei schaute, zu der Geräuschquelle hinter sich. Ockerfarbene Augen blitzten sie bedrohlich und mordlüstern an. Dumpfer Schmerz breitete sich in ihrer Seite aus. Schockiert tasteten ihre Hände danach. Ihre Augen weiteten sich. Blut, da klebte Blut an ihren Fingerspitzen. Irritiert blickte sie wieder auf und sah erneut in die ockerfarbenen Augen. In seinen Klauen hielt der Angreifer noch sein Schwert, an dessen Klinge rotschimmerndes Blut hinabtropfte.

Ihr Körper bebte, es schmerzte so fürchterlich und ihre Kraft schwand. Tuilinn spürte einen heftigen Schlag gegen ihre Schulter und kippte auf den Boden zurück. Warmes Blut durchtränkte ihre Kleidung und floss das Schlüsselbein hinab.
 

"LINN!" Erschrocken weitete Elinol seine dunkelgrünen Augen, als er das Mädchen in die Knie und dann rücklings ins Gras fallen sah. Sein Herz klopfte wild und das Blut rauschte in seinen Ohren. All seine Sinne waren blockiert, selbst das Gebrüll des Rotäugigen konnte er nicht mehr hören.

Die Orks hoben nahezu synchron ihre Ohren, als der Anführer seinen kehligen Laut heraus stieß. Ohne weiter auf die Elben zu achten, zogen sie sich zurück.
 

Besorgt sank Elinol neben dem Mädchen auf die Knie. Sie war bei Bewusstsein und blickte ihn stumm an. "Es tut weh", flüsterte sie heiser. Der Elb nickte ihr mit ruhiger Miene zu. "Was ist los?" Dhoron stand hinter seinem Hauptmann und schaute ihm neugierig über die Schulter. Elinol zog ein kleines Messer aus dem Stiefelschaft und schnitt das Mieder der Länge nach auf. Mit geschickten Fingern entfernte er das Korsett aus weichem Leder und riss den blutdurchtränkten Stoff weiter auf. Beunruhigt runzelte er die Stirn. Auf ihrer linken Seite, knapp unter dem Rippenbogen, klaffte ein große, stark blutende Wunde. Streng blickte er zu Tawarên auf. Jener verstand sofort und brachte ihm eine Wasserflasche.

Beruhigend strich Elinol der schwitzenden, sich vor Schmerz verkrampfenden Tuilinn über die Stirn. Stumm reichte der zurückgekehrte Tawarên ihm die silberne Flasche. Stoff raschelte, als der Hauptmann ein Stück seines Mantels abriss und begann die Wunde etwas auszuwaschen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht drückte das Mädchen ihren Rücken durch. "Sie braucht einen Heiler", bemerkte Dhoron, der sich überflüssig fühlte. Tawarên und Elinol kümmerten sich um das Mädchen und Ithildin begutachtete das Schlachtfeld.

Fragend blickten Elinol und sein Schwager sich an. "Wir müssten über die Limklar und es wären bei straffem Galopp mindestens zwei Tage", argumentierte der Hellblonde. Sein Hauptmann blickte kurz auf das Mädchen hinab, welches angstvoll nach seiner Hand gegriffen hatte. "Es ist das Nächste. Ich weiß nicht mal, ob sie es überhaupt bis dahin schafft."
 

Nervös schnaubte Norui, als ob er ahnte, was kommen würde. Sicher hielt Elinol die verletzte Tuilinn mit einem Arm fest, während die andere den Zügel halten musste. Zaghaft legte das Mädchen ihrer Arme um seinen Nacken. Ihre verletzte Schulter schmerzte bei jeder Bewegung und sie spürte, wie die Kraft aus ihrem Körper entwich. Sie versuchte gegen die Müdigkeit anzukämpfen.

Elinol drehte sich zu Ithildin, der neben ihm auf Gloss saß, bevor er die anderen beiden Elben ins Visier nahm. "Ithildin hat die besten Augen, er wird mich begleiten. Ihr kommt nach Lórien nach, wenn alle Leichen begraben sind!" Norui wieherte auf, bevor er sich, nahezu aus dem Stand, in einen sehr schnellen Galopp fallen ließ.

Besorgt beobachtete Elinol jede Veränderung von Tuilinns Zustand. Sein Herz verkrampfte bei dem Gedanken, dass sie es nicht schaffen könnte und bis Lothlórien war es noch weit.
 


 

[1] "Ioreth...Geliebte"

[2] "Liebe mich...schöne Ioreth!"

Lügen und eine Wahrheit

Hab mich beeilt, aber es gibt da noch etwas, was ich loswerden muss. Ich bitte um ein wenig Verständnis. Ihr könnt mir glauben, ich schreibe schon so schnell, wie ich kann, aber ich brauch nunmal eine gewisse Zeit dafür, immerhin hab ich noch ein bißchen mehr zu tun, als nur schreiben.
 


 

Erleichtert schaute Elinol auf die ersten Bäume, die sich weiter hinten, zu einem unübersehbaren Wald zusammenfanden. Sie waren da. Er ließ Norui langsamer werden, um die aufmerksamen Grenzwachen nicht unnötig zu alarmieren. Neben ihm schaute sich Ithildin unruhig um. Dem Elb war unwohl. Es war nicht sicher, ob die lorischen Grenzwachen sie überhaupt nach Caras Galadhon lassen würden.

Besorgt schaute Elinol zu Tuilinn hinab. Ihr verletzter Arm war zwischen ihren Körpern etwas eingeklemmt, während der andere, unfähig sich weiterhin festzuhalten, von seiner Schulter gerutscht war und nun auf seinem Oberarm ruhte. Dicke, blonde Strähnen klebten wirr in ihrem schweißglänzenden Gesicht. Ihre Augen waren trüb und ansprechbar war sie kaum noch. In der Nacht hatte sich ihr Zustand stark verschlimmert. Die tiefe Wunde an ihrem Bauch hatte sich entzündet und Fieber war hinzugekommen. Die Atmung war flach und stockend.

"Linn?" Mit ruhiger Stimme sprach er das Mädchen an. "Wir sind in Lothlórien." Sie hatte ihn gehört. Langsam blickte sie zu ihm auf und jagte dem Honigblonden einen Schauer über den Rücken. Ihre blau-grünen Augen waren wie blinde Spiegel, trüb und angegraut. Ihr Tod war nahe, sehr nahe. Er hatte schon einige Menschen sterben sehen, aber nie hatte es ihn so berührt, wie jetzt. Das Mädchen blinzelte und als sie ich wieder ansah, war ihr Blick ein völlig anderer. Stumm sah sie durch den Elben hindurch, während in ihren Augen sich Licht widerspiegelte, Sternenlicht. Elinol runzelte die Stirn. Was hatte das zu bedeuten? Kehrten die Nachgeborenen auch zu Ilúvatar zurück?

Das Licht verschwand, als das Blätterdach über ihnen sich verdichtete und Tuilinns Gesicht in Schatten tauchte. Ithildins Kopf schnellte zu seinem Hauptmann herum, als er eine Bewegung im Astwerk ausgemacht hatte. Jener nickte nur und deutete dem Hellblonden an, sich wieder zurückzudrehen. Überrascht riss Ithildin die Augen auf, als er einige Pfeile auf sich gerichtet sah. "Sitzt ab!" forderte eine Stimme barsch. Elinol nickte seinem Untergebenen zu und folgte dem Befehl. Vorsichtig ließ er das Mädchen vom Pferd gleiten und stützte es. Alter Glanz schimmerte in ihren Augen, als sie den Elben bittend ansah und ihm zu verstehen gab, dass sie selber stehen wollte.

"Was wollt ihr in den Landen der Herrin des Lichtes?" fragte die Stimme wieder. Ihr folgend trat ein Elb, von kräftigem Wuchs, immerwachen Augen und golden glitzerndem Haar, hervor. Mit gehobener Braue musterte Elinol den Elben. "Wir suchen Schutz", antwortete er trocken. Neugierig geworden ließ der lorische Elb seinen Bogen sinken, worauf ihm die anderen Elben in ihren grauen Mänteln, die sie in den Wäldern nahezu unsichtbar werden ließen, folgten. Ruhig trat er an Elinol heran und begutachtete diesen von oben bis unten. "Ihr seid aus dem Norden, aus Düsterwald." Der Honigblonde nickte und verneigte sich leicht. "Ich bin Elinol Brethilion, Hauptmann der südlichen Grenzwache und das..." Er zeigte mit geschwungener Bewegung auf Ithildin, der sich ebenfalls verbeugte. "...ist Ithildin Narwainion..." Abwesend nickte der lorische Elb Ithildin zu und stellte sich selbst als Haldir vor, wobei sein Blick nicht von Tuilinn wich, die sich schmerzerfüllt die verletzte Seite hielt. Haldirs geübten Augen entgingen die Verbände um Taille und Schulter nicht. "Wer ist sie?" Rasch drehte Elinol sich zu dem Mädchen um, welches arg schwankte. "Linn aus Isengard", antwortete er knapp. Kritisch musterte Haldir das Mädchen, bevor er sich wieder an Elinol wandte. "Ihr könnt mitkommen. Da ihr Verwandte seid, bleibt es euch erspart, die Augen verbunden zu bekommen, aber sie ist ein Mensch." Er zeigte mit dem Kinn auf Tuilinn, die kaum noch gegen den Schmerz ankam. "Sie wartet hier, bis die Herrin Galadriel entschieden hat, ob sie eintreten darf oder nicht." Ungläubig schaute Ithildin Haldir an. "Das geht nicht. Das wäre ihr Tod. Sie braucht dringend Hilfe", stieß er atemlos hervor und fing sich einen missbilligenden Blick des Goldblonden.

"Elinol..." Flüsternd und atemlos brachte Tuilinn den Namen über ihre Lippen, bevor sie in sich zusammensank. Gerade noch rechtzeitig fing der nebenstehende honigblonde Elb sie auf. "Linn? Nicht schlafen! Mach die Augen wieder auf! Linn?" flüsterte er auf Westron, während er ihren Körper sacht rüttelte.

Ihre Haut glühte vom Fieber und hastig schnappte sie nach Luft. Finster blickte Elinol auf, als Haldir sich näherte und sich neben ihn und das bewusstlose Mädchen kniete. Kritisch musterte er ihr Gesicht und tastete nach dem grün-grauen, mittlerweile gelockerten Verband um ihrer Taille. Er hatte Mühe den Stoff anzuheben, denn ihr blutendes Fleisch klebte daran, zusammen mit Wundsekret und Eiter. Haldir stieß einen undefinierbaren Laut aus, als er die Wunde mit strengem Blick betrachtete. Es stank nach Eiter und die Wundränder hatten eine gefährlich braune Farbe, die sich immer weiter ins Innere zu fressen schien, zusammen mit dem gelben Eiterresten, die auch überall am Verband klebten.

Haldirs Augen wanderten zu Tuilinns Schulter hoch. Über Elinols Hand, die das Mädchen am Oberarm umfasste und ihrem leblosen Körper Halt gab, zeichnete sich eine weitere Bandage ab, in deren Mitte ein dunkler Fleck, höchstwahrscheinlich Blut, erkennbar war.

Der Goldblonde erhob sich und rief mit einer Bewegung zwei Elben aus dem Kreis, der sie umgab, heran. Zwillinge, wie Ithildin bemerkte, als einer ihm Gloss' Zügel aus der Hand nahm. Widerwillig und mit bösem Blick überließ er ihm das Tier. "Rumil wird sich gut um das Tier kümmern", versuchte Haldir den düsterwäldischen Elb zu beruhigen. Er drehte sich zu Elinol, als Ithildin dem feingliedrigen Rumil sein geliebtes Pferd überließ. Der Honigblonde war wenig erbaut darüber, dass ihm Tuilinn von dem zweiten Elben abgenommen wurde, wagte es aber nicht dies zu zeigen. "Orophin, du reitest mit dem Mädchen voraus!" Der Zwilling, der mittlerweile mit dem Mädchen auf Norui saß, nickte seinem Hauptmann zu.

Elinols unzufriedenen Blick bemerkend, versuchte Haldir sich zu rechtfertigen. "Wir haben keine Pferde, deswegen haben wir uns euer Ross ausleihen müssen. Ich hoffe, es war euch Recht, aber ihr dürft selber nicht ohne Aufsicht durch Lórien wandeln." Wortlos und seine Wut verbergend, nickte der Honigblonde nur. Haldir sah dies als gutes Zeichen und sammelte mit einer Handbewegung weitere Elben um sich, während der Rest wieder im Schatten der Bäume verschwand. "Folgt mir! Ich werde euch zum Herr und der Herrin führen."
 

Fieberträume suchten Tuilinn heim und gaben ihr ein trügerisch, sicheres Gefühl. Sie fühlte sich wohl, obwohl der Tod bereits seine kalten Finger nach ihr ausstreckte, um sie sanft aus ihrem Körper zu holen.
 

Beunruhigt schaute Ioreth aus dem Fenster auf den Platz hinab. Die Stallburschen hatten die weißen, prächtigen Pferde der Elben dort versammelt, während die Besitzer der Tiere daneben standen und teilweise den Inhalt der Satteltaschen noch einmal prüften. Ioreths blaue Augen tasteten jeden Meter des Hofes ab, aber Lalven konnte sie nicht entdecken. Sie war traurig darüber, dass die Waldelben wieder abreisten, obwohl es ihr klar war, dass ihr Aufenthalt nur wenige Tage dauern sollte. Sie waren auf dem Weg nach Süd-Gondor, auf der Suche nach jemanden, der ihnen wohl etwas von großer Wichtigkeit gestohlen hatte.

Betrübt wandte sie sich ab und schaute zu ihrem Bett. Seit jener Nacht hatte sie kaum noch ein Wort mit dem schönen Hauptmann gewechselt. Als sie aufgewacht war, war er bereits verschwunden, fast so, als wäre alles nur ein Traum gewesen. Unbeabsichtigt umarmte sie sich selbst etwas und lächelte verträumt, bei dem Gedanken an seinen makellosen, starken Körper mit der schönen warmen Haut und den Haaren wie Seide.

Sich selbst ertappend schüttelte die Fürstentochter den Kopf. Wenigstens verabschieden musste sie sich, auch wenn ihr Herz bei dem Gedanken blutete.
 

Unbeeindruckt blickte Elinol über sich, wo die Häuser der Galadhrim im Astwerk der silberstämmigen Mallornbäume gebaut worden waren. Jeden hätte dies beeindruckt, selbst Thranduil, der sonst wenig mit anderen Elbenstämmen anfangen konnte, doch den Hauptmann nicht. Seine Gedanken waren allein bei Linn und bei dem Anblick der vielen Häuser, von denen er die Blicke der Bewohner spüren konnte, fragte er sich nur, in welchem hölzernen Gebäude sie sich momentan befand.
 

Ihre tapsenden Schritte hallten durch den Gang, als sie das Gebäude nach Lalven absuchte. Er musste noch hier irgendwo sein, dessen war Ioreth sich sicher. "Kann ich euch behilflich sein, rodwen Ioreth?" Ruckartig drehte das Mädchen sich um und sah in Girithons lächelndes Gesicht. Hinter dem Elben, der Annûn wie aus dem Gesicht geschnitten schien, bis auf die leicht verdunkelte Haarfarbe, stand noch einer der Düsterwaldbewohner. Der ruhige, fast schneidende Blick des Honigblonden ruhte auf der Fürstentochter. Girithon drehte sich zu seinem Begleiter um. "Du kannst schon draußen warten, Elinol." Der Angesprochene nickte, verneigte sich leicht vor Ioreth und verschwand schon bald hinter einer Ecke.

Girithon drehte sich wieder zur Fürstentochter, von dessen Schönheit er immer wieder aufs Neue verzückt war. "Nun?" fragte er mit leichter Ungeduld. Das Mädchen sah ihn erstaunt an, nahm dann jedoch dankbar seine Hilfe an. Die Elben hatten einen halben Flügel zur Verfügung gestellt bekommen. Wie sollte sie da Lalvens Zimmer finden? "Ich suche Hauptmann Lalven. Wisst ihr, wo ich ihn finden kann?" Für einen Moment verzerrte sich das Lächeln des Waldelben. Er hob seine Hand und zeigte auf eine Tür fast am Ende des Ganges. Ioreth bedankte sich knapp und stürzte eilig darauf zu. Enttäuscht schaute der Elb ihr nach. Er hatte zumindest ein wenig gehofft, dass ihr Blick auch einmal auf ihm ruhen würde.
 

Haldir führte Ithildin und Elinol zu einem uralten und sehr mächtigen Mallorn im Zentrum von Caras Galadhon. Um den breiten Stamm, der das gesamte Gewicht des prächtigen, großen Palastes in seiner Krone, halten musste, wand sich eine Treppe aus verziertem und lackiertem Holz, wie eine Efeuranke. Schweigend ging Haldir voraus, gefolgt von den Gästen aus Düsterwald.
 

Eifersüchtig beobachtete eine Gestalt im Schatten, wie Ioreth zaghaft und mit hämmerndem Herzen an der Tür klopfte. Es machte ihn rasend, dass Ioreth nur Augen für den elbischen Hauptmann hatte. Ihn sollte sie ansehen und rot werden, wenn er in ihrer Nähe war.
 

Mit geschlossenen Augen lehnte Elinol an der Wand, vor dem Audienzsaal und wartete darauf, dass Haldir sie hereinrufen würde. Ithildin wirkte bedeutend unruhiger, als sein Hauptmann. Er war nervös, was ihm auch zum ersten Mal anzusehen war. Schon viel hatte er von Galadriel gehört, aber sie zu sehen, war etwas anderes. Wie sehr hatten Elben, die aus Lothlórien nach Düsterwald gekommen war, von der Anmut, Güte und Erscheinung der Herrin des Lichtes geschwärmt.

Erschrocken drehte er sich zur großen, reichverzierten Tür um, als Haldir aus dem Audienzsaal trat und beide hereinbat.
 

Vorsichtig trat das Mädchen ein, als sie herein gerufen wurde. Der Raum war relativ groß und gut durchleuchtet. Sie kannte ihn bereits, denn an der Südseite erstreckte sich der Balkon, auf dem Girithon Harfe gespielt hatte. Verwundert blieb ihr Blick an dem Bett hängen, auf welchem einige Kleidungsstücke lagen.

Überrascht starrte Lalven das Mädchen an. Mit jedem hatte er gerechnet, nur nicht mit ihr. Wider seinen Willen begann sein Herz laut zu klopfen. Er leckte kurz über seine trockenen Lippen. Ihre Anwesenheit machte ihn nicht wirklich nervös, dafür war er mit Frauen zu erfahren, aber der Gedanke schon gehen zu müssen, bereitete ihm ein flaues Gefühl. "rodwen Ioreth, was führt euch zu mir?" Bestürzt sah sie ihn an. Er siezte sie wieder? War es wirklich nur ein Traum gewesen?

"Ich wollte mich nur verabschieden", sagte sie mit traurigem Klang. "So?" Scheinbar unbeeindruckt packte der Elb zu Ende und warf sich schließlich einen wetterfesten, grün-grauen Mantel über.

Für einen Moment herrschte bedrückendes Schweigen, in dem Ioreth aufblickte und zusah, wie der Elb vor dem Spiegel stand und versuchte, seine Haare zu bändigen. Seufzend schritt das Mädchen auf ihn zu. Überrascht zuckte Lalven zusammen, als er ihre Hände auf seiner Schulter spürte, die ihn auf einen Hocker zurückzogen. Im Spiegel konnte der Elb ihren verträumten, liebevollen Blick sehen, als ihre Hände durch sein Haar glitten und an den Schläfen kleine Zöpfe flochten, die sie am Hinterkopf zusammenband. Einen Teil der langen, wunderbar glatten Haare, ließ sie über seine linke Gesichtshälfte fallen, so wie er es immer trug. "Ihr solltet es immer tun", lachte der Elb. Abrupt hielt Ioreth in ihrer Bewegung inne. Im Spiegel konnte sie ihren traurigen, entsetzten und furchtsamen Blick selbst sehen. "Wieso müsst ihr schon weg?"

Mit strenger Miene erhob sich der Elb. "Wir müssen dem Befehl des Königs Folge leisten. Es war nie geplant, so lange hier zu bleiben." Betrübt drehte das Mädchen die silberne Bürste in ihrer Hand. Seine kühle Art, machte ihr schwer zu schaffen.

Lalvens suchender Blick blieb an der Bürste in ihren Händen hängen. Unschlüssig sah er auf seinen Besitz, der zwischen ihren elfenbeinfarbenen Fingern glitzerte. In seiner Brust schmerzte es. Hatte er vergessen auf sein Herz aufzupassen? Es schien so, denn an keinem Ort wäre er lieber geblieben, als hier. Sehnsüchtig musterte er ihren Körper, der in einem himmelblauen, leicht fallenden Seidenkleid steckte. So nah war er dieser Perfektion aus Alabasterhaut, purpurnen Lippen und Seidenhaaren bereits gekommen. Zu nah, als dass er sein Herz bei sich hätte behalten können.

Irritiert blickte Ioreth hoch, als sie seine Hände spürte, die ihr Gesicht gefangen nahmen. Noch bevor sie einen Ton sagen konnte, hatte er sie auf die Stirn geküsst und sich wieder umgedreht. Mit hochrotem Kopf blickte sie Lalven hinterher, wie er aus der Tür verschwand. Erst jetzt fiel ihr die Bürste in ihrer Hand wieder ein. Eilig folgte sie ihm.
 

Mühevoll versuchte Ithildin sein Staunen zu verbergen. Der Thronsaal glich einer klaren Nacht. Die milde Dunkelheit aus Schwarz und Blau wurde von einzelnen Lichtpunkten, die wie Sterne wirkten und dem hellen Holz, das vom wenigen Licht zum Strahlen gebracht wurde, erleuchtet. Inmitten dieses Sternenhimmels stand Galadriel. Schön und in kaltes, aber mildes Licht wie der Silbermond getaucht, vermochte sie sogar ihren Gatten Celeborn, neben sich, noch erstrahlen zu lassen. Elinol ließ das kalt. Ihre blauen Augen, in denen sowohl Strenge, als auch Güte geschrieben stand, das lange, silberblonde Haar und die Haut, so weiß wie frischgefallener Schnee. Es war ihm egal. Er reagierte auch kaum, als die Herrin Galadriel ihn milde anlächelte. In seinen Gedanken hatte sie genug gelesen und sah nun ihren Gatten wohl wissend an. "Ich heiße euch in Lothlórien willkommen", sprach Celeborn mit feierlicher Stimme. Er war ein prächtiger Elb, dem einiges an Weisheit nachgesagt wurde, jedoch war er nicht annähernd so beeindruckend wie seine Gemahlin. Diese blickte immer noch milde lächelnd zu Elinol. "Elinol Brethilion?" Verdutzt schaute der Honigblonde auf und traf ihren freundlichen Blick. "Macht euch keine Sorgen. Wir kümmern uns bereits um das Mädchen." Ebenfalls irritiert schaute Ithildin die Herrin an. Konnte sie Gedanken lesen? Einige Elben hatten ihm doch vieles von ihr erzählt, hatten sie gerade dies ausgelassen?

Mit gerunzelter Stirn wandte Galadriel sich von Elinol ab und Ithildin zu. Der hellblonde Elb hielt kurz die Luft an, als die Herrin ihn mit einem strengen Blick bedachte, wurde jedoch sofort ruhiger, als er Celeborns amüsierten Ausdruck auffing. "Bin ich so, wie du es dir vorgestellt hast Ithildin Narwainion?" Völlig verwirrt von ihrem freundlichen Lächeln und der Frage, presste die Grenzwache nur noch ein "Hmh" hervor. Schmunzelnd nickte Galadriel ihm zu, bevor sie sich zum Drehen wandte. Celeborn indes musterte die beiden Düsterwaldelben noch einmal. "Ruht euch aus! Wir werden eure Freunde zu euch bringen lassen, sobald sie die Grenze passiert haben." Dankbar verneigten sich Elinol und Ithildin, wagten es aber nicht sich zurückzuziehen, als sie das Lächeln des Herren von Lórien sahen. "Ihr seid natürlich unsere Gäste, bis die Wunden eurer Begleiterin ausgeheilt sind." Mit einer knappen Handbewegung rief er zwei Wachen heran, die beide Besucher zu ihren Schlafstätten führen sollte, bevor er sich ebenfalls umdrehte und seiner Gemahlin den Arm zum Gehen reichte.
 

"Hauptmann Lalven?!" Ein scheues Lächeln huschte über sein Gesicht, als er Ioreth hinter sich hörte. Mit fragendem Gesichtsausdruck drehte er sich zu dem Mädchen um. Ihr Gesicht war gerötet, weniger vor Anstrengung, als viel mehr vor Nervosität. Wie einen Schatz hielt sie die silberne Bürste an ihren Körper gedrückt. "Ihr habt etwas vergessen." Zögerlich streckte sie ihre Hand, die seine Bürste umschlossen hielt, vor. Enttäuscht und auch etwas ärgerlich starrte der Elb darauf. "Behaltet sie!" Forsch wie seine Worte drehte er sich zum Gehen und ließ eine verstörte und vor den Kopf gestoßene Fürstentochter zurück. Schüchtern ging sie ihm einige Schritte nach. Hatte sie etwas Falsches gesagt?

"Wer...werdet ihr wiederkommen?" Abrupt blieb der Hauptmann stehen. "Wollt ihr es denn?" fragte er über die Schulter schauend. Im Augenwinkel konnte er sehen, dass sie noch röter angelaufen war und sachte nickte. "Ja..." Kaum hörbar hatte sie geflüstert, aber für Lalvens Herz reichte es. Ein warmes, angenehmes Kribbeln breitete sich in seinem Körper aus.

Erschrocken blickte Ioreth auf, als der Elb mit weitgreifenden Schritten auf sie zukam. Kurz sah er sie stirnrunzelnd an, bevor er ihre Hand ergriff und niederkniete. Wortlos drehte er ihre zierliche Hand um und küsste die weiche Innenseite. "guren lín Ioreth vain", [1] flüsterte er, als er sich wieder erhob. "Ich werde wiederkommen, versprochen." Mit sehnsüchtigen Augen, die vor der Realität nicht blind waren, blickte sie ihn an. "Aber ich bin sterblich, das ge..." Erschrocken weiteten sich ihre Augen, als sie seine Lippen auf ihren spürte. "Mich hält ohnehin nichts mehr viel in Mittelerde und als meine Frau kommst du mit nach Aman, in die Unsterblichkeit", sagte er mit ernsthaftem Unterton, nachdem er sich von ihr gelöst hatte. Frau? Aman? Irritiert, überfahren und doch glücklich schaute sie Lalven erstarrt nach. Es dauerte einen Moment, bis sich gefangen hatte und ihm, mit schnellen Schritten, folgte.

Die Sonne blendete Ioreth, als sie aus dem Gebäude kam und angewurzelt auf der steinernen Treppe stehen blieb. Ihre Familie hatte sich bereits versammelt und der Fürst verabschiedete sich schon von Lalven und seinen Männern.

Die Blicke von Lalven und Ioreth trafen sich, als er sein Pferd Gwaew zum Tor wendete. Traurig blickte das Mädchen ihn an und selbst das zuversichtliche Lächeln des Elben konnte sie nicht trösten. Hinter dem Hauptmann ritten Girithon und Elinol, die beide verhalten schnaubten. Für die meisten der Elben war es sicher, dass diese zarte Liebe zum Scheitern verurteilt war. Garantiert würde sie nicht warten. Sie war ein Mensch und ihr Herz würde sich schon bald einem anderen Menschen zuwenden.
 

Tuilinns Augenlieder fühlten sich schwer an und nur mühselig schaffte sie es wach zu bleiben. Sie blinzelte etwas und blickte verschwommen in ein Gesicht, welches sie nicht erkennen konnte. "Elinol...?" wisperte sie heiser und selbst für Elbenohren kaum hörbar. "Oh, ihr seid wach", hörte sie eine weibliche Stimme, die sie nicht kannte. Wo war sie?

Lange konnte sie nicht darüber nachdenken. Ihre Wunden schmerzten und ihre aufgesprungenen Lippen brannten vor Trockenheit. "Ich werde euch etwas zur Stärkung holen." Und schon entfernte sich die fremde Stimme, während andere Hände ihren Körper stützten und ihr aufhalfen.
 


 

Missmutig beobachtete Tawarên, wie Elinol zum zigsten Male sein Schwert auf den kleinen, weißen Tisch legte und wieder aufhob. Er hatte seinen Freund noch nie so nervös gesehen, niemand hatte den unterkühlten Elben jemals so gesehen. Seit fünf Tagen lag Linn nun in einem Zimmer, nahe den herrschaftlichen Räumen und keiner von ihnen wusste, wie es ihr ging. Weder Elinol, noch einer der anderen wurde zu ihr gelassen und selbst Nachricht über den Gesundheitszustand des Mädchens wurde nicht gegeben.

"Na, vermutest du auch hier Feinde? Was glaubst du, wo sie sich verstecken? Vielleicht unter den kleinen Blättern?" Genervt schaute Tawarên zum Fenster, wo Dhoron und Ithildin standen. Manchmal tat ihm der Hellblonde leid, immer war er dem Spott des Jüngeren ausgesetzt. In den letzten Tagen, war es besonders schlimm. Mindestens genauso gestresst, wie Elinol, war Dhoron noch aggressiver. "Sieh nur, ein Ork...ach nee, doch nur ein Eichhörnchen", feixte der Mittelblonde. Beleidigt wandte Ithildin sich ab und setzte sich neben Tawarên.

Murrend stand Elinol auf und verließ den Raum. Mit fast leerem Blick spazierte er mit weitgreifenden Schritten durch den Palast. Erschrocken blieb er stehen, als etwas auf ihn zugeeilt kam und kurz vor ihm stehen blieb. Irritiert schaute Elinol auf einen dunkelbraunen Schopf hinab. "Eliant?" stieß er verwundert hervor. Zwei blau-graue Augen sahen ihn freundlich an. "mae govannen Elinol Brethilion." Vorsichtig ging sie einen Schritt zurück und sah ihm unverwandt in die Augen. "Was machst du hier?" Von ihrer Gegenwart in Lórien, war er mehr als nur überrascht. Lächelnd strich sie sich eine Strähne ihres hüftlangen, glatten Haares hinter ihr spitzes Ohr. "Die Herrin Arwen und Herr Aragorn sind die Herrin Galadriel besuchen", antwortete sie wahrheitsgemäß. Elinol glaubte ihr. Eliant war Arwens erste Zofe, damit hoch im Stand, zumindest in Imladris, und somit auf jeder größeren Reise ihrer Herrin dabei.

Die Elbe aus Bruchtal neigte ihren Kopf etwas zur Seite. "Ich habe dich gesucht." Elinol blinzelte, was sie zum Erklären animierte. "Arwen und Aragorn haben von dem Mädchen gehört und beschlossen, ihr zu helfen." Innerlich musste Eliant kichern, als sie die weitaufgerissenen Augen des Honigblonden sah. "Keine Sorge, es geht ihr den Umständen entsprechend." Nachdenklich tippte sie sich an das Kinn. "Das ist ziemlich erstaunlich, bei der Wunde. Ich hatte richtig Angst. Das wäre das erste Mal gewesen, dass ich jemanden elbischen Blutes sterben sehe." Elinol zog die Augenbrauen streng zusammen. "Elbisches Blut?" hakte er nach. Verwundert sah die Brünette zu ihm auf. "Ja, du weißt schon, Elbe, die erstgeborenen Kinder Ilúvatars...spitze Ohren, unsterblich, eben edhel[2], nun ja peredhel[3] um genau zu sein."

Ein flaues Gefühl breitete sich in der Magengegend des Hauptmannes aus. Ihm war schwindelig und das Bedürfnis sich zu setzen, war kaum noch zu unterdrücken. Elbe? Sie war eine Elbe? Dann waren die spitzen Ohren nicht nur eine Halluzination durch das kalte Wasser der Limklar gewesen und dieser merkwürdige Glanz in ihren Augen kam nicht vom Fieber?

Ruppig stieß er Eliant zur Seite und rannte in Richtung des Krankenzimmers. Verwirrt blickte die Dunkelhaarige ihm nach. Diese Reaktion hatte sie nun wirklich nicht erwartet, zumal es offensichtlich war, was Tuilinn war. Wie konnte er so was nur nicht bemerken? "Aber reg sie nicht zu sehr auf! Sie braucht noch viel Ruhe", war alles, was sie ihm noch hinterher rufen konnte.
 

"Ist etwas Schlimmes passiert, rodwen Eliant?" Erschrocken drehte die Bruchtalelbe sich um und blickte in Ithildins ausdrucksloses Gesicht. Auch seine grünen Augen hafteten auf dem davoneilenden Hauptmann. Sie hatte völlig vergessen, dass dieser Elb sich immer an sie heranschlich. Nervös wickelte sie eine Strähne ihres langen Haares, um ihren Finger.
 

Tuilinn zuckte zusammen, als die Tür aufgestoßen wurde und ein atemloser Elinol in den Raum stürzte. "Elinol", stieß sie erfreut hervor. Sie hatte den Honigblonden seit ihrem Erwachen arg vermisst und war froh, ihn nun endlich wieder zusehen. Umso erstaunter und verwirrter war das Mädchen, als er, mit festem Schritt und finsterem Gesicht auf sie zukam. Ihrem Instinkt folgend, der Alarm schlug, bog sie, trotz Schmerzen, ihren Oberkörper zurück, als Elinol die Hand nach ihrem Gesicht ausstreckte. Sie wusste, was kommen würde und bereitete sich innerlich darauf vor. Beschämt schaute sie auf ihre Finger, die sich in die kühle Seidendecke krallten, als er die Haare entfernte, die ihr Ohr verdeckten. Spitz, es war spitz. Verstört zog er seinen Arm zurück. Ihm war schlecht, furchtbar schlecht und jegliches Vertrauen war mit einem Mal zerstört. "Es ist also wahr." Sie schaute immer noch auf ihre Finger und wandte nur langsam den Blick zu ihm. "Ich kann das erklären", wisperte sie mit schwacher Stimme. Sie hatte Ehrfurcht vor seinem strengen, verletzten Blick. "Ich wollte es dir ja sagen, aber..."

"Aber was?" fiel er ihr wütend ins Wort. "Hattest du so wenig Vertrauen? Wolltest du nur ein kleines Spiel mit uns...mit mir spielen?" Hastig schüttelte sie den Kopf. "Nein... nein, wirklich nicht. Mithrandir hatte mir untersagt, meine wahre Identität preiszugeben." Er glaubte ihr nicht, dies konnte sie nur zu deutlich an seinem Gesicht ablesen. "Und das soll ich dir glauben?" Seine laute, erregte Stimme hallte in dem großen Zimmer. Tuilinn zuckte kurz zusammen. Sie hasste nichts mehr, als unkontrollierte Emotionen und dies war so Eine. Das Mädchen verstand ohnehin nicht, weshalb er sich aufregte. Sie war nun mal eine Elbe und keiner der Menschen, die er so verachtete, das war doch genau das, was er gewollt hatte.

"Was das Lügen angeht, solltest du dich als Letzter aufregen. Oder wie war das mit Können oder Nichtkönnen von Westron? Ich habe dich gehört und so schnell konntest du es nicht lernen, nicht von den wenigen Worten." gab sie aggressiv zurück. Für einen sehr kurzen Moment ließ Elinol seine Maske fallen, bevor sein Gesicht noch mehr verfinsterte. "Das ist etwas völlig anderes", zischte er das Mädchen an. "Ach ja, inwiefern?" Schweiß brach auf ihrer Stirn aus. Der Streit war im Allgemeinen doch zu anstrengend für sie, zumal es Tuilinn sehr belastete, dass Elinol enttäuscht war, aber was hätte sie sonst tun sollen? Es war nun mal ein Teil ihres Schutzes gewesen.

Elinol reagierte nicht darauf. Er war wütend und schwer enttäuscht. Ausgerechnet sie, hatte ihm etwas von dieser Tragweite verheimlicht. "Wer bist du wirklich?" Erstaunt, aber dennoch mit ruhig schauten ihn ihre blau-grünen Augen an. "Tuilinn Lalveniell" gab sie kleinlaut und mit gesenktem Blick zu. Ein Stich bohrte sich in Elinols Brust.

Bedrückendes Schweigen war eingetreten. Es dauerte etwas, bis er seinen schockierten Blick von ihr nehmen konnte. Das Mädchen schaute auf, als sie seine Schritte wahrnahm. Gerade noch konnte sie sehen, wie er aus der Tür verschwand. So konnte sie ihn auf keinen Fall gehen lassen. Viel zu schnell für ihren Zustand war sie aus dem Bett gesprungen und verhedderte sich prompt in der Decke. Der Länge nach schlug sie auf dem harten Boden auf und spürte, wie ihre Wunde aufplatze. Warmes Blut durchtränkte den frischen Verband. Schutzsuchend krümmte sie sich zusammen und wimmerte leise vor Schmerz, der ihr allmählich die Sinne vernebelte.
 

[1] Mein Herz ist dein, schöne Ioreth.

[2] Elb

[3] Halbelb

-iell -> Tochter von

-ion -> Sohn von
 

@ siane: ich hoffe, es war dir nun schnell genug ^^ aber du musst verstehen, dass ich nunmal nicht den ganzen Tag am comp sitzen und schreiben mag, mal davon abgesehen, brauch ich auch noch so lange, weil ich mir wirklich über jede Kleinigkeit Gedanken mache.
 

@ Dax: Was der Ork hat? Du würdest sicher auch merkwürdig werden, wenn du sein Schicksal hättest :-) ...Uups, schon zuviel verraten?
 

@ Estel: Ähm...danke *sprachlos schreibt* *g*
 

@ mystica: Hast mich auf ne Idee gebracht. Wer als erster richtig vermutet, wer der Ork ist, darf sich das Thema für ne neue Story wünschen oder gleich ne ganze FF ^^
 

@ berit: *sich hinsetz und dir ne Perücke knüpf* Wenn du dir bei jedem Cliffhanger so an die Haare gehst, wirst du sie wohl bald brauchen XD Was den Schockzustand angeht, damit scheinst du wohl nicht allein dazustehen. Ich hoffe dem konnte ich nun Anhilfe schaffen

Gefühle, Flugstunden und die Vergangenheit

Elinol blickte auf, als die Tür zu Tuilinns Zimmer aufging. Hinter dem Mann, der den Raum verließ, konnte er das Bett ausmachen und eine Elbe von hohem Wuchs und Anmut, die besorgt auf die Gestalt im Bett schaute. Der dunkelhaarige Mann, der eindeutig menschlich war, ging auf den Elben zu. Erwartungsvoll sah Elinol ihn an. Er war hochgewachsen, hatte scharfe, graue Augen und strahlte, trotz seiner wilden Erscheinung, etwas Edles und Fürstliches aus. "Aragorn, wie geht es ihr?" Der Angesprochene mit dem stoppeligen Bart versuchte sich in einem aufmunternden Lächeln. "Sie hat viel Blut verloren und die Wunde hat sich entzündet, aber Arwen kümmert sich um sie. Es wird schon wieder." Elinol nickte verhalten und drehte sich zum Gehen. Verwundert sah Ithildin ihm nach, während Dhoron unbeachtet in das Krankenzimmer ging. Der Hellblonde konnte das Verhalten seines Hauptmannes nicht nachvollziehen. Wieso wollte er das Mädchen nicht sehen, wo er sich doch all die Tage solche Sorgen gemacht hatte? "Was hat er denn?" fragte er irritiert. Tawarên seufzte. "Er ist verliebt und weiß es noch nicht", antwortete er, bevor er seinem Schwager hinterher ging.
 

Arwen sah auf, als Dhoron ans Bett trat. In ihren feingliedrigen Händen hielt die schwarzhaarige Tochter Elronds einen nassen Lappen, den sie nun in eine Schüssel kalten Wassers tauchte und auswrang. "Fieber", antwortete die schöne Elbe auf den fragenden Blick des jüngeren Mannes. "Mit etwas Glück bekommt sie keinen Wundbrand." Ein liebevolles Lächeln, unterstützt von einem besorgten Blick folgte, als der Abendstern Arwen dem schlafenden Mädchen den kalten Lappen auf die glühende Stirn legte.

Dhoron war erschrocken von der Blässe Tuilinns. Durch ihre Haut schimmerten, gut sichtbar, die bläulich-violetten Adern, während ihr Gesicht geisterhaft eingefallen wirkte. Ihre aufgesprungenen Lippen zitterten und sie flüsterte im Schlaf.
 

Sehnsüchtig blickte Ioreth aus dem Buch auf und schaute durch das Fenster, als sie Hufgetrappel im Hof hörte. Wie die letzten vier Jahre, wünschte sie sich, Er würde es sein, doch innerlich machte sie sich darauf gefasst, wieder enttäuscht zu werden. Sicher hatte er sie vergessen. Enttäuscht seufzte sie und widmete sich wieder ihrem Buch. Er war ein Elb, was bedeutete ihm schon die Liebe eines Menschen? Für ihn war sie sicher nur ein kleines, süßes Spielzeug gewesen. Was sollte er auch mit einer Sterblichen, deren Lebensspanne für ihn nur einen Wimpernschlag lang war?
 

Tawarên holte seinen Schwager an einem abgelegenen Platz von Caras Galadhon ein, der von den Kriegern als Übungsarena genutzt wurde. Zum Wald hin, war eine Mauer aufgezogen worden, an denen mehrere Übungswaffen aus Holz hingen. Elinol stoppte davor und griff nach zwei Schwertern, von denen er eines seinem überraschten Freund zuwarf.
 

Unter den desinteressierten Blicken Ithildins kämpften Tawarên und Elinol. Verbissen griff der Honigblonde seinen Untergebenen immer wieder an. "Was ist los mit dir, Freund? Du veranstaltest hier..." Tawarên musste ausweichen und ließ seinen Freund mit dem Holzschwert ins Leere schlagen. "...einen kleinen Kampf und deine Liebste liegt im Sterben." Elinol blieb stehen. Sein Schwert zitterte unter seinem harten Griff. "Ich liebe sie nicht. Ich werde niemals lieben." Wütend stürmte er auf seinen Freund los, der gerade noch zur Seite springen konnte. Emotionale Elben waren wie verwundete Tiere, schlechte Kämpfer, aber ungemütliche Gegner und zudem äußerst selten. "Wieso?" fragte der Hellblonde unberührt. "Das Argument, dass sie ein Mensch sei, zählt ja nun nicht mehr." Erneut blieb Elinol wie angewurzelt stehen. "Daran liegt es nicht." Bitterkeit lag in seiner Stimme. "Ich will sie nicht lieben, sei sie nun Mensch, Elb oder Zwerg." Verwirrt legte Tawarên seine Stirn in Falten. Für ihn, der, seit er denken konnte, nur seine Eirien liebte, waren die Worte des älteren Freundes ohne jeden Sinn. "Ist sie so schlimm, so weit unter deinem Stand?" fragte er neugierig und verständnislos. "Natürlich nicht", zischte Elinol. Zornig hing er sein Schwert zurück an die Wand. "Was ist es dann?" Ruckartig drehte der Hauptmann sich um. "Elben sind nicht wirklich unsterblich. Wir können verbluten, verhungern, verdursten oder aus Gram dahinsiechen", erklärte er aufgebracht. "Was ist, wenn ihr dies zustößt, aber ich ihr nicht folgen kann?" Perplex blinzelte Tawarên. Was redete sein Freund da? "Was ist, wenn ich nach ihrem Ende feststelle, dass ich sie nicht genug geliebt habe, um über ihren Verlust selbst zu vergehen, aber schon wieder zuviel, als dass ich jemals wieder glücklich werden kann? Unsterblichkeit ist unser Fluch. Ewiges Leid und Einsamkeit, wenn die, der mein Herz gehört, nicht mehr ist. Ich habe Angst davor, ewig trauern zu müssen, wo ich doch nur ein Herz habe, welches ich verlieren kann." Tawarên stutzte. So hatte er es noch nie betrachtet und dennoch kam es ihm weiterhin sinnlos vor. "Ein ewiges Leben ohne Liebe, ist wie die Hölle. Willst du wirklich so leben?"
 

Vertieft in ihr Buch, bemerkte Ioreth nicht, wie die Tür leise aufging und jemand herein trat. Ein spitzer Schrei stahl sich aus ihrer Kehle, als ihr Stuhl nach hinten gezogen wurde. "Psst", machte es hinter ihr. Überrascht blickte sie, von ihrer nunmehr liegenden Position, hoch, in ein ihr nur zu vertrautes Gesicht. "Hast du mich vermisst?" fragte der Mann über ihr, dessen blonde Haare sein schönes Gesicht halb verdeckten. "Lalven", flüsterte die junge Frau erstaunt und erfreut. Mit mehr oder weniger geschickten Bewegungen befreite sie sich aus dem Sessel und stürzte auf den Elb zu. "Ich dachte schon, du hättest mich vergessen." Jede Zurückhaltung vergessend, warf sie sich in seine Arme. "In den 6755 Jahren, die ich nun schon lebe, habe ich noch nie etwas vergessen." Verwirrt blickte die junge Frau, die Ioreth nun war, auf. "So alt bist du schon?" Sein Alter stand in jedem Gegensatz zu seinem jugendlichen Aussehen, zumindest für menschliche Augen.

Ein fröhliches Lächeln huschte über Lalvens Lippen, während er amüsiert nickte. Seufzend lehnte sie ihren Kopf an seine Brust. Es war schön, seine Nähe zu spüren. Wie sehr hatte sie ihn vermisst und jeden Tag am Fenster geharrt, nur um ihn wiederkommen zu sehen.

Tief atmete sie seinen Geruch ein und stutzte. Blut. Er roch nach Blut und Rauch. Unter Lalvens verdutztem Blick, knöpfte sie sein Hemd auf hielt erschrocken die Luft an. Unter dem dunkelgrünen Stoff offenbarte sich ein frischer Verband. "Was ist geschehen?" fragte die junge Frau atemlos. Wortlos setzte der Elb sich in den Sessel und blickte seine Liebste ernst an. "Wir waren hinter einem Feind her und sind ihm bis nach Süd-Gondor gefolgt. Er war ein Meister schwarzer Magie und Herr über eine eigene Orkarmee." Gespannt lauschte Ioreth, starrte dabei aber immer wieder auf den weißen Verband um seine Rippen. "Wir haben große Verluste erlitten. Viele sind schwer verletzt worden." Aufmunternd streichelte Ioreth über die Wange ihres Liebsten, der sich schutzsuchend an ihre Hand schmiegte.
 

"Elinol!" Die drei Elben auf dem Übungsplatz drehten ihre Köpfe zu dem laubbedeckten Weg, auf dem sich zwei Gestalten näherten. Der blonde Elb war eindeutig Dhoron und neben ihm, bei ihm eingehakt, in einem roten Kleid, ging Eliant. Die dunkelhaarige Elbe löste sich von dem Mittelblonden und schritt eilig auf die kleine Arena zu. "mae govannen rodwen Eliant", begrüßte Ithildin sie höflich. Verdutzt verneigte sie sich kurz vor dem Hellblonden, bevor sie auf ihren ehemaligen Verlobten zuschritt. "Was tust du hier?", fragte sie erbost. "Die Herrin Arwen hat schon mehrmals nach dir gefragt." Elinol hob eine Braue und ging schließlich wortlos an ihr vorbei. Sicher wollten sie und Aragorn wegen Tuilinn mit ihm reden. Weswegen auch sonst?

"Eliant? Kommst du?" Drängend schaute Dhoron zu der schönen, aber offenherzigen Elbe. Diese schaute kurz zu Ithildin, verschwand aber doch mit einem zufrieden lächelnden Dhoron. "Da hat er wohl doch noch eine Eroberung gemacht", kommentierte Tawarên trocken.
 

Nach Luft schnappend, erwachte Tuilinn und blickte in das freundliche Gesicht einer dunkelhaarigen Elbe. "Endlich bist du aufgewacht." Mit mulmigem Gefühl schaute das Mädchen sich um. An viel konnte sie sich nicht erinnern. Die letzten Bilder vor den eigenartigen Träumen, an die sie sich längst gewöhnt hatte, galten dem Streit mit Elinol. "Du hast fast eine Woche nur geschlafen", erläuterte die Dunkelhaarige. Tuilinn versuchte sie etwas zu fragen, doch ihr Mund fühlte sich rau und trocken an. Kein Laut drang aus ihrer Kehle. Arwen bemerkte dies und griff, mit einer ausgreifenden und fast geisterhaften Bewegung, nach einem Becher Wasser, welches auf dem kleinen Nachttisch neben dem Bett stand. Dankbar nahm das blonde Elbenmädchen den Becher in ihre zittrigen Hände und trank einen Schluck. Das Wasser war kalt und erfüllte ihren Geist wieder mit Leben. "Wer seid ihr?" fragte sie leise. "Arwen aus Imladris", antwortete die Elbe mit der sanften Stimme. Tuilinn nickte leise und versuchte darauf zu reagieren, doch Arwen legte lächelnd einen Finger auf ihre Lippen. "Shht...Ihr solltet nicht soviel Kraft verschwenden, Tuilinn, Tochter von Lalven und Ioreth."

Die Schwarzhaarige schritt um das Bett und setzte sich schließlich auf einen Stuhl, der an der anderen Seite stand. Tuilinn beobachtete ihre Bewegungen sehr genau. Arwen hatte sehr viel Magisches, fast schon Unirdisches an sich. Ihre Gesten waren federleicht und irgendwie geisterhaft. Neben ihr fühlte Tuilinn sich grob, ungeschliffen und bäuerlich. Arwen schien dies zu bemerken oder sie konnte Gedanken lesen, wie ihre Großmutter. "Für ihn ist das nicht wichtig." Irritiert blickte die Blonde den Abendstern an. "Ich meine Elinol." Allein der Name betrübte Tuilinn. Mit traurigem Blick senkte sie ihren Kopf. "Das ist unmöglich. Es wäre wohl besser, wenn ich zu den Menschen zurückkehre." Arwens Lächeln verschwand und wurde von einer tiefgründigen Nachdenklichkeit in den Augen ersetzt. "Du willst die Sterblichkeit wählen?" Fast hätte sich das Mädchen an dem kalten Wasser verschluckt. "Ja, kann ich das denn?" Langsam nickte die Schwarzhaarige. "Natürlich, als Halbelbe ist dir das möglich." Grübelnd schaute Tuilinn auf ihre Hände, die sich in den Stoff der Decke gekrallt hatten. "Wenn ich sterblich wäre, könnte ich nach Isengard zurück und würde den Zerfall um mich herum nicht mehr wahrnehmen, weil ich ein Teil von ihm bin. Ich könnte wieder nach Hause."
 

Schweigend blieb Elinol vor der Tür stehen. Jedes Wort drang nach draußen, in seine Ohren. Erstarrt lauschte er. Sie wollte die Sterblichkeit wählen? Sie wollte lieber sterblich sein und das wegen ihm?

"Elinol?" Wie in Trance drehte er sich um. Er blinzelte etwas, bevor er seine normale, ausdruckslose Maske wieder aufgesetzt hatte. Aragorn kam auf ihn zu. Er war einer der wenigen Menschen, die der Elb respektierte und sogar beneidete. Arwen gab ihre Unsterblichkeit für diesen Menschen auf. Etwas, wozu er sich wohl nie fähig fühlen würde und das bestürzte und beschämte ihn mehr, als alles andere.

Aragorn kam immer näher und sah den Elben kritisch an. "Auf ein Wort?!" Knapp nickte Elinol und deutete so seine Zustimmung an, bevor er dem Dúnadan folgte.
 


 

Grübelnd saß Tuilinn in dem weit ausladenden Bett, als die Tür aufging. Vielleicht war es Arwen, die etwas vergessen hatte. "Ihr seid also Tuilinn" flötete eine angenehme, vor Lebendfreude sprudelnde Stimme. Verwirrt musterte die Halbelbe das Mädchen mit den langen, dunkelbraunen Haaren. "Und wer seid ihr?" Lachend ging oder vielmehr tänzelte die Bruchtalelbe auf das Bett zu. "Ich bin Eliant, Elinols Verlobte." Sie musste kichern, als sie das bestürzte Gesicht der blonden Halbelbe sah. Es war deutlich zu sehen, wie ihr gläsernes Herz Sprünge und Risse bekam. Betrübt senkte Tuilinn ihren Kopf. Wie grausam war diese Eliant, wenn sie darüber lachen konnte?

"Dhoron hatte also Recht", kommentierte die Dunkelhaarige kichernd, während sie sich auf der Bettkante niederließ. Beinahe unverschämt streckte sie ihre Hand nach dem anderen Mädchen aus und strich tröstend eine Strähne, langen, wallendes Haar hinter das spitze Ohr. "Seid nicht traurig, gwend[1] Tuilinn, ich wollte nur eure Gefühle testen." Die Angesprochene drehte leicht ihren Kopf und sah Eliant aus verwässerten Augen an. Seufzend rückte die Bruchtalelbe näher an das verletzte Mädchen heran und lehnte sich neben ihr an den Bettkopf, der in die hölzerne Wand geschnitzt war. "Wisst ihr, nach dem Willen Thranduils und Elronds, wäre ich sicher Elinols Verlobte." Fragend und erwartungsvoll sah Tuilinn die Elbe an. "Liebt ihr ihn?" Eliant blinzelte überrascht, schaute dann jedoch abwesend zur Decke. "Elinol, ach Elinol...ihn zu lieben ist sinnlos. Niemals würde er jemanden wie mich so nah an sich heranlassen, als dass er sich verlieben könnte. Ihm seine Zuneigung zu schenken, würde ein Leben lang Kummer und unerfüllte Hoffnungen bedeuten."

Der kühle Stoff des Bettzeuges raschelte, als Tuilinn sich von der Dunkelhaarigen entfernte und aufstand. Nur mühselig konnte sie sich auf den entkräfteten, wackeligen Beinen halten. Interessiert schaute Eliant ihr dabei zu. Das Zimmer war eher ein überdachter Balkon, dessen freie Wand, nur durch das Blattwerk des Mallorn Sichtschutz bot. Das Licht, welches dennoch seinen Weg durch die grünen Blätter fand, schien durch den zarten Stoff von Tuilinns, ohnehin schon transparentem, Nachtkleid und ließ jeden Zentimeter ihrer unbedeckten Silhouette darunter sichtbar werden. Selbst die Verbände um Taille und linker Schulter, waren nun gut erkennbar.
 

Langsam tapste die Halbelbe zur Brüstung und den Ästen hin. Ein leises "tserrp" begrüßte sie dort. Bedrückt lächelnd streckte sie ihre Hand nach dem Geräusch aus und ein kleiner Vogel mit schwarz-weißem Gefieder und sehr langem, wippenden Schwanz, hüpfte von einem Zweig auf ihren Finger. Seine lebhaften Knopfaugen blickten das Mädchen interessiert an, während er ein weiteres, vergnügtes "tserrp" von sich gab.

"Ah, ein Spion", lachte Eliant munter. Konnte aber das andere Mädchen auch nicht wirklich aufheitern. Seufzend erhob sie sich und schritt ebenfalls zur Balkonbrüstung. "Lasst euch das Herz nicht schwer machen, rodwen!" Tuilinn lächelte die kleine Schwanzmeise an, bevor sie sich an die Dunkelhaarige in dem roten Samtkleid wandte. "Glaubt ihr, ich sollte nach Isengard zurückkehren?" Rasselnd atmete Eliant ein. "Das könnt ihr nicht machen. Das würde Elinol auch nie zulassen." Blonde Augenbrauen zogen sich zusammen. "Wieso nicht? Dann hätte er ein Problem weniger", meinte die Mittelblonde spitz. Schockiert schaute die Bruchtalelbe drein. "rodwen?" Ein bitteres Lächeln huschte über Tuilinns kirschrote Lippen. Etwas umständlich und mit dem linken Arm, der von Arwen in eine Schlinge gesteckt wurde, um die Schulter zu entlasten, fast unmöglich, setzte sie sich auf die Brüstung. "Er redet ohnehin kein Wort mehr mit mir. Ich habe ihn seit dem Streit nicht mehr gesehen und der liegt nun schon gut eine Woche zurück." Laut atmete Eliant aus. Darum ging es also. "Er ist nur enttäuscht und verwirrt. Macht euch keine Sorgen, das wird schon wieder." Aufmunternd lächelte sie die Jüngere an. Diese nickte nur verhalten. Wirklich glauben konnte sie das nicht. Elinol war sehr wütend gewesen und erst seine Reaktion, als sie ihm seinen Namen genannt hatte. Das Wissen, um ihre Abstammung musste alte Wunden erneut aufreißen.

Ihre Haare flatterten kurz, als sie ihren Kopf schüttelte. Neugierig blickte sie zu Eliant, die sich, neben dem Mädchen, weit über die Brüstung gelehnt hatte und durch die Äste schaute. Unter ihnen verlief eine Plattform, die über die Äste gelegt wurde und einen Übergang, zu den benachbarten Mallorn, schuf. Eliants gute Ohren konnten zwei bekannte Stimmen von dort ausmachen, Elinol und den Verlobten ihrer Herrin, Aragorn. Sie schienen über die Orkangriffe zu sprechen, denen die Gruppe um den Honigblonden Elben auf ihrer Reise bereits ausgesetzt war.

Weitaus interessanter, fand sie Bruchtalelbe jedoch das Geschehen, auf dem Baum gegenüber.
 

"Macht es euch denn nichts aus?" Aus ihren Gedanken gerissen schielte Eliant zu Tuilinn, die immer noch mit dem kleinen Vogel beschäftigt schien. "Was?" fragte sie perplex. Scheu schauten blau-grüne Augen die Dunkelhaarige an. "Dass ich Gefühle für Elinol hege." Verträumt lächelnd schüttelte Eliant ihren dunkelbraunen Schopf. "Nicht im Geringsten. Ich bin eigentlich froh, nicht wirklich seine Verlobte zu sein, denn mein Herz schlägt für einen anderen." Ein sehnsüchtiger Seufzer machte die Mittelblonde neugierig. "Wer ist es?" fragte sie unverschämt.

Eliant stützte ihre Ellenbogen auf die Brüstung und sah zu den beiden Elben auf dem anderen Baum. Dhoron und Ithildin stritten, wie eigentlich immer, doch diesmal konnte die Elbe nichts verstehen. Selten regte der hellblonde Ithildin sich auf, aber diesmal war solch ein Moment. Der jüngere Dhoron grinste nur süffisant und erwiderte gelassen, worauf der andere Elb wütend davonzog.

Eliant seufzte erneut, aber diesmal tieftraurig. "Er ist der Einzige, der mich rodwen oder gwend nennt. Niemand tut das, außer Arwen, aber die kennt ja auch die Wahrheit." Ihre schlanken Hände fassten nach einem abgefallenen Mallornblatt, welches auf dem breiten Geländer lag. "Über mich gibt es das Gerücht, dass ich mit jedem mein Bett teilen soll. Ledige Elbinnen höheren Standes haben jungfräulich zu sein." Sie stieß sich vom Geländer ab und schaute Tuilinn matt lächelnd an. "Ihm scheint es egal, ob dieses Gerücht Wahrheit oder Lüge, sonst würde er mich nicht so nennen." Überrascht sah die Halbelbe ihre Gesprächspartnerin an. Dieser Elb schien etwas ganz Besonderes zu sein. "Weiß er, was du für ihn empfindest?" Abrupt hielt Eliant inne und lehnte sich mit mattem Blick zurück auf das Geländer. "Woher denn? Ich kann es ihm ja nicht sagen. Ich will ihm nicht das Gefühl geben, dieses Gerücht sei wahr."
 

Schweigen trat ein, in dem Eliant die ganz Zeit Dhoron beobachtete und Tuilinn der kleinen Schwanzmeise zusah, die lebendig auf ihrem Finger auf und ab hüpfte. Kurz schielte die Mittelblonde zu der Dunkelhaarigen und bemerkte nicht einmal die näher kommenden Schritte auf dem Gang. "Was ist denn da?" Neugierig geworden, drehte Tuilinn ihren Oberkörper gefährlich in die Richtung, in die Eliant die ganz Zeit schaute. Überrascht stellte sie fest, dass dort Dhoron stand. Sie mochte doch nicht etwa ihn?

Laut wurde die Tür aufgestoßen. Erschrocken fuhr Tuilinn herum und verlor dabei das Gleichgewicht. Hilflos mit dem Arm rudernd, rutschte sie immer weiter zurück. Aufgeschreckt eilte Eliant ihr zur Hilfe und versuchte sie am Nachtkleid zurückzuziehen, doch das Mädchen war zu schwer und schon zu weit über den Schwerpunkt hinaus. Die Dunkelhaarige wurde ebenfalls in die Tiefe hinab gezogen. "rodwen Eliant?" vernahm sie hinter sich von einer aufgebrachten Stimme, bevor sich Schritte näherten und zwei Arme sich um ihre Taille schlangen, um sie vor dem Absturz zu bewahren.

Eliants Finger rutschten vom Stoff des Kleides ab und ihre blau-grauen Augen weiteten sich schockiert, als sie Tuilinn, mit einem spitzen Schrei, zwischen die Äste fallen sah. Ohne ihr Gegengewicht, purzelte die Bruchtalelbe zurück in den Raum und landete auf einem wichen Körper. Dessen ungeachtet, sprang sie sofort auf die Beine und stürzte zur Brüstung. Ihre Augen suchten angestrengt alles ab und schließlich atmete sie erleichtert ein.
 

Nachdenklich schaute Aragorn den Elb gegenüber an. Es war unverkennbar, dass ihn etwas bedrückte und dabei handelte es sich nicht um die Orkangriffe. Elinol war Grenzwache im Düsterwald, er hatte beinahe täglich mit Orks und Trollen zu tun, da machte ihm diese Horde auch nicht mehr viel aus. "Was hast du, mellon? Sorgst du dich wegen Mordors Geschöpfen?" Der Elb verschränkte die Arme vor der Brust und musterte den hölzernen Boden intensiv. "Ihr Anführer, er ist viel zu intelligent für einen Ork und das macht ihn gefährlich, außerdem..." Seine blaublitzenden Augen wanderten den Stamm hoch, bis sie sich im Astwerk über ihnen verloren. "...ist er hinter ihr her. Bei beiden Angriffen hatte er es nur auf sie abgesehen." Ein kaum hörbarer, enttäuschter Seufzer entwich Elinols Lippen, als er versuchte zu dem Balkon über ihren Köpfen zu blicken, doch die Blätter, Äste und Zweige ließen dies nicht zu.

Eine Woche hatte er es geschafft, sie nicht sehen zu müssen. Lalvens Tochter. Er schüttelte den Kopf. Er hatte gedacht, sie sei tot, ebenfalls von den Orks bis zur Unkenntlich zerfetzt, wie all die anderen Leichen. Wie konnte sie ihm etwas von derartiger Größenordnung nur verheimlichen? Vertraute sie ihm nicht? Er runzelte die Stirn. Allein der Gedanke tat weh.

Überrascht schaute er zu Aragorn, als er dessen Hand auf seiner Schulter spürte. "Wieso quälst du dich unnötig? Glaubst du nicht, dass du mit ihr reden solltest?" Elinol rümpfte die Nase. DAS kam nun wirklich nicht in Frage. Egal, wie sehr sein Herz nach ihrer Nähe verlangte und wie sehr es schmerzte, wenn er an Tuilinns Zustand dachte, das waren nur Gefühle, die bald verfliegen würden, wenn er sie nur lang genug ignorierte.

Aragorn schüttelte innerlich resignierend den Kopf. Diesem Elben war nicht zu helfen, stur wie ein Zwerg, der auf einer Kiste Gold saß. "Wenn sie dir so egal ist, warum machst du dir dann Sorgen?" versuchte der Waldläufer es mit umgekehrter Psychologie. Erstaunte und ertappte dunkelgrüne Augen blickten den dunkelhaarigen Menschen an. Ein leichter, kaum sehbarer, roter Schimmer färbte die freiliegenden Ohrenspitzen ein. "Sie ist nur eine Frau und eine schwache noch dazu, kaum fähig ein Schwert zu halten und ängstlich im Umgang mit dem Bogen." Er holte, mit ärgerlichem Blick, weit mit dem Arm aus. "Da draußen sind unzählige Orks hinter ihr her. Wenn sie auch nur einen Schritt allein aus Lórien setzt, ist sie verloren." Mild lächelnd nickte Aragorn, Arathorns Sohn. "Und wenn du sie zurück nach Isengard bringen würdest? Unter Sarumans Schutz ist sie sicher." Der Honigblonde stieß einen unwilligen Laut aus. "Damit sie die Sterblichkeit wählt und mich zurücklässt..." Der Schimmer verfärbte sich dunkelrot. Hatte er das wirklich gesagt? Es war ihm nur so herausgerutscht, ohne dass er darüber nachgedacht hatte. "Ich meine, Isengard ist auch nicht mehr das, was es mal war", versuchte er hastig sich herauszureden und stellte fest, dass er dabei nur mehr seiner Gefühle preiszugeben schien.

Ein Blick auf Aragorn bestätigte seine Befürchtung. Der Waldläufer lächelte, nicht spöttisch oder altklug, sondern milde und freundlich. "Du liebst sie", stellt er nüchtern fest. Noch bevor Elinol protestieren oder anderweitig darauf antworten konnte, forderte Tumult über ihren Köpfen ihre Aufmerksamkeit.
 

Ein spitzer Schrei drang an ihre Ohren. "Was ist das?" Elinol war angespannt und griff reflexartig nach seinem Schwert, als etwas aus den Blättern hervorkam. Er blinzelte nervös, als er das kleine Ding identifizierte, das einen Bogen beschrieb und über seinen blonden Kopf davonflog. Aragorn lachte erleichtert, als er den kleinen, schwarz-weißen Vogel mit dem markant langen Schwanz davonfliegen sah. "Nur ein kleiner Vogel."

Der Elb ließ von seinem Schwert ab und schaute erneut nach oben. Zweige krachten und Blätter segelten hinab. Verwundert hob er eine Braue und hielt erschrocken die Luft an, als er sehen konnte, was da gefallen kam.
 

"rodwen Eliant, seid vorsichtig, sonst fallt ihr doch noch hinunter." Langsam drehte die Angesprochene sich wieder um und schaute auf ihren Retter, der immer noch auf dem Boden saß. Es war Ithildin, der sie mit leichter Besorgnis musterte. Verlegen strich sie sich ihre langen Haare hinter das Ohr. Röte schoss in ihr hübsches Gesicht und ehe sie einen klaren Gedanken fassen konnte, stürzte sie an dem Hellblonden vorbei die Tür hinaus. "gwend Eliant?!" Verwirrt schaute Ithildin ihr nach. Hatte er etwas falsch gemacht?
 

Die Äste bremsten Tuilinns Fall, so dass zwei Arme sie problemlos auffangen konnten. Zaghaft öffnete sie ihre Augen, die sie zusammengekniffen hatte. Augen, dunkelgrün wie die Blätter im tiefsten Inneren des Fangorn, betrachteten sie kritisch. "Du hattest Recht, nur ein kleiner Vogel", bemerkte er trocken zu Aragorn. Jener lachte munter. "Doch sicher hätte niemand mit einer Schwalbe gerechnet." [2] Freundlich blickte er die blassgewordene Tuilinn an. "Ihr solltet eure Flugstunden an einem sichereren Ort machen", spöttelte Isildurs Erbe, was ihm eigentlich nicht ähnlich sah, aber eine Elbe, die aus den Bäumen fiel, war ja auch nichts Alltägliches. Elinol knurrte seinen Freund verächtlich an. Musste er sich über das Mädchen lustig machen? Der Schrecken schien ihr so schon genug in die Knochen gefahren zu sein. Aragorn grinste nur. "Egal, was du vorhin sagen wolltest, du und alle anderen wissen, dass es stimmt." Der Waldläufer verbeugte sich höflich und ließ beide allein.
 

Verwirrt schaute Tuilinn Aragorn hinterher, bevor sie es wagte, Elinol ins Gesicht zu sehen. Sie musterte jeden Zentimeter seines Gesichtes, bevor ihre Lippen auch nur ansetzten, Worte über sich zu bringen. Das Mädchen war heilfroh, dass er in der Nähe war und sie nicht auf dem Boden hatte aufschlagen lassen. Sie konnte den Fall noch immer in ihrer Magengegend spüren.

"Was meint er denn?" Elinol blinzelte. Er war so ärgerlich auf den Dúnadan gewesen, dass er das Mädchen in seinen Armen für einen Moment vergessen hatte. "Nichts von Belang", zischte er. Tuilinn weitete ihre Augen bei seinem schroffen Tonfall. Er war also immer noch sauer auf sie.

Sie begann zu zappeln, bis der Elb sie endlich auf ihre Füße stellte. Verwundert sah er die Halbelbe von der Seite an. Ihr Kopf war von ihm abgewandt und zwischen ihrem wallenden Haar enthüllte sich ein elbisch spitzes Ohr. Erneut wurde ihm bewusst, dass sie ihm etwas vorgemacht hatte, auch wenn er immer noch nicht verstand, weshalb. Glaubte sie so sicherer zu sein?

"Ich kann alleine stehen." Tuilinns Stimme klang so entfernt, als würde sie gar nicht mit ihm sprechen. Betrübt blickten seine dunkelgrünen Augen ihr nach, als sie sich, den Schmerz verbergend, entfernte.

Unbewusst streckte Elinol die Hand nach ihr aus. Etwas schrie in seinem Inneren und forderte ihre Nähe und Wärme zurück. Es fühlte sich falsch an, wenn er nicht ihren Körper spüren konnte. Seufzend zog er seine Hand zurück. Vielleicht war es auch richtig, ihre Nähe nicht zuzulassen. Zu tief saß die Angst vor Verlust. Nachdenklich betrachtete er seine zittrige Hand und bemerkte er jetzt das feuchtglänzende Blut daran. Erstaunt und besorgt schaute der Elb zu dem Mädchen. Bei ihrem Sturz muss die Wunde wieder aufgegangen sein. Wieso versuchte sie dies zu verbergen? Wollte sie seine Hilfe partout nicht annehmen?
 

Rasselnd sog Tuilinn Luft ein. Ein Blick hinab zeigte einen dunkelroten Fleck, der Verband und Nachtkleid durchtränkte. Kein Wunder, dass es wieder so höllisch wehtat.

"Wenn du so weitermachst, wird es nie heilen." Erschrocken erstarrte ihr Körper, als sie die tadelnden Worte hinter sich vernahm. Langsam drehte sie ihren Kopf um und noch ehe sie sich versah, platzte ein aufgeschreckter Schrei aus ihr heraus. Verwirrt und leicht zornig blickte sie Elinol an, der sie wieder auf die Arme genommen hatte. "Ich kann auch allein gehen", protestierte sie wütend. Der Elb seufzte resigniert und erntete einen zutiefst verwirrten Blick aus blau-grünen Augen. "Damit deine Wunde noch weiter aufreißt?" Ihre Ohren wurden heiß und dunkelrot. Sie musste einsehen, dass er Recht hatte. "Aber ich bin zu schwer", versuchte sie dennoch zu einem Protest anzusetzen.

Tuilinn schrie auf und klammerte sich mit ihrem gesunden Arm noch fester an ihn, als der Elb ihren Körper kurz hochwarf, um ihr einen besseren Halt zu verschaffen. Ihr schreckbleicher Kopf lag nun in seiner Halsbeuge und starrte von dort auf den hölzernen Boden, der so weit entfernt schien. "Nicht schwerer, als ein kleines Vögelchen", raunte er in ihr nahes Ohr. Elinol konnte hören, wie sie die Luft anhielt. Seine Worte trieben ihr die Röte ins Gesicht und ließen sie schweigen.
 

Schweigend saß Tuilinn auf dem Bett und beobachtete Elinol, der dabei war, das benötigte Verbandszeug und Salben auf einer Kommode zusammenzuräumen. Mit allem nötigen auf in den Händen, drehte er sich um und ging auf die. Ernst musterten seine Augen das Mädchen. "Zieh dich aus!" Das blau-grün zwischen dichten, schwarzen Wimpern weiterte sich schockiert. "Kommt gar nicht in Frage", widersprach sie entsetzt. Das sonst ruhige Dunkelgrün seiner Augen blitzte ungeduldig auf. "Ich muss die Verbände wechseln und das geht nun mal nicht, durch die Kleidung hindurch." Immer noch entrüstet sah das Mädchen ihn an. "Dann hol doch Eliant oder eine andere Elbe, sollen sie den Verband wechseln." Ungerührt stand der honigblonde Elb vor dem Bett und schaute auf die Halbelbe hinab. Sein Blick war unausweichlich, undurchdringlich und mit einem Hauch Süffisanz. "Wenn du willst, dass bald ganz Lórien erfährt, dass du als einzige Elbe, von den Bäumen fällst, werde ich sie rufen lassen."

Erneut wurden ihre Ohren knallrot, was selbst durch die Haare durchschien. Verlegen murmelte sie etwas, was annähernd als "Es war nur ein dummer Unfall" zu deuten war. Ihr war diese Situation unangenehm, sie erinnerte die Halbelbe an den Streit. Es fehlte nur noch seine Wut. Elinol seufzte resigniert. "Nicht mal Menschen stellen sich so an." Wütend funkelte sie ihn an. "Ist es das? Willst du testen, wie viel Mensch ich bin? Oder willst du sehen, wie ähnlich ich meiner Mutter bin?" Auf seine Reaktion war sie nicht gefasst. Wieder schaute er sie schockiert an. Genauso, war es auch gewesen, als er ihren Namen erfahren hatte.

"Sag so etwas nicht!" Seine Stimme war zittrig und auch in seinen Augen lag Unruhe. Dies zu sehen verletzte Tuilinn mehr, als es die Orkwaffen es je hätten tun können.

"Hast du sie geliebt?" fragte sie mir ruhiger, leiser Stimme, die ihre innerliche Angst nur mit Mühe verbarg. Elinol schwieg und sah sie lediglich verwirrt an. Seine Lippen waren starr aufeinander gepresst. Es schien dem Mädchen bereits Antwort genug und dennoch wollte sie es mit seinen Worten hören. "Du hast sie geliebt, nicht wahr?" betrübt senkte sie ihren Kopf. Verloren, er war für sie verloren, da er sein Herz längst vergeben hatte.

Der Elb schwieg immer noch. Seine Gedanken rasten in unheimlichen Tempo und drohten seinen Schädel zu zersprengen.

"Erträgst du mich nur, weil ich dich an sie erinnere?" Ihre verwässerten Augen trafen seine Seele tief und hinterlassen blutige Kratzer. "Ich habe Ioreth nie geliebt, nicht einen Moment, nicht mal so lang wie einen Herzschlag." Elinols donnernde, zornige Stimme hallte in ihren empfindlichen Ohren. Erschrocken sah das Mädchen zu dem geliebten Elben auf. Ein Sturm tobte hinter der dunkelgrünen Iris. "VERDAMMT NOCH MAL, WIE KOMMST DU NUR AUF SO ETWAS ABSURDES? ICH LIEBE WEDER SIE, NOCH JEMAND ANDEREN, ICH LIEBE NUR DI..." Erschrocken drehte er ihr den Rücken zu. Hatte er das wirklich gesagt? Das war etwas, was er nie zugeben wollte. Dieses Mädchen brachte bei dem kalten Elb Emotionen zum Vorschein, die er nicht einmal selber kannte.
 

Elinol hörte Stoff rascheln und einen leisen Seufzer. "Kannst du mir helfen?" Vorsichtig drehte er sich nach dem Mädchen um, welches ihn hilflos ansah. Ihr Unterleib war mit der Bettdecke verdeckt und das Nachtkleid darüber hochgeschoben. Skeptisch hob der Honigblonde eine seiner dunkelblonden Brauen. Erst nach einer genauen Musterung der Halbelbe, verstand er, was sie meinte. Ihr linker Arm, war zwar aus der Schlinge, die nun lose um ihren schlanken Hals baumelte, aber sie konnte ihn unmöglich anheben, geschweige denn, das Kleid allein ausziehen. Ein schwaches, versöhnliches Lächeln lag auf ihren Lippen.

Sie stöhnte leise auf, als Elinol das Kleid über ihren Kopf zog und sie somit gezwungen war, ihren Arm anzuheben.

Vorsichtig rollte der Elb mit sanften Fingern den Verband um ihre Taille ab. Kritisch betrachtete er die Wunde. Sie war fast verheilt, nur durch einen kleinen Spalt, drang noch etwas Blut, das mittlerweile auch geronnen war. Die weiße, warme Haut drum herum, war blutverschmiert. Tuilinn zuckte zusammen, als seine kalten Finger das wunde Fleisch berührten.

Schweigend stand Elinol auf und ging zum Nachtschrank, auf dem eine Porzellanschüssel und ein Wasserkrug standen. Plätschernd ergoss sich das klare, lauwarme Wasser in die Schüssel. Der Honigblonde drehte sich, mit der Schale in beiden Händen, zu Tuilinn um. Verlegen blickten ihn ihre klaren Augen an, während ein Rotschimmer ihrem hübschen Gesicht, Farbe verlieh. Mit ihren elfenbeinfarbenen Armen, versuchte sie die Blöße ihrer Brüste zu verdecken. Der Elb hätte sie ewig betrachten können, wenn die rote Stelle unter ihrer linken Brust nicht wäre.
 

Verkrampft biss die Halbelbe sich auf die Unterlippe, als Elinol begann, die Wunde auszuwaschen. Sie hasste diese Prozedur und das zeigte sie mit ihren Blicken auch deutlich. Erleichtert atmete sie aus. Elinol wrang den blutverschmierten Lappen über der Wasserschüssel aus und griff nach einer neuen Bandagerolle. Vorsichtig rollte er den beigefarbenen Stoff um Tuilinns Körper. Er war fasziniert von ihrer milchigweißen Haut, die wie ein Seidentuch über den schimmernden Adern lag, dem wallenden Haar, das über ihre Schultern fiel, den sinnlichen, kirschroten Lippen und dem tiefen, unergründlichen Blau-grün, ihrer Augen, das umrahmt war von dichtem Schwarz.

Neugierig schaute das Mädchen ihm in die Augen. Der Blick darin, war ihr neu, anziehend und ein kribbelndes Gefühl erzeugend. Wie Feuer und Eis zugleich fühlten sich die Berührungen seiner Fingerspitzen an, die ihren Körper hinauf krochen. Langsam ließ sie ihre Arme sinken. Die Spitzen seiner langen Haare kitzelten ihre empfindliche, heißglühende Haut, als sein Gesicht sich näherte. Seine warme Hand ruhte nun auf ihrer blanken Brust und fühlte den hämmernden Herzschlag. Elinols warmer Atem strich sacht über ihr Gesicht, als sein Gesicht sich näherte. Tuilinn bog sich zurück und lag letztendlich auf dem weichen Bett. Elinol war über das Mädchen gebeugt und schaffte es nicht, den Blick von ihr zu nehmen. Ihre Lippen zitterten verlangend. So nah, dass sich ihre Nasenspitzen berühren konnten, waren sie sich bereits und sogen den Duft des anderen ein.

Die Decke verrutschte, als Elinol seine Hand zu ihrem freiliegenden Bein wandern ließ. Ein leiser, wohliger Seufzer entfuhr ihr, als seine angeraute Hand über das weiche, empfindliche Fleisch ihres Schenkel strich. Es weckte Erinnerungen, an einen andern Streit und eine andere zeit der Nähe, in Edoras.

Sacht hob er ihr Bein an und stellte es angewinkelt neben seinem Körper ab, bevor er den Oberschenkel weiter hinauf wanderte. Seine Finger fuhren unter die Decke, die das letzte Stück Intimität, auf der sein eigener Körper lag und nach dem es ihn verlangte, verdeckte. Seine Lippen suchten die ihrigen. Immer näher kam sein Gesicht ihrem zitternden Kirschrot. Ihr Atem berührte seine Lippen, als er versuchte sie zu küssen. Er wollte ihre Süße schmecken, doch Tuilinn hob ihren Kopf an und wisperte in sein Ohr. "ú-loston na edhil. law sír."[3] Sein Haar kitzelte sie erneut, als sein Kopf auffuhr und Elinol sie irritiert ansah. Tuilinn blinzelte abwartend, doch schließlich lächelte er. Noch nie hatte sie ihn lächeln sehen. "hen edhil pâl dartha."[4] Sein Körper reckte sich unter dem verwunderten Blick des Mädchens, welches sein Herz berührt hat. Flüchtig küsste er ihre Stirn, bevor er sich erhob. "losto vain!"[5] Lächelnd strich Elinol noch einmal über ihr seidiges Haar, drehte sich dann jedoch um, und verließ den Raum.
 

Verträumt sah Tuilinn dem geliebten Elben nach. Sein Weggehen löste einen kalten Schauer bei ihr aus und ließ sie frösteln. Er war nicht einmal aus der Tür und schon spürte sie die Sehnsucht nach ihm. Ihr Herz klopft wild gegen ihre brennende Brust. Er hatte gut reden, wie sollte sie denn jetzt noch schlafen können?
 

Lautlos schlich Elinol zurück in sein Zimmer. Leider nicht leise genug. Missmutig hob er eine, seiner schöngeschwungenen Augenbrauen, als jemand von einem der Äste herunter sprang, die quer durch Galadriels Palast wuchsen und diesen trugen. "Es ist spät geworden, Freund. Was hast du denn die ganze Zeit bei der Maid gemacht oder sollte ich fragen, mit ihr?" Auch wenn das Grinsen unter der Kapuze nicht zu sehen war, so war es doch eindeutig vorhanden. Resigniert fasste Elinol sich an die Stirn. "Ist des Königs Kundschafter denn nie zu beschäftigt, um mir zu folgen?" Schallend lachte der der vermummte Elb. "Nicht, wenn es um so ein Schauspiel geht. Wann erlebt man denn schon mal, dass ein Elb die Fassung verliert? Und wer hätte schon gedacht, dass es dann ausgerechnet ein Grenzwachenhauptmann sein würde?" Der Honigblonde stieß einen verächtlichen Laut von sich. "Kann ich mir vorstellen, dass es dich freut, Freund Tawarên." Elinols Schwager kicherte. "Eirien wird sich sicher für euer Gespräch interessieren." Für andere Augen, als seine eigenen unmerklich, erstarrte Elinol einen Atemzug lang. "Du hast gelauscht?" fragte er sachlich. Tawarên verschränkte die Arme vor der Brust und gestikulierte etwas mit der freien Hand. "Nur, dass du sie liebst und sie dich zurückgewiesen hat." Sein Grinsen wurde immer breiter, als Protest in den dunkelgrünen Augen des anderen aufloderte. "Sie hat mich nicht zurückgewiesen", sagte er ruhig, aber trotzig. "Ach nein?" Tawarên rieb sich nachdenklich am Kinn. "ú-loston na edhil", äffte er Tuilinns Worte mit verstellter Stimme nach. "Wie es aussieht, musst du dich wohl auf Mensch trimmen. Ich schlage vor, du schneidest dir Haare und Ohrspitzen ab und badest du nächsten paar Jahre nicht mehr." Selbst Elinols zorniger, genervter Blick störte den Hellblonden mit der Kapuze nicht. "Vielleicht solltest du dir noch etwas Tierfell an den Körper kleben. Menschenmänner sollen ja sehr behaart sein." Verwirrt und dennoch wütend schaute Elinol seinen Schwager an. Er wusste nicht, was ihn mehr erzürnte, dass er diesen intimen, schönen Moment mit Tuilinn belauscht hatte oder seine blödsinnigen Tipps.

Kopfschüttelnd ging er an seinem Freund vorbei. In Momenten wie diesen, fragte er sich, was seine Schwester nur geritten hatte, ausgerechnet diesen Elb zu heiraten. "Schwager, wo willst du hin?" Mit genervtem Blick schaute Elinol über die Schulter zurück. "Weg von dir." Tawarên warf seine Kapuze zurück und lächelte versöhnlich. "Wenn es dich milde stimmt, das war alles, was ich hören konnte. Dein Liebesgeständnis hat mich erst hierher gelockt. Ich schätze, der ganze Palast hat es mitbekommen." Elinols Ohrspitzen färbten sich rot. Der ganze Palast hatte es gehört? Dabei war er sich nicht einmal sicher, ob es überhaupt stimmte. Er wollte sein Herz doch nie verlieren.

Schnaubend drehte er sich um und stapfte davon. "Was hast du jetzt vor?" Der Honigblonde drehte sich nicht mehr um. "Wenn es dich so interessiert, Schwager", stieß er gepresst hervor, "ich werde jetzt baden gehen." Tawarên grinste erneut und erntete für sein "Kalt?" ein tiefes, grollendes, genervtes Knurren seines Freundes.
 


 

Hastig rannte Elinol über die dichten, oft ineinander verwachsenen Äste. Die Mittagssonne war durch das dichte Blätterdach des Düsterwaldes nur zu erahnen. Er hatte seinem Herrn doch versprochen auf dessen Gemahlin und die, wenige Wochen alte, Tochter aufzupassen. Von Weitem hörte er orkisches Gebrüll und die Angstschreie der Frauen. Was waren sie auch so dumm gewesen und haben sich ohne Schutz soweit in den Wald begeben? Nun gut, eine Wache hatte Ioreth scheinbar mitgenommen, Annûn. Allein bei dem Namen drehte sich dem Honigblonden der Magen um. Er hasste den Silberweißen, der mit einschmeichelnder Zunge um die junge, immer besorgte Herrin des Hauses herumschlich, dabei einen Blick in den Augen, der fast an wahnsinnige Begierde stieß. Jedoch war er ein alter Freund und Berater Lalvens und somit würde ihn niemals jemand anklagen oder auch nur darauf achten. Sicher war es Annûns Vorschlag gewesen ohne ein Wort in den Wald zu gehen, dabei schlichen schon seit Tagen immer wieder Orks hinter den Grenzen herum.
 

Abrupt hielt Elinol inne, als er einen erneuten Schrei hörte. Die Frauen waren in Panik. Er hätte niemals von Ioreths Seite weichen sollen. Wenn ihr etwas geschehen sollte, dann wäre es allein seine Schuld. Er hatte es Lalven doch geschworen, sie mit seinem Leben zu beschützen. Sie war seine Herrin und niemals dürfe ihr Licht vor dem Seinigen erlöschen. Niemals hätte ein Soldat wie er seinen Posten verlassen dürfen.

Ein Ast knackte über ihm. Verwundert hielt der Elb inne und schaute auf. Spöttisch schauten ihn zwei Augen an, alles was in dem vermummten Gesicht zu erkennen war. Ein breites Tuch verdeckte Mund, Nase und Haare. Die bedrohliche, schwarze Gestalt sprang einen Ast tiefer. Eine Peitsche knallte in der Luft. Unbeeindruckt blickte Elinol zu seiner Schulter, an der jetzt Blut und Stofffetzen aufstoben. Sein Gegenüber verengte die Augen. "Nicht an der Seite deiner Herrin, Soldat?" Der Honigblonde stutzte. Diese Stimme, sie kam ihm bekannt vor.

Elinol antwortete nicht. Er musterte seinen Gegner schweigend. Ein Dunkelelb schien es nicht zu sein, seine Haut war hell, so hell wie die der Waldelben, denn selten drangen starke Sonnenstrahlen durch das Blätterdach. Ein Mensch war es auch nicht, die Bewegungen waren zu fein und leicht für einen Menschen dieser Größe.

Mit starrem Blick griff Elinol nach seinem Schwert. Wie Mondstrahlen leuchtete die Klinge in der Finsternis des Waldes. Er hatte keine Zeit, um sich aufhalten zu lassen. Er musste wissen, was mit seiner Herrin geschah.

Blau blitzten die Augen das vermummten. "Mach dir keine Sorgen um sie. Noch spielen meine Tierchen nur mit ihnen." Elinol blickte am anderen vorbei. "Deine Tierchen laufen direkt zu Lalvens Wachposten. Sehnen sie sich den Tod so sehr herbei?" Seine Stimme war kühl und gänzlich unbeeindruckt, selbst das Lachen des Schwarzen konnte seine innere Ruhe nicht zerstören. "Du solltest deinem Herrn nicht so sehr vertrauen! Heute wird er sterben, genauso, wie du." Erneut zischte die Peitsche in der Luft, doch diesmal traf sie ihr Ziel nicht richtig. Ohne Anstrengung zu zeigen, hielt Elinol das Ende um seine Hand gewickelt. Ein feiner roter Streifen zog sich über seine Wange und Blut tropfte herab. Mit den emotionslosen, unbarmherzigen Augen eines Killers schaute er zu seinem Gegner auf. Verdutzt warf dieser die Peitsche weg, als befürchte er, die Kälte des Honigblonden würde daran herauf kriechen. Er hatte bei den Peitschenhieben nicht einmal mit der Wimper gezuckt.

Der Schwarze blinzelte kurz, bevor er einen spöttelnden Laut von sich gab. "Du bist ein guter Soldat, ich kann nicht zulassen dass du deine Herren verlässt. Die kleine Herrin brauch doch jemanden zum Spielen und du hast ihren Eltern geschworen, eher Ioreth, als das Kind sterben zu lassen." Mit Leichtigkeit sprang der Vermummte vom Ast und griff Elinol an. Ein dunkles Schwert durchschnitt die Luft und der Honigblonde hatte Mühe, es abzuwehren. Er war überrascht von der Kraft des Gegners und der Eiseskälte, die sein Schwert ausstrahlte.

Geblendet, von einem schwarzen Blitz, der von der dunklen Klinge erzeugt wurde, wich Elinol zurück. Ein Fehler. Verwirrt schaute er sich um, doch sein Gegner war nicht mehr zu sehen. Er hörte Atem hinter sich und drehte seinen Kopf. Erneut zischte die dunkle Klinge durch die Luft und schnitt sich tief in das Fleisch. Blut spritzte hoch und besudelte den Umhang des Anderen. Äste krachten laut, als Elinol herunterfiel. Sein Rücken brannte und er spürte das warme Blut, das unaufhörlich hinunterfloss. Nebel legte sich über seine trüber werdenden Augen. Der Schwarze stand nun über ihn gebeugt. Mit sadistischer Freude, stocherte er mit der Schwertspitze in der tiefen Fleischwunde, an der sein Opfer sicher verbluten könnte. Elinol blieb ruhig. Er war zu sehr Soldat, um zu wimmern oder um sein Leben zu betteln. Er rührte selbst dann keinen Muskel, als das Schwert sich schmatzend noch weiter ins Fleisch schnitt.

Fast blind vor Schmerz und Kraftlosigkeit blickten Elinols Augen dem Gegner nach, der sich anschickte in den Wald zurückzukehren. Entsetzlich langsam, wischte er das blutverschmierte Schwert an seinem schwarzen Umhang ab. Sein überheblicher Blick lag auf dem Verblutenden. Seine schlanke, makellose Hand griff nach seiner Maske und zog sie herunter. Zum ersten Mal reagierte der Honigblonde. "verräterischer Abschaum", zischte er mit letzter Kraft, doch der Angesprochene grinste nur süffisant. "Weißt du, wärst du heute nicht in den Palast gegangen und hättest die Frauen, Ioreth und das Kind allein zurückgelassen, hätte ich nie die Chance gehabt, sie in die Falle zu treiben. Sieh es mal so, hättest du nicht versagt, würden viele den heutigen Tag vielleicht überleben." Schweigend und mit stummen Blick, sah Elinol ihm nach. Die Worte brannten sich tief in seine Seele ein und tatsächlich gab er sich die Schuld für alles. Was war er schon für ein Soldat, wenn er seinen Posten so einfach verließ?
 

Japsend schreckte Tuilinn hoch. Kalter Schweiß glänzte auf ihrer Stirn und ihr Rücken schmerzte. Sie spürte Elinols Wunde überdeutlich. Was war das für ein Traum, wenn er sich so real anfühlte?

Elinol. Angsterfüllt legte sie ihre Hand auf die Brust. Ihr Herz drohte zu zerspringen. Angst, schmerzend und sich immer tiefer nagend. Das Bild, wie er in seinen eigenem Blut lag, erschreckte sie und nahm ihr den Atem. Was wenn es wirklich geschehen könnte? Niemals wollte sie ihn verlieren, niemals ohne ihn sein, niemals um ihn trauern müssen.
 


 

[1] Jungfer, Maid, Jungfrau

[2] Tuilinn bedeutet übersetzt Schwalbe

[3] "Ich schlafe nicht mit Elben. Nicht heute."

[4] "Dieser Elb kann warten."

[5] "Schlaf schön!"
 


 

@ MayLynn: Rückblicke sind ne tolle Sache- nicht? ^^ Benutze sie unheimlich gerne, weil sie von der Qualität und Stil her besser sind, als wenn die Vergangenheit nur in Dialogen erwähnt wird und man kann die Spannung aufrecht erhalten. Bin bei diesem Teil aber total unzufrieden damit, weil bei Elinols Kampf, das Puzzlestück nicht wirklich klar ist -.-
 

@ Estel: Werd mich auch weiterhin bemühen, Spannung in die Story zu bringen ^__^ Nun ja, mittlerweile kommen die Kapitel, in denen ich keine Haken mehr schlagen werde und das Puzzle sich zusammenfügt.
 

@ berit: Sorry, aber irgendwo muss so ein Kapitel ja aufhören und dann ist es ja schließlich immer die falsche Stelle- nicht?
 

@ mitsuki11: Mir fällt ein, ich hab nen Fehler gemacht, die Handlung ist nicht 2, sondern gut 12 Jahre, vor dem Ringkrieg und das Kapitel "Elbenseele", noch mal etwas früher. Gomen, aber vielleicht hilft dir dieser Teil etwas zur Wahrheitsfindung ^^
 

@ Dax: Gegenkommentar: Männer, versucht nicht, sie zu verstehen -.-°
 

@ siane: Sieh es mal so, die Leser meiner anderen Storys warten bedeutend länger auf neue Teile (was für ne Entschuldigung *drop*) Nun ja, bin ja niemandem böse, ist ja ein Kompliment, wenn so sehr auf neue Teile gedrängt wird. Diesmal sogar ein etwas längerer Teil.
 

@ mystica: Wir alle wissen, dass man Männer nicht immer rational betrachten kann und Elinol ist nun mal auch nur einer. Aber mal ehrlich, sie hat ihm schließlich was Wichtiges verheimlicht, vielleicht ist er auch nur sauer, weil er daran gedacht hat, was bereits in Edoras hätte passieren können ;-)

Mehr oder weniger, hast du mich darauf gebracht, ist zumindest eingefallen, als ich deinen comment durchgelesen hab. Waren ja schon einige Vermutungen über den orkischen Schnuffel dabei.
 

Ich hoffe ihr seid nun versöhnt, sie haben sich wieder vertragen und auch auf Elinol kann man nicht wirklich sauer sein, wenn man diesen verkorksten Kerl versteht XD

Gestörte Momente

Sehnsüchtig und doch beunruhigt, schaute ein paar grüner Augen, die immer wieder leuchtend blau aufblitzten, durch die Blätter hindurch, in den Sternenhimmel. Einzelne Haarsträhnen glitzerten golden im Mondlicht, dass sie beschien. Das war schon immer so, seit er denken konnte, wie die Tore Morias und genauso tief und dunkel wie die Stadt der Zwerge, war das, was er nun spürte. Ein Schatten bemächtigte sich Ithildins tapferen Herzens und ließ ihn nicht schlafen. Er bildete sich dies nicht ein, es war real und irgendwo vor den Grenzen Lothlóriens.
 

Der vorsichtige Elb stutze. Hinter ihm hörte er Atem, sehr leise, aber vorhanden. Er kannte diesen Rhythmus und auch die geringe Lautstärke deutete nur auf eine Person hin. Er konnte nicht überhören, wie sie die Luft anhielt, als er sich umdrehte.

"mae govannen gwend Eliant" [1]

Ihre Lider flatterten über ihre großen, blauen, überraschten Augen. Sie hatte sich doch so still verhalten. Leise seufzte sie. Es war natürlich unmöglich, unbemerkt an Ithildin vorbei zu schleichen, immerhin war er berühmt für seine guten Ohren, die das Gras wachsen hören konnten.

"ma...mae thin Ithildin"[2], stotterte sie.

Seine Gegenwart macht die junge Elbe nervös, zumal sie nie wirklich wusste, was er von ihr hielt. Der Hellblonde neigte seinen Kopf leicht zur Seite und runzelte die Stirn, in die, von Natur aus, kürzere Strähnchen fielen. Er konnte sich beim besten Willen nicht erklären, warum sie beschämt zum Boden schaute. Den leichten Rotschimmer um ihre zierliche Nase, konnte er bei dem Zwielicht nicht sehen.

Ithildin setzte sich auf den Sicherheitszaun, der sich hinter ihm entlang zog.

"Wollt ihr mir etwas Gesellschaft leisten? Es scheint so, als könntet ihr auch nicht schlafen."

Eliant sah überrascht auf, nestelte aber aufgeregt an einem weiten Ärmel ihres roten Kleides. Ithildin lächelte freundlich, aber dennoch schien es eher aus Höflichkeit zu sein. Zaghaft setzte Eliant sich neben ihn auf den Zaun.
 

Schweigend saßen Eliant und Ithildin auf der Brüstung, weit ab von allen störenden Blicken. Sie hatten sich nichts zu sagen, die Elbin, weil sie zu nervös war und er, weil er es nicht besser wusste. Immer wieder schielte sie scheu zu ihm herüber. Er schien es nicht zu bemerken oder es war ihm egal, vielleicht wäre ihm nicht einmal aufgefallen, wenn sie plötzlich verschwunden wäre, umso überraschter war das Mädchen, als er dennoch das Wort erhob.

"rodwen Eliant?"

Vorsichtig sah sie ihn an und war etwas enttäuscht davon, dass der Elb weiterhin durch die Löcher im Blätterdach in den Sternenhimmel blickte.

Eliant hielt die Luft an, als Ithildin sich schließlich doch zu ihr drehte. Eine Strähne kürzeren Haares fiel ihm über sein linkes Auge und das Mädchen kämpfte gegen den Impuls an, sie dort weg zu streichen.

"Wieso seid ihr in meiner Gegenwart so anders?"

Irritiert von dem ruhigen Klang seiner Stimme, der so gar nicht zu dem Ausdruck seiner Augen und den Worten passen wollte, legte sie ihre Stirn in Falten.

"Anders? Wie meint ihr das?"

Mit einem tiefen Seufzer erhob sich der Hellblonde und stellte sich ihr gegenüber. Die lose Strähne über seinem Auge glitzerte golddurchwirkt, als wieder Mondlicht darauf fiel.

"Ich habe das Gefühl, ihr meidet mich. Selten wechselt ihr ein Wort mit mir und seid nicht mal annähernd so lebendig und offen, wie bei Dhoron oder Elinol."

Nervös senkte sie ihren Kopf noch tiefer, als die Röte ihren Kopf förmlich zum Glühen brachte. Er hatte es also bemerkt.
 

Schüchtern schauten ihre Augen von unten herauf.

"Ihr nennt mich ja auch rodwen und gwend."

Nun war es an dem Elben verwirrt zu blinzeln.

"Was hat das denn damit zu tun?"

Immer nervöser zupfte sie an einer Falte in ihrem Rock. Ihr Körper zog sich weiter zusammen und am Liebsten würde sie sich in Luft auflösen.

"Niemand nennt mich so, nur ihr und deshalb meide ich euch. Ich will nicht, dass ihr durch meine Gegenwart in Verruf geratet."

Ithildin seufzte. Beiden war klar, dass das nie geschehen würde. Es war völlig normal, wenn männliche Elben sich bereits vor der Ehe vergnügten und er würde bestenfalls als ein weiterer Punkt auf ihrer Liste der Liebhaber gezählt.

"Dann ist das Gerücht wahr?"

Seine dunkle, wenn auch melodiöse Stimme schwankte leicht. Erschütterte blaue Augen blickten ihn schweigend an. Er glaubte doch daran?

"rodwen?" fragte er mit Nachdruck.

Ihre Gedanken rasten. Ihr war klar, was passieren würde, wenn sie die Wahrheit sagte, doch ihn auch auf dieser Liste zu sehen, würde alles nur verschlimmern. Es war ja auch egal, ob sie ja oder nein sagen würde, aus eigener Kraft konnte sie dieses Gerücht nicht vernichten.

"rodwen ist es nun wahr?" Ithildin klang nun sehr ungeduldig. Er wollte es wissen. Eliant schluckte den Klos in ihrem Hals hinunter und sah mit festem Blick auf.

"Ja!"

Mit gehobener Augenbraue musterte der Hellblonde die Dunkelhaarige Bruchtalelbe. Es entging ihm nicht, dass ihre Hände zitterten, obwohl ihre Stimme klar, fest und nachdrücklich war. Die Knöchel ihrer zierlichen Hände, die nur zum höheren Kammerdienst benutzt wurden, traten weiß hervor, als die bebenden Finger sich im weichen Samtstoff vergruben.
 

Ein letztes Mal pochte Eliants Herz laut auf. Die Geräusche um sie herum verstummten und sie hörte nur noch einen einzelnen, erstickten Atemzug. Es schien Ewigkeiten zu dauern, bis das Mädchen den nächsten Herzschlag spürte. Ihre Augen waren überrascht aufgerissen. Seine weichen Haare berührten ihr Gesicht und jagten ihr eine angenehme Gänsehaut ein. Leichter Druck und süßlicher Geschmack lag auf ihren Lippen. Ein weiterer Herzschlag verging, bevor sich Ithildins Kopf zurückzog. Nachdenklich und immer noch verwirrt, leckte das Mädchen über den inneren Rand ihrer Unterlippe, um die Süße noch einmal zu schmecken. Er hatte sie geküsst.

Mir wirren Gedanken, die von Freude bis Schock reichten, irrten ihre Augen umher und versuchten den Elb zu erhaschen. Sein Kopf war ihrem immer noch nahe. Das Mädchen spürte seinen warmen Atem an ihrem Ohr, wo er erneutes Kribbeln und Gänsehaut verursachte.

"Wir sollten das besser auf meinem Zimmer weiterführen."

Seine Stimme klang ungewohnt verführerisch.

Entsetzt riss Eliant die Augen weit auf. Er glaubte es also auch. War sie denn nie mehr wert? Sie spürte, wie Tränen aus ihrem tiefsten Inneren hervorbrechen wollte. Wütend stieß sie Ithildin zur Seite und funkelte ihn mit einer Mischung aus Zorn und Verletztheit an.

"Was soll das?" Der hübsche Elb lächelte sanft und dennoch mit einer untypischen und beleidigenden Anzüglichkeit.

"Ich möchte euch nur nahe sein."

Laut klatschte die Hand in sein Gesicht.

"Nie hätte ich gedacht, dass du genauso bist. Und an dich habe ich mein Herz verloren, aber du bist genauso wie alle anderen. Ich will dich nie wieder sehen...NIE!"

Wie in Trance rieb Ithildin sich die rotanlaufende Wange und schaute das Mädchen getroffen an. Es schmerzte, sie so zu sehen, wie das Blau ihrer sonst klaren Augen mit den Tränen auszulaufen versuchte.

Überstürzt rannte sie davon und dem Hellblonden blieb nichts weiter übrig, als ihr nachzusehen und ihre Schluchzer zu hören, anzuschauen, wie ihre Hände immer wieder ins Gesicht fuhren, um die Tränen weg zu wischen.

"Eliant", seufzte er betroffen.
 

Sein Blick wurde durchdringend, wie eh und je, als das Mädchen endlich außer Hörweite war. Ithildin straffte seinen Körper und ließ seinen Hand sinken.

"Du hast die Wette verloren."

Hinter ihm sprang jemand von den höher liegenden Ästen und gesellte sich zu dem Hellblonden.

"Es wundert mich, dass du diesem Gerücht nicht geglaubt hast, sonst bist du doch für jede Verschwörung zu haben."

Ithildin knurrte nur genervt. Ihm war jetzt nicht nach Spott des Jüngeren. Dhoron legte tröstend eine Hand auf die Schulter seines Freundes.

"Glaubst du, ein Wettsieg war diesen Einsatz wert?"

Die Worte des Mittelblonden klangen ungewöhnlich sanft und mitfühlend.

Ithildin entfernte sich aus seinem Griff und wollte in die Nacht hinein verschwinden.

"Wenn du es weißt, weiß es bald ganz Düsterwald, wenigstens ein Ort, an dem ihre Ehre wiederhergestellt ist."

Bedauernd blickte Dhoron ihm nach.

"Macht es dir gar nichts aus, dass sie dich nun hasst?"

Der Elb mit dem golden glitzernden Haar zuckte kurz zusammen.

"Natürlich."
 

Kopfschüttelnd schaute Dhoron in die Richtung, in der sein Freund verschwunden war. Das Verhalten seiner Begleiter verwirrte ihn zunehmend. Der junge Elb konnte nicht verstehen, weshalb sie sich in ihren Liebesdingen so schwer taten. In dieser Sache war Ithildin nicht besser, als Elinol. Es schien fast so, als würden sich beide ihr Leben absichtlich schwer machen und mit Freude die Schmerzen leidvoller Liebe auf sich nahmen.

"Alles Egoisten. An Tuilinn und Eliant denkt natürlich keiner."

Dhoron seufzte resigniert. Wieso konnten der Hauptmann und sein Lieblings-Verschwörungs-Theoretiker in der Liebe nicht so ehrlich und offen sein, wie er selber?
 

Beunruhigt tapste Tuilinn durch das luftige Schloss. Ihre nackten Füße klebten gelegentlich am Boden und leises Geräusch durchbrach die Stille, wenn sie den Fuß dann anhob. Sie wollte zu Elinol, nur wusste sie überhaupt nicht, wo er sein Quartier hatte. Auch war sie sich nicht klar, warum sie ausgerechnet jetzt zu ihm wollte. Wegen dem Traum, um zu sehen, ob es ihm gut, sich zu vergewissern, dass er noch da war? Vermutlich alles zusammen.

Verdutzt hielt sie an, als ein helles Licht, nein vielmehr eine Lichtgestalt auf sie zuschwebte. Die Halbelbe blinzelte, als die Gestalt Formen annahm. Eine Elbe, an Schönheit und Anmut Arwen gleich, jedoch von kälterer und älterer Ausstrahlung. Wenn Arwen der Abend war, so war diese edle Frau der Morgen.

"Mae thin rodwen Tuilinn."[3]

Wie verzaubert folgten Tuilinns Augen jeder Bewegung von Galadriels Lippen, unfähig auch nur ein Wort zu antworten. Die Herrin des Lichtes überging dies mit einem milden Lächeln.

"Eure Wunden heilen endlich und sogar sehr schnell."

Nun kam in der Halbelbe ein ungutes Gefühl auf. Woher wusste diese Frau das? Konnte sie durch ihre Kleidung hindurch sehen? Unwohl umarmte das Mädchen sich und versuchte das Nötigste mit ihren Armen zu bedecken. Auch diese quittierte Galadriel mit einem milden Lächeln.

Die Herrin Lóriens streckte ihre Hand nach dem Gesicht des verunsicherten Mädchens aus und berührte zärtlich deren Wange. Überrascht stellte Tuilinn fest, dass es eine warme Berührung war, ganz im Gegensatz zu dem kalten Licht, das die Frau ausstrahlte, nur etwas kratzte an der Haut, ein Ring vermutlich.

"Elbereth ist dir wohl gesonnen, Tuilinn Lalveniell, auch du hast die Gabe zu sehen."

Ein mildes, warmherziges, aufmunterndes Lächeln schenkte die Trägerin Nenyas dem irritierten Mädchen, bevor sie ihre Hand zurückzog.

"Aber ich halte dich nur auf. Dein Herz verlangt nach etwas anderem, als einer Unterhaltung mit mir."

Lächelnd ging die Lichtgestalt weiter und hinterließ bei der Halbelbe ein merkwürdiges Gefühl. Zum ersten Mal spürte sie, dass sowohl diese schöne Frau, als auch die Leute in Edoras etwas miteinander verband. Eine innere Stimme sagte ihr, dass es so war. War dies die Gabe des Sehens?
 

Zögernd und mit klopfendem Herzen stand Tuilinn vor der großen Holztür. Etwas in ihr sagte ihr, dass sie hier am Ziel war. War es ihr Herz, das sie ohne Umwege hier her geführt hat?

Ängstlich schloss das Mädchen die Augen und klopfte leise an. Als keine Reaktion folgte, schlug sie die Lider wieder hoch. Vielleicht war Elinol auch gar nicht da, aber so einfach weggehen, wollte sie auch nicht.

Als wäre es viel zu heißes Metall, umschloss ihre Hand vorsichtig den Türgriff und drückte ihn herunter. Leise schob sie den Türflügel weiter auf und ließ ihre Blicke durch das große Zimmer wandern. Ihre Augen blieben schließlich an einer sitzenden Gestalt auf dem großen Bett hängen. Auf dem Nachttisch daneben, stand eine Kerze, deren Licht tanzende Schatten auf den nackten Oberkörper warf.
 

Elinol wurde sich des Besuchers erst jetzt gewahr. Überrascht blickte der Honigblonde zur Tür und legte das Schriftstück in seiner Hand zur Seite.

"Tuilinn?"

Das Mädchen wechselte nervös immer wieder ihr Standbein und nestelte unentwegt an ihrem Nachtkleid.

"Ich kann nicht schlafen. Ich habe Alpträume von diesem Ork", flüsterte sie, ohne ihn anzusehen und ihn die Scham in ihrem Gesicht sehen zu lassen. Irritiert und leicht tadelnd, hob Elinol eine Augenbraue.

"Bist du nicht etwas zu alt, um dich vor Traummonstern zu fürchten?"

Hastig blickte das Mädchen auf.

"Schon, aber dies ist ja auch ein reales Monster."

Der Elb musterte sie eindringlich. Mit ihren nackten Füßen, dem langen Haar, das wild über ihre Schultern floss und ihrer jetzigen Haltung, war ihre Schönheit und Sinnlichkeit harmlos. Sie erschien ihm, wie ein verängstigtes, kleines Kind, dass Schutz nach einem Alptraum suchte. Er seufzte im Gedanken daran, was dies für eine Nacht werden würde. Das lieblichste, begehrenswerteste Wesen neben sich und sie suchte nur Schutz.

Er hatte keine Zeit, weiter darüber nachzudenken, denn da war Tuilinn bereits um das weit ausladende Bett getapst und neben ihm ins Bett gekrochen. Zufrieden bettete sie ihr müdes Haupt auf seinen warmen, bei jedem Atemzug vibrierenden Bauch. Der Elb musste schlucken, als ihre ausgekühlten Finger, ihres verletzten Armes, über seine Haut strichen, um sich einen bequemen Platz zu suchen. Jedoch machte auch dies nicht mehr Gefühlen platz. Er hatte jahrelang gelernt, seine Bedürfnisse und Gefühle zu kontrollieren und diesen jetzt nachzugehen, würde das Mädchen nur verschrecken.
 

Sein Oberkörper war in halb liegender Position, so dass er bequem das Schriftstück studieren konnte, während das Mädchen auf seinem Bauch ruhte. Neugierig verdrehte Tuilinn ihre Augen, um auch auf das Stück Pergament zu sehen. Im schwachen Schein der Kerze erkannte sie schwarze Linien, Schraffuren und Bögen.

"Was ist das?"

Von oben herab, schaute Elinol auf ihr ungeordnetes Haar, das überall hinzufallen schien.

"Eine Karte. Ich muss entscheiden, welcher Weg der sicherere ist."

Der Elb hob eine Hand, die bis eben neben dem Mädchen geruht hatte und stellte den Finger auf die eingeknickte und dadurch stabilisierte Karte.

"Diesen Weg sind wir gekommen..."

Er zog den Finger von einem Kreis, nahe der Falz, ein Stück zur Seite, den selben Abstand hoch, schräg herunter, zu einem dicken, schwarzen Punkt und dann wieder hinauf, bis er an einem Feld voller kleiner Halbkreise anhielt, die wohl Bäume darstellten. Interessiert folgten Tuilinns Augen dem Finger zu einem bedeutend größeren Feld dieser rationalisierten Bäume, das auf der Karte nicht sehr weit entfernt schien. Elinol zeigte auf einen Punkt, am äußeren, oberen, rechten Rand dieses Waldes.

"Und da müssen wir hin."

"Durch den Wald hindurch?"

Wieder vibrierte sein Körper angenehm.

"Nein, das können wir nicht. Außerhalb des Elbengebietes ist er zu gefährlich."

Er nahm seine Hand weg und legte sie auf ihre Schulter. Selbst durch die Kleidung war der Verband spürbar, auch wenn das Mädchen diese Berührung nicht weiter störte, nicht einmal mehr schmerzte.

"Selbst, wenn wir es hindurchschaffen, glaube ich, dass dir dort mehr zustoßen wird."

Seine Hand wandert zu ihren Haaren und begann über diese zu streichen.

"Wir werden schon bald aufbrechen müssen."

Ihr Seufzer erschütterte kurz auch seinen Körper.

"Schon?" fragte sie verschlafen.

Seine Finger strichen nachdenklich über den Rand ihrer Ohrmuschel, die sie freigelegt hatten.

"Ja und deshalb solltest du jetzt schlafen."

Ihm war gar nicht aufgefallen, dass er die ganze Zeit über geflüstert hatte. Vielleicht war es ihre Nähe, die sogar seine Stimme vorsichtiger werden ließ.
 

Ein mildes Lächeln lag auf Elinols Lippen, als er auf das Mädchen hinabblickte. Ihre Augen waren starr auf einen Punkt gerichtet und schienen dennoch ins Leere zu starren. Er hatte noch nie einen Elb so viel schlafen sehen, wie sie, allerdings lag sie die letzten Tage auch die meiste Zeit im Heil- oder Fieberschlaf.

Erst jetzt fiel ihm auf, dass er immer noch über ihre Ohrmuschel und ihr weiches Haar strich. An ihrer empfindlichen Ohrspitze hielt er inne und wollte den Finger wegziehen, doch sie schien dies anders zu sehen. Sie kuschelte sich enger an ihn und ein leiser, piepsender Laut, wie der eines kleinen Vogels, stellten wohl ihre Art Protest dar. Lächelnd legte Elinol seine Hand zurück und ließ seine Finger durch ihr wallendes Haar gleiten, dass wie ein Tuch ihre Seite des Bettes gleich mit bedeckte. Ein merkwürdiges, nie gekanntes Gefühl breitete sich in ihm aus. Es war angenehm und warm. Innerer Frieden, den er nie zuvor verspürt hatte, selbst als Kind nicht. Ein Gefühl, dass er nie mehr missen wollte, dass einzig von dem Mädchen verursacht wurde, das es wert war, morgen aufzuwachen und gefoltert zu werden, solange dieses Gefühl für immer im Herzen spürbar war. Wenn allein ihre Nähe Qualen und Schmerz wert war, wie viel wert war es dann, sie berühren, küssen, schmecken und sich in ihr zu spüren zu können? Erschrocken und doch ernüchtert stellte Elinol fest, dass er für einen Kuss bereit war, danach ewig zu leiden oder dafür bis über Ardas Rand zu wandern und sich Morgoth stellen zu müssen. War das Liebe? Er hatte nicht einmal gemerkt, wann dieses Mädchen begonnen hatte, ihm so viel zu bedeuten. Eine diebische Elster war sie, die ihm sein Herz, unter seinen Augen, am helllichten Tage, gestohlen hatte. Wieder musste er lächeln, über diesen Vergleich. Es war ja nicht ihre Schuld. Er hätte besser darauf aufpassen sollen, aber vielleicht wollte er ja auch, dass sie kommt und es mit sich nimmt. Es fühlte sich ja auch gut an, besser als jedes Beisammensein mit einer Frau je zuvor.
 

Liebevoll musterten die dunkelgrünen Augen das ruhig atmende Mädchen. Und wenn die Erde sich auftun würde und alle Wesen Ardas verschlingen würde, es war Elinol egal. Dieser Moment allein zählte und gab ihm dieses unbekannte Gefühl von Geborgenheit und Frieden. Seine Finger spielten mit ihrem Haar, das immer wieder über die rauen Fingerkuppen rutschte. Überrascht zogen sich seine Brauen zusammen, als Tuilinn sich wieder etwas enger an ihn kuschelte und mit einem Lächeln "Elinol" flüsterte. Kurz und heftig pochte sein Herz bis in den Hals hoch, bevor ein neues, scheues und liebes Lächeln sich auf seine, sonst starren, Lippen stahl.

"gen milin filigod nîn."[4]
 

Langsam erwachte Tuilinn und blinzelte mehrmals, um Tränenflüssigkeit auf den trockenen Augen zu verteilen. Sie hatte ausgesprochen gut geschlafen, so gut, wie lange nicht mehr. Keine Angst und auch keine Alpträume. Etwas behinderte ihren Versuch sich zu strecken und erst jetzt, fiel ihr auf, in welcher Lage sie war. Elinol schlief noch und starrte stur geradeaus. Seine Arme hatte er um das Mädchen geschlungen und hielt sie wie einen Schatz fest. Tuilinn konnte jeden seiner tiefen, ruhigen Atemzüge und selbst seinen Herzschlag genauestens spüren. Ein angenehmes Gefühl. Ihr eigener, linker Arm schlängelte sich unter seinem hindurch und ruhte auf seinen Rippen. Ihre langen Haare, lagen wirr über beide Körper und schienen den geliebten Elb zusätzlich umarmen, zudecken und schützen zu wollen. Verzückt blickte das Mädchen dem Schlafenden ins Gesicht, das ihrem sehr nah war.

Sie runzelte sie Stirn, als die Friedlichkeit daraus verschwand und seine Brauen nervös zu zucken begannen. Auch seine Umarmung wurde stärker. Tuilinn biss sich auf die Unterlippe, um nicht laut aufzuschreien, als Elinol den Druck auch auf ihrer Wunde erhöhte, auf der seine rechte Hand ruhte. Schweiß perlte von seiner Stirn und sein Atem begann unruhig zu werden.

"Elinol?" keuchte Tuilinn leise unter Schmerzen, als sie seinen Körper leicht schüttelte. Sie musste ihn unbedingt wach kriegen und tatsächlich. Der Elb ließ sie los und erwachte schlagartig. Seine nun lebendigen Augen flatterten wild umher und versuchten jedes Detail des Raumes ungeordnet zu erhaschen. Verwirrt schnellte sein Oberkörper in die Höhe. Allerdings war er immer noch nicht ganz da. Sein erschreckter Geist weilte noch immer in dem Traum. Unrhythmisch bewegte sich sein muskulöser Brustkorb, als er hastig nach Luft schnappte. Seine langen, honigblonden Haare klebten strähnenweise an seiner schweißglänzenden Haut.

"Beruhig dich, Elinol! Es war nur ein Traum."

Tuilinn war bestürzt, versuchte aber dennoch Ruhe zu bewahren. Vorsichtig krabbelte sie über sein Bein, während sie seinen Oberkörper mit sanftem Druck an den Bettkopf schob. Folgsam gehorchte der viel kräftigere Elb und lehnte sich schließlich an das wertvolle Schnitzwerk an. Immer noch hasteten seine Augen durch den Raum und erst jetzt fiel dem Mädchen auf, dass er krampfhaft seine Schulter hielt. Zaghaft umschlossen ihre Finger seine Hand und zogen sie, gegen ihren Widerstand, dort weg. Zum Vorschein kam eine Narbe und wieder fiel ihr der Traum ein und wie sie Elinols Schmerzen spüren konnte.
 

Ihre Berührung wahrnehmend, schaute Elinol nun zu der Mittelblonden. Das Blau-grün ihrer Augen flackerte besorgt. Der Elb ließ nun doch von seiner Schulter ab und versuchte an ihr vorbei zu sehen. Zärtlich strichen ihre Fingerkuppen die schmale, kaum sehbare Narbe entlang. Ein Stich fuhr ihr in den Kopf und sie spürte erneut, welcher Schmerz damit verbunden war.

"War das der Elb in schwarz?"

Es war deutlich zu hören, wie Elinol überrascht einatmete. Hinter seiner gerunzelten Stirn, verursacht er Ordnung in seine Gedanken zu bringen.

"Woher?..."

Tuilinn unterbrach ihn mit einer schnellen Handbewegung.

"Ich habe es geträumt. Diese weiße Herrin nennt es wohl sehen."

Eilig wanderten die dunkelgrünen Augen über ihren zierlichen Körper. Er suchte etwas, was er nicht finden konnte, eine Veränderung, einen kleinen Hinweis, eine Ähnlichkeit mit den anderen Elben, die diese Gabe besaßen, doch sie schien unverändert.

"Alles?" fragte er ruhig.

"Vieles. Sehr viel über den Tod meiner Eltern."

Der Honigblonde schluckte und wand beschämt seinen Blick ab.

"Dann weißt du auch, dass ich versagt habe?"

Diese Situation war ihm unangenehm. Jegliche Kälte und Interesselosigkeit, war unangebracht. Vor ihr konnte er keine Gefühle verbergen. Er konnte versuchen sie so lang wie möglich zu verdrängen, aber der unnachgiebige Blick ihrer sanften Augen förderte es letztendlich doch zu Tage, als ob sie genau wüssten, wo sie suchen mussten.
 

Elinol hörte erst das Mädchen seufzen und danach raschelnden Stoff. Überrascht stockte ihm der Atem, als sie ihre Arme, trotz eines stechenden Schmerzes in der linken Schulter, um seinen Nacken schlang und ihn tröstend umarmte. Ihre Haare fielen bis in sein Gesicht und kitzelten die ausgekühlte Haut etwas.

"Es war nicht deine Schuld. Es wäre so oder so dazu gekommen und vielleicht hätte dein Eingreifen damals auch meinen Tod bedeutet. Deinen auf jeden Fall." Ihre Stimme war gedämpft, da sie ihr Gesicht in seinem Haar vergrub und dennoch lag Zweifellosigkeit darin.
 

Nur sehr widerwillig löste Tuilinn sich und setzte sich ihm wieder gegenüber. Ruhe war in Elinols Körper und Geist eingekehrt und nachdenklich betrachtete er das Mädchen. Ein scheues Lächeln lag auf ihren kirschroten Lippen und ließ ihn ihre Worte glauben. Zaghaft hob er seine Hand und streckte sie nach ihrem Gesicht aus. Ihr duftendes Haar fiel weich über seine Finger, als er mit den Fingerspitzen ihr Ohrläppchen anstupste. Fasziniert beobachtete Elinol, wie Tuilinn ihren Mund einen Spalt öffnete, weil sein Daumen ihre Unterlippe zärtlich entlangfuhr. Sie senkte die Lider und beugte sich ihm entgegen, in Erwartung ihres ersten Kusses. Elinol spürte ihre Aufgeregtheit und auch wie ihre Lippen aufgewühlt bebten. Und wieder hatte er das Gefühl, das eigentlich alles egal war, solange nur dieser Moment existierte.

"gen milin filigod dithen."[5]

Wie selbstverständlich und ohne großartig darüber nachzudenken, kamen dem Elb die Worte über die Lippen, kurz bevor er ihren Atem spüren konnte. Ein elektrisierendes breitete sich aus, als er ihre weiche Haut kurzfristig berührte, leider noch viel zu kurz, um es auch nur annähernd als Kuss zu bezeichnen.
 

Ungestüm riss Tawarên die Tür auf und verharrte dort. Er konnte gerade noch sehen, wie sein Hauptmann und das Mädchen erschrocken auseinander fuhren. Missgestimmt, fixierte Elinol seinen Schwager. Niemanden hasste er in diesem Moment mehr, als ihn.

"Hab ich euch beide gestört?" fragte der Ankömmling grinsend.

Der Honigblonde knurrte nur säuerlich, während Tuilinn sich mit rotem Kopf versuchte abzuwenden. Wie sonst auch, versuchte Tawarên es mit einem versöhnlichen Lächeln.

"Ihr könnt es ja später nachholen, aber jetzt wünscht Celeborn Elinol zu sehen."

Sein Blick ruhte nun einzig auf Tuilinn, die ihren Kopf etwas weggedreht hatte.

"Wenn du dich allerdings nicht von deinem Liebsten trennen kannst, darfst du natürlich mitkommen."

Grinsend wandte er sich ab und verschwand wieder aus der Tür. Er hatte genau das erreicht, was er wollte. Der Kopf des Mädchens war nun förmlich vor dem Verglühen.
 

Elinol fuhr sich durch die leicht wirren Haare, bevor er aufstand. Ein Treffen mit den Herren Lóriens, war nicht mal annähernd so angenehm, wie das, was er eigentlich vorgehabt hatte. Aber vielleicht war es auch ganz gut so, vielleicht aber auch nicht. Bedauernd schaute er zu Tuilinn, die nervös mit einem Finger die Falten im Bettzeug nachzeichnete. Eine dicke, wellige Strähne fiel ihr ins Gesicht, am Auge vorbei, über die Nase und stellte einen Kontrast zu der niedlichen Schamesröte dar.

"Melethril?"[6]

Ruckartig schaute das Mädchen auf, wobei die Strähne wippte, und sah den Elb irritiert an. Sie hatte bis dahin noch gar nicht registriert, dass er ihr ein Liebesgeständnis gemacht hatte, umso gerührter war sie nun, als sie begriff, wie Ernst es ihm zu sein schien.

Die zarte Rotfärbung auf ihren Wangen verdunkelte. Auch ihm schien jetzt erst bewusst zu werden, was er da gesagt hatte. Er hielt kurz inne und versuchte den rosa Schimmer um seine Nase wieder zu verdrängen, was schwer war, angesichts des Blickes, mit dem die Halbelbe ihn bedachte. Musste sie direkt von der Morgensonne beschienen werden, die ihr Nachtkleid transparent werden ließ und musste sie ihn mit diesem vernichtend liebevollen, scheuen Blick ansehen?
 

Immer noch schwieg er sie an und erwartungsvoll legte das Mädchen den Kopf zur Seite, wobei ihre Haare weiter über die Schulter fielen. Elinol schluckte hart und setzte einen seiner kalten, starren Masken auf.

"Du musst nicht mitkommen, es wird lange und ermüdend sein."

Sie nickte knapp, doch es war nicht zu übersehen, dass ihr noch etwas auf dem Herzen lag, etwas, was sie seit dem Traum wissen wollte.

Skeptisch hob Elinol eine Braue und wartete geduldig, bis sich das geliebte Mädchen die Worte zu Recht gelegt hatte.

"Wei...weißt du, wer der schwarze Elb war?"

Es fiel ihr sichtlich schwer, diese Frage zu stellen, da sie keine alten Wunden aufreißen wollte. Elinol schüttelte den Kopf.

"Nein, tut mir leid, ich weiß nur, dass es einer der Männer war, die mit Lalven gegen Saurons Herold gekämpft haben."

Tuilinn blinzelte verwirrt, doch noch bevor sie etwas sagen konnte, war Elinol an seine Sachen getreten, die säuberlich über einen Stuhl gehängt waren und kramte in einer Tasche rum. Er förderte etwas Blinkendes zu Tage, ein Schmuckstück, nein einen Orden in Form eines silbernen Blattes.

"Jeder von uns erhielt dies, nach unserer Rückkehr und er hatte dies getragen, als Mantelspange."

Der Honigblonde klang verbittert und spuckte das letzte Wort regelrecht aus. Es war reiner Hohn gewesen, diesen Orden so zu tragen.

"War es Girithon?"

Sie hatte nun wieder Elinols Aufmerksamkeit, der sie kurz musterte.

"Das ist völlig unmöglich", erklärte er ruhig, während er begann sich anzuziehen.

"Er ist längst in Mandos' Halle. Wir konnten alle sehen, wie der schwarze Herold ihn mit seiner dunklen Klinge durchbohrte."

Tuilinn erstarrte.

"Dann ist er nicht in Mandos' Halle. Diese Klinge tötet auch Elben endgültig." Erneut hob sich eine dunkelblonde Augenbraue.

"Und du bist dir sicher? Hast du es gesehen?"

Sie nickte nur. Etwas in ihrem Inneren sagte ihr die ganze Zeit, dass es so war und wieder stieg Angst auf. Sie hatte es genau gespürt, so wie Lalven es gefühlt haben musste. Kaltes, schwarzes Gift, das sich im Körper ausbreitete und die Unsterblichkeit vernichtete. Ein Blick in Elinols leicht abgewandte Augen, zeigte ihr, dass auch er es gespürt haben muss, dieses Gift; nur wollte er es wohl bis dahin nicht glauben, wie nah er dem ewigen Tod, ohne Wiedersehen in den Hallen Mandos' gewesen war.
 

Der Elb war nun wieder ans Bett getreten.

"Ich werde wohl besser Galadriel davon berichten. Nur wenige auf Ardas sind zu solchem Teufelswerk fähig." Auch wenn er versuchte es zu verbergen, so war er dennoch niedergeschlagen und besorgt. Tuilinn entging dies nicht. Sie schien ihn bald besser zu kennen, als er sich selbst. Trostspendend griff sie nach seiner Hand und blickte zu ihm auf.

"Ach, Elinol."

Seine dunkelgrünen Augen ruhten auf ihr und ein scheues Lächeln huschte über seine Lippen. "Mach dir einen schönen Tag!" Nur kurz beugte er sich zu ihr hinunter und küsste ihre Stirn, bevor er sich auf den Weg machte.
 

Unruhig tigerte Tuilinn zwischen den Bäumen umher. Für die ersten goldenen Blätter und dem warmen, rotstichigen Licht des frühen Herbstes hatte sie keinen Blick. Der Winter rückte näher, auch für die Elben auf Mittelerde. Tief in ihrem Inneren konnte sie dies spüren und etwas, in den verstecktesten Fasern ihres Herzens, sehnte sich nach anderem Licht, anderen Gefilden, irgendwo im Westen, wo auch ihr Vater hätte sein sollen, es aber nie sein durfte. Unglücklich war Tuilinn darüber nicht. Vielleicht war sie sogar froh, dass ihre Mutter nicht allein sein musste, wo auch immer sie nun war.

Ihre Augen blickten den silbernen Mallornstamm hinauf, dort wo der luftige Palast weit über ihr thronte. Der Tag neigte sich bereits dem Abend entgegen und die Konferenz dauerte immer noch an. Sie langweilte sich, denn von ihren Freunden hatte sie noch niemanden gesehen.

"alae Tuilinn!"[7]

Aus ihren Gedanken gerissen, schnellte die junge Halbelbe herum und musste sofort lächeln. Auf einer hochgebogenen, überirdischen Wurzel saß Eliant und funkelte sie amüsiert an.

"Eliant, schön dich zu sehen", stieß Tuilinn erfreut aus. Die Angesprochene hob eine Braue und musterte die andere skeptisch.

"Kann ich mir nicht vorstellen. Du hättest doch lieber etwas großes Blondes." Es blieb Tuilinn nichts anderes übrig, als in das Lachen der Braunhaarigen einzustimmen. Eliant war schon merkwürdig in ihren Augen. So ganz anders, als die anderen Elben, viel fröhlicher, aufgeschlossener und mit dem Herz auf der Zunge.
 

Ein Knacken hinter ihnen ließ beide Mädchen inne halten und aufschauen. Eliant verzog ihren Mund zu einem fast katzenhaften Grinsen.

"alae Tawarên. Es wundert mich, dass du Kundschafter geworden bist, deine Anschleichtechnik gleicht eher der eines Trolls."

Mit breitem Grinsen trat der ertappte Elb hinter dem gewaltigen Stamm hervor und verbeugte sich leicht.

"Und es wundert mich, dass so ein Wildfang wie du Hofdame und nicht Soldat geworden ist."

Beide Elben verfielen kurzzeitig in ein melodiöses Lachen.

"Hast du jemanden gesucht?" fragte Eliant mit einem schelmischen Funkeln in den meerwasserblauen Augen.

Tuilinn quietschte überrascht auf, als die Dunkelhaarige hinter ihr, ihre Arme um den Hals der Mittelblonden legte und sie besitzergreifend zu sich zog.

"Du willst doch nicht etwa Tuilinn? Was würde dein Hauptmann dazu sagen, du ganz allein mit seinem Vögelchen?"

In ihrem Profil konnte die Halbelbe ihren beleidigten Schmollmund sehen, allerdings auch den Schalk in ihren Augen. Milde lächelnd winkte Tawarên ab, legte dann aber sofort ein anzügliches Lächeln auf.

"Ich warte dafür lieber ab, bis ich wieder bei Eirien bin und meinen Urlaub in ihrem Bett verbringe. Glaub mir, des Hauptmanns Schwester ist schon anstrengend genug, noch seine Liebste und ich sterbe sicher einen baldigen, wenn auch schönen Tod."

Dieses Gespräch verlief, für Tuilinns Geschmack, in eine sehr unangenehme Richtung und leichte Schamesröte legte sich auf ihr Gesicht.

"Wie schamlos", hörte sie Eliant neben ihrem Ohr empört zischen, "und das bei einem Elben. Schäm dich Tawarên."

An dem Tonfall war unmissverständlich zu erkennen, dass die Bruchtalelbe tatsächlich etwas entrüstet war.

Tuilinns leises Kichern, lenkte Tawarêns Aufmerksamkeit nun auf sie.

"Da brauchst du gar nicht so zu kichern. Dein liebster Elinol ist schließlich auch nicht mehr die reine düsterwäldische Unschuld."

Noch ehe Tuilinn über etwas nachdenken konnte, was ihr ohnehin egal war, war Eliant bereits aufgesprungen und stapfte wütend auf den Hellblonden zu.

"Tawarên Silivrenion, hast du überhaupt keinen Anstand? Das ist etwas, was dich überhaupt nichts angeht", schimpfte die zierliche, temperamentvolle Elbe, den viel größeren Soldaten aus. Ein Seufzer entwich Tuilinn, dies sah nach einer längeren Diskussion aus.
 

Eine Hand legte sich auf Tuilinns Schulter und drückte kurz den blassblauen Samtstoff. Erschrocken drehte das Mädchen sich um. Ihr Herz klopfte noch wild von dem Schrecken und wie sollte es anders, es war Ithildin. Kein anderer Elb vermochte sich so unsichtbar und unhörbar, wie er zu machen.

"Verzeiht, rodwen! Ich wollte euch nicht erschrecken", meinte er mit bedauerndem Blick.

Lächelnd winkte das Mädchen ab.

"Ist schon gut."

Nun wurden auch Tawarên und Eliant auf den Ankömmling aufmerksam.

"Ithildin", flüsterte sie mit schmerzerfülltem, wenngleich überraschtem Blick. Auch der hellblonde Elb, sah das Mädchen irritiert und unschlüssig an. Nervös wanderten Tuilinns Augen zwischen beiden umher. Ein bedrückendes Schweigen, war eingetreten, in dem sie sich nur anstarrten. Es war unverkennbar, dass etwas zwischen ihnen stand, Gefühle, Zuneigung und Schmerz.

Schließlich drehte Eliant sich schwungvoll um. Ihre langen Haare flatterten kurz auf und schmiegten sich wieder an den Körper, als sie schnellstens ging. Ithildin zuckte kurz zusammen. Er rang mit sich selber und es war nicht zu übersehen, dass er ihr eigentlich nach wollte. Schließlich lockerte er die Spannung in seiner Hand und blickte geknickt auf den nahezu laubfreien Waldboden.

"Ich wollte euch nur Bescheid geben, dass Elinol euch gern sehen würde." Heiser war seine Stimme und ungewöhnlich gefühlvoll. Tuilinn nickte zwar verstehend, konnte aber nicht drum herum, den traurigen Elben nachdenklich anzusehen.
 

Mit grimmigem Blick, stand Elinol vor einem kleinen Tisch, auf den die lorischen Elben allerlei Notwendiges für die Weiterreise gestellt hatten. Der Hauptmann hatte darauf bestanden, alles selbst in den Taschen zu verstauen, da er das für ihn Wichtigste besser sehr schnell zur Hand haben wollte.

"Was machst du da?"

Überrascht hob der Elb den Kopf und blickte in das strahlende Gesicht Tuilinns, die ihren Oberkörper neugierig über den Tisch gebeugt hatte.

"Sachen packen", brummte Elinol, während er geschäftig weiter verstaute. Das Mädchen seufzte, als sie mehrere Laib Lembas erblickte. Nach wochenlanger Reise, war ihr das Zeug längst überdrüssig geworden und jetzt lag da soviel, dabei reichte einer dieser Waffeln relativ lange. Skeptisch hob sie eines der in Blättern eingewickelten Brote an und drehte es etwas in der Hand. Die Menge an Lembas würde sogar ein Hobbitdorf eine Weile satt kriegen. Ein leichtes Lächeln huschte über ihre Lippen, als sie an das Auenland und die Hobbits denken musste. Gerne würde sie wieder einmal bei dem jungen Frodo und dem agilen, gefräßigen Bilbo, der immer nervös mit etwas in seiner Wamstasche gespielt hatte, doch die waren weit entfernt.
 

"Melethril, woran denkst du?"

Erst jetzt nahm sie Elinols besorgten Ausdruck war, mit dem er sie schon länger zu bedenken schien. Fröhlich lächelte sie ihn an.

"Nichts. Ich habe nur kurz an alte Freunde gedacht."

Brummend nickte der Honigblonde und kümmerte sich weiter um seine Tasche.

"Worüber habt ihr gesprochen?"

Tuilinn versuchte unvermittelt zu fragen, doch war ihr die Neugier an der Nasenspitze anzusehen, deswegen war sie auch enttäuscht, dass der Elb es nicht mal für Nötig zu halten schien, sie anzusehen.

"Über den Abreisetermin und den Feind. Galadriel ist besorgt wegen deines Traumes. Auch sie hat etwas Derartiges gespürt und warnt uns zur Vorsicht. Deswegen reisen wir morgen weiter."

Seine Stimme war ruhig, kalt, abgebrüht und ließ nicht einmal annähernd vermuten, wie besorgt er selber auch war.

"Schon morgen?" stieß Tuilinn hastig hervor.

Irritiert blickte er nun doch auf.

"So schnell wie möglich, sonst wimmelt es zwischen Lórien und Düsterwald bald vor Orks und wir kommen hier nie weg", erklärte er hastig, was bei ihr aber anscheinend auf taube Ohren stieß.

"Wir können hier noch nicht weg, nicht bevor Eliant und Ithildin ihren Streit beigelegt haben."

Resignierend seufzte der blonde Hauptmann.

"Wir haben keine Zeit auf zwei zu warten, die so stur sein können, wie die Beiden, außerdem geht uns das nichts an."

Mit erweichendem Blick blickte die Halbelbe ihren Liebsten an.

"Aber Ithildin geht es schlecht deswegen."
 

Elinol ging um den Tisch herum und griff nach den Händen des Mädchens. An ihrer Innenfläche, konnte er einige Schwielen spüren, auf das, wohl eher bäuerliche, Leben des Mädchens hinwiesen.

"Mir geht es auch schlecht, solange ich dich nicht in Sicherheit weiß."

Er sprach es derartig liebevoll, sanft und besorgt aus, dass Tuilinn rot anlief und irritiert zu Boden schaute. Schon spürte sie seine Finger am Kinn, die es wieder anhoben.

"Bitte sieh mich an filigod", flehte er förmlich in einer Mischung beider Sprachen. Ein angenehmes Kribbeln bildete sich dort, wo er ihre Haut berührte und wanderte bis in die Magengegend, um dort seine volle Intensität zu entfalten. Erwartungsvoll schaute sie ihm in die Augen, in denen das Dunkelgrün zu flackern und stürmen schien. Ihr Körper bog sich ihm entgegen und die milchig-weißen Lider verdeckten ihre blau-grünen Augen. Seine Hand wanderte zu ihrer Hüfte und zog das Mädchen noch ein Stück näher. Fasziniert blickte er kurz zu ihren vollen, kirschroten Lippen, die einen Spalt geöffnet waren und erwartungsvoll zitterten, bevor auch der Elb seine Augen schloss, um das Gefühl unverfälscht genießen zu können. Immer näher kam er ihren Lippen.
 

Jemand räusperte sich lautstark und Elinol öffnete die Augen. Auch Tuilinn war mit ihrem Kopf zurückgeschreckt und blickte ihn nun unsicher an.

"Es soll wohl nicht sein", seufzte der Elb, bevor er einen vernichtenden Blick über die Schulter warf. Zaghaft nahm das Mädchen Abstand zu Elinol und betrachtete nun auch die Ankömmlinge.

"Menno, Ithildin du Spielverderber, hättest du nicht noch eine Minute warten können", maulte Tawarên, der sich, an dem verlegenen Hellblonden, abstützte und Elinol und Tuilinn amüsiert angrinste.

"Haben wir die süßen Täubchen gestört?"

Es machte ihm sichtlich Spaß, seinen Hauptmann aufzuziehen und selbst dessen tödlich giftige Blicke schienen dem Kundschafter nichts auszumachen.

Tuilinn räusperte sich verhalten, so dass sie nun die volle Aufmerksamkeit hatte.

"Ich werd dann mal gehen. Mich für morgen vorbereiten."

Ihre Worte überschlugen sich fast in ihrer Verlegenheit und auch ihre übertriebene Gestik deutete auf ihr Unwohlsein in dieser Situation hin. Betrübt schaute Elinol ihr in die Augen, nickte dann aber doch. Eine Weile sah er dem schönen Mädchen nach, dessen wallende Haare bei jedem Schritt wippten, bevor er sich wieder am seine Männer wandte.

"Was gibt es?" fragte er schroff.

Tawarên kratzte sich am Kopf, bevor er seinen Körper straffte und einem Hauptmann mit dem gebührenden Respekt begegnete.

"Wir wollten nur wissen, was die Beratung mit den lorischen Herren ergeben hat." Elinols Stirn legte sich in Falten.

"Werde ich euch noch erklären, bevor wir morgen früh abreisen."

Seine Augen wanderten von Tawarên zu Ithildin, der enttäuscht geseufzt hatte. Nur kurz musterte der Honigblonde den älteren Elben und musste an Tuilinns Worte denken. Vielleicht war es doch kein kleines Problem.

"Ithildin, ist alles in Ordnung?"

Der Hellblonde straffte sich, blickte seinen Vorgesetzten allerdings irritiert an. Es war ungewöhnlich, wenn Elinol sich für die emotionale Verfassung seiner Soldaten interessierte. Für ihn hatten Elben normalerweise keine Gefühle, die sie wahrnehmen, geschweige denn ausleben durften und Soldaten schon gar nicht.

"Natürlich", antwortete er verwirrt.

Mit gerunzelter Stirn und skeptischem Blick sah Elinol seinen beiden Untergebenen nach und wünschte sich, zu Ithildins Seelenheil, dass dieser ein wenig mehr wie Tawarên oder Dhoron wäre.
 

Lachend und winkend trennte Eliant sich von einer Gruppe junger Mägde, mit denen sie etwas am Brunnen geschwatzt hatte und begab sich auf den Weg zurück zum Palast. In ihren Händen hielt sie einen silbernen Krug, der randvoll mit kaltem Wasser gefüllt war. Es war eigentlich mühselig, nur wegen eines Kruges den ganzen Weg vom Palast zum Brunnen zurücklegen zu müssen, aber sie brauchte nicht mehr und es war eine gute Gelegenheit, mit den Dienstmägden der Stadt zu plaudern und neuesten Tratsch auszutauschen, auch wenn diese meist über die derzeitigen Gäste redeten.

"rodwen Eliant?"

Verwirrt blickte die Dunkelhaarige in die Richtung, aus der die gedämpfte Stimme kam und entdeckte, zu ihrer Verwunderung, Dhoron an einem Baum stehen.

"Was soll das Dhoron? Seit wann nennst du mich rodwen?"

Ihre Stimme klang gereizt, denn für derlei Späße hatte sie keinen Nerv. Mit mulmigem Gefühl kratzte der mittelblonde Elb sich am Hinterkopf. Wie sollte er das alles nur erklären?

"Nun ja, da kannst du dich bei Ithildin bedanken."

Ithildin, allein bei dem Namen wallte in Eliant die Wut wieder auf, jedoch sah sie den hübschen Mann nur irritiert an. Dhoron ließ sich auf den warmen Waldboden sinken und sah das Mädchen eindringlich an. Er konnte einfach nicht mehr mit ansehen, wie sein Freund litt.

"Dir ist schon klar, dass er einen sehr zweifelhaften Ruf riskiert, nur um deinen wieder rein zu waschen?"

Ungläubig glotzte das Mädchen Dhoron an, als wäre er eine Mischung aus Zwerg und Troll.

"Heißt das, er hat mich reingelegt?"

Mit dem Blick eines geprügelten Hundes schaute der Mittelblonde auf.

"Ganz so, würde ich das nicht sagen."

Nur sehr langsam kamen ihm die Worte über die Lippen, als würde er sie sich erst noch zurechtlegen, oder bei jedem Einzelnen auf die Reaktion der Dunkelhaarigen wartete.

"Wie dann?" zischte sie ungehalten.

Seufzend richtete der junge Elb sich wieder auf und fixierte die wütende Bruchtalelbe.

"Es ist ihm eben aufgefallen, dass es dir nicht gut geht, wegen dieser Sache und du kennst ihn ja, er hat hinter dem Gerücht eben eine Verschwörung gesehen und wollte dir helfen." Eliant schluckte, kniff dann aber sofort ihre blauen Augen zusammen.

"Und warum? Was geht ihn das an, ob ich leide oder nicht? Es ist doch nicht seine Sache, in welche Verschwörungen und Intrigen ich gerate."

Milde lächelnd schüttelte Dhoron seine teilweise geflochtenen Haare.

"Fragst du dich das wirklich?"

Schlagartig erstarrte Eliant und blickte ihren Freund mit aufgerissenen Augen an. Unbewusst legten sich zwei Finger auf ihre Lippen, wo sie nun wieder seinen Kuss zu spüren glaubte. Nein, eigentlich fragte sie sich dies nicht.

"Er ist so ein Idiot. Welche Frau wird denn noch mit ihm reden, wenn das herauskommt und welcher Mann wird seine Frau, Schwester, Tochter, Mutter denn noch in seiner Nähe sehen wollen, ohne ihn danach zu verprügeln?"

Ihre wütende, aufgebrachte Stimme überschlug sich fast und ein breiter Wasserstrahl ergoss sich auf den Boden, als sie, wild gestikulierend, den Krug umherschwenkte.

"Ithildin ist so ein Dummkopf. Das hätte er nicht tun dürfen", schluchzte sie endlich. "Er ist so gemein, mich einfach zu belügen. Ich hasse ihn und will ihn nie wieder sehen."

Auf dem Absatz machte sie kehrt und rannte davon, einen verwirrten Dhoron zurücklassend. Dieser rieb sich perplex die Nase.

"Aber du hast doch angefangen mit dem Lügen", erklärte er verständnislos.
 

[1] "Seid gegrüßt Jungfer Eliant."

[2] "Gu...guten Abend Ithildin."

[3] "Guten Abend Edeljungfer Tuilinn."

[4] "Ich liebe dich, mein Vögelchen."

[5] "Ich liebe dich, kleines Vögelchen."

[6] "Liebste?"

[7] "Hallo Tuilinn!"
 

@ MayLynn: Wie es mit Eliant und Ithildin weitergeht? Wenn du dies list, wirst mittlerweile sicher festgestellt haben, nicht so doll...aber noch ist ja nicht aller Tage Abend und aller Geschichten Ende ^^
 

@ Dax: mach ich do~och *auchhüpft*
 

@ mitsuki11: Ähm...musste ich jetzt dein Bild von der Wahrheit zerstören? Ach ja, hab versucht erst Montag hochzuladen, ging nicht, bin net da und wollte es deswegen früher machen...
 

@ siane: versuch immer so schnell wie möglich zu schreiben, aber so was hängt eben von den umständen ab...mit anderen Worten, muss den Rechner teilen und hab nur begrenzte Zeit -.-° Sorry, wenn es diesmal etwas länger gedauert hat.
 

@ berit: Hab nur für deine Haare, eine gute Stelle zum Aufhören gesucht (auch wenn sie schon im letzten Kapitel Lórien verlassen sollten...hach, ich komm einfach net aus der Hüfte), hoffe, es hat geklappt XD
 

Menno, bin ich wieder gut gelaunt *hüpft wie Flummi*, könnt einfach alles und jeden knuddeln, ach fang ich mal mit den lieben Leser an XD *lange Arme mach und alle kräftig knuddel* HEL ^______^

Abschied

Sodele, da bin ich mal wieder, mit einem uninspirierten Kapitel... *kopfschüttel* was hab ich mir dabei nur gedacht, wohl mal wieder gar nichts -.-°

Yoah, dann danke ich den commentwritern siane, MayLynn, berit, mitsuki11 und Dax, die sich an dieser Stelle auch gegrüßt fühlen dürfen ^^ Hab die commies diesmal nach Themen geordnet- is einfacher und ich bin eh ne faule Sau ^^°
 

Zu Eliant : Meine Güte, seid doch nicht so schnell mit dem Urteil, als ob ich jemals etwas gleich im selben Teil aufgeklärt hätte. Sie ist doch gar nicht so schlimm, nur ein wenig rachsüchtig Dhoron gegenüber und ein wenig nun ja...öhm dominant? Eigentlich das genaue Gegenstück von Ithildin.

Was er gemacht hätte, wenn das Gerücht war gewesen wäre? Hmh?... seine Jungfräulichkeit verloren??! ^____^ Das Schnuffelchen ist eben sehr naiv, frauenscheu und für den überwitzigen Dhoron ein gefundenes Fressen...
 

Zu den Störungen von Ithildin und Tawarên kann ich nur sagen, irgendwas mussten sie doch zu tun haben und ich mag Elinol, wenn er etwas genervt ist (eigentlich ist er das ja immer ^^), aber das mit der Katze fand ich nicht komisch...*hrmpf*, wo ich doch so ein großer Katzenliebhaber bin, hätte das Tier lieber auf dem Schoß gehabt und gestreichelt, während ich dabei zusehe, wie die beiden Schnuckis versuchen wieder aus dem Zimmer zu kommen *g*
 

Was Lalven angeht, jeder, der von dem Schwert getötet wird, ist auch wirklich tot, mausetot. Ich denke, ich habe das wohl zu kurz erwähnt, aber erwähnt habe ich es jedenfalls, als Tuilinn Elinol wegen dem schwarzen Elben und Girithon ausgefragt hat: ""Dann ist er nicht in Mandos' Halle. Diese Klinge tötet auch Elben endgültig." Erneut hob sich eine dunkelblonde Augenbraue. "Und du bist dir sicher? Hast du es gesehen?" Sie nickte nur. Etwas in ihrem Inneren sagte ihr die ganze Zeit, dass es so war und wieder stieg Angst auf. Sie hatte es genau gespürt, so wie Lalven es gefühlt haben musste. Kaltes, schwarzes Gift, das sich im Körper ausbreitete und die Unsterblichkeit vernichtete."
 

Hmh, was Elinols Gefühle angeht, sicher war ihm heiß, als er so halbnackt, gutgebaut, unbedeckt...öhm ich weiche mal wieder ab ^^, neben Tuilinn lag, aber wie gesagt ist er der perfekte Elb, der seine Gefühle und jegliche Körperfunktionen fast immer im Griff hat. Außer nem feuchten Traum war da wohl nichts *grinsel*
 


 

Ungeduldig spähte Elinol zur langen Treppe des Palastes, von der Tuilinn längst hätte kommen sollen. Die Pferde waren fast bereit zum Weiterreiten, auch Haldir, der sie bis an die nordwestliche Grenze bringen sollte, wartete ungeduldig.

Gloss schnaubte nervös, die Unruhe seines Herren ging auch auf ihn über. Gehetzt wanderte Ithildins Blick über die umstehenden Elbenköpfe und hielt nach einem dunklen Kopf Ausschau, doch außer denen von Aragorn und der Herrin Arwen, fand er keinen. Er war so auf Eliant fixiert, dass sogar seine sonst überreizten Sinne, bei Dhorons Näherkommen völlig taub schienen. Etwas Kleines funkelte bösartig in der Hand des Mittelblonden. Bei näherer Betrachtung, war es eine winzige Silbernadel. Beruhigend strich der junge Elb Gloss erst über die das weiche, weiße Fell, bevor der Hengst entsetzlich vor Schreck über den plötzlichen Stich aufwieherte und sich aufbäumte. Unfähig schnell genug zu reagieren, fiel Ithildin herunter und plumpste unsanft auf den Boden. Ein Raunen ging durch die umstehenden Zuschauer, das schnell durch schadenfrohes Lachen ersetzt wurde. Nur eine Gestalt kämpfte sich durch die kichernde, lachende, feixende Menge zu dem verwirrt dreinschauenden Ithildin hin.

"Ithildin?" Der Angesprochene sah wortlos die Brünette näher kommen. Kurz vor dem Hellblonden, der auf dem Hintern saß, die Beine angewinkelt hatte und sich mit den Armen abstützte, stoppte Eliant abrupt und ließ sich eher unsanft auf die Knie fallen. "Du meine Güte, Ithildin ist dir was passiert?" Immer noch wie in Trance rappelte der Elb sich auf und schüttelte den Kopf. "Nein, ich glaube nicht." Auch Eliant stellte sich wieder auf die Beine und sah, mit funkelnden Augen zu, wie der Hellblonde sich den Staub von den Kleidern klopfte.
 

Erstauntes Raunen ging durch die Reihen der Elben, als Ithildin ein jammerndes "Au!" herausschrie. Selbst die hohen Herren, die auf einer provisorischen, kleinen Tribüne standen, um sich ihrem Rang gemäß zu verabschieden, hielten erschrocken die Luft an. Eliants zierliche Hand hielt eine lange Strähne hellblonden Haares umschlossen und zog daran den Kopf des wimmernden Elben herunter. Er wusste nicht, dass sie sich seit gestern auf diesen Moment freute. "So ein Pech, es wäre nämlich eine gerechte Bestrafung gewesen." Verzweifelt versuchte Ithildin nach ihrer Hand zu greifen, um das Ziehen zu unterbinden. "rodwen...Elia...ant...wovon redet...ihr", jammerte der Soldat unter den unangenehmen Schmerzen.

Die Bruchtalelbe zog noch einmal stark an den Haaren, so dass Ithildin sich sitzend auf dem Boden wieder fand, damit sie ihm die Strähne nicht ausreißen konnte. Mit Unschuldsmiene und völlig verstört schauten seine grünen Augen zu dem Mädchen auf, das sich bedrohlich über ihn gebeugt hatte. Ihre blauen Augen funkelten immer noch so bedrohlich, wie die mordlustiger Drachen. Der Hellblonde schluckte hart, als ihre Hand sein Kinn umschloss und ihn zwang, sie anzusehen. "Ich rede von dem Schwachsinn, auf den du dich eingelassen hast." Ihre sonst melodiöse, fröhliche Stimme war zu einem gefährlichen Zischen verkommen. "Soll ich dir auf die Sprünge helfen?" Ithildins Gedanken rasten. Er wollte nur noch weg, sich irgendwo in Sicherheit bringen. Wer hätte auch gedacht, dass Frauen so reagieren könnten? Woher sollte er wissen, dass Frauen so sein können? Besonders viel hatte er ja nie mit ihnen zu tun gehabt. "rodwen?" versuchte er zaghaft und eingeschüchtert sie zu beruhigen. Eliant ließ sich darauf nicht ein. "Dhoron hat mit mir geredet und mir alles erzählt, von deinem Versuch meine Ehre zu retten." Ihre Hand ließ sein Kinn los und wanderte zu seinem empfindlichen Ohr, an dem sie ihn wieder auf die Beine zog. "Wie konntest du dich darauf einlassen? Und erzähl mir nicht, das sei deine Idee gewesen", ermahnte sie den verlegenen Elb, der sich gern verteidigt hätten, wenn das Mädchen ihn nicht noch am Ohr ziehen würde. "So etwas Blödsinniges kann unmöglich von dir stammen und wenn man so darüber nachdenkt, die Worte, die du benutzt hast, sind Dhorons Standardprogramm." Sie schloss kurz die Augen und ließ den Tag, als Tuilinn aus dem Fenster fiel noch mal passieren. Damals hatte sie gesehen, wie Dhoron und Ithildin sich stritten. War es darum gegangen? Wütend schüttelte sie den Kopf und zog noch einmal an dem, mittlerweile roten, Ohr. "Was hast du dir dabei nur gedacht?" Ithildin griff nach ihrem zierlichen Handgelenk und versuchte seinem Ohr Milderung zu verschaffen. "Ich wollte euch nur helfen und Dhoron hielt es eben für eine gute Idee", versuchte Ithildin sich zu verteidigen. Im Umgang mit Frauen war er wirklich nicht sehr bewandert.

Eliant knurrte unheilvoll. "Als ob Dhoron jemals eine gute Idee gehabt hätte." Immer noch sauer ließ sie Ithildin los. "Nicht nur das du mich belogen hast- ich glaubte wirklich, du wärst wie er- du hast mich auch gedemütigt. Wenn du schon glaubst, es geht mir schlecht, dann wäre es nett erst mit mir zu reden, anstatt gleich zu anderen zu rennen und es ihnen zu auf die Nase zu binden." Traurig wandte sie ihr Gesicht ab und verpasste Ithildin so einen weiteren Stich. "Aber rodwen..." Es schien keinen Sinn zu haben. Wie immer hatte Dhoron ihn tief reingeritten. Er hätte wissen müssen, dass es schief gehen würde und der Mittelblonde am Ende allein seinen Spaß haben würde, sicher war er auch wieder für Gloss' Buckeln verantwortlich.

Geknickt senkte er den Kopf und schrie wieder auf, als seine Haare erneut in Mitleidenschaft gezogen worden. "rodw...hnnn...?" Überrascht riss er die Augen auf. Betörend weiche Lippen legten sich auf seine. Ihre Hände ließen seine Haare los und wanderten in seinen Nacken. Nun verstand der arme Ithildin gar nichts mehr.
 

Eliant legte ihren Kopf in den Nacken und schaute den Hellblonden unschuldig an. "Du solltest wirklich etwas skeptischer bei Dhorons vermeintlich guten Ideen sein." Immer noch irritiert blinzelte Ithildin, bevor das Bedürfnis laut loszulachen in ihm aufstieg. Ein ungewöhnliches, bei ihm nie gesehenes, schelmisches Grinsen huschte über seine Lippen. Jetzt war er nicht nur auf Dhoron, sondern auch noch auf sie hereingefallen. Er brauchte wirklich jemanden, der nicht so naiv war, wie er, jemanden wie Eliant.

Und wieder spürte er ihre Lippen. Sie schmeckten gut, nach süßen, wilden Beeren.
 

Elinol seufzte. "Und schon liegt er unter dem Pantoffel", kommentierte er die Szene, die sich auf dem Platz bot. Er kannte Eliant gut genug, um zu wissen, dass sie die Hosen anhaben würde. Nun gut, wenigstens hatte Dhoron nun weniger Chancen, den gutmütigen, naiven, nahezu scheuen Ithildin zu ärgern oder ihm Streiche zu spielen.

"Was ist denn so schlimm daran? Vielleicht tut sie ihm ja gut?" Überrascht drehte Elinol seinen Kopf zur Seite und sah auf einen zierlichen Körper, der in einem knielangen, grünen Leinenkleid steckte, unter dem eine dunkelgrüne Hose hervorblitzte. Um die schmale Taille schmiegte sich ein braunes Mieder aus weichem Hirschleder und vorwitzige, aus dem Zopf gelöste Haare fielen über die Schultern, die in einen grauen, lorischen Elbenmantel eingehüllt waren, den jeder der Abreisenden erhalten hatte. Ihre Augen blitzten kurz auf und er wusste sofort warum. "Hast du gut geschlafen?" versuchte er sie wieder milde zu stimmen. "Schon", knurrte das Mädchen und begann Noruis Kopf zu streicheln. Sie liebte dieses Pferd einfach, weshalb wusste sie selber nicht, vielleicht, weil es seins war. Der Hengst schnaubte zufrieden bei ihren Berührungen.

Elinol seufzte. Hätte er gewusst, dass sie neben ihm stand, hätte er sich den Kommentar mit dem Pantoffel sicher verkniffen. "Ich hab nicht von dir gesprochen", versuchte er sich zu verteidigen, leider mit viel zu schroffer Stimme. Er war es nicht gewohnt, sich zu rechtfertigen, aber das Mädchen brachte ohnehin allerlei unbekannte Seiten in dem Elb zum Vorschein. "Schon klar", reagierte sie knapp. "Melethril?" Nun sah sie ihn doch endlich an. "Lass gut sein Elinol. Ich versteh es schon." Irritiert hob sich eine dunkelblonde Braue. So kalt war sie noch nie gewesen. Hatte sie sich das so zu Herzen genommen?
 

Elinol warf einen letzten Blick über den mittlerweile leeren Platz. Die hohen Herrschaften hatten sich längst verabschiedet und die Reiter saßen auf ihren Pferden. Tuilinn vor ihm, sprach immer noch kein Wort, genauso wie Dhoron, der schmollte. Tawarên plauderte etwas mit Haldir, der hinter ihm saß und sie zur Grenze lotsen sollte. Die Augen des Hauptmanns blieben an Ithildin hängen. Eliant stand neben seinem Pferd. Traurigkeit stand ihren Augen, während ihre Finger sich in den Stoff an seinem Oberschenkel krallten. Beruhigend strich Ithildin über den zitternden Handrücken. Ein zuversichtliches Lächeln lag auf seinen Lippen und Eliant nickte, obwohl sie die Tränen kaum unterdrücken konnte. Niemand wusste, wie lange es dauern könnte, bis sie sich wieder sehen würden. Wer wusste schon, wann ihre Herren einer Hochzeit zustimmten?
 

Auch Tuilinn sah die Beiden und es tat ihr in der Seele weh, ihre Freundin so traurig sehen zu müssen. Es musste Eliant quälen, ihren Liebsten in die Gefahr davonziehen zu sehen. Aus einem Reflex heraus, legte Tuilinn ihre Hand auf Elinols. Überrascht stockte dem Honigblonden der Atem. Wieder schien sie ihn festhalten zu wollen. Langsam öffnete er seine Hand und umklammerte sanft ihre Finger. Er spürte, wie ihre Haltung sich lockerte und sie sich, seine Nähe suchend, leicht an seine Brust lehnte.

Mit einem Handzeichen signalisierte der Hauptmann den Abzug und die Pferde setzten sich in Bewegung. Eliant blieb zurück. Tränen glitzerten in ihren Augenwinkeln, als sie Ithildins helles Haar im Schatten der Bäume verschwinden sah.
 


 

Der goldene Wald lag nun schon ein gutes Stück hinter ihnen und am Horizont war bereits ein langer, aber dünner, dunkelgrüner Streifen zu sehen, den Elinol als Düsterwald identifizierte. Dhoron schmollte immer noch, was Ithildin und auch Gloss mit Zufriedenheit wahrnahmen. Der schneeweiße Hengst war auf den jungen Elben ohnehin nicht gut zu sprechen, da er von diesem schon öfters mit Nadeln gepiekst wurde, nur um seinen Reiter zu Fall zu bringen.

Ein zufriedenes, leicht verträumtes Lächeln lag auf seinen Lippen, das Dhoron zusätzlich die Stimmung vermisste. "Grins nicht so! Du siehst damit lächerlich aus", fuhr er Ithildin an. Dieser sah ihn nur amüsiert an. "Stört es dich, dass meine Braut dich reingelegt hat?" Bis zu den Ohren, von denen eins immer noch gerötet war, grinsend, beugte der Hellblonde sich zu dem anderen Reiter. "Es war richtig nett von dir, ihr alles erklären zu wollen, damit der Streit beigelegt wird, Freund. Das werde ich dir nie vergessen." Dhoron grummelte nur etwas Unverständliches und veranlasste seinen grauen Wallach etwas langsamer zu gehen. Es war ungewohnt nun selber Spott einstecken zu müssen und alles hatte er Eliant zu verdanken. Sie hatte ihm so ein unglaublich schlechtes Gewissen bereitet, dabei wusste sie alles bereits. Und er hatte die ganze Nacht nicht schlafen können, wegen ihres Wutanfalls. Ausgerechnet Eliant hatte ihn so reingelegt und ihm tat es auch noch leid, wie sie Ithildin heute traktiert hatte, obwohl, am Ende hätte er doch gern mit ihm getauscht.
 

Mit gemischten Gefühlen beobachtete Tuilinn, den kleinen Streit zwischen Ithildin und Dhoron. Es war selten, dass der Hellblonde bei so etwas gewann, aber er schien heute ohnehin wie ausgewechselt. Allerdings ging ihr auch nicht das Bild der traurigen Eliant aus dem Kopf. Sie seufzte laut und tieftraurig, was Elinol stutzig machte. "Filigod, was hast du?" Sofort schreckte sie etwas hoch und sah wieder zu Ithildin. "Ich hab mir nur Gedanken gemacht." Was sollte nun aus ihm und der Bruchtalelbe werden? "Worüber?" Elinols Stimme klang sanft und besorgt. Das Mädchen vor ihm, drehte ihren Kopf leicht zu ihm. "Was passiert jetzt mit Eliant und Ithildin?" Der Honigblonde hob irritiert eine Braue. "Ich denke, das Übliche. Sie werden sicher heiraten, sobald Elrond und Thranduil zustimmen." Tuilinn schluckte. Heiraten war das Übliche? Darüber hatte sie noch gar nicht nachgedacht. Mit gerötetem Kopf schaute sie wieder nach vorn. Noruis Mähne war auf einmal furchtbar interessant. Verwirrt sah der Elb hinter ihr, auf ihren gesenkten Kopf hinab. Es dauerte etwas, bis er ihre Reaktion verstand und ein liebevolles Lächeln stahl sich auf seine Lippen.

"Wie ist es so im Düsterwald?" Nahezu verkrampft, versuchte das Mädchen ein anderes Thema einzuschlagen und Elinol musste kurz zögern, doch dann flammte Sehnsucht in seinen dunkelgrünen Augen auf. "Schön ist es dort. Uralte Bäume, um die sich der Efeu schlingt, Lichtungen mit Blumen in allen Farben. Es wird dir gefallen." Von seiner sanften Stimme gefangen genommen, lehnte Tuilinn sich an seinen Brustkorb, der bei jedem Wort vibrierte. Ihren Kopf drehte sie etwas seitlich, dass sie ihn ansehen konnte. "Und was soll ich dann den ganzen Tag machen? Ich kann ja schlecht mit dir an die Grenze." Wieder grinste Elinol amüsiert. "Nun, ich denke, als Haushaltsvorstand unseres Hauses, wirst du schon Beschäftigung finden." Ruckartig schnellte das Mädchen hoch. Und wieder hatte er "das Übliche" angesprochen. Ihr Herz pochte wild und laut. Er wollte sie heiraten? Bisher hatte sie noch keinen Gedanken daran verschwendet, aber je näher sie Düsterwald kamen, desto unausweichlicher schien das Thema zu werden.

"Filigod?" Das Mädchen reagierte nicht und starrte stur auf die langen, leicht grauen Mähnenhaare Noruis. "Melethril, sieh mich an!" Auch bei dem leicht amüsierten, alles andere, als schroffen Ton seiner Stimme, reagierte sie nicht. Ihre Gedanken kreisten einzig und allein, um das, was noch zu einer Hochzeit gehörte. Da war noch soviel anderes und sie hatten bisher nicht einmal einen Kuss getauscht.

"Tuilinn? Hörst du mich noch?" Elinol war fast der Verzweiflung nahe. Wollte sie ihn vielleicht doch nicht, dass sie ihn nun mit aller Gewalt zu ignorieren schien? Er konnte sehen, wie sie nervös ihre Hände knetete. Da war ja noch soviel, an das sie noch keinen Gedanken verschwendet hatte. Lächelnd hob er seine Hand und führte sie zu ihrem Gesicht. Sie schreckte hoch, als er mit dem Zeigefinger leicht über ihre Wange strich. Vorsichtig drehte er ihr Gesicht zu sich. "Hast du Angst vor mir, Melethril?" fragte er lächelnd. Hastig schüttelte sie den Kopf. Angst hatte sie sicher nicht vor ihm, sondern vor all dem anderen.

Sie sah sein Gesicht näher kommen. Wollte sie das überhaupt? Es war immerhin ihr erster Kuss, andererseits, war sie sich bei den anderen Versuchen immer sicher gewesen. Langsam schloss sie die Augen und spürte das Kribbeln in ihrem Körper nun überdeutlich. Sein Atem streifte leicht ihre Lippen, die zu zittern schienen. Wie elektrisiert hielt sie die Luft an, als seine, etwas herberen, Lippen ihre zu tupfen begannen. Immer und immer wieder bedeckten sie ihre und zogen sich zurück. Es war fast wie Folter und nach mehr verlangend reckte sie ihm den Kopf entgegen. Elinol hatte sie nun dort, wo er sie haben wollte. Er vergrub seine Hand in ihren weichen Haaren am Hinterkopf und rückte ihren süßen Mund noch näher heran. Für einen Moment stockte ihr der Atem, als sie seine Zunge spürte, die ihre immer wieder anstupste. Es war ein komisches, aber alles andere, als unangenehmes Gefühl.
 

"Hauptmann?!" Wütend löste Elinol sich von seiner Liebsten und schaute Ithildin genervt an. Entschuldigend schaute der Elb ihn an, zeigte dann jedoch geradeaus. "Reiter auf der Jagd." Der Hauptmann zog ärgerlich die Brauen zusammen. "Auf der Jagd nach was?" Der Späher zuckte mit den Schultern. "Kann ich nicht erkennen, aber sie kommen auf uns zu."
 

Und tatsächlich behielt Ithildin Recht. Ein Trupp Reiter, auf weißen Pferden, wartete an den ersten Ausläufern des Düsterwaldes auf Elinol und seine Männer. Tuilinn betrachtete sie genau und blinzelte. Elben, es waren Waldelben. Einer von ihnen, trabte direkt auf sie zu. Das Mädchen ließ ihn nicht aus den Augen und musterte ihn sehr genau, als er Norui sehr nah kam. Sein blondes Haar war an den Schläfen geflochten und bedeckte ihn breiten Strähnen die kräftigen Schultern. Hinter seinem Rücken ragten ein Bogen und zwei Schwerter auf. Seine braunen Augen fixierten den Hauptmann. "mae govannen Elinol." Der Angesprochene neigte seinen Kopf zur Begrüßung. "mae govannen Legolas. Was führt euch so weit weg von den Grenzen?"

Legolas? Tuilinn horchte auf. Mithrandir hatte schon oft von ihm erzählt. Das war also der Prinz der Waldelben? Noch einmal musterte sie den immerjungen Elben. Einen großen Unterschied zu den anderen, konnte sie nicht feststellen, nur seine Kleidung war etwas anders, aber dennoch nicht königlich, noch nicht einmal fürstlich. Unter der dunkelgrünen Tunika, blitzte ein blasswolkengraues Hemd hervor, das in Unterarmschienen endete.

"Wir jagen eine Orkherde, aber wir haben sie hier verloren." Das Mädchen spürte, wie Elinol tief einatmete. Er schien eine Vorahnung zu haben.

Legolas drehte sein Pferd und ritt ein Stück voraus. "Angesichts der Gefahr ist es wohl besser, wenn wir euch bis zur Waldstraße begleiten." Elinol nickte und Norui folgte dem fast leuchtendweißen Pferd des Prinzen. Die nächste Woche hatten sie wohl Begleitschutz, was den Hauptmann einigermaßen beruhigte.

"Ist das dein Herr?" Verdutzt schaute Elinol auf Tuilinn herab, die sich neugierig etwas vorgelehnt hatte. "Ja, er ist der Prinz und ich bin ihm und seiner Familie zum Dienst verpflichtet", antwortete er trocken. Mittelblonde Haare fielen über ihre Schulter, als sie sich noch etwas vorbeugte. "Er sieht wirklich gut aus und reich ist er sicher auch." Sie konnte nicht sehen, wie Elinol zusammenzuckte, aber sehr wohl, wie seine Hand sich auf ihren Bauch legte und sie zurückzog. Leises Kichern war die Reaktion. Er war tatsächlich eifersüchtig. Gelassen lehnte sie sich wieder an seinen Körper und legte ihre Hand auf seine. Ihr leises, zufriedenes Schnurren, beruhigte den Honigblonden zusehends.
 

Die Waldelben hatten ihr bereits ihr Lager innerhalb der ersten Bäume aufgebaut und schauten auf, als die Pferde der Ankömmlinge näher kamen. Schwungvoll stieg Legolas von seinem Hengst an und übergab die Zügel einem der Soldaten. Auch Elinol wollte gerade absteigen, als ein weiteres Pferd mit schnellem Tempo heran geritten kam. Ruckartig drehten sich alle Köpfe zum Reiter um. Tuilinn kniff ihre Augen etwas zusammen. Es war ein weiterer Elb, ein Kundschafter, der sich er nach Spuren der Orks gesucht hatte.

Sein Pferd wieherte auf, als es abrupt stoppte. Sein Fell war nass geschwitzt und auch der elbische Reiter schien außer Atem. "Ich hab sie gefunden", japste er, "sie haben sich in den Wald geflüchtet. Es sieht so aus, als würden sie sich nach Dol Guldur durchschlagen." Nachdenklich neigte Legolas seinen Kopf. Er hatte Respekt vor dieser Herde. Ihr Anführer schien kein gewöhnlicher Ork zu sein. Dieser rotäugige Bastard griff gezielt an. Unbewusst griff der Prinz sich an den Oberarm, wo er die Wunde noch pulsieren fühlte. Ein Ork wie der, führte seine Herde sicher nicht ohne Grund an den dunkelsten Ort des Düsterwaldes und würde sicher nicht so einfach mir den Angriffen nachlassen. "Wir müssen sie aufhalten, bevor sie Dol Guldur erreichen."

Mit bedauerndem Blick wandte der blonde, hübsche Prinz sich an Tuilinn, die dem ganzen nur sehr verkrampft zu folgen schien. "Es tut mir leid, rodwen Tuilinn, dass ihr die Wunder Düsterwalds vorläufig gegen seine Gefahren austauschen müsst, aber wir können euch noch nicht weitergeleiten." Verständnisvoll nickte das Mädchen und drehte sich zu Elinol um. Die dunkelgrünen Augen, waren matt und nahezu seelenlos. Vorsichtig ergriff er ihren Oberarm und half ihr vom Pferd, bevor er sich zu Tawarên drehte. "Bleib hier und pass auf sie auf!" Der Hellblonde mit den grau-grünen Augen nickte und fasste demonstrativ nach seinem weißglänzenden Schwert. "Mit meinem Leben, Bruder."

Sämtliche entbehrlichen Elben saßen bereits auf ihren Pferden und waren zum Abmarsch bereit. Tuilinn stand unbeholfen und angsterfüllt neben Norui und schaute zu Elinol auf. Seine Augen waren kalt und zeigten nur dann etwas Zärtlichkeit, als er sie anblickte. "Mach dir keine Sorgen, es wird nicht lange dauern." Seine Stimme war zuversichtlicher, als er es wirklich war. Sich auf die Unterlippe beißend, griff sie, Halt suchend, nach seiner Hand. Die Halbelbe hatte ein ungutes Gefühl. "Bitte, pass auf dich auf", wisperte sie heiser und die Angsttränen unterdrückend. Dieses Gefühl ihn zu verlieren, war stark. Etwas sagte ihr, dass sie diese Orkherde bereits kannte und auch an Elinols Gesicht konnte sie ablesen, dass er wohl das Selbe dachte.

Seine langen Haare streiften ihre Haut, als er sich hinabbeugte und ihr einen flüchtigen Kuss sanft auf die weichen Lippen drückte. "gen milin"[1], flüsterte sie, bevor der Elb sich gänzlich hoch beugen konnte. Ein merkwürdiger Glanz huschte durch seine dunkelgrüne Iris. Es war das erste und nach ihrem Gefühl, vielleicht auch das letzte Mal, dass sie ihm das gesagt hatte.
 

Tawarên stand neben dem verängstigten Mädchen und hatte trostspendend seinen Arm um ihre Schultern gelegt. Zusammen sahen sie beiden den galoppierenden Pferden nach, die immer mehr zu staubaufwirbelnden Punkten verschwammen. Der Kundschafter konnte die Sorge und Angst des Mädchens spüren. Ging es seiner Eirien auch so, wenn er weggehen musste? Es war ein bedrückender Gedanke, der ihm aber bewusst machte, dass es wohl keine Worte gab die sie beruhigen oder trösten konnten. Jetzt konnten sie nur abwarten, auf dass Elinol, Ithildin, Dhoron, Legolas und sämtliche anderen Elben heil zurückkommen würden.
 

[1] "Ich liebe dich."

Himmelstränen

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Himmelstränen (lightversion)

Lautlos huschten gut zwanzig Elbenkrieger durch die dunklen, fast schwarzen Stämme im südlichen Düsterwald, dort wo Schrecken und Furcht ein zu Hause gefunden haben. Angeführt wurden die Krieger, deren eiskalter, emotionsloser Blick ihre Entschlossenheit zu Töten offenbarte, von Legolas Thrandulion, Prinz der Waldelben.
 

Elinols Herz schlug ruhig weiter, als wäre Jagen und Töten das Normalste der Welt. In der Ferne konnte er sie hören, die verstümmelten, stinkenden Orks, wie sie rücksichtslos das verfilzte und verzweigte, nahezu undurchdringliche Unterholz in Stücken hauten. Mit den Pferden hätten sie Saurons Geschöpfe schnell eingeholt und niedergeritten, aber irgendwann standen die Bäume immer enger. Die Tiere hätten sich nur im Flechtwerk aus Ranken, Zweigen und Sträuchern verfangen und wurden deswegen zurückgelassen.

Honigblonde Haare flogen herum, als Elinol seinen Kopf hastig hochriss. Er konnte sehen, wie einer der Soldaten aus dem Astwerk sprang. Blätter segelten herab und gaben dem Ganzen schon ein fast künstlerisches, anmutiges Aussehen.
 

Quälend langsam und dann doch wieder unglaublich schnell schnitt sich die leicht gebogene Klinge des elbischen Schwertes horizontal in etwas Dunkles, das aus dem Gebüsch zu springen versuchte. Blut spritzte auf und sank wie Regen auf den kaum sehbaren Waldboden nieder. Stumm kippte das schwarze Etwas vornüber und blieb wie ein gefällter Baum nieder.

"Gar nicht so dumm," murmelte der kampferprobte Prinz, "sie haben also Wachen zur Warnung hinterlassen."

Den toten Feind achtlos liegen lassend, sah er zu Elinol. Manchmal erschreckte es selbst ihn, wie kalt die dunkelgrünen Augen des Honigblonden sein konnten. Ungerührt stand der Hauptmann da und es war nicht möglich, auch nur einen seiner Gedanken zu erraten. Langsam wandten sich Elinols Augen von seinem Herren ab und blickten stumm in die Dunkelheit des Waldes hinein. Legolas hob die Hand und ließ sie ruckartig nach vorne fallen, das Zeichen zum Weitermarsch.
 


 

Betrübt schaute Tuilinn zwischen den noch lichten Blättern zum Himmel hoch. Es wurde Herbst, wie sie an den grauen Wolken, dich sich wie eine weiche Decke über das Himmelsblau schoben und die ersten Stürme ankündigten, sehen konnte. Vielleicht wusste der Himmel auch mehr und sammelte schon seine Tränen um über die Gefallenen zu trauern. Nur widerwillig und doch befreit löste sie sich von dem Anblick und zog den Elbenmantel enger um ihren Körper. Auch die Luft wurde kälter und selbst die ersten Blätter über ihren Köpfen verfärbten sich in trügerisch warme und freundliche Rot- und Gelbtöne. Dieser Ort war nicht freundlich, friedlich oder was auch immer er darzustellen versuchte.

Ihre Augen blickten in das Feuer, welches von einem, ihr noch fremden Elben, geschürt wurde. Ein wenig Wärme wehte zu ihr hinüber und ließ sie wohlig seufzen. Warum war es so plötzlich abgekühlt? Lag es an dem Ort oder weil Elinol nun nicht mehr da war und seine Wärme fehlte? Nur wenige Stunden war er fort und schon vermisste sie ihn schmerzlich.
 

Seufzend schaute das Mädchen auf. Nur wenig Elben waren zurückgeblieben, um das Lager und sie zu beschützen; nur eine Hand voll, die sich um das Feuer sammelten, die Vorräte kontrollierten oder mit starren Blick Wache hielten. Vorsichtig wanderten die blau-grünen Augen zu Tawarên. Elinol hatte vollstes Vertrauen zu dem Elb, der nun, in seinen Mantel eingehüllt in das Feuer starrte. Vom Feuerschein waren seine Züge milde geworden und die hellen Haare rotorange gefärbt. Tuilinn konnte das Feuer in seinen verträumten Augen tanzen sehen. Kaum zu glauben, dass dieser Elb ein Kundschafter des Königs war. Einer der wenigen, überaus mutigen Elben, die weit hinter die feindlichen Linien mussten, um dort zu spionieren, sabotieren oder zu Töten. Tawarên war Attentäter, ein Killer, der bestimmte Personen gezielt tötete, meist vor einer Schlacht und immer die Anführer. Er war einer der wenigen Elben, die dafür ausgebildet waren, der Schlange den Kopf abzuschlagen, ohne Mitleid, hinterrücks und so sauber wie möglich, wenn es sein muss im Schlaf. Anders als Elinol, der als Hauptmann immer als einer der Ersten in die Schlacht stürmte oder Ithildin, der als Späher sehr nah an die feindlichen Truppen musste, um ihre Stärke zu schätzen und dabei nicht selten in Schussweite geriet und auch ganz anders, als Dhoron, der Schwertkämpfer war und deswegen meist ohne Pferd kämpfte, den Atem seiner Gegner spüren konnte und deren Klingen eigentlich ständig an seinem Lebensfaden sägten.
 

Tuilinn seufzte. Eigentlich war der Elb neben ihr, gemeiner und heimtückischer, als ein Ork und dennoch fühlte sie sich bei ihm sicher. Elinol hatte zu niemandem mehr Vertrauen, als zu seinem Freund und Schwager, der trotz seines Lebens als Killer, noch diese andere Seite hatte. Ein mildes Lächeln huschte über ihre kirschroten Lippen, als sie den verträumten Blick Tawarêns sah, der weit weg schien. Dachte er an Eirien, die Frau, über die er, all die Zeit, die sie ihn nun kannte, Liebeslieder gesungen hatte?
 


 

Sie hatten die Orks eingeholt. Klirrende Klingen schlugen aufeinander und Bogensehnen surrten. Die schwarzen Geschöpfe hatten es ihnen einfach gemacht. Eine breite Schneise war durch das Unterholz geschlagen worden und sogar einige größere Bäume lagen gefällt auf dem feuchten Boden. Orkgebrüll dröhnte durch den dichten Wald, während die Elben meist stumm agierten. Geschmeidig bogen und wanden sich die Körper der Waldelben, ohne dass sie auch nur ein Zeichen der Anstrengung offenbarten.
 

Dhoron schreckte auf, als er neben sich einen kurzen Schrei vernahm. Ruckartig drehte er sich um und sah einen der Elben niedersinken. Starr blickten dessen blaue Augen den Ork an, der zufrieden das verspritzte Blut von seinen Lippen leckte. Schockiert beobachtete Dhoron die Szene. Er kannte den Elb, hatte schon oft mit ihm gescherzt und nun musste er mit ansehen, wie aus der tiefen, klaffenden Wunde auf seinem Bauch Blut heraustrat. Noch nie hatte er einen Elben sterben sehen oder war sich der Brutalität der Orks bewusst geworden. Zum ersten Mal, sah er das, was Elinol, Tawarên und Ithildin bereits kannten; Orks waren schwarze Krieger, die folterten, brandschatzten und aus Spaß töteten. Unfähig sich zu rühren, musste der noch viel zu junge Dhoron zusehen.
 

Der Ork hielt sein Schwert fest umschlossen in der vernarbten, halb verfaulten Hand, als er sich über den noch lebenden, zuckenden Körper beugte. Ein widerliches Grinsen verzerrte sein verstümmeltes Gesicht und Geifer tropfte auf das schöne Elbengesicht unter ihm. Unter Schmerzen bäumte sich der Elbenkörper auf, der Blick war starr, matt und bereits in die Ferne gerichtet, blondes Haar klebte in seinem Gesicht und Speichel floss an den Mundwinkeln hinab.

Voller Hass bebte Dhorons Körpers. Was war das für ein Monster? So etwas sollten Krieger sein? Was war dies für eine grausam Welt?
 

Mit einem wilden, markerschütternden Schrei erhob Dhoron sein Schwert und stürmte auf den Ork zu. Jener schaute kurz von seinem, bereits toten Opfer auf und weitete verschreckt die Augen. Er konnte gar nicht schnell genug reagieren, als die silberne Klinge das erste Mal in seinen Körper gerammt wurde. Irritiert sah er den Mittelblonden an. Tränen glitzerten in den hasserfüllten grünen Augen. Etwas, was den Ork noch mehr befriedigte, als jemanden zu foltern. Blut quoll aus seinem breiten, lippenlosen Mund hervor, den er zu einem höhnischen Grinsen verzog und eine Reihe blutverschmierter Zähne entblößte. Zuviel für Dhoron. Voller Hass, Wut, Trauer und Ekel schlug er auf den Körper ein. Als eigene Schande blieb das bräunliche Orkblut am Elbenkrieger hängen und vermischte sich mit seinen Tränen.
 

Unruhig schaute Tuilinn dabei zu, wie die zurückgebliebenen Elben begannen Zelte aufzubauen. Auch sie schienen sich auf den Regen vorzubereiten. Sorgfältig musterte sie das Volk, zu dem sie bald gehören sollte. Alle hatten sie helle Haare und verschiedenen Varianten, von weiß, silbern bis hin zu mittelblond und ihre Augen waren klar, leuchtend und schienen doch immer abweisend in die Leere zu schauen.
 

Ein Elb hatte besonders ihr Interesse geweckt. Er war etwas kleiner als Elinol, auch seine Haare waren kürzer, dafür heller, aber an den Oberarmen trug er Metallplatten, die sich Schuppenartig überlappten. Ein Teil einer elbischen Rüstung, wie das Mädchen vermutete. Auch hatte sie irgendwo einen Helm gesehen, in einem golden, teilweise grünlich schimmerndem Metall. Nachdenklich betrachtete sie den Elben, der bereits ein drittes Zelt aufbaute und stellte sich die vollständige Rüstung vor. Wie prächtig mussten die Elben darin aussehen, fürstlich, edel, den Feind erschütternd. Beeindruckender, als die Ritter aus Gondor, die sie früher immer mit Mithrandir besucht hatte. Ein einfacher elbischer Krieger sah sicher imposanter aus, als Gondors Statthalter Denethor und seine beiden mutigen, wohlgeratenen Söhne Boromir und Faramir in vollem Kriegsgewand.
 

Gern erinnerte Tuilinn sich an die Besuche in Minas Tirith, der Stadt mit dem weißen Turm, dem Juwel Gondors. Wie oft hatte Boromir, der ältere Sohn Denethors, versucht ihr einen Kuss abzuringen. Wie alt mochte er jetzt sein? Zwanzig oder noch etwas älter? Er war schon immer ein Raufbold gewesen, einem Faust- oder Schwertkampf nie abgeneigt und der ganze Stolz seines Vaters. Faramir war anders gewesen, ruhiger, besonnener, gebildeter und bereits als Kind, ein fabelhafter Stratege, leider waren seinem Vater Tugenden wie Mut, Streitbarkeit und kriegerischer Einfältigkeit anscheinend wichtiger, wodurch er, der bereits als Junge ein fürstlich edles Aussehen und kluge, scharfsinnige Augen gehabt hatte, seinem älteren Bruder nie das Wasser reichen konnte. Wie gern wünschte sie sich diese Zeit zurück. Sich bei diesen egoistischen Gedanken ertappend, schüttelte die Halbelbe ihre blonden Haare. Wie konnte sie nur daran denken, wo ihr geliebter Elinol und ihre Freunde in Gefahr schwebten?
 


 

Stinkender, warmer Atem kam Ithildin entgegen, als der Ork vor ihm, sein Maul zu einem Kampfgebrüll aufriss, während das Vieh hinter ihm seine Streitaxt weit über den Kopf erhob, um zum tödlichen Schlag anzusetzen. Elegant und mit ausdrucksloser Miene, drehte der Elb sein Schwert in der Hand und rammte die Klinge, nah an seinem Körper vorbei, zwischen die Rippen des Angreifers. Das Schwert wurde einmal um die Achse gedreht, wieder herausgezogen, um erneut in der Hand zu rotieren und schließlich den vorderen Orks mit einem Kehlenschnitt zu töten. Der Eine stumm, der Andere, ein, durch sein Blut verursachtes, Gurgeln von sich gebend, kippten beide um. Außer am Schwert, war nicht ein Tropfen orkischen Blutes an dem schönen, elbischen Krieger, der immer noch seelenlos zwischen kurzen, hellblonden Strähnen hindurch, zum nächsten Gegner starrte.
 

Wie ein verwundeter Eber, stürmte ein bulliges, untersetztes Exemplar, mit flammenden Augen auf den aufgerichteten Elben zu, der lediglich sein Schwert noch einmal in der Hand drehte, um einen besseren Halt an dem glatten, schneeweißen Griff zu haben. Der Ork stoppte und begann Ithildin mit Seitwärtsbewegungen zu umkreisen und den eigentlichen Angriff hinauszuzögern, doch der Elb blieb ruhig. Seine Augen folgten den orkischen Bewegungen scheinbar nicht, sondern blieben an einem fernen Punkt hängen, nur gelegentlich blitzte in ihnen ein leuchtendes Blau auf, dass fast zu einem Violett umschlug, ein Zeichen dafür, dass er etwas fixierte. Seine Augen konnten weit sehen, denn er stand direkt in der Schneise, welche die Orks rücksichtslos in den Wald geschlagen hatten.
 

Immer noch vollführte der Ork seinen Halbkreis. Seine vierfingrige Klaue erhöhte oder verringerte nervös den Druck um den, mit einem rauen Lederband umwickelten, hölzernen Griff seines überlangen Schlachtmessers mit der vertikal hochgebogenen Spitze. Wie aus einem inneren, nicht mehr kontrollierbaren Drang heraus, stürmte er los, das Schwert hoch erhoben und zum Nieder- und Dreinschlagen bereit. Der Angriff kam zu schnell. Nicht ein Muskelzucken hatte den Ork zuvor verraten und Ithildin hatte kaum noch Zeit, zu reagieren. Mit einem weit ausgeholten Schlag, versuchte er zu parieren, konnte jedoch nur das Schwert wegschlagen und verlor dabei auch noch sein eigenes. Der Ork zögerte nicht lange. Große, vernarbte, mit kleinen eiternden Wunden übersäte Klauen, legten sich blitzschnell an den elbischen Hals und drückten zu. Gierig und befriedigt traten die ockerfarbenen Augen hervor, als Ithildin das erste Mal leise nach Luft schnappte. Leichter blauer Schimmer setzte sich an der Innenseite der Lippen ab. Um sein Leben kämpfend, griff der Hellblonde nach den Handgelenken des Gegners und versuchte diesen mit schmerzhaftem Druck zu Loslassen zu zwingen. Der Ork blieb unbeeindruckt und drückte den elbischen Krieger auf den Boden zurück.

Etwas knackte unter Ithildins Füßen. Flüchtig blickte er zu Boden und sah die Überreste seines Bogens, der bereits im Kampf zerbrochen wurde. Er spürte bereits den Boden unter seinem Rücken und die zweite Bogenhälfte, die teilweise von seinem Körper bedeckt wurde. Die Waffe war einst aus gutem, sehr harten Holz geschnitzt wurden und nur die blinde Gewalt eines Orks hatte sie nach all den Jahrhunderten zerstören können. Die gesplitterte Spitze der Hälfte piekste schmerzhaft in Ithildins Seite und er konnte spüren, wie an der Stelle Blut hervortrat.
 

Die orkischen Augen strahlten erfreut auf, als immer mehr Glanz und Leben aus Ithildins Augen wich. Die Lippen waren nun dunkelblau angelaufen und verzweifelt, aber immer noch würdevoll versuchte er Luft zu holen. Ab und an entwich ihm ein leises, stimmloses Krächzen. Eilig tasteten seine Finger nach der Bogenhälfte. Der Ork bemerkte es nicht, umso überraschter war er über den plötzlichen Schmerz. Irritiert rollten seine Augen umher, um einen Anhaltspunkt dafür zu erfassen und blieben schließlich an einen Stück gebogenen Holz hängen, das unterhalb seiner Rippen im Körper steckte und den Ork aufspießte. Es war schon fast unheimlich, wie viel Kraft der Elb dafür aufbringen musste und das in einem fast verlorenen Todeskampf.
 

Vor Schmerz brüllend sprang der Ork auf, nur um einen Meter weiter auf die Knie zu fallen und vornüber zu kippen. Der Schmerz ließ seinen Körper immer wieder aufzucken und es würde sicher noch Minuten dauern, bis er endgültig.

Hustend richtete Ithildin sich auf und fasste sich an den zusammengequetschten Hals. Wackelig stellte er sich wieder auf die Beine und sammelte sein Schwert ein. Ihm war schwindelig und der Hals schmerzte höllisch, aber die Schlacht war noch nicht vorbei. Sie mussten die Orks vernichten, bevor sie noch weiter in den Wald fliehen konnten, denn dort gab es größere Gefahren für Elben, als ein paar stinkende, hinterlistige Narbengesichter.
 

Legolas' Schwerter surrten durch die Luft, bevor sie sich tief in orkische Körper schnitten. Er war ein wenig verwundert darüber, dass im Wald viel mehr Orks waren, als sie anfangs gejagt hatten. Es machte ihn ein wenig stutzig, dass die Hälfte der eigentlich Herde sich wohl versteckt gehalten hatte; das war alles andere als orktypisch, viel zu strategisch für diese Marionetten.

Etwas entfernt konnte er Elinol sehen, der seinen Bogen längst fort geworfen hatte, da sämtliche Pfeile längst verschossen waren und nun mit seinem, fast zierlich anmutenden, Schwert, dessen lange Klinge leicht gebogen war, weiterkämpfte. Es war nicht zu übersehen, dass er sich nur durch die Orks durchkämpfte, wie durch zu dichtes Unterholz. Er wollte woanders hin, an ein Ziel und mit Schrecken erkannte Legolas nun wohin.
 

Rote, flammende Augen starrten emotionslos auf das Schlachtfeld. Ungerührt sahen sie Elinol näher kommen. Ihre Blicke trafen sich und heißes Feuer prallte auf eiskalte Ruhe. Nicht ein Bluts- oder Schweißtropfen zeugte von der Anstrengung, die der Elb gerade hinter sich hatte. Seine Augen waren matt und die schwarzen Pupillen schienen mit dem Dunkelgrün zu verschwimmen. Ein blau-violetter Schatten huschte über die Iris und vom umgebenen Gemetzel unbeeindruckt stand der Honigblonde da und starrte auf den dunklen Ork. Fast wie ein verzerrtes Spiegelbild wirkte es. Kein Muskelzucken, Wimpernschlag oder tiefer Atemzug bewegte die Körper, nur die Augen flammten ruhig auf oder wurden von blauen Schatten durchzogen.
 

Eine Ewigkeit oder nur eine Sekunde später, riss der Ork seine Augen los und brüllte lauthals in die Luft. Augenblicklich ergriffen die kämpfenden Orks in alle Richtungen die Flucht. Ihr Anführer warf einen letzten, verhöhnenden Blick zu Elinol, bevor er, für seine Rasse außergewöhnlich, nahezu würdevoll in der Finsternis der kommenden, dichtstehenden Bäume verschwand. Ein außergewöhnliches Exemplar seiner Rasse, vielleicht ein General unter ihnen, zu bedeutend, um sein Leben in der Schlacht zu opfern.
 

Wut packte Elinol. Er konnte und wollte ihn nicht entkommen lassen. Es musste ein Ende finden, noch bevor Tuilinn das Gebiet der Waldelben erreichte. Der Elb war sich sicher, solange dieser Ork lebte, konnte das Mädchen nie völlig sicher sein. Mit einer gekonnten Drehung, steckte er sein Schwert zurück in die Scheide auf seinem Rücken. Der graue Elbenmantel aus Lórien flatterte heftig auf, als Elinol scheinbar kopflos losrannte, um den Rotäugigen nicht zu verlieren.
 

"Elinol, bleib hier!" brüllte Legolas seinem Vasallen hinterher, doch dieser ignorierte ihn.

"Elinol, ich befehle es dir!"

Doch dieser war bereits im Dickicht umgestürzter Bäume verschwunden und rannte dorthin, wo Finsternis herrschte und der Boden karg war, da kein Lichtstrahl durch die hohen, uralten Bäume drang. Legolas runzelte besorgt die Stirn. Der Rotäugige führte Elinol immer näher an Dol Guldur heran, dort wo Sauron einst wieder erwacht war. Eine Falle, es roch unverkennbar nach einer Falle und Elinol war blind hineingerannt, dabei war es doch sonst nicht seine Art. Kein Elb, der kühler oder besonnener agierte, selbst der König fürchtete sich manchmal vor der stoischen, kühlen Berechnung des Honigblonden. Was war so wichtig an diesem Ork?

Kopfschüttelnd wandte Legolas sich an die anderen Elben und biss sich kurz auf die Lippe. Schwankende Gestalten und kaum mit Blut bespritzte Krieger, ein ungleiches Bild. Argwöhnisch betrachtete er Dhoron, der über und über mit Blut beschmiert war. Sein edles Gesicht war völlig rot und die langen Haare verklebt, Trauer stand in seinen Augen. Er musste wie ein Berserker gekämpft haben. Neben ihm wankte Ithildin. Rote und violette, fast schwarze Striemen wanden sich um seinen Hals. Fragend blickte er seinen Prinzen an, der nur wieder den Kopf schütteln konnte und mit der Schwertspitze in Elinols Richtung zeigte.

"Der Narr rennt in den Tod, direkt nach Dol Guldur."

Ithildin seufzte und musste sich, vom Schwindelgefühl übermannt, an Dhoron abstützen.

"Er will es zu Ende bringen, sonst werden sie uns noch im Schlaf überraschen", krächzte er mit dünner, kaum hörbarer Stimme.

Verstehend nickte Legolas und gab das Zeichen zum Abzug.

"Dann sollten wir beten, das sämtliche Valar ihm beistehen werden."

Ungläubig glotzte Dhoron den schönen Prinzen an.

"Werden wir ihm nicht folgen?"

Etwas überrascht schielte Legolas zu dem viel jüngeren Elben.

"Und uns auch in Gefahr bringen? Wir sollten uns erst um die Verletzten und um die Toten kümmern."

Ein bedauernder, schmerzerfüllter Blick huschte über die toten Körper der gefallenen Elben.

"Nehmt sie mit!" ordnete der goldblonde Prinz an.

"Niemals sollen sie dunklem Getier als Nahrung dienen."
 


 

Vorsichtig streckte Tuilinn die Hand aus dem Mantel hervor und fing die ersten Tropfen auf. Bedrückt schaute sie zu, wie ein Tropfen in ihrer Handfläche zu unzähligen kleinen zersprang.

"Tuilinn, komm ins Zelt, du wirst sonst ganz nass", hörte sie Tawarên hinter sich. Nur langsam drehte sie sich zu ihm um und konnte die Zelte sehen. Es waren etwa fünf, die Dächer von den Ästen getragen und die Wände aus Stoffbahnen bestehend, die von Stamm zu Stamm gespannt waren. Auch die wenigen Pferde, die noch da waren, meist Lasttiere, an denen zu sehen war, dass die Waldelben sich auf eine längere Jagd vorbereitet hatten, standen trocken unter einem Baldachin.
 

"Tuilinn, komm!", rief Tawarên erneut. Die ersten Tropfen wichen immer schneller, ganzen Bindfäden und das Mädchen stand immer noch vor der Baumgrenze. Vorsichtig blickte sie in den grauen Himmel. Aus irgend einem Grund fühlte sie sich leer, gar nicht mehr sie selbst. Tropfen fielen auf ihre Augen und sie musste blinzeln. Der Herbst war da und hatte eine graue, undurchdringliche Wolkendecke mitgebracht.

"nallach?"[1] hörte sie sich selber den Himmel fragen.

Erste salzige Tränen vermischten sich mit dem Regen, der auf ihr Gesicht fiel. Sie war traurig, so unendlich traurig. Angst nagte an ihrer Seele und nur mühevoll konnte sie diese verdrängen. Sie wollte nicht weinen, nicht jetzt und dabei fehlte ihr nun soviel. Wieso hatte sie nur dieses unbestimmte Gefühl, Elinol nicht mehr fühlen zu können?

"amman nallach?"[2] fragte sie den stummen Himmel erneut.

"pedo nin! cuia daer nîn?"[3]

Regen prasselte auf die zierliche Gestalt nieder und drohte sie zu erdrücken, doch der Himmel blieb stumm. Fröstelnd zog sie den Mantel enger, bevor sie sich schließlich doch zu den Zelten begab.
 


 

Elinol blieb stehen. Einige verwelkte Blätter hingen an seiner Kleidung. Vor ihm stand er, doch die rotglühenden Augen, waren kaum zu erkennen, da ein breiter Lichtstrahl durch das sturmgeschädigte Blätterdach brach und den pflanzenlosen, nackten Waldboden gnadenlos enthüllte. Mit einem grunzenden Geräusch trat das Schattenwesen in das Licht. Hohn funkelte in seinen Augen, als er den aufrechten Elben musterte.

"Was willst du, Elinol Brethilion?" fragte der Ork mit einer tiefen, kratzigen, selten benutzten Stimme.

Wenn der Angesprochene überrascht war, so wusste er dies gut zu verbergen. Mit leerem Blick sah er den Rotäugigen an und schien auf dessen weiteres Vorgehen zu warten, jedoch musterte er das Vieh recht genau. Etwas seltsam Bekanntes strahlte der untote Elb aus. Elinols Hirn versuchte das Gesicht des Elben, der er einst war zu rekonstruieren. Was war es nur? Dieser Glanz in den Augen, weit hinter der roten Iris, oft gesehen und schmerzlich vermisst, obwohl gehasst. Er kannte diese Augen, dieses Gesicht, doch wer von ihnen war es?
 

"Geh Elinol!" raunte der Ork und ein gefährliches Funkeln blitzte in den Augen auf. Der Honigblonde rührte sich nicht, sondern sah das Wesen weiterhin schweigend an.

"Geh oder stirb", erweiterte der Ork seine Forderung, die er mit einer raschen Bewegung seines Armes unterstrich.

Ein Luftzug fegte durch die honigblonden Haare und etwas Blut tropfte auf Elinols Brust. Quälend langsam wurde die Klinge des orkischen Schwertes zurückgezogen, wobei sich die dornartige, vertikal auf der Klinge sitzende Spitze durch die helle Wange des Elben schnitt. Ein feiner roter Streifen verunstaltete das sonst gleichmäßige, attraktive Gesicht, wie der Ork mit Genugtuung feststellte, doch wurde seine Freude von der Tatsache getrübt, dass der Waldelb nicht einmal mit der Wimper zuckte. Stoisch ließ er es über sich ergehen und blickte das Schattenwesen weiterhin unverhohlen an. Die schmale Oberlippe zuckte unregelmäßig nach oben und entblößte spitze, faulige Zähne.

"Ioreth ist mein. Sie gehört mir, nur mir."

Seine Stimme war nur noch ein hasserfülltes Fauchen und Zischen.

"Dummkopf", sagte Elinol trocken.

"Ioreth war sterblich. Du glaubst doch nicht etwa im Ernst, dass sie nach fast 300 Jahren noch am Leben ist?"

Irritation zeichnete sich im Gesicht des Orks ab, wurde jedoch schnell wieder von Gier und Hass verdrängt.

"Sie lebt. Sie lebt und ich werde sie mir holen. Sie ist mein, nur mein."

Das letzte Wort hatte er wütend herausgebrüllt und machte damit umso deutlicher, dass Reden sinnlos war. Elinol ergriff sein Schwert.

"Ich werde nicht zulassen, dass du auch nur ein Haar von berührst."

Überrascht blickte der Ork auf das helle Schwert, dann in das Gesicht des Gegners und wieder auf das Schwert. Ein tückisches Grinsen verzerrte seinen lippenlosen Mund, welches Elinol nun doch verwirrte.

Zu spät hörte er Zweige hinter sich knacken. Im Augenwinkel sah er etwas auf seinen Kopf zustürzen. Dumpfer Schmerz und Schwärze folgte. Stumm kippte er vornüber, während ein weiterer Ork, sich wie ein Schatten zu seinen Füßen aufbaute. Zufrieden schaute der Rotäugige auf den regungslosen Elb nieder. In seiner eigenen, hässlichen Sprache fauchte er den anderen Ork an, der Elinol daraufhin an den Füßen packte und hinter sich herzog. Das helle, nun mit Blut verschmierte, elbische Schwert, ließen sie achtlos liegen. Für derartige Waffen hatten sie keine Verwendung.
 


 

Ungeduldig wartete Legolas auf die Rückkehr der beiden Soldaten, die Elinol suchen sollten. Er war an einen Baum gelehnt und schaute in die Richtung, in der sie verschwunden waren und das schon vor Stunden. Endlich tauchten blonde Schöpfe aus dem Schatten auf. Mit zusammengezogenen Brauen bemerkte Legolas, dass es nur zwei waren, aber sie trugen etwas bei sich, ein Schwert, Elinols Schwert. Was ist mit ihm geschehen? War er tot? Wo war er? Wo war dann seine Leiche?
 


 

Von Hufgetrappel und Pferdewiehern geweckt, richtete Tuilinn sich kerzengerade in der wackeligen Hängematte auf. Sie hatte ein Zelt, nur für sich und statt eines Bettes, eine leinene Hängematte, die an zwei starken Ästen gebunden war. Stimmen drangen durch den starken Regen zu ihr. Sie waren wieder da. Eilig und voller Vorfreude auf Elinol sprang sie auf und zog sich eilig Stiefel an und Mantel über, um so schnell wie möglich aus dem Zelt zu stürmen.

Ihre Augen huschten über den Lagerplatz und sahen einige Verletzte, die ihn eines der Zelte gebracht wurden. Trauer und Besorgnis hing wie eine Gewitterwolke über allem. Den Mantel enger ziehend, um dem Regen so wenig wie möglich Angriffsfläche zu bieten, schritt sie weitgreifend zu dem Zelt, das für Legolas und die Offiziere bestimmt war.
 

Sämtliche Köpfe drehten sich zum Eingang, wo Tuilinn ruckartig den Vorhang zur Seite geschoben hatte. Das leichte Lächeln erstarb in ihrem Gesicht, als sie die Runde inspizierte. Trauer und ungesprochene Worte standen allen ihm Gesicht geschrieben. Sie bemerkte Dhorons bedauernden Blick und musterte diesen nun sehr genau. Der Regen hatte das meiste Blut längst abgewaschen, doch klebte immer noch etwas in seinen Haaren und machte Tuilinn eine ungefähre Vorstellung davon, was passiert war. Wieder wanderten ihre Augen durch die Runde.

"Wo ist Elinol?" fragte sie unsicher, in der Hoffnung mit ihrer Vermutung falsch zu liegen.

Betroffen schaute Legolas sie an, als er zur Seite trat und den Blick auf einen kleinen Tisch, der aus übereinander gestapelten Gras- und Moosstollen bestand. Ein Tuch bedeckte die großen Pflanzenstollen und etwas lag darauf. Neugierig trat das Mädchen einen Schritt darauf zu und blieb erstarrt stehen. Das Tuch war voller Blutflecken und darauf lag ein Schwert. Die zierliche, leicht gebogene Klinge blutverschmiert und etwas Dreck war auf dem weißen, mit elbischen Zeichen verzierten Griff.

Sie kannte das Schwert, besser als jedes andere. Verwirrt blickte sie auf und schaute wieder in die Runde, die aus Legolas, Dhoron, Tawarên und Ithildin bestand. Hilflos sah sie Tawarên an, doch dieser sah nur weg. Es war ihm zuviel, dem Mädchen alles erklären zu müssen. Ihre schockierten blau-grünen Augen wanderten zu Ithildin.

"Ithildin, wo ist Elinol?"

Ihre Stimme zitterte unbarmherzig und nur schwerlich konnte sie die Tränen zurückhalten. "Wir wissen es nicht, rodwen", antwortete Legolas schließlich. Augenblicklich spürte ihren hilflosen, ängstlichen Blick auf sich ruhend. Ihre Augen bewegten sich hastig und musterten jede Regung im Gesicht das Prinzen.

"Er...er ist verschollen."
 

Verschollen! Das Wort war wie ein Hammerschlag. Verschollen im dunkelsten Gebiet des Düsterwaldes. Das war dem Tod gleichzusetzen. Selbst ein Elb wie Elinol, konnte dort nicht allein überleben. Tagsüber war es schon gefährlich, aber nun war die Nacht hereingebrochen.

Schockiert legte Tuilinn ihre Hand auf den Mund und versuchte die ersten Schluchzer zu unterdrücken. Ihr war schlecht, richtig schlecht. Ungläubig und fassungslos schüttelte sie den Kopf. Das konnte nicht sein, das durfte nicht sein. Die ersten heißen Tränen rollten ihre Wange hinab und tropften auf ihre Hand. Ihr war der Boden unter den Füßen weggezogen worden. Vorsichtig streckte Tawarên seine Hand nach dem zitternden Mädchen aus, doch da drehte sie sich bereits um und rannte aus dem Zelt zurück in den Regen.

"Tuilinn?"

Dhoron war bereits einen Schritt vorgegangen und wollte ihr hinterher, als eine Hand auf der Schulter ihn zurückhielt. Es war Legolas, der ihn eindringlich ansah.

"Lass sie. Sie braucht jetzt Zeit für sich."

Irritiert sahen die grünen Augen auch zu den anderen Beiden, die nur betroffen und zustimmend nickten.
 


 

Unbarmherzig prasselte der Regen durch die Blätter hindurch auf den kleinen Körper, der sich immer weiter vom Lager entfernte. Ihr war kalt, so schrecklich kalt. Die Ungewissheit über Elinols Schicksal bohrte sich tief in ihr Herz und ließ es sich schmerzend zusammenkrampfen. Was, wenn er tot war? Der Gedanke ließ sie nicht los. Es tat weh, so furchtbar weh auch nur daran zu denken. Das durfte einfach nicht sein.

"Elinol..."

Schluchzend und vom Weinen entkräftet, lehnte sie sich an den nassen Stamm eines Baumes. Schutzsuchend schlangen ihre Arme sich um ihren Körper. Ihre verweinten, bereits geröteten Augen starrten stur in den Wald hinein.

"den anno ad nin! Nin anno ad melethron nîn!"[4]

Ihr Schluchzen verschluckte die letzten Worte. Es war so sinnlos, alles war einfach nur noch sinnlos. Was sollte sie den ohne ihn machen, wo er doch das Wichtigste in ihrem Leben geworden war? Ihr Herz schmerzte und ihre Knie wurden weich. Kraftlos rutschte sie am Stamm entlang auf den Boden. Ihre Arme umarmten ihren zitternden Körper immer noch.

"den anno ad nin..."[5] Unaufhörlich tropfte der kalte Regen auf sie nieder und vermischte sich mit ihren Tränen. Ihr Kummer war unermesslich und machte sie taub für ihre Umgebung. Sie wollte ihn nur wiederhaben. Sie wollte nur noch, dass der Wald ihn wieder aus seinen Klauen entlässt.
 

[1] "Weinst du?"

[2] "Warum weinst du?"

[3] "Sag mir, lebt mein Bräutigam?"

[4] "Gib ihn mir wieder! Gib mir meinen Liebsten zurück!"

[5] "Gib ihn mir wieder..."

Treue und Schmerz

Menno, das chap. ging mir nichtmal annähernd so leicht von der Hand, wie das Letzte. Eigentlich wollte ich ja Eirien in ner Rückblende auftreten lassen, hab die ganze Passage dann aber doch gestrichen und das Ende dieses Kapitels erst... *sich dafür schämt* Aber hey, wir nähern uns dem Ende ^^
 


 

In der Ferne heulte ein Käuzchen und kündigte den Einbruch der Nacht an, doch eigentlich war es egal, im Herzen des Waldes war immer Nacht. Nur selten drang ein blasser Sonnenstrahl, nach einem Sturm, zum Boden durch. Die Bäume waren allesamt uralt, denn junge Bäume konnten in der bedrückenden Enge der alten Stämme und der lichtlosen Finsternis unterhalb der Kronen nicht wachsen.

Alte, trockene, abgefallene Zweige zerbarsten, als zwei Orks sich ihren Weg bahnten. Einer von ihnen schleppte etwas über seiner Schulter. Honigblonde, blutverschmierte Haare fielen über den Kopf des Getragenen, der bei den Schritten hin und her schwang. Irgendwann, inmitten der Dunkelheit stoppte der erste Ork und ließ seine Augen aufglühen. Als Schattenwesen waren Nacht und Finsternis sein Freund und ließen ihn ihre Geheimnisse erblicken. Vor seinen Füßen tat sich eine Mulde auf, eine Vertiefung die vor Urzeiten einmal ein Teich gewesen sein mochte. Mit einer Handbewegung rief er den untergebenen Ork heran.

Mit Schwung flog Elinols Körper durch die Luft, schlug auf den sanft abfallenden Hang auf und rollte hinab in die Grube. Der Rotäugige sah ihm einen Moment nach. Vielleicht war es die Vergangenheit, die ihn davon abhielt Elinol selber zu töten, vielleicht auch, weil der Befehl dazu fehlte, doch letztlich war auch dies egal. Elinol würde sterben, ganz sicher. Selbst wenn seine Wunden verheilten, in der Dunkelheit des Düsterwaldes würde er nie zurückfinden und wenn doch, war es längst zu spät.

Mit ausdrucksloser Miene drehte der Rotäugige sich um und schlug den Weg zurück ein, gefolgt von dem anderen, bedeutend dümmeren Ork.
 


 

Bekümmert lehnte Tawarên an einen Stamm, der eine Ecke des Zeltes bildete, und schaute hinüber zu den Pferden. Es schien nichts Auffälliges an ihnen zu sein. Ruhig standen sie unter ihrem Baldachin und kauten zufrieden an frisch geschnittenem Gras, doch bei näherer Betrachtung fehlte etwas. Das haselnussbraune Lastpony aus Edoras hatte nun sehr viel Platz für sich allein, viel mehr, als die großen Pferde der Elben. Normalerweise stand Norui neben ihm, doch der Hengst fehlte. Stirnrunzelnd ließ Tawarên seine Augen zu einem Baum wandern, der am Ende des Lagers stand. Er war, von den Zelten aus, kaum einzusehen und hatte ein löchriges Blätterdach, wodurch der Regen ungehindert zu den Wurzeln fallen konnte. Sein Stamm war alt und knorrig, übersät mit vielen Narben von Witterung und Sturm. Auf einer großen, breiten Wurzel, die eine komplizierte Biegung schlug, bevor sie in die Erde drang, saß ein Häufchen Elend, welches von Norui sanft angestupst wurde. Durch Elbenmantel und grüner Kleidung versank das Geschöpf farblich fast im Stamm, nur die, von der Nässe verdunkelten, Haare machten sie noch sichtbar. Tieftraurig streichelte Tuilinn dem weißen Hengst über den Nasenrücken. Ihr war bewusst, dass auch das Tier sich Sorgen um Elinol machte.

Tawarên seufzte. Seit sie ins Lager zurückgekehrt war, saß sie nun da im Regen und der Hengst leistete ihr Gesellschaft. Sorge machte sich im Herzen des Elben breit. Sie verweigerte Nahrung, Trinken und Schlaf. Das Mädchen saß einfach nur da und wartete, entweder auf Elinol oder auf ihren Tod.
 


 

Gnadenlos prasselte der starke Regen auf die Bäume des Düsterwaldes ein, die ihm kaum noch standhalten konnten. Kalter, schneidender Wind drückte die Baumspitzen zur und ließ das Holz ächzend knacken.

Ein einzelner Tropfen kühlen Regenwassers hing an einer Fichtennadel und wartete auf seinen Fall. Lautlos fiel er in die Dunkelheit unter ihm und zersprang auf ausgekühlter, aber lebender Haut. Tausende kleinere Tropfen rannen eine winzige Falte rötlicher Haut hinab, um sich in der Lippenspalte zu ihrer vollen Größe zu sammeln, bevor sie im Inneren der Mundhöhle verschwanden. Weitere Tropfen folgten, bedeckten bald das ganze Gesicht mit tränenartigen Spuren. Langsam zogen sich die dunkelblonden Augenbrauen zusammen und zögerlich hoben sich die Lider. Mit schmerzverzerrtem Gesicht, atmete er ein. Sein Kopf und auch Teile seines Körpers schmerzten, aber er lebte. Er blieb liegen und starrte nach oben. Die Orks mussten ihn sehr tief in den Wald geschleppt haben. Es war still und lichtlose Dunkelheit umgab ihn. Wollten sie ihn hier sterben lassen, warten bis er verblutet, verhungert oder verdurstet war?

Weitere Tropfen fielen auf ihn herab. Regen? Es musste schon sehr lange und sehr stark regnen, damit nur ein bisschen durch die dichten Kronen drang. Er öffnete seinen Mund und ließ einige Tropfen hineinfallen. Wie lange lag er schon hier?

Vorsichtig versuchte Elinol sich aufzusetzen. Zaghaft tastete er sich an den gepeinigten Hinterkopf und spürte getrocknetes Blut, sein Blut. Er kniff die Augen zusammen, um den Schmerz soweit wie möglich zurückzudrängen. Seine Finger tasteten sich über feuchten Boden und spürten Vertiefungen auf. Abdrücke von Orkfüßen und die Schleifspur seines eigenen Körpers. Sie wollten wohl tatsächlich, dass er durch die Umstände und nicht durch ihre Hand starb. Aber warum?

Alles andere als edel und elbisch, kroch Elinol auf allen Vieren durch die Dunkelheit. Er musste die Spur zu dem Ort zurückverfolgen, wo er den Rotäugigen gestellt hatte. Der Rotäugige. Er kannte ihn. Das Biest gehörte ganz sicher zu seiner Vergangenheit, aber das war völlig unmöglich oder etwa doch nicht?
 


 

Legolas und Tawarên schauten auf, als Ithildin das Zelt betrat. In seinen Händen hielt er eine Schüssel Suppe und um sein Handgelenk baumelte eine silberne Feldflasche. Unter den drängenden Blicken der anderen Beiden, schüttelte er betrübt den Kopf. "Aber sie muss doch irgendwann etwas essen, wenigstens etwas trinken", warf Tawarên ein. Es war nun der dritte Tag, an dem sie wieder nichts zu sich nahm. Bald würde sie zu erschöpft sein, um auch nur an eine Weiterreise zu denken. Andererseits war auch gar nicht daran zu denken, das Mädchen weigerte sich, ohne Elinol weiterzureisen und Norui gab ihr dabei auch noch tatkräftige Unterstützung. Legolas seufzte und ließ sich auf seine Hängematte fallen. So hatte das einfach keinen Sinn. Sie mussten hoffen, dass Elinol noch lebte oder das Mädchen würde auch sterben.
 

Jeder Schritt gab ein schmatzendes Geräusch von sich. Je näher er dem Waldrand kam, desto feuchter wurde der Boden und klarer die Luft. Dol Guldur wurde immer weiter hinter ihm gelassen. Erschöpft stemmte Elinol sich kurz gegen einen Baum. Er kannte diesen Flecken Waldboden, auf den nun rötliches Morgenlicht fiel. Hier wurde er niedergeschlagen. Er hatte die Spuren tatsächlich bis hierhin zurückverfolgen können. Erleichtert atmete er die kühle Luft ein. Ab jetzt war es nur noch ein Spaziergang von gut einem Tag, bis er das Lager erreichen würde, wenn sie noch da waren.
 

Enttäuscht kehrte Dhoron mit einer vollen Schüssel Suppe zurück zum Hauptzelt. Die Kapuze des Mantels hatte er tief ins Gesicht gezogen, um den Regen so wenig wie möglich auf seiner Haut zu spüren. Es machte ihn traurig, das Mädchen so zu sehen, mitzubekommen, wie sie sich selbst zerstörte. Ob Elinol diese schmerzvolle, bedingungslose Treue zu schätzen wusste?
 

Regentropfen zersprangen auf dem grauen Stoff der Kapuze, bevor sie von diesem gierig aufgesogen wurden. Müde blickten die versteckten Augen über das Lager. Kleine Feuerstellen, vor dem Wasser geschützt, spendeten Wärme und Licht. Auch wenn einige Elben lachten und scherzten, herrschte doch bedrückende Unkenntnis über sie. Am anderen Ende marschierte eine Wache, die Waffen und das silberbeschlagene Signalhorn griffbereit. Ermutigt und froh setzte der Ankömmling seine schlammverschmierten Stiefel vorwärts.
 

Auch wenn er nicht glaubte, dass sich am fünften Tag etwas getan hatte, schaute Tawarên dennoch hoffnungsvoll auf, als Dhoron ins Zelt trat. Kopfschüttelnd stellte der junge Elb die Schale auf den Tisch. Von der Hängematte des Prinzen kam ein Seufzen. Er konnte das Mädchen gut verstehen, schon einige hatte Legolas an verwundetem Herzen dahinsiechen sehen, aber noch war nicht klar, ob Elinol wirklich tot war.

Erschrocken sahen alle auf, als nach Dhoron noch jemand ins Zelt trat. Der Mantel, den die Gestalt trug, war an einigen Stellen zerrissen, völlig durchnässt und am Saum schlammbespritzt. "Danke, dass ihr gewartet habt", sprach die Person trocken und verneigte sich etwas vor dem Prinzen. Mit einer raschen Handbewegung streifte die rechte Hand, die Kapuze herunter und ein bekanntes Gesicht kam zum Vorschein. Einige Kratzer zogen sich über die Wangen, davon einer ganz besonders tief, die Augen waren müde, doch es war eindeutig Elinol. Erfreut lächelte Legolas. "Du hast uns gefehlt, Hauptmann Elinol Brethilion."

Der Ankömmling konnte sich nicht einmal hinsetzen, da stand Tawarên schon bedrohlich vor ihm. Die Arme vor der Brust verschränkt, musterte er seinen Schwager eindringlich. "Du bist reichlich spät." Elinol versuchte sich erst gar nicht in einem Lächeln. "Verzeih mellon, ich wurde von ein paar Orks aufgehalten." Sein Blick wanderte zu Legolas. "Ich glaube zu wissen, mit wem wir es hier zu tun haben, auch wenn es unmöglich klingt." Interessiert und dennoch skeptisch hob der Prinz eine Braue. "Du solltest uns davon berichten, sobald du ausgeruht bist, du siehst müde aus." Elinol nickte dankbar. Er war wirklich müde und erschöpft. Gemächlich erhob er sich, um sich irgendwo einen Schlafplatz zu suchen, da fühlte er Tawarêns Hand bereits auf seiner Schulter. Verwirrt drehte er sich zu seinem Freund, der ihn besorgt ansah. "Ich habe mein bestes versucht und dennoch geht es deinem Vögelchen schlecht. Weder singt es, noch frisst es, ich glaube, es ist krank vor Sehnsucht. Vielleicht solltest du es deinem Schlaf vorziehen." Elinol verstand sofort, worauf der Hellblonde hinaus wollte, er hatte sich schon gewundert, dass sie nicht auch im Hauptzelt war. "Wo ist sie?"
 

Vorsichtig näherte er sich dem Baum, auf dessen Wurzel sie wartete. Ihre Kleidung war bereits völlig durchnässt und klebte teilweise an ihrem ausgekühlten Körper. Norui war immer noch bei ihr und versuchte ihr Gesellschaft zu leisten.

Als Elinol sie so sah, ein Bein angezogen, das andere angewinkelt davor liegend, den Kopf mit leeren Blick abgewandt und den Regen unablässig auf den zierlichen Körper prasselnd, wurde ihm bewusst, was es eigentlich gewesen war, was ihn zurückgeführt hatte. Sein Herz schmerzte, als er sie so sah, aber es war ein angenehmer Schmerz, als ob etwas, was zuerst brutal herausgerissen worden war, wieder eingenäht worden war.

Lange stand er einfach nur so da und betrachtete das Mädchen. Er wusste selber nicht, warum er nicht zu ihr ging. Um sie nicht zu erschrecken? Oder ihr seinen Anblick zu ersparen?

Sein Kopf wandte sich zu Norui, als dieser erfreut schnaubte. Der Hengst hatte ihn längst bemerkt und begrüßte seinen Herren nun laut genug, dass auch Tuilinn es mitbekam. Erst zögerlich, dann ruckartig hob sie ihren Kopf und sah den Ankömmling an. Ihre Blicke trafen sich und dennoch blieb das Mädchen erst ungerührt. Vorsichtig kam Elinol, unter ihrem kritischen Blick näher. Er konnte sehen, wie ihre Züge weich worden, als sie ihn endlich erkannt hatte. Heiße Tränen traten aus ihren Augen und verloren sich im Regenwasser auf ihrer Haut. "Elinol?" flüsterte sie leise.

Weitere Tränen flossen dem fassungslosen Mädchen die Wangen hinab. Hastig richtete sie sich auf der Wurzel auf und musterte den Elben erneut, um sicher zu gehen, dass er es auch wirklich war. Ein scheues Lächeln legte sich über seine Lippen. Nie hätte er zugegeben, dass auch er den Tränen nahe war, so erleichtert war er, sie wieder zusehen. "Filigod, was machst du hier im Regen?" Die Halbelbe fuhr sich mit einer Hand über das nasse Gesicht. Das konnte nur Elinol sein.

Überrascht fing der Elb seine Liebste auf, als diese auf ihn zusprang und ihre Arme um seinen Nacken schlang. Noch immer hatte sie nicht aufgehört zu weinen. Verzweifelt umarmte sie den Mann und drückte sich an ihn. "Elinol, melethron...bitte, bitte halt mich fest. Ich hatte solche Angst, solche Angst...bitte halt mich fest und lass mich nie wieder los." Ihre Stimme wurde von Schluchzern geschüttelt und verzerrt. Sanft strich Elinol ihr über die nassen Haare. Ein unglaublich warmes Gefühl ging von ihrem Körper aus, obwohl dieser völlig ausgekühlt war. Allein ihre Nähe machte den Elben glücklich und ließ ihn die Schrecken der letzten Tage, den Hunger und die Müdigkeit vergessen. Wann war sie bloß so wichtig für ihn geworden? Tuilinn war sein Lebensinhalt, seine Seele, sein Herz und deswegen tat es auch weh, sie so zu sehen. "Du bist ein leichtsinniger kleiner Vogel." Vorsichtig zog er ihren Körper noch enger an seinen und drückte ihren Kopf etwas an seine Brust, um mit den Fingern durch ihre Haare zu gleiten. "Ich kann dich wohl nicht eine Minute aus den Augen lassen, mein geliebtes Vögelchen."

Tuilinn schluchzte immer noch. Tränen der Erleichterung perlten aus ihren Augen. Ob er auch nur annähernd ahnte, wie gut seine Nähe ihr tat? Nicht nur für die Seele, sondern auch für ihren Körper, der nun endlich nicht mehr schmerzte und sich nach etwas sehnte, was sie ihm nicht geben konnte. Vermutlich wusste er es, weil es ihm selber nicht anders ging. Wie schön, wie unendlich angenehm, war es, das Wesen, dem er sein Herz gegeben, mit dem er eine Seele teilte, an das er Tag und Nacht dachte, festhalten zu können. Nie, niemals in allen kommenden Zeitaltern Ardas würde er sie wieder loslassen, sich von ihr lösen und schon gar nicht dem Rotäugigen überlassen. Nicht solange auch nur ein Tropfen Blut durch seine Adern floss und seine Hand noch genug Kraft besaß, ein Schwert zu heben.
 

Das Mädchen schien immer noch zu weinen, als Elinol es sanft von seinem Körper löste und ihm versuchte ins hübsche Gesicht zu sehen, doch Tuilinn hatte er verweintes Antlitz abgewandt. Er sollte nicht unbedingt sehen, wie schwach sie doch eigentlich war. "melethril nin tiro vo"[1], flüsterte er liebevoll, während er mit sanftem Druck ihr Gesicht zu sich drehte. Nur widerwillig blickte Tuilinn Elinol an, zu hässlich fand sie sich in dem Moment, doch war ihm das egal. "avnallo filigod nîn."[2] Sie sagte nichts, stattdessen fielen weitere Tränen hinab. Ein sanftes, liebevolles Lächeln legte sich auf Elinols Lippen, bevor er sich zu ihr hinabbeugte und mit den gleichen Lippen einige Tränen von ihrer nassen Haut küsste. Er konnte spüren, wie ihre Finger sich vorsichtig in die Haare krallten, die über seine Brust gefallen waren. Die Kraft in ihren Händen war nicht stark, zu geschwächt war ihr Körper nach Tagen der Nahrungsverweigerung und des Ausharrens im Regen.
 

Zufrieden stellte Tuilinn die geleerte Schale zur Seite und schaukelte sitzend in ihrer Hängematte. Elinol, der ihr gegenüber saß, musste über ihren Anblick lächeln. Wie ein kleines Kind oder ein gesättigter Welpe, sah sie nun aus. "Was grinst du so?" fragte sie ihn unverblümt mit einem verständnislosen Gesichtsausdruck. Der Elb schüttelte kurz den Kopf. "Ach nichts. Ich musste nur über etwas nachdenken." Fragend legte sie ihren Kopf zur Seite und blickte den Honigblonden neugierig an. "Worüber?" Dieser stand jedoch wortlos auf und ging um sie und die Hängematte herum. Ein spitzer, aufgeschreckter Schrei entwich ihrer Kehle, als Elinol sie an den Schultern zurückzog und sie das Gefühl hatte, in die Tiefe zu stürzen. Irritiert blinzelte sie, als sie sein Gesicht über ihrem sah. "Nur darüber, wie schön du bist." Falten der Verwirrung zeichneten sich auf der Stirn des Mädchens ab. Er war so anders, als sonst, irgendwie gelassener und er schien äußerst erleichtert. Weil er Orks und Tod entkommen war?

"Du spi..." Sie konnte den Gedanken nicht zu Ende aussprechen, denn sie verlor ihr Gleichgewicht und fiel aus der schaukelnden Matte. Elinol, an dem sie sich festzuhalten versucht hatte, wurde unglücklicherweise mit zu Boden gerissen und fand sich schließlich über ihr wieder. Nur widerwillig öffnete sie ihre Augen, als sie Elinols Stimme hörte. "Ist dir was passiert?" Warum musste auch immer wieder sie abstürzen? "Ja, nichts passiert." Sie hatte ihre Augen nun ganz geöffnet und verstummte, als sie der Situation gewahr wurde. Mit den Armen abgestützt, kniete Elinol über ihr. Seine Augen funkelten eigenartig und sein duftendes, frisch gewaschenes Haar fiel bis in ihr Gesicht.

Einige Zeit oder nur einen Augenblick an, waren sie nur in den Augen des anderen gefangen, bis Elinol sich zu ihr hinunterbeugte und den letzten Weg bis zu ihren Lippen überbrückte. Erst zurückhaltend, dann immer verlangender, ging Tuilinn darauf ein. Es war ein berauschendes Gefühl, ihn zu schmecken und zu spüren. Schnell schlang sie ihre Arme um seinen Nacken und ließ ihre Fingerspitzen mit seinem feuchten Haar spielen. Erst, als seine Lippen zu wandern begannen und seine Hand über ihren Körper streichelte, machte sich ein unangenehmes Gefühl in ihrer Magengegend breit.

Sie versuchte sich zu weigern, es zu genießen, wie er ihren Hals liebkoste oder seine Hand über ihren Körper und ihr langes Haar strich. Als er schließlich den Stoff ihres Kleides weg schob und begann an ihrem Schlüsselbein zu knabbern, war es ganz aus. "E...li...nol.....ni...nicht", stöhnte sie in einer Mischung aus Verlangen und Ablehnung, während sie ihre Hände gegen seinen Brustkorb stemmte. Langsam hob er seinen Kopf und lächelte sie vorsichtig an. "Keine Angst melethril, wir haben dafür noch unser ganzes Leben lang Zeit und etwas für die Hochzeitsnacht." Sein Lächeln wurde zu einem, für ihn völlig untypisches, schelmisches Grinsen. Schon wieder die Hochzeit und was noch dazu gehörte. Allein der Gedanke daran, ließ Tuilinn rot werden, was auch Elinol nicht entging. Wortlos blickte sie zu ihm, als er sich lachend ihrem Ohr näherte. "Ich liebe es, wenn du rot wirst", hauchte er, bevor er sich erhob und ihr aufhalf. Durch seine Worte war das Mädchen noch roter geworden und wusste nun gar nicht mehr, wo sie hinschauen sollte, als sie seinen Kuss auf ihrer Wange spürte. "Ich muss noch etwas mit Legolas bereden", erklärte er, während er sich seinen Mantel überstreifte. "Ich werde bald zurück sein, keine Angst." Den letzten Satz, hing er dran, als er den besorgten und leicht verängstigten Blick seiner Liebsten ansehen musste. Es gefiel ihr nicht, schon wieder von ihm getrennt zu sein, auch wenn es nur für kurze Zeit war.
 


 

Tuilinns ganzer Körper zuckte zusammen, als jemand sie von hinten überraschte und seinen Arm um ihren Bauch schlang. Tief atmete sie einmal ein, um sich zu beruhigen. "Du bist ja schon wieder da." Sie nahm an, dass es Elinol war, der ihr warmen Atem in den Nacken blies. Umso erschrockener war sie, als sich die zweite Hand auf ihren Mund presste. Ihre Augen weiteten sich und panisch begann sie um sich zu schlagen, als ihr leichter Körper angehoben und weggetragen werden sollte. Ihre Beine strampelten in der Luft und ihr Fuß flog gegen eine der offen brennenden Kerzen und stieß diese gegen die dünne Zeltwand. Augenblicklich fing der Stoff Feuer und stand in lodernden Flammen.

In ihr Ohr zischend, schleppte der Ork sie vom Lager weg. Er hatte schon Mühe genug gehabt, unbemerkt zu ihrem Zelt durchzudringen, aber mit diesem zappelnden Weibsstück, war es nahezu unmöglich auch unbemerkt wieder wegzukommen.
 

Lärm brach im Lager aus und veranlasste Elinol, das Hauptzelt zu verlassen. Er hielt einen vorbeilaufenden Soldaten am Arm fest. "Was ist hier los?" fragte er den anderen Elben schroff. "Wir werden angegriffen Hauptmann. Sie haben die Wache getötet und das Zelt der rodwen angezündet", antwortete der Soldat knapp. Elinol ließ ihn los und begann sich eilig umzusehen. Wenn ihr Zelt in Flammen stand, wo war sie dann?

Ein lauter Schmerzensschrei, etwas entfernt vom Lager, forderte seine Aufmerksamkeit. Tuilinn hatte ihrem Entführer mit aller Kraft in die Klaue gebissen. "ELINOL!" hörte er sie rufen, bevor er sie auch endlich sehen konnte. Das Mädchen wurde über die Schulter eines der Orks geworfen. Verzweifelt stützte sie sich an dessen Rücken ab und schlug immer wieder auf ihn ein. "ELINOL!" rief sie wieder und machte nun auch die Orks auf ihn aufmerksam. Hastig stürmten sofort einige auf ihn zu.
 

Schweflige Feuerpfeile regneten auf das Elbenlager nieder. Wer von ihnen nicht kämpfte, versuchte das Feuer zu löschen, das selbst dem Regen standzuhalten schien. Die Pferde wieherten aufgeregt, rissen sich los und trampelten, in Panik versetzt, durch das Lager. Die angreifenden Orks, ließen Elinol nicht zu Tuilinn durchkommen, die sich immer weiter entfernte.

Es war schnell vorbei. Tuilinn und die Orks waren nur noch schattige Flecken in der Ferne, die angreifenden Orks und ein oder zwei Elben tot und das Lager völlig zerstört. "Noch können wir sie aufhalten", hörte Elinol Ithildin neben sich. Der Hellblonde hatte bereits den Bogen angelegt und wollte auf Tuilinns Träger schießen, als sein Hauptmann seine Hand vor die Pfeilspitze schob. "Sie sind auch für dich zu weit entfernt. Der Pfeil könnte nicht zwischen Tuilinn und dem Vieh unterscheiden." Seufzend ließ Ithildin seinen Bogen sinken und entspannte die Sehne. "Und was hast du vor?" Elinol antwortete nicht, sondern stieß einen schrillen Pfiff aus, mit dem er Norui anlockte. "Sie verfolgen", meinte er, als er mit einem geschmeidigen Sprung auf den nackten Rücken des Pferdes sprang, doch er wurde aufgehalten. "Elinol, bleib hier!" Es war Legolas' ungewöhnlich scharfe Stimme. Mit finsterem Blick drehte der Hauptmann sich zu ihm um. "Es ist nicht gut, wenn du allein die Verfolgung aufnimmst."

"Aber mein Prinz...", versuchte der Honigblonde einzuwerfen. Legolas unterbrach ihn mit einer Handbewegung. "Es wird sicher länger dauern, bereite dich auch darauf vor." Irritiert blickte Elinol an sich herab und bemerkte erst jetzt, dass er weder genügend Waffen, noch einen Sattel hatte.
 

Mit starrem Blick sah Elinol die Sonne, ihre ersten roten Strahlen über den Horizont werfen. Nur beiläufig hörte er noch Legolas' Worten zu. Sie hatten soviel Zeit verloren und waren nun auf die Spuren angewiesen, die die Orkherde hinterlassen hatte. Tawarên würde ihn begleiten, kein schlechter Spurenleser, aber bei Weitem nicht so gut, wie Ithildin, doch dieser wurde angewiesen, die Schwerverletzten des letzten Angriffes in den nahegelegenen Goldenen Wald zu bringen. Er hätte Elinol sicher gern begleitet, aber auch er war der Meinung, dass er für diese Aufgabe besser geeignet war, zumal sich eine gewisse Elbe darüber sicher freuen würde.

"Versuch bis zum Winter zurück zu sein!" ermahnte Legolas. Elinol nickte nur. Viel Zeit war es nicht, aber mehr konnte der Prinz wohl auch nicht bei seinem Vater herausschlagen. "Dann leb wohl und bring sie heil zurück." Der elbische Prinz gab seinem Pferd die Sporen und machte sich, von Dhoron begleitet, auf den Weg zurück zu den Waldelbengebieten. Er musste seinem Vater Bericht erstatten und auf Hilfe von diesem hoffen.

Auch Ithildin wünschte seinem Hauptmann und Freund viel Glück, bevor dieser und Tawarên in schnellem Galopp die Verfolgung aufnahmen. Sie konnten nur hoffen, dass Tuilinn noch unversehrt war und die hinterlassenen Spuren deutlich.
 


 

[1] "Liebste, sieh mich an"

[2] "Weine nicht mein kleiner Vogel."

Quer durch Mittelerde

Sorry, dass es so lang gedauert hat, aber ohne Comp is schlecht arbeiten ^^°

Ein großes Dankeschön an AmazoneShampoo, weil sie netterweise Beta gelesen hat *knuddel*
 


 

Allein das starke Elbenblut in ihren Adern, ließ Tuilinn die Strapazen der letzten Wochen durchhalten. Ihre Füße schmerzten und das grobe Seil um ihre Handgelenke schnitt sich in das zarte Fleisch, aber sie sagte nichts. Auch wenn ihr Körper vor Müdigkeit nur noch vorwärts stolperte, versuchte das Mädchen Haltung zu wahren. Allein der Gedanke, was sie mit ihr anstellen könnten, wenn sie zu erschöpft zum Weitergehen war, hielt sie aufrecht.

Auch wenn sie sich dagegen sträubte, zitterten ihre Knie. Ihr Körper war dem Zusammenbruch nahe, erst die Tage ohne Nahrung und im kalten Regen, in denen sie auf Elinol gewartet hatte und nun der lange Marsch ohne Pause. Kraftlos gaben ihre Beine nach und sie sank auf den grasbedeckten Boden. Augenblicklich war das andere Ende ihrer "Leine" zur Stelle und zischte sie drohend an. Müde blickte sie zu dem Vieh auf. Bei Tageslicht sah der Ork noch widerlicher aus. Die spitzen Ohren seitlich abstehend und mit tiefen Rissen versehen, die Augen unnatürlich glänzend und die Haut matt und kränklich wirkend. Moment mal, bei Tag? Wieso Tag? Irritiert sah Tuilinn in den Himmel, an dem die Sonne hinter all der dünnen Wolkendecke nur als bleiche Scheibe erkennbar war. Wieso marschierten die Orks tagsüber? Sie hassen die Sonne. Oft hatte Mithrandir ihr erklärt, dass Orks und auch Trolle die Sonne meiden wie die Pest. Sie sind Morgoths Geschöpfe. Nur die Dunkelheit ist ihnen heilig. Ihre Augen musterten den Ork vor ihr, suchten nach einem Anhaltspunkt für seine Abnormität, doch da war nichts. War es ein Zauber, Magie, die diese Herde aufrecht erhielt?

Wieder zischte der Ork sie an und wackelig versuchte das Mädchen sich aufzurichten. Ihr Wille war jedoch bei Weitem stärker, als ihr Körper. Sie konnte einfach nicht mehr. Hilflos sah sie auf, als der Ork ihr Kinn festhielt. Der schmerzhafte Druck, der sogar ihr Blut abschnürte, veranlasste sie, den Mund zu öffnen. Tuilinns Augen weiteten sich entsetzt. Das Vieh hielt eine lederne Feldflasche in der anderen Hand und drehte mit den Zähnen den Verschluss auf. Übler, stark alkoholischer Gestank entwich dem Gefäß. Es war zwecklos auszuweichen. Hastig flößte das Untier dem Mädchen einen kräftigen Schluck des orkischen Schnaps ein, bevor er es los lies und die Flasche wieder verschloss.

Tuilinn würgte. Das Zeug brannte in ihrem Körper und ein unnatürlich heißes Gefühl gab ihr neue Kraft. Es fühlte sich schlecht an, wie ein Glutofen, der in ihrem Inneren entfacht worden war. Der Ork riss sie auf die Beine und schleppte die Halbelbe hinterher. Ihr war schlecht und am Liebsten hätte sie sich sofort übergeben, nur um das Gefühl wieder loszuwerden. Was war das nur für Schnaps? Sie schüttelte ihr zerzaustes Haar. Nein, das wollte sie lieber nicht wissen. Wer weiß, aus was es bestand, denn aus Pflanzen sicher nicht. Orks waren nicht gerade berühmt für ihren Weizen- oder Obstanbau, der normalerweise für das Herstellen alkoholischer Getränke nötig war.

Der Schnaps breitete sich in ihrem Blut sofort aus und ermöglichte es dem Mädchen, den Marsch wieder durchzuhalten, auch wenn sie nun pochende Kopfschmerzen hatte. Ihre Augen wanderten angestrengt zu allen Seiten, um die Gegend zu erhaschen. Wo wurde sie hingebracht? Neben dem Orkgestampfe konnte sie das sanfte Murmeln eines Flusses hören. Er musste westlich von ihnen liegen und mächtig sein. Die Erkenntnis weitete ihre Augen. Es war der Anduin. Es konnte nur der Anduin sein. Die Reise ging nach Süden, aber warum? "Süd-Gondor", murmelte sie leise. Es war wie ein Kreis, der seinen Anfang und sein Ende in Süd-Gondor besaß. Dort sollte sie also die Antworten erfahren, aber von wem? Wieder blickte sie sich um, musterte jeden Ork einzeln, doch er war nicht dabei. Wo war der Rotäugige? Der Teil ihrer Vergangenheit, der für alles verantwortlich schien? Sicher wartete er schon irgendwo.
 

Ein kalter Wind wehte über die Ebene und ließ Tawarêns Mantel aufflattern. Lagor schnaubte unruhig und scharrte etwas mit dem Huf. Der üble Gestank von Orks hing noch in der Luft. "Sie sind uns noch etwa einen Tag voraus", erklärte Tawarên, der auf dem Boden kniete und mit den Fingern in einem Fußabdruck wühlte. Sein Arm wurde zurückgezogen, als Lagor nervös am Zügel zog. Der Hengst war abgekämpft und schwitzte, trotz der Kälte. Sein Reiter erhob sich und schwang sich wieder in den Sattel. "Was glaubst du, wo sie hinwollen?" Elinol blickte starr geradeaus. Sein Gesicht verriet seine Sorge nicht einmal annähernd und durch die blaublitzenden, konzentrierten Augen, erhielt es zusätzlich etwas Kaltes, Unnahbares. "Führt die Spur östlich?" Unschlüssig musterte der Hellblonde seinen Schwager. Diesen Tonfall seiner Stimme hatte er schon lange nicht mehr gehört, dunkel, eisig und abweisend. "Nein", antwortete er und konnte ein höfliches und verängstigtes "Herr" gerade noch unterdrücken. Elinol zog die Zügel an und ließ Norui sich etwas drehen, bevor er den Hengst weiterlaufen ließ. "Sie meiden die Braunen Lande und über Dagorlad werden sie auch nicht gehen. Wenn wir uns beeilen, holen wir sie in den Emyn Muil ein." Tawarên runzelte die Stirn, während er Elinol hinterher sah. Den Honigblonden umgab eine merkwürdige Atmosphäre. Er war aufgebrochen seine Liebste zu retten und war nun so leidenschaftslos, völlig kalt und gefühllos.
 

Tuilinn hatte Probleme mit ihren gefesselten Händen über die spitzen, scharfkantigen Felsen zu klettern. Als sie das letzte Mal hier war, war der Weg durch die Emyn Muil schon beschwerlich gewesen, jeder Fehltritt bedeutete, auf den hochragenden, scharfen Felsen aufgespießt zu werden, aber nun war es die reinste Tortur. Allein der Orkschnaps, der immer noch in ihrem Körper brannte, ließ sie weiterlaufen.

Nur kurz verweilte sie und blickte hinter sich, sehnsüchtig darauf wartend, dass Elinol auftauchte, um sie zu retten und dann wünschte sie es sich doch nicht. Erschrocken konnte sie gerade noch verhindern, das Gleichgewicht zu verlieren, als der Ork an ihrem Seil zog und sie zum Weitergehen zwang. Mit mulmigem Gefühl wanderte ihr Blick einen kniehohen Felszacken entlang, während sie an ihm vorbeiging. Wieso gingen sie diesen Weg? Wollten die Orks über die Totensümpfe nach Mordor? Innerlich schüttelte sie den Kopf. Das war lächerlich, selbst sie waren nicht so dumm, direkt durch die Sümpfe zu gehen. Sie wollten wohl doch nach Süden. Aber warum? Was erwartete sie dort? Oder wer?
 

Unschlüssig schauten Lagors große Augen, zwischen den langen Wimpern, zu den spitzen Felskanten hinauf. Beunruhigt stieg Tawarên aus dem Sattel und zog den Hengst ein Stück hinter sich her, zum Anfang eines schmalen Bergpasses. Er hatte eine weitere Spur entdeckt und kniete sich zu den tiefen Abdrücken im feuchten, schlammigen Boden. Die Herde war wirklich in den Emyn Muil. Nachdenklich schaute der Elb auf, hoch zu den Bergspitzen. Dieses Gebirge war gefährlich. Seine Anfänge verschmolzen nicht mit dem Umland, sondern die abweisenden Berge ragten daraus hervor, wie Nadeln, durch dünnen Stoff gestochen. Eine ewig bedrückende, düstere Atmosphäre hing, statt Höhennebel, über den Bergspitzen und der Ruf der Adler war hier schon lange verstummt. Ein Friedhof aus Stein und Fels.

Nicht ein Tropfen zähen Schlammes spritze auf, als auch Elinol aus dem Sattel sprang und auf dem feuchten Boden landete. Nach den Braunen Landen, erschien dieser Ort wieder, wie eine von Saurons Folterkammern. Es hatte noch vor kurzem geregnet, nicht so stark, wie weiter im Norden, aber ausreichend, damit die schweren Orks Spuren hinterlassen konnten. "Wir folgen ihnen." Entsetzt drehte Tawarên sich zu seinem Freund. "Wie stellst du dir das vor? Es wäre besser, wenn wir am Flussufer bleiben oder das Gebirge umgehen." Ruhig und mit ausdruckslosen, matten Augen begutachtete Elinol die Felsen. Es würde mindestens eine Woche dauern, sie zu überqueren, genauso lang, wie ein Ritt drum herum, doch wäre die Gefahr zu groß, die Herde zu verpassen und die Spur zu verlieren. Allerdings war es auch unmöglich durch die Berge zu gehen, nicht mit Lagor und Norui. Die Pferde waren keine Lastponys oder Maulesel, die problemlos in Gebirgen eingesetzt werden konnten, es waren Jagd- und Schlachtrösser. Ein falscher Schritt und ihre Beine würden brechen. Die Tiere waren zu wertvoll, um ihnen diese Gefahr zuzumuten. Es blieb nur noch der Weg am Ufer entlang, mit der Hoffnung, nicht auf ein Hindernis zu stoßen. "Wir halten uns an den Anduin, bis wir zum Raurosfall kommen. Sie müssen dort auftauchen und mit etwas Glück, schneiden wir ihnen den Weg ab." Wieder einmal war Tawarên irritiert von der Nüchternheit seines Hauptmannes. Es war schlimmer, als im Krieg. Dort war er kalt zum Feind, weil sich das Leben so besser verteidigen lassen konnte, aber nun war er es, weil er den Feind mit allen Mitteln töten wollte.

Mit mulmigem Gefühl im Magen, saß Tawarên wieder auf und tätschelte dem nervösen Lagor den Hals. Auch der Hengst spürte allmählich die Veränderung Elinols. Diese Kälte war nicht normal, selbst für einen Elben wie Elinol. Der Wille zu töten und die Verbitterung durch ständig verwährten Glücks, ließen die, sonst strahlende, elbische Aura um ihn herum wie schwarzen Nebel erscheinen. Nur sehr widerwillig folgten Pferd und Reiter dem Hauptmann und Norui nach Osten, zwischen die grünen Bäume, welche entlang des Flusses wuchsen. Er war nicht nur ein Vorgesetzter und Anverwandter, Elinol war immer noch Tawarêns Freund, sein bester und innigster und damit der Treue des Hellblonden gewiss. Tawarên konnte gar nicht anders, als ihm zu folgen.
 

Verwirrt blickte Tuilinn auf, als die Herde den geraden Weg nach Süden verließ und einen Pfad nach Westen einschlug. Immer näher kam ein lautes Donnern und Grollen, je geringer der Abstand zum Flussufer wurde. Sie konnte sich nicht erklären, was diese Biester am Fluss wollten. Baden sicher nicht, denn sie hassten das Wasser, fast so sehr wie Tageslicht, aber diese Orks waren ohnehin anders.

Ängstlich drehte das Mädchen ihren schweren, müden Kopf zu den Felsen, die hinter den lichten Bäumen standen. Ob Elinol wohl auch unbeschadet durch die Emyn Muil gekommen war, wenn er sie denn überhaupt verfolgte? Und wieder wünschte und wünschte sie es sich nicht, dass er jeden Moment auftauchen würde.

Mit einem Ruck, zog ihr Wächter sie durch die letzten Bäume. Das Donnern war bereits ohrenbetäubend und verschluckte jedes andere Geräusch. Verunsichert sah das Mädchen auf den neuen Untergrund, ein breiter Streifen angeschwemmten Kiesels und Sandes, der immer wieder von heranrollendem Wasser bedeckt wurde. Langsam hob Tuilinn ihren Kopf und öffnete überrascht den Mund. Mehrere treppenförmige Steine ragten aus dem Fluss hervor, dort wo das Wasser immer weiter abflachte und an einem dieser Steine, lag ein Schiff. Das Holz war völlig schwarz, wie Holzkohle und an den drei Mästen, wehten schwarze Segel, von denen das Hauptsegel ein merkwürdiges Zeichen trug, ein dunkelrotes Schwert, um dessen Klinge sich ein silbernes Band, nein, viel eher eine Schlange, ringelte.
 

"Sieh dir das an!" Beeindruckt stand Tawarên am Abhang, neben ihm der tosende, gewaltige Raurosfall. Elinol konnte ihn nur verstehen, weil er direkt neben ihm stand. Es war wirklich beeindruckend, ein riesiges, schwarzes Schiff, schlank und bedrohlich. Angst einflössend lag es nahe dem Flussufer vor Anker. Stirnrunzelnd musterte Elinol seine Umgebung und hielt verwirrt die Luft an. Da waren nur Orks, nicht ein Mensch oder ein anderes Wesen, dem das Navigieren eines Schiffes zuzutrauen war. "Die sind nicht normal", zischte Tawarên mehr zu sich selbst. Es war völlig unnatürlich, dass Orks Schiffe steuerten, sie waren schlicht und ergreifend zu dumm und grob dafür. Da musste mehr dahinter stecken.

Elinols Blick wanderte weiter und blieb an etwas hellem, inmitten der dunklen Orks, die sich ihren Weg zum Einstieg des Schiffes bahnten, hängen. Tuilinn, es war Tuilinn. Ihm war, als würde sein Herz aussetzen, als er sie so sah. Ihre Kleider waren zerfetzt, die schönen Haare zerzaust und ihr Körper schien erschöpft. Blinde Wut und unbändiger Hass stieg in ihm auf. Das würden diese Biester büßen. Er würde sie alle töten, ohne Gnade.
 

Tuilinn wurde unbarmherzig weiter gestoßen. Dass kalte Wasser des Anduin kroch immer weiter ihren Körper hinauf und erst, als es schon ihre Hüfte umspülte, konnte sie den ersten Fuß auf die Steintreppe setzen. Kurz verweilte sie dort zitternd und blickte zu dem donnernden Wasserfall. Sie war schon einmal mit Mithrandir hier gewesen und stellte nun fest, dass sich nichts an dem Anblick verändert hatte. Unzählige Wassermassen flossen den Abhang hinunter und bildeten, beim Aufprall, einen feinen, weißlichen Sprühnebel. An der oberen Kante ragten einige Felsen wie Zähne aus dem Wasser. Gemächlich wanderten ihre Augen jeden einzelnen dieser Zähne ab, bis ihr etwas am Ufer auffiel. Nur schwerlich von den dunkelgrünen Bäumen daneben und dahinter abzugrenzen, standen dort zwei Personen, ohne die flatternden, blonden Haare hätte sie die beiden Krieger sicher übersehen. Das Mädchen spürte förmlich, wie einer von ihnen sie ansah und selbst bei der Entfernung konnte sie das leuchtende Blau der Augen sehen. "Elinol?!" Nur für einen Moment hatten ihre Blicke sich getroffen und gaben ihnen Hoffnung, doch da wurde sie bereits weiter gestoßen.
 

Vorsichtig schaute Tawarên zu Elinol herüber. Wie üblich, lag keinerlei Emotionen in Gesicht oder Augen, aber das war es auch nicht, was den Hellblonden eine Braue heben ließ. Es waren Elinols Hände. Er hatte sie zu zitternden Fäusten geballt. Wie schwer musste es sein, der Geliebten so nah und doch so hilflos entfernt zu sein? Tawarên konnte und wollte sich das nicht vorstellen. Diesen Schmerz wollte er nie am eigenen Leib spüren. Vorsichtig legte er seine Hand auf die Schulter seines honigblonden Schwagers. "Die Jagd wird nun umso schwerer..." Erzürnt schüttelte Elinol die Hand ab. "Das ist egal, ich werde sie trotzdem fortsetzen." Tawarên seufzte. Wie lange hatte Elinol vor, sie zu verfolgen? Elben waren unsterblich und Orks schossen wie Pilze aus dem Boden, das konnte eine Jagd, bis zum Ende aller Tage werden. "Wir können ihnen nicht auf dem Fluss folgen, wir haben kein Boot", versuchte der Hellblonde zu argumentieren. "Ich weiß", meinte sein Hauptmann ruhig. "Wir werden ihnen am Ufer folgen. Irgendwann werden sie das Ufer ansteuern müssen. Orks können Mittelerde nicht verlassen." Tawarên schluckte. Der Anduin führte direkt ins Meer und das war nicht unbedingt der Ort, den Elben auf Mission sehen sollten. Das Meer, kein Anblick, der das Herz eines Elben mehr fesseln konnte.
 

Verzweifelt versuchte Tuilinn immer wieder einen Blick zum Raurosfall zu erhaschen, doch vergeblich, die Orks verstellten ihr die Sicht und stießen sie grob in den Frachtraum. Überall stank es nach Exkrementen und anderen Orkausdünstungen. Betäubt von dem Gestank, war es ein leichtes, das Mädchen in einen hölzernen Käfig an der Schiffswand zu sperren.
 

Es ging alles so schnell, kaum hatte Elinol Tuilinn unter Deck verschwinden sehen, da legte das Schiff auch schon ab. Unwillkürlich bewegten sich seine Beine vorwärts. Auf keinen Fall durfte sie wieder verschwinden. Tawarên hatte Mühe, ihn zurückzuhalten. Was war nur los? Zuerst zeigt er gar keine Gefühle und nun steuerte Elinol, wie in Trance auf den Selbstmord zu. "Tuilinn", flüsterte er heiser. Seine Worte erreichten kaum Tawarêns empfindliche Ohren, erst nicht die des Mädchens. "Tuilinn bleib hier!" Seine Stimme wurde immer lauter, je weiter das Schiff sich entfernte. Erleichtert ließ Tawarên seinen Freund los, als dieser sich zu entspannen schien. Jener starrte unentwegt auf das Schiff, welches immer schneller zu einem bloßen Schatten in der Ferne wurde. "tolthaton ab adab, melethril nîn. san gweston le... TUILINN FILIGOD."[1] Tawarên musste sich die empfindlichen Ohren zuhalten. Elinols Versprechen durchbrach selbst das Donnern des Wasserfalls und hallte weit in die Ferne. Für einen Herzschlag schien alles zu verstummen und allein seinen Worten zu lauschen.
 

Von der schlechten Luft benebelt, lag Tuilinn auf dem harten Boden. Ihre Augen waren matt und starrten in die Ferne, als sie ihren Namen aus weiter Ferne rufen hörte. Bis in den tiefsten Winkel ihres Herzens drang Elinols Ruf. "Elinol...melethron...guren...nin meleth vinai."[2] Hoffnung breitete sich in Tuilinns Geist aus, bevor sie letztendlich doch die Besinnung verlor und sich in einem altbekannten Traum wieder fand. Nach langer Zeit, erklangen wieder die Stimmen in ihrem Herzen und sangen ihr Lied, dessen Bedeutung sie bis heute nicht entschlüsseln konnte.

"Was wollt ihr?" fragte der noch wache Rest von Tuilinns Bewusstsein, doch es kam keine Antwort. Schweigend lauschte sie der Musik und ließ sich davon treiben. Plötzlich umströmte schneidend kaltes Licht ihren Geist und riss sie gewaltsam aus der Wärme ihrer eigenen Welt, die von grauem Nebel verdeckt war. Immer weiter riss der Nebel auf und ließ das Mädchen verschwommen auf etwas sehen.
 

Bäume kippten um. Von ihren uralten Stämmen splitterte die Rinde, als sie auf den harten Boden schlugen. Kreischend flatterten die nun obdachlosen Vögel auf und sammelten sich als wehklagender Schatten am Himmel. Giftige Rauchsäulen stiegen hinauf und verpesteten die Luft. Die Erde wurde aufgebrochen, um den Fabriken und Schmieden Platz zu schaffen. Die Risse waren wie rotglühende Wunden, die der Erdkruste gewaltsam zugefügt worden waren. Der Schmerz der Natur war allgegenwärtig und wie süßer Honig für die Zerstörungswut ihrer neuen Bewohner.

Wie Berserker schlugen sie auf die gefällten Bäume ein und droschen die kräftigen, wohlgewachsenen Äste ab, bevor sie in die Fabriken geschleppt wurden. Ein mächtiger Wald, gewachsen in so langer Zeit, innerhalb weniger Momente für immer vernichtet. Die strahlenförmigen Straßen waren in der rauchenden Wüste nun gut zu erkennen und in ihrem Mittelpunkt ragte der Orthanc auf. Pompös und majestätisch, wie eh und je, aber nun mehr angsteinflößend, als edel, erschreckend düster, statt schön.
 

Tuilinn wollte aufschreien, so sehr bohrte sich der Schmerz der Bäume in ihr Herz, als der Nebel wieder aufzog. Er war überall spürbar, in der Luft, im Boden, im Wasser. Was war nur geschehen? Was war mit ihrer Heimat, mit Isengard geschehen? So etwas hatte es nie gegeben, nie war Isengard eingenommen worden. Diese Bilder waren Lüge, kein Blick in die Vergangenheit.

"In die Vergangenheit nicht, aber in die Zukunft." Wo kam das her? War die Anstrengung ihr so zu Kopf gestiegen, dass sie Wahnvorstellungen hatte oder träumte sie noch? Mental schüttelte sie heftig den Kopf. Lüge, alles Lüge. Saruman, der Herr Isengards würde so etwas nie zulassen. Er war der mächtigste Istari Mittelerdes, niemand war weiser und mehr mit Isengard verhaftet. Selbst Mithrandir war ihm unterlegen. Er war Saruman der Weiße. "Er würde und er wird es tun", antwortete die fremde Stimme, die Tuilinn eigentlich gar nicht fremd vorkam. Sie hatte diesen Klang, der aus vielen, singenden, klaren Stimmen zu bestehen schien schon einmal vernommen, damals als das kalte Wasser der Limklar ihren Körper umspülte. "Saruman ist schon so lange Mensch, dass Gefühle wie Neid und Gier ihn auch befallen können." Das war völlig unmöglich. Nicht Saruman, nicht einer ihrer Erzieher, nicht der gütige, alte Mann mit wallendem Gewand, Haaren und Bart in schneeweiß und einer Stimme, süß wie Honig.

Tuilinn wollte dieser Stimme nicht glauben. Das war doch alles unmöglich und überhaupt, woher sollte diese Einbildung, diese Halluzination das überhaupt wissen? "Wer bist du?" hörte das Mädchen ihre eigene Stimme in den Nebel hinein fragen. Mit einem Mal herrschte bedrückende Stille. Der Gesang war verschwunden. Plötzlich fühlte Tuilinn sich allein gelassen und einsam, schlimmer noch als an dem Tag, an dem Maurin starb und ihr bewusst wurde, dass ihr, unter den Menschen, ein Leben in ewigem Alleinsein bestimmt war; einsamer noch als die Zeit, bevor sie Elinol traf.

Ihr Inneres schreckte auf, als es einen tiefen Atemzug vernahm, der nicht zu ihr gehörte. "Ich bin nur ein Teil von dir, mehr nicht."

"Wieso zeigst du mir das alles?" fragte die Halbelbe hilflos. Wieder herrschte Stille. Sicher überlegte sich dieser "Teil" eine Antwort. "Weil das meine Aufgabe ist." Tuilinn stutzte. "Du zeigst mir all diese Lügen, weil es deine Aufgabe ist?" Angestrengt versuchte die Stimme, ihren milden Klang beizubehalten. "Ich zeige es dir, weil es dein Geschenk und dein Fluch ist, zu sehen. Du bist dazu geboren, so wie auch Elrond und Galadriel dazu geboren wurden, das zu sehen, was gekommen ist und kommen wird."

Verbunden mit dem Geist, aber immer noch in der Realität, die aus einem dunklen Frachtraum bestand, gefangen, begann der Körper zu zittern. Das war zuviel, einfach zuviel. Sie sollte so wie Galadriel sein? Diese beeindruckende, mächtige Frau. "Warum ich?"

"Weil Elbereth dich auserwählt hat", antwortete die Stimme. Als ob diese "Ehre" alles erklären würde. Warum hatte die Valie, die von den Elben mehr geliebt wurde, als jede andere, nur sie dazu bestimmt, dieses verfluchte Geschenk zu bekommen? Warum musste sie sehen, wie Saruman ihre Heimat verriet?

Heimat? Es schmerzte das Mädchen zu sehen, was aus Isengard werden würde, aber sie fühlte ihr Herz dabei nicht brechen. Sie hatte seit dem Aufbruch kaum noch an die Gärten um den Orthanc denken müssen. Es war auch diesmal keine Sehnsucht, die sie daran denken ließ. War es denn jemals ihre Heimat gewesen? Ihr Herz verlangte nicht mehr danach, es verlangte nach etwas anderem, nach Elinol, seinem Geruch, seinem Antlitz, seiner Nähe, Wärme, den Berührungen und den Küssen. Ihr wurde klar, dass Heimat dort ist, wo auch Elinol ist, doch nun war er soweit entfernt.
 

Die fremde Stimme, der Teil von ihr, den jeder Elb besaß, der Amans Ruf hören konnte und der sie mit Elbereth verband, war nun endgültig verschwunden. Auch der Nebel zog sich aus ihrem Bewusstsein zurück und entließ es in die grausame Realität.

"Elinol", hauchte ihre heisere Stimme, während ihre leeren Augen an einem einzelnen Lichtstrahl, der in den Frachtraum fiel, hängen blieben.
 


 

Schweigend ritten Tawarên und Elinol nebeneinander her. Nindalf hatten sie längst hinter sich gelassen und durchquerten nun Ithilien, der fruchtbare Streifen Land zwischen dem Anduin und Mordors Grenze. Flüchtig spähte Tawarên zu Elinol hinüber. Ob er auch dieses Gefühl hatte? Ein dunkler Schatten lag über Ithilien, welches als Puffer zwischen Gondor und dem Reich Saurons diente. Selbst die Tiere spürten dies. Es war so still, so beklemmend still und überall standen verwelkte Pflanzen zwischen den Spätsommerblumen. Kälte umschlich Tawarêns Herz, dabei kamen sie dem Sommer näher, je weiter sie nach Süden ritten.

Hinter Elinol konnte er den weißen Turm Minas Tirith sehen. Uneinnehmbar erschien die Hauptstadt Gondors, dessen derzeitiger Herr Denethor war, mit all ihren Flaggen und Wimpeln, die im Wind wehten. Wenn der Elb die Hand ausstrecken würde, könnte er Minas Tirith beinahe berühren, so nah war die Stadt mit ihren sieben Toren und Mauern. Es war ein beeindruckendes Bild. Auf den Zinnen reflektierten die Helme der Wachen, das Sonnenlicht. Die Bewohner waren allesamt mutig und von angenehmem Antlitz. Selbst Sauron musste diese Stadt und ihre Krieger fürchten, von den Rittern der umgebenden Fürstentümer ganz zu schweigen. Immer noch war vor allem Dol Amroth ein geschätzter Vasall der Hauptstadt.

Seufzend blickte Tawarên hinter sich, als sie sich weiter von der Stadt entfernten. Es war bedauerlich, dass das Schiff für Minas Tirith uninteressant war und somit ungehindert weiterziehen konnte. Wie lange sollte diese Jagd denn noch gehen?
 

Nahezu regungslos starrte Elinol in die Ferne. Am Horizont konnte er das Schiff gerade noch als dunklen Punkt erkennen. Wie weit wollten die Orks? Doch nicht etwa zu den Haradrim im Süden Mittelerdes? Zwar waren sie und die Orks so etwas wie Verbündete, aber nie würden sie sich gegenseitig Asyl gewähren. Nein, soweit wollten sie ganz sicher nicht.

Der Duft wildwachsender Kräuter stieg dem Elb in die empfindliche Nase. Sie hatten Süd-Ithilien erreicht. Lange hatte er die frische, herbe Luft des scheinbar immergrünen Landes nicht mehr gerochen. Nur noch wenige Tage und sie waren in Süd-Gondor, dort wo Lalven gegen den schwarzen Herold gekämpft hatte und wo Girithon fiel. Mit einem Schlag kamen all die bösen Erinnerungen zurück. Es war wie eine Rückkehr in dunkle Zeiten.
 


 

Müde und dennoch feindselig drehte Tuilinn ihre Augen zu dem Schatten, der sich vor dem Käfig aufgebaut hatte und sie sorgfältig musterte. Langsam zog das Mädchen ihre Beine an und rappelte sich auf. Seit einiger Zeit schien das Schiff vor Anker zu liegen, nur wo?

Sie konnte nicht mehr drüber nachdenken, da wurde die Käfigtür aufgerissen und zwei Klauen griffen nach ihr. Erschrocken starrte das Mädchen in die roten Augen. Da war er also geblieben. "Du bist mein...Mein!" Angstvoll wich die Mittelblonde zurück. "Geh weg!" flehte sie, doch da schrie der Ork auch schon gepeinigt auf. Hinter ihm baute sich eine weitere Person auf. Winselnd und knurrend, wie ein geprügelter Hund, wich der Rotäugige hinter den Fremden zurück.

Erschrocken verharrte Tuilinn und starrte den Ankömmling an. Schmerzhafte Kälte griff nach ihrem Herz und ihr war, als würde etwas ihren Atem rauben. Das war unmöglich, völlig unmöglich. Verwirrt wanderten ihre Augen immer wieder den schlanken Körper vor ihr auf und ab. Ganz in schwarz, das Gesicht vermummt und in einen weiten Mantel gehüllt. Er war es tatsächlich, der Elb in schwarz, der Mörder ihres Vaters. Verwirrt blinzelte das Mädchen. Jetzt, wo er persönlich vor ihr stand, erkannte auch sie ihn, aber das war völlig unmöglich.
 


 

Der Schrei eines Vogels ließ Tawarên aufblicken. Über seinem Kopf kreiste ein krähengroßer, weißer Vogel, mit orange-gelbem Schnabel. So ein Tier hatte der Waldelb noch nie gesehen. "Elinol, was ist das?" Nur sehr widerwillig schaute auch der Hauptmann hoch und brummte etwas wie "Möwe". Überrascht weiteten sich die grau-grünen Augen des Hellblonden. Das war eine Möwe? Das bedeutete ja, sie waren am Meer. Zu zweit waren sie dem schwarzen Schiff einmal quer durch Mittelerde gefolgt, immer den Anduin entlang.

Lagors Ohren wackelten. Der salzige Geruch von Meerwasser lag in der Luft und das leise Murmeln der Wellen kam immer näher.

Elinol trieb Norui eine der Dünen hinauf, die schon bald vor den beiden Elben auftauchten. Das Pferd versank leicht in dem feinen, weißen Sand, bevor es schließlich auf der Spitze stehen blieb. Mit gerunzelter Stirn betrachtete Elinol das Meer. Er war lange nicht hier gewesen. Nicht mehr seit dem Kampf gegen den schwarzen Herold. Für einen Moment ließ das Lied der Wellen Frieden in sein Herz einkehren. Von allen Soldaten die damals zu Lalvens Männern gehörten, war nur noch er in Mittelerde. Die anderen waren nach diesem Anblick von einer unheilbaren Sehnsucht nach den Unsterblichen Landen ergriffen. Hastig drehte er seinen Kopf zu Tawarên, der neben ihm laut eingeatmet hatte. Der Hauptmann kannte diesen Blick in den Augen seines Freundes. Das Lied hatte ihn ergriffen und er würde nicht eher Frieden finden, bis er Aman betreten hatte. Selbst Eirien wurde nun aus seinem Denken und Fühlen vertrieben.

Elinol seufzte. Sie mussten das Orkschiff oder zumindest eine Spur schnellstens wieder finden, bevor Tawarên diese Sehnsucht nicht mehr aushalten konnte. Erneut überblickte der elbische Hauptmann das Meer nur wenige Meter vor sich und hatte Glück. Dort wo das Wasser noch tief genug war, lag das schwarze Schiff vor Anker. Es schien verlassen oder die Mannschaft versteckte sich unter Deck vor der brennenden Nachmittagssonne. Tuilinn konnte er nicht sehen.

Seine Blicke wanderten weiter und blieben an einigen Booten hängen, die vom Wasser an den Strand geschleppt wurden. Um sie herum warfen unzählige Fußspuren kleine Schatten in den feinen Sand, die teilweise bereits von den heranrollenden Wellen wieder weggespült worden waren. Elinol atmete erleichtert aus. Bereits beim Eintritt in Süd-Ithilien hatten sie das Schiff aus den Augen verloren. Sein Instinkt hatte den Elben also nicht getäuscht. Sie waren mit Tuilinn durch die Mündungen des Anduin aufs offene Meer gefahren und von dort bis an die unbewohnte Küste Süd-Gondors.

Elinol brachte sein Pferd zum Wenden und schaute auf das Innere von Süd-Gondor. Sicher war es einst genauso blühend, wie Ithilien, doch jetzt war es eine Wüste aus Stein, Fels und einzelnen, verbrannten Grasbüscheln. Es war nichts mehr, als ein riesiger Friedhof, in dem sich jede Art von Nachtgeschöpf wohl fühlte.

"Tawarên komm! Es eilt", ermahnte Elinol seinen Schwager, doch dieser konnte den Blick einfach nicht vom Meer lassen. "Ist es nicht schön? Hörst du seinen Gesang?" Elinol rollte mit den Augen. "Tawarên komm!" Verletzt und zornig sah der Hellblonde seinen Hauptmann an. "Berührt dich das denn gar nicht?" Verständnislosigkeit schwankte in seiner Stimme mit. "Nein", zischte Elinol und fing sich ein Kopfschütteln des anderen ein. "Wie kalt bist du nur? Du musst ein Herz aus Stein haben, wenn dich das nicht berührt." Ausdruckslos blickte Elinol seinen Freund an, bis der Schrei eines Vogels ihn zum Himmel blicken ließ. Es war eine Seeschwalbe, die kreischend ihre Kreise über seinem Kopf zog. Nachdenklich beobachtete der honigblonde Elb den Vogel mit dem markant gegabelten Schwanz. "Wie kann der Gesang des Meeres mein Herz berühren, wenn es nicht bei mir ist? Mein geliebtes Vögelchen hat es und wird nun in einem Käfig gefangen gehalten." Für einen sehr kurzen Moment spiegelte sich auch in Elinols Augen Sehnsucht und Schmerz wieder, bevor sie zu ihrem matten, emotionslosen Glanz zurückkehrten.

Tawarên biss sich auf die Unterlippe und schwieg betreten. Das Meer hatte seinen Verstand wohl sehr benebelt, wenn er den Grund ihrer Reise vergessen konnte. Widerwillig und mit einem letzten, bedauernden Blick auf die glitzernden Wellen, folgte er seinem Hauptmann. Es war eine Qual für ihn, denn er spürte ein unangenehmes, fast schon schmerzhaftes Ziehen im Herzen, je weiter er sich vom Wasser entfernte. Sein ganzer Körper sehnte sich nach diesem Anblick, diesem Lied und nach Aman, das irgendwo hinter all dem Blau lag.
 


 

[1] "Ich werde dich nach Hause holen, meine Liebste. Das schwöre ich dir...Tuilinn Filigod."

[2] "Elinol...Geliebter...mein Herz...meine einzige Liebe."

Heimkehr

Nur sehr widerwillig löste Tuilinn den Blick von dem schwarzen Elben, der stolz und hoch aufgerichtet vor all den Orks schritt. Etwas anderes forderte nun ihre volle Aufmerksamkeit. Ein eiskalter Schauer lief den Rücken des Mädchens hinunter, als sie ihren Blick etwas anhob und zu den Bergen sah. Das Schattengebirge, die Grenze Mordors, war noch mehrere Tagesreisen entfernt und dennoch konnte die Halbelbe seine Kälte und Schroffheit bereits spüren. Dunkle Berge bohrten sich in schwarze Wolken, die über Mordor hingen und dort die Herrschaft der Nacht sicherten.

Tuilinn holte tief Luft und begann augenblicklich zu husten. Die Luft war verpestet und abgestanden, Staubteilchen kratzten in ihrem Hals und angewidert versuchte ihr Körper diese wieder loszuwerden.

Überrascht stolperte das Mädchen vorwärts und war im Begriff zu fallen, als der Schwarze plötzlich an ihrer Leine zog. Sie sah den steinigen, unfruchtbaren, ausgetrockneten Boden bereits auf sich zukommen, als zwei Klauen ihre schmale Taille umfassten und sie zurück auf die Beine stellten. Verwirrt und erschrocken wandte Tuilinn ihren Kopf um und blickte in ein, ihr wohl bekanntes, rotes paar Augen. Hastig zog der Ork sich zurück, als er den brennenden Blick seines Herrn auf sich spüren konnte. Die Angst der Orks vor diesem Elb war allgegenwärtig. Sie würden es nie wagen, sich gegen ihn aufzulehnen, gegen einen Herold Saurons.

Immer noch irritiert versuchte Tuilinn den Blick des Orks erneut zu erhaschen. Merkwürdige Bilder waren durch ihren Kopf gerauscht, als er sie berührt hatte. Sie spürte den Schmerz und die Kälte des Todes, so wie sie diese auch bei Lalven mitfühlen musste. Da waren Hände gewesen, die schwarzen, trockenen Boden aufbrachen und Knochen aus ihrer Totenruhe rissen. Schwarzes Licht, unendliche Folter und eine gefangene Seele. Mit aufgerissenen Augen starrte die Seherin elbischen Blutes zu ihrem finsteren Volksmann. Was hatte diese Bestie nur getan?

"Ist euch nicht gut, meine Liebe?" fragte der Schwarze mit einer ungewöhnlichen Besorgnis, die wohl weniger ihr galt, als dem, was sie für ihn darstellte.

"Ihr solltet vorsichtiger sein, rodwen, ihr werdet unbeschadet gebraucht." Die Angesprochene hob spöttelnd eine Braue.

"Wozu, Annûn? Damit ihr auch mich zu einer Puppe macht, wie euren eigenen Bruder?"

Auch wenn sie sein Gesicht nicht sehen konnte, so spürte sie dennoch sein höhnisches Grinsen. Mit einem Ruck streifte er seine Kapuze zurück und entblößte sein Gesicht. Lange, silberblonde Haare, in den Jahren scheinbar noch heller geworden, flossen über eine pechschwarze Rüstung. Der dunkle Mantel flatterte bedrohlich auf, wie ein paar Drachenschwingen. Beeindruckt setzte Tuilinn einen Schritt zurück. Annûns Augen waren weder blau, noch grün, wie sie es bei den Waldelben für gewöhnlich waren, sondern aus bewegtem Rot. Es war, als würden Flammen in seiner Iris brennen.

"Es ist wohl nicht mehr nötig, sich zu verstellen."

Seine Stimme war melodiös, aber ungleich der anderer Elben. Sangen deren Stimmen gleich Vogelgezwitscher, murmelnden Bächen oder wie der Wind in Gräsern und Blättern, so sang Annûn nur Totenlieder, schön vielleicht, aber schmerzhaft und düster.
 

"Kommt, meine Liebe! Ich werde euch etwas zeigen."

Eilig zog der Verräter seine Gefangene einen Hügel hinauf. Stolz, Zufriedenheit und kalte Grausamkeit lag in seinen Zügen, als er, mit ausholender Geste, auf eine Anzahl Höhleneingänge, Zelte und Feuerstellen deutete.

"Wunderbar, nicht wahr? Das alles steht unter meinem Befehl, weil Sauron es so will."

Verwirrt und ängstlich schaute Tuilinn auf das Lager hinab. Es war grauenvoll. Der Geruch von Tod und Blut lag in der Luft.

"Ihr seid ein Diener Saurons?"

Lauthals begann Annûn über ihre naive Frage zu lachen.

"Irgendwer musste doch den Platz einnehmen, den Lalven geschaffen hatte."

Seine Hand wanderte zu dem Griff seines Schwertes, welches er kalt lächelnd aus der Scheide zog und imponierend in die Luft hielt. Tuilinn hielt die Luft an. Nun konnte sie die gefürchtete Waffe endlich selbst sehen. Annûn bemerkte mit Freude ihre Reaktion.

"Der schwarze Herold, dessen Diener ich einst war, gab es mir. Es gibt mir die Macht, über Leben und Tod, Zukunft und Vergangenheit zu herrschen."

Ein grausames, wahnsinniges Grinsen verzehrte seine glatten Züge.

"Es ist erfüllt mit all der Macht derer, die durch das Schwert gefallen sind."

Der schwarze Elb drehte die Waffe in seiner Hand etwas. Tuilinns Augen blitzten blau auf, um jedes Detail erkennen zu können. Ihr war, als würden rötlich schimmernde Adern die Klinge durchziehen. Dieses Schwert schien zu leben. Es lebte, indem es seinen Opfern das Leben aussaugte.

"Ist es das, was Ihr von mir wollt? Meine Macht, indem Ihr mich tötet? Wollt Ihr noch mehr von Zukunft und Vergangenheit sehen?"

Auf seine Reaktion war sie nicht gefasst gewesen. Seine Züge wurden weich und voller Zärtlichkeit sah er sie an.

"Meine Liebste, wie könnt Ihr das sagen?"

Vorsichtig streckte er die Hand nach ihr aus und berührte ihre Wange.

"Niemals könnte ich Euch töten, schöne Ioreth..."

Hasserfüllt und angewidert stieß Tuilinn seine Hand weg.

"Ich bin nicht Ioreth", zischte das Mädchen.

Wieder stahl sich ein kaltes, unheilvolles Grinsen auf seine Lippen.

"Noch nicht..."
 

Mit starrem Blick saß Elinol vor dem kleinen Feuer und starrte in den sternenlosen Himmel am östlichen Horizont. Selbst in der Nacht konnte man sehen, wie die unnatürliche, lebensfeindliche Dunkelheit über die schroffen Gebirgsgrenzen Mordors kroch. Irgendwo dort war sie, Tuilinn Filigod, zusammen mit all seinen Gefühlen. Elinol spürte, dass etwas von ihm fehlte. Es schmerzte, so als hätte man ein großes Stück Fleisch aus seinem Körper gerissen und ihn blutend zurückgelassen.

Er stieß einen tiefen Seufzer aus, bevor er endlich den Blick von diesem hässlichen Himmel reißen konnte. Auf der anderen Seite des Feuers, dessen dünne Rauchsäule in all der Dunkelheit nicht auffiel, saß Tawarên. Die grau-grünen Augen des Hellblonden sahen verträumt und leicht hypnotisiert in die Flammen, die sein feines Gesicht in rötliche Farben tünchten. Wortlos bewegten sich seine Lippen zu einem stummen Singsang.

"Tawarên?"

Elinol war sich nicht sicher, ob sein Begleiter ihn gehört hatte, bis dieser den Kopf anhob. Nur kurz konnte der Hauptmann einen Blick in Tawarêns Augen werfen. Ein Sturm schien hinter dem ruhigen Grau-grün der Iris zu toben. Die innere Zerrissenheit war unverkennbar und wurde offenbar, als der Hellblonde sehnsüchtig zu den wenigen Sternen im nördlichen Himmel schaute. Irgendwo dort musste ihre Heimat liegen, der schrecklich schöne Düsterwald, mit allen seinen Gefahren, Wundern und Bewohnern, dort wo ein Grund für Tawarêns inneren Schmerz lebte.

"Ach Eirien, Eirien ich liebe dich, aber...es schmerzt. Verzeih mir! Ich höre das Lied des Meeres. Ich liebe dich, ich liebe dich, aber ach...das Lied...mein Herz hört das Lied..."

Elinol hielt die Luft an, solange wie sein Freund sprach. Er wusste nun, was geschehen würde. Tawarên würde gehen, er musste gehen. Vorsichtig streckte er eine Hand nach seinem Schwager aus und berührte den Abwesenden an der Schulter. Augenblick zuckte Tawarên zusammen und sah verwirrt und tieftraurig in Elinols ernstes Gesicht.

"Es tut mir leid mein Freund. Mein Herz war zu weit geöffnet, als ich das Meer sah. Ich kann es immer noch hören. Es übertönt selbst Eiriens Stimme."

Verstehend nickte der Hauptmann, blickte dann aber wieder gen Osten.

"Schon oft hab ich die Wirkung des Liedes auf elbische Herzen miterlebt und dennoch bitte ich dich, mir zu helfen."

Erneut fing er Tawarêns Blick auf und nahm dessen getrübten Geist für einen Moment gefangen.

"Ich bitte dich, Bruder, steh mir bei."

Beschämt und verwirrt wandte der hellblonde Kundschafter sein Gesicht ab.

"Es tut so weh. Ich kann es immer noch hören, immer stärker. Es ruft mich und lässt mich nicht los", flüsterte er.

Seufzend ließ Elinol seinen Freund los und warf einen vollkommen ausgetrockneten Ast, die hier in Massen herumlagen, ins Feuer. Nachdenklich lauschte er dem Knacken, welches das Feuer erzeugte, als Tawarên ihn ansprach. Es war einer der wenigen klaren Momente, die das Lied zuließ, wenn es erst das Elbenherz erfasst hatte.

"Ich bin mitgekommen, um dir zu helfen, Bruder, das habe ich nicht vergessen und ich werde es einhalten." Für einen Augenblick verklärte sich sein Blick wieder. "Aber ach...das Lied...das Lied des Meeres...es lässt mich nicht los." Heftig schüttelte er den Kopf um nicht wieder abzudriften. "Ich werde dir helfen, aber dann muss ich gehen. Meine Zeit in diesen Landen ist vorbei, früher als ich dachte, aber ich muss gehen."

Ein tiefer Seufzer erschütterte seinen Körper.

"Wenn du Tuilinn heimbringst, dann richte Eirien aus, dass es mir leid tut. Ich habe versucht zu kämpfen, aber verloren. Sag ihr, dass ich sie liebe und auf sie warte."

Betrübt nickte Elinol. Eirien würde Tawarên folgen. So würde er also nicht nur einen Freund, der ihm so nah wie ein Bruder stand, sondern auch seine Schwester verlieren. Irgendwann würde auch er sich entscheiden müssen, ob er nach Aman segelt oder für immer in den Wäldern lebt und irgendwann zu einem vergessenen Volk gehören will.
 


 

Lautes Gepolter ließ Tuilinn aufschrecken. Instinktiv kroch sie auf dem kargen Lager aus Stroh zurück, bis die schwere Eisenkette um ihren Knöchel dem Fluchtversuch ein Ende bereitete. Schwungvoll wurde der Zeltvorhang beiseite gerissen und fahles, rötliches Licht drang ein. Es war alles, nur kein Sonnenlicht. Die Sonne war in diesem Teil Mittelerdes nur selten zu sehen und wenn, dann nur als blasse Scheibe, verschleiert von Rauchwolken. Jenes Licht, das langsam auf Tuilinn zu kroch, hatte seinen Ursprung in Mordor, wo es die Wolken über sich in bedrohliches, lebensfeindliches Feuerrot tauchte. Die Halbelbe hatte mehr Angst vor diesem Licht, als vor der Dunkelheit, denn sie konnte die starke Macht spüren, die es ausstrahlte. Es flüsterte, immer wieder denselben Reim von Tod und Vernichtung. Dieses Licht war purer Hass und jede Berührung mit ihm schmerzte.

"Habt Ihr gut geschlafen?"

Ruckartig wandte das Mädchen seinen Blick von dem Licht ab und schaute zu der Gestalt im Eingang.

"So gut es eben geht, wenn ich Euch in der Nähe weiß", antwortete die Halbelbe bissig.

Annûns Lächeln gefror.

"Ihr habt anscheinend etwas mehr Temperament, als eure Mutter, aber auch das wird vergehen."

Mit einem Fingerschnipsen rief Saurons Herold zwei Orks heran. Sofort stürmten beide Geschöpfe das Zelt und packten Tuilinn grob an den Armen, um sie herauszuzerren. Widerwillig ließ das Mädchen es über sich ergehen. Sie hatte auch keine andere Wahl.
 

Wütend schaute sie neben sich, zu einem ihrer Bewacher und hielt die Luft an. Es war der Rotäugige, doch schien er ihr verändert. Nicht mehr so aggressiv, bedrohlich und gefährlich. Seit sie in Süd-Gondor waren, war er nicht mehr, als ein stummer Schoßhund Annûns. Auch diese Gier, mit der er sie früher ansah, war vollständig verschwunden.

Der Ork schien ihren abschätzenden Blick zu bemerken, denn nun blickte er ihr unverhohlen in die erschrockenen, blau-grünen Augen. Mit gemischten Gefühlen bemerkte Tuilinn die traurige Leblosigkeit in seinen Augen und wieder war da dieses Gefühl, ihn zu kennen. Gewaltsam bahnten sich Bilder ihren Weg im Kopf. Erinnerungen, allerdings nicht ihre, sondern die des Orks. Die Erkenntnis traf Tuilinn wie einen Donnerschlag. Er war es, dessen Totenruhe gestört worden war, aber wie war das möglich? Er war es, den das Schwert getötet hatte. Er war...

"Girithon?"

Verwirrt und erschrocken zuckte der Ork zusammen. So lange hatte er diesen Namen nicht mehr gehört. Nicht mehr seit jenem Tag, als sein eigener Bruder ihn aus diesem wunderbar warmen Licht riss und ihn in diesen Körper steckte. All die Jahrzehnte konnte Girithon nicht begreifen warum. Warum tat sein eigener Bruder ihm dies an, dieses Leben, diese furchtbare Gestalt, dieses Dasein als Sklave und Puppe. Er war zu schwach, um sich zu wehren. Annûn hatte seine Seele eingesperrt und trübte seine Wahrnehmung.

"Oh...Ihr habt ihn also erkannt?"

Annûn hatte sich zu beiden umgedreht und bedachte den eingeschüchterten Girithon mit einem vernichtenden Blick. Den Rücken gekrümmt wich der Rotäugige einen Schritt zurück. Voller Mitgefühl für den gequälten Girithon beobachtete Tuilinn die Szene.

"Annûn, wie konntet Ihr nur? Er ist euer Bruder. Wieso habt Ihr ihm dies angetan?"

Augenblicklich fühlte sie den leicht gereizten Blick des schwarzen Elben auf sich ruhen.

"Gerade weil er mein Bruder ist, habe ich ihn gewählt."

Er musste grinsen, als er Tuilinns schockiertes und überfordertes Gesicht bemerkte.

"Kommt mit, ich werde Euch etwas zeigen."

Grob packte er ihr Handgelenk und zerrte sie zu einem der Höhleneingänge, welche die Eingänge zu einem unterirdischen Tunnelsystem bildeten.
 

Annûn packte das Mädchen an ihren Schultern und drehte sie um ihre eigene Achse, bis sie auf einen kleinen Hügel schauen konnte. Die Erhebung wirkte unnatürlich auf dem flachen Boden und auch seltsam strukturiert. Neugierig fixierte sie ihre sehr guten, elbischen Augen darauf und hielt erschrocken die Luft an. Skelettierte Hände ragten hervor, Rippenknochen, zertrümmerte Schädel, einzelne, lange, blonde Haarbüschel und über allem krochen fette, schwarze Käfer.

"Ein Grab, für all die, die nicht angenommen wurden", erläuterte Annûn trocken.

"Die nicht angenommen wurden?"

Fragend drehte Tuilinn ihren Kopf zu ihrem Feind. Ein wissendes, hinterlistiges Lächeln zierte sein Gesicht. Überheblich stand er, mit verschränkten Armen, vor dem Höhleneingang und verhinderte die Sicht auf das Innere.

"Komm meine Liebe, zeig dich unserem Gast", rief er jemanden in der Höhle zu, bevor er zur Seite trat.

Neugierig und skeptisch schaute Tuilinn auf die Silhouette, die sich langsam von den Schatten löste. Es war wirklich eine Frau, die langsam aus der Höhle stolperte. Erschrocken hielt die Halbelbe die Luft an. Es war fast, als würde sie in einen Spiegel sehen, so ähnlich war diese Frau ihr. Sie reichte Annûn ihre Hand, die unnatürlich blass war und blutleer wirkte. Bewundernd schritt der Elb um Tuilinns Kopie herum, bevor er hinter ihr stehen blieb und mit den Händen über ihren Körper strich.

"Wollt ihr eure Mutter denn nicht begrüßen, rodwen Tuilinn?"

Angewidert nahm die Angesprochene Abstand. Das sollte ihre Mutter sein? Zugegeben, eine Ähnlichkeit war da, aber Ioreth war tot und dann waren da doch einige Unterschiede. Der Geruch, den dieses Trugbild abgab, erinnerte an verwesendes Fleisch, ihre Haare waren etwas dunkler, als die der Gemahlin Lalvens und sie hatte grüne Augen.

"Das ist nie und nimmer meine Mutter", schrie Tuilinn Annûn an.

Dieser blieb gelassen und strich seelenruhig die blonden Haare seines Geschöpfs zur Seite, um die schneeweiße Haut an ihrem Hals liebkosen zu können.

"Wisst ihr, was Liebe ist?" fragte er die verstörte und wütende Halbelbe, während das Mädchen in seinen Armen wohlig aufseufzte.

"Liebe bedeutet auch dann zu lieben, wenn die Gestalt sich geändert hat."

Begierig wanderten seine Hände über den kaum verhüllten Oberkörper der Fremden.

"Ihr habt Recht. Dies ist nicht Ioreths Körper. Nur ein kleiner Teil von ihr, steckt in dieser Hülle." Zärtlich drehte der Elb den Kopf seiner Gespielin zu sich und nahm leidenschaftlich ihre Lippen in Besitz. Tuilinn wurde schlecht. Sie wollte sich übergeben, so grauenvoll und entwürdigend war der Anblick für sie.

"Und was hat das alles mit mir zu tun?"

Annûn löste sich von der Kopie und leckte sich wohlig über die Lippen.

"Nun ja, wie soll ich es erklären?"

Übertrieben nachdenklich rieb er sich das Kinn.

"Seit mehreren Jahrhunderten versuche ich Ioreths Seele zurückzuholen, da ich ihren Körper aber nicht habe, ist es fast unmöglich."

Wütend stieß er einen gellenden Schrei aus.

"Jeden Körper hat sie bisher abgestoßen. Keiner von ihnen konnte ihre Seele ganz in sich aufnehmen, dabei hab ich ganz Mittelerde nach Mädchen abgesucht, die ihr absolut gleichen...doch dann fand ich Euch."

Eine neue Welle aus Angst und Panik stieg in der Halbelbe auf.

"Ihr seit perfekt, rodwen. Ihr Blut fließt durch eure Adern. Euren Körper kann sie nicht ablehnen und dabei solltet Ihr schon längst tot sein. Ihr solltet sterben, um den Bund zwischen Lalven und Ioreth zu zerstören."

Sämtliche Farbe wich aus Tuilinns Gesicht. Das war also der Grund für den Überfall gewesen. Nur wegen Eifersucht und Gier hatte Annûn sich dem schwarzen Herold als Diener angeboten. Seit wann verfolgte er diesen Plan? Seit Girithon gefallen war und er mit eigenen Augen die Macht des Herolds gesehen hatte? Oder war es erst kurz bevor Lalven den Herold besiegte, im Norden, dort wo auch Sauron einst wieder auferstand? Verunsichert beobachtete Tuilinn ihren "Gastgeber". Die Liebe zu Ioreth hatte diesen wahnsinnig gemacht. Nur wenige Gefühle waren übrig geblieben und die Besessenheit etwas besitzen zu müssen, was einem nie gehören konnte.

"Selbst wenn ihre Seele meinen Körper annimmt, so wird sie Euch nie lieben. Sie liebt Lalven, einzig und allein ihn."

Verzweifelt versuchte das Mädchen mit Argumenten gegen Annûns Wahnsinn anzukämpfen, doch dieser begann nur spöttisch zu kichern.

"Ich werde ihr Schöpfer sein und bestimmen, welche Gefühle sie empfinden wird. Sie wird genauso empfinden wie ich."

Schockiert schüttelte seine Gesprächspartnerin den Kopf. Er hatte nichts anderes vor, als ihren Körper auszuhöhlen, nur damit eine andere Stimme ohne eigenen Willen aus diesem sprechen konnte. Hastig wanderte ihr Blick über das Lager und blieb an Girithon hängen. Der arme Teufel hatte all seine Autorität und Macht eingebüßt. Sicher war seine Intelligenz und alles was sie mit sich brachte zurück zu seinem Herrn geflossen.

"Habt ihr auch deswegen Girithon gewählt? Weil es Euch leichter fiel, eurem nahesten Blutsverwandten euren Willen aufzuzwingen?"

Ein harter Druck am Kinn zwang das Mädchen den Elb anzusehen.

"Ihr seid schnell von Begriff. Das habt ihr mit eurer Mutter gemein", zischte dieser anerkennend. "Es ist wirklich so, dass ich jemanden brauchte, der für mich die Mädchen sucht. Girithon hat nur wenige Gefühle von mir erhalten. Er ist mein verlängerter Arm und lebt nur für mein Glück, koste es, was es wolle."

Tuilinn wollte schreien, so laut, dass ganz Mittelerde sie hören konnte. Das war doch alles nicht wahr. Welches Monster war dieser Annûn? Und so etwas sollte auch ein Elb sein? Wie konnte so jemand vom gleichen Volk wie Elinol, Tawarên, Eliant, Arwen, Legolas, Ithildin und Dhoron sein?
 

"Habt ihr Angst?" fragte Annûn fast schon fürsorglich, nachdem Tuilinn ihn eine Weile schweigend angesehen hatte. Das Mädchen nahm all ihren Mut zusammen und stellte die Frage, die ihr beim Anblick des anderen Mädchens in den Sinn kam.

"Warum braucht Ihr mich? Ihr habt doch sie - sie sieht aus wie Ioreth und ist euch hörig."

Angewidert deutete sie auf das stumme Menschenkind, welches mit leerem Blick vor der Höhle stand. Annûn funkelte Tuilinn an.

"Ein altes Problem."

Anzüglich schlich er erneut um sein Geschöpf herum, begann erneut ihre kalte Haut zu liebkosen und steckte schließlich seine Hand in ihren Rockbund, der es noch mit Mühe schaffte, ihre Hüfte zu erreichen. Erregt warf das Mädchen seinen Kopf in den Nacken und stöhnte seinem Erschaffer ins Ohr.

"Gebieter."

Ihre Stimme war rasselnd und gespenstisch. Wie der Wind, der in Sturmnächten kläglich heulte.
 

Angeekelt wandte Tuilinn ihren Kopf zur Seite, bis sie sah, worauf Annûn hinaus wollte. Schwungvoll riss er den langen, die Beine gänzlich verdeckenden Rock ab. Es war ein schockierender Anblick. Unter dem linken Knie war das Fleisch dunkel, verdorrt und bis auf den Knochen abgefressen.

"Ihre Lebenszeit ist abgelaufen", erklärte der Elb ruhig.

"Das Problem an diesen Körpern ist, das sie zerfallen, sobald die Lebenszeit des ursprünglichen Besitzers abgelaufen ist."

Nahezu unschuldig zuckte er die Schultern.

"Selbst ich als Nekromane kann das nicht aufhalten und eine Wiederbelebung lehne ich ab. Noch so etwas Hässliches wie Girithon ertrage ich nicht, vor allem nicht wenn es mein Lager teilt. Wie du siehst, brauch ich etwas Langlebiges, eine Elbe, so wie dich."

Ein kalter Schauer zog sich über Tuilinns Rücken. Das war es also, er tötete die Mädchen, um ihre Körper auszuhöhlen und nun sollte auch sie sterben. Lange, nachdenklich und abgestoßen, musterte sie die Leiche in Annûns Umarmung. Einst hatte dieses Geschöpf ein anmutige, fürstliche Erscheinung besessen, doch nun war sie nicht mehr, als ein Sklavin, die ihrem Schöpfer hörig war. Tawarêns Geschichte von Sahuld kam der Halbelbe wieder in den Sinn. Nun hatte sich das Geheimnis um ihr Verschwinden doch noch gelüftet, aber welch tragisches Ende hatte die junge Fürstentochter ereilt?
 

Das unheimliche, grauenvolle Gespräch wurde jäh unterbrochen, als ein Ork heftig atmend heranstolperte. Vernichtend und herablassend blickte Annûn zu seinem Untergebenen hinab, dieser begann unterwürfig zu buckeln und schaute vorsichtig zu seinem Gebieter auf.

"M...Meister, wir werden angegriffen", versuchte er sein Auftauchen zu verteidigen.

"Wer?" fragte der dunkle Elb kalt.

"Zwei Elbenkrieger. Sie sind in das äußere Lager eingedrungen."

Hoffnungsvoll leuchteten Tuilinns Augen auf.

"Elinol."

Hasserfüllt wandte Annûn sich ihr zu.

"Freut Euch nicht zu früh. Elinol ist ein Schwächling, ein simpler, einfältiger Soldat. Er ist kein Gegner für mich und meine Macht."

Zornig ergriff er ihr zartes Handgelenk und schleuderte sie förmlich in die Höhle.

"Du weißt, was du zu tun hast", meinte er hastig zu Sahuld, bevor auch diese die Höhle betrat.

Erschrocken starrte Tuilinn zu ihrer Begleitung, als hinter der zerbrechlichen Hülle Steine niederprasselten und sämtliches Licht von außen aussperrte. Dieser wahnsinnige Elb hatte den Höhleneingang verschlossen und nun war die Halbelbe mit dieser wandelnden Leiche aus längst vergangenen Zeiten gefangen.
 

Es war Elinol ein höchstes Vergnügen, diese niederen, stinkenden Wesen, die es wagten, sich ihm in den Weg zu stellen, zu vernichten. Das äußere Lager war längst zerstört. Die Zelte brannten und unzählige Orks lagen in einem Meer ihres stinkenden Blutes. Mit fast schon gelangweiltem Gesicht, strich der Elbenhauptmann seine Schwertklinge sauber, bevor er über die Kadaver seiner ehemaligen Gegner stieg. Sein Weg führte zum Lagerkern, dort wo die Höhlen, die Hauptzelte und das Waffen- und Nahrungslager waren. Eilig lief er auf einen der flachen Hügel zu, die das innere Lager, vom äußeren abgrenzten. Noch bevor er die Spitze erreichen konnte, stellte sich ihm jemand entgegen. Rote Augen funkelten Elinol unsicher an. Kalt und emotionslos erwiderte der Elb den Blick, bevor er sein Schwert demonstrativ vor sein Gesicht hob und die Klinge auffordernd in die Richtung seines zukünftigen Opfers drehte. Für einen Moment flackerte Überraschung in Elinols Augen auf, als der Rotäugige, sich tief verbeugend, zur Seite ging und einer weiteren Gestalt Platz machte. Unruhig erkannte der honigblonde Elb, wen er nun vor sich hatte.

"Annûn."

Der Angesprochene lachte, während er seinem willenlosen, verunstalteten Zwillingsbruder über den nahezu kahlen Kopf strich.

"Wie geht es dir Elinol Brethilion? Wir haben uns lang nicht mehr gesehen."

Hass, blutdurstig und nach Rache verlangend, tobte in Elinols Herzen.

"Nicht mehr seit dem Tag, als du meinen Herrn und meine Kameraden ermordet hast."

Spöttisch kicherte der Elb in schwarz.

"So nachtragend? Eigentlich dachte ich ja, dass du auch längst tot wärst, aber du hast wohl mehr Glück, als Verstand."

Selbst wenn jede Faser seines Körpers verlangte, Annûn seine Zunge herauszuschneiden und ihn in kleine Stücke zu hacken, so sah er diesen dennoch nur unbeeindruckt an.

"Du weißt, weshalb ich hier bin. Gib mir das Mädchen und wir werden abziehen", kam Elinol auf Tuilinn zu sprechen. Schwungvoll warf Annûn seinen Umhang zurück und ließ sein dunkles Schwert hervorblitzen.

"Das wird wohl leider nicht gehen, alter Freund. Niemand gibt seine Braut so einfach her."

Elinol schob seinen Fuß ein Stück über den staubigen Boden vor, um einen besseren Halt zu erlangen und hob sein Schwert leicht über seine Schulter zurück. Seine stechenden Augen blitzen tiefblau auf, als er Annûn fixierte.

"Wie wahr, Leutnant."
 

Fremdes Blut tropfte vom feinen Gesicht auf die staubige Erde. Es klebte überall an Tawarêns Körper. Nachdenklich huschten seine Augen über das Lager. Überall stiegen dunkle Qualmsäulen in den nachtähnlichen Himmel und unzählige Kadaver lagen in Pfützen aus dunklem Blut. Es berührte den Elb nicht. Nichts berührte ihn mehr, außer dem Gesang von Wellen und Möwen. Angewidert wandte er den Blick von den Überlebenden ab, die feige zurück ins Schattengebirge flohen. Wie schwach waren diese Orks doch, wenn sie nicht einmal mit zwei Elbenkriegern fertig werden konnten. Eine ganze Armee von diesen verunstalteten Kreaturen war nicht mal einen einzigen elbischen Soldaten wert.

Er seufzte und schaute sehnsüchtig über die Schulter gen Meer. Kam es ihm nur so vor oder hörte er auch hier das Rauschen der Wellen? Alles zog ihn wieder dort hin, noch stärker, als jemals zuvor. Selbst Eirien war völlig vergessen. Er war Mittelerdes und seiner dunklen Geschöpfe überdrüssig. Noch einmal wandte er einen letzten Blick zu Elinol, als dieser begann mit Annûn die Klingen zu kreuzen. Tawarên fühlte sich nun überflüssig. Seinem Freund konnte er nun auch nicht mehr helfen. Mit einem lauten Pfiff rief er Lagor zu sich. Nicht einen Moment länger als nötig, wollte er hier verweilen. Das Meer, es rief ihn zu sich, lauter und deutlicher als jemals zuvor und er konnte diesem Ruf nicht länger widerstehen, sonst würde sein Herz zerreißen.
 

Voller Angst tastete Tuilinn sich die glitschige, schroffe Höhlenwand entlang. Nur schwer konnte sie in dieser Finsternis etwas erkennen. Gelegentlich stieß sie gegen einige Einrichtungsgegenstände und schrie leise auf. Sie traute sich kaum zu atmen, aus Furcht, Annûns Puppe Sahuld konnte sie finden. Die Halbelbe spürte die Präsenz des toten und wiedererweckten Mädchens nur zu deutlich. Der Schmerz, den Sahulds verschlossene Seele empfand, dröhnte in Tuilinns empfindlichem Geist wieder.

Hinter sich konnte sie hören, wie das andere Mädchen gegen dieselben Möbel stieß. Der rasselnde, unwirkliche Atem Sahulds streifte Tuilinns Haut und ließ ihr Herz fast aussetzen. Hastig stolperte sie weiter und griff mit ihren Händen schließlich ins Leere. Dort schien ein weiterer Gang abzugehen. Kühle, frische Luft wehte durch ihre zittrigen Finger. Vielleicht ein Ausgang. Rasch verfolgte sie diesen Gang weiter und musste feststellen, dass er doch enger war, als anfangs vermutet. Wohl nur ein Luftschach, der bald steil nach oben führte. Krachend stieß sie mit dem Kopf an die obere Decke und hielt sich wimmernd den Kopf. In dieser Dunkelheit konnte sie nicht mal geradeaus sehen, geschweige denn, die Grenzen des Tunnels erkennen. Wenn er noch schmaler werden sollte, saß Tuilinn hoffnungslos in der Falle und Annûns Dienerin war direkt hinter ihr.
 

Klirrend trafen zwei Klingen aufeinander, die unterschiedlicher nicht sein konnten. Eine schwarz wie mondlose Neumondnächte, die andere silbern strahlend wie der Abendstern. Überheblich grinste Annûn seinen Gegner an. Er war sich des Sieges sicher und freute sich bereits darauf, in Elinols sterbendes Gesicht zu blicken.

"Vielleicht sollte ich dich auch zu meinem Diener machen, mein Freund. Du scheinst mir stärker geworden zu sein, in letzter Zeit."

Elinol antwortete nicht. Ihm war es nur wichtig, diesen Kampf schnellstmöglich zu beenden.

Erschrocken weiteten sich seine Augen, als Annûn ihm gegen die Beine trat und er zu Boden fiel. Gerade noch rechtzeitig konnte er das schwarze Schwert mit seiner Klinge abfangen, bevor es seinen Schädel spalten konnte.

"Du bist wirklich besser geworden", bemerkte Annûn sowohl überrascht, als auch anerkennend. Elinol rollte sich zur Seite und sprang zurück auf die Beine. Immer noch blieb er stumm und griff den Verräter als Antwort erneut an.

Zu seiner eigenen Überraschung, hatte der Schwarze Probleme, sich des jüngeren Elben zu erwehren. Hasserfüllt biss er sich auf die Unterlippe und griff mit seiner freien Hand unter seinen Umhang.

Zischend sauste etwas durch die Luft und traf Elinol empfindlich am Oberarm seiner Schwerthand. Rote Blutstropfen spritzten auf und bedeckten das schöne Gesicht des Elben. Grinsend zog Annûn seine Peitsche zurück. Zu seinem Bedauern rang selbst dies seinem Gegner keinen Ton oder wenigstens einen nervösen Wimpernschlag ab. Gelassen stellte der Honigblonde sich wieder in Angriffstellung.
 

Fahles Licht strahlte Tuilinn entgegen. Der enge Ausgang war nur noch eine Armlänge weit weg. Heilfroh streckte sie ihre Hand danach aus, als etwas ihren Fußknöchel umfasste und sie mit einem Ruck zurückzog. Irritiert blickte das Mädchen an ihrem eigenen Körper vorbei und konnte Sahulds starres Gesicht erkennen. Panisch begann sie zu zappeln und mit ihren Füßen auf die Tote einzutreten, um deren eisernen Griff loszuwerden.

"Lass mich los!"

Sahuld reagierte nicht. Ihre toten Augen glotzten ihr Opfer nur hoffnungslos an. Zischend entblößte sie ihre Zähne, wie eine Schlange, bevor sie das Kaninchen verschlingt. Erschrocken weiteten sich Tuilinns Augen. Sie drehte sich auf den Rücken und krallte ihre Hände in den schroffen Stein unter sich, um sich Halt zu verschaffen. Mit letzter, panischer Kraft, trat sie gegen den Schädel unter sich. Ein lautes Knacken war die Folge und Sahulds Kopf knickte nach hinten weg. Schlaff sackte der gesamte Körper in sich zusammen und fiel polternd den Schacht zurück. Zittrig versuchte Tuilinn so schnell wie möglich von diesem grässlichen Ort wegzukommen. Sie spürte, kühle Luft, die vom nahen Schachtausgang in ihr Gesicht wehte und hörte tänzelnde Schritte von Kämpfenden, die den Boden vibrieren ließen und dumpf in dem engen Tunnel widerhallten.
 

Annûn schwitzte nervös. Das Ende seiner Peitsche war um Elinols Hand gewickelt. Blut quoll zwischen den einzelnen Lederbahnen hervor und floss ein Stück die Waffe entlang. Der schwarze Elb hatte seinen Gegner hoffnungslos unterschätzt und musste nun dafür zahlen. Wütend warf er seine Peitsche von sich und besann sich wieder auf sein Schwert. Er war gerade noch im Sprung, die Klinge über seinem Haupt erhoben, als Elinol die gefangene Peitsche durch die Luft schleuderte und sie um Annûns Hals wickelte. Würgend stürzte der Verräter zu Boden und zerrte verzweifelt an dem dicken Ende seiner eigenen Waffe. Damit hatte er nicht gerechnet. Ein feiner Rinnsal aus Blut floss aus seinem Mundwinkel, als er zu Elinol aufblickte.

"Glaubst du, das ist das Ende?"

Erbarmungslos schaute der Angesprochene auf den Gefangenen hinab. Die silberne Klinge wurde in der Hand gedreht und schwebte nun bedrohlich über Annûns Körper.

"Soll Mandos sich deiner annehmen", beschwor der elbische Hauptmann mit leerem Blick, doch der Besiegte lachte nur.

"Der Friede ist längst zerstört. Nur weil du einen Kriegsherrn tötest, wirst du das Ende nicht aufhalten können. Das Auge meines Herrn ruht nun auch auf dem Stamm der Waldelben. Wenn alles niedergebrannt wurde, wird auch Mandos mich zu meinem Herrn zurückschicken müssen."

Die letzten Worte vergingen in einem erstickten Gurgeln. Angewidert zog Elinol seine Klinge aus dem auskühlenden Körper und wandte sich ab. Seine Augen huschten über das Lager und es war nicht zu übersehen, wie Annûns Macht verging. Unzählige Rauchsäulen stiegen gen Himmel, als die Orkleichen sich auflösten. Elinols Blick blieb an Girithons roten Augen hängen, der die ganze Zeit abseits gestanden hatte. Zum ersten Mal flackerten ehrliche Gefühle hinter der roten Iris auf. Es war Dankbarkeit und Frieden. Endlich, nach all den Lebensaltern fand er seine Ruhe wieder. Ruhig sah Elinol zu, wie der Ork langsam zu Staub zerfiel und dieser ebenfalls gen Himmel stieg.
 

"Elinol?"

Ruckartig drehte der Elb sich um. Sein Herz setzte für einen Moment aus, als er Tuilinn erkannte, die den Hügel hinaufgeklettert war und nun an seiner Spitze stand. Ihre blonden Haare waren zerzaust, das Kleid zerrissen und überall blitzten blutige Schrammen und blaue Flecke hervor. Er selber sah auch nicht besser aus. Sein Ohr war waagerecht eingeschnitten und Blut floss seinen linken Arm hinab.

"Elinol", wiederholte das Mädchen erfreut.

Langsam ging sie auf ihn zu, so als fürchtete sie, er würde sich auflösen, wenn sie zu hastig reagieren würde, doch er blieb da. Ein scheues Lächeln huschte über seine Lippen und verlangte von der Elbe Erwiderung.

Tuilinn stand nun direkt vor ihm und musterte besorgt seine Wunden. Kurz fuhr sie mit der Hand über den tiefen Schnitt an seinem Oberarm, ohne diesen zu berühren. Entsetzt zog sie die Luft ein, bevor sie sich traute, ihm ins Gesicht zu sehen.

"Ist es vorbei?"

Er antwortete nicht, auch nicht, als die ersten Tränen in ihren Augen glitzerten. Unsicher biss sie sich auf die Unterlippe, streckte jedoch dann die Hand nach ihm aus. Vorsichtig zog das Mädchen seinen Kopf näher und berührte seine Stirn mit ihrer.

"Ich wusste, dass du kommen würdest."

Sie konnte spüren, wie er erleichtert tief einatmete.

Elinol hielt sein blutverschmiertes Schwert immer noch in der Hand, auch als er mit dem verletzten Arm ihren Körper nah zu sich zog. Zärtlich strich er durch ihre blonden Haare, als Tuilinn an seiner Brust lehnte und versuchte den Schrecken zu vergessen.

"Ich kann doch mein Vögelchen nicht allein lassen."

Wohlig zog der Elb den Duft des Mädchens ein. Nun konnte er sie endlich nach Hause bringen, auch wenn er dieses unsägliche Gefühl nicht loswurde, von etwas oder jemanden beobachtet zu werden. Von jemanden mit bedeutend mehr Macht, Kraft und Boshaftigkeit, als Annûn.

Epilog

Klatschend schlugen windgepeitschte Wellen gegen die graue Außenhaut des elbischen Schiffes. Sein keilförmiger Bug teilte das raue Meer und bahnte sich so seinen Weg zum goldenen Licht, welches unaufhörlich am Horizont zu sehen war. Selbst nachts, wenn Elbereth die Sterne am Himmel erstrahlen ließ und den Bewohnern Mittelerdes ihre Existenz offenbarte, um ihnen, in dieser schweren Zeit ein Stück Hoffnung zu bewahren, war im Westen dieser Streif warmen Lichtes zu sehen, als ob die Sonne dort nie wirklich untergehen würde.

Ein starker Wind aus dem Osten trieb das Schiff an. Er ließ langes, schneeweißes Haar aufflattern, bevor er sich in den silbergrauen Segeln verfing und sie aufblähte. Dunkelgrüne Augen blickten zu den Segeln hoch, die wie Sturmwolken über dem Deck hingen und ein Garant dafür waren, dass sie Aman erreichen würden. Eine feine, alabasterfarbene Hand wanderte zum Gesicht und versuchte einige stürmische Haare hinter das spitze Ohr zu bannen.

"naneth...naneth?!"[1]

Lächelnd schaute die Elbin mit dem schneeweißem Haar zu einem Kind, das aufgeregt die Stufen zum Steuer erklomm, wo sie stand und das Meer betrachtete. Ihr Name war Eirien und durch das dunkelgrüne Kleid, auf denen die weißen Haare sich angenehm abhoben, wirkte sie wirklich ein wenig wie ein Gänseblümchen, von unaufdringlicher Schönheit und innerer Stärke.

"naneth tíro maew."[2]

Der elbische Junge streckte seine Hand zu einem dunklen Punkt am westlichen Himmel aus. Schmunzelnd beobachtete Eirien, wie ihr Sohn geradewegs auf die Reling zusteuerte und sich über sie beugte, um ,über das Schiff hinweg, diesen einen Seevogel sehen zu können.

Der Elb am Steuerrad ließ sich von dem lebhaftem Kind nicht weiter stören und blickte weiterhin starr geradeaus.
 

Bald schon, sehr bald würden sie Tawarên wieder sehen. Eiriens Herz klopfte schneller bei diesem Gedanken. Schon längst wollte sie zu den Grauen Anfurten aufbrechen und von dort nach Aman segeln, aber Harthad war noch zu klein gewesen. Wie Tawarên wohl auf ihn reagieren würde? Der Junge war noch nicht geboren, als der Elb von der Sehnsucht nach Valinor übermannt wurde und es nicht einen Tag länger in Mittelerde aushalten konnte.

Für einen kurzen Moment betrachtete die Elbin ihren Sohn nachdenklich. Harthad war seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten, die gleichen grau-grünen Augen, die sowohl melancholisch, als auch schelmisch funkeln konntem. Mit einigen kunstvoll geflochtenen Zöpfen, wurden die hellblonden Haare aus dem feinen, kindlichen Gesicht mit den rosigen Wangen gehalten. Er hatte die selbe vorwitzige Art wie sein Vater und sogar die gleiche, wundervolle Singstimme. Harthad war Eiriens lebendige Hoffnung, ihren geliebten Gemahl wieder zusehen.

Erschrocken zog sie die Luft ein, als sie die großen, funkelnden, fragenden Augen des Jungen auf sich spürte. Das Grau-grün wechselte zu einem angstvollen Dunkelblau, als er an seiner Mutter vorbeischaute. Es war nicht das Meer, das ihn so erschreckte, sondern der Himmel. Verdutzt drehte nun auch Eirien sich gen Osten. Mittelerde war längst nicht mehr zu sehen, dafür einige schwarze Wolken, die sich wie ein bedrohlicher Schatten nach Westen schoben. Sie hatte es bereits gespürt, als sie aufbrach. Krieg lag in der Luft und Mordors Schatten legte sich immer schneller über Mittelerde. Sorge umfing ihr Herz. Ihr Bruder und ihre Freunde waren immer noch dort.

Als sie gegangen war, war die Gefahr bereits groß, als Elinol Tuilinn aus Annûns Händen befreite, bestand bereits Gefahr, aber Thranduil hatte es unterschätzt. Selbst als Mithrandir dieses Wesen, diesen Gollum, in die Obhut des Königs gab, wollte dieser Mordors Schatten immer noch nicht sehen. Ob der Krieg bereits ausgebrochen war? Ob bereits liebe Freunde in Mandos' Halle weilten? Eirien seufzte. Sie hoffte so sehr, dass die geliebten Freunde, die noch immer in Mittelerde lebten, eines Tages heil nach Aman folgen würden.
 


 

Beunruhigt lauschte Tuilinn dem Lärm außerhalb des Hauses. Das gesamte Waldlandreich war in Aufruhr. Seit Prinz Legolas nach Imladris aufgebrochen war, um von Gollums Flucht zu berichten, schwebte eine dunkle Wolke über Düsterwalds Norden. Es verging kein Tag ohne einen orkischen Versuch, die südliche Grenze des Elbengebietes zu überrennen.

Tuilinn massierte sich die Schläfe. Es ging ihr nicht gut. Überall dort, wo Saurons Blick hinfiel, wurde nur verbrannte Erde hinterlassen. Die sehende Elbe spürte immer noch den Schmerz, als Isengard in braches Land verwandelt wurde und nun auch ihre neue Heimat, der Düsterwald. Sie spürte warme Hände auf ihrer Schulter und hörte die besorgte Stimme eines Dienstmädchens.

"arwen?" Tuilinn winkte ab.

Sie brauchte keine Hilfe und auch kein Mitleid. Ganz andere Sorgen machten ihr das Herz schwer. Im Palast hieß es, Legolas sei längst nach Mordor aufgebrochen, um den Ring der Macht zu zerstören. So genau wusste die junge Elbin nicht, was dies für ein Ring sein sollte, doch musste er wahrlich mächtig sein, wenn nur wegen eines Schmuckstückes ganz Mittelerde im Kriegszustand war und selbst die Elben vor Angst zitterten. Ja, selbst in Elinols Augen konnte sie des Nachts Furcht sehen.

Erschrocken fuhr sie herum, als die Haustür aufsprang und zwei unkenntliche Gestalten, durch das hereinfallende Sonnenlicht, lange Schatten in den Raum warfen. Tuilinn spürte zwei dünne Ärmchen, die sich schutzsuchend um ihre Beine schlangen und sich in den fließenden Stoff ihres Kleides krallten. Sie achtete nicht weiter darauf und starrte weiter zur Tür. Beide Gestalten traten ein. Ihre Schritte waren lautlos und ließen Tuilinn aufatmen.

"Was ist los?" fragte sie in Westron eine der Personen. Ihr Hausvolk verstand die Allgemeinsprache nicht oder nur sehr bruchstückhaft. Der jungen Hausherrin war es wichtig, dass sie die Antwort nicht verstanden, sie fürchteten sich bereits genug.

Die angesprochene Gestalt blieb vor der mittelblonden Halbelbe stehen und musterte sie fragend. Lange hatte niemand mehr diese Sprache aus Tuilinns Mund gehört.

"Elinol, was ist los?" hakte die junge Elbenfrau nach, als sie die schweigenden, kühlen, dunkelgrünen Augen ihres Gemahls auf sich spürte. Jener seufzte leise, so dass nur sie es hören konnte.

"Unser König erhielt Nachricht aus Gondor..."

Überrascht weiteten sich Tuilinns grün-blaue Augen. Gondor? Es war nur zu offensichtlich, was sie wollten: militärische Unterstützung. Die junge Frau schluckte hart. Wenn Gondor fallen würde, wäre dies das Ende. Mordors Truppen könnten ohne Probleme den restlichen, viel schwächeren Teil Mittelerdes überrennen.

"...wir können keine Truppen zu den Menschen schicken. Vor den Toren des Waldlandreiches steht eine riesige Armee des dunklen Herrschers. Wir brauchen jeden Krieger hier."

Elinol wandte sich ab und setzte sich auf einen Stuhl im Nebenzimmer. Durch die offene Tür beobachtete Tuilinn, wie Elinols Adjutant Dhoron diesem die elbische Rüstung anlegte.
 

Tuilinn erschrak vor Ehrfurcht, als Elinol in voller Rüstung, einen Doppelschwert in der einen und den Helm in der anderen Hand, aus dem Zimmer trat. Der Brustpanzer bestand aus grünlich-golden schimmernden Metallbändern, die sich kreuzförmig überlappend um den Oberkörper schlangen. Sonnenstrahlen spiegelten sich darauf wieder und ließen ihn noch prachtvoller und kälter erscheinen, als er ohnehin schon war.

Erneut spürte die Halbelbe zwei Hände, die sich in ihrem Stoff festkrallten. Kurz huschten ihre Augen an ihrer Seite hinab und blieben an einem Schopf goldblonder Haare hängen. Sacht legte sie ihre kühle, elfenbeinfarbene Hand darauf, um dem kleinen Wesen etwas von der Angst zu nehmen. Wenn Elinol ihr bereits so viel Furcht einjagen konnte, wie war es dann für ein kleines Kind, das gerade erst den dritten Sommer hinter sich hatte?

Tuilinns Hand rutschte ab, als das Elbenkind zu ihr aufsah. Große, grüne Kulleraugen, eingefasst in heller Alabasterhaut sahen sie angstvoll und fragend an.

"nana? man na ada? amman aníra pado?"[3]

Die junge Mutter versuchte zu lächeln, ihrer Tochter vorzutäuschen, dass alles in Ordnung war und Elinol nicht um sein und ihrer aller Leben kämpfen würde.
 

Mit gehobener Augenbraue betrachtete Elinol seine kleine Tochter, die ihre Mutter tapfer anstrahlte. Sie war sein und Tuilinns ganzer Stolz, ein Hoffnungsschimmer in dieser dunklen Zeit. Manchmal, in den Nächten verfluchte er sich dafür, dass er Tuilinn und das kleine Kind nicht mit Eirien in den Westen geschickt hatte.

Er seufzte stumm. Es war zu spät sich darüber noch Gedanken zu machen. Sorgfältig lehnte er seine lange Waffe gegen die Wand nahe der Tür und drückte seinen kunstvoll verzierten Helm seiner Gattin in die Hände. Lautlos gab das flexible Material der Rüstung nach, als der stattliche Elb sich auf Höhe des Kindes kniete. Das kleine Mädchen drückte sich schutzsuchend noch etwas weiter in das Kleid seiner Mutter. Die großen Augen fixierten Elinol und ließen ihn nicht los. Verwirrt schaute sie zu ihrer Mutter hoch, die aber nur aufmunternd lächelte und das Kind schließlich mit einem kleinen Stoß zu seinem Vater schupste.

Große, kampferprobte Hände fassten sanft um weißen, kühlen Kleidstoff und hoben das Mädchen empor. Erschrocken schlang das Kind ihre dünnen Ärmchen um Elinols Hals. Die Kälte seiner Rüstung drang durch ihr Kleid, bis auf ihre zarte Haut.

"Glawar nîn anor dithen."[4]

Das Mädchen reagierte, als es seinen Namen hörte und blickte seinem Vater in die beruhigenden Augen. Ein Lachen entfuhr Glawar. Um sie abzulenken, hatte Elinol angefangen sie zu kitzeln. Tuilinn atmete erleichtert auf. Das Lachen ihrer Tochter war wie Sonnenstrahlen, welche die düsteren Wolken über dem Haus durchbrochen hatten, leider nur für einen Moment.

Elinol stellte Glawar zurück auf ihre Beine und angelte sich den Helm aus Tuilinns Händen.

"Versprich, dass du zurückkommst", flehte die Halbelbe.

Der Blick des Elbes traf genau ihren. Sie konnte den Sturm und die sorgenvollen Gedanken in seinen Augen sehen.

"Lass dir das Herz nicht schwer machen, Filigod!"

Eine einzelne Träne rollte Tuilinns Wange hinab, als sie Elinols Lippen flüchtig auf ihren spürte. Sie war sich sicher, dass ihr und Glawar nichts geschehen würde, aber Elinols Zukunft blieb ihr weiterhin verborgen. Sie konnte nur hoffen, dass er eine hatte.

"Ich bin bald zurück", meinte Elinol, als er sich im Türrahmen den Helm aufsetzte und Dhoron hinausfolgte.

Tuilinn konnte noch sein Gesicht im Profil sehen. Wieder einmal war jede Emotion aus den Augen verschwunden. Es war, als würde er vor jedem Kampf sterben, um überhaupt in der Lage zu sein, andere töten zu können. Langsam folgte sie den beiden Elben hinaus und blieb vor der Tür stehen. Ein beklemmendes Gefühl machte sich in ihr breit, als sie Elinol nachsah, der seinen Platz als General an der Spitze einnahm. Ihre blau-grünen Augen musterten einige der Soldaten, die an ihrem Haus vorbeimussten, um sich, einige Meter weiter, zu versammeln. Schräg gegenüber konnte sie Eliant sehen, die ihren Ithildin nur äußerst widerwillig losließ, damit dieser sich in die lange Kette aus vier parallelen Reihen einordnen konnte. Eliants Gesicht war unbewegt, doch brannten Tränen in ihren Augen. Sie hatte Ithildin doch erst letzten Sommer geheiratet und musste ihn nun schon wieder gehen lassen. Tuilinn seufzte. Dieser Krieg forderte so viele Opfer und hatte einen so hohen Preis. Kurz dachte sie an all die Personen, die sie in ihrem langen Leben kennen gelernt hatte. Wie der Krieg wohl mit ihnen umging? Welche Rolle spielen Boromir und Faramir in der verzweifelten Verteidigung Gondors? Wo waren Mithrandir und der immer noch fernbleibende Legolas? Wie das Auenland wohl aussah, die Heimat von Frodo und Bilbo? Und was war in der Zeit aus Rohan geworden, dem Land der Pferdeherren mit seinem König Théoden, dem klugen Prinzen Théodred, der tapferen Schildmaid Éowyn und Éomer, dem jungen Marschall der Rohirrim? Hatte sich Mordors Schatten bereits über sie gelegt und ihre Schicksale in düstere Kälte und hoffnungslosen Schmerz gehüllt oder sollten sie verschont bleiben, vom Zorn Saurons und der Machtgier Sarumans, des Verräters?
 

[1] "Mutter...Mutter?"

[2] "Mutter schau, eine Möwe."

[3] "Mama? Was ist mit Papa? Warum will er gehen?"

[4] "Glawar, meine kleine Sonne."
 

Es tut mir leid, dass ich euch vor den Kopf stoße und nur noch den Epilog nachschicke, aber alles muss nunmal ein Ende haben.

Danke an orli_fan, berit, Dax, Nilli, mystica, mitsuki11, siane, Estel, MayLynn und wen ich vergessen haben sollte, für die commies oder auch, weil euch die Story so gut gefallen hat, dass ihr sie zu euren Favs genommen habt und natürlich ein geknuddeltes Danke an Poo XD...bye, Vanillaspirit



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (105)
[1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10] [11]
/ 11

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2007-04-20T23:48:59+00:00 21.04.2007 01:48
Hach...bei dem Ende wird man richtig wehmütig. *seufz*
Da kann ich aber auch wirklich froh sein, dass ich heute zufällig wieder (nach mindestens 4 Jahren) über deine FF gestolpert bin.
Irgendwie bin ich mir dabei nicht mal sicher, dass ich sie damals auch zu Ende gelesen hab. Kommentiert hab ich jedenfalls nur bis etwa Mitte...welch ein Frevel meinerseits. *sich in die ecke stell und schäm*

Wie auch immer: Sollte ich es nicht getan haben, so hab ich es heute in einem Zug nachgeholt und ich muss sagen, sie gefällt mir immer noch so sehr wie damals. *lob* ...und das obwohl ich am Ende tatsächlich ein bissel an Elinol gezweifelt hab. Aber wie sagt man so schön: Alte Verhaltensmuster sind nicht ganz so leicht abzulegen. Auch wenn seine 'Coolness' echt etwas extrem wurde. *sich grusel*
Dafür hat ja aber alles ein mehr oder weniger gutes Ende genommen. Auch wenn du deine armen Leser mit einer gemeinen Frage unwissend sterben lässt:

"Wird Elinol den Ringkrieg überleben?"

Ich bin dabei jetzt wirklich am Rätseln und spiel im Kopf mehrere Szenarien durch. Schön wäre es ja, andererseits hätte sein Tod schon irgendwie etwas tragisches. Aber wer weiß, vielleicht ist es ja in Mandos' Hallen auch recht nett! *gg*
.
.
.
Ich red' wieder Blödsinn, vergiss den letzten Absatz *drop*
und bevor das jetzt Überhand nimmt, verschwind ich lieber. (*lieber nicht auf Uhr seh*)

Wünsche noch weiteres gutes Gelingen,
Milan (früher: MayLynn)
Von: abgemeldet
2006-07-25T21:31:16+00:00 25.07.2006 23:31
Könnte ich es auch haben? Ich bin schon 18 (endlich!!) aber komme aus Österreich und hab somit keinen Personalausweis von Deutschland (ach die Logik...)

Danke schon mal.
Meine Addy ist jin_thedark@gmx.at
Von: abgemeldet
2005-07-03T09:03:12+00:00 03.07.2005 11:03
Aloa!
Ich hab mir das hier mal zu Ende gelesen und bin wirklich, wirklich tief beeindruckt! Kannst du mir verraten, woher du die Elfensprache so gut kannst? Ich selbst habe ein Elbisch Wörterbuch, aber da ist viel mehr Quenya statt Sindarin drinn Oo
Und ein großes Lob noch: du kennst dich echt aus mit der Ring - Geschichte! Alle Achtung!^^
Liebe Grüße,
Nanashi.
Von: abgemeldet
2005-07-01T17:09:54+00:00 01.07.2005 19:09
Absoluter Hammer! *vom Stuhl fällt*

Du solltest ein Buch schreiben.

Meine Güte, ich bin gar nicht wieder vom Computer weggekommen.

Und nun? Ist die Geschichte zu ende...und was les ich jetzt?
Na mal gucken, bin ja immer auf der Suche nach interessanten FFs.
*sich wieder auf den Stuhl setzt*

Diese FF ist auf jedenfall eine der Besten, die ich bis jetzt gelesen habe.
*Qualitätssiegel aufklebt*

cya Narluin
Von: abgemeldet
2005-05-15T18:39:34+00:00 15.05.2005 20:39
Würde mich freuen wenn du mir das Kapitel auch schicken könntest
Mail: faye_5000@yahoo.de
Danke^^
Von:  Rouge
2004-04-25T09:21:47+00:00 25.04.2004 11:21
JA, hier Kommentar 101! Mein Geburtstagsgeschenk. Ich finde, diese Zahl sieht super aus *gg* Tja, ich könnte in jedem Kapitel das Gleiche sagen: SUPER!!! Wirklich, ganz große klasse und ich habe Deine FF wohl schon 3mal gelesen; ein Trost dafür, dass sie schon aus ist - aber alles Gute muss ja mal enden. Tschüssle, Rouge.
Von:  Rouge
2004-04-20T09:11:20+00:00 20.04.2004 11:11
So... das ist auch mein Lieblingskapitel. Du hast so einen spannenden und lebendigen Erzählstil. Das ist der Hammer. Die Rückblicke, wie sich Lins Eltern "kennen" lernten, haben mir auch immer sehr gut gefallen. Tja, mehr gibt es nicht zu sagen,außer: SUPERSPITENMÄSSIG!!

Lieber Gruß, Rouge.
Von:  Rouge
2004-04-20T09:09:37+00:00 20.04.2004 11:09
Hallo ^^ Ich habe Deine FF von Anfang bis Ende regelrecht Verschlungen. War einfach nur klasse. Habe aber nie Kommis abgegeben.... weiß selber nicht, wieso... Naja, auf jeden FAll, wollte ich Dir jetzt die 100ten Kommis verschaffen, weil Du es wirklich verdient hast!
Von: abgemeldet
2003-12-28T22:19:50+00:00 28.12.2003 23:19
Hallo mein Name ist Sam! *verbeug*
Ich habe gerade deine Fanfiction gelesen aber kann diesen Teil leider nicht lesen *sniff*
Kannst du mir es biiiiittttteeee schicken. *anfleh*
Meine e-mail adresse ist sambloom1969@yahoo.com

PS: Ich finde deinen Schreibstil echt toll und die Charaktere gefallen mir gut. Du hast sehr viel Fantasie. Sowas mag ich. Das ist eine tolle Eigenschaft.

Liebe Grüße *küsschengeb*
Sam
Von:  starwater
2003-12-25T11:35:44+00:00 25.12.2003 12:35
Viiieeelllen Dank , dass du's mir zugeschickt hast!!! Hat mir sehr gut gefallen...trotz der gewaltsamen Szene mit dem Ork.Knuddeldichgaaanzlieb und wünsch dir noch schöne Feiertage!!!^^ , starwater


Zurück