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生花 - Ikebana

Sesshōmaru & Rin, 12 Jahre nach dem offiziellen Ende.
von

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Bitte nur lesen, wenn ihr mit Spoilern einverstanden seid. :)
Hier befinden sich nämlich einige. Komplett anzeigen
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Erst einmal vielen Dank für 17 Favoriten! <3
Für die Beschreibung im 2. Absatz bitte die Charakterbeschreibung beachten. Komplett anzeigen
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Vielen Dank an meine treue Leserschaft und für mittlerweile 30 Favoriten! Es freut mich, dass es so gut ankommt. :) Komplett anzeigen
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*Hahaoya -> Mutter
Oka-sama -> höflichere Form von 'Mutter' Komplett anzeigen
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Danke für die 51 Favoriten! Gebe mir Mühe, zeitlich ein Kapitel hochzuladen.
Sorata, so soll Sesshōmaru's und Inuyasha's Großvater geheißen haben, laut einer Inu-Pedia Seite. Komplett anzeigen
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Danke für 64 treue Leser ♥ obwohl ich seit 2,5 Monaten nichts mehr geschrieben habe.
In den nächsten 6 Monaten wird es auch äußerst schwierig, da ich sehr viel lernen muss und nicht weiß, wann genau ich dazu kommen werde. Aber ich vergesse die FF nicht. ;) Komplett anzeigen
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Wow, 78 Leser, trotz dass ich knapp ein halbes Jahr gar nichts mehr schrieb. Danke! :* Komplett anzeigen
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Mein automatisches Wörterbuch von Chrome hat als einziger Vergleich für "Sesshōmaru" lediglich "Essenmarke" übrig. Interessant. Komplett anzeigen

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Das Wiedersehen

Das Juwel war endgültig zerstört. Nichts davon war mehr übrig. Und während Sango und Miroku bereits vier Kinder hatten, welche sich bereits im Jugendalter befanden, so hatten auch Kagome und InuYasha mit ihren beiden Kindern zu tun.

Und ich? Ich habe keine Kinder. Ich habe nicht einmal einen Mann.
 

Vor zwölf Jahren hatte Kaede entschieden, dass Rin sich wieder an das Leben unter Menschen gewöhnen sollte und lebte deshalb fortan im Dorf. Noch immer erinnerte sich Rin ab und zu an die damalige Zeit, vor allem an die, wo sich Sesshōmaru so sehr um sie sorgte als sie das zweite Mal starb. Man hatte es ihr nur erzählt, denn während sie in der Unterwelt gestorben war, konnte sie sich an nichts mehr erinnern, bis auf den Moment, wo sie erwachte und das Erste, was sie damals erblickt hatte, war Sesshōmaru gewesen. Jaken hatte erzählt, dass er den Herrn der Unterwelt vernichtet hatte, nur um ihr Leben zu retten. Und als dies nicht funktioniert hatte, war seine dämonische Mutter so gütig, um ihr das Meidou-Amulett um den Hals zu legen, um ihre Seele zurückzuholen. Seitdem durfte sie es nie wieder ablegen! Würde Rin es tun, so würde sie unwiderruflich sterben. Aber das hatte sie gewiss nicht vor. Wieso auch? Sesshōmaru kümmerte sich, trotz dass sie nicht mehr mit ihm zusammen durch die Gegend zog, sehr gut um sie. Er schenkte ihr sehr schöne und hochwertige Kimonos und sorgte dafür, dass sie nicht Hunger leiden musste. Und nachdem das Shikon-No-Tama vollständig zerstört und für immer verschwunden war, war endlich wieder Frieden eingekehrt. Doch trotz all dem Frieden, gab es in Rin's Unterbewusstsein Erinnerungen, die sie aufwühlten und niemals vergessen ließen. Ihre Eltern und ihr Bruder waren früh verstorben. Und seit sie tot waren, hatte Rin nicht mehr gesprochen. Aus dem Grund und weil sie sich nicht bändigen ließ, wurde sie für die Dorfbewohner zur Last. Zumindest hatte Rin stets dieses Gefühl gehabt. Bis sie auf diesen geheimnisvollen Dämon stieß.

Viele Jahre waren seitdem vergangen, und durch Sesshōmaru hatte sie wieder gelernt zu lachen und wieder begonnen zu sprechen. Für ihn hatte es damals wohl nie wirklich viel bedeutet, aber heute war Rin anderer Meinung.
 

Es war ein lauer Herbstabend und Rin befand sich entfernt am Dorf auf der großen Wiese, um den Korb mit Kräutern zu füllen. Bereits seit vier Stunden saß sie im grünen Gras und hing ihren Gedanken nach. Die untergehende Sonne tauchte Rin und ihre Umgebung in ein tiefes Rot und blendete sie, sodass sie nicht direkt in die Sonne blicken konnte. Die junge Schwarzhaarige senkte ihren Blick und betrachtete ihren halb gefüllten Korb. Oh, da hatte sie wohl noch einiges aufzuholen, um nicht mit einem halbvollen Korb zurückzukehren. In den letzten Monaten konnte sie sich kaum konzentrieren, was eigentlich immer so war, wenn Sesshōmaru ihr einen kleinen Besuch abstattete. Seitdem Rin zu einer hübschen Frau herangewachsen war, glaubte sie, der attraktive Hundedämon würde sie mit anderen Augen betrachten. Oder bildete sie sich das ein? Wenn Rin ehrlich zu sich selbst war, dann wünschte sie sich das sogar. Ja, sie war verliebt. Ihr Herz schlug kräftig, wenn sie auch nur an ihn dachte. So kühl und abweisend seine Haltung auch war, wusste die Japanerin, dass er in seinem Herzen viel mehr Güte besaß als man erahnen mochte. Doch in den letzten Wochen hatte er sich nicht mehr hier blicken lassen. Er schien sehr beschäftigt zu sein. Vor einigen Jahren hatte Sesshōmaru das alte Anwesen seines Vaters wieder errichtet, und sein Erbe als Herrscher der westlichen Ländereien angetreten. Gewiss war viel zu tun, trotzdem spürte Rin, dass er sich rar machte.

Und mit der Zeit war dem Mädchen bewusst geworden, dass Menschenleben für einen Dämon viel zu kurz waren. Unbedeutend. Kaede hatte ihr erklärt, wo sich das Anwesen befand. Seit geraumer Zeit hegte Rin den Gedanken, ihm einen Besuch abzustatten. Sie vermisste diesen kühlen und doch so gutmütigen Dämon. Der laue Wind frischte auf, durchfuhr ihr langes, schwarzes Haar und umschmeichelte ihr Gesicht. Ihr Weidenkorb ruhte auf ihrem Arm, während sie sich in Bewegung setzte, der Sonne entgegen, um zurück in das Dorf zu gehen. Ihre zarten Lippen zeigten ein Lächeln, während sie einen Schritt nach dem anderen machte. Doch die Sonne blendete Rin so stark, dass sie plötzlich einen Schritt zu weit ging und ihr Gleichgewicht verlor. Sie weitete ihre Augen durch den Schreck und warf den Korb voraus, ehe sie auch schon nach vorne fiel und japsend den grasbedeckten Abhang herunter rutschte. Der Korb überschlug sich und blieb unten liegen, während die Kräuter sich über den ganzen Abhang verteilten. Arme und Beine ausstreckend, blieb Rin auf dem Bauch liegen. „Hoppla“, brach Rin in schallendes Gelächter aus und lachte über ihre eigene Schusseligkeit. Plötzlich wurde sie gepackt und mit einem Ruck auf die Beine gehoben. „Huh?“

Rin spürte augenblicklich das weiche Gras unter ihren Füßen und drehte ihren Kopf zur Seite. Sie blickte doch tatsächlich in ein nur allzu bekanntes Gesicht. „Sesshōmaru-sama“, hauchte sie beinahe lautlos. Seine kühlen Augen erforschten ihre weichen Gesichtszüge, das ein wenig mit Erde beschmutzt war. Sein Daumen rieb sanft über die dreckige Stelle, um die Erde von ihrer weichen Haut zu reiben. Er blieb dabei ganz sanft. Rin schloss das Auge auf der Seite und genoss diese kaum wahrnehmbare Berührung, ehe er seine Hand auch schon zurückzog. „Rin“, ertönte seine dunkle Stimme. „Du solltest besser auf dich aufpassen.“

Rin's Bestimmung

„Rin! Was ist passiert?“ Kaede's Stimme klang besorgt und war über den halben Platz zu hören. Mittlerweile war sie viel zu alt, um selbst Dämonen zu jagen. Sie konnte kaum noch laufen und brauchte mittlerweile einen Stock, um sich fortbewegen zu können. Rin hatte sich in letzter Zeit oft Sorgen um Kaede-baachan gemacht. Sie war eine sehr gütige, alte Dame und hatte Rin sehr viel beigebracht. Sogar wie man sich richtig in hoher Gesellschaft benahm. Kaede schien eine sehr weise Frau zu sein. Aber auch Kagome hatte viel zu Rin's Bildung beigetragen. Durch die Möglichkeit zwischen der Zeit zu wechseln, konnte sie Rin das Lesen und Schreiben richtig lehren und brachte ihr kleinere Geschichten mit, die sie lesen konnte. Kagome war darauf bedacht, dass die Zukunft nicht unglücklicherweise verändert werden konnte, wie schon einmal, indem sie das Juwel ausversehen in viele Splitter geschossen hatte, weshalb sie nicht allzu viel erzählte oder in Form von Büchern und Bildern mitbrachte. Man wusste schließlich nie und Kagome ließ Vorsicht walten. Doch Rin hatte es ein großes Vergnügen bereitet, all diese ausgedachten Geschichten zu lesen. Trotzdem blieb eine Frage immer offen...
 

Ich habe mich immer gefragt, warum Kaede mir all diese Verhaltensweisen beigebracht hat, die man eigentlich in angesehenen Kreisen verwendet. Sie sagte mir, dass ich das eines Tages verstehen würde. Und selbst fünf Jahre danach habe ich es noch immer nicht verstanden...
 

Kaede-baachan, Sesshōmaru und Rin saßen wenig später in gemütlicher, kleiner Runde um das kleine Feuer in Kaede's Hütte herum. Während sich Kaede und Sesshōmaru gegenüber saßen, saß Rin etwas abseits und sah abwechselnd zu beiden. Neugier maskierte ihre zarten Gesichtszüge. Die Augen des Daiyōkai's, der Sesshōmaru nun war, blickten kühl in die Augen der alten Dame, die den Blick mit ihrem noch gesunden Auge erwiderte. Nebenbei hielt Kaede die Metallzange in der Hand, um die Glut wieder in das Feuer zu schieben. Das Knistern der Glut war das Einzige, was die Stille durchbrach, bis Kaede sich schließlich räusperte. „Es ist an der Zeit, nicht wahr?“, fragte sie und ihre ächzende Stimme übertönte das Knistern.

„Ja. Es ist an der Zeit“, antwortete der Dämonenlord leise. Trotz seiner leisen Stimme, konnte man die Tiefe aus ihr deutlich vernehmen. Ein Schauer lief über Rin's Rücken.

Kaede nickte und bestätigte dies mit einem „Mhm“. Ihr Auge wandte sie dem Feuer zu und schien ihre Antwort erhalten zu haben, weshalb ihre Körpersprache deutlich machte, dass das Gespräch für sie beendet war.

„Komm, Rin“, sagte Sesshōmaru schließlich, und erhob sich in einer fließenden Bewegung.

„Wohin?“ Rin's Augen wanderten noch immer abwechselnd zu Kaede-baachan und zu Sesshōmaru. Die hübsche Schwarzhaarige wusste nicht wie ihr geschah und erhob sich etwas unbeholfen, indem sie sich noch immer mit einer Hand am Boden abstützte, um schnell aufstehen zu können.

„Kaede-baachan, was ist hier los?“, hakte sie abermals nach. Sesshōmaru war bereits aus der Hütte getreten und schien draußen auf das Mädchen zu warten, die zu einer jungen Frau herangewachsen war.

Die alte Dame hob ihren Blick und nickte ihrem Schützling zu. „Du erfährst nun warum ich Dir all das beigebracht habe, so gut es in meiner Macht stand“, ächzte sie und hustete einmal.

„Aber ich kann dich doch nicht alleine lassen!“

„Du musst. Die Dorfbewohner werden sich um mich kümmern. Deine Bestimmung ist nun gekommen.“
 

Meine Bestimmung?
 

Das restliche Hab und Gut von Rin blieb im Dorf bei Kaede, Sango und Miroku. Ihre hochwertigen Kimono's konnten die Kinder von Sango und Miroku oder von InuYasha und Kagome tragen. Sesshōmaru ließ nämlich verlauten, er habe bereits für alles gesorgt. Aber was bedeutete das? Noch immer bekam Rin keine Antwort auf ihre so dringliche Frage. Die Neugierde wuchs und wuchs. Geduld sei eine Tugend, hieß es. Aber wie konnte man Geduld aufbringen, wenn einem eine wichtige Information vorenthalten blieb, die doch die Zukunft entschied? Die ihre Zukunft entschied!?

Während Rin neben ihrer großen Liebe lief, sah sie immer wieder zu ihm auf. So nahe war sie ihm lange nicht mehr gewesen, dabei lief sie nur neben ihm. Ihr Herz klopfte, während sein Blick stur geradeaus gerichtet war.
 

Ob er mich bemerkt?
 

Ohne Sesshōmaru's Anwesenheit, hätte sich Rin niemals bei Nacht alleine in den Wald getraut. Die Sonne war nämlich vom Horizont bereits verschluckt worden, nur der Halbmond erhellte die Gegend. Doch der Wald selbst blieb vor dem Licht des Mondes verborgen. Kein einziges Stück Waldboden konnte sich im Licht des Mondes erfreuen. Es war so finster, dass Sesshōmaru plötzlich ihren zierlichen Körper umfasste und sie auf seinen Arm hob. Automatisch schlang sie ihren Arm um seinen Nacken und drückte sich an seinen Oberkörper. Er war sehr warm, was sie trotz seiner Kleidung spüren konnte. Mit einem kräftigen Satz drückte sich Sesshōmaru vom Waldboden ab und stieg mit Rin in seinem Arm empor. Ein lautes Rascheln der Baumkronen verriet, dass sie durch diese hindurch gesprungen waren. Die plötzlich auftretende Helligkeit des Mondlichtes, ließ Sesshōmaru's Augen unheilvoll aufblitzen. Rin konnte in sein so vor Stolz gezeichnetes Gesicht blicken. Sein ernster und kühler Gesichtsausdruck war etwas, was sie unheimlich anmachte. Er wirkte unnahbar und doch konnte sich Rin glücklich schätzen, dass er sie beachtete, sie wahrnahm und offenbar etwas mit ihr vorhatte.

Sie war es, um die er sich seit so vielen Jahren sorgte und sie war es, um die er sich kümmerte!

Immer, wenn Rin erkältet war, vergingen nicht viele Stunden und Sesshōmaru war persönlich zu ihr gekommen, als könnte er es riechen, wenn ihr etwas fehlte.
 

Rin konnte sich noch gut an den Tag von vor zwei Jahren erinnern, an dem sie eine sehr starke Krankheit hatte und mit hohem Fieber und Halluzinationen auf dem kleinen Futon lag. Ihre Stirn war so heiß gewesen, dass, laut Kagome, man darauf hätte ein „Spiegelei“ braten können. Sango, Miroku, Kagome, InuYasha und Kaede hatten sich sehr große Sorgen um Rin gemacht. Kagome war kurz darauf in ihre Zeit gereist, um „Antibiotika“ zu besorgen. Doch in den drei Stunden, die Kagome gefehlt hatte, war Sesshōmaru aufgetaucht. In seinem Gesicht hatte man doch tatsächlich Sorge erkennen können! Selbst sein Halbbruder InuYasha war davon mehr als überrascht gewesen, denn schließlich kannte man den Daiyōkai als kalten und unberechenbaren Dämonenlord, der Menschen verachtete. Bis auf einen: Rin.

Als hätte ein Vögelchen ihm zu-gezwitschert, dass Rin sehr krank war, hatte Sesshōmaru sehr viele starke und vor allem teure Kräuter bei sich, die er Kaede gegeben hatte. Letzten Endes hatte er sogar in der darauffolgenden Nacht über Rin gewacht, bis sie wieder wohlauf war und nicht mehr halluzinierte.
 

Doch von dieser Höhe aus konnte man deutlich das große Anwesen von Weitem erblicken, dass Sesshōmaru sich mit viel Mühe wieder aufgebaut hatte. Es war riesig und doch so eindrucksvoll, dass Rin aus dem Staunen nicht mehr heraus kam. Dennoch war diese Höhe etwas, was ihr Angst einjagte und sie sich feste an Sesshōmaru krallte. Er würde sie nicht fallen lassen! Er war das einzigste Wesen auf der Welt, dem Rin blind vertraute.

Von Sekunde zu Sekunde näherten sie sich diesem Anwesen und kamen der Erde ein Stück näher. Sein starker Arm hatte sich feste und bestimmend um ihre Taille gelegt, um sie gut festzuhalten. Es fühlte sich gut an, so eng an ihn gedrückt zu sein.

Bald schon würde Rin erfahren, welche Bestimmung auf sie wartete...

Die neue Aufgabe

Die Wolken versteckten den Mond und ließen zu, dass die Dunkelheit das Land verschluckte. Von Weitem hörte man vereinzelt das tiefe Grollen der Dämonen, die die Dunkelheit zu ihrem Vorteil nutzten und sich in den Wolken versteckten.

Nun stand Rin vor dem großen Anwesen des Dämonenlords, und es wirkte in der Dunkelheit noch bedrohlicher als gerade noch im Mondenschein. Verunsichert und nervös, blickte Rin zu ihrem Begleiter auf. Sesshōmaru war, wie immer, die Ruhe selbst. Er starrte auf das große und hölzerne Tor, das sein Anwesen vor ungebetenen Gästen schützen sollte. Doch selbst als Mensch spürte Rin seine starke Aura um das Anwesen, was offenbar als Schutz gegen Dämonen bieten sollte. Seine Ausstrahlung war eisig und bemerkenswert, denn selbst Menschen spürten, wenn sie nicht dumm waren, dass er kein Spielkamerad war.

Mit einem lauten Knarren und Quietschen, öffnete sich das große Tor. Es wurde nach Innen gezogen, sodass es aussah, als würde man ihnen zwei riesige Türen öffnen. Sofort konnte Rin auf den Weg blicken und als Sesshōmaru einen Schritt ansetzte, um sich in Bewegung zu setzen, folgte sie ihm sogleich. Plötzlich kämpfte sich der Mond aus der dicken Wolkenschicht hervor und erstrahlte hinter dem Anwesen. Unheimliche Schatten wurden daraufhin geworfen und als Rin ihren Blick hob, um das Anwesen nun zu betrachten, wirkte es, als würde der Eingangsbereich, der mit vielleicht fünf Treppen bestiegen werden musste, wie ein großes Maul. Alles war dunkel. Nirgends brannte ein Licht.
 

Die Wesen, die das Tor öffneten, waren gewiss keine Menschen. Sie hielten ihren Blick demütig gen Boden gerichtet, als Sesshōmaru an ihnen vorbei ging. Die uralte Rüstung der Samurai wirkte durch die großen, menschenähnlichen Dämonen sehr furchteinflößend auf Rin. Besonders die Gesichtsmaske hielt die wahre Identität des Beschützers verborgen. Während die schwarzhaarige Schönheit links an der Seite von Sesshōmaru lief, neigte sie ihren Körper leicht nach vorne, drehte ihren Kopf in Richtung des Beschützers und versuchte zu erkennen, getrieben von ihrer Neugierde, wer sich darunter wohl befinden mochte. Doch statt einer zufriedenstellenden Antwort, konnte sie ein leichtes, rotes Glühen der Augen erkennen. Abrupt nahm Rin eine kerzengerade Haltung ein und blickte stur geradeaus, während eine Gänsehaut ihren Rücken empor kroch. Erst jetzt erkannte sie die Sinnlosigkeit ihrer Neugier. Es war dunkel und das Mondlicht würde nicht ausreichen unter eine Maske blicken zu können, ja, nicht einmal das Tageslicht würde das Unbekannte hinter der Maske zu Tage tragen können, wenn die Person nicht selbst die Maske ablegte. Doch Neugierde musste nicht zwingend mit Logik einhergehen. Das verstand sie nun.

Während die zwei Beschützer des Anwesens das große Tor wieder knarrend und quietschend zurück ins Schloss drückten, konnte man das Klappern des Oberschenkelschutzes und der Schurzglieder hören und durch die schweren Beinschützer, hörten sich die Schritte schwer an, wenn sie ihre Füße wieder auf den Boden auftreten ließen. Dennoch drehte Rin ihren Kopf abermals in die Richtung der beiden Wesen, um sich zu überzeugen, dass sie doch richtig geschaut hatte! Sie trugen als Helmschmuck (Nr. 16, Charakterbeschreibung) einen Halbmond, so wie Sesshōmaru ihn auf der Stirn trug.
 

„Rin, pass auf“, drang Sesshōmaru's Stimme in ihre Ohren, sodass sie augenblicklich ihre Augenpaare wieder nach vorne richtete, um nicht gegen die erste Stufe der Treppe zu laufen. Mit Vorsicht bestieg sie die Stufen, da ihre Augen lange nicht so gut waren wie die des Dämonenlords. Er hatte sich wahrhaftig gemacht, in den letzten Jahren. Rin wusste, dass er eigentlich nicht viel für Menschen übrig hatte, und als Erwachsene konnte sie die Bedeutung seiner Gesten viel besser deuten als früher. Und dass sie wohl eine Ausnahme darstellte, in seiner unmittelbaren Nähe als Mensch geduldet zu werden, verriet sein Verhalten ihr gegenüber. Nämlich seine Fürsorge und Sorge.

Es gab manchmal Abende, wo sich der Yōkaiwaffenschmied Tōtōsai im Dorf blicken gelassen hatte, um nachzuschauen, ob InuYasha sein Schwert Tessaiga auch weiterhin gut pflegte. Während der alte Schmied sich eines Sommerabends im Dorf befand und sich auch bewirtschaften ließ mit einem gegrillten Schwein, fand auch Myōga, der alte Flohgeist, den Weg dorthin. Es war eine sehr gemütliche Runde gewesen und sowohl Tōtōsai als auch Myōga kamen auf InuYasha's und Sesshōmaru's gemeinsamen Vater zu sprechen. Rin hatte gespannt zugehört und neugierige Fragen gestellt und somit viel über den neuen Dämonenlord in Erfahrung bringen können. Während die Sonne sich an diesem Abend hinter dem Berg versteckt hatte und die Grillen im hohen Gras vor sich hin gezirpt hatten, hatte eine stets angenehm laue Brise für ein wunderbares Gefühl gesorgt, an dass sich Rin noch immer gerne zurück erinnerte. Sesshōmaru war also früher zu Lebzeiten seines Vaters sehr arrogant und überheblich gewesen. Strebte nach der Macht und nach Tessaiga. Auch InuYasha hatte erzählt, wie er seinem Halbbruder damals den linken Arm mit Tessaiga abgetrennt hatte. Aber alle waren sich einig, besonders Tōtōsai, dass es geholfen hatte, dass Sesshōmaru dadurch stärker wurde und sich selbst und seine Kräfte somit besser kennen lernen konnte. Und dass er auf Rin traf, bei seiner Verachtung gegenüber Menschen, dies vor allem dem Wachstum seiner Persönlichkeit gut getan hatte. Schließlich war Rin mittlerweile ein wichtiger Teil des Lebens für Sesshōmaru geworden, auch wenn dieser es gewiss nicht zugeben würde. Es mochten nun zwölf Jahre vergangen sein und dennoch konnte sich Rin gut an die Dämonin Kagura erinnern. Sie konnte als Einzige gut erkennen, was diese Dämonin für den Lord der westlichen Länder empfunden hatte. Bei ihrem Tod hatte Sesshōmaru tatsächlich so etwas wie Mitleid empfunden, und das war wohl ebenso ein wichtiger Schritt in die Richtung, die er nun heute als rechtmäßiger Erbe angetreten hatte.
 

Sesshōmaru...
 

Rin musste ihren Herren eingehend mustern, wie er so vor Stolz und Selbstbewusstsein strotzend seines Weges ging und sich von niemandem hindern ließ. Er war nun der mächtige Daiyōkai dieses gesamten Landes, wie einst sein Vater. Ihr Herz schlug bei diesem Gedanken gleich um ein Vielfaches höher. Es war so aufregend! Das schützte Rin jedoch nicht vor einem Fehltritt, den sie gerade beging, indem sie die letzte Stufe übersah, und nachdem sie mit dem Fuß an der Stufenkante abrutschte, fiel sie mit ihrem Oberkörper nach vorne und konnte sich mit den Händen am Boden noch abfangen. Ihre schwarzen Haare, die selbst im Mondlicht nicht an Glanz verloren hatten, fielen nach vorne.

„Hoppla“, japste Rin und richtete sich augenblicklich wieder auf. Es war der Schönheit sehr peinlich. Dabei wollte sie ihrem Sesshōmaru doch eigentlich zeigen, wie viel sie mittlerweile gelernt hatte. Doch er schien dem keine Beachtung zu schenken, was Rin einerseits enttäuschte und andererseits als Geschenk betrachtete, dass er ihren Fehltritt doch nicht bemerkt zu haben schien. Aber sie kannte ihn mittlerweile so gut, dass er Dinge sehr wohl wahrnahm, auch wenn sein Eindruck das Gegenteil vermittelte.

Nachdem sie ihn schließlich einholte, um wieder langsam neben ihm herzugehen, führte Sesshōmaru sie in das Innere des Anwesens, und mit einem Mal entflammten sich kleinere Fackeln an den Wänden, um den Weg zu beleuchten. Das bewahrte Rin davor gegen einen Tisch zu laufen, den sie somit noch rechtzeitig umrunden konnte. Einen langen Gang weiter, schob Sesshōmaru die Tür eines Zimmers auf, der mit einem gemütlichen Futon ausgestattet war.

„Ruh dich etwas aus. Morgen reden wir.“

Rin nickte langsam und betrat das dunkle Zimmer, in dem sie sich jedoch schnell zurecht fand. Das Fenster auf der anderen Seite ließ das Mondlicht herein, und erhellte es zumindest für ihr menschliches Auge ausreichend genug, um nicht völlig in der Dunkelheit umherzuirren. Auch wenn sich in ihren Gedanken noch immer viele Fragen breit machten, hatte es Rin geschafft, sich zu entkleiden, um sich von dem heutigen Tag zu verabschieden. Während Rin es sich auf dem Futon bequem machte und bald schon ins Land der Träume segelte, beschloss Sesshōmaru seine Gedanken zu ordnen. Er war als Dämon nicht auf regelmäßigen Schlaf angewiesen wie es Menschen waren.

Denn der Daiyōkai war sich mit einer Sache sehr sicher: Rin's Bestimmung war an seiner Seite.

Einsamkeit

Der nächste Morgen brach schneller an, als einem lieb war. Besonders dann, wenn man sehr schöne Träume zu träumen pflegte. So erging es auch der jungen Erwachsenen. Der erste Augenaufschlag war der Schwierigste. Die Sonne kitzelte ihre Nase und wärmte den Rest ihres Körpers, der noch unter dem Futon ruhte und es dadurch langsam wärmer wurde. Rin öffnete ihren Mund, um ein lautloses Gähnen von sich zu geben, während sie beide Arme von sich streckte, um somit auch langsam ihren Körper auf das Wachsein vorzubereiten.
 

Die Katzenwäsche war schnell erledigt worden. Doch als Rin den Flur entlang lief, wirkte es wie ausgestorben. Das war ihr gestern Abend nicht aufgefallen. Vielleicht weil sie glaubte, dass alle bereits schliefen. Und mit „alle“ meinte sie die Dienerschaft, die es hier wohl nicht gab. Man hätte eine Nadel fallen hören können, denn bis auf ihre nackten Füße, die den Holzboden berührten, war nichts zu hören. Beinahe unheimlich.

Doch plötzlich durchfuhr es Rin wie einen Blitz! Das Gefühl, beobachtet zu werden, kroch ihren Rücken hinauf. Somit hielt die Schwarzhaarige sofort inne und drehte ihren Kopf langsam über ihre eine Schulter. Zu sehen war jedoch niemand. Als würden viele Augenpaare auf ihr ruhen, bewegte sie sich schweren Schrittes weiter. Es war sehr unangenehm, so offensichtlich von irgendetwas beobachtet zu werden. Da war Rin wohl doch nicht alleine, wohingegen sie dies jetzt jedoch bevorzugen würde, statt nicht sichtbare Augen auf ihrem Körper zu spüren.

So betrat sie ein großes, offenes Zimmer, das mit hochwertig aussehenden Kissen und Decken bestückt war, worauf man es sich schon beim Anblick gemütlich machen konnte.
 

„Es ist also wahr“, ertönte eine helle, weibliche Stimme.

Hinter Rin trat eine Frau, die größer als Rin selbst war, hervor. Die junge Schwarzhaarige drehte sich sofort um. Die für Rin unbekannte Frau trug ebenfalls ein Fell um ihre Schultern, so wie Sesshōmaru es tat. Ihr Haar war völlig weiß. Die Haare von Sesshōmaru hingegen hatten, ihrem Eindruck zufolge, einen hauchzarten Grauton. Oder Rin irrte sich dessen einfach. Doch ihre Haare wurden von der Sonne ins strahlende Licht getaucht, sodass es einfach um einige Nuancen heller und somit völlig rein wirkte. Die Unbekannte stand mit dem Oberkörper in der Sonne, während ab ihrer Hüfte alles im Schatten stand. Als würde die Sonne sie teilen.

„Wer seid Ihr?“, fragte Rin etwas überrascht. Sie erkannte, dass der Halbmond auf der Stirn der Frau anders war. Wenn man Sesshōmaru ansah, sah sein Halbmond wie ein C aus. Bei dieser Frau war es einfach falsch herum. Was hatte das zu bedeuten?

„Ich bin seine Verlobte, Kind. Es stellt sich mir eher die Frage, wer Du bist? Sein Nachtisch?“, lachte sie entzückt über ihre letzte Aussage, und hielt sich dabei die Fingerspitzen ihrer einen Hand galant vor ihre schmalen Lippen.

Ver... Verlobte?
 

Diese Aussage riss Rin den Boden unter den Füßen weg. Es fühlte sich wie ein tiefer Fall an, nur dass es keinen Boden gab. Ihr Herz rutschte mit einem Schlag in die Hose, und sie musste sich bemühen, nicht zu fallen, denn ihre Knie gaben langsam nach.

„Mein Name ist Yuki.“

Yuki bedeutete Schnee. ゆyu きki. Wohl deutlich an ihren weißen Haaren zu erkennen, wovon der Name deutlich abhängig gemacht worden zu sein schien. Wie auch immer, es interessierte Rin nicht, woher sie ihren Namen hatte. Aber wieso war sie hier? Wieso hatte Sesshōmaru Rin hierher gebracht, wenn er doch augenscheinlich eine Verlobte hatte?

Ihr Herz schlug schnell, aber nicht aus Vorfreude, sondern weil sie sich begann innerlich fertigzumachen. Wie konnte sie nur annehmen, dass der Daiyōkai des Westens einen Menschen an seiner Seite haben wollte? Aber wieso hatte er mit seinem Daumen den Dreck gestern noch aus ihrem Gesicht sanft entfernt? Warum hatte er sie sonst mit hierher genommen? Oder interpretierte sie zu viel in solch kleine Gesten, weil sie sich mehr erhofft hatte?
 

„Deinem entsetzten Gesichtsausdruck zufolge, hat er dich darüber nicht in Kenntnis gesetzt“, kicherte die Yōkaidame und setzte einen Schritt an, um sich nun gänzlich vom Schatten einhüllen zu lassen. Erst jetzt konnte Rin sehen, dass ihre Augenfarbe ebenfalls Gold-Gelb waren, wie die von ihrem geliebten Sesshōmaru. Sie war also auch ein Yōkai der Hundefamilie. Wie konnte Rin auch nur so naiv sein und glauben, dass er Rin als seine Gefährtin akzeptieren würde, wenn er seinen Halbbruder so sehr verabscheute, gerade weil dieser ein Han'yō war. Sicher doch. Er nahm nur Seinesgleichen. Vermutlich war Rin diejenige, die hier arbeiten sollte als Dienerin. War das ihre Bestimmung? Sollte sie deshalb die Höflichkeitsformen gelernt haben, um eine gute Dienerin eines Dämons zu werden? Vermutlich noch der persönliche Lakai dieser Yuki.

Nein! NEIN! Damit konnte sich Rin nicht abfinden! Hatte Sesshōmaru denn nicht bemerkt, was sie für ihn empfand!?
 

So stelle ich mich vor deine Feinde, um dich zu beschützen und um meine Liebe zu Dir mit ihnen zu vernichten...

Der erste Schritt

Der Schock über die Verlobung, von der Rin bisher noch nie etwas gehört hatte, fraß sich von Stunde zu Stunde mehr durch ihren Körper. Er saß so tief, dass sie weder Hunger noch Durst verspürte. Allerdings begriff die junge Frau jetzt erst so richtig, wie naiv Menschen doch waren. War es da noch ein Wunder, warum Dämonen sich einen Spaß daraus machten und sämtliche Dörfer niedermähten? Seit etwa vier Jahren glaubte Rin, einmal eine Zukunft an der Seite ihres geliebten Sesshōmaru's zu haben. Wie man sich doch täuschen konnte! Öfters hatte man hören können, dass vermeintliche niedere Dämonen sich Menschenfrauen zur Braut nahmen. Aber da Sesshōmaru kein niederer Dämon war, sondern der neue Daiyōkai der westlichen Ländereien, war es eigentlich von Anfang an offensichtlich gewesen, dass er niemals eine Menschenfrau an seiner Seite würde haben. Trotzdem hatte Rin oft davon geträumt, einmal zu mehr bestimmt zu sein als nur zu einer Dienerin. Nicht, dass sie diese Art von Bestimmung herabwürdigte, im Gegenteil! Doch sie liebte diesen Yōkai und hätte sich nichts sehnlicher gewünscht, als an seiner Seite zu leben. Allerdings fiel ihr gerade auf, dass sie ihren Wunsch nie genauer ausgedrückt hatte. Stets war in ihren Gedanken manifestiert gewesen, dass es doch logisch war, dass sie seine Frau sein wollte. Doch an seiner Seite war sie auch als Dienstmädchen. Also warum sollte sie sich beschweren?
 

Während eine warme Brise ihr Haar in Bewegung brachte, sodass einzelne Haarsträhnchen ihr Gesicht kitzelte, blickte sie gen Himmel, sitzend im Garten. Die kleinen Steinchen unter ihren Schienbeinen taten mit der Zeit doch ganz schön weh. Trotzdem harrte sie aus, hing ihren Gedanken nach und schalte sich selbst dafür, dass sie wirklich geglaubt hatte, einmal eine Frau eines Daiyōkai's werden zu können. Nichtsdestotrotz aber hatte sein Vater doch eine menschliche Frau an seiner Seite gehabt, weshalb es schließlich auch Inuyasha gab. Es funktionierte also doch, auch wenn der Ausgang tödlich geendet hatte. Aber das hieß doch nicht, dass das gleiche Schicksal nun ebenso zu enden hatte. Rin's Gedanken überschlugen sich, während sie sich selbst wieder Hoffnungen machte, ehe ihr wieder einfiel, dass Sesshōmaru doch gegen Han'yō's war, weshalb sich ihre Hoffnung von selbst begann zu zerstören. Wie grausam die Realität doch sein konnte!
 

Yuki hatte sich indessen nicht von der Stelle bewegt und mit einem Grinsen zugesehen, wie sich Rin beinahe wie eine Puppe starr von der Stelle bewegt hatte. Es war amüsant zu sehen, wie viele Hoffnungen sich Menschen in ihrem kurzen Leben ausmalten, ehe diese niederschmetternd zerfetzt wurde. Schließlich kam Sesshōmaru in die Nähe der Yōkaidame, die sich mittlerweile mit dem Rücken gegen die Holzwand gelehnt hatte. „Du bist hier nicht erwünscht“, ertönte die kühle Stimme des Daiyōkai's.

„Oh, Geliebter, sei doch nicht so kalt zu mir“, säuselte sie und blickte mit ihren Gold-Gelben Augen in seine.

„Hahaoya*“, ertönte Sesshōmaru's dunkle Stimme, hörbar gereizter.

„Du hast wohl vergessen, wer ihr damals zum zweiten Mal das Leben zurückgegeben hat. Also darf ich wohl auch entscheiden, welche Frau sich mein Sohn anlacht“, erklärte sie.

„Misch dich nicht ein.“

„Hahaoya... Bin ich Dir so wenig Wert, dass Du mich nicht mit Oka-sama ansprechen kannst?“

Die Yōkaidame zog einen Schmollmund und blickte gespielt gekränkt in die Augen des Mannes, der sie so abweisend behandelte.

„Es fällt Dir nichts Besseres ein, als dich als meine Verlobte auszugeben?“

„Ich wollte Dir nur zeigen, dass Menschen schwach sind. Dein werter Vater wollte es nicht einsehen und was ist passiert? Er ist tot. Ich will doch nur nicht, dass mein geliebter Sohn das gleiche Schicksal erleidet“, gab sie theatralisch zurück.

„Als kümmert dich mein Schicksal“, antwortete er daraufhin abwertend.

Inukami, Sesshōmaru's Mutter, blieb gelassen. Trotzdem konnte sie nicht leugnen, dass es ihr irgendwo einen Stich versetzte, so wie ihr Sohn mit ihr sprach. Aber sie zeigte es nicht. Das hatte wohl auch ihr Sohn von ihr, Gefühle nicht zu zeigen. Andererseits mochte er mehr von seinem Vater zu haben als ihr lieb war.

„Und hör auf, Dir irgendwelche Namen auszudenken“, erwähnte Sesshōmaru, bevor er sich wieder abwandte und mit einem eindeutigen, kühlen Blick in Richtung seiner Mutter zu verdeutlichen, dass sie hier nicht erwünscht war. Wie kam sie auf die Idee, sich jetzt einzumischen? Er war sich sicher, dass sie Rin würde auf die Probe stellen wollen. Das fing ja schon gut an! Grundsätzlich tangierte es ihn nicht, was seine Mutter tat. Fakt war allerdings, dass Rin schon zwei Mal ihr Leben verloren hatte, wegen ihm. Zuerst als kleines Mädchen, während sie für ihn etwas holen wollte und das Dorf von Wölfen angegriffen wurde und einmal, weil sie ihm blind vertraut hatte und in die Unterwelt mit Kohaku gesogen wurde, wo beide von dem Höllenhund gefressen worden waren. Dort hatte Sesshōmaru begriffen, dass Nichts es Wert war, wenn Rin dabei ihr Leben verlor. Er war damals sehr erleichtert gewesen, als Kaede entschlossen hatte, Rin im Dorf zu behalten. Nicht nur, weil sie den Umgang mit Menschen neu lernen musste, um ihnen wieder vertrauen zu können, sondern weil Sesshōmaru auf dem Weg war stärker zu werden. Er hätte das kleine Mädchen, dass er schon damals in sein Herz geschlossen hatte, nur weiteren Gefahren ausgesetzt. Dafür war sie ihm über die Jahre viel zu wertvoll geworden, statt sie weiterhin Gefahren auszusetzen, wo sie womöglich abermals ihr Leben wegen ihm verlieren würde.
 

Das leise Knarren des Holzbodens verriet, dass sich Sesshōmaru langsam dem Garten näherte und das Zimmer verließ, in dem er eben noch eine kleine Unterredung mit seiner Mutter geführt hatte. Die Brise umschmeichelte Sesshōmaru's Gesicht, während sein Blick auf Rin gerichtet war. Dem Mädchen, welches sich nun entscheiden sollte, welchen Weg sie gehen wollte. Doch noch war es nicht dazu an der Zeit, ihr diese Entscheidung aufzubürden. Zuerst sollte sie sich einen Einblick in das Leben hier verschaffen. Dabei war es Sesshōmaru gleich, was seine Mutter dazu für eine Meinung hatte, denn sie hatte sich schlicht und ergreifend hier nicht einzumischen. Würde seine Mutter Rin in Gefahr bringen, so würde er nicht zögern, gegen seine eigene Mutter zu kämpfen. Was wäre Sesshōmaru für ein Dämon und Mann, würde er einem zarten Geschöpf, wie Rin es war, erneut Leid zufügen? Auch wenn ihn andere Menschen nicht interessierten, so war Rin für ihn mehr als nur ein Mensch geworden.
 

„Der ganze Aufwand nur für ein Menschenmädchen“, säuselte Sesshōmaru's Mutter. Ihren wahren Namen würde sie nicht preisgeben. Warum auch? Es hatte niemanden zu interessieren, wie sie in Wirklichkeit hieß. Doch so einfach würde sie es ihrem Sohn nicht machen. Zwar mochte sie sich nur als Verlobte ihres Sohnes ausgegeben haben, während der Zauber auf ihrer Stirn ihr Symbol des Mondes nur falsch herum aussehen ließ, doch Sesshōmaru schien nicht zu begreifen, welch Gefahren er das Mädchen aussetzen würde, würde er sie als Gefährtin akzeptieren. Sein Vater war genauso überheblich gewesen, dies zu unterschätzen. Und der Preis war der Tod gewesen.
 

„Rin.“

Der verklärte Blick der Schwarzhaarigen verschwand, als sie ihren Namen, ausgesprochen von ihm, hörte. Sie drehte ihren Kopf leicht über ihre Schulter, um Sesshōmaru anzusehen. Ohne weitere Worte war klar, dass sie ihm zu folgen hatte, weshalb sich das Mädchen erhob, und ihm hinein in das Innere des Zimmers folgte. Sie hielt sich am Holzgeländer fest, um sich hochzuziehen, während sie diese eine Hürde bestieg, um dort auf die Terrasse steigen zu können, der den Weg des Zimmers ebnete. Wo war seine Verlobte nur hin? Nicht wissend, dass es sich hierbei nur um seine Mutter gehandelt hatte, sah sie sich um.

„Sie ist fort“, sagte er mit tiefer Stimme, wissend, warum sich Rin umsah.

„Ich... Ich wollte Euch nicht stören, Sesshōmaru-sama.“

„Du störst nicht. Sie ist nicht meine Verlobte, sondern nur mein weiblicher Elternteil.“
 

“Weiblicher Elternteil? Wer hat meinen Sohn nur zu sowas erzogen!?“

Es war nicht so, dass die hübsche Yōkaidame verschwunden war, noch hatte sie Augen und Ohren, was sein geliebter Sohn zu sagen pflegte. Doch das reichte. So stieß sie sich vom Dach ab, um durch die Wolkendecke zu brechen, um sich vollends zurück in ihre eigentliche Gestalt zu verwandeln, um in ihr eigenes Anwesen zurückzukehren.
 

„Eurer Mutter verdanke ich die zweite Chance auf mein Leben, nicht wahr?“, fragte Rin und holte das Meidou-Amulett hervor, welches sie seit zwölf Jahren um ihren Hals trug.

„Kümmere dich nicht darum“, antwortete er darauf. Seine Mutter konnte es nicht verstehen und Sesshōmaru interessierte es auch nicht, was sie zu seinem Vorhaben dachte. Niemand kannte ihn so wie Rin es tat. Warum sollte er sich einer Yōkaidame bemächtigen, die nur auf das Ansehen von ihm aus war? Die ihn niemals so gut kennen würde, wie Rin, auch wenn ein Yōkai einhundert Jahre bei ihm leben würde?

Durch Rin hatte er gelernt zu vertrauen und auch Mitgefühl, Angst und Liebe zu empfinden. Auch wenn es Sesshōmaru nicht zeigte, wie sein gestörter Halbbruder Inuyasha. Doch im Gegensatz zu diesem Han'yō war er in der Lage einen Menschen zu beschützen, ob die Tatsache missachtend, dass er Rin zwei Mal in Gefahr gebracht hatte, wo sie ihr Leben verloren hatte. So wie Inuyasha es bei Kikyō getan hatte. Der Unterschied allerdings war, dass Rin lebte, Kikyō nicht.

„Ich habe mir seitdem fest in den Kopf gesetzt, Euch niemals zu verlassen, Sesshōmaru-sama“, begann sie zu erzählen, während sie das Meidou-Amulett in ihren Händen hielt, während die Kette dieses Amuletts weiterhin um ihren Hals lag.

„Und ich bin Euch sehr dankbar, dass Ihr Euch die letzten Jahre so sehr um mich gekümmert habt, und mich damals als Kind nicht den Wölfen überlassen habt“, sprach sie weiter.

Sesshōmaru stand mit dem Rücken zu ihr, doch seine Augen weiteten sich als sie weitersprach.

„Sei still“, raunte er, doch er konnte es nicht aufhalten. Warum konnte sie ihren Mund nicht halten? Er hatte damals versagt! Und das nur, weil sein widerlicher Halbbruder ihm den Arm abgeschnitten hatte! Trotz allem: Wäre dies nicht passiert, hätte er Rin niemals getroffen.

„Ich habe Euch viel Ärger bereitet und egal was Ihr mit mir vorhabt, Sesshōmaru-sama, ich tue alles, solange ich in Eurer Nähe bleiben darf.“

Der Daiyōkai ballte seine Hand zur Faust, während sich seine langen Krallen in die Handinnenfläche bohrte, bis er die warme Flüssigkeit spürte, die seine Nägel Rot färbte.

„Jaken hatte Recht gehabt als er mir sagte, dass ein Menschenleben unbedeutend ist, im Gegensatz zu dem Leben eines Dämons. Wenn ich in fünfzig Jahren oder früher sterben sollte, werdet Ihr mich bald schon vergessen haben.“

Die Erinnerung lebte in ihr auf, wo sie damals als Kind vor einem Grab gekniet und über den Stein gestreichelt hatte, ehe sie ihn fragte, ob Sesshōmaru sich auch an sie erinnern würde, würde sie einmal sterben. Darauf hatte er nie eine richtige Antwort gegeben.

„Rede nicht so einen Unsinn!“

„Ihr wäret stärker geworden, hättet Ihr mich damals sterben lassen.“ Das war doch gewiss eine Tatsache, jedoch eine, die Sesshōmaru ganz und gar nicht teilte und ihn so wütend werden ließ, dass er sich mit einem Mal langsam, aber bedrohlich zu ihr herumdrehte und sie mit seinen Augen fixierte. Ihr Blick glitt zu ihm, an ihm herunter zu seiner Hand, an der sie das Blut herunter tropfen sah. Rin weitete ihre Augen, geschockt und fassungslos. „Sesshōmaru-sama!“ Sofort eilte Rin zu ihm, warf sich auf ihre Knie und nahm seine Faust in ihre zierlichen Hände, um sich um diese selbst zugefügte Wunde zu kümmern.

Doch sofort entzog Sesshōmaru ihr seine Hand, öffnete seine Faust, um sie blitzschnell um den zierlichen Hals der Schönheit zu legen, sodass sie gezwungen war zu ihm aufzuschauen, wodurch sie sich so weit erhob, sodass Rin nur noch auf ihren Knien „stand“, während sich der Rest ihres Körpers zu ihm nach oben streckte. Zuerst kniff sie erschrocken ihre Augen zusammen, ehe sie diese langsam öffnete, während ihr Herz raste. Sesshōmaru befleckte ihren so hellen und makellosen Hals mit seinem Blut, während sein Daumen sich unter ihr Kinn schob und es anhob. Seine geneigte Haltung zu ihr vertiefte sich, indem sein Gesicht sich ihrem näherte, während er ihr weiterhin tiefer in die Augen sah. „Ich sagte, Du sollst still sein“, knurrte er nun sichtlich erbost.

Rin schalte sich, warum sie ihren Mund nicht schon vorher halten konnte. Nun war er sauer und würde dies sicher an ihr auslassen. „Verzeiht“, hauchte sie und schloss ihren Augen, um seinem intensiven Blick ausweichen zu können. „Sieh mich gefälligst an!“, raunte er laut und beinahe ungehalten, sodass Rin ihre Augen sofort öffnete. Doch gegen das unkontrollierte Zittern ihres Körpers, welches begonnen hatte, konnte die Schwarzhaarige nichts tun. Es war furchteinflößend und so sehr sie ihm auch vertraute, so sehr fürchtete und respektierte sie den Daiyōkai. “Er ist ein Dämon, kein Mensch!“ Immer wieder hatte sie dies von anderen Dorfbewohnern gehört, die Sesshōmaru fürchteten. Doch er war alles, was sie in ihrem Leben noch hatte. Und alles, was sie in ihrem Leben überhaupt noch wollte.

Sein Gesicht näherte sich ihrem mehr und mehr, bis er ihr so nahe war, dass sein Atem gegen ihre Lippen schlug, die so einladend aussahen, dass sich der Yōkai ihr noch ein Stückchen näherte. Sogar ihr Atem traf seine Lippen wie ein Blitz, bei jedem Atemstoß. Sagen konnte Rin nichts mehr. Würde sie es tun, fürchtete sie, er würde ihr den Rücken erneut zuwenden. Ganz zaghaft und langsam, legte sie ihre eine Hand vorsichtig auf das Handgelenk von ihm.

Jeder schnelle Herzschlag Rin's kam ihr vor wie eine Ewigkeit. Nichts war zu hören, bis auf das Rascheln der Blätter an den Bäumen, die sich unmittelbar draußen befanden, während der Wind durch sie fegte, um sie tanzen zu lassen.

„Dummes Ding“, hauchte Sesshōmaru über die weichen Lippen des Mädchens, das er so leicht nicht mehr gehen lassen würde. Die letzten Jahre ohne sie hatte er deutlich bemerkt. Er hatte sich einsamer gefühlt. Doch er war nicht wie Inuyasha, auch wenn sein eigener Stolz ihm manchmal im Weg war.

Schließlich brach Sesshōmaru die letzten Millimeter, und legte seine warmen Lippen auf die von Rin, die sich genauso anfühlten, wie sie aussahen: weich.

Das Mädchen konnte nicht glauben, was er im Begriff war zu tun und es letztendlich tat. Dennoch schloss sie langsam ihre Lider, um ihr Gesicht nur ganz leicht ihm entgegenzustrecken, sodass sie den Kuss erwidern konnte, den sie sich so lange gewünscht hatte.
 

Jaken lag im Unrecht. Er würde sich an sie erinnern. So lange er lebte.

Der Geist der Vergangenheit

Noch immer schmeckte Rin den süßen Kuss des Daiyōkai's, der sich vor einem Monat ereignet hatte. Es verging kein Tag, an dem Rin nicht an den Kuss dachte. Offensichtlich war es kein Geheimnis, dass Frauen durchweg emotionaler reagierten, besonders in solchen Angelegenheiten. Wenn die junge Schwarzhaarige nämlich daran dachte, schlug ihr Herz wieder kräftig gegen ihre Brust. Es war seltsam, hätte sie Sesshōmaru diese Art der Geste niemals zugetraut. Nicht jetzt und vor allem nicht ihr gegenüber. Aber so konnte man sich irren. Ein Kuss, so belanglos er für viele Menschen und Dämonen erscheinen mochte, so besonders war er zugleich. Die Vereinigung zweier Lippenpaare, so verführerisch, warm und zärtlich. Schon einige Male war dies in ihren Träumen passiert. Aber in der Realität war diese kleine Geste um ein Vielfaches aufregender, dass sich immer wieder ein verträumtes Lächeln auf ihre Züge schlich, sobald sie daran dachte. Einer ihrer Träume war wahr geworden. Umso mehr Hoffnung hatte sie, dass auch die anderen Träume noch in Erfüllung gehen würden. Vielleicht lag sie damit nicht einmal so falsch, doch wie so ein Traum letzten Endes bewahrheitet werden konnte, hatte viele Wege, ganz gleich ob es ihr gefallen würde oder nicht.
 

Die Inu-Familie war groß. Neben Sesshōmaru, seiner Mutter und Inuyasha, gab es noch andere Inu-Yōkai. Lächerlich zu glauben, sie wären die Letzten! Doch diese ferne Verwandten hatten sich seit dem Tod Inu No Taishō's nicht mehr blicken lassen. Nicht bei Sesshōmaru. Da dieser jedoch an Stärke und Reife dazugewonnen hatte, war es an der Zeit, dies zu ändern. Seine Mutter leitete dazu bereits alles in die Wege. Die Familiengeschichte war lang.

Sorata, Inu No Taishō's Vater, Sesshōmaru's Großvater demnach, war selbst bereits längst tot. Doch da sein Großvater schon ein mächtiger Daiyōkai gewesen war, war es nur natürlich, dass auch Sesshōmaru in die Fußstapfen seines Großvaters und Vaters treten wollte und musste. Es war seine Pflicht! Man hatte ebenso wenig leugnen können, dass Inu Taishō Menschen gegenüber sehr angetan war. Sein Wunsch war, dass Menschen und Dämonen in Frieden miteinander leben konnten. Doch zu seinen Lebzeiten hatte er unheimlich viele Feinde gehabt. Nicht zuletzt hatte Inu Taishō einen unerbittlichen Kampf gegen die mongolischen Dämonen geführt. Letzten Endes hatten Sesshōmaru und Inuyasha eben diese vor einigen Jahren endgültig besiegen können.

Seine Mutter, Inu No Kami, war selbst eine mächtige Dämonin der Inu-Familie. Sesshōmaru vermutete sehr, dass sein werter Vater sie nur zu seiner Frau genommen hatte, um einen mächtigen Erben in die Welt zu setzen. Seine Mutter hatte diese Vermutung nie bestätigt, aber auch nicht dementiert. Für ihn, Sesshōmaru, war die Sache daher klar. Aber wirklich kümmern tat ihn das nicht. Das zwischen seinem Vater und seiner Mutter keine solche Liebe geherrscht hatte, wie er sie für die Menschenfrau Izayoi empfunden hatte, war offensichtlich. Wäre dem so gewesen, hätte er sich wohl kaum von seiner Mutter getrennt. Doch wenn Sesshōmaru einmal logisch darüber nachdachte, wäre es auch für ihn unabdingbar. Er würde sich eine mächtige Yōkaidame aus der Inu-Familie suchen müssen, um sich einen mächtigen Erben sichern zu können. Ganz gleich wie seine Gefühle dieser Frau gegenüber aussehen würden. Sein Vater hatte es vorgemacht, indem er sich die mächtigste Dämonin genommen hatte, um die Zukunft seiner Familie zu sichern. Auch wenn sie Dämonen waren, konnte man nicht außer Acht lassen, dass noch etwas anderes die Gene beherbergten und zwar die eines Hundes. Auch wenn sie sich nicht wie Tiere benahmen, zumindest einige Dämonen nicht, so durfte man nicht vergessen, dass in der Tierwelt auch nur die Stärksten überlebten. Die bemächtigten sich jene, um starke Nachkommen zu zeugen. Das war somit bei ihnen nicht anders. Die logische Schlussfolgerung Sesshōmaru's blieb demnach nicht ohne Konsequenzen. Jene Konsequenzen, die er würde einbüßen müssen, wenn Rin davon Wind bekommen würde. Menschen waren zarte Geschöpfe, seelisch instabil und leicht zu verletzen. Insbesondere Frauen. Das hatte der stolz Yōkai, Sesshōmaru, bereits mehrfach erleben dürfen. Nicht zuletzt vor einem Monat.
 

Sein Vater, Inu No Taishō, war ein Idealist. Sein Wunsch, dass Menschen und Dämonen friedlich miteinander leben konnten, ohne von der Gesellschaft verhöhnt und verfolgt zu werden, besonders was einen Han'yō betraf, schien ein Traum zu sein. Doch allmählich schien Sesshōmaru zu begreifen, wieso es so war. Der tragische Tod seines Vaters, den Sesshōmaru noch als äußerste Schmach empfunden hatte, wandelte sich von Mal zu Mal, je länger er hatte Rin kennen lernen dürfen. Seit ihrem zweiten Tod, der durch den Höllenhund verursacht worden war, als er von seiner Mutter über die Fähigkeit des Meidō-Zangetsuha erfahren wollte, war ihm zum ersten Mal bewusst geworden, wie sein Vater es hatte fühlen müssen.

War es etwa nun seine Aufgabe, den Idealismus seines Vaters wahr werden zu lassen? Lag etwa in der Tragik der Vergangenheit die Wahrheit, nach der es Sesshōmaru seit so vielen Jahrhunderten verlangte?
 

Wie ein ruheloser Geist bewegte sich die Vergangenheit Inu No Taishō's durch die Gedankenwelt von Sesshōmaru. Die laue Brise des Herbstwindes trug die bunten Blätter hinfort. Der stolze Yōkai, dessen Kopf nachdenklich auf seiner Hand ruhte, während er die Schönheit der Natur betrachtete, konnte nicht aufhören darüber nachzudenken. Er zerbrach sich darüber regelrecht den Kopf. Nicht nur über seinen Vater, sondern auch über sich selbst. Vor nicht weniger als hundert Jahren noch, hatte Sesshōmaru Menschen so sehr verachtet, war arroganter denn je und hatte keinen Kampf gescheut, um seine Macht zu demonstrieren. Mittlerweile jedoch war er allein durch die Bekanntschaft mit dem Menschenmädchen Rin um einiges weiser geworden. Nicht der Mensch war es, den es zu verachten galt, sondern die Tat der Menschen. War es die Vergangenheit oder das Schicksal, was Sesshōmaru einzuholen drohte?

Philosophie stand Dämonen nicht wirklich. Es passte viel mehr zu Menschen. Jenen Geschöpfen, die nach Antworten suchten, in ihrem kurzen Leben. Sesshōmaru war sich jedoch bisher immer sicher gewesen, seine Antworten lägen im Kampf, in der Machtausübung und in dem langen Leben, welches ihm vergönnt war. Doch Jahrhunderte lang blieben ihm jegliche Antworten verwehrt. Was war aus ihm geworden? Ein philosophierender Dämon? Lächerlich! Und doch konnte Sesshōmaru nicht leugnen, dass in diesem intensiven Nachdenken so manche Weisheit steckte, dass es ihn in der Tat nicht wunderte, warum jene alte, weise Menschen ihren Frieden mit sich und der Welt fanden. Aber das würde er niemals zugeben!
 

Und doch vermochte Sesshōmaru erstmals zu empfinden, was sein so viel geschätzter Vater empfunden hatte.

Gäste

Eigentlich mischte sich Sesshōmaru's Mutter nicht ein, was ihren geliebten Sohn betraf, doch wenn es darum ging, dass er sich offenbar eines Menschenmädchens bemächtigte, konnte sie nicht einfach zusehen, sondern musste handeln! Wie könnte sie, Inukami, zulassen, dass ihr Sohn, Sesshōmaru, die Geschichte seines Vaters wiederholte? Nicht, dass es sie etwas kümmerte, dass Inu No Taishō bereits längst verstorben war. Im Grunde war ihr das gleichgültig, denn immerhin hatte dieser es selbst verschuldet und wirklich viel Liebe war nie im Spiel gewesen, wenn es überhaupt sowas wie Liebe zwischen beiden gegeben hatte. Er hatte seine Triebe und sie ihre befriedigt, als Sesshōmaru unterwegs war geboren zu werden.
 

Doch nun schien ihr Sohn ihr aus den Händen zu gleiten. Auch wenn sie sich die letzten Jahrhunderte nicht wirklich um ihn gekümmert hatte – immerhin war Sesshōmaru das Ergebnis zwei der mächtigsten Inu-Yōkai – so war es ihre Pflicht als Mutter, ihn vor Gefahr(en) zu beschützen! Ein Mensch war nicht ungefährlich. Sie mussten ständig beschützt werden, weil sie nicht selbst in der Lage waren, sich richtig zu verteidigen. Sie stolperten sogar über ihre eigenen Füße! Zudem waren besonders Frauen äußerst zerbrechlich und zart, dass ein einfacher Windstoß sie in derartige Angst versetzen konnte, dass es beinahe schon wieder süß war. Auch wenn die hübsche Yōkaidame am Anfang das kleine Mädchen an seiner Seite letzten Endes doch akzeptiert hatte, hieß das noch lange nicht, dass sie jenes Mädchen auch noch als Frau an der Seite ihres Sohnes tolerieren würde. Sich jedoch in seine Angelegenheiten einzumischen wäre taktisch äußerst unklug. Er war ein sehr stolzer und dazu auch noch ebenso sturer Dämon, der sich von seiner eigenen Mutter rein gar nichts vorschreiben ließ. Umso besser würde ihr nun ausgedachter Plan funktionieren, wenn Sesshōmaru davon nichts wusste. Inukami hatte alles in die Wege geleitet, von Anfang bis Ende, wobei sie das Ende nicht wirklich geplant hatte. Zumindest nicht in dem Ausmaß, den sich ihr Sohn womöglich erhoffen würde.
 

Stimmengewirr war aus dem Hof zu vernehmen. Die geräuschempfindlichen Ohren Sesshōmaru's täuschten ihn nicht: Etwas ging hier vor sich. Und seine ebenso empfindsame Nase kündigte etwas an, womit er ganz sicher nicht gerechnet hatte. Doch dieser Geruch war unverkennbar! Sofort erhob sich der stolze Yōkai und bewegte sich beinahe schwebend über den Holzfußboden, hinaus aus seinem Gemach, in dem er eben noch die Ruhe genoss, die nun vorbei war. Der Geruch wurde intensiver und je mehr er sich dieser Quelle näherte, desto sicherer wurde sich Sesshōmaru: Masato war nicht alleine.

„Sesshōmaru, alter Freund!“, rief eine tiefe Stimme. Ein ebenso großer Yōkai wie Sesshōmaru einer war, bäumte sich vor seinem Cousin auf und begrüßte ihn, indem er seine große und raue Hand hob und breit grinste. Die Augen des neuen Lords der westlichen Ländereien verengten sich zu schmalen Schlitzen. Beinahe gleichgültig blickte er auf seinen engen Verwandten und drehte sich ohne ein weiteres Wort um, ehe er seinen Weg fortsetzte. „Ich weiß, wir waren nicht eingeladen, zumindest nicht von Dir“, erklärte Masato sofort. Und augenblicklich war klar, dass Sesshōmaru's Mutter die Fäden in der Hand hatte. Aber was sollte das den so stolzen Yōkai kümmern? Es war genug Personal vorhanden, um Masato ruhigzustellen, als plötzlich ein Räuspern zu vernehmen war und ein gleichsam betörender Duft einer Lotusblüte. „Misaki!“, ertönte Masato's strenge Stimme. „Schon gut, Bruder. Ich stelle mich meinem Cousin Sesshōmaru selbst vor.“

Dieser blieb ungeachtet der Stimme stehen und hatte beiden weiterhin den Rücken zugedreht. „Sesshōmaru-sama“, begann Misaki mit zarter und beinahe verführerischer Stimme, „mein Name ist Misaki, Tochter von -“

„Ich weiß welche Tochter“, kam es kühl von dem Daiyōkai. Misaki zuckte leicht zurück und blickte mit leicht eiserner Mine zu ihrem Cousin, der oben auf dem Flur stand, zwischen ihnen die Holztreppe. „Du kannst 'ihr' ausrichten, dass ich keinerlei Interesse habe“, sprach Sesshōmaru in einem leichten Befehlston. Er ließ sich doch nicht vorschreiben, wen er sich zum Weib nehmen sollte und wen nicht! Ein aufgesetztes Kichern ertönte aus Misaki's Kehle. Vornehm hielt sie sich die Fingerspitzen vor ihre vollen Lippen. „Nicht doch~“, säuselte sie. „Deswegen bin ich nicht gekommen. Ich wollte Euch sehen, geliebter Cousin.“

Masato, der einen weißen Kinnbart trug, bemerkte die Spannung und wollte diese umgehend auflösen. „Ich hoffe, wir können etwas bei Dir bleiben? Wir haben uns lange nicht mehr gesehen, seit dem Tod unseres Onkels und wir haben gewiss einiges zu besprechen. Immerhin bist Du aufgestiegen und dazu sollten wir gratulieren!“ Masato war der Lockere. Er nahm die Dinge wie sie kamen, ohne sie zu ernst zu sehen. Was brachte das denn? Dass er so verbohrt und verklemmt wurde wie sein Cousin Sesshōmaru? Nein, das war nicht dass, wonach Masato strebte.

Ein verächtlicher Laut entwich Sesshōmaru, denn er konnte nicht glauben, welch billige Ausrede benutzt wurde, um die Einladung seiner Mutter zu rechtfertigen. Als ob es so viele Jahre gedauert hätte, die Nachricht vom Tod seines verehrten Vaters zu erhalten! Auch jetzt gab er kein Wort von sich und setzte seinen Weg fort, indem er den Flur entlang lief, um schließlich von der nächsten Ecke verschluckt zu werden. Somit ließ er seine Gäste eiskalt stehen.

„Gesprächig war er ja noch nie“, murmelte Masato und zuckte leicht mit den Schultern. „Er hat es sicher bemerkt, meinst Du nicht?“, fragte Misaki. Ein Nicken ihres Bruders bestätigte den Verdacht und so folgte ein Wink an die Hintermänner, die vor dem Tor warteten:

Meiryu, der jüngste Bruder von Masato und Misaki,

Takuya, ein anderer Cousin Sesshōmaru's und ebenso Cousin von Misaki, Masato und Meiryu,

Tsuyoshi, der jüngere Bruder Takuya's,

Aoi, Cousine von Sesshōmaru, die die Tochter der Schwester Sesshōmaru's Mutter war und ihre Zwillingsschwester Ai.
 

Sie alle waren jünger als Sesshōmaru, bis auf Takuya, dieser war sogar um etwa vierhundert Jahre älter und machte in Sachen schweigsamer Unterhaltung seinem Cousin Konkurrenz.

Er war um die zwei Meter groß und überragte damit deutlich einen einfachen Sterblichen, doch das war unter Dämonen nicht außergewöhnlich. Es entsprach eher der Norm.

Mein Job – dein Job

Konnte man nicht einmal seine Ruhe haben? Innerlich gefiel es Sesshōmaru nämlich kein bisschen, dass nun die gesamte Verwandtschaft glaubte freien Eintritt zu haben. Aber er strafte – wie immer – jeden mit Schweigen. Die ganze Sippe tarnte sich doch hinter Heuchelei und Sesshōmaru würde den Teufel tun, sein Erbe aufzugeben oder mit einem von ihnen zu teilen! Zumal ihm diese überschwängliche Freundlichkeit zuwider war, ob der Tatsache, dass er jene ebenfalls bestmöglich ignorierte. Von außen sah man nichts als den kaltherzigen Dämon, der damals nur ein einfaches Menschenmädchen in sein Herz schloss und näher an sich heranließ, als es jemand überhaupt für möglich gehalten hatte. Doch was in seinem Inneren vor sich ging, konnte keiner wissen und das war auch etwas, was der Daiyōkai zu schätzen wusste: seine Gedanken, sein Eigentum!

Und jenes Eigentum ließ er sich schlicht nicht streitig machen, weder von seiner Mutter noch von sonst irgendwem. So viele Jahre hatte Sesshōmaru in der Vergangenheit um die Macht gebuhlt, seinen Vater eines Tages übertrumpfen zu können und nun hatte er jene Stellung inne, die viel von ihm abverlangte, Sesshōmaru aber noch nicht alles getan hatte, um dem gerecht zu werden. Es war mehr als die „ultimative“ Macht zu repräsentieren, zumindest die stärkste Macht des Westens. Vielmehr war es das Volk zu beschwichtigen und zu helfen, wenn und wo er konnte. Jene Worte seines Vaters, die er mit Leichtigkeit all die Jahrzehnte verdrängt hatte, aber jetzt wieder an die Oberfläche kamen und die der neue Lord nicht länger verdrängen konnte.
 

„Aus dem Grund bist Du hier“, drangen Sesshōmaru's Worte an das Ohr des jungen Menschenmädchens. Für einen Augenblick herrschte Stille. Nach und nach konnte sich Rin jedoch aus der unsichtbaren Starre lösen und wusste im ersten Moment nichts darauf zu reagieren. „Autsch! Das hat sicher weh getan!“, giggelte Jaken, der auf einmal hinter dem weißen, großen Fell Sesshōmaru's hervortrat. Sesshōmaru's Auge zuckte nervös, als er bemerkte, dass er Jaken nicht einmal gespürt hatte, wie sich der kleine Gnom erneut an seine Fersen geheftet hatte! Ein seitlicher Blick zu dem Grünling genügte, um ihn schweigend aus dem Zimmer zu jagen. „Wäre es nicht an der Zeit in Ruhestand zu gehen, Jaken?“, fragte Rin stattdessen und konnte nicht leugnen, dass Jaken eigentlich genau ins Schwarze getroffen hatte. Ja, die Worte des Daiyōkai's taten weh, tief in ihrem Herzen, da sie – wie immer – sich mehr erhofft hatte von alledem. Dass sie zu etwas höherem bestimmt sei; dass es mehr als nur ein Test Tenseiga's war, sie damals wiederbelebt zu haben und dass es eben mehr als reine Arbeit war, die Sesshōmaru zu Rin geführt hatte. Aber, laut Dämonen, waren Menschen ja bekannt für ihre zu große Hoffnung, die sie sich selbst aufbürdeten und nachher unter jener Last zusammenbrachen.

Gleich flüssigen Pechs glänzte ihr rabenschwarzes Haar in der Sonne, da Rin mit dem Rücken zum Fenster stand, genau in dem warmen Gold, welches sie umgab und zu wärmen begann. „Ich verstehe“, antwortete sie, als sie sah, wie Jaken die Tür mit seinen kleinen drei Griffeln zuschob. „Gut.“ Mehr brauchte Sesshōmaru nicht zu sagen, um das Gespräch für sich zu beenden, wenngleich er mehr als deutlich sah, dass es seinem kleinen Schützling nicht gefiel. Wortlos drehte sich der Yōkai um, öffnete die Tür, die gerade einmal wenige Sekunden geschlossen war und verließ lautlos den Raum. Zumindest waren seine Schritte äußerst leise, lediglich sein Fell konnte man auf dem Boden schleifen hören, wie es hinter ihm hergezogen wurde.
 

Noch einige Minuten stand sie in dem Raum, rechts neben ihr auf dem Boden das Futon, ehe sie registrierte, dass vor der offenen Tür ein Dämonenweib stand. „Hallooo!?“, schmunzelte Misaki und verschränkte ihre Arme vor ihrer Brust, die sie damit enger an sich presste und damit einen deutlichen Vorbau inszenierte. „Was macht ein Menschenmädchen denn hier?“, fragte sie dreist den kleinen Froschdämon Jaken. „Sie ist d– ...“ Rin hatte sich indessen in Bewegung gesetzt und war schlicht mit ihrem rechten Fuß auf Jaken getreten, dessen Kopf nun galant den Boden küsste. „Schön üben!“, fauchte Rin äußerst giftig und stupste mit ihren Zehen Jaken's Kopf noch etwas an, auf dass er endlich mehr Diskretion lernte, wenn der Rest der Dämonenschaft es nicht begriffen, dass Rin selbst wusste, dass sie ein Mensch war! Wenngleich es nichts damit zu tun hatte, so hatte das japanische Schneewittchen mit ihrem pechschwarzen Haar und ihren sattroten Lippen endgültig die Schnauze voll, dass Gesagte jedes Mal erneut hören zu müssen, als wäre sie eine ausländische Delikatesse, die man auf dem Tisch nicht erwartet oder gar erwünscht hatte. Als wäre es nicht schlimm genug nur hier anwesend zu sein, damit sie lediglich die Korrespondenz des Daiyoukai's übernahm, da sie schließlich ein Mensch war und die Interessen der Menschen wesentlich besser zu verstehen glaubte als ein Dämon. Trotz dass die junge Frau wütend und enttäuscht darüber war, gab sie keinen Laut von sich bezüglich jener Aufgabe, sondern würde helfen, wo sie konnte. Es war eine reine Sache der Höflichkeit und des Anstandes, zumal sie für sonst niemanden so viele Gefühle übrig hatte wie für ihn. Und wenn sie ihm damit helfen konnte, dann sollte es so sein. Sie wäre die Letzte, die etwas dagegen sagen würde. Schließlich konnte Rin somit bei ihm sein und vielleicht helfen, dass es armen Menschen bald bessergehen würde. Vorerst aber half sie beim Einrichten der vielen Gästezimmer, die Sesshōmaru besaß, im alten Anwesen seines verstorbenen Vaters. Nachdem die Futons ausgelegt und die Fenster für das Lüften geöffnet waren, begab sie sich ins Teezimmer, um dort Tee für die Gäste aufzusetzen. Zwar gab es dämonische Bedienstete, aber jene waren mit anderen Tätigkeiten beschäftigt und sie half aus, wo jemand benötigt wurde.
 

Nach drei Stunden waren die angekommenen Gäste zumindest für das Erste befriedigt und gesättigt, sodass Rin sich ins Waschhaus zurückziehen wollte. Sie nahm sich einen frischen Kimono und zwei große Leinentücher, um sich in Bewegung zu setzen. Der kalte Steinboden außerhalb des Anwesens tat gut, denn ihr Körper war von der ganzen körperlichen Arbeit erhitzt und die mittlerweile kühle Abendluft erhellte ein wenig ihr Gemüt. Die Gäste würden nicht ewig bleiben und bald wäre sie mit Sesshōmaru wieder alleine. Ein kleines verschmitztes Lächeln stahl sich auf ihre Lippen, als sie gedankenverloren die Schiebetür aus Holz zum Badehaus öffnete und dort Kimono und Leinentücher ablegte. Da jemand baden gewesen war, war der Raum innen noch mit Wasserdampf gefüllt, dass man kaum die Hand vor Augen sah! Da hatte jemand wohl scheinbar nicht die Holzlatten an der Wand geöffnet, um zumindest etwas frische Luft und klare Sicht zu erhalten. Zuerst aber entledigte sie sich ihrer Kleidung und legte sie auf den Haufen der Kleidung, die gewaschen werden mussten, ehe sie mit ihren nun kalten Füßen den leicht aufgewärmten Steinboden betrat und sich Schritt für Schritt langsam nach vorne bewegte. Schließlich könnte ein Holzeimer oder ein Hocker im Weg stehen und Rin war nicht willens darüber zu stolpern und sich etwas zu brechen. An den Holzlatten angekommen, öffnete sie jene und bekam sogleich einen kalten Luftzug ab, der sie erleichtert aufatmen ließ, als läge eine schwere Last auf ihr. Die Schöne drehte sich um und tastete sich zum Wannenrand vor, setzte ein Bein nach dem anderen ins angenehm heiße Wasser und ließ sich leicht nach hinten gleiten, als sie plötzlich auf etwas weichem saß und einen lauten Schrei losließ. Mit einem Mal wurde sie hochgehoben und fiel vorwärts ins Wasser, schlug dabei große Wellen und benetzte den Rand mit Wasser, sodass der Fremde, der sich als großer Dämon entpuppte, mit seiner Hand abrutschte und geradewegs auf das zierliche Wesen fiel und Rin zusätzlich unter Wasser drückte. Ein ratterndes Geräusch von Holz, als der Daiyōkai persönlich binnen Bruchteil weniger Sekunden im Badehaus selbst stand und durch die schnelle Bewegung einen Großteil des Wasserdampfes mit nach draußen beförderte, sodass sich die Sicht mehr und mehr klärte. Just in dem Moment erhob sich Masato und umfasste die zierliche Hüfte des Mädchens, um sie aus dem Wasser zu heben. Zwar liebte er Menschen nicht, sondern akzeptierte sie, aber grundloses Töten war nicht sein Stil. Außerdem war er auf das Mädchen gefallen und wusste, dass sie seinem Cousin Sesshōmaru viel bedeutete. Nicht aus Furcht, sondern aus Respekt vor jenen „Gefühlen“ seines Cousins, hob er Rin an und stellte sie auf ihre eigenen Füße, was aus Sesshōmaru's Sicht alles andere als sittlich aussah! Sein Blick verfinsterte sich brutal und ein wölfisches Knurren drang über seine Lippen, ehe der Daiyoukai mit seiner Geschwindigkeit im Bruchteil einer Sekunde Masato am Hals ergriff und ihn hart und erbarmungslos gegen die Steinwand drückte. Ein tödlicher Blick und er riss Masato zur Seite, sodass dieser sich gerade noch am Boden abstützen und erheben konnte. Er kannte seinen Cousin und es lohnte nicht, nun mit ihm zu sprechen, weshalb er es vorzog seine Kleidung zu nehmen, anzuziehen und das Badehaus zu verlassen. Auf dem Wannenrand stehend, warf Sesshōmaru einen gefährlichen Seitenblick zu Rin, bevor er wortlos das Badehaus verließ und Rin mit Tränen in den Augen und am Körper zitternd zurückließ.

Ein Gedanke

Rin gab sich Mühe, das bemerkte auch der Dämonenlord. Jedoch fiel ihr auf, dass sich Sesshōmaru in der Gegenwart seiner Verwandtschaft noch distanzierter verhielt. Aber das Verhalten fasste Rin nicht etwa als Beleidigung oder gar als verletzende Geste auf, im Gegenteil. Dämonen waren wie der Adel. Sie hielten sich für etwas Besseres, benahmen sich auch so, wie Rin die letzten Tage festgestellt hatte. Dabei ahnte doch niemand, dass in den nächsten fünfhundert Jahren es unlängst keine Dämonen mehr gab. Nicht so, wie sie nun zu herrschen und leben pflegten.

„Ich bin ein Dämon und muss dienen“, jammerte eine grüne, kleine Trauergestalt. Jaken schlurfte mehr durch den Flur, ließ seinen Kopf hängen und träumte von seiner Zeit, wo er glaubte, einmal ein kleiner Herrscher gewesen zu sein.

„Man hat mich respektiert...“, jammerte er weiter.

Plötzlich tauchte Rin neben ihm auf und lächelte ihn aufmunternd an.

„Etwas Sake, einen Kimono für dich und Du bist mehr als ein Diener“, erwiderte sie auf sein Gejammer. Und da färbte sich seine sonst so grüne Haut ins tiefe Rot. Doch er schien erst wenige Sekunden später zu verstehen, was die Schwarzhaarige damit zum Ausdruck bringen wollte.

„Wie kannst Du es wagen, so etwas zu sagen!?“, schrillte seine tobende Stimme. Rin hingegen lachte vergnügt auf und rannte den Flur entlang. Und die kleinen Füße des Dämons reichten nicht aus, um mit ihr Schritt zu halten. Früher schon nicht, heute schon gar nicht.

„Heeeeeey!“, brüllte Jaken hinterher. Mit einem Mal wurde eine Tür aufgezogen, direkt neben Jaken.

„Hey, Gnom, bring mal etwas mehr Sake“, murmelte Masato, der Lockere von allen. Am liebsten wäre Jaken in Tränen ausgebrochen, aber er tat, was man ihm befahl.

Noch am selben Abend stand Jaken in der Mitte des Zimmers, in dem sich Masato und der Rest der Sippe befand, in die Hände klatschend und tänzelte in einem übergroßen Kimono um die eigene Achse. Halb betrunken, der Kleine, doch glücklich für den Moment, dass man ihm Aufmerksamkeit schenkte, das er eindeutig mit der Lächerlichkeit verwechselte, in die er sich taumelte.
 

In der kühlen Nachtluft saß Sesshōmaru auf dem Dach deines Anwesens. Selbst von dort konnte man das laute Lachen seiner Verwandten hören. Wie er sie allesamt verabscheute! Es gab nur eine einzige Person, die er näher an sich heranließ und das war ein Menschenmädchen. Und dem Lord war es bereits unlängst bewusst, dass sie nicht die Zeit hatte hier zu verweilen, wie sie ihm gegeben war. In vielleicht fünfzig Jahren würde sie sterben, wenn sie Glück hatte, lebte sie länger. Sollte das Pech ihr ständiger Begleiter sein, so würde sie ihn schon viel früher verlassen. Ihn verlassen. Sesshōmaru hatte sich bereits so sehr an Rin gewöhnt, dass ihm der Gedanke für den Bruchteil einer Sekunde unerträglich schien, sie frühzeitig zu verlieren. Noch vor ihr wusste er, dass man niemandem vertrauen konnte. Und immer wieder hatte sich das in seinem Leben bestätigt. Weder Mensch noch Dämon. Rin war bisher die einzigste Ausnahme. Trotz dass er ein Dämon und womöglich sehr kaltherzig war, so war ihm diese Bedeutung mehr als bewusst. Jemanden wie Rin, dem man allseits vertrauen und sich auf diese Person verlassen konnte, war eine Rarität einer seltenen Spezies. Und ob der Tatsache, dass Rin als Kind so viel Leid hatte erdulden müssen, Schläge und Missachtung, hielt sie am Leben fest und hörte nicht auf, an das Gute zu glauben. Diese offensichtliche Naivität würde sie früher oder später sehr bereuen, aber da konnte ihr Sesshōmaru nicht helfen. Er war niemand, der einem etwas aufzwang. Aber er war jemand, der Loyalität erkannte und zu schätzen wusste. Selbst wenn alle Welt gegen Rin wäre, er wäre für sie da.

Immer.
 

Gerade in ihrer Pubertät hatte es durchaus Streit mit Sesshōmaru gegeben. Zwar war sein Schützling brav und freiheitsliebend, wohlerzogen, trotzdem hatte er sie so manches Mal an den Rand der Verzweiflung gebracht. Und das war bei ihm weiß Gott nicht einfach. Aber welcher Mensch war das schon? Sie waren eigen und stur. Etwas, was Rin nur allzu deutlich beweisen konnte, wenn sie wollte. Aber auch das war nicht schlimm. In den letzten Jahren hatte Sesshōmaru eine äußerst große Geduld bewiesen und sie auch gelernt, zu wahren. Das kleine Mädchen, das nun zu den Erwachsenen unter den Menschen gehörte, hatte schon einige Fehler begangen. Aber all das war längst verziehen. Aus Wut hatte sie den Lord einmal beschimpft, ihn angeklagt, nur um ihrem Frust freien Lauf zu lassen. Nichts dergleichen hatte Sesshōmaru erwidert. Menschen waren sehr gefühlsbetont und empfindsam. Wie könnte er solch einem Wesen Einhalt gebieten, ohne sie einzuschränken und sie verwelken zu sehen wie eine Blume, die man einst pflückte und glaubte, sie in ewiger Schönheit betrachten zu können? So ließ er Rin toben und fluchen, denn er wusste, sie hatte Anstand, sich für Fehler zu entschuldigen, was sie wenig später schon getan hatte.

„Geht es Dir jetzt besser?“, hatte Sesshōmaru gefragt.

Zwischen ihnen bestand eine intensive Verbindung, die ohne Worte reibungslos funktionierte. In der man den anderen schätzte, ihm alles verzeihen würde, und den man nicht verlieren wollte. Und obwohl das Sesshōmaru niemals in Worte fasste, war das der jungen Frau doch schon längst bewusst.
 

Ohne auch nur nach unten schauen zu müssen, spürte Sesshōmaru die Anwesenheit Rin's. Sie stand unter ihm auf dem Balkon und sah in den schier endlosen Himmel. Unzählige Sterne fanden dort ihren Platz.

„Ob ich auch einmal dort oben bin, wenn ich sterbe?“, fragte sie leise, wissend dass die Ohren des Lords ausgezeichnet waren. Jedoch konnte Sesshōmaru mit so einer Frage nicht umgehen. Wenn er an etwas gewöhnt war, wollte er es bei sich wissen, so lange er wollte. Zu wissen, dass das Schicksal ihm aber nicht gehorchen würde, war der Gedanke, sie plötzlich verlieren zu können, nicht in Worte zu fassen.

„Hör auf, solchen Unsinn von Dir zu geben“, gab Sesshōmaru kühl zurück. Er mochte diesen Gedanken nicht.

Plötzlich fiel ihm etwas ein. Gab es da nicht einmal das Juwel der vier Seelen? Dass es gut oder böse werden konnte, je nach Entscheidung seines Trägers? Soweit ihm bewusst war, gab es das nicht mehr. Hatte sich dieses einfältige Weib Kagome doch dafür entschieden, es verschwinden zu lassen, wenn er sich recht entsann. Aber wohin verschwand es? Dort, wo es nun war, musste es doch auch eine Art Raum geben, um dort verweilen zu können, in diesem „Nichts“. Wo auch immer dies war. Es machte den Träger mächtig und unsterblich. Mit einem Mal schlug das kalte Herz Sesshōmaru's kräftig gegen seine Brust. Doch äußerlich blieb er die Ruhe selbst. Niemand sollte sehen, wie es ihm innerlich erging. Genau das wahrte er stets, ganz gleich ob er wütend oder aufgewühlt war. Niemand sollte dies sehen, gar fühlen können. Gefühle zu sehen machte schwach und das nutzten so viele aus. Stattdessen erhob sich der Daiyōkai und entschwand wortlos in die dunkle Nacht hinein.

Rin sah nach oben. Weg war er.



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Kommentare zu dieser Fanfic (50)
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Von:  Eruza03
2015-04-05T19:24:12+00:00 05.04.2015 21:24
So! Ich kann stolz sagen das ich die letzte bin die diese Geschichte liest :'D. BIIIIITTTTTEEE schreib bald weiter!!! Ist der hammer!
Von:  RizaElizabethHawkeye
2014-10-28T17:14:56+00:00 28.10.2014 18:14
Oh mei nGott. Er will sich vom Juwel wünschen, dass sie immer bei ihm bleibt oder das sie unsterbich ist. :O
Der Oberhammer! Das hätte ich von Sesshomaru nicht erwartet. :)
Verwandte können riiichtig nerven. Ses tut mir leid. Ich hätte mich einfach für 3 Wochen verkrochen. :'D
Super Story! Ich bin begeistert!
Antwort von: abgemeldet
28.10.2014 18:32
Wer weiß ;)
Hätte mich auch irgendwo verkrochen oder Urlaub gemacht. :D
Danke <3
Von:  CheyennesDream
2014-10-27T17:45:02+00:00 27.10.2014 18:45
Sesshomaru denkt an das Juwel? Oder will er nur eine andere Lösung suchen um Rin für immer an sich binden zu können.
Ich glaube kaum, das man mit dem Juwel wirklich glücklich wird.
Aber er legt auf Gefühle nun mal keinen allzu großen Wert, bzw verbirgt er sie.

Jaken kann einem schon richtig leid tun, der Arme. Böser Autor ;)

Bin gespannt wie es weitergeht. Mache dir keinen Stress und lasse dir ruhig Zeit. Wir alle haben zu wenig davon.

Chris

P.S bei mir im Firefox Add-ons kommt "sesshaft" als Alternative ;)








Antwort von: abgemeldet
28.10.2014 17:56
Jaken genießt das sicher, im betrunkenen Zustand. :D
Ich weiß noch nicht, für was ich mich genau entscheide, aber habe da schon so eine gewisse Richtung.

Hehe, da ist Firefox näher dran. ;D
Mich nervte das ständige Abstürzen von FF. :<
Von:  SoulSky
2014-10-27T17:26:03+00:00 27.10.2014 18:26
Ich freue mich schon darauf wenn du es schaffen solltest weiter zu schreiben! Hoffentlich passiert das bald. Ich liebe diese Ff nämlich!!!
LG
SoulSky
Antwort von: abgemeldet
28.10.2014 17:52
Aww, das ist lieb von Dir <3
Danke :*
Von:  Flaire
2014-06-25T18:06:38+00:00 25.06.2014 20:06
So, jetzt hab ich mich auch mal durch alle Kapitel gelesen.
Verfalle nach Jahren erneut diesem Pair, aber offensichtlich bin ich nicht alleine damit. ^^

Was soll ich sagen, es hat unheimlich viel Spaß gemacht alle Kapitel hintereinander zu lesen und musste gerade feststellen, ich bin schon durch. ^^°
Du hast einen wundervoll flüssigen Schreibstil, beschreibst Gefühle, Bewegungen, Umgebungen - Kopfkino in HD.

Die Charas beschreibst du so herrlich orginalgetreu. Und irgendwie tut mir Rin leid. Ganz alleine, umzingelt von 'Dämonen' und ihren Gefühlen, die immer wieder mal Achterbahn fahren.
Manchmal glaube ich, dass Sess so 'reserviert' ihr gegenüber bleibt, weil er die Kontrolle nicht gänzlich verlieren kann.

Story gefällt mir auch sehr gut. Gefühle, Spannung, Überraschungen, Konlikte. *~*
Bitte mehr davon.

So und nun pack ich mir deine FF mal unter die Favos.
Liebe Grüße
Antwort von: abgemeldet
25.06.2014 22:07
Lieben Dank für dein Feedback! :)
Freut mich, dass ich doch nicht so OoC bin, wie ich dachte. Versuche, demnächst noch etwas zu schreiben, kann aber nicht garantieren, dass es die nächsten Tage sein wird.
Wünsche Dir noch eine schöne Woche <3
Liebe Grüße
Antwort von:  Flaire
25.06.2014 22:14
Egal, auf gute FFs lohnt es sich zu warten ^.-
Wünsch dir auch eine angenehme Woche.
Von:  SoulSky
2014-06-14T21:14:52+00:00 14.06.2014 23:14
Super Fanfiction! biiiiiiiiiiiiiiiiiiitte schreib weiter!
Von: abgemeldet
2014-04-17T13:25:04+00:00 17.04.2014 15:25
tolles kapi^^ freu mich schon auf die fortsetzung
Von:  sama-chan
2014-04-16T07:38:24+00:00 16.04.2014 09:38
Du hast einen tollen Schreibstil! Wie du die Umgebung, die Personen und die Gefühle beschreibt - wirklich klasse. Ich freue mich schon sehr auf die Fortsetzung! :)
Von:  Sesshy500
2014-03-30T18:59:36+00:00 30.03.2014 20:59
Coole FF. Schreib bitte schnell weiter
Von:  Miezer
2014-03-18T09:45:50+00:00 18.03.2014 10:45
hi, hab deine geschichte ende letzten jahres gefunden oder sie hat mich gefunden! ^^
bin total begeistert von deiner geschichte und hab mich total gefreudt, wie ich gesehen hab das wieder ein neues kapi on ist! (hatte schon angst da kommt nix mehr! *heul*)
muss dazu sagen bin immer noch ein neuling was fanficts betrifft und das kommis euch motivieren und evtl. inspirieren!!! :)
und ich möchte dich unbedingt weiter motivieren!!!!!! ^^ is soooo eine schöne geschichte, bin gespannt wie`s weiter geht!
der schluss vom jetzigen kapi is ja sehr angespannt, peinlich und voller missverständnissen auseinander gegangen, die arme rin!
mal sehn was noch kommt!!! :D

LG Miezer ^^
Antwort von: abgemeldet
18.03.2014 19:21
Danke für dein Kommentar. :)
Es ist natürlich immer schön, Kommentare zu erhalten, aber ich bin auf keinen Fall eine Autorin, die nur schreibt, wenn es Kommentare gibt. Das gibt es hier leider auf Animexx noch vereinzelt.
Es steht zeitlich nur gerade nicht zum Besten, da jetzt Sprachkurse kommen und ich viel aufholen muss, auch in anderen Fächern. :(
Aber ich bemühe mich und hoffe, dass ich vielleicht im April noch was hochladen kann (und dieses Mal etwas länger! Keine Ahnung, warum ich immer so wenig schreibe. Denke immer, es ist viel und dann sehe ich, dass es nur ein paar hundert Wörter sind |D).


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