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Mind Game

A Dreamrealm
von

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Kapitel 1

Kapitel 1
 

Ein Traum ist eine psychische Aktivität während des Schlafes und wird als besondere Form des Erlebens im Schlaf charakterisiert, das häufig von lebhaften Bildern begleitet und mit intensiven Gefühlen verbunden ist, woran sich der Betroffene nach dem Erwachen meist nur teilweise erinnern kann.[1] Stickgold (2001) beschreibt Träume als „bizarre oder halluzinatorische mentale Aktivität […] die während eines Kontinuums an Schlaf- und Wachstadien einsetzt“. Krippner et al. (1994) beschreiben den Traum als „[…] eine Serie von Bildern, die während des Schlafes auftritt und oft verbal berichtet wird“. Der Neuropsychologe Hobson beschreibt den Traum als „[…] a form of madness“ (1998). Die Interpretation des Erlebten findet in der „Oneirologie“ (Traumdeutung) statt. Fantasievorstellungen und Imaginationen, die im wachen Bewusstseinszustand erlebt werden, werden als Tagtraum bezeichnet.

[Quelle: Wikipedia]
 

Stille. Die meisten beschreiben Bewusstlosigkeit mit Stille und einer endlosen Dunkelheit, die einen einhüllt wie eine kalte Decke. Oft wird von Schleiern berichtet und von wundersamen, seltsamen Lichtern, doch nur sehr selten sieht jemand etwas in seiner Bewusstlosigkeit.

Das Koma, in dem ich lag, war nichts dergleichen. Doch das wusste ich nicht.

Ich wusste gar nichts.

Rein

gar nichts
 

Es war vollkommen still und kein einziger Luftzug wehte. Es war, als wäre alles auf Pause gesetzt worden, als der Junge sich langsam regte und die Augen zaghaft öffnete. Noch etwas verwirrt blinzelte er verschlafen und bemerkte erst jetzt, dass er vollkommen unbequem geschlafen hatte. Der unebene, kalte Waldboden war nicht gerade die komfortabelste Alternative zu einer anständigen Matratze. Er hob den Kopf und setzte sich aufrecht hin. Sein Blick wanderte von einer Seite zur nächsten und dennoch kam ihm der Ort hier nicht bekannt vor. Er sah sich weiter um und versuchte, zu verstehen, wo er war, bis ihm etwas auffiel.

Er wusste nichts.

Er hatte keinerlei Erinnerungen, die er mit diesem Ort abgleichen konnte.

Der Junge fasste sich an den Kopf und versuchte sich krampfhaft an etwas zu erinnern, doch außer dem Gefühl, dass da etwas war, blieb sein gesamter Kopf leer. Eine einzige Gewissheit und zwar die, dass da etwas sein musste, etwas, woran er sich nicht erinnern konnte. Etwas, von dem er keinen blassen Schimmer hatte.

Aber brachte ihn das gerade weiter?

Eher weniger...

Erneut sah er sich um und blickte dann hoch. Eine dichte Baumkronendecke breitete sich über seinem Kopf aus und versperrte ihm die Sicht auf den Himmel. Wo auch immer er war, er musste erstmal aus diesem Wald raus. Er stand auf und wollte sich den Staub von seinen Sachen klopfen, als ihm auffiel, dass er völlig unbekleidet war. Deshalb war ihm auch so kalt. Er schlang die Arme etwas um seinen Körper und versuchte, sich somit ein wenig zu wärmen, doch wirklich wärmer wurde ihm nicht. Irgendetwas stimmte hier doch gewaltig nicht. Doch dieses Gefühl des Wissens, ohne wirklich eine Ahnung zu haben, verunsicherte ihn. Wie konnte man nur das Gefühl haben, zu wissen, dass etwas so war, wie es war, oder eben umgekehrt, wenn man sich an das Alte nicht zurückerinnern konnte? Es verwirrte ihn, doch er versuchte, sich nicht weiter damit zu befassen und schaute sich nach etwas um, dass ihm vielleicht als Kleidung dienen könnte.

Das alles kam ihm mehr als nur seltsam vor.

Und dann sah er ihn. Eine Gestalt, die ihm bekannt vorkam und ihn direkt ansah. Es war ein Junge. Ein Junge mit schimmerndem grünen Haar und smaragdfarbenen Augen. Der Junge war unbekleidet und sah ihn direkt an, als wäre es, ja...

sein Spiegelbild.

Sah er so aus? Langsam löste er die Arme, die um ihn herum geschlungen waren und machte einige Schritte auf die Gestalt zu, die ihm natürlich alles zeitgleich nachmachte. Mit keiner einzigen Verzögerung.

Ein weiterer Schritt zu auf diese Person wurde gemacht und einen weiteren Schritt machte die Person auf den Jungen zu. Er musterte die Gestalt. Blasse, reine Haut, markante Zeichen an den Augenrändern und dünne, rosige Lippen. Ein attraktiver und niedlicher junger Bursche, dem zwar etwas Lebendiges aus den Augen zu lesen war, doch genauso waren diese Augen auch absolut ausdruckslos und tot. Völlig emotionslos mit einem wunderbaren, einzigartigen Funkeln innerhalb der Pupillen. Es war, als würde man inmitten eines erloschenen Feuers eine kleine, helle Flamme auflodern sehen.
 

Feuer.
 

Ihn nahm eine noch immer etwas kühle, aber angenehme Wärme ein und er fröstelte. Die Person tat es ihm gleich.

Ein weiterer Schritt auf die Person zu und sie trennte nicht weniger als eine Armlänge. Langsam streckte er diesen aus und versuchte, die Fingerspitzen seines Gegenübers zu berühren, leider jedoch erfolglos. Irgendein seltsames Gefühl hinderte ihn daran, ihn zu berühren. Eine Vorahnung. Eine Angst war es. Eine kleine Stimme, die in seinem Kopf rief: „Nein! Fass ihn nicht an, sonst wirst du eins mit dieser Welt!“

Eins mit dieser Welt. Mit dieser wundersamen Welt. Er sah sich wieder um und die Person tat es ihm gleich. Die Bäume ragten in seltsamer Form in die Höhe, die Äste verzweigt, wie in einem modernen Gemälde, die Farben knallig und stechend, wie direkt aus einem Farbmalkasten. Die Blumen blühten in solch einer Schönheit, dass alles, was um ihn herum vegetierte künstlich und unreal wirkte.

Fantastisch.

Unecht.

Wundersam.
 

Sein Blick fiel erneut auf sein Gegenüber, der ihn wieder ansah mit diesen markanten, stechenden Augen. Woher hatte er nur diesen flammenden Funken in seinen Augen? Es war ihm fremd. Als wäre dieses Spiegelbild, nicht völlig er selbst. Doch wenn diese Gestalt all das tat, was auch er machte, dann musste es doch sein Ebenbild sein, oder etwa nicht? Gab es eine andere Möglichkeit?
 

Zaghaft streckte der Junge wieder seinen Arm aus, um mit den Fingerspitzen sein Gegenüber zu berühren. Nichts weiter als die Schmale eines Papieres trennte sie voneinander und die Stimme in seinem Kopf wurde zunehmend lauter und flehender. Doch die Neugier siegte. Die Neugier und das Gefühl, diesen Augen nicht länger ausgesetzt sein zu wollen.
 

Und dann berührten sich ihre Fingerspitzen.
 

Es war wie ein heftiger Elektroblitz, der durch ihn hindurch jagte und ihn plötzlich mit Leben erfüllte. Es war, als wäre er aus einem tiefen Schlaf gerissen worden. Plötzlich spürte er alles. Die Kälte, seine Finger, seine Beine, seine blanke, nackte Haut und wie seine Fingerspitzen auf etwas Eiskaltes stießen. Die kleine Flamme in den Augen der Gestalt flackerte auf, ehe sie erlosch und vollkommen verschwand.
 

Und dann geschah es. Von den Fingerspitzen an, blätterte die Haut der Gestalt ab und verwandelte sich in die Asche verbrannten Papieres, die davon wehte, während nichts weiter als blanke Knochen zurückblieben. Knochen und Skelett, die sich langsam Stück für Stück in weiße Schmetterlinge auflösten.

Nein, es waren keine Schmetterlinge.

Es waren Motten.
 

Der Anblick war genauso verstörend, wie einzigartig faszinierend und fesselte den Jungen vom ersten Augenblick an. Er sah ins Gesicht der Gestalt, die von dem Augenblick an, als sich ihre Fingerspitzen berührten, wie erstarrt schien. Er starrte den Skelettkopf an, wie er langsam restlichen Überbleibsel Haut, dann Muskeln verlor, bis schließlich nur noch ein halb zerfressener Schädel übrigblieb.

Ein Schädel,

der ihn dann direkt ansah,

tot,

unlebendig,

modrig,

ZERFRESSEN,

und dann auflachte mit einem solch schallenden Gelächter, dass es ihm das Blut in den Adern gefror.
 


 


 


 


 


 


 

„GHYAHAHAHAHAHAHAHA!!!!!“
 

Der Junge stolperte vor Schreck nach hinten, die Augäpfel fast aus seinen Höhlen tretend, die Augen geweitet vor Entsetzen und knallte hart auf den unebenen, unsanften Waldboden. Er lag dort einige Momente, unsicher, ob er sich aufrichten sollte oder nicht, doch vermutlich war es der Schmerz des Aufpralls, der ihn daran hinderte. Er sah hoch, grade aus in die Baumkronen und versuchte, sich zu beruhigen, während sein Herz einen Marathon zu schlagen schien. Er schloss die Augen und atmete einige Male tief ein-
 

„Nanu~? Was machst du denn da auf dem Boden~?“ Sofort riss der Junge die Augen auf und erstarrte. Was war das für eine Stimme? Sie kam ihm bekannt vor. Er setzte sich auf und sah in die Richtung, in der er die Stimme vermutete.

„Na , nach Sterneschauen sieht das jedenfalls nicht aus. Hey! Hier drüben bin ich~ huhu~!“ Der Junge wirbelte herum und sah dann zu einer Gestalt, die ihm zwar bekannt vorkam, von der er aber doch schwor, sie noch nie in seinem gesamten Leben gesehen zu haben. Es war eine Person, größer als er selbst, mit pelzigen, pinken Tatzenfüßen, einer violetten Hose und einem Streifenpullover in pink und lila. Die Gestalt hatte sowohl Katzenschweif als auch Ohren und die blonde Haarpracht verdeckte geschickt die Augen. Gekrönt wurde das ganze äußerst seltsame Auftreten durch wortwörtlich eine Krone, die auf eben dieser Haarpracht lag und ihr einen lächerlichen Anblick verlieh.
 

„Liegst du häufiger unbekleidet in Wäldern herum?“ Der Junge schüttelte den Kopf, während die Gestalt mit den animalischen Eigenschaften nur breit grinste. Ein Grinsen, das ihn an sein exaktes Ebenbild von gerade eben erinnerte. Er erschauderte.

„Für gewöhnlich nicht. So denke ich zumindest.“ Er machte keine Anstalten aufzustehen, geschweige denn, sich anderweitig zu rühren und sah sich um. Plötzlich schienen die Farben des Waldes noch intensiver, falls dies überhaupt möglich war und er wunderte sich, ob das soeben doch nur seine Einbildung gewesen war. Solch eine skelettene Gestalt konnte es doch gar nicht geben.
 

„Du solltest dir dringend etwas anziehen.“ Der Junge nickte stumm ohne wirklich zugehört zu haben und das nächste was er spürte war etwas Weiches, dass seinen Hinterkopf und Rücken traf. Er drehte den Oberkörper und sah auf das Bündel, dass ihm soeben zugeworfen worden war. Es war Kleidung. Unterwäsche, eine dunkle Jeans und ein schwarzer Kragenpullover. Ohne eine weitere Antwort abzuwarten, zog er die Sachen an und klopfte sich unnötig etwas ab. Die Hose rutschte etwas, doch ihm wurde auch ein Nietengürtel zugeworfen, der dieses kleine Problem beheben sollte.
 

Der Junge wandte sich an die ominöse Gestalt.

„Wer bist du eigentlich?“

„Nein, die Frage ist, wer bist DU?“ Verwirrt blinzelte der Junge.

„Fragen wir anders. Weißt DU wer du bist?“

„Ich denke nicht.“ Es herrschte Stille, ehe die Katzengestalt weiterredete.

„Verstehe. Habe ich mir doch gedacht, dass du ein Alice bist.“
 

„Alice?“ Verdutzt sah der Junge die Gestalt an, die ihn vollkommen selbstverständlich ansah, als habe er rein gar nichts Unverständliches gesagt.

„Nein, du bist ein Alice.“ Als habe er es nicht schon einmal erwähnt.

„Dann scheinst du mehr über mich zu wissen als ich.“

„Aber natürlich.“ Fast lachhaft schnalzte er mit der Zunge und seine Rute schwenkte von einer Seite zur nächsten.

„Ich weiß alles über dich. Aber du nicht, bist ja schließlich ein Alice.“

„Ein Alice weiß also nicht wer er ist?“

„Für gewöhnlich~“ Die langen flauschigen Katzenohren drehten sich leicht und hielten nach Geräuschen Ausschau, während die Gestalt den Kopf neigte.

„Dann sag du mir, wer ich bin.“

Ein Alice.“ Wiederholte sich die Katzenperson nur.

„Ist das mein Name?“

„Nein, deine Rolle. Und daher darf ich dir auch nichts verraten~“ Als wäre das doch kristalklar schnalzte die Gestalt wieder mit der Zunge und grinste breit.

„Weil ich Alice bin?“

Ein Alice.“

Ein... Alice...?“

„Ja, ein Alice. Nicht die Alice, nicht der Alice, nicht ALICE sondern ein Alice.“

Die Diskussion wurde unsinnig.

„Scheint ja viele verschiedene Alice zu geben.“ Der Junge sah sich um und plötzlich fiel ihm jedes Detail auf. Es war als sei der Sturz der Grund dafür, dass er nun alles schärfer und intensiver wahrnahm als davor. Vielleicht war es aber auch einfach nur der Schock und das kurze Angstgefühl, das er noch verspürte.

„Nicht wirklich. Nur ein Alice.“

„Du bist seltsam.“ Als wäre dies ein Kompliment fing die Gestalt abermals an, breit zu grinsen.

„Und du nicht? Schläfst vollkommen unbekleidet auf dem Waldboden und weißt nicht wer oder was du bist~?“ Da war etwas dran. Ihm kam diese ganze Welt ja von vornherein seltsam vor.

„Dann sag mir, wie ich aufhöre ALICE zu sein.“

Ein Alice.“

„Mir gleich!“ So langsam wurde der Junge ungeduldig. Er konnte hier doch nicht permanent sich darüber den Kopf zerbrechen, welche Art von Alice er nun war.

„Gleich sollte es dir nicht sein, denn ein Alice ist nicht gleich ALICE.“

„Du verwirrst mich“, gab der Junge ehrlich zu und sah sich nach weiteren Gestalten um, jemandem der ihn nicht so verwirrte, wie der Grinser.

„Nun das ist meine Aufgabe.“

„Sagst du mir jetzt, wie ich herausfinde, wo und wer ich bin?“

„Nein, das ist nicht meine Aufgabe.“ Es schien doch hoffnungslos, sich hier mit dieser Gestalt zu unterhalten. Resigniert seufzte der Junge und machte einen Schritt weg von der Gestalt.

„Aber ich kann dich zu jemandem führen, der die Aufgabe hat, einem Alice zu helfen.“

Und so machten sie sich auf den Weg, der Grinser vorneweg, der Junge hinterher.
 

„Wie heißt du eigentlich?“

„Ich habe keinen Namen.“

„Und was bist du, Grinser?“

„Ich bin eine Grinsekatze aus dem Nebel, mein kleiner einer Alice.“

Kapitel 2 AUßENWELT

Kapitel 2 AußENWELT
 

In der Medizin ist ein voll ausgeprägtes Koma (griechisch κῶμα, „tiefer Schlaf“) die schwerste Form einer quantitativen Bewusstseinsstörung. In diesem Zustand kann das Individuum auch durch starke äußere Stimuli, wie wiederholte Schmerzreize, nicht geweckt werden.

Das Koma ist somit ein Symptom (Krankheitszeichen) und keine Krankheit. In der internationalen Klassifikation der Gesundheitsstörungen (ICD-10) wurde es daher in die Rubrik „R“ (Symptome und Befunde) eingeordnet (R40.2). Das Koma ist Ausdruck einer schweren Störung der Großhirnfunktion und zumeist lebensbedrohend. Die weitere Entwicklung (Prognose) des Komatösen ist von der zugrunde liegenden Erkrankung und medizinischen Versorgung abhängig.

[Quelle: Wikipedia]
 

„Verdammt, beeilt euch!“

„Bringt mir Luis her, wir brauchen Unterstützung!“

„Wo ist Cat?!“

„Bringt ihn so schnell wie möglich in Raum 209!“
 

Rufe, die in seinem Kopf wiederhallten wie ein niemals endendes Echo, immer wieder lauter und drängender werdend. Sie mussten warten. Sie mussten alle warten. Dort drinnen, in diesem Raum lag er und wurde mit allen Mitteln versucht im Diesseits behalten zu werden. Bel faltete nervös seine Hände und löste sie wieder voneinander. Immer wieder strich er sich ungeduldig über die Strähnen, richtete sein Pony, obwohl dies völlig unnötig war und seufzte am laufenden Band. Die Minuten zogen sich für ihn hin wie Stunden. Jedesmal, wenn sein Blick auf die Uhr fiel, schien ihm der Sekundenzeiger stehen zu bleiben, bis der kleine Strich eine zaghafte Bewegung machte und Bel das Gegenteil bewies. Und auch, wenn seine Symptome die ausgeprägtesten waren, so hatte es alle erwischt. Squalo lehnte sich abwechselnd nach hinten an die Wand und mal nach vorne, die Ellbogen auf seinen Oberschenkeln abstützend. Xanxus stand Arme verschränkt an die Wand gelehnt und sah immer wieder den Gang entlang, als warte er darauf, dass jemand kam und sie alle aus diesem Alptraumhaus abholte. Neben Bel saß ein ziemlich schuldig dreinsehender Yamamoto, dessen Blick immer wieder von einer Person zur nächsten wanderte und sich schließlich resigniert und traurig auf den Boden wandte. Nur ab und zu wurde die unsägliche Ohren zerschmetternde Stille von leisem Schluchzen durchbrochen. Das Schluchzen von Enrique. Der junge dunkelblauhaarige Unteroffizier, war noch viel zu jung, um zu verstehen, dass dies Alltag war. Sie mussten weitermachen, wenn jemand starb. Doch gerade jetzt war das Urteil noch nicht gefallen. Und sie alle hofften, dass sie nicht erneut jemanden verloren. Bel gab niemandem die Schuld. Nicht mehr. Vor knapp 5 Stunden noch hatte er Yamamoto fast zu Tode geprügelt, als er von diesem über die missglückte Mission seines Partners Bericht erstattet bekam. Enrique war mit leichteren Wunden davon gekommen. Doch Fran-...

Er wandte den Blick zur Seite und erhaschte aus den Augenwinkeln wie Raphaelle, der unter Bel diente, vorsichtig und mitfühlend über Enriques Rücken strich. Doch Raphas Augen waren kalt. Eiskalt und ausdruckslos. Man sah dem Jungen an, dass er schon sehr früh geliebte Menschen verloren hatte. Wodurch, wussten allerdings nur die wenigsten. Bel war froh, dass aus der Reihe der ersten Unteroffiziere nur diese beiden da waren. Der hibbelige und aktive Sergey, der zu Squalos Team gehörte, hätte ihn nur noch wahnsinniger gemacht. Die Stille breitete sich erneut aus und empfing sie alle wie alte Kameraden, schwatzte sie zu und betäubte sie. Eine kurze Taubheit, die dann das Gegenteil bewirkte. Bel vernahm jedes noch so leise Geräusch. Das Knarzen Squalos Stuhls, als der sich wieder nach hinten lehnte, Xanxus' kurzes tiefes Einatmen, und das leise Schleifen, als er sich auf den andern Fuß stützte, das Streichende Geräusch, das Raphas Hand machte, wenn er Enrique über den Rücken streichelte- es machte Bel wahnsinnig. Doch momentan war ihm einfach nur übel. Es kam nicht oft vor, dass der Sturmwächter beim Anblick von Blut tatsächlich Übelkeit verspürte, doch der Anblick seines Partners, wie er halb verbrannt und halb aufgeschlitzt von messerscharfen Metallteilen -wahrscheinlich- da lag, machte ihm zu schaffen. Nur er selbst durfte ihm weh tun. Das hatte er seinem Partner selbst geschworen, und dennoch konnte er sein Versprechen nicht einhalten.

Eine weitere Minute verstrich.

Eine Minute, die sich auf eine halbe Stunde ausdehnte. Langsam verlor Bel wirklich den Verstand. Und immernoch konnte er nicht glauben, dass Fran, sein Partner, Mukuros Schüler, tatsächlich bei dieser doch so einfachen Mission einen Fehler machte und beinahe sein Leben auslöschte. Keiner hatte damit gerechnet, dass die Feinde von der Mission Wind bekamen und direkt gegen die Illusionisten, die geschickt worden sind, vorgingen. Keiner hatte es geahnt.

Wieder eine weitere Minute.

Der einzige, dessen Anwesenheit Bel regelrecht vergaß, war die des Illusionisten, der an die Wand gelehnt stand, seinen Dreizack stundenlang umklammert und starr gerade aussehend. Der Varia Sturmwächter, hatte Mukuro lange im Auge behalten, denn sie waren auch heute noch keine wirklich besten Freunde, doch der Illusionist unterdrückte seinen Groll und seine Wut so stark, dass beinahe seine gesamte Präsenz verschwand. Sollte Fran wirklich dort drinnen sterben, war es ihr aller Todesurteil.

Tick, Tack, Tick, Tack.

Das elende Geräusch, das nur in Bels Bewusstsein existierte, machte ihn zunehmend nervöser, dass er nicht merkte, wie sein Bein anfing zu wippen und seine Beine beide anfingen, heftig zu zucken. Es machte das ganze erträglicher, wenn er sich, wenn auch nur minimal, bewegte. Und desto mehr er seine nervösen Ticks zuließ, desto mehr entbrannte in ihm der Wunsch, jemanden zu bestrafen. Irgendwen dafür zur Rechenschaft zu ziehen und die Schuld zu geben, dass Fran es nicht geschafft hatte. Irgendjemandem wehtun. Blut, Schmerz, Leid, Schreie, Hilferu-

„Voi Bel, hör auf mit dem elenden Gewippe.“ Squalos Flüstern klang wie ein leises Rufen und holte Bel zurück in die Realität. Der Blonde seufzte leise und fing sich wieder. Er konnte sich keine Fauxpas erlauben. Nicht in diesem Krankenhaus und erst recht nicht, wenn Cat gerade an seinem Partner hantierte.
 

Und dann endlich, nach geschlagenen 7 Stunden mit Wechsel an Ärzten und Assistenten kam endlich Luis raus und nickte. Es war vorbei. Die Frage war nur: Wie war es ausgegangen? Ungehalten sprang Bel auf und wollte an dem großen Grünhaarigen vorbei, wurde jedoch unsanft von Squalo zurückgezogen.

„Reiß dich zusammen. Wir sollten auf Cat warten.“ Widerwillig ließ sich Bel also festhalten und verschränkte genervt die Arme. In Yamamotos Gesicht war wieder etwas Farbe eingekehrt. Er erhoffte sich natürlich das Positivste, während Enrique immer heftiger zitterte. Er fürchtete sich vor dem Ergebnis. Solche gegensätzlichen Reaktionen direkt nebeneinander zu sehen, war doch ein seltsamer Anblick.

Die Tür ging auf und Cat kam heraus, blutverschmiert in ihren OP Klamotten. Bel lief ein Schauer über den Rücken, als Mukuro, den er vollkommen vergessen hatte, an ihm vorbeihuschte und sich direkt vor Cat stellte. Der Kerl war wie ein Phantom. Er tauchte auf und ging wie ein Schatten. Wie Nebel...

„Und? Wie sieht es aus, Catlena?“ Die Untergrundärztin seufzte und sah genervt von einem Gesicht ins nächste. Sie war überarbeitet und sah selbst vollkommen blass aus. Und sie alle wussten, dass Cat immernoch weitere Patienten hatte, um die sie sich nach Fran kümmern musste.

„Er ist außer Lebensgefahr.“
 

Erleichtertes Aufatmen innerhalb der Reihen. Ein fast übermütiges Grinsen erschien auf Bels Gesicht und Enrique sah mit leicht hoffnungsvollen Augen hoch in Raphas Gesicht, der seinem Partner nur aufmunternd zulächelte. Yamamoto strahlte über das ganze Gesicht.

„Das ist großartig! Vielen Dank Cat!“

„Er braucht aber jetzt auf jeden Fall Ruhe, sobald er in ein anderes Zimmer verlegt wurde.“ Sie sah sich etwas um, direkt aus dem großen Fenster. Es war stock finster.

„Wie wäre es wenn ihr zu einer humanen Zeit wiederkommt? So ungefähr ab 9 Uhr?“ Ohne eine Antwort abzuwarten nickte Xanxus, packte seinen Sturmwächter am Kragen und schleifte ihn hinter sich her nach draußen, während der Rest der Gruppe ihm schweigend folgte. Keiner wollte sich jetzt noch mit einem gestressten und total genervten Xanxus anlegen.
 

Die Nacht über konnte Bel kein einziges Auge zu machen. Das letzte Mal war das gewesen, als Siel damals anfing, Bel auch nachts heimzusuchen. Doch damals war es Angst, die ihn wach hielt. Diesmal simple Sorge und das Bedürfnis, wieder zurück zu gehen. Sein Magen schmerzte. Sein Körper signalisierte ihm, dass er Schlaf brauchte nach dem ganzen Stress, doch er konnte nicht. Er versuchte, sich abzulenken, in dem er ein Buch las, ein wenig in seinem Zimmer Spiele zockte oder im Netz surfte, doch nichts half. Gerade als seine Müdigkeit und sein Schmerz die Oberhand zu gewinnen schienen, klopfte die Sonne an seine Fenster. Es war morgen. Bel sah auf den Wecker. 8 Uhr. Er sprang vom Bett und ging sich duschen. Selbst unter der Dusche fielen ihm die Augen zu und er seufzte. Hätte er doch nur geschlafen... Völlig entkräftet und fertig ging er in die Küche, sich einen Snack holen, wie alle anderen -an diesem Morgen gab es kein Frühstück, da die Zeit nicht reichte- und sie alle machten sich auf in das Krankenhaus, dass sie nur knapp einige Stunden davor verlassen hatten.
 

„Aber macht keinen Lärm, und vor allem fasst nicht die Geräte an. Steht einfach nur dumm da und guckt ihn an.“ Cat war immernoch gestresst. Bel hatte gehört wie man gesagt hatte, Cat hätte seit mehr als 18 Stunden am Stück gearbeitet. Einen Patienten nach dem anderen. Sie pumpte sich mit Kaffee voll und schlief nur einige zehn Minuten in den Ruheräumen, ehe sie weiterwuselte und Leben rettete. Das sah man ihr an. Ihr sonst kastanienbraunes Haar, das sie gerade so attraktiv machte, war matt und zerzaust. Sie hatte hässliche Augenringe und war bleich. Bel fragte sich gerade, wann sie das letzte Mal gegessen hatte, als sie den Raum betraten und Mukuro sowie Chrome darin vorfanden. Das junge Mädchen saß an dem Bett und sah besorgt in das Gesicht ihres schlafenden Mitillusionisten.

Bel konnte sich nicht halten. Er drückte die anderen zur Seite und ging zu Fran ans Bett, nur um den Illusionisten aus der Nähe zu betrachten. Doch Bels empfindliche Sinne machten einen leisen Atemzug aus und ein riesiger Stein fiel ihm vom Herzen. Cats Können in allen Ehren, konnte Bel nur beruhigt sein, wenn er sich selbst vergewisserte, dass es Fran gut ging. Doch von ‚gut ging‘ war keine Rede. Der junge Illusionist war halb zubandagiert, und an mehrere Messgeräte geschlossen. Er hing am Tropf und man erkannte ganz genau, wie sehr ihn der Angriff der Gegner erwischt hatte. Die Verbrennungen waren entweder von Verbänden umgeben oder waren durch Cats spezielle Methoden wieder halbwegs als normale Hautstellen zu erkennen, die Anzahl dieser Verletzungen schockierte Bel doch sehr. Und dann fiel ihm etwas Seltsames auf.

Er strich über Frans Haar, das mittlerweile etwas fettig geworden war und noch absolut dreckig war vom Kampf, den er bestritten hatte, als in Bel in seinen Augenwinkeln ein Funkeln entdeckte. Er drehte den Kopf und erkannte Frans Hand, an der sich der Hellring befand. Ein Ring, den Bel nur wenige Male gesehen hatte und vor allem nie entflammt.
 

Doch das war er.
 

Überrascht hob er den Kopf und sah instinktiv zu Mukuro, als wüsste der, was Sache war. Der Kokuyoanführer stand da mit verschränkten Armen und ernstem Gesicht und blickte geradewegs zurück zu Bel. Dann seufzte er langgezogen. Auch er sah mitgenommen aus. Während Chrome nur etwas müde aussah, war Mukuro vollkommen fertig. Bel sah ihm an, dass der Dunkelhaarige selbst, genauso wie er, kaum geschlafen hatte.
 

„Wir haben ein großes Problem.“ Bel knurrte. Er hasste es, wenn der Illusionist in solchen Momenten mit der Tür ins Haus fiel. Doch er hätte auch geknurrt, wenn Mukuro um den heißen Brei herumgeredet hätte. So oder so, wäre er wohl einfach unzufrieden gewesen.

„Fran scheint bis auf seine Verletzungen vollkommen genesen sein. Sein Hirn hat bei der Explosion keinerlei Schaden genommen und seine Wunden sollten in kürzerer Zeit heilen...“

„Ich höre das »aber« schon.“

„Frans Hellring brennt.“

„Ja, das sehe ich auch, du Blitzmerker“, beschwerte sich Bel und wurde mit einem strengen „Shush!“ von Squalo zum Schweigen gebracht.

„Er sollte eigentlich nicht einmal im Koma liegen. Sein Bewusstsein hatte ihn in solchen Lagen eigentlich öfter dazu verdammt, wach zu sein, selbst wenn er Höllenquallen zu erlitten hatte. Wach sein war oberste Priorität seines Bewusstseins.“

„Komm endlich zum Punkt.“ Bel hatte nicht bemerkt, wie er rein instinktiv und automatisch Frans freie hellringlose Hand sanft umfasst hatte und diese einfach hielt. Einfach, um sicher zu gehen, dass Fran da war.

„Es ist komplizierter, als du glaubst Belphegor. Sagt mir: Wisst ihr, was wir Illusionisten unter einem Realm verstehen?“ Die Frage blieb unbeantwortet. Einige Anwesende sahen sich skeptisch und verwirrt an, andere besorgt, wieder andere sogar ratlos und verängstigt. Mukuro sah das als Aufforderung, den genannten Begriff zu erklären

„Ein Realm ist eine bestehende Zweitwelt, die wir heraufbeschwören können. Jedes Realm ist anders und kann einen sogar töten, wenn man es nicht unter Kontrolle hat. Glücklicherweise ist Fran in der Lage, seines zu beherrschen. Er hat sich allerdings ein Realm ausgesucht, das nur schwer zu bändigen ist.“ Etwas verwirrt lauschte Bel stumm dem Illusionisten und versuchte daraus schlau zu werden. Er hatte Fran öfter im Garten beim Trainieren beobachtet. Wenn der junge Illusionist wie in Trance schien und ein leichter indigofarbener Schimmer über seine Augen huschte.

„Es ist-... nicht unmöglich, allerdings sehr, sehr selten, dass das Realm sich gegen seinen Besitzer wendet. Doch genauso wie der Gebrauch eines Hellrings, ist der Gebrauch eines Realms riskant und kann zum Verlust der eigenen Seele führen, wenn man keine Kontrolle darüber hat.“

„Komm... zum... Punkt.“
 

Mukuro holte tief Luft, dann sah er zu seinem Schüler, wie der schlafend da lag und von alledem nichts mit bekam.

„Durch Frans Bewusstlosigkeit und den kurzen Verlust über seine Flamme bei der Explosion, hat das Realm seinen Geist in sich gezogen und behält ihn dort. Solange der Hellring brennt, wird Fran in diesem Realm bleiben. Es ist seine Aufgabe, sich selbst zu finden und wieder heraus zu kommen.“

„Ich versteh nur Bahnhof.“ Sergey, der weißhaarige Mädchenaufreißer, der diesmal durch seine Stummheit geglänzt hatte, sprach aus, was allen durch den Kopf ging. Es herrschte kurz Stille, ehe Chrome sich räusperte und aufstand.

„Man kann es wie eine Wirklichkeit werdende Traumwelt vorstellen. Das Realm hält einen gefangen, ehe man den Ausweg findet. Er kann ansonsten nicht geweckt werden oder anderweitig herausfinden, nur er selbst kann sich daraus befreien. Dass ein bereits unter Kontrolle gebrachtes Realm sich allerdings gegen seinen Besitzer stellt, ist selten und daher weiß man nicht viel darüber.“ Die Stimme der früher noch schüchternen und zurückhaltenden Chrome war voller Ernst und einem kleinen Mitschwung an Sorge. Bel verstand immer noch nicht, worum es genau ging. Doch der Satz, den Mukuro als nächstes sagte, brachte ihn zur Besinnung und schien alle den Ernst der Lage sofort verstehen zu lassen.
 

„Wenn er es nicht schafft, das Realm zu verlassen, wird seine Flamme erlöschen und so auch sein Leben.“

Kapitel 3

Kapitel 3
 

Alice

Eine Alice ist ein Phänomen, das lediglich innerhalb des Wonderlandrealms anzutreffen ist. Wie bereits der Name darauf hinweist, wird das Wonderlandrealm oft dem Wunderland aus Alice im Wunderland nach Lewis Carrol nachempfunden, jedoch mit der eigenen Fantasie bestückt und weiter ausgebreitet. Kommt es zur Dialysion des Realm und dem betroffenen Anwender findet sich jener in seinem Wonderlandrealm wieder, wird er in seinem Realm als „Alice“ identifiziert und wird einer sogenannten „Charakterschlüsselkartenprüfung“ unterzogen.

Dieses Phänomen ist bislang nur 3 mal vorgekommen, doch in allen auftretenden Fällen wurde berichtet, dass schwere Folgen der Amnesie und der Demenz auftraten.

[Quelle: Sankturium über die Illusion]
 

Es war vollkommen still, bis auf das leise Rascheln unter ihren Füßen, während sie den Weg entlang gingen, beide vollkommen barfuß. Der Junge strauchelte ab und zu und setzte so vorsichtig wie möglich einen Fuß vor den anderen. Der Boden schmerzte selbst durch seine Hornhaut und er biss die Zähne zusammen. Die Frage, wieso der Grinser überhaupt Anziehzeug mit sich führte, hatte er bereits verdrängt. Es brachte doch nichts, ihn zu fragen. Etwas in Gedanken lief der Junge weiter, ehe sich vor ihm seine Sicht wieder klärte und er auf einen leeren Weg sah. Dort, wo gerade eben noch der Grinser gelaufen war, war plötzlich niemand mehr. Der Junge sah sich um, doch er fand nirgends ein Anzeichen auf die Katzengestallt.
 

„Seltsam...“

„Was ist seltsam?“

Der Junge fuhr herum und starrte den Grinser an, der hinter ihm kopfüber von einem Ast baumelte. Irgendetwas war anders an dieser Gestalt.

„Du siehst anders aus.“

Schwungvoll ließ sich der Grinser vom Ast fallen und landete leise und katzengleich -wie es sich nunmal gehörte- auf dem Boden. Als er sich herumdrehte, erkannte der Junge, was anders war.

Der Grinser sah vollkommen anders aus. Das einzige, was noch an die Katzengestallt von vorher erinnerte, war der Pony vor den Augen, seine Haarfarbe und die katzenartigen Ohren, sowie der Schweif hinten an seinem Gesäß.

Sein Haar war länger und glatter. Am Hinterkopf besaß er einen zerzausten Haarbuschel, der wie eine Pflanze aussah und ein leichter, dünner Zopf Haare fiel ihm über die Schultern. Er trug ein weißes Hemd und eine blaue Hose und aus seinem Kopf ragten zwei dunkelblaue Fühler, die der Junge verwirrt anstarrte.

„Warum siehst du plötzlich so aus?“

„Weil wir ihm näher kommen.“

„Wer ist ihm?“

„Nicht IHM. Er heißt Absolem.“ Absolem. Der Name kam ihm bekannt vor, doch irgendwie wollte sein Gedächtnis ihn unbedingt im Stich lassen. Nein. Bis auf das stetige Gefühl dass da etwas war, er aber nicht genau wusste, was, war er erneut wie leergefegt. Der Junge seufzte resigniert.

„Und weshalb kleidest du dich so, wenn wir Absolem näher kommen?“

„Weil ich dir zeigen möchte, wie er aussieht.“ Der Junge hatte bereits einen Verdacht, worauf der Grinser hinauswollte und schluckte leicht.

„Du wirst nicht mitkommen?“

„Er kann mich nicht ausstehen und das beruht nun wirklich auf Gegensätzligkeit.“ Der Junge verstand nicht genau, was der Grinser damit meinte, ließ es aber so im Raum stehen und musterte ihn anständig.

„Kannst du mir dennoch sagen, wer genau Absolem ist?“

„Jemand dir sehr Wichtiges. Jemand, der allgemein sehr wichtig ist. Wichtig, weise und leider oft im Recht.“

„Leider?“

„Ich komme nicht gut mit ihm aus“, gestand der Grinser. Erst jetzt fiel dem Jungen auf, dass, seit es um Absolem ging, der Grinser kein einziges Mal gegrinst oder gelächelt hatte. Sein Gesicht war ernst und seine Haltung sogar leicht verkrampft.
 

„Du wirst ab hier alleine gehen müssen“, sagte der Grinser und leckte sich leicht über seinen Handrücken, um mit der feuchten Stelle seine Ohren zu putzen. Er war nunmal eine Katze, so war es doch. Der Junge seufzte erneut.

„Nun gut. Dann werde ich wohl alleine gehen“, sagte der Junge und sah erneut den Weg hinab. Eine Weile blieb er vollkommen ruhig so stehen, ehe er sich erneut umdrehte, um zu fragen, ob er nur den Weg weiter laufen müsse.

Doch der Grinser war spurlos verschwunden. Der Junge schnaubte.

„Katzen... Wenn du sie suchst sind sie unauffindbar...“ Ohne einen weiteren Gedanken an den Grinser zu verschwenden, schlug der Junge den Weg nun ein und lief vorbei an seltsamen Bäumen, märchenhaft aussehenden Vögeln und weiteren Bewohnern dieses Waldes, die vollkommen still blieben und ihn einfach nur neugierig musterten. Er fühlte sich fremd in dieser Umgebung. Fremd und falsch. Doch nichts desto trotz kam ihm alles hier vertraut vor. Die Gestalten, die Bäume, der immer wieder kurz durch die Baumkronen schimmernde Himmel und auch die anderen merkwürdigen Wesen dieser Welt. Als würde all das zu ihm gehören.
 

Nach kurzer Zeit erreichte der Junge das Ende des Weges und blickte auf eine kleine, sattgrüne Wiese, umgeben von den größten Pflanzen, die er bisher in diesem Wald gesehen hatte. Er sah sich um und versuchte, sich das Bild einzuprägen, ehe er auf die Gestalt vor sich sah. Es war ein dunkelhaariges, männliches Wesen mit zwei dunkelblauen Fühlern aus seinem Kopf ragend, auf einer offenen Blüte sitzend, die sehr bequem aussah. Die Gestalt saß auf einem Bein, das andere baumelte herunter an einem Blütenblatt. Und wie der Grinser zuvor, trug die Gestalt ein vollkommen weißes Hemd und eine dunkelblaue Hose.

Der Junge schien vorerst unbemerkt zu bleiben und er räusperte sich etwas. Das Geräusch schien die Gestalt auf ihn aufmerksam zu machen und er hob den Blick, ohne von seiner Wasserpfeife abzulassen. Er pustete den Rauch aus, der sich bereits wie leichter Nebel um die Füße des Jungen legte und musterte den Jungen.

„Absolem?“

„Nein. Ich bin Absolem. Doch wer bist du?“ Der Junge schwieg eine Weile.

„Ich brauche deine Hilfe.“

„Nein, nein. Erst beantwortest du mir meine Frage. Wer bist du?“

„Darum geht es ja!“, beharrte der Junge und sah ihn etwas hilflos an.

„Ich weiß es ja nicht.“ Es herrschte einen Moment Stille, ehe Absolem einen weiteren Zug aus der Pfeife tat und den Rauch dem Jungen entgegen pustete.

„Seltsam. Dabei stehst du direkt vor mir.“

„Wie meinst du das?“ Erneut herrschte Stille, in der Absolem seine Wasserpfeife mit einer indigofarbenen Flamme anzündete.

„Die Frage ist schließlich, wer du bist, nicht wahr? Also? Kennst du die Antwort?“

„Nein...“

„Wie willst du existieren, wenn du nicht mal weißt, wer du bist?“ Das gab dem Jungen zu denken. Doch er fand keine Antwort und schüttelte nur etwas verzweifelt den Kopf.

„Das möchte ich ja rausfinden.“

„Dann kann ich dir nicht weiterhelfen.“ Panik stieg in dem Jungen auf und er suchte fieberhaft in seinem Kopf nach einer Antwort, die er Absolem geben konnte. Er fand aber keine. Wer war er? War er nicht hergekommen, um das herauszufinden? Und dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen.

„ALICE!“

„Wie bitte?“ Etwas überrascht senkte Absolem seine Pfeife und sah den jungen verblüfft an.

„Du bist ALICE?“

„Ja... ich meine natürlich nein. Ich bin nicht ALICE.“ Absolem schien verstimmt und pustete den Rauch dem Jungen direkt ins Gesicht.

„Und warum behauptest du, ALICE zu sein, wenn du nicht ALICE bist?“

„Halt, ich bin ALICE! Naja. Ein Alice.“ Der Dunkelhaarige nickte wissend.

„Aber ALICE ist nicht gleich ein Alice, musst du verstehen.“

„Ja, ich weiß.“ Es herrschte erneut eine etwas unsichere Stille, ehe Absolem ihm eine Frage stellte.

„Woher willst du wissen, ob du ein Alice bist?“ War es klug den Grinser zu nennen? Oder würde ihn das nur in Schwierigkeiten bringen? Er entschied sich, es doch zu tun.

„Die Grinsekatze aus dem Nebel hat es mir verraten. Er meinte ich sei ein Alice. Und dass du mir helfen könntest...“
 

Absolems Gesichtsausdruck veränderte sich sobald die Grinsekatze erwähnt wurde. Es war als hätte man die Wärme plötzlich aus der Lichtung gestrichen. Als wäre es abrupt dunkel geworden und keiner habe damit gerechnet. Absolems Blick war eiskalt und vernichtend, fast schon verachtend und strafend, dass es dem Jungen unbehaglich wurde.

„Die Grinsekatze sagst du?“

„Ja.“ Erneut trat Stille ein. Eine eisige Stille, die wie eine dicke Mauer zwischen dem Jungen und der Gestalt stand. Fast schon genervt pustete Absolem seinen Rauch aus und schloss für kurze Zeit die Augen. Erst als Absolem seine Augen wieder öffnete, erkannte der Junge die verschiedenen Augenfarben der Gestalt. Das eine Auge war glutrot, das andere tiefblau. Ob das einen besonderen Grund hatte? Ob deswegen auch der Grinser seine Augen versteckte?

„Die Frage ist, ob er recht behält und du wirklich ein Alice bist.“

„Was ist denn an A- ich meine an einem Alice so besonders?“

„ALICE ist eine festgelegte Rolle dieser Welt. Eine Rolle, auf die das Wunderland keinen Einfluss hat.“

„Wunderland...“ ,wiederholte der Junge ehrfürchtig und starrte Absolem an.

Ein Alice dagegen ist jemand fremdes, dem alle Wege hier offen stehen. Er kann die Geschichte unseres Reiches gestalten, wie er es will. Allerdings... sind die Auswirkungen auf diesen einen Alice und auf das Wunderland umso vernichtender und heftiger.“ Der Junge verstand nicht ganz und Absolem sah direkt in die tiefen Smaragde des Jungen, als wolle er etwas in ihnen finden.

„Dann stimmt es wohl. Du bist ein Alice.“

„Nicht die Alice, nicht der Alice und nicht ALICE sondern ein Alice.“

„Findest du das etwa lustig?“ Der Junge schüttelte heftig den Kopf.

„Gut, ich werde dir helfen ein Alice.“ Erleichtert atmete der Junge aus und lächelte etwas. Endlich konnte ihm jemand mit seinem Problem helfen.

„Doch zuvor musst du dich an etwas aus deinem vorherigen Leben erinnern.“ Erneut sah der Junge verwirrt die Gestalt vor ihm an. Vorheriges leben? Erinnern? Er verstand nicht ganz.

„Ganz einfach. Du bist fremd hier. Diese Welt hat dich aufgenommen wie ein Waisenkind. Und du musst dich an früher erinnern. Besser gesagt an eine einzige Sache. Wenn du das schaffst, dann kann ich dir helfen.“

„Und diese eine Sache wäre?“

„Dein Name.“
 

Fassungslos starrte der Junge Absolem an und blinzelte. Es war also doch hoffnungslos. Wie sollte er sich an seinen Namen erinnern? Er wusste nicht wo und wer er war, wie sollte er sich seinen Namen da ins Gedächtnis rufen? Es war wohl wirklich zum Verzweifeln.

„Und wie soll ich das anstellen?“

„Du führst dich auf wie ein Säugling“, beschwerte sich Absolem mürrisch und nahm einen weiteren Zug seiner Pfeife.

„Denk an die ersten Worte in deinem Kopf, die dir einfallen und irgendwo dort findest du deinen Namen.“ Es klang einfach, aber das war es nicht. Wie sollte er einfach an die ersten Worte denken, die ihm einfielen?
 

Dennoch schloss der Junge die Augen und versuchte an Worte zu denken.

Bäume, Schmetterlinge, Motten, Wetter, Himmel- es ging eine ganze Weile so weiter und er dachte selbst an Worte, die er nicht kannte- Nebel, Illusionen, Meister- ehe er schon aufgeben wollte.

Kokuyo, Ruinen, Sterne, Sternenbilder, Dreizack, Frösche, Mäuse, Essen, FRAN,-

Er riss die Augen auf und verweilte einen Moment, ohne an etwas anderes zu denken. Die vier Buchstaben prangten in seinem Kopf wie eine Leuchtreklame und er starrte vor sich hin.

Fran also... das war sein Name?

Er sah auf und blickte in Absolems Gesicht, als er vermeinte, einen zweiten Namen zu vernehmen.
 

MUKURO.
 

„Mukuro?“, verwirrt sprach der Junge den Namen aus und sah Absolem an, der sich kein bisschen rührte.

„Dein wahrer Name ist Mukuro, habe ich recht? Absolem ist nur eine Rolle, die du einnimmst.“
 

Es war das erste Mal, dass der Junge Absolem lächeln sah. Und dieses Lächeln blieb erhalten.

„So ist es. Du bist wirklich ein Alice, ich bin erstaunt“, sagte Mukuro und nahm einen weiteren Zug seiner Pfeife, ehe er den Jungen wieder ansah.

„Und nun? Wie lautet dein Name?“
 

„Fran. Ich bin Fran.“ Mukuros Lächeln wurde kurz noch einen Tick wärmer.

„Na bitte. Du bist jemand, Fran. Du bist du selbst. Ein waschechter Fran.“ Der Junge legte den Kopf schief. Doch auch er musste lächeln. Ein Rätsel war gelöst. Er war also Fran.
 

„Und nun hör mir genau zu Fran. Diese Welt ist nicht deine Realität. Doch das ist kein Traum, in dem du steckst. Es geht nicht darum, dich zum Aufwachen zu zwingen. Doch um diese Welt zu verlassen und in deine eigene Realität zurückzukehren, musst du dich einer Prüfung unterziehen.“ Gespannt hörte Fran Mukuro zu und nickte immer wieder, um ihm zu zeigen dass er auch zuhörte.

„Diese Welt hat einen Ausgang. Es ist ein riesiges Tor aus Glas, das im Pikwald steht. Dieses Tor ist durch einen Generalschlüssel verschlossen. Doch um das Schloss für den Generalschlüssel zu öffnen, brauchst du 4 Schlüsselkarten. Um diese Schlüsselkarten zu erhalten, musst du durch das Wunderland reisen und mit so vielen Gestalten reden, wie du nur kannst. 4 Gestalten besitzen diese Karten nämlich, aber sie werden sie dir nicht einfach so heraus geben. Du musst für deine Freiheit kämpfen. Und diese Kämpfe sind hier Wirklichkeit. Denn nur, weil du hier nicht in deiner Realität bist, heißt das nicht, dass du hier nicht genauso Schmerzen, Kälte, Krankheit und auch den Tod erleiden kannst, verstehst du das?“ Fran nickte erneut und versuchte, die neuen Informationen so gut es ging aufzunehmen, ehe er weiter lauschte.

„Während du durch das Wunderland läufst, wirst du dich an deine wahre Realität erinnern, denn jede Rolle des Wunderlands nimmt das Gesicht jemandes an, den du kennst aus deiner eigenen Realität. Und es wird dir einfacher fallen, diese Karten zu gewinnen, desto mehr du über dich und deine eigene Realität weißt. Sollte ich dir eine Information geben, die du alleine finden musst, wirst du für immer hier gefangen bleiben. Also bitte andere Gestalten niemals um Hilfe, wenn du dich erinnern willst.“ Mukuros Gesichtsausdruck verfinsterte sich.

„Denn nicht alle wollen es dir einfach machen. Einige, die du triffst könnten Feinde sein und deinen Tod wollen. Denn wenn du stirbst, gehört deine Seele dem Wunderland und es wird sich von ihr ernähren. Ich gehöre nicht zu der Sorte, die das wollen, aber ich weiß, dass es solche Gestalten unter uns Wunderländlern gibt, also sei auf der Hut, Fran. Und sage niemals jemandem, dass du ein Alice bist!“ Fran nickte mit ernstem Gesichtsausdruck. Diese ganze Geschichte war ihm noch irgendwo seltsam, doch er dachte nicht darüber nach, sondern akzeptierte sein Schicksal einfach nur.

„Und noch eine letzte Sache Fran.“ Der Junge nickte und erstaunte etwas über den ernsten Gesichtsausdruck Mukuros, der ihn ansah, als wolle er ihn vor etwas warnen, das noch schlimmer war, als alles andere im Wunderland.

„Vertraue niemals der Grinsekatze aus dem Nebel.“

Kapitel 4

Kapitel 4
 

Rokudo Mukuro

Rokudo Mukuro gilt als einer der gefürchtetsten Illusionisten und Mafiagegner der Welt und ist Repräsentant Europas im Kreise der Illusionisten. Aufgewachsen is ter bei der Estraneo Famiglia, die unmenschliche und verbotene Experimente an jungen Kindern ausführte. Dadurch erhielt er ein Auge, das die 6 Pfade der Hölle hervorruft. […] Mukuros unglaubliche Stärke dient ihm dazu, seine Gegner zu verwirren, manipulieren und sogar gegeneinander auszuspielen. Er ist ein sogenannter „offensiver Illusionist“ und zögert nicht, in Angriff zu gehen. […] Rokudo Mukuro ist ein Anfechter der Mafia und geht mit terroristischen Maßnahmen gegen diese vor, obwohl er selbst ein Teil der Vongola 10. Generation ist.

[…] Rokudo Mukuro ist der Anführer der Kokuyo und besitzt bis auf die Nebelwächterin der Vongola 10. Generation keinerlei Schüler oder „Erben“ seiner Künste.

[Quelle: Geschichte der Zeit- die 100 mächtigsten Personen unserer Zeit]
 

Seine Füße schleiften leicht über den Boden, mit jedem Schritt den unebenen Waldboden auf der Haut spürend. Seine Füße schmerzten bei jedem Schritt und in Gedanken versunken dachte er an die Worte Absolems- nein Mukuros..- die ihn nicht losließen. Nicht nur, was er über den Grinser meinte, sondern auch das, was darauf folgte.
 

Fran besah sich seinen Handrücken, auf dem er ganz klar und deutlich ein Rotes Karo erkennen konnte. Die Zeichen waren bereits die ganze Zeit auf seiner Haut gewesen, doch er hatte sie nicht bemerkt bis zu diesem Zeitpunkt. Er hatte insgesamt 4 Zeichen auf seinen Körper gebrandmarkt. Das schwarze Kreuz prangte auf der rechten Seite seines Becken, das rote Herz an der Stelle, an der sein Herz schlug, die schwarze Piek in seinem Nacken und die rote Karo auf seinem linken Handrücken. Mukuros Worte hallten in seinen Ohren wieder und er schloss kurz die Augen.
 

„Um das Wunderland zu verlassen, musst du nicht nur deine Erinnerungen zurückerlangen, sondern auch die Prüfungen der 4 Schlüsselcharaktere überwinden. Sie können auf verschiedene Art ausfallen und die Prüfer verstecken sich irgendwo im Wunderland. Erfüllst du die Bedingungen einer Prüfung und meisterst sie, verschwindet das jeweilige Zeichen und du erlangst ein Stück deiner selbst zurück. Mehr darf ich dir nicht sagen, aber nimm dich hier in Acht vor den Charakteren.“
 

Er wusste immer noch nicht, was Mukuro damit bezwecken wollte, doch er ließ die Aussage so stehen und schritt den Weg zurück, den er nur knapp eine Stunde vorhergegangen war. Vom Grinser war weit und breit nichts zu sehen. Vielleicht hatte Mukuro ja auch recht und er sollte die Katzengestalt wirklich meiden. Andererseits hatte ihm der Grinser gesagt, was er war und ihn zu Absolem geführt. Fran beschlich ein unangenehmer Gedanke. Was, wenn Absolem derjenige war, der ihm das Leben nehmen wollte. Was wenn diese Male nur Zeichen eines Fluches waren, den Absolem auf ihn gelegt hatte? Was, wenn er allgemein nur träumte. Zurück auf einer kleinen Lichtung blieb Fran stehen und ließ seine Füße den kalten und schmerzenden Boden unter ihm fühlen. Lebendig, das war das richtige Wort, das ihn gerade beschrieb. Alles was davor war, schien wie umhüllt von einem Schleier zu sein. Er atmete die Luft tief ein und atmete sie genauso großzügig wieder aus. Auch wenn er keinerlei Erinnerung an seine eigene Realität hatte, so kam ihm diese Welt wundersam und eigenartig vor. Genauso, wie die zwei Gestalten, die er bei Mukuro gesehen hatte.

„Und nun da du alles weißt kannst du ja auch wieder verschwinden!“ Fran zuckte zusammen und drehte sich um. Er erschrak. Was er da sah war mehr als nur wundersam. Es war höchst merkwürdig. Es war eine große-... ja- Blume... die einen komplett gelben Schopf hatte. Wie eine Löwenmähne, doch hatte sie auch ein Gesicht. Ein menschlich wirkendes mit einem äußerst unfreundlichen Gesichtsausdruck und einer langen Narbe waagerecht über die Nase der Gestalt. Ein weiterer Name kam ihm in den Sinn.

„K-...Ken?“

„JA, was willst du noch hier?!“ Mukuro belächelte das Szenario und kicherte leicht. Es klang vertraut und warm, wie ein Glockenklang.

„Kufufufu, du musst wissen, Ken ist ein äußerst zickiger Löwenzahn.“

„WAS FÜR ZICKIG?!“

„Sei ruhig Ken...“ Eine weitere Gestalt betrat die Bühne. Eine große Glockenblume mit Brille. Und erneut ein Name.

„Chikusa?“ Die Blume, die fast doppelt so groß war wie Fran selbst, sah auf und sah ihn einfach nur stumm an. Fran wurde das zu viel. Das hier war doch absolut absurd.

„Grotesk...“, kam es aus seinem Mund und sein Magen drehte sich um. Er musste hier schnell weg, ehe diese Gestalten ihn noch mehr erschreckten. Wer weiß, vielleicht sprang als nächstes eine rote, zickige Rose aus dem Strauch und beschwerte sich darüber, wie er gekleidet war. Er wollte kein Risiko eingehen und verabschiedete sich murmelnd.

„Du findest mich hier, falls du einen Rat brauchst, Fran.“ Mukuro blies erneut den Rauch aus und schloss die Augen.

„In Ordnung, Meister.“ Es war aus ihm herausgekommen, wie eine Selbstverständlichkeit, als habe er Mukuro nie anders genannt. Es verwirrte Fran, doch irgendwo hatte die Bezeichnung in seinen Ohren etwas Vertrautes und Wärmespendendes. Und damit ging er und machte sich Gedanken, was er nun tun sollte.

„Er hat sich nicht verändert.“

„Nein. Selbst hier nicht. Kein bisschen.“ Mukuro zog erneut an seiner Pfeife und schmunzelte.

„Lassen wir ihn ein wenig hier herumirren. Wer weiß, vielleicht müssen wir gar nicht nachhelfen und er endet von selbst bei ihm und wird gefressen?“
 

Fran öffnete die Augen und seufzte. Was sollte er jetzt tun, so ganz ohne Rat und erstes Ziel?

„Du könntest auch ganz einfach mich fragen~“ Der Junge schreckte hoch, drehte sich herum und wollte der Person, die ihn angesprochen hatte eine scheuern, wurde aber sanft festgehalten. Die Hand war eiskalt und er erschauderte.

„Grinser!“ Der Blonde grinste sein bekanntes Lächeln und legte den Kopf schief.

„Weshalb so überrascht? Du bist schließlich wieder in meinem Gebiet, kleiner einer Alice~“

„Mein Name ist Fran!“ Es herrschte Stille. Der Grinser sah ihn stoisch an. Fran merkte es an dem Gefühl, das er hatte, selbst, wenn er die Augen des Grinsers nicht sehen konnte.

„Du kennst also deinen Namen?“ Fran war überrascht über die Tatsache, dass der Grinser darüber so besorgt klang, dachte sich allerdings nichts dabei.

„Du scheinst ja ziemlich flott voran zu kommen. Für einen Neuankömmling. Ich meine, wie lange bist du grad hier? Zwei Stunden vielleicht?“

„Macht das einen großen Unterschied?“ Es war Fran unangenehm, dass der Blonde immer noch seine Hand festhielt.Sie war eiskalt. Nicht kalt, wie er es kannte, von Menschen, die nun mal einen kühlen Körper hatten, sondern eiseskalt. Wie trockenes Eis. Er wand sich aus dem Griff.

„Warum sind deine Hände so kalt?“

„Das ist mein kleines Geheimnis und hat dich nicht zu interessieren.“ Fran schnaubte. Hervorragend. Der Grinser war ihm gerade eine sehr große Hilfe. Fran drehte sich um und wollte wieder weg gehen, als ihm wieder einfiel, dass er nicht wusste, wohin er sollte. Mukuros Worte hallten in seinem Kopf wieder. Halte dich fern von der Grinsekatze aus dem Nebel.

„Grinser? Warum verstehst du dich nicht mit ihm?“ Es herrschte Stille. Fran war sich sicher, dass der Blonde nicht antworten würde, bekam allerdings eine leise Antwort.

„Weil sein Lächeln mich an jemanden erinnert.“ Verwundert drehte sich Fran zu dem Grinser. Das hatte er nicht erwartet. Doch ihn beschlich ein vertrautes Gefühl. Irgendwo hatte er so etwas ähnliches schon mal gehört.
 

„Er erinnert mich einfach zu sehr an------!“
 

Fran schüttelte den Kopf, um die seltsame Stimme in seinem Kopf loszuwerden. Eine Stimme ohne Gesicht verunsicherte ihn nur, vor allem, wenn sie nur in seinem eigenen Kopf existierte. Er sah wieder zum Grinser, der irgendwie mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt schien und sprach dann aus, was ihn so beschäftigte.

„Wohin soll ich jetzt?“ Der Blonde zuckte zusammen und sah mit verschränkten Armen deneinenAlice an, der ihn aus seinen Gedanken gerissen hatte. Er wusste nicht wohin.

„Hat er dir nichts gesagt?“

„Nur, dass ich durchs Wunderland muss.“ Ansonsten wusste er rein gar nichts. Nichts über diese Welt.

„Dann solltest du wohl erst nach Norden gehen.“

„Und was liegt im Norden?“ Der Grinser seufzte genervt. Wie konnte jemand nur so wenig Ahnung haben.

„Hör zu ich kann dich nicht andauernd begleiten, verstehst du?“ Fran nickte nur. Das war ihm von vorneherein klar gewesen. Außerdem schien der Grinser nie wirklich die Art von Charakter zu sein, die einem freundlich den Weg wies und einem noch ein nettes Stück Brot mit auf den Weg gab. Und dennoch hatte er ihm geholfen. Der Grinser hätte ihn auch einfach in die Irre führen können, hatte es aber nicht getan. Was waren nur seine wahren Intentionen?

„Ich werde das nicht noch einmal sagen, also spitz deine Lauscher.“ Verwirrt blinzelte Fran, nickte dann allerdings nur und sah die katzenähnliche Gestalt an.

„Das Wunderland ist in diverse Gebiete aufgeteilt. Die vier größten sind im Norden die Kreuzhügel, im Westen das Herzblattland, im Süden die Pikwälder und im Osten die Karotäler. In den Kreuzhügeln findet man die Passagen und den großen Freizeitpark von Dideldei und Dideldum, aber die kriegt nie einer zu Gesicht. Außerdem liegt dort noch die Teegesellschaft des Hutmachers. Im Herzblattland liegt die größte Stadt des Wunderlands. Die Wunschbrunnenstadt. An dieStadt grenzt das Schloss der Herzkönigin und des Herzkönigs und drumherum deren Länderein. In die Pikwälder solltest du gar nicht erst gehen. Niemand, der die Wälder betreten hat ist alleine wieder rausgekommen. Du hast Glück gerade nur am Rand der Pikwälder zu sein, wärst du tiefer drinnen, würdest du auf so manches Ungeziefer stoßen.“ Der Grinser schüttelte sich angewidert.

„Und zuletzt die Karotäler. An sich sind das einfache Täler mit hier und da einigen Erhöhungen und Bäumen, aber an sich sind es nur große Wiesen mit einigen Anwohnern, aber das war‘s auch schon. Außerdem endet dort das Wunderland. Es ist der äußerste Rand, daher wohnen dort nur alte, senile Leute, die auf ihr Ende warten. Nichts für mich~“ Der Grinser legte seine Arme in den Nacken und sah Fran neugierig an, als warte er auf eine Antwort.

„Und du schickst mich in den Norden“, stellte der Grünhaarige fest und nickte sich selbst zur Bestätigung zu.

„Ich meine es ist momentan der sicherste Ort für dich.“ Eine Weile lang starrte Fran auf die Haare des Grinsers, die das halbe Gesicht der Gestalt verdeckten und überlegte. Er hatte sich so wohl gefühlt bei Absolem und so sicher. Es war so ein vertrautes Gefühl gewesen und gerade dieser hatte ihn vor dem Grinser gewarnt. Vielleicht sollte er darauf hören und selbst einen Weg suchen? Fran schüttelte den Kopf.

„Nein danke, Grinser. Ich gehe meinen eigenen Weg.“ Vielleicht mochte die Beschreibung des Wunderlands stimmen,die der Grinser ihm gegeben hatte, doch er wollte ihm nicht zu sehr trauen. Er sollte diese Prüfung alleine bestehen und wenn er sich zu sehr auf den Grinser verließ, wer weiß, vielleicht fiel er dann durch und das Wunderland tötete ihn? Vielleicht war es gerade der Grinser, der ihm nach dem Leben trachtete? Er wusste es nicht. Und die Unwissenheit machte ihm Angst. Er wollte sich auf sein Gefühl verlassen und das sagte ihm, dass er Absolem mehr vertrauen sollte, als dem Grinser.
 

Der schien nicht wirklich begeistert zu sein.

„Glaubst du ich führe dich in die Irre, einer kleiner Alice?“

„Mein Name ist Fran.“

„Und wenn schon. Aber wer weiß, vielleicht hast du ja auch recht? Vielleicht führ ich dich tatsächlich in die Irre, man kann ja nie wissen~“ Der Schweif der Gestalt schwankte gefährlich hin und her und dem Jungen wurde es mulmig. Dieses Gefühl der Gefahr gefiel ihm nicht. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, drehte er sich einfach um und ging weg. Richtung Norden. Auch wenn er dem Grinser nicht traute, so wollte er zuerst aus diesem Wald raus und sollte er den Ausgang nicht bald finden, würde er sofort kehrt machen. Was sollte denn schon an einem Wald so furcht einflößendes sein?
 

„Ja, Fran. Lauf nur gen Norden. Das Kind wird sich freuen auf deine Seele.“
 

Etwas ratlos ging Fran einfach weiter. Irgendwie kam ihm das alles immer noch sehr surreal und unwirklich vor. Er war also in einer Welt gefangen, die ihn umbringen konnte. Sollte er sich etwas antun und sterben würde er das Wunderland niemals verlassen können, um in seine eigene Realität zurückzukehren. Hieß das, er war in einer Parallelwelt? War das alles wirklich nur ein Traum? Wenn das ein Traum war, sollte er dann nicht durch bloße Willenskraft aufwachen können? Einen Versuch war es sicher wert. Er schloss die Augen.

„Das ist nur ein Traum.“ Er wollte aufwachen, doch als er die Augen öffnete,befand er sich immer noch im lichter werdenden Wald. Er schnalzte mit der Zunge und wanderte weiter. Wenigstens merkte er, wie sich die Baumkronen lichteten und er anscheinend an den Rand des Waldes kam. Wenn der Grinser Recht hatte und im Norden wartete auf ihn der Kreuzhügel... oder DIE Kreuzhügel, wie dem auch sei, und dort wäre es ungefährlicher für ihn als an anderen Orten- NEIN. Er durfte dem Grinser nicht blindlings vertrauen. Auch wenn er ihn zu Absolem geführt hatte, so sollte er nicht blindlings allen vertrauen, die ihm halfen einen Schritt zu machen. Allerdings... Was wenn Absolem derjenige war, der ein falsches Spiel trieb? Was wenn gerade er eigentlich Fran Humbug erzählt hatte? Wem konnte er denn bitte trauen? Er seufzte.Sein Kopf schmerzte ein wenig, allerdings war es mehr ein leichtes Pochen als richtiger Schmerz. Richtiger Schmerz.

Was wenn er sich absichtlich weh tat? Was,wenn er in einem Traum war und nur durch Schmerz wieder aufwachen konnte? Dann war es verständlich wieso beide ihm davon abrieten, Schmerzen zu erleiden. Sie wollten, dass er im Wunderland blieb und verkauften ihm irgendwelche Märchen, damit er sich nicht verletzte und doch ging. Fran sah auf seine Fingernägel. Sie waren so lang, dass er sich damit hätte kratzen können. Dann sollte er es doch versuchen, oder etwa nicht?
 

Er krempelte die Ärmel seines Pullovers hoch und legte die Nägel an seine bleiche Haut, um darüber zu kratzen. Eins. Zwei. Mit einem Ruck zogen sich die Nägel über den Arm und hinterließen tiefe blutige Schnitte. Das war doch heftiger als gedacht. Der Schmerz der abgeschabten Haut, die nun teils unter seinen Fingernägeln klebte, brannte sich in die Haut. Nein. Er war wach und dies war eine Realität, auch wenn es nicht seine war. Er musste hier weg. Hier konnte ihm viel schneller etwas zustoßen, als er gedacht hatte. Fran schluckte, während er beobachtete, wie das Blut seine Schnitte füllte und dann über die bleiche Haut lief und sie dunkel rot färbte. Es faszinierte ihn. Er beobachtete weiter, wie das Blut sich seine Bahnen legte und herunterlief, bis es sich an seiner Seite befand, die nach unten gerichtet war. Das Blut sammelte sich und bildete sich zu Tropfen, die irgendwann zu groß und schwer wurden und drohten auf den Waldboden zu fallen. Eigentlich war das dumm von ihm. Sollten tatsächlich wilde Tiere in diesem Wald hausen, würde er sie mit seinem Blut anlocken, doch irgendwie war ihm das vollkommen gleich in diesem Moment.

Die Tropfen fielen zu Boden und schlugen auf die Blätter, die von den Baumkronen des Waldes gefallen waren.
 

Und dann hörte er ein Rascheln und sah sich hastig um. Mit einem Ohren betäubenden Geräusch sprang vor Fran eine Gestalt, mit langen Ohren in einer Weste, mit einer Uhr aus dem Gebüsch. Es war ein weißes Kaninchen.

Kapitel 5

Kapitel 5
 

Alice im Wunderland (ursprünglich Alices Abenteuer im Wunderland; englischer Originaltitel Alice’s Adventures in Wonderland) ist ein erstmals 1865 erschienenes Kinderbuch des britischen Schriftstellers Lewis Carroll.

Die fiktionale Welt, in der Alice im Wunderland angesiedelt ist, spielt in solch einer Weise mit Logik, dass sich die Erzählung unter Mathematikern und Kindern gleichermaßen großer Beliebtheit erfreut. Sie enthält zahlreiche satirische Anspielungen – nicht nur auf persönliche Freunde Carrolls, sondern auch auf die Schullektionen, die Kinder im England jener Zeit auswendig lernen mussten. Meistens werden die Geschichte und ihre Fortsetzung Alice hinter den Spiegeln(im Original:Through the Looking-Glass and What Alice Found There) als eine Einheit angesehen. Bekannt sind die Bücher auch durch die Illustrationen des britischen Zeichners John Tennielin den ersten Ausgaben.

[Quelle: Wikipedia]
 

Verwirrt und ein wenig erschrocken starrte Fran das Kaninchen an und blinzelte verwirrt. Das war seltsam. Üblicherweise trugen diese Tiere doch keine Weste oder irrte er sich? Er starrte das Tier eine Weile an, ehe er begriff, dass es sich erneut um ein menschenähnliches Wesen handelte und nicht um ein Tier. Es war ein junger Kerl. Knapp einen Kopf größer als Fran mit einer Narbe am Kinn. Er hatte pechschwarzes Haar und auf seinem Schopf prangten 2 gigantische Hasenohren. Er hatte pelzige Hasenbeine und einen puscheligen, weißen Schweif und starrte Fran geradewegs neugierig an. Der Junge starrte nur genauso zurück. Er traute sich nicht, das Wesen danach zu fragen, was es war, in der Gefahr hin, er könnte sich im Wunderland verlieren. Er war vollkommen hilflos.

„Oh! Dich habe ich ja noch nie gesehen im Wunderland!“ Fran blinzelte. Er hätte nicht gedacht, dass ihn das Kaninchen ansprach. Aber das machte es ihm auf jeden Fall leichter. Er räusperte sich etwas, um den Frosch im Hals loszuwerden und zu antworten.

„Ich-... bin auch neu“, meinte er etwas zögernd und wartete auf die Reaktion des Kaninchens.

„Oh, na gut. Aber ich muss los, haha, also dann bye bye-“

„Warte!“ Fran hatte reflexartig gerufen. Er hatte nicht erwartet, dass das Kaninchen bereits seines Weges wollte. Er wurde nervös. Was, wenn das Ganze sich als viel schwieriger herausstellte, als er dachte. Aber dem Kaninchen konnte er vertrauen. Das hatte er im Gefühl.

„Ich-... suche den Weg Richtung Norden. Ich glaube ich muss zum Freizeitpark“, murmelte Fran etwas. Das Kaninchen blinzelte und kratze sich etwas am Kopf.

„Naja eigentlich ist das ja nicht unbedingt meine Richtung.“ Er lachte.

„Aber wenn ich sowieso schon zu spät komme, kann ich ja auch für unsere Alice einen kleinen Umweg machen oder etwa nicht?“ Er lächelte Fran freundlich an und der Grünhaarige fühlte eine gewisse Sicherheit bei der Gestalt. Er atmete tief durch.

„Danke. Aber ich bin nicht ALICE. Ich bin ein Alice“, berichtigte er das Kaninchen und merkte, wie das Lächeln von dessen Gesicht gewischt wurde. Es war seltsam. Das gerade noch so freundliche Kaninchen sah ihn nun an wie einen Feind. Verachtend. Er zuckte zusammen. Es war wohl doch nichts so Gutes, ein Alice zu sein. Und wenn ihn jeder im Wunderland so verachtete wie das Kaninchen hier, wie sollte das dann gut gehen? Dann wollte ihn vielleicht wirklich jeder umbringen.

„Ach so ist das...“ Das Kaninchen musterte Fran eindringlich. Sein Blick blieb an dem Zeichen auf seinem Handrücken fest und dann sah er Fran ins Gesicht. Fran wusste nicht, was das sollte, aber er wollte schleunigst diese Prüfungen hinter sich bringen. Wer wusste denn, was noch auf ihn wartete? Er schluckte etwas, als das Kaninchen mit einem etwas kalten „Folge mir“ vorging. Fran schwieg einfach und lief der Gestalt nach. Es war seltsam. Am Anfang war das Kaninchen noch freundlich gewesen. Aber sobald vor dem Alice ein „ein“ stand, hatte er sich komplett verändert. Was war denn nun ein Alice genau? Und was unterschied einen Alice so sehr von ALICE? Er schüttelte den Kopf. Dieses Thema würde ihm zu sehr Kopfschmerzen bereiten.
 

Der Wald lichtete sich immer mehr, zwischen den Ästen und Blättern wurde ein strahlender Himmel sichtbar und auch die Blumen wurden zunehmend kräftiger und vor allem kleiner und... pflanzlicher. Fran sah sich um. Hier war es irgendwie schön. Hier war es...wundersam und einzigartig. Auch, wenn er sich nicht an seine eigene Realität erinnern konnte, so spürte er, dass hier alles einfach anders war. Er atmete die frische, vollkommen klare Luft ein und aus und sah sich um. Die Bäume schienen fast schon viel freundlicher ihm gegenüber und er musste fast schmunzeln. Der Gedanke war doch lächerlich oder? Aber wieso sollte sich Fran so sicher sein? Er wusste schließlich nichts über seine eigene Realität.

Die Stille wurde langsam unerträglich und Fran schluckte etwas. Er konnte doch nicht auf ewig einfach hinter dem Kaninchen herlaufen bis sie am Freizeitpark waren? Das wäre bestimmt eine Ewigkeit gewesen, die vergangen wäre. Er seufzte und zupfe etwas an der Weste des Kaninchens, das zusammenzuckte und sich neugierig umdrehte. Fran wurde etwas rot. Ihm war das doch dann etwas peinlich mit dem Kaninchen und er räusperte sich leicht. Er versuchte seine Worte so geschickt wie möglich zu wählen, um nicht erneut etwas zu sagen, was das Kaninchen verstimmte.
 

„Es tut mir leid.“

„Was tut dir leid?“ Das Kaninchen legte neugierig den Kopf zur Seite.

„Das ich ein Alice bin.“ Es herrschte einen Moment Stille, ehe das Kaninchen einfach weiter ging. Das war ja herrlich ausgegangen mit dem Wählen der richtigen Worte.
 

„Du musst wissen, wir Wunderländer haben den einen Alices gegenüber ziemliche Vorurteile und es ist nicht gerade leicht, diese loszuwerden. Aber bei uns entschuldigt, für das, was sie vom Wunderland gemacht worden sind, hat sich bisher noch niemand.“ Das Kaninchen lächelte fröhlich. Ganz so, als habe Fran ihm neuen Mut gegeben. Fran nickte nur, als habe er verstanden und sah nach vorne, wo er eine Wiese erkennen konnte. Sie waren fast raus aus dem Wald. Das Kaninchen war jetzt wieder guten Mutes und lächelte fröhlich vor sich her, als liebe er sein Leben einfach. Fran gefiel das. Er mochte es, wenn es anderen gut ging. Das hob meist seine Stimmung. Dachte er zumindest.

„Nach dem Wald kommen die Zentralwiesen. In der Mitte der Zentralwiesen liegt eine Stadt die Central Town heißt. Sie ist die modernste Stadt. Dort wird alles mit Nebeldampf und Windfeuer betrieben. Wir müssen um die Stadt einen ziemlichen Bogen machen, wenn wir zum Freizeitpark wollen.“ Das Kaninchen deutete nach vorne, wo man in der Ferne schon die Umrisse von etwas Großem erkennen konnte.

„Nebeldampf und Windfeuer.“ Das kam ihm bekannt vor.

„Ja, im Wunderland haben wir verschiedene Antriebs und Energieresourcen. Aber nur Central Town ist damit schon so weit, dass sie nur noch diese benutzen. Im Herzblattland wird noch alles von Hand betrieben. Einige sind dort aber bereits auf Windfeuer umgestiegen. Gegen die Nebeldämpfe hat die Herzfamilie etwas.“ Das Kaninchen lachte nur und ging weiter, Fran hinterher, dem schon die Füße schmerzten, da er immer wieder mit den nackten Füßen auf Unebenheiten stieß.
 

Das Kaninchen wollte bereits weiterreden, als Fran erneut gegen etwas stieß und laut fluchte. Er ging in die Knie und besah sich seinen Fuß. Er hatte sich eine kleine Schramme zugezogen, die allerdings leicht blutete. Das Kaninchen erschrak laut.

„Warte mal! Fass das ja nicht an! Das habe ich total vergessen!“, meinte das Kaninchen und kramte in seinen Westentaschen. Er zog eine kleine Dose heraus, in der ein Puder war und schraubte es vorsichtig auf.

„Gib mir deinen Arm“, meinte der Schwarzhaarige und Fran tat, wie ihm geheißen. Die Gestalt streute den Puder auf die Wunde und Fran zog scharf die Luft ein. Es brannte. Wie Feuer brannte es. Der Puder war weiß, fast violett und färbte sich sofort rot von dem Blut. Es war, als ob der Puder das gesamte Blut aufsaugen würde.
 

„Du musst wissen, dass du solche Wunden sofort behandeln musst. Ich habe dich gleich aus dem Wald gezogen, das war gut so. Wärst du lange dort gewesen hätten sie dich gefunden und gefressen.“ Fran lief es eiskalt den Rücken herunter.

„Versuche hier Wunden zu vermeiden“, gab ihm das Kaninchen den Tipp und stäubte auch Puder auf die Wunde an seinem Fuß.

„Was ist das eigentlich?“, fragte Fran neugierig und hoffte, dass diese Frage ihm nicht Schererein bereiten würde. Doch das Kaninchen antworte ohne zu zögern.

„Staub von zerriebenen Mottenflügeln.“ Fran drehte es den Magen um. Es bereitete ihm Ekel, selbst wenn er nicht wusste, weshalb genau. Es hörte sich unnatürlich an.

Das Kaninchen strich sanft den Puder weg, der sich mit dem Blut voll gesogen hatte und entblößte eine nun jedenfalls nicht mehr blutende Wunde. Er holte eine weitere Dose aus seiner Westentasche und schraubte sie auf. In ihr war eine dunkle zähflüssige Paste, die er sachte auf die Wunden auftrug. Fran wollte gar nicht wissen, was das war, was da auf seine Haut aufgetragen wurde. Er wollte sich nicht erneut ekeln. Aber er würde sich nun hüten, sich zu verletzen. Das bestimmt.

Nachdem die zähflüssige Substanz aufgetragen worden war, schwand langsam der Schmerz. Er sah einfach zu, wie das Kaninchen die Substanz auftrug und stand dann auf, als er am Arm festgehalten wurde. Was war denn nun los? Das Kaninchen sah ihn etwas besorgt an und stützte ihn dann leicht. Er sah ihn an.

„Sag mal. Wie wär’s, wenn ich dich hinbringe? Mit den blanken Füßen solltest du nicht laufen. Du hast dich ja schon verletzt. Und sich hier zu verletzen kann schwere Folgen haben.“ Fran schluckte. Er konnte sich sehr gut vorstellen, worauf das Kaninchen da anspielte, also sagte er nichts weiter dazu und nickte nur. Das Kaninchen lachte fröhlich,er schien nett. Vielleicht konnte Fran ihm ja doch vertrauen.
 

Aber wem konnte Fran hier schon vertrauen?
 

„Huh?!“ Etwas überrascht stellte Fran fest, dass das kräftige Kaninchen ihn Huckepack nahm und dann los lief wie ein Jogger. Fran hielt sich fest, versuchte aber seinen Helfer nicht zu sehr zu würgen. Der Körper des Schwarzhaarigen war warm und trostspendend. Er fasste ihn behutsam an, packte ihn aber fest, genau so, wie es sein sollte. Sicher und beschützend, ohne bedrängend zu werden oder ihn locker zu lassen. Vielleicht konnte er dem Kaninchen vertrauen. Schließlich hatte er ihm nur anfangs etwas Misstrauen gegenüber gehegt, weil er sich nicht sicher war, wer beziehungsweise was genau Fran war. Aber er hatte dieses kleine Missverständnis- diese kleine Kommunikationsbarriere ja zerstört. Ja, bei dem Kaninchen fühlte sich Fran ziemlich sicher. Fran merkte, wie das Kaninchen einen riesigen Bogen um die Stadt machte, die sie noch von weitem gesehen hatten und sah zu ihr herüber. Rauch. Überall stieg verschiedenfarbiger Rauch auf, der irgendwann durchlässig wurde und verschwand. Fran ließ den Blick nicht ab, traute sich allerdings auch nicht, zu fragen. Es war wundersam, wie die blechernen Dächer und Schornsteine den Rauch von sich stießen und dieser irgendwann eins wurde mit der Luft. Ob das wirklich unschädlich war für die Welt? Fran wusste es nicht, aber darüber brauchte er sich auch nicht Gedanken machen.
 

Nach einer Weile machte das Kaninchen allerdings eine Pause und ließ Fran runter. Es meinte, ihm täten seine Füße weh und er müsste kurz verschnaufen.

„Wo müsstest du denn eigentlich hin? Du meintest du seist zu spät.“

„Ah stimmt. Ja, ich muss zum Herzpalast. Zur Königsfamilie, dort arbeite ich als Planingenieur.“ Fran war sich sicher, dieses Wort noch nie gehört zu haben, fragte allerdings nicht nach. Er wollte nicht aufdringlich oder gar dumm wirken in dieser Welt, auch wenn sein Verstand ihm sagte, er solle sich informieren. Aber ins Herzblattland musste er wohl sowieso. Ihm war sofort aufgefallen, dass in den Namen der Orte die Zeichen seiner Male enthalten waren. Also musste das Herzblattland für sein rotes Herz zuständig sein. Und vielleicht war es sogar im Palast. Aber jetzt sollte er sich auf den Jahrmarkt konzentrieren. Freizeitpark. Wie dem auch sei.

„Man sagte mir, Dideldei und Dideldum hätten den Vergnügungspark gebaut. Aber keiner habe sie jemals gesehen. Ist das wahr?“ Der Schwarzhaarige schien zu überlegen. Weniger über die Tatsache selbst, als darüber, ob er Fran tatsächlich verraten sollte, was er wusste.

„Nein, so ganz stimmt das nicht. Ich habe die beiden gesehen, wenn auch nur für einen Augenblick.“ Fran schwieg und lauschte weiter den Worten des Kaninchens. Es interessierte ihn ungemein.

„Ich sah sie bei der Eröffnung des ersten Dampfgetriebes in Central Town. Sie haben die gesamte Stadt übernommen. Daher mag die Königsfamilie deren Erfindungen auch nicht“, erklärte das Kaninchen während Fran nur nickte. Er verstand zwar nichts davon, doch er versuchte mitzukommen.

„Es ist ein ewiger Kampf zwischen den Lavafeuerantriebs-Vertretern und den Befürwortern der Dämpfe.“ Fran nickte. Dieses Mal verstand er kein Wort, doch an den Rauch konnte er sich noch genau erinnern. Das alles war sehr sonderbar, aber er würde das überstehen und auch irgendwann zum Herzblattland vordringen. Was sollte ihn denn auch schon so furchtbares in einem Vergnügungspark erwarten? Ein sachter Wind wehte, der Fran die Strähnen ins Gesicht blies. Er strich sie sich aus dem Gesicht und bemerkte, wie das Kaninchen sich wieder erhob.

„Wir sollten weiter, wenn du vor hast, heute noch dort anzukommen. Und ich hoffe das, denn nachts kann‘s hier sehr gefährlich werden.“ Und so machten sich die beiden wieder auf. Das Kaninchen mit Fran auf dem Rücken.
 

Kaum eine halbe Stunde später erkannte Fran in der Ferne ein riesiges, schwarzes Gittertor, das einem einen leichten Blick auf den Jahrmarkt gewehrte. Es schien viel los zu sein, trotz dass das Tor zu war und als Fran runter gelassen wurde, konnte er nicht anders, als den Blick keine Sekunde lang von der Szenerie abzuwenden. Es war atemberaubend. Viel zu viele Dinge, um sie alle aufzulisten und zu beschreiben. Es war einfach wundervoll und Fran genoss es. Es war seit dem Wald das erste Mal, dass er etwas so Atemberaubendes hier gesehen hatte. Er schluckte. Das war wirklich famos.
 

„Naja ich muss dich dann ja auch hier verlassen, einer Alice-“

„Fran.“

„Wie bitte?“

„Mein Name... Mein Name ist Fran. Vergiss einfach bitte, dass icheinAlice bin.“ Das schallende Kindergelächter, Raunen von Erwachsenen und mächtige Surren und Rattern der Attraktionen war das einzige Geräusch, das gerade die beiden umhüllte und dennoch schien es vollkommen still zu sein. Der Schwarzhaarige lächelte.

„Na gut. Dann eben Fran!“ Er lachte, und sagte Fran,er solle durch das Tor gehen, erst dann könnte das Kaninchen beruhigt davon hüpfen zum Schloss. Fran war sich nicht sicher, wieso das Kaninchen ihm solche Forderungen stellte, fragte allerdings, wie er es immer tat, nicht nach,öffnete mit etwas Mühe und Gewalt das Tor und schritt hinein. Eine Welle von Wärme ergriff ihn und er erkannte den Geruch von frischer Zuckerwatte in der Luft. Aber da war noch mehr. Frisch gebratene Mandeln, Zuckerstangen, süße Getränke und Bier. Er zog die Luft ein und sah sich etwas um. Die Attraktionen leuchteten in allen möglichen Farben und Formen. Es gab Karusselle, Schaukeln, Achterbahnen und Spiegelkabinette. Losstände, Schießstände so weit das Auge reichte. Und überall waren die Eltern mit ihren Kindern unterwegs. Keine Gestalten. Richtige Menschen. Fran fühlte sich wohl. Endlich konnte er sich entspannen. Endlich konnte er die ewige, intensive Atmosphäre verlassen und sich richtig entspannen. Er lächelte, ehe er sich umdrehte, dem Kaninchen ein letztes Mal zuwinkte und den Vergnügungspark betrat.
 

Der Schwarzhaarige winkte Fran zurück und lächelte, wie er es fast immer tat. Fran stand bald seinem ersten Prüfer gegenüber. Es wäre sicher interessant zu sehen, wie der Junge sich machte. Wie er wohl bestand? Wenn er sich bereits für das, was er war entschuldigte? Der Schwarzhaarige lachte.

„Ich hoffe allerdings, dass er nicht gleich gefressen wird. Ich würde zu gerne sehen, wie ersich so im Palast macht und schlussendlich gehängt wird.“



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