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Punk

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Steps

Ich war nie ein besonders braves Kind.

Um genau zu sein, war ich schrecklich. Erst war ich ein schrecklich verwöhntes Einzelgör und dann ein schrecklich eifersüchtiger großer Bruder. Schrecklich eben. Und dazu auch noch frech, ungezogen, vorlaut und ständig auf Ärger aus – ganz im Gegensatz zu meinem kleinen Bruder. Er war der Augapfel meiner Eltern. Er war intelligent, folgsam, still und zu allen Leuten scheißend freundlich. Also alles, was ich nicht wahr und eigentlich auch nicht sein wollte. Ich fand meinen Bruder immer schon langweilig und spießig. Ich hatte wahrscheinlich bereits in meiner Grundschulakte mehr Vermerke als er in seiner ganzen Schullaufbahn bekam. Die Middle School lief auch nicht besser bei mir und hätte ich nicht gemusst, wäre ich nicht auf die High school gegangen.

Aber meine Eltern haben mich dazu gezwungen.

Und auf der High School.....auf der High School habe ich dann Andy kennen gelernt. Andy war ein schräger Typ und er kam, glaube ich zumindest, aus noch schrägeren Verhältnissen. Er hat mir nie viel darüber erzählt und ich wollte es auch gar nicht so genau wissen.

Fakt ist, Andy war schräg. Und cool.Der coolste Typ, den ich damals kannte. Er hat mir ein paar mal wirklich aus der Patsche geholfen. Vor allen Dingen dann, wenn ich mal wieder das Maul nicht halten konnte, und irgendwen angepisst habe, der stärker war als ich.

Und zu meiner Schande gab es noch nie viele Leute, die das nicht waren.

Bei Andy verhielt sich das anders. Andy war zwar so hager und dürr wie eine Bohnenstange und seine, ein wenig gräuliche, Haut verlieh ihm noch zusätzlich einen Ausdruck von Kränklichkeit, aber ich habe selten jemanden getroffen der so stark war.

Ich habe ihn damals ziemlich bewundert. Und ich war dankbar, weil er mir geholfen hat – natürlich hab ich das nie so formuliert. Er hätte mich ausgelacht und mir gesagt, dass ich mich verhalte wie ein Weib, da bin ich mir ziemlich sicher.

Und wenn Andy mir nicht gerade den Arsch gerettet hat, dann haben wir zusammen in einem der vielen Parks in der Nähe herumgelungert und den Unterricht geschwänzt.

Meistens haben wir dann getrunken und geraucht.

Also, er hat geraucht. Nachdem ich das erste mal an einer Kippe gezogen habe, musste ich kotzen.

Andy hat mir dann das Haar aus der Stirn gehalten und mich ausgelacht.

Dannach hab ich es nicht mehr probiert.

Und irgendwann hat er mir dann von den Drogen erzählt. Das er sie vertickt und dass er sie manchmal selbst nimmt und das das ganz cool wäre. Und dann hat er mich gefragt, ob ich auch mal was ausprobieren wollen würde, er hätte genug Zeug da.

Ich wollte eigentlich nicht.

Ich hatte bis zu diesem Moment noch nie etwas mit Drogen zu tun gehabt, und auch nicht vorgehabt daran etwas zu ändern.

Aber Andy hatte es mir vorgeschlagen. Und er hat mir damals, glaube ich, eine halbe Stunde davon vorgeschwärmt, wie absolut cool so ein Trip wäre, dass ich das unbedingt auch mal ausprobieren solle und noch ziemlich viel mehr, was mich davon überzeugen sollte, zuzustimmen, und was ich mittlerweile schon wieder vergessen habe. Und dann hat er mich gefragt, ob ich vielleicht zu feige wäre es auszuprobieren.

Und das war der richtige Knopf.

Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dass Andy, ausgerechnet Andy, mich für feige halten könnte. Die Vorstellung ging mir einfach dermaßen auf die Eier. Also hab ich's doch gemacht.

Wenn auch nicht nur deswegen.

Ich war schließlich ja doch auch neugierig. Und Andy hatte Recht- Es war ein absolut geiler Trip. Immer wieder, jedes Mal.

Am Anfang hab ich mir das Zeug – Koks – Nur einmal im Monat gespritzt. Allerhöchstens.

Aber mit der Zeit hab ich das Zeug immer öfter genommen. War ja klar, Koks macht immerhin sofort süchtig. Ich hab den Stoff zuerst nur von Andy bezogen. Später dann hab ich angefangen, selbst damit zu dealen. Und es war wirklich einträglich und ziemlich gechillt. Vor allem, weil die meisten Leute, mit denen ich in der Schule früher Probleme hatte, plötzlich zu meinem Kundenkreis zählten. Und das verlieh mir eine gewisse Immunität gegen diese Menschen.

Aber natürlich haben meine Eltern irgendwann was bemerkt. Ich hatte mich ja durch meine Abhängigkeit doch schon verändert. Sogar mein Bruder hat sich Sorgen gemacht – und ich war, wie schon Eingangs erwähnt ein ziemlich beschissener Bruder, was dazu führte, das wir uns gegenseitig zu ignorieren pflegten. Das hieß, er ignorierte mich und ich versuchte, seit einigen Jahren bereits eher minder erfolgreich, ihn zu ärgern.

Aber sie haben, egal wie schlimm ich auch war, nie damit gerechnet, das ich was mit Drogen zu tun hatte. Das wollten sie mir, glaube ich, einfach nicht zutrauen.

Die Bullerei hatte damit allerdings keine Probleme.

Irgendwann, es war einer der wenigen Tage, die ich tatsächlich in der Schule verbrachte, stand auf einmal ein Polizist am Lehrerpult als ich in die Klasse kam. Ich hab mich dafür verflucht, dass ich an diesem Tag überhaupt hingegangen bin – manchmal frage ich mich, ob vielleicht alles anders gekommen wäre, wenn ich blau gemacht hätte. Wahrscheinlich nicht. Es hätte sich höchstens noch etwas verschoben. Der Typ hat uns dann einen Vortrag über Drogen gehalten. Und während er das gemacht hat, während seines ganzen, verdammt langen Monologs, sind seine Augen unablässig, wie kleine, blaugraue Suchscheinwerfer durch die Schülerreihen gewandert und haben uns beobachtet.

Heute glaube ich, dass ich mir nur eingebildet habe, dass er mich nicht länger gemustert hat als die anderen. Weil ich so scheiße nervös war. Aber diese Einbildung hat mich dann ja nun auch nicht gerade beruhigt.

Ich hab die komplette Stunde zusammengekauert und bleich wie ein Laken auf meine Stuhl verbracht und versucht, mich so klein wie möglich zu machen – letzteres viel mir auch nicht wirklich schwer, ich war ohnehin nur mit viel gutem willen unterer Durschnitt in Sachen Körpergröße.

Im Nachhinein bin ich mir sicher, dass der Typ dumm wie Bohnenstroh war und echt nichts gerafft hat. Aber ich hab mir das mit meinen strapazierten Nerven eingebildet.

Irgendwann, nach einer halben Ewigkeit, war dann, endlich, der Unterricht rum. Der Kerl hat sich verabschiedet und ist nach draußen und ich war sicher. Dachte ich. Ich dachte, ich könnte raus gehen, und mich zu Andy stehlen – der in einer anderen Klasse war als ich – um ihn vorzuwarnen. Ja. Ich dachte.

Tatsache war, dass ich auf halbem Weg von meinem Pult zur Tür einfach zusammen geklappt bin. Wegen den Nerven

Als ich später wieder aufgewacht bin, lag ich auf der kleinen Krankenstation der Schule. Und der Cop saß am Fußende meines Bettes und hat mich ernst angesehen.

Dannach ging dann alles ziemlich schnell. Andy hab ich nicht verraten, aber bei einer Hausdurchsuchung haben sie in meinem Zimmer Marihuana und Koks gefunden – ersteres hab ich aber nur verkauft, nicht genommen. Seit meinem Erlebnis mit dem Glimmstängel hab ich kein Vertrauen mehr zu Suchtmitteln, die man über die Atemwege aufnehmen muss.

Meine Eltern sind selbstverständlich ausgeflippt. Sie haben mich angeschrien und mir all die Vorwürfe gemacht die Eltern in dieser Situation ihren Kindern nun einmal machen. Und das war scheiße. Aber es war ok. Weil ich zurückschreien konnte, weil ich ihnen Vorwürfe machen konnte und weil ich wusste, dass ich es Rettunglos verbockt hatte.

Aber Antonio – so heißt mein Bruder – war unfair. Er hat mich nicht angeschrien, in der ganzen Zeit nicht. Um genau zu sein, hat er gar nicht mehr mit mir geredet. Er hat mich nur immer angesehen, mit großen, traurigen, enttäuschten Augen.

Ich hab mich gefühlt wie ein Stück Scheiße.

Gut eine Woche später hat mich dann ein Richter zu einem halben Jahr Jugendknast verurteilt. Ich war damals ja fast froh, von meinem Bruder weg zu kommen.

Das halbe Jahr hab ich dann auch absitzen müssen. Und von meiner Sucht haben sie mich im Jugendknast auch runter gebracht.

Als ich wieder raus kam, bin ich gar nicht erst wieder nach Hause. Ich wollte keinen Stress mit meinen Eltern.

Oder zumindest habe ich mir versucht ein zu reden, dass das der Grund war.

Aber in Wirklichkeit hatte ich einfach nur Angst, meinem Bruder zu begegnen. Ich wollte in meinem ganzen Leben nie wieder in solche Augen schauen. Ich hab meiner Familie nie auch nur ein Anzeichen dafür zukommen lassen, dass ich noch lebe.

Aber mit Andy hatte ich dann im Knast noch viel Kontakt und als ich rausgekommen bin, hat er vor dem Gefängnis schon auf mich gewartet.

Er hat mir dann eine Wohnung verschafft und keine zwei Tage später war ich wieder voll auf Stoff. Nicht, dass ich je vorgehabt hätte, runter zu kommen. Clean war ich ohnehin nur geworden, weil man mich im Jugendknast dazu gezwungen hatte.

Drogen gabs da zwar.

Aber die Entzugstypen, die mich damals behandelt hatten, haben mir die Lust darauf verdorben.

Als ich reinkam, hab ich gleich prompt ne Einzelzelle bekommen. Und die konnte ich dann die nächsten Tage auch nicht mehr verlassen. Zuerst durfte ich mich wenigstens noch innerhalb der Zelle frei bewegen. Aber als nach drei, vier Tagen die ersten heftigen Entzugserscheinungen kamen, haben sie mich ans Bett geschnallt. Am Anfang wars nur mies. Aber je schlimmer die Entzugserscheinungen wurden, desto beschissener wurde die Situation. Ich glaube, ich lag da ungefähr ne Woche, bis die mich wieder gefahrlos abschnallen konnten und dann haben sie mich noch ein paar Tage behandelt, weil ich ja doch ziemlich mitgenommen war.

Erst dann haben sie mich zu denn anderen Knastis gesteckt und mich in einer anderen Zelle einquartiert.

Die Entzugskur war also, alles in allem, die Hölle. Und weil ich danach für den Rest des halben Jahres, alle zwei Tage für irgendeine Schwester in ein Reagenzglas pissen musste, damit die testen konnte ob ich auch wirklich clean war, hab ich mir dann die Drogen für den Rest der Zeit mühsam verkniffen.

Den Pinkeltest musste übrigens niemand außer mir so häufig machen, soweit ich das weiß und deswegen vermute ich, dass da meine Eltern ihre Finger im Spiel hatten.

Naja, sei's drum.

Also, zwei Tage nach meiner Entlassung hab ich mir wieder Koks gespritzt und eine Woche später war ich wieder voll im Geschäft. Andy und ich waren Partner beim Drogen verticken und wir konnten ziemlich lange, ziemlich gut davon leben.

Aber nach cirka zwei Jahren haben uns die Cops in flagrantie bei einem Deal erwischt. Andy hat damals sofort versucht zu türmen, und ich bin ihm natürlich hinterher. Wir sind über eine Mauer und dann ab durch 'nen kleinen Hintergarten. Er ist einen Moment vor mir über den Zaun gesprungen. Ab dann weiß ich dann auch nichts mehr von ihm. Ich bin nämlich an einer der niedrigen Holzlatten des Zauns hängen geblieben und auf die Fresse geflogen. Und keine zwei Sekunden später stand so 'n Köter von der Bullerei vor mir und hat mich angeknurrt, dass ich mich nicht mehr getraut hab mich auch nur einen halben Millimeter zu rühren. Bin ja schon glücklich, dass er mich nicht gleich gebissen hat um mich an der Flucht zu hindern.

Vielleicht hatte das Kötertier ja Mitleid?

Ob sie Andy auch noch geschnappt haben, oder ob er entkommen konnte, das weiß ich nicht. Das wollten mir die Cops auch nicht sagen.

Ich bin dann wieder vors Gericht gekommen. Und diesmal bin ich nicht in den Jugendknast gewandert. Ein Jahr muss ich jetzt absitzen – was bei dem Zeug, das wir vertikt haben, eine ziemlich maßvolle Verurteilung ist. Der Haken ist nur, ich muss das Jahr im Texas Sankt Maria Prison absitzen.

Und das ist ein Gefängnis, dass hauptsächlich Schwerverbrecher der übelsten Sorte beherbergt. WARUM der Herr Richter mich da reingesteckt hat weiß ich nicht.

Aber da es der selbe war, der mich beim letzten Mal auch verurteilt hat, vermute ich stark, dass er mir eine Lehre erteilen wollte.

Na, mal sehen, ob seine Rechnung aufgeht- ich habe nicht vor, mich von so nem dreckigen Kasten von irgendetwas abbringen zu lassen! Und wenn ich das nächste mal rauskomme, dann steig ich mit dem Drogendealen gleich bei der Mafia ein.

Da hab ich einen besseren Rückenhalt gegen diese scheiß Cops.

Und während ich darüber nachdenke, was ich nach dem Knast machen werde öffnet sich vor mir eine weitere Gittertür. Meine Klamotten hab ich schon nach der Dritten gegen die Einheitskleidung des Gefängnisses Tauschen müssen – die mir, nebenbei bemerkt, viel zu groß ist. Was mich dezent ankotzt, weil ich jetzt noch jünger aussehe, als ich sowieso schon bin. Zwei muskelbepackte, uniformierte Knastbullen mit potthässlichen Sonnenbrillen geleiten mich über einen Hof auf dem offenbar gerade Freigang herrscht. Von allen Ecken und Enden her werde ich beobachtet.

Ich versuche, mir nicht anmerken zu lassen, dass ich mich gerade ganz und gar nicht wohlfühle und folge weiter stur den beiden Wärtern. Nach Fünf Minuten kommen wir an eine weitere Gittertür am gegenüberliegenden Ende des Freigangs und ich werde grob hinein geschubst. Die dritte Zelle auf der linken Seite ist meine. Es befindet sich nur ein Bett darin – was seltsam ist, weil ich gedacht habe, dass man im Gefängnis immer mit mindestens einem Zellengenossen rechnen muss. Das war zumindest im Jugendknast so. Aber ich hab eine Einzelzelle. Vielleicht haben meine Eltern da wieder ihre Finger im Spiel.

Oder der Richter – er war ganz nett. Für einen Richter. Aber wahrscheinlich hab ich einfach nur Glück. Ich glaube nämlich nicht, das meine Eltern noch irgendetwas für mich zu tun gedenken, nach dem ich mich nicht einmal gemeldet habe, in den letzten zwei Jahren. Und der Richter war nur ein Richter. Er ist zu hunderten von Menschen am Tag nett – zumindest kam er mir so vor.

Die Zelle ist anders, als ich sie mir vorgestellt habe. Ich hatte mit einer riesigen Wand aus Gitterstäben gerechnet, die zur besseren Beobachtung statt einer Wand im Vorderen Teil der Zelle eingezogen worden war.

Auch etwas, dass ich aus dem Jugendknast kannte.

Aber hier, in diesem Gang, gibt es Wände und Stahltüren die nur oben ein kleines, vergittertes Fenster besitzen, vor dem eine kleine Klappe angebracht ist. Innen stehen nur ein Bett und ein kleiner Tisch mit Stuhl.

In eine Ecke quetschen sich außerdem noch eine Toilette und ein Waschbecken. Ich fühle mich ein wenig in meine Vorstellung einer Irrenanstalt versetzt und muss fast lachen. Dann kommt mir der Gedanke, dass das hier vielleicht auch nur ein Extratrakt ist. Für die Leute, die auf Entzug gesetzt werden müssen. Ich schlucke.

Die Vorstellung, wieder an ein Bett gefesselt zu werden gefällt mir gar nicht.

Unruhig beben meine Hände und die kleine Pappschachtel mit meinen wenigen Habseligkeiten – ein Sicherheitsrasierer, ein Handtuch, Bettzeug, eine Zahnbürste und Zahnpasta, sowie eine zweite Garnitur Einheitkleidung und Unterwäsche umfassen ihren ganzen Inhalt – wackelt ein wenig.

Aber nach dem ich die kleine Kiste auf dem Bett abgestellt habe, drängt mich mein einer Wärter sofort wieder nach draußen. "Jetzt hast du dir die Zelle lang genug angeguckt. Es is grad Freigang, also mach dich raus. Kannst dich ja mit den Anderen bekannt machen"

Der andere Wachmann lacht auf diese Bemerkung hin dreckig und mir schwant nichts Gutes. Ich würde am liebsten hier drin bleiben. Aber prompt wird mir mitgeteilt, dass man meine Tür von Innen ohnehin nicht abschließen kann. Und auf einmal kommt mir der kleine Raum wie eine Falle vor.

Nervös folge ich den beiden Wachen abermals in den Freigang. Dort verlassen sie mich und gehen. Unruhig blicke ich mich um. Ich werde schon wieder von überallher beobachtet.

Und es gefällt mir nicht. Überhaupt nicht.

Ich wünschte, sie würden das lassen, und mich einfach ignorieren. Aber sie tun mir den Gefallen nicht. Ganz im Gegenteil löst sich jetzt ein kleines Grüppchen mir schräg Gegenüber von der Wand und kommt auf mich zu. Auf einmal vergeht mir alle Lust mich an diesem Fleck aufzuhalten – nicht, das ich vorher Lust gehabt hätte, hier zu sein. Ich überlege Fieberhaft, wo hin ich fliehen könnte, aber noch bevor ich diese völlig sinnlose Überlegung zu ende führen kann, um festzustellen, dass ich keinen Ort kenne an den ich fliehen könnte – und ich denke nicht einmal im entferntesten daran, mich mit fünf Muskelstrotzenden Schwerverbrechern auf eine Schlägerei einzulassen- packt mich was an der Schulter. Ich sehe auf, nicht, weil ich auf den Boden gestarrt habe, sondern weil der Kerl cirka zwei bis drei Köpfe größer ist als ich. Es ist der Anführer des kleinen Grüppchens, von dem ich gar nicht bemerkt habe, dass es mir so nahe gekommen ist.
 

Ich schlucke.
 

Er Lächelt.
 

Es ist ein Lächeln, bei dem ich am liebsten Wegrennen würde, wenn ich könnte.
 


 


 


 

Aber ich kann nicht.

Punches

Hallo^^ Es ist 1:08 und auch hier lade ich jetzt das neuste Kapitel hoch :D Ich freue mich unheimlich über die vier Favos von ReinaDoreen, traum, eagle und Defectio und vor allen dingen auch über den Kommentar, den Letztere mir hinterlassen hat.

Ich hoffe, euch gefällt das neue Kapitel und wünsche viel Spaß^^
 


 

Ich schlucke.
 

Er Lächelt.
 

Es ist ein Lächeln, bei dem ich am liebsten wegrennen würde, wenn ich könnte.
 


 


 


 

Aber ich kann nicht.
 


 

Ich weiche unruhig einen Schritt zurück und stoße mit dem Rücken gegen die Gittertür zu meinem Zellentrakt. Nervös fixiere ich den Riesen vor mir mit meinem Blick und wage es nicht, ihn aus den Augen zu lassen. Am liebsten würde ich mich durch die Gitterstäbe hinter mir hindurchpressen.

Einen Moment überlege ich, ob ich einfach die Gittertür aufreißen und in meine Zelle türmen soll. Aber ich kann meine Tür ja nicht abschließen. Und ich befürchte, sollte ich meine Tür von innen zuhalten, und es würde zu einem Wettziehen kommen, würde ich haushoch verlieren. Außerdem habe ich Angst, den Riesen und seine Bulligen Freunde so zu provozieren.

Mann soll ja vor Bären auch nicht wegrennen, weil sie einen sonst als Beute erkennen. Allerdings soll man sich bei direktem Kontakt mit Bären auch flach auf den Boden legen. Und ich bezweifle, dass das bei den Typen zieht.

"Hey" sagt der Riese, zu dem ich immer noch hoch starre. Er ist inzwischen bei mir angekommen und ich finde, er ist gefährlich nahe. "Du bist also der Neue, hä, Kleiner?" fragt er "Ich bin nicht klein!" knurre ich aggressiv und komme mir im nächsten Moment nicht nur kindisch, sondern auch saudämlich vor. Aber der Protest kam, bevor ich ihn zurückhalten konnte. Es ist ein Reflex, den ich mir seit frühester Kindheit einverleibt habe, was soll ich machen?

- abgesehen davon, zu lernen, endlich die Fresse zu halten!

Vielleicht sollte mir jemand den Mund zunähen – er bringt mich ohnehin immer nur in Schwierigkeiten!

Der Blick des Riesen verfinstert sich. Und sein Lächeln wird breiter.

Ich würde mir am liebsten die Hand vor den Mund schlagen, als könnte ich so irgendwelche Worte zurückhalten. Aber wie schwul kämme das bitte?

Also widerstehe ich der Versuchung und funkle ihn so rebellisch an, wie ich kann – ich kann ja jetzt, wo ich sowieso alles schon versaut habe, wenigstens versuchen, noch tough zu wirken – während mir in meiner viel zu weiten Hose die Knie zittern.

"Soll ich dir mal was sagen, Kleiner?" fragt der Riese und packt mein Kinn mit einem Griff, fest wie ein Schraubstock. Seine Kumpane grinsen im Hintergrund.

"Normalerweise würde ich nein sagen" presse ich, mit fast panischem grinsen hervor "Aber weil du so liebenswürdig fragst, mache ich eine Ausnahme."

Für diese Frechheit kassiere ich einen Schlag in den Magen. Mir bleibt die Luft weg und ich sacke nach Atem ringend nach vorne. Sofort sind die Gorillas neben mir und packen mich unter den Achsel, um mich wieder hoch zu ziehen.

Sie ziehen mich ein wenig zu hoch. Ich hänge jetzt zwischen ihnen in der Luft, die Füße mindestens fünf Zentimeter über dem Boden. Ich versuche krampfhaft, nicht vor Schmerz zu stöhnen. Ich muss ja nicht noch mehr Schwäche zeigen, als sowieso schon.

"Hörst du mir jetzt zu, Kleine, hä?" fragt der Riese. Und ich schaffe es wieder nicht, meine Klappe zu halten. Mühsam zwinge ich ein "Fick dich!" hervor und spucke ihn ins Gesicht.

Schlagartig lässt er meinen Kiefer los. Aber ich habe keine Zeit, mich über das Gefühl von zurück rauschendem Blut zu freuen. Sein Gesicht ist jetzt rot vor Wut und sein Lächeln ist verschwunden.

Er wischt sich über die Visage und ballt die Faust.

Ich schlucke und kneife meine Augen zusammen. Scheiße.

Wo zum Teufel hat eigentlich die scheiß Wache ihre Augen? Haben die nicht die Aufgabe, so was zu verhindern?

Ich warte auf den Schlag.

Und ich warte.

Und warte.

Aber der Schlag kommt nicht.

Ich verharre noch einen Moment mit fest zusammengekniffenen Augen, ehe ich begreife, dass tatsächlich nichts passiert.

In der schwarzen Stille hinter meinen Augenlidern höre ich meinen eigenen Atem. Seltsam. Die Gorillas und der Riese sind so still. Ich höre nicht einmal mehr, wie sie Luft holen.

Was ist los? Was hat den Riesen aufgehalten? Oder wartet er nur, bis ich meine Augen aufmache, damit ich sehe, wie seine Faust auf mich zukommt?

Aber irgendwie ist die Stille dazu...zu still.

Ich schlucke unsicher und öffne vorsichtig blinzelnd die Augen. Ich will wissen was los ist!

Das Erste, was ich wahrnehme, ist die nicht auf mich zurasende Faust, die regungslos angespannt, mitten im Schlag erstarrt, in der Luft hängt und sich nicht rührt. Ok, ich denke, das ist ganz positiv.

Eine Hand hält den Arm gepackt.

Der Riese hat den Kopf halb nach hinten gedreht, sein Mund ist offen, wie zum Protest. Aber kein Ton entweicht ihm.

Ich folge seinem Blick. Hinter dem Riesen steht ein Mann. Und dem Mann gehört die Hand, der den Arm festhält.

Der Mann ist groß. Aber nicht so groß wie der Riese. Und Muskulös. Aber nicht so muskulös wie der Riese. Oder einer seiner Gorillas. Und er ist alleine. Trotzdem scheint der Riese beunruhigt zu sein.

Ich würde sogar fast sagen, er hat sogar Angst. Faszinierend. "Gregor" sagt er mit tiefer Bassstimme und irgendwie klingt es gleichzeitig wie eine freundliche Begrüßung und eine schreckliche Drohung.

Er spricht mit einem seltsamen Akzent und rollt das R.

Und Gregor und die Gorillas zucken heftig zusammen.

"Warum verprügelt ihr zu dritt einen kleinen Jungen?" fragt er und lächelt auf eine Weise, die mir einen kalten Schauer über den Rücken laufen lässt.

Trotzdem protestiere ich "Ich bin kein kleiner Junge!" aber es klingt leise und fast schüchtern und überhaupt nicht so widerspenstig wie ich das gerne hätte.

Der Typ wirft mir einen Blick zu und gluckst, dann wiederholt er seine Frage "Warum verprügelt ihr zu dritt einen Jungen?"

Ich sehe ihn überrascht an. Er grinst, dann wendet er sich wieder Gregor, dem Riesen, zu.

"Also?" "Ich-" setzt Gregor an, aber seine Stimme klingt heißer, und er muss sich erst räuspern, bevor er noch einmal ansetzt: "Ich habe ihm nur ein paar Manieren beigebracht. Was hat das mit dir zu tun, Russe?" fragt er dann barsch.

Aber ich kann seine Nervosität fast schon körperlich spüren.

Der Typ, der offenbar Russe ist lächelt immer noch, als er Gregor den Arm auf den Rücken dreht.

Gregor verzieht schmerzhaft das Gesicht und keift, leicht panisch, die Gorillas an. "Ihr Wixer, bewegt euren Arsch und helft mir!" Der Russe verdreht den Arm noch etwas weiter "Verdammte Scheiße!"

Ich werde tatsächlich losgelassen und lande auf dem Boden. Verwirrt sehe ich nach oben. Die Gorillas sind gerade dabei, sich in Bewegung zu setzen. Aber der Russe wirft ihnen nur einen Blick zu, und sie bleiben ruckartig stehen.

Wow, der Typ ist cool.

"Andreij" Einer der beiden Typen lacht nervös. "Du willst doch sicher keinen neuen Streit provozieren. Nicht wegen des Jungen, oder?" Ich finde ihn überraschend diplomatisch. Und feige.

Sein Kumpan pflichtet ihm natürlich prompt bei. "Ja man, genau."

Sie kommen mir etwas verloren vor, wie sie da stehen und nicht wissen was sie tun sollen, während ihre viel zu großen Pranken in der Luft hängen, als ob ihre Besitzer nicht wüssten, wohin damit.

"Ach, will ich das nicht? Aber mir ist langweilig. Vielleicht will ich ja mal wieder etwas Aufregung." sagt der Typ, der Russe ist und offensichtlich Andreij heißt und grinst.

"Hör zu Alter.", fängt jetzt der andere an, "Du wirst es sicher bereuen, wenn du Big G was tust. Also, warum vergessen wir die Sache nicht einfach und gehen, hä?" Diese Gorillas sind tatsächlich überraschend intelligent. Für Gorillas.

Andreij scheint überraschenderweise tatsächlich einen Moment abzuwägen und lockert dabei seinen Griff.

Sofort nutzt Big G die Chance und reißt sich los.

Ich weiß nicht, ob er es absichtlich tut, oder nicht, aber auf einmal sehe ich nur noch einen Muskulösen Rücken. Big G hat sich vor mich gestellt.

Ich bin jetzt zwischen ihm, seinen Gorillas und den Gittern gefangen. Fuuuuuck. Aber er beachtet mich gar nicht "Hör zu, Russe" höre ich ihn knurren "Du magst dir ja ne Menge einbilden, aber glaub bloß nicht, das der Arian Circle was auf dich gibt. Du bist nur ein hässliches Stück russische Scheiße."

Ich finde die Drohung irgendwie großmäulig, obwohl sie eigentlich bedrohlich klingt. Aber Big G kommt mir auf einmal so lächerlich ängstlich vor, dass ich fast lachen muss.

Er und seine Kumpane ziehen schnell ab. Andreij blickt ihnen missmutig nach. Sein Blick wirkt so finster, das ich mich fast nicht traue, ihn anzusprechen.

Aber ich kann nicht einfach so gehen. Und ich will auch nicht hier bleiben und nichts tun.

Also rapple ich mich auf und räuspere mich leise "ehm...Danke" sage ich, ein wenig verlegen.

Sofort dreht er sich wieder zu mir um und lächelt so breit, als hätte es die Typen nie gegeben.

Ich mag sein Lächeln. Es ist irgendwie etwas seltsam, aber eigentlich ganz sympathisch. Der ganze Typ ist irgendwie etwas seltsam. Aber ich finde ihn cool.

"Also," ich suche nach Worten "du hast mir wohl eben ganz schön den Arsch gerettet, man!" ich lächle unsicher.

Andreij lacht tief und dröhnend und klopft mir auf den Rücken. Es soll wohl ein gut gemeinter Klaps sein, aber ich stolpere trotzdem nach vorne und falle fast wieder hin.

Das bringt ihn noch mehr zum Lachen und langsam bin ich angepisst. Ich fühle mich ausgelacht.

Aber bevor ich mich beschweren kann ebbt Andreijs Lachen zu einem dunklen Glucksen ab. "Да." sagt er und grinst. "Da?" wiederhole ich fragend und sehe ihn verwirrt an. Er gluckst wieder. "Да!" sagt er noch mal "Das heißt 'Ja' auf Russisch."

"Achso! Sag das doch gleich!" ich bin ein bisschen verlegen und fühle mich ein wenig dämlich.

Ich weiß nicht so recht, was ich noch sagen soll. Aber bevor das Schweigen überhaupt entsteht bricht Andreij es.

"Und wie heißt du, маленький?" fragt er. "Oh" stimmt "Louis! Ehm, Louis Thompson!" ich lächle und er lächelt zurück. "Ich bin Andreijю" seinen Nachnamen sagt er mir nicht. Aber ich frage auch nicht nach. Ist doch nicht wichtig. "Ich...habs mitbekommen" Dann lachen wir Beide. Ich sehe ihn dabei an. Er ist wirklich nett. Das hätte ich gar nicht von einem Typ, der hier drin sitzt, erwartet. Ich mag ihn.

Das hätte ich übrigens auch nicht erwartet.

"Hey!" unterbricht er plötzlich meine Gedanken. "Soll ich dich rumführen?" "Im Gefängnis?" Ich bin verwirrt. "Wo denn sonst?" "Naja, ich kann mir nicht vorstellen, dass es hier was zu sehen gibt." Verlegen kratze ich mich am Hinterkopf. "Nich viel. Aber ein bisschen was schon. Und es kommt mir nicht so vor als ob du dich auskennst." Da hat er Recht.

"Uhm.", mache ich peinlich berührt und zucke unentschlossen mit den Schultern "Wenn du willst"

"Dann komm!", und damit schiebt er mich vor sich her, weg von der Tür zu dem Gang, in dem meine Zelle liegt, und mitten auf den Hof.

Die nächste halbe Stunde verbringt er damit, mir die Sehenswürdigkeiten des Hofes zu erklären. Und damit meine ich nicht das Basketballfeld. Ich stelle fest, dass die Sehenswürdigkeiten des Hofes allesamt Menschen sind. Oder, um genauer zu sein, weniger Menschen an sich, sondern mehr die Gangs, aus denen sie bestehen.

Andreij erklärt mir, dass es im Grunde drei Gangs gibt, die im Moment stark sind.

Der Arian Circle – er zeigt auf einige weiße, sehr große und tätowierte Kerle, die mir schon beim bloßen Anblick einen Angstschauer über den Rücken laufen lassen. Er erklärt mir, dass Big G der Riese auch zu ihnen gehört. Und das sie alle Rassisten sind.

Dann erzählt er mir von der Black Gurrilia Familie. Eine Gruppe Schwarzer, die uns bereits beobachten, dienen als Beispiel.

Zwischen dem Arian Circle und der Black Guerrilla Familie gibt es im Moment die größten Spannungen.

Ich nicke und höre ihm weiter zu.

Die dritte Gang von der er mir erzählt ist die 'Red Army'.

Sie besteht nur aus Russen und als Beispiel zeigt er auf eine Gruppe, die sich gemütlich auf die Wiese gepflanzt hat. Sie sehen es und lachen und winken Andreij zu.

"Gehörst du zu ihnen?" frage ich vorsichtig.

Andreij grinst mich an. "Kann man so sagen."

"Oh." Ich mag Gangs eigentlich nicht. Irgendwie bist du immer am Arsch wenn du dich mir ihnen einlässt. Du weißt nie wann es dich umbringt. Aber irgendwann bringt es dich um.

Andreij zuckt mit den Schultern. "Du bist hier drin gefickt, wenn du nicht in einer Gang bist."

Ich nicke.

Es gefällt mir nicht. Aber Andreij hat vermutlich Recht und...mal ehrlich, er hat mir den Arsch gerettet, was kümmert mich sein Privatvergnügen.

"Woran erkenne ich eigentlich, wer wozu gehört?" frage ich und lasse meinen Blick neugierig über die 'Beispiele' gleiten in der Hoffnung, irgendetwas Auffälliges zu entdecken. "Tattoos." antwortet Andreij. "Aber verlass du nicht drauf, das du sie daran erkennst. Die Dinger sind unscheinbar, damit die Wärter sie nicht gleich erkennen und meistens irgendwo in anderen Tattoos versteckt." "Und wie sehen die Tattoos aus?" Ich kann meine Neugierde kaum zurückhalten.

Aber Andreij beantwortet meine Fragen geduldig. "Der Arian Circle hat einen kleinen Kreis auf der Brust. Die Black Guerrilla haben sich 2.7.6 eintätowiert und wir" er hebt seine Hand und hält sie mir vors Gesicht. Aufmerksam mustere ich sie und entdecke, was er meint. Um seinen kleinen Finger ist ein kleiner roter Kreis in die Haut tätowiert.

Verstehend nicke ich. "Aber fällt das nicht auf? Also, der Ring" Andreij grinst und stumm auch die andere Hand. Um seinen Mittelfinger ziehen sich zwei breite, schwarze Kreise, um seinen Daumen schlängelt sich ein Grüner und sein Ringfinger ist von einer winzigen, detailreichen Schlange umschlungen. "Nicht unbedingt~" kommentiert er und ich komme mir zum wiederholte Male ziemlich dämlich vor. Trotzdem gebe ich ein leicht beeindrucktes "cool" von mir. Zusammen mit seiner anderen Hand fällt der kleine rote Ring nicht mehr auf. Und es sieht einfach extrem geil aus. "Es gibt auch noch andere Gangs hier. Aber die sind schwach." Wieder nicke ich.

Schwache Gangs sind unwichtig. Sie haben keine Macht. Und Gangs ohne Macht sind gefickte Gangs.

Im Gefängnisinneren gibt es noch ein paar wenige, sehenswerte Orte. Andreij zeigt sie mir.

Es gibt eine Kantine mit vielen, langen Tischen und einer momentan geschlossenen Essensausgabe. Der Boden ist von einer dünnen Schmutzschicht überzogen und unter den Bänken und Tischen klebt Undefinierbares. Also alles normal.

Als nächstes zeigte er mir den Fitnessraum. Es stinkt nach Schweiß und die viel zu alten und marode aussehenden Geräte sind fast vollständig belegt.

Ich schwöre mir, diesen Raum niemals freiwillig zu betreten und zu versuchen, hier Sport zu treiben.

Ich würde mich ja doch nur lächerlich machen. Und dabei wahrscheinlich auch noch eins der gefährlich abgenutzt aussehenden Geräte zerstören.

Als letztes kommen wir zur Bücherei.

Die Bücherei ist ein einziger großer Raum mit niedriger Decke und gedrungenen, billigen Gitterregalen auf denen dünne, billige Bücher stehen.

Sie sehen alle etwas abgenutzt aus.

Ich habe nie gerne gelesen. Aber ich mag diesen Ort. Er gefällt mir am besten von allen. Denn außer uns Beiden und eine Wärter der hinter einer Leihtheke steht und fast einschläft kann ich hier absolut niemanden entdecken.

Damit ist die Führung aber auch schon wieder vorbei und wir schlendern gemütlich zurück auf den Hof.

Andreij gähnt und lässt sich auf eine Bank fallen, kaum dass wir draußen sind. Ich setze mich neben ihn und lasse meinen Blick schweifen.

Ich versuche, irgendeinen der anderen Gefangenen als Mitglied irgendeiner Gang zu erkennen.

Aber ich erkenne niemanden und nach zehn Minuten schweigender Suche gebe ich auf und drehe mich zu Andreij.

Er grinst – er grinst ziemlich oft, fällt mir auf – und hat mich offenbar schon die ganze Zeit beobachtet.

"Und, Jemanden erkannt?" fragt er spöttisch. "Nein." gestehe ich missgelaunt. Er lacht und klopft mir wieder auf den Rücken. Ich falle fast von der Bank, aber ich grinse wieder. Andreijs gute Laune ist ansteckend.

Wir sitzen wieder schweigend da.

"Hey, uhm" fange ich nach einer Weile an, einfach um das Schweigen zu brechen. "Nochmal danke, man. Also, wegen dem Rumführn und dem Arsch retten und so" ich war nie gut darin, mich zu bedanken.

"Hmm, kein Problem, маленький." Er lehnt sich zurück und ich will ihn fragen, was er da eben gesagt hat, aber er redet schon weiter. "Nur schade, dass sie dich ja irgendwann sowieso bekommen." Er zuckt mit den Schultern, als hätte er gerade bedauert, dass es morgen regnet.

Ich starre ihn schockiert an. Und finde mich dabei selbst lächerlich. Was habe ich denn erwartet? Natürlich werden sie das. Ich bin im Knast. Und Andreij wird mich sicher nicht jedes Mal retten kommen. Selbst wenn er da drauf Bock hätte, er wäre gar nicht immer da, um mich aus der Scheiße rauszuholen – in die ich mich wahrscheinlich sogar selbst gebracht habe. Ich schlucke hart und versuche, meine Fassung zurück zu bekommen.

"Natürlich könnten wir das Problem lösen."

Ich horche auf. Bitte? Es gibt eine Lösung? Hätte der Arsch das nicht früher sagen können!?

Aber das frage ich ihn jetzt nicht. Dazu bin ich gerade wirklich nicht in der Stimmung. "Wie?" platzt es atemlos aus mir heraus.

"Ich kann dich unter meinen Schutz stellen. Unter den, meiner Gang." Ich bin zu überwältigt, um zu bemerken, dass er gerade 'meine Gang' gesagt hat – aber so viel dann zu ' Kann man so sagen'. Am Arsch.

"Wirklich?" frage ich hoffnungsvoll.

Ich mag Gangs nicht, aber hier drinnen bist du ohne Gang gefickt, wie Andreij schon gesagt hat.

"Да." antwortet Andreij ruhig. "Aber nichts auf dieser Welt ist ohne Preis, denkst du nicht auch, маленький?"

Das ist der Moment in den sich eine ungute Ahnung in mein Gehirn schleicht. Aber ich schiebe sie energisch beiseite. Was kann es bitteschön Schlimmes sein?

Und mal ehrlich, der Typ hat mich vorhin vor der verdammt beschissensten Prügel meines ganzen bisherigen Lebens gerettet und er bot mir gerade an, dafür zu sorgen, dass ich die auch weiterhin nicht kriegen würde. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass es etwas gab, das ich im Moment nicht für ihn tun würde.

"Okay, was?"

"Werde mein Punk!"

Er grinst. Ich runzle verwirrt die Stirn.

Einen Moment weigert sich mein Kopf schlicht, das Wort zu verarbeiten und mir seine Bedeutung preis zu geben.

Dann trifft mich die Bedeutung mit voller Wucht.

Ein Punk ist im Gefängnisjargon ein Sexsklave.

Andreij will das ich ein Punk werde.

Ein Punk. Langsam breitet sich Entsetzen in mir aus.

Ein Punk. Ich starre Andreij an.

Ein Punk. Ich stehe, aber ich weiß nicht mehr, wann ich mich erhoben habe.

"Niemals." flüstere ich. Noch hält das Entsetzen die Beleidigungen zurück.

Andreij grinst.

Ich hasse sein Grinsen.

"Sicher?", fragt er, "Wenn nicht ich, dann sicher bald ein anderer. Oder zwei. Oder drei. Oder fünf. Und die werden nicht fragen!"

Ich hole tief Luft. Jetzt kommt die Wut.

"Fick dich, du verdammte Russenschwuchtel."

Und damit schlage ich ihm direkt ins Gesicht. Dann drehe ich mich um und reiße mit einem Ruck die Tür ins Gebäudeinnere auf.

Sie knallt laut hinter mir zu.
 

Ich höre nicht mehr, wie Andreij lacht und ich sehe nicht mehr, wie er mir mit begierig funkelnden Augen nachsieht.
 

Ich sehe auch nicht mehr, wie Big G aufsteht.
 

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DAMDAMDAAAA



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Kommentare zu dieser Fanfic (6)

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Von:  wish-u
2014-11-27T17:33:40+00:00 27.11.2014 18:33
Sehr schön bis jetzt. Bloß ich hab gesehen das der letzte upload vor 2 Jahren War, gibt es eine Chance auf Wiederbelebung der Geschichte?
Von:  _lucifer-girl_
2012-10-28T11:25:56+00:00 28.10.2012 12:25
dein DAMDAMDAAA passt vollkommen ^^ uhhh ich find die story echt gut obwohls ja erst 2 ´pitel sind ^^......
gleich mal zur favo liste pack :)
Von:  ReinaDoreen
2012-06-08T18:51:03+00:00 08.06.2012 20:51
Ich kann die Reaktion nachvollziehen, da er damit nicht gerechnet hat Vielleicht würde die Entscheidung anders ausfallen, wenn Louis Zeit hätte nachzudenken.
Reni
Von: abgemeldet
2012-06-08T14:23:30+00:00 08.06.2012 16:23
Ich liebe diese FF :D!
Der Schreibstil ist wunderbar und das Kapitel ist famos XD!
Also, ich freue mich aufs nächste Kapitel X]
Von:  Verge
2012-06-08T12:23:08+00:00 08.06.2012 14:23
Uhhhhh :D Da hat er sich ja was eingebrockt~
Davon hattest du ja bereits erzählt~
Sehr sehr schön und wieder muss ich sagen, sehr schön Detailreich! So kann ich nicht schreiben^^

Auch wenn ich ja schon weis, wie es weiter geht, ich will es lesen! x3
Also schnell weiter!
Von:  Verge
2012-05-29T17:35:50+00:00 29.05.2012 19:35
Sehr schön geschrieben und vor allem detailreich. Gefällt mir, dass die Kapitel nicht kurz sind, so dass man auch noch was davon hat ^-^
Freue mich schon, wenn du das nächste Kapitel hochlädst~


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