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Wolfskinder - Sternenwege

von

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Wer bin ich?

Kennt ihr das? Wenn ihr neu irgendwo hinkommt? Ihr stellt euch mit euren Namen vor. Ihr sagt, wer ihr seid. Oder zumindest das, was euch immer beigebracht wurde. Eigentlich werden wir ja alle von klein auf dressiert, wir Hunde. Wir sagen, was wir sagen sollen, dir denken, was wir denken sollen und wir glauben, was wir glauben sollen.

Und was geschieht, wenn wir uns damit nicht wohl fühlen? Wenn wir den Fehler dahinter erkennen? Was geschieht dann? Das hat uns niemals jemand beigebracht. Natürlich nicht, denn das war auch nie geplant.

Alles, was nicht der Norm entspricht, ist nicht geplant. Man sagt zwar immer, dass es okay ist, dass man so etwas akzeptieren muss, aber das tun die wenigsten. Meistens wird man dafür verurteilt. Dafür, das man einfach anders ist. Sie verstehen es nicht. Ihnen hat das niemand beigebracht.

Mir auch nicht, aber ich fühle es dennoch. Ich stelle mich vor, und doch schreit alles in mir, das es eine Lüge ist, dass nicht ein Wort von dem wahr ist, was ich sage. Ich will aber nicht lügen. Doch wie kann ich die Wahrheit sagen, wenn ich sie nicht kenne? Wenn das, was ich sage, mir als Wahrheit beigebracht wurde?

Ich bin Mana von Winters-Midnight. Ich komme aus dem Reich Wynter und meine Eltern sind Fjodor, genannt Lugh Akhtar, von Winters-Midnight und Nea Jarek. Sie haben nicht geheiratet, ich habe auch nicht das Gefühl, das sie es in nächster Zeit vorhätten. Ich habe einen Zwillingsbruder namens Kekoa und eine kleine Schwester, die Yue heißt. Ich hab eine unzählige Tanten und drei Onkel, dazu eine Menge Vetter und Cousinen

Das ist alles wahr und zugleich alles eine einzige Lüge. Das sagt alles, was ich bin. Aber was davon sagt auch aus, wer ich bin? Bin ich ein fröhlicher Mensch? Ein trauriger? Jemand, der schnell den Mut verliert? Jemand, der immer voller Optimismus in die Zukunft blickt? Wer bin ich? Und wer kann mir diese Frage beantworten?

Ich weiß es nicht. Aber ich will es wissen, ich muss es wissen. Ich will nicht mehr lügen. Wo also kann ich mich selbst finden? Wisst ihr es? Ich denke nicht. Wer weiß das schon? Selbst meine Eltern konnten es mir nicht sagen. Sie sagen immer nur, dass ich Mana bin. Verstehen sie meine Frage nicht? Drücke ich mich so undeutlich aus?

Ich weiß, dass ich Mana bin. Aber wer genau ist Mana? Wenn nicht einmal ich es weiß, wie soll es denn dann ein anderer wissen? Wie sollen mich andere mögen, wenn ich nicht einmal selbst sagen kann, ob ich mich mag?

Ich denke, ich muss mich selbst finden. Aber wo kann ich anfangen zu suchen? Wo kann man sich selbst finden? Sich selbst mit all seinen Macken und all seinen Liebenswürdigkeiten kennen lernen?

Ich suche mich schon seid Jahren. Mein ganzes Leben lang stand über mir nur eine einzige Frage.

Wer bin ich?

Streitigkeiten

»Aber wieso verdammt noch mal!«, schrie Mana hitzig. Sie blitzte ihren Vater böse an, doch der erwiderte ihren Blick hart und bestimmt.

»Nicht in diesem Ton, junge Dame. Und dein Fluchen will ich auch nicht noch mal hören, haben wir uns verstanden?«, fragte er scharf. Der Ärger war deutlich in seinen Augen zu sehen, doch sein Gesicht war ruhig, kalt und bestimmt.

»Kekoa darf auch mit. Wieso er, wieso nicht auch ich?«, in ihrem Zorn hatte sie nicht im Mindesten vor, sich in irgendeiner Weise zu zügeln.

»Weil es einen Unterschied macht, ob du mitkommst, oder er. Du hast übrigens Stubenarrest auf unbestimmte Zeit«, erwiderte Lugh Akhtar und stand auf.

»Das ist so unfair!«, brüllte sie ihn an.

»Das ist dein Problem, jetzt geh in dein Zimmer. Ich will den restlichen Abend nichts mehr von dir hören«, befahl ihr Vater und deutete unmissverständlich zur Tür.

»Ich kann ja auch niemals wieder ein Wort mit dir sprechen, du interessierst dich ja sowieso nicht für mich«, fauchte Mana kalt und stürzte türeknallend aus dem Zimmer. Hitzig und wütend stürzte sie schnellen Schrittes den Gang entlang, die Treppe hinauf, bis sie in dem Teil war, in dem ihr Zimmer und das ihrer Geschwister lag. Natürlich ging sie nicht in ihr eigenes Zimmer, sondern stürzte wütend in das ihres Bruders.

»Ich hasse ihn!«, verkündete sie laut und blitzte Kekoa und Yue so böse an, als wäre ihr ganzes Unglück alleine ihre Schuld.

»Er hat nein gesagt, ich krieg dein Buch«, Yue grinste Kekoa breit an.

»Das hat sie noch nicht gesagt«, widersprach der und wandte sich an seiner anderen Schwester zu. »Er hat bestimmt nur irgendwelche seltsamen Bedingungen gestellt, oder?«

»Nein, Yue kriegt das Buch. Er sagte, ich wäre viel zu jung, Altena viel zu groß und schrecklich und er könnte es nicht verantworten«, brummte die böse und stapfte ans Fenster um sich auf die Fensterbank zu setzen. Das Bett wurde von Yue besetzt und Kekoa saß am Schreibtisch, sodass sie sich auch nicht auf die Schreibplatte setzen konnte. Und nach all diesen Plätzen war die Fensterbank ihre liebste.

»Das wir Zwillinge sind, weiß er aber noch?«, Kekoa wirkte erstaunt.

»Ja, das hab ich deutlich gemacht, aber er sagte, das wäre etwas anderes«, fauchte sie böse und lehnte sich an die Scheibe.

»Ist es auch, du bist ja nur ein Mädchen«, erklärte Yue verächtlich. Mit dieser Ausrede wurde sie immer abgespeist, wenn sie etwas nicht durfte.

»Als Mama in unserem Alter war, da ist sie schon alleine durch die Länder gezogen, warum zum Henker glaubt er, das ich dazu nicht in der Lage wäre?«, ereiferte sich Mana aufs neue und hatte das unbändige Bedürfnis, irgendetwas zu zerschlagen.

»Zumal du ja nicht einmal alleine reisen willst«, stimmte Kekoa nachdenklich zu und lehnte sich zurück.

»Genau! Ich wäre die ganze Zeit mit dir zusammen! Und nach Lanta darf ich doch auch jedes mal mit und eine Menschenhauptstadt ist garantiert viel gefährlicher, als eine Stadt voller Zauberer, oder?«, fragte sie bissig.

»Nicht unbedingt…«, räumte Kekoa ein, wurde jedoch von einem wütenden Blick seiner Schwester sofort wieder zur Ruhe gebracht.

»Na ja, dann bleiben wir eben zu zweit hier«, fand Yue desinteressiert und rollte sich auf den Rücken.

»Freu dich mal nicht so sehr darüber, Schwesterherz. Wenn du in zwei Jahren mal in den Süden willst, wirst du bestimmt auch nicht dürfen«, fauchte Mana.

»Das mag sein, aber für den Moment kann es mir egal sein. Und vielleicht sieht Papa ja bis dahin ein, dass man mit sechzehn doch kein kleines Kind mehr ist«, lächelte Yue, während sie mit den Füßen nach einem Kissen angelte.

»Das ist auch total unfair. Ich muss mir hier immer alles erarbeiten und Kekoa kriegt alles, weil er ein Junge ist, und du, weil ich es ja auch darf«, schmollend zog sie die Füße auf die Fensterbank und legte ihren Kopf auf die Knie.

»Ach Mana… soll ich noch mal zu Papa gehen und ihn fragen? Vielleicht schenkt er mir ja mehr Beachtung«, schlug Kekoa vor.

»Nein«, plötzlich war aller Zorn verraucht. Traurig schaute sie aus dem Fenster. Draußen wurde der Himmel immer dunkle, aber nicht, weil des Nacht wurde. Es war Herbst, draußen zogen sich dunkle Regenwolken zusammen. »Ich weiß ja, das er es nur gut meint.«

»Wollen wir vielleicht noch einmal ausreiten? Das ist die letzte Möglichkeit, morgen früh reisen wir ab«, schlug Kekoa leise vor.

»Weißt du schon, wann ihr wiederkommt?«, fragte Yue.

»Wenn der Winter vorbei ist. Ich werde den ganzen Winter bei Cinder lernen und im Frühling werden wir gemeinsam wieder hierher kommen. Das zumindest ist der Plan«, antwortete Kekoa.

»Ich hätte auch gerne Cinder als Meisterin bekommen… Dann könnte Papa mir nicht verbieten, nach Altena zu ziehen«, seufzte Mana sehnsüchtig, während sie aufstand.

»Dafür lernst du viel mehr. Die halbe Jahre, die ich bei ihr lerne machen den Braten nämlich auch nicht fett, zumal Cinder immer wieder sagt, das Papa eigentlich viel besser ist als sie. Papa war auch ihre Meisterin, wusstest du das?«, fragte Kekoa und griff sich seinen Umhang und warf ihn sich über die Schultern.

»Ja, hat mir Mama schon ein paar Mal erzählt. Ich hol kurz meinen Umhang, treffen wir uns im Stall?«, Mana stand schon bei der Tür.

»Ja«, nickte ihr Bruder und sie verschwand durch die Tür. Sie brauchte nur zwei Türen weitergehen. Ihr Umhang lag auf ihrem Bett. Sie griff ihn und lief die Gänge entlang. Dass sie eigentlich Stubenarrest hatte, hatte sie schon längst wieder vergessen. Lugh Akhtar jedoch nicht.

»Wohin willst du gehen, junge Dame?«, fragte er scharf, als sie an ihm vorbei lief.

»Mit Kekoa ausreiten, wenn ihr schon ohne mich reitet«, antwortete sie über die Schulter.

»Wenn ich die Stubenarrest erteile, dann meine ich das auch so, Mana«, erklärte er laut. Sie stockte im Schritt, blieb stehen, schaute zu ihm zurück.

»Aber Papa! Ihr werdet den ganzen Winter über nicht zu Hause sein! Das zumindest musst du mir erlauben!«, ereiferte sie sich. Erst wirkte es so, als wollte Lugh Akhtar unerbittlich bleiben, doch dann seufzte er.

»Komm her Mana«, bat er. Erst zögerte sie, dann kam sie zu ihm. Er umarmte sie fest, denn deutete er in seine Bibliothek. »Lass uns reden.«

Sie setzten sich in den großen Raum. Sie wusste, dass ihr Vater während seiner Schülerzeit mit Büchern nicht viel zu tun gehabt hatte. Erst ihr Onkel, der unglaublich viel über alle möglichen Bereiche wusste, hatte ihm gezeigt, das nicht nur das Können eine wichtige Rolle spielte, sondern das Wissen manchmal fast noch wichtiger war. So hatte Lugh Akhtar angefangen zu lesen und dieser Raum hatte sich immer weiter gefüllt.

Die meisten Bücher hatte der Onkel es Königs einst besessen, aber viele hatte er auch aus Lanta, Altena, Navarre und einigen anderen Reichen selbst mitgebracht. Einige waren auch in anderen Sprachen, aber nicht viele, denn ein Sprachgenie war ihr Vater nie gewesen.

»Weißt du Mana… manchmal vergesse ich, das du nicht mehr das kleine Mädchen von früher bist«, begann ihr Vater, während er träumerisch und nachdenklich zum Tisch ging und sich daran setzte.

»Bei Kekoa vergisst du es nicht«, antwortete sie leise.

»Er ist ja auch nicht meine kleine Tochter, die sich nachts zu Nea und mir ins Bett geschlichen hat, weil es draußen ein bisschen windiger ist«, lächelte Lugh Akhtar. Mana wurde rot, sie mochte nicht mehr gerne daran erinnert werden. Wobei es ihr eigentlich egal sein konnte, wenn man gerade einmal vier Jahre alt war, dann durfte man noch angst vor der Nacht und dem Wind haben.

»Fair ist es trotzdem nicht«, fand sie und lehnte sich an ein Bücherregal.

»Ich weiß«, nickte Lugh Akhtar und stand wieder auf, um an ein Kästchen zu treten, das an einer Seite die Bücher am Umfallen hinderte. Er öffnete es und nahm eine Kette heraus. Er wandte sich um und ging zu Mana, um ihr das Schmuckstück umzuhängen. Das Band war einfach, es war nur schwarzes Leder, doch der Anhänger war wunderschön. Er hatte die Form eines Sterns und war von einem hellen, dennoch sehr intensiven Blau.

»Was ist das?«, fragte sie leise und schaute den Stern mit großen Augen an, während sie ihn, am Band vor ihre Augen hielt.

»Ein Geschenk. Von mir für dich. Von einem Vater für seine Tochter«, lächelte ihr Vater.

»Das ist mir klar, aber… was ist das?«, wollte sie mir gerunzelter Stirn wissen. »Also es ist hübsch, ja, aber deswegen gibst du es mir doch bestimmt nicht… oder?«

»Nein, deswegen nicht. In diesem Anhänger wohnt eine art Magie, die du bisher nicht kanntest. Sie ist mächtiger, als alles, womit du vorher gearbeitet hast, aber… ich denke, dass du mit ihr keine Probleme haben solltest«, erklärte ihr Vater und lächelte.

»Eine mächtigere Art der Magie?«, fragte sie erstaunt und ließ den Stern los. Er prallte sacht an ihrer Brust ab, blieb dann aber ruhig hängen. »Magie ist doch immer gleich, überall auf der Welt. Wieso soll diese Magie anders sein?«

»Weil sie einen mächtigeren Ursprung hat, aber das erkläre ich dir ein anderes mal«, antwortete ihr Vater. Erst wollte Mana nachfragen, doch sah sie schnell ein, dass sie es gar nicht versuchen brauchte. Sie kannte ihren Vater gut genug, er würde ihr jetzt nicht antworten.

»Kann ich… jetzt zu Kekoa? Er wartet sicher schon auf mich«, bat sie leise.

»Nein, du hast Stubenarrest, junge Dame«, antwortete Lugh Akhtar sogleich mit ernstem Gesicht.

»Papa! Das kann nicht dein ernst sein! Diesen Ausritt musst du mir einfach erlauben!«, ereiferte sie sich.

»Ich muss gar nichts, Mana. Und du wirst jetzt nicht ausreiten, du wirst schön brav in dein Zimmer gehen«, erklärte ihr Vater ernst. »Du hast Hausarrest und ich gedenke nicht, daran etwas zu verändern. Jetzt geh nach oben.«

Wütend starrte sie ihn an, dann schüttelte sie den Kopf.

»Ich hasse dich«, fauchte sie leise, riss den Anhänger ab und warf ihn Lugh Akhtar vor die Füße. »Und das will ich auch nicht. Mich kann man nicht mit schönen Geschenken kaufen.«

Damit drehte sie sich um und stürmte, wie auch zuvor schon, voller Wut die Gänge zurück. Diesmal lief sie wirklich in ihr Zimmer, schmiss die Tür hinter sich zu und warf sich weinend aufs Bett. Es war alles so unglaublich ungerecht. Sie durfte sich nicht einmal richtig von ihrem Bruder verabschieden.

Sie weinte lange, doch irgendwann beruhigte sie sich wieder. Dumpf brütend legte sie sich auf die Seite und schaute aus dem Fenster, gegen das mittlerweile leise der Regen prasselte. Wann hatte es eigentlich begonnen? Ab wann hatte sie sich nur noch mit ihrem Vater gestritten? Und wieso?

Früher war das anders gewesen. Sie hatte ihren Vater immer schon lieber gemocht, als ihre Mutter, denn er war ihr immer so stark und mutig erschienen. Sie bewunderte seine vielfarbigen Augen, sie mochte sein weißes Haar mit den schwarzen Flecken über den Ohren und sie liebte seine sanfte, offenherzige, verträumte Art. Er konnte wunderbare Geschichten erzählen, die sie voller Magie steckten, das man meinte, das sie jeden Augenblick wahr würden.

Doch irgendwann war alles anders geworden. Hatte er sich so sehr verändert? Oder war eigentlich sie es, die nun alles mit anderen Augen sah? Die plötzlich angefangen hatte, viel mehr zu fordern, ohne ihrem Vater die Zeit zu geben, sich daran zu gewöhnen?

Sie setzte sich auf, schüttelte entscheiden den Kopf und ging ans Fenster. Sie öffnete es leise und schloss die Augen, als der Regen auf ihr Gesicht prasselte und der Wind ihr entgegen blies. Sie wollte morgen unbedingt mit nach Altena, doch wie konnte sie das nur erreichen?

»Mana?«, Yue war unbemerkt ins Zimmer gekommen.

»Ja?«, sie drehte sich erschrocken um. Sie fühlte sich ertappt und das sah man ihr wohl auch an, denn Yue runzelte viel sagend die Stirn.

»Du wolltest aber nicht eben aus dem Fenster klettern?«, fragte sie.

»Nein«, lächelte Mana.

»Gut, es würde nämlich wehtun, wenn du unten aufprallst. Egal, das Essen ist fertig«, erklärte Yue ihr erscheinen. Sie warf Mana und dem Fenster noch einen nachdenklichen Blick zu, dann verließ sie den Raum wieder.

Mana überlegte kurz. Sie wusste, dass ihr Vater von ihr erwartete, dass sie nach unten kam, doch dazu hatte sie nun wirklich keine Lust und Hunger hatte sie auch nicht. Sie wusste, dass das in den nächsten Tagen noch ärger geben würde, doch sie beschloss, einfach oben zu bleiben. Zumal Yue sie auf eine Idee gebracht hatte.

Natürlich, ihr Vater würde ihr niemals freiwillig erlauben, mit nach Altena zu gehen, doch was sollte er schon dagegen tun, wenn er ihnen einfach folgte? Unerkannt und neben den Wegen?

Je länger sie darüber nachdachte, desto besser gefiel ihr die Idee. Das Einzige, was ihr gefährlich werden konnte, waren wilde Tiere, aber sie war eine Zauberin, somit sollten die kein Problem sein. Und sie kannte den Weg nach Lanta, der bis zu einem gewissen Punkt auch der nach Altena war.

Sie konnte sich Proviant aus der Vorratskammer mitnehmen und Janury, ihre Stute, war schnell wie der Wind. Bis ihr Verschwinden bemerkt wurde, konnten unter umständen sogar Tage vergehen, denn es war nicht wirklich ungewöhnlich, das sie sich über einen längeren Zeitraum in ihrem Zimmer einschloss und mit niemandem sprach.

Ja, eigentlich konnte nichts schief gehen. Sie lächelte zufrieden in sich hinein, als sie damit begann, das nötigste zusammenzusuchen. Dabei lauschte sie immer wieder nach verräterischen Schritten, doch niemand kam zu ihr.

Erst sehr spät abends, als sie sich gerade ins Bett gelegt hatte, hörte sie leise Schritte die Tür öffnete sich und sie sah, wie eine Gestalt für einen Moment in der Tür stand und auf sie hinabblickte. Dann trat sie vollständig ein, ging an den Schreibtisch und legte etwas darauf. Erst schien die Person gleich wieder gehen zu wollen, doch dann setzte sie sich zu ihr aufs Bett und strich ihr über das Haar.

»Entschuldige Mana, aber ich hab meine Gründe«, flüsterte Lugh Akhtar leise, gab ihr noch einen Kuss und ging dann wieder. Als sie seine Schritte nicht mehr hörte, setzte sie sich auf. Der blaue Stern lag auf ihrem Tisch und leuchtete im Mondlicht, als wäre es von einem inneren Feuer erfüllt.

Sie schaute einen Moment darauf. Ihr kamen Zweifel, ob sie wirklich gehen sollte, doch wollte sie unbedingt das Zauberreich von Altena besuchen, das sie alle Zweifel wieder verwarf. Als sie jedoch einschlief begleitete sie ein bitterer Beigeschmack und sie schlief nur sehr unruhig, bis am nächsten Morgen die Sonne über dem weiten Land von Wynter aufging.

Vater und Tochter

Es war früher Morgen. Das Zimmer war kalt, Kondenswasser hatte sich an der Scheibe gesammelt und lief in dicken Tropfen daran hinab. Draußen war so dichter Nebel, dass man keine zwei Meter weit sehen konnte. Das bereitete Mana ein wenig sorgen, denn wenn sie sich im Nebel verirrte, konnte das böse enden, doch für den Moment kämpfte sie stattdessen mit ihrem roten Haar.

Als sie heute Morgen in den Spiegel geblickt hatte, war ihr ziemlich klar gewesen, dass ihr Vater und Kekoa sie so sofort erkennen würden. Außerdem waren die langen Haare mehr als hinderlich. Also hatte sie beschlossen, dass es jetzt an der Zeit war, sich eine neue Frisur zuzulegen. So stand sie nun da und schnitt sich die Haare kurz.

Anfangs hatte sie über eine Jungenfrisur nachgedacht, doch dann hatte sie beschlossen, dass es so kurz nicht werden sollte. Stattdessen wollte sie es nun etwa Schulterlang und war auch ganz gut dabei. Sie sah selbst, das sie nicht gerade gleichmäßig geschnitten hatte, nach vorne hin waren die Haar länger als hinten, dennoch legte sie nun ihr Messer aus der Hand und verflocht zwei Strähnen, die jeweils links und rechts ich Gesicht einrahmen sollten.

Sie betrachtete sich noch einmal prüfend im Spiegel, dann nickte sie zufrieden und ging zu ihrem Bett. Alles lag schon bereit. Sie warf sich den Umhang über, nahm die Tasche auf und war bereit, loszuziehen. Sie wollte weg sein, bevor ihr Vater und ihr Bruder aufbrachen, damit sie nicht entdeckt wurde. So schaute sie sich noch einmal im Zimmer um, entdeckte dabei den Anhänger.

Sie zögerte kurz, doch dann ging sie hin und nahm ihn auf. Sie überlegte, ob sie ihn mitnehmen sollte, entschied sich dann dafür. Vielleicht konnte er ihr ja irgendwie helfen, das konnte sie ja jetzt noch nicht wissen.

Dann seufzte sie, verließ das Zimmer, ohne zurück zu blicken. Sie schlich sich die die Gänge nach unten, raus in den Stall. Janury begrüßte sie mit einem leisen Wiehern. Sie trat an die Boxentür und gab der weißen Stute einen Kuss auf die Nüstern, ließ sie dann hinaus. Dass die Stute einfach davonlaufen würde, davor hatte sie keine angst, denn sie besaß ein ausgesprochen kluges Pferd.

So konnte sie in aller ruhe den Sattel und die Trense holen, während das weiße Tier geduldig wartete. Mana sattelte Janury mit geübten Bewegungen und führte sie hinaus in den dichten Nebel. Er hatte sich nicht nennenswert gebessert, doch obwohl weder ein Lichtstrahl, noch ein Laut zu ihr hinunter drangen, wusste sie, dass es jetzt Zeit war.

So kletterte sie geschickt in den Sattel und ließ die weiße Stute in den Nebel laufen. Sie vertraute auf Janurys Trittsicherheit, ihr blieb kaum etwas anderes übrig. So zog sie alleine los. Sie wusste, das sie einfach immer nur nach Süden musste, doch… wo war Süden?

Es dauerte nicht einmal lange, bis sie sich eingestehen musste, dass sie nicht mehr wusste, wo sie war, und der Nebel war auch nicht gerade lichter geworden. Sie ritt stundenlang und obwohl es mittlerweile hell geworden sein musste, löste sich der Nebel nicht auf.

Langsam bekam Mana angst. Was sollte sie nur tun, wenn sie sich immer weiter verirrte? Sie hatte versucht, den Rückweg zu finden, doch alles was sie sehen konnte, waren weiße Nebelschwaden.

Sie begann zu weinen. Sie wusste, dass sich der Nebel irgendwann lichten würde, doch im Moment fühlte sie sich, als wäre der Nebel in ihrem Herzen. Sie spürte angst vor dem seltsamen Weiß um sich herum.

»Ich wusste, das du uns folgen würdest.«

Sie erschrak heftig, doch wusste sie sofort, das sie die Stimme kannte, deswegen fürchtete sie sich nicht. Sie fuhr im Sattel herum, doch durch den dichten Nebel konnte sie nichts erkennen. Sie ließ Janury rückwärts laufen, bis sie dunkle Schemen erkannte. Es war ein Baum und daran angelehnt stand ihr Vater, der ihr ernst und abweisend entgegenschaute.

»Papa«, flüsterte sie mit tränenerstickter Stimme. Dann rutschte sie aus dem Sattel und stürzte sich weinend in seine Arme. »Bitte sei mir nicht böse.«

Anders, als man erwartet hätte, legte Lugh Akhtar nicht seine Arme um sie, um sie damit zu trösten, sondern machte zwei Schritte zurück, entzog ihr dabei seinen Schutz und verschmolz dabei wieder fast mit dem Nebel. Mana schaute ihn aus großen Augen ängstlich an. Sie verstand nicht, was er da tat. Warum er es tat.

»Mana, ich hatte dir verboten, das Haus zu verlassen«, fuhr Lugh Akhtar fort, als wäre nichts geschehen.

»Ich wollte aber so unbedingt mit euch kommen. Ich hatte nicht erwartet, das es so dichten Nebel geben würde, ich… es tut mir Leid«, murmelte sie.

»Mana, wenn ich dich nicht mitnehmen möchte, dann hat das seinen Grund. Meinst du, ich verweigere es dir aus spaß? Denkst du nicht, das ich meine Gründe habe?«, erkundigte er sich hart.

»Du könntest sie mir einfach sagen. Es ist so schwer, sich an Regeln zu halten, dessen Sinn man nicht kennt«, antwortete sie leise.

»Das weiß ich, aber…«, er seufzte, schüttelte den Kopf und flüsterte leise etwas. Sogleich wurde der Nebel lichter, wenngleich er nicht völlig verschwand. »Mana, mein schönes Kind, ich denke, das du hier viel besser aufgehoben bist. Ich kenne dich, du bist so wild und unzähmbar wie der Wind, ich denke nicht, dass du dich in einer Stadt wie Altena Wohlfühlen würdest. Selbst Lanta war schon fast zu viel für dich, und Altena ist viel größer. Auch dich hätte ich irgendwann dorthin mitgenommen, doch fand ich, das es jetzt noch nicht an der Zeit war.«

»Warum darf ich nicht selbst entscheiden, wann etwas an der Zeit ist?«, fragte sie leise und schaute sehnsüchtig in die vielfarbigen Augen ihres Vaters. »Wie soll ich denn jemals erwachsen werden, wenn du mich nicht lässt?«

Da schnaubte Lugh Akhtar und ein belustigtes Lächeln spielte sich um seine Mundwinkel als er antwortete: »Am besten gar nicht, am besten bleibst du immer das kleine Mädchen, das du jetzt bist.«

Doch er wurde schnell wieder ernst. Er schaute ihr nachdenklich in die türkisenen Augen, dann seufzte er.

»Mana, ich wollte, das du zu Hause bleibst, weil das dein eigentlicher Platz ist. Es gibt Dinge, die du nicht weißt, aber es liegt nicht an mir, sie dir zu erzählen. Doch wenn es dein Wunsch ist, dann komm mit nach Altena«, meinte er leise. Erstaunt schaute Mana ihn an. Damit hätte sie nicht gerechnet.

»Ich darf mit?«, der Unglaube schwang wohl deutlich in ihrer Stimme, denn Lugh Akhtar lächelte belustigt. Dann trat er vor sie und umarmte sie nun doch.

»Wenn es dein Wunsch ist, dann ja. Ich kann dich ja schlecht bei so einem Nebel alleine nach Hause irren lassen«, erklärte er leise, doch da verschwand das dunstige Weiß soweit, das nur noch vereinzelte Schwaden übrig blieben. Da kam Mana ein Gedanke.

»Den Nebel hast du gemacht!«, entfuhr es ihr.

»Nein, aber so ganz unschuldig bin ich daran trotzdem nicht«, lächelte Lugh Akhtar.

»Das ist wirklich gemein von dir!«, Mana schaute ihren Vater entrüstet an.

»Findest du? Sieh es als Strafe dafür, dass du ungehorsam warst«, erwiderte er, deutete dann auf Janury. »Steig auf, Kekoa wartet bestimmt schon.«

Mana lächelte und nickte. Sie schwang sich geschickt in den Sattel und hielt sich fest, während Lugh Akhtar die Zügel ergriff und sie führte. Der restliche Nebel um sie herum blieb, doch da Mana jetzt nicht mehr alleine war und auch wieder sehen konnte, was vor ihr lag, störte es sie nicht mehr.

Sie waren schon wieder eine Weile unterwegs, als sich Mana plötzlich beobachtet fühlte. Sie schaute sich suchend um, doch konnte sie nichts Verdächtiges sehen.

»Was suchst du?«, erkundigte sich Lugh Akhtar und blickte zu ihr auf.

»Ich weiß nicht, ich fühl mich so beobachtet…«, antwortete sie leise.

»Das sind die wilden Tiere. Und der Nebel«, meinte ihr Vater.

»Nein, da ist… etwas anderes…«, Mana wusste, das da noch etwas anderes war, doch sehen konnte sie nach wie vor nichts.

»Stimmt, aber nichts, was für dich von Bedeutung wäre«, antwortete Lugh Akhtar.

»Du weißt, was es ist?«, fragte sie ihn erstaunt.

»Ja«, bestätigte der Zauberer und blieb stehen. Er schaute nachdenklich in den Nebel.

»Was ist es? Ein Zauber?«

Sie blickte ihn aus großen Augen erstaunt an, doch er antwortete ihr nicht. Stattdessen lächelte er.

»Lauf! Lauf zurück zu deinen Freunden und vielen Dank für deine Hilfe! Und Grüß den Wind von mir!«, rief er laut ins Nichts. Mana blinzelte verblüfft, doch sagte sie nichts. Sie kannte ihren Vater, er sprach oft mit niemanden. Mit dem Regen etwa oder dem Wind, dem Schnee, dem Frost oder der Wärme im Sommer. Oder eben mit dem Nebel. Als sie klein war, hatte sie ihn einmal deswegen gefragt. Er hatte auch damals nur gelächelt, ihr aber nicht geantwortet.

Das tat er sehr oft. Einfach nur lächeln, statt zu antworten. Doch genau das war etwas, was Mana sehr an ihm mochte, denn dieses Lächeln sprach von einem geheimen Wissen, das außer ihm wohl kaum einer kannte. Plötzlich musste sie lachen.

»Was ist?«, fragte Lugh Akhtar neugierig und schaute erstaunt zu ihr hoch.

»Ich musste gerade an früher denken. Immer wenn ich dich gefragt habe, warum du mit dir selbst sprichst, als wäre da noch jemand anderes, der dir zuhört, da hast du so gelächelt. Und da hab ich mir immer vorgestellt, dass du mit Zauberwesen sprichst, die nur du kennst und die andere nicht sehen können«, erzählte sie und legte sich auf den Pferdehals.

»Ach wirklich? Und was denkst du jetzt?«, interessiert und mit einem warmen Lächeln auf den Lippen schaute er sie an.

»Das du ein Geheimnis hast. Ich weiß nicht, wieso du mit dem Nebel oder dem Wind oder was auch immer sprichst, aber ich weiß, das du es nicht nur einfach so tust. Du hast noch nie etwas einfach so getan, du hattest immer einen Grund. Den hab ich nicht immer verstanden, aber da war er dennoch.«

Das Lächeln verschwand aus dem Zeitlos wirkenden Gesicht und Nachdenklichkeit eroberte sich seinen Platz zurück.

»Weißt du Mana, damit kommst du der Wahrheit schon sehr nah. Dass wir unseren Schwur vor dem Himmel und der Erde leisten hat einen Grund…«, begann er, doch Mana unterbrach ihn.

»Ich habe niemals vor dem Himmel und der Erde geschworen. Warum nicht?«

»Weil du etwas besonderes bist.«

»Wieso? Was soll mich denn schon von anderen Unterscheiden?«

»Alles. Und nichts.«

Dann herrschte Schweigen. Mana fühlte sich seltsam. Einerseits frustrierte es sie, dass sie von ihrem Vater nie eine klare Antwort erhielt, andererseits hatte sie fast schon angst davor, dass er irgendwann mit wahrem Wort antworten würde.

»Papa?«, fragte sie nach einer Weile leise.

»Ja?«

»Wer bin ich?«

Lugh Akhtar blieb abermals stehen und schaute sie lange und nachdenklich an, bevor er antwortete.

»Du bist Mana. Vergiss das nicht.«

Sie wusste, dass alles gesagt war. Er hatte alle Fragen beantworten und dabei doch eigentlich nichts gesagt. Wie sehr sie sich da irrte, ahnte sie noch nicht. Für den Moment war es auch eigentlich egal. Sie seufzte und machte sich stattdessen klar, dass sie nun doch nach Altena reisen würde. Sie hätte sich freuen sollen, aber stattdessen hatte sie ein schlechtes Gewissen.

Der Nebel verzog sich langsam und als sie gegen Mittag ein Dorf erreichten, da war er völlig fort. Mana kannte das Dorf, sie war schon oft mit Lugh Akhtar hier gewesen und hatte beim alten Karan übernachtet.

Mana hatte nie herausgefunden, woher ihr Vater und Karan sich kannten, doch es war eine seltsame Beziehung zwischen den beiden. Einerseits schienen sie einander überhaupt nicht ausstehen zu können, dann wieder gingen sie miteinander um, wie man es mit einem alten Freund zu tun pflegte. Als sie nun an die Tür der abseitsstehenden Hütte klopften, war es aber Kekoa, der öffnete.

»Da seid ihr ja, ich hab mir schon sorgen gemacht«, begrüßte er sie und trat beiseite, um sie einzulassen, doch Lugh Akhtar schüttelte den Kopf.

»Ich will es heute noch bis an die Grenze schaffen«, erklärte er und deutete zum Stall. »Hast du sie abgesattelt?«

»Nein«, Kekoa kam heraus und schloss die Tür. Gemeinsam gingen sie hinüber und holten die Pferde heraus. Den schwarzen Araber-Hengst Sleipnir, den Lugh Akhtar einst von seinem Schwager Ice geschenkt bekommen hatte, und die zierliche Scheckenstute Sheila, die von Kenai, dem Cousin des Vaters gekommen war. Ein Geschenk zu seinem Geburtstag. Mana hat damals Janury bekommen.

Die Pferde waren wirklich noch gesattelt und so zogen sie gleich los. Bis zum Abend hatten sie die Grenze erreicht. Sie übernachteten in einem kleinen Grenzdorf im Gasthaus und ritten früh am nächsten Morgen weiter.

Der Weg nach Altena war weit. Sie zogen früh morgens los und kehrten erst spät abends in ein Gasthaus ein, doch mit den Pferden kamen sie recht schnell voran. Lugh Akhtar erzählt ihnen Geschichten, während sie unterwegs waren. Märchen, die er noch aus seiner Kindheit kannte, Legenden, die in Wynter schon seid Jahrtausenden existierten, und Geschichten aus seiner eigenen Jugend, von denen sich Mana und Kekoa nicht ganz sicher waren, was davon wirklich der Wahrheit entsprach, und was sich Lugh Akhtar nur ausgedacht hatte.

Einmal, als sie schon sehr Nahe an Altena waren, da sahen sie eine Sternschnuppe und auch zu ihr konnte Lugh Akhtar eine wunderschöne Geschichte erzählen. Mana wusste, das sie weder aus Wynter, noch aus einem anderen Land stammte, das sie kannte, doch sie glaubte auch nicht, dass sie wahr war. Stattdessen bewunderte sie ihren Vater für seinen Einfallsreichtum, denn diese Geschichte war die Schönste von allen.

So vergingen die Tage, bis sie Mitte Oktober auf einem Hügel hielten. Unter ihnen erstreckte sich scheinbar bis zum Horizont eine Stadt, die Größte, die Mana je gesehen hat. Ihr Vater hatte eine Weile hier gelebt und auch Kekoa war schon mehrfach hier gewesen, deswegen war sie die Einzige, die über diese Größe staunte.

»Das, Mana, ist die Hauptstadt des Zauberreiches. Altena«, erklärte Lugh Akhtar lächelnd, als er ihr ungläubiges Staunen sah.

»Ich dachte immer, Lanta wäre groß, aber das ist ja…«, begann sie und schüttelte ungläubig den Kopf.

»Noch viel größer?«, schlug Kekoa vor.

»Und hier bleiben wir den ganzen Winter über?«, mit glänzenden Augen blickte Mana zu ihrem Vater auf.

»Ja. Und zwar dort hinten, im Turm der Zauberer«, antwortete er lächelnd.

»Dann lasst uns keine Zeit mehr verlieren!«, freute sie sich und trieb Janury als erste den Hang hinab. Ihr Bruder und ihr Vater folgten ihr lachend. Nach Altena, der Stadt der Zauberer.

Wiedersehen

Es herrschte ein reges Treiben in der Stadt. Überall waren Menschen, die ihre Waren feilboten, einkauften oder einfach nur ihrer Wege gingen. Es gab Hunde, die ihren Herrn folgten, Pferde, die schwere Lasten trugen, und Katzen, die sich Essensreste vom Boden stibitzten. Die Stadt war voller Leben.

Und durch diesen Trubel ging Mana an der Seite ihres Bruders und des Vaters. Die Pferde hatten sie in einem der Ställe an der Stadtmauer abgegeben, sie würden sie hier nur unnötig behindern. Sie gingen auch nicht den schnellsten Weg, stattdessen schlenderten sie ein wenig umher, doch es hatte keiner von ihnen eilig, Mana sowieso nicht.

»Wieso leben wir eigentlich nicht hier? Alle großen Zauberer tun das, hat Leilani einmal gesagt«, fragte sie stattdessen staunend.

»Weil das so nicht stimmt. Es gibt hier viele mächtige Zauberer, ja, aber das liegt daran, das Altena die Hauptstadt von einem der größten Zauberreiche der Welt ist. Wynter ist im Vergleich nur ein besserer Scherz«, antwortete Kekoa voller Bewunderung für die große Stadt.

»Nun, als Scherz würde ich jenes Land nicht unbedingt bezeichnen, in dem du aufgewachsen bist«, lächelte Lugh Akhtar.

»In dem ich geboren bin«, widersprach Kekoa, doch sein Vater schüttelte den Kopf.

»Wynter wurde am Tag der Wintersonnenwende nach unserer Geburt ausgerufen, das haben sie uns doch schon so oft erzählt«, berichtigte Mana mit einem Seufzen.

»Genau. Deswegen seid ihr offiziell auch in Altena geboren, im Reich von Irian«, bestätigte der Vater. »Aber so, wie es jetzt ist, gefällt es mir besser. Wenn du möchtest, dann kannst du ja irgendwann einmal hierher ziehen, Mana, aber ich werde im Norden bleiben. Wynter, auch wenn es damals anders hieß, was immer schon meine Heimat, das hat sich nie geändert.«

Da wurde Mana still und nachdenklich. Das fiel den beiden anderen zwar auf, aber keiner störte sie in ihren Gedanken. Das Mädchen dagegen begann darüber nachzudenken, warum sie eigentlich so unbedingt hatte hierher kommen wollen, und sie kam zu dem Schluss, dass es ihr nur so reizvoll erschien, weil ihr Bruder schon mehrfach hier gewesen war.

Es lag ihr weder etwas daran, diese neue, fremde Welt kennen zulernen, noch daran, aus ihrer alten Welt zu fliehen, sie hatte einfach nur reagiert, wie ein kleines Kind. Doch nun war sie hier und sie freute sich, denn bald schon würde sie ihre lieben Verwandten wieder sehen.

Und zwar sogar schneller, als sie vermutet hätte, denn sie wollten gerade nun doch zu Turm gehen, als sie ein lautes rufen hörten. Sie blieben stehen und schauten sich fragend um, da krachte ein Junge in vollem Lauf in Kekoa hinein. Sie stürzten gemeinsam zu Boden, doch der Junge rollte sie gekonnt über die Schulter ab und nutzte den Schwung, um gleich wieder auf die Füße zu kommen.

»KEK, MANA!«, brüllte er begeistert, stürzte sich herum, umarmte das verdutzte Mädchen stürmisch und zog dann Kekoa auf die Beine, um auch ihn zu umarmen.

»Lif!«, Mana freute sich, ihren Cousin wieder zu sehen. Das letzte Mal war schon einige Zeit her, gefühlt lag es schon Jahrzehnte zurück, und das, obwohl sie praktisch zusammen aufgewachsen waren. Manas Tante Cinder war gerade in den ersten Jahren fast ständig in Wynter gewesen und auch danach, als ihr Onkel Hope die Kinder unterrichtet hatte, waren sie ständig mit Lif zusammen. Jetzt, wo sie einander nur auf Besuchen trafen, war es immer so, als wenn man einen verlorenen Bruder wieder traf.

Entsprechend plapperten sie auch alle aufeinander ein und versuchten gleichzeitig das Wichtigste zur erzählen. Lugh Akhtar stand lächelnd daneben und ließ es geschehen. Warum auch nicht, sie hatten ja Zeit.

»Warum bist du eigentlich hier?«, fragte Lif Mana neugierig. »Mama sagte, das nur Kekoa mitkommen würde.«

»Das war auch so geplant, aber… na ja, ich wollte eben auch mit…«, sie mochte nicht erzählen, das sie aus einem kindlichen Trotz heraus die Erlaubnis bekommen hatte. Stattdessen hatte sie ihrerseits eine grundlegende Frage. »Warum sind wir überhaupt hier? Ich hatte nicht das Gefühl, das es einfach nur so ein Freundschaftsbesuch ist, und Papa hat nichts verraten.«

Lif schaute kurz und verblüfft zu Lugh Akhtar, der leise mit einem Händler sprach.

»Er hat es euch nicht gesagt?«, flüsterte er ungläubig.

»Nein, was denn?«, fragte auch Kekoa leise und neugierig. Lif warf seinem Onkel einen prüfenden Blick zu, dann schüttelte er kurz den Kopf, nur um dann mit einem strahlenden Lächeln zu Lugh Akhtar zu gehen.

»Lu?«, begann er. Lif hatte immer schon den Drang gehabt, jeden Namen so weit wir irgend möglich zu verstümmeln, das nahm ihm mittlerweile auch keiner mehr übel. Nur wenn ihm eine vernünftige Abkürzung einfiel behielt er den richtigen Namen bei, so wie bei Mana.

»Ja?«, der Zauberer unterbrach seine Unterhaltung und schaute seinen Neffen fragend an.

»Hast du was dagegen, wenn Mana und Kek mit mir mitkommen? Die anderen sind auch schon da, und Lei, Lex, Runa, Slyk und Kuna werden sie auch begrüßen wollen«, bat er. Dabei setzte er den traurigsten Hundeblick auf, den er zustande brachte. Sein Haar, das ein schmutziges, gräuliches Braun trug, und seine Augen, von denen eines türkis, das andere golden war, unterstrichen sein jämmerliches Bild auch noch.

»Und das kann nicht warten?«, wollte der Zauberer belustet wissen. Er hatte immer mit einem Ohr zugehört, er wusste so in etwa, was Lif seinen Kindern erzählen würde. Doch nachdem er sie beide hat so lange warten lassen, erlaubte er es seinem Neffen bereitwillig, das er es ihnen erzählte. »Ja, geht ruhig. Ich verlass mich darauf, das du sie heute Abend heil nach Hause bringst.«

»Natürlich!«, obwohl Lif jünger war, als Mana und Kekoa, war er die Enge einer Großstadt doch gewöhnt, seine Cousine und sein Vetter dagegen überhaupt nicht. Er wusste besser als sie, wie man sich in verschiedenen Situationen zu verhalten hatte, er konnte diese auch besser einschätzen. Dafür kannten sich die beiden in der nordischen Wildnis aus, und im Zweifelsfall wurde auch mal Yue als Lifs Aufpasser abkommandiert, wenn sie in Wynter waren.

So verabschiedeten sie sich schnell vom Vater und zogen davon. Auch diesmal gingen sie nicht zum Turm, sondern folgten Lif in einen ruhigeren Stadtteil. Er führte sie durch enge Gassen in einen heruntergekommenen Hof. Kekoa wusste offensichtlich, wo es hinging, das Mana schaute sich staunend um. Was nur wollten sie hier?

»Wohin gehen wir?«, fragte sie deswegen.

»Zu unserem Versteck«, antwortete Lif.

»Versteck?«, auch Mana, und die anderen Kinder hatte irgendwann einmal ein Versteck gehabt. Einen Ort, an denen die Erwachsenen sie nicht finden würden, zumindest dachten sie das als Kind. Doch das war alles schon Jahre her, deswegen fand sie, dass sie mittlerweile auch etwas zu alt dafür waren.

»Ja, wir nennen es so, aber es ist anders als der Pferdestall damals«, antwortete Lif und lächelte verlegen. Und er hatte recht. Sie gingen in ein Haus. Es war bewohnt, das sah man auf dem ersten Blick. Im Eingangsbereich lagen schmutzige Stiefel, mehrere Umhänge hingen an einem Haken, frische Blumen standen in einer Vase. Und laute Stimmen hallten durch das Haus. Irgendwo stritt sich jemand lautstark.

»Was geht denn hier ab…?«, fragte Lif leise sich selbst.

»Lani und Alexia streiten«, seufzte Slyk, der gerade aus einem Raum gekommen war. Auch Slyk war einer ihrer Vetter, der Sohn ihrer Tante Soul. Er hatte schwarzes Haar, das mit blauen Strähnen durchsetzt war, und ein grünes und ein vielfarbenes Auge. Überhaupt waren zwei unterschiedliche Augen in der Familie keine Seltenheit, die Kinder Lugh Akhtars waren die Einzigen, bei denen so etwas nicht vorgekommen war.

»Worüber?«, fragte Lif neugierig.

»Ich habe keine Ahnung. Vermutlich irgend so einen Mädchenkram«, Slyk zwinkerte ihm vielsagend zu, dann begrüßte er Mana und Kekoa.

»Was ist das hier für ein Haus?«, wollte Mana wissen.

»Hier wohnen Lei und Lex«, erklärte Lif.

»Zusammen?«

»Ja«, lachte Kekoa. »Lani hat es schon lange satt gehabt, zu Hause zu wohnen, sie findet, dass da zu viele Menschen sind…«

»Als sie das sagte, hat Hope sie ausgelacht«, warf Slyk dazwischen und hatte damit recht. Hope, der auch Neas Bruder war, hatte zwölf Geschwister, da mussten ihm die fünf Geschwister Leilanis vorkommen, wie ein Scherz.

»Auf jeden Fall hat sie danach beschlossen, das es an der Zeit ist auszuziehen, aber alleine durfte sie nicht. Also hat sie sich Lex ins Boot geholt, und jetzt wohnen sie gemeinsam hier. Und wir treffen uns jetzt immer alle hier, hier stören unserer Eltern nicht«, erzählte Lif zu Ende. Mana nickte nachdenklich.

»Und warum ist Papa jetzt hierher gekommen?«, kam sie auf das ursprüngliche Thema zurück.

»Weil Lani und Alexia in ein paar Tagen freigesprochen werden, und da Lugh der Meister von Lani ist, musste er ja hierher kommen«, lächelte Slyk.

»Sie werden freigesprochen?«, aus großen Augen starrten die Geschwister ihn an. Selbst begabte Zauberer wurden selten nach gerade einmal acht Jahren Lehrzeit freigesprochen, die meisten begannen mit sechs und ihre Ausbildung endete erst Mitte zwanzig.

»Mama sagte, sie hätte großes mit den Mädchen vor, und das sie schon bereit wären«, erklärte Lif.

»Na ja, Cinder hat ja auch nur drei Jahre gelernt, bevor Papa sie freigegeben hat…«, überlegte Kekoa mit gerunzelter Stirn. »Vielleicht ist Lani ja wirklich schon so weit.«

»Cinder ist eine Sache für sich, es hat niemals zuvor eine Zauberin gegeben, die mit zweiundzwanzig schon Hochmagierin geworden ist. Eigentlich ist es schon unfair, das sie nicht auch Gildenmeisterin ist, sie hätte es verdient«, fand Slyk.

»Stimmt, man kann Lani und Cinder nicht aneinander messen. Außerdem erklärt das nicht, warum auch Alexia freigesprochen wird«, überlegte Mana.

»Soul ist auch nicht ganz ohne. Immerhin war sie mit achtzehn schon die die Meisterin von Navarre«, warf Lif ein, doch Kekoa schüttelte den Kopf.

»Sie hat eingeheiratet, das gilt nicht«, fand er.

»Auch wenn sie nicht eingeheiratet hätte, ich denke nicht, dass sie und Cinder einander viel nehmen werden«, widersprach Mana.

»Ist das nicht eigentlich egal? Sie sind alle drei wirklich gut, besser als die meisten anderen Zauberer jemals sein werden«, meinte Slyk.

»Recht hast du. Ich geh die Mädchen begrüßen«, Mana lächelte und ging an ihm vorbei. Sie wusste, das die drei Jungen jetzt eifrig über alles Mögliche sprechen würden, das sie vermutlich sowieso nicht interessierte, und sie war neugierig. Sie wollte Leilani und Alexia fragen, ob sie vielleicht wussten, wieso man sie jetzt schon freisprach. Zumal Lani mit Mana gemeinsam begonnen hatte und Mana mindestens ebenso gut war, wie ihre Cousine. Im Prinzip war es ihr egal, aber war es dennoch irgendwie unfair.

Sie klopfte an die Tür, und trat ein, ohne eine Antwort abzuwarten. Die hätte sie vermutlich sowieso nicht bekommen, denn noch immer tobten die lauten Stimmen. So huschte sie herein und betrachtete das Bild, das sich ihr bot, mit gerunzelter Stirn.

Auf der einen Seite stand Alexia mit den blauen Augen und ihrem langen, braunem Haar, dessen Ursprung bisher keiner so recht verstanden hatte, denn in Souls Familie gab es kein braun und auch in Ice’ Familie herrschte eigentlich eher dunkles Haar vor. Auf der anderen Seite war Leilani mit ihrem rotblonden Haar. Woher jedoch das Blond kam, war ebenso rätselhaft, wie Alexias braun, denn in keiner Familie hatte es jemals blonde Haare gegeben.

In der Familie von Winters-Midnight, zu der auch Cinder und Soul gehörte, herrschte schwarzes Haar vor, bei den Jareks, denen Hope angehörte, war es rot. Daher hatte auch Mana ihr rotes Haar. Es gab nur eine Tante auf der Jarek-Seite, die kein rotes Haar hatte. Hazel hatte hellbraunes Haar, ein Farbton, der einem rotblond nicht einmal nahe kam, mit der Alexia wiederum nicht verwandt war. Und auch die Großeltern und Urgroßeltern, egal wie weit man auch zurückgehen mochte, es hatte niemals jemand blondes Haar besessen.

Das hatte schon zu Schwierigkeiten geführt, denn so manch einer bezweifelte, das Leilani wirklich zu den Jareks gehörte und behandelte sie entsprechend. Bastarde, uneheliche Kinder, wurden nach wie vor nicht gerade geschätzt, das hatte auch Mana schon erleben müssen. Doch in Wynter war es bei weitem nicht so schlimm, wie hier in Altena, auch das wusste sie.

Doch im Moment war nur interessant, wie die beiden Mädchen einander gegenüber standen, wie Boxer und sich belauerten, wie Hunde. Auch Leilani hatte unterschiedliche Augen, eines grau, das andere golden, doch im Moment blitzten beide einfach nur böse. Alexia dagegen wirkte genervt und als hätte sie das Thema schon längst beenden wollen.

»Hallo Alexia, hallo Lani«, begrüßte Mana sie beide, als sie so still voreinander standen. Zumindest Leilani hatte sie nicht bemerkt, denn sie zuckte heftig zusammen, bevor sie ihre Cousine anschaute.

»Mana!«, rief sie dann aber erfreut aus und gleich waren beide Mädchen bei ihr, um sie fast zu zerdrücken.

»Mana, was tust du den hier? Und was hast du mit deinen Haaren gemacht«, fragte Alexia, als sie von dem Mädchen abließ, und griff in das kurze Haar.

»Abgeschnitten, aber das ist eine lange Geschichte. Worüber streitet ihr? Ihr solltet euch freuen, es kommt nur ganz selten vor, dass jemand so früh freigesprochen wird«, fand Mana.

»Ja, schon, aber… sag du uns, wie du das siehst. Cinder hat uns gesagt, das wir als Zauberinnen dann die Wahl haben, wir können hier bleiben und uns irgendwem anschließen, Erfahrungen sammeln und so was. Wir können aber auch losziehen und uns eine Region aussuchen, in der wir als Zauberer arbeiten wollen, eine Stadt vielleicht oder ein paar Dörfer«, erklärte Alexia.

»Aber das sind doch super Nachrichten, wo ist das Problem?«, wunderte sich Mana.

»Das Problem ist, das ich nichts davon tun will«, antwortete Leilani und schüttelte entschieden den Kopf. »Ich meine, was interessieren mich die Studien irgendwelcher Leute, die ich nicht kenne? Warum sollte ich ergründen wollen, warum etwas so ist, wie es eben ist?«

»Dann geh den zweiten Weg«, schlug Mana mit gerunzelter Stirn vor, doch Leilani verneinte auch diesmal entschieden.

»Das will ich aber auch nicht tun. Ich will die Welt bereisen, ich will sie nicht nur aus Büchern kennen. Ich will mit eigenen Augen sehen, was ich sonst nur lesen kann«, erklärte das Mädchen leidenschaftlich.

»Aber die Welt hat uns nichts zu bieten, Lani. Ich kenne sie, ich war schon oft genug mit Papa und Mama auf reisen. Sie ist erfüllt von Überheblichkeit bei den Reichen und Leid bei den Armen. Wir können helfen, das Leid zu vermindern, das wäre doch eine so gute Sache«, fand Alexia.

»Was interessieren mich die Menschen?«, fuhr Leilani die Freundin schroff an. »Warum sollte mir wichtig sein, wie es ihnen geht? Jeder ist des eigenen Glückes schmied, wenn sie sich beherrschen lassen, dann ist es ihre eigene Schuld, ich werde ihnen ihr Los nicht noch schmackhaft machen.«

»Ich mache ihnen ihr Los nicht schmackhaft, ich will denen helfen, die sich nicht selbst helfen können«, widersprach Alexia.

»Was hast du den vor?«, fragte Mana sie.

»Ich will den Kindern helfen. Sie können sich nicht selbst helfen, aber es gibt so viele von ihnen, die Hilfe bedürfen«, antwortete die Brünette und lächelte schüchtern. Mana nickte langsam. Ein wirklich edles Ziel, doch das wunderte sie nicht weiter. Und auch nicht, das Leilani einer solchen Idee so kritisch und anprangernd gegenüberstand.

Die beiden Mädchen waren zwar verwandt, doch kamen sie dabei dennoch aus so völlig unterschiedlichen Welten, denn obwohl ihre Mütter Schwestern waren und ihre Väter schon seid jeher gute Freunde, waren sie einander so unterschiedlich, wie man nur meinen mochte.

»Was willst du genau tun?«, fragte Mana nach einer Weile.

»Papa hat mir von Dingen erzählt, die ich einfach nicht glauben kann. Von einem großen Winterreichen jenseits der Mauer und einer ganz eigenen Welt mitten in Navarres Wüsten. Ich will die wahren Wunder dieser Welt sehen. Ich will sie kennen lernen und sie verstehen«, erklärte Leilani sehnsuchtsvoll.

»Und wo ist hier das Problem?«, wollte Mana verdutzt wissen. Da blitzten die Mädchen sich gegenseitig böse an.

»Das sie nicht einsehen will, dass meine Ziele nicht sinnlos sind«, erklärten sie beide gleichzeitig. Mana blinzelte verblüfft, dann lachte sie laut los.

»Das ist nicht euer ernst, oder?«, fragte sie kichernd. »Ihr streitet euch so sehr, nur weil ihr denkt, das die andere euch nicht versteht?«

Da zögerten die Mädchen. Mana hatte eigentlich recht. Nachdem sie das begriffen hatten, lachten sie ebenfalls und vertrugen sich wieder. Jede von ihnen würde ihren eigenen Weg gehen, mit seinen eigenen Abenteuern.

Sie gingen gemeinsam hinunter, wo sie Kekoa begrüßten. Dann beschlossen sie, das es Zeit war, zum Turm zu gehen, denn es war schon Abend und sonst würde sich Lugh Akhtar nur unnötig sorgen machen. Außerdem war ein kleines wieder sehensfest geplant und das hätte keiner von ihnen freiwillig verpasst.

Freisprechung

»Denkst du, in einem Jahr sind wir dran?«, Lif schob sich neben Mana auf die Mauer und schaute sie fragend an.

»Hoffe ich, ich hab keine Lust, das Alexia da ewig drauf herumreitet«, fand Slyk.

»Als wenn ausgerechnet Lex darauf herumreiten würde«, lachte Lif.

»Ja, aber wenn sie es tun würde, hätte ich keine Lust darauf«, antwortete Slyk augenzwinkernd.

»Ich denke nicht, dass wir nächstes Jahr freigesprochen werden. Zumindest ich nicht, ihr kennt ja Papa«, meinte Mana seufzend.

»Aber Lani gibt er auch jetzt schon frei«, meinte Ahkuna erstaunt. Sie saß auf Manas anderer Seite und auch sie war eine Cousine von ihr. Ahkuna war die Zwillingsschwester von Slyk und Runa, die einen Platz weiter saß.

»Lani ist aber auch nicht seine Tochter. Wenn es nach ihm ginge, dann wäre ich heute nicht einmal hier«, erklärte Mana Schulter zuckend.

»Stimmt auffallend. Aber mal angenommen, ihr werdet nächstes Jahr freigesprochen, was habt ihr dann vor?«, wollte Lif neugierig wissen.

»Ich weiß noch nicht… ich denke, das Alexia schon einen guten Weg eingeschlagen hat«, überlegte Runa und schaute den Vetter nachdenklich an.

»Stimmt schon, aber das wäre trotzdem nichts für mich«, meinte Kekoa. »Ich will stattdessen nach Lanta gehen. Ich möchte in der königlichen Bibliothek die Geschichte des Kontinentes studieren. Wir müssen aus der Vergangenheit lernen, aber das können wir nur, wenn wir sie auch kennen.«

»Du willst dein Leben zwischen Büchern in einem staubigen Raum verbringen?«, Lif schaute seinen Vetter ungläubig an.

»Ja, wieso nicht? Was willst du denn tun?«, erkundigte sich Kekoa.

»Reisen. Ich will die Welt sehen, mit all seinen Schönheiten und all seinem Schrecken«, antwortete Lif begeistert.

»Und ich begleite ihn, das ist schon seid Jahren beschlossene Sache«, erklärte Slyk.

»Au ja, die Welt sehen, das wäre wunderbar«, fand auch Ahkuna.

»Was willst du tun, Mana?«, fragte Runa und schaute die Cousine neugierig an. Die schwieg erst eine Weile.

»Ich will die Wahrheit finden«, antwortete sie dann leise.

»Die Wahrheit?«, Lif schaute sie erstaunt an.

»Ja. Ich kann es nicht besser beschreiben… die Wahrheit eben«, sie lächelte entschuldigend.

»Die Wahrheit über was?«, erkundigte sich Ahkuna leise.

»Über alles. Über mich. Ich will… mich selbst finden.«

Je länger Mana darüber nachdachte, desto bewusster wurde es ihr. Schon als sie gehört hatte, welche Pläne Leilani und Alexia hatten, war ihr bewusst geworden, das sie eigentlich gar nicht wusste, was sie tun wollte. Was für Pläne hatten sie für die Zukunft? Wo war ihr Platz in der Welt? Und wie konnte sie ihn finden? Sie wusste, dass sie den Ort, an den sie wirklich glücklich werden konnte, noch nicht gefunden hatte.

»Wir alle müssen uns selbst finden«, murmelte Lif, nun seltsam melancholisch. »Keiner von uns weiß, wohin er gehen muss. Wir kennen nur die grobe Richtung und manchmal nicht einmal das.«

»Und deswegen wollen wir die Welt sehen, vielleicht finden wir ja irgendwo den Anfang unserer Weges«, bestätigte Slyk leise.

»Aber erst einmal müssen wir unserer Schülerzeit beenden, und wer weiß, wie lange das noch dauert«, seufzte Ahkuna und rutschte von der Mauer. Lugh Akhtar, Cinder und Soul waren die Treppe hinaufgekommen. Sie sprachen leise miteinander, und es schien nicht so, als wäre Manas Vater besonders begeistert, doch die Schwestern schienen nicht locker lassen zu wollen, sondern sprachen weiter leise auf ihn ein.

»Was meint ihr, worüber streiten sie?«, Slyk folgte ihnen mit seinen ungleichen Augen.

»Vielleicht will Papa doch einen Rückzieher machen und Lani doch noch nicht freisprechen?«, überlegte Kekoa.

»Meinst du? Ich denke eher nicht«, Lif rutschte ebenfalls von der Mauer.

»Es scheint zumindest, als hätten sie ihn überzeugt«, Ahkuna hatte recht. Lugh Akhtar schnitt Cinder zwar mit einer entschiedenen Handbewegung das Wort ab, doch dann verdrehte er die Augen und nickte, während er leise etwas zu ihr sagte. Daraufhin wirkten die Schwestern so zufrieden, das es wirklich nicht mehr schwer war zu erraten, das sie ihren Willen bekommen hatten.

Da kam Aaron die Treppe hinauf. Auch er gehörte irgendwie zur Familie, den Aaron war der Ehemann der ältesten Schwester Hopes und Neas und somit ihr angeheirateter Onkel. Doch heute war er nicht hier, weil die Nichte seiner Frau freigesprochen werden sollte, sondern weil er selbst der Gildenmeister war.

Nikolai, der vor Aaron diese Position inne hatte, hatte ursprünglich Lugh Akhtar, der auch Nikolais Schüler gewesen war, als Gildenmeister sehen wollen, doch der hatte damals klar abgelehnt. Doch kam von ihm der Vorschlag, stattdessen Aaron einzusetzen und Nikolai hatte diesen Vorschlag dankbar angenommen. So besetzte nun Aaron das höchste Amt, das es in Altena gab.

Auch Aaron wusste davon und so begegnete er Lugh Akhtar immer mit großem Respekt und fragte ihn oft um Rat, obwohl er einige Jahre älter war, als Manas Vater. Doch das war mittlerweile fast selbstverständlich, viele Zauberer baten den Zauberer um Rat, den Lugh Akhtar strahlte, obwohl er eigentlich noch gar nicht so alt war, eine weise Ruhe aus, die es den Leuten leicht machte, sich ihm völlig anzuvertrauen.

»Papa?«, Mana rutschte ebenfalls von der Mauer und lief zu Lugh Akhtar und Aaron. »Wann wollt ihr anfangen?«

»Wenn die Sonne untergeht. Man beginnt immer, wenn die Sonne auf- oder untergeht, und weil der Sonnenaufgang den meisten zu früh ist, liegt der Sonnenuntergang näher«, antwortete der lächelnd. Mana nickte und ging wieder zurück. Es würde keine große Feier geben, wie zu den Sonnenfesten, wo Meister und Schüler zueinander fanden, doch einige Leute würden schon auftauchen.

»Müsste gleich los gehen«, antwortete sie auf die neugierigen Blick und deutete auf die untergehende Herbstsonne. »Bei Sonnenuntergang.«

»Denkt ihr, Lani und Alexia sind nervös?«, erkundigte sich Runa nachdenklich.

»Also ich wäre es«, Mana versuchte wieder umständlich auf die Mauer zu klettern, doch dabei trat sie ungünstig auf den Saum und zerriss sich das Kleid. Sie fluchte leise. Es war keines ihrer Kleider und Lani, von der sie es bekommen hatte, passte es schon lange nicht mehr, aber mit einem zerrissenen Kleid auf der Freisprechung der Cousine auftauchen war dennoch nicht gerade das, was sie sich vorgestellt hätte. Sie seufzte, doch sie mochte es jetzt nicht mehr ändern.

So hockte sie mit einem zerrissenen Kleid und mit windverwehtem Haar auf der Mauer und wartete, bis es losging. Da kamen die beiden Mädchen aufgeregt die Treppe hinauf. Man sah auch auf die Entfernung noch, wie sehr Lani zitterte. Hinter ihnen kamen die anderen Gäste. Die Meisten waren von Leilanis Seite, doch das kam nur daher, dass ihr Vater eben sehr viele Geschwister hatte. Außer Nea waren alle Tanten und Onkel gekommen.

Doch auch Alexia hatte nicht wenige Freunde, sodass die Plattform bald fast so voll war, wie bei den Sonnenfesten. Es folgten noch einige andere Zauberer, Schüler und Meister, die aus verschiedenen Gründen ebenfalls dabei sein wollten. Da sahen sich Mana und ihre Freunde auch gezwungen, aufzustehen und nach vorne zu gehen, denn es war die erste Freisprechung, bei der sie dabei waren, deswegen wollten sie es nicht verpassen. Sie drängelten sich durch die Menge, bis sie ganz vorne standen. Mana gesellte sich zu ihrem Lieblingsonkel, zu Hope, der Lanis Vater war, und lehnte sich an ihn.

»Lif möchte nächstes Jahr dran sein«, erklärte er ihm leise.

»Lif soll mal nicht so ungeduldig sein«, antwortete der und lächelte.

»Das ist nicht ungeduldig. Es ist eine logische Schlussfolgerung«, Mana lächelte ihn an.

»Mag sein, aber Magie funktioniert nicht nach Logik. Wenn Lif also länger braucht, um mit ihr umzugehen zu lernen, dann ist es eben so«, Hope legte seine Arme um seine Nichte.

»Ich weiß«, nickte sie wissend und schloss die Augen, als die letzten Sonnenstrahlen ihr Gesicht trafen und ihr rotes Haar wie Feuer auflodern ließ. »Wer beginnt?«

»Lugh. Er ist älter, und es ist schon seine zweite Schülerin, deswegen obliegt ihm das Recht. Er könnte es auch an Soul abtreten, aber ich denke nicht, dass er es tun wird«, erklärte er.

»Welches Recht wiegt mehr? Das, der wievielte Schüler es ist, doch das des Alters? Oder anders gefragt, wenn du und Papa dort stehen würdet, wer dürfte beginnen?«, Mana wusste, das Lif Hopes erster Schüler war, während ihr Vater schon Cinder ausgebildet hatte. Doch sie wusste auch, das Hope neun Jahre älter war, als Lugh Akhtar.

Sie kannte Hopes Geschichte, sie hatte ihre Mutter einmal danach gefragt, als sie sich gewundert hatte, das Cinder einen Mann geheiratet hatte, der dreizehn Jahre älter war, als sie selbst. Und Nea hatte es ihr erklärt. Mana hatte aufmerksam zugehört und je länger Nea erzählt hatte, desto mehr bewunderte sie die beiden dafür, das ihre Liebe solche Hindernisse überwunden hatte. Dass Hope schon einmal eine Familie gehabt hatte und er fast schon Cinders Vater sein könnte, hatte für sie beide nie eine wirkliche Rolle gespielt.

»In dem Fall hätte ich beginnen dürfen, den einer älteren, und somit auch lebenserfahreneren Person hat man einen gewissen Respekt zu zollen«, antwortete Hope und lächelte ein wenig.

»Und wenn eine Person schon viel erlebt hat, und entsprechend weise ist, obwohl sie eigentlich noch gar nicht so alt ist?«, Mana schaute fragend zu ihm auf.

»Willst du jetzt jeden möglichen Fall durchgehen?«, kam die postwendende Antwort.

»Besser als zu warten, das Papa endlich in die Puschen kommt«, grinste Mana.

»Ach so, ich verstehe, ich werde einfach nur als Langeweile-Bekämpfungs-Objekt eingesetzt, ja?«, lachte Hope.

»So in etwa«, seine Nichte lächelte ihn noch einmal an, dann schaute sie zu ihrem Vater, der nachdenklich vor sich hin blickte. Dann nickte er und Aaron trat vor.

Es folgte das übliche, eine Menge Gerede, das keinen wirklich interessierte, aber irgendwie dennoch dazu gehört, bis dann Aaron endlich an Lugh Akhtar abgab. Der trat mit festen Schritten vor, ebenso Leilani, die mittlerweile zitterte wie Espenlaub und blass war, wie die sprichwörtliche Wand.

»Leilani Jarek, vor acht Jahren hast du mir vor dem Himmel und der Erde deinen Eid als Schülerin geleistet. Erinnerst du dich an ihn?«, obwohl Lugh Akhtar normalerweise eine leise, beruhigende Stimme hatte, war er in der Lage, bei solchen Gelegenheiten kraftvoll, laut und so eindringlich zu sprechen, das es jedem durch Mark und Bein ging.

»Ich erinnere mich an den Eid. Ich versprach vor dem Himmel und der Erde, das ich immer meinem Herzen folgen würde«, bestätigte sie laut und sogleich war ihrer Nervosität verschwunden, als hätte es sie niemals gegeben.

»Hast du den Eid immer befolgt?«, fragte ihr Meister weiter.

»Ich habe ihm mit besten Wissen und Gewissen immer folge geleistet«, erwiderte sie fest. Einen Moment hielten ihre Blicke einander fest und eine atemlose Stille legte sich über das Dach des Zaubererturmes. Als Lugh Akhtar einfach nicht Weitersprechen wollte, da hob leises Geflüster an, das er jedoch mit einer ruhigen, aber herrischen Geste unterband. Leilani begann wieder zu zittern und sah offensichtlich schon ihre Freisprechung davon wehen, denn sie schien den Tränen nahe.

»Das sehe ich auch so«, erlöste ihr Meister sie dann nach einer Weile leise und lächelte dabei sanft.

»Mir ist schlecht«, Leilani flüsterte zwar, doch in der völligen Stille hörte es trotzdem jeder einzelne. Natürlich lachten sie, und auch Lugh Akhtar musste sich auf die Lippen beißen, um nicht laut loszuprusten, doch er konnte sich zurückhalten. Stattdessen versuchte er wieder irgendwie den Ernst der Situation wieder herzustellen.

»Du hast deinem Eid immer folge geleistet und ich kann dir nichts mehr beibringen. Deswegen gebe ich dich frei. Ab heute bist du nicht mehr meine Schülerin, sondern mit mir gleich«, sprach er laut, dann umarmte er Leilani und flüsterte ihr noch etwas ins Ohr, das nur für sie bestimmt war, und ihr helfen sollte, ihren weiteren Weg zu finden.

Leilani nickte dankbar, dann ging sie langsam und unsicher zu Cinder, die sie heftig umarmte und ihrer ältesten Tochter ihre Glückwünsche aussprach. Dann ging sie zu Hope weiter, der seine Tochter lachend in den Arm nahm. Alle anderen würden ihre Glückwünsche später aussprechen, erst war noch Alexia an der Reihe.

Die wirkte deutlich ruhiger als Leilani, doch das war nur Schein, das wussten alle. Nun waren es Soul und ihre älteste Tochter, die einander gegenüber traten. Soul lächelte beruhigend, als sie laut zu sprechen begann.

»Alexia von Navarre, vor acht Jahren hast du mir vor dem Himmel und der Erde deinen Eid als Schülerin geleistet. Erinnerst du dich an ihn?«, Soul würde gar nicht viel anderes sagen, als ihr Bruder. Auch Alexia nicht, denn die die Grundsätzlichen Dinge waren immer dieselben, und dennoch war es jedes Mal anders, den Schüler und Meister verhielten sich jedes Mal anders.

»Ich erinnere mich an den Eid. Ich versprach vor dem Himmel und der Erde, dass ich immer jene schützen werde, die mir am wichtigsten sind«, auch Alexia kannte ihren Eid noch.

»Hast du diesem Eid immer folge geleistet?«, fragte Soul weiter.

»Das habe ich getan«, nickte ihre Tochter. Für einen Moment blickten Mutter und Tochter einander in die Augen, dann nickte Soul lächelnd.

»Das stimmt«, sagte sie und fuhr sogleich fort. »Du hast dem Eid immer befolgt und ich kann dir nichts mehr beibringen. Ab heute bist du nicht mehr meine Schülerin, sondern nur noch die Prinzessin von Navarre.«

Auch Soul umarmte ihre Tochter und gab ihr flüsternd Worte mit auf ihren weiteren Weg. Dann ließ sie von Alexia ab, und sie ging zu ihrem Vater Ice, um auch von ihm beglückwünscht zu werden. Gerade wollten auch alle anderen auf sie einstürmen, um den Mädchen entsprechend zu gratulieren, doch da trat Cinder vor und erstauntes gemurmelt erhob sich.

»Kekoa, komm her«, rief sie Manas Bruder zu sich, der erstaunt vor sie trat. Alles wartete Still, nur Lugh Akhtar, Soul, Ice und Hope schienen zu wissen, was vor sich ging.

»Kekoa von Winters-Midnight, vor sieben Jahren hast du mir vor dem Himmel und der Erde einen Eid als Schüler geleistet. Erinnerst du dich an ihn?«, fragte Cinder laut und fordernd.

»Ich… ja, ich erinnere mich an den Eid«, bestätigte Kekoa verwirrt, während sein Blick verwundert zu seinen Vater wanderte. »Ich versprach vor dem Himmel und der Erde, dass ich meine Wege immer zu Ende gehen würde.«

»Hast du diesem Eid folge geleistet?«, wollte Cinder weiter wissen.

»Soweit ich es bisher tun konnte… ja«, Kekoa runzelte vielsagend die Stirn. Was sollte das alles?

»Dem stimme ich zu«, bestätigte Cinder. »Du hast den Eid befolgt und ich kann dir nichts mehr beibringen, deswegen bist du ab heute nicht mehr mein Schüler, sondern ich gebe dich Frei. Ab heute darfst du deine Wege selbst beschreiten.«

Damit lächelte sie und flüsterte Kekoa ebenfalls etwas zu. Doch was sie da sagte, schien ihn sehr zu erstaunen, denn er starrte sie ungläubig an, bevor er langsam lächelte und zu Lugh Akhtar lief, der ihn mit offenen Armen und einem Lächeln begrüßte.

Da trat ließ Ice Alexia los und trat ebenfalls vor und rief Runa zu sich, die voller Unglauben folgte.

»Runa von Navarre, vor sieben Jahren hast du mit vor dem Himmel und der Erde einen Eid als Schülerin geleistet. Erinnerst du dich an ihn?«, fragte er ruhig.

»Ja, ich erinnere mich an den Eid. Ich versprach vor dem Himmel und der Erde, das ich meinen Weg folge, ohne mich von jemanden abbringen zu lassen, es sei denn, ich will es so«, antwortete sie ebenso ruhig.

»Hast du diesem Eid folge geleistet?«, bohrte ihr Vater weiter.

»Das habe ich getan«, nickte sie und auch Ice nickte.

»Dem stimme ich zu. Du hast den Eid befolgt und ich kann dir nichts mehr beibringen, deswegen bist du ab heute nicht mehr meine Schülerin, den ich gebe dich frei. Nun bist du nur noch meine Tochter«, Ice umarmte seine glückliche Tochter, gab auch ihr einige Worte mit auf den Weg, dann gingen sie gemeinsam zu Soul, die zufrieden lächelte.

»Was wird denn das jetzt?«, hörte Mana da Lif an ihrer Seite zischen. Er beobachtete das ganze mit gerunzelter Stirn, als abermals Lugh Akhtar vortrat, Kekoa dabei bei Cinder ließ und Slyk zu sich rief. Der folgte voller freudiger Erwartung und er wurde nicht enttäuscht.

»Slyk von Navarre, vor sieben Jahren hast du mir vor dem Himmel und der Erde einen Eid als Schüler geleistet. Erinnerst du dich an ihn?«, fragte ebenso laut und kraftvoll, wie er Leilani gefragt hatte.

»Ja, ich erinnere mich an den Eid. Ich versprach vor dem Himmel und der Erde, das ich immer meinem Herzen folgen würde«, nickte Slyk und mit glänzenden Augen.

»Hast du diesem Eid folge geleistet?«

»Das habe ich getan.«

»Das sehe ich ebenso. Du hast den Eid befolgt und ich kann dir nichts mehr beibringen, deswegen bist du ab heute nicht mehr mein Schüler. Ab heute sind wir einander gleich.«

Auch seinem zweiten Schüler gab Lugh Akhtar einige Worte auf den Weg, schickte ihn dann lächelnd zu seinen Eltern. Als nächstes trat da Aaron vor, was einige erstaunte, denn er hatte keine Schüler. Doch der Gildenmeister ließ sich nicht beirren und rief die zitternde Ahkuna zu sich.

»Nea kann heute nicht hier sein, um dich persönlich freizusprechen, also werde ich es an ihrer statt in meiner Funktion als Meister der Gilde von Altena tun. Ahkuna von Navarre, vor sieben Jahren hast du meiner Schwägerin Nea vor dem Himmel und der Erde einen Eid als Schülerin geleistet. Erinnerst du dich an ihn?«, fragte er sachlich.

»Ja, ich erinnere mich. Ich versprach vor dem Himmel und der Erde, dass ich niemals jemanden ein Unrecht antun würde.«

»Hast du diesem Eid folge geleistet?«

»Soweit es mir möglich war ja.«

»Das sieht Nea ebenso. Und ich auch. Deswegen gebe ich dich hiermit als Schülerin frei. Ab heute liegt es an dir, dass du deinen Weg alleine findest. Nea wird dich selbst noch einmal bei Gelegenheit freisprechen, dennoch darfst du dich als vollwertige Zauberin ansehen«, Aaron gab Ahkuna keine Worte mit auf den Weg, denn das konnte nur der Meister tun. So entließ er sie ohne, ging mit ihr gemeinsam zu ihrer Familie, sie sie lächelnd aufnahm.

Da trat Hope vor und zögernd folgte Lif. Er war Hopes einziger Schüler, deswegen musste er nicht abwarten, bis ihn jemand rief.

»Lif Jarek, vor sieben Jahren hast du mir vor dem Himmel und der Erde einen Eid als Schüler geleistet. Erinnerst du dich an ihn?«, erkundigte sich Hope ruhig.

»Natürlich. Ich leistete den Eid, unbeirrbar meine Wege zu gehen«, antwortete Lif.

»Hast du das getan?«

»Ich hätte es auch ohne diesen Eid getan«, natürlich, Lif war immer schon ein kleiner Rebell gewesen, deswegen konnte so eine schnippische Antwort nur von ihm kommen.

»Ja, das hab ich schon gewusst, als ich dich ihn sprechen ließ. Demnach stimme ich also zu, und da ich dir nichts mehr beibringen kann, gebe ich dich frei. Ab heute nun bist du nicht mehr mein Schüler, es liegt in deiner Hand, zu tun was du für richtig hältst«, lächelte Hope und auch er flüsterte seinem Sohn etwas ins Ohr. Dann gingen sie gemeinsam zu Cinder, die ihren Sohn freudig umarmte.

Da trat zum dritten Mal Lugh Akhtar vor, doch Mana seufzte nur traurig. Er würde die Freisprechung nun beenden und danach würden sie alle in kleinem Kreise feiern, doch sie wurde überrascht, denn ihr Vater rief sie mit ernstem Gesicht zu sich.

»Mana von Winters-Midnight, vor sieben Jahren hast du mir vor dem Winter einen Eid geleistet. Erinnerst du dich an ihn?«, fragte er ruhig.

»Ja. Ich habe vor dem Winter geschworen, dass ich mir und meinem Herz immer treu sein werde«, meinte sie leise.

»Hast du dich an diesen Schwur gehalten?«

»Nein, das habe ich nicht getan«, antwortete sie wahrheitsgemäß. Sogleich erhob sich leises Murmeln, und in den Nordlichtaugen blitzte es fragend und verwundert auf.

»Warum hast du es nicht getan?«, fragte er ruhig.

»Weil ich mir selbst nicht treu sein kann. Ich kann niemandem folgen, der mir so fremd ist, selbst wenn ich es selbst bin«, erklärte sie ernst.

»Was hast du vor, um es zu ändern?«

Mana zögerte. Sie wandte den Blick ab und schaute erst zu Kanoa, dann zu Lif und ihren Freunden, die alle stirnrunzelnd warteten und nicht verstanden, was sie da tat.

»Ich möchte mich selbst suchen gehen. Irgendwo auf der Welt kann ich mich finden. Ich weiß nicht, wo, aber ich weiß, dass es irgendwo möglich ist«, antwortete sie dann fest und schaute wieder in die vielfarbigen Augen ihres Vaters.

»Willst du auf diese Reise als Schülerin gehen, oder als Zauberin?«, fragte Lugh Akhtar.

»Das liegt in deiner Hand. Ich habe meinen Eid nicht gehalten, deswegen habe ich kein Recht auf eine Freisprechung.«

»Das stimmt wohl, und mir wäre es lieber, wenn du meine Schülerin bliebst, aber… ich kann dich nicht ewig festhalten, ein jeder Vogel muss frei sein, damit er fliegen lernen kann. Und deswegen gebe ich dich frei. Alles, was du noch wissen musst, kann ich dir nicht mehr beibringen, ab heute bist du nur noch meine Tochter.«

Mana nickte erstaunt. Sie hätte niemals damit gerechnet, dass ihr Vater sie trotz allem freisprach. Er umarmte sie und sie spürte seinen warmen Atem an ihrem Ohr.

»Ich bleibe bei dir, Sternengefährtin. Wann immer du meine Hilfe brauchst, werde ich da sein. Doch du hast recht, deinen Weg musst du alleine finden, und dich selbst auch, dabei kann ich dir nicht helfen. Deswegen lasse ich dich ziehen, ich will nicht mehr sehen müssen, wie dein Herz weint. Und trotzdem werde ich bei dir sein. Bis ans Ende der Welt«, sprach er leise und sie nickte. Dann löste sich Lugh Akhtar aus seiner Umarmung. »Ich hab noch ein Geburtstagsgeschenk für dich.«

»Aber ich hab doch schon den Anhänger bekommen«, antwortete sie erstaunt, doch er schüttelte den Kopf.

»Den hast du als meine Schülerin von mir bekommen, denn es ist ein magisches Objekt. Dein Geburtstagsgeschenk ist etwas anderes. Aber darauf musst du noch bis morgen warten, denn jetzt wird erst einmal gefeiert«, erklärte er lächelnd. Mana nickte und endlich beendete Aaron die Freisprechung und alle Anwesenden stürmten auf die neuen Zauberer und Zauberinnen ein, um sie zu beglückwünschen. Doch es Slyk und Lif schafften es, sich durch das Gewirr zu kämpfen, um Mana dann völlig entsetzt anzustarren.

»Sag mal, was sollte das denn werden?«, ereiferte sich Lif.

»Wolltest du etwa auf ewig Schülerin bleiben? Eigentlich hättest du Lügen müssen, das sich die Balken biegen, um da raus zu kommen, du hast doch echt mehr glück als verstand«, fand auch Slyk.

»Ist doch alles gut gegangen«, lachte Mana gut gelaunt, um dann fast über ihr Loch im Kleid zu stolpern. Und mit einemmal war ihr die ganze Sache ausgesprochen peinlich. Es war ein so wichtiger Moment in ihrem Leben gewesen, und sie hatte mit einem kaputten Kleid dagestanden, das ihr nicht einmal besonders gut stand, und mit verschnittenem, völlig zerzaustem Haar. Und dennoch fühlte sie sich glücklich.

Der weiße Wolf

»Hast du eigentlich von Papa etwas zum Geburtstag bekommen?«, fragte Mana ihren Bruder, während Ahkuna ihr die Haare ordentlich schnitt.

»Natürlich, ein Buch, das ich schon seid Jahren haben wollte«, antwortete der und seufzte leise. »Weißt du, ich kann mir gar nicht richtig vorstellen, das ich bald in Lanta leben werde.«

»Willst du da wirklich hingehen?«, Ahkuna schaute ihn zweifelnd an.

»Ja. Das war schon so lange mein Traum, seitdem Hope uns das erste mal von dem Lilienkrieg erzählt hatte«, Kekoa wirkte ein wenig erschrocken über seinen eigenen Mut.

»Ich werde dich besuchen kommen, wenn ich in der Nähe bin«, versprach Mana.

»Tu das. Denkst du, dem Menschenkönig ist es recht, wenn ein Zauberer in seinem Schloss lebt?«, Kekoa wirkte nicht gerade überzeugt.

»Papa ist mit König Fjodor befreundet, ich denke nicht, dass er etwas gegen seinen Sohn hätte«, beruhigte ihn Mana und beobachtete ihren Bruder durch einen Spiegel. Er wirkte so klein und hilflos, so ängstlich, als wäre er noch gar nicht bereit für diese Welt.

»Trotzdem… Na ja, es gibt ja noch Daina, sie wird mir bestimmt beistehen«, lächelte Kekoa zuversichtlich.

»Genau, und wir wissen ja alle, wie gut Prinzessin Daina ihren Vater unter Kontrolle hat«, lachte Ahkuna.

»Wann wirst du eigentlich abreisen?«, erkundigte sich Mana bei ihrem Bruder.

»Noch heute. Aaron muss aus beruflichen Gründen nach Lanta, ich begleite ihn«, erklärte Kekoa und setzte sich umständlich auf. »Wieso wolltest du eigentlich wissen, was ich von Papa zum Geburtstag bekommen habe?«

»Weil ich dachte, das der blaue Stern dort mein Geschenk wäre, aber er mir gestern Abend gesagt, das er nur ein Geschenk vom Meister an seine Schülerin wäre und ich noch etwas anderes bekommen würde, aber ich weiß nicht was«, antwortete Mana und stand auf, um nun Ahkuna die Haare zu bürsten, nachdem sie selbst nun wieder ordentlich aussah.

»Na, wenn er so ein Geheimnis draus macht und du es erst so spät bekommst, dann muss es ja etwas ganz besonderes sein«, fand Kekoa und stand auf. »Ich muss packen gehen. Kommst du mich verabschieden, wenn ich gehen muss?«

»Natürlich«, lächelte Mana und umarmte ihn kurz, bevor sie Ahkuna zu Ende bürstete.

»Weißt du schon, was du jetzt machen willst?«, fragte die zögernd, nachdem Kekoa gegangen war.

»Nein… nicht wirklich. Ich weiß, dass ich irgendwohin reisen möchte, aber ich habe kein Ziel. Vielleicht erst einmal nach Navarre, ich war schon so lang nicht mehr dort…«, überlegte Mana zögernd.

»Wie… wie wäre es mit einer Weltreise? Oder wenn wir es Lani gleichtun und die magielosen Orte besuchen?«, schlug Ahkuna vor.

»Ja, daran habe ich auch schon gedacht… aber genau weiß ich es nicht«, Mana seufzte und legte die Bürste beiseite, als sie ein lautes krachen hörte. Verdutzt schauten sie und Ahkuna auf die Tür, dann ging sie langsam darauf zu und öffnete sie. Vor der Tür setzte sich Lif gerade benommen auf und Slyk lag lachend neben ihm.

»Warst du das eben?«, erkundigte sich Mana ungläubig bei Lif.

»Er ist voll gegen die Tür gerannt!«, brach Slyk japsend hervor.

»Und wieso?«

»Weil… ja, warum eigentlich?«, Lif schaute fragend zu seinem Freund, der daraufhin nur noch lauter lachte.

»Ich glaube, dazu sollten wir jetzt nichts sagen«, Ahkuna zog vielsagend eine Augenbrauche hoch und Mana nickte kichernd, während sie Lif beim Aufstehen half.

»Na ja, ich wollte halt mal wissen, ob ich sie aufbrachen könnte«, grinse der verlegen.

»Und man sehe: Du kannst es nicht. Das jede Tür Altenas durch einen Zauber geschützt ist, weißt du aber noch?«, erkundigte sich Mana lachend.

»Nur hier im Turm!«, widersprach Lif, doch dann grinste auch er. »Ja, ich weiß, eine selten dämliche Idee.«

»Ja, das war die freundliche Umschreibung«, bestätigte Ahkuna, musste nun aber doch mitlachen.

»Na ja, auf jeden fall sind wir hier, weil wir dich abholen sollen, Mana. Lugh wartet mit deinem Geschenk im Aufenthaltsraum«, fuhr Lif fort, während Slyk sich langsam beruhigte. Da horchte das Mädchen auf und ging schnell los, gefolgt von ihren Freunden.

Im Zaubererturm wohnten viele Zauberer, und jeder von ihnen hatte ein eigenes Schlafzimmer, doch jedem auch noch andere Räume zur Verfügung zu stellen, würde sämtliche Kapazitäten sprengen, deswegen war dies nur den Ranghöchsten vorbehalten. Und da Lugh Akhtar nicht in Altena lebte, wunderte es niemanden, dass er im Aufenthaltsraum wartete, statt im Studierzimmer oder in der Bibliothek oder dergleichen.

Doch das war sowieso alles uninteressant, Manas Geschenk war viel interessanter. Eigentlich wäre es höflicher gewesen, anzuklopfen, doch stattdessen stürzten die vier alle hinein. Das erste, was sie sahen, war Cinder, die lachend auf dem dicken, roten Teppich saß, und Soul, die es sich auf dem Sofa gemütlich gemacht hatte. Dann erst sahen sie einen gut gelaunten Lugh Akhtar, der, als er erkannte, wer da hereingestürzt kam, schnell an Cinder vorbei auf sie zutrat.

»Mana, mein schönes Kind«, begrüßte er sie und umarmte sie lachend.

»Lif meinte, das ich herkommen soll«, antwortete sie und lugte neugierig an ihm vorbei, doch sie konnte nichts erkennen.

»Ja, so ist es. Du musst doch auch endlich dein Geschenk bekommen«, ihr Vater ließ von ihr ab und war mit zwei schnellen Schritten bei Cinder, um sich nach etwas zu bücken. Als er sich wieder erhob und zu ihr umwandte, hielt er einen jungen Hund im Arm, der leise winselte.

»Was ist das?«, Mana machte mit gerunzelter Stirn einen Schritt zurück.

»Dein Geschenk.«

»Ein Haustier?«

»Ein Wegbegleiter.«

»Ein Hund«, Mana seufzte. Sie wusste nicht, was sie erwartet hatte, sie wusste nur, dass es kein Hund gewesen war. Sie mochte Hunde nicht sonderlich, im Gegenteil. Nachdem sie einmal als kleines Kind von einem böse angeknurrt wurde, hielt sie sich nach Möglichkeit von ihnen fern. Sie hatte nie verstanden, wieso sich ihr Vater so sehr für diese Tiere begeistern konnte. Das hieß nicht, dass sie nicht Tierlieb war, nur Hunde mochte sie eben nicht.

»Kein Hund, er ist ein junger Wolf«, es blitzte begeistert in den vielfarbigen Augen.

»Schön«, sie lächelte gequält. Sie wollte ihren Vater nicht verletzten, den man sah ihm die Begeisterung über das eigentlich völlig missglückte Geschenk deutlich an. Sie zögerte, dann ging sie zu Lugh Akhtar und nahm das Tier entgegen, nur um es sogleich auf den Boden zu setzen.

»Danke Papa«, noch immer verzerrte ein künstliches, steifes Lächeln ihr Gesicht, doch der Zauberer schien es nicht zu sehen. Er schaute stattdessen, wie der junge Wolf wieder zu Cinder lief und sie mit einem seltsamen jaulenden Laut anbellte.

»Er hat noch keinen Namen, wenn du magst, kannst du ihm einen geben«, erklärte Soul und schaute ebenfalls mit wachsender Begeisterung auf das kleine Tier.

»Ja, ich werde mir was überlegen…«, Mana blickte Hilfe suchend auf ihre Freunde.

»Los, wir müssen dem Kleinen dein Zimmer zeigen, damit er weiß, wo er wohnen wird«, sprang ihr Slyk sogleich bei und fing gemeinsam mit Lif den jungen Wolf ein. Dann ließen sie ihre Eltern wieder alleine und gingen schnell den Flur entlang.

»Wie kommt Lugh denn auf die Idee, ausgerechnet dir einen Wolf zu schenken?«, wunderte sich Lif, der seinen Gürtel löste, um ihn als Leine zu verwenden, denn den ganzen Weg wollten sie das Tier nicht tragen und folgen wollte es ihnen nicht gerade. So zog er ihn bald am Gurt hinter sich her.

»Wenn ich das wüsste… vermutlich denkt er, das wäre das schönste Geschenk aller Zeiten für mich, so wie er sich gefreut hat«, seufzte Mana.

»Wirst du es ihm sagen?«, erkundigte sich Ahkuna. Im Gegensatz zu Mana schien sie den jungen Wolf sehr gerne zu haben.

»Nein… zumindest nicht gleich«, antwortete die und lotste sie alle in einen leeren Raum. Sie wollte den Wolf nicht in ihrem Zimmer haben.

»Was tust du jetzt mit ihm?«, Slyk streichelte das junge Tier.

»Ich weiß nicht… einen Waldläufer suchen, der ihn auswildert?«, überlegte sie und betrachtete den jungen Wolf das erste mal genauer. Und sie musste feststellen, dass er hübsch war.

Er hatte ein hellgoldenes Fell, von der Nasenspitze bis zur Rutenwurzel ging ein dunkler Aalstrich. Auch die Ohrenspitzen zierte ein dunkles Muster, doch um die Augen herum, die Pfoten und die Rutenspitze waren hell. Auf der Hüfte zierte ihn ein heller Halbmond, umgeben von vielen hellen Flecken. Seine Augen waren silbergrau.

»Den kleinen Kerl willst du alleine in die Wildnis schicken?«, Lif setzte sich vor den Wolf und schaute ihn tief in die Augen.

»Na ja, er ist ein Wolf, oder nicht? Dann gehört er da eigentlich hin«, fand Mana mit hochgezogener Augenbraue.

»Stimmt, aber er ist noch viel zu klein«, fand Ahkuna.

»Ja, mein Gott, dann behaltet ihn doch«, murrte Mana und ging. Sie wollte jetzt gerade niemandem um sich herum haben, denn sie war von ihrem Geschenk wirklich bitter enttäuscht. Außerdem musste sie sich auch noch von Kekoa verabschieden.

Als sie stunden später niedergeschlagen in ihr Zimmer kam, saß der junge Wolf auf ihrem Bett und fiepte leise. Erst wurde sie wütend, denn sie war immer noch der Ansicht, das der kleine Kerl in ihrem Zimmer nichts zu suchen hatte, doch dann bekam sie mitleid. Er war nun genauso alleine wie sie, das spürte sie deutlich.

»Komm mit, kleiner, wir gehen spazieren…«, seufzte sie und nahm einen Strick auf, den sie als Leine benutzen konnte. Ein Halsband hatte sie nicht, deswegen Band sie ein Ende um seinen Hals.

So verließ sie den Turm und auch Altena und ging alleine und nachdenklich in den Wald. Es war schon dunkel, doch angst hatte sie nicht. Sie kannte die Polarnächte, die Wynter jedes Jahr für Monate in Finsternis tauchten, da verlor man die Angst vor einer dunklen Nacht schnell.

Sie lief einige Zeit nur still vor sich hin, war in Gedanken weit weg. Deswegen bemerkte sie den Nebel nicht, der sich um sie herum ausbreitete, und auch den Schnee, der Anfang November in diesem Teil des Reiches ausgesprochen früh dran war, erhielt erst ihre Aufmerksamkeit, als es schon in dicken Flocken schneite und ihr zusätzlich die Sicht nahm.

»Hey Kleiner, wir sollten umdrehen«, erklärte sie dem jungen Wolf, doch der schaute mit gespitzten Ohren und ausgesprochen Unsicher um sich. Das machte sie nervös, denn sie wusste, dass Tiere bessere Instinkte hatten, als sie. Vielleicht kam ein Unwetter oder wilde Tiere waren unterwegs.

Sie ballte schon die Magie um sich herum, um sich verteidigen zu können, als der Anhänger, den sie von Lugh Akhtar Geschenk bekommen hatte, hell zu leuchten begann. Erstaunt zog sie ihn unter ihrer Kleidung hervor und betrachtete ihn aus großen Augen. Dann gab wieder der junge Wolf einen Laut von sich und sie schaute erschrocken hoch. Da sah sie ihn.

Sein Fell war so weiß, dass er sich fast nicht vom Schnee drum herum abhob, seine Augen leuchteten wie das Nordlicht, das die langen Nächte in Wynter erhellte. Nur die Ohren, die aufmerksam in ihre Richtung lauschten waren schwarz wie die Nacht. Er war viel größer, als jeder andere Wolf, den sie je gesehen hatte, fast schon so groß, wie ein Fohlen oder eine junge Kuh.

Sie starrte ihn aus aufgerissenen Augen an und ohne darüber nachzudenken ließ sie eine Feuersäule auf das Tier los. Es kam nicht einmal in seine Nähe, da verrauchten die Flammen schon im Nichts.

»Was bist du?«, hauchte sie darauf leise. Natürlich antwortete ihr der Wolf nicht, doch der junge, goldene Wolf riss sich los und lief erst schnell, dann immer langsamer werdend auf den großen Weißen zu.

Vor den großen Pfoten setzte er sich in den Schnee und schaute winselnd hinauf. Der weiße neigte den Kopf und die beiden Wölfe berührten einander mit ihren Nasen. Dann ging der weiße Wolf an dem Kleinen vorbei und ging zu Mana. Er brauchte nicht einmal wirklich zu ihr aufschauen, als er vor ihr stand. Er berührte ihren Anhänger mit der Nase, woraufhin der so hell aufleuchtete, das Mana die Augen schließen musste.

Als sie sie wieder öffnen konnte, stand der weiße Wolf so im Schneetreiben, dass sie ihn kaum noch sehen konnte. Das er dabei, im Gegensatz zu ihrem kleinen Goldenen, nicht eine einzige Spur hinterlassen hatte, nahm sie nur am Rande war, denn sie war völlig von seinen leuchtenden Augen gebannt.

Dann hob der weiße Wolf die Schnauze, stieß ein lang gezogenes Jaulen aus und schaute sie noch einmal lange an. Dann verschwand er. Er ging nicht, er war nur einfach nicht mehr da. Er hinterließ keine einzige Spur, nur den Nebel und das Schneetreiben nahm er mit sich.

Mana wusste nicht, wie lange sie noch völlig fassungslos auf jene Stelle starrte, wo er zuletzt gestanden hatte, doch irgendwann wandte sie sich wie betäubt an den jungen Wolf, der ihr Geburtstagsgeschenk war.

»Lass uns nach Hause gehen, Kleiner«, sprach sie leise.

»Ich bin nicht klein, ich bin fast erwachsen«, kam die bissige Antwort. »Außerdem hab ich auch einen Namen, mit dem ich gerne angesprochen werden möchte. Oder soll ich dich immer >Karotte< nennen?«

Mana blinzelte verwirrt, starrte dann auf den goldenen Wolf, der sie genervt und auch ein wenig herausfordernd anblitzt.

»Aber gut, wenn es dir so viel bedeutet, dann gehen wir eben, da ist es wenigstens warm, und wenn ich schon hier herumsitzen muss, dann doch bitte im warmen«, beschwerte sich der junge Wolf weiter.

»Du sprichst?«, sie starrte ihn fassungslos an.

»Nein, ich Kommuniziere durch Rülpsen«, antwortete der mit einer vor Sarkasmus triefenden Stimme.

»Warum sprichst du plötzlich?«, Mana wusste, das manche Zauberer mit Tieren sprechen konnten, ihre Mutter gehörte dazu, doch sie selbst hatte nie auch nur den Ansatz gezeigt.

»Nicht plötzlich. Du fängst nur endlich an, zuzuhören, und ich glaube, der Winterbote hat auch etwas damit zu tun. Gehen wir jetzt endlich?«, er machte einige ungeduldige Schritte in die entsprechende Richtung.

»Winterbote?«, fragte Mana.

»Kennst du noch nicht einmal solch grundlegende Dinge aus deiner eigenen Welt? Armes Kind«, fand der junge Wolf.

»Grundlegende… was? Du bist kein normaler Wolf, oder?«, erkundigte sie sich.

»Nein«, da wirkte das Tier plötzlich traurig. »Eigentlich komme ich ganz woanders her, aber ich… egal. Jetzt bin ich hier, und ich denke nicht, dass ich zurück kann, denn ich kenn den Weg nicht mehr. Tust du… mir den gefallen und kümmerst dich um mich? Ich glaube nicht, das ich es alleine kann.«

»Natürlich… mein Name ist Mana«, stellte sie sich vor.

»Ich bin Fylgien«, erklärte der Wolf. »Schön dich kennen zu lernen, Mana.«

Ein Ziel?

»Fylgien… sagt mir nichts«, Hope schaute nicht einmal von seinem Buch auf.

»Also kennst du keine Sprache, woher der Name kommen könnte?«, hakte Lif noch einmal nach.

»Ich kenne keine wörtliche Übersetzung, das ist ein Unterschied«, widersprach sein Vater und schaute ernst auf.

»Und ein Ursprungswort? Etwas, was es bedeuten könnte? Oder aus welchem Land es sein könnte?«, Mana schaute fragend zu ihrem Onkel hoch. Der runzelte misstrauisch die Stirn.

»Warum ist euch das so wichtig?«, wollte er im Gegenzug wissen.

»Ich hab den Namen irgendwo gelesen, aber Mana will für ihren Wolf natürlich keinen Namen verwenden, der übersetzt dann etwas ganz schreckliches bedeutet«, log Slyk schnell, doch Hopes abermaliges Stirnrunzeln zeigte deutlich, das er die Lüge sofort erkannt hatte.

»Das bezweifle ich wirklich, mein Bester«, sagte er auch und stand auf. Er trat an eines der vielen Regale, die als Heim für die tausenden von Büchern herhalten mussten, die hier standen.

Hope hatte Bücher immer schon geliebt, und da er als Zauberer alles andere als gut oder talentiert war, hatte er stattdessen die Theorie gelernt, bis er mehr wusste, als die meisten Hochmagier von Altena gemeinsam. Er konnte weit über hundert Sprachen fließend sprechen, auch alte, die man zu dieser Zeit gar nicht mehr sprach und er konnte mehr Schriften lesen, als alle anderen, die Mana kannte.

Und im Laufe der Jahre hatte er so viele Bücher angeschleppt, dass sie mittlerweile mehrere Räume des großen Hauses füllten, in dem er mit seiner Familie wohnte. Mana wusste, das sich Cinder manchmal sehr über die vielen Bücher aufregte, denn sie konnte bis heute nicht gut lesen, und sie musste es als Hochmagierin auch nicht, doch ließ sie ihrem Ehemann sein Hobby. Dafür hatte sie mittlerweile ein laufendes Lexikon und einen Übersetzer sowieso.

Hope auf jeden Fall zog ein Buch hervor, das in schwarzes Leder gebunden war. Es hatte keinen Titel und Lifs Vater ging damit um, als wäre es ein rohes Ei. Er legte es vorsichtig auf den Tisch, schob dabei das andere Buch rücksichtslos beiseite. Dann schlug er es vorsichtig auf. Auch die Seiten waren schwarz, beschrieben mit einer roten Schrift.

»Was ist das für ein Buch?«, fragte Slyk erstaunt.

»Das Nachtbuch«, antwortete Lif ehrfürchtig. Er war mit diesem Buch und seiner Bedeutung aufgewachsen, er wusste, wie mächtig und zugleich selten es war. Er wusste, dass sein Name aus diesem Buch entnommen war, ebenso wie Manas Name.

»Steht Fylgien da drin?«, erkundigte sich die und starrte auf das schwarze Papier.

»Mehr oder weniger. Man kann es nicht wörtlich übersetzen, wie ihr wisst, aber wenn man das Wort ausspricht, dann klingt es so ähnlich«, antwortete Hope und schien die Seite gefunden zu haben, die er suchte. »Hier, die Geschichte der Fylgja.«

»Kannst du versuchen, es uns zu übersetzen?«, bat Ahkuna, die bisher nichts gesagt hatte.

»Versuchen ist gut… Nun, im Prinzip steht dort, das ein Fylgja eine Art Schutzgeist ist. Nicht diese Art Schutzgeist, wie man sie in Wynter kennt, aber gewisse Ähnlichkeiten haben sie dennoch. Sie entstehen bei der Geburt eines jeden Menschen und begleiten und beschützen sie ihr Leben lang. Sie haben Tiergestalt, die dem wahren Wesen ihres Menschen entspricht«, erklärte Hope und schaute auf Mana, die wiederum nachdenklich den jungen Wolf anschaute. Doch der schüttelte mit einem wölfischen Grinsen den Kopf.

»Kann man diese Schutzgeister denn sehen?«, erkundigte sich Ahkuna, denn auch sie kannte die Geschichten auch Wynter und wusste, das man nach dem dortigen Glauben die Schutzgeister nur in Situationen voller Gefahr sehen konnte.

»Nicht immer. Nur in jenen Augenblick, in dem man stirbt. Sie nehmen deine Seele mit sich«, antwortete Hope, während er fast schon liebevoll über das schwarze Papier strich.

»Ich glaube, Mama würde sich mehr freuen, wenn du sie mal so streicheln würdest«, bemerkte Lif dazu, doch statt wütend zu werden grinste sein Vater.

»Finde du erst einmal eine Freundin und gründe eine Familie, und dann kannst du mir Ratschläge geben«, erklärte er gut gelaunt.

»Hört auf zu streiten«, mischte sich Mana ein und schaute nachdenklich auf das Buch. »Ein Fylgja ist also eine Art Schutzgeist? Und Fylgien?«

»Ist die Mehrzahl. Ein Fylgja, viele Fylgien«, antwortete Hope und stand auf, um das Nachtbuch vorsichtig wieder wegzustellen.

»Weißt du zufällig auch, aus welchem Land diese Sprache kommt?«, Ahkuna hockte sich wieder hin, um den jungen Wolf hinter dem Ohr zu kraulen.

»Aus keiner, es ist nicht einmal eine wirkliche Sprache, denn der Worte bedient man sich nur, wenn man die Macht aus dem Buch nutzen will. Sie stammt von einer Gruppierung, den Niemands-Adepten. Von denen habt ihr gehört, oder?«, Hope schaute fragend in die Runde und alle nickten.

»Ja, die Geschichte der Bücher kenne wir«, gähnte Lif, dann schaute er seine Freunde an. »So, wir wissen jetzt, was es bedeutet, wollen wir hoch?«

Mana nickte und ging voran, die anderen folgten ihr. Sie gingen zielgerichtet in Lifs Zimmer, wo sich Mana mit ihrem Wolf aufs Bett setzte. Lif nahm sich den Stuhl, Slyk das Fensterbrett und Ahkuna bevorzugte den einfachen Boden.

»Das hat uns jetzt nicht wirklich weitergeholfen, oder?«, Slyk seufzte.

»Nein. Wir wissen jetzt zwar, dass deine Eltern einen seltsamen Sinn für Namen haben, aber das haben unsere ja auch«, seufzte Mana und streichelte das goldene Fell.

»Ich bin schon ziemlich glücklich, dass ihr es überhaupt versucht habt«, antwortete Fylgien und streckte sich auf dem Bett aus. »Und so schlimm ist es auch nicht, immerhin habe ich hier ein wirklich bequemes Leben.«

»Aber hast du denn kein Heimweh?«, wollte Ahkuna wissen.

»Doch, aber wo soll ich denn das Suchen beginnen?«

»Kannst du dich denn an gar nichts erinnern?«, wollte Slyk wissen.

»Nur das, was ich euch schon erzählt habe.«

»Da muss etwas sein, was wir übersehen haben…«, Mana ließ sich mit einem Seufzen nach hinten fallen und ging den vorangegangen Abend noch einmal durch. Sie hatte den weißen Wolf getroffen und war nach Hause gegangen. Sie hatte ihre Freunde gesucht, denn sie selbst konnte einfach nicht glauben, das Fylgien wirklich mit ihr sprach, doch auch die anderen verstanden den jungen Wolf. Und dann hatte er ihnen seine Geschichte erzählt und sogleich waren sie alle Feuer und Flamme gewesen, dem jungen Wolf zu helfen.

»Erzählst du es uns noch einmal?«, bat Ahkuna.

»Viel zu erzählen gibt es da ja sowieso nicht. Ich habe mir etwas genauer ansehen wollen, dabei bin ich von irgendwo runter gefallen und hier gelandet. In dieser Gestalt, irgendwo hier in der Gegend. Da kam ein Mann, hat mich in einen Käfig gesteckt und in die Stadt gebracht. Irgendwann kam dann der andere Mann vorbei und hat mich mitgenommen, mich aus dem Käfig geholt und mich den beiden Frauen vorgeführt, und dann seid ihr gekommen«, Fylgien legte seinen Kopf in Manas Schoß.

»Kannst du den Ort beschreiben, wo du herkommst? Vielleicht hilft uns das weiter«, überlegte Slyk und hatte damit eine ausgesprochen gute Idee. Sein Vater war immerhin der Kaiser von Navarre, er und seine Geschwister sind schon immer sehr viel herumgereist.

»Na ja, es ist sehr schön da, aber das behauptet wohl jeder von seinem zu Hause. Es gibt dort keine Tage, eigentlich herrscht dort immer Nacht, doch dunkel ist es fast nie. Lichter leuchten dort um einen herum und… ihr müsstet es einfach mal sehen, man kann es nicht beschreiben«, fand der junge Wolf und seufzte leise.

»Kannst du beschreiben, wie du ausgesehen hast, bevor du in die Wolfsgestalt gesteckt wurdest?«, wollte nun Ahkuna wissen.

»Na ja, so wie… alle eben…«, Fylgien konnte es nicht.

»Das bringt so nichts«, meinte Lif und stand auf.

»Was hast du vor?«, wollte Ahkuna wissen, als sie sein ernstes Gesicht sah.

»Wir können versuchen, ihm seine alte Gestalt wiederzugeben, vielleicht hilft uns das weiter«, meinte Lif und setzte sich im Schneidersitz Mana gegenüber, den Wolf in ihrer Mitte.

»Ich denke, solche Zauber sollten wir Papa überlassen, er kann Verwandlungen besser, als wir alle zusammen«, distanzierte sich die deutlich von der Idee.

»Dann lass uns zu ihm gehen. Versuchen müssen wir es, zumindest«, fand Lif und wollte wieder aufstehen, doch Slyk hielt ihn mit einem Kopfschütteln zurück.

»Ist das jetzt seine Geschichte, oder unsere?«, fragte er.

»Es ist Fylgiens Geschichte«, wies Ahkuna ihren Bruder zurecht, dann stand sie auf. »Lasst uns gehen.«

»Nein«, widersprach Mana.

»Wieso nicht?«, erstaunt schauten die anderen sie an.

»Papa ist nicht so blauäugig, er hat bestimmt erkannt, das Fylgien kein Wolf ist, und demnach auch sicher versucht ihm zu helfen. Da er jedoch immer noch so vor uns steht, glaube ich nicht, dass Papa ihm helfen konnte«, antwortete sie und streichelte das goldene Fell.

»Und wieso hat er ihn dann dir geschenkt?«, Ahkuna wirkte nicht überzeugt.

»Das weiß ich nicht, aber… ich glaube, das wir Fylgien helfen sollen… das ich ihm helfen muss. Ich hab noch einmal über den weißen Wolf nachgedacht, er hat erst Fylgiens Nase berührt, dann ist er zu mir gekommen. Als wollte er sagen, dass wir zusammengehören…«, nachdenklich zog sie den blauen Stern hervor.

»Er hat den Stein berührt, oder?«, Lif zog nachdenklich an den goldenen Ohren.

»Ja… dann hat er ganz hell geleuchtet«, bestätigte Mana.

»Vielleicht wollte er dir damit etwas sagen, dir ein Zeichen geben oder so«, überlegte Lif und stand wieder auf. Unruhig ging er im Zimmer auf und ab.

»Aber welches Zeichen soll einem schon ein leuchtender Stern geben?«, Mana wirkte mutlos.

»Der Polarstern. Vielleicht… vielleicht sollte es bedeuten, das wir nach Norden sollen?«, Ahkuna setzte sich nun ebenfalls aufs Bett.

»Oder das Kreuz des Südens. Vielleicht soll es ja auf ein Sternebild anspielen? Oder auf Sirius, den Hundestern«, Slyk seufzte, stand auf, komplimentierte Lif unsanft wieder auf seinen Stuhl, setzte sich dann wieder auf die Fensterbank. Das nervöse Umherstreifen seines Freundes machte ihn ebenfalls unruhig.

»Und was tun wir jetzt?«, Mana wirkte nicht zufrieden.

»Fylgien, was meinst du? Sagt dir eines dieser Worte was?«, Ahkuna schaute den goldenen Wolf fragend an.

»Nein. Ich… weiß auch nicht mehr, als ihr…«

»Nach Süden«, murmelte da plötzlich Mana.

»Was?«, Lif schaute seine Cousine fragend an.

»Wir reisen nach Süden, Fylgien«, sie beachtete ihn nicht weiter, sondern schaute den goldenen Wolf an.

»Nach Süden? Nach Navarre?«, Lif runzelte fragend die Stirn.

»Nein, an das südliche Ende der Welt! Dort, wo das Kreuz des Südens am Himmel leuchtet!«, Mana stand entschieden auf.

»Wieso? Woher nimmst du die Sicherheit, dort etwas finden zu können?«, wollte Slyk mit gerunzelter Stirn wissen.

»Weil hinter Navarre die bekannte Welt endet. Ich weiß nicht, was Fylgien passiert sein könnte, wie er hierher kam, aber kein Ort von dem ich je gehört habe ähnelt seiner Beschreibung. Aber hinter dem Horizont, jenseits von Navarre, da muss es doch noch mehr geben, vielleicht ist das jenes Land, aus dem er kommt«, erklärte sie entschlossen.

»Nach Navarre kommt nichts mehr. Wenn du die Wüste durchquert und auf der anderen Seite wieder am Meer bist, dann ist dort das Ende. Wenn du mit dem Schiff weiterfahren würdest, kämst du nur irgendwann in Wynter an«, widersprach Lif.

»Und woher weißt du das? Bist du je dort gewesen? Hast du je von jemandem gehört, der dort war?«, wollte sie wissen.

»Nein, aber wenn dort wirklich etwas läge, denkst du nicht, es hätte schon vor Jahrhunderten jemand gefunden?«, seine Stimme wurde sanfter.

»Ich weiß es nicht, Lif, ich weiß nur, das es eine Chance ist. Für Fylgien, und auch für mich«, antwortete sie.

»Für dich?«, Ahkuna schaute sie erstaunt an.

»Ja. Das ich endlich einmal etwas beweisen kann. Anderen und auch mir selbst. Ich werde einfach so weit reisen, wie es mir möglich ist. Willst du mit mir kommen, Fylgien?«, fragte sie den goldenen Wolf.

Der nickte langsam.

»Ob ich hier bleibe oder mit dir gehe nimmt sich nichts, außer, das ich auf deinem Weg vielleicht meinen finden kann. Also ja.«

»Dann brechen wir morgen auf«, beschloss Mana und stand auf.

»Du willst aber nicht alleine gehen, oder? Ich komme mit dir, Mana«, auch Lif stand auf.

»Aber das musst du nicht tun«, widersprach sie.

»Stimmt, ich muss es nicht, aber ich will es. Ich habe sowieso im Moment kein Ziel, das alles kam so plötzlich. Vielleicht finde ich ja auf dem Weg ein Ziel«, erklärte er.

»Ich komme auch mit. Im Moment hält mich hier nichts«, meldete sich Slyk.

»Und ich auch. Ich möchte wissen, ob Fylgien seinen Weg finden kann«, auch in Ahkunas Augen blitzte Entschlossenheit. So sah sich Mana ganz unverhofft einer ganzen Gruppe von Begleitern gegenüber. Sie lächelte.

»Gut, dann ziehen wir alle gemeinsam los. Lasst uns morgen früh schon aufbrechen, bevor uns der Winter überrascht«, schlug sie vor und ihre Freunde nickten.

So war es beschlossene Sache. Sie würden nach Süden reisen. Einer unbekannten Welt entgegen.

Nereide

»Sie werden uns auslachen«, prophezeite Slyk.

»Sie werden uns für völlig verrückt halten«, lachte Lif.

»Und ihr seid gemein«, fand Ahkuna und warf ihrem Bruder und ihrem Vetter einen bösen Blick zu.

»Wir sind nicht gemein, wir sind realistisch. Denkst du wirklich, irgendeiner hier wird sein Schiff dafür Opfern, ins Nichts zu fahren? Noch dazu ohne irgendetwas als Gegenleistung zu erhalten? Sei ehrlich, du würdest auch lachen«, fand Slyk mit gerunzelter Stirn.

Ahkuna biss sich auf die Lippe. Ihr Bruder hatte natürlich voll ins Schwarze getroffen, doch das wollte sie so direkt nicht zugeben.

»Es ist aber gemein, wenn sie Mana auslachen würden«, fand sie trotzig. Die kam in diesem Augenblick wieder zurück, Fylgien an ihrer Seite.

»Und? Haben sie dich für verrückt erklärt?«, wollte Lif sogleich wissen.

»Das… ist noch nett ausgedrückt«, seufzte die und kletterte auf eines der Fässer, auf denen auch ihre Freunde schon saßen.

»Keine Mitfahrgelegenheit also. Wie konnte und das bloß passieren, bei solch einer Reiseroute«, Slyks Stimme war voller Sarkasmus und ein Grinsen konnte er sich auch nicht verkneifen.

»Wieso, wo wollt ihr hin?«

Mana zuckte so heftig zusammen, das sie von dem Fass rutschte und auf Fylgien landete, der zu ihren Füßen gelegen hatte. Auch die anderen zuckten erschrocken zusammen, denn niemand hatte damit gerechnet, angesprochen zu werden, doch keiner von ihnen so sehr, wie Mana.

»Ganz ruhig, junge Dame… was tut ihr überhaupt hier?«, ein Mann mit dem typisch rotem Jarek-Haar trat an sie heran und musterte sie mit gerunzelter Stirn.

»Verdammt, Red! Musst du mich so erschrecken?«, fauchte Mana ihn an und versuchte aufzustehen, ohne dem goldenen Wolf noch mehr weh zu tun.

»Wissen eure Eltern, das ihr hier seid?«, der Onkel von Mana und Lif ließ sich nicht beirren.

»Nein, wissen sie nicht«, antwortete Lif und stand auf, um seiner Cousine aufzuhelfen.

»Und wieso seid ihr es dann? Ich denke nicht, das Lugh so erfreut sein wird, wenn er davon hört. Vermutlich terrorisiert er schon irgendwelche Leute, weil du nicht da bist, Mana«, Red runzelte vorwurfsvoll die Stirn.

»Wir sind alle freigesprochen worden, ihm kann es egal sein, wo ich bin, ich bin nicht mehr seine Schülerin«, erklärte sie, während sie besorgt nachsah, ob sie Fylgien verletzt hatte, doch der wirkte nur benommen.

»Dann gratuliere ich dazu, aber es ändert nichts daran, dass er noch immer dein Vater ist. Und verdammt, ich habe nie einen Mann gesehen, der so um das Wohl seiner Tochter besorgt war«, fand Red.

»Papa weiß, dass wir hier sind. So mehr oder weniger zumindest. Er weiß, dass wir fortgezogen sind, um unser Schicksaal zu finden und er weiß, dass ich nicht alleine bin. Ich bin mit seinem Segen gegangen«, erklärte sie fest.

»Und ihr?«, der Rotschopf schaute sie alle so ernst an, das Lif zögernd einen Schritt zurück machte, um Slyk zwischen sich und seinen Onkel zu bekommen.

»Wir auch«, erklärte Ahkuna mutig. »Mama und Papa wissen, dass wir hier sind. Sie… wissen nicht, was wir vorhaben, aber sie wissen, wo wir sind. Und mit wem und auch warum.«

»Und sie haben es euch erlaubt?«, Reds Stirnrunzeln wurde noch tiefer.

»Ja«, bestätigte Slyk. »Wieso auch nicht?«

»Weil das hier kein Ort für Kinder ist… hier treibt sich so viel Gesindel herum, das es mich wundert, das ihr überhaupt noch lebt, Zauberer hin oder her«, fauchte er und stieß Mana grob in eine Richtung. »Mitkommen. Alle und ohne Widerrede.«

Und das taten sie, erstaunt über die heftige Reaktion des Rotschopfes. Sie wussten, das gerade der Süden Navarres gefährlich war, da hier sehr viel Handel unter der Hand und mit verbotenen Gütern getrieben wurde, aber so gefährlich konnte es nun auch wieder nicht sein. Zumal Zauberer überall in der bekannten Welt mit Respekt behandelt wurden.

Red trieb sie in ein Gasthaus. Eines der besseren, teuren Gasthäuser der Hafenstadt. Dort deutete er Wortlos auf eine Ecke, um dann selbst erst zum Wirt zu gehen und mit ihn zu sprechen. Dann setzte er sich zu ihnen.

»So, jetzt können wir reden«, erklärte er.

»Warum machst du so einen Aufstand?«, wollte Lif wissen.

»Weil es hier sehr gefährlich ist. Es gibt kaum eine Stadt, in der ein Leben weniger wert ist. Ice versucht sein bestes, aber Navarre ist viel größer als Altena, deswegen hat er fast keinen Einfluss auf die entlegensten Winkel. Und als er die Slaverei verboten hat, hat er sich mehr Feinde gemacht, als vielleicht gut ist. Was meint ihr, was geschieht, wenn nun die Falschen erfahren, das zwei von seinen Kindern und dazu Verwandte seiner Frau hier durch die Stadt strolchen, und noch dazu ohne Eskorte oder Leibgarde?«, Red schaffte es, sie anzuschreien, ohne dabei nennenswert lauter zu sein, als wenn er leise spräche.

»Aber wir sind Zauberer, warum sollten wir angst vor gewöhnlichen Menschen haben?«, wollte Lif wissen.

»Weil euch alle Magie der Welt nicht mehr helfen kann, wenn euch jemand hinterrücks die Kehle durchschneidet. Zauberer können etwas, was Menschen nicht können, aber so unterschiedlich sind wir trotzdem nicht«, antwortete Red bissig. »So, und jetzt erklärt ihr mir bitte, was ihr hier tut.«

Daraufhin gingen die Augen zu Mana, die sich unsicher auf die Lippen biss.

»Also um es kurz zu machen: Wir wollen zum Südpol.«

Red schaute sie an, als wartete er auf den Rest ihrer Erklärung. Als nichts kam hob er eine Augenbraue an und schüttelte sprachlos den Kopf. Doch seine Stimme fand er schnell wieder.

»Hat euch Hope diesen Floh ins Ohr gesetzt? Dann muss ich euch leider auf den Boden der Tatsachen zurückholen, den Südpol gibt es nicht, das ist nur eine Geschichte aus seinen Büchern.«

»Bist du etwa über das Meer in die andere Richtung gesegelt? Oder wieso bist du dir da so sicher?«

»Niemand ist je auf die offene See hinausgesegelt, es wäre dumm«, antwortete Red verächtlich.

»Und woher weißt du dann, was dort liegt? Woher weiß es überhaupt jemand, wenn nie jemand diesen Weg gesegelt ist?«, argumentierte Mana. Da stutzte ihr Onkel. Er wirkte nachdenklich, dann nickte er langsam.

»Ich gebe es nicht gerne zu, aber du hast recht… aber das ändert nichts daran, dass du dennoch nicht weißt, was dich dort erwartet. Vielleicht kommt man nie wieder ans Festland, weil dort alle nautischen Mittel versagen und du den Rückweg nicht mehr findest. Vielleicht gibt es dort Wesen, die wir hier nicht kennen, die mächtiger sind, als wir. Vielleicht ist dort das Wasser von tausenden Graten durchsetzt und du reißt dir den Rumpf auf, bis du kenterst. Niemand weiß, was dort ist.«

»Genau deswegen ist es unser Ziel«, antwortete Lif darauf und lächelte mit leuchtenden Augen. Eine Welt, die zuvor wohl noch nie jemand erblickte weckte seinen Abenteuergeist.

»Ihr habt kein Schiff.«

»Und niemanden, der es führt. Keine Mannschaft, kein Kapitän. Nur den Mut für eine Reise ins Unbekannte und das Wissen, das wir es schaffen können«, meinte Ahkuna.

»Wir werden einen Weg finden. So dauert es vielleicht länger, aber auf kurz oder lang treffen wir jemanden, der genauso neugierig auf die unbekannte Welt ist, wie wir. Wer weiß, vielleicht finden wir ja einen neuen Kontinent. Etwas, was viel phantastischerer ist, als Altena, Navarre und die Grenzreiche«, Slyk seufzte sehnsuchtsvoll.

»Irgendwoher müssen die Mythen doch kommen. Die Geschichten über Drachen und Einhörner, über Greifen und Nixen, sie alle müssen einen Ursprung haben, irgendwo. Vielleicht ja dort«, überlegte Mana und lächelte.

»Nein, einige Ursprünge könnte ich dir nämlich so erklären… Aber okay. Ihr wollt übers Meer. Nach Süden. Einfach mal schauen, was hinter dem Horizont liegt…«, Red wirkte nachdenklich.

»Ja. Würdest… du uns helfen?«, Lif schaute seinen Onkel so bittend an, wie es ging. Jeder Hundewelpe wäre auf seinen Blick neidisch gewesen, doch Red ignorierte den Blick, starrte stattdessen nachdenklich vor sich hin.

»Wisst ihr, ihr habt mich… neugierig gemacht. Ich glaube, ich muss mal mit… einem alten Bekannten sprechen, vielleicht kann er euch ja weiterhelfen«, Red stand wie in Trance auf.

»Du willst uns helfen? Du weißt, das Lugh dich binnen Sekunden erledigt hat, wenn Mana etwas geschieht und er erfährt, das es deine Schuld ist?«, warf Lif ein.

»Erstmal… muss ich mit meinen Bekannten sprechen, danach kann ich mir über meinen Schwager Gedanken machen. Vor ihm hätte ich übrigens nicht mal am meisten angst… ihr habt Nea nämlich noch nie wirklich wütend erlebt…«, Red schwelgte noch einen Moment in Tagträumen, dann schüttelte er jedoch den Kopf. »Egal. Ihr bleibt hier, ich will nicht hören oder gar sehen, dass ihr euch wieder draußen herumtreibt. Oben im ersten Stock, die beiden Zimmer am Ende des Ganges sind eure. Ruht euch aus, esst von mir aus was, aber verhaltet euch still. Und sagt niemandem eure Namen, auch dem Wirt nicht.«

»Als wenn wir so dumm wären, unsere Schülernamen zu verraten«, schnaubte Lif verächtlich.

»Ich rede von euren gewöhnlichen Namen. Dass ihr die Schülernamen niemanden verratet hoffe ich für euch, aber im Moment sind eure normalen Namen fast genauso schlimm. Denkt euch von mir aus welche aus, aber am Liebsten wäre es mir, wenn ihr zu gar keinem irgendwelche Namen sagt. Auch nicht untereinander oder wenn ihr gefragt werdet, aber da kenne ich ja zumindest einen von euch nur zu gut«, sein amüsierter Blick ruhte auf seinem Neffen, der ganz genau wusste, das er gemeint war.

»Gut, wir werden uns still verhalten. Dafür kommst du so schnell du kannst mit Neuigkeiten zurück, okay?«, bot Mana an.

»Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich euch auch nur fünf Minuten länger als nötig alleine lassen würde…«, rief Red ihr über die Schulter noch zu, dann ging er. Und die anderen warteten brav. Sie diskutierten leise, wie sie nun weiter vorgehen sollten, bis der rothaarige Mann eine Stunde später wieder auftauchte. Er deutete ihnen von der Tür aus, mitzukommen und so standen sie Wortlos auf und folgten ihm.

Er führte sie auf die Docks, zu einem kleinen Segler. Mana verstand nicht viel von Schiffen, aber sie erkannte dennoch, dass es nicht dazu ausgelegt war, schwere Lasten zu transportieren. Es sollte schnell sein, nichts anderes.

»Niedliches Schiff«, kommentierte Lif.

»Eure Fahrkarte zum Südpol… falls es ihn gibt«, antwortete Red.

»Ist es hochseetauglich? Es wirkt viel zu leicht…«, fand Slyk.

»Dieses wunderschöne Schätzchen ist schon öfter auf hoher See gewesen, als ihr vier zusammen. Sie hat sogar schon den einen oder anderen Sturm durchsegelt. Sie ist schneller, als jedes Schiff hier im Hafen«, Reds Augen leuchteten vor Stolz, als er das Schiff betrachtete.

»Wie heißt sie?«, wollte Lif wissen.

»Nereide«, lächelte sein Onkel. Dunkel erinnerte sich Mana daran, das Hope einmal irgendetwas erzählt hatte, das Nereiden den Seeleuten halfen, aber sicher war sie sich nicht. Doch der Name gefiel ihr.

»Und wir dürfen mit ihr raus fahren?«, hakte sie noch einmal nach und Red nickte.

»Allerdings komme ich mit euch«, eröffnete er. Während Lif alles andere als begeistert aussah, war Mana das nur recht.

Red war anders, als seine Geschwister, denn obwohl er nach Nea der Begabteste war, hatte er sich schon früh dazu entschlossen, nicht den üblichen Weg eines Zauberers zu gehen. Er war Seemann, mit Leib und Seele. Er nutzt seine magische Begabung nur selten, er lebte weitestgehend wie ein Mensch, und dennoch war kaum jemand so willkommen auf nahezu jedem Schiff, wie er. Doch Mana wusste, das er am Liebsten auf der Ocean segelte, denn er war mit dem Kapitän gut befreundet und dass das Schiff den Namen einer seiner Schwestern trug, tat ein Übriges.

»Was bitte hast du eigentlich getan, das man dir so einen Gefallen schuldet?«, wollte Slyk neugierig wissen.

»Das geht dich nichts an. Aber es war nichts kriminelles, weder in Altena, noch hier in Navarre«, lächelte Red, deutete dann auf das Schiff. »Wollt ihr es euch nicht ansehen? Eigentlich dachte ich, das ihr gleich losstürzen würdet.«

Das ließen sich Lif und Slyk nicht zweimal sagen und stürzten los.

»Können wir es denn überhaupt nur zu fünft segeln? Auf den anderen Schiffen sind immer so viele nötig«, gab Ahkuna zu bedenken.

»Mit Magie geht das«, lächelte Red.

»Wann wollen wir auslaufen?«, erkundigte sich Mana.

»Sobald wir genug Proviant haben. Dann jederzeit.«

Mana nickte. Sie betrachtete erst das Schiff, dann schaute sie auf Fylgien hinab. Er wirkte nachdenklich, und auch ein wenig wehmütig, aber sie wollte ihn nicht nach dem Grund fragen. Stattdessen nickte sie Ahkuna zu und gemeinsam folgten sie den Jungen an Bord.

Lilith

»Hast du ihn je gefragt?«

Fylgien, der seinen Kopf in Manas Schoß gebettet hatte, hatte die Augen geschlossen und sprach nur sehr leise.

»Natürlich, aber er hat nur gelächelt. Weißt du, bei so was ist er eigentlich nie besonders Hilfreich, das ist mir schon früh aufgefallen«, antwortete sie und beobachtete, wie Slyk gerade Red dabei half, die Segel umzusetzen.

»Meinst du, er hat einen Grund dafür?«

»Bestimmt, aber… es ist ziemlich frustrierend, ihn nach so etwas zu fragen, eine klare Antwort erhält man fast nie. Manchmal… hab ich das Gefühl, das er nicht ganz richtig im Kopf ist. Ich weiß, so etwas sollte ich nicht über meinen Vater sagen, aber… im Dorf gibt es einen Schwachsinnigen. Er ist harmlos und eigentlich ein sehr lieber Mensch, alle mögen ihn. Aber trotzdem ist er irgendwie seltsam. Er sagt Dinge, die keinen Sinn ergeben, er hat sich schon mal um Mitternacht aus dem Haus geschlichen, um zu Yue ins Zimmer einzubrechen, weil er die Mondgöttin besuchen wollte. Und Papa ist… ähnlich. Er wirkt meistens ziemlich normal, aber manchmal… als wäre auch er Schwachsinnig, nur kann er es sehr gut verbergen…«, erklärte sie.

»Auf mich hat er nicht so gewirkt, sondern eher, als wenn er Dinge wüsste, die sonst niemand weiß«, fand Fylgien.

»So wirkt der Junge aus dem Dorf ja auch, das ist das Problem«, sie lächelte ein wenig.

»Wer weiß, vielleicht ist auch er nicht Schwachsinnig, sondern kann einfach nur hinter die Fassade sehen. Du bist das beste Beispiel dafür. Du lebst in dieser Welt, aber du hast nicht einmal die Grundsätze ihrer Ordnung verstanden. Ich weiß nicht, wieso, aber es scheint niemanden von euch zu interessieren. Ihr… lebt einfach. Das ist wunderbar und erschreckend zugleich«, Fylgien wälzte sich auf den Rücken und schaute sie aus seinen silbernen Augen an.

»Verstehst du etwa die Ordnung deiner Welt?«, erkundigte sie sich lächelnd. »Weißt du, welches Wesen welche Aufgabe hat? Welchen Sinn euer Dasein hat?«

»Niemand weiß, welchen Sinn unser Dasein hat. Die, die ihn kennen, sind so viel größer als wir, das sie sich nicht um uns kümmern werden. Aber ja, ich verstehe, nach welcher Ordnung meine Welt funktioniert, und ich weiß auch, nach welcher deine funktioniert«, erklärte er.

»Ist es denn wirklich so wichtig, das zu verstehen?«

»Eigentlich schon, aber… es ist seltsam, ihr habt keine Ahnung davon und trotzdem lebt eure Welt. Und sie ist wunderschön«, fand Fylgien verträumt.

»Im Moment eher nicht, im Moment mache ich mir eher sorgen«, Ahkuna sah blass aus, als sie sich neben Mana setzte.

»Wieso?«

»Red erwartet schlechtes Wetter… und zwar deutlich schlechter, als jetzt«, erklärte sie und deutete auf das unruhige Wasser.

»Einen Sturm?«, Mana schob Fylgien von ihrem Schoß und stand auf, als auch Slyk zu ihnen kam.

»Wo ist Lif?«, fragte er besorgt.

»Ich nehme an, an der Reling in Windrichtung«, Mana lächelte mitleidig. Lif hatte die Hochseefestigkeit von Cinder geerbt und die betrat ein Schiff nur, wenn es sehr eilig war. Sie wurde schon an einem ruhigen Tag auf einem Fluss Seekrank. So schlimm hatte es Lif zwar nicht erwischt, aber bei dem unruhigen Wetter, das aktuell herrschte, bewies er sehr eindeutig, dass aus ihm niemals ein Seemann würde.

»Red sagt, das wir am Besten unter Deck gehen sollen. Damit wir nicht von Bord geschleudert werden. Allerdings will er selbst oben bleiben und nach dem Rechten sehen, die Gewässer sind ihm nicht geheuer«, berichtete Slyk.

»Das kann er vergessen. Wen wirklich ein Sturm im Anmarsch ist, dann hat er hier draußen keine Chance. Und wenn wirklich etwas mit dem Schiff geschieht, dann ist das sowieso alles egal«, fand Mana und ging mit schnellen, forschen Schritten zu ihrem Onkel.

»Slyk sagt, das ein Sturm aufzieht«, begann sie.

»Und zwar ein ziemlich starker«, bestätigte Red.

»Meinst du, wir können den unbeschadet überstehen?«, fragte sie leise.

»Nein«, antwortete er wahrheitsgemäß. Er schaute sie einen Augenblick nachdenklich an, dann nickte er, als wäre er zu einem Schluss gekommen.

»Spürst du es?«, erkundigte er sich leise.

»Was?«, wollte sie wissen und spürte, wie sich Fylgien an sie drückte. Sie hatte nicht einmal gemerkt, dass er ihr gefolgt war.

»Die Magie verändert sich. Es ist nicht so, wie bei den magielosen Orten, das sie verschwindet, sie verändert sich nur.«

»Weißt du, was geschieht?«

Red seufzte.

»Ich wünschte, ich wüsste es. Das Einzige, was ich weiß ist, das ich diese neue Magie nicht benutzen kann. Ich habe es versucht, aber sie entzieht sich mir. So etwas hat es noch nie zuvor gegeben...«, er schaute in den Himmel hinauf, als es langsam zu regnen begann.

»Denkst du, dass es nur ein gewöhnlicher Sturm ist? Oder ein… magischer?«

»Ich weiß es nicht. Mana, ich weiß es nicht. Das ist mehr, als ich jemals für möglich gehalten habe. Ich hab Hope immer ausgelacht, als er sagte, das Cinder eigentlich eine Wölfin ist, die von der anderen Seite der Mauer kommt. Ich habe nur gegrinst, wenn sie von den Jahreszeiten erzählten, wie von wirklichen Personen. Jetzt lerne ich, das es wohl doch mehr gibt, als ich je zu erwarten gewagt hätte.«

»Hast du angst?«

In Angesicht dessen, das niemand von ihnen verstand, was gerade um sie herum geschah, das niemand wusste, ob sie es überleben würden, waren Alter und Status egal. Für sie blieb nur die Wahrheit.

»Ja.«

Da hörten sie einen ohrenbetäubenden Schrei. Erschrocken schauten sie hektisch um sich, um den Ursprung zu entdecken, Slyk und Ahkuna kamen zu ihnen gelaufen, und auch ein sehr blasser Lif kam hinzu.

»Was war das?«, fragte er mit großen Augen.

»Irgendetwas, was ich nicht treffen möchte«, antwortete Red und suchte den Himmel ab.

»Da!«, rief Ahkuna und deutete auf etwas, was nordöstlich von ihnen lag. Ein Schatten, eine Gestalt am Himmel, die rasend schnell näher kaum. Dabei wurde der Wind immer heftiger und auch der Regen wurde immer stärker.

»Was zur Hölle ist das?«, Red starrte ungläubig, in die Richtung, während Slyk schon loststürzte und einen Feldstecher holte. Als er wieder bei ihnen war, setzte er es selbst an und suchte den Himmel ab. Er brauchte nicht lange, um es zu finden, doch sein entsetzter Blick sagte, dass es ihm wohl lieber gewesen wäre, diese Gestalt niemals gesehen zu haben.

Er reichte Red wortlos den Feldstecher, der ihn voller Ungeduld entgegennahm und selbst hindurchblickte. Als er fand, was er suchte, erstarrte er.

»Was ist das…?«, flüsterte er heiser, während Mana ihm den Feldstecher aus der Hand riss. Sie brauchte nicht lange, um es zu finden, und auch sie starrte voller Unglauben auf das, was ihnen dort entgegenkam. Es war einfach nicht möglich. Nun nahm Ahkuna ihn entgegen, doch das merkte Mana schon gar nicht mehr, und es war auch fast unnötig, den mittlerweile war es so nahe heran, das man die Gestalt mit bloßem Auge erkennen konnte.

»Das ist… unmöglich…«, fand Ahkuna.

»Es ist alles möglich, man muss nur an den richtigen Ort gehen«, zitierte Mana flüsternd ihren Vater. Als sie nachdenklich in die Runde blickte, erkannte sie die Angst in den Augen ihrer Freunde. Die Angst vor etwas unbekannten, unbegreiflichen, nie da gewesenem.

Sie konnten nicht entkommen, das wussten sie alle, sie versuchten es nicht einmal. Stattdessen begegneten sie dem Wind, dem Regen und diesem Wesen mit einer stoischen Ruhe. Bis es heran war.

Sie zogen ihre kümmerlichen Waffen, den ein Zauberer brauchte kein Schwert oder einen Bogen, um sich zu verteidigen, doch das Wesen, das auf eine seltsame Art und Weise sowohl ein Vogel, als auch eine dunkelhaarige Menschenfrau zu sein schien, griff nicht an. Stattdessen setzte sie sich auf die Reling des Schiffes, schlug die Krallen ins Holz und beobachtete die fünf Zauberer und den Wolf.

Mana betrachtete sie genau. Sie war eigentlich sehr hübsch. Sie hatte langes, schwarzes Haar, statt Armen besaß sie schwarze Rabenflügel und anstelle von Füßen hatte sie schwarze Rabenklauen. Ihr nackter Körper und ihr Gesicht waren menschlich und eigentlich wirkte sie, wie eine sehr vornehme, edle Dame.

»Harpyie«, flüsterte Lif an ihrer Seite. Auch er hatte sie als jenes Wesen erkannt, das in so manchem ihrer Märchenbücher auftauchte. Sie konnte nicht wirklich sein, denn Fabeltiere, Harpyien, Greifen, Drachen, Einhörner… es gab sie nicht. Nicht in ihrer Welt.

»Was tut ihr in meinem Reich, Menschen?«, fragte die Harpyie böse. Ihre Stimme klang voller Hass und dennoch melodisch und sanft.

»Dein Reich?«, fragte Mana erstaunt.

»Ja! Geht, verschwindet, ihr habt hier nichts zu suchen!«, fauchte sie und ihre Federn plusterte sich auf.

Da trat Fylgien vor. Mana hatte nicht auf ihn geachtet, aber jetzt fiel ihr auf, dass er so gar nicht ängstlich oder auch nur unsicher wirkte. Im Gegenteil, er lächelte, als er sich vor der Harpyie niedersetzte.

»Lilith! Schön dich zu sehen«, begrüßte er sie freundlich.

»Er spricht?«, zischte da Red an ihrer Seite. Sie waren schnell übereingekommen, das Red nicht unbedingt etwas davon wissen musste, das Fylgien kein ganz so gewöhnlicher Wolf war, so wusste er weder, das sie das zu Hause des goldenen Tieres suchten, noch, das er eine sehr kommunikative Ader hatte und sehr gerne und viel sprach. Die Harpyie dagegen wirkte nicht erstaunt, stattdessen fauchte sie böse.

»Wer bist du, kleiner Wurm, und woher kennst du meinen Namen?«, wollte sie böse wissen.

»Erkennst du mich nicht? Ich bin es, Fylgien«, lachte der goldene Wolf, doch das wäre ihm fast zum Verhängnis geworden, denn er hatte noch nicht zu Ende gelacht, als Lilith schon ihre Klauen in die Bohlen des Schiffes gerammt hatte, nur Millimeter von ihm entfernt. Erschrocken starrte er sie an.

»Du bist nicht Fylgien«, fauchte sie böse, machte dann zwei Schritte zurück. »Ärgere mich nicht, das wird dir schlecht bekommen.«

»Aber Lilith…!«, der junge Wolf schien zutiefst erschüttert, aus großen Augen starrte er sie an, machte dann einige Schritte zurück.

»Sprich meinen Namen nicht aus!«, schrie die Harpyie, die keiner Harpyie war. Hope hatte Mana und Lif oft genug ins Bett gebracht, um vermutlich jede Geschichte zu kennen, die irgendwann irgendwer irgendwo jemals aufgeschrieben wurde. Und so wusste sie, das Lilith keine Harpyie war, sondern ein Sturmdämon. Die Geschichten über sie war vielfältig, doch so wütend wie diese wirkliche Lilith aussah, erschienen Mana nur jene realistisch, in der sie betrogen und verraten wurde.

Doch sie konnte sich darüber nicht mehr viele Gedanken machen, denn die hasserfüllten, gelben Augen wanderten von Fylgien zu Mana.

»Wir wollen nicht in deinem Reich verbleiben, wir wollen es nur durchqueren. Wir wollen sehen, was dahinter liegt«, versuchte die Rothaarige die Sturmdämonin zu besänftigen, doch die fauchte böse.

»Und das soll ich euch glauben? Ihr seid Menschen, ihr seid Lügner!«, schrie Lilith, bevor sie sich wieder in den Himmel schwang. Dort kreiste sie, dann stürzte sie sich abermals hinab, diesmal die Klauen vorgestreckt, mit denen sie den goldenen Wolf zerfetzen wollte, der so offensichtlich die Welt nicht mehr verstand.

Es war Ahkuna zu verdanken, das sie Fylgien nicht traf, denn geistesgegenwärtig schmiss sie mit aller Kraft den Feldstecher nach Lilith. Sie traf die Dämonin am Flügel, sodass die ihren Kurs nicht halten konnte und Fylgien verfehlte, stattdessen abermals ihre Klauen in den Boden rammte.

Jetzt erst wurde dem goldenen Wolf erst wirklich bewusst, dass er offensichtlich nichts Positives von Lilith, der so offensichtlich kannte, zu erwarten hatte. Er knurrte böse, war dann mit zwei Sätzen bei Mana, um sich dort eng an sie zu drücken.

»Du!«, fauchte Lilith und stürzte zu Ahkuna herum, wollte sich nun auf das Mädchen stürzen, das offensichtlich von der eigenen Courage erstaunt war, den für den Moment schaute sie nur starr vor sich hin, nicht verstehend, was geschehen war.

Doch Slyk stellte sich schützend vor seine Schwester und zückte sein Messer. Es war nur Zierde, es war kaum scharf genug, um ein Stück Brot auseinander zu schneiden, das wusste er, doch er hoffte, das sich die Dämonin davon zumindest irgendwie irritieren ließ.

Doch Lilith stürzte sich nicht auf Slyk und seine Schwester, stattdessen stutze sie und schaute abermals Mana an.

»Du hast es«, flüsterte sie leise.

»Was… habe ich?«, die verstand nicht, worum es ging.

»Natürlich! Du hast es!«, die Dämonen schrie noch einmal auf, dann stürzte sie sich auf Mana, doch bevor sie das Mädchen erreichte, leuchtete der Stein auf, den sie von ihrem Vater bekommen hatte und verhinderte, das Lilith sie erreichen konnte. Ihre Klauen kratzten ins Leere.

»Du hast es! Gib es mir, ich will es haben!«, schrie Lilith voller Verzweifelung und versuchte Mana irgendwie zu erreichen. Dabei liefen ihr Tränen über die Wangen, sie wirkte so hoffnungslos, so niedergeschlagen, das die Rothaarige ihr am liebsten gegeben hätte, was so sehr verlangt wurde, doch sie wusste nicht, was es war.

Doch die Verzweiflung hielt nicht lange an, denn als Lilith einsah, das sie Mana nicht erreichen konnte, glühten ihre Augen rot auf vor Hass.

»Ich kann es mir nicht nehmen, aber du solltest nicht bekommen. Sieh zu, wie du es schaffst, lebend dem Meer zu entkommen«, fauchte sie böse und schwang sich in dem Himmel. Dabei fegte ein solcher Wind über das Wasser, das es das Schiff fast auf die Seite schlug.

Keiner von ihnen blieb auf den Beinen, als die Nereide hin und her geschlagen wurde, wie ein Papierschiff in einem reißenden Fluss. Es war ein wahres Wunder, das in dieser ersten Instanz keiner von ihnen über Bord ging. Doch Lilith hatte nicht vor, sie zu verschonen. Sie ließ ihnen eine kurze Ruhepause, bevor der Sturm noch einmal mit voller Wucht lostobte. Und hier wurden sie alle ins Meer geschleudert.

Mana konnte keinen von den anderen sehen. Sie hatte genug damit zu tun, irgendwie über Wasser zu bleiben. Immerhin gewahr sie, das Lilith sich mit einem gehässigem Lachen wieder entfernte und sich das Meer ein wenig beruhigte, aber lange nicht genug, dass sie eine Chance gehabt hätte.

Im kalten Wasser wurden ihre Bewegungen immer langsamer, sie hatte angst. Sie sah nur das sturmgraue Meer um sich herum, nirgendwo ein Lebenszeichen ihrer Freunde, und auch das Schiff war verschwunden.

Sie begann zu weinen, sie wollte schon aufgeben, als das Meer plötzlich spiegelglatt wurde. Erstaunt schaute sie sich um und sah ihn auf dem glatten Wasser stehen. Der weiße Wolf, der unter diesem dämmrigen Licht eher grau und schmutzig wirkte.

»Gib nicht auf«, forderte er sie sanft auf.

»Hilfst du mir?«, fragte sie, als er langsam über das Wasser zu ihr trat.

Er antwortete nicht, aber als er vor ihr stand, schlang sie ihre Arme um seinen Hals und wurde von ihm auf das Wasser hinaufgezogen.

»Warum hilfst du mir? Wer bist du?«, fragte sie leise und hustete das verschluckte Wasser aus.

»Laufe auf den Pfaden deiner Vergangenheit, dann findest du einen Weg in die Zukunft«, erklärte er leise und berührte ihren Stein mit der Nase, der abermals hell aufleuchtete.

»Wo sind meine Freunde?«

»Das, was Lilith von dir haben wollte… verliere es nicht. Es könnte dein Glück bedeuten«, er dachte nicht einmal daran, ihr ihre Fragen zu beantworten.

»Was ist es denn? Was wollte sie von mir? Warum ist sie überhaupt Wirklichkeit? Ich verstehe es nicht…!«

»Kaum etwas ist so, wie es scheint. Was auf den ersten Blick wahr wirkt, könnte Falsch sein, und was böse und schlecht erscheint, ein wahrer Segen. Ein Schritt zurück kann dich deinem Ziel manchmal auch näher bringen.«

Damit wandte sich der Wolf um und ging. Sie rief nach ihm, bat, flehte, das er bleiben mochte, den sie hatte angst vor der Einsamkeit, doch er ging. Da brach ein Lichtstrahl durch die Wolkendecke und der weiße Wolf erstrahlte in dem Licht, als wäre er selbst es, der leuchtete.

Dann verschwand er, ebenso spurlos, wie schon beim ersten Mal. Er hatte zwar keine Einzige ihrer Fragen beantwortet, doch hatte sie trotzdem das Gefühl, das er ihr ein paar sehr wichtige Dinge verraten hatte.

Doch bevor sie sich darüber Gedanken machen konnte, griff die Schwärze nach ihren Gedanken und führte sie fort. Als sie wieder erwachte, war sie dem Meer entkommen.

Gedankenaustausch

Sonnenschein weckte Mana. Sie fühlte Sand unter sich, als sie in die Sonne blinzelte, dann drückte sie sich umständlich nach oben.

»Wach?«, fragte eine vertraute Stimme. Sie schaute zur Seite und gewahr Fylgien, der sie wölfisch anlächelte.

»Fylgien… wo sind wir?«, fragte sie und wollte aufstehen, doch irgendwie gelang es ihr nicht.

»Auf einer Insel. Glaube ich zumindest… du musst die Vorderpfoten schon zur Hilfe nehmen, sonst wird das mit dem Aufstehen nichts«, lächelte er. Aus großen Augen starrte sie entsetzt an.

»Pfoten?«, fragte sie ungläubig, bevor sie hinabblickte. Und er hatte Recht, sie besaß Pfoten. Weiße Pfoten, die weiter oben in rotes Fell übergingen.

»Warum… bin ich ein Wolf?«, sie war lange nicht so erstaunt, wie sie wohl hätte sein sollen. Sie kannte die Geschichte, wie ihr Vater zu seinem weißen Haar und seinen Nordlichtaugen gekommen war, ihre Mutter hatte sie ihr oft genug erzählt, und das war eine der wenigen Geschichten, die sie auch wirklich glaubte.

Doch bei ihr sah die ganze Situation als solche ja anders aus, deswegen verstand sie es nicht. Und trotzdem war sie nur mäßig erstaunt. Es hätte sie mehr gewundert, wäre sie ein Vogel oder eine Katze gewesen. Die Wölfe waren nicht Grundlos das Wappentier ihrer Familie.

»Ich weiß es nicht, aber…«, Fylgien wandte schüchtern den Blick ab.

»Aber was?«, fragte sie neugierig und betrachtete das, was sie von sich sehen konnte. Ihre Beine, sowohl vorne, als auch hinten, waren rot, die Pfoten und der hintere Teil ihrer Beine dagegen weiß. Ihr Rücken war komplett weiß, ihre Schenkel zierte dagegen ein roter Stern und auch ihre Rutenspitze war rot.

»Nichts Wichtiges.«

»Bin ich wenigstens hübsch?«, sie wedelte mit der buschigen Rute ein wenig Sand beiseite.

Fylgien starrte sie so erschrocken und entsetzt an, das sie laut auflachte.

»Nein, du musst da nicht drauf antworten«, kicherte sie. Dann schaute sie sich suchend um. »Hast du die anderen gesehen?«

»Nein, aber ich hab sie auch nicht gesucht. Wer weiß, was hier so alles lauert, ich wollte lieber sichergehen, das dir nichts geschieht.«

»Stattdessen sollen lieber die anderen gefressen werden?«, lachte sie, zwinkerte ihm aber verschwörerisch zu, bevor sie übermütig über den Sand sprang.

»Nein, aber wenn ich sie nicht finde, und dich in der Zeit jemand frisst, wäre ich ganz alleine gewesen, und das wollte ich auch nicht«, erklärte sich der goldene Wolf, als er ihr langsam folgte.

»Du musst dich nicht rechtfertigen, Fylgien. Aber lass sie uns jetzt suchen, vielleicht stecken sie ja in Schwierigkeiten«, erklärte sie ernst über die Schulter. Dann zögerte sie jedoch, setzte sich hin und schaute auf das Meer hinaus.

»Fylgien, ich hab den weißen Wolf wieder getroffen. Er hat mich aus dem Wasser gezogen, er hat mir das Leben gerettet. Wer ist er?«, sie schaute ihn nachdenklich an. »Und wer bist du? Woher kennst du Lilith?«

Der goldene Wolf zögerte, dann legte er sich neben sie in den Sand.

»Eigentlich ist sie eine sehr gute Freundin von mir. Ihr wurde… sehr übel mitgespielt, deswegen verließ sie eure bekannte Welt und zog sich nach… Midgard!«, er sprang auf und schaute auf den Wald, direkt auf den Strand folgte.

»Midgard?«, der Name klang so seltsam vertraut. Sie kannte ihn, sie wusste nur nicht, woher.

»Ja, das hier ist Midgard. Lilith lebt in der Nähe von Midgard, also ist es eine Insel… und eine ganz besondere noch dazu, denn hier herrscht eine andere Ordnung der Welt, als in deiner Heimat. Das ist das besondere an deiner Welt, denn hier herrschen verschiedenen Ordnungen nebeneinander, das hab ich nie zuvor gesehen…«, Fylgiens Augen leuchteten, als er in den Wald blickte.

»Zwei Weltenordnungen…?«, Mana schüttelte entschieden den Kopf. »Warte, das geht mir jetzt zu schnell. Woher weißt du das denn schon wieder? Und woher kennst du nun Lilith?«

Langsam wandte sich der goldene Wolf von Wald ab und wieder dem Mädchen zu.

»Fangen wir bei Lilith an. Weißt du, sie ist so alt, wie die Welt. Sie hat schon gelebt, als an euch Zauberer noch keiner dachte, und da ist sie einmal von einem Menschen betrogen worden. Er hat ihr erzählen wollen, dass sie einander gleichgestellt wäre, und hat sie dann zur Sklavin machen mögen, doch sie war eine starke Frau. Sie ließ es nicht geschehen und ging hinaus in die Welt. Doch der Hass über diese Lüge, und die Verachtung, die ihr von allen Seiten entgegenschlug nistete sich so sehr in ihr Herz, das sie zu einer Dämonin wurde. Sie floh aus eurer Welt in diese, wo sie lernte, sich die Winde untertan zu machen und sie blieb hier. Aber…«, er legte sich wieder an ihre Seite und schaute lange aufs Meer hinaus, bevor er weiter sprach.

»Sie ist nicht wirklich böse. Ihr Herz ist vor Hass zerfressen, aber dafür kann sie nichts. Eigentlich ist sie nur sehr, sehr einsam. Sie hat mich oft besucht, wir waren gute Freunde. Wenn sie mich erkannt hätte, dann hätte sie mir nichts getan«, Fylgien sprach mit solcher Überzeugung, das Mana nicht eine Sekunde daran zweifelte.

»Und… Midgard? Was ist Midgard? Ich kenne es, aber… ich weiß nicht, woher…«, auch Mana legte sich nun nieder.

»Midgard ist eine Insel. Sie ist nicht einmal besonders groß, aber hier leben Wesen, die… so unbeschreiblich sind… Sie lenken das Gefüge dieser Welt… nicht sie alleine, aber sie haben so großen Einfluss darauf… Wenn sie es wollten, könnten sie die Herrschaft der Jahreszeiten sofort vernichten, stattdessen jedoch ziehen sie sich immer weiter zurück…«, Fylgien wirkte, als suchte er verzweifelt nach einem Wort, das die Größe von Midgard auch nur entfernt gerecht wurde, doch er fand keines, schüttelte stattdessen den Kopf. »Erzähl mir von dem weißen Wolf.«

»Er ist über das Wasser gelaufen. Er kam zu mir, als ich schon aufgeben wollte, er hat mich auf das Wasser gezogen. Und dann hat er gesagt, das ich auf vergangenen Wegen laufen soll, damit ich einen Weg in die Zukunft finde, und das ich mir das, was Lilith haben wollte, nicht wegnehmen lasse soll, denn es könnte mein Glück bedeuten. Und, das kaum etwas so ist, wie es scheint, das Gut manchmal auch Böse ist, und anders herum«, berichtete sie leise.

»Er scheint dich zu kennen«, bemerkte Fylgien.

»Aber ich… habe keine Ahnung, wer er ist. Warum hilft er mir? Oder hilft er mir letztlich gar nicht, sondern spielt nur mit mir?«, sie seufzte.

»Du musst seinem Rat ja keine Folge leisten, du kannst auch etwas völlig anderes tun. Er kann es nicht beeinflussen«, gab Fylgien zu bedenken.

»Manchmal kann man durch ein kleines Wort mehr beeinflussen, als man meint…«, sie seufzte und legte ihren Kopf auf die Pfoten.

»Wie meinst du das?«, erkundigte sich Fylgien leise.

»Na ja... wenn du ein Kind bist, und die Eltern dir etwas verbieten, dann willst du es erst recht tun. Oder wenn dir jemand einen guten Rat gibt, du die Person aber nicht magst, dann tust du manchmal das genaue Gegenteil, obwohl du weißt, dass es falsch ist. Oder auch mit dem Wolf. Ich weiß einfach nicht, ob ich ihm glauben schenken kann. Wenn er mir böses will, und ich ihm vertraue, dann kann das zu einer Katastrophe führen, wenn ich allerdings das Gegenteil tue, er mir aber wohl gesonnen ist, dann kann das genauso schlecht enden. Kleine Worte… sie bewirken manchmal mehr, als man denkt…«, erklärte sie.

»Aber… daran hast du eben nicht gedacht. Welche Worte meintest du wirklich?«, flüsterte der goldene Wolf. Da zögerte Mana.

»Weißt du, manchmal kann man einem Menschen sehr, sehr wehtun, ohne dass man es sich vielleicht bewusst ist… Manchmal, da…«, sie seufzte. »Weißt du, meine Eltern sind nicht verheiratet. Ich bin ein uneheliches Kind und… ich weiß nicht, wie das bei euch ist, aber hier ist das die unterste Schicht. Wenn man nicht einen wohlwollenden, mächtigen Vater hat, hat man eigentlich keine Chance. Niemand will einen als Lehrling aufnehmen, niemand will einen als Aushilfe anstellen, man wird zum Betteln gezwungen. Man wird als Bastard beschimpft, die Mutter, obwohl eine eigentlich ehrbare Frau, ist selbstverständlich eine Hure...«

»Das ist grausam«, fand Fylgien und starrte sie entsetzt an.

»Ich weiß. Aber so ist es nun einmal. Ich habe glück, mein Vater fühlt sich für mich verantwortlich. Er gibt mir die Möglichkeit, ein gutes, anständiges Leben zu führen. Er müsste es nicht tun, niemand würde ihm einen Vorwurf machen. Auch meine Mutter hat durchaus die Wahl, aber auch sie hat sich für uns entschieden… aber was ich eigentlich sagen will ist… all diese Menschen, die auf mich und meine Geschwister hinabschauen, die uns beschimpfen, die uns schlecht machen… sie alle vergessen nur allzu leicht, das es uns durchaus trifft, wenn man so mit uns umgeht, sie vergessen, das wir keine Tiere sind, denen es egal ist, wie du sie nennst… Ein Hund freut sich noch genauso, wenn du ihn streichelst, ob du ihn nun Hund oder Frosch nennst… Aber wir Menschen nicht, uns können Worte weh tun… Und manchmal schaffen sie es sogar, dass man von sich selbst denkt, dass man das wäre, was andere behaupten…«

»Denkst du wirklich, Worte haben solch eine Macht?«

»Ich weiß es. Wir hatten mal einen Stallburschen, der hat sich fast überschlagen, wenn mein Vater in der Nähe war. Es hat lange gedauert, bis er begriffen hat, dass mein Vater auch nicht anders ist, als er. Er wurde so oft von irgendwelchen verwöhnten Kindern beleidigt und erniedrigt, das er am Ende selbst irgendwann glaubte, das sie mehr wert sind, als er… zumindest solange, bis mein Vater ihn einstellte und dafür sorgte, dass es nicht mehr schlecht behandelt wurde, denn das ist einer seiner Grundsätze. Alle auf der Welt sind gleich. In Wynter hat er es durchgesetzt, dort hat keiner mehr angst vor dem König von Altena. Respekt, aber keine Angst«, es war eindeutig Stolz, der in Manas Stimme mitschwang. Fylgien schaute sie einen Moment lang an, dann nickte er lächelnd und stand auf.

»Weißt du, bei mir zu Hause spricht man nicht sehr viel, man versteht sich ohne Worte. Aber ich glaube dir, dass Worte mächtig sind. Sag… verrätst du mir, welche Macht eure Schülernamen haben?«, fragte er. Auch Mana stand auf und begann, den Strand entlang zu laufen.

»Sie sind mächtig, denn sie zeigen dich selbst. Wenn du den Schülernamen von jemand anderen kennst, dann kennst du sein wahres Wesen, du kannst ihn beherrschen, du kannst mit ihm tun, was immer du willst. Deswegen ist es auch der größte Vertrauensbeweis, den dir jemand machen kann«, erklärte sie.

»Was geschieht, wenn jemand deinen Namen sagen würde? Kennt ihn eigentlich jemand, außer dir?«

»Mein Meister kennt ihn. Mein Meister hat ihn mir gegeben. Sonst kennt ihn niemand, und niemand hat ihn je gegen mich verwendet… ich weiß nicht, was geschehen würde. Es ist nie geschehen«, erklärte sie und lächelte. Darauf nickte der goldene Wolf nachdenklich.

Sie liefen schweigend weiter, suchten nach einem Lebenszeichen ihrer Freunde. Sie fanden bald Pfotenabdrücke und der Geruch sagte ihnen, dass sie von Lif waren. Sie schauten sich nur kurz an, dann liefen sie schnell weiter. Sie entdeckten bald schon in der Ferne einen Wolf in der Farbe, die auch Lifs Haar hatte, sodass sie sich ziemlich sicher waren, den Richtigen gefunden zu haben.

Er saß bei einem Tier, das sie nie zuvor gesehen hatten. Es war klein, besaß einen roten Rücken und schwarze Beine und einen schwarzen Bauch. Der Schwanz war hell und dunkelrot gestreift, auch im Gesicht besaß es weiße Streifen.

Die beiden standen voreinander, das kleine Wesen sprang immer auf und ab. Sie rannten los, wobei Mana mit einem Satz über die beiden hinwegsetzen musste, sonst wäre sie gegen Lif gelaufen.

»Hey ihr zwei!«, rief sie.

»Mana? Geht es dir gut?«, fragte Lif und berührte sie an der Nase.

»Natürlich«, sie schaute auf das kleine Wesen, das böse Lif anblitzte. »Wer ist das?«

»Red«, lachte Lif und begrüßte auch Fylgien mit einem Nasestupsen.

»Red?«, fragte Mana erstaunt und stupste auch ihn an, doch das kleine Wesen war nicht besonders schwer, sodass sie ihn auf die Seite stieß.

»Ja, tut mir ja Leid, das ich anders bin, als ihr«, fauchte er böse und stand wieder auf.

»Und was genau bist du?«, erkundigte sich Mana und legte sich belustet in den Sand.

»Ein kleiner Panda oder Katzenbär. Sie leben im östlichen Reich, nicht in Altena«, erklärte Lif.

»Niedlich. Wenn wir wieder zu Hause sind, wirst du mein Haustier, oder?«, lachte Mana, doch natürlich meinte sie es nicht ernst. Sie fand, dass sich nur sehr wenige Tiere dafür eigneten, als Haustiere gehalten zu werden, sie würde niemals ein Wildtier in ein Haus sperren.

»Vielleicht sollten wir erst einmal den Rest suchen, da fehlen noch zwei«, fauchte Red und sprang über den Sand in jene Richtung, der auch Fylgien und Mana gefolgt waren. Doch schon als er stehen blick und zurückschaute, kam eine schwarze Wölfin mit weißen Abzeichen aus der Ferne angesprungen. Es war Ahkuna.

»Da seid ihr ja!«, rief sie erleichtert aus. Sie wurde beim Näher kommen langsamer, blieb dann stehen und begrüßte sie alle ebenfalls mit einem Nasestupsen und warf dann den Pony zurück, den sie auch in ihrer Wolfsgestalt behalten hatte.

»Fehlt nur noch Slyk«, meinte Lif.

»Der kommt auch gleich«, lachte Ahkuna. Und sie behielt recht, nur kurze Zeit später kam auch ihr Bruder näher. Auch er hatte überwiegend schwarzes Fell, dazu einige weiße Abzeichen und ein blaues Muster unter einem Auge.

»Seid wann bist du so schnell, Ahkuna?«, erkundigte er sich keuchend, doch seine Schwester lächelte nur.

»Gut, wir sind also alle wieder zusammen, und es geht uns allen gut. Was tun wir jetzt?«, Mana setzte sich in den Sand und schaute fragend auf Fylgien.

»Wir gehen zu Yggdrasil«, fand er und schaute zum Wald hinüber.

»Yggdrasil? Was ist das?«, wollte Slyk wissen.

»Eine Esche in der Mitte von Midgard. An ihrem Fuß leben die Nornen, und die werden uns gewiss helfen können«, erklärte Fylgien.

»Woher weißt du das alles?«, erkundigte sich Lif erstaunt.

»Ich fand eure Welt immer schon sehr interessant«, antwortete der goldene Wolf und lächelte schüchtern.

»Also spätestens jetzt machst du mich wirklich neugierig… Wer bist du?«, Slyk setzte sich verblüfft. Doch darauf wusste Fylgien keine Antwort. Er zögerte kurz, dann schüttelte er den Kopf.

»Jemand, der eure Welt sehr gerne und sehr lange beobachtet hat. Ich weiß viel über sie. Daher kenne ich auch Midgard«, antwortete er.

»Ich denke, wenn wir dein zuhause gefunden haben, werden wir es verstehen… Lasst uns gehen«, fand Mana und lief voran. Die anderen folgten.

Llew

Der Wald war dicht und so voller Gestrüpp, sodass ein Durchkommen alles andere als leicht war, doch auf vier Pfoten schafften sie es. Dabei trugen sie abwechselnd Red, denn mit seinen kurzen Beinen kam er alleine nicht voran.

»Sobald wir wieder zu Hause sind, setz ich dich auf Diät«, brummte Lif das Tier auf seinem Rücken an.

»Geh lieber mal für zwei Wochen auf ein Schiff, dann würdest du jetzt nicht so jammern«, antwortete sein Onkel bissig.

»Der Weg ist nicht mehr weit«, lächelte Fylgien, doch da hörten sie ein Geräusch, das ihnen nicht geheuer war.

»Gibt es auf Midgard irgendetwas großes, böses, das uns gefährlich werden könnte?«, wollte Ahkuna ängstlich wissen und duckte sich unwillkürlich.

»Ein… ein bisschen was schon, ja«, nickte Fylgien und stand dermaßen unter Spannung, das er wirkte, wie eine festgespannte Sprungfeder.

»Könnte das eben dieses bisschen gewesen sein?«, erkundigte sich Slyk misstrauisch.

»Theoretisch schon, ja«, bestätigte der goldene Wolf.

»Dann sollten wir uns schleunigst etwas ausdenken, wie wir möglichst schnell möglichst viel Platz zwischen uns und unserem aktuellen Standort kriegen«, fand Lif und schaute sich unruhig um.

Da hörten sie ein lautes Knacken, das sie alle erschrocken zurückspringen ließ. Angespannt blickten sie sich um, doch gerade, als sie wieder entspannt aufatmen wollten, ließ sie ein dunkler Schatten, der auf sie zusprang, so erschrecken, dass sie in alle Richtungen davon stoben.

Mana bemerkte erst, das sie wieder alleine war, als sie beim Sprung über einen Baumstamm mit ihrer Pfote hängen blieb und schwer stürzte. Es war einfach niemand da, der ihr aufhalf oder zumindest fragte, ob sie sich was getan hätte.

Sie stand umständlich wieder auf, konnte nur unter Schmerzen stehen, denn der Hinterlauf, mit dem sie hängen geblieben war, blutete stark. Haut und Fell hingen nur noch in Fetzen daran, das bloße Fleisch war voller Dreck. Zudem schmerzte ihre Schulter schwer, auf die sie gefallen war, sodass sie leise fiepte und sich schutzsuchend umschaute. So konnte sie niemandem entkommen, der hier böses wollte, also brauchte sie einen Unterschlupf, bis jemand kam und ihr half.

Sie wollte gerade um den Baumstamm herumhumpeln um zu sehen, ob er hohl war, als sie Stimmen hörte.

»Wir kennen sie«, flüsterte ein raues Krächzen.

»Aber sie war schon lange wieder fort«, antwortete ein anderes raues Krächzen.

»Wieso ist sie wieder hier?«

»Vielleicht sucht sie etwas…«

Zwei Vögel flatterten aus den Bäumen auf den Waldboden herab. Es waren beides eindeutig Raben, doch besaß der eine das übliche schwarze Gefieder, während der andere schneeweiß war. Zudem hatten sie unheimliche rote Augen.

»Ich bin kein Aas, verschwindet«, knurrte sie unsicher, denn sie wusste, dass sich Raben gerne am toten Fleisch gütlich taten.

»Wir fressen dich nicht«, beruhigte sie der Schwarze.

»Niemals kämen wir auf die Idee«, fügte der Weiße hinzu.

»Was wollt ihr dann von mir?«, Mana waren diese seltsamen Vögel nicht ganz geheuer.

»Wir wollen nur wissen, was du hier tust?«

»Immer noch, oder schon wieder?«

Mana verstand nicht, was die Vögel meinten. Im Gegenteil, die beiden Vögel waren ihr zutiefst suspekt, obwohl sie spürte, dass sie keine Angst zu haben brauchte.

»Wer… seid ihr?«, erkundigte sie sich zögernd.

»Gedanke«, erklärte der Schwarze.

»Erinnerung«, meinte der Weiße. Doch beides half dem Mädchen nicht gerade weiter.

»Gedanke und Erinnerung? Sind das eure Namen?«, fragte sie weiter.

»Das ist, was wir sind.«

»Unser wahres Wesen.«

Da spürte das Mädchen, wie eine dunkle Erinnerung in ihr Bewusstsein trat. Gedanke und Erinnerung, sie hatte die beiden durchaus schon einmal getroffen. Doch wann? Wo? Und wieso?

»Ich kenne euch, aber ich weiß nicht, woher«, beichtete sie leise.

»Natürlich kennst du uns«, lachte der Schwarze.

»Wie solltest du uns auch vergessen?«, kicherte der Weiße.

»Dann sagt mir doch bitter, woher ich euch kenne«, bat sie eindringlich.

»Du bist schon einmal hier gewesen, mein Kind.«

Erst, als es der Schwarze ausgesprochen hatte fiel Mana wieder ein, was der weiße Wolf gesagt hatte. Sie musste durch ihre Vergangenheit laufen um ihre Zukunft zu finden. Und dies hier war offensichtlich ihre Vergangenheit.

»Helft ihr mir?«, fragte sie gerade heraus.

»Wobei?«, erkundigte sich der Weiße.

»Ich muss meine Freunde finden. Und dann müssen wir einen Weg finden, um Fylgien nach Hause zu bringen.«

»Den kleinen Lichtbringer wollt ihr wieder nach Hause führen?«, der Schwarze wirkte ein wenig erstaunt.

»Obwohl der Weg so weit und gefährlich ist?« auch der Weiße schien das nicht als selbstverständlich anzusehen.

»Wisst ihr denn, wo sein zu Hause liegt?«

»Natürlich.«

»Aber wir verraten es dir nicht.«

»Wieso?«, langsam wurde Mana wütend über die beiden zu groß geratenen Spatzen.

»Weil wir damit dein Schicksaal bestimmen würden. Du musst den Weg alleine finden.«

»Damit du auf dem Weg sich selbst finden kannst.«

Das klang viel besser. Mana hatte immer noch damit zu kämpfen, dass sie sich nicht genau definieren konnte. Sie war in ihren Augen nur irgendwer, ohne besondere Bedeutung, ohne Charakter, ohne Individualität. Sich selbst finden dagegen sprach ihr voll und ganz zu, nur wie sollte sie das anstellen?

»Könnt ihr mir einen kleinen Rat geben?«, bat sie.

»Hugin und Munin können einen nur immer noch mehr verwirren mit ihren Pseudo-Antworten, versuch es gar nicht erst«, warnte sie eine Stimme. Erschrocken fuhr sie herum, um dann angespannt auf den jungen Wolf zu blicken, der von Oben auf sie hinabschaute.

Allerdings merkte sie schnell, dass er nichts Böses wollte, denn er stand dort völlig entspannt und schaute sie neugierig aus seinen hellblauen Augen an, die grauen Ohren hingen eher am Kopf, als das sie gespitzt waren.

»Wer bist du?«, erkundigte sich Mana angespannt.

»Llew«, machte der Wolf.

»Was?«, sie neigte fragend den Kopf.

»Llew, das ist mein Name«, der Wolf sprang zu ihr auf den Waldboden hinab. Er ging steifbeinig um sie herum, hatte dabei stolz den Kopf und die Rute angehoben, schnappte warnend nach den beiden Raben, als er an ihnen vorbei ging. Er blieb vor ihr stehen und bleckte gut gelaunt die Zähne zu einem Grinsen.

»Wer bist du?«, erkundigte er sich.

»Mein Name ist Mana«, antwortete sie verunsichert.

»Mana, ja?«, Llew schaute sie nachdenklich an, dann sprang er unvermittelt auf den schwarzen Raben zu, der erschrocken aufflatterte.

»Verschwindet, ich kümmere mich jetzt um sie!«, rief er den Raben zu. Die flatterten davon, jedoch nicht, ohne ihm einen bösen Blick zugeworfen zu haben.

»So, jetzt sind wir also unter uns, meine hübsche Dame«, lächelte er und setzte sich hin.

»Ja…«, sie war davon nicht ganz so begeistert, wie er es offensichtlich war.

»Du brauchst keine angst vor mir zu haben, ich werde dir nichts tun, das verspreche ich dir.«

Er stand wieder auf und trat an ihre Seite, leckte dann über ihre Wunde. Sie zuckte zusammen und fuhr herum, doch er schaute sie nur gelassen an.

»Wenn du den Dreck drinnen lässt, entzündet es sich nur«, erklärte er ruhig und senkte wieder den Kopf um weiterzulecken.

»Warum hilfst du mir?«, wollte Mana misstrauisch wissen.

»Warum nicht?«, er lächelte und leckte dann weiter. Und das Mädchen wartete geduldig, bis er fertig war.

»Normalerweise hilft man Fremden nicht einfach so«, erklärte sie dann.

»Normalerweise trifft man aber auch nicht allzu viele Fremde in Midgard. Du kommst von außerhalb, oder?«

»Außerhalb? Meinst du nicht von der Insel?«

»Ja.«

Mana humpelte umständlich zum Baumstamm und legte sich daneben hin.

»Ja, ich komme von Außerhalb. Ich bin mit meinen Freunden hier, unser Schiff ist gesunken und wir sind hier angespült worden. Ich habe sie verloren, als wir auf den Weg zu Yggdrasil waren… sagt dir das was, Yggdrasil?«, sie schaute ihn fragend an.

»Natürlich. Die Weltenesche Yggdrasil, sie verbindet Udgard, Midgard und Asgard Mitteineinander. Warum wolltet ihr dorthin laufen?«

»Fylgien sagte, dass dort die Nornen leben und dass sie uns wahrscheinlich helfen werden«, erklärte sie.

Llew neigte nachdenklich den Kopf.

»Helfen… vielleicht. Manchmal tun sie es, manchmal nicht. Es kommt darauf an, welche Fragen man ihnen stellt… Kannst du laufen?«

»Ich weiß nicht… es tut so weh«, Mana versuchte zwar, den Schmerz zu ignorieren, doch natürlich gelang es ihr nicht.

»Das ist… nicht gut. Denkst du, das ich dich kurz alleine lassen kann?«

Mana wirkte nicht begeistert.

»Hier gibt es… doch keine bösen Ungeheuer, oder? Fylgien hat so etwas in der Richtung erwähnt…«, erklärte sie leise.

»Dann… muss ich mir was überlegen…«, der junge Wolf legte sie ebenfalls hin, denn er hatte sehr gut verstanden, dass er Mana nicht alleine lassen konnte. »Mir fällt bestimmt etwas ein.«

»Ist der Weg denn weit?«

»Ein gutes Stück ist es schon noch und mit der Pfote gewiss zu weit für dich… und alleine kann ich es leider nicht«, Llew grinste schief.

»Alleine kannst du was nicht?«, wollte das Mädchen misstrauisch wissen.

»Dich tragen«, er grinste.

»Du musst mich nicht tragen«, sie stand wieder auf und humpelte an ihm vorbei. Sie konnte kaum laufen und es tat entsetzlich weh, aber dieser junge Wolf machte sie nervös. Er hatte etwas an sich, das sie nervös machte, denn sie konnte es nicht einordnen. Er kam ihr so seltsam vertraut vor, obwohl sie sich sicher war, niemals vor Fylgien mit einem Wolf Freundschaft geschlossen zu haben.

»Wenn du meinst… aber ich warne dich, der Weg ist wirklich sehr, sehr weit«, Llew lief ein wenig voran und schaute auffordernd zu ihr zurück, nur um zu ihr zu laufen und sogleich wieder umzudrehen. So lief er immer hin und her, des ganzen Weges über und auch, nachdem sie ihn gebeten hatte, es zu unterlassen.

Doch bald schon viel ihr auf, das sie dabei von den beiden Raben verfolgt wurden, die offensichtlich doch nicht gegangen waren. Doch sie störte es nicht weiter, Llew dagegen wirkte nicht gerade glücklich darüber. Als sie letzten Endes bei Yggdrasil ankamen, bemerkte es Mana nicht einmal. Für sie war es bloß so, als stünde sie vor einer hohen, rauen Wand.

»Hier kommen wir nicht weiter«, bemerkte sie und legte sich erschöpft hin.

»Brauchen wir auch nicht. Das hier ist Yggdrasil«, erklärte Llew und machte einen riesigen Satz auf die Schräge dessen, was für Mana nach wie vor wie eine Mauer aussah.

»Fylgien sagte, das Yggrasil eine Esche wäre. Das dort ist bestimmt keine Esche«, widersprach sie mit gekräuselter Schnauze.

»Yggdrasil ist die Weltenesche, Schätzchen. Sie ist viel größer, als ein gewöhnlicher Baum«, lachte Llew.

Mana schaute ihn zwar zweifelnd an, doch dann betrachtete sie die Mauer genauer und der Atem stockte ihr. Das war wirklich ein Baum!

»Der… muss ja riesig sein…«, flüsterte sie heiser.

»Seine Wurzeln halten die Welt zusammen und die Äste und Zweige stützen den Himmel«, Llews Augen leuchtete voller Stolz.

»Das ist doch…«, Mana starrte hinauf, in das dichte Blätterdach, das so weit über ihr lag, dass es die Sonne nicht im Mindesten abschirmte. Im Gegenteil, selbst so konnte sie noch die hellen Strahlen sehen, die von der gleißenden Himmelsscheibe ausgingen.

»Yggdrasil ist das Herz der Welt. Ohne ihr gäbe es kein Midgard, kein Udgard und erst recht kein Asgard.«

»Okay«, Mana schüttelte entschieden den Kopf. Das war so unglaublich, dass sie es einfach nicht wirklich begreifen konnte. Und dennoch tat sie einfach so, als würde stimmen, was Llew sagte. »Gut, das hier ist Yggdrasil. Aber wo sind dann meine Freunde?«

»Du sagtest etwas von den Nornen. Vielleicht sind sie dort«, überlegte Llew und sprang wieder zu ihr hinab.

»Kannst du mir… den Weg auch noch zeigen?«, bat sie leise.

»Natürlich«, lächelte Llew und wie zuvor auch führte er sie hin und her laufend weiter. Vorbei an jenem Baum, der so viel größer war, als Mana es je für möglich gehalten hatte. Und dennoch schien es so, als wäre es Wirklichkeit.

War es das, was der weiße Wolf gemeint hatte? Das manchmal Dinge waren, obwohl sie so unwirklich erschienen? Das es in manchen Welten selbst Bäume gab, die den Himmel stützten? Oder hatte er etwas völlig anderes gemein?

Sie wusste es nicht, doch sie war sich ziemlich sicher, dass sie es herausfinden würde.

Krank

»Das glaube ich dir nicht«, Llew schaute sie so zweifelnd an, das sie, trotz der Schmerzen, ein wenig lächeln musste.

»Es ist aber wirklich so«, meinte sie sanft.

»Nein. Das ist einfach nicht möglich. Ich meine, so weit können Yggdrasils Wurzeln einfach nicht reichen«, fand er.

»Tun sie auch nicht. Zumindest wäre es das erste Mal, das ich davon höre«, erschöpft blieb sie stehen. Ihr war heiß und kalt zugleich, vermutlich hatte sie Fieber.

»Brauchst du eine Pause?«, besorgt kam er zu ihr zurückgelaufen und drückte seine Nase in ihr Fell.

»Ja, wenn es möglich ist…«, sie legte sich hin und schob das Bein vor, um daran zu lecken. Es blutete nicht mehr, aber sie konnte es auch fast nicht mehr bewegen.

»Natürlich ist es möglich«, er setzte sich vor ihr hin und schaute sie mit leuchtenden Augen an. »Aber das hinter dem Meer noch etwas liegt, das glaube ich dir nicht. So groß ist diese Welt einfach nicht.«

»Muss sie wohl, denn ich komme nicht aus Midgard und wo genau Asgard und Udgard liegen sollen ist mir auch noch nicht so ganz klar.«

Llew seufzte tief, schüttelte dann entschieden den Kopf.

»Ich glaube, du hast dir den Kopf angestoßen…«, meinte er lachend.

»Irgendwann beweise ich es dir«, lächelte Mana.

Es war mittlerweile drei Tage her, dass er sie regelrecht aufgelesen hatte, seitdem liefen sie um die Esche herum. Seitdem hatte sie eine Menge über ihren Begleiter erfahren, den Llew war ausgesprochen gesprächig. Sie hatte erfahren, dass er mit seiner Mutter alleine in Midgard lebte und dass er seinen Vater nicht kannte. Er hatte keine Geschwister, wünschte sich aber welche.

Doch nicht nur über seine Familie hatte er viel erzählt, sondern über alles, was ihm so einfallen mochte. Über den Vogelgesang, über den blauen Himmel, über Midgard, über alles, was er sah, roch und hörte. Sie hatte nie zuvor ein einziges Wesen so viel reden hören.

»Wie weit ist es eigentlich noch?«, sie ließ sich auf die Seite fallen.

»So weit, wie die Nornen es wollen. Sie bestimmen, wer ihre Höhle findet«, antwortete Llew, legte sich hinter sie und vergrub seine Schnauze tröstend in ihrem Fell.

»Dann glaube ich nicht, dass sie mich allzu dringend sehen wollen«, murmelte sie und zitterte ein wenig. Da landeten die beiden Raben auf einer Wurzel der Esche. Sie waren immer in der Nähe, doch so Nahe wie bei ihrer ersten Begegnung waren sie nicht wieder gekommen. Und Mana wusste auch nach wie vor nicht, wieso Llew sie so aggressiv verscheucht hatte, denn diesem Thema wich er starköpfig aus.

»Skadi fragt nach dir, Llew«, erklärte Munin ihr so offenes Auftauchen.

»Ich habe keine Zeit, ich helfe gerade jemanden«, knurrte der bissig, wirkte dabei aber auch ungemein stolz.

»Besprich das mit ihr, wir sind nur die Boten. Und die Wächter«, erklärte Hugin.

»Ruhe jetzt und verschwindet«, brüllte der Wolf die beiden an und sprang zähnefletschend an der Wurzel empor. Die beiden Raben flatterten auf, aber sie flogen nicht davon, stattdessen ließen sie sich ein wenig entfernt wieder nieder und warfen Llew einen völlig unbeeindruckten Blick zu.

»Haut ab, ihr habt hier nichts zu suchen«, fauchte er und sprang mit gesträubtem Fell wieder zu Mana hinab.

»Was hast du gegen sie, sie tun uns doch nichts«, versuchte die erneut herauszufinden, was der Wolf gegen die beiden Vögel hatte, doch wieder einmal erhielt sie keine Antwort. Stattdessen knurrte der Wolf noch einmal drohend, ließ sich dann wieder neben ihr nieder.

»Ich bleib bei dir, keine Sorge. Meine Mutter kann warten«, lächelte er und stupste sie aufmunternd an.

»Denkst du nicht, dass sie wütend sein wird? Mir und meinen Geschwistern ist ein solcher Ungehorsam zumindest nie durchgegangen«, erklärte sie aus Sorge, ihr neuer Freund konnte wegen ihr ärger bekommen.

»Wütend bestimmt, aber was soll sie schon tun?«, lachte er und schob seinen Kopf unter ihrem Bauch, um ihr beim Aufstehen zu helfen. »Wir müssen weiter.«

»Ich weiß… sag mal, Llew, was genau sind eigentlich die Nornen?«, mit schmerzender Pfote und steifem Bein humpelte sie weiter.

»Ach herrje, wie soll ich dir das denn erklären?«, er ließ die Ohren hängen, schüttelte dann den Kopf. »Sie sind es, die die Geschicke dieser Welt lenken. Sie… sind unsterblich, wenn sie stürben wäre es, als wenn die Zeit selbst stirbt.«

»Sind sie… Götter?«, Mana mochte das Wort nicht. Sie war nicht nach dem Glauben der Götter erzogen worden, im Gegenteil. Sie hatte von klein auf gelernt, das es keine Götter gab. Jene, die man als Solche erheben konnte, waren eigentlich nicht viel Mächtiger als man selbst, und jene, die man als Solche ansah, kümmerten sich nicht um die Geschickte der Wesen dieser Welt.

»Götter? Nein, bestimmt nicht. Sie sind einfach… die Nornen eben«, Llew wirkte irgendwie Hilflos angesichts der geforderten Erklärung. Und er musste auch nicht mehr erklären, denn als sie um die nächste Wurzel herumliefen, entdeckten sie einen Brunnen, der Llews Augen zum Leuchten brachte.

»Wir sind da!«, rief er und fuhr zu Mana herum.

»Wie, wir sind da?«, nachdem sie drei Tage sinnlos vor sich hingelaufen waren, kam ihr das hier ganz eindeutig zu schnell. Sie schaute ihn irritiert an und er lächelte zurück.

»Sie haben beschlossen, dass es jetzt an der Zeit ist, dass wir sie treffen, deswegen sind wir jetzt da.«

»Einfach so, weil sie es wollen?«, Mana erschien das so unglaublich, das sie die Stirn runzelte.

»Versuche nicht, etwas zu verstehen, was deiner Wirklichkeit so fern ist, wie die Nornen es sind«, meinte eine Stimme hinter ihr, und als Mana erschrocken herumfuhr, stand dort eine schwarze Wölfin.

»Ähm… hallo?«, zum wiederholten Mal fühlte sie Mana ein wenig überfordert. Wer war das schon wieder?

»Mam!«, begrüßte Llew sie stürmisch und leckte ihr wie ein Welpe über ihre Schnauze.

»Deine Mutter?«, das Mädchen wusste zwar nicht, was genau sie erwartet hat, aber bestimmt nicht das.

»Ja, sie sieht schon eher so aus, als wäre sie meine Großmutter, ich weiß«, stänkerte der junge Wolf, doch seine Mutter ging darauf gar nicht ein. Stattdessen betrachtete sie aufmerksam die junge Wölfin.

»Du bist Mana, oder?«

»Ja.«

Die schwarze Wölfin nickte, schien dann etwas zu bemerken, was sie irritiere, denn sie legte kurz die Ohren an und runzelte die Stirn, sagte aber nichts.

»Tja, wir sind also da, aber…«, Llew schaute sich suchend um. »Deine Freunde scheinen nicht hier zu sein.«

»Nein, nicht wirklich«, Mana ließ sich wieder schwer zu Boden sinken.

»Sie sind in den letzten Tagen nach und nach hier angekommen, im Moment schlafen sie in einer Höhle in der Nähe«, berichtete Skadi und schnüffelte an ihrer Pfote. »Das riecht schlecht, kleines.«

»Wunden können schlecht riechen?«, Mana fühlte sich schläfrig.

»Ja, eben… nicht gesund. Krank«, Skadi stupste sie an. »Hier kannst du aber nicht bleiben. Komm mit mir, zu deinen Freunden.«

Und wieder stemmte sich die weiße Wölfin hoch und folgte Skadi. Sie spürte, wie das Fieber ihre Sinne vernebelte. Sie nahm einen Aufschrei war, durch einen Fieberschleier gewahr sie eine Gestalt, die auf sie zulief, dabei laut und heftig auf sie einredete.

Sie verstand nicht, was plötzlich los was, doch für den Moment war es ihr egal, sie wollte nur ins Bett. Oder eben irgendwohin, wo sie sich ausruhen konnte. Als es dann dunkel um sie herum wurde, ließ sie sich einfach fallen. Sie hatte nicht einmal den Boden berührt, da war sie schon eingeschlafen.

Sie erwachte mehrfach, doch kein einziges Mal war sie so klar, das sie bewusst wahrnehmen konnte, was um sie herum vor sich ging. Als es endlich so weit war, war tiefe Nacht. Sie hörte das gleichmäßige Atmen von verschiedenen Leuten, spürte den warmen Körper von jemand anderem an ihrem, und fühlte sich sicher und geborgen. Sie blinzelte verschlafen, bemerkte dabei die Gestalt, die am Eingang der Höhle stand und in den Himmel hinaufschaute.

Sie zögerte kurz, doch nachdem ihr der Geruch sagte, wer genau es war, der dort saß, stand sie vorsichtig auf und humpelte zu ihm. Ihre Pfote schmerzte immer noch ein wenig, aber nicht mehr lange so sehr, wie anfangs.

»Fylgien«, flüsterte sie, als sie sich neben ihn auf den Stein legte. Er zuckte zusammen, denn offensichtlich hatte er nicht damit gerechnet, dass noch jemand wach war.

»Mana…! Geht es dir besser?«, er kauerte sich nieder, schob seine Schnauze in ihr Wangenfell.

»Ja. Wie lange hab ich geschlafen?«

»Lange… zu lange. Ich hatte schon angst, dass du nicht mehr aufwachen würdest«, murmelte er, zog dann die Nase zurück, um seinen Kopf auf ihren Nacken zu legen.

»Ein bisschen Fieber kriegt mich nicht unter«, antwortete Mana.

»Laut Skadi war das mehr als ein bisschen Fieber. Wir waren alle besorgt um dich. Llew hat erzählt, das du dir die Pfote an einem Baum so aufgerissen hast?«

»Ja. Als wir alle zusammen so losgelaufen sind, da hab ich nicht mehr richtig auf den Weg geachtet und habe es über den Baumstamm nicht geschafft. Es tut ziemlich weh, auch jetzt noch, aber es ist schon deutlich besser«, erklärte sie und genoss die Nähe des goldenen Wolfes.

»Ich hätte bei dir bleiben müssen, es tut mir so leid«, flüsterte Fylgien.

»Hey, was soll das denn werden? Auch wenn du bei mir gewesen wärst, hätte ich den Sprung nicht geschafft, du musst dir keine Vorwürfe machen.«

Fylgien sagte dazu nichts, doch sie sah ihm deutlich an, wie unglücklich er war.

»Oh, mein kleiner Wolf, jetzt sei nicht so. Lächle lieber wieder, wir sind alle hier und wir sind gesund.«

»Ja… Ihr könnt auch zu den Nornen gehen, wenn ihr wollt, sie erwarten euch zu jeder Zeit und sie werden mit jedem von euch sprechen.«

»Mit… mir dir nicht?«

»Nein. Ich… mich wollen sie nicht sehen, ich bin anders als ihr. Sie wissen das, sie haben mein Schicksaal nicht bestimmt, und deswegen habe ich bei ihnen auch nichts zu suchen. Aber ihr schon. Ihr… müsst mit ihnen sprechen. Sie können euch eine Menge erzählen… über euch selbst und über eure Zukunft«, der Wolf schaute wieder in den Himmel hinauf und Mana folgte seinem Blick.

»Über und selbst und über unsere Zukunft… Fylgien, wenn du einen Wunsch frei hättest, was würdest du dir wünschen?«

»Was ich mir…«, er blinzelte sie erstaunt an.

»Ja, was du dir wünschen würdest. Irgendetwas musst du dir ja wünschen, jeder hat einen Herzenswunsch!«, ereiferte sie sich und schaute ihn begeistert an.

»Was… was wäre denn deiner?«

Mana zögerte einen Moment, dann lächelte sie. Ihre Augen blitzten durch das Sternenlicht, als sie wieder in den Himmel aufschaute.

»Ich würde gerne fliegen können. Wer fliegen kann, der ist wirklich frei und wer wirklich frei ist, der hat die Macht, sich selbst zu suchen und auch zu finden.«

»Fliegen, ja…?«, Fylgien stand auf.

»Ja. Aber, was ist dein Wunsch?«

»Mein Wunsch... mein größter Wunsch…«, der goldene Wolf schüttelte langsam den Kopf. »In diesem Moment… habe ich keinen Wunsch. Es ist alles so, wie es sein soll. Ich bin… ich bin hier. Mit dir, und die Einzigen, die jetzt wissen, was vor sich geht, sind die tausenden Lichter dort am Himmel.«

»Man nennt sie Sterne«, lachte Mana.

»Sterne?«, Fylgien schaute sie aus großen Augen an.

»Ja«, die junge Wölfin neigte den Kopf, den in seinen Augen konnte sie etwas lesen, was sie nicht verstand. Er wirkte erstaunt, doch auch ein uraltes Wissen glomm in seinem Blick. Und wieder stellte sie sich die Frage, wer er eigentlich war.

Doch der junge Wolf dachte nicht einmal daran, ihr die stille Frage zu beantworten, stattdessen machte er einen gewaltigen Satz nach vorne und wandte sich zu ihr um.

»Mana, ich möchte, das dein Wunsch in Erfüllung geht. Irgendwann laufen wir gemeinsam über den Himmel. Dann sind wir beide wirklich Frei und du wirst wissen, wer du wirklich bist. Du wirst wissen, was andere in dir sehen, was ich in dir sehe, und was die reine Wahrheit ist. Irgendwann«, versprach er und er sollte recht behalten.

Doch hätte er je geahnt, wie Tragisch dieses Versprechen enden würde, so hätte er es nicht gegeben. So hätte er einfach nur still diesen Abend genossen und all seine Worte irgendwo in sein Herz eingeschlossen, auf das sie niemals wahr werden mochten. Das wäre sein sehnlichster Wunsch gewesen, hätte er die Zukunft gekannt.

Doch weder er, noch Mana wussten darum, so freute sie sich einfach nur über dieses vermeintlich wunderbare Versprechen und auch darüber, wie schön diese Nacht war. Sie stand umständlich auf und folgte Fylgien.

»Lass uns spazieren gehen. Erzähl mir etwas. Irgendetwas, über dich, deine Vergangenheit, dein Leben«, bat sie, als sie bei ihm angekommen war und ihre Nase in seinem Halsfell vergrub.

»Wenn es nicht zu anstrengend für dich ist…«, lachte er. Dann gingen sie los. Und sie waren glücklich.

Warten

Mana lag träge im Gras und beobachtete, wie Ahkuna leise vor sich hin summte und zufrieden an einer Blume schnüffelte. Sie wüsste nur zu gerne, was die Nornen ihrer Cousine erzählt hatten, denn seitdem sie wieder zurück war, wirkte sie so glücklich und zufrieden, wie nur selten je zuvor.

Ahkuna war nämlich gleich die Erste gewesen, die die Nornen aufgesucht hatte, denn während die beiden Jungen noch darüber stritten, wer nun gehen sollte, da keiner von ihnen so wirklich wollte, war sie aufgestanden und einfach gegangen.

Das hatte nicht nur Mana erstaunt, denn Ahkuna galt seid jeher schon als sehr schüchtern und zurückhaltend, fast ängstlich. Doch entweder hatte die Reise sie schon jetzt sehr verändert, oder aber keiner hatte sie je wirklich gekannt.

Jetzt auf jeden Fall wirkte die junge Wölfin glücklich, sie genoss sichtlich die warmen Sonnenstrahlen auf dem schwarzen Fell. Und während Mana sie noch beobachtete, gesellte sich Skadi zu ihr und setzte sich neben sie.

»Skadi, was genau tun die Nornen eigentlich? Was passiert, wenn wir sie treffen?«, Mana schaute neugierig zu ihr auf.

»Warte es ab, du wirst es schnell herausfinden«, lächelte die und beobachtete, wie Llew Lif am Ohr zog. Die beiden und auch Slyk und Fylgien hatten sich auf Anhieb gut verstanden, und so spielten sie gemeinsam, als wären sie kleine Welpen, während sie darauf warteten, das Slyk wieder zurückkam.

Mana wollte weiterfragen, doch stattdessen ließ sie sich seitlich ins Gras sinken, eng an Skadi gedrückt. Sie verstand nicht wieso, aber so nahe bei der schwarzen Wölfin fühlte sie sich wohl und geborgen. So schwiegen sie eine Weile, bis Skadi sie sanft hinter dem Ohr zu lecken begann.

»Tut dir die Pfote noch sehr weh?«, fragte sie leise.

»Ein wenig… viel schlimmer ist, das ich sie nicht mehr richtig bewegen kann«, antwortete Mana.

»Das wird wohl auch so bleiben, denke ich… Aber das ist nur ein sehr kleiner Preis für ein Leben«, fand die Wölfin.

»War… war das wirklich so schlimm? Ich meine, ja, es hat sich entzündet und es tat scheußlich weh, aber… denkst du, ich hätte daran sterben können?«, Mana schloss die Augen.

»Ja. Jeder andere Wolf wäre es wohl, aber du stehst unter dem Schutz des Winters.«

»Dem was?«, sie blinzelte verblüfft, schaute zu der schwarzen Wölfin hoch.

»Dem Winter. Der Jahreszeit«, lächelte die.

»Aber… Jahreszeiten sind doch…«

Ja, was eigentlich? Nicht real? Bloß irgendetwas, was die Welt für eine bestimmte Zeit verändert, ohne das jemand weiß, wieso?

Sie schüttelte langsam den Kopf.

»Keine Lebewesen«, erklärte sie schließlich.

»Bist du dir da so sicher?«, Skadi lächelte wissend, doch Mana fragte nicht weiter, sondern ging einfach einmal von der Tatsache aus, das dem wirklich so war.

»Wie kommst du darauf, das dann ausgerechnet ich unter ihrem Schutz stehen würde?«, erkundigte sie sich stattdessen. Da stupste die schwarze Wölfin den blauen Stern an, den die junge Wölfin um den Hals trug.

»Weil ich das hier kenne«, lächelte sie.

»Das… das habe ich von meinem Vater geschenkt bekommen«, erklärte Mana und legte unsicher die Ohren an.

»Das Bezweifle ich auch in keinster Weise, mein Kind. Und doch, es ist so: Der Kristall stellt dich unter den Schutz des Winters. Das ist nichts schlechtes, denn sie wird auch einiges dazu beigetragen haben, das du nicht gestorben bist. Aber auch sie ist nicht allmächtig, deswegen musst du trotz allem mit einer gelähmten Pfote auskommen«, meinte Skadi.

»Und die ist ein geringer Preis für ein Leben, schon klar«, lächelte Mana und musste an die schreckliche Narbe denken, die ihrem Vater auch jetzt noch, mehr als ein Jahrzehnt, nachdem sie ihm zugefügt wurde, gelegentlich Schwierigkeiten bereitete. An besonders kalten Tagen konnte er kaum laufen und so manchen Winterabend hatte ihm sein Ziehbruder Chess aufhelfen müssen, weil er alleine nicht mehr hochgekommen war.

Doch darüber machte sich Mana keine Gedanken. Sie war eine Zauberin, sie musste nicht gut oder schnell laufen können. Das hätte sie gemusst, hätte sie einen anderen Vater gehabt.

»Gräm dich nicht, mein Kind. Es wird alles gut werden, wenn es das Schicksaal so will. Versuch immer die guten Seiten des Lebens zu sehen, denn sie führen dich ins Glück. Und dein Glück kannst du immer finden, ganz gleich, was auch geschehen mag«, Skadi rieb ihre Stirn an Manas Kopf, dann stand sie auf.

In dem Augenblick trat Slyk aus der Höhle. Er wirkte bedrückt und als die Jungs alle gemeinsam auf ihn einstürmten, da duckte er sich und sprang beiseite. Verblüfft und ratlos blieben sie stehen, schauten ihn erstaunt an.

»Bitte… könnt ihr mich ein bisschen in Ruhe lassen? Ich muss… ich muss über einige Dinge nachdenken…«, bat er und bevor einer von ihnen eine Antwort geben konnte, war er schon in einer seltsam flachen Haltung davon getrabt.

»Was hat er?«, Lif schaute seinem Freund erstaunt nach.

»Na ja, offensichtlich hatten die Nornen nicht allzu gute Nachrichten für ihn… Lasst ihn zeit, er wird sich schon wieder beruhigen. Wer von euch beiden möchte als nächstes gehen?«, fragend blickte Skadi zwischen Lif und Mana hin und her.

»Ich bitte«, meldete sich da der junge Wolf sogleich, zögerte dann aber kurz und wandte sich an Mana. »Wenn dir das recht ist heißt das.«

»Natürlich, geh nur«, antwortete die lächelnd und sogleich sprang der junge Wolf los. Nur kurze Zeit später gesellte sich Fylgien zu ihr und rieb seinen Kopf an ihrem Rücken.

»Wenn er wieder da ist, gehst du rein?«

»Ja. Ich bin wirklich gespannt, was mich erwartet… Ich meine, Slyk schien es ja nicht besonders gefallen zu haben…«

»Ich weiß leider nicht, worüber sie mit euch sprechen... Ich bin schon froh, das ich hier sein darf, so nahe am Ursprung ihrer Kraft«, der goldene Wolf legte ein Vorderbein über sie, sodass er fast auf ihr drauf lag.

»Weißt du, eigentlich will ich gar nicht wirklich wissen, was sie mir zu sagen haben«, überlegte Mana.

»Wieso nicht?«, Fylgien blinzelte verblüfft.

»Ich… weiß auch nicht. Ich bin zufrieden, so wie es ist. Alles, was sie sagen würden, könnte das zunichte machen und das möchte ich nicht«, überlegte sie leise.

»Du denkst, du wärst zufrieden?«, er lachte leise.

»Ja. Natürlich. Ich könnte mit ein Leben, so wie es jetzt ist, durchaus vorstellen«, sie runzelte vielsagend die Stirn.

»Glaubst du das wirklich?«, flüsterte er und schaute sie sanft aus seinen silbernen Augen an.

»Ich… weiß doch, was ich fühle…«, sein Blick ließ Mana zweifeln.

»Du magst jetzt zufrieden sein, aber das wird nicht so bleiben. Mana, es wird dir immer irgendetwas fehlen, wenn du jetzt einfach stehen bleibst. Also geh weiter. Ich komme mit dir«, lachte er und legte sich nun wirklich auf sie drauf.

»Fylgien, geh runter, du bist schwer!«, sie wälzte sich irgendwie herum, zog die Hinterpfote an den Körper, und drückte ihn damit beiseite. Oder versuchte es zumindest, denn mit nur einem Bein hatte sie eigentlich keine Chance. Und das sah auch Fylgien ein, denn er stieß sich ab und machte eine Rolle über sie, um dann Rücklings liegen zu bleiben. Er schaute zu ihr zurück, lächelte dabei breit.

»Wirst du weitergehen?«, fragte er.

»Ja. Wenn es dir so wichtig ist ja«, lachte sie und stieß ihre Nase in seine Richtung.

»Kann ich euch Turteltauben mal kurz unterbrechen?«, Llew stand vor ihnen, hatte die Stirn gerunzelt und beobachtete sie eher unwillig.

»Turteltauben?«, sie starrte ihn fragend an.

»Ja…«, Llew wirkte ein wenig pikiert, als er sich hinsetzte. »Egal. Ich wollte dich etwas fragen, Mana.«

»Dann… frag ruhig…«, irgendwie kam ihr die Situation seltsam vor. Was hatte Llew auf einmal? Auch Fylgien schien es nicht zu begreifen, denn er blickte ebenso ratlos drein, wie sie.

Gerade wollte Llew seine Frage stellen, da rief Skadi laut nach ihm. Sie wirkte wütend, als hätte ihr Sohn etwas getan, was er nicht hätte tun dürfen. Doch der junge Wolf zögert einen Moment, doch dann stand er auf und lief zu ihr. Sie zischte ihn an, doch auf die Entfernung verstand Mana nicht, was sie sagte.

»Was… sollte das eben?«, sie schaute zu Fylgien, der ratlos noch immer zu Mutter und Sohn blickte.

»Ich habe keine Ahnung«, er deutete ein menschliches Achselzucken an, dann kam er zu ihr und vergrub wieder seine Nase in ihrem Fell. »Aber eigentlich ist es mir auch egal. Weißt du, am Liebsten würde ich dich begleiten, wenn du die Nornen besuchen gehst, aber ich fürchte, das ihnen das nicht gefallen würde.«

»Keine Sorge, ich schaff das schon«, lachte sie und knabberte an seinem Ohr.

»Daran zweifle ich auch nicht, aber ich möchte dir gerne beistehen. Wenn sie… etwas Schlechtes erzählen«, erklärte er mit halbgeschlossenen Augen.

»So wie bei Slyk?«

»Genau.«

»Das kannst du auch noch tun, wenn ich wieder zurück bin«, lächelte sie.

»Okay, du hast recht«, lachte Fylgien.

Dann unterhielten sie sich leise über alles Mögliche, während sie eng beieinander lagen. Mana genoss die Nähe des jungen Wolfes. Sie hätte es niemals für möglich gehalten, doch ihr Geburtstagsgeschenk hatte ihr mehr Freude bereitet, als sie je erwartet hätte.

So verging einige Zeit. In Midgard zählte man keine Stunden, die Zeit verging einfach. Irgendwann, Mana war fast in der warmen Sonne eingeschlafen, da ließ sie ein Geräusch aufschrecken. Als sie zur Höhle blickte, trat gerade Lif heraus, doch sein Anblick erschreckte sie, denn das pure Entsetzen stand ihm ins Gesicht geschrieben.

Alarmiert sprang Mana auf und humpelte zu ihrem Cousin, so schnell sie nur konnte, doch natürlich waren Llew und Fylgien lange vor ihr da. Slyk und Ahkuna schienen gar nicht bemerkt zu haben, das etwas nicht stimmte, denn sie hatten sich nicht bewegt, waren noch viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt.

»Lif, was ist los?«, fragte sie eindringlich, doch er schüttelte einfach nur den Kopf, in seinen Augen las sie eine Angst, die an Panik grenzte. Er schien gar nicht zu bemerken, dass sie um ihn herumstanden und sich unsagbar hilflos fühlten, angesichts seines stillen Grauens.

Da kam auch Skadi zu ihnen und rieb ihren Kopf an seinem. Sie flüsterte ihm beruhigende Worte ins Ohr, solange, bis der junge Wolf plötzlich laut aufjaulte und in Tränen ausbrach.

»Ich will das nicht!«, weinte er laut.

»Was willst du nicht?«, fragte Mana und stürzte zu ihm, um sich beruhigend an ihn zu drücken.

»Das kann einfach nicht sein… Das… das darf nicht geschehen«, murmelte Lif einfach weiter, nahm sie gar nicht wirklich wahr. Es dauerte eine ganze Weile, bis er sich beruhigt hatte, doch auch dann lag er apathisch einfach nur da.

»Ich kümmere mich um ihn, hab keine Angst«, sagte da Skadi zu der weißen Wölfin und stupste sie auffordernd an. »Du musst jetzt langsam gehen.«

»Aber ich kann doch nicht... Was ist mit Lif geschehen? Was haben sie mit ihm getan?«, sie schaute die schwarze Wölfin ängstlich an.

»Sie haben ihm nichts getan. Sie haben nur die Wahrheit gesagt. Ich weiß nicht, was sie ihm genau gesagt haben, aber es war jene Art Wahrheit, die einem mehr erschreckt, als es die grausamste Lüge könnte. Aber er wird daran nicht zugrunde gehen. Gib ihm Zeit, dann wird er darüber hinwegkommen«, erklärte Skadi und liebkoste dabei den graubraunen Wolf, als wäre er ihr eigenes Kind.

»Soll ich wirklich gehen? Ich kann ihn doch so nicht…«, begann sie, doch da trat Fylgien zu ihr.

»Geh. Ob du hier bist oder nicht, es macht für Lif keinen Unterschied, für dich aber schon«, sagte er leise.

Sie schaute ihn aus großen Augen erstaunt an, dann nickte sie: »Du hast recht«

Sie stand auf und humpelte zum Eingang. Noch einmal schaute sie über die Schulter zurück. Sie wusste nicht, was sie erwarten würde, aber jetzt, wo sie Lif so sah, hatte sie angst. Plötzlich wünschte sie sich doch, das Fylgien mitkommen würde, doch natürlich ging das nicht.

So lächelte sie noch einmal unsicher, dann machte sie einige zögernde Schritte in die Höhle hinein. Sie wusste nicht, was sie erwartet hatte, aber das gewiss nicht, denn plötzlich umfing sie eine bodenlose Schwärze. Sie schaute ängstlich zurück, doch der Höhleneingang war fort, als hätte es ihn nie gegeben.

So blieb also nur noch das Weg nach vorn.

Urd

Mana fühlte sich, als wäre sie schon seit Stunden unterwegs. Und sie konnte nur nach vorne gehen. Neben ihr und hinter ihr waren Felsen, das konnte sie im Schein des Sternenanhängers erkennen. Er hatte zu leuchten begonnen, als sie sich so einsam und allein gefühlt hatte, wie niemals zuvor, und vor angst fast wahnsinnig geworden war. Er spendete ihr Licht und Trost und ließ sie ihren Weg erkennen.

Sie wusste, dass Magie im Spiel sein musste, denn die Felsen in ihrem Rücken schienen ihr zu folgen, doch eigentlich war es ihr egal. Irgendwer wollte, dass sie vorwärts lief, also tat sie es. Eine andere Wahl hatte sie sowieso nicht.

Und so lief sie einfach weiter. Sie war müde, ihre Pfote schmerzte entsetzlich und sie hatte angst vor dem, was sie erwarten würde, aber sie folgte dem Weg trotzdem. Sie hatte ja auch keine andere Wahl.

Irgendwann, es schien ihr, als wäre sie schon seid Jahren unterwegs, da gewahr sie ein Licht. Es war erst nur ganz schwach, sodass sie es gar nicht wirklich wahrnahm, doch es wurde immer heller und irgendwann bemerkte sie es, trotz des blauen Lichtes des Anhängers.

Sie schaute auf, es dauerte einige Momente, bis ihr klar wurde, was das heißen konnte. Vielleicht war beim Licht auch das Ende ihrer Reise durch die Dunkelheit.

Sie zögerte noch einen Augenblick, dann lief sie schneller. Sie ignorierte den Schmerz ihrer Pfote so weit es ihr möglich war und lief so schnell sie konnte. Sie erkannte bald, dass das Licht von einem Feuer herrührte. Als sie das Ende der Höhle erkennen konnte, wurde sie wieder langsamer und vor dem vermeintlichen Ausgang blieb sie völlig stehen. Sie schaute in einen Raum, der ihr so vertraut war, dass ihr Herz einen Satz machte und sie fast vergaß, dass er nicht Wirklichkeit sein konnte.

Vor ihr öffnete sich das gemütliche Wohnzimmer ihres Elternhauses. Im Kamin prasselte ein Feuer, vor dem Fenster tobte der Wind und trieb den Schnee, wie es ihm beliebte. Eine Gestalt mit weißem Haar saß vor dem Feuer und in ihren Träumen war es Lugh Akhtar, der wartete, bis sich alle um ihn herum versammelt hatten, um wieder eine seiner Geschichten zu erzählten.

Doch schon allein das Spinnrad bewies, das er es nicht sein konnte, selbst wenn man von der Gestalt nichts weiter hätte sehen können. Doch Mana sah auch die Gestalt. Es war eine alte Frau mit schlohweißem Haar. Ihre Haut war voller Altersflecken und runzelig, doch bewegte sie ihre Hände geschickt und schnell und der Faden den sie spann, leuchtete wie ein Regenbogen.

»Komm ruhig näher, mein liebes Kind. Ich werde dir nichts tun, Sternengefährtin«, sprach die alte Frau und klang nicht bös dabei, doch als Mana ihren Schülernamen hörte, da duckte sie sich in eine Angriffsstellung und ließ ein lautes Grollen hören.

»Woher kennst du ihn?«, fragte sie.

»Ich habe ihn dir gegeben. In gewisser Weise. Komm her, ich werde dir nichts tun, das verspreche ich dir«, antwortete die alte Frau und lächelte dabei sanft.

»Nein!«, rief Mana. Obwohl die Frau nichts anderes tat, als da zu sitzen und zu spinnen, hatte sie eine entsetzliche angst vor ihr, denn diese Frau besaß alle Macht über Mana, die irgendwer je besitzen konnte.

»Sternengefährtin«, sagte da die alte Frau erneut, doch diesmal war etwas anders. Diesmal hatte sie die Macht des Namens genutzt, das spürte Mana sofort. Es war ein seltsames Gefühl. Die Fremde hatte weder besonders laut, noch besonders scharf gesprochen, es war eigentlich eher ein sanftes Hauchen gewesen, eine klangvolle Liebkosung des Wortes, doch für Mana klang es, wie ein Peitschenhieb. Sie spürte ein unangenehmes Kribbeln im Fell, das sich unwillkürlich sträubte, und sie spürte, wie man ihr einen Willen aufzwang, der nicht ihrer war.

Und das Grausamste war, das sie genau wusste, dass es falsch war, und trotzdem nicht dagegen ankämpfen wollte. Sie akzeptierte es, ein Teil von ihr empfand es sogar als richtig und gut. So setzte sie sich in Bewegung, betrat den Raum mit dem Wissen, das sie durch diese Tür nicht mehr zurückkonnte.

Doch kaum hatte sie den Raum betreten, da verschwand alle seltsamen Zwänge von ihr, und als sie zurückblickte, viel ihr auf, das sich ihre Sichtweise geändert hatte. Sie war wieder ein Mensch.

»Wer bist du?«, fragte sie und strich nachdenklich über ihre menschlichen Arme.

»Niemand, der dir etwas böses will. Komm, setz dich. Im Sitzen redet es sich leichter«, die alte Frau nickte auf den Sessel vor dem Feuer, in dem für gewöhnlich Manas Mutter saß und stickte.

Doch obwohl es ihr nicht behagte nickte sie und humpelte zum Sessel. Ja, auch in dieser Gestalt konnte sie nicht richtig laufen. Sie ließ sich schwer in die Polster fallen, beobachtete dann die Frau, wie sie den Faden spann. Es dauerte einige Momente, bis ihr auffiel, dass sie gar keine Wolle hatte. Es schien, als spann sie ihr Garn einfach aus der Luft.

»Warum glitzert er? Und woraus machst du ihn?«, fragte Mana leise, nachdem sie einige Augenblicke darauf gewartet hatte, das die andere Frau begann.

»Er ist aus Schicksaal, und er glitzert, weil es ein schönes, fröhliches Leben wird. Zumindest diese Jahre«, lächelte die Frau.

»Diese… Jahre?«, Mana verstand nicht. Was tat diese Frau? Doch die lächelte nur wissend.

»Mein Name ist Urd. Ich wusste, dass du kommen würdest, deiner angst zum Trotz«, sprach sie.

»Aber… was tue ich hier? Alle sagten, das ich hierher kommen müsste, doch… wieso?«, Mana schüttelte langsam den Kopf.

»Weißt du, Mana, du bist nicht die Erste, die mit solchen Fragen zu mir kommt. Es gab schon einmal jemand, der sich noch nicht ganz sicher über seinen Weg war. Er hat ihn gefunden. Er ist ihn lange schon gegangen, aber er musste auch wissen, dass es der Richtige war. Kannst du dir denken, wen ich meine?«, Urd spann weiter ihren Faden.

»Nein«, antwortete sie wahrheitsgemäß. Da lächelte die alte Frau wieder.

»Ich spreche von deinem Vater, von Lugh Akhtar. Ja, auch er zweifelte für eine Weile, doch nur, weil ihm das Ende so falsch erschien. Doch das Ende war bloß eine Kurve, die er nicht als solche erkennen konnte. Denkst du, das auch du eine solche Kurve vor die siehst?«

Mana dachte eine Weile darüber nach, dann verneinte sie.

»Ich erkenne nicht einmal den Weg. Ich laufe blind durch Nacht und Nebel und finde weder hin noch zurück.«

»Ja, das geschieht nur allzu leicht. Es gibt viele, die den Weg verloren haben, aber sich dessen einfach nicht bewusst sind. Sie folgen dem Weg von jemand anderen ohne zu verstehen, dass er niemals der Richtige sein kann. Sie verstehen nicht, was sie so unzufrieden macht und sie glauben, dass das Schicksaal nur schlechtes für die bereit hält, doch wie wollen sie das denn wissen? Es ist doch nicht ihr Schicksaal...«

»Man… man kann dem Schicksaal eines anderen Menschen folgen? Habe ich das auch getan?«, es schien so logisch, doch Mana glaubte nicht, das dem so war, und Urd bestätige sie darin.

»Du bist auf dem richtigen Weg. Lugh Akhtar hat dafür gesorgt, das du ihn nicht verlierst, das du immer schon auf ihm gewandelt bist, doch hat er dabei eines vergessen: Um den Weg zu verstehen, muss man ihn auch selbst gefunden haben. Es ist dein Weg, aber du begreifst ihn nicht in seiner völligen Konsequenz.«

Mana nickte verstehend. Sie begriff, was Urd ihr sagen wollte, doch dabei fiel ihr auf, wie seltsam die Augen der alten Frau aussahen. Es dauerte einen Moment, bis sie begriff, dass Urd blind war. Und trotzdem wusste sie, dass es die Norne nicht im Mindesten beeinträchtige.

»Weißt du, was ich hier tue? Weißt du, was die Aufgabe der Nornen ist?«, fragte da die alte Frau und lächelte, während sich der Faden dunkel zu färben begann.

»Nein… was… was geschieht?«, Mana schaute voller angst auf das schwarze Garn, sie wusste instinktiv, das es nichts gutes verheißen konnte.

»Ich spinne das Schicksaal der Menschen. Ich gebe ihnen eine grobe Richtung voraus. Ich kann ihnen nicht ihren Weg vorgeben, laufen muss jeder selbst, aber kann bestimmen, ob ihnen viele Steine im Weg sein werden, oder kaum einer. Ich… ja, ich spinnen ihren Leitfaden könnte man sagen«, lachte Urd, während der Faden wieder bunt wurde. Bis er plötzlich abriss.

Es war nur ein feines, seidiges Geräusch, doch es hallte in Manas Ohren so Unheil verkündend nach, das sie erschrocken zusammenzuckte, dann mit großen Augen das Spinnrad anschaute.

»Was… bedeutet das?«, fragte sie leise.

»Das er wohl glücklich sterben wird…«, Urd schien das nicht im Mindesten zu stören. Sie machte einfach weiter.

»Weißt du Mana, jedes Wesen existiert aus einem bestimmten Grund. Jeder hat seine Aufgabe im Leben, jeder hat irgendetwas Bestimmtes zu tun. Meine Aufgabe ist es, euer mögliches Schicksaal zu spinnen. Die Aufgabe von Frühling, Sommer, Herbst und Winter ist es, die Jahreszeiten zu bringen. Unsere Aufgaben sind uns klar vorgegeben, aber auch ihr Menschen habt eine solche Aufgabe. Sie ist nicht so klar, wie meine es ist, aber wenn ihr nur aufmerksam genug seid, dann erkennt ihr es vielleicht.«

Das Mädchen nickte nachdenklich, schüttelte dann aber sogleich den Kopf. Sie stand auf und lief unruhig auf und ab.

»Was hast du zu meinem Schicksaal gemacht? Was für ein Leben hast du für mich vorgesehen? Welchen Sinn hat mein Leben? Urd, ich habe das Gefühl, ich würde Wahnsinnig, wenn ich es nicht bald weiß! Wozu bin ich hier? Was nutze ich denn schon? Ich bin ein kleines Mädchen, ich bin nichts Besonderes! Ich bin nicht besonders begabt, ich bin nicht klug oder hübsch, ich kann nicht rücksichtslos für irgendetwas kämpfen. Ich bin einfach… nur jemand, der nicht weiß, welche Rolle sie im Gefüge der Welt spielen soll. Bin ich eine treibende Kraft? Bin ich ein kleines, nutzloses Zahnrad am Rand? Was bin ich? Wer bin ich?«, verzweifelt schaute Mana auf die alte Frau, doch die Lächelte nur.

Sie lächelte immer. Mana hatte das Bedürfnis, ihr dieses Lächeln aus dem Gesicht zu wischen. Warum freute sie sich? Warum bereitete es ihr so viel spaß, sie zu quälen?

»Ich kann dir nicht verraten, was ich für dich vorgesehen habe, aber ich kann dir sagen, dass du auf dem richtigen Weg bist. Indem du tust, was du eben tust, folgst du dem richtigen Weg. Du bist kein nutzloses Stück am Rand, mein Kind, du bist wichtig. Du hältst das Uhrwerk zusammen, und es liegt in deiner Hand, wie lange das noch so bleiben wird. Von jedem Wort, von jeder Geste, von jedem kleinen Gedanken kann abhängen, was mit dieser Welt geschehen wird. Aber sorge dich deswegen nicht, denn gleich, welcher Weg es sein wird, es wird immer weitergehen. Du wirst niemandem verderben bringen, du wirst einfach nur Dinge ändern. Oder auch nicht.«

»Was interessiert mich diese Welt? Wie soll ich ihr Schicksaal bestimmen, wenn ich nicht einmal mein eigenes bestimmen kann? Wenn ich immerzu von irgendjemanden in eine Richtung gedrängt werde?«

»Wirst du das?«, Urd schaute auf, blickte aus den blinden Augen zu ihr.

»Ja. Erst war es mein Vater, nun ist es der weiße Wolf. Er gibt mir Rätsel auf.«

»Nein, mein Kind. Er hat dich nie in eine Richtung gedrängt, es war immer dein freier Wille, selbst zu entschieden, was du tun wirst. Er hat dich immer auf deinem Pfad gehalten, aber er hat keine Mauer an ihrem Rand errichtet. Und was den weißen Wolf betrifft… du kennst ihn und er hat dir ein paar wichtige Dinge verraten.«

»Welche Pfade in die Vergangenheit meint er? Und was ist es, was Lilith von mir wollte? Warum ist es so wichtig für mich?«

»Der Pfad in die Vergangenheit ist immer der Pfad zu mir. Ich bin Urd, ich bin das Gewordene. Von hier aus geht der Weg in deine Gegendwart und in deine Zukunft. Und was Lilith betrifft… Sie wollte von dir das Herz eines Sternes haben. Doch es ist wichtig, dass du es behältst, zumindest solange, bis sein wahrer Besitzer es wiederhaben möchte. Wenn er es denn wiederhaben möchte.«

»Das… Herz eines Sternes?«, nun blinzelte Mana verblüfft. Sie zögerte kurz, dann griff sie zum sternenförmigen Anhänger. War er das Herz eines Sternes? Doch wenn er es nicht war, was war es dann? Hatten Sterne Herzen? Und warum war er so wichtig? Wusste Lugh Akhtar davon? Wenn ja: Warum hatte er dann solch ein wichtigen Gegenstand in ihre Hände gegeben?

»Vor dem Wolf brauchst du keine angst zu haben. Er wird dir helfen, er würde eher sterben, als dir absichtlich Schaden zuzufügen, aber du musst ihm nicht blind vertrauen.«

Mana nickte langsam. Sie wusste, dass das Gespräch hiermit beendet war. Es gab nichts mehr zu sagen. Urd hatte ihr mehr gesagt und erklärt, als es je irgendwer in all den Jahren zuvor getan hatte. Und sie hatte verstanden, was sie nun tun musste.

»Was wird mich noch erwarten?«, fragte sie leise.

»Meine Schwestern werden dir noch ein wenig etwas erzählen. Ich habe alles gesagt, was ich weiß und was ich verraten darf. Verlasse deine Vergangenheit, kehre zurück in die Gegenwart. Und habe keine angst«, antwortete Urd.

Mana nickte noch einmal und als sie sich umwandte, stand die Tür wieder offen. Sie drehte sich noch einmal zu Urd um, doch die war nicht mehr da. Der Kamin war kalt, das Zimmer wurde nur vom Leuchten des Sternes erhellt. Und das Mädchen war nicht einmal erstaunt.

»Danke Urd«, erklärte sie der Luft, dann ging sie. Es warteten noch zwei weitere Nornen auf sie.

Verdandi

Als sie die Räume ihrer Kindheit verlassen hatte, war sie nicht wieder in die dunkle Höhle zurückgekehrt. Stattdessen war sie auf eine weite Schneelandschaft hinausgetreten, doch es war ihr nicht kalt. Der Schnee glitzerte sanft und über ihr leuchtete das Nordlicht, denn es war tiefe Nacht. Sie war wieder zur Wölfin geworden und humpelte so über die Milliarden Eiskristalle, immer auf der Suche nach der zweiten Norne.

Sie fragte sich, welche Gestalt diese haben würde, doch wenn Urd das Gewordene, die Vergangenheit und eine alte Frau war, so musste die Zweite wohl die Gegenwart sein und somit deutlich jünger.

Doch alle Logik war gleich, denn in dieser Eiswüste war nicht kein Leben zu finden. Es war, als wäre sie das Einzige Wesen auf dieser Welt.

Trotzdem fühlte sie sich nicht einsam, sie spürte einfach, dass sie nicht völlig alleine war. Sie wusste, völlig unumstößlich und ohne, dass es ihr jemand sagen oder zeigen musste, dass sie nicht alleine war. Ihr konnte nichts geschehen.

Und so lief sie verträumt einfach weiter, von einer inneren Ruhe erfüllt, die sie nie zuvor gespürt hatte. Bis sie in der Ferne einen Turm aus Eis gewahr. Sie wusste, dass das ihr Ziel sein würde. Sie lief darauf zu und je näher sie kam, desto mehr erkannte sie von dem Turm.

Er war nicht besonders hoch, doch er schien aus einem inneren Feuer zu glühen. Unten gab es einen schützen Halbkreis aus Eissplittern, so groß wie Felsen und eine Höhle. Und in dieser Höhle, direkt am Eingang saß eine Frau im Schnee und verwob die kalte Winterluft mit einem der leuchtenden Fäden, die Urd gesponnen hatte.

Wie Mana erwartet hatte, war es eine junge Frau. Sie hatte langes, schwarzes Haar, das sich weit über den Schnee ausbreitete und trug ein gelbes, mit Blumen gemustertes Kleidungsstück, das Mana aus dem Norden nicht kannte. Aber sie wusste, dass man es im Osten oft und gerne trug.

»Ich habe dich bereits erwartet, Sternengefährtin«, wurde Mana mit einem Lächeln begrüßt. Auch diese Norne war blind, wie das Mädchen schnell merkte, doch ihre Finger bewegten sich so gezielt und geschickt, das sie es wohl nicht bemerkt hätte, hätte sie nicht darauf geachtet.

»Du bist die zweite Norne, nicht wahr? Bist du die Gegenwart?«, fragte Mana und legte sich in den Schnee. Sie konnte nur der schlecht sitzen, mit ihrer Pfote, deswegen lag sie lieber.

»Ich bin Verdandi, das Werdende, da hast du recht. Aber wegen mir bist du nicht gekommen, nicht wahr?«, lächelte die Frau.

»Nein, da hast du recht«, antwortete Mana, doch eigentlich wusste sie gar nicht so genau, warum sie hier war. Weil Skadi sagte, das sie gehen müsste und weil Fylgien sie dazu gedrängt hatte. Schon wieder hatte sie sich manipulieren lassen. Doch der Gedanke an Fylgien erinnerte sie an etwas.

»Ich habe eine Bitte. Kannst du mir Grundsätze der Ordnung dieser Welt erklären? Fylgien hat davon gesprochen, aber er hat nicht es nicht erklärt«, bat sie.

»Das ist eine sehr ungewöhnliche Bitte«, begann Verdandi nachdenklich.

»Ich weiß, aber ich möchte es gerne wissen. Und es ist ja auch ein Teil meiner Gegenwart, also ist das zumindest kein Grund, es mir nicht zu erzählen«, erklärte sie und schaute abwartend auf die lächelnde Frau.

»Ich habe nie behauptet, dass ich es dir nicht sagen würde, es ist nur eine ungewöhnliche Bitte. Für gewöhnlich möchte man, dass ich irgendwelche Weissagungen von mir gebe, auch wenn ich es nicht kann. Die Zukunft ist nicht meine Sache. Aber natürlich, ich werde dir gerne erzählen, wie das Gefüge dieser Welt funktioniert«, lächelte die Frau.

Mana wartete gespannt darauf, dass sie begann, doch stattdessen verschob sie ihren Webrahmen so, dass das Leuchten, das von den Fäden ausging, in den Turm hinein leuchtete. Darauf erhellte ein so wunderschönes, leuchtendes Licht den Himmel, wie es nicht einmal das Nordlicht zu sein vermochte.

Mana schaute mit großen Augen hinauf, ein kalter Schauer lief ihr durchs Fell. Sie wusste, dass das, was sie hier erblickte, nie ein einfacher Mensch zuvor zu erblicken gewährt worden war.

»Ohne die Vergangenheit, gäbe es keine Zukunft, deswegen muss ich woanders beginnen. Einst gab es nur eine Macht auf dieser Welt«, begann Verdandi und das Licht veränderte sich, es wurde zur einer Erdkugel, dann zu einer Insel im Meer, die von einer mächtigen Esche beherrscht wurde. Midgard.

»Alles leben hatte hier seinen Ursprung, und wir waren immer da um das Schicksaal der Menschen zu führen. Doch da gab es jene, die ihre eigenen Wege gingen. Ihre Namen sind schon lange verklungen, und kaum jemand kennt ihn, doch wir werden sie nicht vergessen, denn sie veränderten das Schicksaal der Welt.«

Aus der Insel wurden zwei Wesen, wie Mana sie nie gesehen hatte. Sie waren von so zauberhafter Anmut, wie man es wohl bei einem Einhorn erwartet hätte, doch ihre Blicke waren so warm wie die einer Wolfsmutter. Sie hatten Ähnlichkeit mit Wölfen, doch zugleich waren sie so anders, wie es nur irgend möglich war. Es schien, als würden sich ihre Gestalten immerzu verändern, und doch waren sie immer gleich.

Eines dieser Wesen war schwarz wie die Nacht, das andere strahlend hell, wie die Sonne. Mana hätte zu gerne gewusst, was sie waren. Wer sie waren.

»Sol und Mani. Sie waren der beginn der zweiten, der neuen Weltordnung. Sie liebten einander, obwohl sie einander immerzu fern waren.«

»Mani?«, fragte Mana erstaunt, während die beiden Lichterwesen einander umkreisten, sich fangen zu wollen schienen, und doch kamen sie sich niemals wirklich nahe.

»Ja. Sol, die Sonne und Mani, der Mond. Sie konnten es nicht akzeptieren und kämpfen füreinander, bis man ihnen endlich erlaubte, einander nahe zu sein.«

Sie flogen aufeinander zu, schienen miteinander zu verschmelzen, bis sie dann, Seite an Seite, am Himmel standen.

»Und das war der Beginn der neuen Welt. Die beiden bekamen vier Kinder, den Frühling, den Sommer, den Herbst und den Winter. Sie waren so mächtig, das sie sich in unserer alten Welt nicht wohl fühlten, sie zogen nach Norden, in unbesiedeltes Land. Und manche Menschen folgten ihnen.«

Die beiden Lichtergestalten verschwanden, teilten sich zu vier neuen Gestalten in anderen Farben. Sie zogen über den Himmel blieben dann stehen. Ein paar kleine Leuchtpunkte folgten ihnen.

»Wir leben nebeneinander, wir hatten nie ein Interesse daran, einander zu Schaden. Die Jahreszeiten haben ihr eigenes Gebiet und wir haben unseres. Jeder hat seine Aufgabe, alles ist so, wie es sein soll. Und deswegen kann unsere Welt auch funktionieren. Es kommt sich niemand in die Quere, es gibt keine Konflikte. Zumindest keine, die diese Welt ins Unglück stürzen könnten.«

Eine runde Kugel aus Licht entstand und sie war von Inseln und Kontinenten bedeckt. Es war die Welt, in der Mana lebte. Und sie war wunderschön. Die Augen der Wölfin leuchteten voll tiefer Freude, als sie dies sah.

»Und das ist die Ordnung dieser Welt? Das es zwei Mächte gibt, die nebeneinander existieren?«, erkundigte sie sich.

»Ja. Und nein. Bedenke immer, das wir nicht viel anders sind, als ihr. Wir sind nicht mächtig oder besonders, wir tun einfach nur das, was unsere Aufgabe ist. Wie ihr auch. Stell es dir vor, wie zwei Königreiche, die friedlich nebeneinander existieren. Dann verstehst du auch, wie diese Welt hinter ihren Kulissen gestaltet ist«, Verdandi lächelte.

»Wie kommt es, das wir davon nichts wissen?«, erkundigte sich Mana.

»Weil ihr es vergessen habt. Vor Jahrtausenden noch kannten die Menschen die alte und die neue Welt, doch irgendwann bedeutete sie ihnen nichts mehr. Sie vergaßen es einfach. Aber das ist nicht schlimm, denn trotzdem führen wir unsere Aufgabe weiter, genauso wie ihr. Doch während die Zeit der Jahreszeiten gerade erst begonnen hat, neigt sich unsere Zeit dem Ende zu«, Verdandi schob den Webrahmen wieder so hin, das sie gut daran weiterarbeiten konnte, dabei verschwand jedoch das Licht.

»Verschwindet ihr? Sterbt ihr?«, Mana starrte aus großen Augen auf die junge Frau.

»Ja. Aber das ist nicht schlecht. Das Alte muss dem Neuen weichen, sonst gibt es keine Verändern, nur Stillstand, statt Fortschritt. Wir wussten schon lange, dass wir bald gehen müssen, wir werden immer schwächer. Dafür strebt gerade der Winter einen neuen Hochmacht entgegen, denn dort tut sich im Moment am Meisten. Doch das ist alles für dich weit entfernt.«

»In der Tat, den mit den Jahreszeiten habe ich nichts zu tun«, lächelte da Mana und legte sich in den Schnee. Warum war hier überhaupt Schnee? Das die Räume ihrer Kindheit ihre Vergangenheit prägten, war ihr noch klar, aber was hatte ihre Gegenwart mit dem Schnee zu tun?

»Du hast mehr mit ihnen zu tun, als du meinen magst, mein liebes Kind. Du liegst nicht grundlos im Schnee, aber das dir zu erzählen ist nicht meine Aufgabe«, fand Verdandi.

»Der Mond in deiner Geschichte, er heißt Mani. Hat mein Name etwas damit zu tun?«, fragte sie leise weiter. Sie wusste, dass ihr Name aus dem Nachtbuch kam, doch den Text hatte ihr nie jemand nacherzählt und bisher hatte es sie auch nicht wirklich interessiert. Sie hatte nie gefragt. Jetzt jedoch mochte sie es wissen.

»Wenn man nur dem Pfad weiter folgt, so hat dein Name natürlich etwas damit zu tun. Weißt du, als dein Vater zum ersten Mal diese Geschichte hörte, da warst du gerade erst geboren, und dennoch wusste er, dass du etwas besonderes sein würdest. Und er kannte die neuere Geschichte von Mani, der sich heute Drafnar nennt. Er wusste, dass der Mond heute zur Nacht geworden war, und er wusste auch, dass die Nacht noch über den Jahreszeiten steht, den er gehört noch zur alten Welt und er war ihr Vater. Und er kannte die Geschichte aus dem Albenbuch. Deswegen beschloss er, dass dein Name Mana sein musste. Kannst du dir denken, wieso?«

»Als Anspielung auf Mani? Aber um es nicht zu offensichtlich zu machen, und seine Hoffnungen, dass ich wirklich etwas Besonderes wäre nicht allzu deutlich zu zeigen, sollte es nur ein ähnlicher Name sein. Hab ich recht?«

»Auch hier wieder nur zum Teil. Ja, Mana spielt auf Mani an, es soll auch zeigen, wie sehr er daran glaubt, dass du mit deinem Willen allein die Welt verändern kannst. Aber Mana bedeutet auch Macht. Das ist die Übersetzung des Wortes in deine Sprache. Mana heißt Macht. Er wusste, das du besonders bist, und das du mächtiger sein würdest, als es je ein Wesen vermutet hätte. Es ist keine Hoffnung gewesen, die ihn trieb, sondern Wissen.«

»Aber ich bin nicht besonders. Ich bin ein einfaches Mädchen, ich bin nicht besonders hübsch, ich bin nicht klug, ich bin nicht außergewöhnlich begabt. Ich verstehe es nicht, wieso sehen alle so viel in mir? Ich sehe in mir… nichts. Eine leere, seelenlose Hülle, jemand, der nichts kann und nichts hat«, flüsterte Mana und während sie sich wieder aufsetzte, rollten glitzernde Tränen über ihre Schnauze und tropfte in den Schnee.

»Ein einfaches Mädchen? Gewiss nicht. Du bist etwas besonderes, einfach nur deswegen, weil du versuchst zu verstehen, was man dir nicht beigebracht hat. Du folgst nicht blindlings, du folgst, weil du diesen Personen sofort dein Leben anvertrauen würdest. Ansonsten würdest du es nicht tun. Du bist anders. Man muss nicht begabt sein, oder hübsch oder klug, um etwas Besonderes zu sein. Man muss nur sich selbst treu bleiben, und das tust du. Deswegen bist du besonders.«

»Aber wenn das so ist, dann ist doch jeder etwas besonderes.«

»Nein. Wer stur einem einzigen Weg folgt, der kann niemals etwas besonderes sein. Mana, denke darüber nach, wieso heißt du so? Du weißt alles, was du wissen musst. Warum trägst du einen Namen, der von Macht erzählt?«

Darauf antwortete die Wölfin nichts. Stattdessen begann sie zu verstehen. Wer sie war. Sie begann, sich selbst zu finden. Sie hätte sich freuen sollen, stattdessen aber spürte sie eine seltsame leere in sich und sie wusste einfach nicht, womit sie die füllen sollte.

»Ich bin Mana…«, flüsterte sie und dachte an all die Male, wo ihre Eltern ihr das immer wieder gesagt hatten. Als ob es wichtig war. Es war wichtig. Und es verriet so viel mehr, als sie es je gewagt hätte zu glauben.

»Danke Verdandi, du hast mir gezeigt, dass ich einfach nie richtig nachgedacht habe. Meine Eltern haben so viel besser verstanden, was ich hören wollte, ich habe es nur nie begriffen«, sie neigte den Kopf.

»Manchmal erkennt man Dinge nicht gleich, weil man viel zu nahe davor steht. Wenn man einen Schritt zurück tut und alles aus der Ferne betrachtet, merkt man manchmal, dass all die vielen kleinen Bilder gemeinsam auch ein großes Bild ergeben. Wenn du deinem Herzen einfach nur weiter folgst, dann wirst du dich am Ende des Weges auch selbst finden können.«

»Ich werde mich daran erinnern, wann immer ich wieder zu Zweifeln beginne«, sie wusste, dass es Zeit war zu gehen. Sie stand auf, neigte noch einmal tief den Kopf und schaute sich dann einmal suchend um. Sie wusste nicht genau, in welche Richtung es weiterging. Doch als sie Verdandi danach fragen wollte, da war die zweite Norne ebenso spurlos verschwunden, wie die Erste. Der Turm war dunkel und leer.

Trotzdem lächelte Mana erfreut. Sie sah ihren weiteren Weg genau vor sich. Sie schaute noch einmal in den Himmel hinauf, dann humpelte sie in die Höhle hinein.

Was würde sie in ihrer Zukunft erwarten?

Skuld

Mana lief durch die Nacht. Unter sich konnte sie die Erde erkennen, so wie Verdandi sie ihr gezeigt hatte. Eine blaue Kugel, bedeckt mit Kontinenten und Wolken. Und über ihr glitzerten die Sterne.

Sie hätte sich erfreuen können, an diesem so einmaligen Bild, das zu sehen nur den wenigsten vergönnt war, doch in ihrer Magengegend hatte sich ein solch beklemmendes Gefühl breit gemacht, das sie ein wenig ängstlich dem Weg entlang blickte.

Doch sie humpelte tapfer weiter über den Himmel. Da vernahm sie ein Lachen, glockenhell und so voll Freude, das Mana stutzte und stehen blieb. Sie zögerte, schaute sich suchend um, gewahr dann ein Glitzern, das irgendwo vor ihr zu sehen war.

Sie überlegte kurz, ob sie weiterlaufen sollte, dann wurde ihr jedoch bewusst, dass sie eigentlich auch nicht mehr zurück konnte, also tat sie es. Sie folgte dem Glitzern. Und bald schon erkannte sie, das es ein Kind war, das lachend und mit einem Stern durch die Nacht tanzte, dabei ein leuchtendes Band um sich herum wirbelte.

»Bist du die dritte Norne?«, fragte Mana, obwohl sie die Antwort kannte.

»Ja. Ich habe dich bereits erwartet, Sternengefährtin«, lachte das Mädchen und ließ das Band los. Es wurde zu einem Licht, das für einen Moment am Himmel stand, bevor es verschwand.

»Was… hast du getan?«

»Ich habe einen Menschen sein Schicksaal gesandt«, lachte das kleine Mädchen und tanzte um den Stern herum. Mana zögerte, dann nickte sie lächelnd. Urd spann den Faden, Verdandi verwob ihn und die dritte Norne suchte aus, wer es haben sollte. Die Aufgabe der Nornen. Sie verstand es. Jeder hatte seine Aufgabe in dieser Welt.

»Darf ich dich… nach deinem Namen fragen?«

»Name sind doch nur schall und rauch, es gibt nur einen Namen, der wirklich etwas über uns aussagt, der wirklich wichtig ist, und den werde ich dir nicht verraten. Aber wenn du einen für mich brauchst, so nenne mich Skuld. Ich bin die Dritte der Nornen, ich bin das Werdensollende«, erklärte das Mädchen, fing den Stern und barg ihn in ihrer Hand.

»Skuld also… Skuld, die anderen Zwei haben mir schon erzählt, was ich wissen musste, und meine Zukunft mag ich nicht kennen. Was wirst du mir also erzählen?«, erkundigte sich das Mädchen.

»Ich? Gar nichts. Ich möchte, dass du mir von deiner Reise berichtest. Erzähl mir, auf welchem Weg bist du in die Zukunft gelaufen?«, das kleine Mädchen, das scheinbar nur acht Jahre alt sein mochte, schaute sie aus wissenden, uralten Augen an. Diese Norne war nicht blind.

»Welchen Weg ich gelaufen bin?«, diese Aufforderung überraschte Mana, denn sie hatte erwartet, das ihr Skuld wieder irgendetwas erzählen würde. Doch statt weiter darüber zu grübeln, lächelte sie und nickte. Sie versuchte sich jedes Detail wieder ins Gedächtnis zu rufen, das ihr auf ihrem Weg ins Himmelsreich aufgefallen war. Sie schloss die Augen, dann begann sie.

»Ich betrat die Höhle aus Eis, doch als ich sie auf der anderen Seite wieder verließ, da erwartete mich nicht nur die Eislandschaft, sondern… ein Pfad aus Licht. Ich glaube, das Nordlicht ist es wohl gewesen. Ich wusste, das dies der Weg ist, der mich zu dir bringen würde, also habe ich ihn betreten und bin… bin ihm gefolgt. Er veränderte seine Farbe immerzu und er strahlte und leuchtete so wunderschön… ich musste immerzu an die Augen meines Vaters denken. Ich lief ihn entlang, immer höher hinauf, und als ich das Ende sehen konnte, da merkte ich, wie ich mich zu verändern begann. Als ich den Nordlichtweg verließ, da war ich wieder ein Mensch. Ich lief dann immerzu weiter, folgte meinem Gefühl, und es führte mich an weiten Sternen vorbei, durch die Nacht laufend hierher«, erzählte sie und lächelte bei dem Gedanken daran.

»Ein Weg aus Licht, wie wunderschön!«, freute sich Skuld lachend und ließ den Stern wieder frei.

»Ist es denn nicht immer ein Lichterpfad?«, erkundigte sich Mana zögernd.

»Nein. Jeder geht seinen eigenen Weg, und zwar immer jenen, den er selbst wählt. Und du hast einen Weg gewählt, der deiner würdig ist. Deines Standes angemessen könnte man sagen«, lachte Skuld.

»Meines Standes angemessen?«, die Norne verwirrte Mana. Natürlich, Lugh Akhtar war in gewisser Hinsicht durchaus der Herr von Wynter, doch damit hatte sie nichts zu tun. Sie, Kekoa und Yue würden niemals Anspruch auf die Herrschaft des Reiches haben.

Wenn ihr Vater einmal starb, so würde es keinen direkten Nachfolger geben. Da Cinder, Soul und Kenai alle drei auf jegliche Anteile am Reich verzichtet hatten, wäre der Nächste in der Reihenfolge Lif. Er war der Erste direkte Verwandte Lugh Akhtars, der einer ehelichen Beziehung entstammte.

Somit war nur der Stand ihrer Mutter von Bedeutung, und der war in ihrer Gesellschaft einfach nicht so hoch, dass er irgendwie erwähnenswert gewesen wäre. Sie trug den Namen ihres Vaters, doch eine wirkliche Bedeutung hatte es nicht.

»Ja. Du bist nicht irgendwer, Sternengefährtin. Unter Menschen und auch unter Zauberern magst du nur eine von vielen sein, doch in dieser, in unserer Welt, da bist du nicht irgendwer. Die Raben haben dich gleich erkannt und auch Skadi wusste, wer du bist. Deswegen hat mich ihre Reaktion auch ein wenig gewundert, aber vielleicht war sie einfach nicht so verblendet zu glauben, das sie die Einzige für ihn sein könnte…«, die Norne wirkte nachdenklich, während Mana überlegte, ob sie nachfragen sollte, denn abermals verstand sie nicht. Sie entschied sich dagegen.

»Die Raben, Hugin und Munin. Ich kenne sie, aber woher? Und warum kann Llew sie so gar nicht ausstehen?«, erkundigte sich das Mädchen stattdessen.

»Llew gehört zum Winter, die Raben dagegen gehören zur alten Welt. Weißt du, Skadi ist als Botschafterin der Jahreszeiten hier. Sie ist etwas ganz besonderes, denn sie ist schon sehr viel älter, als jeder Andere auf dem Gefolge der Jahreszeiten. Sie ist im allerersten Winterrudel geboren und das hat es danach niemals wieder gegeben. Es ist ein wenig so, als wäre sie selbst ein bisschen der Winter«, erklärte Skuld und beobachtete nachdenklich den Stern.

»Und deswegen gehört Llew zum Winter? Will Skadi dazu gehört?«

»Nicht nur. Llew ist das Ergebnis einer verbotenen Beziehung. Sein Vater war innerlich so zerrissen, wie du es bisher warst, und Skadi hat ihn geliebt. Sie hat ihm dabei geholfen, sich selbst und seine Bestimmung zu erkennen, und er hat seine Dankbarkeit für Liebe gehalten. Es hätte eigentlich nicht geschehen dürfen. Als ihm klar wurde, dass das, was er tat, nicht das war, was er tun sollte, da wussten sie beide nichts von dem Leben, das schon im Wachsen begriffen war. Er ging. Und sie wusste, dass es besser so war. Und sie wusste es auch noch, als sie später das kleine Leben zur Welt brachte. Ich denke nicht, das er von Llew etwas weiß.«

»Aber was hat das mit den Raben zu tun?«

»Nun, Skadi gehört zum Winter, aber sie ist als Botschafterin aller Jahreszeiten hier. Bevor sie hierher kam, waren Hugin und Munin die Botschafter. Sie flogen durch die Welt, sahen, was es in der neuen Welt zu sehen gab, und berichteten von uns. Anfangs beobachteten wir die neue Welt mit Besorgnis, doch die Jahreszeiten entwickelten sich zu unserer Beruhigung. Wir begannen ihnen zu vertrauen, doch es ist wichtig, miteinander zu sprechen. Damit es nicht zu Missverständnissen kommen kann. Und Anfangs übernahmen eben die Raben diese Aufgabe. Als Skadi jedoch heranwuchs, da übernahm sie mehr und mehr diese Aufgabe, bis wir gemeinsam beschlossen, das ein dritter Botschafter nicht falsch sein konnte.«

»Aber Hugin und Munin gefiel das nicht besonders?«, mutmaßte das Mädchen.

»Ich denke nicht, das es sie wirklich störte, aber… sie wissen genau, wie Sündenbelastet ihr Leben ist. Sie zweifeln an ihrer Aufrichtigkeit. Das hat nichts mir Skadi selbst zu tun, sie muss sich eben erst beweisen. Und das Llew existiert, hat ihr dabei nicht geholfen. Die Raben und auch viele Andere machen einfach keinen Hehl daraus, das sie ihr nicht ganz vertrauen. Und das kann Llew nicht verstehen. Er nimmt es persönlich, sieht es nicht als das, was es ist. Als Mangel an Beweisen, für ihre Loyalität. Nicht als Zweifel an ihr selbst.«

Das wiederum verstand Mana sehr gut. Sie konnte Llew verstehen, aber sie verstand auch allen Zweifel. Sie nickte.

»Hast du noch andere Fragen an mich? Noch einmal werden wir uns wohl nicht sprechen. Nur die Wenigsten sprechen wir ein zweites Mal.«

Das Mädchen zögerte. Natürlich, eigentlich wollte sie nicht wissen, was ihre Zukunft für sie bereithielt, doch andererseits war dies die einzige Möglichkeit, etwas darüber zu erfahren.

»Warum sind wir hier? Wieso sind wir nicht auf der Erde, wie bei den anderen beiden auch?«, erkundigte sich.

»Weil hier deine Zukunft liegt. Du willst das, was dich erwartet, nicht kennen, deswegen verrate ich dir auch nichts, aber die Sterne spielen eine große Rolle. Auch jetzt schon.«

»Jetzt schon…? Wie das? Ich meine, die Sterne sind doch so fern«, fand Mana, griff dabei jedoch ganz unwillkürlich nach dem blauen Stern, der an ihrem Hals baumelte. Skuld lächelte darauf wissend. Der Anhänger schien mehr zu bedeuten, als sie glaubte.

»Wird unsere Reise noch weit sein? Werden wir Fylgien wirklich nach Hause bringen können? Und war habt ihr meinen Freunden erzählt?«

»Eure Reise ist noch weit, ja, aber für dich wird sie niemals weit genug sein. Und nein, ihr werdet ihn niemals wirklich nach Hause bringen können. Er gehört nicht in diese Welt, deswegen hatten wir nie Einfluss auf sein Schicksaal, aber das wissen wir dennoch. Und was deine Freunde erfahren haben, das musst du sie selbst fragen«, lächelte das kleine Mädchen.

»Gut. Dann ist es wohl Zeit, zu gehen«, überlegte dann Mana.

»Nicht ganz. Eines muss ich dir noch sagen. Bedenke bei allem, was du tust, das es Dinge gibt, die richtig sind, wie sie eben sind. Man sollte sie nicht verändern, so sehr man sie auch hasst und gegen sie ankämpfen möchte. Und in deiner Zukunft wird es etwas geben, wo du das einsehen musst«, beschwor die dritte, die scheinbar jüngste Norne das Mädchen.

Mana nickte nachdenklich. Sie wollte nur zu gerne wissen, was Skuld damit meinte, doch sie würde es wohl noch früh genug erfahren. So nickte sie und lächelte dankbar. Sie wusste nicht genau, wohin es nach Hause ging, doch als sie Skuld fragen wollte, da lachte die glockenhell auf und tanzte wieder mit dem Stern durch die Nacht. So wollte sie nicht weiter stören, wandte sich stattdessen ab.

Sie lief einfach irgendwohin los, bis sie irgendwann den Lichterweg wieder fand. Der jedoch brachte sie nicht in die Schneelandschaft hinab, sondern zu der Höhle. Doch als sie dieser nun folgte, war sie nicht mehr aus Stein, sondern aus Erde, durchzogen von Wurzeln.

Mana lief lange. Sie hatte wieder ihre Wolfsgestalt wieder und humpelte so dreibeinig durch die niedrige Höhle. Als sie am Ausgang ankam, war es tiefe Nacht. Sie schaute in den Himmel hinauf, wo die Sterne wundervoll auf die Welt hinab leuchteten.

Sie schaute sich um, doch ihre Freunde entdeckte sie nicht. Sie sprang ins Gras hinab, sah Fylgien am Felsen liegend schlafen. Llew und Skadi lagen bei ihm, alle tief in ihren Träumen versunken.

Sie humpelte weiter. Sie entdeckte Lif und zwei schwarze Schatten bei ihm. Sie humpelte hinzu, wissend, dass es Slyk und Ahkuna waren.

»Hallo«, begrüßte sie die drei. Lif hatte sich wieder beruhigt, er schaute sie zwar traurig an, doch die panische Verzweiflung war aus seinem Blick gewichen.

»Mana, schön, das du wieder da bist«, lachte Ahkuna und begrüßte sie rutewedelnd. Sie legte sich zu ihren Freunden.

»Und, wie ist es dir ergangen?«, erkundigte sich Slyk.

»Eigentlich recht gut…«, begann Mana zögernd. Dann lächelte sie. Sie erinnerte sich daran, das Verdandi ihr sagte. Das sie ihren Freunden vertraute. Und das stimmte. »Wenn ihr wollt, dann erzähle ich es euch.«

Die anderen zögerten noch einen Moment, doch Ahkuna nickte lächelnd.

»Erzähl es uns«, bat sie.

Die junge Wölfin lächelte, dann begann sie zu erzählen. Und sie ließ nichts aus. Auch nicht ihren Schülernamen, was einiges Erstaunen bei ihren Freunden verursachte, doch sie wusste, dass keiner von ihnen dieses Wissen je ausnutzen würde. Als sie geendet hatte, da lächelten ihre Freunde. Sie kuschelte sich an Lif, müde und glücklich.

»Ich denke, dann wird es Zeit, dass ich euch meine Geschichte erzähle«, meinte Lif nachdenklich. Er rieb seinen Kopf an seiner Cousine, dann schaute er in die Runde. Und begann zu erzählen.

Wind und Schatten

Eine tiefgehende Stille lag über dem Wald, nachdem Slyk geendet hatte. Jeder hing seinen Gedanken nach und das war nicht einmal schlecht. Sie alle mussten erst einmal das verarbeiten, was sie gehört hatten. Irgendwann stand Mana auf. Fylgien war unbemerkt hinzugetreten und mit einemmal sehnte sie sich nach seiner Nähe.

»Komm mit mir«, flüsterte der goldene Wolf und wandte sich ab. Und Mana folgte ihm. Sie gingen zu einem stück Wiese, das abseits lag, ließen sich dort eng aneinander gekuschelt nieder.

»Erzählst du mir, was dir geschehen ist?«, fragte er leise. Und natürlich erzählte sie es ihm. Und verriet auch ihm dabei ihren Schülernamen, was Fylgien durchaus wahrnahm, aber unkommentiert ließ. Andererseits sprachen seine Augen ihre eigene Sprache, die viel deutlicher zu verstehen war. Nachdem sie geendet hatte, rollte sie sich an seiner Seite zusammen.

»Fylgien, ich möchte schlafen«, erklärte sie leise und ohne das sie verstand, wieso, rollte eine Träne über ihr Fell, ihre Wange hinab.

»Dann schlaf. Ich werde bei dir bleiben, ich werde auf die aufpassen«, flüsterte Fylgien ihr ins Ohr. Und das tat sie. Nur Augenblicke später war sie in der samtigen Schwärze ihrer Träume entschwunden.

Sie wurde von der Sonne geweckt, die hoch am Himmel stehend, auf sie hinab schien. An ihrer Seite döste Fylgien, den Kopf auf seinen Pfoten gebettet. Mana stand langsam auf. Sie wollte ihn nicht stören und er schien kurz davor, einzuschlafen, da wollte sie ihm die Ruhe gönnen.

»Mana«, hörte sie, wie sie leise gerufen wurde. Als sie sich umschaute, da gewahr sie Ahkuna, die eindeutig fragend, aber auch mit einer freudigen Erwartung erfüllt zu ihr blickte.

»Was ist?«, wollte Mana wissen, wissend, das irgendetwas geschehen war.

»Skadi sagt, das wir alle kommen sollen, sie erwartet Besuch, der uns helfen wird, von der Insel hinunter zu kommen«, erklärte sie leise. Dabei wanderte ihr Blick immer wieder fragend zu Fylgien. Mana verstand diese stummen Fragen sehr wohl, doch sie wollte einfach nicht darauf eingehen. Sie errötete unter dem weißen Fell und hoffe inständig, das Ahkuna nichts davon sah. Manche Dinge musste sie einfach nicht wissen.

»Wo sind die Jungen?«, wechselte sie stattdessen das Thema.

»Die sind mit Llew vorhin irgendwohin gerannt«, antwortete ihre Cousine.

Mana schaute noch einmal nachdenklich auf Fylgien, dann beschloss sie, ihn schlafen zu lassen. Stattdessen seufzte sie leise, nickte und deutete Ahkuna, vorauszugehen.

Skadi saß alleine auf einem Felsen und hörte nachdenklich den beiden Raben zu, die leise mit ihr sprachen. Das wunderte Mana ein wenig, denn obwohl die drei zwar nicht offen feindschaftlich auftraten, hatte sie dennoch angenommen, dass sie sich nach Möglichkeit aus dem Weg gingen. Dieses traute Beisammensein passte dabei einfach nicht ins Bild.

Doch sie hatte keine Gelegenheit, sich darüber Gedanken zu machen, da schaute sie Munin direkt an und krächzte Skadi was zu. Die antwortete leise, wandte sich dann um, während die Raben davon flatterten.

»Mana, Ahkuna, ich hab euch schon erwartet«, lächelte sie und sprang zu ihnen hinab.

»Die Jungs habe ich nicht gefunden«, antwortete Ahkuna und setzte sich.

»Macht nichts, die werden schon wieder auftauchen. Ich habe einen Freund von mir darum gebeten, euch zu helfen. Ich weiß nicht, wann genau er kommt, aber ihr solltet nicht erschrecken, wenn ihr ihn seht. Er ist harmlos, auch wenn er nicht so wirkt«, erklärte Skadi.

»Wer genau ist es?«, erkundigte sich Mana, doch Skadi antwortete nicht, sondern nickte hinter sie. Als sich die Mädchen umwandten, standen dort zwei Tiere. Das eine war eine Polarfüchsin mit roten Augen und seltsamen schwarzen Abzeichen, das andere war ein verwirrt aussehender, grauer Wolf mit graublauen längststreifen.

Da rief Ahkuna laut auf und stürzte zu dem gestreiften Wolf, warf ihn zu Boden und kuschelte sich eng an ihn. Mana spitzte verwirrt die Ohren, auch die anderen beiden wirkten verunsichert.

»Das ist ja mal eine nette Begrüßung«, lachte die Füchsin, während der Wolf versuchte, wieder auf die Beine zu kommen.

»Schön dich wieder zu sehen, Wüstenprinzessin«, lachte er und stieß sie von sich hinunter.

»Du bist ja gar kein Bär, wieso?«, fragte Ahkuna neugierig, denn sie hatte ihren Windbären sofort erkannt.

»Ja, das wüsste ich auch gerne«, antwortete der Wolf und schaute fragend auf die Füchsin.

»So reist es sich besser, als Bär bist du zu groß, zu schwer, zu langsam und zu dick«, erklärte die und grinste.

»Ich bin der Wind, ich bin für nichts zu schwer und zu langsam«, widersprach der Wolf, schüttelte dann aber nur noch den Kopf. »Hallo Skadi, schön dich wieder zu sehen.«

»Die Freude ist ganz auf meiner Seite, Kenai«, lachte die schwarze Wölfin und begrüßte erst die Füchsin, dann den Wolf mit einem Nasenstups.

»Kenai?«, stutzte Mana. Der Cousin ihres Vaters hieß so, doch sie konnte sich nicht vorstellen, dass der Wolf und der Mann ein und dieselbe Person sein mochten.

»Du bist Lugh Akhtars Tochter, oder?«, erkundigte sich der Wolf und betrachtete sie aufmerksam. Sie nickte zögernd.

»Du musst wissen, dass dieser Kenai hier der Bruder deines Großvaters ist«, erklärte Skadi, denn ihr war die Verwirrung nicht entgangen. Und Mana nickte erstaunt. Seltsamerweise hatte sie nie bewusst darüber nachgedacht, dass sie natürlich auch Großeltern väterlicher Seite hatte. Für sie hatte es nur die Eltern ihrer Mutter gegeben.

»In meinem alten Leben«, betonte der Wolf einige Grade kühler. »Jetzt bin ich der Wind.«

»Für mich bist und bleibst du Kenai. Und nicht nur für mich«, erklärte Skadi herausfordernd. Die beiden starrten sich einen Moment an, als wollten sie gleich aufeinander losgehen, dann jedoch lachten sie.

»Du hast dich kein bisschen verändert, Skadi«, fand der Wind.

»Du auch nicht. Aber jetzt mal eines nach dem anderen, ich glaube, die Mädchen sind verwirrt«, die schwarze Wölfin wandte sich an Mana und Ahkuna. Da kamen Lif, Slyk und Llew angerannt.

»KENAI!«, rief letzter begeistert und stürzte sich ebenso auf den Wind, wie Ahkuna es getan hatte. Doch er ließ es wenigstens zu, dass der Wolf aufstand und sich ein wenig genervt hinsetzte.

»Ihr müsst mir nicht alle demonstrieren, dass ihr einen alten Mann umschmeißen könnt«, brummte er unwillig, während die anderen beiden Jungen zögernd näher kamen.

»Wer ist das?«, wollte Lif wissen.

»Der Bruder unseres Opas… Oder er war es zumindest mal… ich bin verwirrt«, Ahkuna setzte sich ebenfalls hin.

»Ich habe mich dem Herbst angeschlossen«, meinte der Wind, als wäre das alle Erklärung, der es bedurfte.

»Wisst ihr, wer sich einem der Jahreszeiten anschließt, der gibt damit seine Vergangenheit auf. Seine Familie und seine Freunde, alles was man kannte und alles was man liebte«, erklärte die Füchsin und setzte sich auch dazu.

»Aber wieso?«, wollte Slyk mit gerunzelter Stirn wissen und stellte sich in einer beschützerischen Geste neben seiner Schwester.

»Weil wir nicht mehr die Zeit haben, unseren Tag so zu gestalten, wie wir es möchten. Es gibt jene, die wenig zu tun haben, auch während ihre Jahreszeit an der Macht ist, aber selbst sie können nicht einfach gehen und ihre alten Freunde wieder besuchen. Die Jahreszeiten selbst haben dergleichen nie von uns verlangt, aber es war uns allen trotzdem immer schon klar«, der Wind lächelte traurig. Mit seinen Gedanken schien er weit fort.

»Nun, ist auch egal. Wir sind auf jeden Fall im Auftrag des Winters hier um euch zu helfen«, erklärte die Füchsin und schaute Beifall heischend von einem zum anderen.

»Und wer genau bist du?«, wollte Llew verwundert wissen. Selbst er schien die Füchsin nicht zu kennen.

»Und seid wann nimmst du Befehle vom Winter entgegen? Ausgerechnet du?«, die Raben waren wieder zurück und saßen auf der Wurzel der Esche Yggdrasil.

»Der Winter erteilt keine Befehle, der Winter bittet bloß um gefallen«, fauchte die Füchsin böse. »Mal ganz davon abgesehen glaube ich nicht, das euch in irgendeiner Weise irgendetwas angeht, was ich tue oder eben auch nicht!«

»Du verrätst die alte Welt«, fand Munin.

»Ich verrate diese Welt? Ausgerechnet ich? Ich glaube, du hast vergessen, mit wem du sprichst, Federvieh«, knurrte sie böse. Ihre roten Augen blitzten gefährlich und schienen von innen zu brennen.

»Ich glaube eher, dass du vergessen hast, wer du bist, sonst hättest du den Winter angesichts einer solchen Bitte ausgelacht«, fand Hugin.

»Mal ganz davon abgesehen, dass euch das immer noch so gar nichts angeht, sehe ich nicht, warum ich einen Freund für eine Bitte, die ihm so wichtig ist und mir so wenig Mühe bereitet, auslachen sollte«, die ungesprochene Botschaft der Füchsin war eindeutig, doch die Raben schienen einfach nicht verstehen zu wollen.

»Weil er dich ausnutzt. Früher hättest du das auch erkannt«, fand Hugin. Und da reichte es der Füchsin. Mit einem gewaltigen Satz war sie bei den Raben oben und fletschte sie beide an.

»Ich schlage vor, ihr beiden verschwindet jetzt. Das hier geht euch nichts an und ich will euch hier auch nicht mehr sehen. Bleibt mir einfach fern, verstanden? Und jetzt haut ab«, fauchte sie böse. Die Raben zögerten, doch nachdem sie noch einmal leise geknurrt hatte, flatterten sie davon. Die Füchsin seufzte und sprang wieder hinab.

»Ich habe keine Ahnung, wie du es mit den beiden Nervensägen überhaupt aushältst, Skadi«, fand sie.

»Man gewöhnt sich an sie. Man gewöhnt sich an einiges«, antwortete die und lächelte verkniffen.

»Ich glaube, ich wollte mich gar nicht an sie gewöhnen. Ist jetzt aber auch egal«, meinte die Füchsin und wandte sich zu Llew. »Ich bin Schatten.«

»Schatten?«, Skadi wirkte ehrlich erstaunt.

»Ja«, grinste sie, schien aber nicht vorzuhaben, irgendetwas zu erklären. Und Skadi fragte nicht, auch wenn sie es sichtlich wollte. Das machte Mana misstrauisch. Wer war die Füchsin?

»Gut, ähm… Schatten. Du hilfst uns, ja? Zum Südpol?«, wollte Lif wissen, der sich bisher eher im Hintergrund gehalten hatte.

»Nein. Der Reiseleiter ist Kenai, ich bin bloß das Anstandsmädchen, das euch beschützt«, antwortete sie und ihren Augen blitzte es wieder auf. Mana brauchte einen Moment um zu verstehen, dass es diesmal Belustigung war.

»Noch mal langsam, damit ich das auch richtig verstanden habe. Ihr beiden seid vom Winter geschickt worden. Er hat euch darum gebeten, das der Wind unseren Weg bereitet, und das du Schatten uns einfach nur begeleitest?«, fragte Mana.

»Genau«, bestätigte der gestreifte Wolf.

»Dann bring uns bitte an den Südpol, denn der war einmal unser eigentliches Ziel«, bat Lif. In diesem Moment kam auch ein verschlafener Fylgien dazu. Er wirkte nicht begeistert von dieser Bitte, aber er sagte nichts, sondern setzte sich neben Mana.

»Wenn ihr dorthin wollt, dann bringe ich euch natürlich dorthin«, erklärte der Wind und lächelte sanft. Die kleine Gruppe nickte, auch wenn sie nicht verstanden, wie das gehen sollte.

»Dann solltet ihr euch verabschieden, Skadi und Llew werden nämlich nicht mitkommen«, erklärte Schatten.

Da horchten vor allem Slyk und Lif auf, denn sie und Llew waren gute Freunde geworden. Irgendwie war ihnen nie wirklich bewusst gewesen, dass er nicht weiter mitkommen würde. Doch eigentlich war es klar gewesen.

»Ich komm euch besuchen wenn ich kann«, lächelte da der junge Wolf. Auch er wirkte traurig, aber auch sehr zuversichtlich.

»Ihr werdet euch bestimmt wieder sehen, keine Angst«, meinte Schatten beruhigend. Dann stupste sie noch einmal Skadi an und flüsterte: »Wenn ich ihm etwas ausrichten soll, musst du es mir nur sagen.«

»Nein. Er soll sein Leben leben, es ist besser so«, lächelte sie traurig.

»Da gehörst du aber zu. Und Llew auch. Euch kann einfach niemand totschweigen und ich glaube nicht, dass er das möchte. Aber es ist deine Entscheidung. Du musst mir einfach nur bescheid geben, wenn du dich um entscheidest«, bot Schatten an und wandte sich wieder ab.

»Dann mal los. An den Südpol«, lächelte der Wind. Mana und ihre Freunde nickten und kaum versahen sie es sich, da flogen sie schon leicht, wie eine Feder über den Wald.

»Was passiert mit uns?«, vernahm sie Lifs Stimme.

»Ihr seid jetzt Wind. Und ihr weht jetzt zum Südpol«, erklärte da Kenai ruhig. Nachdem Mana klar war, was geschah, genoss sie es, scheinbar schwerelos über das Meer zu schweben. Der nächsten Etappe ihrer Reise entgegen.

Der Weg ins Glück...?

»Musst du wirklich gehen? Warum kannst du nicht bei uns bleiben?«, Ahkuna saß traurig vor dem grauen Wolf und versuchte mit einem Dackelblick, ihn zum Bleiben zu bewegen.

»Tut mir leid, meine Wüstenprinzessin, aber ich muss gehen. Ich werde gebraucht, aber nicht hier«, der Wind stupste sie aufmunternd an und lächelte.

»Keine Angst, ich bleib bei euch«, mischte sich Schatten gut gelaunt ein. Ahkuna bedachte sie mit einem kalten Blick, dann kuschelte sie sich eng an Kenai. Er leckte ihr über den Kopf, dann machte er einen Schritt zurück.

»Wir werden uns wieder sehen, Ahkuna. Aber im Moment muss ich meine Aufgabe weiterführen«, erklärte er und die junge Frau nickte langsam. Dann verschwand der Wind mit einem Lächeln, blies noch einmal heftig um sie herum, dann war alles still.

»So… und was genau tun wir jetzt?«, fragte Lif in die Runde, schaute dabei aber fragend zu Fylgien. Der jedoch antwortete nicht, sondern schaute nachdenklich auf den Schnee am Boden.

»Wir laufen nach Süden. Einmal über den Kontinent. Vielleicht finden wir ja etwas«, überlegte Mana.

»Nein. Das ist nicht nötig, ich…«, murmelte da der goldene Wolf. Er setzte sich in den Schnee, schaute dann scheu von einem zum anderen.

»Was ist los?«, fragte Slyk leise.

»Ich… ich habe nachgedacht. Es ist viel passiert, und da… musste ich ein wenig drüber nachdenken. Ich glaube, ich möchte gar nicht mehr nach Hause. Ich hatte nie Freunde wie euch. Ich hatte… wisst ihr, wenn man so etwas nicht kennt, dann vermisst man es nicht. Wer keine Freunde hat, wer immer nur alleine ist, der vermisst keine Gesellschaft. Aber wenn man… wenn man sie kennen lernen durfte, dann… ich möchte nicht mehr ohne sein. Ich möchte hier bleiben. Bei euch. Es tut mir Leid, das wir diese Reise völlig umsonst unternommen haben, aber… ich möchte nicht mehr weitergehen«, erklärte der goldene Wolf leise.

»Kein Schritt, den wir getan haben, war in irgendeiner Weise vergebens«, antwortete Mana und wirkte dabei seltsam erleichtert.

»Das stimmt. Wir haben eine Menge gelernt. Über andere und über uns selbst«, stimmte Ahkuna zu.

»Also… ist unsere Reise hier beendet?«, fragte Slyk zögernd.

»Nein«, mischte sich Schatten ein. Sie wirkte nicht wütend, aber auch nicht gerade erfreut. Sie hatte die Ohren halb angelegt und die Schnauze verzogen, schüttelte entschieden den Kopf.

»Ich weiß, wieso du nicht mehr weiter möchtest, Fylgien, aber… komm mit mir, wir müssen uns unterhalten«, fand sie und machte einige Schritte in irgendeine Richtung.

»Es gibt da nichts zu besprechen, Schatten. Ich möchte nicht mehr zurück«, fand er und schaute sie scheu an.

»Fylgien…«, sie seufzte, lief zu ihm und setzte sich dann ebenfalls in den Schnee. Sie schaute ihm ernst in die Augen, dann sprach sie leise in einer Sprache, die die anderen nicht verstanden. Fylgien schon. Und offensichtlich hatte er das nicht erwartet, denn er wirkte verwirrt. Doch er antwortete in der gleichen Sprache, schüttelte dann heftig den Kopf und sagte noch etwas.

»Fylgien, du kannst nicht einfach bestimmen, wann diese Geschichte enden soll und auch nicht wie. Versteh es doch, dein Weg ist hier noch nicht zu ende«, beschwor ihn die Füchsin, doch Fylgien sprang mit gesträubten Fell und angelegten Ohren, aber auch mit einer eingekniffenen Rute auf.

»Ich will nicht! Warum? Warum kann die Geschichte nicht hier enden? Es wäre ein gutes Ende, ein schönes Ende! Alle wären glücklich!«, rief der junge Wolf aus.

»Ein Ende muss immer zur rechten Zeit kommen. Und es sind andere die bestimmen, wann diese Zeit da ist. Wenn wir es jetzt enden ließen…«, sie schüttelte nachdenklich den Kopf. »Es wäre nicht richtig und das weißt du.«

Fylgien schaute zum Boden, schüttelte dann heftig den Kopf. Er schrie Schatten wieder in jener fremden Sprache an, dann lief er davon.

»Fylgien!«, rief Mana und wollte ihm nachlaufen, doch die Füchsin stellte sich ihr schnell in den Weg.

»Lass ihn. Er braucht einen Moment für sich«, erklärte die Füchsin leise.

»Aber…«, wollte Mana widersprechen, doch Schatten schüttelte entschieden den Kopf.

»Er kann auf sich selbst aufpassen, glaub mir«, erklärte sie leise.

»Und wenn er sich verläuft?«

»Er findet uns schon, hab keine angst«, sprach sie und wandte sich an die anderen. »Also, nach Süden, ja?«

»Aber wenn Fylgien nicht mehr nach Hause will, dann können wir doch nach Hause. Wieder nach Norden, nach Navarre und Altena«, meinte Lif.

»Nein, können wir nicht. Glaubt mir, das wird er auch einsehen, wenn wir ihm nur die Zeit lassen. Eine Geschichte kann man nicht vorzeitig beenden, sonst riskiert man, dass sie kein Ende hat. Wisst ihr, ich weiß, wer Fylgien ist, ich weiß, woher er kommt und ich weiß, was er aufgeben würde. Und ich weiß, warum er nicht zurück möchte«, Schatten seufzte. »Es ist schön, eine wunderbar romantische Idee, aber… er könnte so niemals glücklich werden. Und wenn er nicht glücklich wird, dann kenne ich zumindest eine Person, die es ebenfalls nicht werden könnte.«

»Und wenn wir es jetzt enden lassen müssten? Wenn genau jetzt das richtige Ende wäre? Wenn wir einfach weitergingen, obwohl dies hier schon das perfekte Ende wäre, dann wäre das doch ebenso schlecht, als wenn wir es zu früh enden ließen. Woher willst du wissen, das dies hier nicht das perfekte Ende ist?«, ereiferte sich Slyk.

»Weil ich es weiß. Weil... Fylgien kann hier auf Dauer nicht existieren. Er kommt aus einer anderen Welt, die dieser so… fern ist… er könnte hier niemals glücklich werden. Nicht wirklich. Und selbst wenn er es könnte, würde dieses Glück nicht lange anhalten. Er würde Sterben. Viel früher und auf viel grausamere Art und Weise, als es für seine Art üblich ist. Er kann hier einfach nicht leben. Und er weiß das. Er lässt sich von fixen Ideen leiten, für diesen Moment ist ihm gar nicht klar, was er aufgeben würde. Aber er wird es einsehen, wenn er nur Zeit hat, sich darüber bewusst zu werden«, erklärte Schatten leise und einfühlsam.

»Woher weißt du so viel über ihn?«, wollte Lif wissen.

»Der Winter hat mir von ihm erzählt, als er mich bat, auf euch alle ein Auge zu haben. Der Winter sagte mir, wer er ist, woher er kommt und warum er dorthin zurück muss. Also versuche ich zu tun, was ich kann«, erklärte die Füchsin.

Slyk und Lif warfen sich einen langen Blick zu, Mana schaute sehnsüchtig in jene Richtung, in die Fylgien gelaufen war, und Ahkuna wirkte sehr nachdenklich.

»Gut. Dann laufen wir nach Süden. Es… könnte sein, das es dumm ist, dir zu vertrauen, es könnte sein, das du uns schaden willst, wir wissen es nicht. Aber ich bin bereit dir zu vertrauen. Weil Skadi dir vertraut hat«, meinte Lif und lief ohne weiteres Wort und gemeinsam mit Slyk voran. Ahkuna zögerte, schaute Schatten noch lange und nachdenklich an, dann folgte sie Lif und ihrem Bruder und hatte schon bald zu ihnen aufgeschlossen.

»Kommst du, Mana?«, fragte Schatten leise und schaute zur Wölfin hinüber, die noch immer Sehnsüchtig in die Ferne starrte. Sie zuckte leicht zusammen, als sie so unerwartet angeschlossen wurde, schaute die Füchsin dann einen Moment irritiert und zögernd an, dann nickte sie und lief an ihre Seite.

»Wer ist Fylgien?«, fragte sie leise.

»Das möchte ich dir nicht verraten. Du wirst es wissen, eigentlich weißt du es schon, man hat es dir oft genug gesagt, aber…«, sie seufzte. »Manchmal versteht man einfach nicht. Und Manchmal will man auch gar nicht verstehen, denn das, was es zu verstehen gilt, ist so grausam, das wir die Augen davor verschließen wollen.«

»Ich will aber verstehen. Ich will begreifen, was ihn antreibt, warum er tut, was er eben tut«, antwortete Mana und schaute nachdenklich in den Himmel hinauf. »Und dazu muss ich eben wissen, wer er ist.«

»Du liebst ihn, nicht wahr?«, die Füchsin blieb stehen und schaute Mana nachdenklich an.

»Ich, was?«, die junge Wölfin blieb verblüfft stehen und blinzelte Schatten irritiert an.

»Du hast dich in Fylgien verliebt, hab ich recht?«, sie lief weiter, schaute unter ihrer Rute hervor, zu Mana zurück.

»Wie kommst du denn auf die Idee«, entrüstete die sich, folgte schnell und versuchte ihre Verlegenheit verzweifelt zu verbergen. Schattens warmes Lächeln bewies eindeutig, das es ihr nicht gelang.

»Ich habe deinen Blick gesehen und ich sehe, wie vertraut ihr miteinander umgeht. Weißt du, manchmal kann man sehr viel mehr erfahren, wenn man nur beobachtet und zuhört. Man verrät mehr über sich selbst, als man glaubt«, sie lächelte wissend.

»Oh, das glaub ich dir gerne. Ich kenne ja meine Mutter«, lächelte Mana.

»Stimmt. Dein Vater verrät nicht viel über sich selbst, er hat gelernt, sich selbst zu verbergen… Nea kann das nicht«, nachdenklich beobachtete Schatten, wie Ahkuna lachend auf Lif einredete.

»Woher kennst du meine Eltern?«, wollte Mana leise wissen.

»Oh nein, hier geht es nicht um mich. Hier geht es nur um dich. Und um Fylgien«, lächelte Schatten.

»Gut. Beantwortest du mir dann eine Frage? Ohne auszuweichen oder mich irgendwie zu vertrösten, sondern eine Antwort, klar und gerade heraus?«, erkundigte sich die junge Wölfin.

»Wenn ich es kann, dann ja«, nickte die Füchsin.

»Nehmen wir einfach mal an, dass ich Fylgien lieben würde. Das heißt nicht, dass es so ist! Nur theoretisch annehmen, das es so sein könnte!«

»Was wäre dann?«

»Könnte es überhaupt jemals ein gutes Ende geben? Irgendwie?«

Da seufzte Schatten und blieb stehen. Sie setzte sich in den Schnee und schaute in den klaren Sternenhimmel und nach kurzem Zögernd legte sich Mana neben sie.

»Mana… es gibt Dinge, die hängen nur davon ab, wie du die Dinge betrachtest. Du… wirst niemals besonders viel Zeit mit ihm verbringen können… der Unterschied ist nur der Grund. In einem Fall, weil er stirbt, im anderen, weil er zu Hause ist. Aber im letzten Fall ist er ja trotzdem noch irgendwie da. Und wenn du dich damit zufrieden geben könntest, dann wäre das schon irgendwie ein glückliches Ende. Zumindest eine schöneres, als wenn es an seinem Grab enden würde. Und… einen Lichtblick wird es immer geben«, erklärte die Füchsin.

»Einen… Lichtblick…?«, die junge Wölfin schaute sie fragend an.

»Ja. Egal, wie es weitergehen wird, es wird immer einen kleinen Stern in deinem Leben geben…«, sie lächelte so zufrieden, als hätte sie eben eines der größten Kunstwerke dieser Welt erschaffen.

»Einen kleinen Stern…?«, sie blinzelte verwirrt, schaute dann auf den eisblauen Kristall an ihrem Hals, so weit es ihr möglich war.

»Nein, nicht dieser«, grinste Schatten selbstzufrieden.

»Sondern?«, nun schaute sie in den dunklen Himmel hinauf.

»Glaub mir, du wirst es nicht verstehen. Vielleicht nicht jetzt, nicht morgen, nicht in einer Woche, aber… du wirst es verstehen«, lachte die Füchsin, stand auf und tänzelte durch den Schnee.

»Irgendwann, schon klar«, seufzte Mana. Dann jedoch lachte sie. Laut und zufrieden, bevor sie loshumpelte, ihren Freunden nach.

»Wie weit müssen wir nach Süden laufen?«, wollte Lif von Schatten wissen, als die beiden aufgeschlossen hatten.

»Eigentlich gar nicht«, grinste die Füchsin. Sofort blieben die Jungs wie vom Donner gerührt stehen.

»Und warum genau tun wir es dann? Und wohin müssten wir stattdessen?«, erkundigte sich Slyk lauernd.

»Nach Norden. Und zwar weit nach Norden. Aber ich denke, dass es nicht von Nachteil sein wird, wenn wir trotzdem erst nach Süden gehen. Es könnte einer armen Seele helfen. Und es könnte zwei Herzen den Weg zueinander Weisen«, antwortete die Füchsin und trabte voran. Erst schien es, als wollte Lif etwas antworten, doch er schloss den Mund wieder, ohne sein Wort an Schatten gerichtet zu haben.

»Ich hasse solche Leute«, brummte er und folgte unwillig.

»Lasst uns einfach gehen«, lächelte Mana und stupste ihn beruhigend in die Seite.

So zogen sie weiter durch das unendlich wirkende Weiß des südlichsten Punktes ihrer Welt.

Am fernen Horizont zeigte sich ein sanfter Schimmer der Morgensonne, die im antarktischen Winter niemals den Himmel beherrschte, da erschien ein goldenes Glitzern auf einer Schneewehe vor ihnen. Es war Fylgien, der im sanften Licht hell leuchtete, wie jene Sterne, die direkt über ihm ein leuchtendes Himmelskreuz bildeten.

Einen Augenblick stand er einfach nur da, schaute auf sie hinab, dann lief er auf sie zu. Er begrüßte sie flüchtig, bevor er sich an Schatten wandte.

»Du hast recht. Ich hasse es, dies zugeben zu müssen, aber du hast recht. Mein Platz ist nicht hier. Und es wir Zeit, nach Hause zu gehen, bevor mein Herz es nicht mehr zulassen kann, ohne mich innerlich zu zerreißen. Also lasst uns gehen, der Weg ist weit«, erklärte er mit resignierter Stimme.

»Woher der Sinneswandeln?«, erkundigte sich die Füchsin, während sie schon weiterlief.

»Ich hatte eine… längere Unterhaltung, mit dem Winter…«, erklärte er und schaute nachdenklich in den Himmel.

»Dann lass uns gehen. Und gräme dich nicht, es ist besser so. Für alle, so grausam es sich auch anhören mag«, erklärte Schatten einfühlsam.

Er nickte, wandte sich wieder um und gemeinsam liefen sie in jene Richtung, aus der er gekommen war, folgten seinen Spuren zurück. Zurück zum Winter, den dorthin würde sie ihr Weg letzten Endes immer führen, gleich welchen Weg sie auch wählten. Der Winter war der Anfang. Und das Ende.

Winternacht

Helles Licht weckte Mana. Sie war so sehr die Dunkelheit gewohnt, die den ganzen antarktischen Winter hier herrschen würde, dass jedes noch so sanfte Leuchten ihr schon sonnenhell erschien. Sie wusste, dass in Wynter Sommer war, das dort die Sonne nicht unterging. Und dass hier Winter war, machte auf eine seltsame, verquere Art und Weise für sie sogar Sinn, genauso wie die Tatsache, das es sich hier, am südlichsten Zipfel der Welt, ebenso verhielt, wie in ihrer Heimat. Nun, zumindest so ähnlich.

Im Moment aber blinzelte sie, schaute dann in die Richtung, aus der das Leuchten kam und gewahr den weißen Wolf mit den schwarzen Ohren. Er stand ein wenig abseits der Gruppe und schaute sie direkt an. So stand Mana auf, schlich sich an einem schnarchenden Lif vorbei zu ihm hin.

»Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich mich über deine Anwesenheit freuen soll. Das letzte Mal zumindest wäre ich fast ertrunken«, meinte sie und lächelte verlegen. Der weiße Wolf begegnete mit einem sanften Lächeln ihrem Blick, dann wandte er sich um.

»Komm mit, ich möchte dir etwas zeigen«, erklärte er und ging langsam los. Er ließ Mana das Tempo bestimmen und dafür war sie ihm dankbar. So hatte sie nicht das Gefühl, ihn zu behindern.

Sie liefen lang und die junge Wölfin überlegte schon, ob sie nicht umkehren sollte, bevor die anderen aufwachten und sich sorgen machten, da blieb der weiße Wolf stehen. Sie standen auf einer Eisklippe direkt am Meer. Sie schauten auf das schwarze Wasser hinaus, das wie ein schwarzer Spiegel wirkte und selbst das Leuchten der Sterne zu verschlucken schien.

»Und was… möchtest du mir hier zeigen? Oder müssen wir doch noch weiter?«, fragte Mana und schaute ihn an.

»Was siehst du?«, stellte der Wolf eine Gegenfrage.

»Was ich sehe…?«, sie blinzelte erstaunt, schaute auf das schwarze Wasser und dann in den Sternenbesetzen Himmel. »Ich… ich sehe das Meer, den Himmel, die Sterne.«

»Du siehst das Ziel deiner Reise«, erklärte der Wolf.

»Das Meer?«, Mana blinzelte erstaunt.

»Nein, die Sterne«, lachte er und deutete in den Himmel.

»Warum… Fylgien wohnt bei den Sternen?«, fragte sie erstaunt.

»Ja. Von dort aus schaut er auf diese Welt hinab, seid Jahrtausenden schon. Seitdem die Welt geteilt wurde.«

»Aber als ich ihn das erste mal traf, da schien er noch so jung zu sein. Noch fast ein Welpe...«, widersprach Mana.

»In seiner Welt vergeht die Zeit anders, als bei uns. Was für uns ein Leben ist, ist für ihn nur ein Augenblick. Weißt du, was das Problem ist?«, der weiße Wolf setzte sich und schaute verträumt in den Himmel.

»Das er dies alles schon sehr bald vergessen wird? Das wir uns auf eine gefährliche Reise gemacht haben, ohne das es einen wirklichen Nutzen hatte, weil er es sowieso bald aus seinem Gedächtnis verdrängt?«, fragte sie leise und traurig.

»Nein, im Gegenteil. Er hat hier Dinge gefunden, die es dort oben nicht gibt. Freundschaft. Liebe. Er wird es nicht vergessen können, selbst wenn er es wollte. Und das macht die Sache kompliziert. Diese wenigen Augenblicke seines Lebens, die werden immer wie ein helles Leuchten in seinem Herzen bleiben. Und sie werden dafür sorgen, das er niemals ganz glücklich sein wird«, der weiße Wolf seufzte.

»Wie… meinst du das…?«

»Er hat sich verliebt. Deswegen will er nicht zurück, aber diese Welt tut ihm nicht gut. Sie lässt ihn viel zu schnell altern. In ein paar Jahren schon wäre er ein Greis. Es ist ihm egal, wenn er diese Jahre nur mit seiner Liebsten verbringen könnte, aber…«, der weiße Wolf schüttelte entschieden den Kopf. »Er ist nicht irgendwer.«

»Aber warum lasst ihr ihn nicht selbst entscheiden? Ich… verstehe das alles nicht…«, sie schüttelte den Kopf, schaute wieder in den Sternenhimmel hinauf.

»Nun… es ist nicht ganz einfach. Es gibt immer nur ein Wesen, das einen bestimmten Platz in seiner Welt einnehmen kann. Auch Fylgien hatte einst nur einen Platz, den er einnehmen konnte und der lag in seiner Heimat. Auch als er hierher kam, da gab es nur diesen einen Platz für ihn, aber in dem Moment, als ihr einander euer Herz schenktet, da hat sich das geändert. Sein Platz ist noch immer dort oben irgendwo, aber sein Platz ist auch hier, an deiner Seite. Und das weiß er. Und das wird er auch niemals vergessen.«

»Das erklärt aber noch immer nicht, wieso er nicht einfach hier bleiben kann, wenn er es denn möchte.«

»Wir mussten abwägen, in welcher Welt er wohl dringender gebraucht würde. Und wir sind zu dem Schluss gekommen, dass es nicht hier sein kann.«

»Wer ist >wir<?«, wollte Mana misstrauisch wissen.

»Das sind jene, die die Geschicke der Welten regeln. In dieser Welt sind es, außer den Jahreszeiten und mir, noch Paivi in der neuen, und Chaya, Jikan und ihre Brüder in der alten Welt. Und in seiner Welt ist es Drafnar. Nicht allein, aber die anderen wirst du nicht kennen.«

Mana nickte nachdenklich. Ja, all diese Namen sagten ihr etwas, denn sie alle hatten ihren Auftritt in den Geschichten ihres Vaters. Nur den weißen Wolf konnte sie nicht einordnen.

»Hatte Fylgien denn kein Mitspracherecht?«, wollte sie leise wissen.

»Doch. Natürlich. Wir haben beschlossen, was wir für das Beste halten und ich habe ihm dies mitgeteilt. Mit allen Vor- und Nachteilen. Wählen musste er selbst. Und er hat eingesehen, dass es besser ist, zu gehen. Er kann wiederkommen, wenn er älter ist und mächtiger, aber ich glaube nicht, das er es tun wird.«

»Weil ihm dieses Funkeln in seinem Herzen irgendwann nichts mehr bedeuten wird?«, erkundigte sich Mana bitter.

»Weil dieses Funkeln in seinem Herzen bis dahin tot sein wird«, stellte der weiße Wolf richtig. Einen Moment zögerte Mana, dann schaute sie wieder zu den Sternen hinauf, warf sich dann in den Schnee.

»Es ist so unfair«, flüsterte sie.

»Das Leben ist nur in den seltensten Fällen fair. Verstehst du aber nun, dass er gehen muss? Und weißt du nun, wo das Ziel eurer Reise liegt?«

»Er muss gehen, warum ist mir egal. Ich will es auch nicht, aber ich fürchte, ich kann es nicht ändern. Aber Schatten sagte, das Ziel unserer Reise wäre der Norden«, widersprach sie.

»Damit hat Schatten auch recht. Ihr müsst zum Winter und ihr Reich ist im Norden.«

»Aber… wieso? Was hat der Winter mit den Sternen zu tun?«

»So gesehen nichts. Aber zum Rudel des Winters gehört auch das Nordlicht. Und wie du bei den Nornen eigentlich lernen solltest, führt der Weg zu den Sternen über einen Pfad aus Licht. Über einen Pfad aus Nordlichtern. Und diesen Weg kann euch nur der Winter oder das Nordlicht öffnen. Deswegen müsst ihr zum Winter gehen«, erklärte der Wolf.

Mana zögerte, überlegte, welche Frage sie jetzt stellen sollte. Ihr Gegenüber schien heute der redselig, das wollte sie ausnutzen. Und ein Blick in seine schimmernden Augen halfen ihr bei der Entscheidung.

»Wer bist du und warum hast du so viel Macht in dieser Welt?«

»Ich fürchte, das will ich dir jetzt noch nicht sagen. Du wirst es erfahren, spätestens im Winterreich«, antwortete er und lächelte wissend.

»Und wo genau ist der Unterschied? Warum macht es so einen großen Unterschied, ob man mir etwas früher oder später sagt, wenn ich es doch eh erfahre. Und komm bitte nicht mit >Jetzt ist noch nicht der richtige Zeitpunkt, um es dir zu verraten<, das habe ich in meinem Leben schon zu oft gehört«, murrte sie. Es dauerte noch einen Sekundenbruchteil, bis ihr bewusst wurde, dass sie das vielleicht nicht hätte tun sollen, denn nicht jedes Überwesen, oder was auch immer er war, reagierte auf solch einen Tonfall und solch eine harsche Wortwahl entspannt.

Doch der weiße Wolf lächelte. Und er schien ganz eindeutig belustigt und so gar nicht zornig über ihre Respektlosigkeit.

»Ich möchte einfach noch ein wenig hinauszögern, dass du mich dein gesammelte Zorn trifft«, er grinste ein wenig.

»Warum sollte ich zornig sein?«, fragte sie langsam und zögernd.

»Auch auf die Gefahr hin, das jetzt völlig ausrastest, muss ich dir dennoch sagen: Du wirst es verstehen«, er grinste noch ein wenig breiter.

»Schön. Okay, dann halt doch keine Antworten. Sagst du mir zumindest, was Schatten uns noch zeigen möchte?«, seufzte sie.

»Sie möchte euch zu Sedna führen«, antwortete der Wolf.

»Sedna? Wer… ist Sedna?«, fragte sie zögernd.

»Eine Dämonin, Lilith nicht unähnlich«, er schaute auf das Wasser hinaus.

»Mit der haben wir uns ja so gut verstanden«, murrte die junge Wölfin sarkastisch.

»Das war aber auch etwas anderes. Lilith ist so sehr in ihrem Hass gefangen, das ich nicht glaube, dass sie jemals wieder einem Menschen gegenüber freundliche Gefühle hegen könnte. Sedna ist anders. Auch ihr wurde übel mitgespielt, aber… sie versucht immer und immer wieder, anderen Leuten zu vertrauen…«

»Erzählst du mir ihre Geschichte?«, bat Mana und der weiße Wolf nickte zögernd, deutete ihr dann, mit ihm zu kommen.

»Sedna war einmal ein Mensch. Einer jener Menschen, die in der alten Welt lebten und den Jahreszeiten in die neue Welt folgten. Sie war ein außergewöhnlich hübsches, aber auch hochnäsiges, eitles Kind, das jeden abwies, der um ihre Hand anhielt, egal was für Qualitäten er auch besaß. Sie fand, dass niemand gut genug für sie war. Das missfiel dem Vater und als sie wieder einmal einen tüchtigen jungen Mann zurückwies, da versprach er, der nächste Mann, gleich wer er sein mochte, der sollte sie bekommen.«

Mana rümpfte die Nase.

»Ich hoffe, dass mein Vater nicht auf die Idee kommt, so etwas mit mir tun zu wollen«, murmelte sie. Der weiße Wolf lächelte darauf, fuhr dann jedoch mit seiner Geschichte fort und ging nicht auf ihre Worte ein.

»Es war ein Jäger mit verhülltem Gesicht, der als nächstes darum bat, sie zur Frau nehmen zu dürfen. Und ihr Vater gab sie ihm, gegen ihren Willen. Der Jäger nahm sie mit sich fort und brachte sie zu kahlen Klippen, direkt am Meer. Er war ein Rabe und dies war sein Heim und das sollte es fortan auch für sie sein. Doch Sedna wollte nicht, sie weinte und schrie in den Wind, bis ihr Vater sie hörte. Er bekam ein schlechtes gewissen und beschloss, sie zurückzuholen. Doch der Rabe wollte seine Braut nicht hergeben, so griff er sie an, als sie gerade auf dem Rückweg waren. Mit seiner Magie und seinen Flügel beschwor er einen mächtigen Sturm herauf. Da bekam der Vater angst und warf Sedna über Bord.«

Mana blieb abrupt stehen.

»Er tat was bitte?«, schnappte sie ungläubig.

»Er warf sie über Bord. Damit der Rabe ihn ziehen ließ. Deswegen ist sie auch nicht allzu gut auf Männer zu sprechen.«

»Wäre ich an ihrer Stelle auch nicht«, knurrte Mana wütend. »Was geschah dann?«

»Sie konnte sich am Boot festhalten, doch ihr Vater schlug mit dem Paddel auf ihre gefrorenen Finger ein, bis sie zersprangen wie Glas. Da wurden ihre Finger durch den Zauber des Raben zu Robben und ihre Hände zu Wale. Und sie zur Dämonin des Meeres«, endete der weiße Wolf.

»Das ist grausam. Welcher Vater opfert schon sein eigenes Kind, nur um selbst am Leben zu bleiben?«, fragte Mana leise.

»Jene, die nicht dazu bereit sind, andere so sehr zu lieben, das sie ihr Leben für sie geben würden«, antwortete der weiße Wolf und schaute nachdenklich zu Mana zurück.

»Aber sind Eltern dazu nicht immer mehr als bereit?«

»Nein. Komm her«, er schaute sie auffordernd an, beobachtete ihren humpelnden Gang, bis sie neben ihm stand. Die Klippe zeigte diesmal auf eine Bucht, die durch steile Felsen vom Meer abgeschnitten war. Nur ein schmaler Zugang führte in den offenen Ozean.

»Was siehst du jetzt?«, fragte er sie leise.

»Noch immer die Sterne«, antwortete sie ebenso leise.

»Schau ins Wasser«, forderte der Wolf sie auf. Und sie schaute. Erst sah sie nichts, doch je länger sie ins Wasser blickte, desto mehr sah sie. Erst war es nur ein leichtes blaues Glimmen, doch ihre Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit und bald schon erkannte sie eine Gestalt. Langes, schwarzes Haar wog um sie herum. Es war eine junge, hübsche Frau ohne Hände, sodass ihre Arme wie Flossen wirkten.

»Ist das Sedna?«, Mana schaute fragend zum weißen Wolf.

»Ja. Sie schläft. Sie hat die letzten Wochen getobt und ihre Einsamkeit in die Welt hinausgeschrieen, jetzt ist sie müde. Aber sie wird bald erwachen. Und ich weiß nicht, was sie dann tun wird. Vielleicht tobt sie dann weiter, vielleicht weint und schreit sie ihren Schmerz aber auch nur wieder in die Welt hinaus…«, er schaute ebenfalls nachdenklich in die Bucht hinab.

»Glaubst du, das Schatten weiß, was sie tut, wenn sie uns in Sednas Wachsein zu ihr führt?«, erkundigte sich Mana zweifelnd.

»Ja. Sedna würde Schatten niemals etwas tun und solange ihr unter Schattens Schutz steht, seid auch ihr sicher«, beruhigte der weiße Wolf sie.

»Sie… ist nicht irgendwer, oder? Sie ist mächtig, hab ich recht?«

»Ja. Vielleicht verrät sie dir irgendwann einmal, wer sie ist, vielleicht erfährst du es nie. Das jedoch liegt in Schattens Händen, nicht in meinen. Und jetzt komm, es ist Zeit, dass du zu deinen Freunden zurückkehrst.«

Mana nickte und so liefen sie langsam zurück. Ihre Freunde schliefen noch, als sie aus der Ferne zu ihnen schaute. Doch bevor sie gänzlich zurückkehrte, hatte sie noch eine Frage.

»Sagst du mir noch eines?«, bat sie den weißen Wolf.

»Natürlich«, nickte er.

»Wer ist es, den Fylgien liebt?«

Er schaute sie lange an. Er sagte nichts, er schaute nur. Sie wusste nicht, woran er dachte, sein Gesicht verriet es nicht. Nur seine Augen taten es, denn sie waren voller Schmerz. Egal welche Antwort er ihr gab, er würde ihr damit wehtun, das wusste er. Und das wollte er nicht.

»Das bist du, Mana.«

Sie nickte. Sie antwortete nicht mehr, nickte nur und wandte sich dann ab. Langsam ging sie zu ihren Freunden zurück, schaute noch einmal die Schneewehe hinauf. Der weiße Wolf stand noch immer da, beobachtete sie. Dann jedoch nickte er und seine Gestalt wurde verweht, wie Schneeflocken im Wind, als hätte es ihn nicht gegeben.

So legte sie sich neben Ahkuna in den Schnee, kuschelte sich an sie und schlief ein.

Sedna

»Warum laufen wir eigentlich zu Sedna?«, Mana schaute missmutig zu Schatten, die gut gelaunt voran sprang. Ihr war der Weg in der vergangenen Nacht viel kürzer vorgekommen und die Kälte tat auch ihrer Pfote nicht gut. Sie schmerzte mehr als je zuvor.

»Kennst du ihre Geschichte?«, erkundigte sich die Polarfüchsin.

»Ja und genau deswegen weiß ich nicht, wie wir ihr helfen sollen«, meinte sie und biss die Zähne zusammen, als ihre Pfote, die sie mittlerweile nicht mehr aufzusetzen wagte, über einen Eisbrocken strichen. Was war nur los? Gestern abend hatte sie ihr kaum Schwierigkeiten bereitet.

»Ich will ihr zeigen, das nicht alle Menschen schlecht sind und nicht alle Menschen immer nur an sich selbst denken und wer bitte kann es ihr besser zeigen, als ihr es könnt?«, lachte die Füchsin.

»Wie kommst du auf die Idee, das wir dazu die Richtigen wären?«, mischte sich Lif ein.

»Oh, lass ich mal überlegen«, griente Schatten. »Ihr seid von Altena bis hierher gereist, nur um ein Wesen, von dem ihr gerade einmal den Namen kanntet, nach Hause zu bringen. Dabei habt ihr euer Leben riskiert, wusstet nicht einmal, ob das hier überhaupt der richtige Weg ist oder was euch in dieser neuen Welt erwarten könnte. Wenn das nicht alles andere als Selbstsüchtig ist, dann weiß ich auch nicht weiter.«

»Wenn du das sagst, dann hört es so danach an, als wäre es eine riesengroße Leistung, aber eigentlich… ist es doch eine Selbstverständlichkeit, oder nicht? Ich meine, man muss doch denen helfen, die in Not sind«, fand Ahkuna.

»Man muss es nicht, aber man sollte es tun, ja, aber Menschen sind selbstsüchtig. Vielen hat man auch einfach nicht beigebracht, das es gut ist zu teilen. Es ist schade, aber es ist so. Und meistens trifft Sedna nur auf solche, wenn sie von Unruhe getrieben, in die neue Welt kommt. Ich will nicht, dass sie endet wie Lilith«, erklärte die Füchsin, als sie stehen blieb. Die Wölfe stellten sich neben sie und gemeinsam blickten sie in die Bucht hinab, die Mana am Abend zuvor schon gesehen hatte.

Sedna saß auf den Felsenklippen, die die Bucht vom Meer trennten und schaute gedankenverloren in die Ferne. Sie tobte nicht, sie schrie nicht, sie weinte nicht. Sie saß einfach nur da, schien völlig in sich selbst versunken. Schatten zögerte einen Moment, dann schaute sie die Wölfe an.

»Ich geh erst allein zu ihr hinab und spreche mit ihr. Damit sie weiß, das ihr nichts Böses wollt. Und dann kommt ihr nach. Geht langsam, macht keine schnellen Bewegungen, damit sie keine angst bekommt«, gebot Schatten.

»Ist sie gefährlich?«, wollte Lif wissen.

»Nein, aber voll Angst wollt ihr sie auch nicht gerade erleben, glaubt es mir. Sie könnte euch vernichten, wenn sie wollte und sie ist Unsterblich, also tut nichts Dummes. Ich gehe jetzt«, erklärte die Füchsin und mit einem letzten Blick, den sie mit Fylgien tauschte, sprang sie los. Sie tänzelte offen und gut gelaunt über den Schnee, näherte sich Sedna völlig offen, ohne sich zu verbergen.

Mana dachte sich schon, das es einen Augenblick dauern würde, so deutete sie Fylgien, das er mitkommen sollte. Sie verließen die Gruppe gerade so weit, das sie ihre Gespräche nicht mehr hören konnten, dann setzten sie sich in den Schnee und beobachteten, wie unwillig ihre Freunde zu ihnen hinüber schauten, und sie Schatten immer noch auf Sedna zutänzelte.

»Wo bist du gestern Nacht gewesen?«, fragte sie leise.

»Woher weißt du, das ich überhaupt weg war?«

»Ich habe wieder den weißen Wolf getroffen. Mit ihm war ich gestern schon einmal hier, der hat mir ein bisschen was erzählt. Über Sedna und… über dich. Und als wir wieder hier waren, da warst du nicht da. Und Schatten auch nicht. Allerdings bin ich eingeschlafen, bevor ihr wiedergekommen seid…«, sie legte sich in den Schnee und er legte sich neben sie.

»Schatten und ich hatten ein bisschen was zu besprechen und wir wollten niemanden wecken. Was… hat er über mich erzählt?«, er legte seinen Kopf in ihren Nacken. Er spürte, das Mana irgendetwas beschäftigte.

»Er hat mir gesagt, woher du kommst. Und auch, das du dorthin zurückkehren musst. Und… noch etwas anderes, aber das… möchte ich lieber aus deinem Mund hören«, erklärte sie zögernd.

»Um was geht es?«, fragte er, während er beobachtete, wie Schatten mit Sedna sprach.

»Fylgien, das, was zwischen uns war… auf Midgard… was war das? War es wirklich oder nur ein… wunderschöner Traum?«, fragte sie leise.

»Mana…«, er wirkte unschlüssig, wollte eben weiter sprechen, als Lif auf sie zugesprungen kam. Jetzt sahen sie auch, das Schatten ungeduldig mit der Rute wedelte, als Zeichen, das sie kommen sollten. So machten sie sich auf, liefen zu ihr hinab.

Wach und ruhig, wie sie da saß, so kalt und fern, wirkte sie wie eine Göttin. Sie schaute ein wenig misstrauisch auf die Wölfe, ließ keinen von ihnen aus den Augen.

»Sie sind keine Menschen«, sagte sie leise zu Schatten.

»Doch, sind wir. Aber wir wurden für diese Reise in die Gestalt von Wölfen gesteckt, den Menschen hätten nicht überleben können«, erklärte Slyk.

»Nein, als Menschen hättet ihr nicht in die alte Welt gedurft. Menschen sind hier nicht mehr willkommen, für sie ist die neue Welt. Deswegen hat er euch in die Gestalt der Tiere gesteckt. Anders wärt ihr Freiwild gewesen«, mischte sich Schatten ein.

»Dann eben so. In unserer wirklichen Gestalt sind wir aber Menschen«, Lif zögerte kurz, dann trabte er zutraulich auf Sedna zu. Die zuckte zurück, schien nicht erfreut über seinen Mut, doch Lif ließ sich nicht beirren. Er blieb erst direkt vor ihr stehen, nur eine Schnauzenlänge von ihr entfernt, setzte sich hin und schaute zu ihr auf, in ihre meergrauen Augen.

Zwischen den beiden fand ein Zwiegespräch statt, das keiner von ihnen verstand. Nur Lif und Sedna waren daran beteiligt und sie brauchten keine Worte. Obwohl sie sich heute das erste Mal gesehen hatten, benötigten sie lediglich einen Blick. Selbst Schatten schien nicht ganz zu verstehen, was vor sich ging.

Irgendwann, nach einer schieren Ewigkeit, wandte Lif den Blick ab. Er wirkte nachdenklich, fast schon verstört, als hätte er in ihrem Blick Dinge gesehen, die ihn in seinen Grundfesten erschütterten. Die Füchsin trat leise zu ihm und rief ihren Kopf an seinem Bein, den weiter hinauf reichte sie nicht und mehr konnte sie nicht tun, um ihn zu trösten.

Dann jedoch wandte sie sich Sedna zu, die verwirrt und misstrauisch auf den graubraunen Wolf hinabblickte. Auch sie schien etwas in seinen Augen gesehen zu haben, was sie nicht erwartet hatte.

»Sedna, sie sind anders als alle anderen Menschen, sonst wären sie nicht hier«, erklärte die Füchsin, setzte sich vor die Frau und legte ordentlich ihre lange Rute um die Vorderbeine.

»Ich habe sein Herz gesehen, Chaya. Es ist, wie ein leuchtend goldener Vogel, der hinaus in die Welt fliegen will. Ich verstehe nicht…«, murmelte die junge Frau noch verwirrter, doch das hörte Mana schon gar nicht mehr. Der Name hatte sie aufgeschreckt. Chaya.

Der Wolf hatte sie erwähnt. Sie gehörte zu jenen, die die Geschicke der alten Welt leiteten. Deswegen brauchte Mana in ihrer Nähe keine Furcht zu haben und deswegen wollte Schatten auch nicht über das sprechen, was sie war. Und nun verstand sie auch das Erstaunen, als sich die Füchsin vorstellte. Sie verstand zwar nicht alles, aber so viel mehr. Plötzlich ergab so vieles einen Sinn. Doch sie sagte nichts, zwang sich dazu, weiter zuzuhören, doch viel gab es nicht mehr zu sagen.

»Es sind nicht viele und es werden immer weniger, aber es gibt sie«, sagte Schatten gerade und schaute voller Stolz auf die kleine Gruppe. Und Sedna nickte nachdenklich.

»Weißt du, die Welt ist ein wunderbarer Ort, du musst nur die richtigen Leute kennen lernen«, sprach die Füchsin weiter. Die Frau zögerte einen Moment, da merkte Mana, das sie dies hier nichts anging. Was auch immer Sedna zu sagen hatte, es war nur für Schattens Ohren bestimmt.

»Kommt mit«, sagte sie also zu ihren Freunden. Während Ahkuna nickte und sich gleich umwandte, und auch Fylgien nur einen Moment zögerte, blieben die beiden anderen Jungen nach wie vor stehen und schauten fragend von einem zum anderen.

Mana striff Schattens Blick nur zufällig, aber sie verstand sofort, das auch die Füchsin wollte, dass sie wieder gingen. So seufzte die Wölfin und drängte ihre Cousins ab.

»Kommt mit«, meinte sie.

»Aber ich möchte hier bleiben«, Lif trat so zurück, das Mana fast hinfiel.

»Nein, komm mit. Lass sie alleine reden«, bat sie, doch Schatten verneinte da schon.

»Lass ihn hier«, fand auch sie, mit einem Rutenzucken deutete sie aber, das die anderen dennoch gehen sollten. Und das taten sie. Zögernd und eigentlich eher unwillig, denn sie waren auch neugierig, doch sie gingen und beobachteten aus der Entfernung, wie die Drei miteinander sprachen.

Sie sollte nie erfahren, was die drei miteinander sprachen und im Moment kam ihr dieser Besuch auch nicht gerade sinnvoll vor. Es war bloß das Herauszögern etwas unvermeidlichen, doch da dieses Unvermeidliche darin bestand, das Fylgien für immer ging, war es ihr mehr als recht. Und dennoch fragte sie sich, welchen Sinn dieser Besuch hatte. Sie beschloss, Schatten danach zu fragen, aber erst später.

Es verging noch eine Weile, dann schienen sie sich von einander zu verabschieden. Sedna streichelte mit ihren Flossenarmen über Lifs Kopf, nickte Schatten noch einmal zu und rutschte dann ins Wasser, wo sie verschwand. Schatten und Lif kamen daraufhin zu ihnen zurückgelaufen.

»Jetzt können wir nach Norden, zum Winter«, lächelte die Füchsin gut gelaunt.

»Und wie kommen wir dorthin? Der Wind ist ja nicht hier und ich bezweifle, dass der Südpol einen Pfad in den Norden hat«, meinte Slyk.

»Unser lieber Kenai wird schon wieder auftauchen, aber auch der Wind braucht einige Momente. In der Zeit können wir schon wieder nach Norden laufen, dann haben wir immerhin etwas zu tun«, meinte die Füchsin und tänzelte auch schon voran. Und Mana beeilte sich, ihr zu folgen, sich neben ihr zu halten.

»Hat der Besuch den Effekt gebracht, den du wolltest?«, erkundigte sie sich neugierig.

»Ja. Sedna hat verstanden, was ich ihr sagen wollte«, bestätigte die Schatten.

»Warum bist du nicht nur mit Lif hierher gekommen? Ich meine, wir anderen hätten doch schon einmal vorgehen können, ihr hättet uns gewiss problemlos eingeholt… Chaya«, Mana verwendete absichtlich den Namen, den auch Sedna verwandte. Sie wollten sehen, wie die Füchsin reagierte.

Und sie reagierte, indem ihr Blick nachdenklich wurde. Eine Weile schwieg sie, dann nickte sie, als wäre sie zu einem Schluss gekommen.

»Es war wichtig, das Sedna dich auch kennen lernt. Ihre Bekanntschaft ist wichtig für etwas, was noch vor dir liegt«, erklärte die Füchsin, dann schaute sie die weiße Wölfin an.

»Und was mich betrifft… ich habe mit Chaya abgeschlossen. Sie ist meine Vergangenheit und das wird sie immer sein, aber sie beherrscht nicht mehr meine Zukunft. Das habe ich jemand ganz Besonderem zu verdanken, deswegen gibt es auch fast nichts, was ich nicht für ihn tun würde. Deswegen bin ich ja auch hier«, sie lächelte.

»Wie… kann man mit sich selbst abschließen? Ich verstehe nicht…«, Mana neigte fragend den Kopf.

»Man kann mit gewissen Abschnitten des eigenen Lebens abschließen. Weißt du, man kann auf ewig daran denken, sich bei jeder Entscheidung davon beeinflussen lassen, oder man macht sich bewusst, das Vergangenes vergangen ist. Man darf es nicht vergessen, aber man darf auch nicht alles, was man sagt, denkt oder tut davon abhängig machen«, erklärte die Füchsin.

»Hat Chaya schlimme Dinge getan?«, erkundigte sich die Wölfin vorsichtig.

»Nein. Aber sie war sehr, sehr einsam. Sie hat immer daran gezweifelt, dass das, was sie tut, das richtige ist und sie hat sich für alles selbst die Schuld gegeben. Und dann hat sie den Winter getroffen und beschlossen, dass es Zeit ist, mit dem alten Leben abzuschließen. Und jetzt bin ich Schatten«, erklärte die Füchsin. »Aber viel mehr über mich wisst ihr trotzdem nicht.«

Sie blieb stehen.

»Was ist los?«, wollte Ahkuna wissen. Sie und auch die Jungen hatten ebenfalls aufmerksam zugehört.

»Der Wind ist hier«, meinte die Füchsin und als wäre dies das Stichwort gewesen, manifestierte sich der gestreifte Wolf vor ihnen.

»Es ist Zeit, in die neue Welt zurückzukehren«, meinte er.

»In den Norden, zum Winter«, in Slyks Stimme schwang Aufregung, aber auch ein wenig Unsicherheit mit.

»Für euch, ja. Für mich gibt es etwas anderes zu tun«, meinte Lif. Mana verstand, was er meinte. Er wollte zu seiner Schwester und schauen, ob er etwas tun konnte. Es wunderte sie sowieso ein wenig, dass er nicht gleich mit dem Wind gegangen war, aber vielleicht hatte er gefühlt, dass er hier noch gebraucht wurde.

»In den Norden ja, aber nicht direkt zum Winter. Lif hat recht, es gibt für euch erst noch etwas anderes zu tun«, nickte auch Schatten.

Natürlich, das, was die Nornen ihnen gesagt hatten. Jetzt war es Zeit, dass sie erfüllten, was ihr Schicksaal sein sollte. Und so machte der gestreifte Wolf sie wieder zu Wind. Gemeinsam machten sie sich so auf den Weg nach Norden. Um ihrer Bestimmung zu folgen.

Auf, zum letzten Weg

Mana stand da und schaute. Seit einer halben Ewigkeit schon. Mehr tat sie nicht. Sie wusste nicht genau wieso, aber sie wollte dort nicht hinunter gehen. Sie stand hier und schaute auf ihr Elternhaus hinab. Sie… ja, sie fürchtete sich ein wenig, nach Hause zu gehen. Sie wusste nicht, was sie erwarten würde und das machte ihr angst.

Was war geschehen in dem Jahr, in dem sie nicht zu Hause gewesen ist? Sie hatte sich nicht einmal von ihrer Mutter verabschiedet. Würde Nea sehr böse deswegen sein? Und was würden ihr Vater und ihre Geschwister dazu sagen, das sie so lange nicht mehr daheim gewesen war? Was würden sie sagen, wenn sahen, das Mana kaum noch laufen konnte?

Als sie in Navarre gewesen waren, hatten sie wieder ihre Menschengestalten angenommen, nur Fylgien und Schatten waren in ihren Tiergestalten verblieben. Sie waren bei Ice gewesen und Slyk hatte von seiner Liebe zur Tochter des Sklavenhändlers erzählt. Und Ice hatte seinem Sohn seinen Segen gegeben. Er kannte das Mädchen und er wusste, dass die beiden zusammengehörten.

Dann war Ahkuna zu ihrer Mutter gegangen und hatte ihr von Ace und Nori erzählt. Von dem, was sie für ihre Zukunft hielt und von dem, was sie gerne zu ihrer Zukunft machen wollte. Und auch sie war auf Verständnis gestoßen. So konnten sich zumindest die Geschwister auf ihre Rückkehr freuen, denn ihre Zukunft würde so werden, wie sie es wollten.

In Altena dann hat Lif sie verlassen. Er hatte von seinem Bruder Ledas erfahren, wo Leilani hingehen wollte und hatte beschlossen, ihr zu folgen. So hatte er die Gruppe verlassen, wann sie ihn wieder sehen würden, wussten sie nicht.

Doch im Moment interessierte Mana auch nur, wie sie genügend Mut aufbringen sollte, um zu ihrem Elternhaus hinab zu gehen. Keiner ihrer Freunde bedrängte sie, alle warteten bloß, denn das hier war ihr Weg und sie musste die ersten Schritte tun.

Irgendwann trat Fylgien neben sie und leckte über ihre kalte Hand. Erst zuckte sie zusammen, denn damit hatte sie nicht gerechnet, doch schließlich nickte sie. Sie verstand, was er sagen wollte. Es wurde Zeit. Und so humpelte sie los. Den Hügel hinab zum Hof ihrer Eltern.

Es war schon lange dunkel, nur im Haus brannte ein Licht. Natürlich, es war Herbst, um diese Zeit saß man im Wohnzimmer beieinander und genoss den Abend nach einem anstrengenden Tag. Sie zögerte einen Moment, dann klopfte sie sacht an die Tür. Es war Nea, die öffnete. Sie schaute einen Moment nur, dann zog sie ihre Tochter wortlos in die Arme und drückte sie so fest sie konnte.

»Wir haben euch schon länger zurückerwartet«, erklärte sie leise und ließ die kleine Gruppe eintreten.

»Ihr habt uns erwartet?«, fragte Ahkuna erstaunt.

»Ja. Wind kam zu uns, nachdem er euch in Navarre abgesetzt hatte. Wir dachten, dass ihr schneller heimkommen würdet, aber wichtig ist nur, dass ihr gesund und halbwegs wohlbehalten wir seid«, fand Nea und drückte sie in Richtung Wohnzimmer.

»Der Wind war hier?«, obwohl Mana schon irgendwie wusste, das ihre Eltern die Jahreszeiten schon irgendwie kennen musste – Wie hätte Lugh Akhtar sonst all diese Geschichte erzählen können? – war es ihr nie so wirklich bewusst gewesen.

»Ja, natürlich«, lachte Nea und umarmte ihre Tochter noch einmal. »Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag übrigens.«

Natürlich, Mana hatte ja Geburtstag. Siebzehn war sie nun. Es war nur ein Jahr, aber es kam ihr vor, als lag ihr letzter Geburtstag Jahrtausende zurück. Sie lächelte schüchtern und wandte sich dann um. Im Wohnzimmer waren auch noch ihr Vater, ein düsterer Mann, den Mana nicht kannte, und Tariq, der König von Lanta.

Sie alle wirkten nicht erstaunt, die kleine Gruppe zu sehen. Tariq zumindest begrüßte sie alle mit einem Lächeln, der Mann und vor allem Lugh Akhtar dagegen wirkten eher distanziert und beobachtend.

Zögernd suchten sie alle sich ihren Platz, verstanden nicht so recht, was sie von dieser Begrüßung halten sollten. Nur Schatten schien das nicht zu Interessieren. Sie sprang auf Lugh Akhtars Schoß und rollte sich dort wie eine Katze zusammen.

»Das ist er?«, fragte der düstere Mann leise und nickte zu Fylgien, der nachdenklich den Kopf neigte, sich dabei eng an Mana drückte, die sich, wie die anderen auch, auf dem Teppich vor dem Kamin niedergelassen hatte.

»Ja. Fliegst du los und gibst ihnen bescheid?«, fragte Lugh Akhtar ebenso leise. Sogleich verwandelte sich der Mann in einen Raben und flatterte zum Fenster. Geschickt öffnete er es und verschwand in die Nacht, während Tariq das Fenster wieder schloss.

»Wir wissen jetzt, wohin wir gehen müssen, Papa. Ich habe auf meiner ersten Reise nicht versagte«, flüsterte Mana da. Sie wusste nicht wieso, aber sie hatte das unbestimmte Gefühl, das ihr Vater ihre Reise als eine Art Prüfung angesehen hatte. Wenn sie Fylgien nach Hause bringen konnte, dann hatte sie bestanden, wenn sie es nicht konnte, dann war sie gnadenlos durchgefallen und war es nicht wert, als vollwertige Zauberin anerkannt zu sein.

Doch Lugh Akhtar ließ nicht erkennen, was er dachte. Er schaute auf Fylgien, flüsterte dann Schatten etwas zu.

»Wenn du möchtest… Aber ich bin mir nicht sicher, ob das so klug ist…«, meinte sie leise.

»Aber es redet sich leichter. Von Gleich zu Gleich«, antwortete Lugh Akhtar. Die Füchsin zögerte, dann seufzte sie und nickte. Sie schaute Fylgien nur an, doch Mana gewahr aus dem Augenwinkel, wie sich seine Gestalt zu verändern begann. Er wurde menschlich, bis er zum Schluss als junger Mann neben ihr saß, mit goldenem Haar und silbernen Augen.

Er rutschte ein wenig von Mana ab, sein Blick war unsicher auf Lugh Akhtar geheftet. Als das Mädchen wieder zu ihrem Vater blickte, da sprang Schatten gerade von seinem Schoß und verwandelte sich ebenfalls. Wie erwartet war ihr Haar weiß mit schwarzen Strähnen und ihre Augen rubinrot. Ein wenig erinnerte sie an Yue, aber nicht viel.

»Von Gleich zu Gleich«, flüsterte sie, tauschte mit Lugh Akhtar einen langen Blick, dann setzte auch sie sich zu den anderen auf den Boden.

»Gut. Erst einmal Willkommen zurück an euch alle. Ich denke, ihr habt eine Menge erlebt«, meinte Lugh Akhtar, machte aber nicht den Eindruck, als wollte er diese Geschichte hören. Tariq und Nea dagegen umso mehr.

»Erzähl, wie ist es euch ergangen?«, wollte der König neugierig wissen.

Mana zögerte, doch für so etwas gab es ja Ahkuna.

»Na ja, es begann alles damit, das Mana Fylgien bekam…«, begann sie. Und abwechselnd erzählten sie und Slyk die ganze Geschichte. Je mehr Mana hörte, desto mehr kam ihr das alles vor, wie ein Traum.

War das wirklich alles innerhalb eines Jahres passiert? Und war ihr das alles wirklich selbst passiert? Jetzt, wo sie wieder zu Hause saß, kam es ihr vor, als wäre sie nur ein unbeteiligter Zuschauer. Und immer wieder musste sie zu ihrem Vater gucken, doch seine Miene verriet nichts. Und irgendwann endete Slyk. Auf dem Hügel beim Haus.

»Die alte Welt. Dort bin ich nie gewesen«, verträumte blickte der König in die Luft, während Nea ihre Tochter fest umarmte und froh schien, dass es ihr so gut ging. Nur ihr Vater wirkte eher gelangweilt. Und da hielt Mana es nicht mehr aus.

»Ich kann es noch! Papa, ich kann ihn nach Hause bringen. Ich… weiß, das es besser so ist und ich kann es tun. Wir sind nur hier, um… um euch zu zeigen, dass es uns gut geht. Damit ihr euch keine Sorgen macht…«, sie war halb aufgesprungen, jetzt jedoch sank sie wieder in die Arme ihrer Mutter und schlurzte bitterlich.

Das war alles so unfair. Sie musste Fylgien gehen lassen, obwohl sie es nicht wollte und sie bekam dafür nicht einmal die Anerkennung ihres Vaters, die sie sich verdient hatte. Sie verlor alles und bekam nichts.

»Ich habe mir keine Sorgen gemacht, ich wusste, dass du es schaffen würdest«, erklärte sachlich, schüttelte dann langsam den Kopf. »Fylgien, das ist jetzt deine letzte Chance, deine Meinung noch einmal zu ändern. Du könntest hier bleiben und noch ein Paar glückliche Jahre haben, oder du kehrst zurück zu Drafnar. Es ist dein Entscheidung, es gibt niemanden, der sie dir abnehmen kann.«

»Mein Herz blutet, denn ich selbst habe es mit einem Messer aufgeschnitten. Aber ich werde gehen. Ich muss gehen«, antwortete der junge Mann.

»Du weißt, was du zurücklässt? Und du weißt, was dich erwarten wird?«

»Ja. Ich verlasse, was mir am Liebsten ist. Und mich erwartet Einsamkeit und Dunkelheit. Aber ich bin bereit, dieses Opfer zu bringen, weil ich auch den anderen Weg kenne. Und auf dieser hier ist der Bessere, selbst wenn es nicht so scheinen mag.«

»Du weißt auch ganz genau, was alles du hinter dir lässt? Was du nicht kennen lernen darfst, was du nicht erleben kannst?«, Lugh Akhtars Stimme wurde leiser.

»JA! Verdammt, mach es nicht schwerer, als es sowieso schon für mich ist!«, der junge Mann sprang auf und blitzte Manas Vater voll Hass, aber auch voller tödlicher Verzweiflung an.

»Quäl ihn nicht. Er weiß alles, er weiß sogar mehr als du. Und er ist trotzdem bereit zu gehen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das tun könnte. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass du es nicht könntest. Also quäl ihn nicht und lass ihn einfach gehen«, mischte sich Schatten ein.

»Er weiß mehr als ich…?«, damit hatte Lugh Akhtar nicht gerechnet, denn er blinzelte erstaunt.

»Ja. Zudem betrifft es dich auch indirekt. Aber nein, frag gar nicht erst, ich sag es dir nicht, denn das geht mich nichts an. Aber glaub mir, mit diesem Wissen könntest du nicht gehen«, meinte die junge Frau und stand auf.

»Es… betrifft mich indirekt…? Ach Schatten… Na ja, ich könnte auch mit allem was ich jetzt schon weiß nicht gehen, das weißt du doch«, seufzte der Mann, stand dann aber auf. Er schaute nachdenklich auf die Anwesenden. »Ich denke, Ikaika wird ihnen schon bescheid gegeben haben, also könnt ihr gehen, ohne das man euch behelligen wird. Willst du sie auch den Rest des Weges führen, Schatten?«, der Zauberer stand auf und schaute die junge Frau fragend an.

»Wenn Nea und Tariq nichts dagegen haben… ja, dann führe ich sie«, nickte sie.

»Ich denke nicht, dass der alte Winter so gerne einen Menschen in ihrem Reich sehen würde, also…«, Tariq zuckte mit den Schultern und lächelte sacht.

»Das hier ist eine Sache zwischen Vater und Tochter, da hab ich nichts zu suchen. Und mit Mächten, die meiner so weit übersteigen, lass ich mich auch nicht allzu gerne ein, also geh du ruhig, Schatten. Ich vertraue darauf, dass du meine Tochter und ihre Freunde wohlbehalten an den Ort ihrer Bestimmung bringst. Und auch wieder zurück«, Nea lächelte die junge Frau an.

»Das lässt sich einrichten«, lachte die.

»Dann geh. Ich erwarte euch dort«, meinte Lugh Akhtar.

»Willst du dann nicht gleich mitkommen? Ich meine, wie willst du uns überholen?«, fragte Mana erstaunt.

»Ich laufe auf meinen eigenen Wegen. Sie sind schneller als eure, aber sie sind euch verwehrt. Also geht jetzt, wir sehen uns dort«, erklärte ihr Vater und verließ den Raum.

»Was… meint er damit?«, Mana schaute Hilfe suchend von einem zum anderen, doch Tariq und Nea, die sehr wohl verstanden hatten, lächelten nur.

»Komm schnell und gesund wieder nach Hause«, meinte sie stattdessen und umarmte Mana.

»Und ihr natürlich auch«, sprach sie weiter, als sie auch Slyk und Ahkuna umarmte.

»Und dir natürlich alles Glück aller Welten zusammen. Vielleicht findet irgendwer doch noch einen Weg, damit du glücklich werden kannst«, wünschte sie Fylgien und umarmte auch ihn.

»Dann kommt. Der Weg ist weit, wir werden noch ein gutes Stück laufen müssen«, lächelte Schatten und lotste sie alle in den Flur.

»Na toll«, stöhnte da Mana auf.

»Nicht als Mensch, keine Sorge. Als Tiere reist es sich leichter und schneller«, lachte die junge Frau, doch Manas unbegeisterter Blick machte deutlich, dass das für sie nicht unbedingt als Verbesserung galt. Doch sie beschwerte sich nicht, stattdessen verließen sie das Haus. Sie durchquerten den Hof als Menschen, doch als sie durch das Tor traten, wurden sie wieder zu Wölfen und Schatten zur Füchsin.

»Auf Wiedersehen, Nea. Und mach dir keine Sorgen, der Rest des Weges ist nicht mehr gefährlich«, rief sie Manas Mutter noch einmal zu. Dann trabte sie über den Schnee davon und die vier anderen Wölfe folgten ihr.

Nach Norden, dem Nordlicht entgegen. Mana fragte sich, wie es wohl sein würde, dem Winter gegenüber zu treten. Wie würde sie aussehen? Und warum würde ihr Vater da sein? Was hatte er mit dem Winter zu tun? Und wie sah Fylgiens Heimat aus?

Sie hatte so viele Fragen und sie hatte Angst. Sie wusste nicht, was sie erwarten würde und es war nie zuvor vorgekommen, das irgendwer, der ihr etwas bedeutete, einfach so gegangen war, ohne die Möglichkeit, ihn jemals wieder zu sehen. Würde der Schmerz groß sein? Sie war froh, als sie Fylgien an ihrer Seite spürte. Sie schaute ihn an und er leckte ihr sanft über die Schnauze.

»Was ist es, was du weißt, aber mein Vater nicht? Weiß ich davon?«, fragte sie leise.

»Nein, ich denke nicht. Noch nicht. Aber du wirst es vor deinem Vater erfahren, da kannst du dir sicher sein«, erklärte er und lächelte sanft.

»Ist es etwas Gutes?«

»Ja«, mehr sagte er nicht, aber das war auch nicht nötig. Mana wollte gar nicht mehr wissen. Sie hatte noch immer angst, aber Fylgien an ihrer Seite ließ sie diese Angst vergessen. Und so liefen sie gemeinsam ihren letzten, gemeinsamen Weg.

Ein eingelöstes Versprechen

»Sind wir… schon im Reich des Winters?«, fragte Mana zögernd.

»Ja«, nickte Schatten.

»Mir kommt es gar nicht viel anders vor, als die Rudelgebiete«, merkte Slyk an.

»Eigentlich ist es auch nicht viel anders. Hier lebt ein ganz bestimmtes Rudel, das macht es zu etwas besonderem, ansonsten…«, wäre sie ein Mensch gewesen, so hätte die Füchsin wohl mit den Achseln gezuckt.

Mana nickte sacht, dachte an die anderen Rudelgebiete zurück. An River, der sie voller Begeisterung den ganzen Weg durch das Schattenfanggebiet begleitet hatte, an Fang, die ihnen nur sehr Widerwillig freies Geleit erlaubte. An Artemis, die ihren großen Auftritt haben musste. An Cloud, die ihr Rudel besser als alle anderen unter Kontrolle hatte, an Hunter, der ihnen eher gelangweilt entgegen getreten war.

Sie dachte an Ikaika, der schwarze Wolf, der jener Mann gewesen war, der als Raben davon geflattert war, als sie im Haus ihrer Eltern gewesen waren. Er hatte die anderen Rudelanführer ihr Kommen angekündigt und für ihr freies Geleit gesorgt.

Und zuletzt dachte sie an Duana, die ihnen erst kalt und unnahbar erschienen war, die Ahkuna und Slyk dann aber um einen Gefallen gebeten hat, er ihr mehr zu bedeuten schien, als man sich je vorstellen mochte. Die beiden sollten in Duanas Namen Soul um Verzeihung bitten. Sie wussten nicht genau, was dort vorgefallen war, aber sie wusste, das sie es tun würde. Vielleicht erzählte Soul ihnen ja, wer Duana war.

Dann waren sie ins Winterreich gelaufen und hier waren sie nun. Sie haben nicht einmal besonders lange gebraucht, nachdem sie vom Haus ihrer Eltern aufgebrochen waren. Es war vielleicht zwei Wochen her, doch kam auch diese Zeit Mana vor, wie ein Traum.

Sie wusste nun auch, was Fylgien und auch Schatten wusste, aber niemand sonst. Was es den meisten anderen unmöglich gemacht hätte, zu gehen. Es war nur eine Ahnung gewesen, ein flüchtiger Gedanke, doch sie ist ihm nicht mehr losgeworden. Sie hatte Schatten gefragt und die Füchsin hatte es ihr widerwillig bestätigt.

In dem Moment hatte sie Fylgien gehasst. Wie konnte er jetzt gehen? Wie konnte er ihr das nur antun? Sie hatte ihn gefragt, doch eigentlich hatte sie keine Erklärungen hören wollen. Eigentlich hätte sie es lieber gehabt, hätte er schuldbewusst geschwiegen, dann hätte sie ihn anbrüllen, all ihren Hass hinausschreien können, damit sie ihn wieder lieben konnte.

Doch er hatte ruhig und bedacht geantwortet. So konnte sie ihren Hass nicht rauslassen und so hasste sie ihm im Stillen weiter. Sie hatten sich gestritten und seitdem hatte sie nicht mehr mit ihm gesprochen.

»Ist der Weg zum Winter noch weit?«, fragte Ahkuna leise an ihrer Seite. Die junge Wölfin schaute mit leuchtenden Augen um sich.

»Das kommt drauf an. Sie können auftauchen, wann sie wollen. Und wo sie wollen. Vielleicht lassen sie uns das gesamte Gebiet durchqueren, vielleicht warten sie hinter der nächsten Schneewehe«, meinte Schatten.

»Wir sind hinter euch«, meinte da eine Stimme und sogleich fuhren die Fünf herum.

Ja, da stand der Winter, da war sich Mana sofort sicher, als sie die weiße Wölfin sah. Sie hatte etwas Geheimnisvolles an sich, das sie sofort als das auszeichnete, was sie war: Ein mächtiges Wesen voller Zauber und Magie.

Doch neben der weißen Wölfin stand ein anderer Wolf, der Mana keineswegs unbekannt war. Es war der weiße Wolf mit den schwarzen Ohren, der ihr schon so oft geholfen hatte. Er war es auch, der gesprochen hatte.

»Willkommen im Reich des Winters«, begrüßte er sie.

»Du gehörst zum Rudel des Winters?«, fragte Mana sogleich erstaunt und machte, wie in Trance, einige Schritte auf ihn zu.

»Nein«, antwortete der Wolf und lächelte ein wenig.

»Das verstehe ich nicht«, meinte sie.

»Sie ist der Winter, er ist ihr Nachfolger. Wann er allerdings ihren Platz einnehmen wird…«, Schatten lächelte ein wenig, trabte zu den beiden Wölfen und begrüßte sie zutraulich.

»Zeit wäre es auf jeden Fall, mein Junge«, fand der Winter lachend.

»Nein. Wir haben einen Zeitpunkt schon ausgemacht, früher wirst du mich nicht dazu kriegen«, antwortete der Andere.

»Ich weiß. Alles zu seiner Zeit«, lächelte der Winter.

»Genau. Nun, ihr seid nicht Grundlos hier…«, meinte der Wolf mit den schwarzen Ohren.

»Nein. Wir wollen… in das Reich der Sterne. In die Heimat von Fylgien«, meinte Mana. Da viel ihr etwas ein und sie schaute sich suchend um.

»Diesen Weg kann euch nur Aurora öffnen«, erklärte der Winter und verschwand.

»Wo ist sie hin?«, wollte Slyk wissen.

»Sie holt Aurora«, erklärte der andere weiße Wolf, beobachtete dabei Mana.

»Mein… mein Vater wollte uns hier treffen. Wo… ist er? Ich…«, sie sprach nicht weiter, schaute stattdessen zu Boden.

»Du möchtest, das er bei dir ist?«, fragte der weiße Wolf. Irrte sie sich, oder hörte sie da wirklich eine fast schon verzweifelte Hoffnung in seiner Stimme?

»Ja. Weißt du, ich glaube, er mag mich nicht besonders. Ich glaube, ich kann es ihm nie recht machen und meine Geschwister zieht er mir immer vor, aber… er ist mein Vater und als ich klein war, ist er immer bei mir gewesen, wenn ich ihn wirklich gebraucht habe. Er hat mir immer Mut gemacht, und auch als wir auf unserer Reise im Süden waren… weißt du, ich hatte das Gefühl, das er dich geschickt hat, damit du mir hilfst«, erklärte sie leise und betrachtete den weißen Schnee. Eine Träne rollte über ihr weißes Fell. »Ich hatte mit gewünscht, dass er auch jetzt bei mir ist. Ich brauche ihn.“

»Oh Mana. Er ist hier. Denkst du wirklich, er würde dich alleine lassen? Nachdem er sich so angestellt hat, um dich von allem Bösen dieser Welt fern zu halten? Denkst du, ausgerechnet jetzt würde er dich alleine lassen?«, fragte der weiße Wolf sanft.

Mana wollte darauf etwas antworten, doch es fiel ihr wie Schuppen von den Augen. Weißes Fell, nur die beiden schwarzen Ohren, dazu ein recht schwerfälliger Gang, als würde ihm jeder Schritt der Hinterläufe schmerzen bereiten. Jetzt viel ihr auch der dunkle Fleck auf, direkt hinter den Schulterblättern. Nicht gerade groß, aber für jene, die ihn einmal entdeckt hatten, trotzdem unübersehbar.

Eigentlich hätte sie jetzt wütend sein müssen. Ihr Vater hatte sie auch dieses mal nicht alleine gehen lassen, aber das Bewusstsein, wie ungemein viel sie ihrem Vater zu bedeuten schien, wenn er sie immer noch nicht alleine losziehen lassen konnte, schlug wie eine Welle über sie zusammen.

»Warum hast du nichts gesagt? Von alle dem hier?«, fragte sie leise und legte sich in den Schnee.

»Weil ich für euch ein Leben vorgesehen hatte, in dem all das hier nichts bedeutet. Zu viel Wissen bedeutet eine Bürde, die nicht jeder tragen kann. Ich wollte, dass ihr die Möglichkeit habt, wie einfache Zauberer zu leben, ohne immer im Hinterkopf zu haben, was ihr wirklich seid. Ich weiß, das Soul damit sehr gut umgehen kann, aber ich sehe schon an Cinder, wie schwer es ihr manchmal fällt, die Wahrheit nicht in die Welt hinauszuschreien, damit die Menschen endlich begreifen, das es weit wichtigere Dinge gibt als die Frage, ob der umgefallene Baum nun auf die Seite des einen oder auf die Seite des anderen Bauern gehört. Und von mir fang ich gar nicht erst an. Ich wollte, dass die größten Probleme, derer ihr euch stellen müsst, bloß jene sind, was es am Abend zum Essen geben soll und wie ihr eure Kinder still kriegt, damit ihr einmal ein paar ruhige Minuten habt.«

»Warum hast du mir dann Fylgien geschenkt? Und warum hast du ihm die Möglichkeit gegeben, mit mir zu sprechen? Dir hätte doch klar sein müssen, dass ich dann weitergehen muss«, fand Mana.

»Weil du immer schon anders warst. Du hast dich immer mit auseinander gesetzt, was größer war als du. Du wärst in einem einfachen Leben nie glücklich geworden, dir hätte immer etwas gefehlt. Es war nie geplant, das Lif, Slyk und Ahkuna dich begleiten, aber es war auch nicht weiter tragisch, denn auch sie spürten immer die Gegenwart des Besonderen«, erklärte der weiße Wolf.

»Und wann… wann wirst du gehen und… den Platz des Winters einnehmen?«, Mana hatte ein wenig angst vor der Antwort, aber sie musste diese Frage einfach stellen.

»Wenn ihr drei ausgezogen seid, eine eigene Familie habt und sowieso nur alle paar Jahre einmal zu besuch kommen würdet«, lächelte der Wolf. »Und selbst dann werde ich immer für euch da sein, wenn ihr mich braucht, denn nichts auf dieser Welt könnte wichtiger sein, als ihr es seid.«

Mana nickte. Sie war froh über diese Antwort, denn sie wusste, auch in hundert Jahren würde sie nicht ohne ihre Eltern sein wollen.

»Und was ist mit Mama?«

»Die wird bei mir bleiben, da brauchst du dir keine Sorgen machen. Aber jetzt wird es langsam Zeit. Drafnar wartet bestimmt schon.«

»Drafnar?«, fragte Mana erstaunt.

»Der Herr über meine Welt. Das höchste Wesen im Reich der Sterne«, erklärte Fylgien.

»Und ein guter, alter Freund von mir«, bestätigte der weiße Wolf.

»Aber der Winter ist doch noch nicht wieder da. Wie sollen wir ohne Aurora dort hinaufkommen?«, fragte Ahkuna und deutete in den Himmel.

»Ihr beide gar nicht. Eigentlich ist dieser Weg nur für Fylgien bestimmt, das Mana uns begleiten darf, ist Drafnars Wohlwollen zuzuschreiben. Ihr müsst hier warten, aber ich denke, da wird es den einen oder anderen geben, der euch die Zeit ein wenig vertreiben kann.«

Wie auf ein stilles Kommando hin erschienen ein Wesen, das nur aus Schneeflocken in einer art Wolfsform toste, und ein Wolf aus Nebel.

»Ich bin Kälte, hallo«, sprach als erstes der Nebelwolf.

»Und ich bin Schnee«, stellte sich der Flockenwolf vor.

»Sie werden euch ein wenig Gesellschaft leisten und habt keine angst, sie tun euch nichts«, meinte der weiße Wolf, dann deutete er Fylgien und Mana, mit ihm zu gehen.

Gemeinsam liefen sie los, über die weite Schneelandschaft auf eine Gebirgskette zu.

»Wo warten der Winter und das Nordlicht?«, fragte Mana unruhig.

»Am höchsten Ort dieser Welt«, antwortete der weiße Wolf und deutete das Gebirge hinauf.

»Da schaff ich es niemals hoch!«, ereiferte sich seine Tochter, denn mit ihrem Hinterlauf konnte sie schon nicht besonders gut laufen, ans Klettern oder hoch springen dachte sie erst gar nicht.

»Wenn wir klettern würden, würde es auch viel zu lange dauert«, lächelte der weiße Wolf. Da gewahr Mana einen Bären am Fuße des Berges. Sie wusste sofort, dass es der Wind war, obwohl er in seiner Bärengestalt völlig anders aussah. Der weiße Wolf begrüßte ihn mit einem harten Stoß ins dichte Fell und der Bär stieß zurück, warf dabei den so viel leichteren Wolf fast um. Doch der lachte nur.

»Bringst du uns hinauf?«, fragte er leise. Der Bär brummte nur, dann wurden sie alle zu Wind und fegten direkt an der felsigen Wand in den Himmel hinauf, wo sie sanft auf der Erde wieder abgesetzt wurden. Der Wind fegte wortlos davon und hier oben wartete niemand auf sie, doch das war auch nicht nötig. Ein Lichterweg führte vor ihnen in den Himmel hinauf.

»Wo sind sie?«, fragte Fylgien. Ihn schien es nicht gerade zu gefallen, das das Nordlicht und der Winter nicht da waren, doch er erhielt keine Antwort.

»Das Reich der Sterne können wir nur über einen Weg aus Nordlichtern betreten. Kommt mit, es wird Zeit«, sprach der weiße Wolf und machte die ersten Schritte. Fylgien und Mana warfen sich noch einen Blick zu, dann traten sie gemeinsam auf den Lichterweg.

»Du hast dein Versprechen gehalten«, meinte Mana plötzlich, nachdem sie schon einige Meter gegangen waren.

»Welches Versprechen?«, fragte Fylgien leise und sah zu seinem Schrecken die Tränen, die Mana weinte.

»Als wir auf Midgard waren, nachdem das Fieber gesunken war. Da haben wir gemeinsam die Sterne betrachtet und von unseren Wünschen erzählt. Du hast mir versprochen, dass wir irgendwann gemeinsam über den Himmel laufen würden. Dann wären wir wirklich frei, ich würde wissen, wer ich bin und ich würde die reine Wahrheit kennen. Du hast dein Versprechen gehalten«, schluchzte sie.

»Wenn ich gewusst hätte, dass ich es auf diese Weise halten würde, hätte ich es dir nie gegeben«, antwortete der goldene Wolf verbittert und starrte voll Schmerz auf den leuchtenden Lichterpfad.

»Ich weiß.«

So kurz vor einem Abschied auf Ewig war nicht der richtige Zeitpunkt, wieder zu streiten. Mana begriff, das er nichts dafür konnte. Man sagte ihm, dass er die Wahl hätte, aber in Wirklichkeit hatte er sie nie gehabt, das wusste sie.

»Ich werde dich vermissen und ich werde dich nie vergessen«, versprach er leise.

Sie antwortete nicht. Sie weinte stille Tränen. Etwas anderes blieb ihr nicht übrig. Sie hoffte nur, dass der Schmerz, der schon jetzt ihr Herz zerriss, irgendwann aufhören würde.

Du so liefen sie zu dritt über den Himmel, schweigend und still, um sich herum eine so wunderbare Farbenpracht, das ihre Herzen vor Freude hätten springen müssen, doch ihre Herzen weinten. Dieser Weg, so schön er auch war, war ein Weg in die Dunkelheit und jeden von ihnen war dies schmerzlich bewusst. Doch sie mussten ihn zu ende laufen.

Den Weg zu den Sternen.

»Ich sag nicht Lebwohl. Ich sage dir nur auf Wiedersehen«

Es war für Mana wie eine Ohrfeige. Wie konnte man nur so grausam sein und ihr so etwas antun? All diese wunderschöne Pracht um sie herum, all dieses freudige Leuchten, während sie etwas erwartete, das so sehr schmerzte.

»Da wären wir, hier bin ich zu Hause«, meinte Fylgien und schaute sich traurig um. »Die Heimat der Sterne.«

»Wo sind sie? Ich hätte erwartet, das sie durch die Luft schwirren wir Glühwürmchen«, meinte Mana nachdenklich.

»Sie halten sich fern. Es gibt nicht viele Sterne, die so neugierig sind wie Fylgien«, bemerkte eine Gestalt die wie aus dem nichts auftauchte. Ein Mann mit schwarzem Haar. Mana wusste sofort, dass das Drafnar sein musste.

»Sterne die so neugierig sind…? Du… bist ein Stern?«, Mana hatte das Gefühl, sie hätte in letzter Zeit verdammt viele Bretter vor dem Kopf gehabt. Dabei war es doch eigentlich so klar. Was sollte er sonst sein, wenn er im Sternenreich lebte.

»Ja. Ich bin ein Stern. Ein funkelndes Leuchten am Himmel, das die Menschen jede Nacht beobachten und bestaunen. Und wir sind hier oben und beobachten und bestaunen die Menschen. Wie beneiden sie, für alles, was sie haben und für alles was sie können«, der goldene Wolf seufzte und machte einige Schritte auf Drafnar zu. Dabei wandelte sich seine Gestalt, er wurde zum Mensch.

»Wir können es uns nicht aussuchen, Fylgien«, meinte er.

»Ich weiß. Grausam ist es trotzdem.«

»Warum ist Fylgien hier so etwas Besonderes? Warum ist er nicht einfach irgendwer?«, Mana lief an ihrem Stern vorbei zu Drafnar. Im Laufen wandelte sich auch ihre Gestalt, sodass sie nun als Mensch vor ihm stand, ihn voll Hass anblitzte.

»Weil er meinen Platz einnehmen wird. Es kann niemand anderes tun, denn niemand anderes ist so voll Freundschaft für die Menschen. Er hat euch so lange schon beobachtet, dass er euch versteht, besser als jeder andere Stern. Es kann nicht sein, das ein Wesen aus der alten Welt einer Welt vorsteht, die nicht seine ist, aber ich kann auch nicht zulassen, das es irgendwer tut«, erklärte Drafnar.

»Warum hast du ihn dann auf die Erde geschickt? War dir nicht klar, wie dumm das sein würde? War dir nicht bewusst, das ihm dieses Leben vielleicht besser gefallen könnte?«, fuhr sie ihn aufgebracht an.

»Er musste die Menschen auch aus nächster Nähe kennen lernen. Um zu verstehen, warum sie sind, wie sie eben sind. Warum sie tun, was sie tun. Um sie in all ihrer Konsequenz begreifen zu können. Man muss seine nächsten Nachbarn kennen, um zu verhindern, das man einander schaden zufügt. Vor allem, wenn diese nächsten Nachbarn so gedankenlos sind, wie es deine Spezies nun einmal ist«, erklärte Drafnar, schüttelte dann entschieden den Kopf.

»Wer erwartet auch schon, dass er sich verlieben würde? Es war… einfach anders geplant. Aber eigentlich hätte ich es besser wissen müssen, Gefühle haben schon die besten Pläne vernichtet.«

»Und jetzt ist es sowieso einerlei. Die Entscheidung ist gefallen, jetzt gibt es kein zurück mehr«, mischte sich auch Manas Vater ein, der ebenfalls in seiner menschlichen Gestalt dort stand.

»Aber es ist unfair. Nur, weil ihr so wichtige Dinge einfach außer Acht gelassen habt, müssen andere Leiden«, weinte Mana und blitzte Drafnar hasserfüllt an.

»Ich könnte mich dafür bei dir entschuldigen, ich könnte dich auch Knien um Verzeihung bitten, aber ich denke nicht, dass es etwas ändern würde. Also hass mich. Vom tiefsten Grund deiner Seele aus. Wenn es dir irgendwie hilft, soll es mir recht sein«, antwortete er ruhig.

Mana warf ihn noch einen letzten bösen Blick zu, dann wandte sie sich zu Fylgien um. Sie ging langsam auf ihn zu, fiel ihm um den Hals und schluchzte bitterlich.

»Ich will bei dir bleiben. Es gibt nichts auf der Welt, was ich mir mehr wünsche. Ich will bei dir sein, bis in alle Ewigkeit«, weinte sie.

»Ich weiß und ich will auch, das wir zusammen bleiben, aber… dies hier ist keine Welt für dich. Und deine Heimat ist keine Welt für mich…«, flüsterte er mit zitternder Stimme. Etwas zu wissen und etwas für gut zu befinden waren immer zwei paar Schuhe.

»Fylgien, ich liebe dich. Ich liebe dich mehr als alles auf der Welt. Wenn du es wolltest, ich würde hier bleiben«, sprach sie, flehte sie fast in seinen Armen.

»Ich liebe dich auch, Mana. Und gerade weil ich dich liebe musst du gehen. Du könntest hier nicht glücklich werden und es würde mir das Herz brechen, dich traurig zu sehen«, flüsterte er ihr zu.

»Aber wie soll ich ohne dich glücklich werden?«, fragte sie.

»Denk immer an deinen kleinen Stern«, lächelte Fylgien und sie verstand sofort, was er meinte. Obwohl ihr hundelend zumute war und sie nicht aufhören konnte zu weinen, musste sie dennoch lächeln.

»Natürlich. Was kann ich sonst anderes tun?«, fragte sie leise.

Fylgien nickte lächelnd, dann hob er mit einer Hand ihr Kinn an und schaute ihr lange in die blauen Augen.

»Weißt du, dass du als Wölfin genau solche Nordlichtaugen hast, wie dein Vater? Wann immer ich das Nordlicht betrachte werde ich an sie denken. Und wann immer ich das Meer sehe, werde ich an dich denken, denn deine Augen sind so blau, so tief, so geheimnisvoll wie das Meer«, erklärte er ihr. Sie versuchte zu lächeln, doch sie wusste selbst, dass es ihr kläglich misslang.

Doch Fylgien lächelte. Seine Augen erzählten von Trauer und Leid, aber er selbst lächelte. Und dann küsste er sie. Er schmeckte ihre salzigen Tränen, doch sie störten ihn nicht. Sie beide wünschten sich, sie könnten auf ewig so stehen bleiben, zusammen auf die Unendlichkeit warten, doch irgendwann löste er sich von ihr.

»Ich muss jetzt gehen, aber… Mana, ich gebe dir noch ein Versprechen. Wir werden uns wieder sehen. Irgendwann, irgendwo, irgendwie. Ich weiß nicht, was ich dafür tun muss, aber was es auch sein wird, ich werde es tun«, flüsterte er, so leise, dass die beiden Männer es nicht hörten. Nur Mana hörte es.

Und sie konnte in seinen Augen lesen, wie ernst es ihm war. Dieser Ernst gab ihr die Hoffnung, dass es wirklich so sein konnte. Dieser Ernst gab ihr den Mut, doch irgendwie zuversichtlich in die Zukunft zu schauen.

»Ich sag dir nicht Lebewohl. Ich sage dir auf Wiedersehen«, nickte sie lächelnd und ebenso leise wie er.

Und auch er nickte noch einmal, gab ihr noch einen Kuss, drückte sie noch einmal fest an sich. Das Drafnar zu ihnen gekommen war, seine Hand auffordernd auf seine Schulter legte, ignorierte er. Stattdessen drückte er Mana noch fester an sich und sie drückte sich noch enger an ihn.

»Es wird Zeit«, flüsterte Drafnar.

»Ich weiß«, antwortete Fylgien. Erst nachdem Drafnar wieder ein Paar Schritte gegangen war, ließ er sie endlich los.

»Wir sehen uns wieder. Irgendwann. Bis dahin wünsch ich dir alles Glück der Welt. Auf wieder sehen, Sternengefährtin«, flüsterte er noch einmal, dann machte erst einige Schritte rückwärts, wandte sich ab und ging zu Drafnar. Dort wandte er sich abermals um, blickte zu Mana, während Drafnar wieder seine Hand auf Fylgiens Schulter ruhen ließ.

»Ich werde mich immer an dich erinnern, Mana. So lange ich lebe werde ich dich nie vergessen. Und irgendwann wirst du gänzlich unvergessen sein, denn unsere Geschichte wird im Gesang der Sterne auf Ewig einen Platz finden«, sagte er und sie verstand. Sein versprechen, dass sie sich wieder sehen würden, es war nicht für andere Ohren bestimmt.

Nun, sie würde es nicht verraten, auch ihrem Vater nicht. Sie nickte sacht, zum Zeichen, das sie verstanden hatte, und er lächelte leicht. Dann gingen sie. Und Mana schaute ihnen nach, solange sie konnte. Sie spürte, wie ihr Vater an ihre Seite trat und sie fest in den Arm nahm, aber er versperrte ihr nicht die Sicht. Er wusste, wie wichtig es ihr war.

»Es wird Zeit nach Hause zu gehen, mein Kind«, flüsterte er ihr leise zu.

»Wird der Schmerz irgendwann aufhören?«, fragte sie und schaute zu ihm hoch.

»Nein. Der Schmerz um den Verlust eines geliebten Wesens… er hört niemals auf. Man gewöhnt sich an ihn, aber verschwinden tut er nie«, antwortete ihr Vater wahrheitsgemäß.

»Wen hast du verloren?«, wollte sie leise wissen.

»Ich habe eigentlich alles einmal verloren, was mir je etwas bedeutete. Fast alles habe ich wieder finden können, aber das war nur glück. Manchmal… wird einem erst dann bewusst, wie wichtig manche Dinge wirklich sind, wenn man sie für immer verloren glaubt«, erklärte ihr Vater und sie drängte sich eng an ihn.

»Denkst du, ich könnte ihn wieder sehen? Irgendwann?«

»Ja. Wenn ihr es wirklich wollt, dann wird das, was auch immer uns lenkt, ein Einsehen haben. Es hatte ja auch ein Einsehen mit mir«, erklärte er lächelnd.

»Wie meinst du das?«, fragte Mana erstaunt.

»Weißt du, dass ich dem Winter nachfolgen würde… eigentlich war es beschlossene Sache vom ersten Tag meiner Existenz an. Ich habe mich dagegen gewehrt, ich wollte es nicht, denn ich wollte nicht all das aufgeben, was mir wichtig ist. Und das hat mich… in ein tiefes Loch gestürzt, könnte man sagen. Ich war oft unfair und hab all meinen Selbstzweifel an anderen ausgelassen und sie so ebenfalls ins Unglück gestürzt«, Lugh Akhtar seufzte.

»Weißt du, wer sich mit den Jahreszeiten einlässt, der gibt sein altes Leben auf und das wollte ich um keinen Preis der Welt. Nicht, nachdem ich endlich begriffen hatte, wie viel mir Nea bedeutet und nicht, nachdem du und Kekoa geboren wart. Aber das, was ich so gerne als Schicksal bezeichne, hatte ein Einsehen. Es gab mir ein kleines Schlupfloch, durch das ich gehen konnte. Es lag an mir, ob ich es finden würde, aber… ja, ich fand es. Und ich glaube, wenn ihr es wirklich wollt, mehr als alles andere auf der Welt, dann könnt auch ihr solch ein Schlupfloch finden«, fand er.

»Denkst du, es bringt etwas, wenn ich all meine Energie in diese Suche stecke?«, fragte sie.

»Nein. Lebe einfach. Lebe, als wäre jeder Tag dein letzter, erfreu dich am Regen, am Schnee, am Wind. Lach mit der Sonne, träume mit dem Mond, singe mit den Sternen. Und irgendwann, dann, wenn der rechte Zeitpunkt da ist, dann wirst du dieses Loch erkennen. Es wird aussehen, wie ein großes, goldenes Tor und während du hindurch schreitest, wirst du dich frage, wie du es je hattest übersehen können«, antwortete ihr Vater lächelnd.

»Gut. Dann freue ich mich auf das goldene Tor. Und solange, bis ich es finde, hab ich anderes, worauf ich mich freuen kann«, lachte sie. Und es war ein wirkliches Lachen, ein glückliches Lachen, den Mana war sich Sicher, das dies kein Abschied für immer gewesen sein konnte.

»Erfreu dich an allem, was dich glücklich machen kann, mein Kind. Aber jetzt wird es langsam Zeit, wir müssen nach Hause gehen. Nea wartet bestimmt schon sehnsüchtig darauf, ihre Tochter endlich im sicheren Heim zu wissen«, meinte er und deutete auf den Lichterweg.

»Du hast recht. Aber Papa, darf ich dich etwas fragen?«, bat sie, während sie langsam nach Hause gingen.

»Was auch immer du willst«, lächelte er.

»Nun… erst einmal… du warst nie verrückt, oder? Immer wenn du so gewirkt hast, dann nur, weil du von den Jahreszeiten, von der alten Welt und dem alles wusstest, oder?«

»Ich und verrückt? Nein, bestimmt nicht. Aber ja, du hast recht… es kann gut sein, das ich so manches Mal auf unwissende, als auch auf euch Kinder, diesen Eindruck hinterließ. Ich kann dich aber beruhigen, ich bin eigentlich ganz normal«, lachte er.

»Gut. Dann noch eines… hast du mich eigentlich lieb?«, sie schaute fragend zu ihm auf. Er wirkte wirklich erstaunt angesichts einer Frage, deren Antwort für ihn scheinbar auf der Hand lag.

»Aber natürlich Mana, wie sollte ich denn nicht?«, fragte er.

»Früher hatte ich nicht unbedingt das Gefühl. Kekoa durfte immer viel mehr als ich und mich hast du immer so… abweisend behandelt«, meinte sie.

»Oh Mana… Ich hab dich so lieb, dass ich um nichts auf der Welt wollte, das dir etwas geschieht, und… ja, ich fürchte, ich war immer ein wenig überfürsorglich. Nea hat immer gemeint, ich wäre schlimmer als alle Glucken im Stall zusammen«, lachte Lugh Akhtar. »Und was das Abweisend sein betrifft… es war keine Absicht. Es war mir nie bewusst, das ich so auf dich wirke, aber es war nie gewollt. Ich… ich denke, ich wollte nur verhindern, das du zu sehr trauern musst, wenn ich gehen müsste, und irgendwie… hab ich es wohl beibehalten, ohne es zu wollen und auch ohne es zu merken…«

»Also hast du mich genauso lieb, wie auch Kekoa und Yue?«, hakte Mana noch einmal nach.

»Natürlich. Sonst hätte ich dir den Stern nicht anvertraut«, lächelte Lugh Akhtar.

»Welchen Stern?«, fragte sie lachend.

»Irgendwie… beide«, grinste ihr Vater.

»Weißt du… ich denke, es wird Zeit, dass du zumindest einen zurück bekommst«, fand Mana und öffnete das Halsband. Sie betrachtete den blauen Stern einen Moment, dann gab sie ihn ihren Vater wieder, doch der hob abwehrend die Hände.

»Behalte ihn. Es steckt eine sehr mächtige Magie darin. Sie wird dich immer beschützen. Und wenn du denkst, dass du ihn irgendwann nicht mehr brauchst, dann hast du bis dahin vielleicht eine eigene Familie und selbst ein Kind, dann könnte es dir noch gute Dienste leisten«, erklärte er.

»Gut… Wenn du wirklich glaubst, ich würde je einen anderen Mann finden, als Fylgien…«, meinte sie lachend.

»Nein, ich glaube es zwar nicht, aber… Lass es mich so sagen. Schatten weiß sehr, sehr viel und sie redet gerne, auch von Dingen, die erst in Zukunft geschehen werden«, antwortete Lugh Akhtar lächelnd. Darauf lachte Mana nur. Sie wusste trotzdem mehr als ihr Vater, doch auf seinen fragenden Blick reagierte sie nicht. Stattdessen tanzte sie über den Lichterpfad. Sie tanzte ihrer Zukunft entgegen und sie wusste, wenn sie nur lange genug wartete, dann würde sie wundervoll werden.

Manas kleiner Stern

Lif blies die Backen auf und stieß die Luft mit einem tiefen Brummen wieder aus.

»Hör auf damit, du erschreckst sie nur!«, ging Slyk dazwischen und stieß seinen besten Freund mit der Hüfte beiseite. Er schnitt eine Grimasse, doch es folgte keine Reaktion.

»Jungs, sie wird auf eure Fratzen nicht reagieren«, seufzte Ahkuna genervt.

»Klar, weil du ja auch so viel Ahnung von Babys hast«, kommentierte Lif sarkastisch und zog eine Augenbraue hoch.

»Offensichtlich mehr als ihr«, antwortete sie bissig und schob ihren Bruder und ihren Cousin beiseite.

»Babys mögen es, wenn man Fratzen schneidet!«, verteidigte Slyk sein Tun.

»Aber nicht, wenn sie gerade einmal eine halbe Stunde als sind. Dann sind sie nämlich von der Geburt völlig geschwächt und wollen nur eines, nämlich in Ruhe schlafen«, widersprach Ahkuna spitz und so schlüssig, das es selbst für die beiden Jungen nachvollziehbar war. So öffnete Lif zwar trotzdem den Mund um zu widersprechen, doch er schloss ihn, ohne dass ein Laut hervorgekommen war.

»Sie hat recht. Und die frischgebackene Mutter braucht auch endlich einmal ihre Ruhe«, mischte sich da Soul ein, die ganz unbemerkt eingetreten war. Sie blitzte ihre Kinder und Lif so böse an, das selbst Ahkuna, die sich ja für mehr Ruhe eingesetzt hatte, wortlos zur Tür schlichen und hinausgingen, gerade als Lugh Akhtar eintreten wollte. Er ließ die drei durch, wartete, bis auch Soul wieder hinausgegangen war, dann trat er selbst ein und schloss die Tür. Er lächelte.

»Wie geht es dir?«, fragte er leise die junge Frau, die im Bett lag und verschlafen zu ihm blinzelte.

»Jetzt, wo ich endlich einmal meine Ruhe habe meinst du?«, erkundigte sich Mana lächelnd. Lugh Akhtar lächelte zurück, dann trat er an die Wiege und nahm eines der beiden kleinen Bündel Mensch heraus. Mit ihr ging er ans Fenster und setzte sich auf die Fensterbank, schaute dann zu den Sternen hinauf.

»Tut mir Leid, das ich eure Hochzeit so nachhaltig sabotiert habe«, lächelte Mana.

»Macht nichts. Eigentlich hätte die schon viel früher stattfinden müssen, aber… ja, ich gebe es zu, ich hatte immer ein wenig Angst, das Nea nein sagen könnte. Und du hast dir ja nicht ausgesucht, dass du uns ausgerechnet heute unser Alter so deutlich vor Augen halten musstest«, antwortete der Zauberer gut gelaunt.

»Glaubst du, Fylgien sieht seine Töchter von dort oben aus?«, fragte Mana leise und setzte sich im Bett auf.

»Natürlich sieht er sie. Und wer weiß, vielleicht lässt Drafnar ihn auch hierher kommen, damit er sie selbst im Arm halten kann. Wünschen würde ich es ihm«, antwortete Lugh Akhtar.

»Ich hoffe es. Ich will sie ihm so gerne vorstellen«, seufzte seine Tochter.

»Hast du schon einen Namen für die zwei?«

Da zögerte Mana. Ihre Augen wurden dunkel und sie starrte bedrückt die Bettdecke an. Es war eine Tradition in Wynter, das der Vater dem erstgeborenen Kind einen Namen gab. Es mochte für Außenstehende nichtig erscheinen, doch Mana dachte voller Trauer daran, dass diese Geste väterlicher Zuwendung ihren Töchtern verwehrt bleiben würde. Und Lugh Akhtar schien ihre Gedanken zu erraten.

»Gib ihnen Namen, die ihres Vaters würdig sind. Ein Name, bei dem noch in tausend Jahren alle wissen werden, woher sie kommt«, fand er.

Da nickte Mana nachdenklich und überlegte. Als sie den Kopf hob und dabei an ihrem Vater vorbei aus dem Fenster in das leuchtende Antlitz eines Sternes blickte, der heller strahlte, als alle anderen zusammen, da erhellte sich ihr Gesicht.

Sie wusste, dass es Fylgien war, der dort voller Stolz erstrahlte, wie kein Stern je zuvor. Da hatte sie den perfekten Namen. Und irgendwie war es so, als hätte ihn Fylgien vorgeschlagen.

»Die Erstgeborene, sie soll Stjarna heißen«, bestimmte sie fest.

»Stjarna?«, fragte Lugh Akhtar erstaunt.

»Ja. Es bedeutet Stern. Als wir wieder zu Hause waren, hab ich Hope einmal gefragt, welche Worte er alles für Stern kennt, und der war dabei. Er… gefällt mir und was passt besser zu einem Sternenkind?«, erkundigte sie sich lächelnd.

»Er ist wunderschön. Fylgien ist bestimmt stolz, das seine Tochter so heißt. Hast du auch einen Namen für die andere?«, Lugh Akhtar schaute in die Wiege wo das andere Mädchen lag und schlief.

»Erst habe ich überlegt, sie Akhtar zu nennen. Das bedeutet ja auch Stern«, begann Mana und musste lächeln, als sie das verblüffte Erstaunen ihres Vaters sah. »Aber ich hab mich dagegen entschieden. Ich möchte, das du ihr den Namen gibst.«

»Ich? Aber wieso?«, wollte er wissen.

»Weil ich mir sicher bin, das du den perfekten Namen aussuchen wirst. Du hast es schon dreimal getan, ich bin zuversichtlich, dass du es auch ein viertes Mal schaffst«, lächelte sie.

»Das ist zuviel des Lobes. Ich habe Mana ausgesucht, Kekoa und Yue sind auf dem Mist anderer gewachsen«, lacht Lugh Akhtar.

»Ich glaub an dich und ich möchte trotzdem, dass du ihr den Namen gibst«, antwortete seine Tochter darauf.

»Gut…«, der Zauberer stand auf und legte seine Enkelin wieder in die Wiege, nahm die andere auf. »Dann soll sie Izarra heißen.«

»Izarra?«

»So werden die Sterne in der alten Welt genannt. Dort weiß man, dass sie so leben wie wir und wie man unsere Art als Menschen oder Zauberer bezeichnet, nennt man sie dort Izarra«, Schatten war ganz unbemerkt hinzugekommen.

»Nun ja, kannst du dir einen besseren Namen vorstellen?«, erkundigte sich Lugh Akhtar lächelnd.

»Nein. Stjarna und Izarra… es klingt gut zusammen«, meinte die junge Frau, denn Schatten war nicht als Füchsin erschienen. Seitdem sie und Mana sich kannten, ging sie überhaupt im Haus ein und aus, wie es ihr beliebte. Außer wenn Kekoa und Yue da waren, dann hielt sie sich im Hintergrund, doch das war nicht besonders oft der Fall.

»Nea fragt übrigens nach dir. Offiziell seid ihr ja trotzdem ein Ehepaar, auch wenn die Feier ein sehr frühes und sehr abruptes Ende nahm. Ich denke, sie möchte das Vorrecht der Hochzeitsnacht trotzdem in Anspruch nehmen«, zwinkerte sie, während Lugh Akhtar rot anlief. Er war Mana einen schnellen Blick zu, doch die musste lachen.

»Denkst du, du wärst schon Großvater, wenn ich über so was nicht bescheid wüsste?«, kicherte sie. Ihr Vater schon noch röter zu werden und verschwand dann leise murmelnd aus dem Raum.

»Manchmal hab ich das Gefühl, er würde es lieber sehen, wenn wir uns nicht so gut verstünden…«, überlegte Schatten.

»Ja, vorzugsweise wenn wir uns gegen ihn verbünden«, lachte Mana, wurde dann aber wieder ernst.

»Sag mal Schatten… als von dem kleinen Stern in meinem Leben gesprochen hast… damals, am Südpol… hast du Stjarna und Izarra gemeint?«, fragte sie.

»Ich wusste nicht, das es zwei sein würden, aber… ja, von ihnen habe ich gesprochen«, nickte sie.

»Und du Biest hast einfach nichts gesagt«, Mana lächelte belustigt.

»Na ja, so etwas gehört zu den Dingen, wo ich mich ungern einmische. Und viele werdende Mütter merken es auch ziemlich schnell selbst. Das du so ein blindes Huhn bist und es erst begreifst, wo man dich mit der Nase schon in den Haufen geschupst hat, konnte ich ja nicht wissen«, lachte die junge Frau.

»Weißt du, für eine Weile hab ich Fylgien dafür gehasst, das er trotzdem gehen wollte. Das er trotzdem gegangen ist. Obwohl er es ja wusste«, seufzte die junge Frau mit dem roten Haar.

»Es hätte ihn auch fast völlig umgestimmt, aber ich konnte ihn nicht ohne dieses Wissen entscheiden lassen. Es wäre einfach nur ungerecht gewesen«, fand Schatten.

»Ich glaube, dann hätte Drafnar auch spätestens jetzt ein sehr, sehr großes Problem am Hals«, nickte Mana.

»Ich fürchte, dann wäre Drafnar jetzt nur noch Hackfleisch«, lachte die junge Frau, wurde aber schlagartig ernst.

»Eigentlich macht man ja dem Brautpaar ein Geschenk, aber in diesem besonderen Fall… Ich hab etwas für dich, Mana«, meinte sie und ging zum Fenster um es zu öffnen.

»Für mich?«, fragte die erstaunt.

»Ja«, bestätigte sie und schaute zum Himmel. Mana blickte ebenfalls hinaus und gewahr eine Sternschnuppe. Das ließ sie die Stirn runzeln.

»Was sind eigentlich die Sternschnuppen?«, fragte sie unruhig. Es war das erste mal, dass sie sich diese Frage stellte, aber wenn Sterne Lebewesen waren, dann konnte eine Sternschnuppe nichts Gutes bedeuten.

»Es sind Sterne, die in eine andere Welt fallen. Als Fylgien hierher fiel, da war auch er eine Sternschnuppe. Sie fallen auch in andere Welten, dann sehen wir ihr Schnuppenglitzern aber trotzdem. Es landet nur selten eine Sternschnuppe in dieser Welt, meistens gehen sie in andere Welten«, erklärte Schatten.

»Warum tun sie das?«, wollte Mana wissen.

»Nun, manche fallen einfach hinunter, weil sie zu neugierig sind. Manche fallen, weil man sie schubst, wie es Fylgien passiert ist, aber die meisten Sternschnuppen sind schon sehr, sehr alte Sterne. Sie fallen vom Himmel, um zu sterben«, antwortete die junge Frau.

»Und dieser Stern?«

»Dieser Stern… na ja, frag ihn selbst, wenn er hier ist«, Schatten lächelte selbstzufrieden. Und Mana hatte so eine gewisse Ahnung, was sie erwarten würde. Sie sollte recht behalten. Doch für den Moment verabschiedete sich Schatten und wünschte ihr erholsame Träume.

Mana schlief fast augenblicklich ein. Als sie wieder erwachte, war es dunkel im Haus. Sie wusste nicht, wie spät es war, aber sie sah das Leuchten des Mondes durch ihr Fenster und gewahr eine Gestalt, die an der Wiege ihrer Kinder saß und sie sacht schaukelte. Dabei summte sie eine Melodie, die Mana seltsam bekannt vorkam.

»Papa?«, fragte sie die Gestalt.

»Nein«, antwortete die Gestalt, doch wenn Mana nicht so verschlafen gewesen wäre, so hätte sie jetzt die Stimme erkannt. So jedoch seufzte sie nur wohlig.

»Wer bist du dann?«, fragte sie und schob sich schwerfällig im Bett nach oben.

»Hast du mich schon vergessen?«, fragte die Stimme enttäuscht. Die Gestalt stand auf und kam auf sie zu.

»Nein«, gähnte sie und kuschelte sich wieder ins Bett ein. Sie schloss die Augen. Sie war so müde, das es ihr eigentlich egal war, wer dort in ihrem Zimmer war. Sie wusste, dass sie keine Angst zu haben brauchte, das war alles, was sie interessierte.

»Ich habe doch versprochen, dass wir uns wieder sehen würden«, erklärte die Stimme. Da war Mana hellwach. Sie fuhr im Bett auf und starrte die Gestalt an. So nahe bei ihr, wurde sie vom Mondlicht getroffen und war gut erkennbar. Es war Fylgien. Sie sagte nichts, sie fiel ihm nur wortlos um den Hals und drückte sich so fest an ihn, wie es ihr möglich war.

»Was tust du hier?«, flüsterte sie glücklich.

»Schatten und Drafnar… sie haben beschlossen, das ein Menschenleben mehr oder weniger, das ich in dieser Welt verbringe, in der Unendlichkeit der Zeit auch keinen Unterschied mehr machen. Sie haben mir erlaubt, bei dir zu bleiben. Ich lerne von Schatten, was ich sowieso von ihr lernen müsste und wenn… wenn es an der Zeit ist, dann kehre ich ins Sternenreich zurück und lerne dort alles weitere, was es für mich zu lernen gibt«, erzählte er lächelnd.

»Und dafür haben sie ein halbes Jahr gebraucht?«

»Besser, als wenn sie Jahrzehnte oder Jahrhunderte gebraucht hätten… Auch sie mussten erst einmal eine Möglichkeit finden, wie ich hier leben konnte. Diese Welt, sie ist nicht für mich gemacht. Eigentlich würde ich hier binnen weniger Jahre zugrunde gehen.«

»Warum jetzt nicht? Wo soll der Unterschied sein?«

»Ich weiß es nicht. Ich hab sie nicht gefragt, es war mir egal. Für mich hat nur gezählt, dass ich hier sein kann. Und das für den Rest unseres Lebens«, er nahm Mana in den Arm.

»Wirst du kein Heimweh haben?«

»Nein. Ich habe dich und ich habe unsere Töchter. Was bräuchte ich mehr, um glücklich zu sein?«, lächelte er.

»Deine Töchter… sie heißen Stjarna und Izarra, aber wenn du ihnen andere Namen geben willst, dann kannst du das tun«, bot sie an.

»Nein. Ich finde, dein Vater und du habt ihnen die perfekten Namen gegeben«, lächelte er. Da öffnete sich die Tür und Schatten trat ein. Als sie Mana und Fylgien Arm in Arm da sitzen sah, schrak sie zurück.

»Entschuldig, ich wollte euch nicht stören«, murmelte sie und wollte wieder hinaus, doch Mana hielt sie zurück.

»Warte, was wolltest du denn?«, fragte sie.

»Ich hab erst morgen mit Fylgien gerechnet und… weil Lugh und Nea ja in trauter Zweisamkeit beisammen sind, wollte ich eigentlich bei dir im Bett schlafen«, sie grinste.

»Wenn du mir eine Frage beantwortest, dann kannst du von mir aus gerne hier bleiben«, bot die Rothaarige an.

»Kommt auf die Frage an«, meinte Schatten, verwandelte sich in die Füchsin und sprang aufs Bett, wie sie es in letzter Zeit so oft getan hatte.

»Warum kann Fylgien plötzlich hier bleiben?«, wollte sie wissen.

»Weil er kein Stern mehr ist. Solange er hier auf der Erde lebt, ist er ein Mensch, ein Zauberer. Er muss lernen, mit der Magie umzugehen, dass wir Lugh Akhtar übernehmen, zur Sommersonnenwende wird er ihn als Schüler annehmen, er hat ja sonst keine Schüler mehr. Seine Macht, die über die gewöhnliche Magie hinausgeht, werde ich ihm lehren. Dazu hat er ein ganzes Menschenleben Zeit. Die wird er auch brauchen, denn es ist nicht so ganz leicht. Der Unterschied ist nur, dass er es hier tut. Als Mensch«, erklärte Schatten und rollte sich zusammen, bettete ihren Kopf auf der wuscheligen Rute.

»Ich bin ein Mensch… heißt das, ich altere?«, fragte Fylgien und betrachte seine Hände interessiert.

»Ja. Und du kannst auch sterben, durch Krankheiten oder irgendwelche Waffen. Dann wirst du wieder zum Stern und du hast keine Chance mehr, jemals wieder auf die Erde zu gelangen, also bewahre dein Leben gut«, meinte Schatten und vergrub die Nase nun doch unter der Rute.

»Das schaffe ich. Ich habe ja die besten Gründe dazu«, lächelte der junge Mann. Dann stürzte er plötzlich auf die Füchsin zu, hob sie hoch und drückte sie fest an sich.

»Vielen Dank, Schatten!«, rief er.

»Nicht zu denken«, keuchte sie und versuchte sich seinem Griff zu entwinden. Es gelang ihr und sie flüchtete auf das Fensterbrett.

»Ich hab nun einmal ein schönes, glückliches Ende lieber, als ein trauriges. Ich musste einfach einen Weg finden, auch diese Geschichte glücklich enden zu lassen, alleine schon, weil Lugh Akhtar meine Geschichte hat gut enden lassen. Wer wäre ich, wenn ich die Geschichte seiner Tochter schlechten enden ließe, obwohl es nicht nötig ist?«, sie rollte sich zusammen.

»Danke Schatten«, meinte Mana noch, dann rutschte sie beiseite, um Fylgien platz zu machen. Und der kuschelte sich zu ihr. Es dauerte nur noch einen Moment, bis auch Schatten wieder ins Bett und unter die Decke kroch. So schliefen sie gemeinsam ein. Und sie waren glücklich, denn ihre Geschichte hatte ein gutes Ende genommen.

Und sie hofften, dass es so bleiben würde.

Ein glückliches Ende für immer.

Ich bin Mana

Als ich klein war, habe ich viel über mich nachgedacht. Wer ich bin und warum die Dinge sind, wie sie sind. Heute interessiert es mich nicht mehr. Ich weiß, wer ich bin. Ich bin Mana. Ich besitze ein hitziges Temperament, das aber immer seltener zutage tritt. Ich bin im Grunde meines Herzens ein guter Mensch, auch wenn meine Taten nicht immer darauf schließen lassen.

Ich lache gerne und viel. An manchen Tagen will ich die ganze Welt umarmen und manchmal will ich niemanden um mich haben. Dann suche ich die Einsamkeit. An manchen Tagen aber kann ich auch unter tausend Menschen stehen und ich fühle mich trotzdem allein.

Ich habe gelernt, dass man immer das Gute sehen sollte, damit man die schlechten Zeiten besser überstehen kann. Ich schaue voller Optimismus in die Zukunft, denn ich weiß, das es in den langen, verregneten Nächten trotzdem ein Stern auf mich warten wird, der meine Wege erhellt.

Ja, es gibt Sterne in meinem Leben. Fylgien ist einer und ich kann voll stolz sagen, dass wir zur Wintersonnenwende heiraten werden. Auch meine Töchter, Stjarna und Izarra, sie sind Sterne in meinem Leben. Ebenso mein Bruder und meine Schwester und meine Eltern. Und auch alle anderen Verwandten von mir und all meine Freunde, wo immer sie sein mögen… Sie alle sind Sterne in meinem Leben. Sie alle erhellen meine Nacht, erleuchten meinen Weg, halten mich auf dem rechten Pfad.

Ich weiß, dass ich in Zukunft all jenen helfen möchte, die meiner Hilfe bedürfen. Ich will hier in Wynter bleiben und das Werk, das mein Vater begann, weiterführen, denn ich weiß, dass es gut und sinnvoll ist. Wynter soll weiterleben, auch dann noch, wenn mein Vater den Platz des Winters eingenommen hat. Und dafür will ich sorgen.

Ich habe mich selbst gefunden. Ich weiß jetzt, wer ich bin. Die Nornen haben mir geholfen, sie haben mich auf den richtigen Weg geführt. Ich hätte mich auch alleine finden können, doch einfacher ist es mit einem Freund an der Seite, er einen selbst besser kennt, als man selbst.

Man kann durchaus von anderen geliebt werden, auch wenn man sich nicht selbst lieben kann. Aber nur, wenn diese Leute einen bis in die tiefsten Tiefen der Seele blicken können. Denn nur dann wissen sie mehr über einen, als man selbst.

Ich habe mich lange gesucht, ich habe mich gefunden. Ich wurde von Sternen begleitet und ich bin für andere ein Stern geworden und ich will selbst noch viele Himmelslichter finden, für viele noch ein Himmelslicht werden, das die Dunkelheit erhellt.

Ich werde andere nicht vergessen und ich werde mich selbst nicht vergessen. Nicht, nachdem ich solange brauchte, um mich zu finden.

Ich bin ich.

Ich bin Mana.
 


 

Ein Geschichte ist geschrieben, eine neue wird beginnen.

Manas Reise ist hier erst einmal zu Ende und ich möchte allen herzlichst danken, die sie bis hierhin verfolgt haben^^

In der nächsten Geschichte wird es um die Zeit zwischen Wolfsliebe und Wolfskinder gehen. Sie wird "Wolfserinnerungen - Der Erste Schnee" heißen, der Prolog ist schon geschrieben, der Link steht wie immer in der Beschreibung, sobald er für euch lesbar ist^^

was danach folgt könnt ihr wie immer in einer Umfrage abstimmen, die ich bei gelegenheit machen werde, Link dann ebenfalls in der Beschreibung :D
 

Ansonsten noch einmal (und eigentlich auch wie immer XD) speziellen Dank an meine Kommischreiber, ich freue mich jedes mal sehr und es gibt mir immer wieder das Gefühl, das es nicht sinnlos ist, was ich tue :D

Deswegen nochmal Danke für alles, ihr seid alle miteinander die allerbesten :D

Ansonsten schönen Tag noch, bis hoffentlich bald^^



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Kommentare zu dieser Fanfic (41)
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Von:  Seelentraeumerin
2011-01-25T16:06:32+00:00 25.01.2011 17:06
Ich bin ich...
erst musste cih an das lied bei dem satz denkeno.O

Naja, aber endlich weiß mana wer sie ist und leider hat Wolfskinder so sein Ende gefunden ;.;
aber ich lese weiter deie Geshcihten*.*
Von:  Seelentraeumerin
2011-01-25T16:05:34+00:00 25.01.2011 17:05
Ganz ehrlich...
erst hab cih mich ja gefragt, wann haben die die Kinder angestellto.O
ich war verwirrt x.x
aber die Namen find cih süß ^.^

Und die Idee mit Fylgien als Geschenk ist klassexD
Also doch noch ein Happy end*.*
Von:  Seelentraeumerin
2011-01-25T16:01:24+00:00 25.01.2011 17:01
Jetzt weiß man endlich mal genau was mit Fylgien isto.O
und auch mit LughileinXD
Nach dem Kap erwartet man ja eigentlich ein trauriges Ende odero.O
*mana nochmal knuddel*
Von:  Seelentraeumerin
2011-01-25T16:01:09+00:00 25.01.2011 17:01
Jetzt weiß man endlich mal genau was mit Fylgien isto.O
und auch mit LughileinXD
Nach dem Kap erwartet man ja eigentlich ein trauriges Ende odero.O
*mana nochmal knuddel*
Von:  Seelentraeumerin
2011-01-25T15:59:50+00:00 25.01.2011 16:59
Irgendwie merkt man das idie Beiden zusammengehöreneno.O
besonders in dem Kap*.*

Mana udn Fylgien sind einfach nur süß*.*
Aber wirklich schade das er so sein versprechen gehalten hato.O
Von:  Seelentraeumerin
2011-01-25T15:58:18+00:00 25.01.2011 16:58
Und wieder kapiert mana mal wieder nichtso.O
Egal cih find es einfach herrlich lustigXD
Ich weiß zwar egrade nicht mehr ganz was in dem Kap war aber es war superxD
Von:  Seelentraeumerin
2011-01-25T15:57:22+00:00 25.01.2011 16:57
Irgendwie finde ich Sedna seltsamo.O
Immer diese STimmungsschwankungeno.O
Und was hat es wieder mit Schatten auf sich wieso nennt sedna sie Chaya udn was hat Lif mit Sedna zu tun?.?
*fragen über fragen x.x*
Von:  Seelentraeumerin
2011-01-25T15:55:30+00:00 25.01.2011 16:55
Ich find es einfach herrlich, dass Mana nicht kapiert das der weiße Wolf ihr vater istxD

Ich weiß nciht wieso aber den Schluss fand ich erst seltsamo.O
Oder es lag deran das ich es in Politik gelesen habeo.O

Egal trotzdem super kap udn Ende macht mich irgendwie neugierig*.*
Von:  Seelentraeumerin
2011-01-25T15:52:46+00:00 25.01.2011 16:52
Was hat Lif zum shcluss denn wiedero:O

Naja das erfahren wir ja hoffentlich bald ^.^


Ich mag die Szene wo Schatten Mana fragt ob sie Fylgien liebt ich hab mich erstmal schiefgelachtxD
Von:  Seelentraeumerin
2010-12-31T19:18:43+00:00 31.12.2010 20:18
Los wir Fliegen mal Ne RundexD
Das wäre auch lustig gewesen wenn einer das gesagt hättexD
Ich finds super*.*

Aber kann es sein das bei dir immer wer zurück bleibto.O
erst Tariq und nun Llew o.O


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