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Battle for Paradise

Special - Digimon Alpha Generation Movie 01
von

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Prolog: Eine nächtliche Email

Grummelnd wälzte sich Denrei von einer Seite auf die andere. Ihm gefiel das Ganze gar nicht und einmal im Leben wäre er beinahe froh darum gewesen, sein Vater hätte ihm etwas verboten.

Während Dracomon seelenruhig an seinem Fußende schlief, sah er zum wahrscheinlich hundertsten Mal in dieser Nacht auf den Digitalwecker neben seinem Bett. Mittlerweile war es schon halb eins und er hatte noch kein Auge zugemacht.

Dies lag zum einen an der Hitze, die in der Wohnung herrschte und auch durch das offene Fenster nicht geschwächt wurde. Zum anderen vom nächtlichen Lärm der Stadt, der durch das eben offene Fenster eindrang. Und daran, dass er an den folgenden Tag oder besser die folgende Woche dachte, die ihm bevorstand. Auf einer kleinen Insel irgendwo zwischen dem philippinischem Ozean und der ost-chinesischen See, weitab von Stadtlärm, dafür mitten in der Insektenhochkultur.

Um es zusammenzufassen: Sie fuhren nach Okinawa. Nun, fuhren traf es nicht ganz, sie flogen am nächsten Morgen gegen halb zehn vom tokyoter Flughafen weg und würden eineinhalb bis zwei Stunden später am Naha Flughafen in Okinawa ankommen. Dort würden sie von einem Jungen namens Kai Urazoe abgeholt werden, der überdies Takatos Cousin war.

Wer „sie“ überhaupt waren: Nun, neben Denrei noch Takato – denn es waren ja seine Verwandten – Shuichon und Shoji.

Takato hatte vor zehn Tagen angekündigt, dass er seinen Cousin und seinen Onkel besuchen wollte, da er immerhin beinahe ein Jahr nicht in der realen Welt gewesen war. Daraufhin hatte Shuichon einfach beschlossen, dass sie, Denrei und Shoji mitkommen würden.

Als hätte ihr Kurzurlaub in Choshi nicht gereicht…

Da sich Shoji nicht gegen diesen übereiligen Vorschlag gewehrt hatte und Denrei mit seiner Meinung zwischen einer Gruppe jubelnder Digimon recht allein gestanden war, hatte das Mädchen dafür gesorgt, dass sein Vater es ihm auf jeden Fall erlauben würde. Sie hatte sowohl Yamaki, als auch ihren eigenen Vater Janyuu mit Yuki Nobu sprechen lassen und so sah er nun mit wenig Begeisterung einer Woche im Urlaubsparadies ohne Computer, Einkaufsstraße und Spielhallen entgegen.

Dies war übrigens weniger das Problem, denn eigentlich hätte er sich gefreut für eine ganze Woche von seinem Vater wegzukommen, aber statt mit seinem Vater eine Woche von Shuichon und einer Gruppe lärmender Digimon umgeben zu sein, klang nicht nach viel Urlaub.

Ein Kurzurlaub nur mit Dracomon und vielleicht den Digimonzwillingen wäre ja durchaus erträglich gewesen, selbst mit Shoji und Gazimon hätte er leben können. Aber Shuichon?

Das konnte doch nur im kompletten Chaos ausarten!

Er drehte sich auf den Bauch.

Weitere acht Minuten der Nacht waren vergangen, ohne dass er ein Auge zugetan hatte.

Davon abgesehen konnte er sich nicht einmal daran erinnern, wie es das letzte Mal war, als er mit seinem Vater richtig im Urlaub gewesen war. Wie an die meisten Sachen aus seiner Kindheit nicht, stellte er erneut fest. Er wusste nicht einmal so einfache Dinge, wie, ob ihm im Flugzeug schlecht wurde.

Nein, er sollte wirklich schlafen.

Nun drehte er sich wieder auf den Rücken.

Je mehr man versuchte einzuschlafen, desto unwahrscheinlicher wurde es, dass man es wirklich tat.

Gerade als er seine Augen geschlossen hatte und einen erneuten Versuch unternahm, endlich einzuschlafen, hielt ihn etwas anderes davon ab.

Sein Handy, das neben seinem Digivice auf dem Nachttisch lag, begann zu klingeln. Er hatte eine Email bekommen.

Nicht weniger grummelnd als zuvor, drehte er sich um und nahm das kleine Gerät von der Holzplatte, um es aufzuklappen und nachzuschauen, wer geschrieben hatte. Wenn es wieder Shuichon war, die wissen wollte, ob er auch hieran oder daran gedacht hatte oder vielleicht fragte, ob er schon schlief, würde er am nächsten Tag den Flieger mit Absicht verpassen, schwor er sich.

Doch die Email war nicht von Shuichon, sondern von einem unbekannten Absender.

Müde überflog Denrei den Inhalt.

Willst du wissen, wer dein Seelenpartner ist?“, las er murmelnd vor. „Schicke diese Mail weiter…“ Er löschte die Email. „Nur so eine blöde Kettenmail“, seufzte er, sauer, dass er überhaupt nachgeschaut hatte. „Wieso machen Leute überhaupt bei so etwas mit?“

Damit legte er das Handy wieder weg und warf sich auf die Seite, in der Hoffnung endlich Schlaf zu finden.

Kapitel 01: Ein chaotischer Aufbruch und eine nur etwas weniger chaotische Ankunft

Unausgeschlafen stand Denrei neben Shoji und Takato am Tor der Wartehalle und sah auf die Straße, die zum Flughafen führte. Es waren kaum mehr zwanzig Minuten, bis ihr Flug ging, doch jemand fehlte noch.

„Das ist ja so typisch“, grummelte Denrei, dessen Laune durch den wenigen Schlaf nicht gerade besser geworden war.

„Wir haben noch etwas Zeit“, erwiderte Shoji, wesentlich besser gelaunt.

„Hmm.“ Der andere Junge schaute auf sein Handy, um nach der Uhrzeit zu sehen, als er zwei Emails von dem verspäteten Mädchen entdeckte. „Sie hat mir geschrieben“, stellte er fest und seufzte, ehe er die neuere der beiden Emails öffnete. Diese enthielt genau denselben Inhalt, wie die Mail, die er bereits in der Nacht gelöscht hatte. „Sie hat den Kram weitergeschickt?“

„Die Kettenmail?“, erwiderte Shoji. „Ich habe sie auch einmal von ihr bekommen.“

Denrei schüttelte den Kopf. „Was ist nur mit dem Mädchen?“ Auch dieses Mal löschte er die Nachricht und öffnete die zweite. „Bin auf dem Weg. Hab etwas verschlafen“, las er vor und verdrehte die Augen.

„Was ist denn los?“, klang dann eine Stimme aus der Sporttasche, die er neben sich auf den Boden abgestellt hatte. „Fliegen wir endlich?“

Die Stimme gehörte natürlich Dracomon, das für die einmalige Erfahrung des Fliegens ohne Murren seinen Reiseplatz in der Tasche bezogen hatte, während das etwas größere Guilmon sich zusammen mit Gazimon einen Koffer teilte.

„Etwas wirst du noch warten müssen“, antwortete Takato an die Tasche gewandt und sah nun ebenfalls auf die Straße, auf der sich zwischen anderen Fahrzeugen ein schwarzes Auto näherte. „Das sind sie!“, rief er aus, da er den Wagen Janyuus erkannte.

Kaum hatte der Wagen gehalten stürmte das Mädchen mit Lopmon im Arm und einem großen Sonnenhut auf dem Kopf hinaus, zum Kofferraum und dann mit einer ebenfalls recht großen Sporttasche zu den Jungen. „Tut mir leid, dass ihr warten musstet“, flötete sie.

„So spät ist es auch noch nicht“, erwiderte Shoji, während Denrei nur grummelte.

„Was machst du denn für ein Gesicht?“ Das Mädchen wandte sich Denrei zu. „Wir fahren in den Urlaub! Urlaub!“ Sie stieß eine Faust in die Luft und tänzelte wild vor ihm her. „Okinawa!“

Lopmon seufzte.

„Shuichon!“, rief Janyuu, der nun auch aus dem Auto ausgestiegen war.

„Ja!“ Das Mädchen drehte sich um und fiel ihrem Vater um den Hals. „Keine Bange. Ich passe auf mich auf, bin ganz brav und auch ansonsten gibt es keinen Grund zur Sorge!“

Janyuu seufzte. „Wenn ich das so glauben könnte…“

Da meldete sich Lopmon, das nun zwischen Shuichon und ihrem Vater hing. „Ihr erdrückt mich!“

„Tut mir leid!“ Schnell löste sie sich von Janyuu und hob ihren Partner hoch, ehe sie sich den anderen zuwandte. „Es kann losgehen!“

Und dieses Mal war Denrei nicht der einzige, der seufzte.
 

Auch im Flugzeug war Shuichon nicht ruhiger. An Denreis Stelle saß sie nun am Fenster und sah lauthals staunend hinaus, obwohl es nicht ihr erster Flug war. Dabei musste es auch das als Plüschtier getarnte Lopmon ertragen immer wieder an das Glas gepresst zu werden.

„Ich hoffe nur, dass es Guilmon und den anderen gut geht“, meinte Takato seufzend und wandte den Blick von ihr ab, um stattdessen zu Shoji zu sehen, der kreidebleich im Sitz neben ihm saß. „Alles in Ordnung mit dir, Shoji-kun.“

Der Angesprochene nickte nur und hielt sich die Hand vor den Mund.

„Bist du noch nie geflogen?“, erkundigte Takato sich mitleidig, woraufhin der jüngere den Kopf schüttelte.

„Es ist kein so langer Flug.“ Takato klopfte ihm vorsichtig auf die Schulter.

Denrei war derweil darauf konzentriert Shuichon, die nun neben ihm saß, beziehungsweise neben ihm auf dem Sitz kniete, soweit zu ignorieren. Einmal wieder fragte er sich, ob sie alles vorausgeplant hatte und mit Absicht einen so kurzen Rock trug, der aktuell wenig brachte.

Außerdem hoffte er, dass es Dracomon und den anderen beiden Digimon gut ging, die aktuell recht allein im Laderaum des Flugzeuges untergebracht waren. Er machte sich noch immer Sorgen, dass Dracomon keine Dummheiten anstellte.

„Madame“, hörte er auf einmal die Stimme einer Stewardess neben sich und zupfte nach kurzem Überlegen Shuichon am Rock, da offenbar sie gemeint war.

Das Mädchen unterbrach ihr Staunen und sah sich um. „Was ist?“

„Setzen sie sich bitte hin“, meinte die Stewardess. „Es dauert nicht mehr lang, bis wir landen.“

Denrei seufzte nicht als einziger erleichtert auf, als das Mädchen sich hingesetzt hatte, auch wenn Shojis Seufzen wohl eher damit zu tun hatte, dass der Flug bald zu Ende war.
 

Obwohl es in Tokyo schon heiß gewesen war, schien es Denrei dort kühl, im Vergleich zu der Insel. Denn obwohl der Wind leicht wehte fühlte er sich schon nassgeschwitzt, kaum, dass sie das Flugzeug verlassen hatten.

Er ließ sich von Takato in das Flughafengebäude bugsieren, wo sie allesamt etwas nervös auf das Gepäck warteten, da sich in diesem immerhin auch ihre Partner befanden.

„Takato!“, hörten sie auf einmal eine Stimme rufen und wandten sich kurz vom Gepäckband ab, um zu einem dunkelhäutigen Jungen zu sehen, der im Gedränge stand und ihnen zuwinkte.

„Kai!“, erwiderte nun der Angesprochene und winkte zurück, woraufhin sein Cousin zu ihnen gelaufen kam und einen nach dem anderen betrachtete.

„Wollte nicht Jians Schwester auch mitkommen?“, fragte er schließlich.

Die drei anderen Jungen sahen sich um, nur um festzustellen, dass Shuichon nicht mehr, wie einige Momente zuvor, neben ihnen stand.

„Wo ist sie hin?“, fragte Shoji, dem es augenscheinlich besser ging, nun, wo sie das Flugzeug verlassen hatten.

„Sie findet sich schon wieder“, erwiderte Denrei nur und zuckte mit den Schultern, ehe er sich wieder dem Gepäckband zuwandte, von dem in genau diesem Moment ein Koffer runterfiel und aufsprang.

„Takato!“, erklang die jammernde Stimme Guilmons, als dieses sich aufrichtete und einige erschrockene und verängstigte Blicke erntete. „Es ist so warm darin.“

Gazimon hingegen blieb ruhig sitzen, darauf wartend dass jemand was sagte, als eine recht laute Tasche an ihnen vom Band vorbeigezogen wurde.

„Denrei! Denrei!“, erklang Dracomons Stimme darauf und mit einem Seufzen nahm der Junge die Tasche vom Band, zusammen mit der direkt folgenden Tasche Shuichons, auch wenn ein Teil von ihm dafür war, diese einfach zu vergessen.

So verließen sie schließlich das Gebäude, vor dem Shuichon bereits auf sie wartete, den Blick auf das direkt am Vorplatz gelegene Meer gerichtet. „Das Meer!“, summte sie. „Ich will schwimmen gehen!“

Denrei fasste sich an den Kopf. Normal war es schon schwer, das meist viel zu positive Mädchen zu ertragen, aber das Inselklima schien dies noch zu verschlimmern. Einmal mehr sehnte er sich nach Tokyo zurück und danach, seine Ruhe zu haben.

„Wir sollten erst zu Onkelchen fahren“, meinte Kai lachend. „Wenn ihr eure Sachen dorthin gebracht habt, können wir schwimmen gehen.“

„Juhuu“, jubelten Shuichon und Dracomon im Einklang, während die anderen – bis auf Denrei – lachten.

Und dieses Mal würde er sich nicht einmal vor dem Schwimmen drücken können. Er seufzte. Der Urlaub fing schon ziemlich chaotisch an und irgendwie hatte er das Gefühl, dass er noch chaotischer werden würde.

Kapitel 02: Das blaue Meer

„Wow, ist das deins?“, staunte Takato offen, als Kai sie zum Hafen Nahas führte, wo er ein kleines, aber durchaus komfortabel aussehendes Motorboot an einem Pier angebunden war.

Sein Cousin grinste. „Jap. Ich hab es von O-jii zu meinem Geburtstag bekommen.“ Er lachte. „Ist zwar etwas alt, aber fährt noch gut. Also keine Sorge, ihr werdet nicht ertrinken!“

Noch bevor er das gesagt hatte, war Guilmon, dass sich mittlerweile aus seinem Koffer befreit hatte, in das Boot gesprungen. „Juhu!“, jubelte es. „Guilmon mag Bootfahren!“

Derweil seufzte Denrei, der hinter den anderen stand leise. Irgendwie vertraute er weder dem dunkelhäutigen Jungen, noch dem Boot, und er fragte sich, warum sie nicht mit dem Shuttelboot fahren konnten. Zudem war er sich sicher, dass es mit fünf Personen, vier Digimon und den Koffern ziemlich eng in dem Boot werden würde.

Auch Shoji, der noch immer etwas blass vom Flug war, sah nicht sonderlich begeistert davon aus.

„Oh man, was habt ihr denn?“, meinte Shuichon, die die Gesicher der beiden bemerkte. „Wir machen Ferien und ihr seht wieder einmal aus wie zehn Tage Regenwetter. Warum seid ihr überhaupt mitgekommen?“

„Weil du mir keine Wahl gelassen hast“, murmelte Denrei leise und bekam einen bösen Blick zur Antwort.

„Moumantai“, flüsterte ihm Lopmon leise zu, während es verkehrt herum auf Shuichons Kopf saß, ehe das Mädchen ins Boot kletterte.

„Es wird schon nicht zu schlimm werden“, meinte Gazimon schließlich und sah aufmunternd zu seinem Partner.

Dieser seufzte nun auch, nickte dann aber, und folgte ins Boot. Während Shuichon, Shoji, Takato und Guilmon bereits in diesem warteten, blieb es an Denrei und Kai hängen die Taschen, die noch auf dem hölzernen Pier lagen in das Boot zu reichen, während Dracomon das ganze neugierig betrachtete.

„Macht Bootfahren Spaß?“, erkundigte es sich, woraufhin Guilmon fröhlich hin und her sprang.

„Ja, Bootfahren ist lustig!“

Unsicher, aber trotzdem weitaus begeisterter als Denrei folgte es in das Boot, wobei es als es auf der Reling stand beinahe das Gleichgewicht verlor und fiel, aber noch Rechtzeitig von Shuichon ins Boot gezogen wurden.

Und so legten sie ab und fuhren mit höherer Geschwindigkeit, als Denrei es erwartet hatte aufs Meer hinaus.

Bald schon hatten sie den befestigten Teil des Hafens hinter sich gelassen und das Wasser wurde klarer.

„Wow!“, staunte Shuichon – einmal wieder begeistert wie ein kleines Kind – während sie sich über die Reling lehnte und eine Hand ins Wasser hielt. „Das Wasser ist so klar und blau!“

Kai lachte nur auf diese Feststellung hin, während Denrei, der auf der einzigen Bank des Bootes zusammen mit Shoji, saß die Augen verdrehte.

„Fühlst du dich besser, Shoji-kun?“, fragte Takato derweil und saß besorgt zu dem jüngsten der Jungen hinüber.

„Ja, es geht wieder“, murmelte er, doch man sah ihm an, dass er sich wohler fühlen würde, wenn sie wieder an Land waren.

„Wird da jemand etwa Seekrank?“, erkundigte sich Kai grinsend.

„Mir ist nur nicht wohl“, erwiderte Shoji.

Erneut lachte Takatos Cousin. „Das erinnert mich daran, wie du das erste Mal hier warst“, meinte er. „Da warst du auch ganz blass um die Nasenspitze, Takato!“

„So schlimm war es auch nicht“, erwiderte der andere Junge.

Und während auch Guilmon und Dracomon die Umgebung bestaunten und ihre Krallen ins Wasser hielten, sah Denrei auf das Meer hinaus.

Trotz der Fliegerbrille wehten seine Haare immer wieder in seine Augen und geistesabwesent hielt er sie schließlich mit der Hand zurück.

Ein Teil von ihm musste ja zugeben, dass die Gegend wirklich schön war, beinahe wie aus einem Werbekatalog. Das Meer war strahlend blau, teilweise türkis, der Himmel nur von vereinzelten weißen Wölkchen bedeckt und selbst die Hitze wirkte auf dem Meer – nicht zuletzt dank des Fahrtwindes – nicht mehr so drückend, wie zuvor.

Trotzdem konnte er sich besseres Vorstellen, als eine ganze Woche hier zu verbringen.

Nun, zumindest hatte Dracomon Spaß und er selbst ein wenig Ruhe vor seinem Vater. Eine Woche, ohne dass ihn jemand darauf aufmerksam machte, dass er noch keine einzige Zeile für seine Sommerhausaufgaben geschrieben hatte. Vielleicht sollte versuchen es positiv zu sehen.

Und doch... Er hätte viel für ein bisschen Ruhe gegeben!
 

Etwa zwanzig Minuten, nachdem sie in Naha abgelegt waren, erreichten sie eine der kleineren Inseln und deren wesentlich kleineren Fischerhafen, in dem Kai das Boot verankerte und ihnen half die Taschen und Koffer an Land zu schaffen.

Und wieder ließ Shuichon ihre Tasche stehen, so als wäre es selbstverständlich, dass Denrei oder einer der anderen sie ihr hinterher trug.

„Shuichon!“, beschwerte er sich grummelnd.

Sie drehte sich um. „Was?“

Er zeigte wortlos auf die Tasche.

„Du bist wirklich kein Gentleman“, meinte Kai grinsend und nahm die Tasche, woraufhin Denrei nur die Augen verdrehte.

„Ist er wirklich nicht“, bestätigte Shuichon, während sie nun neben dem braungebrannten Jungen herlief. „Danke, Kai-kun.“

„Kai reicht vollkommen“, erwiderte der Junge.

Takato, der stehen geblieben war, lachte und klopfte Denrei auf die Schulter, als dieser an ihm vorbei kam. „Nimm es nicht so schwer.“

Der andere Junge grummelte nur.

Der Weg, den der einheimische ihnen zeigte, war weder geteert, noch gepflastert, und führte durch einen kleinen Hain, an dessen Eingang einige süßlich duftende Büsche in voller Blüte standen.

„Die Gegend ist wirklich schön“, meinte Shoji mehr zu sich, als zu den anderen.

„Ja“, bestätigte sein Partner. „Ganz anders als in Tokyo. Und so ruhig.“

„Wartet nur ab! Ihr habt noch nicht O-Jiis Haus gesehen!“, rief Kai, der ein Stück mit Shuichon vorgelaufen war, ihnen zu. „Jetzt kommt. O-Jii wartet wahrscheinlich schon!“

„Gibt es dann was zu essen?“, fragte Guilmon auf einmal.

„Klar, gibt es auch!“, meinte der Einheimische.

„Juhu! Essen!“ Der Gedanke schien auch Dracomon zu begeistern und es lief zu den anderen beiden voran.

Denrei seufzte nur und wurde nun deswegen auch von Shoji angesehen. „Du solltest einfach mal positiver Denken“, meinte dieser. „Wenn du weiter so dreinschaust, verdirbst du uns allen noch die Laune.“

Der Angesprochene zuckte mit den Schultern. „Ich versuch's.“

„Als meine Eltern mich das erste Mal hergeschickt hatten, war meine Laune auch nicht besser“, meinte Takato lachend. „Aber glaub mir, das ändert sich noch, wenn du den Strand siehst.“

Denrei nickte. Eigentlich schwamm er auch nicht gern und noch weniger gern lag er am Strand, da er wahrscheinlich schnell einen Sonnenbrand bekommen würde, aber erneut erinnerte er sich daran, dass er, so ungern er auch mitgekommen war, den anderen die Laune nicht verderben wollte. Nicht zuletzt war es von diesen ja auch nur gut gemeint.

So setzte er ein wenig überzeugendes Lächeln auf und folgte den anderen den Weg entlang, der bald viel eher ein Pfad war. Immer wieder konnte er zwischen den Bäumen das Funkeln des Meeres erkennen und schließlich lichtete sich der Wald und sie standen an dem Durchgang einer alten Mauer, die mit Flechten überwachsen war.

„Tada“, meinte Kai und zeigte auf den Durchgang, hinter dem ein altes, traditionell gebautes Haus zu sehen war, um dass ein mit großen Steinplatten gebauter Weg führte.

„Es hat sich wenig verändert“, meinte Takato und sah sich um.

Im Garten, der das Haus umgab, wuchsen weitere blühende Büsche und Blumen, während einige Äste von Bäumen von außen über die Mauer ragten.

„Natürlich nicht!“ Kai grinste. „O-jii würde das gar nicht erst zulassen.“

Damit liefen sie um das Haus herum, wohin Dracomon und Guilmon bereits voraus gelaufen waren, da die beiden offenbar mal wieder mit ihrem Magen dachten. Und dabei sollte man gerade von Guilmon, das immerhin schon sieben Jahre in dieser Welt war, besseres erwarten.

Kais Großvater saß auf der hölzernen Veranda des offenen Hauses und spielte auf seiner Sanshin. Als die beiden großen Reptilien neben ihn sprangen und schnüffelten, sah er nicht einmal zu verstört aus.

„Gibt es was zu essen?“, fragte Dracomon auch direkt.

Der alte Fischer hörte auf zu spielen und sah es an, was das Digimon direkt erwiderte und etwas näher auf ihn zukam. Es schnüffelte am Kopf des kleinen Mannes, worauf dieser ihm einen Klaps auf die Nase gab.

„Du hast einen anderen komischen sprechenden Hund, Takato-kun?“, fragte er.

Takato lachte. „Nein, der hier gehört meinem Freund Denrei.“ Er zeigte auf den anderen Jungen. „Ich glaub, O-kaa-san hat dir gesagt, dass ich Freunde mitbringe.“

Für einen Moment wirkte der Mann etwas verwirrt und sah die drei Fremdlinge und deren Digimon an. „Ja, hat sie. Aber nicht das diese auch seltsame Hunde mitbringen...“

Lopmon stieß sich von Shuichons Kopf ab und schwebte zu dem alten Mann, vor dem es sich verbeugte. „Vielen Dank, dass wir herkommen durften“, meinte er förmlich und zeigte so, dass es trotz Shuichons schlechter Erziehung noch etwas von seinem guten Devabenehmen übrig hatte.

Damit erinnerte es auch Shoji, Gazimon und Denrei an ihre guten Manieren. „Vielen Dank!“, meinten sie vor der Veranda stehend und verbeugten sich ebenso.

Nur Shuichon hatte ihre Manieren vergessen und erinnerte Denrei mal wieder daran, dass man kaum glauben konnte, dass sie von denselben Eltern erzogen worden war, wie Jenrya. Stattdessen wandte sie sich an Kai. „Was ist mit dem Strand?“

„Komm mit“, meinte der Junge und brachte sie zu einem weiteren Durchgang in der Mauer des Gartens, der in ein kleineres Waldstück reinführte.

Und nachdem Dracomon, das sich erst einmal dem kleinen Haus umgesehen hatte, ihnen folgte, seufzte Denrei und tat es seinem Partner gleich.

„Das ist ja der Wahnsinn!“, hörte er Shuichon rufen, noch bevor er den leicht bergab führenden Pfad zuende verfolgt hatte und das Mädchen sehen konnte.

Als er – dicht gefolgt von Shoji, Gazimon und Takato – ankam, hatte Shuichon bereits die Schuhe ausgezogen und war mit den Füßen ins Wasser gelaufen.

„Na, zumindest einer hat Spaß“, meinte Shoji lächeltend.

„Ja“, erwiderte Denrei und sah den nicht der großen, aber weißen Strand entlang.

Da meinte er aus den Augenwinkeln etwas auf dem Meer zu erkennen, doch als er genau hinsah, konnte er nichts sehen. Wahrscheinlich nur eine Hitzespiegelung.

„Ich hab Hunger“, meinte Dracomon auf einmal nüchtern und sah ihn an. „Können wir jetzt was essen?“

Und während Denrei seinen Partner nur verwirrt ansah, fing Shoji unwillkürlich an zu lachen.
 


 

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Ja, ich komme endlich dazu, die Geschichte fertig hochzuladen. Von jetzt an wird es jede Woche mindestens ein neues Kapitel zu Battle for Paradise geben :) Immerhin ist die Geschichte letzten Endes auch wichtig für Battle Generation später.

Kapitel 03: Sonne, Strand und mehr

Obwohl er furchtbar müde war, konnte Denrei auch in der folgenden Nacht nicht schlafen. Stattdessen wälzte er sich auf seinem Futon hin und her. Es war heiß, der alte Opa – Kais Großvater – schnarchte mit Dracomon und Guilmon um die Wette und während es andere bevorzugten, unter freiem Himmel zu schlafen, so entnervte ihn schon die Tatsache, dass die Wände des Hauses offen waren und die Geräusche des Waldes ungehemmt zu ihm vordrangen.

Er fühlte sich nicht wohl, auch wenn er nicht sagen konnte, ob es an der Müdigkeit, der Hitze oder seinem Unwillen hier zu sein lag.

Die Tatsache, dass Shuichon ihn bereits mehrfach im Schlaf getreten hatte half ihm auch nicht beim Einschlafen. So verbrachte er einige Zeit auf dem Rücken liegend und mit hinter dem Kopf verschränkten Armen zur Decke hinauf starrend.
 

Irgendwann musste er doch eingeschlafen sein, denn als er die Augen öffnete, war der Himmel bereits rötlich verfärbt. Und während in der Nacht der Wald laut gewesen war, so war das nichts gegen das Morgenkonzert der Vögel, die mit den Zikaden wetteiferten.

Die Nacht hatte es zumindest abkühlen lassen und ein leichter Wind wehte hinein.

Denrei schloss die Augen und versuchte noch einmal einzuschlafen, doch wie er schon befürchtet hatte, war es ein aussichtsloses Unterfangen.

Er seufzte und blieb liegen. Durch den Lärm der Tiere draußen, hörte er das Meer rauschen und irgendwie erinnerte es ihn an das Rauschen des Straßenverkehrs in Tokyo. Er war wirklich ein Stadtkind.

Schließlich stand er auf und streckte sich. Dann nahm er seine Kleidung, die gefaltet an der Wand lag und ging ins Bad, um sich umzuziehen. Zumindest musste er zugeben, dass er froh war, dass es überhaupt ein Badezimmer gab, immerhin hatte er gehört, dass es durchaus alte Häuser gab, in denen nie ein solches installiert worden war.

So zog tauschte er seinen kurzen Schlafanzug gegen ein weißes T-Shirt und eine kurze Leinenhosen, wusch sich sein Gesicht und faltete seine Sachen, um diese ins Hauptzimmer zurück zu legen. Er überlegte seine Fliegerbrille aufzusetzen, ließ sie aber liegen. Dann nahm er seinen Nintendo DS aus seinem Rucksack, ehe er zur Terrasse ging und in seine Sandalen schlüpfte.

So ging er durch den Pfad zwischen die Bäume und über die alte Treppe, auf der er am Abend zuvor fast gestolpert wäre, zum Strand hinunter, um die anderen nicht zu wecken. Doch gerade auf halben Weg landete etwas auf seinem Kopf, und noch bevor er hochsah wusste er, dass es sich um Lopmon handelte.

Gerade, als er zu einer Bemerkung ansetze, unterbrach ihn das Digimon bereits mit „Moumantai“. Also seufzte er – schon zum zweiten Mal an diesem noch sehr jungen Tag – und setzte seinen Weg fort.

„Du musst zugeben, dass es eine schöne Gegend ist“, meinte Lopmon, als sie keine Minute später am Strand ankamen.

„Ja“, erwiderte Denrei halbherzig, als er sich in den Sand fallen ließ und den Handheld öffente.

„Du willst mir nicht wirklich sagen, dass du lieber zuhause geblieben wärst.“ Das Digimon stützte sich mit seinen kleinen Händen auf seiner Stirn ab um ihn ansehen zu können. Als er antworten wollte, setzte es nach: „Bei deinem Vater.“

Der Junge zuckte mit den Schultern. „Ich will eigentlich nur meine Ruhe haben“, antwortete er.

Lopmon stieß sich von seinem Kopf ab und landete vor ihm. „Also, wenn du meine Meinung hören willst“, begann es. „Solltest du dich ein wenig mehr mit anderen einlassen. Shuichon mag ja ein wenig nervig sein, aber sie bemüht sich wirklich um dich.“

Erst wollte Denrei etwas erwidern, doch dann zuckte er einfach mit den Schultern und sah auf seinen DS, um einen weiteren Gespräch zu entgehen.

Natürlich wusste er, dass es mal wieder gut gemeint war, doch das änderte nichts an seinem Unmut. Gegen einen Urlaub in der Digiwelt, hätte er nichts einzuwenden gehabt, aber bei der aktuellen Hitze und seiner allgemeinen Ablehnung von Strandurlauben fand er wenig angenehmes an seinem Aufenthalt hier. Zumal er nicht umher kam, sich wie das fünfte Rad am Wagen zu fühlen und sich gleichzeitig zu fragen, ob es Shoji auch so ging. Immerhin war das hier Takatos Familie. Sie hatten mit ihnen nichts zu tun und es wunderte ihn, dass sie überhaupt willkommen waren. Shuichon störte es natürlich nicht, aber generell schien sie allgemein gut darin, zu ignorieren, wenn sie störte.
 

„Schau nicht so griesgrämig“, beschwerte sich Shuichon, während sie ein Tamagoyaki von seinem Teller klaute. „Du verdirbst mir noch den Appetit.“

„Als ob das so schnell passieren würde.“ Lopmon verdrehte die Augen.

Es bekam einen strengen Blick von Wataru Urazoe zugeworfen. „Hunde sollten nicht mit Menschen am Tisch essen“, murmelte der alte Mann. „Nimm dir ein Beispiel an deinen Artgenossen.“ Er nickte zu Guilmon, Dracomon und Gazimon, die auf der Veranda ihr Frühstück zu sich nahmen, wobei die beiden echsenartigen Digimon wirklich wie Hunde aus ihren Schüsseln fraßen. Einzig Gazimon bemühte sich mit Stäbchen zu essen.

„Es sind aber doch keine Hunde, Oji“, murmelte Kai und seufzte.

„Hmpf“, machte der ältere Urazoe nur und aß weiter.

„Wir müssen heute unbedingt ans Meer“, plapperte Shuichon weiter und bediente sich derweil an Shojis Teller.

Denrei sah sie an. „Weißt du, es ist noch genug da.“ Er nickte zum Tisch in dessen Mitte noch einige volle Platten und Schüsseln mit Reis, Fisch und Tamagoyaki standen.

Das Mädchen ignorierte dies, während Kai lachte. „Wir sind ohnehin schon am Meer“, meinte er. „Aber wir könnten weiter raus fahren“, schlug er dann nach kurzem Überlegen vor. „Es gibt einige kleinere Inseln, die unbewohnt sind und schöne Strände haben.“

„Und Kai kennt sich aus“, stellte Takato fest.

„Natürlich.“ Der dunkelhäutige Junge grinste.

„Klingt gut“, meinte Shoji nun auch, während Denrei nur wieder seufzte.
 

Etwas mehr als eine Stunde später waren sie erneut auf dem Meer. Wie bereits am Vortag verschaffte der Fahrtwind ihnen Abkühlung, doch was Denrei am meisten freute, war, dass sie weniger Gepäck hatten. Einzig zwei Körbe mit Bento und eine Tasche mit Handtüchern standen neben der Bank im Boot.

Heute stand Shuichon neben Kai und ließ sich den Wind in das Gesicht peitschen, während die Ohren von Lopmon auf ihrem Kopf wild wehten. Das Mädchen hatte über das Oberteil ihres Bikinis nichts gezogen und trug ansonsten lediglich eine sehr kurze Hose und Sandalen, was Jenrya wahrscheinlich verboten hätte, wäre er hier gewesen.

Das Boot verlor schließlich, als sie sich einer kleineren Insel näherten an Geschwindigkeit und blieb im seichten Wasser schließlich stehen. Mit ein paar Handgriffen hatte Kai den Anker ausgeworfen und sprang dann auch schon ohne zu zögern ins kniehohe Wasser.

Zumindest nahm er die Tasche mit den Handtüchern, doch während Shuichon jubelnd die Sandalen auszog und hinterhersprang sahen sich Shoji und Denrei nur entgeistert an.

Shoji trug als einziger von ihnen Schuhe und keine Sandalen, die er nun begann auszuziehen, während auch Gazimon nicht all zu begeistert von der Idee zu sein schien, ins Wasser zu springen.

Auch Guilmon sprang ins Wasser und brachte dabei das Boot zum Schaukeln, ehe ein Wasserschwall hineinspritzte.

„Jetzt kommt schon, beeilt euch!“, rief Shuichon lachend und spritzte weiteres Wasser.

„Lass das!“, erwiderte Denrei entnervt und schlüpfte missmutig aus seinen eigenen Sandalen.

„Lasst euch nicht unterkriegen“, meinte Takato grinsend zu den anderen beiden Jungen, ehe auch er Kai die etwa fünfzehn Meter zum eigentlichen Strand durch das Wasser folgte.

Dracomon stand derweil an der Reling des Bootes und sah ins Wasser.

„Geh schon“, beantwortete Denrei die unausgesprochene Frage des Digimon, woraufhin dieses ins Wasser sprang. Dann sah er Shoji an und zuckte mit den Schultern. Ihnen blieb ohnehin keine Wahl.

Und so wateten die beiden Jungen und Gazimon zum Strand, an dem sich Shuichon bereits ein Handtuch ausgelegt hatte.

„Ihr seid langsam!“, lachte sie, als sich die beiden nährten, blieb von ihnen aber unbeachtet.

Der Strand war tatsächlich von ihnen abgesehen vollkommen leer. Der Sand war dunkel, wirkte fast marmorartig, was wahrscheinlich von dem Vulkanischen Ursprung des Gesteins hier herrührte, während hinter dem Strand einige Bäume emporwuchsen und das Land schnell anstieg.

„Das war einmal ein Vulkan“, erklärte Kai, als er sah, wie Denrei den Berg hinauf sah. „Aber er ist nicht mehr aktiv.“ Er lachte.

Denrei erwiderte nichts, sondern sah sich zu den Digimon um, die bereits durch das Wasser tobten.

Auch Shuichon hatte bereits ihre kurze Hose ausgezogen, so dass sie nur noch ihren Bikini trug und war gerade damit beschäftigt einen Wasserball aufzupusten.

Der ältere Junge seufzte und ließ sich in den Sand fallen. Zumindest war es im hinteren Teil des Strandes schön schattig und vielleicht hätte er später dort seine Ruhe.

Er seufzte ein weiteres Mal, als sein Handy piepte. Mit einem Blick auf den Bildschirm sah er, dass er eine Mail hatte, mit einem weiteren, dass es nur eine weitere Kettenmail war. Schon das dritte Mal – es hatten eindeutig zu viele Leute seine Handynummer.

Doch noch bevor er die Mail löschen konnte, landete ein Wasserball hart in seinem Gesicht.

„Jetzt komm schon ins Wasser“, rief Shuichon zu ihm hinüber, die zusammen mit Kai, der sich einfach seines Hemdes entledigt hätte, und den Digimon bereits wieder knietief im Wasser stand. „Und du auch Shoji!“

„Vielleicht später“, versuchte sich Denrei halbherzig herauszureden und warf den Ball ins Wasser zurück.

„Nein, jetzt!“ Damit lief sie zu ihm hinüber und zerrte an seinem Arm, um ihn zum aufstehen zu bringen. „Wieso bist du überhaupt hier, wenn nicht wegen dem Meer?“

„Weil du mich nicht einmal gefragt hast, ob ich überhaupt mitfahren will?“, erwiderte er genervt.

„Jetzt komm schon, Den-kun“, rief auch Kai vom Wasser hinüber und wandte sich an Takato. „Sag mal, bild' ich mir das ein, oder ist der Junge eine ziemliche Spaßbremse.“

Der Angesprochene grinste nur verlegen, während Denrei schließlich seinen Kampf aufgab und auch Shoji sich T-Shirt und Hose entledigte, da er seine Schwimmhose darunter trug.

„Du hast ohnehin keine Chance, weißt du“, bemerkte Gazimon auf einem Handtuch sitzen und Denrei meinte fast, dass es hämisch grinste, während Shuichon ihn in Richtung des Wassers zerrte.

Kapitel 04: Nächtliche Schatten

„Träum nicht“, mahnte Shuichon, während sie erneut von Denreis Teller klaute.

Der Junge, der tatsächlich bereits drei Minuten geistesabwesend und mit den Stäbchen auf dem halben Weg zum Mund verharrte, sah auf. „Kannst du dir nicht selbst etwas nehmen?“ Dabei wusste er genau, dass diese Worte ungehört blieben.

„Moumantai“, meinte Lopmon und stopfte sich zwei Oktupusbällchen gleichzeitig in den Mund, nur um einen Moment später ein Husten zu unterdrücken und sich ein halbes Glas kalten Tees auf einmal in den Mund zu kippen.

Wieder lachte Kai. „Du solltest das Essen abkühlen lassen, Lopmon.“

Das Digimon ließ einen Seufzer hören. „Moumantai.“

Auch Takato lachte nun. „Kaum zu glauben, wie sehr dich Shuichon verzogen hat. Du hattest mal so gute Manieren.“

„Hey!“, protestierte das Mädchen. „Ich habe es nur Gesellschaftsfähig gemacht.“

Aus dem Hintergrund war ein Murmeln zu hören. „Was auch immer sie unter gesellschaftsfähig versteht.“ Gazimon warf ihr einen Blick zu.

Erneut lachten alle, bis auf Denrei, der noch immer schmollte, als eine unbekannte Stimme erklangt: „Darf ich rein kommen?“

Ein Mädchen mit langen braunen Haaren, die von einen Haarreif zurückgehalten wurden, stand vor der Veranda und sah lächelnd zu ihnen hinüber. Neben ihr stand ein ziemlich groß gewachsener Labrador, der die Vorderpfoten auf die Veranda gesetzt hatte und hechelte.

Kai sprang auf und lief zu ihnen hinüber. „Minami-chan!“ Er schien sehr begeistert. „Natürlich. Ich hab dich schon erwartet.“ Während er dem Mädchen gentlemanlike die Hand anbot, sprang der Hund von sich aus in das Haus und tapste schwanzwedelnd um den Tisch herum, die unbekannten einmal beschnuppernd.

„Minami-san!“, rief auch Takato und winkte dem Mädchen zu, wenn auch ohne aufzustehen.

„Das ist ein richtiger Hund“, lobte es sich Wataru und warf dem anderen Mädchen, das in etwa so alt wie Takato und Denrei schien, einen Blick zu. „Nur gut erzogen ist er auch nicht.“

Derweil war der Hund bei Takato stehen geblieben und leckte ihm über die Wange.

„Ja, du bist ein guter, Mei“, meinte der Junge und gab dem Hund ein Fleischbällchen, welches dieser nur zu gerne entgegen nahm, ehe er zu den Digimon hinüberging, wahrscheinlich um ihnen ihr kleines Festmahl streitig zu machen.

Dracomon schnupperte an ihm. „Du riechst komisch“, stellte es dann fest, worauf der Labrador nur bellte. „Und sprechen kannst du auch nicht.“

„Dracomon, du hast schon einmal einen Hund gesehen“, meinte Shuichon. „Im Park.“

Das Digimon überlegte, während sich der Hund tatsächlich über seinen Fressnapf hermachte. „Er ist trotzdem...“, begann Dracomon, als es den Essensdiebstahl bemerkte. „Hey, lass das, das ist meins.“ Es knurrte, was Mei jedoch nicht beeindruckte.

„Lass ihn“, meinte Guilmon. „Guilmon kennt ihn. Er ist schon in Ordnung. Nur etwas komisch.“

„Aber ich hab Hunger“, jammerte das Drachendigimon.

Derweil hatte Kai das mit einem Kleid bekleidete Mädchen zum Tisch geführt. „Also, dass ist Minami“, stellte er sie den anderen vor.

Hätte ich nie gedacht. Denrei verkniff sich diesen Kommentar und aß weiter, während nun auch Shuichon aufsprang und dem Mädchen die Hand reichte.

„Ich hab schon vor dir gehört“, meinte sie. „Mein Bruder hat mir von dir erzählt!“

„Du bist Jenrya-sans kleine Schwester, nicht?“, fragte Minami.

Das andere Mädchen grinste breit. „Ganz genau!“

„Und das...“, begann Kai und wollte ganz offenbar die anderen vorstellen, wurde dabei dann aber wieder von Shuichon unterbrochen.

„Das sind Shoji und Denrei“, stellte sie die anderen beiden Jungen vor.

Shoji wandte sich vom Essen ab und verbeugte sich kurz vor dem Mädchen. „Freut mich dich kennen zu lernen.“

Denrei derweil seufzte nur leise. „Hallo“, überwand er sich schließlich zu sagen.

„Beachte ihn einfach nicht“, kommentierte Shuichon und verdrehte die Augen. Dann zeigte sie auf die Digimon. „Das sind Dracomon und Gazimon.“ Dann fischte sie Lopmon vom Tisch und hob es hoch. „Und Lopmon. Mein Partner.“

„Sehr erfreut“, meinte Lopmon.

Minami lachte und klopfte dann auf ihren Oberschenkel, woraufhin der Hund brav von seinem Fressnapf (der sogleich von Dracomon zurückerobert wurde) aufsah und zu ihr hinübertrottete. „Das ist Mei.“

Shuichon bückte sich, um den Hund am Halsband zu kraulen. „Hallo, Mei.“

Nun wandte Denrei den Blick ganz von ihren Neuankömmlingen ab und lieber seinem Essen zu, so lange Shuichon anders beschäftigt war und ihm nicht klaute.
 

Nach dem Essen, als es draußen schon völlig dunkel war, holte Kai Spielkarten hervor und bald lieferten sich Kai, Takato, Shuichon, Shoji und Guilmon eine Partie, die so hitzig war, dass Denrei darüber nur die Augen verdrehte. Während Manami und Gazimon zusahen, Lopmon versuchte in die Karten der anderen zu schielen und Wataru Urazoe erneut auf seiner Sanshin spielte, saß Denrei gegen einen der Stützpfeiler des Hauses gelehnt und streichelte Dracomons Kopf.

Das Digimon, das dem Hund gegenüber noch immer misstrauisch war, hatte seinen Kopf auf das Bein seines Partners gelegt und schien so schläfrig, wie dieser sich fühlte.

„Hey, benutz' Lopmon nicht zum schummeln, Shuichon“, beschwerte sich Shoji, als ihm das Digimon wieder versuchte in die Karten zu schauen.

„Naja, es ist nicht wirklich so, als könnte man bei dem Spiel viel mit Schummeln erreichen“, meinte Takato beschwichtigend.

„Moumantai.“ Lopmon sprang wieder auf Shuichons Kopf. „Das Spiel ist langweilig.“

Und während die anderen lachten stand Denrei auf und sprang die Veranda hinunter. Wortlos folgte ihm das aus seinem Halbschlaf aufgeweckte Dracomon, als er, wie schon am Morgen, zum Strand herunterging.

Noch immer fühlte er sich nicht sonderlich wohl, auch wenn er feststellte, dass er sich langsam an die Hitze gewöhnte. Trotzdem wünschte er sich mehr Ruhe, mehr Zeit für sich.

Es war nicht sehr lange her, dass sie in der Digiwelt gewesen waren und dort aufeinander angewiesen waren. Und in der Woche darauf, bei den Lees, war es noch voller gewesen. Und nun, wo er endlich wieder Zeit für sich gehabt hätte.

Dabei bemerkte er selbst, dass er sich, seit er hier angekommen war, in einem reinsten Gedankenkarussell befand.

Er sah auf das Meer hinaus.

„Was machst du?“, fragte Dracomon neugierig.

„Ein wenig frische Luft schnappen“, erwiderte der Junge.

„Aber hier ist doch dieselbe Luft wie bei den anderen.“ Natürlich verstand das Digimon nicht.

„Aber hier ist es ruhiger“, antwortete Denrei.

Dracomon schwieg kurz, lauschte offenbar, ehe es nickte. „Okay.“

„Lass uns ein wenig spazieren gehen“, schlug der siebzehnjährige schließlich vor, was sein Partner nur mit „Von mir aus“ beantwortete.

Doch gerade als sie die ersten Schritte den Strand entlang liefen, hörten sie eine Stimme. „Darf ich mitkommen?“

Das Digimon begann zu knurren, als schon einen Moment später der helle Labrador zum Wasser stürmte, hindurch plantschte und schließlich mit wedelndem Schwanz stehen blieb, um auf sein Frauchen zu warten.

Minami war auf Denreis Höhe stehen geblieben und sah ihn fragend an.

Der Junge seufzte, wollte aber nicht unfreundlich sein, denn immerhin konnte das Mädchen nichts für seine vermeintlich missliche Lage. „Von mir aus“, meinte auch er dann.

„Du scheinst nicht gerade begeistert“, meinte sie, während sie neben ihm herging.

Er erwiderte nichts, sondern sah zu Dracomon, das sich nun, da der Hund im Wasser war lieber von diesem fern hielt.

„Was hast du?“

Mit einem Seufzen blieb er stehen. „Wieso interessiert dich das?“

Daraufhin lächelte sie. „Nun, ich finde es einfach traurig zu sehen, wenn jemand mit seinen Freunden im Urlaub ist und dabei nicht einmal Spaß hat.“

Er schnaufte. „Ich habe einfach nicht in den Urlaub fahren wollen. Es ist nicht so, als hätte man mich gefragt.“

„Und deswegen versuchst du nicht einmal Spaß zu haben?“

Erneut antwortete er nichts, während der Labrador nun klitschnass zu ihnen gelaufen kam und sich erwartungsvoll neben sie stellte.

Dracomon wich zurück. „Was will es?“, beschwerte es sich. „Es stinkt!“

Minami lachte und sah sich um. Kurz darauf holte sie einen Stock, der einige Schritte von ihnen entfernt im Sand gelegen war. Der Takt des Schwanzwedelns erhöhte sich drastisch, ehe sie den Stock ins Wasser warf und der Hund begeistert hinterherjagte.

Dann sah sie den Jungen wieder an.

Dieser versuchte ihrem Blick auszuweichen. „Ich wollte eigentlich nur ein wenig allein sein, okay? Ich mein, ich hab endlich mal Ferien und trotzdem lässt man mich nicht einfach mal in Ruhe!“

Sie zuckte mit den Schultern. „Und? Was ist daran so schlimm?“

„Es ist...“, begann er. „Es ist so laut und...“ Er hielt Inne, weil er glaubte, etwas aus dem Augenwinkel gesehen zu haben.

Gleichzeitig begann Mei laut zu bellen und auch Dracomon verspannte sich und begann zu Knurren.

„Was...“, setzte das Mädchen an, als auch sie es sah.

Denrei war sich nicht sicher, ob es nur eine durch die Dunkelheit hervorgerufene optische Täuschung war, doch die Reaktion Meis und Dracomons sprachen dafür, dass es nicht so war. Es schien, als ob, ein ganzes Stück auf dem Meer draußen, etwas unter der Wasseroberfläche wäre. Ein großer, dunkler Schatten, der leicht hin und her zuckte.

„Was ist das...?“, flüsterte Minami, doch einen Moment später war es verschwunden.

Zwischenspiel: Träume

Es war in derselben Nacht, dass Ruki und Ryou in der Wohnung des letzteren saßen und eigentlich einen Film sahen. Auch sie waren froh darum, nach dem Chaos, das dieser Sommer bereits mit sich gebracht hatte, ein wenig Zeit für sich zu haben.

Lautstark schnarchte Monodramon, das sich zuvor an ihrem Abendmahl etwas überfressen zu haben schien und nun auf dem unbesetzten Sessel von Ryous Wohnzimmergarnitur saß.

Das Essen, dessen wenige Reste auf dem niedrigen Wohnzimmertisch standen, war von einem Lieferservice, da Ryous Kochkünste, die sich auf das Auftauen von Tiefkühlware und das zubereiten eines einfachen Salates beschränkten, die von Ruki bei weitem überschritten, womit er sie ab und zu aufzog.

Ruki hatte ihren Kopf auf die Schulter des jungen Mannes gelegt, der wiederum mit dem Fuß versuchte seinen Digimonpartner zu treten, um dessen Ton etwas zu dämpfen.

„He, Monodramon“, versuchte es Ryou. „Monodramon.“

Ruki verdrehte die Augen. „Vergiss es.“ Damit nahm sie die Fernbedienung und drehte den Ton lauter.

In dem Moment klingelte Rukis Handy, das am Rand des Tisches lag.

„Lass es“, murmelte ihr Freund behäbig, was sie jedoch nicht davon abhielt sich vorzubeugen und das metalblaue Mobiltelefon zu öffnen und nun wieder zurückgelehnt über den Text der Email zu scrollen. Sie schnaubte und löschte die Nachricht. „Noch eine Kettenmail“, grummelte sie. „Dieses Mal von einem unbekannten Absender.“

„Reg dich nicht drüber auf“, meinte Ryou und gähnte.

„Und du schlaf' nicht auch noch ein“, erwiderte sie und knuffte ihn, vielleicht etwas härter als nötig, in die Seite.
 

Derweil schlief Juri, die bis in den frühen Abend in der Bar ihres Vaters gearbeitet hatte, im hinteren Teil des Hauses ihrer Familie.

Auch wenn daran vielleicht nichts ungewöhnliches war, so war es das doch an ihrem Traum, der ohne dass sie es wusste realer war, als so manch anderer Traum.

Aus der Dunkelheit schien das Flüstern vieler Stimmen zu kommen, jedoch ohne, dass sie genaue Worte verstehen konnte. Bis eine ihr nur allzu bekannte Stimme erklang. „Juri.

Schlagartig öffnete sie ihre Augen, sich nicht dessen bewusst, dass sie träumte. „Leomon!“

Sie stand in einem dunklen Raum und war von einem dichten wabernden Nebel umgeben.

Die Stimme schwieg.

„Leomon!“, rief sie noch einmal, in der Hoffnung die Stimme ihres schon lange verstorbenen Partners noch einmal hören zu können. Doch das einzige was sie hörte, waren weiter die anderen, unbekannten und unverständlichen Stimmen, die aus weiter Ferne zu kommen schienen.

„Leomon“, flüsterte sie. Vielleicht hatte sie es sich nur eingebildet.

Da hörte sie etwas anderes. Ein Wimmern, fast wie das Weinen eines Kindes.

„Wer ist da?“, fragte sie halblaut in die Dunkelheit, bekam aber keine Antwort. Nur das Wimmern war weiter zu hören.

Unsicher sah sie sich um, fasste sich dann aber ein Herz und ging langsam, barfuß in die Dunkelheit hinein, in die Richtung, aus der sie den kläglichen Laut hören konnte. Sie hatte das Gefühl beobachtet zu werden und die flüsternden Stimmen verklangen niemals ganz, auch wenn sie manchmal leiser, ein andern mal lauter zu sein schienen.

Als sie weiterging erblickte sie schließlich die schattenhaften Umrisse einer Kreatur, die auf dem unsichtbaren Boden lag. Diese Kreatur schien nicht einmal eine feste Gestalt zu haben, war aber mit einem bläulich blassen Schimmer umgeben, die sie deutlich von der Dunkelheit abhob.

Für einen Moment zögerte Juri. Es war eindeutig, dass das Wimmern von diesem Wesen – was auch immer es war – kam. Doch was war es überhaupt?

Doch erneut überwand sie sich und bückte sich zu der Kreatur und berührte das, was sie für seinen Kopf hielt. „Was ist los?“, fragte sie sanft.

Das Wesen hörte auf zu weinen und hob schwach seinen Kopf, um sie mit leeren, aber irgendwie leuchtenden Augen anzusehen. „Wer...?“, hauchte es, wobei seine Stimme von weit weg zu kommen schien. „Kouhei“, flüsterte es dann. „Ich will Kouhei wiedersehen.

Kapitel 05: Kettenmail

„Was ist los?“, fragte Shuichon beim Frühstück am nächsten Tag – auf einmal nicht mehr so frech wie an den beiden Tagen zuvor – und sah Denrei beunruhigt an. Als sie keine Antwort erhielt, schüttelte sie ihn leicht. „Hey, Denrei, was ist los?“

Der Junge blinzelte und sah sie an. „Was?“ Er rieb sich die Augen. „Tut mir leid, ich hab nur nicht gut geschlafen.“ Die dritte Nacht in Folge, dachte er sich, sagte aber nichts.

„Du siehst wirklich nicht gut aus“, gab auch Shoji zu.

Denrei gähnte nur.

„Vielleicht solltest du heute hier bleiben und ausschlafen“, schlug Takato vor und konnte sich wahrscheinlich nicht vorstellen, wie dankbar Denrei für diese Worte war.

Verschlafen nickte er nur. „Ja.“

Daraufhin seufzte Shuichon. „Wirklich, Denrei“, grummelte sie, aber bei weitem nicht wirklich vorwurfsvoll. „Du bist zu nichts zu gebrauchen.“
 

Etwa vier Stunden später lag Denrei auf seinem Futon, das ganz allein im großen Hauptraum des Hauses ausgebreitet war. Nun war er wirklich allein. Dracomon war mit den anderen mitgekommen – wieso sollte er ihm auch den Spaß nehmen? – und Wataru Urazoe war mit seinem eigenen Boot wohl zum Fischen gefahren, zumindest hatte er das gesagt.

Tatsächlich hatte Denrei es geschafft etwa zwei Stunden zu schlafen, nachdem die anderen gegangen waren und lag nun, am frühen Nachmittag, ohne Decke herum und döste vor sich hin. Er war noch immer müde, wenngleich nicht mehr so sehr, wie bisher. Vor allem aber genoss er die nun herrschende Ruhe.

Er wusste, dass er dem ganzen, wenn die anderen zurückkamen, zumindest entspannter entgegensehen konnte, nachdem er endlich etwas Zeit für sich gehabt hatte, und beschloss schließlich, da er wegen der Hitze kaum noch schlafen konnte, etwas zu spielen. Ohne aufzustehen streckte er sich zu seinem gegen einen der Stützpfeiler lehnenden Rucksack und zog seinen Nintendo DS daraus hervor.

Seine Laune besserte sich noch mehr, als er das nächste Mal über die offene Veranda hinaussah und bemerkte, wie der Himmel sich langsam bezog, was eine willkommene Abkühlung versprach. Auch der Wind nahm zu, so dass das am Rand der Veranda hängende Windspiel beinahe pausenlos bimmelte. Doch das nahm er gegenüber dem Krach, der herrschte, wenn Shuichon und die anderen Digimon versammelt waren, gerne in Kauf.

Als die ersten Regentropfen fielen beschloss er schließlich, noch etwas zu essen. Zwar war Natto, das der alte Fischer ihm mit etwas Reis und kaltem Fisch zurückgelassen hatte, nicht eine seine Leibspeisen, doch langsam merkte er, dass er Hunger hatte.

Zuvor bemühte er sich jedoch zumindest zwei der drei hölzernen Rollladen, die die zur Veranda ausgelassene Wand ersetzen konnte, herunterzulassen, um zu verhindern, dass es ins Haus regnete. Während er sich Natto, Reis und Fisch auf einen Teller füllte, donnerte es und langsam fragte er sich, was die anderen wohl machten. Je nachdem wo sie waren, war das Wetter wahrscheinlich ungemütlich.

Gerade als er sich dem Essen widmen wollte, klingelte sein Handy.

Er holte es aus seinem Rucksack. Eigentlich rechnete er damit, dass es Shuichon war, die ihm vorhalten wollte, dass sie nun vollkommen durchnässt war (als ob es einen Unterschied machen würde, ob sie vom Meer oder Regen nass wurde), doch stattdessen war es eine weitere Kettenmail.

Er wollte sie, wie auch die anderen, löschen, doch gerade in dem Moment sah er etwas, am Himmel, mit dem er hier nicht gerechnet hatte. Einen blauen Stream, wie sie erschienen, wenn sich ein Digimon materialisierte. Und er war nicht weit entfernt.

Gerade, als er das realisierte, fegte ein starker Windstoß die Jalousien in die Höhe und Nebel drang durch den Wald. Eine Digital Zone.

Sich auf einmal schmerzlich Dracomons Abwesenheit bewusst werdend, griff er nach seinem Digivice. Mit einer Hand schrieb er eine Email an Shuichon, die nicht mehr als ein kurzes „Ein Digimon hat sich materialisiert“ enthielt. Nachdem er diese abgesendet hatte, zögerte er. Doch dann stand er auf, zog sich seine kurze Hose über und lief in den Regen hinaus.

Das Zentrum der Zone musste irgendwo am Strand liegen.

Eilig lief er durch Regen und Nebel, bis Wasser seine Füße umspülte.

Dann sah er etwas, jedoch kein Digimon. Viel eher war es ein Loch – anders konnte er es nicht beschreiben – ein schwarzes Loch, das vielleicht einen halben Meter über der Wasseroberfläche hing.

„Was...“, begann er und sah auf sein Digivice, dass jedoch nichts anzeigte.

Dann kam auf einmal erneut Wind – nein, kein Wind, viel eher ein Sog – auf, der zum Loch hinführte und auch den Nebel mitsichzog. Dann erschien eine Klaue und streckte sich aus dem Loch heraus.

Denrei machte einen Schritt zurück.

Das Digimon, das nun auch seinen Kopf aus dem Loch herausstreckte, schien – er konnte es nicht anders sagen – fehlerhaft zu sein. Es hatte keine fest Kontur, und an einigen Stellen schienen „Pixal“ in seiner Oberfläche zu fehlen, die gesamt dunkler wirkte als normal. Er erkannte jedoch auch so, dass es ein Aero V-dramon war.

Dieses sah ihn an und stieß ein tiefes Knurren aus. Es streckte sich weiter aus dem Loch heraus und nun wurde Denrei bewusst, dass er besser laufen sollte, denn das Digimon schien weder freundlich, noch sonderlich intelligent zu sein und das war bei wilden Digimon eine gefährliche Mischung.

Also rannte er. Die Sandalen, die er zuvor noch angezogen hatte, trat er schnell von den Füßen und lief dann den Strand weiter hinunter.

Ohne sich umdrehen zu müssen, wusste er, dass ihm Aero V-dramon folgte, denn es konnte dessen Drachenschwingen in der Luft hören.

Und Denrei hatte ohnehin nie eine besonders gute Kondition gehabt.

Er verfluchte sich dafür, überhaupt rausgegangen zu sein, stellte dann aber fest, dass es nicht unwahrscheinlich war, dass das Digimon ohnehin zum nächstgelegenen Haus, dem Urazoe-Haus gekommen wäre.

Obwohl ihm die Lunge wehtat und er durch den Regen kaum etwas sah, lief er weiter, wobei zwei Mal eine Energiekugel viel zu nahe neben ihm auf den Boden traf. Dies erinnerte ihn leider nur zu sehr an den Tag, an dem sich Dracomon materialisiert hatte.

Und dann stand er auf einmal vor einer Mauer – der Hafenmauer, wie er schloss. Diese war nicht all zu hoch und wahrscheinlich hätte er sie hochklettern können, doch durch den Regen rutschten seine Finger an der Kante ab und da war Aero V-dramon auch schon hinter ihm.

Er überlegte nicht lange, sondern lief auf das Meer zu und watete durch die Wellen hinaus, als auf einmal ein roter Blitz an ihm vorbeischoss.

„Pyroball!“

„Petit Twister!“

Die Attacken von Guilmon und Lopmon trafen das seltsame Perfectdigimon und ließen es aufsehen.

Während Lopmon aus eigener Kraft flog, hatte Takato offenbar die „White Wing“ Karte für Guilmon genutzt, dass nun vor Denrei im Wasser landete und sich für den Kampf bereit machte.

„Denrei!“, rief Shuichon, die zusammen mit den anderen nicht all zu weit entfernt in Kais Boot stand, das dank der Wellen ordentlich schaukelte.

Nun war Denrei tatsächlich froh sie zu sehen.

Ein Bellen erklang, während Mei fast zusammen mit Dracomon ins Wasser gesprungen wäre und nur von Minami noch zurückgehalten wurde.

Einzig Gazimon zierte sich hinterher zu springen, da es offenbar – obwohl es ohnehin durchnässt war – das Meer nicht allzusehr schätzte.

Denreis Digivice leuchtete auf und nachdem schließlich auch Gazimon sich überwunden hatte, waren alle vier Digimon von Licht umgeben.

„Guilmon – Shinka! Growmon!“

„Dracomon – Shinka! Coredramon!“

„Lopmon – Shinka! Wendimon!“

„Gazimon – Shinka! Sangloupmon!“

Die vier Digimon stürzten sich auf ihren Gegner, der seine Flügel ausbreitete und höher in den Himmel hinauf flog.

Dies hielt jedoch Sangloupmon nicht davon ab ihm einen Hagel an kleinen Messern hinterher zu jagen. „Sticker Blade!“

Doch die Attacke traf nicht. Aero V-dramon öffnete das Maul und ein v-förmiger Energiestrahl schoss auf die vier anderen Digimon zu, die sich schützten, während die Hitze der Attacke Wasser um sie herum verdunsten ließ.

Denrei sah zu dem Digimon auf, das für Coredramon, dessen Attacken ohnehin nicht sonderlich weit reichten, eindeutig außer Reichweite war. Es sei denn... Automatisch wanderte seine Hand zu seinem Gürtel, an dem er normal seinen Kartenhalter befestigt hatte, doch sie griff ins Leere. Natürlich, die Karten lagen noch immer neben seinem Rucksack.

Während er noch überlegte, setzte das gegnerische Digimon bereits zu seiner nächsten Attacke an. Es wurde von einer Aura umgeben, die nicht weniger hitzig zu sein schien, als der Angriff zuvor, und die den Regen um es herum verdampfen ließ.

Im nächsten Moment stürzte eine rot glühende Energiewelle in der Form eines Drachen auf sie hinab.

„Card Slash!“, rief Takato. „Brave Shield!“

Das Schutzschild materialisierte sich über ihnen, konnte aber nicht verhindern, dass die Attacke, als sie darauf traf, eine gewaltige Explosion auslöste, die das Wasser gewaltig aufwühlte und nicht nur die Digimon, sondern auch Denrei von den Füßen riss.

Sofort verlor er die Orientierung. Die Strömung, die durch die Welle ausgelöst worden war, erfasste ihn und er musste den Drang unterdrücken, nach Luft schnappen zu wollen, wohl wissend, dass dies ein vergeblicher Versuch wäre. Er versuchte die Orientierung wieder zu gewinnen, doch dank der durch die Wolken herrschende Dunkelheit wusste er einfach nicht, wo die Wasseroberfläche war. Doch da spürte er eine Hand nach seinem Handgelenk und dann eine andere nach seiner Schulter greifen und noch bevor er Zeit hatte, zu verstehen, was geschah, durchbrach sein Kopf die Wasseroberfläche.

„Danke“, keuchte er schwach, als er sah, dass es Kai war, der ihn gerettet hatte.

Diesem schien offenbar noch immer nach Grinsen zumute. „Keine Ursache.“ Damit dirigierte er Denrei in die Richtung des Schiffes.

Vier Paar Hände wurden ihnen entgegengestreckt und zogen sie aus dem Wasser.

„Alles in Ordnung?“, fragte Minami, deren Hund an der Reling stand und knurrte.

Statt zu antworten, blickte Denrei zum Strand zurück und sah, dass die Digimon noch immer gegen das seltsame, defekte Aero V-dramon kämpften, dessen Instinkte ihm zumindest zu sagen schienen, dass es vernünftig war, außer Reichweite zu bleiben.

„Was ist mit diesem Digimon?“, fragte Shoji.

Denrei, der noch immer nach Luft rang, schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht... Es...“ Schon wollte er erzählen, was passiert war, doch dann wurde ihm klar, dass es im Moment wichtigeres gab. „Shoji, deine Karten. Ich hab meine nicht dabei.“

Der andere zog seine Karten aus der Tasche und reichte es ihm. „Hier.“

Schnell hatte er die richtige Karte herausgezogen und sah aus dem Augenwinkel, dass Shuichon es ihm gleich getan hatte.

Sie nickte ihm zu.

„Card Scan! Aero Wing!“, rief er.

„Card Slash! White Wing!“

Während Cordramons Flügel anwuchsen, bildeten sich aus Datenpatikeln Flügel auf Wendimons Rücken und beide erhoben sich synchron in die Luft.

Zwar kam ihnen ein erneuter Energiestrahl entgegen, doch wichen sie beide diesem Problemlos aus.

„G-Shurunen II“, konterte Coredramon, als es fast auf der Höhe des gegnerischen Digimon war und traf.

Aero V-dramon hielt inne, was Wendimon für seine Attacke ausnutzte. „Club Arm!“ Damit verpasste es ihren Gegner mehrere Schläge genau dorthin, wo bereits Coredramon getroffen hatte.

Ein seltsames Geräusch, wie ein von weit her kommender Schrei, erklang und im nächsten Moment löste sich Aero V-dramon auf.
 


 

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Anmerkung:

*Aero V-dramon: Ein heiliges Drachendigimon auf dem Perfectlevel und eine der möglichsten Evolutionen von V-mon. Sein Typus ist Serum. Es dürfte einigen aus dem Manga Digimon Adventure V-Tamer 01 bekannt sein, wo es das Perfectlevel von Taichis Partner Zeromaru ist.

Kapitel 06: Encode

Die Gruppe hatte in einem der kleinen halb offenen Wartegebäude am Hafen Schutz vor dem Regen gesucht. Sie alle waren komplett durchnässt und die Digimon waren erschöpft.

„Was ist passiert?“, fragte Shuichon, die ihre Zöpfe gelöst hatte und versuchte ihre Haare durch Rubbeln mit einem nicht wirklich weniger nassem Handtuch ein wenig zu trocknen.

Mei beschloss erneut sich zu schütteln, um denselben Effekt zu erreichen und besprühte damit die kleine Gruppe erneut gleichmäßig mit nach Hund riechendem Regenwasser.

„Ich weiß es nicht genau“, erwiderte Denrei, der sich auf dem Boden niedergelassen hatte und sein T-Shirt auswrang. „Ich hab einen Stream am Strand gesehen, eine Digital Zone ist entstanden und ich bin nachsehen gegangen.“

„Sehr klug, ohne Digimon“, kommentierte Gazimon, das versuchte sich sein Fell trocken lecken.

„Es war seltsam“, murmelte Denrei, ohne darauf einzugehen. „Anders als normal. In der Zone war eine Art... Loch.“

„Ein Loch?“, echote Takato.

Der andere Junge nickte. „Ich kann es nicht anders beschreiben. Es war ein in der Luft schwebendes Loch.“

„Und Aero V-dramon ist aus dem Loch rausgekommen?“, vermutete Shoji.

Erneut nickte Denrei. „Ja.“

Nun meldete sich Kai zu Wort, der zuvor gegen die Wand des Betongebäudes gelehnt hatte. „Ich bin ja kein Spezialist“, meinte er. „Aber irgendwas stimmte mit diesem Digimon nicht, oder?“

Einstimmig nickten die vier Tamer.

„Es war gruselig“, murmelte Minami.

„Weißt du sonst noch was?“, fragte Takato schließlich.

Denrei überlegte. Dann fiel ihm etwas ein. „Naja, nur einen Moment bevor der Stream zu sehen war, habe ich eine weitere von diesen Kettenmails bekommen. Aber das... Das kann doch nichts mit den Digimon zu tun haben, oder?“

Takato rieb sich das Kinn. „Vielleicht...“ Er schwieg und starrte auf den Boden vor sich, sich nicht dessen bewusst, dass die Blicke der anderen allesamt auf ihn gerichtet waren. „Es muss einen Grund, warum dieses Digimon jetzt und hier aufgetaucht ist“, murmelte er. „Wieso nicht in Tokyo...?“

„Vielleicht können wir herausfinden, woher diese Kettenmail überhaupt kam“, schlug Shoji schließlich vor.

„Oder wir könnten Yamaki-san drum bitten“, meinte Shuichon.

Takato nickte. „Wahrscheinlich sollten wir das tun.“

Sofort hatte das Mädchen ihr Handy in der Hand, seufzte aber dann.

„Hmm?“, fragte Lopmon. „Was ist los, Shuichon?“

„Der Akku hat sich entladen“, erwiderte sie. „Wenn es nicht kaputt ist...“ Sie seufzte noch einmal. „Dabei hatte ich eine Schutzhülle gekauft.“

Für einen Moment herrschte Schweigen in der Gruppe.

„Mein Handy liegt noch bei euch zu Hause, Kai“, meinte Denrei und zuckte mit den Schultern.

Erneutes Schweigen, ehe sich Kai mit einem Blick in den Regel äußerte: „Nun, viel nasser können wir eh nicht werden, oder? Zuhause haben wir wenigstens trockene Kleidung zum wechseln.“

„Und ein heißes Bad“, fügte Shoji hinzu und fröstelte.

Begeistert schien niemand von der Idee, auch wenn der Regen nicht einmal kalt war. Aber beinahe schweigend kamen sie allesamt zu dem Beschluss, dass es sowohl in Bezug auf ihre Fragen, aber auch ihrer Gesundheit, das klügste war. Mei folgte ihnen brav, als sie halb laufend den Weg zurück zum Haus antragen und einzig Gazimon blieb im Schutz der Betonhütte stehen.

Es ließ die Schultern senken. „Na toll“, grummelte es und folgte den anderen widerwillig durch den Regen.
 

Eine halbe Stunde später waren sie abgetrocknet und hatten trockene Kleidung an. Zumindest die Jungen, denn sie hatten den Mädchen den Vortritt gelassen, als es um die Badewanne ging, so dass Minami und Shuichon nun im Bad waren.

Mei lag zufrieden und noch immer etwas feucht nahe der Veranda, während Gazimon immer noch in einer Ecke schmollte.

„Wirklich“, murmelte Shoji. „In der Digiwelt hat dich das Wasser auch nicht gestört.“

„In der Digiwelt ist das Wasser auch nicht nass“, erwiderte das Digimon und versuchte weiterhin sich sein Fell trocken zu lecken, wobei es die beiden Reptiliendigimon, die sehr leicht wieder trocken geworden waren, neidisch betrachtete.

Sein Partner zuckte mit den Schultern.

Aus der kleinen Küche drang der Geruch von gebratenen Fisch zu ihnen, da Wataru bereits da war und seinen Fang mitgebracht hatte.

Derweil richteten sich nun alle Augen wieder auf Takato, der mit seinem Handy in der Hand gegen die Wand lehnte und darauf wartete, dass er Verbindung mit Tokyo bekam. Schließlich konnten die anderen an seinem Gesicht erkennen, dass jemand drangegangen war. „Eh? Ryou-kun? - Ach so.“

Die beiden anderen Tamer rückten näher, während Kai seinem Großvater in der Küche half.

Der Junge stellte sein Handy lauter, so dass auch Denrei und Shoji mithören konnten. „Was ist, Takato?“, hörten sie die unbesorgte Stimme Ryous. „Ich dachte du bist auf Okinawa.“

„Ja, ja, sind wir auch“, erwiderte Takato schnell. „Wir haben nur ein kleines Problem. Könnt ihr herausfinden, woher diese Kettenmail kommt, die seit einigen Tagen herumgeht?“

„Eh, wieso?“, fragte der junge Mann am anderen Ende der Leitung und klang nicht besonders motiviert.

„Hier ist ein Digimon aufgetaucht!“, antwortete Takato, schaffte es aber nicht dadurch Interesse zu wecken.

„Und?“

Ungeduldig riss Denrei dem gleichaltrigen das Handy aus der Hand. „Das Digimon ist aufgetaucht, nachdem ich eine von diesen Kettenmails bekomme.“

„Denrei-kun?“, fragte Ryou überrascht. Dann seufzte er. „Und? Das ist wahrscheinlich nicht mehr als nur ein Zufall.“

„Aber es war kein normales Digimon“, widersprach Denrei. „Es war seltsam. Als wäre es irgendwie beschädigt.“

„Beschädigt?“ Der junge Mann klang verwirrt. „Aber was sollte diese Kettenmail damit zu tun haben? Ich mein...“

Da erklang eine weitere Stimme am anderen Ende der Leitung. „Ryou!“ Alle drei Jungs in Okinawa erkannten Rukis Stimme, die alles andere als zufrieden mit ihrem Freund klang. Ein Knacken erklang.

Offenbar hatte Ryou das Telefon zur Seite gelegt und auch die Stimmen klangen leiser.

„Was?“, fragte Ryou.

„Ist es nicht irgendwie dein Job solchen Anomalien auf den Grund zu gehen?“ Ruki.

„Aber wer sagt denn, dass es überhaupt eine Anomalie ist?“, erwiderte ihr Freund.

„Nun, wenn der Junge sagt, dass Digimon wäre irgendwie beschädigt, war es sicher nicht normal.“

„Vielleicht hat er sich auch geirrt.“

„Dann würde Takato uns nicht anrufen.“ Das Mädchen klang wirklich genervt.

„Naja...“, begann Ryou, wirkte aber resignierend.

„Ryou!“

Ein Seufzen, laut genug, dass sie es hörten. „Ja.“

Der Hörer wurde wieder aufgenommen und Ruki war nun zu hören. „Wir werden sehen, dass wir uns darum kümmern. Wir melden uns, sobald wir Ergebnisse haben.“

„Danke, Ruki“, erwiderte Takato, der mittlerweile sein Handy wieder an sich genommen hatte. „Vielleicht hat Ryou Recht, und es ist wirklich nur ein Zufall, aber wir...“

„Macht euch keine Sorgen“, antwortete das Mädchen und noch immer war etwas Wut aus ihrer Stimme zu hören. „Ich werde Yamaki-san Bescheid sagen. Wir werden der Sache schon auf den Grund gehen.“

„Danke“, murmelte Takato noch einmal und sah die beiden anderen Jungen an. Zumindest in einer Sache waren sie sich stumm einig: Sie waren allesamt froh, nicht in Ryous Haut zu stecken.
 

Später – es war bereits Abend – saß die kleine Gruppe um den Tisch. Noch immer regnete es draußen und eine kühle Brise wehte ab und an zwischen den Rollladen zu ihnen.

Wataru Urazoe saß vor der mittleren Jalousie, die er ein Stück geöffnete hatte, und spielte, wie eigentlich jeden Abend auf seiner Sanshin, während Minami versuchte Shuichon beizubringen, wie man Hanafuda spielte, was zumindest Lopmon und Dracomon interessiert beobachteten.

Jedoch war die Atmosphäre bei weitem nicht so entspannt, wie an den Abenden bisher. Sie warteten allesamt darauf, dass ein Anruf kam, dass sie Antworten bekamen, und sie alle – nun, alle bis auf Wataru und Mei, der hinter dem Rücken des alten Mannes lag, zumindest – quälten dieselben Fragen: Was war das für ein Digimon gewesen? War es wirklich aus der normalen Digiwelt gekommen und war es Zufall gewesen, wie es aufgetaucht war? Würde so etwas wieder passieren?

Als das Klingeln eines Handys ertönte, sahen alle erwartungsvoll zu Takato, doch stattdessen war es Minami, die ihr Mobiltelefon aus ihrer Tasche fischte und sich mit einer angedeuteten Verbeugung entschuldigte, ehe sie in den Flur ging.

Leise hörten sie ihre Stimme. „Ja? - O-too-san? - Ich bin noch bei Kai-san. - Tut mir leid, dass ich nicht angerufen habe. - Entschuldige bitte. - O-too-san, ich werde bei Kai-san übernachten. - Nein, es ist alles in Ordnung.“ So ging es noch eine Weile, ehe sie zurück zu ihnen kam.

„Dein Vater?“, fragte Shuichon.

Das andere Mädchen nickte. „Er hat sich Sorgen gemacht.“

Die jüngere sah auf die Uhr. „Kein Wunder.“

„Ich habe ihm gesagt, dass ich hier übernachte“, erwiderte Minami.

„Wieso, Minami-chan?“, fragte Takato.

„Ich will wissen, ob noch ein weiteres Digimon auftaucht“, antwortete die Gefragte.

Denrei, der erneut mit seinem Nintendo DS spielte, sah auf. „Aber selbst wenn“, begann er, den warnenden Blick von Shuichon nicht bemerkend. „Ich mein, du hast kein Digimon.“

Das Mädchen verkrampfte sich und sah auf ihre Hände. „Trotzdem“, erwiderte sie dann halblaut. „Ich will wissen, was hier vor sich geht. Ich will...“ Sie brach ab.

Die anderen wechselten Blicke.

„Wie feinfühlig“, kommentierte Lopmon.

„Naja“, meinte Kai. „Es dauert wahrscheinlich noch etwas, ehe wir was von Takatos Freunden aus Tokyo hören. Bis dahin können wir noch ein wenig die Zeit vertreiben.“ Er stand auf und holte eine Packung anderer Karten aus einem Regal. „Also macht nicht so trübe Gesichter. Smile, smile!“ Er grinste und mit einem Seufzen versuchten auch die anderen sich zu entspannen.

Doch wirklich ausgelassen, war niemand an diesem Abend und ein klammes Gefühl hatte sich über sie gesenkt, als sie sich später in der Nacht auf ihre Futons legten, um zu schlafen.
 


 

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Anmerkung:

*Hanafuda: Hanafuda ist ein japanisches Kartenspiel, mit dem man verschiedene Spiele spielen kann (ähnlich wie bei uns mit Skat). Das vorkommen hier, ist eine kleine Anspielung auf den Film Summer Wars.

Zwischenspiel: Band

Es war bereits kurz vor eins und Jenrya saß noch immer an seinem Computer, während Terriermon auf seinem Bett schlief und sich dort recht breit gemacht hatte. Ab und an blinzelte es, wenn es wach wurde, und hob einmal ein Ohr, doch es sagte nichts. Es hatte es aufgegeben, seinen Partner zur Vernunft bringen zu wollen, der in den letzten Tagen wenig geschlafen hatte und alles andere von der Idee begeistert war, dass seine kleine Schwester ohne ihn über tausend Kilometer entfernt war.

Terriermon hatte befunden, dass das Verhalten des Jungen gegenüber seiner kleinen Schwester beinahe manische Ausmaße angenommen hatte, doch hatte es aufgegeben, auf diesen einzureden. Immerhin redete Jenrya sich immer mit irgendetwas heraus. Er schlief nicht, weil er noch Hausaufgaben machen müsse, weil er ein Programm schreiben wolle, weil noch etwas im Fernsehen lief.

Natürlich hatten die Ereignisse der Vergangenen Wochen und der Tod des Jungen in Washington ebenfalls mit der Unausgeglichenheit zu tun, das wusste Terriermon. Doch nach sieben Jahren bemerkte es auch die kleinste Veränderung im Gesicht seines Partners und merkte so auch, wie empfindlich er reagierte, wenn jemand Shuichons Urlaub erwähnte. Außerdem wusste es, dass Jenrya sauer auf Takato war, dass dieser überhaupt zugestimmt hatte, und noch schlimmer war es, dass die beiden anderen Jungen dabei waren.

Aber Terriermon sagte nichts. Es wusste gut genug, dass ihm bei jedweder Anmerkung zu dem Thema ohnehin widersprochen würde. Und so betrachtete es etwas besorgt, wie Jenrya den Computerbildschirm anstarrte, ehe es versuchte weiter zu schlafen.

Doch gerade als es wieder in einen wolligen Halbschlaf gefallen war, wurde es erneut geweckt, als Jenryas Handy, das auf dem Nachtschrank neben dem Bett lag, klingelte. „Eh, Jian, Telefon“, meinte es verschlafen und schaute zu dem Handy hinüber. Noch bevor der Junge aufstehen konnte, siegte die natürliche Neugierde des Digimon über seine Müdigkeit und es krabbelte zum Rand des Bettes. „Eine Email!“, stellte es fest, als es das Handy an sich nahm und nachsah. „Willst du wissen, wer dein Seelenpartner ist?

Jenrya drehte sich um. „Was?“

Das Digimon sah ihn unschuldig an. „Ich lese nur vor.“

Der Junge nahm ihm das Handy aus den Händen und las kurz über den Text. „Nur eine Kettenmail.“ Er seufzte.

„So eine hat Shuichon vor ein paar Tagen schon geschickt“, erinnerte sich Terriermon und erinnerte sich zu spät daran, dass der Name der kleinen Schwester das Gesicht seines Tamers gleich um ein vielfaches verdunkelte. „Moumantai! Moumantai!“, setzte es deswegen schnell hinterher und ließ sich wieder aufs Bett fallen. „Seelenpartner, eh?“, murmelte es dort leise, während sich Jenrya wieder an den Computer setzte. Es kicherte. „Hmm, wenn du so dreinschaust, findest du nie eine Freundin, Jian.“

Doch selbst wenn der Junge es hörte, so ignorierte er die Anmerkung.
 

1500 Kilometer südlich von Tokyo saß ebenfalls ein Junge, nur wenig jünger als Jenrya, an seinem Computer. Der Junge hatte braune, etwas längere Haare und war erstaunlich blass für jemanden, der so Nahe am Äquator lebte, doch dies traf wiederum auf viele junge Leute in Naha zu. Immerhin waren viele mehr drinnen als draußen. Manche aus Faulheit, andere weil sie für die Schule lernten.

Er trug ein einfaches Hemd und eine kurze Hose und sah im allgemeinen nicht sonderlich auffällig aus. Viel auffälliger war sein Computer, beziehungsweise das, was er als solchen bezeichnete und eigentlich ein Clustersystem mehrerer zusammengeschlossener Rechner war, wie man sie eher im Informatiklabor einer Schule erwartet hätte.

Auf zweien der drei Bildschirme, waren verschiedene Graphen zu sehen und auf einem der beiden lief eine ganze Reihe sich permanent ändernder Abfragen und Meldungen, durch ein Fenster.

Er kaute auf seiner Unterlippe. Er verstand nicht ganz, was am Nachmittag schiefgegangen war, auch wenn er eine Vermutung hatte. Aber eins wusste er: Er hatte es beinahe geschafft. Wenn auch nur kurz, hatte er es geschafft, das Tor zu öffnen. Aber er brauchte noch mehr Daten, noch mehr Signale, um eine stabile Verbindung herzustellen.

Für einen Moment wandte er den Blick von den Bildschirmen ab und rieb sich die müden Augen. Dann sah er zu einem Gegenstand, der neben seinem Bildschirm lag. Ein Digivice mit violettem Rand. Jedoch zeigte der Bildschirm nichts an, sondern flackerte, wie ein schlecht eingestellter Fernseher. Schützend legte der Junge seine Hand über das Gerät. „Warte nur, Gomamon. Wir werden uns wiedersehen.“

Kapitel 07: Der Traum von Frieden

„Jaaaaaaa! Pyroball!“, rief Dracomon und warf den kleinen, funkensprühenden Feuerwerkskörper in den Sand, wo er augenblicklich erlosch.

„Guilmon is ein Komet!“, jubelte derweil das andere Reptiliendigimon und lief mit drei Feuerwerken in jede Klaube über den Strand.

Zumindest schien den beiden jedwede Besorgnis fremd.

In der Ferne stiegen Feuerwerksraketen in den Himmel, um diesen für einen Moment mit einem Knall und vielen bunten Funken zu erhellen. In Naha fand ein Obonfestival statt, von dem sie auch hier noch das Feuerwerk sehen konnten, dass sie mit den Digimon besser nicht besuchten. Diese schienen sich jedoch auch so mit den kleinen Feuerwerken zu amüsieren.

Einzig Gazimon hielt sich möglichst weit von den Funken und dem Meeresufer fern.

Es war ein angenehmer Abend. Der Himmel war sternenklar, aber es war bereits den ganzen Tag kühler, als die Tage vorher. Tatsächlich hatte der Regen am Vortag die erhoffte Abkühlung gebracht, welche erst einmal zu halten schien.

Derweil hatte auch Shuichon eine der wunderkerzenähnlichen Körper in der Hand und grinste, wie ein kleines Kind, während diese funkensprühend abbrannte.

Als die Kerze abgebrannt war, sah sie zu den anderen.

Takato und Kai standen nicht unweit von der Treppe, die zum Haus von Urazoe Wataru führten, während Minami auf einer Decke saß und den Arm um Mei gelegt hatte, der offenbar nicht ganz sicher war, was er von dem ganzen halten sollte.

Auch Shoji und Denrei hockten im Sand und sahen den Digimon still zu.

Da stand auf einmal Shuichon auf und lief zu den beiden hinüber. „Kommt schon, seit keine Langweiler“, rief sie.

Beide sahen sie entgeistert an.

„Glaubst du nicht, dass wir dafür ein wenig zu alt sind?“, meinte Denrei und Shoji nickte zustimmend, wenn auch still.

„Wie kann man für Feuerwerk zu alt sein?“, erwiderte Shuichon.

Denrei sah zu ihr auf. „Vielleicht nicht für Feuerwerk, aber für Sicherheitsfeuerwerk...“

Das Mädchen verdrehte die Augen. „Pass auf, du könntest dich amüsieren.“

„Ja, das wäre ja schrecklich“, kommentierte auch Lopmon, während Shuichon beiden Jungs an den Handgelenken packte und auf die Beine zog.

Etwas später hatten sie beide ein Feuerwerk in die Hand gedrückt bekommen, das gemächlich abbrannte.

„Minami?“, fragte Kai auf einmal und riss damit Takato, der die anderen stumm beobachtet hatte, aus seinen Gedanken. „Alles in Ordnung?“

Nun wo sein Cousin es angesprochen hatte, bemerkte auch der tokyoter Junge, dass sich ein Schatten über Minamis Gesicht gelegt hatte.

Kai setzte sich neben das Mädchen und legte seinen Arm um sie.

„Es ist nichts“, erwiderte sie leise und vergrub ihr Gesicht zwischen ihren an den Körper gezogenen Beinen.

„Minami?“ Kai klang besorgt. Er strich ihr sanft über die Schulter, während auch Mei sein Frauchen mit der Besorgnis eines treuen Hundes ansah.

Nach einem Moment sah sie wieder auf. „Ich frag mich, wann es aufhört“, antwortete sie. Bevor einer der beiden Jungs fragen konnte, was sie meinte, fuhr sie fort. „Wann werden die Probleme mit den Digimon aufhören?“ Sie schwieg kurz. „Erst die Sache mit Mephismon vor sieben Jahren... Und vor ein paar Wochen haben so viele Digimon unsere Welt angegriffen. Und jetzt...?“

Takato sah sie an. „Wir wissen nicht, was es mit dem Digimon gestern überhaupt auf sich hatte. Vielleicht war es nur ein Einzelfall. Vielleicht...“

„Und wenn nicht?“, erwiderte das Mädchen.

„Dann werden wir schon damit fertig“, antwortete Takato. „Wir sind Digimon Tamer!“

„Aber...“, begann Minami. „Aber es könnten trotzdem Menschen sterben.“

„Minami“, flüsterte Kai, während der andere Junge schwieg.

Er wusste, dass sie Recht hatte. Seit die Digimon in der realen Welt aufgetaucht waren, waren einige Menschen direkt oder indirekt durch sie ums Leben gekommen und noch viel mehr waren verletzt worden. Allein durch die Demon Lords waren einige tausend Menschen gestorben und Millionen verletzt worden.

Und trotzdem wollte er daran glauben, dass es so nicht sein musste. Immerhin gab es auch so viele Digimon, die friedlich in dieser Welt lebten. Digimon, die einen Partner hatten.

Für einen Moment herrschte Schweigen zwischen ihnen.

„Autsch“, ertönte es derweil von den anderen her, während Shuichon und Shoji lachten.

„So typisch“, kommentierte Lopmon. „Kleinkinder können damit umgehen, aber Denrei verbrennt sich daran die Finger.“

Auch die beiden Reptiliendigimon lachten.

Ein Lächeln schlich auf Takatos Gesicht. Wieso konnte es nicht immer so sein?

Doch genau in dem Moment begann sein Handy zu klingeln. Schon als er es aus der Tasche holte und auf das Display sah, erkannte er, dass es ein Anruf von Yamaki war.

„Ja? Yamaki-san?“, fragte er, nachdem er den Anruf angenommen hatte.

„Takato-kun?“, hörte er die Stimme des erwachsenen Mannes.

„Ja“, erwiderte er. „Was ist?“ Er hoffte, dass Yamaki vielleicht eine Antwort auf ihre Frage gefunden hatte. Eine Hoffnung, die sich zu bestätigen schien.

„Akiyama hat uns von eurer Frage erzählt, wegen der Kettenmail“, antwortete der Erwachsene. „Die Email wurde ursprünglich in Naha losgeschickt.“

„Also ganz in der Nähe“, murmelte Takato halb zu sich selbst.

Mittlerweile sahen auch die anderen, sogar die Digimon, gespannt zu ihm.

„Aber das ist nicht das einzige, was wir herausgefunden haben“, fuhr Yamaki fort. „In der Email ist ein Programm enthalten, dass sich automatisch auf dem Handy installiert.“

„Ein Virus?“, fragte Takato.

„Wenn man so will“, erwiderte der Leiter Hypnos'. „Dieses Programm stellt...“ Mehr konnte Takato nicht verstehen, ehe auf einmal ein Rauschen die Leitung erfüllte.

„Yamaki-san?“, rief Takato unnötig laut in das Telefon. „Yamaki-san?“ Dann war die Verbindung komplett getrennt.

Der Junge sah auf das Display des Handys, dass einen Verbindungsfehler anzeigte.

„Was ist, Takato?“, fragte Kai.

„Die Verbindung ist auf einmal getrennt worden“, murmelte Takato, während nun auch die anderen Tamer zu ihnen hinüber sahen.

„Yamaki-san hat angerufen?“, erkundigte sich Shuichon, während sie zu ihnen hinüberging.

„Ja.“ Der Gefragte nickte. „Aber die Verbindung...“ Er führte den Satz nicht zu Ende und sah wieder auf sein Display.

Nun kamen auch Shoji und Denrei, gefolgt von den Digimon, zu ihnen hinüber.

„Was wollte Yamaki-san?“, fragte Shoji.

„Er hat etwas wegen der Kettenmail herausgefunden. Sie sei mit einem Programm, einer Art Virus, infiziert. Aber ehe er mehr sagen konnte, war die Verbindung getrennt.“

Für einen Moment herrschte Schweigen, während noch immer vereinzelte Raketen, die wahrscheinlich nicht mehr zum eigentlichen Feuerwerk gehörten, den Himmel erhellten. Ein leichter Wind ließ die Gruppe frösteln.

Kai schnupperte. „Es riecht nach Regen...“, murmelte er leise für sich und wurde kaum von den anderen beachtet.

„Ein Virus?“, fragte Denrei und holte sein Handy aus der Hosentausche um es anzusehen.

„Dann war es wirklich die Kettenmail, die dieses Digimon hergeholt hat?“ Shuichon sah zum Meer, wo am Tag vorher das seltsam fehlerhafte Digimon erschienen war.

„Vielleicht“, murmelte Takato und erneut schwieg die Gruppe.

Die Digimon sahen sich etwas ratlos an. Obwohl sie selbst digitale Wesen waren, verstanden sie von Computern und Programmen wenig.

„Moumantai“, murmelte Lopmon, das noch immer auf Shuichons Schulter saß.

Niemand anderes sagte etwas.

Da war es auf einmal ein Piepsen, dass sie aus ihren Gedanken riss. Nein, nicht ein Piepsen, sondern gleich fünf unterschiedliche Klingeltöne, die nur mit minimaler Zeitverzögerung begannen.

Die sechs Jugendlichen sahen sich an, während Mei auf einmal anfing in Richtung des Meeres zu knurren und zu bellen.

Takato, Denrei, Shoji, Shuichon und Minami sahen auf ihre Handys, nur um zu ihrer Überraschung einen anderen Text vorzufinden, als in den bisherigen Kettenmails: Dies ist mein Spiel.

„Was...“, begann Minami, als Kai aufschrie und auf das Meer zeigte.

„Da!“

Alle sahen hinüber, gerade noch rechtzeitig um zu sehen, wie ein Datastream auf die Wasseroberfläche vielleicht vierzig oder fünfzig Meter vom Strand entfernt auftraf. Noch ehe einer von ihnen reagieren konnte, breitete sich der Nebel der Digital Zone aus und riss sie von ihren Beinen.

Doch etwas war anders als sonst. Es war, als wäre der Boden unter ihren Füßen verschwunden. Sie hatten das Gefühl zu fallen. Und dann waren sie auf einmal von einer tiefen Dunkelheit umgeben.

Kapitel 08: Gefangen in der Dunkelheit

Es war Abend und bereits dunkel in Tokyo. Die Straßen der Metropole waren jedoch genau wie am Tag mit Menschen und Autos verstopft. Zumindest in Shinjuku, das Tag und Nacht nicht kannte, waren noch immer viele Menschen auf den Beinen und strömten über die Straßen.

Juri fühlte sich matt, während sie mit einer Einkaufstüte in der Hand, sich durch die Menge drängte. Es war heiß und auch wenn Tokyo am Meer lag, so drang zumindest heute nicht eine laue Brise in die Straßen der Stadt hinab, wo sich die Hitze zu einem nahezu unerträglichen (amount) angestaut hatte. Schon seit Tagen war es schwül und doch hatte es bisher weder Regen noch Gewitter gebracht, dass die Atmosphäre hätte abkühlen können.

Doch das war nicht der einzige Grund für die Mattheit der der Siebzehnjährigen. Sie hatte in den letzten Nächten nicht gut geschlafen. Seltsame Träume verfolgten sie und raubten ihr den Schlaf. Träume, die irgendwie real wirkten und an die sie sich doch kaum noch erinnerte, wenn sie aufwachte.

Wahrscheinlich eine Nebenwirkung der Hitze, die vielen Leuten den Schlaf raubte.

Sie seufzte. Mittlerweile hatte sie eine der Gassen, die zum Hintereingang der Bar ihres Vaters führte, erreicht. Sie blieb kurz stehen, um sich den Schweiß mit einem Taschentuch von der Stirn zu wischen. Als sie das Stofftuch in ihre Tasche zurücksteckte, hielt sie inne. Sie hatte ihr Digivice eingesteckt. Etwas, was sie schon lange nicht mehr getan hatte, und sie wusste nicht einmal, wieso.

Sie zog das Gerät, dessen Bildschirm schon lange nichts mehr anzeigte, aus ihrer Tasche und sah es an.

Sie hatte schon lange aufgehört zu trauern, und doch versetzte es ihr ab und zu einen Stich ins Herz, wenn sie daran dachte. An Leomon, das nur für kurze Zeit ihr Partner gewesen war.

Partner...

Juri erinnerte sich woran. In diesen Träumen hatte sie Leomons Stimme gehört. Dessen war sie sich sicher. Aber nicht nur Leomon... Da waren auch andere Stimmen gewesen. Was hatten sie gesagt?

Kouhei...

Das Mädchen schreckte aus ihren Gedanken auf. Hatte sie sich das eingebildet? War es nicht dieselbe dünne Stimme, die sie auch in jenem Traum gehört hatte?

Kouhei...

Nein! Da war es wieder.

Sie atmete tief ein. „Wer bist du?“, fragte sie halblaut in die dunkle Gasse hinein.

Da spürte sie auf einmal Wind, kühlen Wind, wie schon seit einigen Tagen ersehnt, doch sie wusste, dass dies kein Wetterphänomen war.

Kouhei... Ich muss mit ihm reden... Ich muss...
 

„Ist mit euch alles in Ordnung?“, fragte Takato.

Die anderen antworteten nicht sofort, sondern sahen sich verwirrt und unsicher an.

„Ich denke schon“, murmelte Shoji schließlich.

Mei hatte aufgehört zu bellen und drückte sich stattdessen an die Beine seines Frauchens. Ihm schien das ganze nicht wirklich geheuer, womit er allerdings nicht allein war.

„Wo sind wir hier?“, sprach Gazimon die Frage aus, die sie sich alle stellten.

Sie waren von einer seltsamen Dunkelheit umgeben. Zwar spürten sie einen seltsam weichen Boden unter ihren Füßen, doch konnten sie diesen nicht sehen. Sie konnten von ihrer Umgebung gar nichts sehen, und doch war es nicht vollkommen finster, da sie einander erkennen konnten, wenn auch die Gesichter der anderen für jeden von ihnen seltsam farblos wirkten. Die Schwärze, die sie umgab, schien sich zu bewegen. Jedenfalls meinte Denrei aus den Augenwinkeln Bewegungen zu erkennen, doch wenn er genau hinsah, war doch nichts da.

Er schauderte und den anderen schien es nicht anders zu gehen.

„Das ist nicht die Digiwelt, oder?“, flüsterte Shuichon.

Lopmon antwortete nicht sofort. „Nein“, antwortete es aber schließlich. „Dieser Ort ist vollkommen anders.“

„Aber wie sind wir hierher gekommen?“ Kai legte seinem Cousin die Hand auf die Schulter. Seine Stimme zitterte, auch wenn er offenbar versuchte, dies zu unterdrücken.

„Ich weiß es nicht.“ Takato sah sich um.

Da fiel Denrei etwas ein. „Vielleicht ist das der Ort, von dem das Digimon gestern gekommen ist.“

„Aber wie, wenn das nicht die Digiwelt ist?“, erwiderte Shoji.

„Vielleicht ist dies nicht die normale Digiwelt“, meinte Gazimon. „Aber vielleicht... Vielleicht ist dies trotzdem eine digitale Welt.“

Minami zitterte. „Ich will wieder zurück...“

Die anderen sahen das Mädchen an und Takato nickte schließlich.

„Wir sollten versuchen einen Weg zurückzufinden.“

Nickend stimmten auch die anderen zu.

Doch noch bevor sie sich in Bewegung setzen konnten, begannen die beiden Reptiliendigimon zu knurren.

Die Tamer sahen sich gewarnt an.

Da kam aus der Dunkelheit heraus etwas auf sie zugeflogen und öffnete sein Maul.

„Runter!“, rief Takato und warf Minami zu Boden, während sich die anderen fallen ließen. Gerade noch rechtzeitig, damit sie nicht von einer Energiekugel getroffen wurden.

Sie sahen auf das Wesen, das nun weiter auf sie zuflog.

„Airdramon“, murmelte Shuichon.

Doch auch dieses Digimon schien seltsam verpixelt und einige Teile seines Körpers waren beinahe komplett konturlos und schwarz.

Da stieß sich Lopmon von der Schulter des Mädchens ab und sprang auf das seltsame Digimon zu: „Blazing Ice“

„Lopmon!“, rief Shuichon aus.

„Pyroball!“

„G Shurunen!“

Auch die beiden Reptiliendigimon griffen an, doch ihre Attacken bewirkten nur, dass Airdramon an Höhe gewann um aus ihrer Reichweite zu kommen.

Gazimon, das mit seinen Nahkampfattacken von vorn herein nicht hatte angreifen können, sah zu seinem Tamer. „Shoji!“

Der Junge nickte und stand auf, während auch die anderen drei Tamer auf die Beine kamen.

„Card Slash! Super Evolve Plug-In S!“

Das Licht, das die Digimon nun umgab, wirkte blendend grell in der Dunkelheit, die sie umgab.

„Guilmon – Shinka! Growmon!“

„Dracomon – Shinka! Coredramon!“

„Gazimon – Shinka! Sangloupmon!“

„Lopmon – Shinka! Wendimon!“

Zumindest schien die Digitation die Aufmerksamkeit des Airdramon nun vollkommen auf die anderen Digimon gezogen zu haben, da seine Attacken nun auf diese gerichtet waren. Doch hielten sich auch die Vier nicht mit ihren Gegenangriffen zurück.

„Exhaust Flame!“

„G Shurunen II!“

„Sticker Blade!“

„Destroyed Voice!“

Die Attacken trafen das Airdramon kurz hintereinander, worauf es einen markerschütternden Schrei ausstieß. Es verlor Daten, löste sich aber nicht auf, und verschwand dann zurück in die Dunkelheit.

„Was war das für ein Digimon?“, fragte Minami leise.

Niemand antwortete.

„Dieses Airdramon schien denselben... Denselben Fehler zu haben, wie das V-dramon gestern“, meinte Denrei schließlich.

„Dann ist dies wirklich...“, begann Shoji. „Dann kam das V-dramon wirklich hierher?“

„Wahrscheinlich“, murmelte Takato und sah zu Minami, die sich mehr noch als sie darüber erschrocken zu haben schien. „Wir sollten sehen, dass wir zurückkommen, ehe uns noch so ein Digimon angreift.“

Niemand widersprach und so setzte sich die kleine Gruppe langsam in Bewegung. Dabei war sich jeder von ihnen bewusst, dass sie in dieser eintönigen Dunkelheit schnell im Kreis laufen konnten, ohne es zu bemerken. Aber was sollten sie sonst tun? Sie wussten nicht einmal wo sie waren und vom herumstehen würden sie sicher keinen Weg zurückfinden.

Niemand sagte etwas und langsam begann die Stille und die Dunkelheit Denrei noch bedrückter zu machen, als er ohnehin schon war. Doch langsam merkte er, dass die vermeidliche Stille nicht einmal wirklich still war. Nicht nur, dass ein leises Rauschen sie permanent zu Umgeben schien, wie ein in einiger Entfernung fließender Wasserfall, sondern auch verschiedene körperlose Stimmen schienen aus der Dunkelheit heraus zu sprechen. Nun, sprechen war vielleicht nicht der richtige Ausdruck, da die Laute eher an Ächzen und Stöhnen erinnerten. Nur ab und zu ließen sich ein Wort verstehen: „Daten...“

„Was ist das?“, flüsterte Minami, um die Kai seinen Arm gelegt hatte, während sich auch Mei weiterhin dicht neben ihr hielt.

Dieser sah zu Takato und, als der nicht antwortete, zu den anderen, die jedoch genau so ratlos waren.

„Irgendetwas stimmt hier nicht“, murmelte schließlich auch Wendimon, das die rechte Flanke der Gruppe bildete.

„Ach“, meinte Shuichon etwas gereizt.

„Wendimon hat Recht“, knurrte Growmon. „Growmon fühlt sich seltsam kalt...“

„Ich weiß nicht, ob wir das Level lange halten können“, stimmte Wendimon zu.

Erneut sagte dazu niemand etwas, doch Denrei gefiel der Gedanke gar nicht, dass die Digimon auf einmal wieder zurückdigitieren konnten. Sie wussten nicht, was sonst noch aus der Dunkelheit kommen konnte und eigentlich wollte er es auch nicht unbedingt herausfinden.
 

Das Herz des Jungen raste, während sein kleines Motorboot über das Wasser glitt. Er spürte den Regen kaum, der bereits seit einigen Minuten in feinen Tropfen vom Himmel hinab fiel. Stattdessen waren seine Augen auf die Lichtsäule fixiert, die in einiger Entfernung aus dem Meer hinaufzusteigen schien.

Endlich hatte er es geschafft. Das Tor war offen!

Und er Glück, denn es schien, als wären die Daten, die er brauchte ebenfalls dort. Er wusste zwar nicht woher die Tamer kamen, denn soweit er wusste gab es keinen anderen in Naha, aber er wusste, dass er ihre Daten nutzen konnte.

Ihre Daten und die Datenreste, die sich hinter dem Tor verbargen... Es musste reichen...

Aber sie werden dieselbe Trauer spüren, wenn ich die Daten ihrer Digimon nutze, flüsterte eine Stimme in seinem Kopf, doch er brachte diese Stimme zum Schweigen.

Natürlich wäre es besser gewesen die Daten wilder Digimon zu nehmen, wie er es eigentlich geplant hatte, doch nun waren es eben Tamer mit ihren Partnern gewesen, die in seine Falle gelaufen waren. Zumal sie schon am Vortag im Weg gewesen waren...

Nein, er konnte auf sie keine Rücksicht nehmen. Er würde alles tun, um seinen Fehler wieder gut zu machen; um Gomamon wieder zu sehen...
 

„Daten...“

„Daten...“

Es schien als würden die Stimmen um sie herum lauter werden, was nicht gerade beruhigend auf Denrei wirkte. Wir kommen hier nicht raus, dachte er sich, doch versuchte den Gedanken zu verdrängen. Ihm war übel und die seltsame Kälte, die hier herrschte, ließ seine Muskeln mittlerweile schmerzen.

Seltsam, wenn er bedachte, dass dies scheinbar auch nur eine digitale Welt war.

Stur versuchte er geradeaus, sprich, auf Growmon, das vor den Menschen lief, zu schauen, als er bemerkte, das Teile vom Körper des Digimons ab und an flackerten.

Er sah zu den anderen, die dies ebenfalls erkannt hatten.

„Es ist diese Welt“, murmelte Shoji. „Oder?“

Takato nickte nur.

Auf einmal fröstelte Denrei umso mehr. Er wusste nicht genau, was er unter dem Flackern verstehen sollte. Vielleicht verloren sie einfach nur Energie und würden zurückdigitieren – was an sich schon ein erschreckender Gedanke war – aber wenn sie zu viel Energie verloren... Was wäre dann?

Da Griff auf einmal eine Klaue nach Growmons Fuß und vollkommen instinktiv wichen die Jugendlichen zurück, während das Reptiliendigimon herumfuhr und mit seinem mächtigen Schwanz nach der grauen Klaue schlug.

Minami kreischte auf.

Ein Digimon kam aus dem, was ihr vermeintlicher Boden war, hervor. Es war ein rötliches Skelett, das nur schwer auf die Beine zu kommen schien, und mehr zu Growmon hinkrabbelte. „Daten“, keuchte es. „Daten...“

„Exhaust Flame!“ Die Flammen trafen auf das Digimon, das wie auch Aero V-dramon und Airdramon zuvor beschädigt schien, schienen jedoch keinen großartigen Schaden auszurichten.

„Skull Satamon“, erkannte Denrei das Digimon. „Ein Perfectlevel...“

„Wendimon!“, rief Shuichon aus und hielt eine Karte in der Hand, die sich im nächsten Moment blau verfärbte. „Card Slash! Matrix Evolution!“

„Wendimon – Shinka! Antiramon!“ Das große Hasendigimon zögerte nicht, Skull Satamon anzugreifen, welches sich jedoch auf einmal zu voller Größe aufrichtete und mit einem Schlag Antiramon zurückschleuderte.

Im nächsten Moment erschien ein Stab, der noch stärker beschädigt zu sein schien, als das gespenstische Wesen selbst, in der Hand des Dämonendigimons und ein Blitz feuerte von dessen Ende auf Antiramon, welches einen Moment später als Lopmon auf dem unsichtbares Boden aufschlug.

„Daten“, keuchte das Skull Satamon und schlurfte langsam zu Lopmon hinüber.

„Lopmon!“, schrie Shuichon aus und rannte zu ihren Partner, um sich schützend vor ihn zu stellen.

Die Hand des Skull Satamon drohte nach ihr zu greifen.

„Shuichon!“, rief Denrei aus, als sein Partner das gegnerische Digimon angriff.

„Blue Flare Breath!“

Die blauen Flammen trafen auf den Rücken Skull Satamons, was dieses jedoch nicht stoppen konnte. Da sprang Sangloupmon in die Seite des Digimons und brachte es zum Fall.

Sangloupmon wich aus, als Growmons Klaue glühend auf ihren gemeinsamen Gegner hinabsauste.

„Plasma Blade!“

Zwar traf die Attacke und sorgte dafür, dass die Brust des Dämonendigimons sich noch mehr verformte, als sie es ohnehin schon war, jedoch löste sich ihr Gegner nicht auf. Stattdessen griff er nach Growmons Arm und warf das große Digimon mit gespenstischer Leichtigkeit über sich hinweg.

Dann schlug es mit seinem Stab nach Coredramon und schickte dieses in die andere Richtung zu Boden, ehe es nach Sanglopmons Kehle griff und es in die Höhe hob. „Daten...“

„Sangloupmon!“, schrie Shoji auf, während die Gestalt seines Partners noch mehr zu flackern begann, als sie es vorher schon getan hatte.

Doch da erklang eine fremde Stimme.

„Das reicht!“

Selbst Skull Satamon hielt inne und man konnte beinahe meinen, dass es genau so verwirrt war, wie die Tamer.

„Du kannst ihre Daten nicht haben“, fuhr die Stimme herrisch fort. „Ich brauche sie.“

Und dann löste sich Skull Satamon auf einmal in weißlich schimmernde Datenpartikel auf, die einen Augenblick später verschwanden, während Sangloupmon zu Boden fiel und zu Gazimon zurückdigitierte.

„Wer...“, begann Takato, als sie ein Stück von sich entfernt eine Gestalt im Schatten erkannten.

Zwischenspiel: Ausfall

„Takato-kun?“, rief Yamaki ins Telefon. „Takato-kun?“ Die Leitung rauschte, dann kaum auf einmal das Signal, dass die Verbindung beendet wurde.

Der Erwachsene starrte auf das Telefon und wählte erneut die Nummer des Jungen.

Ihr gewünschter Gesprächspartner befindet sich aktuell nicht in unserem Servicegebiet“, erklärte eine Computerstimme. „Versuchen sie es doch später noch einmal.

Yamaki atmete tief durch, als er den Hörer auflegte.

Was war passiert?

Doch noch bevor er sich darüber Gedanken machen konnte, wurde es dunkel in der Hypnoszentrale. Nach und nach gingen die Bildschirme, inklusive dem großen sphärischen Überwachungsbildschirm aus. Selbst die Beleuchtung erstarb für einen Moment, ehe die Notstromversorgung ansprang.

„Was ist hier los?“, murmelte Yamaki angespannt und merkte kaum, dass sich seine Hand einmal wieder um sein Zippo verkrampft hatte.

„Ein Stromausfall?“, fragte auch Megumi, die auf einem der Überwachungsstühle unter der Sphäre saß.

Yamaki schüttelte den Kopf. Er hatte kein gutes Gefühl dabei. Irgendetwas stimmte nicht, auch wenn er nicht genau wusste was.

Das Programm, dass sie in der Email gefunden hatten, enthielt einen ähnlichen Algorithmus, wie sie genutzt hatten, um vor drei Jahren die Kinder in die Digiwelt zu schicken. Nur dass es nicht ganz dasselbe war und Yamaki sich ziemlich sicher war, dass es tatsächlich kein Tor zur Digiwelt öffnete. Nur was machte es dann?

Vor allem wusste Yamaki eins: Man brauchte eine Menge Arbeitsspeicher, um eine Verbindung zur digitalen Welt aufzubauen und selbst wenn man alle Handys in Japan zusammenschloss zweifelte er, dass es funktionieren würde. Sicher, die Email hatte auch einige Computer und natürlich endlos viele Smartphones erreicht, doch er war sich nicht sicher, ob das für eine stabile Verbindung reichen würde.

Doch die drängendste Frage war: Was sollte er tun?

Die Email schien ursprünglich aus Naha zu stammen, ganz aus der Nähe der Gegend, wo Takato und die anderen nun waren. Und sehr weit weg von Tokyo.

Zu weit, um nun etwas zu tun...

Kapitel 09: Verzweiflung

Takato starrte zu der Gestalt, die aus der Dunkelheit auf sie zukam. „Wer...“, setzte er an. „Wer bist du?“

Nun wo die Gestalt näher kam, konnten sie erkennen, dass es ein Junge zu sein schien, vielleicht fünfzehn oder sechzehn Jahre alt. Er hatte braune Haare, die länger als die von Takato, jedoch noch nicht so lang wie Kais Haare waren, und wirkte allgemein etwas blass.

„Weißt du, wie wir von hier weg kommen?“, fragte Minami, die noch immer verängstigt war.

Das Gesicht des Jungen wirkte emotionslos. „Ich... Ich brauche eure Daten... Die Daten eurer Digimon...“

„Was...?“, flüsterte Shuichon.

Denrei hingegen spürte Zorn in sich aufsteigen. „Sag mal, was redest du überhaupt für einen Scheiß?“, fragte er aufgebracht und machte einige Schritte in die Richtung des Jungen. „Du hast sicher auch mitbekommen, dass es hier gefährlich ist. Und du hast kein Digimon, oder? Hör auf so einen Blödsinn zu reden. Wir müssen hier weg!“ Er hatte den Jungen beinahe erreicht, als dieser auf einmal anfing zu schreien.

„Gomamon!“, rief er. „Gomamon!“

„Sag mal, was ist mit dir los?“, schrie Denrei ihn an und hob eine Hand um dem Jungen zu schlagen.

„Denrei!“, hörte er die Stimme Shuichons, doch noch bevor er etwas machen konnte, hörte er ein tiefes Knurren und etwas riss ihn von den Füßen, ohne das er wusste, was es war.

Als er sich wieder Orientieren konnte, starrte er auf das Ende einer Speerspitze, gesamt so breit wie sein Oberkörper.

Vor ihm stand, sicher fünf Meter groß, ein weiteres Digimon mit einem ähnlichen Fehler, wie die anderen Digimon, die sie hier gesehen hatten. Es war ein Neptunemon.

„Gomamon“, flüsterte der Junge. „Du bist digitiert, Gomamon?“

Das Digimon erwiderte nichts, während Denrei zitternd unter der Spitze des Speers lag. Dann auf einmal hob es den Speer ein Stückchen.

„Gomamon“, fuhr der fremde Junge fort. „Ich bin hier um dich zurück zu holen.“ Dabei hielt er etwas in seinen zitternden Händen, dass Denrei nun als ein Digivice erkennen konnte. „Ich habe ein Programm geschrieben, ich habe Daten gesammelt... Gomamon, du kannst wieder mit zurück. Du musst nicht hier bleiben...“

Nun regte sich der Kopf des Ultimate-Digimons. „Daten?“, erklang eine tiefe, kehlige Stimme.

„Ja, Daten.“ Er holte eine Karte, die sich sowohl von den normalen Spielkarten, als auch von der blauen Karte unterschied, aus seiner Tasche und zog sie durch das Digivice. Im nächsten Moment lösten sich einige weiße Datenpartikel aus dem Digivice und wurden von Neptunemon absorbiert.

Die Augen des Digimon glühten gespenstisch auf, während die Gestalt seines Körpers an einigen Stellen klarer wurde.

„Wenn wir die Daten ihrer Digimon nehmen kannst du mit zurück“, meinte der Junge und seine Stimme klang auf einmal heiser. „Gomamon, du kannst wieder zu mir nach Hause.“

Neptunemon sah zu Growmon und Coredramon, dann auf einmal wieder zu Denrei. Und dann, ohne vorwarnung, sauste der Speer auf diesen hinab.

„Denrei!“, kreischte Shuichon, während Coredramon knurrte.

„Coredramon – Shinka! Wingdramon!“ Das große Drachendigimon gewann an Höhe, nur um nur wenige Millisekunden später auf das Neptunemon hinabzustürzen. „Explode Sonic Blast!“

„Was machst du da?“, schrie der Junge entsetzt. „Die Digimon! Die Menschen haben keine Daten! Sie musst du nicht töten!“

Noch stärker zitternd als vorher blieb Denrei liegen und beobachtete, wie Wingdramon versuchte das kleinere Götterdigimon auf dem Boden zu halten. Doch auch wenn Wingdramon größer war, so war es seinem Gegner um ein Level unterlegen und wurde nun durch einen Wasserstrahl aus Neptunmons Maul zurückgeschleuerdert.

„Denrei!“, rief Shuichon, die den Jungen nun erreichte. „Denrei, bist du in Ordnung?“

Der Siebzehnjährige brauchte etwas, bis ihm wieder einfiel, wie man sprach. „Ja“, brachte er knapp hervor.

Derweil sah Takato zu seinem Partner. „Wir müssen kämpfen“, sagte er.

Das Digimon, das selbst noch immer flackerte, nickte.

Takatos Digivice leuchtete auf und ein Kreis erschien um die beiden herum, in dem Growmon nun zu Guilmon zurückdigitierte.

„Matrix Evolution!“, rief Takato.

„Guilmon – Shinka! Dukemon!“ Mit gezogener Lanze flog das Digimon auf seinen Gegner zu. „Final Elysium!“

Der Energieschwall traf Neptunemon und drängte es zurück.

Zwischen all dem fühlten Minami, die am Boden neben dem verängstigten Mei kniete, und Kai verloren. Noch weniger als die anderen verstanden sie, was gerade vor sich ging, wo sie waren oder auch nur wie sie hergekommen waren. Und wie schon vor sieben Jahren, als Mephismon Shishaamon getötet hatte, konnten sie nichts tun.

„Aber wieso hört das Digimon denn nicht auf ihn?“, flüsterte Minami.

„Weil es nicht sein Digimon ist“, erwiderte Shoji, der nur einige Meter von ihnen entfernt neben Gazimon kniete.

„Es ist irgendein Digimon, aus dieser... Welt“, ergänzte das geschwächte Child-Digimon. „Aber nicht sein Partner.“

Der Wasserschwall traf auf Dukemon und warf es zurück.

Verdammt“, fluchte Takato. Er war sich sicher, dass sie an sich stärker waren, als ihr Gegner, doch hier in dieser seltsamen Welt fühlte es sich an, als hätten sie nicht ihre ganze Energie, als würde Dukemons Körper langsamer reagieren.

Neptunemon hob seinen Speer, der zu pulsieren begann, als eine Energiewelle von Slayerdramon es traf.

„Lopmon“, flüsterte Shuichon und sah auf ihren noch immer geschwächten Partner. „Glaubst du wir können kämpfen?“

„Wir müssen es versuchen“, erwiderte das Digimon.

Das Mädchen sah zu Denrei, der neben ihr auf dem Boden kniete.

„Ich komm schon klar“, beantwortete dieser die unausgesprochene Frage, woraufhin Shuichon ihr Digivice hob.

„Matrix Evolution!“, rief sie, wie schon Takato zuvor. Doch nichts geschah. Sie versuchte es noch einmal. „Matrix Evolution!“ Aber erneut passierte nichts.

„Was ist denn los?“, hauchte sie. „Bei Takato ging es doch auch...“

„Vielleicht ist es, weil Lopmon geschwächt ist“, versuchte Denrei eine Erklärung zu finden.

Das langohrige Digimon regte sich etwas. „Vielleicht ist es auch, weil Takato und Guilmon damals gegen D-Reaper gekämpft hat...“

Ein weiterer Wasserstrahl schickte Wingdramon zu Boden, wo es flackernd liegen blieb.

„Slayerdramon!“, rief Denrei aus.

Derweil stand der seltsame Junge nur ein kurzes Stück von ihnen entfernt. Fassungslosigkeit auf seinem Gesicht. Es starrte auf sein Digivice, das in seiner zitternden Hand lag, und schien nicht zu begreifen oder nicht begreifen zu wollen, was vor sich ging. „Aber, Gomamon...“, kam es heiser über seine Lippen. „Wieso...?“

Das Digivice viel auf den Boden, wo es mit flackerndem Bildschirm liegen blieb, während die Beine des Jungen nachzugeben drohten.

Da klang eine Stimme aus der Dunkelheit. Im Gegensatz zu den die ganze Zeit murmelnden, flüsternden und zischenden Stimmen klar und deutlich zu verstehen. „Kouhei.

Der Junge sah sich um. „Gomamon?“

Kouhei...“ Die stimme klang zerbrechlich, aber doch klar. „Was hast du getan?

Da konnten sie in einiger Entfernung eine weitere Gestalt erkennen. Nein, es waren zwei Gestalten. Die eine menschlich, während die andere beinahe vollkommen aus Schatten zu bestehen schien, und auch in einiger Entfernung stehen blieb und der menschlichen Gestalt – es war ein Mädchen – zunickte, ehe sie verschwand.

Da erkannte Shuichon das Mädchen. „Juri!“, rief sie aus.

In den Armen des Mädchens war ein weiterer Schatten, jedoch viel kleiner als der, der sie begleitet hatte. Nur entfernt noch erinnerte er an ein Digimon, doch als der andere Junge – Kouhei? - ihn erblickte, fingen Tränen an über seine Wangen zu laufen. „Gomamon...?“

Kapitel 10: Am Ende

„Gomamon...?“ Die Stimme des Jungen – Kouheis – klang zweifelnd. Tränen liefen über seine Wangen, als er zu Juri sah, auf deren Armen der Schatten eines sehr kleinen Digimon saß.

Erst als sie näher kam erkannte Denrei, dass das Digimon ein Pukamon zu sein schien, auch wenn es noch schwerer zu erkennen war, als Neptunemon.

Sein ganzer Körper schien beinahe komplett schwarz zu sein und flimmerte teilweise. Doch er war sich recht sicher, dass es ein Pukamon war.

Was hast du getan, Kouhei?“, wiederholte das schwache Digimon seine Frage.

Der Junge erwiderte nichts, sondern fiel nun endgültig zu Boden, als seine Beine nachgaben. „Gomamon“, wiederholte er nur schluchzend. „Gomamon...“

Derweil schaffte es das seltsame Neptunemon weiter Dukemon und Slayerdramon zurück zu drängen. Es schien ungewöhnlich stark, hatten sie doch Probleme es zu besiegen, selbst nachdem sie die Demon Lords besiegt hatten.

„Daten...“, stöhnte es, als es mit seinem Speer Dukemon gegen eine Wand drückte, die genau so unsichtbar schien, wie der Boden in dieser merkwürdigen Dimension.

Takato im Inneren von Dukemon spürte den Schmerz seines Partners und keuchte auf. Er merkte, dass sie mit jeder vergehenden Sekunde Energie verloren. Wenn das so weiter ging, würde sich die Verbindung, die sie zusammenhielt, auflösen. Und dann... Er sah zu Juri. Was machte sie hier?

Es streckte seine Klauen nach Dukemons Brust aus, als es von hinten durch eine blaue Stichflamme getroffen wurde.

„Blaze Sonic Breath!“ Wingdramon schwebte über ihm in der Luft.

„Danke!“, rief Dukemon ihm zu.

Während die Digimon weiter kämpften, ging Juri weiter auf den Jungen zu und kniete sich vor ihm schließlich hin, um das Pukamon in ihren Armen wieder abzusetzen.

„Gomamon“, hauchte der Junge erneut und streckte seine zitternde Hand nach dem schattenhaften Digimon aus. „Ich bin hier, um dich zurückzuholen, Gomamon...“

Dummkopf“, erklang die ferne Stimme des Digimons. „Verstehst du nicht, was du getan hast?

„Aber Gomamon“, erwiderte Kouhei. „Ich wollte dich wieder sehen... Ich wollte...“

Dazu ist es zu spät, Kouhei“, antwortete das Digimon. „Und nun hast du auch noch andere mit hinein gezogen?

Er schluchzte. „Aber ich... Ich...“

Neptunemon wurde von Dukemon zurückgeworfen und ging zu Boden. Doch anstatt liegen zu bleiben, richtete es sich auf und hob eine seiner Klauen. Ein leuchtender Ring erschien über ihm und einen Moment später, strömte ein Schwall aus schwarzem und eiskalten Wasser auf den Boden hinab und hatte schnell Knöchelhöhe erreicht.

„Was...“, begann Denrei, der seine Füße nun nicht mehr sehen konnte.

„Mach etwas!“, rief Shuichon fast befehlend aus.

„Aber...“, stotterte er, als Shoji ihm eine Karte in die Hand drückte.

Er sah auf die Karte und dann zu Shoji. Er nickte.

„Dukemon!“, rief er aus. „Du musst es jetzt besiegen!“

Das Ritterdigimon nickte, während Denrei auch zu seinem Partner sah. Er konnte nur hoffen, dass Shojis Plan funktionierte.

„Card Scan! Chains of Hell!“ Sein Digivice leuchtete auf und einen Moment später taten die beiden goldenen Kugeln in Slayerdramons Händen dasselbe. Dann schossen Ketten aus ihnen hervor und schlangen sich um Neptunemon herum.

Im nächsten Augenblick wurde Dukemon von Licht umgeben. Seine Rüstung veränderte sich, färbte sich rot und Flügel wuchsen aus seinem Rücken hervor. Auch seine Lanze verwandelte sich und wurde zu einem Doppelseitigem Schwert aus Kristall. So flog es auf das feindliche Digimon zu, das von den Ketten bewegungsunfähig gemacht worden war.

Dann drang die Schneide des Schwertes in die Brust Neptunemons ein und leuchtete auf. Es gab eine Explosion aus Licht und einen Moment später zersprangen erst die Ketten und dann der Körper des olympischen Digimons in Datenpartikel.

Keine Sekunde zu früh, denn einen Augenblick später löste sich Dukemon auf und Takato und Guilmon landeten unsanft auf dem noch immer von dunklem Wasser überzogenen Boden.

Da löste sich endlich Kai aus der Starre in der er zusammen mit Minami all das beobachtet hatte, ohne viel zu verstehen, und rannte zu seinem Cousin hinüber. „Takato! Hey, Takato! Alles in Ordnung!“ Schnell half er ihm sich aufzurichten.

Takato atmete tief durch und nickte dann. „Ja.“

„Guilmon ist müde...“, seufzte das Digimon neben ihm, während Takato sich nun ganz aufrichtete.

„Kannst du laufen?“, fragte Kai, als er bemerkte, dass der andere etwas wackelig auf den Beinen zu sein schien.

„Ja“, antwortete Takato und hielt zielsicher auf Kouhei, Juri und das schattenhafte kleine Digimon zu.

Während auch Minami und Mei ihnen folgten, blieben Denrei, Shuichon und Shoji stehen und sahen zu den anderen hinüber.

Nun fiel auf einmal auch Dracomon zu Boden und hinkte zu Denrei hinüber, der es auffing, ehe es ganz hinfallen konnte.

Du musst zurückkehren“, hauchte Pukamon. „Mit den anderen...

Der Junge sah es an und schüttelte vehement den Kopf. „Nein, Gomamon. Ich kehre nicht ohne dich zurück! Ich...“

Du musst“, erwiderte das Digimon. „Ihr könnt nicht hier bleiben... Diese Welt... Ist nicht für Menschen bestimmt.

„Ich werde dich nicht noch einmal im Stich lassen!“, rief Kouhei aus.

Verwirrt sah Kai zu Takato. „Was heißt das alles?“

Sein Cousin schwieg.

„Hat etwa dieser Pimpf uns hier hergeholt?“, fragte der dunkelhäutige Junge weiter.

Der „Pimpf“ weinte noch immer. „Es tut mir leid“, flüsterte er. „Aber ich...“

Bring sie zurück“, flüsterte Pukamon. „Tu das richtige...“ Seine Stimme wurde immer schwächer.

Noch immer zitterte der Junge, als Juri seine Hand ergriff.

„Ich weiß, dass es schwer ist“, sagte sie leise. „Aber es gibt Dinge, die man nicht Rückgängig machen kann, egal wie sehr man es sich wünscht.“ Sie sah ihn an. „Ich habe auch meinen Partner verloren, vor langer Zeit. Aber ich weiß, dass er... Dass Leomon nicht wollte, dass andere wegen ihm leiden.“

Auch Kai zitterte. Doch als Takato zu ihm sah, erkannte er, dass es nicht aus Angst oder Trauer, sondern aus Wut war.

„Könnt ihr nicht aufhören zu labern?“, rief er aus. „Wenn du uns zurückbringen kannst, dann tu das, verdammt noch mal auch. Ich habe keine Lust hier zu sterben!“

Minami griff nach seiner Hand. „Lass“, flüsterte sie. „Lass es sein.“

Kouhei“, flüsterte Pukamon. „Geh.

Langsam nickte der Junge schließlich, schluchzend. Er griff in das dunkle Wasser und hob sein Digivice daraus hervor, ehe er eine vollkommen weiße Karte aus seiner Tasche holte. „Gomamon“, flüsterte er dann und zog das Digimon an sich. „Gomamon.“

Ich habe mich gefreut, dich wieder zu sehen, Kouhei“, hauchte das Digimon. „Du musst jetzt gehen... Geh...“ Und mit diesen Worten löste sich das Digimon auf.

Noch immer weinte Kouhei, als er auf seine nun leeren Arme sah, doch er zog die Karte durch den Schlitz an seinem Digivice. „Gomamon“, schluchzte er, als sein Digivice aufleuchtete und sie alle blendete. „Gomamon!“

Für einen Moment sahen sie nichts, doch dann spürten sie den Regen auf ihrer Haut und hörten das Rauschen des Meeres.

Sie waren wieder am Strand, es war Nacht und es schien beinahe so, als wäre nichts passiert.

Es herrschte Schweigen, während sie sich alle ansahen, unsicher, was gerade passiert war. Was das für ein seltsamer Ort war, an dem sie gewesen waren. Sie alle hatten einen Gedanken, doch niemand sprach ihn aus, vielleicht aus dem Gefühl heraus, dass es Dinge gab, über die man besser nicht nachdachte.

„Wir sind zurück“, stellte Shuichon schließlich das offensichtliche fest und sah mitleidig zu dem schluchzenden Jungen hinüber, um den nun Juri ihre Arme gelegt hatte.

„Und es regnet...“, grummelte Gazimon schwach, aber immer noch ungehalten.

Lopmon, das die ganze Zeit still in den Armen seiner Partnerin gelegen hatte, blinzelte etwas. „Moumantai...“

Da ließ ein Geräusch sie alle aufschrecken und erst nachdem es einige Sekunden anhielt, realisierten sie, dass es Takatos Handy war, das klingelte.

Er hob ab. „Ja? Hallo?“

„Takato-kun?“, erklang Yamakis Stimme vom anderen Ende der Leitung. „Ist bei euch alles in Ordnung?“

Takato sah zu dem weinenden Jungen und den lädierten Digimon. „Ja... Ja, es ist alles in Ordnung.“

„Was ist bei euch passiert?“, fragte Yamaki weiter und klang dabei ernsthaft besorgt.

„Es... Ist eine lange Geschichte, Yamaki-san“, antwortete Takato. „Aber es ist vorbei. Es ist alles in Ordnung. Wirklich.“

Er hörte den Mann am anderen Ende der Leitung seufzen. „Wir haben uns Sorgen gemacht“, sagte er schließlich.

„Ich weiß“, erwiderte Takato nach kurzem Schweigen. „Aber wir haben das Problem gelöst. Ich kann euch mehr erzählen, wenn wir zurück in Tokyo sind.“

Für einen Moment schwieg auch Yamaki. „Gut. Dann hoffe ich, dass wirklich alles gelöst ist.“

„Ja.“ Takato lächelte halb. Da fiel ihm etwas ein. „Ach ja, Yamaki-san, sagen sie doch bitte Juris Eltern Bescheid.“ Er sah das Mädchen an und wusste, dass es schwer werden würde das zu erklären. „Sie ist bei uns.“

„In Okinawa?“, fragte Yamaki aufgebracht.

Der Junge seufzte und sah auf sein Handy. „Ja“, erwiderte er schließlich und legte einfach auf. Er war zu müde, um all das zu erklären.

Er sah zu Kai, der noch immer wütend Kouhei anstarrte, und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Wir sollten rein gehen“, meinte er.

Und während sein Cousin noch immer die Fäuste ballte, lächelte Minami an seiner Seite matt. „Ja, das sollten wir. Mir ist kalt.“

„Wir könnten noch etwas essen“, meinte Shuichon und sah sie an.

„Gute Idee“, stimmte Dracomon zu. „Ich habe nämlich Hunger.“

Die vier Tamer sahen es an und dann begannen sie auf einmal zu lachen. Manchmal war es beruhigend, dass es Dinge gab, sie sich gar nicht veränderten.

„Guilmon auch! Guilmon auch!“, rief das andere Reptiliendigimon, während es ihnen die Treppe zum Haus hinauf folgte. „Guilmon hat auch Hunger!“

Epilog: Noch immer... Sommerferien

Denrei lag auf einer im Meer treibenden Luftmatratze und starrte in den strahlend blauen Himmel hinauf.

Die Feststellung dieses Urlaubs war, dass sie offenbar nicht einmal vor Digimon Ruhe hatten, wenn sie über tausend Kilometer von Tokyo entfernt waren. Wobei Ruhe vor Digimon ohnehin eine relative Sache war, dachte er missmutig, da nicht all zu weit von ihm Shuichon, Kai und die Digimon im Wasser tobten.

Ob er jemals wieder Ruhe vor Shuichon haben würde?

Noch immer wussten sie nicht genau, wo sie gewesen waren. Und da sie alle eine Vermutung hatten und schweigend darüber überein gekommen waren, dass sie diese lieber nicht bestätigt wussten, hatten sie den Jungen – Kouhei – nicht gefragt. Das wissen, dass sein Partner Gomamon vor etwa einem Jahr bei einem Kampf gegen ein gegnerisches Digimon gestorben war, gab ihnen schon Sicherheit genug.

Ob Kouhei wirklich ihre Digimon geopfert hätte, um Gomamon zurückzubekommen?

Nun, Denrei konnte ihn schon verstehen. Würde er nicht dasselbe machen, wenn Dracomon sterben würde?

Er seufzte und drehte den Kopf zum Strand. Den Digimon schien es soweit wieder gut zu gehen und auch Minami schien sich einiger Maßen von ihrem Schock erholt zu haben.

Sie saß zusammen mit Mei, Juri, Takato und auch dem wasserscheuen Gazimon am Strand. Die beiden Mädchen schienen sich leise zu unterhalten, während Takato etwas über einen Meter Abstand zu ihnen hielt und immer wieder etwas nervös zu ihnen hinübersah. Gazimon döste derweil nur im Schatten.

Etwas wofür Denrei das Digimon beneidete. Denn Shuichon hatte ihn nicht in Ruhe gelassen, bis er nicht zumindest auch einmal ins Wasser kam. Zwar konnte er auf der Luftmatratze ebenso gut vor sich hin dösen, doch war er sich sicher, dass er hier in der prallen Sonne selbst mit der Sonnencreme einen Sonnenbrand bekommen würde.

Ihm war das Regenwetter lieber gewesen, auch wenn er damit wahrscheinlich allein war.

Naja, zumindest Dracomon schien Spaß zu haben, während es mit Lopmon, Guilmon und Kai im Wasser tobte und etwas unkoordiniert einen Wasserball in die Luft schleuderte. Es war erstaunlich, wie leicht sich Digimon mit einem Ball beschäftigen ließen, dachte er, und hoffte im nächsten Gedankengang nur, dass die Digimonzwillinge kein zu großes Chaos im Shinjuku Central Park veranstalteten, während sie hier waren. Die Tatsache, dass Impmon versprochen hatte, dass es auf die beiden aufpasste, beruhigte ihn nicht im geringsten, nachdem es von den anderen Tamern einige Geschichten über Impmon gehört hatte.

Er beobachtete die Digimon im seichten Wasser und erst zu spät fiel ihm auf, dass etwas nicht stimmte: Shuichon war nicht bei ihnen.

Einen Moment später drehte sich die Luftmatratze unter ihm und er landete im Wasser, noch bevor er einen Chance hatte die Luft anzuhalten.

Er wurde für einige Sekunden unter Wasser gedrückt und keuchte, als er es schließlich schaffte, sich wieder an die Wasseroberfläche vorzukämpfen.

„Sag mal, was soll das?“, fuhr er das grinsende Mädchen an.

Shuichon stemmte ihre Hände unter Wasser in die Hüften. „Du bist ja so ein Langweiler, Denrei!“

„Ja, und?“, grummelte er und versuchte die auf den leichten Wellen treibende Luftmatratze wieder einzufangen.

„Es schadet dir sicher nicht, auch ein mal ein wenig Spaß zu haben“, erwiderte sie und gab der Matratze einen Schubs, um sie weiter von ihm weg zu befördern. Dann packte sie ihm am Handgelenk. „Du kommst jetzt mit.“

„Aber ich...“, begann er zu protestieren, wobei er schon wusste, dass er keine Chance hatte. Zumal das Mädchen einen erstaunlich festen Griff hatte...

„Ja“, jubelte derweil sein Partner. „Denrei spielt auch mit!“

Er seufzte.

„Jetzt hab dich nicht so“, meinte Shuichon, die einen recht knappen, pinken Bikini trug, tadelnd. „Wir haben nur noch drei Tage hier! Nur noch drei Tage! Da solltest du wirklich ein wenig Spaß haben!“

Sein Seufzen wurde tiefer. „Noch ganze drei Tage?“, murmelte er entgeistert. Ihm kam dieser Urlaub schon wie eine halbe Ewigkeit vor.



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Von:  DINO2011
2012-10-28T22:58:34+00:00 28.10.2012 23:58
Tja, ich kann ihn verstehen, der arme Denrei. Das er sich auch immer von Shuichon so überrumpeln lässt xD mittlerweile sollte der arme Junge doch schon etwas dazu gelernt haben was das angeht. Da bleibt mir nur noch zu hoffen, dass sich alle von den Strapazen gut erholen :)
Ein schönes Ende für den Epilog, muss ich schon sagen. Er hat irgendwie so geendet wie die FF begonnen hat, mit einem Grummelnden Denrei der nicht mit wollte xD

Von:  DINO2011
2012-10-28T22:58:12+00:00 28.10.2012 23:58
Nun, irgendwie werde ich das Gefühl nicht los das es zu einfach war >.<
Vielleicht hatte ich auch einfach mit mehr gerechnet als ich angefangen habe mit dem Lesen des letzten Kapitels, jedoch finde ich wirklich das alles sehr schnell ging zum Schluss, es wirkt fast zusammengestutzt.
Nichts desto trotz fand ichs gut. Es war im Stil von DAG geschrieben, die Charaktere verhielten sich alle so wie ichs mir von der Serie her gedacht hatte und auch so fand ich das es ein guter Film geworden wäre, wenn das Ende etwas ausführlicher gewesen wäre irgendwie >.<
So ist der Film zwar gut, aber halt nicht herausragend, wie man es sich doch für eine wirklich gelungene Serie wünschen würde. Ich bin jetzt schon gespannt was sich im Epilog noch ergeben wird und werde den nun auch sofort verschlingen.

Von:  DINO2011
2012-10-28T22:57:48+00:00 28.10.2012 23:57
Tja, nun, er war es doch >.<
Ich hatte schon beinahe auf einen weiteren glorreichen Auftritt von, hm, ka, irgendeinem schon besiegten Digimon gewartet. Trotzdem ist die ganze Sache wohl nicht so gelaufen wie es sich der Junge vorgestellt hat. Nun, Juri wird’s schon richten, zumindest das was sie da in den Armen trägt. Ich freue mich für sie das sie Leomon wieder gesehen hat, zumindest hoffe ich das der zweite Schatten ihr ehemaliger Partner war.

Von:  DINO2011
2012-10-28T22:57:27+00:00 28.10.2012 23:57
Tja, auch Mr. Yamaki kann nicht immer helfen :)
Ich bin mir zwar sicher das er noch sein möglichstes tun wird, denke jedoch nicht das er hier das Geschehen noch sehr beeinflussen wird, zumindest nicht in näherer Zukunft. Mal sehen wie es aussieht wenn er endlich weiß was er machen möchte.

Von:  DINO2011
2012-10-28T22:57:03+00:00 28.10.2012 23:57
Nun, ich bin positiv überrascht, gar kein Gefühlsgedudel, bzw noch nicht, und das obwohl sie im absoluten Dunkel relativ schutzlos herumlaufen. Ich bin wirklich gespannt wer der/die unbekannte ist und hoffe mal nicht, dass es der Junge ist der hier für alles verantwortlich ist, denn das wäre doch etwas fad :p
Von:  DINO2011
2012-10-28T22:56:39+00:00 28.10.2012 23:56
Ach ja, die Dunkelheit. Mal sehen welche Gefahren diesmal in ihr lauern ^^
Nun, das es diesmal ganz im Stiele eines alten Digimonfilms um die Kettenmails geht finde ich wirklich toll, ich denke einfach, dass es doch ein sehr gutes Mittel ist um allerlei Blödsinn im Universum von Digimon zu veranstalten. Ich hoffe das es jetzt jedoch ohne all zu viel Gefühlsgedudel dahin geht und wir bald tolle Kämpfe sehen :)

Von:  DINO2011
2012-10-28T22:55:43+00:00 28.10.2012 23:55
Nun, das Kapitel erklärt uns jetzt wirklich kurz und bündig warum das alles passiert und wer dafür verantwortlich ist O.o
Ich hatte mir nicht gedacht, dass wir das so einfach herausfinden werden und jetzt bin ich etwas aus dem Konzept xD
Aber ich denke mir mal das sich alles noch fügen wird.
Das Jenrya einen Siscon hat ist ja nichts Neues, zumindest nicht wenn man sich DAG durchgelesen hat xD
Aber das jetzt ist doch schon fast übertrieben finde ich irgendwie >.< Der arme Junge stirbt ja noch aus sorge xD Mich wundert schon fast das er nicht zu Saintgalgomon digitiert mit Terriermon und dort hin fliegt, bzw könnte ich mir vorstellen, dass er das macht sobald er erfährt was dort wirklich los ist.

Von:  DINO2011
2012-10-28T22:54:43+00:00 28.10.2012 23:54
Hui, nun, der arme Ryou, mehr kann man da wohl nicht sagen xD
Ich meine, er steht schon etwas unterm Schlapfen wenn man sich das ganze so anhört, ob er das wohl verdient hat?
Ich bin jetzt ehrlich schon gespannt wo das alles einen Ursprung hat und was noch alles auf die – mittlerweile nicht mehr ganz so nasse – Bande wartet.

Von:  DINO2011
2012-10-28T22:54:17+00:00 28.10.2012 23:54
Nun, endlich etwas Aktion *-*
Also, ich fand den Kampf wirklich gut gestaltet. Du hast die Tatsache gut ausgenutzt das Denrei seine Karten nicht dabei hatte. Die anderen haben einfach schon so viel erlebt, dass sie mit Sicherheit ihre Karten überall mit hin nehmen, und wenns die Sauna ist xD
Ich bin schon gespannt darauf was es nun mit den fehlerhaften Daten auf sich hat, auch wenn es gerade etwas den Beigeschmack von .HACK hat irgendwie, was aber auch daran liegen könnte das ich erst Roots gesehen habe.

Von:  DINO2011
2012-10-28T22:53:46+00:00 28.10.2012 23:53
Hm, nun, es sieht also doch so aus als würde sich hier in nächster Zeit was bewegen, und das freut mich wirklich. Auch bin ich jetzt neugierig ob du die anderen, die jetzt nicht in Okinawa dabei sind, auch mit einbeziehen willst. Mal sehen was Juri da entdeckt hat und ob es wirklich direkt mit dem zusammen hängt was Denrei und Minami da gerade entdeckt haben.


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