Zum Inhalt der Seite

with DEVIL MAY CRY - Dragon

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

New Game

Wie sie es hasste Versetzt zu werden.

Ungeduldig tigerte die junge Jägerin auf dem Parkplatz auf und ab.

Auch wenn es nur um das Ausräuchern von Dämonen ging, so wollte ihr Auftraggeber, dass sie sich mit einem Partner traf, den sie noch nicht kannte.

Schnell hatte sie noch einmal die Auftragsbestätigung aus der Tasche gewühlt und las erneut die mageren Details:

Die Dämonen hausten in einer alten verlassenen Lagerhalle. Die genaue Anzahl war unbekannt, genauso ihre Art. Aus Vorsicht wurde ein zweiter Allrounder eingeschaltet. Er nennt sich „Sunny“.

„Wer nimmt bitteschön so einen scheiß Namen?“, fragte sie sich laut.

„Jemanden dem der Name gefällt.“, hörte sie hinter sich plötzlich eine Männerstimme.

Blitzschnell fuhr sie herum und richtete eine Kleinkaliber Pistole auf den Unbekannten.

Er war kaum zu sehen. Er trug komplett Schwarz, sogar mit einer hochgekrempelten Sturmhaube.

„Lady nehme ich an.“, meinte er neugierig und trat einen Schritt aus den Schatten.

Seine blauen Augen musterten sie neugierig.

„Dann ist du also Sunny.“, meinte sie zu dem Unbekannten, welcher darauf nickte.

Langsam kam er näher und blieb auf halber Höhe stehen.

„Ich weis ja nicht, ob es gegen den Knigge verstößt seinen Gegenüber mit einer Waffe zu bedrohen.“, meinte er offen und deutete auf die 9mm-Pistole, die die junge Jägerin noch im Anschlag hatte.

Sie sah auf die Waffe und zuckte mit den Schultern, bevor sie die Waffe in einem der Halfter verschwinden lies.

„Man kann nie vorsichtig genug sein.“, meinte sie und lächelte den Unbekannten an.

Seine blauen Augen funkelten freudig.

„Und deine Waffen?“, erkundigte sie sich, da sie keine sah.

„Ich selbst bin Waffe genug.“, meinte er mit einem Lächeln auf den Lippen.

OK, ein Grünschnabel auf Höhenflug.

„Bist du dir sicher? Die Dinger bringen dich um, wenn du schlecht vorbereitet bist.“, meinte sie besorgt um den Jungen.

„Ich mach das nicht zum ersten mal, also brauchst du dir auch keine Sorgen machen.“, meinte er zuversichtlich und wischte ihre Bedenken mit einer Handbewegung fort.

So was überhebliches hatte sie schon ein paar mal erlebt. Und das war auch der Grund warum sie lieber alleine arbeitet.

„Na dann wollen wir mal.“, meinte sie und ging zu ihrem Motorrad, an dem ihr heißgeliebter Raketenwerfer, mit dem Namen „Kalina Ann“, stand.

„Dann werde ich dir folgen.“, meinte er und seine ganze Art hatte sich mit einem Schlag geändert.

Vielleicht doch kein Grünschnabel.

„Na gut, aber lass dich nicht abhängen.“, meint sie und startete die schwere Maschine.

„Ich bin da, also mach dir m mich keine Sorgen.“, sagte er und verschwand erneut in den Schatten.

Komischer Typ, dachte sich Lady und wartete noch einen Moment. Sie wartet auf das Geräusch eines startenden Motors.

Aber es blieb still.

Nach geschlagenen zehn Sekunden wurde ihr das zu bunt und sie gab Gas.

Sie liebte das Gefühl der Freiheit, wenn sie auf der schweren Maschine saß, die sie selbst aufgemotzt hatte. Erneut gab sie Gas und der Motor gab ein gefährliches Grollen von sich. Wie sie den Sound ihrer Maschine liebte. Es zeigte jeden in ihrer Umgebung, dass sie bissig war und lieber die Hände da bleiben sollte, wo sie waren.

In Gedanken driftete sie zu ihrem letzten Auftrag. Ein lohnendes Geschäft und das nur für ein paar Monster, die kaum die Anstrengung wert waren.

Dann musste sie an ihren alterersten Auftrag denken. Einen Auftrag, den sie sich selbst gab. Sie dachte an ihren Vater, welcher sich als wahres Monster präsentiert hatte, an den jungen Teufelsjäger Dante und seinen bösen Zwillingsbruder Vergil.

Ich muss ihn mal wieder besuchen, dachte sie reumütig.

Oh ja, der junge Jäger stand bei Lady noch immer tief in den roten Zahlen und sogar noch mehr.

Mit einem bösen Grinsen beschleunigte sie die Maschine erneut.

Ein kurzer Blick auf die Landkarte, die vor ihr auf dem Motorrad befestigt war, zeigte ihr, dass sie auf dem richtigen Weg war. Dann warf sie einen kurzen Blick in die Spiegel.

Aber von dem Grünschnabel war keine Spur zu sehen.

Scheinbar hatte sie ihn abgehängt. Dann würde er halt später zur Party kommen, aber das war ihr Recht. Dann müsste sie seine Überreste wenigstens nicht mitnehmen müssen.

„Ich selbst bin Waffe genug.“, wiederholte sie die Worte des Jungen, „Wenn das mal kein Grünschnabel mit ein paar schwarzen Gürtel ist, fresse ich einen Besen.“

Sie müsste sich dringend mit ihrem Dealer treffen und ihm einschärfen, dass sie nur noch Soloaufträge annehmen würde, oder wenigstens mit bekannten Jägern.

Dann richtet sie ihre ganze Aufmerksamkeit wieder auf die Straße und ihren derzeitigen Auftrag. Die Bezahlung war verdammt gut. Zu gut für ein paar schwache Dämonen, also war Vorsicht angesagt.

Dann bog sie ab, folgte der Straße, wie es die Karte vorgab. Zu beiden Seiten war dichter Wald. Und plötzlich spürte sie, dass sie jemand beobachtete.

Erneut lies sie das Motorrad grollen und hoffte, dass es den Unbekannten verscheuchen würde. Jedenfalls Vorerst.

Aber das Gefühl blieb und wurde immer schlimmer, je länger sie dem Weg folgte.

Dann kam endlich die Lagerhalle in Sicht.

Es war ein alter Backsteinbau mit einem verwitterten Äußeren.

Ein Idealer Unterschlupf, dachte sie und ging vom Gas runter.

Viel Wald und keine Menschenseele im näheren Umkreis, die sie entdecken könnte.

Ein paar Meter vom Eingang entfernt stellte sie das Motorrad ab, schulterte ihren Raketenwerfer und stellte sich auf einen anstrengenden Kampf ein.

Dann zog sie eine ihrer Pistolen und schob langsam die Tür auf.

Knarrend schwang diese langsam auf und die Finsternis im Raum schienen alles Licht zu verschlucken.

Sie zog kurzerhand eine Handvoll Magnesiumfackeln, zündete sie und warf sie in den Raum.

Sofort wichen die Schatten vor dem Licht und Lady sah nur eine Leere Halle, aber das konnte täuschen.

Schnell huschte sie zum ersten Pfeiler, von insgesamt zehn Stück, die das Dach stützten.

Das beklemmende Gefühl, welches sie schon bei der Hinfahrt verspürt hatte, wurde mit jedem Schritt stärker.

Sie schluckte angespannt und entschied sich dann für den offensiven Weg. Ohne Deckung ging sie, die Waffe im Anschlag auf die andere Seite des Lagerhauses zu.

Plötzlich ertönte ein lauter Knall hinter ihr. Gekonnt rollte sie sich zur Seite ab und blicke zurück. Die Tür der Lagerhalle war geschlossen.

Dann bemerkte sie die Geräusche, die um sie herum ertönten. Keuchen, scharfes ein- und ausatmen, das kratzen von irgendeinem dieser Dinger. Dann sah sie sich um und überall erkannte sie nun die Augen. Kleine und Große, einäugige oder viele auf einer Stelle.

„Worauf hab ich mich hier nur eingelassen?“, fragte sie sich leise und sah sich um.

Sie kamen aus allen Ecken und traten dann ins Licht der Fackeln.

Jedes dieser Biester sah anders aus. Keines glich dem anderen auch nur Ansatzweise.

Hier drinnen war eindeutig nicht genug Platz für Sie. Ihre Feuerwaffen und auch der Raketenwerfer würden nur hinderlich sein. Des weiteren waren es schlicht zu viele für sie alleine.

Lady spielte schon mit dem Gedanken, die Runde mit einem kleinen Gruß von Kalina Ann zu beginnen, als es plötzlich an ihrem Bein Vibrierte.

Sie zuckte zusammen und die Biester wichen ein Stück zurück.

Die Situation würde eh gleich aus dem Ruder laufen und so griff sie zu dem Telefon. Hoffnung keimte in ihr auf, als sie es aus der Tasche zog. Sie betete dass es Dante wäre, welcher sie wieder um etwas Geld anpumpen würde..

Aber Stattdessen zeigte das Display nur einen Anonymen Anrufer an.

„Ja?“, fragte sie leise und lies keinen dieser Widerlinge aus den Augen.

„Sorry, für die Verspätung.“, meinte die Stimme am anderen Ende, die sie einen Moment später als die ihres momentanen Partner identifizieren konnte.

„Komm nicht her, das wird zuviel für dich.“, meinte sie und wollte sein Leben schützen.

„Zu spät.“, meinte er und plötzlich hörte sie ein unappetitliches Geräusch am anderen Ende der Leitung, „Aber könntest du mal zwei Schritte zurück gehen?“

Sie war baff bei dieser Unverschämtheit. Oder beobachtet er sie. Wo war er?

Sie wandte sich um, versuchte irgendwo ihren Gesprächspartner ausfindig zu machen.

„Bitte.“, hörte sie erneut durch die Telefon.

Sie legte auf und kam der Bitte dieses Irren nach. Was sollte schon passieren.

Dann machte sie einen Schritt zurück. Und diese Biester folgten ihrer Bewegung. Die Vor ihr Folgten ihr, die anderen Wichen einen Schritt zurück. Sie schien schon ziemlich bekannt zu sein. Dann kam der zweite Schritt.

Bevor auch nur eines dieser Monster Reagieren konnten, brach etwas durch die Decke und stürzte auf die Stelle, wo sie eben noch gestanden hatte.

Erst auf den zweiten Blick konnte sie den Klumpen als Dämon erkennen. Er sah so aus, als hätte eine Raubkatze ihn als Spielball genutzt.

Danach folgte eine zweite Gestallt, welche lichtfüßig auf allen Vieren vor der Jägerin landete.

„Entschuldige für die Verspätung, aber ich wurde aufgehalten.“, meinte die Gestallt, die sich als Sunny herausstellte, ernst.

Mit einem Raschen blick zur Decke kam sie zu dem Entschluss, dass mit dem Jungen eindeutig was nicht stimmte. Es waren gut acht Meter bis zum Boden. Und er hatte kaum ein Geräusch beim landen gemacht.

„Ich glaube ich sollte mir irgendwann mal einen vernünftigen Job suchen.“, meinte sie scherzend zu sich selbst, „Hier rennen einfach zu viele Freaks rum“.

„Hab ich mir auch schon oft gedacht.“, meinte Sunny fröhlich, ohne aufzustehen, bevor er sich umsah.

„Holla, so viele hab ich auch nicht erwartet.“, gestand er.

Lady hatte ihm inzwischen den Rücken zugewandt um die Viecher auf der anderen Seite der Halle im Auge behalten zu können. Es waren wirklich viel zu viele.

Rasch hatte sie ihre Scorpion-MP aus dem Halfter gezogen und auf ihre Gegner gerichtet.

„Und wie wollen wir das jetzt machen?“, erkundigte sich Lady neugierig bei dem Grünschnabel.

„Du kümmerst dich um deine Seite, also hältst mir nach Möglichkeit den Rücken frei und ich versuche hier mal ein bisschen Ordnung reinzubringen.“, meinte er ernst.

Sie Fuhr herum und wollte gerade eine handvoll Beschimpfungen loslassen, aber was sie sah, lies sie verstummen..

Mit einem gequälten Aufschrei Riss der Stoff auf der Rückseite des Pullis und gab zwei riesige Schwarze Fledermausflügel frei. Dann riss der Stoff der Hose in Höhe des Steißbeins und ein langer, glatter, schwarzer Schwanz schlängelte sich vor ihre Füße.

Das Ding ist fast so lang, wie der Typ groß, stellte sie entsetzt fest.

Auch aus der Sturmhaube ragten zwei Hörner ähnliche Gebilde, die in einem Flachen Winkel gerade nach hinten ragten.

„Na überrascht?“, fragte er neugierig und hob eine Hand.

Die ersten Fingerglieder hatten ebenfalls ihre Form verändert und glichen nun riesigen Krallen.

Was bist du, fragte sie ohne die Worte auszusprechen.

Sie hatte zwar schon mit einer ganzen Menge an Teufeln und Dämonen zu tun gehabt, aber das war einfach zu Komisch. Für einen Dämonen verhielt er sich einfach zu ruhig. Sie brauchte nur an Dante zu denken. Vielleicht war er aber auch mehr als ein Halbteufel. Oder etwas ganz anderes. Mit einem Seufzen lies sie die Gedanken liegen und richtet ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihre Umgebung.

„Wenn du fertig bist, können wir anfangen, oder?“, meinte Lady, die sich wieder gefangen hatte.

„Na dann, lass uns aufräumen.“, meinte Sunny.

Seine Flügel schlugen einmal und schon war er auf direktem Weg zu seinen Gegnern, die Krallenbewährte Hand erhoben.

Mit einem Grinsen auf den Lippen riss die Jägerin ihren Raketenwerfer von der Schulter und feuerte Blind eine Rakete nach hinten. Da es in dieser Halle von Monster wimmelte konnte sie nicht vorbeischießen. Dann wirbelte sie herum und lies einen Kugelregen auf ihre Gegner los.

Sie hatte schon einige Kämpfe hinter sich gebracht und eine eigene Technik entwickelt. Und diese Brachte sie zum Einsatz. Während sie mit der Pistole weiterschoss, warf sie das Magazin der MP aus und hämmerte in der selben Bewegung ein Neues hinein.

Dann war die Pistole an der Reihe. Schnell waren beide Waffen nachgeladen und spuckten ihre tödliche Ladung auf ihre Gegner.

„Ich bin begeistert.“, erklang Sunnys Stimme hinter ihr, „Endlich mal ein Profi.“

Mit einem kalten Lächeln auf den Lippen fuhr sie herum, und beobachtete mit erstaunen, wie der Junge mit seinen Feinden aufräumte. Krallen schnitten durch das dämonische Fleisch, ein Tritt mit der Ferse schien einen Gegner spalten zu wollen und in der Nächsten Bewegung fuhr er herum und nutzte den langen Schweif als Peitsche.

Alles in nur wenigen Sekunden. Dann fuhr sie erneut herum die Waffen auf ihre Ziele gerichtet. Mit Freuden sah sie, dass sie sich als Gruppe stärker fühlten. Mit einem Ruck lies sie ihren Raketenwerfen über die Schulter rollen, genau in ihre Hände.

„Gotcha.“, sagte sie und betätigte den Abzug, worauf die Rakete nur Sekunden später in die Gruppe einschlug. Die Explosion erledigte die meisten und ein paar gezielte Kugeln schafften den Rest.

Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass keiner mehr aufstehen würde drehte sie sich herum und beobachtete den Jungen. Er schien auch keine Probleme zu haben. Ein letzter Hieb seine Krallenhand schickte den letzten Gegner auf die Bretter.

„Nicht übel.“, meinte Lady anerkennend, „Und ich hab gedacht du wärst ein Grünschnabel.“

„Und ich hab gedacht du wärst langsamer.“, erwiderte er grinsend.

Irgendwie mochte sie diesen Jungen.

„Komm. Wir verschwinden.“, sagte sie gelassen und wandte sich zum gehen.

Blieb aber im Selben Moment stehen.

„Einen hast du übersehen.“, meinte sie zu dem Jungen und deutet auf einen noch stehenden Teufel.

„Nay, der war bis eben noch nicht da.“, erwiderte dieser und stellte sich neben Lady.

Er war zwar groß, aber sie hatte schon größere gesehen... und ausgeschaltet.

Mit einem galanten Bewegung zog sie Kalina Ann und feuerte auf den Dämon.

Er versuchte nicht einmal auszuweichen. Entweder er war gelähmt vor Schrecken, oder...

Da detonierte die Rakete. Und ihre Befürchtung wurde war, als sich der Nebel legte und das Monster noch immer stand.

„Darf ich?“, fragte Sunny und lächelte sie an.

„Macht dir dieser Job denn gar nichts aus?“, fragte sie plötzlich, über ihre eigene Frage überrascht.

„Macht er schon, aber ich heiße nicht umsonst Sunny.“, antwortete er mit einem Lächeln auf den Lippen und bewegte sich auf seinen Gegenüber zu.

„Also, Großer, krieg ich einen Probeschlag, oder wollen wir gleich ernst machen?“, fragte er auf dem Weg.

„Du kannst mich nicht töten.“, meinte dieser Überheblich.

„Man kann alles Töten, wenn man nur weis, wie.“, entgegnete Sunny mit einer unheimlichen Stimme.

„Dann schlag zu, und zeige mir den Tod.“, erwiderte der Teufel siegessicher.

Dann stand Sunny vor ihm. Das Monster war zwei Köpfe größer und auch doppelt so breit. Und wenn der Kleine nicht einen Guten Plan hat, würde es hier noch mächtig Ärger geben.

„Na dann.“, meinte der Jäger und stellte sich seitlich hin.

Er winkelte den Ellbogen an und schien ihn es mit einem einfachen Stoß zu probieren. Plötzlich stieß etwas aus dem Ellenbogen. Noch im selben Moment stieß er zu, nur um in sich im nächsten Moment auf seinen Unterarm zu stützen.

„Unmöglich.“, spie der Teufel, während er nach hinten fiel, eine klaffende Wunde zog sich in gerader Linie vom Brustkorb bin hinunter zu seinem Schritt.

Es herrschte einige Sekunden eisige Stille in der Halle, bevor er sich umdrehte und die Sturmhaube hochkrempelte.

„Ich glaube wir sind hier fertig.“, meinte Sunny mit einem müden Lächeln.

„Ja, sieht so aus.“, entgegnetet Lady ungerührt.

Auch sie war schon zu lange in diesem Geschäft, als dass sie sich von so einem Auftrag kaputt machen lassen würde.

„Du sagst mir garantiert nicht, was du bist, oder?“, fragte sie als sie die Halle verließen.

„Nay, sonst hättest du ja gar nichts mehr, worüber du dir deinen Kopf zerbrechen könntest.“, erwiderte er und erst jetzt bemerkte sie, das seine Augen grün schimmerten.

„Wir sollten langsam verschwinden.“, antwortete Sunny.

Lady stimmte stumm zu und schwang sich auf ihr Motorrad.

Als sie zurücksah, war er schon verschwunden. Nur das leise schlagen von Schwingen erinnerte an sein hier sein.

Und die Dutzenden Toten Bastarde in der Halle.
 

Lautlos glitt ich über den Wald und die Dächer der Stadt. Unter mir wuselten immer noch Menschen umher und die Straßen waren mit Blechkarosserien gefüllt. Hier oben hatte ich meine Ruhe. Und die Konnte ich wirklich gebrauchen. Ich spürte, wie ich in letzter Zeit immer gereizter wurde. Etwas stimme ganz und gar nicht. Vielleicht war es auch einfach nur mein Hormonhaushalt, der verrückt spielte.

Wieder lies ich meinen Blick über die Stadt hinwegwandern, die Taghell wirkte. Dann erkannte ich auch mein Ziel. Langsam sank ich herab, zog noch einmal eine Schleife und vergewisserte mich, dass niemand in der nähe war. Dann stieß ich herab und landete leichtfüßig im Hinterhof des Hauses.

Meine Flügel und den Schweif brauchte ich nicht zu verstecken. Hier im Dunkel würde niemand etwas sehen, außer vielleicht einem der Nachbarstiere, aber ein Finsterer Blick würde reichen um sie zum Schweigen zu bringen.

„Endlich zuhause.“, murmelte ich und atmete tief durch.

Ich war nicht alleine, dass war mir schlagartig klar. Ich brauchte die Tür nicht zu öffnen, oder versuchen durch das Milchglas in der Gartentür zu sehen. Ihre Aura war nicht zu übersehen, oder besser gesagt zu Überfühlen. Sie wartete im Erdgeschoss darauf, dass ich zurückkehren würde. Noch einmal holte ich tief Luft und öffnete die Tür.

„Bin wieder zu Hause, Mum.“, rief ich in die Wohnstube.

Keine zehn Sekunden später kam sie aus dem angrenzenden Zimmer, der Küche, und umarmte mich stürmisch.

„Ich hab mir Sorgen um dich gemacht!“, meinte sie wütend, „Wenn es mal später wird, sollst du mich doch anrufen.“

Und das war es, was mir entfallen war.

„Entschuldige, aber es hatte ein wenig länger gedauert.“, meinte ich reumütig und lächelte sie schwach an.

Sie machte einen Schritt zurück und musterte mich beunruhigt. Man konnte es schon fast ein Ritual nennen. Jeden Abend, wenn ich nach Hause kam, musterte sie mich, versuchte Schrammen und Verletzungen zu entdecken. Mit einem Lächeln sah sie mir in die Augen.

„Und wie war es?“, fragte sie schließlich.

„Ganz entspannend mit einem Profi.“, meinte ich ehrlich.

Dann zuckte ein stechender Schmerz durch meinen Unterarm. Seit ich die Halle verlassen hatte, war er schon da, aber bis eben hatte ich ihn gekonnt ignoriert.

„Nur mein Arm macht ein paar Probleme.“, schloss er und rieb sich über den eben genannten.

Meine Mum funkelte mich wütend an.

„Hast du deinen Dorn benutzt?“, fragte sie ungehalten.

„Ja, aber ging nicht anders.“

Seufzend nahm sie meinen Arm und langsam lies ich den Dorn erscheinen. Vorsichtig glitt sie mit der Hand darüber.

„Angeknackst.“, meinte sie ruhig und schüttelte den Kopf, „Zanny Draganski, Was soll ich nur mit dir machen?“

„Lieb haben.“, meinte ich und grinste sie an.

Sie wuschelte durch meine eh unordentlichen Haare und lachte.

„Geh dich Saubermachen.“, entgegnete sie fröhlich, „Es gibt gleich Essen.“

Wie zur Bestätigung grummelte mein Magen.

„Eine Dusche und Essen sind eine gute Idee.“

A Ordinary Day

Meine Augen hatten die Decke fixiert. Die Arme hinter dem Kopf verschränkt lag ich auf meinem Bett. Meine Gedanken kreisten um meine, leider immer weiter abnehmenden, Aufträge. Meine Mum gab sich zwar alle Mühe, aber sie als Privatperson kam sehr schlecht an sie heran, auch wenn sie die Kontakte hatte. Damals hatte ich alle Möglichkeiten einer Ausbildung abgelehnt. Ich hatte zu viel Angst vor mir selbst.

Seufzend erhob ich mich und schloss das Blickdichte Rollo. Sofort wich das Licht tiefster Dunkelheit. Meine Augen hatten sich schnell angepasst. Mit schnellen sicheren Schritten war ich auf der anderen Seite des Zimmers und betätigte den Lichtschalter. Der nächste Weg führte vor den Zimmer hohen Spiegel, der als Schiebetür diente.

Traurige, blaue Augen sahen mich an. Dann lies ich den Bademantel zu Boden gleiten und betrachtete mein Spiegelbild. Quälend langsam beugte sich mein Körper meinem Willen und veränderte sich. Zwei fledermausähnliche Flügel wuchsen aus meinem Rücken. Von außen waren sie pechschwarz, von innen jedoch durchsichtig. Ich sah und spürte, wie der Schweif aus meinem Steißbein wuchs, sah meine Finger, deren Spitzen sich in messerscharfe Krallen verwandelten. Ein leichter Druck am Kopf bezeugte die Hörner, die in einem Flachen Winkel aus meinem Kopf heraus wuchsen. Als letztes änderten die Augen ihre Farbe und sahen mich nun aus einem matten grün an, der vertikale Schlitz, den die Pupille bekommen hatte, war fast nicht zu sehen.

Nachdem ich mich noch einen Moment betrachtet hatte, lies ich alles nicht-menschliche wieder verschwinden, auch wenn ich mich zu oft fragte, wo.

„Ich bin ein verdammtes Monster.“, fluchte ich bitter.

Hastig zog ich meinen Mantel wieder an. Ich gebe es offen zu: Ich hasste mich. Ich verfluchte mein Dasein als Mischwesen. Ich wünschte mir so sehr ein ruhiges Leben. Ein langweiliges 08/15-Leben, mit einem schrecklichen, unterbezahlten Job, einem fetten, cholerischen Chef. Und vielleicht einer Freundin.

Bei dem Gedanken musste ich freudlos Lachen. Da war schon das nächste, unlösbare Problem. Mein Vater hatte mir mehr vermacht, als die körperlichen Merkmale. Tief in mir schlummerte ein Biest, ein Monster, was nur darauf wartete auf die Welt losgelassen zu werden. Es hatte mich viel Zeit und vor allem Kraft gekostete, das Biest soweit in Ketten zu legen, dass es nicht einfach die Kontrolle übernehmen konnte. Eine Beziehung würde mit meinem inneren Schweinehund kaum machbar sein. Um ehrlich zu sein, wusste ich nicht was dann passieren würde. Aber die Gefühle, die mich übermannten, wenn es an der Oberfläche kratzte, gab mir einen kleinen Vorgeschmack: Hass, Zorn, blinde Zerstörungswut.

Ein ungewohntes Geräusch, weckte meine Aufmerksamkeit. Die Ohren gespitzt forschte ich nach der Quelle. Dann erkannte ich die Stimme meiner Mutter. Sie sang das Lied, was im Radio nebenher lief mit. Ich musste Grinsen, als ich den Text hörte, so ironisch es auch war. Er versprach Freiheit und Sicherheit.

Aber die Situation war der Beweis dafür, dass ich nie alleine war. Meine Mutter war immer bei mir. Niemals war sie von meiner Seite gewichen, oder hat mich für das was ich war verurteilt. Im Gegenteil, sie hat mich immer und immer wieder in Schutz genommen. Sie hat versucht mir zu erklären, was ich war und wer ich in ihren Augen war und immer bleiben Würde: Ihr kleiner Hosenscheißer.

Und dann spürte ich den Zorn. Zorn auf meinen Vater, der uns einfach verlassen hatte. Ich war noch klein, sein Gesicht nur ein Schemen, ohne wirkliche Form. Er hatte mich mit meiner Andersartigkeit allein gelassen. Und er hatte meiner Mutter so weh getan. Ich weiß nicht mehr wie oft ich sie Nachts weinen hörte, oder am nächsten Morgen mit geröteten Augen sah. Es brach mir jedes Mal das Herz sie so zu sehen. Und ich schwor mir, ob Vater oder nicht, ich würde ihm das Gesicht neu ordnen.

Plötzlich war das Reißen wieder da. Das markerschütternde Brüllen und Fauchen meines Biestes. Ich glaubte damals sogar, seine Krallen in meinem Fleisch gespürt zu haben. Aber das würde das einzige Mal in meinem verfluchten Leben werden, in dem ich das Biest bereitwillig freilassen würde.

Dann hörte ich eine Stimme. Leise und weit weg. Wieder und wieder erklang sie im Raum. Bis ich sie schließlich erkannte und sich ein freudiges Grinsen auf mein Gesicht stahl.

Das Essen war fertig!

Hastig schlüpfte ich in ein paar Frische Sachen und rannte die Treppe herunter. Schlitternd erreichte ich die Küchentür. Auf dem Esstisch standen zwei Teller voll mit Eierkuchen.

„Wird ja auch mal Zeit das du auftauchst.“, hörte ich meine Mutter gespielt beleidigt.

Sie stellte gerade ein Tablett mit Aufstrichen auf den Tisch.

„Willst du weiter gaffen oder essen?“, fragte sie neugierig.

Freudig setzte ich mich an den Tisch und griff mir den ersten Eierkuchen. Und es würden garantiert nicht der Letzte sein. Auch wenn sie es nicht gelernt hatte, war sie eine fantastische Köchin. Und immer schmeckte es etwas anders, immer neu. Es war immer etwas besonderes.

„Du musst mir unbedingt das Kochen beibringen.“, meinte ich mit vollem Mund.

„Damit du mir die Küche abfackelst? Nein danke!“, meinte sie schmunzelnd.

Diese lockeren Gespräche waren das Beste am allabendlichen Zusammentreffen. Keine Auftragsbesprechungen, keine Sorgen, einfach nur Lachen und loslassen.

So sprachen wir über den vergangenen Tag. Und nach und nach verschwanden die Eierkuchen.

„Aber vergiss nicht Morgen bei mir vorbei zu schauen.“, erinnerte sie mich an meine morgige Verabredung.

„Keine Angst. Ich verpasse schon keinen Kampf gegen eure Rechnungen.“, erwiderte ich schmunzelnd und verspeiste genüsslich den letzten Bissen.

Meine Mutter führte einen kleinen Laden. Auch wenn es ein etwas ungewöhnlicher war, konnten wir davon Leben. Wieder huschte ein Ironisches Grinsen über mein Gesicht, wenn ich bedenke, dass es ein Waffengeschäft ist.

„Wie läuft es überhaupt?“, fragte ich neugierig.

„Ganz gut.“, meinte sie nachdenklich, „Aber für dich kriege ich kaum was. Aber darum kümmere ich mich noch.“

„Ich hatte eh vor mir einen Dealer zu suchen.“, meinte ich in Gedanken.

Kaum hatte ich es ausgesprochen verharrte meine Mum in ihrer Bewegung. Es war ihr gar nicht Recht, dass ich mir von Wildfremden Aufträge holte. Sie hatte immer wieder Angst, dass mir etwas passieren würde.

„Wäre auch eine Möglichkeit.“, meinte sie Nachdenklich, „Und ich habe vielleicht auch schon eine Adresse für dich.“

Dann war Stille. Es wirkte als würde sie mit sich ringen. Oder sie wollte mich nur auf die Folter spannen. Das tat sie auch zu gerne.

„Der Laden nennt sich Crimson Tears. Eine recht große Diskothek, nachdem was ich gehört habe.“, meinte sie ruhig.

Der Name klang auf jeden fall Interessant. Aber im Moment hatte ich ein ganz anderes Problem. Die Buchführung ihres Ladens. Weder sie noch ihre Kollegin hatten die Geduld und die Nerven dafür. Aber ich kannte sich ja schon in dem System aus. Schließlich war es nicht das erste mal.

„Weißt du auch die Öffnungszeiten des Ladens.“, fragte ich Vorsichtig.

„Bis du morgen da bist, hab ich sie.“, erwiderte sie mit einem matten lächeln.

Das waren auch die letzten Worte, die wir diesen Abend gewechselt haben.

Schweigend räumte ich den Tisch ab, während meine Mum zu Bett ging. Ihr Tag würde eher beginnen, da konnte sie jede Minute Schlaf gebrauchen. Aber ich war dafür zu aufgeregt. Ich war bis jetzt nur einmal in einer Diskothek. Sie war mir zu Laut und überfüllt.

Trotzdem konnte ich den morgigen Tag kaum Abwarten.
 

Der nächste Tag kam schneller als erwartet.

Noch verschlafen sah ich auf die Uhr. Seufzend fand mein Kopf erneut das Kopfkissen. Es war erst Kurz nach zehn und es war noch viel Zeit. Langsam und schwerfällig erhob ich mich und spürte deutlich den Muskelkater der mich peinigte. Der gestrige Tag war einfach zu anstrengend. Nicht nur der Kampf am Abend, sondern auch sein normaler Tagesablauf. Langsam öffnete ich das Rollo und wagte einen Blick in den geräumigen Garten.

Und es reichte mir schon jetzt. Es schien Fäden zu regnen. Das andere Ende des Gartens war nicht zu sehen. Und der große Fels, ein Findling, lag mitten im Garten. Ein schmunzeln stahl sich auf mein Gesicht. Ich freute sich schon wieder auf den Sommer. Wieder auf dem Findling liegen und in der Sonne dösen. Ich lies den Blick durch den Garten wandern. Vereinzelt standen Bäume, hier und da mal ein Beerenbusch. Und die bestimmt drei Meter Hohe Hecke verwehrte allem die Sicht, was nicht fliegen konnte.

Dann kehrte mein Blick wieder in das Hier und Jetzt. Und der Regen schlug mir aus Gemüt.

Ich genoss die morgendliche Ruhe. In Ruhe frühstücken, vielleicht noch ein wenig den LCD-Fernseher an zu schalten. Und dann irgendwann bei meiner Mutter die Buchführung machen. Dabei könnte es sich nur um drei bis vier Stunden Arbeit handeln. Jedenfalls war das die letzten Male so. Meine Gedanken gingen meine To-Do Liste weiter ab. Auf jeden Fall würde ich heute Abend in dieser Disko vorbei schauen. Auch wenn es nichts mit dem Dealer werden sollte, so kam ich mal wieder unter Menschen. Und die waren garantiert nicht ganz Normal.

Schnell kletterte ich in meine Klamotten und kontrollierte noch mal meine Taschen. Alles war da. Schlüssel, Mobiltelefon, Geldbeutel. Noch einmal ging ich durch jedes Zimmer und kontrollierte die Fenster und Türen. Meine Mum hatte die Angewohnheit am morgen alles zu vergessen. Neben ihrem Haustürschlüssel fand ich noch zwei geöffnete Fenster.

„Man soll es den Einbrechern ja nicht zu einfach machen.“, meinte ich leise.

Ich hatte die Haustür schon geöffnet und einen Fuß vor die Tür gesetzt, als mir noch etwas einfiel. Schnellen Schrittes betrat ich das Wohnzimmer und kramte in den Schubladen. Mehrere Flüche später hatte ich das Objekt meiner Begierde gefunden. Es war ein Teelicht.

Wie man mich instruiert hatte stellte ich es mitten im Hausflur auf und Zündete es an.

Es sollte böser Geister und sogar schwache Dämonen abhalten, hatte mir meine Mutter erzählt. Noch einen Moment betrachtete ich das matte Licht, das von ihm ausging und schüttelte seufzend den Kopf.

Dann erst konnte ich mich auf den Weg machen. Ich zog die Schildmütze noch ein Stück tiefer ins Gesicht und lies meinen Füßen die Führung.

Trotz des Schlechten Wetters waren viele Leute unterwegs. Bewaffnet mit Regenschirmen folgten sie unablässig ihren Wegen. Einkaufstaschen wurden in Autos geladen, Freunde verabschiedet oder Verträge abgeschlossen. Auch waren viele Paare unterwegs, die durch die Stadt schlenderten und sich unter ihren Schirmen aneinander schmiegten. Bei diesem Anblick zog es mir immer meinen Brustkorb zusammen. Ich beneidete sie dafür, jemanden gefunden zu haben. Jemanden der sie akzeptiert wie sie waren.

Mit gesenktem Kopf ging ich weiter, zog mich in meine Gedanken zurück. An einen Ort wo eine Gesichtslose Person auf mich wartete, mich freudig begrüßte und mich akzeptierte. Noch immer in Gedanken nahm ich die Glocke war, die im „Jägers Allerlei“ hing und neue Kundschaft ankündigte.

„Guten Morgen, Zanny.“, begrüßte mich die Kollegin meiner Mutter freundlich.

„Könnte besser sein.“, erwiderte ich nach einem Augenblick.

„Sylvia sollte hinten sein.“, meinte sie noch, da erklang schon das nächste Glocken läuten.

Ich ignorierte das penetrante Geräusch so gut es ging und verschwand im Hinterzimmer. Die Rechnungen und Belege dieser Woche stapelten sich schon auf dem Schreibtisch. Achtlos warf ich Jacke sowie die Mütze in meine Freie Ecke und setzte mich an die Rechnungen. Sofort stellte ich fest, dass es dieses Mal viel einfacher war, da sie schon vor sortiert hatten.

Nach und nach tippte ich die Begriffe und Zahlen in das Buchungsprogramm des uralten PCs den sie mir dafür besorgt hatten. Aber er tat seine Dienste, stürzte nur ein halbes Dutzend mal am Tag ab und war lahm wie eine Schnecke.

Nach und Nach verschwand das Papier im „Erledigt“-Fach.

Aber vollkommen auf die Arbeit konzentrieren konnte ich mich nicht. Meine Gedanken kreisten um meinen Besuch im „Crimson Tears“. Ich wusste nur den Namen. Weder wo es lag noch er da ein- und ausging.
 

„Zanny?“, hörte ich plötzlich die Stimme meiner Mutter.

Ich schrak zusammen. Lautlos musste sie das Hinterzimmer betreten haben. Oder ich war einfach nur zu tief in meine Arbeit vertieft.

„Kommst du zurecht?“, fragte sie im Plauderton.

„War schon mal schlimmer.“, erwiderte ich lächelnd, bevor ich mich wieder dem Papierkrieg zu wandte.

Sie stellte sich neben mich und schaute mir über die Schulter.

Ohne ein weiteres Wort legte sie mir einen Zettel hin, dann verließ sie das Zimmer wieder.

Ich sah ihr verwirrt nach und betrachtete mir dann den Zettel. Zuerst dachte ich es sei ein neuer Beleg, aber es stellte sich als handgeschrieben heraus.

Darauf waren Zeiten notiert und einige belanglose Belehrungen. Nach dem umdrehen erkannte ich ein dunkelrotes Logo. „CT“ stand in geschwungenen Buchstaben.

Die Visitenkarte versprach gute Musik und nette Unterhaltungen für alle Altersgruppen.

„Hört sich doch gut an.“, meinte ich leise und stürzte mich mit neuem Elan an meine Aufgabe.
 

„Das war echt ein komischer Typ.“, meinte Lady und streckte sich auf dem braunen Ledersofa.

Die Einrichtung war mehr alt als neu und von vielen unfreundlichen Besuchern arg ramponiert. Das einzigste was wirklich neu war hing auf der anderen Seite des Zimmers. Ein gewaltiger, ungefähr zwei Meter großer Flatscreen. Sie spiele schon mit dem Gedanken, das Gerät einzuschalten, empfand das allerdings als zu unfreundlich.

„Was hängst du auch mit solchen Typen rum?“, erklang die amüsierte Frage aus dem ersten Etage.

Das einzigste was Lady wirklich an der Inneneinrichtung störte, waren die Leblosen Überrest der Dämonen, die im Zimmer verteilt hingen.

„Das frag ich mich auch immer.“, meinte sie schmunzelnd, „Wann kommt er zurück?“

„Keine Ahnung.“, erklang die Antwort.

Dann erklang von oben das schließen einer Tür. Lady sah auf und erkannte die Teufelin. Hüftlanges, blondes Haar und Maße für die jedes Topmodel töten würde.

„Endlich kommst du da raus, Trish.“

Sie hatte damals ein Bild von Dantes Mutter gesehen. Und sie sah haargenau so aus. Trish hatte ihr einst ihre Geschichte erzählt. Sie wurde vom Teufel Mundus erschaffen, dem Mörder Spardas, Dantes Vater. Es war schon heftig zu erfahren, dass sie ihn eigentlich umbringen sollte. Aber am Ende stellte sie sich gegen ihren Schöpfer und schickte ihn zusammen mit Dante zurück in die Hölle.

„Willst wohl wieder ein bisschen Geld eintreiben?“, fragte die Blonde neugierig.

„Wenn er was hast, gerne.“, entgegnete sie grinsend.

„Der und Geld?“, fragte Trish gespielt entsetzt und begann zu Lachen.

Seufzend lehnte sich Lady zurück. Dante war eigentlich immer Pleite. Und immer wieder pumpt er sie um Geld an. Und sie war auch immer noch so dumm es ihm zu geben.

Und für was gab er es aus? Pizza und Eisbecher.

„Dann halt kein Geld, aber ich muss trotzdem mit ihm reden.“, meinte Lady resignierend.

„Über deinen Partner beim letzten Auftrag?“

Lady nickte nur. Der Junge ging ihr nicht mehr aus dem Kopf. Sie wollte auf jeden Fall mehr über ihn in Erfahrung bringen. Wenn er ein Dämon, oder sogar ein Teufel wäre, konnten ihnen schlimme Zeiten bevorstehen.

„Willst du mich auch in deine Fantasien einweihen?“, erkundigte sich Trish mit einem lasziven Grinsen.

Lady warf ihr einen tödlichen Blick zu und Trish wurde wieder ernst. Sie waren, auch wenn sie sich im Rahmen eines Auftrages fast umgebracht hätten, verdammt gute Freunde geworden und eigentlich für jeden Spaß zu haben. Besonders wenn es darum ging Dante zu verarschen. Aber im Moment war sie einfach nur wie eine tickende Zeitbombe.

„Dann nicht.“, meinte Trish und setzte sich neben sie, „Aber du kannst auch mit mir reden.“

Die Ereignisse des gestrigen Auftrages sprudelten einfach aus ihr heraus. Trish hörte gespannt zu, unterbrach sie kein einziges mal. Und als sie zu auf Sunny zu sprechen kam, schien auch Trish nervös zu werden.

„Wenn er kein Dämon oder Teufel ist, was dann?“, fragte sich die Teufelin leise.

„Keinen Schimmer.“, sagte Lady und sah die blonde neben sich an.

„Und du hoffst, Dante kann dir mehr erzählen?“

Im selben Moment öffnete sich die Tür.

„Spricht man vom Teufel...“, begann Trish.

„Kommt er und holt dich.“, beendete Lady ihren Gedankengang.
 

Gestreckt stand ich im Zimmer. Der Kampf war gewonnen und die Ordnung wieder hergestellt.

Ich betrachtete den Schreibtisch und wünschte mir, dass er immer so aussehen würde. Ohne Zettelchaos und ungebuchte Rechnungen. Aber das würde ein Traum bleiben.

Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass ich fast fünf Stunden hier gesessen hatte.

Zeit hatte ich noch genug, vor meiner Verabredung heute Abend.

Ein Blick aus dem Fenster lies ein Grinsen auf meine Lippen wandern. Das Wetter hatte sich gebessert, der Himmel war Blau und die Sonne schien ohne Hemmungen.

„Doch noch ein schöner Tag.“

Rasch hatte ich die Jacke angezogen und betrat den Laden. Die Angestellte zählte gerade die Tageseinnahmen. Sie lächelte, als sie mich bemerkte.

„Deine Mutter ist schon nach Hause gegangen.“, beantwortete sie meine ungestellte Frage.

Ich nickte und ging zur Tür. Die Hand auf der Klinke drehte ich mich noch einmal um.

„Wie heißt du überhaupt?“, fragte ich neugierig.

Ich meine, sie arbeitete schon seit der Eröffnung des Ladens hier, aber ihren Namen kannte ich trotzdem nicht.

„Katharina, aber alle nennen mich nur Kat.“, antwortete sie freundlich.

„Schönen Tag noch, Kat.“, meinte ich und lies mich von ihrer guten Laune anstecken.

Dann war ich auf der Straße. Die Sonne schlug unbarmherzig zu und trieb die Temperaturen nach oben. Kaum drei Meter gelaufen hing meine Jacke auf der Schulter und die Mütze war in einer ihrer Taschen verstaut.

Das Wetter war perfekt. Sonne bis zum abwinken und kein Wölkchen in Sicht. Ich begann schneller zu laufen, rannte fast und freute mich auf meinen Findling. Ein wenig in der Sonne dösen würde mir wieder ganz gut tun.

Mein Weg führte mich Kreuz und Quer durch die Stadt. Ohne wirklichen Kurs einfach nur das herrliche Wetter genießend.

Doch plötzlich stach ein nur allzu bekannter Gestank in meine Nase und mein Körper spannte sich. Es stank nach Dämonen. Viele würden jetzt meinen, dass sie nach Schwefel riechen würden, aber das ist falsch. Dämonen, so wie ich sie kennen gelernt habe, riechen dezent anders, aber immer noch penetrant genug um nicht ignoriert zu werden.

Wartend verharrte ich und achtete auf Hinweise ihrer Anwesenheit.
 

„Renn doch nicht weg, Kleine.“, hörte sie die Stimme des Mannes, während seine Kumpane leise Lachten.

Und sie saß hier in der Falle. Nur eine einzige Gasse zu früh und nun stand sie mit dem Rücken an der Wand. Die drei Männer kamen langsam näher und versperrten ihr den Fluchtweg.

„Lasst mich in Ruhe!“; schrie sie und kramte verzweifelt nach dem Pfefferspray.

Erneut lachten sie nur und kamen immer näher. Auch wenn sie noch weit entfernt waren, kam es ihr so vor als würde sie ihren schlechten Atem riechen können.

„Warum bist du denn so abweisend?“, fragte einer amüsiert, „Wir tun dir doch nichts.“

Und plötzlich standen sie vor ihr, kaum einen Meter entfernt.

Während ihr Kopf ihr sagte, dass sie sich niemals so schnell bewegen konnten, hob sie das Spray und sprühte es einem der Männer ins Gesicht. Sie hoffte vergeblich darauf, dass sich die Situation verbesserte. Denn obwohl er die volle Ladung abbekommen hatte, lachte er nur. Der Gestank, der ihr entgegen wehte, drehte ihr den Magen um. Sie riss sich zusammen und zwang ihre Letzte Mahlzeit zurück.

„Wir wollen doch nur ein wenig Naschen.“, hörte sie die Stimme.

Sie klang Komisch, verzerrt und Surreal.

„Lasst mich in Ruhe!“, schrie sie erneut.

Sie wusste was jetzt passieren würde. Sie würden sich auf sie stürzen und im schlimmsten Fall einfach verschwinden. Kein erlösender Tod.

„Wie wäre es, wenn ihr auf die Dame hört.“, erklang eine junge Männerstimme.

Schlagartig fuhren die Männer herum. Wieder versuchte ihr Gehirn die viel zu schnelle Bewegung zu erklären.

„Und wenn nicht?“, fragte die verzerrte Stimme wütend.

„Das wollt ihr gar nicht wissen.“

Mit einem Schrei stürmten die drei auf den Unbekannten zu. Sie sah ihn schon fallen, vielleicht tödlich getroffen. Aber er wich geschickt aus, packte einen nach dem anderen und schickte sie in Richtung Straße.

Das wütende Schnauben hallte viel zu Laut durch die Gasse. Eine Schütteln ging durch ihren Körper und schlagartig wusste sie, was ihr Kopf nicht wahrhaben wollte: Das waren keine Menschen!

„Alles in Ordnung?“, fragte der junge Mann besorgt.

Sie sah auf und erkannte zwei leuchtende, grüne Augen, die sie besorgt ansahen.

Sie brachte nur ein schwaches Nicken zustande, in Anbetracht dieser Augen. Ein Vertikaler Schlitz zog sich durch die Pupille und gab ihr ein unwirkliches Aussehen.

„Dann mach besser die Augen zu.“, meinte er leise, „Und wenn es wieder ruhig ist, renn heraus und sieh nicht zurück.“

Sie nickte nur und kniff die Augen zusammen.

Dann war wieder diese Fauchen zu hören, lachen, reißen von Stoff, gepaart mit Schmerzensschreien und Röcheln. Es ging alles zu schnell. Sie versuchte sich abzulenken, die Sekunden zu zählen, aber bei jedem Geräusch stockte sie.

Und nach gefühlten Stunden war es still. Ohne die Augen auf zumachen rannte sie los. Sie wollte einfach nur weg. Ein paar Mal Stolperte sie, aber das hielt sie nicht auf. Und dann spürte sie die Wärme der Sonne. Sie riss die Augen auf.

Passanten starrten sie verwirrt an.

„Geht es ihnen gut, Miss?“, fragte einer und sie schüttelte nur den Kopf und zeigte in die Gasse.

Keine Minute Später war ein Polizeiwagen vor Ort und die Beamten tasteten sich im Schein ihrer Taschenlampen in die Gasse vor. Quälend langsam verstrichen die Minuten, bevor sie wieder herauskamen. Kreidebleich sahen sie die junge Frau an.

„Egal, was sie da angegriffen hat.“, begann der Ältere, „Noch einmal wird es das nicht machen.“

Der Satz reichte aus um ihr klar zu machen, wie knapp sie mit dem Leben davongekommen war.
 

„Was hast du schon wieder angestellt?“, fragte meine Mutter verzweifelt.

„Nichts.“, meinte ich unschuldig und sah an mir herab.

Ich war zu froh, den Restlichen Heimweg per Luftlinie genommen zu haben. Mein T-Shirt war zerrissen und verscheiden farbiges Blut klebte daran. Auch meine Hände sahen so aus, als hätte ich viel Spaß mit ein paar Farbtöpfen gehabt.

„Hat es sich wenigstens Gelohnt?“

„Ein Mensch gerettet, drei Monster ausgeschaltet.“, meinte ich trocken, „Ja, ich glaube es hat sich gelohnt.“

Sie schüttelte nur mit dem Kopf.

Ja, es hatte sich wirklich gelohnt. Nicht nur, dass ich ein Leben gerettet habe, ich konnte auch das Biest besänftigen. Das war auch der Hauptgrund für meine Art der Arbeit. Hätte ich diese Ventil nicht, wäre das Biest bestimmt schon ausgebrochen.

„Wie lange willst du in diesen versifften Klamotten noch herum rennen?“, fragte meine Mum neugierig.

„Nicht mehr lange.“, entgegnete ich trocken und machte mich auf den Weg ins Bad.

Eine Gründliche Dusche und ein paar neue Klamotten später lag ich auf dem Findling. Die Flügel ausgebreitet badete ich in der Sonne. Die Wärme der Sonnenstrahlen schien bis in meine Knochen zu wandern. Hätte ich heute Abend nicht noch einen Termin mit dem Crimson Tears, wäre ich eingeschlafen.

„Du Sonnenanbeter.“, scherzte Meine Mutter.

Ich öffnete die Augen und schielte sie an. Sie lag in einer Gartenliege und genoss das Wetter genauso wie ich.

„Fass dir an die eigene Nase.“, erwiderte ich schnippisch.

Prompt hob sie die Hand und legte sich den Zeigefinder auf die Nasenspitze.

Ich musste Grinsen. Freizeit war doch einfach etwas tolles.

„Soll ich dich dann wecken?“, fragte sie neugierig.

„Nicht nötig, ich döse doch nur.“, erwiderte ich gähnend.

Sie kicherte und reckte sich.

„Dann weck mich, wenn die Sonne weg ist.“, meinte sie, griff sich ihren Strohhut und legte ihn auf ihr Gesicht.

Bei dieser Unverschämtheit musste ich Grinsen. Kopfschüttelnd schloss ich die Augen und lies mir weiter die Sonne auf den Pelz brennen.
 

Schlagartig war ich wieder im Hier und Jetzt.

Aber entgegen allen Befürchtungen waren keine Dämonen oder Einbrecher in der Nähe. Eine Sekunde Später wusste ich den Grund meines abrupten Erwachens. Die Sonne war weg und kein Sonnenstrahl drang mehr in den Garten. Ich sah hinauf in den Himmel und erkannte nur noch graue Wolken.

Anscheinend meinte es der Tag doch nicht so gut mit mir.

Stöhnend streckte ich mich und versuchte meine tauben Glieder wieder unter Kontrolle zu bekommen.

„Immer das selbe mit dir.“, hörte ich meine Mutter und das klacken der Liege.

„Wie würdest du dich fühlen, wenn du ein paar Stunden auf einem Stein dösen würdest?“, fragte ich neugierig.

„Wenn ich das tun würde, wüsste ich’s.“, entgegnete sie lächelnd und verschwand im Haus.

Ich rollte mich auf den Rücken und betrachtete den Grauen Himmel.

Und ich fragte mich, ob das ein schlechtes Omen sein könnte.

Crimson Tears

„Die hassen mich doch.“, meinte ich und betrachtete den grauen Himmel.

Wie zur Bestätigung schlugen die ersten Tropfen ans Fenster.

Der Wetterumschwung schlug mir sofort aufs Gemüt. Rapide wich die Zuversicht auf den heutigen Abend.

„Jetzt hab dich doch nicht so.“, beschwerte sich meine Mutter mit amüsierter Stimme, „Du Jagst Monster und Dämonen. Und bei so einem Wetter wirst du zum Jammerlappen.“

Kopfschüttelnd musste ich ihr Recht geben. Wie oft ich schon draußen war und irgendwas umgebracht hatte war nicht mehr zu zählen. Aber wenn ich es von der positiven Seite sah, hatte ich noch einen Grund in den Laden zu gehen.

„Wie kommst du zum Tears?“, fragte sie neugierig, „Soll ich dich fahren oder nimmst du ein Taxi?“

„Taxi ist besser.“, meinte ich spontan.

„Willst bloß nicht mit mir gesehen werden, was?“, erklang die schelmische Frage.

Ich sah sie besorgt an. In meinem Kopf ratterten die Verschiedensten Szenarios herunter.

„Ich hab nur Angst um dich.“, antwortete ich ehrlich, „Wenn irgendwas mich beobachtet, und du mich hin fährst...“

Weiter sprach ich nicht. Man soll ja solch dunkle Szenerien nicht heraufbeschwören. Anstatt weiter zu fragen nickte meine Mutter verständnisvoll. Solch stille Kommunikation war nicht üblich bei uns. Normalerweise sprachen wir alles immer aus, egal wie aggressiv oder vulgär es war.

„Ich verstehe.“, meinte sie noch und lies mich in der Stube allein.

Die Stille im Zimmer war kaum auszuhalten. Nur die Standuhr an der Wand und der Regen, der ans Fenster schlug, erklangen im Raum. Ich spielte mit dem Gedanken, die Stereoanlage anzuschalten und den Regler bis zum Anschlag aufzudrehen. Dann ertönten die Glockenschläge.

Erst jetzt wurde mir bewusst, dass es doch schon recht spät war. Und in ein paar Stunden würde ich in einem viel zu lautem Gebäude sitzen und versuchen mir einen Dealer zu suchen.

„Das wird ein Spaß.“, murmelte ich und machte mich auf den Weg in mein Zimmer.
 

Ein roter Mantel wirbelte umher, Stahl blitzte und Schüsse zerrissen die Abendliche Ruhe.

Dante wollte schon lange mit seinen Gegnern fertig sein. Aber es kam mal wieder anders als geplant. Mehr und mehr von ihnen tauchten auf. Trotz dessen waren sie mehr lästig als bedrohlich.

„Wenn ich schon wieder zu spät komme, tritt sie mir wirklich in den Hintern.“, meinte er nebenbei und Streckte einen weiteren Gegner mit seinem Schwert nieder.

Er wollte sein Date nicht schon wieder enttäuschen. Schon so oft war etwas dazwischen gekommen. Vor allen Dingen seine unbezahlte Putzkraft, Petty Lole. Er hatte es wirklich hassen gelernt, wenn diese Mädchen immer ohne Vorankündigung auftauchen musste. Und immer wieder platzte sie in die ungünstigsten Situationen.

Reuevoll dachte er an die zu seltenen Momente vertrauter Zweisamkeit. Und während sein Körper weiter Dämon um Dämon fällte driftete sein Geist zu den vergangenen Treffen.

„Verdammt hat die mich erwischt.“, meinte er leise, mit einem seligen Lächeln auf den Lippen.

Wie zur Bestätigung fing sein Handy an zu klingeln. Schlagartig änderte er seine Prioritäten und nahm ab.

„Ich warte schon wieder auf dich.“, erklang die Beschwerde durch die Leitung.

„Entschuldige, aber ich wird hier einfach nicht fertig. Es kommen immer mehr und mehr.“, meinte er hektisch.

„Beruhig dich, Süßer.“, erklang ihre weiche, melodische Stimme, „Ich hab heute und morgen nichts zu tun.“

Der sonst so redegewandte Dämon fing an über beide Ohren zu Grinsen.

„Dann bis heute Abend, Süße.“, meinte er und merkte, wie sich ein breites Lächeln auf sein Gesicht stahl.

Der Todesschrei eines Widersachers holte ihn aber wieder in die Realität zurück. Das Lächeln verschwand und übrig blieb ein rasender Halbteufel.

„Könnt ihr nicht einfach alle sterben?“, fragte er wütend seine Gegner.
 

„Wir sind da.“, meinte der Taxifahrer und hielt am Straßenrand.

Unsicher sah ich mich um, konnte aber weit und breit außer Dunkelheit nichts erkennen.

„Und wo soll der Laden jetzt sein?“

Er zeigte auf eine kaum Beleuchtete Straße.

„Da hinten, vielleicht noch einen Kilometer.“, antwortete er leise.

„Und warum fahren sie nicht dahin?“, erkundigte ich mich neugierig.

„Weil es dort Monster geben soll.“, flüsterte er.

Ich musste Grinsen. Würde er wissen, was ich war, hätte er mich niemals mitgenommen.

„Na gut.“, meinte ich und drückte ihm das Fahrtgeld in die Hand.

Schon als ich die Tür öffnete schlug mir die kalte Abendluft entgegen. Ich zog die Daunenjacke enger um mich und machte mich auf den Weg. Meine Augen passten sich schnell an die Dunkelheit an und ließen mich alles beinahe Tag hell sehen. Das war einer der Wenigen Vorteile meiner Andersartigkeit.

Während ich der Straße folgte lies ich meinen Blick nach oben wandern. Ein wahres Sternenmeer erstreckte sich über mir. Schon zu oft hatte ich mir gewünscht so weit hinauf fliegen zu können, die Sterne berühren. Aber ich musste immer auf halbem Weg abbrechen. Die Luft war dort einfach zu dünn, kaum zu atmen. Aber ich war mir mehr als sicher, dass ich es irgendwann schaffen würde.

Wieder richtete ich meinen Augen auf den Weg und spitzte meine Ohren. Irgendwo tief in mir spürte ich, dass dieser Abend anders werden würde als geplant.

Dann konnte ich in der Entfernung schon den schwach leuchtenden Schriftzug erkennen.

Und ich musste zugeben, dass ich mich mehr als unwohl fühlte. Es war nicht nur die Tatsache, dass ich zum zweiten Mal in meinem Leben eine Diskothek betrat, sondern viel mehr die Angst vor der Ablehnung, die ich erfahren könnte.

Aber es half alles nichts. Ich brauchte dringend wieder einen anspruchsvollen Auftrag, oder vielmehr anspruchsvolle Gegner. Das Biest in mir war in letzter Zeit kaum zu bändigen. Und die meisten Gegner, denen ich in den letzten Wochen begegnet bin, waren keine wirkliche Herausforderung.

„Guten Abend.“, erklang plötzlich eine tiefe Männerstimme vor mir.

Erschrocken sah ich auf und erkannte einen Schrank von einem Mann. Er war fast zwei Köpfe größer und fast doppelt so breit wie ich. Und da war kein Gramm Fett.

Ich antwortete nicht, sondern nickte ihm nur zu. Das ich einen skeptischen Blick erntete lies ich mir nicht anmerken. Einerseits wollte ich mich nicht einschüchtern lassen, andererseits hätte er wahrscheinlich gefragt, wie ich seine Augen durch die schwarze Sonnenbrille hindurch sehen konnte.

Ich dachte schon, dass er mich aufhalten wollte, als ich die schwere, stählerne Eingangstür öffnete, aber es kam nur ein trockenes: „Einen schönen Abend noch.“

Ich sah noch einmal hinauf und betrachtete mir sein Gesicht. Kantig, fast eckig, mit einem kurzen Militärisch wirkenden Haarschnitt. Aber es lag weder Misstrauen noch Angriffslust darin.

„Danke ihnen auch.“, erwiderte ich ebenso trocken und verschwand im Inneren.

Nur um wieder zwei dieser Gestalten vor mir zu haben. Einer befand sich hinter einem Vergitterter Tresen, über dem das Schild „Garderobe“ angebracht war. Der andere stand wieder vor einer Doppeltür.

„Guten Abend.“, sprach der hinter dem Gitter mit starkem Akzent.

„Guten Abend.“, erwiderte ich freundlich und schlenderte auf ihn zu.

Sein Kollege musterte mich wie ein Raubtier. Vielleicht kam es mir auch nur wegen meiner sensiblen Sinne so vor. Vorsichtig entledigte ich mich meiner Jacke und reichte sie über den Tresen. Mit einem freundlichen Lächeln nahm der Riese sie und reichte mir, nachdem er sie verstaut hatte, eine kleine Marke mit einer Nummer.

„Ich wünsche einen Schönen Aufenthalt.“, sagte der Mann freundlich und nickte seinem Kollegen an der Tür zu.

„Wie sieht es mit den Hausregeln aus?“, erkundigte ich mich.

„Denkbar einfach.“, meinte er grinsend, „Nicht gehen, ohne bezahlt zu haben und keinen Ärger machen.“

„Wirklich einfach.“, erwiderte ich ebenfalls grinsend.

Die Gute Laune dieses Mannes war wirklich ansteckend, obwohl ich mir denken konnte, dass es kein Einfacher Job war.

Dann ging ich in Richtung der zweiten Tür und des zweiten Türstehers. Wieder konnte ich in seinen Augen nichts negatives Entdecken, was mich doch beruhigte. Als ich vor der Tür stand verbeugte er sich leicht und schob sie mit einer Hand vorsichtig auf.

„Willkommen um Crimson Tears.“, sagte er mit freundlicher Stimme.

Noch während die Tür langsam aufging hatte ich erwartet laute Musik zu hören. Doch ich wurde angenehm überrascht. Die Lautstärke war optimal. Gerade laut genug, damit nicht alle um einen herum das Gespräch mithören konnte und man sich nicht anbrüllen musste.

Dann war die Tür ganz auf. Schon vom Eingang aus konnte man sehen das die typische Tanzfläche fehlte. Dafür war der Raum mit genügend Tischen gefüllt. Und es waren auch fast alle belegt. Hin und wieder konnte man jemanden in weißen Sachen hin- und her huschen sehen. Meist hatten sie Tabletts mit Getränken in der Hand.

Vorsichtig betrat in den Raum. Doch niemand nahm Notiz von mir.

Ich atmete tief ein. Die verschiedensten Gerüche begannen meine Nase zu quälen: Nikotindämpfe, Alkohol, diverse Rasierwasser, Deodorant und der penetrante Geruch nach Schweiß.

Doch plötzlich war da ein anderer Geruch, der alles Überlagerte. Unbeschreiblich stark, obwohl er doch so sanft war. Plötzlich begann das Biest in mir sich zu regen.

Hastig suchte ich nach dem Ursprung des Geruches. Blitzschnell wanderten meine Augen über jeden Anwesenden. Auch wenn ich die Duftstoffe nicht sehen konnte, so konnte ich doch relativ gut zuordnen wo sie herkamen.

Und dann fand ich die Quelle.

Eine junge Frau mit kurzem, schwarzem Haar huschte von Tisch zu Tisch. Ihre Kleidung und ihre Haarfarbe bildeten einen unglaublichen Kontrast. Auf einmal begann das Biest an meiner Beherrschung zu reißen, wie ein angekettetes, wildes Tier, was sich auf seine Beute stürzen wollte.

Hastig suchte ich den Raum nach einem Freien, möglichst weit entfernten, Sitzplatz ab. Und dann fand ich ihn. Und schon trugen mich meine Füße dorthin. Ob ich durch die Schnelligkeit auffallen würde, war mir egal. Oberste Priorität war die Distanz zu dieser Person. Kaum hatte ich mich gesetzt und ihr den Rücken zugewandt wurde das Biest wieder ruhiger.

Persönlich brauchte ich ein wenig mehr Zeit um mich zu sammeln. So etwas war mir in meinem Leben noch nie passiert. Hin und wieder kam es zwar vor, das das Biest sich bemerkbar machte, aber noch nie so heftig und noch nie bei einem Menschen. Und das sie ein Mensch war war eindeutig. Weder eine dämonische Ausstrahlung noch irgendetwas anderes.

Der Abend konnte also noch super werden, wenn sei die ganze Zeit da wäre. Und ich begann zu beten, dass ihre Schicht bald zu Ende war.

Doch leider waren die meisten Götter noch nie Gut auf mich zu sprechen.

„Guten Abend.“, erklang hinter mir eine sanfte Stimme, „Kann ich ihnen etwas zu trinken bringen?“

Und mit einem Schlag war dieser Geruch wieder da. So ungeheuer Intensiv, dass ich glaubte, mein Biest würde aus meinem Körper ausbrechen.

Reflexartig klammerten sich meine Hände in die Halterung unter der Tischplatte. Das sie nicht lange halten würde, war mir klar, schon als sie unter der kurzen Berührung begann nachzugeben.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte sie vorsichtig.

Am liebsten hätte ich ihr gesagt, dass sie verschwinden solle, dass ich gefährlich bin. Aber ich hatte Angst, dass anstatt der Worte ein markerschütterndes Brüllen meine Kehle verlassen würde.

„Der Kleine ist nur aufgeregt.“, sagte plötzlich eine angenehme Männerstimme, „Ein Glas Wasser sollte erstmal reichen.“

Und im selben Moment war sie auch wieder verschwunden. Und die enorme Wildheit meines Biestes machte etwas anderem Platz: Furcht. Und ich teilte diese Furcht. Denn von dem Neuankömmling ging eine Aura der Macht aus, die den ganzen Raum zu Fluten schien.

„Alles klar?“, fragte er und setzte sich an den Tisch.

Vorsichtig sah ich ein Stück auf. Und das meiste was ich sah war Rot. Ich tendiere auf Leder.

„Alles in Ordnung.“, erwiderte ich leicht außer Atem.

„Was treibt dich denn ins Tears?“, fragte er neugierig.

„Arbeit.“, erwiderte ich möglichst ruhig.

Ehrlichkeit wirkt am besten. Und ich wollte es mir mit diesem Wesen nicht verscherzen. Auch wenn er nach Dämon roch, so war er doch anders, zu menschlich.

„Arbeit gibt es diese Tage genug.“, meinte er blickte sich im Raum um.

Schnelle Schritte liesen mich aufhorchen. Sofort war da wieder diese Angst, dass sie es sein könnte. Vorsichtig sog ich die Luft in meine Nase. Und stellte zufrieden fest, dass es ein anderer Geruch war.

„Ein Wasser.“, sagte die Bedienung und wandte sich dann dem Mann zu, „Und ein Strawberry Sundea.“

Neugierig sah ich zu ihm herüber, da mir der Name gar nichts sagte und erkannte staunend einen Eisbecher.

„Danke, Claire.“, meinte der Mann höflich, bevor er sich genüsslich an seinem Eis verging.

Einen höflichen Knicks später war sie auch schon wieder weg.

Erst jetzt wagte ich es den Mann anzusehen.

Sofort fielen mir die Weißen Haare und die blauen Augen auf. Sein Gesicht war perfekt geschnitten. Und irgendwie war ich auf ihn neidisch. Auch wenn er definitiv kein reiner Mensch war, so hatte er doch nicht die selben Probleme wie ich. Und mit Grauen dachte ich an die Situation vor ein paar Minuten. Wäre er nicht aufgetaucht... Ich weis nicht, was dann passiert wäre.

„Danke.“, meinte ich Kleinlaut, worauf ich einen fragenden Blick erhielt.

Dann zeichnete sich ein schelmisches Grinsen auf seinem Gesicht ab.

„Wenn du schon so schüchtern bist, ein Mädel anzusprechen, wird das nie was.“, meinte er und zeigte mit dem Löffel auf mich, „Aber glaub mir, das ist anfangs normal.“

Dann begann er zu Lachen. Und ich konnte auch verstehen warum. Mir waren die Gesichtszüge entglitten.

Dieser Typ konnte sie einfach nicht mehr alle haben.

„Beruhig dich, war nur ein Spaß.“, sagte er ruhig und sah mich neugierig an, „Du bist kein Dämon, soviel steht fest. Aber egal was du bist, solang du keinen Ärger machst, wird dir hier keiner was tun.“

Als er das sagte, hatte ich das Gefühl, dass ein riesiges Gewicht von meinem Herzen fiel. Auch wenn ich nicht wusste warum, so war mir klar, dass ich ihm trauen konnte.

„Warum bist du so freundlich?“, fragte ich neugierig.

„Weil ich weis, wie es ist, nirgendwo richtig hinzu zugehören.“, erwiderte er ruhig, „Aber das wird sich ändern.“

Und so wie er es sagte, klang es nicht nach einem leeren Versprechen. Dafür sprach daraus zu viel Gewissheit.

Ich musste diese Prophetischen Worte erst einmal sacken lassen. Ich musste mich auf jeden Fall bei ihm bedanken.

Doch kaum hatte ich ihn wieder angesehen war er verschwunden.

„Sorry, Kleiner.“, hörte ich seine freudige Stimme hinter mir, „Ich hab heute noch ein Date.“

Und mit diesen Worten und einem schnellen Schritt war er auch schon verschwunden.

Hastig sah ich mich um. Nirgendwo war der Rote zu sehen.

„Komischer Kauz.“, meinte ich leise, „Aber doch sehr nett.“

„Ja, das ist er.“, erwiderte plötzlich eine Stimme mit gegenüber.

Hastig fuhr ich herum. Und an seiner saß eine junge Frau, die auffälliger nicht sein konnte. Ein orangefarbenes Kleid und fliederfarbene Haare. Sie sah mich neugierig und abschätzend an.

„Guten Abend.“, sagte sie höflich, „Mein Name ist Tamara, aber du kannst mich auch Tammy nennen.“

„Guten Abend.“, erwiderte ich perplex, „Kann ich helfen?“

„Du mir nicht, aber ich dir.“, erwiderte sie lasziv, „Ich bin nämlich für die Neuen zuständig.“

Langsam begann es in meinem Kopf zu rattern.

„Dealer?“, fragte ich ungläubig.

Sie durfte nicht älter sein als ich, vielleicht sogar ein wenig jünger.

„Genau.“, sagte sie entschieden, „Aber bevor wir anfangen, haben wir einiges zu klären.“

Und schon im nächsten Moment hatte sie ihren Fragenkatalog ausgepackt und saß Schreib bereit vor mir. Es waren nur die normalen Fragen, die ich auch erwartet hatte. Mein Richtiger Name, mein Synonym, Adresse und schließlich das Alter.

Mir persönlich hätte es allerdings gereicht, eine Liste mit Aufträgen hingelegt zu bekommen. Aber es läuft ja meistens anders.

Und während sie mich noch über meine Allergien und Krankheiten ausfragte lies ich meinen Blick gelangweilt durch das Tears wandern.

Kein Bekanntes Gesicht. Alles war so unglaublich neu für mich. Geradezu aufregend.

Und dann sah ich etwas, was mir bald einen Herzinfarkt verpasste. Die Schwarzhaarige tänzelte gerade zu zwischen den Tischen hindurch. Und kaum hatte ich sie gesehen spürte ich auch meinen Schweinehund, vielmehr hörte ich das dumpfe Knurren in meinen Ohren.

Das schlimmste an der Sache war allerdings, dass ich nicht wegsehen konnte. Meine Augen betrachteten sie wie gebannt.

Und neben mir hörte ich noch Tammy reden. Belehrungen, weitere Fragen und Vorschläge. Unterbewusst schaffte ich es noch ordentlich zu antworten, oder jedenfalls ein knappes, monotones „Ja“ hervorzubringen. Wie lange ich die Bedienung anstarrte konnte ich beim besten willen nicht sagen. Aber zum Glück hatte ich ja meinen neuen Dealer.

„Willst du mit mir schlafen?“, fragte sie plötzlich.

Ruckartig war ich wieder im hier und jetzt, fuhr herum und sah sie entgeistert an.

Ein entgeistertes „Was“ war alles was ich heraus bekam.

„Habe ich jetzt wieder deine Aufmerksamkeit?“, fragte sie ungerührt.

Fast mechanisch nickte ich, noch immer überrascht von dieser Frage.

„Also.“, begann Tammy geschafft, „Ich habe jetzt fast alle Daten, die ich brauche.“

„Und was fehlt?“, erkundigte ich mich vorsichtig.

Ich betete inständig, dass es keine Bluttest oder ähnliches werden würden. Da ich in früher Kindheit mal ein schlechtes Erlebnis mit einem Arzt und einer Spritze hatte, reagiert mein Körper schon von alleine. Und die Folge sind haufenweise krumme oder abgebrochene Nadeln.

„Nichts schlimmes.“, erwiderte sie lächelnd, „Nur muss ich wissen, wie gut du bist.“

Und während sie das sagte, wollte ich nicht in ihrem Kopf sein. Ihr laszives Lächeln war schon mehr als ich wissen wollte.

„Soll heißen?“, fragte ich vorsichtig, bereit mit einem kräftigen Satz durch die nächste Wand zu verschwinden.

„Wir beiden werden eine Einsteiger-Mission erledigen.“, erklärte sie ruhig und ordnete ihre Unterlagen, „Also sei in 10 Minuten draußen vor dem Haupteingang.“

Und kaum hatte sie es Gesagt, war sie auch schon verschwunden. Ein mulmiges Gefühl beschlich mich. Auch wenn es nur eine einfache Mission war kann immer etwas aus dem Ruder laufen. Und die Angst, dass ich mich „Outen“ musste, lies meinen Magen verkrampfen.

Aber es nützte ja alles nichts. Hastig schlich ich an der Wand in Richtung Ausgang. Ich wollte eine Konfrontation mit der Schwarzhaarigen auf alle Fälle vermeiden. Und zum Glück gelang es mir auch. Hastig schlich ich mich durch die Zwischentür uns sah zwei verwirrte Sicherheitsleute an. Nach einem kurzen Blickwechsel widmeten sie sich wieder ihrem Gespräch. Und wie ich mithören konnte ging es gerade um die neu eingestellten Service-Kräfte.

„Die kleine Schwarze ist Niedlich.“, meinte einer der Beiden, „Würde mich interessieren auf was für Typen die so steht.“

„Wen von beiden meist du? Claire oder Melissa?“, fragte der andere neugierig.

Abrupt blieb ich stehen und sah die beiden neugierig an. Melissa hieß mein Damokles-Schwert also.

„Na, kleiner, auch Interesse?“, fragte der Typ hinter dem Tresen.

„Jupp, und dank euch weis ich jetzt auch den Namen.“, meinte ich grinsend und huschte durch die Eingangstür hinaus in die Frische Luft.

Die Luft war kalt, bald eisig, und jeder Atemzug stach ein wenig in den Lungen. Zwar war es Sommer, aber die Nächte waren unerbittlich kalt. Wiedermal eines diese kaum beachtungswürdigen Zeichen, das etwas ganz und gar nicht stimmte. Aber darüber konnte ich mir auch später noch Gedanken machen. Zuallererst musste ich den Auftrag mit Tammy überstehen.

Wiedereinmal versank ich in Gedanken. Und leider freute sich mein Biest mehr als ich, denn vor meinem Geistigen Auge erschien Melissa , wie sie zwischen leeren Tischen hin und hertanzte, da ein Glas abstellte, da eines aufnahm. Es war wirklich Komisch. Noch nie hatte ein Wesen, ob Dämon oder Mensch, mich so sehr verwirrt. Und noch nie war ich so kurz davor die Beherrschung zu verlieren.

Aber lange konnte ich nicht darüber nachdenken. Das laute aufheulen eines schweren Automotors holte mich jäh in die Realität zurück. Plötzlich driftete ein schwarzer Pickup um die Hausecke und blieb mit quietschender Bremse vor mir stehen.

„Komm, wir müssen los.“, meinte die Fahrerin, die sich als Tammy herausstellte.

Hastig schob ich mich um die Motorhaube des Wagens und nahm neben ihr Platz. Aus den Augenwinkeln betrachtete erkannte ich die hundertachtzig Grad Wende der Kleidung. Ein Dicker Pullover und eine lange Hose, beide Schwarz, sowie schwere, hohe Stiefel, ebenfalls Schwarz. Eine ebenfalls dunkle Schildmütze bedeckte ihre hellen Haare.

„Anschnallen nicht vergessen.“, sagte sie lächeln.

Schnell hatte ich den Sicherheitsgurt angelegt, da trat sie schon aufs Gas. Die Reifen schrien nach Haftung, und als sie sie endlich gefunden hatten, schoss der Wagen davon.

„Was lautet der Auftrag?“, fragte ich neugierig.

„In einem alten Anwesen am Stadtrand wurden Monster gesichtet.“, begann sie zu erzählen, „Laut berichten anderer Leute und der Hausherren sind wir zu der Erkenntnis gekommen, dass es sich um Sandgeister handelt.“

„Sandgeister?“, hakte ich nach.

„Sie sind das erste mal mit dem Temen-Ni-Gru aufgetaucht. Ihre Körper bestehen aus Sand, deshalb der Name. Gewöhnlich tragen sie Sensen und sind mit die schwächsten Vertreter ihrer Art.“

Und wie sie es gesagt hatte, ging meine Stimmung in den Keller. Ich brauchte heute Abend einfach etwas um mich abzureagieren. Und diese kleinen Viecher waren bei weitem nicht genug. Ich hatte mich schon auf ein kleines Gemetzel gefreut, aber das es so klein

werden sollte, deprimierte mich schon etwas.

„Was ist los?“, fragte sie schelmisch, „Hast du Angst?“

„Nicht im Geringsten. Und du?“, erwiderte ich die Frage, um wenigstens die Fahrtzeit ein wenig zu überbrücken.

„Ein wenig.“, meinte sie lächelnd, „Ich gehe nur selten mit raus. Bin eher der Typ für die Sichere Büroarbeit.“

„Dann halt dich zurück und lass mich machen.“, erwiderte ich ruhig.

Und unterschwellig konnte ich ihre Angst fühlen, wie sie den wagen flutete.

„Wenn es zu brenzlig wird, verschwindest du.“, meinte ich hart, „Ich bin nämlich nicht das erste mal auf der Jagd.“

„Ich bin eh nur zum beobachten da.“, erwiderte sie.

Langsam aber stetig wurde sie ruhiger. Und das war auch gut so. So konnte sie wenigstens für sich selbst sorgen.

Den Rest der Fahrt verbrachten wir schweigend. Auch wenn sich die zehn Minuten dadurch in eine kleine Ewigkeit zu verwandeln schien.

In Gedanken ging ich meine Früheren Begegnungen mit diesen Monstern durch. Sie waren wirklich schwach, gaben schon nach ein paar Schlägen den Geist auf und die meisten waren recht pragmatisch. Ausnahmen bestätigen die Regel, wie zum Beispiel die Enigma, oder auch Todesgötter. Sie waren extrem Aggressive Vertreter ihrer Art, schnell und stark, zudem konnten sie auch durch den Raum springen und binnen Sekunden irgendwo anders stehen.

Aber ich bezweifelte einen solchen Gegner zu finden.

„Wir sind da.“, meinte Tammy beunruhigt.

Neugierig lehnte ich mich zu ihr hinüber und betrachtete meinen neuen Einsatzort. Und ich hätte fast los gelacht. Es war eine, auf einem kleinen Hügel gelegene Villa, früher bestimmt sehr luxuriös, aber heute nur noch ein Schatten ihrer Selbst. Das Tor an der auffahrt stand ein Stück offen und hatte kaum noch eine Rostfreie Stelle.

„Das Ding ist perfekt für einen Horrorfilm.“, meinte ich grinsend und schnallte mich ab.

„Soll es auch.“, erwiderte Tammy und tat es mir gleich, „Da Drin soll ein Horrorfilm gedreht werden.“

„Ne, oder?“, fragte ich perplex und musste ein Lachen wieder unterdrücken.

Der Gedanke war schon recht belustigend. Wenn man Gerade bei den Dreharbeiten ist, ein Dämon auftaucht und der Regisseur diesen anmeckert, weil er viel zu früh aufgetaucht ist.

„Was ist los?“, fragte Tammy verwirrt und sah mich forschend an.

„Kopfkino.“, erwiderte ich schmunzelnd und brachte das Tor hinter mich.

Schlagartig wurde ich ernst. Hier stank es wirklich. Aber nicht nach Schimmel, oder ähnlichem. Es stank nach Dämonen, und das nicht zu knapp.

„Scheint ne ganz schöne Menge zu sein.“, meinte ich leise und drehte mich zu meiner Begleiterin um.

Vorsichtig schlich sie hinter mir her, eine kleine Pistole in der Hand. Skeptisch betrachtete ich die Waffe.

„Und du meinst, die reicht?“, fragte ich neugierig und zeigte mit dem Finger darauf.

„Was anderes darf ich nicht nehmen.“, sagte sie und sah sich um wie ein gehetztes Tier, „Order vom Chef. Außerdem bin ich nur als Beobachter dabei.“

Ich nickte verständnisvoll, auch wenn ich dafür kein Verständnis haben konnte. Auch als Beobachter durfte man sich doch wohl zur Wehr setzen. Und wenn es nicht nur ein paar Wanzen sein sollten, auf die wir Treffen, hätte das Mädchen echte Probleme.

„Na gut, dann lass uns weiter.“, sagte ich ruhig und wandte mich wieder dem Haus zu.

Plötzlich regte sich etwas im Obergeschoss. Ein Blaues Laken und ein paar rote Augen wandten sich um und verschwanden aus meinem Sichtfeld.

„Sie wissen, das wir da sind.“, stellte ich leise fest und deutete auf das Fenster.

„Dann sollten wir vorsichtig sein.“, erwiderte sie um kam ein Stück näher.

Sie war wie ein gespanntes Stahlseil, kurz vorm reisen. Und wenn ich Pech hatte, würde sie mir in der Hitze des Gefechts sogar noch eine Kugel verpassen.

Festen Schrittes ging ich weiter in Richtung des Gebäudes, gespannt wie ein Bogen und bereit beim kleinsten zucken zuzuschlagen. Wenn ich alleine wäre, würde ich die Bude einfach stürmen, aber das war mit ihr nicht möglich.

Endlich hatte ich die hölzerne Doppeltür erreicht. Neben mir hatte Tammy Stellung bezogen und wartete nur darauf, dass ich hineingehen würde.

„Hast du keine Waffen dabei?“, fragte sie plötzlich.

„Ich brauche keine.“, erwiderte ich und öffnete die Tür bis zum Anschlag.

Innen herrschte nur Dunkelheit und ein unheimlicher Gestank.

Schimmel und Dämonen.

Kein Wunder, dass sie sich hier niedergelassen hatten. Normale Menschen hätten den Geruch kaum unterscheiden können. Aber meine geschulte, und überempfindliche, Nase nahm den Unterschied stechend wahr.

„Bereit?“, fragte ich, ohne meinen Blick vom Dunkel abzuwenden.

„Bereit.“, sagte sie und klang bei weitem nicht so sicher, wie sie es vorgehabt hatte.

Langsam betrat ich die Vorhalle. Zwei Treppen gingen nach oben und umrahmten eine kleine Galerie. Im Untergeschoss herrschte ein einziges Chaos. Zertrümmerte Möbel und aus den Angel gerissene Türen, vermoderter Teppich und die Tapete kam einem auch schon entgegen.

Leise folgte mir Tammy, doch sie schien das Glück zu haben, jede knarrende Diele zu erwischen. Falls wir noch eine kleine Chance auf ein Überraschungsmoment hatten, war diese jetzt vertan.

Und dann stand sie endlich neben mir, die Waffe immer noch im Anschlag.

Auf einmal erklang hinter uns ein leises Surren. Ich blickte über die Schulter zurück und sah begeistert, dass wir gefangen waren. Hinter uns hatte sich eine Barriere aus roter Energie gebildet.

Tammy fluchte wie ein alter Seemann, als sie die Wand aus dämonischer Energie sah.

Also hieß es, alle Gegner ausschalten, oder jedenfalls den, der die Barriere Geschaffen hatte.

Plötzlich erklang ein Stöhnen. Es schien aus allen Richtungen und allen Zimmern zu kommen.

„Was ist das?“, fragte sie Ängstlich.

„Der Grund warum wir da sind.“, meinte ich und trat in die Mitte der Halle, „Blieb zurück, halt dich von dem Wall weg und steh mir nicht im Weg.“

Und dann kamen sie aus allen Ecken gekrochen. verschiedenfarbige Roben und Haltungen. Die meisten trugen ein Dunkel Blau und nur eine Handvoll war in rote Roben gekleidet.

„Dann kann der Spaß ja beginnen.“, sagte ich leise und spürte wie das Biest mir zustimmte.

Ich wartete nicht auf den ersten Angriff, sondern stürmte auf meine Gegner zu. Aus einem Satz nach vorne lies ich meine Faust vorschnellen und traf ungebremst die Maske eines Blauen. Sie zersprang in tausend Stücke und mit einem quälenden Aufschrei verwandelte er sich in einen Sandhaufen. Aus den Augenwinkeln konnte ich einen Roten heran rauschen sehen. Einen Schritt nach hinten und einen Schlag mit dem Handrücken reicht um ihn zur Strecke zu bringen.

Schon spürte ich mein Biest. Einerseits war es Belastung pur, andererseits das beste Frühwarnsystem im Kampf gegen diese Freaks.

Ich fuhr herum und lies mein Bein in Kopfhöhe folgen. Und zu meinem Glück erwischte ich zwei von ihnen. Beide Blau.

Langsam zogen sie sich ein Stück zurück. Der erste Angriff war überstanden und ich hatte ein wenig Zeit die Lage zu sondieren. Fünf hatte ich schon erledigt und das dreifache noch vor mir.

„Na, schon genug?“, versuchte ich sie zu provozieren und gab sogar meinen Deckung auf.

Und es funktionierte. Ein weitere kam auf mich zu und riss seine Sense in die Luft. Jedoch war er viel zu langsam für mich. Mühelos wich ich der Sense aus, packte die Maske und schleuderte ihn Kurzerhand in eine Gruppe seiner Kollegen. Und schon wieder waren vier Stück zu Staub zerfallen.

Ich gönnte mir einen Blick zu Tammy und musste Grinsen. Sie sah mich entgeistert an und der Mund stand leicht offen.

„Mach lieber den Mund zu. Staub in der Lunge ist echt übel.“, sagte ich und wand mich wieder meinen Gegnern zu.

Gerade rechtzeitig will ich meinen, denn vor meinem Gesicht befand sich auf einmal die Schneide einer Sense. Noch in der selben Sekunde ging ich in die Knie und spürte noch den Luftzug, als die Waffe über mich hinweg glitt. Aus Reflex griff ich zur Seite und schaffte es noch das Bein des roten Sandgeistes zu fassen zu bekommen. Mit einem Ruck war er wieder neben mir und sah mich aus den blau leuchtenden Augen irritiert an. Doch schon im nächsten Moment krachte meine Hand in seinen Rücken und verwandelte ihn in ein Häufchen Elend.

Aus der Hocke fuhr ich herum sah mich um. Die anderen Sandgeister zogen sich langsam in die Nieschen zurück, aus denen sie gekrochen waren.

„Na, schon genug?“, reif ich ihnen entgegen.

Doch leider gingen sie nicht auf die Provokation ein. Es kam noch nicht einmal ein wütendes Fauchen oder Knurren.

„Man seid ihr Langweilig.“, meinte ich noch und wand mich wieder Tammy zu.

Sie stand immer noch mit offenem Mund da. Doch es gab einen Unterschied. Langsam wich alle Farbe aus ihrem leicht gebräunten Gesicht.

Gemächlich drehte ich mich um. Egal was da aufgetaucht war, ein wirklicher Knaller konnte es nicht sein, ansonsten wäre mein Biest schon am Ausrasten.

Und zu meiner Freude stand da oben, auf der Galerie, ein etwas anspruchsvoller Gegner:

Ein Enigma.

Between Ghost and Girls

Die Sense leuchtete in einem lila, das nur Unheil bedeuten konnte. Aber das war nicht mein Erster Kampf gegen diese Art der Gegner.

„Und wann willst du runter kommen?“, fragte ich den, in schwarz gehüllten, Sandgeist.

Und mit einem Schrei, der einem normalen Menschen das Blut in den Adern gefrieren lassen konnte, sprang es zu mir herunter.

Ein Grinsen stahl sich auf mein Gesicht. Wenigstens hatte ich eine kleine Herausforderung diese Nacht.

„Bist du Lebensmüde?“, hörte ich Tammy hinter mir panisch schreien.

„Ich oder das da?“, fragte ich und zeigte auf meinen Gegner.

„Du! Du elender Vollpfosten!“, rief sie hinter mir.

„Mach dir mal um mich keine Sorgen, ich komm schon klar.“, erwiderte ich gelassen und knetete meine Fäuste durch, dass die Gelenke nur so knackten.

Plötzlich Schoss das Wesen auf mich zu, die Sense hoch erhoben, um mich mit einem einzigen Streich zu teilen. Aber leider wusste das Monster nicht, worauf es sich eingelassen hatte. Mit einem Satz nach vorne verringerte ich die Distanz, nicht drastisch, aber immerhin genug um es aus dem Konzept zu bringen. Die Sense sause herunter, aber ich war schon zu nah. Mein Arm schnellte nach vorne und packte den Schaft der Sense und hielt sie auf. Und in den starren, leeren Augen des Sandgeistes strahlte mir die Verwirrung entgegen.

„Damit hast du nicht gerechnet, oder?“, fragte ich schelmisch.

Doch eine Antwort wartete ich nicht ab, sondern langte mit meiner freien Hand nach vorne und schlug dem Monster mit der flachen Hand vor die Maske. Noch in der Selben Bewegung riss ich an der Sense. Überfordert von der Situation und zurückgedrängt von meinem Schlag lies das Monster seine Waffe los.

Ich nutzte die Gelegenheit, fuhr herum, packte die Sense mit beiden Händen und riss sie in der horizontalen Herum. Entsetzt wich das Wesen zurück. Jedoch nicht schnell genug.

Ich spürte noch den geringen Widerstand, als die Sense durch seinen vorherigen Besitzer glitt.

Der Sandgeist taumelte zwei Schritte zurück, bevor der Treffer sichtbar wurde und das Monster in Hüfthöhe auseinander fiel.

Triumphierend drehte ich mich herum, wirbelte die Sense einmal über dem Kopf bevor ich sie in den Holzboden rammte.

„Und wo war jetzt das Problem?“, grinste ich sicher.

Doch weiter kam ich nicht. Plötzlich machte das Biest lautstark auf sich aufmerksam. Und auch an Tammys Gesicht konnte ich erkennen, dass etwas nicht stimmte. Mit einem Ruck riss ich die Sense aus dem Boden und fuhr herum. Doch weit kam ich nicht. Ein kräftiger Hieb erwischte mich und riss mich von den Füßen.

Dennoch konnte ich einen kurzen Blick auf meinen Gegner werfen. Auf den ersten Blick sah er aus, wie ein Sandgeist, doch war er Größer, in eine graue Robe gehüllt und mit vier bewaffneten Armen.

Dann war da schon die morsche Wand. Krachend und splittend gab sie nach und sorgte dafür, dass mein Flug im dahinter liegenden Raum endete.
 

Tammy starrte den neuen Sandgeist entgeistert an.

Sie hätte sich niemals dazu breitschlagen lassen sollen, mit den Neuen mit zu gehen. Das war mehr als sie verkraftete. Hastig sah die junge Frau über die Schulter. Die Barriere war noch immer da. Fliehen konnte sie nicht, Kämpfen auch nicht und sich in einem der anderen Räume verstecken war Sinnlos, da dort die anderen Monster warteten.

Sie war diesem Monster hilflos ausgeliefert. Und nun kam es sogar auf sie zu. Es war fast Doppel so groß, wie die anderen und die vier Arme, in jeder eine Sense, liesen keinen Zweifel daran, dass es zu Kämpfen bereit war.

Und in Kampfposition kam es auch auf sie zu, zwei Sensen zum Schutz vor sich, die anderen zum Schlag gehoben.

Plötzlich fühlte sie wieder die Waffe in der Hand und Zannys Frage, ob sie reichen würde, kam ihr wieder in den Sinn. Aber auch wenn nicht, so müsste sie es doch versuchen.

Sie hob die kleine Pistole und zielte, wie sie es gelernt hatte. Zielte und schoss. Der Knall hallte in ihren Ohren nach, als die Kugel den Lauf verließ. Aber mehr als ein wenig Sand rieselte nicht aus der getroffenen Stelle. Wieder und wieder zog sie den Abzug durch und hoffte, dass es reichen würde. Doch als nach der zwölften Kugel nur noch das klacken des leeren Magazins zu hören war, verschwand die Hoffnung so schnell wie sie gekommen war.

Innerlich hatte die junge Frau schon mit ihrem Leben abgeschlossen. Und jammerte still, was sie doch noch alles in ihrem Leben machen wollte. Einen richtig netten, und vermögenden, Mann heiraten, Kindern, Witwenrente zu dem Vermögen. Aber daraus sollte doch nichts mehr werden.

Jedoch sah sie es auch nicht ein wie ein Feigling zu sterben. Sie richtete sich zu voller Größe auf und sah das Monster aus festen Augen an.

Bis plötzlich ein Stuhl von der Seite in das Monster krachte. Irritiert wand es sich in die Richtung des Angriffs. Doch schon im nächsten Moment krachte wieder etwas in das Monster hinein und riss es von den Füßen.

Ungläubig musterte Tammy den Massivholz-Kleiderschrank.

„Du Elendes Mistvieh!“, hörte sie Zannys fluchen.

Und dann schritt er schon durch das von ihm verursachte Loch in der Wand.

„Du hast mir mein bestes Hemd ruiniert!“

Ein breiter Schnitt zog sich von der linken Hüfte bis zur rechten Schulter und verwandelte das Hemd in einen einzigen Fetzen.

Und bei dem Anblick klappte ihr Kiefer nach unten. Nicht nur, weil er diesen Angriff überlebt hatte...

sondern auch weil ihr gefiel was sie sah.

„Jetzt kann die Party beginnen.“, sagte Zanny mit einem bösen Unterton in der Stimme.
 

Dante wartete Geduldig wie immer auf sein Date. Beiläufig sah er an sich herab und war recht zufrieden. Frisch geduscht, rasiert und in neuen Klamotten hatte er sich schleunigst auf den Weg gemacht. Sie hatten sich für die heutige Verabredung einen Kinobesuch vorgenommen. Einen Horrorfilm. Und ihm huschte ein Grinsen übers Gesicht.

„Du weißt doch, was ich von Horrorfilmen halten, oder?“, hatte er sie gefragt.

„Ich wollte halt mal wieder was zum Lachen haben.“, hatte sie erwidert.

Und das würde es auch werden. Beide konnten sich bei diesen Super-Horror-Schockern, wie sie immer angekündigt wurden, kaum das Lachen verkneifen. Einmal wurden sie sogar aus dem Kino geworfen. Das hatte sie aber auch nicht gestört in die Folgevorstellung zu gehen.

Und der heutige Film sollte einem wieder das Blut in den Adern gefrieren lassen.

Neugierig sah er die Straße entlang. Die Frauen, die ihn gierig ansahen, ignorierte er gekonnt. Und dann sah er sie und sein Herz machte einen Sprung, bei dem was ihm bevorstand.

Einen ruhigen, friedlichen Feierabend, der auf mehr hoffen lies.
 

„Alles OK?“, fragte ich Tammy, die mich mit offenem Mund anstarrte.

Es dauerte noch Sekunden, bis sie sich gefangen hatte und mit einem knappen „Ja“ antwortete.

Dann hörte ich das Fauchen und im nächsten Moment krachte der Kleiderschrank in den Aufgang. Langsam stand der Dämon auf und schien mich wütend an zu funkeln. Doch mir ging es ähnlich.

„Ich werde dich verschlingen!“, zischte es unter der Maske.

Überrascht sah ich ihn an. Normalerweise redeten diese Monster nicht, sondern gaben nur obszöne Geräusche von sich. Aber trotzdem war es für mich nur eines: Ein Mittel um mich abzureagieren

„Dann wollen wir mal sehen, ob ich dir schmecke.“, erwiderte ich so ruhig wie möglich, dann wandte ich mich Tammy zu, „Schrei nicht, Ok?“

Sie sah mich verdutzt an, aber ich ließ ihr keine Zeit für zum nachfragen, sondern entfesselte meine Andersartigkeit. Nur tat es mir um meine Klamotten Leid, da schon wieder eine Hose dran glauben musste und das Hemd endgültig einen Abgang machte.

„Was bist du?“, fragte sie, die Hand vor den Mund haltend.

„Das sag ich dir nicht.“, erwiderte ich neckisch, „Aber du kannst dann noch ein wenig raten.“

Dann richtete ich meine ganze Aufmerksamkeit auf meinen Gegner. Der Sandgeist war schon eine imposante Gestalt. Und es dürfte auch einiges dahinter stecken.

„Komm her! Ich werde dich zerreißen!“, schrie er mir entgegen und riss die Arme zur Seite.

Und nur zu gern ging ich auf die Provokation ein. Ich ging ich die Hocke, nur um im nächsten Moment nach vorne zu schnellen, direkt auf meinen Gegner zu. Überrascht wich er zurück und nahm die Sensen vor sich. Jedoch nicht schnell genug und so krachte ich frontal in ihn herein. Nach zwei Schritten nach hinten hatte er sich allerdings wieder gefangen. Doch ich ließ ihm keine Zeit und setzte mit einem direkten Faustschlag nach.

Der Treffer holte ihn von den Füßen und ließ ihn direkt durch die Wand hinter sich brechen. Nur hatte er das Pech, das diese eine massive Backsteinwand war.

„Ist es vorbei?“, fragte Tammy vorsichtig.

„Das war erst der Anfang.“, erwiderte ich.

Ich konnte die Wut dieses Monsters spüren. Es fühlte sich an wie eine Woge, die durch das Haus wanderte.

„Ich will hier raus!“, schrie Tammy plötzlich.

Schnell sah ich zu ihr herüber. Sie stand da, die Arme um den Leib geschlungen und zitterte. Ihre Nerven mussten blank liegen. Aber für jemanden der sich selten solchen Gefahren stellte, ist das höchstwahrscheinlich normal. Ich war nur zu froh, dass ihr Magazin leer war. Denn ob sie mich in meiner jetzigen Gestalt noch als Verbündeten ansah war Zweifelhaft.

„Mach es tot!“, schrie sie erneut und begann sich auf den Boden zu kauern.

Irgendwie war das schon niedlich.

„Mach Es tot?“, fragte ich verwirrt, doch einerseits auch mit einem schwachen Anflug von Grinsen, den ich jedoch im Keim ersticken musste.

„Das Ding halt!“, rief sie und zeigte auf das Monster, welches wieder die Halle betreten hatte.

„Wie Milady wünschen.“, erwiderte ich mit einer gekünstelten Verbeugung, bevor ich mich wieder dem Sandgeist zu wand.

„Du hast die Dame gehört.“, sagte ich zu meinem Gegner, bevor ich in Kampfstellung ging.

Schweigend tat es dasselbe. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren stürmte ich auf meinen Gegner zu. In einer fließenden Bewegung hatte es ausgeholt und ließ seine Sensen in einem wilden Tanz herumwirbeln.

Jedoch hielt sich die Angst vor den Sensen in Grenzen. Der letzte Treffer hatte mir auch nur das Hemd zerschnitten. Und mehr dürften die Sensen auch jetzt nicht anrichten.

Hoffte ich zumindest.

Nur Sekunden später sah ich einen Fehler in dem Angriff. Und den nutzte ich auch schamlos aus.

Kurz bevor ich das Monster erreichte lies ich meine Hand nach vorn schnellen. Und zu meinem Glück hatte ich vier Sensenstiele in der Hand.

Der Sandgeist begann daran zu zerren, doch schaffte er es nicht sie loszureißen.

Mit einem Ruck riss ich an den Stielen, zog damit das Monster in Reichweite meiner freien Hand. Noch in derselben Bewegung lies ich diese nach vorne schnellen, über die Sensen hinweg und packte den Kopf des Sandgeistes.

Schlagartig hatte es die Sensen los gelassen, hatte meinen Arm gepackt und versuchte sich los zu reißen.

„Nutzlos.“, sagte ich kalt.

Die leeren Maskenaugen schienen mich zu fixieren und ein anderes Gefühl ging von dem Wesen aus: Angst.

Im Normalfall zögerte ich nicht. Doch dieses Monster war anders. Es schien wirklich Angst zu haben, panische Angst. Und für einen Augenblick war ich verleitet, dass Monster einfach los zu lassen.

„Töte mich!“, flehte das Wesen plötzlich, „Beende diesen Wahnsinn und erlöse mich!“

„Was?“, fragte ich sichtlich verwirrt über diesen plötzlichen Sinneswandel.

„Du hast mich schon verstanden.“, hauchte es ruhig, „Ich werde sterben, wenn nicht durch dich, dann durch den Nächsten.“

„Aber das kann es doch nicht alles sein.“, sagte ich perplex.

„Wenn nicht so, dann anders.“, meinte der Sandgeist.

Er hob einen seiner Arme und eine Sense erschien. Noch in der Selben Bewegung hatte er ausgeholt. Doch nicht ich war sein Ziel, sondern Tammy. Ich wusste es nicht, sondern spürte es viel mehr. Er hatte nicht vor zuzuschlagen, sondern die Waffe zu werfen.

Auch wenn es mir nicht gefiel, folgte ich dem Wunsch des Wesens und ballte die Klauenhand. Der Kopf des Wesens verwandelte sich in Staub, gefolgt von dem Rest. Die Sense traf mit der Spitze den Boden und blieb stecken. Nur um nach einem Augenblick zu zerspringen, wie ein Stück Glas.

„Ist es vorbei?“, fragte Tammy vorsichtig und sah sich ängstlich um.

„Ja, das ist es.“, erwiderte ich ruhig und sah zur Tür.

Die Barriere war noch immer da, doch mit jeder Sekunde wurde sie schwächer, bis sie schließlich verblasste, wie ein schlechter Traum.

Sofort war die junge Frau auf den Beinen und hastete auf die offene Tür zu. Ich hingegen blieb stehen. Ein ungutes Gefühl breitete sich in mir aus.

Da ich schon öfter mit diesen Barrieren zu tun hatte, wusste ich in etwa, wie sie funktionierten. Aber diese war anders. Normalerweise verschwanden sie erst, wenn alles Dämonische in dem gesperrten Bereich eliminiert war. Doch hinter mir konnte ich noch immer einige Sandgeister spüren.

Die Ohren gespitzt und die Augen an die Dunkelheit angepasst, versuchte ich zu verstehen, was hier vor sich ging.

In der Zwischenzeit hatte Tammy die Tür erreicht und eilte hinaus. Erst als sie die Treppen vor dem Haus erreicht hatte, drehte sie sich um. Zum Wiederholten Mal an diesem Tag spiegelte sich in ihrem Gesicht entsetzen.

Mit einem Schlag war es da. Eine ungeheure Energie, Böse, Dunkel, Schwarz, und zu allem Überfluss war sie hinter mir. Ich wollte gerade herum fahren, doch da war es schon zu spät. Klingen bohrten sich in meine Arme und Beine. Ich schrie vor Schmerzen.

Zwar war es nicht das erste Mal, dass ich verletzt wurde. Doch das Schlimme an diesem Angriff war das hinterhältige.

„Du hast diesen Wahnsinn nicht beendet.“, flüsterte jemand neben mir.

Dann war der Sprecher auch schon vor mir. Es war die Maske des Sandgeistes. Energie floss daraus hervor, wie aus einem Wasserfall.

„Du hättest ordentlich arbeiten sollen, Monster.“, sprach es weiter und begann zu Lachen.

Ich sah an der Maske vorbei zu Tammy. Plötzlich setzten sich die Türen in Bewegung und schlossen sich quälend langsam. Mit jedem Zentimeter, den sie zurücklegten sammelte sich auch die Barriere wieder und verhinderte eine mögliche Flucht.

„Dann lass mich meinen Fehler wieder gutmachen.“, sagte ich gepresst.

Und in diesem Moment schloss sich die Tür.
 

Tammy starrte auf die dämonische Erscheinung. Die Maske des Sandgeistes Hing einfach in Luft, die Sensen bewegten sich von alleine.

„Das ist doch alles falsch.“, hauchte sie.

Und dann hatte er zugeschlagen. Die Sensen durchbohrten Zannys Arme und Beine, zogen sie auseinander und erstickten so jede Gegenwehr im Keim. Er schrie vor Schmerzen.

Dann begannen sich langsam die Türen zu schließen. Es schien Minuten zu dauern, bevor sie sie aussperrten, oder waren es nur Sekunden? Doch das leise Klacken, als die Türen sich endgültig schlossen, lies sie aus ihrer Starre erwachen.

Ihr Kopf arbeitete auf Hochtouren und versuchte eine Lösung für die Situation zu finden.

Schlagartig fiel ihr ihr Handy wieder ein. Hastig kramte sie das moderne Mobiltelefon aus ihrer Tasche und entriegelte die Tastensperre. Ihre Augen schnellten in die obere Ecke des Displays und erstickten ihre Hoffnung im Keim. Sie hatte keinen Empfang.

Geschlagen sank sie auf die Knie. Sie konnte nichts tun. Ihre Waffe war Leer geschossen und Extramunition hatte sie nicht mitgenommen. Das Telefon hatte keinen Empfang und selber Kämpfen konnte sie auch nicht. Sie hatte sich zwar für verschiedene Kampfsportarten interessiert und auch ein paar Stunden hinter sich gebracht, wurde aber immer auf die Matte geschickt, egal ob gegen einen blutigen Anfänger oder einen Profi.

Es war einfach zum Mäuse melken. Sie war zur Hilfslosigkeit verdammt.

„Tamara?“, hörte sie eine Frauenstimme hinter sich.

Panisch drehte sie sich um und sah in zwei verschiedenfarbige Augen.

„Mary!“, rief sie verzweifelt, rappelte sich auf und stürzte auf die Allrounderin zu, „Du musst ihn retten!“

„Was ist los, Tammy?“, fragte sie erneut und umfasste ihre Arme.

Sofort sprudelte es aus ihr heraus. Und während sie erzählte wandte sich der Blick zurück zum Haus. Marys Augen folgten ihr und blieben an der Eingangstür hängen.

„Wie heißt er?“, fragte Mary in Gedanken.

„Er nennt sich Sunny.“, flüsterte Tammy leise.

Die verschieden farbigen Augen weiteten sich, als sie den Namen hörte.

„Sunny? Rostfarbene Haare, Flügel, Klauen und Schweif?“, fragte sie verwirrt.

Tamara sah sie an und verstand die Welt nicht mehr.

„Ich hab die Tage mit so jemanden zusammengearbeitet.“, erklärte die Schwarzhaarige ruhig.

Plötzlich drang ein Schrei aus dem Gebäude, wie sie ihn noch nie gehört hatten. Es klang nicht nach Dämon, sondern eher wie ein Tier, ein verdammt großes und wütendes dazu.

Dann war es Totenstill. Noch nicht einmal die Grillen zirpten, sogar der sonst stetig wehende Wind war verschwunden.

Beide Frauen starrten noch immer auf die Tür, bis sie sich langsam öffnete. Sofort hatte Mary ihren Raketenwerfer von der Schulter gerissen. Und Tamara fiel auf, dass sie sie noch nie ohne gesehen hatte, bis auf ein einziges Mal: Einen Sauna-Besuch. Aber da hatte sie ihn Griffbereit vor der Tür abgestellt und zwei kleine Pistolen mitgenommen.

Manchmal fragte sie sich, ob die Allrounderin an Paranoia litt.

„Schieß bloß nicht.“, hörten sie Zannys Stimme.

Tammy kehrte aus ihrer Erinnerung zurück und starrte auf den jungen Mann. Mehr als Fetzen trug er nicht mehr am Leib.

„Alles klar bei dir?“, fragte Mary ohne den Raketenwerfer zu senken.

„Müde und angeschlagen, aber sonst gesund.“, erwiderte er mit einem Grinsen auf dem Gesicht.

Langsam ging er die Treppen herunter und auf die beiden zu.

„Was war das für ein Schrei?“, fragte Tammy und blickte vorsichtig an ihm vorbei.

„War mein innerer Schweinehund.“, erklärte er mit einem Lächeln, „Ist eine Facette von mir, das mörderische, reisende Biest, das ich allerdings unter Kontrolle hab.“

„So wie mit Dr. Jackel und Mr. Hyde?“, fragte Mary neugierig.

„In etwa.“, erwiderte Zanny und lies sie nach hinten, auf den Hosenboden Fallen.

Langsam schlich Tamara um Mary herum und betrachtete Zanny eingehend. Besonders die Arme und Beine interessierten sie. Doch konnte sie keine Spuren von Verletzungen erkennen.

„Die sind schon wieder verheilt, wenn du die Einschnitte suchst.“, meinte der Rotschopf offen.

„Unglaublich.“, hauchte sie verwundert.

„Das ist bei vielen Mischwesen der Fall. Sie Dante an, dem geht es genauso.“, sagte Lady lächelnd, „Als ich ihm Damals das erste Mal Getroffen hatte, habe ich ihm in den Kopf geschossen.“

„Klingt ja interessant.“, meinte Zanny amüsiert, wurde dann aber wieder ernst, „Ich möchte euch darum bitten, dass ihr niemanden davon erzählt.“

Beide sahen ihn verwirrt an, worauf er nur auf seine Flügel zeigte.

„Habe schon schlimme Überraschungen damit erlebt. Freunde wurden zu Todfeinden und so weiter.“, erklärte er und winkte ab.

„Kannst dich auf uns verlassen, oder Tammy?“, fragte die Schwarzhaarige.

„Kein Problem.“, erwiderte sie ernst.

„Aber wir müssen uns noch um den Rest da Drin Kümmern.“, sagte Tammy plötzlich.

„Ist erledigt.“, sagte Zanny plötzlich, „Mein Biest ist da sehr gewissenhaft.“

Schweigend sahen die beiden Frauen ihn an.

„Dann können wir ja zurück.“, sagte Tammy freudig.

„Ja, können wir.“, sagte Zanny und Quälte sich auf.

Schwankend stand er vor den beiden Frauen. Und langsam aber sicher verschwand seine Andersartigkeit wieder in seinem Körper.

„Wo steckst du das alles nur hin?“, fragte Lady ungläubig.

„Das wüsste ich auch gerne.“, erwiderte er mit einem schwachen Lächeln, „Ich hoffe es stört euch nicht, wenn ich hinten liege.“

„Mach es dir bequem. Aber welchen Wagen nehmen wir?“, fragte Mary neugierig.

„Ich würde sagen den Pickup.“, meinte Zanny trocken, „Da hab ich genug Platz.“

Geschlossen verließen sie das Horrorhaus.
 

Es war einfach zu viel passiert, als das ich es einfach überspielen konnte. Nun wusste ein weiterer Mensch von meinem kleinen Geheimnis. Und ich hoffte wirklich, dass ich ihren Worten trauen konnte. Was mich aber noch mehr beschäftigte war der neue Dämon, der aufgetaucht war.

Ich kannte diese Art nicht, was nicht viel heißen will, aber ich hatte ihn auch nicht gespürt. Konnten sie etwa ihre Macht unterdrücken? Wenn es das wäre, könnten sich die Allrounder noch warm anziehen.

Aber eine ganz andere Sache beschäftigte mich noch.

„Wie sieht dieser Dante eigentlich aus?“, fragte ich die beiden Frauen.

„Weiße Haare, blaue Augen und ein roter Mantel.“, antwortete Lady wie aus der Pistole geschossen.

Sofort war das Bild aus dem Tears wieder vor meinen Augen. Wie er neben mir saß und einen Eisbecher aß.

„Und eine Vorliebe für Erdbeereisbecher?“, hakte ich vorsichtig nach.

„Genau.“, erwiderte Lady, „Und für Frauen.“

Wie ein Herzensbrecher hatte er auf mich nicht gewirkt. Vielleicht weil er auch fertig vom Tag war. Oder weil ich einfach nicht in seiner Beuteliste stand.

„Im Tears munkelt man, dass er eine Feste hat.“, warf Tammy ein.

„Mit dem hält es doch Keine lange aus.“, meinte Lady schulterzuckend, „Unordentlich und Pervers.“

„Also das mit der Unordnung ist ja Nebensache, wenn der Rest stimmt.“, sagte Tammy und begann zu Kichern.

„Glaub mir, wenn Patty nicht ab und an vorbei kommen würde, wäre sein Laden eine einzige Müllkippe.“, korrigierte die Schwarzhaarige, „Ich war schon oft genug da.“

„Und warum?“, erkundigte sich Tammy neugierig.

„Geld eintreiben.“, erwiderte die andere ungerührt.

„Ach so nennst du das.“, entgegnete Tammy, worauf sie sich einen Klapps gegen den Hinterkopf verdiente.

„Es sind nicht alle so Notgeil wie du. Schau dir den da hinten an.“, sagte sie und deutete zu mir.

„Hast du eigentlich eine Freundin?“, kam die Frage der Dealerin wie aus der Pistole geschossen.

„Nein, und ich möchte auch keine.“, erwiderte ich ruhig.

Ich wusste, dass dieses Frage-Antwort-Spiel in eine Richtung gehen würde, die mir nicht gefällt. Aber wenn ich ihr die Antworten schuldig bleiben würde, hätte ich höchstwahrscheinlich nie mehr Ruhe.

„Ach so ist das. Du bist vom anderen Ufer.“, sagte sie enttäuscht.

Ich glaube, ich hatte damals sogar für einige Sekunden vergessen Luft zu holen.

„Nein, bin ich nicht. Ich will nur keine Freundin.“, erwiderte ich ruhig.

„Aber warum denn nicht?“, harkte sie nach.

„Wegen meiner anderen Seite.“, sagte ich und merkte wie meine Stimmung noch mehr in den Keller ging, „Ich will nicht plötzlich einen Blackout haben und dann vor einem blutigen Klumpen Fleisch stehen.“

„Aber vorhin hast du gesagt, dass du es unter Kontrolle hast.“

„Ja, aber auch dann darf ich es nicht vergessen. Ich habe schon einmal erlebt, wie es sich losgerissen hat.“, erklärte ich ruhig, „Damals waren zwar nur Dämonen seine Opfer. Aber von dem was noch übrig war konnte man nicht mehr sagen, wohin es gehörte.“

Ich konnte Tammy hören, wie sie schluckte und Ladys Blick über den Innenspiegel spüren.

„Aber damit das nicht passiert, muss ich dem Biest eine Herausforderung geben, damit es sich abreagieren kann.“, meinte ich und starrte an die Decke des Wagens.

„Deswegen hast du auch nach Dante gefragt, oder?“, erkundigte sich Lady und ich konnte ihren Blick auf mir spüren.

„Wenn ich einmal keine Herausforderung finde, muss ich mich ja irgendwie abreagieren.“, meinte ich entschuldigend, „Und darauf will ich diesen Dante auch mal ansprechen.“

Einen Moment schwiegen wir drei.

„Ich frag ihn für dich.“, meinte Lady plötzlich, „Ich muss morgen sowieso bei ihm vorbei.“

„Und warum?“, fragte Tammy und klang dabei eher wie ein neugieriges, kleines Kind.

„Geld, meine Süße, nur Geld.“, erwiderte Lady und setzte ein laszives Grinsen auf.

Tammy schwieg und Lady begann zu Lachen.

„Der Gesichtsausdruck ist unglaublich, Tammy. Schade, dass ich keine Kamera dabei hab.“

Um ehrlich zu sein, hätte ich es auch gerne gesehen. Aber man konnte ja nicht alles haben, so entschied ich mich für das liegen.
 

Den restlichen Weg zum Tears verbrachten wir schweigend. Und ich war auch sehr froh darüber, dass Tammy ihr kleines Fragespiel nicht weiterführte. Die Fragen, die sie mir während der Fahrt gestellt hatte waren mir mehr als unangenehm. Sicher war aber, dass sie bei passender Gelegenheit weitermachen würde.

Lady parkte den Wagen vor der Eingangstür. Widerwillig kletterte auch ich aus dem Wagen und streckte mich genüsslich. Die Temperaturen waren nicht gestiegen, aber zum Glück auch nicht gefallen.

„Entschuldige, dass du deinen Wagen stehen lassen musstest, aber ich konnte einfach nicht mehr fahren.“, entschuldigte sich Tammy erneut.

Während der Fahrt hatte sie es des Öfteren Getan.

„Schon in Ordnung.“, erwiderte Lady lächelnd, „Ich ruf mir ein Taxi und du darfst bezahlen.“

Ohne Widerworte schlich Tammy durch die Eingangstür.

„Frage.“, wandte sich Zanny an die Schwarzhaarige, „Wie soll ich dich eigentlich nennen?“

„Lady.“, erwiderte sie Lächelnd, „Den anderen Namen kennen nur wenige und so soll es auch bleiben. Nur Tammy begreift das nicht.“

Schulter zuckend und Kopfschüttelnd zog sie von dannen.

„Kommst du auch mal?“, fragte Tammy hinter mir.

Sie streckte den Kopf durch die Tür und sah mich fragend an.

„Ich will dich den restlichen Gästen noch vorstellen.“

„Ist Melissa auch noch da?“, fragte ich vorsichtig.

„Melissa?“, wiederholte sie den Namen, begann dann zu Grinsen, „Willst wohl nen paar Pluspunkte bei ihr sammeln?“

„Nein, aber ich mag sie nicht besonders, deswegen.“

Das war glatt gelogen, aber das musste Tammy nicht wissen. Bis auf ihren Namen und ihr Aussehen kannte ich sie nicht. Bis auf die Tatsache, dass ich sie mit meinem Biest nicht alleine lassen wollte.

„Sie ist nicht mehr da. Hat vor einer halben Stunde aufgehört.“, sagte Tammy und sah mich noch immer fragend an.

Ein tiefer Seufzer entrann mir, dann setzte ich mich in Bewegung.

„Kriege ich vorher ein paar neue Sachen? Nur Leihweise?“, fragte ich vorsichtig und sah an mir herab.

„Nix da.“, erwiderte der Fliederschopf und verschwand hinter der Tür.

Nach einem kurzen schulterzucken folgte ich ihr ins Tears. Sofort sahen mich die beiden Türsteher verwirrt an. Ich schaffte gerade noch ein schiefes Grinsen, bevor ich an ihnen vorbei schlich. Dann konnte ich sie hinter mir noch reden hören.

„Kommt der gerade von einem Auftrag oder ist Tammy doch eine Raubkatze?“, fragte einer der beiden.

„Die ist eine Raubkatze, aber ich kann dich beruhigen, der kommt von der Arbeit zurück.“, antwortete der andere.

„Arme Sau. Zum Glück ist er noch an einem Stück.“, meinte der andere und bekam ein zustimmendes Brummen vom anderen.

Tammy hatte hinter der zweiten Tür auf mich gewartet. Ohne Vorwarnung packte sie meine Hand und zog mich geradewegs durch die Menge, in Richtung der kleinen Bühne. Ich hätte mich zwar ohne Probleme losreißen können, war aber einen Moment zu verwirrt um zu reagieren. Und schon im nächsten Augenblick stand ich da oben, in meiner zerfetzten Hose und fehlendem Hemd. Ich kam mir vor wie auf einem Präsentierteller.

„Meine Damen, darf ich kurz ihre Aufmerksamkeit haben?“, fragte Tammy ins Mikrophon.

Schon sah mich das ganze Tears an. Am liebsten hätte ich mich einfach in Luft aufgelöst. Die Anwesenden musterten mich genau. Und das Gefühl des Präsentiertellers wurde immer stärker.

„Ich möchte ihnen das neuste Mitglied unserer kleinen Familie vorstellen.“, lies sie verlauten und machte eine kleine künstlerische Pause, „Zanny Draganski, oder Sunny.“

Plötzlich schepperte es im ganzen Tears. Hastig sah ich mich um und erkannte eine Handvoll Servicedamen, die gegen Tische oder Kollegen gelaufen waren. Aber sie sahen nicht auf die zerbrochenen Gläser oder die verschütteten Getränke. Sie starrten mich an. Und langsam schoss mir die Röte ins Gesicht.

Plötzlich bekam ich etwas ins Gesicht. Hastig griff ich danach und sah es mir genauer an. Ein brauner Stoffmantel, der garantiert viel zu groß war.

„Komm schon, Kleiner, zieh dir was über.“, meinte der Besitzer grinsend.

„Genau, sonst kriegen wir ja gar nichts mehr zu trinken!“, rief ein anderer Lachend.

Sofort breitete sich das Gelächter wie ein Flächenbrand im Tears aus. Die Kellnerinnen huschten umher, beseitigten Scherben und Pfützen. Hastig verschwand ich zu der Bühne und gesellte mich zu Tammy.

„Was sollte das?“, fragte ich wütend.

Ich kam mir vor, wie eine Lachnummer.

„Mundpropaganda hilft besser als alles andere, wenn es um Neue geht.“, erklärte sie Lächelnd, „Und mit der Aktion wird dich jeder Allrounder im Tears binnen der nächsten drei Tage kennen.“

Überrascht sah ich sie an. Das war das letzte was ich erwartet hatte. Primär hätte ich mit einem Streich gerechnet, aber im Endeffekt, wenn das Stimmte, was sie sagte, dann konnte es mir nur Recht sein.

„Und was hast du heute Abend noch vor?“, fragte sie neugierig.

Dabei lehnte sie sich, für meinen Geschmack ein wenig zu weit, in meine Richtung.

„Nach Hause, mein Essen dürfte schon auf mich warten.“, erwiderte ich Grinsend und hoffte ihr den Wind aus den Segeln genommen zu haben.

„Mikrowelle nehme ich an.“, sagte sie fröhlich.

„Gute alte Hausmannskost.“, erwiderte ich grinsend.

„Kann ich mitkommen? Hab heute Abend noch nichts vor.“, erkundigte sie sich.

„Entschuldige, aber da macht meine Mutter nicht mit.“, erwiderte ich und verschwand schleunigst aus dem Lokal.

Ich würde zu Hause schon genug Ärger wegen dem Hemd und der Hose bekommen. Da brauchte ich nicht noch eine Unbekannte mit nach Hause bringen. Im schlimmsten Fall würde meine Mum wieder von einem glücklichen, sorglosen Leben schwärmen, mit einer süßen Freundin und so weiter. Und das wollte ich weder Tammy noch mir antun.

An der Garderobe gab ich noch schnell den Mantel ab. Die verwirrten Blicke der beiden ignorierte ich gekonnte und verschwand nach draußen. Dem Türsteher wünschte ich noch einen schönen Abend und verschwand um die Hausecke. Im Moment wollte ich einfach nur noch nach Hause. Es war verdammt kalt und ich trug nur noch den kläglichen Rest einer Hose am Leib.

Hinter der Ecke angekommen veränderte ich meine Finger und rammte sie in die massiven Außenwände. Übung im Klettern hatte ich genug. Wenn ich in der Stadt schnell von einem Schauplatz verschwinden wollte, war der Weg über die Dächer und Balkone immer einer der schnellsten. Und einer der Sichersten. Auf dem Dach angekommen lies ich meine Flügel erscheinen und schwang mich über die Rückseite des Gebäudes. Mit ein paar kräftigen Schlägen stieg ich auch schon in die Lüfte. Hastig sah ich mich um und suchte mir einen Orientierungspunkt. Der Weg war schnell gefunden und auch eingeschlagen. Nichts desto trotz würde ich noch gute zehn Minuten Luftlinie vor mir haben. Viel Zeit um den Abend noch einmal Revue passieren zu lassen. Aber eines war sicher. Ich würde wieder hierher kommen. Und wenn es nur wäre, um meine Jacke zu holen.
 

Leise schloss ich die Tür hinter mir. Nirgends im Haus war Licht, also schlief meine Mutter schon. Ein Blick auf die Uhr zeigte mir auch, dass es dazu höchste Zeit war. Ich sprang noch schnell unter die Dusche und verstaute die Hosenreste im Müll.

Als ich endlich in meinem Zimmer war fühlte ich das erste Mal an diesem Abend die Erschöpfung.

Und das Bett war schon verführerisch nah.

Doch plötzlich war da etwas. Eine ungeheure Energie, direkt vor unserem Haus. Schnellen Schrittes war ich beim Fenster und sah hinaus, alle Sinne bis zum Anschlag gespannt. Doch es war verschwunden. Vielleicht war ich auch einfach nur übermüdet. Gemächlich sank ich auf meine Schlafstädte.
 

„So siehst du also aus, Herr Draganski.“, sagte der Mann Lächelnd und schlenderte die Straße hinunter, „Ich hätte zwar ein paar mehr Muskeln von dir erwartet, aber das hat ja nichts zu sagen.“

Zufrieden mit seiner Entdeckung ging er weiter, fröhlich Summend in einer Stadt, die höchstens ein oder zwei Stunden Ruhe in der Nacht hatte. Und es war gerade diese Zeit. Kein Auto auf der Straße, keine Leute auf dem Gehweg. Alles war so unglaublich ruhig. Nur ab und an stürzte mal eine Mülltonne, oder ein Hund bellte, aber noch nicht einmal die Verbrecher schienen heute Nacht raus gehen zu wollen.

Doch dann sah er etwas, was seine Aufmerksamkeit weckte. Eine ältere Frau, mit einer Gehhilfe, stand verloren am Fahrbahnrand. Unbekümmert schlenderte er auf sie zu.

„Guten Abend die Dame, kann ich behilflich sein?“, fragte er höflich und freundlich.

Erschrocken sah sie auf und musterte ihn. Doch schien er keine Gefahr für sie darzustellen.

„Wenn sie mir über die Straße helfen könnten?“, fragte sie vorsichtig.

„Natürlich, die Dame.“, erwiderte er lächelnd.

Es dauerte Gefühlte Stunden, die sie brauchten. Die alte Dame war wirklich nicht mehr gut zu Fuß.

„Sie sollten abends nicht mehr raus gehen. Wer weiß wem sie in die Arme laufen.“, sagte er besorgt.

„Ich bin schon vorsichtig, mein Junge.“, erwiderte sie mit einem lieben Oma-Lächeln.

„Dann will ich das mal glauben.“, sagte er.

Dann hatten sie die andere Straßenseite erreicht. Nach tausend Danksagungen zog die Frau weiter. Er hingegen ging in die andere Richtung. Es war für ihn kaum fassbar, wie zerbrechlich die Menschen in dem so genannten „hohen Alter“ waren. Wie lange er schon auf der Erde wandelte wusste er selber nicht mehr, aber es würde bestimmt das eine oder andere Bücherregal füllen. Dann sah er zur Seite und sah sein Spiegelbild.

„Ich könnte mich wirklich an diesen Körper gewöhnen.“, sagte er leise und betrachtete sich eingehen im Schaufenster.

Nach den Maßstäben der Menschen war er vielleicht Mitte Zwanzig. Schwarze, hüftlange Haare und ein weises Changbao. Das auffälligste waren die Lilafarbenen Augen.

Aber er war ganz zufrieden. So machte er sich fröhlich Pfeifend auf den Weg und freute sich schon auf eine spannende Zukunft.
 

---
 

Hoffe es hat euch Gefallen!

Falls Ihr Inspirationen oder ähnliches Habt, einfach mal anschreiben!

Ich nehm auch Kritik dankend entgegen,

The Beast within

Da war jemand, das wusste ich. Deutlich spürte ich die Präsenz, die sich mir näherte.

Aber von ihr ging keinerlei Gefahr aus.

Langsam, unhörbar für normale Ohren, glitt die Tür auf. Langsam näherten sich Schritte meinem Bett, verharrten einen Moment, bis sie weiter zogen. Und ich konnte mich nicht im Geringsten auf das Kommende vorbereiten.

„Aufstehen, Spatz!“, drang die Laute Stimme meiner Mutter an meine Ohren.

Noch im selben Moment riss sie die Gardine auf und Sonnenlicht flutete das Zimmer.

Mürrisch drehte ich mich um und direkt in das Licht hinein. Sofort begann mein Körper sich danach zu sehnen und vor meinen geschlossenen Augen sah ich mich auf meinem Findling liegen und dösen.

„Schlechte Idee.“, erwiderte ich leise und strampelte die Decke ein Stück weg.

„Steh endlich auf, es gibt gleich Mittag.“, sagte sie noch, dann schloss sich die Zimmertür.

Ich steckte mich und warf letztendlich die Decke ganz von mir. Das morgendliche Sonnenbad half mir wirklich wieder Fit zu werden. Einige Minuten blieb ich noch liegen, bis die Wärme auch die letzte Zelle ausgefüllt hatte. Erst dann schaffte ich es mich aus dem Bett zu quälen.

Mein ganzer Körper schmerzte bei der kleinsten Bewegung. Aber das war normal, wenn ich mein Biest freigelassen hatte. Unangenehm, aber sehr nützlich, wenn ich an die gestrige Nacht denke.

Langsam und vorsichtig hob ich einen Arm und betrachtete die Stelle, wo die Sense ihn durchbohrt hatte. Nicht einmal ein Kratzer war mehr zu sehen. Ebenso sah es bei meinem anderen Arm und den Beinen aus. Jeder andere hätte an den Verletzungen sterben können, aber mich konnte sowas nicht aufhalten.

Jedenfalls nicht so schnell, wie es anderen lieb wäre.

Und wieder einmal war mein Fluch meine Rettung gewesen. Das verfluchte Erbe meines Vaters.

Ohne zu wissen warum drehte ich mich zu seinem Nachttisch. Der helle Bilderrahmen hob sich deutlich vom dunklen Holz ab.

Es zeigte mich als Baby und meine Mutter, die mich auf im Arm hat. Vorsichtig nahm ich das Bild aus dem Rahmen und drehte es um.

Laut dem Datum war es kurz nach meiner Geburt gemacht worden. Darunter stand in feiner, sauberer Schrift: „Meine Licht und meine Sonne.“

Mit einem verächtlichen Seufzer verstaute ich es wieder im Rahmen. Aber ich konnte nicht wegsehen. Meine Mum sah überglücklich aus.

„Wenigstens für etwas war er gut.“, sagte ich leise und stellte das Bild zurück auf seinen Platz.

Gemächlich drehte ich mich um, kam aber nicht weit.

Erschrocken weiteten sich meine Augen.

„Scheiße!“, rief ich entsetzt, „Ich sehe aus wie ein Penner!“

Meine Kleidung war nur noch in Fetzen vorhanden, wenn überhaupt. Ich wusste, dass meine Mum einen Wutausbruch bekommen würde, wenn sie mich so sähe.

Hastig blickte ich mich im Zimmer um. In meinem Kopf war ein einziges Chaos. Doch dann fand ich endlich den Kleiderschrank. Mit gezielten Handgriffen hatte ich einen kompletten Satz neuer Kleidung in der Hand, den alten hatte ich ja schon im Müll verstaut

Wenn ich mein erstes Geld bekäme, musste ich dringend Einkaufen.

„Zanny! Komm endlich runter essen!“, hörte ich meine Mutter hinauf rufen.

„Will nur noch schnell duschen!“, rief ich zurück und war in der Nächsten Sekunde schon im Badezimmer verschwunden.
 

Eine Entspannende Dusche später saßen wir zusammen am Esstisch und Liesen uns Chicken Nuggets und Pommes schmecken.

Verstohlen blickte ich zu meiner Mum, wünschte mir jedoch im selben Moment, dass ich es nicht getan hätte. Ihr Blick durchbohrte mich.

„Was hab ich verbrochen?“, fragte ich vorsichtig.

„Wer ist Tammy?“, fragte sie zurück und das Nugget blieb mir im Hals stecken.

„Wer ist das?“, erwiderte ich die Frage.

„Sie hat vorhin angerufen.“, sagte sie mit einem unangenehmen Unterton, „Sie sagte, dass du deine Jacke bei ihr vergessen hast und das die gestrige Nacht einfach unglaublich war.“

Für gefühlte Stunden war ich wie erstarrt. Dann brach ich in schallendes Gelächter aus. Bis auf die Tatsache, dass ich fast erstickt wäre, konnte der Tag nicht besser beginnen.

„Sie ist meine Dealerin.“, begann ich zu erklären, „Und die Jacke hängt im Tears, weil ich sie nicht ruinieren wollte.“

„Und was meint sie mit der „gestrigen Nacht“?“, führte sie das Verhör weiter.

„Sie musste meine Fähigkeiten beurteilen, ob ich überhaupt als Allrounder tauge, und so hat sie mich auf meinem ersten Auftrag begleitet.“, berichtete ich weiter, „Und ich musste ein wenig mehr zeigen als ich wollte.“

Schweigend sah sie mich an. Doch letztendlich nickte sie.

„Und ich hab gedacht, du hast eine Freundin.“, meinte sie schmunzelnd.

„Du weißt, was ich davon halte.“, erwiderte ich geknickt.

Und wie sie es wusste. Wir hatten lange über dieses Thema diskutiert, bis sie schließlich nachgab.

„Aber ich werde sie dann kennen lernen.“, meinte sie plötzlich, „Sie hatte gesagt, dass sie noch etwas für dich hätte.“

„Aber wunder dich nicht über ihre Art.“, meinte ich schmunzelnd.

Die restliche Zeit verbrachten wir schweigend und genossen unser Essen.
 

„Und was sagst du?“, fragte Lady und beugte sich über den großen Schreibtisch.

„Und wenn ich nein sage?“, fragte der Weißhaarige provokativ.

„Dann werde ich jemand anders suchen.“, sagte sie und wandte sich um.

Sie wartete noch eine Sekunde, dann ging sie los. Ruhig und gelassen durchquerte sie den Raum in Richtung der Eingangstür. Wieder wartete sie eine Sekunde, bevor sie die Hand auf den Türgriff legte.

„Wenn es unbedingt sein muss, dann gib ihm meine Adresse und die Nummer vom Laden.“, lenkte er schließlich ein.

Die Allrounderin riskierte einen Blick über die Schulter. Dante lehnte Entspannt auf seinem Sessel und Blätterte durch ein Schusswaffenmagazin.

„Dann werde ich ihm Bescheid sagen, wenn ich ihn sehe.“

Erneut legte sie die Hand an die Tür. Sie hatte schon genug Zeit verplempert und noch einige Dämonen zu erledigen.

„Und was springt für mich dabei heraus?“, fragte der Teufelsjäger plötzlich, „Wenn er wirklich so gefährlich ist, wie du sagst, mach ich das Nicht für Lau.“

„Und an was hast du gedacht?“, erkundigte sich Lady und wandte sich wieder dem Mann zu.

Ein laszives Grinsen breitet sich auf seinem Gesicht aus. Sie hingegen verschränkte die Arme vor der Brust.

„Kannst du gleich vergessen.“, meinte sie kalt, „Warum fragst du nicht sie?“

Mit diesen Worten deutete sie auf die Couch, auf der die blonde Teufelin lag und durch ein Modemagazin blätterte.

„Kein Interesse.“, erwiderte diese gelassen.

„Du siehst warum.“, erwiderte der Weißhaarige und setzte sein Charmantestes Lächeln auf, „Und was bietest du mir an?“

„Pro Besuch des Jungen erlasse ich dir fünf Prozent deiner Schulden.“, erwiderte sie ruhig.

„So viel?“, meinte er schelmisch, „Wie großzügig von dir.“

„Bei deinen Schulden mach ich keinen Verlust.“, sagte sie und schaffte es endlich aus dem Büro heraus.

Langsam ging sie zu ihrer Maschine.

Dieser Typ brachte sie noch zur Weißglut. Ständig baggert er sie an. Und jedes Mal musste sie dem Drang widerstehen ihm noch einmal eine Kugel in den Kopf zu jagen.

Hastig schwang sie sich auf ihr Motorrad und lies den Motor aufheulen.

Dann schoss sie schon die Straße hinab, in Richtung ihres nächsten Auftrages.
 

„Hat sie gesagt, wann sie vorbeikommen will?“, fragte ich vorsichtig.

„Zum Kaffee.“, antwortet meine Mum schmunzelnd.

Das hieß, dass ich noch ein paar Stunden Zeit hatte. Noch ein paar Stunden, in denen ich die Sonne genießen konnte.

Langsam streckte ich mich auf meinem Findling und breitet meine Flügel aus.

Die Sonne schien erbarmungslos von Himmel und kein Wölkchen trübte das Blau. So weit das Auge reicht nur blauer Himmel und Sonnenschein.

„Ich bin gleich wieder da.“, meinte meine Mum und quälte sich aus der Liege.

Dann hörte ich noch, wie sich die Gartentür schloss, dann war ich allein.

Aber das störte mich gar nicht. Ich hatte alles was ich brauchte: Sonne und Ruhe. Alles andere war mir relativ egal.

Meine Gedanken drifteten zurück zur gestrigen Nacht und meinem Auftrag. Angefangen von der Abfahrt beim Tears, bis hin zur Befreiung meines Biestes.

Plötzlich erschien Tamaras Gesicht vor meinem Inneren Auge. Sie lächelte mich zufrieden an.

„Gute Arbeit, letzte Nacht.“, sagte sie und ich wusste, dass sie nur in meinem Halbschlaf existierte.

„Gern geschehen.“, erwiderte ich leise.

Noch immer lächelte sie, legte dann den Kopf schief und plötzlich war vor mir eine andere Person.

In Sekundenbruchteilen waren meine Finger zu Krallen geworden und hatten sich mühelos in den schweren Stein unter mir gebohrt.

Das Gesicht kam auf mich zu und mit jedem Millimeter wurde das Grollen in meinem Kopf lauter. Mit aller Macht kämpfte ich gegen den Halbschlaf an. Ich musste wieder zu Sinnen kommen. Zwar hatte ich mich an dem Findling festgehalten, aber das hielt das Biest im Schlimmsten Fall nur vom Fliegen ab. Und ich zweifelte stark daran, dass dieser Stein der Kraft des Monsters standhalten würde, in das ich mich verwandeln würde. Bisher hat noch Nichts eine Begegnung mit meinem Biest überlebt.

„Zanny?“, hörte ich meine Mutter fragen.

Schlagartig war ich wieder wach.

Langsam sah ich zur Seite und in fragenden Augen.

„Alles in Ordnung?“, fragte sie vorsichtig.

Sie stand noch gut einen Meter von mir entfernt, aber das war keine Distanz, wenn wirklich etwas schief ging. Ich hatte es in der Villa wieder einmal gesehen. Binnen einer Minute hatte das Biest alles Dämonische in dem Gebäude vernichtet.

„So weit, so gut.“, entgegnete ich und rang nach Luft, „Hatte nur einen Alptraum.“

„Das sehe ich.“, erwiderte sie und deutete auf den Findling.

Vorsichtig löste ich die Krallen aus dem Stein und hob die Arme. Zum Vorschein kamen Vertiefungen, da wo ich meine Arme an den Stein Gepresst hatte.

„Glückwunsch.“, meinte meine Mutter Sarkastisch, „Sie sind stark genug, um Granit zu zermalmen.“

Freudlos lachte ich und stand langsam auf. Mein Körper fühlte sich an wie ein Bügelbrett. Zum einen durch das Dösen in der Sonne, zum anderen durch die Anspannung um das Biest zurückzuhalten.

„Wie lange war ich weg?“, fragte ich vorsichtig und lies Flügel und Krallen verschwinden.

„Zu lang.“, meinte sie Lächelnd, „In einer halben Stunde dürfte deine Tammy auftauchen.“

Wie sie dieses kleine, besitzergreifende Wort betonte gefiel mir gar nicht. Und ihrem Grinsen entnahm ich, dass es ihr Spaß machte, mich so zu reizen.

„Komm endlich, oder willst du ihr halbnackt begegnen.“, scherzte sie.

Ich grinste und holte zum Gegenschlag aus.

„Ganz ohne hab ich ihr auch gefallen.“
 

Auf dem Geländer sitzend ließ er die Beine in der Luft baumeln. Seine Augen hatten sein Ziel gefunden und Liesen es nicht mehr los.

Zu lange schon hatte er gewartet, zu lange hatte er sein Versprechen nicht erfüllt.

Aber nun hatte er Zeit.

Ein Grinsen umspielte seine Lippen.

„Zeit.“, sagte er langsam und leise, „Was für ein komisches Wort.“

Auch wenn es kaum jemand der Anwesenden verstand.

Nur kurz ließ er seine Augen herum wandern. Überall fuhren Autos und Menschen wuselten umher.

Zeit war doch so relativ. Und ihm war sie relativ egal.

Anfangs hatte er noch die Tage gezählt, dann die Jahre. Letztendlich war er zu dem Entschluss gekommen, nur noch die Jahrtausende zu zählen. Und trotzdem war die Zeit, die er schon lebte zu lang, um sie in Worte zu fassen.

Mit einem Lächeln sah er zu einer Touristengruppe.

„Wenigstens sind sie unterhaltsam.“, meinte er fröhlich.

Wieder richtete er seinen Blick auf sein Ziel. Noch immer hatte er sich nicht bewegt. Dass er noch am Leben war, daran bestand kein Zweifel. Er spürte es zu deutlich.

„Faulpelz.“, sagte er lachend.

Er war ja selbst nicht besser. Aber warum denn auch? Wenn etwas passieren würde, würde er es wissen.

„Entschuldigung?“, drang der Versuch Aufmerksamkeit zu erregen an sein Ohr.

Langsam sah er den Störenfried an.

Mittleres Alter und die ersten Anzeichen von dünner werdendem Haar, Uniform und Polizeimarke. In dieser Reihenfolge nahm er den Mann war.

„Ja?“, erwiderte er fragend.

„Würden sie bitte vorsichtig und langsam herkommen?“, fragte der Polizist vorsichtig und freundlich.

„Warum denn?“, erwiderte er ungerührt, „Es gefällt mir hier.“

„Bitte tun sie nichts Unüberlegtes.“, sagte der Polizist und wirkte leicht überfordert.

„Habe ich auch nicht vor. Warum denn auch?“, erkundigte er sich.

„Nicht das sie noch stürzen.“, erwiderte der Mann irritiert.

Verwirrt sah er nach unten uns sein Blick kehrte aus der Ferne zurück.

„Das sind doch höchstens Vierzig Etagen.“, sagte er schließlich Lächelnd.

„Zweiundfünfzig.“, berichtete der Mann fassungslos.

„Ach die paar Meter.“ erwiderte er und zuckte mit den Schultern, „Sie brauchen sich wirklich keine Sorgen zu machen.“

Schon in der Nächsten Sekunde stieß er sich vom Geländer ab, nur um im nächsten Moment sicher darauf zu stehen.

„Sehen sie, kein Grund zur Sorge.“

Ungläubig sah der Polizist zu ihm auf.

„Bitte kommen sie herunter und bleiben sie hinter dem Geländer.“, meinte der Mann leise.

Zu deutlich spürte er, wie der Polizeibeamte mit der Fassung rang. Persönlich war es ihm egal. Ein Sturz würde ihn nicht töten, dafür lebte er schon zu lange.

„Wie sie wünschen.“, erwiderte er mit einem freundlichen Lächeln.

Mit einem geschickten Schritt ließ er das Geländer hinter sich und landete auf dem Flachdach.

„Danke.“, erwiderte der Mann und wandte sich zum gehen.

Noch während er über das Flachdach zur Treppentür ging, konnte er den Mann flüstern hören. Wie verrückt doch manche waren und dass ihm sowieso niemand glauben würde.

Und kaum, dass sich die Tür hinter dem Mann geschlossen hatte, saß er wieder auf dem Geländer, die Beine baumelnd und suchte sein Ziel.

„Menschen.“, meinte er amüsiert.

Doch leider hatte er mit dem Menschen zu viel Zeit zugebracht und gar nicht mitbekommen, wie sein Ziel verschwunden war.
 

Noch hatten sie ein wenig Zeit, dann würde Tammy auftauchen.

Während ich draußen gedöst hatte, hatte meine Mum schon Kaffee gemacht und den Tisch gedeckt.

Akkurat wie immer.

„Wegen ihr hättest du dich nicht so ins Zeug legen müssen.“, meinte ich fröhlich.

„Ich muss doch einen guten Eindruck hinterlassen.“, sagte sie lächelnd, „Vielleicht kann ich ja einen Deal mit ihr machen.“

Neugierig sah ich sie an.

„Naja, der Laden läuft im Moment nicht so gut.“, berichtete sie mir, „Vielleicht kann sie mir ja ein wenig Kundschaft verschaffen.“

„So ist das also.“, sagte ich grinsend, „Immer dieser Egotrip.“

Schulterzuckend schlenderte ich durch den Raum und betrachtete den Tisch.

Darauf waren, neben den Kaffeetassen mit passenden Untersetzern, ein Quarkkuchen und ein Maulwurfkuchen.

„Ich hoffe du hast den Vormieter raus geworfen.“, meinte ich grinsend und zeigte auf den Kuchen.

„Ja.“, sagte sie ebenso gut gelaunt, „Er war zwar nicht einverstanden, hat dann aber eingesehen, dass Gegenwehr sinnlos war.“

Lachend verschwand ich in die Küche, um die letzten beiden fehlenden Sachen zu holen.

„Wird es ihr gefallen?“, fragte sie plötzlich neugierig.

„Würde ich dir sagen, wenn ich es wissen würde.“, meinte ich ruhig und stellte Milch und Zucker auf den Tisch.

Das einzige was nun noch fehlte war der Kaffee, der von der Maschine warm gehalten wurde, und unser Gast.

Neugierig sah ich auf die Standuhr. In ein paar Minuten würde Tammy vorbeikommen. Und mit ihr vielleicht das auch ein angenehmer Nachmittag. Ein paar Anekdoten aus dem Tears und der ein oder andere anzügliche Spruch.

„Aber tue mir einen Gefallen und spring sie nicht an.“, sagte ich Lächelnd zu meiner Mutter.

„Warum denn?“, fragte sie verwirrt.

„Sie hat eine komische Art an sich.“, erwiderte ich und lies es dabei bleiben.

Plötzlich schellte die Klingel. Es war ein kurzer penetranter Ton auf den man einfach reagieren musste.

„Pünktlich wie ein Uhrwerk.“, meldete meine Mum nach einem Blick auf die Uhr.

Während sie zur Tür ging zupfte ich noch ein wenig an der Tischdecke herum.

Uns kam selten Jemand besuchen. Oftmals waren es Freunde meiner Mum. Im Endeffekt war es also der erste Besuch der, mehr oder weniger, wegen mir hier war.

Hastig war ich meiner Mum noch einen Blick zu. Sie grinste mich an, die Hand schon an der Türklinke.

Ich holte noch einmal tief Luft. Und dann war er da. Der Hauch eines Duftes. Noch im selben Moment erkannte ich ihn und meine Augen weiteten sich vor schrecken.
 

Gerade hatte Sylvia die Hand auf die Klinke gelegt und war im Begriff die Tür zu öffnen, da hörte sie es hinter sich scheppern.

„Zanny?“, fragte sie vorsichtig und drehte sich noch einmal um.

Doch er war verschwunden. Das Tischtuch lag am Boden und die Überreste der Tassen schienen im ganzen Wohnzimmer verstreut zu sein.

Wieder schellte es.

Kopfschüttelnd wandte sie sich wieder der Tür zu. Sie würde dringend nochmal mit ihm reden müssen.

Langsam öffnete sie die Tür einen Spalt breit.

„Hallo.“, sagte Sylvia freundlich, „Tamara, nehme ich an?“

„Leider nein.“, erwiderte die Schwarzhaarige lächelnd, „Ich bin Melissa. Tamara ist leider kurzfristig verhindert worden.“

Langsam reichte Melissa ihr einen Beutel und einen kleinen Koffer.

„Da ist die Jacke drin und in dem Koffer ist Zannys Bezahlung.“, sagte sie mit einem freundlichen Lächeln.

Verdutzt nahm Zannys Mutter beides entgegen.

„Ich würde dich ja noch auf eine Tasse Kaffee hereinbitten, aber hier drin herrscht ein wenig Unordnung.“, meinte sie mit einem professionellen Lächeln.

„Schon in Ordnung.“, erwiderte Melissa lächelnd, „Aber die Arbeit ruft ja eh.“

Hastig verabschiedete sich Melissaund lief auf ein, am Straßenrand parkendes Auto zu.

Vom Fahrer nahm Zanny Mutter nur wenig war. Vielmehr war ihr Blick auf Melissa fixiert. Etwas war an diesem Mädchen anders.

Schon fuhr der Wagen fort.

Gemächlich schloss sie die Tür und ging zurück ins Wohnzimmer.

„Zum Glück war der Kaffee noch nicht auf dem Tisch.“, sagte sie Kopfschüttelnd.

Vorsichtig suchte sie sich einen Weg zwischen den Scherben hindurch und nahm auf dem Sofa Platz. Den Beutel mit der Jacke stellte sie neben die Couch und widmete ihre Aufmerksamkeit dem Koffer. Neugierig trommelte sie mit den Fingern auf der Hartplastik-Schale und spielte mit dem Gedanken einfach mal einen Blick hinein zu werfen.

„Das wäre nicht richtig.“, sagte sie schließlich.

Aber sie musste dringend mit ihrem Sprössling reden. So ein Verhalten war sehr unpassend. Auch wenn er schüchtern sein sollte.

Den Koffer ließ sie auf dem Sofa liegen und machte sich auf den Weg nach oben.

So war ihr Junge nun einmal. Wenn es einen sicheren Platz für ihn gab, dann in seinem Zimmer.

Mit gespitzten Ohren ging sie dir Treppe hinauf. Sie hoffte auf ein Zeichen, auf irgendetwas, was ihr zeigen würde, warum er plötzlich verschwunden war.

Aber sie nahm nichts war.

Kaum war sie oben angekommen sah sie auch warum. Seine Zimmertür war geschlossen.

Vorsichtig legte sie die Hand auf die Tür und öffnete sie einen Spalt.

Im Zimmer herrschte tiefste Dunkelheit.

Langsam öffnete sie sie Tür ganz.

„Zanny?“, fragte sie vorsichtig in den dunklen Raum.

„Lass mich endlich in Ruhe!“, hörte sie ihn rufen, gefolgt von einem schluchzen.

Für einen kurzen Moment verharrte sie, wollte fragen, warum er so abweisend war, beschloss dann aber, ihm seine Zeit zu lassen.

„Verschwinde endlich!“, rief er erneut, „Verschwinde endlich aus meinem Kopf!“

einem Impuls folgend schaltete sie das Licht ein.

In der Zimmerecke sah sie ihn. Jedenfalls wusste sie, dass er es war. Sie erkannte schließlich seine Flügel. Wie einen Kokon hatte er sie um sich gelegt.

Langsam ging sie auf ihn zu.
 

Warum verdammt?

Warum war sie da?

Warum war es nicht Tammy?

Warum musste sie es sein?

Wieder und wieder rasten diese Gedanken durch meinen Kopf und quälten mich.

Hätte ich den Geruch nur eine Sekunde später wahrgenommen, dann hätte mein Biest bestimmt die Oberhand gewonnen. Aber so war ich nur einen Wimpernschlag schneller gewesen und konnte wenigsten etwas Distanz zwischen sie und mich bringen. Zwischen mich und den Wahnsinn der nur Sekunden darauf folgte.

Kaum hatte das Biest sie wahrgenommen hatte es an seinen Ketten gerissen. Es war, als wühlte es sich durch meinen Geist und mein Fleisch, nur um zu diesem Mädchen zu kommen.

Im Moment wollte ich nur noch eins: Sterben.

Sterben und diesem Wahnsinn ein Ende bereiten. Wäre ich nur besessen, so hätte ich Kontakte gehabt, an die ich mich hätte wenden können. Aber so, durch mein Blut und mein Erbe, war dieses Ding bis in alle Ewigkeit bei mir.

„Spatz?“, hörte ich die Stimme meiner Mutter von weit her.

Langsam öffnete ich die Augen und die Flügel.

Sie kniete vor mir, die Hand vorsichtig gehoben und sah mich verwirrt an.

„Spatz?“, fragte sie erneut, „Was ist los?“

„Ich will das nicht mehr.“, sagte ich leise, die Stimme nur ein krächzen, „Ich will, dass das aufhört.“

„Was ist los?“, fragte sie leise und rutschte ein Stück näher.

„Dieses Mädchen, Melissa, sie wird mein Untergang sein.“, flüsterte ich.

Meine Mum sagte nichts.

„Mein Biest will sie.“, sagte ich und lies den Kopf hängen.

„Woher kennst du sie?“, erkundigte sie sich.

Trauer schwang in ihrer Stimme mit. So hatte ich sie noch nie gehört.

„Gestern Abend im Tears. Ich bin da rein, dann habe ich sie gerochen.“, erzählte ich leise, „Ihr Geruch war so Intensiv, er hat alles überlagert. Und dann ist mein Biest fast durchgedreht. Es wollte raus. Und ich wusste was es wollte.“

„Was wollte es?“, fragte meine Mum leise.

Während ich es ihr erzählt hatte, war sie neben mich gekrochen und hatte meinen Kopf langsam auf ihre Schulter gezogen.

„Es will seine Klauen in ihr Fleisch schlagen und sie zerreißen.“, sagte ich und spürte die Tränen aufsteigen.

All die Jahre hatte ich es geschafft das Biest im Zaum zu halten.

All die Jahre...

Und dann kam sie und zerstörte allein mit ihrer Anwesenheit die Ketten, die ich ihm so sorgfältig angelegt hatte.

„Ich hatte gestern schon Probleme es zurückzuhalten. Wäre da nicht dieser Allrounder aufgetaucht, wäre alles vorbei gewesen.“, erzählte ich weiter.

Schweigend saß meine Mum neben mir und strich mir durch die Haare. Etwas, was mich schon als Kind beruhigt hatte. Und erneut schaffte sie es damit, dass ich ruhiger wurde. Aber nicht nur ich, sondern auch mein Biest schien sich zu beruhigen.

„Kann ich irgendwas für dich tun?“, fragte sie leise.

„Mach, dass das Biest verschwindet.“, erwiderte ich und spürte die erste Träne fließen.

„Das kann ich nicht, das weißt du.“, sagte sie leise, „Aber ich werde mich um hören. Vielleicht finde ich etwas anderes.“

Ich hoffte wirklich, dass sie etwas finden würde.

Ansonsten würde ich aus der Stadt verschwinden und mir irgendwo anders ein schönes Plätzchen einrichten.

„Hast dich wieder gefangen?“, fragte sie schließlich.

„So ziemlich.“, erwiderte ich erledigt.

„Dann lass uns mal schauen, was der Teufel in Person gebracht hat.“, meinte sie mit einem Lächeln.

Ein Lächeln huschte über mein Gesicht.

„Geh schon mal vor uns hau eine Dose Deo drauf, vielleicht hilft es.“, sagte ich besser gelaunt.

Zusammen machten wir uns auf den Weg in das Wohnzimmer. Vorsichtig sog ich die Luft ein, bevor ich das Zimmer betrat.

Ihr Geruch hing noch in der Luft, beziehungsweise an dem Koffer. Aber das Biest blieb ruhig.

„Komm mach auf.“, forderte meine Mum mich auf und warf mir den Koffer zu.

Geschickt fing ich ihn und setzte mich auf die Sofalehne.

Vorsichtig lies ich die Verschlüsse aufklappen und öffnete den Deckel.

Ungläubig betrachtete ich die Bündel die darin lagen.

„Hat sie gesagt, wie viel das ist?“, fragte ich ungläubig.

„Nein.“, erwiderte sie ungläubig, „Aber das kriegen wir schnell heraus.“

Mit diesen Worten nahm sie mir den Koffer ab und begann zu zählen.

Keine fünf Minuten später klappte sie den Koffer zu.

„Zwanzigtausend.“, sagte sie mit einem ungläubigen Gesicht.

Mir fehlten die Worte.

Die Aufträge, die mir meinem Mum beschafft hatte beliefen sich in der Regel auf ein Zehntel davon.

„Aber lass dir das nicht zu Kopf steigen.“, sagte sie mit einem Grinsen, „Das ist nämlich eingezogen.“

„Und warum?“, fragte ich empört.

„Irgendwoher müssen ja deine Klamotten kommen, oder?“

Into the Fire

Noch immer war ich fassungslos über die Summe, die Melissa mir gestern gebracht hatte.

Zwanzigtausend waren nicht gerade wenig, auch nicht in meinem Business und schon gar nicht bei einem Neuling. Ein Gespräch mit meinem Dealer schien mir mehr als angebracht.

Aber das musste noch warten.

Neugierig sah ich aus dem Fenster und betrachtete die an mir vorbeiziehende Umgebung. Ich bin selten mit dem Auto unterwegs. Das viele warten an roten Ampel, zu viele Unfälle und vor allem die Umweltbelastung. Da zog ich doch eher den Luftweg vor. Aber heute war das Ausgeschlossen.

Nicht wegen dem strahlend blauen Himmel oder dem doch ziemlich kalten Wind, sondern wegen der Fahrerin des Autos.

„Ich weis, dass dir das Auto fahren zu wieder ist. Aber ich lass dich nicht alleine mit dem Geld los ziehen.“, sagte meine Mum ernst, „Ich will wenigstens wissen, was für Klamotten du dir holst.“

„Du weist, dass ich einen eigenen Geschmack habe.“, brummelte ich, „Und davon wirst du mich nicht abhalten können.“

„Das nicht, aber ich weis wenigstens, ob die Sachen von der Jagd zerrissen sind, oder ob du sie dir so gekauft hast.“, erwiderte sie grinsend.

„Danke für dein Vertrauen.“

„Immer wieder gerne.“, erwiderte sie Lächelnd.

Damit wusste ich, dass der Streit verloren war und richtete meine Aufmerksamkeit wieder der Umgebung zu.

Langsam schärfte sich meine Sicht und suchte die Umgebung akribisch nach Anzeichen unmenschlichen Lebens ab. Auch wenn ich keinen Auftrag hatte, so konnte ich mir doch nie sicher sein, ob nicht hinter dem nächsten Busch ein Monster saß und auf arglose Leute wartete.

„Wieder deine Paranoia?“, erkundigte sich meine Mum mit einem amüsierten Unterton.

„Lieber sicher als tot.“, erwiderte ich und zuckte mit den Schultern.

„Schatz, wenn hier irgendetwas wäre, hättest du es schon bemerkt.“, sagte sie sanft.

„Sicher?“

„Das liegt dir im Blut.“, entgegnete sie und zu deutlich drang dabei die Traurigkeit hindurch.

Fast körperlich konnte ich den Schmerz spüren, den sei fühlte, den Verlust.

Warum hang sie nur noch so an diesem Bastard, der sie verlassen hatte? Warum konnte, oder wollte, sie ihn nicht vergessen?

„Vielleicht will ich auch meinen Mageninhalt außerhalb des Autos hinterlassen.“, meinte ich spontan.

„Ach, dein Revier markieren?“, fragte sie und ich konnte spüren, wie die Trauer langsam verschwand.

„Bei deinem Fahrstil ist das kein Wunder.“, erwiderte ich grinsend.

Aber bei aller guten Laune wusste ich, dass die wahre Tortur noch vor mir lag.
 

Nach einer guten viertel Stunde Autofahrt hatten wir endlich die Stadt erreicht.

Und verwundert stellte ich erneut fest, dass sie tagsüber doch ganz anders aussah als Nachts. Kein künstliches Licht, in dem sich die Schatten verstecken konnten, und viel mehr Menschen.

Neugierig betrachtete ich eine Gruppe Menschen. Nach Kleidung und Ausstattung waren es Touristen.

„Haben wir hier so viele Sehenswürdigkeiten?“, fragte ich gelangweilt.

„Nicht wirklich, aber die Menschen kommen aus den Unterschiedlichsten Gründen her.“, sagte meine Mum abwesend, während sie noch immer einen geeigneten Parkplatz suchte.

Nebensächlich blickte ich zu ihr und ein Grinsen stahl sich auf mein Gesicht, als ich ihren Angespannten Ausdruck betrachtete.

„Fluch ruhig, stört mich nicht.“, meinte ich und sah wieder aus dem Fenster.

Irgendetwas störte mich an der Gruppe. Aber ich konnte beim besten Willen nicht sagen was.

Einem inneren Drang nachgebend schärfte ich erneut meine Sicht. Nur um erstaunt festzustellen, dass die Gruppe größtenteils aus Dämonen und Teufeln bestand.

Sofort spürte ich den wilden Drang des Biestes in mir, diese Wesen einfach zu zerfleischen. Und es kostete mich einiges an Mühe das Biest in seine Schranken zu verweisen.

„Was ist los?“, erkundigte sich meine Mutter und machte auch keinen Hehl aus ihrer Besorgnis.

„Unter den Touristen sind Monster.“, sagte ich und atmete noch einmal tief durch, „Und da will jemand spielen.“

Für einen Moment war es totenstill in dem Fahrzeug. Nur das leise Geräusch des Motors schien nicht verstummen zu wollen.

„Bist du sicher, dass du nicht einfach mal Lust hast?“, erkundigte sie sich amüsiert.

Normalerweise wäre ich zu diesem Zeitpunkt einfach gegangen. Aber es machte sich denkbar schlecht aus einem fahrenden Auto zu springen. Besonders der nachfolgende Verkehr dürfte damit Probleme haben.

„Ja, ich bin sicher.“, erwiderte ich leicht gereizt.

„Das ist gut.“, sagte sie amüsiert, „Dann hab ich nämlich noch ne Überraschung für dich.“

Langsam drehte ich den Kopf und sah sie unsicher an. Überraschungen konnten bei ihr etwas schönes sein. Oder auch nicht. Aber das schlimmste war, dass man es nicht aus ihr heraus bekam.

„Wenn wir mit dem Einkauf fertig sind, wirst du es schon sehen.“, meinte sie freudig.

Und schon im nächsten Moment lenkte sie den Wagen auf den Parkstreifen und brachte den Motor zum schweigen.

„Komm, Spatz, lass uns einkaufen.“, sagte sie freudig als sie sich aus dem Fahrzeug schwang.

Mit einem schweren Seufzer öffnete ich vorsichtig die Tür und folgte ihr auf den Höllentrip.
 

Zusammen betraten wir ein Bekleidungsgeschäft nach dem anderen. Und während sie durch das Angebot stöberte folgte ich ihr Still.

Im Großen und Ganzen richtet sich meine Mutter nach meinen Wünschen, außer sie sind zu ausgefallen. Oder sie will mich wieder einmal ärgern.

Und der Einkaufsbummel war die perfekte Gelegenheit dafür.

„Ich hab hier noch etwas, was dir gefallen könnte.“, verkündete sie stolz durch den dünnen Stoffvorhang.

Ich hatte mich gerade aus einem weißen Hemd geschält und hatte gehofft, dass wir hier endlich fertig waren.

Mit einem Ruck zog ich den Vorhang bei Seite und sah in das strahlende Gesicht meiner Mum. Langsam und vorsichtig lies ich den Blick nach unten wandern und suchte das, vielleicht, neue Kleidungsstück. Und dann sah ich es.

„Nein.“, sagte ich kalt.

„Nein? Aber du hast es doch noch nicht einmal anprobiert.“, lächelte sie und drückte es mir in die Hand.

„Nein und ich werde es auch nicht anprobieren.“, erwiderte ich ruhig und reichte es zurück.

„Komm schon.“, meinte sie noch immer freundlich und erneut wechselte das Kleidungsstück den Besitzer, „Das wird dir super stehen.“

Seufzend betrachtete ich das Hemd in meiner Hand.

„Wenn ich es anprobiert habe bringst du es nicht wieder weg, oder?“, erkundigte ich mich vorsichtig.

„Nein.“, sagte sie und strahlte mich an.

„Dann kannst du es vergessen.“, vertrat ich meinen Standpunkt und reichte ihr die Oberbekleidung.

„Aber was hast du denn gegen das arme Hemd?“, fragte sie und spielte die Traurige.

„Die Farbe.“, erwiderte ich und schlüpfte in mein bequemes Shirt.

„Aber das ist eine Modefarbe!“, beharrte sie wie der Fels in der Brandung.

„Es ist rosa.“, erwiderte ich gelassen, „Kannst du dir vorstellen, wie dass auf meine Kontrahenten wirkt?“

„Ja, sie werden wehrlos, weil sie nicht mehr aufhören können zu Lachen.“, sagte sie grinsend und drückte mir erneut den Kleiderbügel in die Hand.

„Oder sie machen mich an.“, sagte ich kalt und rief nach einer der Verkäuferinnen.
 

Gefühlte Jahre später schlenderten wir durch die Einkaufspassage zurück.

Obwohl schlendern mit fünf Beuteln aus jeweils unterschiedlichen Läden in jeder Hand nicht so einfach war.

„Sind wir endlich fertig?“, fragte ich erschöpft.

„Machen wir schon schlapp?“, stichelte sie grinsend.

„So langsam schon.“, erwiderte ich ihren Ton und hob gespielt angestrengt die Arme.

„Die Jugend von heute, einfach keine Ausdauer mehr.“, sagte sie fröhlich und strahlte mich an, „aber wir haben es fast geschafft.“

Ich seufzte, obwohl ich innerlich Freudensprünge machte. Wenn wir wieder zu Hause waren würde ich mir erst einmal ein paar Stunden für mich nehmen. Eine Kleine Runde fliegen und ein ausgedehntes Nickerchen. Vielleicht würde ich Tammy anrufen und Fragen ob sie einen kleinen Auftrag für mich hätte.

„Wo willst du hin?“, hörte ich meine Mutter fragen.

Ruckartig blieb ich stehen und musste feststellen dass ich in geistiger Abwesenheit einfach gerade aus gelaufen war. Meine Mum stand, gut ein Dutzend Meter hinter mir, am Eingang zu einer kleinen Seitengasse.

„Was willst du denn da?“, erkundigte ich mich und ging zu ihr.

„Deine Überraschung wartet da auf dich.“, sagte sie und versuchte gar nicht den lasziven Unterton heraus zu streichen.

Sofort starrten etliche vorbeiziehende Passanten zu uns. Und erneut verfluchte ich die Einkaufstouren mit ihr.

„Würdest du solche Bemerkungen bitte lassen?“, fragte ich und merkte den gereizten Unterton in meiner Stimme, „Oder jedenfalls in dem Tonfall.“

„Vielleicht.“, erwiderte sie freundlich und verschwand in der Gasse.

Zum wiederholten Mal an diesem Tag spielte ich Schatten und folgte ihr.

Die Gasse war schmal, schlecht beleuchtet und alles andere als sauber.

„Vorsicht Ratte.“, sagte ich gelangweilt und im selben Moment ertönte vor meiner Mum das aufgeregte Quietschen eben jenes Tieres.

Erschrocken fuhr sie zusammen und drehte sich auf dem Absatz um.

„Kannst du mir das nicht vorher sagen?“, fragte sie gereizt.

„Entschuldige, aber das Nachtsichtgerät ist eben erst angesprungen.“, erwiderte ich grinsend.

„Aber das nächste Mal sagst du vorher Bescheid, verstanden?“, fragte sie, obwohl es mehr einem Befehl glich.

„Aye, Sir.“

Mit einem mürrischen Gesicht ging sie weiter. Ich hingegen konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Das war die Genugtuung für den heutigen Tag.

Der restliche Weg verlief allerdings Störungsfrei. Doch mehr störte mich die Tatsache, dass wir in irgendwelchen dubiosen, stockfinsteren Gassen unterwegs waren.

Doch plötzlich drang etwas aus der Dunkelheit.

Meine Mum blieb wie angewurzelt stehen und ich folgte ihrem Beispiel. Beide starrten wir wie gebannt auf das Schwache Leuchtschild. Es wirkte wie das sprichwörtliche Licht am Ende des Tunnels, als meine Mutter mit einem erleichternden Seufzer die Tür öffnete.

„Komm, wir haben es geschafft.“, sagte meine Mum zufrieden.

Wortlos folgte ich ihr.

Wie das Schild versprach war es ein kleiner Laden. Eher ein Tresen in einem ansonsten leeren Raum. Neugierig sah ich mich um und wagte es sogar meine erweiterten optischen Fähigkeiten zu nutzen. Doch hier gab es nichts weiter. Keine Vitrinen oder Regale, keine Tische, ja noch nicht einmal eine Kasse.

„Bist du sicher, dass wir hier richtig sind?“, fragte ich vorsichtig.

„Hallo? Jemand da?“, rief meine Mum und ignorierte mich damit gekonnt.

Sekunden herrschte Stille in dem Raum. Bis plötzlich das Scharren eines Stuhles durch die Leere Räumlichkeit hallte, gefolgt von einem recht leisen dumpfen Schlag und etlichen Kraftausdrücken in einer fremden Sprache.

Plötzlich öffnete sich eine Tür hinter dem Tresen und ein Mann trat heraus.

„Willkommen bei Ted's Kuriositäten und Sonderanfertigungen.“, begrüßte er uns schwungvoll mit schweren Akzent, „Was kann der gute, alte Ted für die Herrschaften tun?“

„Guten Tag.“, sagte meine Mutter freundlich, „Ich hatte gestern angerufen.“

„Ah, ich weis!“, rief er freudig, „Die Dame Draganski mit Sohn.“

Wir nickten zustimmend.

Neugierig sah er uns an, musterte uns genau. Zuerst war meine Mutter an der Reihe. Mir persönlich sah er sie ein wenig zu lange an, aber er sagte kein Wort. Dann richtete er seinen Augen auf mich. Schlagartig wurde mir bewusst, dass meine Augen noch immer nicht menschlich waren. Hastig blinzelte ich ein paar Mal, bis meine Augen wieder ihr menschliches Aussehen hatten.

„Die Kette ist also für den jungen Herren.“, sagte er verstehend.

Ohne ein weiteres Wort drehte er sich wieder in Richtung des Hinterzimmers und deutete uns ihm zu folgen.

Vorsichtig sahen wir einander an und wussten, dass wir dasselbe dachten. Doch dann folgten wir ihm. Wie sich herausstellte war das Hinterzimmer fast doppelt so groß wie der Ladenbereich und voll mit allerlei Maschinen, Tischen und Becken mit sonderbaren Flüssigkeiten.

„Ihr Anruf kam gestern recht spät, verehrte Dame.“, sagte er langsam und setzte sich an eine Arbeitsbank, „Aber sie haben Glück und mein Auftragsbuch ist im Moment recht leer.“

Mit einer Mischung aus Neugier und einem unheilvollen Gefühl im Magen sah ich zu meiner Mum. Sie war wie immer die Ruhe in Person. Es gibt eigentlich nur zwei Sachen, die ihr Angst machen. Und das sind Spinnen und mutierte Killerspinnen.

Beides war nicht in Sichtweite.

Langsam lies ich meinen Blick zu Ted wandern. Im Dunkel des Ladens war er kaum zu erkennen. Und während meiner Dunkelsicht war ich viel zu sehr damit beschäftigt gewesen, mich zu fragen wie ich die Tür übersehen konnte.

Aber jetzt hatte ich einen Guten Blick auf ihn. Der Kopf war kahl, bis auf einen einzigen, bestimmt zehn Zentimeter großen und gezackten Haarstreifen, der von einem Ohr zum andern reichte. Der größte Teil war in einem grellen grün gehalten, nur die Spitzen stachen mit einem Goldgelben Ton hervor. An seinen Ohren hing genügend Metall um fast alle Haut zu bedecken. Auch sonst schien er ein Faible dafür zu haben. Jedenfalls wenn man seinen Nasenrücken und seine Lippen betrachtete.

„Wissen sie, das war echt ein hartes Stück Arbeit.“, sagte er und beugte sich ein Stück weiter vor, „Aber sie haben ein sehr Gutes Timing.“

„Wie meinen?“, fragte meine Mum neugierig.

Schwungvoll fuhr er auf seinem Hocker herum und grinste bis über beide Ohren.

„Ein Meisterwerk.“, sagte er stolz und stand langsam auf.

Und dann sah ich was er meinte.

In seinen Händen lag eine Kette, dem aussehen nach polierter Stahl oder Silber.

„Schöne Kette.“, sagte ich vorsichtig.

„Die ist für dich.“, sagte meine Mutter und nahm sie dem komischen Typen ab.

Verwirrt sah ich sie an.

„Willst du mich anketten, damit ich keine Scheiße mehr bauen kann?“, fragte ich ernst, „Oder willst du mich an irgendwelche Perversen vermieten?“

„Hör auf so einen Mist zu reden und sieh sie dir erstmal an.“, meinte sie harsch und drückte sie mir in die Hand.

Bevor ich reagieren konnte, hielt ich sie schon in den Händen. Vom Gewicht her schien sie aus Stahl zu bestehen aber eine Auffälligkeit konnte ich nicht erkennen. Vorsichtig fuhr ich mit dem Finger über die Glieder. Kleine Unebenheiten befanden sich auf dem Material.

Einem Impuls folgend hielt ich sie in Richtung der Glühbirne. Ein feines Netz aus Linien spannte sich über jedes einzelne Glied.

„Wofür ist sie?“, fragte ich meine Mum neugierig.

„Sie kann dir helfen dein Biest zu kontrollieren.“, sagte sie mit einem sanften Lächeln.
 

Erneut saß ich in dem Höllengefährt und starrte aus dem Fenster. Wieder zog die Landschaft an mir vorbei, nur dieses Mal in die andere Richtung.

„Was machen wir, wenn es nicht funktioniert?“, erkundigte ich mich bei meiner Mutter.

„Dann trete ich ihm in seine fünf Buchstaben und hol mir das Geld wieder.“, erwiderte sie gelassen.

Manchmal wünschte ich mir diese Ruhe und Gelassenheit auch. Ich war fast ausgerastet, als sie mir gesagt hatte, wie viel die Kette gekostet hat: fast die Hälfte des hart verdienten Geldes. Aber es war ein funke Hoffnung, ein Strohhalm, an den ich mich zu gerne klammerte. Und wer weiß? Vielleicht half mir auch der Placebo-Effekt.

„Hast du heute noch was geplant?“, fragte ich um die entstehende Stille zu vertreiben.

„Wenn wir noch genügend Zeit haben eine kleine Feuerprobe.“, erwiderte sie Lächelnd.

Vorsichtig sah ich sie an.

„Das hast du nicht vor, oder?“, fragte ich entsetzt.

„Wenn du das meinst, was ich meine, doch.“, erwiderte sie und strahlte mich an.

„Vergiss es!“, fuhr ich auf, „Wenn es nicht klappt, wird es ein Blutbad geben!“

„Dann bete, dass es klappt.“, meinte sie und ihr Tonfall lies kein Platz für weitere Diskussionen.

Seufzend lies ich mich in den Sitz sinken. Sie hatte wirklich vor mit mir heute Abend zum Tears zu fahren. Wogegen ich eigentlich auch nicht hatte, aber bei dem Gedanken eine ganz bestimmte Person da zu treffen, wurde mir doch ein wenig anders.

„Es wird schon gut gehen, Spatz.“, sagte meine Mum freundlich.

Ich hoffte es wirklich. Zwar hatte ich mein Biest schon ein paar Mal hinaus gelassen, aber es hatte sich noch nie losgerissen. Der passende Vergleich wäre, wenn man mit einem Großen Hund an der Leine herumlaufen würde. Wenn man stark genug war ihn zu halten, gab es ja keine Probleme. Aber wenn nicht, dann zog er einen einfach mit.

Und ich hatte wirklich keine Lust, von meinem inneren Schweinehund herum gezerrt zu werden.

Aber wenn die Kette wirklich so gut funktionierte, wie meine Mum und ich hofften, dann könnte ich vielleicht ein halbwegs normales Leben führen.

Ohne die Ständige Angst die Kontrolle zu verlieren.

Vor meinem inneren Augen begannen Bilder formen anzunehmen. Bilder von glücklichen Zeiten, von Menschen die mich mochten, liebten.

Seufzend schloss ich die Augen und verbannte damit die Bilder. Ich wusste, dass es niemals so werden würde, also warum sollte ich mich quälen?

„Was ist denn da los?“, stellte meine Mum die Frage in den Innenraum des PKW.

Mehr schlecht als Recht konnte ich meinen Blick von der Landschaft nehmen und sah nach vorn.

Mehrere Autos verstellten die zwei Fahrstreifen, die in unsere Richtung führten. Dann sah ich die schwarzen Wolken, die zum Himmel stiegen.

„Es scheint im Tunnel zu brennen.“, meinte ich und deutete zwischen zwei Fahrzeugen hindurch.

„Und ich hab gedacht, der Tag bleibt mal ruhig und beschaulich.“, jammerte sie.

„Nicht nur du.“, erwiderte ich.

Dann plötzlich nahm ich es war. Ein Geräusch, was mir vertraut und gefürchtet zugleich war.

Das Knurren meines Biestes.

Nach einem kurzen Blick über die Schulter öffnete ich die Tür und betrat die Straße.

Sofort wehte mir der beißende Geruch von schwerem Rauch entgegen. Zusammen mit einem schwachen Hauch eines anderen, bekannten Geruches.

Sofort wurde das Knurren lauter.

„Ich hab doch keine Zeit!“, beschwerte sich plötzlich jemand neben mir.

Irritiert fuhr ich herum und sah eine junge Frau in Lederdress auf einem schweren Motorrad. Aber das war nicht der Blickfang.

„Lady?“, fragte ich vorsichtig.

Verwirrt sah die junge Frau mich an und klappte das Visier hoch.

„Zanny?“, fragte sie erstaunt, „Was machst du denn hier?“

„Eigentlich nach Hause fahren, aber das geht ja schlecht.“, grinste ich, „Aber du solltest deinen Blickfang mal verstecken.“

Verwirrt sah sie mich an und ich deutete nur auf ihre Schulter. Quer über dem Rücken hing ihr Raketenwerfer.

„Vielleicht.“, erwiderte sie und nahm den Helm ab.

„Aber mal was anderes.“, meinte ich neugierig, „Auf dem Weg zur Arbeit?“

„Eher Rückweg.“, seufzte sie, „Wir jagen einen Feuerteufel, aber er scheint uns immer einen Schritt voraus zu sein.“

Langsam wandte ich mich von meiner Kollegin ab und drehte mich wieder in Richtung Tunnel. Erneut steckte ich die Nase in die Lust und nahm mehrere tiefe Züge. Beim letzten kam eine schwache Brise auf.

„Da drin ist euer Teufel.“, sagte ich und spürte erneut das Biest auf begehren.

Irritiert sah Lady von mir zu dem Tunnel.

„Sicher?“, fragte sie ungläubig.

„Sie können ihm glauben.“, hörte ich meine Mum, „Er hat ein besonderes Gespür dafür.“

Sekunden herrschte Stille.

„Sylvia? Was machst du denn hier?“, fragte Lady überrascht.

„Mit meinem Hosenscheißer einkaufen gehen.“, grinste sie und lehnte sich gegen das Fahrzeug.

Neugierig und scheinbar ungläubig betrachtete Lady uns abwechselnd.

„Ich hab dir doch gesagt, dass er etwas besondere ist.“, fügte meine Mum grinsend hinzu.

„Da hast du nicht übertrieben.“, erwiderte sie, als sie sich wieder gefangen hatte.

Mit einer flüssigen Bewegung zückte die Allrounderin ihr Mobiltelefon.

„Ich ruf nur schnell Dante an, dann können wir drei uns das Vieh schnappen.“, sagte sie während sie die Nummer eintippte.
 

Es dauerte fast eine Ewigkeit, bis Lady ihren Kollegen erreicht hatte. Und sie machte aus ihrem Zorn auch keinen Hehl und schrie ungehemmt ins Telefon.

„Wenn er nicht immer so unzuverlässig wäre.“, seufzte sie.

Ein Schrei lies uns zusammen zucken. Hastig sah ich mich um und fand nach kurzer Zeit eine Frau. Mehrere Sanitäter und Polizisten wären nötig um sie halbwegs ruhig zu halten.

„Mein Kind!“, schrie sie panisch, „Meine Tochter ist noch da drin!“

Mein Herz schien sich auf die Größe einer Rosine zusammen zu ziehen.

„Mum, haben wir die Feuerdecke im Auto?“, fragte ich nebensächlich.

Ohne zu antworten öffnete sie die Tür der Rückbank und klappte einen der Sitze nach oben. Im nächsten Moment reichte sie mir die Decke über das Autodach.

„Was hast du vor?“, fragte Lady.

„Meiner Existenz einen Sinn geben.“, erwiderte ich und grinste sie an.

Doch bevor sie etwas erwidern konnte, war ich schon auf dem Weg. Die Absperrband der Polizei war kein Hindernis und die Beamten sahen mich nur völlig perplex an. Dann war ich auch schon an ihnen vorbei.

Der Tunnel kam schnell näher und die Hitze, die aus ihm drang, schien sogar die Luft zum Kochen zu bringen. Erneut ein Beweis für die Unnatürlichkeit des Feuers.

Aber so etwas zwang mich nur zu einem schwachen Lächeln.

Hinter mir wurden Rufe laut, aber ich ignorierte sie. Die Rettung des Kindes hatte einen höheren Stellenwert als eine sinnlose Diskussion.

Dann waren es nur noch wenige Meter bis ich in die Feuerhölle eintauchen würde.

Eine Feuerwoge löste sich aus dem Tunnel und rollte auf mich zu.

Und mit einem Sprung stieß ich ins Feuer.
 

„Scheiße!“, fluchte Lady leise, „Der Kleine wird umkommen.“

„Keine Sorge.“, sagte Sylvia, die Ruhe in Person, „Er wird das schon schaffen.“

„Wie kannst du nur so ruhig bleiben?“, fragte die Allrounderin und machte keinen Hehl aus ihrer Wut, „Er ist dein Sohn!“

„Genau deswegen kann ich so ruhig bleiben.“, erwiderte sie gelassen, „Er ist mein Sohn und ich weis besser als du, zu was er imstande ist.“

Für einen Moment sahen sich die beiden nur stumm an, dann wandten sie sich wieder in Richtung der Feuerhölle.

„Hoffentlich beeilt sich Dante.“, flüsterte Lady leise.
 

Die Hitze im Tunnel war sogar für mich beinahe unerträglich, dazu kam noch die Enorme Helligkeit. Das schlimmste war jedoch der Gestank. Verbrannter und geschmolzener Kunststoff und schmelzendes Metall.

Langsam näherte mich einem lodernden Wrack eines Autos und legte vorsichtig die Hand auf das Dach. Beinahe sofort reagierten meine Nerven, wo normale Menschliche einfach nur Verpufft wären. Sachte übte ich Druck aus und sofort gab es nach.

Fasziniert betrachtete ich das verformte Dach. Die Temperaturen hier drinnen würden jeden Menschen nach kurzer Zeit töten. Umso mehr stiegen meine Sorgen wegen dem Kind.

Hastig lies ich meinen Blick über das Inferno wandern.

„Wie die Hölle.“, flüsterte ich leise.

Doch auch diesen Gedanken lies ich fallen, sowie das Dutzend davor. Zweifel, an mir oder meiner Aufgabe, waren das letzte was ich brauchte.

Langsam und vorsichtig fanden meine Füße ihren Weg durch das Feuer. Ich brauchte zwar keine Angst zu haben, mir die Füße zu verbrennen, aber ich wollte ungern in geschmolzenen Asphalt hängen bleiben.

Dann hörte ich es. Diese kleine, schwache Stimme, weinend und schluchzend.

Alle Vorsicht über Bord werfend rannte ich los. Und mehr als einmal hatte ich das Gefühl, dass mich etwas aus den undurchsichtigen Rauchschwaden ansah.

Ich verdrängte das Gefühl, beobachtete zu werden, so gut es ging. Und mit jedem Schritt, jedem Meter den ich zurücklegte wurde die Stimme lauter.

Und plötzlich stockte mir der Atem.

In diesem Inferno von Feuer und Rauch stand ein einzelnes unbeschädigtes Auto.

„Das machst du mit Absicht, oder?“, fragte ich leise.

„Natürlich.“, erwiderte eine kratzige Stimme, „Aber ich wollte jemand anders.“

Ich gab den verzweifelten Versuch auf, den Teufel ausfindig zu machen. Es war auch nicht mein Gegner, sondern der von Lady und Dante. Und wer nimmt seinen Kollegen schon gern die Arbeit weg?

Hastig trat ich an das Auto heran und erkannte sofort den kleinen Körper, der sich auf der Rückbank befand. Vorsichtig hob ich die Hand und klopfte gegen die Scheibe.

Ruckartig sah sie mich an und Tränen liefen noch immer ihre Wange herunter.

„Ich bring dich zu deiner Mutti.“, sagte ich Lächelnd, „Aber vorher musst du die Tür aufmachen.“

„Es geht nicht.“, klang ihre Stimme leise durch die Tür, „Sie will nicht aufgehen.“

Ein kurzer Blick genügte um zu erkennen, dass die Tür nicht abgeschlossen war. Vorsichtig griff ich nach dem Türgriff und zog daran. Das Klacken des Schlosses ertönte, aber sie bewegte sich keinen Millimeter.

„Mach die Augen zu, dann mach ich die Tür auf.“, sagte ich und versuchte beruhigend zu Lächeln.

Und sie tat es tatsächlich. Ohne zu Fragen und ohne Widerworte.

Einen Wimpernschlag später verwandelten sich meine Finger in Krallen und nur einen Wimpernschlag später warf ich die Tür in den Tunnel.

„Komm gehen wir.“, flüsterte ich ihr zu.

Kaum hatte sie mich erreicht wickelte ich sie in die Feuerschutzdecke.

Halbwegs zufrieden mit meiner Leistung machte ich mich mit ihr auf den Rückweg.
 

„Wo bleibt er nur so lange?“, fragte Lady nervös.

„Dante?“, erkundigte sich Sylvia, „Oder er?“

Bei den letzten Worten deutete sie in Richtung des Tunnels.

„Beide.“, erwiderte sie und setzte ihr Profi-Lächeln auf.

„Du solltest an deinem Poker-Face arbeiten.“, lächelte die Rothaarige.

Lady hingegen war es nicht nach platten Witzen. Sie machte sich wirklich Sorgen. Zwar hatte Sylvia ihr versichert, dass ihrem Sohn nichts passieren würde, aber da war immer noch das Kind.

„Sie kommen.“, sagte Zannys Mutter und in ihrer Stimme klang Freudlos.

Und Lady konnte sie verstehen. Den Hinter dem Schemen, den sie als Zannys einschätzen konnte, war ein Zweiter, doppelt so groß und breit.

Ihr Ziel.
 

Die letzten Meter des Tunnels legte ich im Freien Flug zurück, als eines der Autos hinter mir detonierte. Aus Reflex rollte ich mich ab und hetzte weiter, einen schnellen Blick über die Umgebung wandern lassen.

Lady spielte Nervös mit ihrem Raketenwerfer und auch meine Mum sah nicht besser aus. Aber von Dante fehlte jede Spur.

Plötzlich hörte ich die Rufe. Polizei und Sanitäter kamen in meine Richtung. Doch schon im nächsten Moment wichen sie zurück, den Schrecken im Gesicht.

Ich brauchte mich nicht um zu drehen, um zu wissen dass mir dieses Monster folgte. Schließlich hatte ich seine schöne Falle ruiniert und den Köder gestohlen.

„Bleib stehen!“, schrie es wütend.

Doch ich dachte nicht einmal im Traum daran stehen zu bleiben. Nicht wegen mir sondern dem unschuldigen Leben in meinen Armen wegen.

Plötzlich stürzte ich, als meine Füße bis zu den Knöcheln in geschmolzenem Teer versanken. Noch nicht einmal eine Sekunde hatte ich zum Fluchen, da stoppte die Straße meinen Sturz.

Hastig sah ich über die Schulter. Da stand es schon hinter uns. Ein Wesen, scheinbar nur aus Feuer und Rauch bestehend. Und dort, wo ich seinen Kopf vermutete, brannten zwei Flammen, hell wie die Sonne selbst.

„Es ist mir egal, was du bist.“, sagte es ruhig, „Aber du hast alles ruiniert.“

Mit diesen Worten hob es den Arm und ballte die Hand zur Faust.

Instinktiv drehte ich mich gänzlich auf den Bauch, stürzte mich auf Unterarme und -Beine und wartete auf den Schlag. Ich spürte die Hitze zu deutlich, als die Faust des Feuerteufels heran sauste.

Doch der Treffer blieb aus.

„Man schlägt keine Mädchen.“, erklang eine angenehme Stimme hinter mir.

Ungläubig sah ich hinter mich.

Dante stand hinter mir und hatte die Faust mit der flachen Hand abgewehrt.

„Und keine Kinder.“, meinte er und grinste mich an.

Ein kurzes Nicken seinerseits reichte, dass ich mich wieder auf den Weg machte. Ich blendete meine Umgebung aus, nur die Sanitäter und der Krankenwagen waren noch von Interesse.

Und gefühlte Stunden später erreichte ich sie endlich.

Sofort legte ich das Kind auf den Boden und schlug die Decke zurück.

Sie bewegte sich nicht. Ihre Augen blickten starr in den Himmel und ihr Brustkorb verharrte.

„Nein.“, flüsterte ich leise.

Sofort war sie von Ärzten und Beamten umringt, Erste-Hilfe wurde geleistet.

Ich hingegen stand wie versteinert da und starrte auf den Leblosen Körper des Kindes. Meine Hände fingen an zu Zittern und ich spürte das Biest in mir. Es stand in den Startlöchern und würde von dem Feuerteufel nichts übrig lassen.

Aber ich war unfähig, es heraus zulassen.

„Solange dieser Teufel lebt, bleibt sie Tod.“, hörte ich eine Stimme hinter mir.

Im Bruchteil einer Sekunde, zu schnell für jeden Menschen, fuhr ich herum. Doch da war niemand.

Niemand außer Dante, der sich dem Monster in den Weg stellte. Dann wanderte mein Blick wieder zu dem Kind. Und ich wusste, was ich zu tun hatte.
 

Langsam trat Lady neben den Rotschopf.

Dante würde sie nicht brauchen, jedenfalls vorerst.

Aber der Grünschnabel brauchte sie im Moment. Er stand da, wie zur Salzsäule erstarrt und starrte auf den Kinderkörper.

„Zanny?“, versuchte sie seine Aufmerksamkeit zu erhalten.

Mit einem Mal fuhr er um 180° herum und starrte zu Dante und dem Teufel. Nur um Sekunden später wieder den Ärzten bei der Arbeit zuzusehen.

„Zanny?“, fragte sie erneut, erhielt aber wieder keine Antwort.

Es kam ihr so vor, als wäre er in einer anderen Welt gefangen.

Vorsichtig hob sie die Hand, wollte ihn an der Schulter berühren, ihn aufwecken. Nur Millimeter bevor sie am Ziel war stürzte der Junge nach vorn und riss einen der Sanitäter von dem Kind weg.

„Was soll das?“, schrie der Mann wütend.

Doch der Rotschopf achtete nicht darauf. Stattdessen beugte er sich vor und presste seine Lippen auf die des Kindes.

„Was soll der Scheiß?“, fragte Lady wütend.

Dann schnellte sein Kopf zurück, er atmete einmal aus und dann senkte er sich wieder. Diesmal lag ihre Aufmerksamkeit bei dem Kind. Und verwundert stellte sie Fest, dass ihr Brustkorb sich senkte.

„Was machst du da?“, fragte die Allrounderin, ohne den Blick von Zanny zu nehmen.

Plötzlich riss er sich von ihren Lippen los und stürzte nach hinten, die Hände auf Hals und Bauch pressend.

„Sie atmet!“, rief einer der Ärzte.

Nur beiläufig achtete sie auf die Ärzte. Zanny hatte es geschafft sich halb aufzurichten. Doch schon im nächsten Moment begann er zu röcheln. Und einen Wimpernschlag später lag pechschwarzer Mageninhalt vor ihm.

„Was ist los?“, fragte Lady neugierig.

Ein plötzlicher Schrei lies sie aufhorchen. Aber sie kannte das Geräusch schon zu gut. Dante hatte es Geschafft und der Teufel war erledigt.

„Rauch.“, krächzte Zanny, „Das Ding bestand aus Feuer und Rauch.“

Langsam sah er auf und in seinen Augen konnte sie eine unglaubliche Erleichterung sehen.

„Sie hatte Rauch eingeatmet und er war in ihren Lungen.“, sagte er schwach.

Lady wusste nicht, was sie sagen sollte, sondern nickte nur verstehen.
 

„Wie geht es dir?“, fragte meine Mum zum hundertsten Mal in dieser Minute.

„Gut, aber ich kriege den Geschmack nicht aus dem Mund.“, erwiderte ich grinsend.

Wir hatten uns, nachdem Dante die Situation geklärt hatte, so schnell es ging aus dem Staub gemacht. Wir beide hatten keine Lust auf dieses unangenehme Frage-Antwort-Spiel. Und mit ein bisschen Glück hatte sich einer unser Kennzeichen gemerkt.

„Das war schon eine Verrückte Aktion.“, sagte sie Lächelnd, „Hast die schlafende Prinzessin wach geküsst.“

Auch wenn der Spruch mehr als unpassend war, konnte ich ein Grinsen nicht unterdrücken.

„Läuft das bei dir eigentlich immer so ab?“, fragte sie plötzlich ernst.

„Was?“, fragte ich verwirrt.

„Nun ja, Dämonen schlachten, Jungfrauen in Not retten und dann noch'n Abschiedskuss kriegen.“

Mehr als ein böser Spruch lag mir auf den Lippen und wäre ihr gerne ins Gesicht gesprungen. Doch als ich sie ansah und sie mich zufrieden anlächelte verpuffte meine Wut.

„Du kannst es wohl nie lassen, mich zu ärgern, oder?“, erkundigte ich mich gespielt beleidigt.

„Willst dich wohl auch noch beschweren?“, fragte meine Mum provokativ.

„Klar, Mobbing am Arbeitsplatz.“, erwiderte ich Grinsend und lies mich erschöpft in den Sitz sinken.

Illusion

Ich saß wie auf glühenden Kohlen.

Nur noch zwei verdammte Stunden, dann würde meine Mum mich ins Tears schleifen. Nur um zu schauen, ob die Kette wirklich funktionierte.

„Das ist doch unnötig!“, beschwerte ich mich zum hundertsten Mal.

„Doch ist es.“, erwiderte sie gelassen, „Dass wird der ultimative Test.“

Langsam drehte sie sich zu mir um.

„Sieh es mal so.“, begann sie mit einem verschwörerischen Lächeln, „Wenn es gut geht, muss ich dich nie mehr begleiten.“

„Musst du auch so nicht.“, erwiderte ich seufzend.

Egal welches Argument ich bringen würde, wir würden gehen.

Wenn nicht gleich ein Wunder geschah.

Und wie aufs Stichwort klingelte mein Handy.

Nur einen Sekundenbruchteil später hielt ich es in der Hand und nahm den Anruf an.

„Morgen.“, klang mir sofort die Stimme von Tammy ins Ohr.

„Morgen.“, erwiderte ich und musste mich zusammen reißen, „Was gibt es?“

„Auftrag für dich.“, sagte sie nebensächlich.

Danach begann das rascheln von Papier, bis sie mir endlich die Adresse gab.

Erleichtert verstaute ich das Mobiltelefon wieder und versuchte mir meine Erleichterung nicht anmerken zu lassen.

„Wird leider nichts aus dem Besuch.“, sagte ich und vermied es, meine Mutter anzusehen, „Die Arbeit ruft.“

„Glaub ja nicht, dass das schon vorbei ist.“, sagte sie leise, fast prophetisch, „Wir haben noch viele Gelegenheiten und Tammy kann deinen Kopf nicht jedes Mal aus der Schlinge ziehen.“

„Ich weis, aber fürs erste, soll es mir recht sein.“, erwiderte ich grinsend und hatte die Tür schon fast erreicht.

„Zanny!“, rief sie mich und instinktiv drehte ich mich um.

Meine Mutter grinste mich bis über beide Ohren an.

„Immer schon sauber bleiben.“

Seufzend öffnete ich die Tür und winkte noch einmal kurz.

„Bis dann.“, sagte ich und schloss die Tür hinter mir.

Erleichtert seufzte ich und sah mir noch einmal die Adresse an. Verwundert stellte ich fest, dass es am anderen Ende der Stadt war.

Aber das sollte mich nicht aufhalten.

Mit halbwegs guter Laune verstaute ich meine Hände in den Hosentaschen und machte mich auf den Weg.
 

„Du musst langsam los.“, sagte sie und riss Dante aus seinem angenehmen Halbschlaf.

„Nur noch fünf Minuten.“, nuschelte er grinsend und schmiegte sich enger an sie.

„Das hast du vor einer halben Stunde auch schon gesagt.“, schalt sie ihn und versuchte sich zu lösen.

Doch der Griff des Halbteufels war wie Stahl. Nicht ganz so Kalt und beklemmend, aber genauso unerbittlich. Nach mehreren vergeblichen Versuchen beließ sie es dabei, einfach nur seine Nähe zu genießen.

Da löste er auf einmal seine Umarmung.

„So macht das doch keinen Spaß.“, grinste er und schälte sich langsam aus der Decke.

Als Antwort traf ihn ein Kopfkissen.

„Du bist unmöglich.“, sagte sie und musste sich anstrengen, dass Grinsen zu Unterdrücken.

Er sah sie an, blickte mit seinen kristallblauen Augen direkt in ihre. Und begann noch breiter zu Grinsen.

„Und du Unersättlich.“, meinte er und stiefelte unbekleidet ins angrenzende Bad.

Gerade hatte er die Tür geschlossen, als er hektisches Treiben von der anderen Seite vernahm.

Lächelnd wandte er sich dem Waschbecken zu und drehte das kalte Wasser auf. Noch einmal sah er auf sein erledigtes Spiegelbild, dann klatschte schon das eisige Nass dagegen. Noch einmal fuhr er sich mit der Hand durch die Haare, dann war er schon fertig.

Die Geräusche auf der anderen Seite waren inzwischen verstummt.

Seufzend öffnete er die Tür und seine Annahme wurde bestätigt. Das Bett lag verlassen da und nur noch seine Sachen waren auf dem Boden verteilt.

Seufzend setzte er sich auf seine Betthälfte und versuchte die restliche Müdigkeit zu vertreiben.

Plötzlich sah er es. Ein postkartengroßes Stück Papier auf dem Nachtschrank. Langsam griff seine Hand danach und führte es vor seine Augen.

Selig lächelnd las er die Zeilen und jedes Mal, wenn er Luft holte, konnte er ihren Duft riechen, der noch immer im Zimmer hing.

„Bis zum Nächsten Mal.“, sagte er leise und seine Lippen berührten vorsichtig den Lippenstift, der zum Kussmund geformt, ihre Unterschrift war.
 

Sachte streifte der Wind meine Schwingen. Fast einen Kilometer musste ich Laufen, bevor ich eine passende Stelle gefunden hatte. Aber die Zeit holte ich über die Luftlinie locker wieder auf.

Unter mir war immer noch hektisches Treiben. Autos und Fußgänger bahnten sich ihren Weg.

Es war alles wie immer.

Nebensächlich zog ich das Handy aus der Tasche und wählte Tamaras Nummer.

„Was geht?“, fragte sie belustigt.

„Ich hätte gerne ein paar Infos über den Auftrag.“, erwiderte ich gelassen.

„Nur ein paar Monster ausschalten.“, sagte sie abwesend, „Ach ja und du hast einen Partner.“

Schwer seufzte ich und schloss einen Moment die Augen.

„Keine Sorge, kein Mensch.“, schloss sie, „Sonst noch etwas?“

„Nein, nichts.“, erwiderte ich, „Dann angenehme Nacht noch.“

„Werde ich haben.“, meinte sie und ich konnte ihr Grinsen fast vor mir sehen.

Eine Weitere Stimme hinter ihr bestätigte meinen Gedankengang.

Ich unterbrach die Verbindung und betrachtete das Handy.

„Unmöglich.“, flüsterte ich und schüttelte mit dem Kopf.

Dann wollen wir auch noch ein wenig Spaß haben, dachte ich mir und zog die Sturmhaube über.

Mit einem Ruck legte ich die Flügel an und lies mich herabsacken. Kurz über den Hochhäusern, die sich hier aneinander reihten breitete ich sie wieder auf und befand mich augenblicklich wieder sicher in der Luft.

Kontrolliert lies ich mich noch ein Stück sinken und zog dicht an den gläsernen Fronten vorbei, blickte Kurz in die wenigen, um diese Zeit noch erleuchteten Fenster und versuchte einen Blick auf die Arbeiter zu erhaschen.

Wieder stieg der Wunsch nach einen normalen Leben in mir herauf, gepaart mir ein wenig Neid über die Normalen. Sie konnten nichts dafür, genauso wie ich nichts dafür konnte.

Konzentriere dich lieber auf deinen Auftrag, schalt ich mich und richtete meine Aufmerksamkeit wieder nach vorn.

Noch ein paar Minuten und ich hätte mein Ziel erreicht.

„Perfektes Gelände.“, sagte ich und veränderte meine Sicht.

Es war ein altes Lagergelände, das heute nicht mehr benutzt wurde. Jedenfalls von den gesetzestreuen Bürgern.

Jedoch wuselte Dort unten eine Vielzahl an Leuten herum. Was sie dort hin trieb konnte ich beim besten Willen nicht verstehen, da das Gelände sogar öffentlich als außerordentlich gefährlich galt.

Und vielleicht führte mein Auftrag mich genau deswegen hierher.

Gemächlich drehte ich noch eine Runde und suchte die Lagerhalle, deren Nummer mir meine Dealerin gegeben hatte. Erst nach dem dritten Überflug fand ich sie.

Ebenfalls am anderen Ende des Geländes.

Seufzend versicherte ich mich, dass niemand in der Nähe war, dann setzte ich zur Landung an.

Auch wenn die Maske mein Gesicht verbarg sollte nicht gleich jeder von mir wissen.

Noch bevor meine Füße den Boden berührt hatten, lies ich meine Andersartigkeit verschwinden und machte mich langsam auf den Weg.
 

„Und du bist sicher, dass er das schafft?“, erkundigte sich Tamara kichernd.

„Er schafft es.“, erwiderte Lady ungerührt und musterte ihren Gegenüber.

Seit Zanny hier angerufen hatte, war sie nur noch am Kichern und Grinsen. Und insgeheim wünschte sie dem Fliederschopf einen Krampf.

„Um mal wieder auf den Punkt zu kommen: Du hast selbst erlebt, zu was er im Notfall fähig ist.“, sagte Lady gelassen.

Schlagartig wurde Tamara wieder ernst.

„Ja, ich weis.“, erwiderte sie nüchtern.

Nach ihrem Abend in der Villa war sie zusammen mit Lady und einem anderen Allrounder noch einmal dorthin gegangen. Auch wenn sie Zannys Aussage vertraute, wollte sie doch auf Nummer sicher gehen.

Sie fanden nicht, was auch nur entfernt an die Anwesenheit von Dämonen erinnerte. Das seltsamste daran war allerdings, dass es keine Kampfspuren gab, von den beiden Löchern im Erdgeschoss mal abgesehen.

„Dann hoffen wir mal, dass er seinen Partner rechtzeitig erkennt.“, sagte Tammy Leise und sah erneut auf die Unterlagen.

„Sie kann schon auf sich aufpassen.“, entgegnete Lady gelangweilt.

„Hoffen wir es.“
 

An die steinerne Wand gelehnt wartete ich auf meinen Partner.

Ein paar Leute waren anfangs noch zu mir gekommen. Entweder wollten sie betteln oder ihre illegalen Sachen loswerden. Aber schon nach kurzer Zeit war das Interesse an mir verflogen und sie zogen weiter.

Und ich spürte, wie das Gelände mit jeder Minute ruhiger wurde.

„Also geht das Verbrechen auch mal schlafen.“, murmelte ich.

Kurzerhand zog ich das Handy und sah auf das Beleuchtete Display.

Schon eine gute halbe Stunde wartete ich hier auf meinen Partner. Aber bis jetzt hatte sich nichts getan. Und ich bezweifelte Stark, dass sich etwas daran ändern würde.

Aber ich musste es von der Positiven Seite sehen. Solange ich hier war, konnte meine Mum mich nicht ins Tears schleifen.

Plötzlich meldete sich mein Biest.

Von einer Sekunde zur nächsten war ich wieder ganz hier und suchte mit den Augen die Umgebung ab. Dann hörte ich es. Leise, aber stetig lauter werdend.

Ein Motorrad, hallte es sofort durch meinen Kopf.

Aber sie hörte sich anders an. Es war keine Schwere Maschine, wie Lady sie bevorzugte, sondern auf Geschwindigkeit ausgelegt.

Das wichtigste daran war aber, dass es näher kam.

Ich löste mich ein Stück von der Wand, um im Fall der Fälle, noch ein wenig Spielraum zu haben.

Langsam rollte die Maschine hinter einer der Hallen hervor. Der Fahrer sah mich und lenkte die Rennmaschine in meine Richtung.

Bis zum Zerreißen war mein Körper gespannt.

Keine zwei Meter vor mir kam sie zum stehen und ich konnte den forschenden Blick durch das Schwarze Visier hindurch spüren.

„Du bist Zanny, richtig?“, drang die gedämpfte Stimme an mein Ohr.

Ich nickte und entspannte mich ein wenig.

„Und du bist mein Partner?“, fragte ich vorsichtig.

Nur einen Moment später klappte er den Motorradständer mit einem gezielten Tritt aus und schwang eindrucksvoll das Bein über die Maschine.

Langsam öffnete er den Sicherheitsverschluss des Helms. Kaum dass er ihn abnahm ergoss sich eine Flut blonder Haare über die Schultern der Motorradkombi und ein paar kristallblauer Augen sah mich neugierig an.

„Ich bin Trish.“, sagte sie mit einem freundlichen Lächeln.
 

In Gedanken versunken saß Sylvia auf dem Sofa. Im TV lief gerade eine Sendung die sie gar nicht interessierte, aber ihr fehlte der Elan zum Umschalten. In eine Decke gehüllt starrte sie in ihre Tasse mit heißem Kakao.

Nein, kalt war ihr nicht. Jedenfalls nicht nachdem sie die Heizung aufgedreht hatte. Es war vielmehr diese emotionale Kälte, die ihr zu schaffen machte. Die Gewissheit allein zu sein.

Früher war ihr Mann bei ihr gewesen, hatte sie in den Arm genommen und war einfach nur da. Als er dann gegangen war, blieb ihr immer noch Zanny. Aber dieser wurde auch immer selbstständiger.

Des Weiteren schien er nun mehr Aufträge zu bekommen.

Um seine Sicherheit brauchte sie sich nicht zu sorgen, er würde schon zurechtkommen.

Seufzend trank sie einen Schluck des heißen Getränks. Aber es wollte die Kälte in ihr einfach nicht vertreiben. Sie wollte einfach nicht mehr allein sein.

Das plötzliche Schellen der Klingel lies sie aufschrecken.

Besuch wurde nicht erwartet, soviel war sicher.

Sofort waren alle Gedanken vergessen.

Wieder klingelte es.

Hastig schälte sie sich aus ihrer Decke und stellte die Tasse auf den Beistelltisch.

Leise und vorsichtig schlich sie aus dem Wohnzimmer und in den Hausflur. Mehrere Teelichter brannten auf der Anrichte.

Erneut schellt es.

So leise wie möglich schlich sie zur Kommode und öffnete die oberste Schublade.

Ohne hinzusehen fand sie den Griff des Dolchs, den sie dort für alle Fälle deponiert hatte.

Auch wenn ihr Besuch inzwischen von der Klingel abgelassen hatte, wusste sie, spürte sie, dass er noch da war.

Auf Zehenspitzen schlich sie zur Haustür und sah durch den Türspion. Nichts war zu erkennen.

Langsam legte sie die Hand auf den Türgriff.

Noch einmal atmete sie tief durch.

Mit einem Mal riss sie die Tür auf, den Dolch Kampfbereit vor sich haltend.

Doch zu einem Angriff kam es nicht mehr. Vor ihr blitzen ein paar lila Augen auf und ein verschmitztes Grinsen zierte den Mund.

„Hallo, Sylvia.“
 

Ich hatte mit vielem Gerechnet. Mit wirklich sehr vielem.

Nur nicht damit.

Langsam und genüsslich öffnete sie den Reißverschluss der schweren Lederjacke und streifte sie langsam von ihren Schultern. Zum Vorschein kam ein Hautenges, trägerloses, schwarzes Lederoberteil.

Die Jacke warf sie Achtlos auf den Sitz des Motorrades.

Dann begann sie die Träger der Hose von ihren Schultern zu streifen und gemächlich aus ihr Herauszusteigen. Darunter trug sie eine Lederhose, die saß wie eine zweite Haut.

Und ich muss gestehen, dass meine Gedanken ab und an in eine nicht Jugendfreie Richtung gingen.

„Gefällt dir, was du siehst?“, fragte sie mit einem Lächeln.

„Vielleicht.“, entgegnete ich nicht ganz überzeugend, „Sollten wir uns nicht lieber um den Auftrag kümmern?“, fragte ich zurück.

„Ja, das sollten wir.“, erwiderte sie.

Ihre Einstellung änderte sich fast spürbar. Es war so, als hätte sie einen Schalter umgelegt.

„Dann los.“, sagte sie und trotz des Lächelns wirkte sie kalt.

Langsam schritt sie an mir vorbei und winkte mir zu, dass ich ihr folgen sollte.

Und zum ersten Mal in meinem Leben war ich froh über mein Biest.

Jahrelanges mentales und körperliches Training verhinderten, dass ich trotz des Ausblicks zum sabbernden Trottel wurde.

„Um was geht es eigentlich?“, erkundigte ich mich.

Schlagartig blieb sie stehen und fuhr auf der Stelle herum.

„Hat Tamara es dir nicht gesagt?“, fragte sie perplex.

Fragend sah ich in ihre blauen Augen.

Seufzend begann sie sich die Schläfen zu massieren.

„Also, wir sollen einen Dämon erledigen.“, begann Trish, „Er ist ein Illusionist.“

„Ein Was?“

„Er sucht sich deine schlimmsten Alpträume und Ängste und verwendet sie gegen dich.“, erklärte die Blonde mir.

Ich lies die Worte ein wenig auf mich wirken, dann begann ich zu Grinsen.

„Dann sollten wir kein Problem haben.“, sagte ich Schulterzuckend, „Mein Leben ist der reinste Albtraum.“

Ungläubig musterte sie mich. Was mir mehr als unangenehm war.

„Das bezweifle ich.“, sagte sie schließlich und ging an mir vorbei.

„Und warum?“, bohrte ich.

„Weil ich das auch dachte, bevor er mich erwischt hat.“, gestand sie, „Ich dachte, ich wäre vorbereitet und war am Ende nur noch ein Wrack. Zum Glück haben mich meine Blitze geschützt.“

„Blitze?“, fragte ich neugierig.

Langsam hob sie die Hand und spreizte die Finger ab. Nur Sekunden später zuckten schmale blaue Blitze von einem Finger zum anderen.

„Netter Trick.“, meinte ich.

„Und was kannst du?“, erkundigte sich Trish.

„Ich kann so ziemlich alles töten, was sich mir in den Weg stellt.“, antwortete ich Grinsend.

Schweigend setzten wir unseren Weg zwischen den Hallen hinweg durch.

Mein Biest hatte sich bisher nicht mehr gemeldet. Es bestätigte nur, dass es Trish nicht als Gefahr ansah. Nur warum war mir ein Rätsel.

Ein Schwacher Wind trieb mir ihren Duft in die Nase. Und vor meinen Augen formte sich ein unvergessliches Bild.

„Wie gut kennst du Dante?“, fragte ich neugierig.

Ungläubig betrachtete sie mich. Für einen Moment schien sie sogar perplex zu sein.

„Wie kommst du darauf, dass ich ihn kenne?“

„Du riechst nach ihm.“, erwiderte ich lächelnd, „Meine nicht ganz natürlichen Sinne erlauben mir so was.“

„Ich arbeite mit ihm zusammen.“, erwiderte sie Lächelnd, „Und wohne ab und an in seinem Laden. Aber warum interessiert dich das?“

„Weil mein innerer Schweinehund die Klappe Hält.“, meinte ich, während mein Blick über die Umgebung wanderte, „Und das tut er in der Nähe von nicht menschlichem extrem selten.“

Plötzlich blieb Trish stehen und verschränkte die Arme vor der Brust, während sie mich eingehender musterte. Diesmal sah ich sie direkt an und spürte förmlich, wie ihr Blick mich Zentimeter für Zentimeter unter die Lupe nahm. Und für einen Moment glaubte ich sogar rot zu werden.

„Lady hat mir schon einiges von der erzählt.“, sagte sie schließlich, „Aber ich wollte es nicht recht glaube.“

„Und nun?“, fragte ich und versuchte sie nicht anzusehen.

„Du bist definitiv anders.“, sagte sie und legte den Kopf schief, „Sehr interessant anders.“

Ein laszives Lächeln umspielte ihre Lippen.

Und insgeheim verfluchte ich mich, den Auftrag angenommen zu haben. Der geplante Abend im Tears hätte nicht unangenehmer sein können.

„Schön für mich.“, erwiderte ich und ging an ihr vorbei.

Ohne ein weiteres Wort folgte sie mir.
 

Es war spät. Viel zu spät für ein Mädchen in ihrem Alter. Besonders in diesem Viertel.

Aber niemand würde auch nur versuchen Hand an sie zu legen.

Auch wenn ihr Beschützer nicht mehr da war, so hatten viele sie doch zusammen gesehen. Und allein der Gedanke, dass sie nur ein Wort brauchte, um die Hölle zu entfesseln, lies den meistens den Angstschweiß in Strömen laufen.

Aber die Zeit war vorbei. Sie war nicht mehr sein Client, den es zu schützen galt, sondern mehr die persönliche Putzfrau.

Und endlich war sie an ihrem Ziel angekommen.

Im Gebäude brannte kein Licht und an der Tür stand, dass geschlossen war.

Das würde sie aber nicht abhalten, das Gebäude zu betreten.

Mit einem verschlagenen Grinsen zog sie den Ersatzschlüssel und sperrte kurzerhand die Tür auf.

Nach einem kurzen Blick über die Schulter huschte sie hinein und schloss hinter sich wieder ab.

So oft wie sie schon hier war, wusste sie, wo der Lichtschalter war. Eine kleine Bewegung und das matte Licht des elektrischen Kronleuchters legten jeden Makel frei. Und wieder wusste sie, warum sie das Tat.

„Dante?“, rief sie in den leeren Raum.

Doch eine Antwort bekam sie nicht. Weder aus dem Erdgeschossbad, der Küche, noch aus den privaten Zimmern im ersten Stock.

„So, dann mal ab an die Arbeit.“, sagte sie leise und streifte in die Abstellkammer.

Dort war alles ordentlich. Bis auf die Zentimeter dicke Staubschicht, die nur zu deutlich bewies, wie selten Dante diesen Raum aufsucht.

„Wenn du mal eine Freundin findest, wäre es ein Wunder.“, schmunzelte sie und legte sich die Schürze an.

Sie wollte den Raum gerade verlassen, als sie die Türglocke hörte.

Sie hatte abgeschlossen, dass wusste sie. Und das Schloss war Speziell für den Dämonenjäger gefertigt worden.

Ohne Furcht verließ sie die Besenkammer.

„Patty?“, hörte sie die angenehme, dennoch überraschte Stimme von Dante, „Was bei allen Höllen machst du hier?“

„Dein Chaos beseitigen.“, sagte sie bestimmt und stellte die Hände in die Hüfte, „Oder willst du mich aufhalten?“

„Nein.“, erwiderte der Weißhaarige mit einem schwachen Lächeln, „Nur noch duschen und schlafen.“

Und ohne ein weiteres Wort schleifte er sich die Treppe herauf.
 

Schweigend setzten Trish und ich unseren Weg durch das weitläufige Gelände fort.

Seit einer geschlagenen halben Stunde waren wir jetzt zwischen den Hallen umhergeirrt, ohne ein Wort zu sagen oder eine Spur des Dämons zu finden.

Uns insgeheim befürchtete ich, dass er sich ein anderes Jagdrevier gesucht hatte.

„Ich weis, dass er hier ist.“, sagte Trish leise, als hätte sie meine Gedanken gelesen.

„Ich hoffe, er spielt nicht mit uns.“, meinte ich mehr zu mir zu mir selbst.

„Doch das tut er.“, bestätigte Trish meine dunkel Vorahnung, „Und das ist noch harmlos.“

Nachdem mir Trish offenbart hatte, dass sie schon einmal die Unterlegene war, begrub ich die Hoffnung auf eine entspannte Jagd. Ich kannte sie zwar erst seit kurzem, aber ihrem Verhalten nach, war sie kein Grünschnabel mehr.

Unvorbereitet traf mich die Gegenwart meines Biestes. Ein lautes, alles Übertönendes Grollen ertönte in meinem Kopf.

Sofort war ich in Kampfstellung gegangen und wartete auf den ersten Schlag unseres Gegners.

„Was hast du?“

„Er ist hier irgendwo.“, sagte ich.

Ein Flüchtiger Blick über die Schulter zeigte mir, dass auch Trish vorbereitet war.

Zwei Schere Pistolen lagen in ihren Händen.

Und ich staunte nicht schlecht darüber. Solche Pistolen wurden meist nur in Actionfilmen verwendet.

Beruhigt konnte ich mich nun wieder auf die Jagd konzentrieren.

„Weiß er, dass wir hier sind?“, fragte ich meine Partnerin.

„Höchstwahrscheinlich.“, erwiderte sie und ihrer Stimme schwang die Anspannung mit.

„Dann wollen wir ihn nicht warten lassen.“, sagte ich und offen weiter.

Unser Gegner konnte überall sein.

Nein, eher nicht. Ansonsten hätte mein Biest mir schon Bescheid gegeben.

Also wollte er uns wahrscheinlich erst einmal einschätzen.

„Sei vorsichtig.“, warnte mich Trish, „Dieses Vieh ist gefährlich.“

„Das sagst du nicht zum ersten mal.“, erwiderte ich und konnte ein schwaches Grinsen nicht verkneifen.

Kurzerhand streckte ich meine Nase in die Luft. Und Prompt nahm ich einen Geruch war, den man am besten mit dem Worten „Übel erregend“ bezeichnen konnte. Aber so konnten wir ihn wenigstens finden.

„Mir nach.“, sagte ich streng und lief los.

Ohne ein Widerwort folgte mir Trish.

Mit jedem Meter den ich hinter mich brachte, wurde der Geruch stärker. Er wartete also auf uns.

„Dann lasst den Spaß beginnen!“, rief ich und legte noch einmal einen Schritt zu.

Trish hielt problemlos mit.

Ich hatte es aufgegeben, meinen Gegner mit den Augen finden zu wollen. Wäre er wirklich so ein guter Illusionist, wie Trish meinte, könnte er vermutlich auch meine Augen täuschen. Aber meiner Nase konnte er nicht entkommen.

Hoffte ich.

Ecke um Ecke lies ich hinter mir, folgte einem Zickzackkurs, immer den Geruch folgend.

Bis er plötzlich in eine Halle hinein führte.

Ich sah hinter mich. Trish war Bereit, die Waffen im Anschlag.

Ich nickte ihr zu und wand mich wieder zu dem Tor. Ich drehte mich bewusst so, dass Trish meine Augen nicht sehen konnte und veränderte meine Sicht. Egal was uns im inneren Begegnen würde, mir würde es nicht entgehen.

„Bereit?“, fragte ich, obwohl es überflüssig war.

„Bereit.“, sagte sie und die Anspannung klang mehr als deutlich heraus.

Ohne Vorwarnung riss ich das Tor zur Seite. Auch wenn es Rostig und schwer war, von der Kette, die es verschlossen halte sollte einmal abgesehen, hielt es meiner Kraft nicht stand. Ächzend und scheinbar zu schnell für sein Alter bewegte es sich zur Seite und sprang aus der Unteren Führung.

Zuerst fiel mir nichts Besonderes in dem Raum auf, bis auf die Person, die am anderen ende stand. Erst auf den zweiten Blick erkannte ich das schwache Flimmern in der Luft. Der Gestank war inzwischen unerträglich geworden.

„Willkommen meine Freunde.“, rief die Gestalt und breitete die Arme aus, „Willkommen in einer Welt des Schreckens.“

Langsam betrat in den Raum. Trish folgte ein paar Schritte hinter mir.

„Wie ich sehe, bist du auch wieder da, Blondchen.“, kicherte das Wesen wahnsinnig.

Ich spürte, wie meine Partnerin zusammen zuckte.

„Hat es dir noch nicht gereicht?“, fragte die Stimme.

Doch die einzige Antwort war eine Kugel aus einer Pistole.

Zu Schnell für einen Menschen wich das Wesen zur Seite aus.

Wir hatten unser Ziel gefunden.
 

Die Zeit verging quälend Langsam in diesem Augenblick. Sekunden schienen sich bis zur Unendlichkeit zu dehnen. Und ich wusste, dass es die Sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm war.

„Dann lasst euch in einer Welt der Leiden Begrüßen!“, rief er und Gestikulierte Wild.

Zuerst dachte ich an einen Angriff, aber es geschah nicht.

Jedenfalls nicht mit mir.

Denn nur Sekunden später hörte ich Trish hinter mir schreien.

Nur einen Wimpernschlag später war ich herum gewirbelt und sah sie an.

Sie kauerte auf den Boden. Die Augen starrten ausdruckslos in die Tiefe der Halle. Und dann schrie sie wieder. Die ersten Tränen erschienen und wieder schrie sie.

„Was tust du ihr an?“, schrie ich, während ich mich wieder zu meinem Gegner drehte.

„Siehst du es nicht?“, erkundigte er sich spöttisch.

Zwar sah ich, dass die Luft stärker flimmerte, konnte mir aber keinen Reim darauf machen.

Einem Gedankengang folgend schloss ich die Augen und normalisierte diese.

Als ich sie wieder öffnete stand ich in der Hölle.

In Trish persönlicher Hölle.

Eine Weise, scheinbar aus Marmor bestehendes Wesen, nahm den Größten Teil der Wand ein.

Neugierig sah ich über die Schulter. Und verstand, warum Trish sich nicht bewegt hatte.

Ketten hatten sich um ihren Leib gelegt und waren im Boden verankert. Ihre Augen wirkten wieder Lebendig.

„Nein!“, schrie sie, „Lass Dante in Ruhe!“

Irritiert fuhr ich herum und sah den Teufelsjäger in der Luft schweben, genau vor dem Wesen.

„Warum sollte ich, du undankbare Kreatur?“, fragte das Wesen und hob seine Arme.

Als wären sie an Fäden Befestigt hoben sich auch Dantes Arme.

„Du hast mich verraten. Warum sollte ich noch irgendjemanden schonen?“

Mit diesen Worten riss er seine Arme auseinander. Und mit einem unschönen Geräusch, gemischt mit einem Schmerzensschrei lösten sich Dantes Arme aus seiner Schulter.

Wieder und wieder Schrie Trish, Auf Jede Träne folgte eine Weitere.

Sofort hallte Trish Satz in meinem Kopf: Er sucht sich deine schlimmsten Alpträume und Ängste und verwendet sie gegen dich.

Auf der Stelle fuhr ich herum und packte sie an den Schultern.

„Wach auf! Es ist nur eine Illusion!“, schrie ich sie an.

Doch sie reagierte nicht auf mich.

„Für sie gibt es nur noch ihren Schmerz.“, hörte ich die Stimme des Wesens, „Und solange ich da bin, wird sie weiter leiden.“

Hastig veränderte ich erneut meine Augen. Ein flüchtiger Blick über die Schulter zeigte mir, dass das Wesen sich nicht mehr bewegt hatte.

Wieder sah ich zu Trish. Etwas fiel mir aus dem Augenwinkel auf.

Einen Wimpernschlag später stahl sich ein Grinsen auf mein Gesicht.

„Töte sie, dann kannst du sie aus dem Alptraum befreien.“, kicherte des Wesen.

„Lieber töte ich dich.“, erwiderte ich und griff nach dem Stein, der auf dem Boden lag.

In einer Flüssigen Bewegung fuhr ich herum und schleuderte ihn auf meinen Gegenüber.

Nur Sekunden später traf das Geschoss zielsicher den Kopf. In der Selben Sekunde hatte ich meine Augen wieder auf den Normalmodus Gestellt und betrachtete fasziniert die sich auflösende Illusion. Genau Rechtzeitig um zu verhindern, dass das Wesen Dante die Gedärme heraus riss.

Mit einem schweren Seufzer schlug Trish auf dem Boden auf. War aber Sekunden später schon wieder in der Hocke und hielt sich den Kopf.

„Soweit alles klar?“, fragte ich ohne den Blick von dem Taumelnden Dämon ab zu wenden.

„Jetzt wieder.“, sagte sie und schluckte schwer.

Plötzlich begann der Dämon zu lachen. Hysterisch und viel zu hoch.

„Nicht schlecht. Wirklich nicht schlecht.“, meinte es plötzlich, „Aber da wir jetzt in ihren Kopf gesehen haben, lass uns in deinen Schauen.“

Das war für mich das Startzeichen.

Ohne Vorwarnung setzte ich zu einem Sprint an und stürmte durch die Halle.

Allerdings kam ich nur bis zur Mitte.

Ketten und Seile legten sich um mich. Mir war klar, dass es nur eine Illusion war, aber trotz aller Anstrengungen schaffte ich es nicht, sie zu zerreißen.

Zu allem Überfluss spürte ich das Biest, wie es sich langsam einen Weg an die Oberfläche bahnen wollte. Es stand auf der Schwelle, nicht einmal mehr einen Gedanken weit entfernt, und wartete darauf, dass ich es nutzte.

„Wovor hast du Angst?“, fragte das Wesen, was plötzlich direkt vor mir stand.

Es war keine Illusion, dafür war der Gestank zu deutlich.

„Wovor hast du Angst?“, fragte es erneut und sah in meine Augen.

Ich spürte, wie sein Blick bis in meine Seele vordrang.

Nur wenige Augenblicke später erschien meine Mutter hinter dem Wesen. Sie stand einfach nur da, sah mich mit Hilfesuchenden Augen an.

„Du willst nicht, dass ihr etwas passiert, oder?“, fragte das Wesen, „Du willst sie immer Beschützen, nicht war?“

Langsam ging das Wesen zurück und stellte sich neben meine Mum. Plötzlich erschien ein Messer in seiner Hand.

„Was würdest du tun, wenn ich sie verletzen wollte?“, fragte es mich.

Trotz des Wissens, dass es nicht echt war, begann ich Panik zu empfinden. Zwar hatte ich immer eine unglaubliche Angst, die Kontrolle über mein Biest zu verlieren. Aber das meiner Mum etwas passieren könnte, stellte alles in den Schatten.

Blitzschnell surrte das Messer durch die Luft und schnitt ihr in den Arm.

Ihr Schrei hallte durch den Raum und mein Herz schien auszusetzen.

„Hör auf damit, du Bastard!“, schrie ich ihn an.

Ich wusste jetzt genau, was Trish empfunden haben muss.

Und zu genau spürte ich mein Biest, was sich wie eine Katze an meinen Geist schmiegte und nach Freilassung bettelte.

„Wollen wir doch einmal sehen, was passiert.“, sagte das Wesen.

Seine Gesichtszüge verloren alles Menschliche. Nur Eine Sekunde später befand sich das Messer in der Luft.

„Trish!“, rief ich, in der Hoffnung, sie könnte mich hören, „Verschwinde!“

In der Nächsten Sekunde sauste das Messer herab.

Und zur selben Zeit öffnete ich meinen Geist.
 

Ungläubig hatte Trish die Szenerie verfolgt.

Sie wusste nicht, welche Stellung die Frau in Zannys Leben einnahm. Aber sie musste viel für ihn bedeuten.

„Trish!“, rief er plötzlich, „Verschwinde!“

Fast im selben Augenblick lies der Dämon das Messer niedersausen.

Mit jedem Zentimeter schien die Zeit langsamer zu laufen. Wieder einmal bewies dieser Bastard, dass er ein Sadist war.

Nur noch Millimeter trennten das Messer von der Frau.

Plötzlich ertönte ein markerschütterndes Brüllen. Instinktiv bedeckte Trish ihre Ohren, aber es wurde nicht leiser. Im Gegenteil es schien noch Lauter zu werden.

Hastig sah sie zu Zanny.

Die Seile und Ketten, die ihn gefangen hielten waren verschwunden.

Ein Blick zu dem Dämon zeigte ihr, dass auch die anderen Illusionen verschwunden waren. Eine Unförmige Masse mit zwei Arme und Beinen, mehr war der Dämon nicht. Ein wandelnder Alptraum.

„Wie ist das möglich?“, kreischte es panisch.

Es vollführte hastige Bewegungen mit den Missgebildeten Armen. Nur einen Wimpernschlag später ertönte wieder das Brüllen. Diesmal war es eher einem zu lauten Knurren zu gleich.

„Verschwinde.“, sagte Zanny plötzlich.

Irritiert sah sie ihn an. Noch immer stand er mit dem Rücken zu ihr. Doch dann drehte er langsam den Kopf.

Auch wenn sie schon fiel gesehen hatte, verschlugen ihre seine Augen die Sprache.

Sie konnte weder eine Iris noch die Pupille erkennen. Sie waren gänzlich und Ausnahmslos pechschwarz.

Das Monster begann wie von Sinnen zu schreien.

Wie in Zeitlupe drehte Zanny seinen Kopf wieder zu dem Wesen.

So verharrte er Sekunden, nur um in der Nächsten zu verschwinden.

Fast im selben Augenblick hörte sie einen kläglichen Schmerzensschrei.

Zanny stand hinter ihm und seine Hand ragte aus der Brust des Wesens.

„Trish.“, sagte er streng, „Grill ihn.“

„Aber was ist mit dir?“, fragte sie irritiert.

Doch der Junge Mann grinste nur.

Dann folgte sie der Aufforderung. Sie spürte die elektrische Spannung in ihrem Körper, spürte wie sie sich in ihren Händen sammelte.

Ohne ein weiteres Wort richtete sie ihre Hände auf den Dämon. Blitze schossen aus ihren Händen und schlugen in das Wesen ein. Wieder und wieder traf sie es. Und mit jedem Treffer schrie es.

Doch Zanny sagte nichts. Er zuckte nicht einmal zusammen, als die gewaltige elektrische Ladung durch seinen Körper wanderte.

Binnen Sekunden war das Spektakel vorbei. Der Körper des Dämons war nur noch eine schwarze Masse.

Mit einem Ruck befreite Zanny seinen Arm aus dem Leib.

„Tot?“, fragte er emotionslos.

„Tot.“, sagte Trish ohne die Erleichterung verbergen zu wollen.

Zufrieden sah sie Zanny an. Seine Augen hatten wieder ihre normale blaue Farbe angenommen.

„Und wie geht’s dir?“, erkundigte sie sich.

„Bestens.“, erwiderte Zanny mit einem breiten Grinsen.

Trish stutzte nicht schlecht, als sie es hörte. Doch in ihrem Kopf ging etwas ganz anderes vor sich.
 

Noch einmal sah ich auf die Überreste des Illusionisten.

Nicht nur ich war zufrieden, sondern auch mein Biest, wie ich an den Wohligen Lauten in meinem Kopf vernahm.

„Wenn es das war, geh ich nach Hause.“, sagte ich knapp und verließ die Halle.

Ich wollte im Moment nur eines: Nach Hause und nach meiner Mutter sehen.

„Warte noch einen Moment.“, sagte Trish plötzlich.

Gemächlich drehte ich mich um. Sie stand keinen halben Meter mehr von mir entfernt.

Noch bevor ich reagieren konnte, hatte sie ihre Hände auf meinen Wangen gelegt und ich spürte ein angenehmes Kribbeln. Einen Herzschlag später trafen ihre Lippen meine.

Wieder war dieses Angenehme Kribbeln, was nun meinen ganzen Körper durchfluten zu schien.

Ich schloss die Augen und genoss das Gefühl und die ungewohnte Nähe.

Doch so schnell wie es passiert war, war es auch schon vorbei.

Langsam öffnete ich die Augen und sah in Trishs Verdutzte.

„Und was sagst du?“, fragte sie gespannt.

Nervös begann ich mir über die Lippen zu lecken.

„Kirsche.“, sagte ich spontan, „Deine Lippen schmecken nach Kirschen.“

Ihr Blick wurde immer ungläubiger und sie zog einen kleinen Stift Lippenbalsam. Darauf zu sehen waren Kirschen.

„Aber sonst geht es dir gut?“, erkundigte sie sich fassungslos.

„Ja, warum?“

„Weil dich eben drei Starkstromkabel berührt haben.“, flüsterte sie.

Verdutzt sah ich sie an und fuhr mir mit der Hand durch die eh unordentlichen Haare.

„Ich bin halt anders.“, sagte ich verlegen, „Und ich bin weg.“

Mit einem Grinsen auf den Lippen schnellte ich um die Ecke des Lagerhauses und breitete meine Flügel aus. Zwei Schläge reichten, um mich in die Luft zu befördern und meinen Kurs anzusteuern.
 

Der Heimflug kam mir viel zu lang vor. Dennoch waren es nur gute zehn Minuten gewesen.

Die Landung im Garten war wie immer reibungslos.

Kaum hatten meine Füße den Boden berührt rannte ich auf die Tür zu.

Zu meiner Überraschung war sie nicht abgeschlossen. Aber mein Biest schwieg, also konnte keine Gefahr in der Nähe sein.

Sicher folgte ich dem Geräusch im Haus in Richtung des Wohnzimmers.

Dort fand ich meine Mum in eine Decke gehüllt und vor dem Fernseher sitzend.

„Hi Mum.“, sagte ich und versuchte ein unbekümmertes Gesicht aufzusetzen.

Kaum das sie meine Stimme gehört hatte, war sie aufgesprungen.

„Hallo Spatz.“, erwiderte sie mit einem offenen Lächeln.

Mit wenigen Schritten war ich bei ihr und umarmte sie. Eine Handlung, die in letzter Zeit viel zu selten war.

„Alles Ok?“, fragte sie, während sie langsam die Arme um mich legte.

Und dann war sofort der Fremde Geruch in meiner Nase.

„Du hattest Besuch.“, stellte ich langsam fest, „Von einem Mann.“

Aber anstatt pikiert zu sein, grinste sie mich offen an.

„Ein alter Freund kam ganz spontan zu Besuch.“, sagte sie und sah mir in die Augen, „Also mach dir keine Sorgen.“

Doch plötzlich wurde ihr Ausdruck ernst.

„Und was hast du heute getrieben?“, erkundigte sie sich.

„Das übliche. Warum?“

„Weil du nach einem verdammt teurer Frauenparfüm riechst.“, stellte sie trocken fest.

Mein Grinsen wurde immer breiter.

„Du weist doch, wie das bei mir Läuft.“, erwiderte ich fröhlich, „Dämonen schlachten, Jungfrauen in Not retten und dann noch'n Abschiedskuss kriegen.“

Mit einem Lächeln fuhr sie mir durch die Haare und wies mich darauf hin, dass wir dann morgen ins Tears gehen würden.

Friend and Foe

Zum zweiten Mal innerhalb von zwei Tagen saß ich zusammen mit meiner Mum im Auto. Wie jedes Mal glitt mein Blick nach draußen. Diesmal aber nicht aus Vorsicht, sondern um die Entfernung zum Tears einschätzen zu können.

"Was machst du, wenn ich aussteige?", fragte ich abwesend.

"Fahre ich zurück und sammle dich auf.", erwiderte sie grinsend.

Langsam sah ich zu ihr Herüber.

"Und wenn ich fliege?", erkundigte ich mich.

"Dann finde ich dich durch den Sender.", sagte sie fröhlich.

"Ein Peilsender?" staunte ich.

"Genau.", erwiderte sie noch immer fröhlich.

Verwirrt sah ich sie an. Noch hatte ich nicht gemerkt, dass etwas an meiner Kleidung anders war.

Aber ich traute es ihr zu. Und seufzend ergab ich mich in mein Schicksal. Und ein kleiner Funke Hoffnung sagte mir, dass der Abend nicht aus dem Ruder laufen und in einem Blutbad enden würde.

"Träumst du wieder?", riss mich meine Mum aus meinen Gedanken.

"Ja.", sagte ich seufzend, "Ich träume davon, normal zu sein."

"Wir kriegen das schon irgendwie hin, Spatz.", sagte sie leise.

Ein schwaches, hoffnungsvolles Lächeln stahl sich auf mein Gesicht.

Aber ich sagte nichts, sondern sah wieder aus dem Fenster.

Die Nacht hatte sich schon sacht über die Erde gelegt und die Sterne wiesen den Kundigen den Weg. Keine Wolke war am Himmel zu sehen. Auch die Temperaturen waren in den Keller gegangen. Sehr zu meinem Leidwesen.

"Was passiert eigentlich, wenn die Kette nicht wirkt?", erkundigte ich mich vorsichtig.

"Das werden wir dann sehen.", erwiderte sie nicht überzeugt.

Zu gerne hätte ich die Zuversicht meiner Mum geteilt. Aber etwas tief in mir sagte, dass es nicht so einfach werden würde.

Jedenfalls deutete ich das Grollen als solches.

Dann kamen die Leuchtbuchstaben in Sicht.

Und ein weiteres Mal an diesem Abend musste ich mich zusammenreißen, um nicht aus dem Fahrenden Auto zu springen.
 

"Und wie war es?", fragte Tammy gespannt.

Trish jedoch antwortete nicht, sondern lies sich auf die breite Couch fallen.

Wortlos reichte Lady ihr ein flaches Glas.

Nickend nahm es die Blonde und betrachtete die goldene, klare Flüssigkeit.

"Und?", erkundigte sich Lady.

"Du hast nicht zuviel versprochen.", sagte Trish nachdenklich.

Lady machte es sich in ihrem Sessel bequem und ein zufriedenes Lächeln umspielte ihr Gesicht.

Verwirrt sah Tamara von einer zur anderen.

"Und wobei hat sie nicht zuviel versprochen?", erkundigte sich der Fliederschopf nun.

Wieder schwieg Trish und leerte das Glas in einem Zug.

Langsam und Vorsichtig stellte sie es auf den Beistelltisch.

"Das ist ein Geheimnis.", meinte die Teufelin schließlich mit einem lasziven Lächeln.
 

"Das ist es also.", sagte meine Mum und sah den großen Bau an, "Imposant."

"Vielleicht.", erwiderte ich und betrachtete fasziniert das flackernde T der Leuchtreklame.

"Komm.", meinte meine Mum und riss mich aus meiner Faszination.

Sie war schon bis zum Eingang voraus gegangen und wartete auf mich.

Zu meinem Leidwesen würde uns der Türsteher hineinlassen. Jedenfalls nach seinem Gesichtsausdruck bei der Rückansicht meiner Mutter.

Seufzend machte ich mich auf den Weg.

"Guten Abend.", sagte der Mann freundlich und öffnete uns sogar die Tür.

Wie ich meine Mum kannte, warf sie ihm ein Lächeln zu, während ich schwieg.

Auch der Zweite und der Garderobenmeister ließen uns unbehelligt passieren.

"Willkommen im Tears.", sagte ich leise und drückte die Doppeltür auf.

Und mit einem zufriedenen Grinsen registrierte ich die verwunderten Gesichtszüge meiner Mum.

"So habe ich es mir nicht vorgestellt.", sagte sie leise und betrat den großen Raum.

Doch für meinen Geschmack hatte sie sich zu schnell gefangen. Mit einer galanten Drehung wand sie sich mir und winkte mich heran.

Unablässig lies ich meine Augen über die Anwesenden schweifen. Und erst nachdem ich sicher war, dass mein Damoklesschwert nicht anwesend war, wagte ich erst wieder zu atmen.

Sehr zur Freude meiner Lungen.

"Und ist sie da?", erkundigte sich meine Mum neugierig.

Zufrieden strahlte ich sie an.

"Also nicht.", meinte meine Mum enttäuscht.

Doch schon im nächsten Moment zeigte sie ihr Gewinnerlächeln.

"Dann warten wir.", sagte sie trocken, "Dein Mädchen kommt in ein paar Stunden zur Arbeit."

"Woher weist du das?", fragte ich verdutzt.

"Ich hab vorhin den Türsteher gefragt.", erwiderte sie Grinsend.

Erneut seufzte ich und lies die Schultern hängen.

Aber das war normal für meine Mum.

Mit einem Wink bedeutete mir meine Mutter, dass ich ihr folgen sollte. Und ich tat es. Letztendlich endete unser Weg am Tresen.

"Guten Abend die Dame.", fragte der Keeper, "Was kann ich dir gutes tun."

"Einmal Vodka Pur aus der Wand.", erwiderte sie grinsend.

"Wie meinen?", erwiderte er verwirrt.

"Stilles Wasser.", antwortete sie und lächelte ihn an.

Ich hingegen bestellte nichts. Appetit und Durst waren nach der Hiobsbotschaft wie weggeblasen.

Doch plötzlich lag ein Geruch in der Luft, der mir bekannt vorkam. Erst nach dem dritten Anlauf erinnerte ich mich an die Zugehörige Person.

"Abend Kleiner.", sagte Dante gut gelaunt und setzte sich neben mich.

"Abend.", erwiderte ich und Lächelte Schwach.

Nur Sekunden später stand vor Dante ein Erdbeereisbecher, an dem er sich gütlich tat.

"Hast du heute Abend etwas vor?", fragte er zwischen zwei Löffeln.

Sofort war ich ganz Ohr. Vielleicht hatte ich doch eine Möglichkeit gefunden, den Abend ohne ein Blutbad zu überstehen.

"Was liegt an?", fragte ich vorsichtig.

"Das Übliche.", erwiderte er mit einem Grinsen.

"Wann und wo?", erkundigte ich mich weiter.

"Jetzt und keine Ahnung.", sagte er und lies eine halbe Erdbeere in seinem Mund verschwinden, "Ich bekomme die Info auch erst noch."

"Bin dabei.", sagte ich schlagartig.

Ich würde mich auch mit der Hölle persönlich anlegen, solange ich heute Abend Melissa nicht sehen musste.

"Ich habe da auch noch ein Wörtchen mit zu reden.", mischte sich meine Mum plötzlich ein.

Neugierig musterte ich Dantes Gesicht, als er meine Mum ansah. Für einen Moment schien er verwirrt, doch dann umspielte ein breites Grinsen seine Lippen.

"Ich wusste ja nicht, dass du mit so einer schönen Dame unterwegs bist.", schmeichelte er Zuckersüß.

Doch sie antwortete nicht. Aber ich konnte mir ihr Gesicht vorstellen, wie sie mit voller Absicht auf das Kompliment Einging, nur um ihn abblitzen zu lassen.

"Dante, darf ich vorstellen.", sagte ich mit einer Mischung aus Frustration und Resignation, "Meine Mum."

Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Dantes Gesichtsausdruck war einfach zu komisch.

Aber dank seiner Professionalität hatte er sich schnell wieder gefangen.

"Sehr angenehm.", meinte er schließlich.

Das plötzliche Klingeln eines Telefons unterbrach die sich anbahnende Konversation jäh.

Nur einen Moment später hielt Dante es an seinem Ohr, nickte kurz und bestätigte mit einem knappen "Ja".

"Okay, los geht’s.", sagte Dante und erhob sich langsam.

Sofort war ich auf den Beinen.
 

Gespannt stand sie vor dem Spiegel und betrachtete sich.

Das wenige Make-up saß wie immer, genauso wie die Frisur.

Zufrieden lächelte sie ihr Spiegelbild an und verließ das Bad.

"Bin weg!", rief sie durch den Flur.

Doch die Antwort blieb aus. Wie so oft in letzter Zeit.

Sie hatte die Hand schon auf die Klinke gelegt. Noch ein letztes Mal sah sie zurück.

Seit ihr Bruder diese Frau kennen gelernt hatte, war er wie ausgewechselt. Entweder schlief er den ganzen Tag oder er war nicht da. Was es Heute war wollte sie gar nicht wissen.

Vor einer Woche hatte sie ihn darauf angesprochen.

Untypisch für ihr wurde er sofort ausfallend und schrie sie an.

Und sie konnte nur hoffen und beten, dass er wieder normal werden würde.
 

"Dann schieß mal los.", sagte ich entspannt.

Der Fahrtwind war Eisig, aber das störte mich nicht mehr. So was musste man akzeptieren, wenn man in einem Cabrio fuhr.

Vorerst hatte ich das Tears hinter mir gelassen und somit auch einen Katastrophalen Abend. Dass meine Mum sich dazu entschlossen hatte, dort zu bleiben kam mir nur gelegen.

Sie würde alleine zu recht kommen. Und ich hatte freie Bahn und musste kein Auge auf sie werfen.

"Wie gesagt, das Übliche.", sagte Dante gelangweilt, "Dämonen finden, abservieren und Feierabend machen."

Sein Grinsen verriet mir, dass er es genauso meinte, wie er es sagte.

"Was würdest du machen, wenn ich deine Mum angraben würde?", fragte er plötzlich.

Ich musste mich mehr als zusammen reißen um nicht zu Lachen. Aller Wahrscheinlichkeit nach, hätte er es falsch gedeutet.

"Sie kann auf sich aufpassen.", erwiderte ich stattdessen.

"Keine Moralpredigt oder ähnliches?", erwiderte der Weißhaarige überrascht.

"Warum denn? Sie ist alt genug um auf sich selbst aufzupassen.", meinte ich und sah wieder auf die Straße.

Ein ungutes Gefühl machte sich in mir breit. Einerseits der Bevorstehende Auftrag, andererseits die Gedanken, dass er es vielleicht ernst meinen sollte.

"Keine Sorge, Kleiner, ich lass die Finger von deiner Mum.", lachte er, als hätte er meine Gedanken gelesen, "Meine Hände haben ihre Passform gefunden."

Verwirrt sah ich ihn an. Und mit jeder Sekunde schien sein Grinsen breiter zu werden.

"Also stimmt es, dass du eine Freundin hast.", stellte ich überrascht fest.

Für mich wirkte dieser Mann nicht wie jemand, der sich lange mit einer Frau aufhielt.

"Wenn du es so nennen willst, ja.", meinte er und wurde wieder ernst, "Aber genug von mir."

Seine Augen hefteten sich auf die Straße und ich tat es ihm gleich. Mehrere male glaubte ich eine Bewegung gesehen zu haben. Aber es waren meist Einbildung oder nachtaktive Tiere.

"Was soll eigentlich die Kette?", erkundigt er sich nebensächlich.

"Was wist du über mich?", erwiderte ich.

Kein grinsen umspielte sein Gesicht, jeder Muskel war angespannt, als rang er mit sich um eine Antwort.

"Nur das was mir Trish und Lady erzählt haben.", antwortete er dann langsam.

Ich nickte. Dass sie sich über mich unterhielten konnte ich verstehen. Ich war schließlich anders. Sogar anders als sie.

"Dieses Schmuckstück soll mein Biest unter Kontrolle halten.", meinte ich leise und sah auf meine Kette.

"Du warst wegen Melissa da.", stellte er fest.

Im ersten Moment war ich mehr als überrascht.

War ich wirklich so einfach zu durchschauen?

Wem hatten sie noch alles davon erzählt?

"Nur ich, Lady, Trish und Tammy wissen davon.", sagte er beruhigend, "Und es wird unser Geheimnis bleiben."

"Danke.", war alles was ich dazu sagen konnte.

Mir schossen zwar hunderte Gedanken durch den Kopf, aber sie alle geordnet auszudrücken, war mir im Moment unmöglich.

"Warum macht ihr das?", fragte ich vorsichtig, "Warum diese Aufträge mit mir?"

"Weil wir wissen wollte, was du kannst.", erwiderte Dante angespannt, "Und weil wir wissen wollten, auf welcher Seite du stehst."

Jetzt musste ich lachen. Es war zwar nicht komisch, aber aus irgendeinem Grund musste ich es einfach tun.

"Wenn ich euch erledigen wollte.", begann ich langsam, "Würdest du nicht neben mir sitzen."

"Und du glaubst wirklich, dass du so gut bist?", fragte er grinsend.

Doch dieser Satz traf mich tiefer, als er ahnen konnte.

"Dante.", sagte ich leise, "Mein Körper widersteht so ziemlich jeden Dämonischen Einflüssen. Trish hatte es nicht geschafft mich zu grillen, aber ein normaler Blitz wäre weit aus schmerzhafter."

Langsam nickte der Mann und hinter seiner Stirn schien es schwer zu arbeiten.

"Ich bin auf eurer Seite.", meinte ich und versuchte zu Lächeln.

"Dann haben wir ja noch mal Schwein gehabt.", grinse der Mann nun.

Ob er mir glaubte, wusste ich nicht. Oder vielleicht wollte ich es im Moment auch nicht wissen.

Plötzlich wurde der wagen langsamer.

"Wir sind da.", sagte er Kalt.

Ich blickte mich kurz um und wusste, was er meinte.

Vor uns erstreckte sich ein Wald, der in den Besten Horrorfilmen nicht zu finden war.

Der Nebel, der sich an die Stämme schmiegte, schien dick genug, um ihn mit einem Messer zu schneiden. Hinzu kam noch die Dunkelheit.

Jeder normale Mensch hätte es sich an meiner Stelle garantiert zweimal überlegt, ob er in diesen Wald gehen wollte.

"Also los.", sagte ich und meine Augen veränderten sich.

Wie ein Restlichverstärker fingen sie den kleinsten funken Licht und ließen den Wald für mich Taghell wirken.

"Und du siehst auch genug?", erkundigte sich Dante.

Grinsend sah ich ihn an. Und er registrierte die Veränderung meiner Augen kommentarlos.

"Dann mal los.", meinte er schließlich und stieg aus dem Wagen aus.

Ich für meinen Teil sprang einfach über die geschlossene Tür.

Dann konnte die Jagd beginnen.
 

Einen nach dem anderen hatte sie abblitzen lassen. Nicht weil ihr keiner gefallen hätte, nur die Anmachen waren meist unterhalb der Gürtellinie.

Und darauf konnte sie getrost verzichten.

Jetzt wusste sie, warum diese Lokalitäten nichts für sie waren.

Desinteressiert trank sie einen Schluck und bemerkte einen weiteren Verehrer, der sich den Weg zu ihr Bahnen zu schien.

Und sie fragte sich erneut, warum sie das verdient hatte. War es vielleicht die Strafe, dass sie ihren Sohn immer ärgerte? Oder hatte sie etwas anderes Falsch gemacht?

"Guten Abend, Schöne.", sagte der Fremde seidenweich.

"Kein Interesse.", erwiderte Sylvia gelangweilt.

"Warum denn so abweisend?", erkundigte er sich und setzte sich neben sie, "Darf ich dir einen Drink bestellen?"

"Kein Interesse.", wiederholte sie, wobei sie ungewollt aggressiv klang.

"Zier dich doch nicht.", erwiderte er und rückte ein Stück näher.

"Wenn du noch ein Stück näher kommst, wirst du es bereuen.", sagte die Frau kalt.

Für einen Moment verschwand das Grinsen des jungen Mannes, doch es wurde danach nur noch breiter.

"Du hast sie gehört.", vernahm Sylvia plötzlich eine bekannte Frauenstimme.

"Also verschwinde.", ergänzte eine Unbekannte.

Sofort war der Mann auf den Beinen. Nach einer gemurmelten Entschuldigung verschwand er in der Menge.

Erst jetzt drehte sich Zannys Mutter um. Hinter ihr standen Lady und eine unbekannte Blonde im hautengen Lederdress.
 

"Lass ihn nicht entkommen!", schrie Dante hinter mir.

Aber das brauchte er nicht. Das Jagdfieber hatte mich gepackt und ich würde nicht eher anhalten, bis ich mein Opfer an etwas gepinnt hatte. Und ich würde diesen Grauen Schemen nicht aus den Augen verlieren.

Dieses Wesen hatte den Unterleib einer Spinne, aber sein Oberkörper wirkte Menschlich. Auf einen zweiten Blick hin erkannte man, dass er auch Spinnenähnlich war. Vier Arme und acht Beine ließen dieses Wesen unglaubliche Geschwindigkeiten erreichen. Aber ich konnte mithalten, ab und an gerade nur so.

"Wo ist es hin?", hörte ich Dante weit hinter mir rufen.

"Weiter gerade aus!", rief ich zurück ohne von meinem Opfer weg zu sehen.

Plötzlich bog es in einem fast neunzig Grad bogen ab.

Ich streckte meinen Arm aus und von einer Sekunde auf die Andere verwandelten sich meine Finger in Krallen, nur um sich im nächsten Moment in einen Baum zu schlagen.

Nur eine Sekunde später verloren meine Füße ihre Bodenhaftung und ich befand mich in der Luft.

Doch wieder waren es nur Augenblicke, bis meine Füße den Boden berührten und ich die Verfolgung fortsetzte.

Vorsichtig richtete es den Oberkörper auf und drehte ihn um Hundertachtzig Grad. Vier Facettenaugen starrten mich Emotionslos an.

"Ich habe niemanden etwas getan!", hallte die unnatürliche Stimme durch den Wald.

Aber ich antwortete nicht. Ich brauchte die Luft um mitzuhalten. Zwar war ich sportlich und durch meine Andersheit extrem Belastbar und Ausdauernd, aber Seitenstechen bekam ich wie jeder anderen auch.

"Warum Jagd ihr mich?", fragte die Stimme erneut.

Doch auch dieses Mal blieb meine Antwort aus. Dafür aber hatte ich aufgeholt.

"Zanny?", hörte ich leise Dantes Stimme.

Schlagartig wurde mir bewusst, dass ich mich zu weit von ihm entfernt hatte. Wenn einer von uns in Schwierigkeiten kommen sollte, würde der andere ihm so schnell nicht helfen können. Aber das Risiko musste ich eingehen.

"Bleib endlich stehen!", schrie ich dem Monster hinterher.

Ein schwerer Fehler wie mein Zwerchfell meinte und sofort mit schmerzhaften Stichen bekannt gab.

Doch zu meiner Überraschung blieb das Wesen wirklich abrupt stehen. Zwar versuchte ich noch zu bremsen, doch eine Wurzel machte mir einen Strich durch die Rechnung und lies die Aktion in einem unkontrollierten Sturz enden.

Doch Reflexe und die Jahrelange Erfahrung machten sich auch diesmal bezahlt. Gekonnt rollte ich mich über die Schulter ab und befand mich nun nur noch zwei Schritte von dem Wesen entfernt.

Aber anstatt anzugreifen, oder erneut zu flüchten verharrte es auf der Stelle und die Facettenaugen schienen Mich zu mustern.

"Warum jagst du mich?", fragte es Monoton, "Warum willst du meinen Tot?"

"Weil du ein Monster bist.", erwiderte ich ohne Nachzudenken.

Das Wesen legte den Kopf schief und schien nachzudenken.

"Aber du bist auch kein Mensch.", sagte es verwirrt.

"Mehr Mensch als du.", erwiderte ich gelassen.

Trotz meiner ruhigen Stimme war mein Körper angespannt, bereit loszuschlagen.

"Woran definierst du das?", fragte es neugierig, "Nur an der Erscheinung?"

Jetzt hatte es mich auf den falschen Fuß erwischt.

Woran machte ich es fest. Ja, an der Erscheinung. Aber das war nicht alles. Ich hatte auch schon mit unmenschlichen Wesen zu tun, die Menschlicher nicht sein konnten. Aber auch andererseits mit Menschen die Wahre Monster waren.

Langsam entspannte sich mein Körper und ich stand auf. Trotzdem ließ ich meinen Gegenüber nicht aus den Augen.

Dieses Wesen war neu für mich. Seine ganze Erscheinung, sein Verhalten, nichts deutete auf ein blutrünstiges Monster hin.

"Weshalb bist du hier?", fragte ich vorsichtig.

"Ich suche.", erwiderte es tonlos.

"Was suchst du?", erkundigte ich mich, als es schwieg.

"Einen Weg nach Hause.", sagte es und seine Stimme klang mit einem mal traurig.

Sekunden schienen zu Minuten zu werden, als Stille eingekehrt war. Ich wusste nicht, in wie weit dieses Wesen die Wahrheit sagte, aber ich spürte, das es nicht log. Dann war da noch mein Biest. Während der ganzen Zeit hatte es geschwiegen.

Dann hörte ich langsame, schwere Schritte hinter mir.

"Gut gemacht, Kleiner.", sagte Dante und kam langsam näher.

Keine Waffe lag in seinen Händen, als er sich neben mich stellte.

"Willst du, oder soll ich?", fragte er und die Anspannung in seiner Stimme war deutlich zu hören.

"Was hat er getan?", fragte ich den Dämonenjäger.

"Mehrere Menschen getötet.", sagte er kalt.

"Und doch war ich es nicht.", sagte das Wesen ergeben, "Ein anderes Wesen ist mit durch das Tor gekommen."

"Wer sonst?", erkundigte ich mich.

"Ein Wesen wie ich, doch einem anderen Stamm angehörig.", sagte es langsam, "Sie haben uns angegriffen, dann waren wir hier."

"Und wo ist der andere hin?", fragte Dante und sah sich um.

"Ich verfolgte ihn schon ein paar Tage.", meinte es, "Aber als ihr Erschienen seid, verlor ich die Spur."

"Und das sollen wir dir glauben?", erkundigte sich Dante ungläubig.

Ich hingegen brauchte keinen Beweis. Ich spürte, dass das Wesen die Wahrheit sprach. Und ein schlimmer Verdacht keimte ihn mir auf.

Was wenn das andere Wesen gerade jetzt wieder Unschuldige umbrachte? Und wir hier standen und sind dem Falschen nachgejagt.

Ein Knacken hinter mir lies mich herumfahren. Instinktiv suchte ich die Umgebung ab.

"Was hast du?", fragte mich Dante.

"Das Gefühl beobachtet zu werden.", erwiderte ich ehrlich.

Mit einem Mal brach ein Schemen zwischen den Bäumen hindurch und kam direkt auf uns zu.

Schon im nächsten Moment hechtete Dante zur Seite und hatte seine schweren Pistolen gezückt.

Jetzt erkannte ich auch das andere Wesen. Es sah genauso aus, wie das was ich gejagt hatte. Nur das es größer war und sein Körper schwarz und rot gemustert war.

Schweigend veränderte ich meinen Körper. Meine Finger wurden zu Krallen. Mein Schweif zerriss erneut eine meiner Hosen und die Hörner wuchsen binnen Sekunden.

Unbeeindruckt kam das Wesen näher. Und es hätte mich garantiert auch überrannt.

Nur noch ein paar Schritte trennten uns. Ich holte aus und lies im Selben Augenblick den Dorn aus meinem Ellenbogen fahren. Und ich betete, dass er inzwischen ausgehärtet war.

Dann war es soweit. Ein rascher Schritt zur Seite und der Dorn der in der Horizontalen auf meinen Gegner zuraste.

Zufrieden stellte ich fest, dass er sich ohne Probleme durch den Leib des schwarzen Wesens schnitt, ohne zu Schmerzen oder zu Brechen.

Mit einem Ruck fuhr ich herum und sah meinen Feind an. Doch nicht Dante oder ich waren seine Ziele gewesen, sondern das andere Wesen.

Das Sachwarze hatte es am Hals gepackt und hatte es in die Höhe gehoben. Schon nach diesen wenigen Sekunden wehrte sich der Grauen kaum noch.

Dann brach das Stakkato von Dantes Pistolen los.

Auch wenn sie den Feind trafen, schienen sie kaum einen Effekt zu haben. Es lies einfach nicht los.

"Hör auf!", rief ich zu Dante und war im nächsten Augenblick schon auf dem Weg.

Fast augenblicklich schwiegen die Waffen und aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, wie Dante sein Schwert zog.

Mit einem Satz war ich in der Luft und landete auf dem Rücken des Schwarzen. Mit einem Schrei ließ ich die Klauenhand vorschnellen. Und ungläubig betrachtete ich, wie meine Hand durch den Leib des Wesen brach, nur um aus der Brust hervorzubrechen. Doch es reagierte erst, als ich den Arm wieder herauszog.

Mit einem unmenschlichen Schrei warf unser Feind das Wesen von sich und Versuchte mich mit seinen Armen zu packen.

Doch da war Dante schon da. Wie ein silberner Blitz senkte sich das Schwert, nur um in das Wesen einzuschlagen und es zu spalten.

Mitten in der Bewegung hielt es inne. Erst nach gefühlten Minuten senkten sich die Arme und es kippte nach vorne. Kurz vor seinem unsanften Aufprall auf dem Boden sprang ich ab.

Dem Monster warf ich noch einen letzten Blick zu, bevor ich mich dem Grauen zuwandte.

Regungslos lag es am Boden und meine Augen verrieten mir, dass es sich auch nicht mehr bewegen würde.

Warum hatte ich nicht gleich mit allem zugeschlagen was ich hatte. Wenn ich es nur getan hätte, würde der Graue jetzt noch leben. Vielleicht würde er auch seine Heimat wiedersehen.

„Es ist nun einmal passiert.“, hörte ich Dante sagen und spürte den Schwanden Druck seiner Hand auf meiner Schulter.

„Soweit hätte es nicht kommen müssen.“, widersprach ich.

„Jeden Tag sterben Wesen, ob menschlich oder nicht, auf der ganzen Welt.“, sagte er nachdenklich, „Du kannst sie nicht alle Beschützen.“

„Nicht alle.“, meinte ich traurig, „Aber wenigstens die in meiner Nähe.“

Der Tod holt uns alle irgendwann, da musste ich dem Dämonenjäger zustimmen. Aber diesen Sinnlosen Tod hätten ich verhindern können. Und das nagte an mir.

„Sein Tod war sicher.“, hörte ich plötzlich eine eigenartige Stimme hinter mir.

Langsam drehte ich mich um. Ein Wesen, dem Grauen ähnlich, stand hinter uns.

„Als Arbeiter konnte er keinen Krieger besiegen, doch versuchte er alles, uns zu beschützen.“, klang es leise, „So soll er doch im Geiste ewig leben.“

Mit diesen Worten verschwand das Wesen urplötzlich. Als ich noch einmal nach dem Gefallenen sah, war auch dieser verschwunden.

„Lass uns gehen.“, sagte ich leise und versuchte die aufkommende Stille zu vertreiben.

„Gerne.“, erwiderte Dante mit einem Lächeln, „Wenn du weist, wo es zurück zum Wagen geht.“

Ungläubig sah ich ihn an. Kopfschüttelnd folgte ich unserer Spur zurück.

Und im Geiste wappnete ich mich für den schwersten Teil des Abends.
 

„So ist es also gekommen.“, sagte er leise und folgte der Szenerie schweigend.

„Grämt euch nicht.“, klang die Fremde Stimme neben ihm, „Er tat was er konnte und rächte damit den Verlust.“

„Doch wäre es mir lieber gewesen, wäre es nicht so weit gekommen.“, sagte er leise, „Sein Tod hätte nicht sein müssen.“

„Seid ihr zornig wegen unserem Gefallenen?“, erkundigte sie sich, „Oder weil ihr nicht eingreifen dürftet.“

„Ein wenig von beiden, schätze ich.“, sagte er nach einer Weile.
 

Die Rückfahrt ins Tears bekam ich kaum mit. Meine Gedanken waren immer noch bei unserer nächtlichen Begegnung. Und zum Teil hatte sie mich verunsichert.

Könnte ich denn wirklich die beschützen, die mir wichtig sind?

„Mach dir keinen Kopf, Kleiner.“, sagte Dante und stellte den Motor ab, „Denke lieber an die Zukunft.“

Ich setzte ein Freudloses Lächeln auf und sah ihn an.

„Das tue ich.“, sagte ich ernst und stieg aus.

Mein Körper fühlte sich schwer an, bleiern, unwillig den Weg zu beschreiten, der vor mir lag.

Und dennoch schaffte ich es irgendwie ins Tears zu kommen.

Suchend ließ ich meine Augen über die Bar schweifend, bis ich meine Mutter sah. Allerdings war ich mehr als überrascht, ihre Begleitung zu sehen.

Erst jetzt merkte ich, das es mir das gehen wieder leichter fiel. Und so schaffte ich es problemlos mich zu ihr Vorzukämpfen.

„Bin wieder da.“, meinte ich und setzte ein Lächeln auf.

„Wird auch Zeit.“, sagte sie gespielt verärgert, „Die Damen waren schon ungeduldig.“

Mit diesen Worten deutet sie auf Trish und Lady, die neben ihr Platz genommen hatten.

„Entschuldigung, Aber es ist nun mal anders gekommen, als wir dachten.“, sagte ich und beließ es dabei.

Morgen konnten wir auch noch reden.

Langsam drehte sich meine Mum zu mir um. Ihr Blick war ernst und entschlossen.

„Sie ist da hinten.“, sagte sie leise.

Meine Kehle fühlte sich an wie zugeschnürt. Es gab keinen Zweifel wen sie meinte.

„Vergiss das atmen nicht.“, meinte Lady plötzlich.

Langsam, ohne auf die Schwarzhaarige einzugehen drehte ich mich um.

Melissa war wie ein Leuchtfeuer. Sofort hatte ich sie gesehen, obwohl sie fast gänzlich von anderen verdeckt war.

„Es wird schon schiefgehen.“, meinte meine Mum, „Und jetzt bring es hinter dich.“

Oder uns alle um, ergänzte ich in Gedanken.

Widerwillig bewegte sich mein Körper. Mit jedem Schritt wich ein wenig mehr von der rettenden Distanz.

Vorsichtig versuchte ich zu atmen. Sofort war da ihr Geruch und mein Biest machte sich mit einem tiefen Grollen bemerkbar.

„Jetzt gibt es kein zurück mehr.“, flüsterte ich und ging schneller.

Aber auch mein Biest realisierte es und wurde mit der schwindenden Entfernung aufgebrachter, wütender. Das Grollen war inzwischen zu einem Knurren geworden.

Nur noch wenige Schritte trennten uns. Der Lärm in meinen Kopf lies mich kaum etwas um mich herum verstehen und erneut spürte ich, wie das Biest ausbrechen wollte. Aber etwas hielt es zurück.

Im Stillen dankte ich Ted für seine gute Arbeit. Aber noch war die Feuertaufe noch nicht vorbei.

Plötzlich taumelte Melissa. Vor meinem inneren Auge sah ich sie schon fallen.

Reflexartig schoss ich nach vorne und fing sie auf.

Das toben meines inneren Schweinehunds war kaum auszuhalten, für Sekunden dachte ich, ich sei Taub, oder alle hier hätten seine Schreie hören müssen.

Doch niemand drehte sich zu uns um.

Gewonnen, dachte ich euphorisch.

„Danke.“, hörte ich plötzlich Melissas Stimme.

Ich hielt sie noch immer fest. Meine Haut berührte ihre, ihr Duft schlug mir wie ein Vorschlaghammer ins Gesicht.

Aber das Biest brach nicht aus.

„Nichts zu danken.“, erwiderte ich mit einem breiten, ehrlichen Grinsen.

Outbreak

Quälend langsam wachte ich auf. Mein Körper fühlte sich bleiern an, meine Kehle war staubtrocken.

Irritiert sah ich an meine Zimmerdecke.

Der Versuch, den gestrigen Abend im Tears aus meinen Erinnerungen auszugraben, schlug komplett fehl. Wie ein Blackout.

Plötzlich war ich in Panik.

So ausgelaugt und schwer fühlte ich mich nur, wenn ich mein Biest frei lies.

Hektisch riss ich die Bettdecke von mir und stürmte ins angrenzende Badezimmer. Der Blick in den Spiegel bestätigte mir zwar, dass ich geschafft aussah, aber ich konnte kein Blut entdecken. Der nächste Griff galt dem Wäschekorb. Mit beiden Händen schaufelte ich die Wäsche heraus.

Doch auch hier fehlte jede Spur von Blut.

Zwar hatte ich mich ein wenig beruhigt, aber ganz zur Ruhe kommen, schaffte ich nicht.

Schnellen Schrittes erreichte ich das Erdgeschoss. Der würzige Geruch frischen Kaffees kroch in meine Nase.

„Mum?“, rief ich erleichtert und Bog in die Küche ab.

Ruckartig blieb ich stehen und betrachtete die Szenerie vor mir.

Meine Mum saß in ihrem Nachthemd am Tisch, eine Tasse Kaffee in der Hand und grinste mich an.

Der Frühstückstisch war gedeckt, mit frischen Brötchen und einem Tablett mit verschiedenen Wurst- und Käsesorten. Zwischen dem Korb und dem Tablett stand eine Kanne mit dampfenden Kaffee.

Okay, das war alles noch soweit normal.

Aber sie war nicht alleine.

Das war alles andere als normal.

„Morgen, Kleiner.“, grinste Dante offen und hob grüßend die Hand.

Ich stand im Türrahmen wie eine Statue, meine Augen schnellten zwischen Dante und meiner Mum hin und her. Unter Knirschen und Kopfschmerzen versuchte mein Hirn eine, halbwegs, passende Erklärung zu finden.

„Komm, der Kaffee wird dir gut tun.“, lächelte meine Mum und füllte eine leere Tasse.

Mechanisch ging ich zum Frühstückstisch und griff nach dem Kaffee. Die Tasse war kochend heiß, das Aroma, was mir entgegen wehte lies mir das Wasser im Mund zusammenlaufen.

Aber ich war nicht fähig etwas zu trinken.

Noch immer sah ich von einem zum anderen.

„Alles in Ordnung?“, fragte meine Mum verwirrt.

Langsam sah ich sie an und deutete mit dem Daumen der freien Hand auf den Weißhaarigen.

„Was macht er hier?“, kratze meine Stimme hinaus.

Verwirrt sah sie zu unserem Gast und ich folgte ihrem Blick.

„Du hast doch gesagt, dass du nichts dagegen hast.“, meinte er schulterzuckend.

Mit einem Mal war mein Kopf leer. Unendlich langsam drehte ich mich zu meiner Mum.

Quälende Sekunden später begann sie Herzhaft zu Lachen.

Langsam hatte mein Hirn wieder angefangen zu arbeiten. Es gab zwei Gute Gründe, warum sie lachte. Entweder weil ich einen verdammt dummes Gesicht machte oder es war einer ihrer Streiche.

„Wenn das so ist.“, meinte sie noch immer lachend und griff über den Tisch und packte Dante an seinem Kragen.

Noch bevor ich reagieren konnte, zog sie ihn hinter sich her und verließ die Küche.

„Du träumst einfach noch.“, schloss mein Kopf, der endlich zu einem Resultat gekommen war.

Aber es gab einen sicheren Weg, das heraus zu finden.

Ich griff nach der Kaffeetasse und schüttete das noch kochende Gebräu herunter.

Der Schmerz war der beste Beweis dafür, dass ich nicht träumte.

„Bedien dich ruhig!“, rief mir meine Mum noch zu.

„Seid aber nicht zu Laut.“, rief ich hinterher.

Noch immer wollte ich nicht wahrhaben, dass meine Mum den Teufelsjäger abgeschleppt hatte. Oder andersherum.

Dann war da noch immer die Sache mit dem Blackout, die mir keine Ruhe lies.

„Mum!“, rief ich ihr hinterher, „Was ist eigentlich im Tears passiert?“

Langsam, jedoch ohne Dante im Schlepptau, schlenderte sie zurück in die Küche.

„Bis wohin weist du es noch?“, fragte sie neugierig.

Mein Gehirn folternd rief ich mir die letzten, bekannten Fragmente des Abends in Erinnerung.

„Ich hatte Melissa aufgefangen und versuchte das Brüllen meines Biestes auszublenden.“, sagte ich und füllte meine Tasse.

„Du bist zu uns zurückgekommen, hast wie ein Honigkuchenpferd gestrahlt und dafür gesorgt, dass sich das ganze Tears besaufen kann.“, grinste sie freudig.

„Was?“, fragte ich verwirrt, „Dann bin ich pleite.“

„Nein, keine Sorge.“, lächelte sie und holte tief Luft, „Jemand hat dich zu einer Wette herausgefordert. Eine halbe Flasche Sake und er gibt eine Runde aus, eine ganze und er bezahlt den ganzen Abend. Du hattest eine Stunde für Zeit.“

„Wie lang hab ich gebraucht?“, erkundigte ich mich gequält.

„Keine Zehn Sekunden.“, grinste meine Mum breit, „Ex und leer, die ganze Flasche.“

Ich nickte langsam und lies mir den zweiten Kaffee schmecken. Diesmal in Ruhe.

„Bin gleich wieder da.“, meinte meine Mum schließlich und verließ die Küche.

„Lass dir Zeit.“, erwiderte ich Grinsend.

Erst jetzt hatte ich vollends realisiert, dass Dante nicht mehr da war. Jedenfalls konnte ich ihn nicht mehr riechen.

Und noch eine Zweite Sache stellte ich fest: Nie mehr Alkohol.

Mit diesem Gedanken leerte ich die Tasse mit dem nun lauwarmen Kaffee.
 

Mit einem zufriedenen Grinsen auf den Lippen betrachtete ich die Kette.

„Zufrieden?“, erkundigte sich Ted mit seinem schweren Akzent.

„Perfekt.“, erwiderte ich und konnte die Augen nicht von dem Stählernen Gürtel nehmen.

Ich hatte kaum die dritte Tasse meines Morgenkaffees genossen, da machte ich mich auf den Weg. Ich wollte Ted auf alle Fälle für seine Gute Arbeit persönlich danken. Und als das Geschehen war, lächelte er nur. Es war ein zufriedenes Lächeln, dessen Wärme beinahe spürbar war.

Aber er bestand darauf, sich die Kette noch einmal anzusehen.

„Nur für den Fall, dass nicht mehr alles so ist, wie es sein sollte.“, meinte er lächelnd.

Mit flinken Fingern betastete er die Kette, besah sie sich mit mehreren Lupen und bestrich sie, beinahe zärtlich, mit diversen Flüssigkeiten. Die ganze Zeit über musste ich stillhalten und durfte die Kette nicht abnehmen.

Es war anstrengend, weil Ted kein Wort sprach, sondern nur leise summte.

Nach einer gefühlten Ewigkeit seufzte der Mann schwer und meinte Lächelnd: „Dass sie dir noch viel Glück bringt.“

„Ich bin sicher, dass wird sie.“, lächelte ich zurück.

„Also hat sie die die erste Probe bestanden?“, erkundigte er sich voller Neugierde.

„Mit Auszeichnung.“, meinte ich und mein Lächeln wurde allmählich zu einem Grinsen.

Aber je besser meine Laune wurde, desto trübsinnigen schien zu werden.

„Du solltest eins wissen.“, begann Ted plötzlich, „Die Kette ist nur ein Hilfsmittel. Irgendwann wird sie vielleicht nicht mehr funktionieren und reißen. Dann ist es allein an dir.“

Schlagartig war meine gute Laune dahin. Ich hatte gehofft, dass die Kette mir ein halbwegs normales Leben schenken konnte. Aber was ich da hörte nahm mir erneut den Mut.

„Aber keine Sorge, junger Draganski.“, lächelte Ted aufmunternd, „Die nächsten zehn oder zwanzig Jahre sollte sie halten.“

„Immerhin ein kleiner Hoffnungsschimmer.“, meinte ich leise und wollte gerade gehen, als Ted mich sachte am Handgelenk festhielt.

„Am Anfang stirbt der Glaube, Junge, die Hoffnung stirbt zuletzt.“

Langsam drehte ich mich um und lächelte ihn an.

„Ich habe den Glauben schon lange verloren.“, resignierte ich.

„Dann halte wenigstens die Hoffnung fest.“, erwiderte er und lies meine Hand los.

Verwirrt sah ich den Mann an, bevor ich mich aus dem Laden machte.

Er war komisch, eindeutig ein Mensch, aber ihn umgab etwas, dass man ohne Probleme Übernatürlich nennen konnte. Ich konnte mir wirklich keinen Reim darauf machen, was er meinte, oder warum er ausgerechnet jetzt diese Worte gesagt hatte.

Warum nicht das letzte mal, als meine Mutter mit war?

Vielleicht war es aber auch nur Zufall.

Jedenfalls wollte ich es glauben.
 

„Bist du da?“, reif sie die Treppe hinauf.

Doch erneut antwortete ihr niemand. Leise ging sie die Treppe hinauf, die Ohren Gespannt.

Vielleicht hörte sie ihn ja vielleicht. Ein Schnarchen würde ihr schon reichen.

Aber es blieb totenstill.

Oben angekommen schaltete sie das Licht ein. Langsam ging sie zur Tür ihres Bruders.

Noch immer gab es keine Anzeichen, dass er zu Hause war.

„Bist du da?“, rief sie durch die Tür.

Doch es gab keine Antwort.

Sie wusste, dass es falsch war, aber sie wollte Gewissheit haben.

Vorsichtig drückte sie den Griff herunter und öffnete leise die Tür. Fast blind fand sie den Lichtschalter. Sofort flutete die Deckenlampe das Zimmer.

Aber es war leer.

Mit einem enttäuschten Seufzer schaltete sie das Licht wieder aus und schloss die Tür.

„Was willst du?“, klang die gereizte Stimme ihres Bruders direkt hinter ihr.

Mit einem erschreckten Keuchen fuhr sie herum.
 

„Bin wieder da!“, reif ich durch das Haus, und lies die Tür hinter mir zufallen.

„Ich auch!“, hörte ich die Stimme meiner Mutter aus dem Wohnzimmer, „Aber nicht lange!“

Ohne Hast lenkte ich meine Schritte in Richtung des Wohnzimmers.

Zu meinem Erstaunen saß meine Mum auf der Couch und packte einen Koffer.

„Willst du mich rausschmeißen?“, fragte ich neugierig, „Oder willst du mit deinem Neuen verreisen?“

Verwirrt sah sie mich an, doch ich konnte nur Grinsen.

Die Morgendliche Begegnung mit Dante hatte ich nicht vergessen und ich würde jede Gelegenheit nutzen, um sie das wissen zu lassen.

„Keins von beiden.“, lächelte sie schwach, „Ich will zu einer Freundin. Ihr geht es verdammt schlecht.“

Es war selten, dass mich meine Mum alleine lies. Aber ihre Freundin musste wirklich etwas Schreckliches durchgemacht haben.

„Dann viel Spaß und passe auf dich auf.“, grinste ich.

„Du auch und bleib sauber.“, grinste sie zurück.
 

„Wo warst du heute früh?“, fragte sie Dante.

Deutlich konnte er ihre Eifersucht heraushören. Er wusste, wie sie auf seine Antwort reagieren würde, aber er konnte es nicht lassen.

„Ich war bei der Mutter von Zanny.“, grinste er offen, „Und es hat viel Spaß gemacht.“

Sie funkelte ihn wütend an und für jeden Schritt, den er auf sie zuging, wich sie einen zurück.

„Warum warst du da?“, klang sie gereizt.

„Um ihm sein Geld zu bringen.“, erwiderte der Weißhaarigen ehrlich, „Und ihn zu ärgern.“

Ihre Wut hatte sich ein wenig gelegt, aber sie war mit der Antwort noch immer nicht ganz zu Frieden.

Bis ins kleinste Detail erzähl er ihr, von seinem recht ungewöhnlichen Morgen.

Und als er fertig war, lächelte sie sogar ein wenig.
 

Nachdem meine Mutter gegangen war, wollte ich mir eigentlich einen freien Tag gönnen. Einfach nur auf der Couch liegen, dem Fernseher anstarren und mich mit Chips und anderen Dickmachern vollstopfen.

Aber nach den ersten zehn Minuten, die ich auf der Couch lag ging es nicht mehr.

Ich war rastlos. Nur wusste ich nicht woran das liegen könnte. Ich veränderte meine Sicht und prüfte die Luft durch meine Nase.

Aber ich erkannte nichts, was mir Sorgen machte.

Mit einem schweren Seufzer schwang ich mich von der Couch und warf einen Blick auf die kleine Wetterstation. Laut der Elektronik war es angenehm war und sonnig. Letzteres bestätigte mir ein Blick aus dem Fenster.

Die Sonne strahlte unverschämt kräftig, obwohl es stark auf den Herbst zuging, und lies es außerhalb der schützende Wände richtig warm werden.

„Also vertreten wir uns ein wenig die Beine.“, lächelte ich matt.

Hastig zog ich eine Windjacke an, und verließ das Haus.

Doch schon nach den ersten Metern musste ich die Jacke öffnen.

Es war wirklich unverschämt warm heute.
 

„So ein Leben hätte ich auch gerne mal.“, resignierte der Schwarzhaarige.

„Du weist, dass es uns nicht vergönnt ist.“, drang eine Bass-Stimme in seinem Kopf.

„Das weis ich, aber man wird doch Träumen dürfen.“, erwiderte er.

Ein Schweres Seufzen hallte in seinem Kopf nach wie ein Echo.

„Träume sind etwas für Menschen.“, meinte die Stimme traurig, „Uns ist dieser Luxus nicht vergönnt, Freund.“
 

Die Jacke um die Hüfte gebunden lief ich dahin, wo meine Füße mich hinführten.

Ich hatte den einfachen Drang, einfach nur zu laufen, soweit mich meine Füße trugen.

Und das konnte verdammt weit sein. Aber spätestens, wenn die Nacht anbrechen würde, müsste ich nach Hause.

Denn, wie früher schon einmal erwähnt, vertrage ich die Kälte nicht wirklich. Doch ein Blick auf meine Uhr zeigte mir, dass ich noch reichlich Zeit hatte.

„Und was machen wir mit dem Tag?“, fragte ich mich laut und sah hinauf in den Blauen Himmel.

Ich schloss die Augen, entspannte mich und holte tief Luft.

Nur um im Nächsten Moment kerzengerade auf der Bank zu sitzen und mich hektisch umzusehen.

Der wohlbekannte Geruch hing zu deutlich in der Luft, als das der Wind ihn zu mir getragen hätte.

Hektisch sah ich mich um.

Bis ich Melissa entdeckte.

Für einen Moment spielte ich mit dem Gedanken, zu ihr zu gehen und einfach nur ein wenig Smalltalk zu halten. Doch etwas Stimmte nicht mit ihr.

Sie ging langsam, mit gesenktem Kopf, und schien ganz in Gedanken verloren. So hatte ich sie bis jetzt noch nie gesehen. Ich kannte nur den gut gelaunten Wirbelwind, der durch das Tears tanzte.

Langsam bog sie ab und kam auf mich zu. Sie schien ihren Weg blind zu finden. Kein einziges Mal sah sie auf. Und so bemerkte sie auch mich nicht.

„Morgen.“, sagte ich mit einem Lächeln.

Ruckartig blieb sie stehen und sah mich an. Die Zeit schien still zu stehen, als ich sie betrachtete.

„Alles in Ordnung?“, erkundigte ich mich vorsichtig.

Die Frage war überflüssig. Ich konnte deutlich sehen, dass etwas ganz und gar nicht stimmte.

Ihre Augen waren gerötet und ihre ganze Körperhaltung glich einem geschlagenen Hund.

„Warum fragst du?“, fragte sie sich mit erstickter Stimme.

„Weil ich dir helfen möchte.“, antwortet ich ehrlich.

Irritiert sah sie mich an und schien mit sich zu ringen.

„Was willst du dafür?“, fragte sie ernst.

Jetzt war ich irritiert.

„Das gute Gefühl zu helfen.“, erwiderte ich.

Aus heiterem Himmel begann sie zu Lachen. Doch es war nicht fröhlich.

„Da wärst du aber der erste.“, sagte sie und Lächelte schwach, „Alle anderen wollten einen ganzen Haufen Geld.“

„Dann solltest du eines wissen.“, begann ich ernst, konnte mir ein Lächeln aber nicht verkneifen, „Ich bin nicht die anderen.“

Wortlos nahm sie neben mir Platz. Sie starrte auf den Boden und schien mich komplett zu ignorieren.

„Hilfst du mir auch wirklich?“

„Wenn es in meiner Macht liegt ja.“
 

„Wo bleibt meine Pizza?“, rief Dante durch seinen Laden.

Die Füße auf dem Tisch und eine Zeitung in den Händen wartete er ungeduldig.

„Du hast vor zwei Minuten bestellt!“, machte Patty sich Luft, „Also hör auf alle halbe Minute nach deiner Pizza zu rufen.“

„Hätte doch klappen können.“, grinste der Teufelsjäger und vertiefte sich wieder in sein Magazin.

Obwohl sie eine ganze Weile bei Dante gewohnt hatte, konnte sie ihn nicht verstehen.

Zum einen war er der Held, der sich furchtlos jedem Gegner stellte. Aber ab und an benahm er sich wie ein Kleinkind.

Mit einem Mal öffnete sich die Tür.

„Pizza!“, rief Dante freudig, „Warum habt ihr denn so lange gebraucht?“

Achtlos warf er die Zeitung auf den Tisch.

Vor ihm stand Trish.

Aber das interessierte ihn weniger. Sein Blick glitt zu der Schachtel, die sie mit Leichtigkeit balancierte.

„Du bist zu gut zu mir.“, grinste Dante und schwang sich aus seinem Stuhl.

„Zuerst die Bezahlung.“, erwiderte die Teufelin lächelnd.

„Du lässt mich verhungern?“, erkundigte sich Dante nüchtern.

„Die geht auf meine Rechnung.“, erwiderte sie und stellte die Schachtel ab, „Die Pizzeria will dich nicht mehr beliefern, weil dein Schuldenberg zu hoch ist.“

„Geier.“, meinte Dante nur, bevor er sich das erste Stück aus der Schachtel nahm.
 

„Schieß los.“, meinte ich und rührte in meinem Milchshake.

Noch immer war Melissa angespannt. Sie schien mir noch immer zu misstrauen.

„Es geht um meinen Bruder.“, begann sie schließlich, „Er verhält sich seit einiger Zeit sehr merkwürdig.“

„Merkwürdig?“, hakte ich nach.

„Er ist sehr schnell gereizt, richtig Aggressiv.“, schilderte sie, „Jede Kleinigkeit reicht aus, um ihn an die Decke gehen zu lassen.“

„Kannst du dir vorstellen warum?“, fragte ich neugierig.

Wortlos betrachtete sie ihren Kaffee.

Langsam hob sie ihre Tasse und trank einen Schluck.

„Es hat angefangen, als er seine jetzige Freundin traf.“, meinte sie in Gedanken, „Seit diesem Tag hat es sich mehr und mehr gewandelt. Früher haben wir über alles reden können.“

Langsam hob sie ihren Blick und sah mich an. Und es kam mir vor, als schimmere eine Träne in ihren Augen.

„Heute hätte er mich fast geschlagen.“, flüsterte sie, „Ich hab in sein Zimmer gesehen und wollte wissen ob er da ist. Er hat mich gesehen und hat mir gedroht.“

Auch wenn ich es glauben wollte, so viel es mir schwer. Kein Mensch verändert sich so stark, nur weil er eine Frau kennen lernt.

Jedenfalls hoffte ich das.

„Wo ist dein Bruder jetzt?“, erkundigte ich mich und nahm einen Schluck.

„Bestimmt wieder bei ihr.“, sagte sie kalt.

Wieder zog die Stille ein.

Es war eine von den Pausen, die uns beiden gut taten. Zeit, seine Gedanken zu Ordnen und zu verstehen.

„Also was sagst du?“, fragte sie plötzlich, „Hilfst du mir oder glaubst du auch, dass ich mir nur etwas einbilde.“

Ich lies mir Zeit mit der Antwort. Nicht, weil ich sie auf die Folter sannen wollte. Ich brauchte einfach noch einen Moment um meine Gedanken zu Ordnen.

„Vielleicht ist es nur Einbildung.“, sagte ich langsam, „Aber es ist ungewöhnlich, dass sich jemand in seiner Situation in diese Richtung verändert. Also ja, ich helfe dir.“

„Du hältst mich nicht für verrückt?“, erkundigte sie sich überrascht.

„Die ganze Welt ist ein Irrenhaus.“, grinste ich und leerte mein Glas, „Weist du wo sie wohnt?“
 

Es dauerte kaum eine halbe Stunde, bis sie anhielt.

Ich sah die Fassade des Hauses hinauf und musterte diese.

Es war ein Schickes Einfamilienhaus. Die perfekte Idylle für ein zufriedenes Altwerden.

Aber durch ihre Schilderungen wusste ich, dass es hier alles andere als normal zuging.

„Und was willst du jetzt machen?“, fragte sie neugierig.

„Klingeln und schauen wer aufmacht.“, lächelte ich und lies den Worten taten folgen.

Eine Melodie tönte deutlich durch die Tür. Sogar ohne schärfere Sinne war sie nicht zu überhören

Doch die Tür blieb geschlossen.

„Vielleicht ist niemand da.“, meinte sie zögerlich, „Oder sie wollen uns nicht aufmachen.“

Ohne zu antworten drückte ich wieder und wieder auf die Klingel, bis die angenehme Melodie aus einer Aneinanderreihung von Disharmonien bestand.

Und endlich wurde mein Drängeln erhört.
 

„Deine Schulden sind bezahlt.“, seufzte Lady und fragte sich, wie der Halbteufel sie dazu bekommen hatte.

„Herzlichsten Dank“, murmelte Dante und angelte sich das nächste Stück.

„Die werde ich dir auf deine Schulden bei mir draufschlagen.“, meinte Lady im Versuch seine Aufmerksamkeit zu bekommen.

„Schon klar.“, erwiderte der Weißhaarige abwesend.

„Dazu kommen noch zehn Prozent Gewinnzuschlag.“, erwiderte sie in seinem Tonfall

„Mach doch.“, sagte Dante und fixierte die Pizza, „Solange ich die Hab, ist es mir egal.“
 

Ich hatte viel erwartet. Sehr viel sogar.

Aber das mir eine junge Frau die Tür aufmachen würde auf keinen Fall.

Nebenbei hätte sie kurzerhand eine Wahl zur Miss World gewinnen können.

„Was kann ich für euch tun?“, fragte sie langsam und lasziv.

Neugierig betrachtete sie Melissa und wandte sich dann mir zu.

„Was bringst du mir denn feines?“, fragte sie und deutete leicht in meine Richtung, „Willst du ihn denn etwa gegen deinen Bruder Tauschen?“

„Warum denn nicht?“, erwiderte ich schulterzuckend, „Willst du ihn denn für immer?“

Diese Frechheit brachte sie zum Lachen.

„Na dann komm herein.“, meinte sie Freudig.

„Bist du sicher?“, erkundigte sich Melissa besorgt.

„Ich komm schon zurecht.“, lächelte ich und trat hinter der Frau ins Haus.

Aus dem Augenwinkel bekam ich mit, wie jemand das Haus verließ.

Am liebsten hätte ich mich umgedreht um mich zu vergewissern, dass es ihr Bruder ist. Aber ich wollte diese Frau nicht aus den Augen lassen.

Was einerseits daran lag, dass sie kein Mensch war. Und ich andererseits auch ein halber bin.

„Was bevorzugst du?“, erkundigte sie sich nebensächlich, „Aktiv oder passiv?“

„Ich bin eigentlich der aktivere Typ.“, erwiderte ich und musste meine Augen immer wieder zwingen ihren Hinterkopf anzusehen.

„Sehr schön.“, meinte sie ruhig, „Dann kann ich mich endlich mal hinlegen.“

Es dauerte noch gefühlte Stunden, bis wir an unserem Zielort ankamen.

Mit elegantem Schwung öffnete sie eine Zimmertür und deutete mir hineinzugehen.

Ich staunte nicht schlecht. Trotz der schlechten Sichtverhältnisse fiel das riesige Bett sofort auf.

„Mach es dir gemütlich.“, säuselte sie.

Und ich lies es mir nicht zweimal sagen.

Mit einem gezielten Sprung landete ich in der Mitte des Bettes und spürte wie es sich unter mir bewegte.

„Wasserbett?“, fragte ich erstaunt.

„Nur das Beste für meine Besten.“, lächelte sie.

Langsam und mit schwingenden Hüften schritt sie zum Bett und umrundete es einmal.

„Gefällt es dir hier?“, erkundigte sie sich.

„Klar.“, grinste ich sie offen an, „Aber eine Frage hab ich noch.“

Fragend sah sie mich an. Aber es war keine Neugierde in den Augen.

„Wo schläfst du?“

Jetzt war sie endgültig verwirrt.

„Hier.“, lächelte sie breit, „Mit dir.“

„Nein, wirst du nicht.“, erwiderte ich lächelnd, „Ich habe zwar mit ihrem Bruder getauscht, aber mit keinem Wort gesagt, dass ich zu deinem Spielzeug werde.“

Einem normal sterblichen Menschen hätte es spätestens jetzt in den Sinn kommen müssen, dass etwas nicht stimmt.

„Aber warum denn nicht?“, säuselte sie und stützte sich mit den Händen auf dem Bettgestell ab.

„Weil du Mundgeruch hast.“, sagte ich ernst, „Außerdem lass ich mich nicht mit Dämonen oder Teufeln ein.“

Ich konnte förmlich hören, wie es in ihrem Kopf „klick“ machte und sie die Situation vollends verstehen zu schien.

„Du stehst nicht unter meinem Bann?“, fragte sie erstaunt.

„Nay.“, lächelte ich sie offen an, „Und wenn du noch ein wenig weiterleben willst, solltest du die Menschen in Ruhe lassen.“

„Und wenn nicht?“, erkundigte sie sich Provokativ.

Ich hatte die ganze Zeit nur darauf gewartet.

Mit einem Ruck war ich auf den Beinen. In der nächsten Sekunde hatte ich die Distanz zu ihr schon überwunden. Mit einer Hand packte ich ihre Schulter und drehte sie mit dem Rücken zu mir, während die Andere Hand sich um ihr Genick legte.

„Fünf Sekunden sind verdammt wenig Zeit, oder?“, fragte ich kalt.

„Und wenn ich ruhig bin, bleiben mir noch mehr.“, stellte sie fest.

Auch wenn sie es zu verbergen versuchte hörte ich das Zittern in ihrer Stimme.

„Genau.“, erwiderte ich, „Und was sagst du?“
 

Keine Zehn Minuten nachdem ich das Haus betreten hatte, verließ ich es wieder.

Und zu meinem Erstaunen war ich noch immer sauber.

„Zanny?“, hörte er auf einmal Melissa neben mir.

Mit einem breiten Grinsend drehte ich mich zu ihr. Nur um erstaunt festzustellen, dass ihr Bruder nicht da war.

„Wo ist er?“, fragte ich verwirrt.

„Nach Hause, wie er gesagt hat.“, meinte sie und kam näher, „Was ist passiert?“

„Nur das übliche.“, grinste ich, „Ich hab ihr gesagt, dass sie kein angenehmes Leben mehr haben wird, wenn sie die Füße nicht still hält.“

Mit einer Mischung aus entsetzen und Überraschung musterte sie mich.

„So etwas ist nun einmal mein Job.“, meinte ich leicht verlegen und ging los.

Zu meiner Überraschung lief sie neben mir her.

„Wie viel willst du haben?“, fragte sie plötzlich.

„Wofür?“

„Dafür, dass du meinen Bruder gerettet hast.“, sagte sie ernst.

Dann sah sie mich an und es war eindeutig, dass sie diese Worte ernst meinte.

Eine passende Antwort hatte ich schon parat, aber ich wollte sie zappeln lassen. Ich spielte den Nachdenklichen und starrte ab und an ein paar Löcher in die Luft.

„Das müsste reichen.“, sagte ich leise zu mir und drehte mich wieder zu der Schwarzhaarigen.

Voller Erwartung sah sie mich an.

„Wie viel?“, fragte sie erneut.

„Ein Dankeschön und einen feuchten Händedruck.“, grinste ich sie an.

„Aber das war ein regulärer Auftrag für dich, oder?“, erkundigte sie sich perplex.

„Schon, aber meine Klamotten sind noch nicht mal dreckig geworden.“, lächelte ich, „Ansonsten hätte ich dir die Reinigung in Rechnung gestellt.“

Noch immer fassungslos sah sie mich an.

Obwohl ich sie verstehen konnte. In meinem Geschäft kam es auf das Geld an. Wer kein Geld hat wird nicht bedient.

Aber in meinen Augen war das noch nicht einmal ein Regulärer Auftrag. Normalerweise enden meine Aufträge damit, dass ich irgendein nichtmenschliches Wesen auslösche. Da war so etwas wie heute eine angenehme Abwechslung.

„Danke.“, sagte sie leise.

Die Erleichterung in Ihrer Stimme war nicht zu überhören. Aber ich freute mich für sie und hoffte, dass der Einfluss des Dämons keine nachhaltigen Wirkungen hatte.

„Kein Problem.“, lächelte ich und sah zur Seite.

Doch nur einen Moment später sah ich sie wieder an.

Sie stand vor mir, leicht an mich gelehnt und ich spürte, wie ihre Lippen meine Wangen berührten.

„Danke.“, flüsterte sie noch einmal, bevor sie sich umdrehte.
 

Melissa wusste nicht, was über sie gekommen war. Normalerweise war sie nicht so impulsiv und spontan. Und einem fast vollkommen Fremden einen Kuss auf die Wange zu geben hielt sie früher für unmöglich.

Aber das war ihr im Moment egal.

Dieser Mann hatte ihren Bruder gerettet. Die einzige Familie die ihr noch geblieben war.

Mit einem Lächeln löste sie sich von ihm, drehte sich um und ging einen Schritt.

Noch drehte sie sich um und wollte sich bedanken, aber zu ihrem erstaunen war er verschwunden.

Hektisch sah sie von einer Seite zur anderen, konnte ihn aber nirgendwo sehen.
 

Das Brüllen und Schreien in meinem Kopf war unerträglich.

Die Klauen die das Biest in mein innerstes Schlug ließen mich wieder und wieder keuchen.

Den ganzen Tag, die ganze Zeit die ich in ihrer Nähe war, hatte das Biest geschwiegen. Sogar als ich mit diesem Dämon mitgegangen war blieb es still.

Und in mir war schon die Hoffnung, dass es endgültig verschwunden war.

Bis sie meine Wange geküsst hatte.

Mit einer ungekannten Kraft und Gewalt wollte das Biest nach draußen.

Jeden Versuch es zurück zu drängen schlug fehl.

Also konnte ich mein Heil nur noch in der Flucht suchen. Ohne nachzudenken hatte ich meine Schwingen ausgebreitet und war in der Luft bevor ich es realisiert hatte.

Ich wollte einfach nur möglichst viel Distanz zwischen uns bringen und hoffte, dass mein Biest sich beruhigen würde. Aber es passierte genau das Gegenteil.

Jeden Meter, den ich mich zu entfernte wurde das Wesen wilder und wütender.

Jetzt gab es nur noch eine Möglichkeit es zu beruhigen.

Kämpfen.

Aber trotz der geschärften Sinne konnte ich kein nichtmenschliches Leben finden.

Ich hatte nur noch eine Möglichkeit.
 

Die Beine auf dem Schreibtisch blätterte er immer wieder durch das Magazin.

Er würde sich dringen mal ein neues Zulegen müssen, falls mal wieder Geld in der Kasse war.

„Immer diese typischen Abend.“, seufzte er, „Kein Bier, keine Frauen und nichts in der Glotze.“

Elanlos warf er die Zeitschrift auf den Tisch und verschränkte die Arme hinter dem Kopf.

„Kann nicht mal was aufregendes passieren?“, fragte er leise in den Raum.

Plötzlich wurde die Tür aufgestoßen.

Ohne hinzusehen wusste Dante, dass wenigstens eine Hälfte hinüber war.

„Wer stört?“, fragte er wütend und lies seine Beine vom Tisch gleiten.

Doch er konnte seinen Augen nicht trauen.

Er hatte mit einem Teufel gerechnet, oder einem Boten, aber nicht damit.

„Kleiner!“, rief er freudig und breitete die Arme aus, „Was geht?“

Doch er antwortete nicht. Auch im Halbdunkel konnte Dante sehen, dass er schwer mit sich rang.

Seine Atmung war hektisch und die Haltung gleich einem überspannten Stahlseil.

„Was ist los?“, fragte der Weißhaarige verwirrt und stand langsam auf.

Mit einem Mal brachen aus Zannys Rücken die Flügel heraus und der Schweif war zu sehen.

„Kämpfe.“, sagte Zanny leise, einem Flüstern gleich.

Dante wollte gerade etwas sagen, doch da befand er sich schon im Flug durch sein Büro. Eine der Wände stoppte seinen Flug und lies ihn zu Boden fallen.

„Scheiße.“, flüsterte er gepresst und hielt sich die Seite.

Scharf zog er die Luft ein und spürte die gebrochenen Knochen, die sich unter den Muskeln und der Haut befanden.

Einem Instinkt folgend sah der Weißhaarige auf und erkannte gerade noch rechtzeitig die Gefahr. Eine Schnelle Rolle rettete ihn davor, das Schicksal der Wand zu teilen, durch die sich vier tiefe Spuren zogen.

„Beruhig dich!“, schrie Dante den Jungen an.

„Es geht nicht!“, brüllte dieser und presste beide Hände auf die Schläfen.

Doch dieser eine Moment reichte Dante um an sein Schwert zu kommen.

Kaum hatte Dante es in der Hand, hörte er schon seinen Gegner heran rauschen.

Im Letzten Moment brachte er das Schwert zwischen sich und die todbringenden Klauen. Doch nur um schon wieder den Boden unter den Füßen zu verlieren und einen weiteren unfreiwilligen Flug zu erleben.

Das ganze ging noch eine ganze Ewigkeit weiter, bis Zanny endlich von ihm abließ. Leise und schwach, wie weit entfernt nahm er ein schluchzen war.

„Es tut mir leid.“, klang die erdrückte Stimme des jungen zu ihm.

Seine Sicht verschwamm, lies die Konturen ineinander verlaufen. Dann hörte er ein letztes Brüllen, dann wurde es schwarz.
 

Hektisch lenkte sie ihre Maschine durch die Dunklen Straßen.

„Was hast du wieder angestellt?“, fragte sich Lady besorgt.

Sie hatte einen Neuen Auftrag an Land gezogen und wollte Dante nötigen mitzumachen. Sie wusste das er das Geld dringend Brauchte. Und sie wollte ihre Schulden endlich eintreiben können.

Aber bei Dante war es besetzt.

Das der Teufelsjäger nicht abnahm, war normal oder das die „Nummer nicht vergeben“ war auch.

Aber in all den Jahren hatte sie noch nie erlebt, dass es besetzt war.

Mit einem Ruck lies sie das Hinterrad ausbrechen und beschleunigte es wieder, als sie die Seitenstraße erreicht hatte.

Schon von weitem konnte sie erkennen, dass etwas nicht stimmte.

Das Licht aus Dantes Geschäft schien hinaus bis auf die Straße.

Es kam ihr vor, als würde die Maschine jeden Meter langsamer werden.

Dann endlich hatte sie den Laden erreicht.

Und ihr stockte der Atem.

Die Doppelflüglige Tür, die den Zusammenstoß mit Mehreren Monstern und Fahrzeugen Standgehalten hatte, hing nur noch zur Hälfte in den Angeln.

Mit Schwung sprang sie ab und stürmte die Treppe hinauf. Einen kräftigen Tritt später war die Tür offen.

Das Innere des Ladens sah aus wie ein Schlachtfeld. Kein Stein schien mehr auf dem anderen zu sitzen und von der Inneneinrichtung war nur noch Kleinholz übrig.

„Dante?“, rief sie vorsichtig in den Raum.

Doch sie erhielt keine Antwort.

Lady hoffte nur, dass der Teufelsjäger nicht hier war, als das geschehen war.

Langsam steig sie über den ehemaligen Billardtisch.

„Lady?“, drang ein flüstern an ihr Ohr.

Blitzartig fuhr sie herum und entdeckte den Weißhaarigen.

Er lehnte an der Wand und hielt in der Rechten noch immer sein Schwert umklammert.

„Dante!“, rief sie und eilte zu ihm, „Was ist passiert?“

Doch der Mann lächelte sie nur an.

Dann kippte er zur Seite.

Between Hate and Glory

Genüsslich streckte sich Ted in seinem Stuhl.

Wieder hatte er einen Tag voll Arbeit hinter sich gebracht und betrachtete seine Werkstatt.

Sie glich einem Schlachtfeld.

Überall waren Flüssigkeiten in verschiedenen Mengen und Farben und andere Utensilien verteilt.

Aber zuerst brauchte er einmal Schlaf.

Danach würde die ganze Welt anders aussehen und das Chaos würde auch nicht mehr so schlimm wirken. Das jedenfalls hoffte er.

Auch seine Arbeiten würde er morgen noch einmal unter die Lupe nehmen müssen. Seit dem Besuch des jungen Draganskis konnte er sich kaum konzentrieren.

Irgendetwas an diesem Jungen war seltsam. Und damit meinte er nicht diese Andersartigkeit.

Normalerweise machte er nur seine Arbeit und kümmerte sich nicht um das Private seiner Auftraggeber.

Bei ihm jedoch funktionierte dieser Vorsatz nicht.

Aber auch diesen Gedanken schob er weit nach hinten. Wenigstens acht Stunden.

Langsam schlurfte er aus seinem Atelier. Die Tür hinter sich verschloss er und überprüfte noch zweimal seine Absicherungen.

Erst als alles zu seiner vollsten Zufriedenheit war, wandte er sich von der Tür ab.

Sein Blick wanderte über den leeren Tresen, der als Dekoration im alten Verkaufsbereich stand.

Er hatte ihn vom alten Ladenbesitzer übernommen. Wirklich seine Arbeiten auszustellen, hatte er nie vor. Da er wirklich nur Auftragsarbeiten erledigte.

Aber um das finanzielle brauchte er sich keine Sorgen zu machen.

Mit einem müden Lächeln auf den Lippen verließ er den Laden.

Gerade hatte er das Türschloss verriegelt, als er innehielt.

Im ersten Moment konnte man es für Einbildung halten. Aber im Zweiten erkannte er deutlich, dass sich in einer Ecke, keine zwei Meter von ihm, die Dunkelheit unterschied.

Sie war fester, fast greifbar.

Vorsichtig ging er näher.

„Sie hat nicht funktioniert.“, drang eine traurige Stimme aus der Dunkelheit.

Perplex blieb Ted stehen und sah genauer hin.

Plötzlich lichtete sich das Schwarz.

Erstaunt betrachtete er die Flügel und deren Besitzer.

„Ich habe ihn getötet.“, flüsterte Zanny traurig und vergrub sein Gesicht hinter seinen Krallenhänden.
 

„Jetzt noch mal ganz von vorne.“, sagte Ted sanft und setzte sich auf seinen Hocker.

Noch immer starrte ich in die Tasse mit der grünen Flüssigkeit.

„Du hattest gesagt, die Kette funktioniert.“, hakte der Mann nach.

„Das dachte ich auch.“, erwiderte ich und sah langsam auf, „Bis gestern hat sie auch tadellos funktioniert.“

Doch auf eine Frage konnte ich lange warten. Ted schwieg und sah mich fragend an.

„Heute hat das Biest die ganze Zeit die Füße still gehalten. Sogar als ich sie traf.“

„Sie?“, fragte er schließlich.

„Ein Mensch, ein Mädchen.“, erwiderte ich und sah wieder in meine Tasse, „Mein Biest reagiert extrem auf sie. Ständig versucht es auszubrechen.“

„Und was hat sie getan, dass dein Biest so durchgedreht ist?“

„Ein Kuss auf die Wange.“, meinte ich traurig, „Und dann ist es durchgedreht.“

„Was tust du um es zu beruhigen?“, erkundigte sich Ted.

„Kämpfen.“, erwiderte ich mit einem schwachen Lächeln, „Aber ich konnte nichts finden.“

„Bis auf ihn.“, setzte Ted fort, „Und warum glaubst du, dass er tot ist?“

„Weil mein Biest erst von seiner Beute ablässt, wenn sie es zur Strecke gebracht hat.“, erklärte ich und spürte die Trauer wieder aufsteigen.

Zusammen mit den Bildern von Dante, wie er regungslos an der Wand lehnte.

Schweigend sah mich Ted an und verschonte mich mit irgendwelchen aufmunternden Worten.

Das war das letzte, was ich jetzt gebrauchen konnte.

Und ich konnte nur darauf hoffen, dass Dantes Freunde mir genauso viel Verständnis entgegen brachten, wie dieser Mann.

„Es gibt mehrere Möglichkeiten, was wir tun können.“, sagte er nach einer ganzen Weile, „Drei um genau zu sein.“

Nun war ich an der Reihe mit dem neugierigen ansehen.

„Die einfachste Möglichkeit wäre, dass ich dir eine neue Kette fertige.“, sagte er nachdenklich, betrachtete mich dann aber mit einem Lächeln, „Aber ich glaube nicht, dass du meiner Arbeit noch vertraust.“

„Nummer zwei?“, erkundigte ich mich schnell.

„Wir können versuchen, dich gegen dein Biest kämpfen zu lassen.“, begann er langsam, „Damit könntest du ein für alle mal klären, wer das sagen hat.“

Die Idee klang verlockend, aber ich zweifelte sehr stark daran. Dieser Mann hatte noch nie gesehen, wozu mein Biest wirklich in der Lage war. Und dann noch dagegen zu Kämpfen erschien mir gleich einem Selbstmord.

„Und Nummer drei?“

„Wir könnten dein Biest zerstören.“, sagte er langsam und nachdenklich.

„Drei!“, fuhr ich sofort auf.

Es war mir egal, ob ich dann weiterhin meinen jetzigen Tätigkeiten nachgehen konnte, oder nicht. Aber ich war dieses Problem für immer los.

Doch Ted hob die Hand. Eine eindeutige Geste, dass ich mich beruhigen sollte.

„Es gibt sehr viel, was schiefgehen kann.“, meinte er ruhig, „Im Besten falle wirst du ein ganz normales Leben führen können.“

„Und im schlechtesten Fall?“, hakte ich nach.

„Ist dieses Ding mit deinem Geist verbunden.“, fuhr er sachlich fort, „Was bedeutet, dass wir damit auch deine Persönlichkeit, dein ganzes Wesen ausradieren.“

„Und was wäre ich dann?“

„Eine sabbernde, inkontinente Schaufensterpuppe.“, erwiderte er mit einem breiten Grinsen.

So verlockend wie es sich am Anfang angehört hatte war es dann doch nicht.

Ich meine, ich hätte damit leben können, mehr oder weniger.

Aber was war mit meiner Mutter? Sie würde es ganz sicher nicht gutheißen.

„Was empfiehlst du mir?“, erkundigte ich mich bei dem Mann.

„Ich tendiere zu Nummer zwei.“, meinte er und rührte in seinem Tee herum, „Aber zur Sicherheit werde ich dir noch eine Kette machen. Eine die deinem Biest standhalten kann.“

„Kann ich mir nicht leisten.“, lächelte ich schwach zurück.

„Geht aufs Haus.“, grinste er nun, „Ich liefere nämlich nur erstklassige Arbeiten ab.“

Ich nickte langsam.

Jemanden in so einer profitorientierten Welt zu finden war schwer.

„Aber wir fangen erst morgen an.“, grinste er weiter, „Ich schlafe nämlich gleich im sitzen ein.“

Erst jetzt merkte ich, wie nervös er sich verhielt und das er auch leicht wankte.

„Dann bis morgen.“, erwiderte ich mit einem Lächeln.

Er nickte nur und geleitete mich aus dem Laden.
 

„Hast du ihn erreicht?“, fragte Lady in die Sprechmuschel.

„Nichts.“, erwiderte Tammy unruhig, „Er geht nichts ans Telefon und ist auch nicht zuhause.“

„Danke, halt mich auf dem Laufenden.“, meinte Lady noch, bevor sie auflegte.

„Hört sich nicht gut an.“, sagte Trish und sah ihre Kollegin und Freundin fragend an.

„Unauffindbar.“, erwiderte sie und machte es sich auf der Tischkante Bequem.

Schweigen schlich sich ein, während beide ihren Gedanken nachgingen.

Vor Ladys Augen tauchte erneut Dante auf, wie er an der Wand lehnte, nur um Sekunden später zur Seite zu kippen.

Es gab nur die Möglichkeit, dass es Zanny war.

Jedenfalls wussten werde Lady noch Trish t, wer Dante so einfach zusammenstauchen sollte, ohne ihn gänzlich zu erledigen.

Aber wo war er hin?

Warum hatte Zanny Dante überhaupt so zugerichtet?

„Auf jeden Fall geht es ihm besser.“, erwiderte Trish und nippte an ihrem Weinglas.

„Hoffen wir nur, dass wir bald einen Anhaltspunkt finden.“, meinte Lady noch immer in Gedanken.
 

Auch in der Nacht plagten mich die Bilder des vergangenen Abends.

Wieder und wieder sah ich mich, dass Gesicht zu einer teuflischen Fratze verzogen, wie ich gegen Dante kämpfte.

Wie meine Angriffe ihn durch den Raum warfen und das Mobiliar zertrümmerten.

Wie meine Klauen sich durch das Mauerwerk schnitten, als wäre es Papier.

Und immer wieder tauchte Dantes gequältes Gesicht auf.

Bis meine Hand Dantes Hals umklammerte und meine andere auf sein Herz zuschoss.

Und zum Glück wachte man immer auf wenn es am schönsten war. Oder am schlimmsten in dem Fall.

Trotzdem brauchte ich mehrere Augenblicke, um zu realisieren, dass ich Wach war.

Langsam verschwanden auch die letzten Traumbilder.

Und Teds letzter Vorschlag, dass Biest zu zerstören, klang plötzlich wieder sehr verlockend.

Aber andererseits konnte das auch nach hinten losgehen. So konnte ich es in der Hinterhand halten, falls wirklich alle Stricke reißen sollten.

Dennoch hoffte ich, dass eine der ersten beiden Methoden, funktionieren würde.

Langsam quälte ich mich aus meinem Bett.

Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es langsam Zeit wurde, Ted aufzusuchen.
 

Langsam kam das Taxi zum stehen.

„Vielen Dank.“, sagte ich freundlich und beglich die Rechnung.

„Immer wieder gern.“, erwiderte der Fahrer und zählte Sorgfältig nach.

Doch dabei wollte ich es auch belassen.

Meine Gedanken drehten sich voll und ganz um meine Aufgabe.

Aber das machte die Sache auch nicht einfacher. Da ich noch nicht einmal wusste, was Ted genau tun würde. Oder was ich zu tun hatte.

Weiter meinen Gedanken nachgehend folgte ich der dunklen Gasse. Meine Umgebung beachtete ich kaum. Nur soweit, dass ich mit nichts zusammenstieß. Denn nach Mülltonne riechen wollte ich nicht unbedingt.

Langsam sah ich auf und konnte schon die Leuchtreklame sehen. Sie war noch ein ganzes Stück weit weg. Aber sie hatte denselben Effekt, wie bei ersten Mal.

Sie weckte eine Spur von Hoffnung.

Mit einem schweren Seufzen öffnete ich die Tür. Wie immer war der Vorraum, bis auf den Tresen leer.

„Hallo?“, rief ich vorsichtig in den Raum hinein.

„Komm ruhig rein.“, drang Teds Stimme aus seinem Arbeitszimmer.

Der Aufforderung folgend bewegten sich meine Füße.

Aber was ich sah verschlug mir die Sprache.

Der ganze Raum glänzte beinahe. Alles war aufgeräumt, gewischt und sorgfältig an die Wand geräumt worden.

Denn in der Zimmermitte war nun ein Symbol auf dem Boden gezeichnet. Es ähnelte einem keltischen Knoten, war jedoch weitaus komplizierter. Um das Gebilde herum war ein Viereck gezogen worden, an dessen Ecken jeweils eine Schale stand.

Die darin befindliche Flüssigkeit strömte einen beruhigenden Duft aus.

„Wow.“, war das einzige, was ich dazu sagen konnte.

Ich richtete meine ganze Aufmerksamkeit auf Ted.

Er saß auf seinem Hocker, drehte nervös eine Kette in der Hand und lächelte offen.

„Bereit?“, fragte er ohne eine Spur seiner Freundlichkeit zu verlieren.

„So bereit wie man nur sein kann.“, erwiderte ich mit einem schwachen Lächeln.

Ich müsste lügen, wenn ich behauptete keine Angst zu haben.

Langsam stand Ted von seinem Hocker auf.

„Setz dich.“, sagte er und deutete in das knotenartige Symbol.

Nur widerwillig folgte ich der Aufforderung.

„Und was muss ich jetzt machen?“, fragte ich und versuchte mir meine Nervosität nicht anmerken zu lassen.

Doch Ted erwiderte nichts, sondern schritt langsam das Viereck ab. Bei jedem Eckpunkt zündete er ein Streichholz an und lies es in eine der Schalen fallen.

Sofort begann die Flüssigkeit zu dampfen.

Aber es war ein sehr angenehmer Geruch, weitaus intensiver als vorher.

Erst als alle vier Schalen vor sich hin dampften wandte er sich mir zu.

„Du musst versuchen, deinen Feind zu erkennen.“, sagte er leise, „Wenn du weist, gegen was du kämpfst, weist du auch, was du tun musst.“

Langsam rollte ich mit den Augen.

Dieser Mann schien eine Vorliebe für prophetische Ratschläge zu haben.

„Und was muss ich jetzt machen?“, wiederholte ich meine Frage.

„Schließe die Augen.“, lächelte er.

Ich fühlte mich nicht wohl dabei, folgte aber der Anweisung.

Dann trat Stille ein. Weder hörte ich Ted, noch sonst irgendetwas.

Vorsichtig öffnete ich die Augen.

Entsetzt stellte ich fest, dass die Welt in Dunkelheit gehüllt war.
 

Noch immer wartete Trish und Lady.

Tammy hatte sich nicht noch einmal gemeldet. Und auch ihre Kontakte, die Lady angefunkt hatte, brachten keine positiven Nachrichten

„Er kann doch nicht vom Erdboden verschluckt worden sein.“, beschwerte sich Lady lauthals und sprang auf.

„Kommt Zeit, kommt Rat.“, erwiderte Trish lächelnd, „Außerdem ist doch alles ruhig.“

„Und was, wenn Zanny komplett die Kontrolle verloren hat?“, erkundigte sich die Schwarzhaarige.

„Dann hätten wir längst eine Spur.“, erwiderte Trish ruhig, „Mir gefällt das alles auch nicht. Aber was sollen wir machen?“

„Das ist ja das Problem.“, schloss Lady und setzte sich wieder.

Plötzlich öffnete die Tür.

Sofort waren die beiden Frauen aufgesprungen.

Doch nicht Zanny war der Besucher.

„Was ist denn hier passiert?“, fragte Patty verwirrt, „Und wo ist Dante?“

Irritiert sahen sich Trish und Lady an.

„Komm her.“, lächelte Lady und klopfte auf den Sitzplatz neben ihr, „Wir erzählen es dir.“
 

Es war ein komisches Gefühl, passend zu einem komischen Ort.

Während alles um mich herum pechschwarz war und keinerlei Dimensionen erkennen lies, konnte ich mich problemlos erkennen. Es war als stände ich in einem beleuchteten, schwarz gestrichenen Zimmer.

Aber ich spürte, dass ich nicht alleine war.

Die Anwesenheit meines Biestes war beinahe körperlich.

Langsam sah ich mich um, versuchte eine Spur meines Gegenübers zu finden.

Leider vergebens.

„Komm schon, zeig dich!“, rief ich in den Raum hinein.

Und als Antwort ertönte ein Knurren.

Aber ich konnte es nicht einordnen. Es klang weder vergnügt noch bedrohend.

Einem Impuls folgend, fuhr ich auf der Stelle herum.

Drei blutrote Augenpaare schienen übereinander im Raum zu schweben.

Und sie starrten mich unverwandt an.

„Da bist du ja.“, flüsterte ich, spürte aber ein mulmiges Gefühl im Magen.

Schon im nächsten Moment ertönte ein Mark erschütterndes Brüllen.

Damit konnte der Kampf beginnen.
 

Das plötzliche Klingeln von Ladys Telefon zerriss die Stille, die sich im Raum ausgebreitet hatte.

Hastig nahm sie an.

„Ja?“, fragte sie neugierig.

„Hallo, Lady?“, fragte eine Mädchenstimme, „Melissa hier.“

„Was ist los?“, erkundigte sich die Allrounderin und klang für ihren Geschmack zu bissig.

„Wisst ihr, wo Zanny ist?“, fragte sie und störte sich nicht an ihrem Tonfall.

„Wir suchen ihn auch.“, entgegnete die Braunhaarige offen, „Warum?“

Nach einem schweren Seufzen berichtete die Anruferin von ihren gestrigen Erlebnissen. Wie sie den Jungen traf, wie er ihr half und von seinem plötzlichen verschwinden.

„Interessant.“, flüsterte Lady und reckte Trish den Daumen entgegen, „Wenn ich was erfahre, sag ich dir Bescheid.“

Freundlich verabschiedete sich Lady und wandte sich an ihre Freundin.

„Er war es, oder?“, erkundigte sich die Blonde ruhig.

„Ja, und ich weiß warum.“, erwiderte Lady und berichtete ihr, was Melissa ihr mitgeteilt hatte.
 

Die Augen verschwanden und tauchten Urplötzlich an einem anderen Ort wieder auf.

Und wieder ging einer meiner Angriffe ins Leere.

Erneut fluchte ich und rang nach Atem.

Eine gefühlte Ewigkeit versuchte ich nun schon, einen Treffer zu landen.

Doch mein Biest schien hier keinen Körper zu haben, so wie es sich bewegte.

„Komm endlich her und Kämpfe!“, rief ich wütend, verfluchte mich aber im selben Moment für meine große Klappe.

Ohne Vorwarnung traf mich sein Angriff. Ein Schlag wie von einer Abrissbirne riss mich von den Füßen und schleuderte mich durch den scheinbar endlosen Raum.

Trotz des heftigen Treffers spürte ich keinen Schmerz.

Aber dafür traf mich die Erkenntnis, dass ich kaum eine Chance hatte.

„Wenn ich hier wegkomme, kann sich Ted warm anziehen.“, versprach ich leise und stemmte mich in die Höhe.

Hektisch sah ich mich um, versuchte eine Spur meines Widersachers zu finden.

Was sich im Endeffekt als nicht so schwer herausstellte. Denn noch immer schwebten die drei Augenpaare scheinbar körperlos in der Luft und warteten.

Da es sich nicht rührte, und ich auch keinen weiteren Freiflug bekam, nahm ich mir die Zeit meine Umgebung genauer unter die Lupe zu nehmen.

Und zu meiner Überraschung befand sich in der Dunkelheit eine Lichtsäule.

Sofort schrie mein Verstand, dass es sich um einen Ausgang handeln musste. Oder jedenfalls wollte ich das glauben.

Im nächsten Moment reagierte mein Körper und ich stürmte in Richtung des Lichts.

Die Distanz schrumpfte nur spärlich.

Und nachdem ich die Hälfte geschafft hatte, gefror mir das Blut in den Adern.

„Zanny!“, hörte ich die Stimme meiner Mum panisch hinter schreien.
 

Nervös fingerte Ted an der Kette in seiner Hand.

Seine Augen fixierten den Rotschopf vor ihm, der im Schneidersitz saß. Seine Atmung war ruhig und gleichmäßig und gab keine Auskunft darüber, was in ihm Vorging. Auch seine Lider lagen ruhig auf seinen Augen.

Erneut fuhr er mit den Fingern über die Kettenglieder und befühlten die Unebenheiten. Feine, fast unsichtbare Symbole, verwoben zu einem undurchschaubaren Geflecht.

Eines seiner Meisterstücke, wie er selber fand.

Dennoch war es nicht genug, um diesem Jungen zu helfen.

Erneut hörte er die Worte des Jungen, als er von dem Angriff auf seinen Freund sprach.

Sein Herz zog sich spürbar zusammen. Nicht nur von den Schilderungen, sondern auch durch die Tatsache, dass seine Arbeit versagt hatte.

Denn genau für solche Situationen hatte er die Kette gefertigt.

Aber er konnte auch nicht wissen, wie mächtig sein Biest war.

Langsam sah er auf die Arbeit in seiner Hand und war zufrieden. Diese war weitaus besser, als der Vorgänger. Die Symbole lagen enger aneinander, waren vielfältiger und stärker miteinander verwoben.

Mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen sah er wieder auf.

Doch das Lächeln verschwand im selben Augenblick.

Zannys Lider flatterten wie verrückt und sein Körper zitterte.

Etwas Schreckliches war passiert.

Ted wusste, wenn er eine der Schalen entfernen würde, würde der Junge zurückkommen.

Gerade als er aufstehen wollte, um ihn zurück zu holen, legte sich eine Hand auf seine Schulter.

Mit eine ihm ungeahnten Kraft hielt sie ihn auf dem Hocker.

„Er muss diesen Kampf austragen.“, sagte eine Männerstimme verständnisvoll, „Es ist die einzige Möglichkeit.“

„Soll ich einfach warten?“, fragte Ted vorwurfsvoll, „Wenn es schief geht, wird das Wesen ihn verschlingen.“

„Dann sollte er besser nicht verlieren.“
 

Jetzt war es mit meiner Zurückhaltung vorbei.

Noch immer stand ich mit dem Rücken zum Biest.

Wütend ballte ich die Hände und rang ernsthaft mit meiner Wut.

Doch dann gab ich ihr nach.

Auf der Stelle fuhr ich herum, nur damit meine Wut verrauchte.

Dort stand meine Mum und lächelte mich an.

„Hi, Spatz.“, sagte sie und winkte.

Was mich aber mehr überraschte war die Person neben ihr.

Es hätte mein Schatten sein können. Mit dem Unterschied, dass er dichter, kräftiger war.

Wieder betrachtete ich meine Mum.

Allmählich verlor ihre Erscheinung an Dichte, wurde Transparent, bis sie schließlich gänzlich verschwand.

„Was soll das?“, fragte ich das Wesen und verschränkte die Arme vor der Brust.

Es legte den Kopf schief und wirkte nachdenklich.

Plötzlich richtete es sich auf. Im selben Augenblick hatte ich meinen Körper gespannt.

Doch es bewegte sich nicht.

„Ich will reden.“, drangen mehrere Stimmen aus der Dunkelheit.

Jetzt war ich verwirrt.

„Einfach nur reden?“, fragte ich perplex.

Das Wesen nickte.

„Und was sollte der Freiflug?“

„Du wolltest kämpfen.“, meinten die Stimmen.

Irritiert sah ich meinen Gegenüber an, musste dann aber zustimmen.

„Also du willst reden, dann rede.“, sagte ich schließlich.

Ich konnte nicht sagen warum, aber ich glaubte ihm.
 

„Vielen dank.“, sagte der Mann und betrachtete die Arbeit.

„Und die Bezahlung?“, fragte Ted neugierig.

Normalerweise arbeitete er nur mit Vorkasse, aber dieser Mann hatte etwas an sich.

Etwas, dass jedem Klarmachte, ihn nicht zu verärgern.

„Natürlich.“, sagte der Mann lächelnd und reichte ihm einen kleinen Beutel, „Es sollte genug sein.“

Nur einen Wimpernschlag später war der Mann verschwunden, genauso wie er gekommen war.

Neugierig öffnete Ted den Beutel und es verschlug ihm die Sprache.

Darin lag ein Stück Metall. Es schimmerte silbern und schien mit blauen Äderchen durchzogen zu sein.

Er hatte nur von diesem seltenen, Namenlosen Metall gehört und sich gewünscht, es einmal zu sehen. Aber es in den Händen zu halten, es gar zu besitzen, war einfach unglaublich.

Doch plötzlich schlich sich etwas anderes in seine Gedanken ein.

„Draganski!“, rief er und sprang von seinem Hocker auf.

Allerdings reichte eine Drehung, um den Jungen zu sehen.

Das Zittern hatte aufgehört und seine Lider lagen wieder ruhig.

Erleichtert lies sich Ted auf seinen Hocker sinken und lies seinen Blick abwechselnd zu dem Klumpen in seiner Hand und zu dem Jungen in dem Kreis wandern.
 

„Also, was willst du?“, fragte ich neugierig.

Das Wesen hatte eine Ewigkeit geschwiegen und mich nur anzusehen.

„Akzeptanz.“, drangen die Stimmen auf mich ein.

„Und weist du, was ich will?“, fragte ich und spürte eine ungekannte Kälte in mir, „Ich will, dass du verschwindest.“

So ruhig die Worte auch waren, zuckte das Wesen bei jedem von ihnen zusammen.

„Kannst du dir vorstellen, was ich durch dich durchgemacht habe?“, erkundigte ich mich.

Doch das Wesen schwieg und senkte den Kopf.

„Ich wollte dich nie und ich will dich noch immer nicht!“, brach es aus mir heraus, „Ich will ein ganz einfaches Leben! Ein Leben mit einem fetten, cholerischen Chef, eine unterbezahlte Arbeit und so viel mehr!“

Ich trat näher an das Wesen heran. Erst jetzt merkte ich, dass es mit jedem Wort zu schrumpfen schien.

„Und was machst du mit mir? Du machst mich zu diesem Freak!“, schrie ich nun.

Nun stand ich genau vor dem Wesen.

Es war auf die Hälfte der Größe geschrumpft und hielt noch immer den Kopf gesenkt.

Und wie ich so auf es herabsah bekam ich eich schlechtes Gewissen.

Er wollte nur reden und ich schoss gleich mit Kanonen auf Tauben.

Doch anstatt zu Antworten, erschien hinter dem Wesen Bilder.

Und sie zeigten mich, wie ich es immer und immer wieder verfluchte.

„Stimmt schon.“, erwiderte ich geknickt, „Ich wollte immer normal sein. Und da stehst du immer dazwischen.“

Langsam hob es den Kopf und sah mich an.

Plötzlich änderten sich die Bilder.

Sie zeigten Lady, in der Lagerhalle, umringt von Dämonen.

„Sie hätte es schon geschafft.“, erwiderte ich unsicher.

Das Nächste Bild zeigte Trish, wie sie sich vor Leid und Kummer krümmte.

Doch dieses Mal wartete das Wesen auf keine Reaktion.

Erneut veränderten sich die Bilder. Nun war Tammy zu sehen, wie sie das Herrenhaus betrat, Gefolgt von dem Mädchen, welches von den Dämonen verfolgt wurde, dann folgte schon das kleine Mädchen im Tunnel.

Auch wenn es nur Standbilder waren, die es mir zeigte, so glaubte ich doch die Nachricht verstanden zu haben.

„Ohne mich wären sie gestorben.“, sagte ich leise, mehr zu mir selbst und betrachtete erneut das Wesen.

Zu meiner Überraschung schien es zu Lächeln.

„Aber dann müssen wir dringend an deiner Einstellung arbeiten.“, meinte ich nun und ein schwaches Grinsen huschte über mein Gesicht, „Du bist viel zu Aggressiv.

„Ich werde mich zurückhalten.“, hörte ich plötzlich wieder die Stimmen.

Ich wusste nicht, wie weit ich dem Wesen trauen konnte.

Aber ich wollte es einfach. Es wirkte auf mich nicht mehr wie die blutrünstige Bestie, die ich zu kennen glaubte.

„Aber eins beschäftigt mich noch.“, meinte ich und sah das Biest neugierig an.

Das Biest sah nun auch mich neugierig an.

Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.

„Was ist mit Melissa?“, fragte ich schließlich, „Warum drehst du bei ihr so durch?“

Erneut bekam ich keine Antwort.

Das Wesen drehte sich stumm und ging mehrere Schritte von mir weg.

Bis plötzlich Melissa im Raum stand.

Oder jedenfalls ihr Abbild, denn sie bewegte sich nicht, geschweige denn zu atmen.

Das Wesen lief langsam um sie herum, betrachtete sie von oben bis unten.

Und während es um sie herumschlich, sah es mich immer wieder an.

„Sie ist...“, begannen die Stimmen.

Das Biest blieb stehen und schien über das richtige Wort zu grübeln.

„Interessant.“, sagte es schließlich.

„Sie ist ein Mensch, aber sie hat etwas an sich, was du nicht erklären kannst.“, stellte ich fest.

Das Wesen nickte und schien zu Lächeln.

„Also willst du sie gar nicht zerreißen?“, fragte ich spontan in den Raum.

Die Antwort konnte ich mir zwar denken, aber die Reaktion untermalte es noch einmal.

Entsetzt sprang das Wesen von mir und auch von dem Abbild weg.

Als es sich wieder gefangen hatte schüttelte es beinahe panisch mit dem Kopf.

„Gut, dann wäre das ja auch geklärt.“, lächelte ich offen.

Das Wesen nickte und Melissa löste sich auf.

Auch der Raum schien mit jeder Sekunde heller zu werden, während es langsam auf mich zuging.

Als es vor mir stand war der ganze Raum in ein angenehmes Grau getaucht, indem wir beide die einzigen Farbkleckse waren.

Vorsichtig hob das Wesen den Arm und hielt mir die Hand hin.

Unsicher griff ich danach.
 

Erneut ließ Ted seinen Blick von der Uhr zum Kalender und zurück zu Zanny wandern.

„Es muss ein wirklich schwieriger Kampf sein, den er auszutragen hat.“, flüsterte Ted.

Er konnte nur hoffen, dass der Junge es bald schaffen würde.

Drei Tage waren schon vergangen.

Drei Tage in denen er nicht geschlafen hatte und genug Kaffee für ein ganzes Leben getrunken hatte.

Aber er wollte ihn nicht unbeaufsichtigt lassen.

Falls doch etwas schiefgehen sollte.

Erneut rieb Ted sich über die Lider.

Und gerade als sein Blick wieder frei war, glaubte er eine Regung gesehen zu haben.

Langsam rutschte er näher an den Jungen heran, bis nur noch ein guter halber Meter zwischen ihnen war.

Aufmerksam betrachtete er das Gesicht. Wenn etwas nicht stimmte, würden seine Augen es verraten.

Plötzlich regten sich seine Lider.

Aber es war nur ein kurzes Zucken.

Plötzlich riss er die Augen auf.

Mit einem Schrei stürzte Ted rückwärts von seinem Hocker. Seine Augen fixierten aber immer noch die des Jungen.

Sie waren Pechschwarz.

Erst langsam verblassten sie und brachten grüne Augen zum Vorschein, deren Pupillen vertikal geschlitzt waren, wie die eines Reptils.

„Draganski?“, erkundigte sich Ted vorsichtig.

Langsam senkte Zanny den Kopf und sah Ted an.

Die Dauer der Bewegung reichte, dass sich die Augen erneut veränderten.

Sie nahmen ihre normale Blaue Farbe an und die Pupillen wurden wieder rund.

„Bestens.“, grinste er plötzlich und versuchte aufzustehen.

Doch das Tagelange sitzen war an ihm auch nicht spurlos vorbeigegangen.

Die Bewegungen waren langsam und unsicher.

„Wie lange war ich weg?“, fragte er, nachdem er endlich stand.

„Drei Tage.“, erwiderte Ted und setzte sich wieder auf den Hocker.

„Drei Tage.“, wiederholte Zanny leise.

Dann sah er langsam zu Ted und lächelte.

„Danke für die Hilfe.“, meinte er entschuldigend, „Aber ich muss noch etwas erledigen.“

Mit langsamen und leicht unsicheren Schritten verließ er den Laden.
 

Unsicher betrachtete ich die Fassade.

Es war ein komisches Gefühl hier zu sein.

Wie das eines Verbrechers, der an den Tatort zurückkommt.

Und im Grunde war ich das auch.

Wie schon vor ein paar Tagen leuchtete die Reklame des „Devil May Cry“ und vertrieb die Dunkelheit vor der Türschwelle.

Auch das Licht, das von drinnen heraus schien, nahm mir nicht von dem Gefühl.

Vorsichtig hob ich die Hand und klopfte an die schwere Tür.

Es dauerte einen Moment, bevor die Tür einen Spalt geöffnet wurde.

Und zu meiner Überraschung sah mich Lady an.

„Zanny?“, fragte sie ungläubig, „Was willst du?“

„Mich stellen.“, erwiderte ich mit einem matten Lächeln.

Mit einem schweren Seufzer öffnete sie die Tür ganz.

„Du solltest bei nächsten Mal härter zuschlagen.“, meinte Lady noch, bevor sie sich umdrehte.

Erst jetzt realisierte ich, dass sie ihre Sachen absolut nicht ihrem Stil entsprachen.

Hastig sah ich mich um.

Nur um erstaunt festzustellen, dass der Laden in einem Top Zustand war.

„Kleiner!“, hörte ich plötzlich Dantes Stimme.

Und mir fiel ein Stein vom Herzen.

Mein Biest hatte mir zwar versichert, dass es ihn nicht umgebracht hatte, aber ich brauchte einfach diesen Beweis.

Mit schnellen, langen Schritten ging ich an Lady vorbei und sah auch gleich den Besitzer des Ladens. Mit einem breiten Grinsen strahlte mich der Mann von seiner Couch an.

„Wie geht es dir?“, fragte ich, als ich vor ihm stehen blieb.

„Könnte nicht besser sein.“, grinste er und Bot mir den Sessel neben sich an.

„Ich hatte Angst, dass mein Biest dich umgebracht hat.“, gestand ich offen.

„Das nicht.“, meinte er und lächelte mich verschwörerisch an, „Aber was besseres hätte mir nicht passieren können.“

Verwirrt sah ich ihn an.

„Lady hatte mir einen Schuldenerlass versprochen, jedes mal wenn du kämpfen musst.“, offenbarte er mir, „Und nach deinem ersten Besuch hat sie alles ersetzt und sogar noch Schmerzensgeld gezahlt.“

Wieder richtete ich meinen Blick auf Lady.

Ihre Dienstmädchen-Kleidung passte einfach nicht zu ihr.

Und jetzt verstand ich auch ihre Begrüßung.

„Ich enttäusche dich nur ungern.“, sagte ich langsam, „Aber das war mein einziger Besuch.“

„Hast es in den Griff bekommen?“, hackte Dante nach.

„So wie es aussieht, ja.“, lächelte ich.

„Schade, ich hatte mich gerade dran gewöhnt.“, grinste Dante.

Langsam stand ich auf und betrachtete noch einmal den Laden.

Erleichtert schlenderte ich in Richtung Ausgang.

„Dann noch viel Spaß.“, meinte ich und drehte mich zu Lady, „Und bring ihn nicht um.“

„Und warum nicht?“

„Weil ich die Sauerei nicht weg mache.“

Grey

Unruhig ging ich im Wohnzimmer auf und ab.

Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es noch ein paar Stunden waren, bis die Nacht hereinbrach.

Stunden, die ich noch warten musste.

Stunden, bis das Tears öffnete und ich herausfand, ob mein Biest mich nicht belogen hatte.

Aber seit dem Besuch bei Ted und der Konfrontation mit meinem Schweinehund hatte ich Hoffnung.

Die Hoffnung darauf, dass es kein Gemetzel geben würde, kein Blutvergießen, wenn er Melissa begegnen würde.

Mit einem schweren Seufzer lies ich mich auf die Couch fallen.

Mehrmals hatte ich versucht, mit meinem Biest in Kontakt zu treten, es in mir zu suchen und zu berühren.

Aber die Suche lief ergebnislos.

Einerseits erleichterte es mich, aber auf der anderen Seite war ich auch besorgt.

Bis jetzt hatte es mir in so manchem, scheinbar aussichtslosem Kampf zur Seite gestanden.

Und nun befürchtete ich, dass es sich zurückgezogen hätte, mich allein lies.

Und seltsamerweise hatte ich Angst davor.

Bis jetzt war ich nie wirklich allein gewesen.

Ich hatte meine Mum und zwischen den Umzügen hatte ich Freunde gefunden, die bei mir waren. Und immer war es bei mir.

In all den Jahren hatte ich es so oft gespürt. Freundlich, friedlich, aber auch zerstörerisch und Aggressiv. Letzteres wohl öfter.

Aber dennoch fühlte ich mich immer geborgen, sicher.

Langsam stand ich auf, schritt durch das Wohnzimmer in den Flur und die Treppe hinauf. Dem kurzen Flur folgte ich, bis ich mein Zimmer erreicht hatte.

Zum Wievielten mal ich heute schon hier oben war und vordem Spiegel stand konnte ich beim besten Willen nicht sagen.

Nun stand ich wieder hier vor meinem Spiegelbild und betrachtete es.

Krampfhaft versuchte ich einen Unterschied festzustellen. Einen Beweis, dass mein Biest noch immer da war.

Vorsichtig legte ich die Hand auf die spiegelnde Oberfläche und schloss die Augen.

Wieder versuchte ich mein Biest in mir zu finden.

Und wenn es nur eine Ahnung wäre, so hätte es mir gereicht.

„Lass mich nicht allein.“, flüsterte ich in Richtung meines Spiegelbildes.

Und plötzlich war es da.

Die Überwältigende Präsenz des Biestes.

Binnen Sekunden spürte ich, wie es sich um meinen Geist legte.

Hastig riss ich die Augen auf.

Nur um festzustellen, dass ich noch immer die Kontrolle über meinen Körper hatte. Auch konnte ich keine äußeren Veränderungen feststellen.

Schwach lächelte ich mein Spiegelbild an und machte mich wieder auf den Weg hinunter in das Wohnzimmer.

Noch immer war das Biest bei mir.

Aber ich spürte keine Aggression oder Wut. Auch wollte es nicht in meinen Geist eindringen, mich zurückdrängen und meinen Körper zu seinem Werkzeug machen.

„Danke, dass du da bist.“, sagte ich leise und streckte mich.

Ich spürte die Verwirrung in meinem Inneren.

So oft hatte ich mich über dieses Wesen beschwert. So oft wollte ich es loswerden.

So oft habe ich nicht erkannt, was für ein treuer Weggefährte es mir war.

Plötzlich spürte ich den Eisernen Griff, wie es die Kontrolle über meinen Körper übernahm.

Sofort Überkam mich die Panik, dass ich mich doch geirrt haben könnte.

Langsam und fahrig fing mein Körper an sich zu bewegen.

Eine halbe Drehung nach rechts, dann hob sich langsam mein Kopf, bis meine Augen die Uhr fixierten.

Schon im nächsten Moment war der Griff meines Biestes verschwunden.

Verwirrt sah ich an mir herab und fragte mich was das sollte.

Bis ich wieder auf die Uhr sah.
 

Sanft landete ich hinter dem Tears.

Der Abend war recht warm und laut des Wetterberichtes sollte die Nacht auch mild werden.

Also sah ich keinen Grund, nicht mal die Luftroute zu nehmen.

Außerdem war Feierabendverkehr, und sich da in ein Taxi zu setzten war schon fast mit Selbstmord zu vergleichen.

Hastig zog ich mir mein T-Shirt über und sprang in meine Hose.

Es war zwar ein ungewohnter Flug, aber ich hatte keine Lust darauf gehabt, schon wieder einen Satz Klamotten zu vernichten. Einer Am Tag sollte eigentlich reichen.

Langsam machte ich mich auf den Weg um den Bau herum zum Eingang.

Der Türsteher sah mich verwirrt an, als ich hinter dem Gebäude hervor in ihr Sichtfeld kam.

„Hast du dich verlaufen?“, fragte der am Eingang.

„Nay, hab mal eine Runde durch Wald gemacht.“, erwiderte ich grinsend, „Ist kürzer als Gedacht.“

Langsam nickte der Mann, lies mich aber unbehelligt eintreten.

Den Aufpasser am Tresen und den, der die Innentür bewachte, kannte er schon und wurde so unbehelligt hineingelassen.

Kaum das sich die Tür hinter mir geschlossen hatte, reckte ich den Kopf, schloss die Augen und holte tief Luft durch die Nase.

Aber ich konnte nichts ungewöhnliches Feststellen.

Zu meinem Leidwesen konnte ich Melissa auch nicht riechen, was meiner Stimmung einen kleinen Dämpfer verpasste.

Dennoch würde ich so schnell nicht aufgeben.

Mit dem sanften Einsatz von Ellenbogen und und etlichen Entschuldigungen schaffte ich es letztendlich zum Tresen.

„Na, Kleiner, alles überstanden?“, fragte mich der Barkeeper grinsend.

„So weit, so gut.“, erwiderte ich verwirrt, „Ist Melissa heute Abend da?“

Sein Grinsen wurde nun noch breiter.

„Sie kommt ein paar Stunden später.“, meinte er und war danach schon wieder am Mixen und Gläser füllen.

„Wann ungefähr?“, rief ich ihm nach.

Doch er zuckte nur mit den Schultern.

Seufzend lies ich mich auf den nächsten freien Platz nieder.

Dann hieß es also warten, was schon eine Paradedisziplin von mir war.

Aber vielleicht würde der Abend doch ganz angenehm.

Vorsichtig sah ich nach rechts und links.

Alle Lächelten oder grinsten mich an.

Was mir doch irgendwo unangenehm war. Ich fühlte mich wie ein Star im Scheinwerferlicht.

Das Dumme war nur das ich nicht wusste, warum ich so berühmt war.

Gerade hirschte der Barkeeper wieder an mir vorbei.

„Wo kann man den hier bestellen?“, rief ich ihm hinterher.

Sofort machte er kehrt, zückte Bierdeckel und Stift und war ganz Ohr.

„Einen Kaffee mit Milch und Zucker und den Grund warum mich alle anstarren bitte.“, sagte ich Lächelnd und er schrieb scheinbar alles mit.

Erst als alles fertig geschrieben hatte, sah er noch einmal auf den Deckel und begann zu Lachen.

„Weil sich alle hier wegen dir die zulaufen lassen konnten.“, erwidere er gut gelaunt und wand sich der Kaffeemaschine zu.

„Des weiteren hatten Trish und Lady die letzten Tage oft nach dir gefragt.“, meinte er und das Grinsen wurde immer Breiter.

Und irgendwo in meinem Hinterkopf wurde mir klar, was er mir damit sagen wollte.

„Unser Kleiner hier hat halt ein Händchen für Frauen.“, hörte ich plötzlich Tammy hinter mir.

Langsam drehte ich mich und sah sofort das fliederfarbene Haar und die orangefarbene Kleidung.

„Abend.“, meinte ich und wandte mich meinem Kaffee zu.

Tammy war im Grunde keine schlechte Person. Nur ihre anzügliche Ader konnte schon belastend sein. Besonders wenn man dann für etlichen Gesprächsstoff sorgte. Und für Gewöhnlich werden daraus Gerüchte, die nach und nach immer haarsträubender wurden.

„Was kann ich für dich tun?“, fragte ich nach einem kräftigen Schluck.

Inzwischen hatte sie sich auf den Platz neben mich gesetzt und sich einen Cocktail bestellt.

„Ich hätte was für dich.“, sagte sie vorsichtig, bevor sie einen Schluck trank.

„Warum ich?“, erkundigte ich mich.

„Es ist eine Härtere Nuss, die geknackt werden muss.“, erwiderte sie, „Und da Dante im Moment verhindert ist, bleiben nicht viele.“

„Trish und Lady?“, fragte ich nach.

„Sind schon auf andere angesetzt.“, sagte sie und bestellte sich ihren Zweiten Cocktail.

Seufzend betrachtete ich das Getränk vor mir.

Ich war nicht hergekommen, um mir einen Auftrag zu holen. Andererseits war ich für Dantes Zustand verantwortlich.

„Was, wann und wo?“, fragte ich sie.

Ohne zu Antworten schob sie mir eine schlichte braune Mappe herüber.

Schweigend nahm ich sie, leerte meinen Kaffee und beglich meine Rechnung.

Aber der Auftrag hatte einen großen Vorteil: Ich war nicht mehr dazu verdammt Stunden hier zu sitzen und zu warten.

In einem Zug leerte ich meine Tasse, klemmte mir die Mappe unter den Arm und wollte gerade gehen.

„Musst du auch mal Probieren.“, meinte Tammy.

Verwirrt drehte ich mich zu ihr um und sah sie an.

„Sex on the Beach.“, grinste sie, „Ist verdammt gut.“

Für einen Moment wusste ich nicht, was ich sagen sollte. Im Endeffekt drehte ich mich Kopfschüttelnd um und machte mich mit dem Auftrag Richtung Ausgang.
 

Gerade viele Informationen standen nicht in der Akte.

Gerade mal ein Ort, wo mein Ziel sein könnte. Dazu einige verschwommene Aufnahmen, die alles andere als Aussagekräftig waren. Auf den Bildern war nur ein schwarzer Untergrund zu erkennen, auf dem sich eine undefinierbare Graue Masse befand.

Also hatte ich praktisch nichts, worauf ich mich beziehen konnte.

Und aus der Luft konnte ich auch nichts erkennen.

Die Straßen und Gebäude unter mir wirkten alle friedlich.

Noch nicht einmal in den unbeleuchteten Seitenstraßen bewegte sich etwas.

Das einzige, was mir verriet, das hier etwas war, war mein Biest und sein leises, beständiges Knurren in meinem Kopf.

Also hatte ich nur eine Möglichkeit.

Hinunter auf den Boden und Katz und Maus spielen. Obwohl ich mir bei der Rollenverteilung nie sicher sein konnte.

Noch einmal nahm ich die Umgebung aus der Luft unter die Lupe.

Erst als ich in der Gasse unter mir nichts entdecken konnte landete ich und lies meine Andersartigkeit verschwinden.

Beinahe sofort spürte ich, wie sich die Luft aufzuheizen schien und das Knurren meines Biestes lauter wurde.

Vorsichtig tastete ich mich aus der Gasse heraus.

Und mit jedem Schritt nahm die Hitze zu. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass ich mich meinem Ziel näherte.

Hastig späte ich aus der Gasse heraus.

Die Straße vor mir wirkte so, wie sie sein sollte. Sauber, schicke Vorgärten und nirgends brannte Licht.

Aber das war um diese Uhrzeit nichts ungewöhnliches. Jedenfalls für diese verschlafenen Vororten.

Langsam trat ich aus der Gasse, den Blick immer wieder zur Seite gleiten lassend.

Es bestand kein Zweifel daran, dass hier etwas war.

Nur Wo, das war der Springende Punkt.

„Ein neuer Happen.“, donnerte plötzlich eine Stimme durch die Straße.

Ich veränderte meine Sicht, fuhr mehrmals um meine eigene Achse und versuchte den Herkunftsort zu ermitteln.

Plötzlich riss mich eine Hitzewelle von den Füßen.

Aber da es nicht mein erster Flug war, fing ich mich rasch wieder und fuhr herum.

Wo ich eben gestanden hatte befand sich ein Loch im Asphalt, aus dem der typische Geruch von frischem Teer aufstieg.

„Ein zäher kleiner Happen.“, drang die Stimme aus dem Loch.

Rasch ging ich in Kampfstellung, verbarg aber vorerst noch meine Andersartigkeit.

Noch wusste ich nicht, was mich gleich erwartete. Und ich wollte meine Trümpfe nicht gleich aufdecken.

„Du willst dich wehren?“, fragte die Stimme verwirrt, dann ertönte ein tiefes Seufzen, „Sinnlos.“

Dann erschien der Dämon.

Langsam zog das Monster sich aus dem Loch am Boden. Acht Beine zählte ich, einen Kleinen Körper, aus dem sie heraus wuchsen und einen großen, bald aufgequollenen Unterleib. Der Körper sah aus, als wäre er aus Stein und die Gelenke sahen aus, als wären sie aus Lava.

Ein Schaudern durchlief meinen Körper, als mich die sechs Augen anstarrten.

„Jetzt weis ich wieder, warum ich Spinnen nicht ausstehen kann.“, meinte ich und unterdrückte einen neuer Schaueranfall.

Aber dieses Ding verursachte bei mir nicht nur Unbehagen, sondern viel mehr Angst.

Ein Gefühl was ich glaubte vergessen zu haben.

Dann öffnete das Wesen sein Maul und ich glaubte in den Schlund eines aktiven Vulkans zu sehen.

„Dann komm her.“, sagte das Wesen träge, „Ich habe Hunger.“

Ich war verdammt unsicher.

Ich wusste, dass vieles, was Dämonen nutzten, mir nichts viel anhaben konnte, so wie Trishs Blitze. Aber Es sah so aus, als wäre diese Spinne aus einem Stein herausgewachsen, als hätte etwas davon Besitz ergriffen und es geformt.

Dennoch konnte ich nicht darauf warten, dass mein Gegner den ersten Angriff startete.

Aus dem Stand schnellte ich nach vorn, direkt auf das Wesen zu.

Überrascht hob es ein Vorderbein und holte aus.

Der Angriff war wuchtig und schnell, aber viel zu hektisch ausgeführt.

Mit einem Satz war ich in der Luft und das Bein sauste wirkungslos unter mir weg.

Mein Flug endete auf dem Übergang zwischen dem Ober- und Unterkörper der Spinne.

Ich hob den Arm und betrachtete meine Hand, wie sich meine Finger zu tödlichen Klauen formten.

Mit einem Grinsen lies ich sie mit aller Kraft auf den steinernen Leib herunter rasen.

Aber ich spürte nicht, wie sie durch den Stein schnitten, hinein in das Innere des Dämons. Ich spürte einen stechenden Schmerz im Handgelenk, der mich Keuchen lies.

„Sinnlos.“, wiederholte das Wesen.

Mit einem Mal kam Bewegung in den Hinterleib.

Verwirrt betrachtete ich, wie sich dort ein Schwanz entrollte, wie der eines Skorpions.

Und dann traf es mich wie eine Abrissbirne und lies mich meinen zweiten unfreiwilligen Flug antreten.

Ich drehte mich in der Luft. Mit den Füßen voran kam ich auf und schlug meine Klauenhand in den Asphalt. Aber kaum das meine Hand den Boden berührt hatte, zuckte erneut ein unglaublicher Schmerz durch mein Handgelenk und meinen Arm hinauf.

Aus dem kontrollierten Bremsen wurde ein unkontrollierter Sturz. Und für meinen Geschmack kam ich zu oft mit meiner lädierten Hand auf.

Wieder und wieder zuckte der Schmerz durch meinen Körper und schien ihn zu betäuben.

Und nach einer gefühlten Ewigkeit war es dann endlich vorbei. Ich lag auf der Seite und versuchte die Übelkeit und den Schmerz niederzukämpfen.

„Ich habe dich gewarnt.“, meinte der Dämon desinteressiert.

Vorsichtig stand ich auf, den Verletzten Arm angewinkelt.

„So einfach mache ich es dir nicht.“, erwiderte ich und brachte nur unter Mühe ein Grinsen zustande.

Ohne Vorwarnung sprang der Dämon, hoch und weit. Aber ich schaffte es auszuweichen.

Dafür hatte er die gesamte Distanz zwischen uns überwunden. Und beinahe sofort begann er mich wieder anzugreifen.

Da ich auf mein Handgelenk achten musste, konnte ich mich nicht so bewegen, wie ich es wollte.

Plötzlich bäumte sich die Spinne auf und lies nach vorn fallen.

Mit einem Hechtsprung schaffte ich es im letzten Moment auszuweichen. Mit einem Schlag donnerte der Körper auf die Straße.

Für einen Moment sah es aus, als sein mein Gegner benommen. Ich nutzte die Chance und setzte zu einem neuen Angriff an.

Wieder sprang ich auf den Körper der Spinne.

Ich winkelte den Arm an und lies meinen Dorn heraus schnellen.

Doch dieses mal war mein Ziel nicht der Übergang der beiden Körperpartien, sondern eines der Augen.

Mit einem Ruck senkte ich den Dorn. Doch er glitt am Auge ab und traf auf die Steinhaut.

Erneut war ein Kacken zu hören. Und wieder war es nicht mein Gegner, der zu Leiden hatte.

Brennender Schmerz schoss durch meinen Ellenbogen, den Arm hinauf und weiter durch meinen ganzen Körper.

Aber Glück im Unglück war es eh mein lädierter Arm.

Dennoch reichte der Schmerz mich für einen Moment benommen zu machen.

Ich spürte, wie mein Fuß von der steinernen Haut rutschte und ich fiel.

Dann schien die Zeit fast stehen zu bleiben.

Das Wesen öffnete sein Maul und ich glaube in den Schlund eines aktiven Vulkanes zu sehen.

Tief im Inneren erschien auf einmal ein Funke. Doch das Einzige was ich tun konnte war herzhaft zu Fluchen.

Und dann traf mich der Feuerball.

Mehrere Meter weiter kam ich endlich zum liegen.

Und ich fühlte mich wie ein verkohlter Braten.

Wie Heiß das Feuer war konnte ich nicht sagen, aber es reichte um mir die Kleidung vom Leib zu brennen und meine Haut knallrot werden zu lassen.

Langsam richtete ich mich auf, schaffte es aber nur bis auf die Knie. Aber die Verbrennungen machten jede Bewegung zu einer Qual.

„Gibst du endlich auf?“, fragte die Spinne und ich hörte, wie ihm langsam die Geduld ausging.

Vorsichtig hob ich den Kopf und sah den Dämon an.

So ein Kaliber war mir wirklich noch nie begegnet. Normalerweise konnte ich meine Gegner im Sekundentakt erledigen. Aber hier verletzte ich mich nur selber.

Mit trägen, sichern Bewegungen kam das Wesen auf mich zu.

Alles in mir begann nach Flucht zu schreien. Aber der Versuch war zum Scheitern verurteilt, da ich mich ja so kaum bewegen konnte.

Und plötzlich war sie da.

Eine Macht die mir die Luft aus den Lungen presste.

„Du solltest vorsichtiger sein.“, hörte ich plötzlich eine Männerstimme neben mir.

So schnell wie möglich drehte ich meinen Kopf und sah die Person an.

Weiße, asiatisch wirkende Kleidung, schwarze Haare und lila Augen.

„Verschwinde!“, schrie die Spinne plötzlich, „Er gehört mir!“

Schon im nächsten Moment spie das Wesen erneut einen Feuerball.

Doch der Mann bewegte sich nicht, er machte nicht einmal den Versuch.

In einem gleißenden Blitz explodierte der Feuerball.

Ich rechnete damit, dass es dem Neuen nicht besser ergangen wäre als mir. Aber ich konnte ihn nur ungläubig betrachten. Nichts deutete darauf hin, dass er eine fliegende Lavakugel abbekommen hatte. Er stand einfach da und sah mich an.

Erst gefühlte Ewigkeiten später sah er zu der Spinne.

„Wolltest du etwas, Phantom?“, fragte er neugierig.

Wenn mein Körper sich nicht bei jeder Bewegung schmerzlich bemerkbar gemacht hätte, wäre ich vor Lachen gestorben.

Langsam drehte mir der Mann wieder das Gesicht zu.

„Entschuldige, aber da will jemand eine Lektion erteilt haben.“, sagte er fröhlich mit einem offenen Lächeln.

Ohne Hektik wandte er sich dem Wesen zu. Von einer Sekunde zur anderen erschienen in seinen Händen Schwerter.

Furchtlos ging er auf die Spinne zu.

„Lass es uns schnell hinter uns Bringen.“, sagte der Mann.

Es jagte mir einen Schauder über den Rücken. Alle Freundlichkeit war aus seiner Stimme gewichen und lies nur Kälte zurück.

Binnen eines Momentes hatte das Wesen seinen Skorpionschwanz ausgerollt und lies ihn auf den Mann herunterfahren.

Er versuchte nicht auszuweichen oder den Angriff zu Parieren. Mit Stoischer Ruhe ging er weiter.

Dann traf der Schweif. Jedoch ging der Angriff einen guten Meter daneben.

Innerhalb eines Wimpernschlages war der Mann ausgewichen. So als würden die Gesetze von Zeit und Raum für ihn nicht gelten.

„Viel zu Langsam.“, sagte der Mann trocken.

Dann ging es zu schnell, als das ich es zu damals schon verstanden hätte.

Plötzlich war der Mann unter der Spinne, seine Schwerter steckten Überkreuzt in dem Leib und stemmten es nach oben.

„Verschwinde.“, flüsterte der Mann.

Noch im selben Moment riss er die Schwerter auseinander. Und den Dämon mit ihnen.

Ohne Hast lies er die Arme sinken und wandte sich wieder mir zu.

Wieder waren es nur Bruchteile von Sekunden, die er brauchte um seine Waffen verschwinden zu lassen.

Und ebenso lang um vor mir aufzutauchen.

Wortlos legte er seinen Hand auf die Schulter meines mitgenommenen Armes.

Der Druck den er plötzlich verursachte schien mir die Knochen in Staub zu verwandeln.

„Lass mich los!“, schrie ich und wollte mich losreißen.

Aber ich konnte mich keinen Millimeter bewegen.

„Halt still.“, sagte er sanft.

Mein Körper hörte auf sich zu bewegen. Egal was ich auch versuchte, kein Muskel wollte sich bewegen.

Und erst nach gefühlten Stunden lies er mich los.

„Geht es deinem Arm besser?“, fragte er vorsichtig.

Verwirrt betrachtete ich ihn. Ich sah an meinem Arm hinab und versuchte ihn zu bewegen.

Ohne Widerstand winkelte ich ihn an und bewegte meine Hand. Ohne Schmerzen konnte ich sie Bewegen und lies probehalber meinen Dorn erschienen. Problemlos glitt er heraus und wieder hinein.

„Danke.“, sagte ich überrascht.

„Gern geschehen.“, sagte der Mann freundlich und reichte mir die Hand, „Mein Name ist Grey.“

Ich ergriff die Hand und schon zog er mich auf die Beine.

„Zanny.“, erwiderte ich und lächelte Schwach.

„Ich weis.“, sagte Grey und lies meine Hand los, „Du hast dich gut entwickelt.“

Verwirrt und mit ein wenig Verunsicherung betrachtete ich ihn.

„Was meinst du?“, fragte ich vorsichtig.

„Ich habe jemandem Versprochen ein Auge auf dich zu haben..“, erwiderte er und verlor nichts von seiner Freundlichkeit.

Langsam wuchs mein Unbehagen in der Gegenwart dieses Mannes. Trotz seiner Freundlichkeit steckte in ihm eine Kraft, die ich nicht in Worte fassen konnte.

Eine Kraft, die höchstwahrscheinlich auch mich binnen Sekunden zerfetzen konnte.

Und wenn derjenige, der mich von diesem Wesen beschaffen lies, mich loswerden wollte, könnte ich nichts unternehmen.

„Wem hast du es versprochen?“, fragte ich offen.

Greys Lächeln nahm einen schwachen traurigen Zug an.

Ich hatte schon damit gerechnet, dass mein letztes Stündlein geschlagen hat, aber er sah mich offen an.

„Deinem Vater.“

Einen Moment, bis ich die Worte verarbeitet hatte, konnte ich ihn nur verdutzt ansehen.

„Verschwinde.“, sagte ich kalt und spürte, wie meine Finger sich veränderten, „Verschwinde und erwähne ihn nie wieder.“

Fragend sah er mich an.

„Warum so zornig?“, erkundigte er sich vorsichtig.

„Weil dieser gottverdammte Arsch meine Mutter und mich verlassen hat!“, schrie ich ihn an.

Im Moment war es mir egal, wer uns sehen oder hören würde.

„Kannst du dir vorstellen, wie fertig sie das Gemacht hat? Wie oft sie wegen diesem Bastard geweint und gelitten hat? Und dann kommst du an und sagst mir, du hast ihm versprochen, nach mir zu sehen?“, schrie ich weiter und meine Wut verrauchte langsam.

Als ich ihm wieder in die Augen sah, konnte ich die blanke Verwirrung erkennen.

„Dann lass es mich erklären.“, sagte er sanft und hob beschwichtigend die Hände.

Die Worte ließen eine Sicherung in meinem Kopf raus knallen. Im Geiste griff ich nach meinem Biest. Es schrie vor Wut und ich spürte, wie seine Macht meinen Körper flutete

Und ich schlug zu.

Meine Krallenhand erwischte sein Gesicht.

Jedem anderen Wesen hätte ich vermutlich den Kopf herunter gerissen. Aber seinen Kopf konnte ich nicht einmal bewegen. Meine Krallen schafften es noch nicht einmal seine Haut zu verletzen.

Du bist tot, Schoss es mir durch meinen Kopf.

Langsam hob Grey seine Hand. Wie in Zeitlupe wanderte sie zu meinem Arm hinauf.

Aber mehr als ihn verdattert anzusehen brachte ich nicht fertig.

Dann umfasste seine Hand mein Handgelenk. Innerlich verabschiedete ich mich schon mal von meiner Hand, vielmehr vom ganzen Arm. Aber er nahm sie nur ein Stück zu Seite und lies sie dann los.

„Dann lass es dir von deiner Mutter erklären.“, sagte er leise und klang verletzt.

Gerade als ich noch eine Schimpftirade loswerden wollte hob er seinen Hand und schnippte.

Von einem Moment zu nächsten war er verschwunden, als wäre er nie dagewesen.

Plötzlich spürte ich eine dumpfe Leere in mir. Ich wusste, ich hätte nicht so überreagieren sollen. Vielleicht hätte er mir auch sagen können, wo mein Vater war und warum er einfach verschwunden war. Und ich musste es mit meinem Ausraster natürlich ruinieren.

Seufzend sah ich an mir herab.

Und stellte fasziniert fest, dass meine Kleidung in Ordnung war, so als hätte ich gar nicht gegen diese Spinne gekämpft.

„Danke, Grey.“, sagte ich leise und hoffte, dass er mich hören konnte.
 

„Und wie lief es?“, fragte Tammy, als sie mich vor der Tür zum Tears abgepasst hatte.

„Auftrag erledigt.“, erwiderte ich und zwang mich zu einem Lächeln.

Doch als ich ihr ins Gesicht sah, verschwand mein Lächeln sofort.

Sie sah mich aus traurigen Augen an und das Make-Up unter ihren Augen war verwischt.

„Was ist passiert?“, fragte ich leise.

„Es hat zwei Allrounder erwischt.“, sagte sie dünn, „drinnen wird getrauert, ich wollte dich nur vorwarnen.“

„Weiß man schon, was es war?“, erkundigte ich mich vorsichtig.

Langsam schüttelte sie den Kopf.

„Sie wurden in unterschiedlichen Stadtteilen gefunden, aber ihre Verletzungen sind identisch.“, sagte sich fachmännisch, „Also haben wir es hier mit einem harten Brocken zu tun.“

So wie sie es sagte.lies es mir einen Schauder über den Rücken laufen. Besonders wenn ich an meine Begegnung mit Phantom denke. Und zu dem einen Schauder kam ein zweiter.

„Wer hießen die beiden?“

Tammy sah mich einen Moment an, bevor ein schwaches Lächeln sich auf ihrem Gesicht zeigte.

„Keine Sorge, Trish und Mary geht es gut.“

Erleichtert atmete ich aus.

Dann betraten wir das Tears.

Ich kannte es nur Laut, mit vielen Leuten, die sich unterhielten und gute Laune verbreiteten. Aber im Moment hätte man eine Stecknadel fallen hören können.

Auf Zehenspitzen schlängelte sich Tammy an einen der Tische und ich folgte ihr.

Ein einzelner Mann saß am Tisch und starrte in sein Glas. Irgendwie muss er uns bemerkt haben, denn er sah kurz auf und nickte. Beinahe reflexartig erwiderte ich die Geste.

„Es tut mir leid um deinen Bruder.“, sagte Tammy leise und legte ihm die Hand auf die Schulter.

„Er hätte warten können.“, erwiderte der Mann, „Nur ein paar Minuten und ich wäre mitgekommen.“

Dann sah er mich an.

„Grünschnabel?“, fragte er an Tammy gewandt.

„Nein.“, erwiderte sie Müde lächelnd.

Der Mann sah mich an, musterte mich von oben bis unten.

„Kleiner.“, sagte er dunkel. „Sei vorsichtig da draußen.“

„Werde ich.“, erwiderte ich bedrückt, „Mein Beileid.“

Er leerte sein Glas in einem Zug und bestellte sofort ein neues.

Dabei leisen wir es beruhen.

Mit einem knappen Nicken verabschiedeten wir uns von einander.

Irgendetwas an dem ganzen Vorfall kam mir komisch vor.

„Kann ich sie mir mal ansehen?“, erkundigte ich mich vorsichtig.

„Wenn du willst.“, erwiderte Tammy resignierend.

Wie eine Katze schlich sie zwischen den Leuten entlang, bis wir die kleine Bühne erreichten.

Auf ihre Standen zwei Tische, mit Tüchern bedeckt, aber ich konnte trotzdem die menschlichen Umrisse erkennen.

„Nur zu.“, sagte Tammy leise.

Andächtig trat ich an die Tische heran. Nacheinander zog ich die Tücher bis zur Hüfte herunter.

Zwei junge Männer, kaum älter als ich, lagen vor mir auf den Tischen. Die Todesursache lies keinen Unfall oder ein versehen zu. Fünf tiefe Furchen zogen sich bei beiden über die Brust.

Klauen, dachte ich und betrachtete die Wunden genauer.

Bei einem waren sie tiefer und breiter, bei dem anderen flacher und schmäler.

Unterschiedliche Distanz, fuhr es mir durch den Kopf.

Mit einem mal erkannte ich einen Entscheidenden Unterschied. Nacheinander beugte ich mich über die Körper und betrachtete sie genauer, bis ich sicher war.

Die neue Erkenntnis lag mir schwer im Magen.

Nachdem ich die Toten wieder zugedeckt hatte, wandte ich mich wieder Tammy zu.

Sie stand immer noch am Aufgang. Aber sie war nicht alleine.

Melissa war bei ihr.

Sofort verspannte sich mein Körper und ich dachte an den letzten meine letzte Begegnung mit ihr und meinem Biest.

Aber es schwieg. Es spürte nichts von ihm.

Ich nahm allen Mut zusammen und ging auf die beiden zu.

„Abend.“, sagte ich zu Melissa.

„Hallo.“, erwiderte sie traurig.

„Bring sie nach Hause.“, sagte Tammy sofort und mit einem Ton, der keinen Widerspruch zu lies.

Verwirrt sah ich sie an.

„Niemand holt sie ab und keiner wohnt in ihrer Nähe.“, fügte Tammy hinzu.

„Ich kümmere mich drum.“, erwiderte ich zuversichtlich.

Ich griff nach Tammys Arm und nahm sie ein Stück beiseite.

„Sag ihnen sie sollen vorsichtig sein.“, mahnte ich sie.

„Warum?“

„Es sind zwei.“, flüsterte ich und deutete auf meine Nase.

A fiery Kiss

"Und sei vorsichtig auf dem Rückweg.", mahnte ich den Mann erneut.

"Keine Panik.", meinte er lächelnd, "Ich bin schon vorsichtig."

Mit diesen Worten schloss sich die Fensterscheibe des Kleinwagens.

Langsam fuhr der Wagen rückwärts, bis er die nächste Kurve erreicht hatte und aus meinem Blickfeld verschwand.

Im stillen dankte ich dem Türsteher, dass er uns wenigstens bis zum Stadtrand gefahren hatte.

Für mich alleine Wäre das kein Weg gewesen. Flügel raus und losgeflogen.

Aber da Melissa dabei war, wäre uns nur ein Langer Fußmarsch geblieben.

„Wollen wir?“, riss sie mich aus meinen Gedanken.

Einen kurzen Moment lang sah ich sie verwirrt an.

Doch dann lächelte ich und nickte.

Ich konnte nur hoffen, dass es ein ruhiger Abend werden würde.
 

Noch immer lümmelte sich Dante auf seiner Couch.

Neben ihm auf einem Beistelltisch stand eine Flasche Rotwein sowie zwei Gläser und eine Pizza.

Aber zum Glück war er nicht mehr allein.

„Tut es immer noch weh?“, fragte sie leise und fuhr sanft über den Verband, der fast seinen ganzen Oberkörper bedeckte.

„Nicht, wenn du da bist.“, flüsterte er und strich ihr sanft das Haar aus dem Gesicht.

Sofort spürte er das Schaudern, dass durch ihren Körper ging.

Und ein flüchtiges Lächeln stahl sich auf sein Gesicht, als er seine Hand in ihren Nacken legte.

Sie hatte nur einen Lidschlag Zeit, um ihn verwirrt anzusehen. Dann zog er sie zu sich.
 

Schweigend gingen wir die Straße entlang.

Meine Sinne waren zum zerreißen angespannt.

Während meine Augen beinahe hektisch die Umgebung absuchten konnte ich eine Stecknadel fallen hören.

Doch all das war für mich nebensächlich.

Viel zu oft glitt mein Blick zu Melissa. Betrachtete ihr Gesicht, ihren Körper, ihre Bewegungen.

Und das einzige was ich hörte, war ihr Herzschlag, ruhig und gleichmäßig.

Aber es beunruhigte mich nicht, im Gegenteil.

„Darf ich dich was fragen?“, fragte sie plötzlich.

„Natürlich.“, erwiderte ich und sah sie lächelnd an.

Sie sah auf ihre Füße, schien mit sich zu ringen.

„Warum bist du vor ein paar Tagen einfach verschwunden?“, erkundigte sie sich.

Sofort wusste ich was sie meinte.

Ihren Kuss auf meine Wange, mein plötzliches verschwinden und das Toben meines Biestes.

Verlegen kratzte ich mich am Hinterkopf.

Die Wahrheit konnte ich ihr schlecht erzählen. Das ich kein reiner Mensch war und ein Wesen in meinem Inneren ruhte. Ein Wesen, wovon ich glaubte, dass es sie töten wollte und ich beinahe die Beherrschung verloren hätte und statt ihr Dante zusammen geschlagen hatte.

Im besten Fall würde sie mich für einen gestörten Psychopathen halten.

„Es war ein bisschen plötzlich.“, meinte ich schließlich, „Und ungewohnt.“

Fragend sah sie mich an, doch ich lächelte nur und richtete meinen Blick wieder nach vorn.

Ich durfte nicht unvorsichtig werden. Nicht nur wegen der Gefahr, die um uns herum lauern konnte, sondern auch wegen mir selber.

Ich wünschte mir von Herzen, dass ich meinem Schweinehund trauen konnte. Das ich nicht ständig auf der Hut sein musste, sondern einfach nur zurücklehnen und die Seele baumeln lassen konnte.

Aber ich hatte zu viel Angst, es einfach darauf ankommen zu lassen.

Denn wenn mein Biest die Kontrolle hatte, konnte ich es nicht einfach zurückdrängen.

„Ist das wirklich so ungewohnt für dich?“, fragte Melissa plötzlich.

Ich brauchte einen Moment um zu wissen was sie meinte.

„Das mit dem Kuss?“, erkundigte ich mich sicherheitshalber nochmal, worauf sie nickte, „Bis dato war ich noch ungeküsst.“

„Noch nie?“, harkte sie nach.

„Der ewige Single halt.“, meinte ich Schulterzuckend und sah wieder den Weg entlang.

Ich konnte ihren Blick spüren, wie er über meinen Körper wanderte, wie sie mich musterte.

Es war ein vollkommen neues Gefühl. Am ehesten zu vergleichen mit einem Sonnenstrahl, der üben den Körper wanderte. Warm und angenehm.

„Gefällt dir, was du siehst?“, fragte ich und sah sie aus dem Augenwinkel an.

Sofort drehte sich ihr Kopf weg.

„Ich kann nur nicht verstehen, dass du noch keine Freundin gefunden hast.“, meinte sie leise.

Ein Lächeln stahl sich auf meine Lippen.

„Ich habe bis jetzt noch keine Gesucht.“, erwiderte ich gespielt lässig, „Ich will mich finden lassen.“

Fragend sah sie mich an.

„Ich bin ein schwieriger Fall.“, meinte ich Schulterzuckend, „Und da will ich mich nirgendwo auf dringen und vielleicht ein Leben ruinieren.“
 

Nachdenklich betrachtete Grey das Bild.

Er starrte einfach nur auf das Gesicht, bis seine Augen anfingen zu brennen. Nur nebensächlich nahm er die Feuchtigkeit wahr, die seine Wangen hinab lief.

„Was hast du nur getan, alter Freund?“, fragte er das Bild, „Was hast du getan, dass dein Sohn dich so sehr hasst?“.

Aber egal, wie lange er warten würde, eine Antwort würde er nicht erhalten.

Nie mehr.
 

„Wie sieht es eigentlich bei dir aus?“, erkundigte ich mich, „Hast du einen Freund?“

„Bis vor kurzem hatte ich einen.“, erwiderte sie geknickt, „Aber er will nicht verstehen, dass es vorbei ist.“

Sie wirkte sehr traurig, als sie das sagte. Vorsichtig sah ich sie an.

Ihre ganze Haltung unterstrich die Trauer noch mehr.

„Entschuldige.“, meinte ich leise.

„Ist nicht schlimm.“, meinte sie und sah mich mit einem matten Lächeln an, „Er ist der Grund, warum ich im Tears arbeite.“

„Hat er dich bedroht?“, hakte ich nach.

„Es hat gedroht mich zu töten, wenn ich ihn verlasse.“, lächelte sie traurig, „Aber im Tears bin ich sicher.“

Sofort kamen mir Tamaras Worte in den Sinn.

„Wissen die anderen aus dem Tears Bescheid?“, erkundigte ich mich.

„Die Türsteher und Tamara wissen es.“, langsam verflüchtigte sich ihre Traurigkeit, „Und auch einige der Stammgäste.“

Verständnisvoll nickte ich.

Ich hatte nicht gedacht, dass das Tears ein so sozialer Ort war.

Aber ein wirklich Bild konnte ich mir wegen meiner wenigen Besuche nicht machen. Trotzdem war es gut zu wissen, dass es solche Orte noch gab.

„Vorgestern war er im Tears.“, sagte sie leise, „Er wollte mich mitnehmen.“

Neugierig betrachtete ich sie.

„Aber kaum dass er meinen Arm gepackt hatte, waren die Sicherheitsleute da und haben ihn rausgeschmissen.“, ihre Stimme war zu einem dünnen Flüstern geworden, „Ich will nicht wissen, was passiert, wenn er mich in der Stadt erwischt hätte.“

„Für den Fall bin ich da.“, grinste ich sie zuversichtlich an.

Und wenn er nicht das Kaliber der Steinspinne hatte, würde ich mit ihm auch fertig werden.

„Danke.“, erwiderte sie mit einem offenen Lächeln.
 

Unsicher stand Tamara auf der kleinen Bühne, dass Mikrophon vor sich.

Sie wusste nicht, ob sie Zannys Warnung einfach so heraus posaunen sollte. Er wusste, was er tat, dass hatte sie selber gesehen. Und auch Dante, Mary und Trish hatten ihn hoch gelobt.

Trotzdem konnte er sich geirrt haben.

„Was gibt es denn jetzt so wichtiges?“, fragte jemand ungehalten.

Sie schluckte schwer.

„Ich habe den Hinweis bekommen, dass es sich höchstwahrscheinlich um Zwei Monster handelt.“, sagte sie und versuchte dabei so überzeugend wie möglich zu klingen.

„Und das hat dir wer gesagt?“, fragte der Störenfried nach, „Der Neue?“

„Ja, er war das.“, erwiderte Tammy fest.

„Ach ja.“, meinte er herablassend, „Und weil er neu ist und einen knackigen Hintern hat, sollen wir ihm glauben.“

Tamara spürte, wie sie zusammenschrumpfte. Sie hatte keinerlei Beweise für Zannys Behauptung, nur den Wunsch ihm zu glauben.

Plötzlich sah sie eine Hand nach dem Mikrophon greifen.

„Klappe halten und zu hören!“, donnerte Trish Stimme durch das Tears, „Der Kleine ist fähiger als die meisten von euch, also wie wäre es, wenn ihr ihm einfach glaubt.“
 

„Und du wohnst mit deinem Bruder alleine?“, fragte ich neugierig, „Wie geht es ihm?“

„Ihm geht es wieder besser.“, meinte sie lächelnd, „Unsere Eltern sind meist geschäftlich auf Reise. Aber wir sehen sie meistens am Wochenende.“

„Es muss schön sein.“, meinte ich mehr zu mir selbst.

„Ist es, auch wenn es nie lange ist.“, erwiderte sie offen, „Aber wir nutzen die zwei halben Tage, die wir meistens haben.“

Ihre gute, unbeschwerte Laune war eine Wohltat. Aber es tat auch weh, als sie so von ihrer Familie erzählte. Einem Leben, wie ich es auch gerne hätte.

„Was ist mit dir?“, fragte sie freundlich.

„Ich lebe mit meiner Mutter zusammen.“, erwiderte ich und versuchte gut gelaunt zu klingen.

„Und dein Vater?“, erkundigte sich Melissa neugierig.

Ich setzte ein schiefes Lächeln auf und versuchte die Präsenz meines Biestes zu spüren, herauszufinden, wo es war und wie es drauf war. Aber wie schon am gestrigen Abend spürte ich nicht den Hauch von ihm.

„Er hat uns verlassen, als ich noch klein war.“, meinte ich bitter, „So oft hat meine Mum wegen ihm geweint. Und so oft hab ich ihn verflucht, dass er mich mit meinen Problemen allein gelassen hat.“

„Was meinst du?“, fragte sie neugierig.

Ich wusste, dass wir an einem Punkt angekommen waren, wo sich alles verändern würde. Wenn ich es ihr erzählen würde, würde sie mich meiden, vielleicht sogar hassen.

„Mein Vater war anders.“, sagte ich mit einem bitteren Lächeln, „Und diese Andersartigkeit habe ich von ihm geerbt. Mitsamt aller Sorgen und Probleme.“

„Anders?“, fragte sie und schien einen Moment zu grübeln, „So wie Dante?“

Verdutzt sah ich sie an.

„Das halbe Tears weis, dass Dante ein Halbteufel ist.“, erwiderte sie mit einem Lächeln.

Noch einen Moment sah ich sie verwirrt an. Dann begann ich zu Lachen.

„So ähnlich wie Dante, nur schlimmer.“, meinte ich, als ich mich wieder gefangen hatte.

„In mir lebt noch etwas, ein weiteres Wesen.“, sagte ich langsam und suchte nach den richtigen Worten, „Wenn ich die Kontrolle darüber verlieren würde, könnte es in einem Blutbad enden.“

„So schlimm?“, fragte sie nach.

„Ja, und genau aus diesem Grund will ich mich an niemanden binden.“, versuchte ich es ihr zu erklären, „Ich habe Angst, jemanden zu verletzen, die Kontrolle zu verlieren.“

Sie sagte nichts. Aber ich konnte ihren Blick auf mir spüren.

Wieder musterte sie mich, schien mich einschätzen zu wollen.

Vorsichtig sah ich sie an.

Und dann war es da.
 

„Danke.“, meinte Tammy leise.

„Kein Problem.“, erwiderte Trish gelassen, „Sie sind halt wie sture Kinder.“

Schweigend sah Tammy in ihren Cocktail.

Bis sie die Leute hinter sich bemerkte.

Langsam drehte sie sich um.

Es waren mehrere Allrounder, die sich provozierend aufgebaut hatten.

„Was sollte das eben heißen?“, fragte einer wütend, „Fähiger als wir?“

Langsam drehte sich Trish um und musterte die Männer.

„Er hat nicht gleich angefangen zu sabbern, als er mich gesehen hat.“, meinte sie ruhig, „Und er hat es überlebt, mir auf den Hintern zu starren.“

Tamara zog den Kopf ein. Sie wusste, wie Trish es hasste, angestarrt zu werden. Und das Zanny so was überstanden hatte, zeigte nur, dass er fähig war.

Dem letzten, der es gewagt hatte, ihr auf den Hintern zu starren, hatte sie den Kiefer gebrochen.
 

Melissa hatte sich Zanny ganz anders vorgestellt.

So wie sie ihn Kennen gelernt hatte, schien er kaum Sorgen zu haben. Vielleicht Geldprobleme, für alles andere brauchte man nicht ins Tears zu gehen.

Aber was er ihr alles erzählt hatte, über seinen Vater, seine Andersartigkeit und das Biest, machte ihr deutlich, wie schwer er es gehabt haben musste.

Sie rang mit sich und suchte die richtigen Worte.

Doch plötzlich spürte sie eine Hand in ihrem Rücken und der plötzliche Druck lies sie nach vorne stürzen.

Sie spürte den brennenden Schmerz an Knien und Händen, als sie auf dem Boden aufkam.

Sofort drehte sie sich um, wollte Zanny anschreien, warum er sie geschubst hatte.

Doch sie konnte nur mit Großen Augen sehen, wie er mit dem Rücken gegen ein Autodach krachte und darüber rollte.

Sie hoffte, dass er laut fluchend wieder aufstehen würde. Doch sie wusste, dass kein Mensch so einen Aufprall unbeschadet überstand.

„Wie nobel.“, hörte sie eine tiefe Stimme, „Sich für ein Mädchen zu opfern.“

Langsam, wie in Zeitlupe drehte Melissa ihren Kopf. Erst jetzt sah sie die Gasse.

Langsam schob sich ein Körper aus der Dunkelheit in das Licht der Straßenlaterne.

Melissa glaubte sich übergeben zu müssen.

Ein Wesen, doppelt so groß wie sie, trat aus der Gasse.

Doch es hatte keine Haut. Überall konnte sie das blanke Fleisch sehen, Muskeln wie sie sich bewegten und auch oft ein kleine Blutstropfen, wenn sie sich bewegten.

„Ich hatte aber auf ein wenig mehr Spaß gehofft.“, meinte das Wesen und gluckste, „Aber vielleicht habe ich mit dir mehr Spaß.“

Er hob die fleischige Hand, wollte sie ausstrecken.

Sie wollte aufspringen, wegrennen. Doch ihr Körper bewegte sich keinen Millimeter.

„Wage es dir nicht sie anzurühren.“, hörte Melissa plötzlich Zanny Stimme.

Mit einem Ruck drehte sich der Kopf des Wesens.

Und im nächsten Moment wurde das Monster zurück in die Gasse geschleudert.

Zusammen mit dem Kombi, gegen den Zanny gekracht war.

Wie in Zeitlupe bewegte sich ihr Kopf, sah zu Zanny.

„Verschwinde.“, sagte er ruhig, „Geh nach Hause, bleib nicht stehen und sie nicht zurück. Und komm erst wieder raus, wenn die Sonne aufgegangen ist.“

Sie konnte ihn nur anstarren.

Er stand da, als wäre nichts passiert. Er atmete schwer und hatte die Gasse fixiert.

Nur einen flüchtigen Augenblick sah er sie an, doch sie glaubte zu sehen, dass seine Augen leuchteten.

„Verschwinde!“, schrie er nun.

Erst jetzt reagierte ihr Körper wieder.

Sofort war sie auf den Beinen und rannte los.
 

Ich sah Melissa nach, bis sie hinter der nächsten Biegung verschwunden war.

Erst dann richtete ich meinen Blick wieder in die Gasse. Und sah auch sofort den Dämon.

Er kämpfte sich gerade aus den Überresten des Autos.

„Du hast mich um meinen Happen gebracht.“, meinte das Wesen wütend, „Aber das werde ich nachholen.“

Mit einem Ruck beförderte der Dämon den Wagen wieder aus der Gasse und direkt auf mich zu.

Ein schwaches Grinsen huschte über mein Gesicht. Da Melissa nicht mehr da war brauchte ich mich nicht mehr zu Bremsen.

Ich holte aus und mit einem kräftigen Schwinger traf ich die Seite des Autos, welches sofort die Flugrichtung änderte.

Aus dem Augenwinkel betrachtete ich das Monstrum. Sein ungläubiger Blick lies mich fast loslachen.

„Glaubst du, dass mich das beeindruckt?“, erkundigte es sich unsicher.

„Das glaube ich.“, erwiderte ich und veränderte meine Finger.

Ohne Vorwarnung schnellte ich nach vorn und lies meine Klaue auf das Monster niedergehen.

Entgegen meiner Erwartung auf einen schnellen Sieg wich es nach hinten aus. Doch ich nutzte meinen Schwung, setzte nach und spürte, wie mein nächster Angriff durch das Fleisch des Wesen ging.

Der Treffer war nicht tödlich, leider, aber er machte dem Wesen deutlich, dass ich eine ernst zu nehmende Gefahr war.

Wieder sprang es zurück, in Anbetracht der schmalen Gasse seine einzige Möglichkeit. Mit einem nächsten Satz verschwand er über die Mauer hinter ihm.

Ein wütendes Knurren verließ meine Kehle als ich ihm nachsetzte und auf der Mauer landete.

Sofort suchte ich den Hinterhof ab, in dem er gelandet sein musste. Doch von ihm fehlte jede Spur.

Doch plötzlich hatte ich keine Kontrolle mehr über meinen Körper. Mit einem Ruck senkte sich mein Kopf.

Und unter mir, an die Wand gepresst, sah ich das Wesen.

Als es sah, dass ich es gefunden hatte, keuchte es auf und wollte gerade wegrennen. Doch mit einem Sprung und einem gezielten Klauenschlag schickte ich ihn auf die Bretter.

„Du kannst es eh nicht schaffen.“, keuchte das Wesen leise, „Du bist viel zu spät.“

„Wofür?“, fragte ich wütend.

„Um deine kleine Freundin zu retten.“, begann das Wesen zu lachen, „Meine Schwester wird ihren Spaß haben, bevor sie sie aufschlitzt.“

Plötzlich erschien vor meinen Augen ein Bild. Melissas aufgerissener Körper, und ihre Augen, die mich verzweifelt ansahen.

Ich schrie, um das Bild zu vertreiben und lies im selben Moment alle Barrieren und Ketten fallen.

Danach war es Schwarz.
 

Melissa wagte es nicht zurück zu sehen.

Wieder und wieder erschien das Bild dieses Monsters vor ihren Augen und trieb sie weiter.

Das brennen in ihrer Seite und die schmerzenden Beine bemerkte sie nur am Rande.

Am liebsten würde sie umdrehen und zurück laufen. Die Sorgen, die sie sich um Zanny machten, waren größer als ihre Angst.

Aber dann erinnerte sie sich an seine Worte, Dass er anders sei. Zwar reichte die Erinnerung nicht, ihre Angst vollkommen zu besiegen, aber immerhin sie ein wenig zu lindern.

Plötzlich hatte sie das Gefühl, beobachtet zu werden.

Hektisch sah sie sich um, konnte aber niemanden sehen.

Doch das Gefühl blieb.

Sie richtete ihren Blick wieder nach vorn. Bis zu ihrem Zuhause war es nur noch ein kurzes Stück.

Dann würde sie sich zuhause einschließen und auf Zanny warten.

Wenn er es überleben würde.
 

Mit einem Satz sprang ich über die Mauer und rannte zur Straße.

Melissas Geruch nahm ich noch deutlich wahr.

Wie von alleine bewegten sich meine Beine und trugen mich durch die Straße.

Ihren Geruch folgend versuchte ich das grauenhafte Bild aus meinem Kopf zu verbannen, was mir aber kaum gelang.

Dann mischte sich ein anderer Geruch dazwischen.

Es dauerte einen Moment, bis ich den Geruch einordnen konnte.

Und meine Panik kam mit einem mal zurück.

Ich zog das Tempo noch einmal an.

Ich dürfte nicht zu spät kommen.
 

Endlich hatte sie die Straße erreicht, in der sie wohnte.

Und ihr Haus konnte sie auch schon sehen. Nur noch ein kleines Stück, dann war sie in Sicherheit.

Dennoch blieb das Gefühl verfolgt zu werden. Aber wie oft sie sich auch umdrehte, wie oft sie sich umsah, sie konnte niemanden erkennen.

Du hast nur einen Schock, dachte sie nüchtern.

Aber dafür war das Gefühl zu real, zu greifbar.

Endlich hatte sie das Gartentor erreicht. Danach waren es nur noch ein paar Meter bis zur Haustür.

„Melissa!“, hörte sie auf einmal Zannys Stimme rufen.

Sie fuhr herum.

Langsam joggte er die Straße hinauf und auf sie zu.

Sofort schrie in ihrem Kopf, dass etwas nicht stimmen konnte. Sie war gerannt wie eine Verrückte. Und nun kam er angejoggt und hatte sie schon fast eingeholt.

„Zanny?“ fragte sie verwirrt, „Ist alles in Ordnung?“

Entgegen ihrem gesunden Menschenverstand ging sie langsam auf ihn zu.

„Alles bestens.“, erwiderte er unbeschwert.

„Was ist mit dem Ding?“, erkundigte sie sich ängstlich.

Plötzlich begann Zanny zu grinsen.

Schon im nächsten Moment hatte sich seine Hand um ihren Hals gelegt und drückte ihr langsam die Luft ab.

„Aber, Süße.“, meinte er belustigt, „Du solltest dir eher Sorgen um dich selbst machen.“

Mit einem Ruck war sie in der Luft. Eine Gefühlte Ewigkeit spürte sie nichts, doch dann war die Straße unter ihr, die ihren Flug beendete.

Panisch fixierten ihre Augen Zanny, der langsam auf sie zu kam.

„Was soll das?“, fragte sie ängstlich, „Warum tust du das?“

„Warum?“, fragte Zanny neugierig, „Weil ich es will und kann.“

Als er vor ihr stand, blieb er stehen und sah sie an. In seinem Blick lag etwas wahnsinniges.

Langsam hob er die Hand und ballte sie zur Faust.

Aber sie konnte sich weder abwenden noch wehren. Ihr Kopf und ihre Körper wehrten sich dagegen.

Doch plötzlich war er verschwunden.

Panisch sah sie sich um und sah sie ihn mehrere Meter weiter am Boden liegen.

Doch was sie noch mehr aus dem Konzept brachte, war ein zweiter Zanny, der zwischen ihnen stand und angestrengt Luft holte.

„Es hätte so schön einfach werden können.“, sagte der am Boden liegende plötzlich, „Aber es muss ja immer etwas dazwischen kommen.“

Mit jedem Wort was er sprach veränderte sich seine Stimme, wurde heller, weiblicher.

Langsam stand er auf und mit erschrecken sah sie, dass seine Kleidung und seine Haut sich auflöste.

Zum Vorschein kam ein Wesen, wie das, was sie vorher schon angegriffen hatte, nur das dies hier weiblich zu sein schien.

„Was hast du mit meinem Bruder gemacht?“, erkundigte sich das Wesen ruhig.

„Ihn durch den Fleischwolf gedreht.“, erwiderte Zanny wütend.

Anmutig ging sie einen Schritt auf Zanny zu.

„Wage es nicht ihr auch nur ein Haar zu krümmen.“, zischte er leise.

„Versuch doch mich aufzuhalten.“, meinte sie unbekümmert.

Sie kam noch einen Schritt näher.

Plötzlich schrie Zanny. Aber es war ein Laut den kein Mensch von sich geben konnte.

Sie duckte sie und schloss die Augen, während sie ihre Hände auf ihre Ohren presste.

Gleich würde sie in ihrem Bett aufwachen und merken, dass alles nur ein böser Traum gewesen war.

Aber die Kälte der Nacht blieb und der Asphalt verwandelte sich nicht in ihr Bett.

Dann war es vorbei.

Der Schrei war verhallt, obwohl es ihr vorkam, dass er noch in ihrem Kopf nachhallte.

Langsam lies sie die Hände sinken und öffnete die Augen.

Sie wusste nicht, was sie erwartete.

Aber sicher nicht dass, als sie Zanny ansah.

Riesige, lederne Schwingen waren an Zannys Rücken gewachsen, seine Fingerspitzen hatten sich in Krallen verwandelt und an seinem Kopf waren Hörner erschienen. Der mächtige Schweif an seinem Steißbein zuckte wütend hin und her. Jedes mal wenn er auf die Straße peitschte zogen sich Risse durch den Asphalt.

Dann drehte er langsam seinen Kopf. Strahlend grüne Augen sahen sie an. Mit einem mal überkam sie eine unbekannte Trauer.

Es waren nur Sekunden, die er sie ansah, bevor er sich wieder dem Wesen zu wand.

„Ich werde nicht zulassen, dass dir etwas passiert.“, sagte er ruhig und gefasst.
 

Ich fixierte den Dämon.

Noch immer lag die Trauer schwer auf meinem Herz.

Ich hatte gedacht mich mit Melissa anfreunden zu können. Aber nun würde es so laufen wie immer.

Sie würde mich fürchten. Aus dieser Furcht würde Hass werden und aus diesem Hass der Wunsch mich zu töten.

Im Stillen verfluchte ich dieses Wesen, verfluchte meinen Vater. Aber am meisten verfluchte ich mich. Ich hatte Zugelassen, dass es zu dieser Situation gekommen war.

Ich hätte vorsichtiger sein müssen, mehr auf meine Umgebung achten. Dann hätte ich das Wesen vielleicht gespürt und wir hätten ihm ausweichen können.

Aber dafür war es jetzt zu spät.

Und ich wusste, dass diese Nacht blutig enden würde.

Ich atmete mehrmals tief durch. Mein Kopf musste frei sein, für das was gleich passieren würde.

Ich legte meine Flügel an und sprintete auf das Wesen zu. Kurz bevor ich es erreicht hatte, sprang ich und langte mit meiner Krallenhand nach ihm.

Doch auch wie ihr Bruder wich sie aus. Doch anders als er lies sie plötzlich Flügel erscheinen und erhob sich in die Luft.

Vielleicht zwei oder drei Meter über mir verharrte sie ruhig.

Es war keine Distanz für mich.

Mit diesem Gedanken breitete ich meine Flügel ganz aus. Mit einem Schlag der ledernen Schwingen katapultierte ich mich auf meinen Feind zu.

Doch nur einen Wimpernschlag bevor ich ihn erreichte schnellte sie über mich hinweg. Im nächsten Moment spürte ich einen Schlag in meinem Rücken, der mir die Luft aus den Lungen presste, und mich ins Straucheln brachte.

Doch ich hatte mich schnell wieder gefangen und setzte zu einem neuen Angriff an.

Mit einem neuen Schlag meiner Flügel verringerte ich die Distanz. Doch bevor ich etwas machen konnte, schnellte sie auf mich zu.

Ich versuchte sie zu packen, doch mit einem leichten Schlag ihrer war sie neben mir.

Als ihre Faust meine Rippen Traf dachte ich, dass sie brechen würden. Aber zum Glück blieb das Knacken aus.

Erneut fuhr ich herum und verharrte mit leichten Schlägen in der Luft.

Sie war verdammt schnell und wendig. Wenn es so weiterginge, würde ich tatsächlich den Kürzeren ziehen.

„Bleib am Boden!“, hörte ich plötzlich Melissa rufen.

Irritiert drehte ich mich und sah sie an.

Sie kniete noch immer am Boden. In ihren Augen spiegelte sich immer noch die Angst.

„In der Luft hast du keine Chance.“, sagte sie nun leiser.

Erstaunt sah ich sie an. Sie hatte vollkommen recht.

Mein Feind würde mich langsam aber sicher zermürben, wenn ich es weiterhin auf diese Art und Weise versuchen würde.

„Dann halt auf die gute alte Weise.“, meinte ich leise, landete und lies meine Flügel verschwinden.

Ich beugte mich ein Stück vor, festigte meinen Stand und breitete meine Arme ein Stück aus.

Dann hieß es warten.

Aber zum Glück war das Wesen ungeduldiger als ich.

Kaum dass ich dafür bereit war, unseren kleinen Tanz fortzuführen schoss sie auf mich zu.

Ich wartete bis zum letzten Moment, erst dann lies ich meinen Arm nach vorn schnellen.

Noch in der selben Bewegung wich das Wesen zur Seite aus, wollte an mir vorbei.

Mit dem schwachen Anflug eines Grinsens lies ich meinen Dorn hervor schnellen, winkelte den Arm an und schlug zu.

Ich spürte nur einen kleinen Widerstand, als mein Dorn sie traf und durch das Fleisch schnitt.

Mit einem Schmerzensschrei trudelte sie, bevor sie auf dem Asphalt aufschlug.

Der Treffer würde sie nicht töten, aber behindern. Und ich hatte den ersten Treffer gelandet.

Beides lies meine Laune steigen.

Doch plötzlich wurde die Umgebung unscharf.

Ich brauchte einen Moment um zu erkennen, dass Nebel aufzog. Doch trotz meiner veränderten Augen konnte ich nicht hindurchsehen.

Plötzlich hörte ich das Wesen lachen. Die Geräusche schienen von überall und nirgendwo gleichzeitig zu kommen.

Hastig drehte ich mich um meine eigene Achse. Falls sie mir in den Rücken fallen wollte, würde ich es ihr nicht zu leicht machen.

Plötzlich zeichnete sich ein Umriss im Nebel ab.

Sofort war ich in Angriffsstellung, bereit sofort zuzuschlagen, wenn sie sich zeigen würde.

„Zanny!“, hörte ich plötzlich Melissas Stimme.

Schon im nächsten Moment brach sie durch den Nebel.

„Melissa?“, fragte ich verwirrt.

Sofort schlag sie ihre Arme um meine Taille und presste sich an mich.

Irritiert sah ich sie an, legte aber dann vorsichtig meine Arme um sie.

So schnell wie er gekommen war, verschwand der Nebel auch wieder.

Ein paar Meter hinter Melissa konnte ich auch den Dämon sehen. Er schien verwirrt zu uns zu sehen.

Ich spürte die Wut auf dieses in mir erneut brodeln.

„Zanny?“, hörte ich Melissa plötzlich fragen.

Ich sah zu ihr und in ihre Augen. Sie schienen mich zu verzaubern.

„Zanny.“, meinte sie leise, beinahe einem Flüstern gleich.

Langsam aber sicher kam ihr Gesicht dem meinem immer näher. Vorsichtig hob ich meine Hände und legte sie auf ihre Wangen. Einem Hauch gleich glitten ihre Hände meinen Rücken hinauf, bis sie auf meinen Schulterblättern lagen.

Sie sah mich an, und ihre Lippen umspielte ein sanften, weiches Lächeln.

Doch als sie ihren Kopf erneut Bewegen wollte, riss sie erschrocken die Augen auf.

„Dein Aussehen und die Stimme kannst du ändern.“, meinte ich leise, „Aber nicht deinen Geruch.“

Dann spürte ich die das Brodeln, die Hitze in mir.
 

Wie gebannt starrte Melissa zu Zanny und dem Monster.

Es sah fast so aus, als würden sie sich küssen.

Mit einem plötzlichen Ruck zog Zanny ihren Kopf noch ein Stückchen zu sich.

Mit einem Ruck spannten sich ihre Muskeln an. Langsam glitten ihre Arme herab.

So verharrten sie.

Melissa kam es vor wie Stunden.

Mit einem Ruck riss Zanny sich von dem Wesen los und stieß sie beiseite.

Reglos blieb das Wesen liegen und Melissa konnte ihr Gesicht sehen. Fassungslos starrte sie auf ihre Augenhöhlen und den offenen Mund, aus denen schwarze Flammen krochen.

Ihre Augen richteten sich wieder auf Zanny.

Noch einen Moment stand er da, doch dann sank er auf die Knie. Von einem Moment zum anderen verschwand die Krallen und Hörner. Auch der Schweif verschwand.

Dann rannte Melissa los.

Zanny hob langsam den Kopf. Blaue Augen sahen sie an.

Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen, bevor er zur Seite kippte.

„Zanny!“, rief sie beinahe Panisch und rannte zu ihm.

Kaum bei ihm angekommen sah sie das Rot.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (20)
[1] [2]
/ 2

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  fahnm
2012-03-09T02:12:42+00:00 09.03.2012 03:12
Klasse Kapi^^
Von:  fahnm
2012-01-15T19:47:31+00:00 15.01.2012 20:47
Hammer Kapi^^
Von:  CoPlayer
2011-10-31T16:52:35+00:00 31.10.2011 17:52
so hab beide neue kapis gelesen naja wohl er verschlungen
es war so genial
ich war wie gefesselt das ich nicht mal nen kommi beim anderen kapi machen konnte ich wollte weiter lesen ;d
es war echt geil ich hab lange auf das "dante prügel" szenario gewartet ;D
weiter so ^^
Von:  fahnm
2011-09-25T21:09:20+00:00 25.09.2011 23:09
Hammer Kapi^^
Von:  fahnm
2011-08-07T02:06:21+00:00 07.08.2011 04:06
Wow Hammer Geil.
Das war cool.
Freue mich schon aufs nächste kapi
Von:  CoPlayer
2011-06-19T15:32:23+00:00 19.06.2011 17:32
gutes kappi
der schluss geviel mir am besten und die stelle wo dante fragt ob er zanny
mutter anbagern darf XDDD
weiter so ^^
Von:  fahnm
2011-06-01T19:41:15+00:00 01.06.2011 21:41
Hammer Kapi^^
Ich freue mich schon auf das nächste kapi^^
Von:  CoPlayer
2011-05-05T17:48:59+00:00 05.05.2011 19:48
hehe das kapi war klasse
hate mich lange schon drauf gefreut
und dann ahtte keine zeit zu lesen
also echt klasse
weiter so ^^
Von:  fahnm
2011-04-24T02:02:01+00:00 24.04.2011 04:02
Super Kapi^^
Freue mich schon sehr auf das Nächste.^^
Von:  CoPlayer
2011-01-24T16:09:16+00:00 24.01.2011 17:09
wie immer klasse
war mal total lustig mit der mutter :P


Zurück