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When eternity ends

von

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Prolog

Dunkle Regenwolken brauten sich langsam zusammen und ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen. Ein Wimmern lies ihn wieder zu seinem Opfer sehen, dass sich unter seinem Fuß wand und versuchte von ihm wegzurutschen. „Nein, mein Lieber.“ Sagte er gefährlich sanft. „So leicht kommst du mir nicht davon.“ Er legte seine Finger an die Wange des Jungen und streichelte sie leicht. „Ich kann doch das nicht durchgehen lassen was du gesagt hast.“ Ein lauter Donner übertönte die verzweifelten Hilferufe und Schreie des Jugendlichen und die Blitze zeigten nur das brutale Lächeln auf den Lippen des Täters. Ganz in der Nähe dieses Ortes befand sich ein städtisches Internat, indem 2 junge Erwachsene vermisst wurden. Schüler sagten, die beiden hätten sich gestritten und einer der beiden hätte den anderen nach draußen gezerrt. Besorgt sah die Direktorin dieser Schule aus dem Fenster in die regnerische Dunkelheit. Sie wollte sich gerade zu den anderen Lehrern umdrehen um eine Suchaktion zu starten, als sie am Horizont eine Gestalt sah. Als er an ihr in der Tür vorbei schritt, hielt sie ihn an der Schulter auf. Sie brauchte nicht fragen, damit er antwortete. „Da wo er hingehört.“ Seine Stimme war rau, die Augen müde. Sein Gesicht war mit Blutspritzern übersäht, die Kleidung voller Dreck. Wieder leuchtete ein Blitz auf und kurzzeitig konnte man Genugtuung in seinen Augen lesen. Die Direktorin schloss ihre und lies ihn weiter ziehen. Sie kehrte zu ihren Kollegen zurück und schüttelte den Kopf. Draußen fielen die ersten Regentropfen. Dem Jungen war nicht mehr zu helfen. Er war tot. Getötet von einem Jungen mit übernatürlichen Kräften, der es genug hatte ständig beschimpft zu werden. Blöd nur, dass eigentlich seine Fähigkeiten blockiert sein sollten. Mit einem leichten Seufzen nahm die Direktorin einen dicken, roten Stift zur Hand und strich damit über die Akte des getöteten Jungen. „Und wieder einer.“ War der einzige Kommentar, der in dem Internat widerhallte.

Seine Schritte hatten in den Gängen des Internats einen dumpfen Widerhall, den man bis in die Zimmer der Schüler hörte. Diese drückten sich vor Angst noch tiefer in ihre Matratzen. Wieder hatte sich das Monster ein Opfer geholt. Und es würde nicht lange dauern, dann hätte er genau DICH.

Aaron hielt seine Augen geschlossen, als er hörte wie ER das Zimmer betrat. Als er spürte wie seine Matratze eingedrückt wurde, lächelte er leicht. „Willkommen daheim.“ Er spürte, wie sich kräftige Arme um ihn schlangen und wie warmer Atem gegen seinen Nacken schlug. Kurz bevor er wieder einschlief, hörte Aaron das leise Flüstern des Monsters: „Du gehörst mir.“ Trotzdem wusste er, dass er sicher war, auch wenn er als Eigentum angesehen wurde.

Es war ein wunderschöner Sommertag mit viel Sonne, Hitze und wenig Schatten. Ein Tag für Besuche im Schwimmbad und im Park, für Picknicke und Spaziergänge und natürlich Eis. Jeder genoss diesen Bilderbuch-Nachmittag. Wirklich jeder? Nein. Aaron kniff gereizt seine eisblauen Augen zusammen, die selbst unter der Sonnenbrille nicht geschützt vor der starken Helligkeit waren. Er lehnte sich auf dem billigen Klappstuhl zurück und legte den Kopf in den Nacken auf der hoffnungslosen Suche nach einer Wolke, die den Planeten überdecken würde. Herausfordernd sah er das endlose Blau des Himmels an, als würde er somit sein Übel vernichten. Während sein MP-3 Player auf ein neues Album sprang und ein Kaugummi den Weg in seinen Mund fand, nahm Aaron eine Bewegung aus dem Augenwinkel wahr. Nur träge drehte er seinen Kopf und lies seinen Blick über das Schwarz des Sarges schweifen. Er folgte dessen Weg bis zu Pfarrer und hob eine Augenbraue als dieser zum singen anfing. Beiläufig drehte er seine Musik lauter und beobachtete jetzt die Trauergemeinde (die in dem Fall jetzt nur aus der Familie bestand, da das gesamte Internat auf die ‚Besucherstühle’ verteilt worden war), die etwas verspätet hinter dem Sarg anmarschierte. Aaron rutschte etwas tiefer in seinen Stuhl und legte seine Füße auf einen weiteren vor ihm, um es sich bequemer zu machen. Für ihn war diese ganze Beerdigungssache langweilig, vor allem weil er sich für den Tod des Schülers nicht interessierte. Er wollte gerade seine Augen schließen um etwas zu dösen, als er plötzlich den Blick der trauernden Mutter auf sich bemerkte. Er spürte ihre Abneigung und den Hass gegen ihn und richtete sich auf. Ihm war klar gewesen, dass das früher oder später hätte passieren müssen, besonders da er sich von dem eintönigen Schwarz der anderen mit einem quietsch-gelben T-Shirt und kurzen Shorts abhob. Zudem war er barfuss gekommen. Kurzzeitig tat ihm die arme Frau leid, doch das verflog sehr schnell wieder und er machte eine provozierend große Kaugummiblase. Aaron machte diese ganze Sache jetzt sichtlich Spaß und er setzte noch eins drauf, als er an der Reihe war seinem toten Mitschüler ein Teelicht am Grab anzuzünden. Vor ihm war die ehemalige Freundin des Toten gewesen, die jetzt mit dessen Eltern sprach. Aaron ging in die Hocke um das Lichtlein, das er von einer Lehrerin erhalten hatte, anzuzünden. „Und wie geht es dir jetzt so, Sophie?“ ergriff er plötzlich das Wort. Das Mädchen war sichtlich verwirrt, als sie zu ihm hinunter sah. Auch deren Gesprächspartner sahen ihn nun an. „Was meinst du?“ fragte sie. „Ich mein, jetzt wo er tot ist brauchst du die Liebe zu Max ja nicht mehr verheimlichen, oder?“ Sophie wurde blass, genauso wie die Mutter. „Hm. Okay. Mir würde es auch schlecht gehen, wenn ich nicht mehr an die Brieftasche des Vaters meines Freundes könnte.“ Sprach er gemütlich weiter. „Du hast ja Recht. Mit Geld stehlen kann man besser sein Taschengeld aufbessern.“ Genüsslich beobachtete er wie das Gesicht des Vaters vor Zorn ganz Rot wurde und Sophie immer mehr schrumpfte. Seine Augen und die der Mutter tragen sich. „2:0 für mich, Ma’am.“ Formte er mit den Lippen, die sich zu einem zufriedenen Lächeln verzogen hatten. Langsam richtete er sich wieder auf und streckte der Frau die Hand entgegen. „Ich nehme kein Anteil an Ihrem Leid.“ Sagte er kühl. „Ich möchte Ihnen nur eine schöne Heimreise wünschen und vielleicht klappt es ja noch mal mit einem Kind.“ Er lies seinen Blick über ihren Körper schweifen. „Naja. In Ihrem Alter wird das wohl nicht mehr klappen.“ Aaron zog seine Hand zurück, als er merkte, dass sie niemand nehmen würde und verlies mit gemütlichen Schritten den Friedhof. Er wusste, er würde Ärger bekommen, aber es war ihm egal. Dafür hatte er die Sache viel zu sehr genossen. Als er das Eisentor passierte, spürte er, wie sich das Monster wie ein Schatten an ihn klebte. „Wohin gehen wir jetzt, Aaron?“ fragte es. Aaron grinste diabolisch. „Zurück in die Schule, Damian.“ Sagte er. „Vielleicht finden wir etwas zum spielen für dich.“
 

Hätte man mich vor einem Jahr gefragt, was ‚Ewigkeit’ wirklich bedeutet, hätte ich ohne zu zögern geantwortet. Ich hätte gesagt, dass sie nie ein Ende haben würde. Man würde Jahrhunderte überstehen, ohne zu altern oder zu sterben. Die Ewigkeit wäre etwas göttliches, etwas nie Vergängliches. Man könnte sie nicht einfach so erhalten, sie würde einem geschenkt werden. Die Ewigkeit war unsterblich. Das war es, an das ich immer geglaubt hatte. Bis heute. Ich traf diese zwei Gestalten an einem warmen Sommertag. Sie liefen an mir vorbei ohne mich zu bemerken. Ich war zu der Zeit eigentlich auf dem Weg zum Grab meiner geliebten Schwester, doch diese Zwei warfen meine kompletten Pläne völlig über den Haufen. Sobald sie an mir vorüber waren, drehte ich meinen Kopf ungewollt nach hinten, um ihnen hinter her zu sehen. Eisblaue Augen hatten mich kurz gestreift doch nicht registriert. Ich schluckte hart, legte die mitgebrachten Blumen auf ein beliebiges Grab und nahm die Verfolgung auf. ‚Vor der Ewigkeit beschenkt zu sein’ bedeutete ein Einzelgänger zu sein – auf ‚ewig’. Man schloss sich nicht mit anderen zusammen. Unwillkürlich beschleunigte ich meine Schritte. Außer es war eine Zweckgemeinschaft. Und dafür brauchte man ein Ziel, das man erreichen wollte.
 

Erschrockene Ausrufe und panische Schreie erfüllten das Internat. Aaron lächelte und lehnte sich an eine der kühlen Wände. Keiner der Lehrer war anwesend, auch die Schüler nicht. Nur die unglücklichen Putzfrauen hatten heute Morgen noch nicht ahnen können, was sie heute erleben würden. Sie hatten hinter vorgehaltener Hand über Damian gesprochen, der dies überhaupt nicht leiden konnte. „Monster!“ schrie ihn eine blutüberströmte Frau an und der junge Mann fragte sich, wie sie seinem Freund entkommen war. „So etwas wie ihr sollte nicht leben!“ Angewidert versuchte er sie von sich weg zu schieben, da sie versuchte sich auf ihn zu stürzen. Wahrscheinlich um an ihm vorbei zu kommen, in die Freiheit. Doch sie hatte nicht mit seiner unmenschlichen Stärke gerechnet, mit die er sie am Hals packte und gegen einen Marmortisch schleuderte. Er stieß die Leiche noch mal kurz mit der Stiefelspitze an, um zu sehen ob sie wirklich tot war, und machte es sich dann auf den Trümmern bequem. Mit zusammen gekniffenen Augen hob er sein T-Shirt an, um es sofort wieder fallen zu lassen. „Das ist hinüber.“ Murmelte er. „Das war mein bestes Shirt!“ „Gelb-Rot. Steht dir doch gut.“ Damians Stimme klang ruhig, schon fast menschlich. „Vielleicht ist sein Hunger endlich gestillt.“, dachte Aaron und stand wieder auf. „Kann sein.“ Antwortete er. „Aber die roten Flecken sehen einfach unschicklich aus.“ Leichtes Lachen hallte in den blutgetränkten Gängen wieder, als die Beiden in die Sonne traten. „Wir sind nicht mehr allein.“ Damians Augen waren halb geschlossen, die Nasenflügel gebläht. Auch Aaron schnupperte, fand den Geruch und lies sich auf den Treppen nieder. „Kein Grund zur Eile.“ Sagte er. „Sie kommt zu uns. Vielleicht will sie sich uns auch anschließen.“ Damian lies seine Zähe aufblitzen. „Vielleicht.“ Gurrte er genüsslich. „Vielleicht auch nicht. Und dann wird ihre Kraft die meine sein.“ „Mach was du willst.“ Antwortete Aaron gelassen. Ihm war Stärke egal, er hatte andere Pläne. Größere Ziele. Zum zweiten Mal an diesem Tag legte er den Kopf in den Nacken um in den Himmel zu sehen. Die Unendlichkeit des Blaus war gefleckt von weißen und schwarzen Wolken, die sich unaufhaltbar der Sonne näherten. Ein Lächeln legte sich auf Aarons Lippen. Irgendein Gefühl sagte ihm, dass es heute noch interessant werden würde.

Meine Schritte wurden langsamer, als ihre Präsenz und ein Blutgeruch stärker wurden. Für einen kurzen Augenblick fragte ich mich, was ich hier überhaupt tat, vor allem da es gegen die Prinzipien meiner ‚Rasse’ war, mich mit Anderen zu treffen, doch meine Neugier überlagerte alles. Ich lehnte mich an eine Hauswand um erst mal tief durch zu atmen. Ich musste meinen ganzen Mut zusammen nehmen um in die Sonne zu treten und mich meinen „Brüdern“ gegenüber zu sehen. Mein Herz setzte für einen kurzen Moment aus, als ich sah wie gut gebaut die Beiden waren. Würde es zu einem Kampf kommen, würde es schlecht für mich aussehen. Gänsehaut überzog meine Arme, als die Sonne von Wolken überdeckt wurde und sich ein hungriger Ausdruck in eins der Augenpaare schlich, die mich betrachteten. Er trat einige Schritte auf mich zu, doch ein „Nicht Damian!“ lies ihn erstarren. Meine Augen verengten sich. Machtgeile Jäger, wie dieser Damian eindeutig einer war, konnte – nein, durfte man nicht kontrollieren können. Den Anderen fixierend trat ich mehrere Schritte zurück. Ich wusste, dass hier irgendetwas faul war. Im gleichen Augenblick erkannte ich meinen Fehler und konnte nur noch knapp Damians Händen ausweichen, die mich hätten auf den Boden drücken wollen. Dann hätte er mir seine Zähne in den Hals geschlagen und … Ich schüttelte den Kopf um diese Gedanken zu verscheuchen und duckte mich. Ich ließ Damian nicht aus den Augen, der mich inzwischen umkreiste und nach einem Schwachpunkt suchte. Er setzte zum Sprung an und ich machte mich bereit, mich zu verteidigen. Plötzlich schoss eine Hand hervor und schleuderte meinen Gegner auf den Boden. Der Knall war atemberaubend und Teile des Asphalts rieselten auf meine Schuhe.

„A-aua!“ wimmerte Damian untergeben und wand sich unter dem Griff, der ihn unten hielt. „Lass mich los, Aaron!“

Meine Augen waren vor Schreck geweitet, als dieser sich wieder aufrichtete und seine Klamotten abklopfte. Auch Damian regte sich, doch er blieb mit schmerzverzerrtem Blick liegen. Meine Augen wanderten zwischen Aaron und dem Loch im Boden hin und her.

Seit ich vor sie getreten war und dem Moment jetzt, waren keine fünf Minuten vergangen. Ich schluckte hart, als ich den ernst der Lage erkannte. Ein falsches Wort und er würde mich hinrichten. Mein Mund wurde trocken und ich unterdrückte den Drang wegzulaufen. Ich war noch nie solch einem Starken unserer Rasse begegnet und mein Instinkt reagierte eher mit Flucht als mit Neugierde. Mein Magen zog sich zusammen als Aaron sich mir zuwandte. War es wirklich Angst, dass ich verspürte? Meine Hand ballte sich zur Faust, bereit zuzuschlagen, würde er etwas machen wollen. Doch Aaron lächelte leicht.

„Mutig.“ Sagte er. „Ich bin mir sicher, dass wir beide in Frieden auseinander gehen werden.“ Würde es wirklich so ausgehen?

„Was willst du?“ flüsterte ich.

„Allgemein oder von dir?“ Er lachte leicht.

Hinter ihm begann sich Damian wieder aufzurichten, der mich wachsam im Auge behielt. Wie als würde er Aaron beschützen wollen. Dieses Verhalten war unnatürlich. Was für Einfluss hatte Aaron wirklich? Meine Augen verengten sich, als ich etwas im Hintergrund bemerkte. Einen Schatten? Plötzlich hatte ich Aarons Hand auf meiner Wange.

„Bestimmt hast du schon von der Klinischen Universität für Übernatürliches gehört oder?“ seine Stimme war wie ein Schnurren und Gänsehaut überzog meinen Körper. „Von dort bin ich vor 2 Jahren ausgebrochen.“

Ich schluckte. Ich hatte davon gehört. Die Zahl der Opfer waren nicht bekannt gegeben worden, doch der Blutgeruch hatte bis zu mir gereicht, und ich war einige Meilen von diesem Ort entfernt gewesen.

„Und dort wird mein Weg wieder hinführen.“ „W-Warum?“ „Rache.“ Gurrte er in mein Ohr. „Sie haben mir etwas genommen, das ich wieder haben möchte.“ Ich befeuchtete meine Lippen. Das drückende Gefühl in mir wurde schlimmer. „Deine Ewigkeit?“ Ich biss mir leicht auf die Lippen. Es war eine gefährliche Frage, doch zu meiner Erleichterung lachte Aaron nur leise. „Nein.“ Seine Lippen streiften meine Wange, als er wieder von mir abrückte. Und plötzlich sah ich es in seinen Augen und in meiner Brust stach es.

„In Ordnung.“ Sagte ich mit fester Stimme. „Ich werde dir helfen.“ Wieder stahl sich ein leichtes Lächeln in sein Gesicht und er wandte sich ab. „Wir sollten verschwinden.“ Murmelte er ein paar Sekunden später. „Sie kommen.“ Auch jetzt hörte ich die Sirenen und trat neben ihn.

„Wohin?“ Meine Stimme klang erstaunlich fest, trotz der Angst, die in mir herrschte wenn ich in seiner Nähe war. Ich hörte Damian im Hintergrund leise lachen, versuchte es zu ignorieren, was mir natürlich nicht gelang. Er war einfach zu präsent.

Während wir begannen zu laufen, schielte ich öfters zu Aaron hinüber. Er war wahnsinnig gut gebaut, geschmeidig – fast schon katzenartig. Etwas an ihm irritierte mich. Sein Wesen war so faszinierend und verstörend zugleich. Er wollte unbedingt in diesen Ort zurück, in dem er eigentlich hätte sterben sollen. Er wollte Rache und das wieder bekommen was er verloren hatte. Nur was? Peinlich berührt, ihn beobachtet zu haben, wandte ich den Blick wieder ab, als unser Blick sich traf. Im Augenwinkel sah ich ihn schmunzeln. Ich fragte mich, was wohl seine Beweggründe waren, und warum er uns sammelte. Ich wusste nicht, ob es richtig gewesen war, ihm ohne Bedenken zu folgen, doch ich hatte das Gefühl, hätte ich es nicht getan, wäre ich nun tot. Meine Augen wanderten auf die andere Seite. Damian lief einfach nur, lies sich scheinbar von uns leiten und schien etwas abwesend. Hin und wieder glitt sein Blick in den Himmel, wie als würde er dort die Antworten auf die Fragen finden, die in seinem Kopf umher schwirrten. Es war mir ein Rätsel wie diese beiden Männer auf einander gestoßen waren, doch ich wollte nicht fragen. Es wäre ja vielleicht unangenehm für beide und außerdem war es unhöflich.

Plötzlich blieben beiden stehen, und da ich so in Gedanken versunken gewesen war, rutschte ich noch ein paar Schritte weiter. Suchend sah ich mich um. „Was ist los?“ fragte ich misstrauisch. Aaron hob die Hand um mich zum schweigen zu bringen. „Sie sind hier.“ Flüsterte er und lies seinen Blick schweifen. Wir waren in der kurzen Zeit nicht weit gekommen, waren also immer noch in der Stadt, doch wie ich nun feststellen musste, waren die Sirenen hinter uns verstummt. „So schnell?“ sprach Damian meine Gedanken aus und duckte sich. Aaron zuckte nur mit den Schultern und schnupperte im Wind. Ich persönlich konnte nichts riechen, doch er schien plötzlich etwas aufgenommen zu haben. Seine Augen verengten sich und er streckte die Finger. Ich kannte diese Bewegung aus meiner früheren Ausbildung zu dem Wesen was ich heute war, und duckte mich ebenfalls. Wir hatten kräftige Schläge, was die Greifkraft unserer Finger beinhaltete. Wenn Aaron wirklich das vorhatte, was ich vermutete, würde er von einer Sekunde auf die andere sich auf irgendetwas stürzen und zupacken. Je nach dem wie viel Kraft er darin steckte, konnte er seinem Gegner das Genick brechen, oder ihn einfach nur lähmen. Das Problem bei diesem Angriff war nur, dass wenn man eine winzig kleinen Fehler machte, würde man sich die Finger brechen, oder schlimmeres. Ich selbst hatte ein oder die andere Verletzung durch diese Technik hinnehmen müssen, denn sie war wirklich nicht leicht zu bewerkstelligen. Trotz allem hatte ich das Gefühl, dass Aaron sie wirklich beherrschte, denn die ganze Sache dauerte weniger als eine Sekunde. Ich musste nur einmal blinzeln und schon lag eine tote Person vor mir. Damian ging in die Hocke und durchsuchte den Toten nach irgendetwas. „Hat nichts.“ Sagte er und stellte sich wieder hin. Plötzlich hörte ich ein Geräusch und riss Aaron von dem Hauseingang weg, vor dem er gestanden war. An uns flog etwas vorbei und blieb in der Hauswand stecken. Vorsichtig stellte ich mich davor und schnupperte. Irgendwie roch das gefährlich und etwas süßlich. Wie Erdbeeren… „Danke.“ Kam plötzlich Aarons Stimmt von hinter mir. „Hätte mich das getroffen, wäre ich tot.“ Ich wusste nicht genau was das Gefühl war, das plötzlich in mir hoch wallte, als er das sagte, doch ich vermutete in diesem Moment, dass es Stolz gewesen war. Oder so etwas Ähnliches. „Was ist das?“ fragte ich wie beiläufig, um nicht darauf antworten zu müssen. „Ein Giftcoktail.“ Antwortete mir nun Damian. „Wir wissen nicht, was die Zutaten auseinander genommen sind. Aber das Ergebnis bleibt dann genau genommen dasselbe. Wir sterben.“ Er schnipste und grinste dann. Galgenhumor, auch das noch. Wir liefen weiter und traten schließlich auf einen Feldweg. „Sie sind immer noch hinter uns. Sie warten wahrscheinlich bis wir auf offener Ebene sind, dann können sie uns besser angreifen.“ Sagte Aaron ruhig. „Was auch immer kommt, ihr dürft euch nicht fangen lassen. Weil sonst ist alles aus. Wenn wir getrennt werden, dann lauft innerhalb der nächsten zwei Tage zu dem Leuchtturm nördlich an der Küste.“ Er warf uns beiden noch einen eindringlichen Blick zu. „Falls jemand in dieser Frist nicht wieder auftaucht, wird nicht auf denjenigen gewartet. Wenn ich derjenige sein sollte, dann vergesst so schnell wie möglich unsere Mission und verschwindet. Am besten ihr taucht erst mal unter. Verstanden?“ Damian und ich nickten gleichzeitig. Und wieder einmal kam mir ein Gedanke: Warum machte ich hier mit? Was hatte mich dazu getrieben? Doch ich kam nicht dazu, mich weiter mit diesen Fragen zu beschäftigen, denn sobald Damian und ich unsere Zustimmung bekannt gegeben hatten, wurden wir auch schon auseinander gesprengt. Ich sah nicht zurück, als ich begann, quer über die Ebene zu rennen. Denn das einzige was jetzt noch zählte, war rennen. Der Wind rauschte mir in den Ohren als ich über einen kleinen Bach sprang. Hinter mir hörte ich Rufe, Explosionen und Schreie. Der Wettlauf mir der Zeit hatte begonnen.

Ich lauschte, doch es war nichts außer meinen schweren Atem zu hören. Ich presste meine Hand auf die stark blutende Wunde an meinem Oberschenkel und sah mich um. Überall waren Bäume, nichts als Bäume. Und es sprach viel dafür, dass ich mich verlaufen hatte. Wunderbar. Meine Augen bahnten sich einen Weg durch die Baumwipfel in den Himmel. Wenn ich nicht komplett den Überblick verloren hatte, müsste ich nur noch einen halben Tag hatte um zu dem vereinbarten Treffpunkt zu gelangen. Und nun in meiner misslichen Lage, erkannte ich, dass es ziemlich knapp werden würde. Trotz der Schmerzen lief ich los, quer durch den Wald, völlig Orientierungslos, aber ich war mir sicher. Ich würde sie finden, bzw. den Leuchtturm. Ich war schließlich den Zusammenbruch ziemlich nahe, als ich auf eine Lichtung traf. Und in dieser Lichtung stand der Treffpunkt. Am liebsten hätte ich laut aufgelacht, denn dort war ein riesiges Feuer aufgeschichtet, und beleuchtete die Ebene mit ihrem Licht, denn die Sonne war bereits unter gegangen. Ich wusste nicht was hier lief, doch ich wusste, dass ich mich nicht weiter bewegen sollte. Etwas gefährliches war hier am Gange, nur dass ich nicht wusste, was es war. Meine Nasenflügel bebten, als ich die Luft in mich einsaugte, doch ich konnte keine mir bekannten Gerüche einordnen. Langsam ging ich rückwärts, um sogleich gegen einen warmen Körper zu stoßen, der sich scheinbar sehr leicht an mich hin schleichen konnte. „Du kommst spät.“ brummte Damian hinter mir leise und hielt mich davon ab vor Schreck vorn über zu fallen. „Verdammt noch mal!“ zischte ich wütend. „Musst du dich so an mich hin pirschen?!“ Ich spürte sein Lachen im Nacken und drehte mich um. Gebannt beobachtete ich die Blutspur die sein Gesicht hinunter lief, um schließlich von seinem Kinn auf den Boden tropfte. Meine Augen wanderten seinen Körper ab und fanden auch dort zahlreiche Verletzungen vor. Da war mein Bein nichts dagegen. Damian zog mich mit sich in eine nahe gelegene und gut versteckte Höhle. Während er mich auf den Boden drückte und mich mit Essen, etwas Wasser und einer Decke versorgte, versuchte ich aus ihm heraus zu bekommen, was mit ihm passiert war. Doch er schwieg beharrlich. Resignierend gab ich schließlich auf und wechselte das Thema. „Was ist mir Aaron? Ist er schon aufgetaucht?“ fragte ich und beobachtete ihn dabei, wie er sich schwerfällig auf dem Boden nieder lies. So wie er nun aussah, war er nicht mal mehr halb so gefährlich wie als ich ihn das erste Mal gesehen hatte. Er fuhr sich einmal mit der Hand über das Gesicht bevor er antwortete. „Er ist auskundschaften gegangen, was dort auf der Lichtung vor sich geht.“ Sagte er und klang dabei sehr müde. „Er müsste bald wieder hier sein.“ „In Ordnung.“ Vorsichtig streckte ich mein verletztes Bein aus und konnte mir ein Keuchen nicht verkneifen. Natürlich hatte dies Damian bemerkt und rutschte nun zu mir hinüber. Unsanft, vor allem auch, weil ich mich dagegen wehrte, zog er sich mein Bein auf seinen Schoß und begann meine Hose vorsichtig hoch zu krempeln. Als ich gemerkt hatte, dass es nichts brachte, mich zu wehren, fing ich an ihn zu beobachten. Er sah definitiv netter und ruhiger aus, als bei unserem ersten Treffen. Lag es nur daran, dass er sich ausgetobt hatte, oder war in der Zeit, wo wir uns nicht gesehen hatten irgendetwas passiert? Er schnaubte, als er meine Wunde sah. „Hättest du nicht aufpassen können? Das können wir uns nicht leisten.“ Er riss ein Stück von seiner Hose ab, tauchte es in Wasser und säuberte meine Wunde. „Weißt du, was dich erwartet?“ fragte Damian nach einer Weile und ich schüttelte beneidend den Kopf. Ein Seufzen, als er vorsichtig begann irgendetwas, von dem ich gar nicht wissen wollte, was es war, aus meiner Wunde zu zupfen. „Die Klinische Universität für Übernatürliches fängt Wesen wie du und ich ein, um sie zu erforschen. Wie funktionieren sie? Warum sind sie so? Wie bringt man sie zum sterben?“ Ein Schaudern durchfuhr meinen Körper. „Einmal eingefangen bedeutet, dass du lebend nie wieder heraus kommst.“ „Aber Aaron ist doch bei uns, oder nicht? Ich dachte, er kommt von dort.“ Damian warf mir einen kurzen Blick zu. „Warum folgst du ihm?“ fragte er stattdessen. „Weil..“ begann ich, doch ich merkte, dass ich auf diese Frage keine Antwort hatte. „Ich weiß es nicht.“ Murmelte ich und Damian lachte belustigt. „Ist das so?“ Er verzog das Gesicht. „Es ist nicht gut, jemanden blind zu vertrauen.“ Darauf antwortete ich nicht. Aus welchen Gründen auch immer. Gerade als Damian verkündete, dass er fertig war und ich verwundert auf mein, mit seinem Oberteil verbundenes, Bein anstarrte, kam Aaron zurück. „Ah, du bist auch da.“ War seine erste Reaktion auf mich. Er quittierte meine Verletzung mit einem Stirnrunzeln und wandte sich dann Damian zu. „Sie scheinen jemanden hingerichtet zu haben.“ Ach was. „Ich kann nicht genau einordnen was es war, aber soweit ich die Lage einschätzen konnte, kam das Opfer aus der Universität.“ Das machte die Sache interessant. „Warum sollten sie jemanden von dort töten?“ fragte ich. „Naja.“ Machte Aaron, als er sich hinter Damian nieder ließ, um sich seine Verletzungen anzusehen. „Es gibt mehrere Möglichkeiten.“ Er nahm sich den selben Fetzen Kleidung, mit dem auch Damian meine Wunde gesäubert hatte und machte sich an dessen Rücken zu schaffen. „Als erstes könnte es sein, dass der Tote geflohen war, und sie gehen nicht sehr zimperlich mit Flüchtlingen um. Weiterhin könnte es natürlich auch sein, dass ihnen ihr Versuchsobjekt zu gebraucht war. Heißt, sie hatten es entweder schon so weit gebracht, dass es kurz vor dem Tod stand, oder dass sie ein besseres Exemplar gefunden haben.“ Aaron seufzte. „Ich finde es unglaublich, was für einen guten Ruf diese Klinik in der menschlichen Öffentlichkeit hat.“ Knurrte Damian leise. „Als wäre alles schön und toll. Es ist ja alles nur für die Wissenschaft. Ja, klar.“ Sein Blick nahm etwas lauerndes an, etwas, das wieder bekräftigte, dass er ein Jäger war. Aaron tätschelte ihm die Schulter, was wahrscheinlich beruhigend sein sollte, doch bei seinem Vordermann zeigte es eindeutig keine Wirkung. „Ich weiß, was du meinst, Damian“ sagte Aaron. „Aber du darfst nicht vergessen, dass sie die wahren Taten, die dort passieren, einfach vertuscht werden. Niemand würde je auf die Idee kommen, diese Leute zu kontrollieren. Sie sind froh, wenn Wesen wie wir aus der Welt geschafft sind. Da kann es ja mal passieren, dass ‚auf unerklärliche Weise Übernatürliche wegsterben wie Fliegen’.“ „Ich hasse diese Sekte.“ Antwortete Damian nur finster darauf, und verfiel in düsteres Starren. „Sekte?“ fragte ich überrascht und schaute von einem zum anderen. „Was mich natürlich wieder zurück zu der letzten Vermutung bringt, warum sie jemanden hingerichtet haben.“ Murrte Aaron, anstatt auf meine Reaktion zu antworten. „Sie haben es geopfert.“ Ich konnte ihn nur fassungslos anstarren, bevor ich meine Stimme wieder fand. „Geopfert?!“ keuchte ich. „Warum? An wen?!“ Seine Lippen verzogen sich zu einem grausamen Lächeln. „Warum?“ antwortete er eisig. „Das Opfer ist an ihren so genannten Gott gerichtet. Sie denken, es wäre nur eine ‚Prüfung Gottes’ und durch die Opfer, die sie im da bringen, könnten sie ihn gutmütig stimmen.“ Ich war sprachlos. „Das ist so abartig!“ fauchte Damian. Ich bettete meine Stirn auf meinem Knie. „Das ist doch nicht zu fassen.“ Flüsterte ich den Tränen nahe. „Wie können sie so etwas derart … absurdes behaupten?!“ „Sie sehen sich als Übermacht. Sie sind die Spitze in der Nahrungskette.“ Seufzte Aaron. „Sie denken, sie sind die mächtigsten und können tun und lassen was sie wollen. Doch ihr Problem ist, dass sie nicht realisieren, dass sie nicht mehr die Stärksten auf der Welt sind, dass es Wesen gibt, die ihre Intelligenz und ihre Kraft weit übersteigen.“ Er starrte seine Hand an und ballte sie schließlich zur Faust. „Vielleicht verstehst du jetzt, warum ich unbedingt diese Leute vernichten möchte.“ Schweigend starrte ich den Erdboden an, doch ich verstand ihn wirklich. Man musste diesen Menschen endlich das Handwerk legen. Komme was wolle. Eine zeitlang saßen wir schweigend da, bis ich eine Bewegung aus dem Augenwinkel wahrnahm. Ich schielte zu den beiden Jungs und machte ihnen per Blicken klar, dass hier irgendetwas war. Sie nickten kaum merklich. Während mal wieder ein kleiner Kampf ausbrach, realisierte ich plötzlich, dass diese Kerle im Großen und Ganzen nicht schlecht waren. Und nach der kurzen Zeit machte mir das Zusammensein mit Artgenossen auch nichts mehr aus, ich fühlte mich sogar wohl in ihrer Nähe. Aaron gab mir einen Wink, und ich verlies mit den beiden die Höhle. Wir machten uns sofort auf den kurzen Weg zur Klinik. „Ziehen wir es jetzt sofort durch?“ fragte ich und konnte, dank meiner Verletzung, kaum mit den Beiden mithalten. „Was denkst du denn?“ murrte der ‚Anführer’ unserer kleinen Gruppe, Aaron natürlich, und sah mich von der Seite aus an. „Es ist nicht mehr weit. Geht es mit deinem Bein?“ Ich nickte, auch wenn es eben nicht ging. Aber ich zwar zu stolz, um dies zuzugeben. Er hatte Recht mit seiner Aussage, denn wir liefen nur noch ungefähre 10 Minuten, gefühlte 10 Stunden, und sahen dann ein riesiges Gebäude vor uns. „Es sieht nicht aus wie eine Klinik.“ Sagte ich überrascht. „Warum sollte es auch.“ Schnaubte Damian, der sich an meine linke Seite gestellt hatte. „Es soll ja einladend aussehen.“ Aaron an meiner anderen Seite lachte leise. „Da hast du Recht.“ „Ich hoffe ihr habt einen Plan.“ Zwei irritiert aussehende Blicke richteten sich auf mich. „Ihr habt keinen? Na wunderbar.“ Weiter führten wir diese Konversation gar nicht, denn wir liefen wie auf Kommando los und stürmten dieses Gebäude. Keiner hatte einen Plan, jeder machte einfach das, was er im Moment für richtig hielt. Ich verlor schnell den Überblick in dem Chaos, das unsere Ankunft angerichtet hatte, doch ich wusste was ich machen wollte. Die Gefangenen befreien, oh Entschuldigung, die Patienten. Ich schwang mich über ein Geländer und blieb vor einen Orientierungsschild stehen. Ich spürte Aaron hinter mir, der ebenfalls den Plan studierte. „Ich muss ganz hoch?!“ sagte ich entsetzt und starrte auf die Karte. „Das kann doch nicht ihr ernst sein.“ „Scheinbar doch, meine Liebe.“ Damian kam neben mir zum stehen und schaute uns an. „Noch irgendwelche Fragen oder Probleme? Wenn nein, dann könnten wir loslegen.“ Sagte er mir einem boshaften Lächeln. Noch immer bekam ich davon Gänsehaut. Wieder sprinteten wir los, Seite an Seite, bis wir uns schließlich, oh welch Dramatik, am Ende des Ganges in drei verschiedene aufzuteilen. „Viel Glück, Jungs!“ rief ich ihnen noch hinterher und sah nur noch halb, wie sie beide die Hände zum Gruß hoben. Vor mir hatte sich ein ganzer Haufen von Security angesammelt, alle mit Armbrüsten bewaffnet, von denen ich vermutete, dass sie mit Giftpfeilen bestückt waren. Ich schaltete mein Gehirn soweit ab, dass ich noch klar nachdenken konnte, aber mein Körper von meinen Instinkten gelenkt wurde. Irgendwie unverletzt kam ich an ihnen vorbei ins Treppenhaus und rannte nach oben. Ich vollführte Kunststücke, von denen ich nicht einmal bis zu dem Zeitpunkt wusste, dass ich sie konnte, und kam schließlich, vollkommen erschöpft und etwas lädiert (zum Glück nicht von dem Gift) vor dem Überwachungs- und Steuerungszimmer zum stehen. Kurzerhand öffnete ich die Tür, überrumpelte die Wachmänner und sah mich an einer unmöglichen Herausforderung. Ich wusste nicht welcher Knopf zu welcher Funktion gehörte. Würde ich etwas falschen drücken, könnte ich vielleicht die anderen beiden gefährden. Und es kam dazu, dass sich hinter mir wieder Männer versammelt hatten. In der Unmöglichkeit der Situation und der leichten Verzweiflung drückte ich alle Knöpfe und konnte nur noch hoffen, dass es uns nicht behinderte. Ohrenbetäubender Lärm ertönte aus zahlreichen Lautsprechern und die Männer waren kurzeitig so davon abgelenkt, dass ich so gut wie ungehindert den Raum verlassen konnte.

Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergangen war, seit ich all diese Knöpfe gedrückt hatte, doch der Lärm war nicht verschwunden, er schwoll nur noch mehr an. Viele Gefangene waren an mir vorbei geströmt, viele Feinde waren mir begegnet. Ich hatte viele unangenehme und vielleicht auch gefährliche Verletzungen, blutete teilweise stark und mein Bein hatte auch schon seit geraumer Zeit den Geist aufgegeben. Doch ich musste sie finden. Irgendwas in mir schrie, dass etwas gewaltig schief gegangen war. Ich schleppte mich durch die Korridore, bis ich Damian von weitem am Boden sitzen sah. Von Feinden weit und breit keine Spur. Ich humpelte auf ihn zu, und ließ mich vor ihm nieder. „Damian?“ fragte ich leise. Er reagierte nur schwach. So etwas hatte ich noch nie gesehen, nicht bei unserer Rasse! Ich spürte, wie leichte Panik in mir hochkam und schüttelte ihn leicht an der Schulter. Ein leichtes Murren entwich seinem Mund und er sah leicht auf. Erleichtert seufzte ich und sah ihm tief in die Augen. „Was ist los mit dir? Ist es das Gift?“ „I-Ich w-weiß es nicht..“ flüsterte er. „Es ist nicht das Gift.“ Sagte eine wohlbekannte Stimme hinter mir. „Was ist es dann?“ fragte ich Aaron, der sich neben Damian setzte. Er machte eine weit ausholende Handbewegung. „Die Luft.“ Antwortete er müde lächelnd. „Was denkst du, warum niemand mehr hier ist? Sie haben sich alle verzogen.“ Ich schnupperte, konnte aber nichts riechen. „Was ist das? Ich kann es nicht riechen.“ „Sie haben es speziell für uns entwickelt. Es ist so in etwa, wie das Gift aus den Pfeilen. Nur wie Luft eben.“ Eine Giftmischung aus vielen verschiedenen Gewürzen und Pflanzen brachte uns um. Ich konnte es einfach nicht fassen. „Und warum wirkt es bei Damian schneller?“ Ich setzte mich zwischen die beiden. „Wahrscheinlich war er genau bei dem Auslöser, als sie es freigesetzt hatten.“ Ich spürte wie der Kopf von Damian auf meine Schulter sank und er meinen Geruch einatmete. Es schien ihm wirklich schlecht zu gehen. „Aaron?“ fragte ich leise, als ich auch langsam das Gift spürte. „Mh?“ „Was bedeutet Ewigkeit für dich?“ Ein plötzlicher Luftstoß ließ uns husten. „Ewigkeit bedeutet für mich Leere.“ Keuchte er als Antwort. „Ewigkeit ist das Nichts, etwas, das lange andauert und nie verschwindet.“ „Ist sie unsterblich?“ „Ja, vielleicht.“ „Wir sind von der Ewigkeit beschenkt.“ „Jap.“ „Wir sterben.“ „Scheint so.“ Ich lehnte mich an ihn und Damian rutschte auf meinen Schoß. Er schien kaum noch bei Bewusstsein zu sein. „Irgendwie ist das Ironisch.“ Murmelte ich. „Schon.“ War die einfache Antwort. „Ich konnte dich anfangs nicht leiden.“ Ein leichtes, schmerzhaftes Lachen. „Ich weiß.“ „Du warst komisch und brutal.“ „Das haben alle auch von Damian behauptet.“ „Er ist es ja auch!“ „Du hast ihn nie richtig kennen gelernt.“ „Wie lange w-wart ihr schon zusammen unterwegs?“ „Über ein Jahrzehnt.“ Ich schluckte schwer. „Ich hätte dich gerne besser kennen gelernt, Damian.“ Ich strich ihm sanft über sein Haar und spürte, wie er leicht lächelte. „Euch beide.“ Aaron hatte die Augen geschlossen, atmete nur noch flach. Erst jetzt sah ich die vielen Spritzen, die in seinem Körper steckten. „Warum sagst du denn nichts, Idiot?“ flüsterte ich und zog sie heraus. „Es ist ja eh schon zu spät, also warum sollte ich es noch erwähnen?“ murrte er mit schwacher Stimme und sank dieses Mal gegen meine Schulter. Danach herrschte Stille. Noch ein paar Mal spürte ich Luftzüge, wahrscheinlich wollten sie unseren Tod nur beschleunigen. Wie durch Zufall fand ich einen Block und einen Stift. Wie als würde es die Ewigkeit wollen, dass ich unsere Geschichte festhielt. Aaron erzählte mir etwas über die Zeit, kurz bevor wir uns getroffen hatten, und ich fügte nun den Rest hinzu. Ich wollte, dass es jemand findet, der nicht so war wie diese grausamen Menschen hier. Ich wollte, dass man unsere Geschichte kannte.

Abschriften

Im Großen und Ganzen war unser Leben immer ein Schwindel gewesen. Wir können definitiv, wie wir es schön beweisen, zusammen leben, ohne uns zu bekämpfen und wir mochten uns auch. Vielleicht werden die Jungen unserer Rasse so derart belogen, weil wir nur noch wenige von uns existieren und die meisten von uns gejagt werden. Doch der größte Schwindel in unserer Existenz war, dass die uns geschenkte Unsterblichkeit, die Ewigkeit, nicht ewig oder unsterblich war, so wie es uns gepriesen wurde. Ich sterbe, hier und jetzt, an Gift. Nie hätte ich gedacht, wie es sich anfühlen würde zu sterben, nie habe ich einen Gedanken daran verschwendet, weil ich der Überzeugung war, dass ich nicht sterben kann. Immer habe ich mich von meinen Artgenossen fern gehalten, weil ich dachte, wir würden uns gegenseitig umbringen. Erst Aaron und Damian hatten mir gezeigt, dass es nicht so war. Es ist so traurig und so ironisch. Aaron drückt ein letztes Mal meinen Oberschenkel und schenkt mir ein letztes Lächeln als er stirbt. Er ist der erste, von den Menschen hingestreckt, die die Wahrheit nicht sehen wollten. Grausame, schreckliche Welt. Ich weiß nicht, wieso Damian und ich solange durchhalten. Ich weiß es wirklich nicht, aber es fühlt sich nicht gut an. Seine Augen sind so glasig, er wendet seinen Blick nicht von mir ab. Es wäre eine Lüge, wenn ich ihm sagen würde, dass es bald vorbei sei. Ich weiß nicht, ob die Schmerzen und das Leid nach dem, nach unserem Tod verschwinden wird. Ich habe noch nie darüber nachgedacht. Wieder verwünsche ich unsere Lehrmeister, unsere Priester, unsere Rasse. Warum hatten sie uns das alles verschwiegen? „Ich will nicht sterben.“ Flüstert Damian leise in unsere gemeinsame, schmerzende Stille. Ich glaube, er weint. Alles tut so weh, so verdammt weh. Sterben war kein Zuckerschlecken für jemanden, der so lange Zeit davon überzeugt war, es nicht zu können. Immer wieder waren wir in gefährliche Situationen gelaufen, ohne zu wissen, dass wir nicht unsterblich sind. Ich spüre, wie ich schwächer werde. Ich kann kaum noch den Stift halten. Ich sitze hier in einer Klinik, in der übernatürliche Wesen wie ich auf grausame Weise untersucht werden, weil die Menschen, die angeblichen Herrscher der Welt, glauben wissen zu müssen, wie sie funktionieren. Damit sie auch irgendwann einmal so funktionieren. Gerade musste ich kichern. Alles ist so surreal, so lächerlich. Ich sehe in Damians Augen, dass er gleich nicht mehr leben wird. Ich spüre, dass es auch mit mir zu Ende geht.

Egal wer das hier findet, merkt euch: Die Ewigkeit ist nicht endlos. Auch sie hat irgendwann ein Ende. Auch der Tod musste einmal sterben. Auch die Unsterblichkeit kann dem Tod nicht entrinnen. Irgendwann ist und war alles zu Ende. Und das ist so verdammt real, dass ich darüber lachen muss. Damian runzelt leicht die Stirn, er versteht nicht, was ich so lustig finde. Naja, ein Gutes hat das alles hier: Ich kenne nun die Wahrheit. Und ich denke, ich hatte in meinem Leben noch nie auf so kurze Zeit so eine enge Bindung zu Leuten hergestellt, wie zu Aaron und Damian.
 

Die Ewigkeit endet hier und jetzt.

Möge die Welt irgendwann wieder Frieden finden.
 

ENDE



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