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Mermaid Melody Pretty Love Power

Die dritte Staffel von Mermaid Melody
von

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Die Suche beginnt

Etwas war anders.

Die Dunkelheit, die ihn umfing, war immer noch klamm und modrig, die Wände noch immer verstaubt und voller Spinnweben. Die Ketten, die den Raum durchzogen und schwer und kalt seine Handgelenke umschlossen, waren dieselben. Und doch war etwas anders, das spürte er.

Der Druck, der so schwer auf seinen Schultern gelegen hatte, ihm die Luft zum Atmen genommen hatte, der das ganze Dasein so unerträglich gemacht hatte – er war fort. Er atmete einmal tief durch und genoss das Gefühl, wie die Luft durch seine Lungen strömte. Endlich konnte er wieder klar denken. Langsam richtete er sich auf und spürte, wie die Kraft in all seine Glieder schoss. Ein Lächeln überzog sein Gesicht. Das erste Lächeln seit Jahren.

„Ja... Die Aura Mikerus ist verschwunden… Die Zeit ist gekommen…“, murmelte er und ließ seine Gedanken schweifen. Ja, selbst der Dunst, der seine magischen Kräfte umwabert hatte, war verschwunden. Ich kann endlich…

Leise eine Litanei murmelnd spürte er, wie sich die Magie ausbreitete. Ein lauter Knall ertönte und Rauch und Staub erfüllten das dunkle Verließ, das jahrelang seine unfreiwillige Unterkunft war. Er rieb sich die Handgelenke, die nun ohne Fesseln waren, und stieg über kleine Steinbrocken und am Boden liegende Ketten. Frei.

Er war frei.

Nun kann ich meiner Rache endlich freien Lauf lassen und beweisen, dass ich der wahre Herrscher dieser Welt bin!, dachte er voller bösen Vergnügens. Er spannte seine Flügel aus und spürte, wie herrlich dieses Gefühl war, die eine lederne und die andere federnbesetzte Schwinge auszubreiten. „Nehmt euch in acht und flieht lieber! Denn nun ist meine Magie am Werk!“, rief er und stieß sich vom Boden ab.

Während er hinaus aus dem dunklen Kerker flog hallte sein unheimliches Lachen gespenstisch von den Wänden wider. Er hatte sich aus der Unterdrückung befreit und die Ketten Mikerus abgeschüttelt. Nun hatte die Welt einen neuen, mächtigen Gegner.

Ihn: Seikyo.
 

Zweieinhalb Jahre später:

Leise erklangen die beruhigenden Töne aus der Spieluhr neben ihrem Bett, doch Seira Hanabi konnte nicht einschlafen. Die Angst vor den Albträumen, die sie seit längerem hatte, war zu groß.

„Hoffentlich habe ich nicht schon wieder so einen Albtraum“, murmelte sie und drehte sich auf die Seite. Ein Seufzer entwich ihr und nur mit Mühe hielt sie ihre Augen offen. „Aber aus Angst davor nicht zu schlafen ist auch keine gute Lösung…“ Sie ergab sich ihrer Müdigkeit und schloss die Augen. „Was soll‘s… Wollen wir hoffen… dass…“

Als sie das nächste Mal die Augen öffnete, fand sie sich in einem zerstörten Meerjungfrauenkönigreich wieder. Verwirrt und verängstigt sah sie sich um.

„Wieso ist hier alles so verwüstet und zerstört…? Ich versteh das nicht…“ Beunruhigt schwamm sie etwas umher. „Wo bin ich überhaupt…?“

Ein beklemmendes Gefühl hatte von ihr Besitz genommen. Als sie um eine heruntergekommene Säule schwamm, blieb ihr vor Schreck die Luft weg und Tränen schossen ihr in die Augen. Dann bahnte sich ein von Panik getränkter Schrei den Weg durch ihre Lippen.

„AAHHHHHH! Wa-Was ist hier geschehen?!“ Vor ihr auf dem Meeresgrund lagen die anderen sechs Meerjungfrauenprinzessinnen. Vom Kampf gezeichnet, mit leidenden Gesichtern. Seira konnte nicht einmal sagen, ob sie noch lebten. Heiß liefen ihr die Tränen über die Wangen und sie begann zu schluchzen. „Luchia… Hanon… Rina… Caren… Noel… und auch Coco…“ Ihre Stimme versagte und sie hielt sich die Hand vor den Mund. „Was ist hier geschehen…?“, wimmerte sie. „Und wer…?“

„Du kommst zu spät“, ertönte eine kalte Stimme, die Seira erstarren ließ. „Jede Hoffnung ist vergebens. Trauere ruhig so viel du willst, doch du wirst an dieser Situation nichts mehr ändern können. Doch auch du wirst bald dieses Schicksal erleiden, egal, wie sehr du auch versuchst, es zu verhindern.“

Ein eiskalter Schauer lief Seira über den Rücken, doch sie fasste sich ein Herz und wandte sich um. „Wer bist du und was willst du?“, rief sie entschlossen.

„Das wirst du noch früh genug erfahren, meine Liebe.“ Die Gestalt vor ihr lag im Halbschatten, sodass Seira sie nicht erkennen konnte. Doch die Aura, die die Gestalt umgab, hatte etwas Unheimliches, Bedrohliches. „Dich wird dasselbe Schicksal wie deinen Freundinnen widerfahren, wenn du nicht mit mir kommst. Du solltest dich schnell entscheiden und handeln…“

„Das ist nicht wahr!“, schrie Seira und erneut kamen ihr die Tränen. „Ich werde nicht mit dir mitkommen! Ich werde niemanden im Stich lassen! NIEMANDEN!“

Ein höhnisches Lachen erklang und die Gestalt streckte eine Hand aus. Als sie in das schummrige Licht des Meeres gelangte, sah Seira, dass sie einem jungen Mann gehörte. „Tz, tz, tz… Es wäre wirklich besser für dich… Komm!“

Plötzlich jedoch erfüllte eine warme, Seira nur allzu bekannte Stimme die Szenerie: „Du darfst nicht auf ihn hören, Prinzessin Seira! Du würdest dich nur in ewiges Unglück stürzen! Versuche, gegen ihn zu kämpfen!“ „Aqua Regina…?“, murmelte Seira verwundert. Verschwommen tauchte das Abbild Aqua Reginas vor ihr auf. „Ich werde dir die Kraft geben, ihn zu vertreiben“, sagte sie und ein helles Licht schwebte zwischen ihren Handflächen. „Konzentriere dich, Prinzessin!“ Seira nahm all ihren Mut zusammen und schloss die Augen. Das Licht schwebte auf sie zu und vereinte sich mit dem Licht ihrer orangenen Perle. Immer heller wurde es und erfüllte alles um sie herum.

„Mist, das Licht ist zu grell!“, zischte die Gestalt erbost und wich zurück. „Fürs erste verschwinde ich von hier…“ Als Seira die Augen öffnete, war die Gestalt verschwunden. „Oh, er ist weg!“

„Seira!“ Aqua Regina sah sie durchdringend an. „Dieser Mann ist dein neuer Feind und er ist auf deine Perle aus. Er hat schreckliches damit vor! Du musst die sechs neuen Meerjungfrauenprinzessinnen vor ihm finden und sie beschützen! Nur gemeinsam könnt ihr ihn besiegen! Ich weiß, du kannst es schaffen!“, sagte Aqua Regina und sah Seira bittend an.

„Ich soll das machen?“, fragte Seira ungläubig. „Ich zähle auf dich, orangefarbene Prinzessin!“, sagte Aqua Regina und mit einem Lächeln verschwand sie. „Wartet, Aqua Regina! Ich weiß doch überhaupt nicht, wo ich anfangen soll! Gebt mir einen Hinweis! Wie soll ich sie denn finden?!“ „Du wirst die Prinzessinnen erkennen, wenn du sie siehst“, erklang leise die Stimme der Königin der Meere und mit ihr verschwand das letzte Licht am Meeresgrund.

Seira blinzelte und fuhr hoch. Verwirrt blickte sie sich um und fand sich in ihrem Zimmer wieder. Dann war das alles nur ein Traum…? Sie wartete einige Augenblicke, bis sich ihr Herzschlag beruhigt hatte und sie etwas ihre Gedanken ordnen konnte. Aber wenn Aqua Regina mir erschien… muss er etwas bedeuten… Verwundert und verwirrt murmelte sie ihre neue Aufgabe vor sich hin: „Ich muss sechs neue Prinzessinnen finden…“ Doch schon keimten Zweifel in ihr. „Aber wie soll ich denn sechs neue Prinzessinnen finden? Ohne irgendeinen Anhaltspunkt? Und das, bevor ihnen etwas passiert?! Ich wünschte, jemand würde mir helfen…“ Sie ließ sich in ihre Kissen zurücksinken und wartete auf den Morgen.
 

Eine frische Brise fegte um das Pearl Piari, als sich Seira auf den Weg zur Schule machte. „Ich bin dann mal weg!“, rief sie Rina, Hanon und Luchia zu. „Viel Spaß, und pass auf dich auf!“, gab Luchia zurück und winkte. Seira lief los und ließ sich den Wind durch die Haare wehen.

Wie jeden Morgen dachte sie über ihre jetzige Situation nach. Sie war jetzt vierzehn und vier Jahre waren seit dem Sieg über Mikeru vergangen. Die sechs anderen Prinzessinnen hatten sich entschieden, an Land zu bleiben. Luchia war immer noch mit Kaito zusammen, Hanon war glücklich mit Nagisa und Rina kam ab und zu zu Besuch, da sie mit Hamasaki zusammengezogen war.

Nun ärgerte sie sich. Seit geraumer Zeit verfolgten sie diese Albträume und nun sagte Aqua Regina, dass sie die sechs neuen Prinzessinnen suchen musste. „Aber wieso soll ich denn neue Prinzessinnen suchen, wenn es doch welche gibt?“, murmelte sie, als eine Stimme sie aus ihren Gedanken riss.

„Hi, Seira!“ „Oh, hallo Ming!“ Ming war eine Meerjungfrau aus dem Indischen Ozean, Seiras Reich. Sie war gekommen, um Seira bei ihrer Suche zu unterstützen.

„WAAAS? ALBTRÄUME?!“, rief sie erschrocken, als Seira ihr in der Schule von ihren unruhigen Nächten berichtete. „Ja, jede Nacht.“ „Wenn eine Meerjungfrauenprinzessin solche Träume hat, hat das nichts Gutes zu bedeuten“, tönte Ming. „Ja, schrei noch lauter, dass ich eine Meerjungfrauenprinzessin bin, dann weiß es bald ganz Japan!“, fauchte Seira und Ming zuckte zusammen. „Oh, entschuldige!“ Tränen stiegen ihr in die Augen. „Tut mir leid, ich bin immer so unvorsichtig…“ Seira strich ihr über die Haare. „Nun wein doch nicht gleich. Ist doch nicht so schlimm!“ Ming wischte sich die Tränen ab und sagte strahlend: „Wie schön, dass du mich nicht hasst!“ Als ob ich sie sofort hassen würde…, dachte Seira und schüttelte lächelnd den Kopf.

„Und, was willst du jetzt wegen dem Traum machen?“ „Aqua Regina meinte, ich sollte mich auf die Suche nach den sechs neuen Prinzessinnen machen…“ „Und, was tust du?“, fragte Ming. Entschlossen fasste Seira an ihre Perlenkette: „Ich werte natürlich ihren Worten folgen und mich auf die Suche nach den Prinzessinnen machen, ist doch klar!“ Unvermittelt packte Ming sie am Arm und zeigte mit dem Finger in die Luft. „Gemeinsam werden wir das schaffen!!“, verkündete sie feierlich. Seira lächelte gerührt. „Ach, Ming, was würde ich nur ohne dich machen... Und was wäre ich jetzt nur, wenn du nicht wärest?“ „Wahrscheinlich wärst du die gleiche gute und mächtige Prinzessin, die du jetzt bist“, meinte Ming und strahlte.
 

Zur gleichen Zeit, an einem zwielichtigen Ort in einem gigantischen Palast:

„Wie du weißt, hat sich die orange Prinzessin bereits auf die Suche gemacht…“ Seikyo saß lässig auf einem großen Thron in einem riesigen Saal mit einer kunstvoll gearbeiteten Fensterseite, die von der hohen Decke bis zum Boden und von einem Ende des Saales zum anderen reichte. Gedankenverloren kraulte er ein rothaariges Mädchen mit Katzenohren am Kopf, die vor ihm am Boden kniete und den Kopf auf seinen Schoß gelegt hatte. „Meinst du, du schaffst es, sie rechtzeitig aufzuhalten?“

Das Mädchen brach ihr Schnurren ab und schlug einmal mit ihrem Katzenschwanz durch die Luft. „Keine Sorge, ich werde sie schon für euch fangen“, gurrte sie mit einem liebevollen Blick für ihren Meister und erhob sich. „Gut“, sagte Seikyo und lehnte sich zurück. „Geh und bring sie mir!“ „Ich werde mein Bestes tun“, sagte das Katzenmädchen, verbeugte sich und verschwand. Seikyo stützte sein Kinn auf seine Hand und ein boshaftes Grinsen überzog seine Gesichtszüge.
 

Seira saß mit Ming in ihrer Meerjungfrauengestalt an den Klippen und beobachtete den strahlenden Sonnenuntergang. „Wie hast du dir denn den Anfang der Suche vorgestellt? Ich denke, es wird ziemlich schwer, die sechs Prinzessinnen zu finden….“ Seira seufzte und lehnte sich auf dem Stein, auf dem sie saß, zurück. „Ich weiß es nicht. Bestimmt hatten sie dieselben Träume wie ich also…“ „Wartest du einfach, bis sie zu dir kommen. Das ist auch eine Lösung!“, platzte Ming heraus und lehnte sich ruckartig zu Seira vor.

„Ahh! Schrei nicht so!“, rief Seira und fiel vor Schreck ins Wasser. Ming tauchte ihr hinterher, erneut mit einer Entschuldigung auf den Lippen. „Oh, Seira, es tut mir so leid!!“ Doch bevor Seira etwas dagegen tun konnte, wurde Ming zurück gerissen und in eine große seifenartige Blase eingeschlossen.

Neben ihr stand ein rothaariges Mädchen mit Katzenohren, einem Katzenschwanz, hohen, roten Stiefeln und einem knappen Röckchen. Ihr rotes Oberteil zierte ein goldenes Band, das auch als Schleife um ihren Schwanz gebunden war.

„Wer bist du und was willst du von Ming?!“, brauste Seira auf. „Wer ich bin?“, schnurrte das Mädchen und entblößte ihre scharfen Eckzähne. Auf ihrer Handfläche flackerte eine blutrote Flamme. „Ich bin Ruby. Ich wurde geschickt, um dir ein für alle Mal den Gar aus zu machen!“

„Lass Ming sofort frei, oder du bekommst es mit mir zu tun!“, drohte Seira und ballte die Fäuste. Ruby lachte ein hohes Lachen. „Jetzt bekomme ich aber Angst!“, kicherte sie höhnisch.

„Du hast es nicht anders gewollt!“ Seira spürte, wie die Kraft in ihr wuchs und sie öffnete ihren Perlenanhänger, der ihre kostbare orangene Perle schützte. „Du wirst es bereuen, dich mit mir angelegt zu haben!“ Ihre Perle begann hell zu leuchten.

„ORANGE PEARL VOICE!“, rief Seira und alles wurde in ein orangenes Licht getaucht. Entschlossen griff sie zu ihrem Mikro, dem E-Pitchi, in das gerade ihre Perle eingefügt worden war. Verwundert blickte sie an sich herunter. Das letzte Mal, dass sie gegen das Böse gesungen hatte, hatte ein anderes Kleid sie geziert. „Warum sehe ich so anders aus?“, fragte sie sich und betrachtete das neue E-Pitchi. „Weil du eine neue Kraft der Prinzessinnen in dir trägst, Seira!“, erklang plötzlich Aqua Reginas Stimme, die Seira neuen Mut gab. Ming betrachtete strahlend ihre Freundin, während Ruby irritiert daneben stand.

„Was geht hier vor?!“, fauchte sie. „Voice of Pichi!“, leitete Seira ihr Lied ein und die ersten Töne erklangen. Rubys Miene wurde wutverzerrt und ein heller Feuerschein umhüllte sie. „Glaub‘ ja nicht, dass du mich mit ein paar mickrigen Noten klein bekommst! NIMM DAS!“, schrie sie und schoss einen Flammenstrahl auf Seira zu, der jedoch wie durch ein orangenes Leuchten abgehalten wurde. „Was, ein Schutzschild?!“

Ruby war irritiert, was Seira ausnutzte: „Ich habe dir doch gesagt, es ist ein Fehler!“, rief sie und begann, ihr Lied zu singen. Ruby kauerte sich auf dem Boden zusammen und hielt sich die Ohren zu. „Wie kann ein einfaches Lied nur so wehtun?“, jaulte sie. Das Lied von Seira verklang und Ruby entwich ein gequältes Jaulen. „Na warte, mich hast du nicht zum letzten Mal gesehen!“, rief sie und verschwand.

„Zugabe gefällig?“, fragte Seira vergnügt und eilte zu Ming. „Du hast mich gerettet, DANKE!“, rief diese und fiel ihr um dem Hals. Gemeinsam machten sie sich auf den Weg nach Hause.

„Was passiert, wenn jetzt alles so wie früher wird und Feinde, wie diese Ruby heute, wieder kommen?“, fragte Ming voller Sorge, als sie am Pearl Piari ankamen. Seira wirkte entschlossen: „Keine Sorge, Ming. Ich werde nicht zulassen, dass es so wie früher wird. Gemeinsam mit den anderen Prinzessinnen schaffe ich das!“ „Bei der Suche nach den Prinzessinnen brauchst du aber Hilfe. Gut, dass ich gekommen bin, um dir zu helfen!“, meinte Ming lachend. „Ja, ich danke dir noch einmal!“, gab Seira lachend zurück und ging mit Ming ins Pearl Piari hinein.

So sah sie auch nicht das Mädchen, das hinter dem Baum stand und sie und Ming beobachtet hatte. Verwundert sah es ihnen hinterher und fasste an die rote Perlenkette mit einem Muschelanhänger, die seinen Hals zierte.

Kampf gegen Eis

Seira lächelte siegessicher. Sie hatte ihre Feinde erfolgreich in die Flucht geschlagen. „Ha! Ihr habt wohl gedacht, ihr könntet mich so einfach mitnehmen? Da habt ihr euch geschnitten!“, sagte sie leicht erschöpft und hob die Hand, um sich eine Strähne aus dem Gesicht zu streichen.

Plötzlich schoss etwas Leuchtendes auf sie zu schloss sich um ihr Handgelenk. Eine zähe Masse, die ihren Arm an die Wand hinter ihr klebte. Ein bedrohliches Zischen ertönte und auch ihr anderes Handgelenk und die Füße wurden mit voller Wucht an die Wand geschleudert und festgehalten. Seira keuchte erschrocken auf und blickte auf die leuchtende Masse, die träge um ihre Handgelenke waberte. „Wa-was hat das zu bedeuten?“, stotterte sie und blickte sich hastig um.

Dort, im Halbschatten. Eine Gestalt. Die Sekunden verstrichen und die Gestalt trat ins schummrige Leuchten, das die Masse abgab. Erschrocken blickte Seira auf die Gestalt. „D-du bist doch Ruby?!“, platzte sie heraus und Ruby hob den Kopf. Das Katzenmädchen lächelte heimtückisch und trat mit einem gemeinen Grinsen auf sie zu. In ihren Augen loderte Mordlust und Seira sah etwas aufblitzen.

Mit Schrecken erkannte sie den Gegenstand in der Hand des Katzenmädchens als silbernen, gefährlich schimmernden Dolch. Ruby stieß ein hohes Lachen aus und sprang plötzlich auf Seira zu. Direkt vor ihr blieb sie stehen und lehnte sich gegen Seira. „Deine Tage sind gezählt, Prinzessin!“, schnurrte sie in ihr Ohr und trat einen Schritt zurück. Sie drückte mit ihrer linken Hand gegen Seiras Schulter, die andere umklammerte den Dolch, den sie langsam hob.

Seiras Herz hämmerte immer schneller, drückte gegen ihre Brust, das es schmerzte. Ihr Blick wurde panisch und sie versuchte sich zu rühren, doch sie war wie gelähmt. Wie in Zeitlupe sah sieh den Dolch auf sie niederfahren, als der Schrei sich seinen Weg durch ihre Lippen bahnte. Doch sie hörte nichts, nur das Rauschen ihres Blutes in ihren Ohren und das Hämmern ihres Herzens.

Ruby lachte auf und eine Explosion aus Farben tauchte vor Seiras Augen auf.

Heiß. Schmerz. Unerträglich. Sie spürte, wie das Blut aus ihrer Brust quoll und schrie.

Schrie, schrie, schrie…
 

Ein Knall holte sie in die Wirklichkeit zurück.

„Seira! Seira, ist alles in Ordnung? Warum schreist du so?! Seira?“ Sie hörte die Stimme, doch sie konnte sie nicht zuordnen. Warme Hände fassten ihr an den Rücken und dann spürte und hörte sie einen beruhigenden Herzschlag an ihrem Ohr. Tränen rannen heiß über Seiras Wangen und das Atmen viel ihr schwer. Immer wieder wurde sie von einem Zittern gepackt und verschluckte sich fast an ihrem Schluchzen. „Alles ist okay, meine Süße, alles ist okay…“, murmelte die Stimme beruhigend in Seiras Ohr und eine Hand strich langsam über ihren Rücken. Seira schluckte und atmete tief ein. Sie kannte dieses Geruch, diese Wärme und konnte endlich die sanfte Stimme, die auf sie einredete, zuordnen: Nikola.

Nun nahm sie auch war, wo sie war: Ihr Bett war zerwühlt und sie selbst kauerte schweißgebadet wie ein kleines Kind in Nikolas Armen. Dann wurde ihr bewusst, dass sie nur geträumt hatte.

Bei dem Gedanken an Ruby fing sie wieder an zu schluchzen und ihre Hände krallten sich in Nikolas Oberteil. Sie ließ sich noch ein wenig von Nikola hin und her wiegen und sah zur Tür. Mit besorgtem und ernstem Gesicht stand Rina an den Türrahmen gelegt und sah sie an. Sie macht sich richtig Sorgen um mich, dachte sie und das versetzte ihr einen Stich. Sie wollte keinem zur Last fallen. „Was ist passiert, Seira?“, fragte Nikola sanft, doch Seira hörte die Sorge in ihrer Stimme.

Ihr Herzschlag beschleunigte sich und wieder schossen ihr die Tränen in die Augen. Sie begann bitterlich zu weinen und ihr war, als wäre sie wieder in ihrem Traum gefangen. „Ich… I-ich hab get-t-träumt, ich w-w-würde sterbe-hen… E-es war so f-f-f-furchtbar!“, schluchzte sie und ihre Stimme überschlug sich. „Ich h-halte da nicht mehr a-aus! Nikola!“ „Es war nur ein Traum, mein Schatz, nur ein Traum…“, murmelte Nikola und wiegte sie wieder hin und her. „Nur ein Traum…“ Seira klammerte sich an Nikola, versuchte, vor de Erinnerungen an den furchtbaren Traum zu fliehen. „Mach, dass es aufhört. Ich kann nicht mehr. Mach, das es aufhört!!!“
 

Das Rauschen des Meeres hatte eine Beruhigende Wirkung auf Seira. Als die ersten Sonnenstrahlen über den Horizont geklettert waren, war Seira aufgestanden und hatte sich an den Strand begeben; sie wollte einen klaren Kopf bekommen. Tief in Gedanken versunken schlenderte sie am Wasser entlang. Eine frische Brise zerzauste ihre Haare und sie blieb stehen, um sie zu ordnen.

Auf einmal hörte sie den klaren Gesang eines Mädchens. Wie schön, dachte sie und folgte der Stimme. Als sie um einige Felsen herumging stockte ihr der Atem: Auf einem der Felsen saß eine Meerjungfrau mit rot schillernder Flosse. Ihre langen roten Haare waren zu zwei Zöpfen gebunden, die große goldene Kugeln zierten. Seira sah sie wie gebannt an und starrte auf ihre Halskette. Es war eine Muschel, dessen war sie sich sicher.

Erschrocken versteckte sie sich hinter einem Stein und lehnte sich gegen ihn. Hatte die Muschel Flügel besessen? Wenn ja, dann hatte sie eine Meerjungfrauenprinzessin getroffen. Vielleicht spielen mir meine ohnehin strapazierten Sinne einen Streich, zweifelte sie und kam hinter dem Stein hervor. Der Felsen, auf dem die Meerjungfrau gesessen hatte, war leer. „Oh, jetzt bekomme ich noch Halluzinationen“, seufzte sie. „Ich sollte zur Schule gehen, vielleicht finde ich dort Ablenkung“, sagte sie zu sich selbst und ging weiter. Ein paar Meter von ihr entfernt saß ein Mädchen mit weinroten Haaren und summte vor sich hin.
 

„Hey, Seira! Ich habe gehört, dass wir heute eine neue Klassenkameradin bekommen sollen! Rate mal, was das heißen könnte?“ Ming sprang aufgeregt auf der Stelle vor Seiras Platz in der Schule auf und ab. Seira hob nicht den Kopf, den sie auf den Tisch gelegt hatte. Sonst ließ sie sich immer von Mings guter Laune anstecken, doch heute war es anders.

„Was denn?“, murmelte sie entnervt und kraftlos. „Wenn wir Glück haben, ist es eine der Prinzessinnen! Weiß du nicht mehr? Sie könnten auch zu dir kommen! Und mit etwas Glück ist das neue Mädchen eine von ihnen!“, sagte sie strahlend und zog sich einen Stuhl zu Seira heran. „Ist alles in Ordnung, Seira? Du siehst gar nicht gut aus…“, sagte sie und sah sie besorgt an. „Mir geht es auch nicht gut“, nuschelte Seira in den Tisch und hob den Kopf. Mit müdem Blick sah sie Ming an: „Diese Albträume rauben mir den Schlaf. Und sie werden immer schlimmer. Weißt du, letzte Nacht…“

Sie wurde von ihrer Lehrerin unterbrochen. „Schülerinnen und Schüler, ich möchte euch eine neue Mitschülerin vorstellen!“, sagte sie und schob das Mädchen neben sich etwas nach vorne. Seira war plötzlich hellwach. Das ist doch das Mädchen, das ich heute Morgen am Strang gesehen habe!, dachte sie.

„Hallo! Ich bin Akiko Akai! Aber ihr könnt mich ruhig Akiko nennen“, stellte sich das Mädchen vor. Ming beugte sich zu Seira. „Wenn du sie kennst, sollten wir uns mit ihr treffen“, flüsterte sie. Sie hatte also Seiras Reaktion auf Akiko richtig gedeutet. Seira hielt die Idee für nicht schlecht und freute sich, dass der Neuen der leere Platz neben ihr zugewiesen worden war.

„Hallo“, sagte die Neue freundlich. „Hallo, ich bin Seira Hanabi“, stellte Seira sich vor. Eine kleine Pause entstand und Seira gab sich einen Ruck. „Sag, hast du morgen schon was vor? Wenn du möchtest, könnte ich dir die Schule und die Umgebung zeigen.“ Akiko schien erfreut. „Klar! Warum nicht?“, sagte sie und lächelte.
 

„Ich kann einfach nicht glauben, dass du bei einer solch einfachen Aufgabe versagt hast!“ Seikyos Stimme hallte unwirklich in dem großen Saal wieder. In Gedanken versunken ging er vor der Fensterseite auf und ab. „Bitte, Seikyo-sama!“, rief Ruby verzweifelt. Ihre Niederlage machte ihr schwer zu schaffen und das Seikyo nicht einmal mit ihr schimpfte sondern nur abwertend mit ihr sprach, gab ihr den Rest. „Lasst es mich noch einmal versuchen! Ich werde diese Prinzessin bestimmt fangen! Es war einfach nicht mein Tag! Bitte, Seikyo!“, bettelte sie.

Ein höhnisches Lachen ließ Ruby herumfahren. Hinter ihr stand ein Mädchen mit einer Wolfsrute und den grauen Ohren eines Wolfes. „Du hattest deine Chance, Kitty. Nun bin ich an der Reihe“, sagte sie von oben herab und stupste ihr mit den Zeigefinger gegen die Stirn. Wütend fauchte Ruby auf. „Glaub nicht, dass du es besser kannst, Köter!“ „Im Gegensatz zu dir, kleine Versagerin, werde ich die Prinzessin auf jeden Fall einfangen“, sagte sie und mit einem Ratschen hatte sich ein spitzer und gefährlicher Eisblock zwischen ihren Fingern gebildet. „Schwätzerin“, zischte Ruby und wollte noch etwas hinzufügen, doch Seikyos Blick brachte sie zum Schweigen.

„Dann rede nicht nur, Saphire, sonder geh. Überzeuge mich mit Taten!“, befahlt Seikyo und wandte sich ab. „Mit Vergnügen“, sagte die Wölfin und machte sich auf den Weg.
 

Blubbernd breiteten sich die Seifenblasen im Waschraum aus. Seira, Ming und Luchia hatten ihre Arbeit im Perlenbad erledigt und gönnten sich ein Erholungsbad. „Was ist, wenn Akiko keine Prinzessin ist? Wenn ich mich geirrt habe?“, fragte sich Seira und planschte mit ihrer Flosse im Wasser. „Keine Sorge, Seira. Mein Gefühl sagt mir, dass sie eine Prinzessin ist. Morgen wissen wir mit Sicherheit mehr“, sagte Ming voller Optimismus und pustete noch einige Seifenblasen in die Luft.

„Lass dich einfach nicht von deinem Weg abbringen, Seira“, sagte Luchia und bürstete ihr Haar durch. „Ich habe mich auch nicht beirren lassen. Wenn du jetzt schon schlapp machst, wird das alles nichts. Ich weiß, dass du es schaffen kannst! Ich habe es schließlich auch geschafft.“ „Ja, du hattest ja auch nicht jede Nacht schreckliche Albträume“, murrte Seira. „Wenn du aufgibst, gibt es Probleme“, sagte Luchia ernst und stupste Seira an der Nase. „Okay?“, quiekte Seira erschrocken auf. „Du hast Recht: Wenn ich aufgebe, sind die Prinzessinnen verloren! Jeder noch so kleine Versuch ist es wert!“, sagte Seira laut. „Na also“, murmelte Luchia wie für sich selbst und lächelte leicht.

Plötzlich ging die Tür auf. „Wenn ihr von Prinzessinnen redet, der Perlenradar zeigt etwas an“, sagte Hippo, der kleine Pinguin, schwenkte seinen Perlenradar umher und tappste einfach hinein. Einen Moment war es still und die drei Meerjungfrauen sahen den kleinen Pinguin verdutzt an. „Spanner!“, schrie Luchia und warf ein Handtuch und eine Seife nach dem Pinguin.

„Aua!“, beschwerte sich Hippo. Er hatte draußen warten müssen und sich unfreiwillig in einen Menschen verwandelt. Die drei Meerjungfrauen kamen, nun wieder Menschen und in Bademänteln, aus dem großen Bad. „Verdammt noch mal!“, schimpfte Luchia laut. „Hippo, du lernst es wohl nie! Klopf gefälligst an, wenn du reinkommst!“ „Tut mir ja leid…“, nuschelte Hippo. „Passiert das öfter?“, fragte Ming leise an Seira gewandt, welche nur schwach lächelnd mit dem Kopf nickte.

„Aber der Perlenradar zeigt etwas an! Seiras Verdacht könnte stimmen!“, sagte Hippo, hielt das kleine Gerät hoch und tippte mit dem Finger auf das Display. Luchia schüttelte resignierend den Kopf: „Das Ding hat doch noch nie funktioniert…“ „Vertraut mir einfach! Ich werde morgen mitkommen!“, sagte Hippo voller Überzeugung. „Wir werden diese Prinzessin finden! Komme, was wolle!“
 

Am nächsten Tag wartete Seira nach der Schule auf Akiko. Sie zeigte ihr die Aula, den großen Sportplatz, auf dem die älteren Schüler gerade ein Dodgeball-Match hatten, das angrenzende Schwimmbad, in dem der Schwimmverein trainierte sowie die Kunst- und Musikräume und die Caféteria. „Wow, diese Schule ist ja größer, als ich gedacht habe“, staunte Akiko, als sie die Haupttreppe nach draußen hinuntergingen. „Ja, ich habe mich auch gewundert“, gab Seira zu.

Akiko sah sie erwartungsvoll an: „Und was machen wir jetzt?“ „Ich wollte dich mit ins Perlenbad nehmen.“ „Perlenbad?“, fragte Akiko. „Ich habe davon gehört, aber was ist das?“ Seira erklärte es ihr: „Also, das Pearl Piari ist eine Badeanstalt. Sie ist hier in der Gegend echt beliebt. Meine Tanten arbeiten da, ich verdiene mir da mein Taschengeld hinzu. Dort kannst du wirklich herrliche Bäder nehmen! Ob Dampfbad oder Erholungsbad oder ein Bad voller bunter Seifenblasen…“

Während sie redete, beobachtete Seira Akiko genau. „Also“, stockte diese, „ich bin nicht so dieser Typ Mensch, der sehr gerne Bäder nimmt, tut mir leid!“ Ihre Wangen röteten sich und sie lachte nervös. Sie hat Angst, ins Wasser zu gehen, wenn Leute in der Nähe sind, dachte sich Seira und lächelte. Sie ist bestimmt eine Meerjungfrau! „Äh, also, das Pearl Piari ist nicht nur eine Badeanstalt“, beeilte sie sich zu sagen. „Wir haben auch ein Strandbad! Da gibt es wirklich ganz leckere Cocktails und es ist direkt am Strand. Och bitte, komm doch mit dahin. Da könnte ich dir meine Tanten und Freundinnen vorstellen!“ Akiko zögerte kurz, lächelte dann aber. „Okay, dagegen hab ich nichts. Also, auf zum Strandbad!“
 

„Ist sie das?“ „Ja, das ist sie.“ „Glaubst du, sie ist eine Prinzessin?“ „Ja, habe ich doch schon gestern gesagt.“ „Wirklich?“ „Ja, wirklich.“ „Ganz, ganz sicher?“ „Verdammt, Hippo, ich bin mir sicher!“, brauste Ming auf. „Pssssscht!“, zischte Hippo und zog sie wieder runter. „Hier, guck auf den Perlenradar: Da ist nichts!“, sagte er energisch und hielt Ming das Gerät vor die Nase.

Ein Räuspern war zu hören und Ming und Hippo sahen hoch. Nikola stand vor ihnen und schaute auf sie herab. „Was macht ihr bitte hier unter dem Tresen?“, fragte sie und zog Ming und den menschlichen Hippo am Kragen darunter hervor. „Wir haben hier Hochsaison und ihr solltet lieber helfen die Gäste zu bedienen als Verstecken unter dem Tresen zu spielen!“

„Typisch Hippo: Sich vor der Arbeit drücken“, stichelte Hanon und stellte ein Tablett voller leerer Gläser ab. „Wir rackern hier wie die Doofen und du glotzt nur auf dein Perlenradar. Helfen solltest du uns!“ „A-aber hört mir doch mal zu!“, sagte Hippo und deutete auf Seira und Akiko, die auf das Strandbad zusteuerten.

„Das Mädchen kann unmöglich eine Prinzessin sein! Siehst du? Der Radar zeigt nichts an!“ „Und Seira ist auch keine Prinzessin“, sagte Rina, die gerade hinzugekommen war, kalt und schüttete Orangensaft in ein leeres Glas. „Was?“, riefen die anderen erschrocken. „Ihre Perle wird auch nicht angezeigt.“ Sie stellte das Glas auf das Tablett und ging davon. Dann drehte sie sich noch einmal um. „Hippo, ich an deiner Stelle würde den Radar erst einmal einschalten!“

„Was ist denn hier los?“, fragte Seira grinsend, als sie mit Akiko im Strandbad ankam und ihre Freunde lachend vorfand. „Ach, Hippo ist nur ein kleines Schussel“, lachte Nikola und wuschelte dem Jungen über die Haare. „Oh, der ist aber süß“, murmelte Akiko und grinste, als Hippo sie anstarrte.

„Also, das hier ist meine Tante Nikola, das hier ist Hanon, Ming kennst du ja. Er heißt, wie du mitbekommen hast, Hippo. Dort hinten, die mit den langen Haaren, das ist Rina. Und die Blonde, die auf uns zukommt ist Luchia, Nikolas Schwester, auch meine Tante“, stellte Seira ihre engsten Bekannten vor.

„Hallo, ich bin Akiko Akai“, sagte Akiko und nickte allen zu. „So, steht hier nicht alle rum“, scheuchte Nikola sie auseinander. „Wir haben Gäste, die wollen bedient werden!“ Seira setzte sich an die Bar und bot ihrer neuen Freundin einen Platz neben sich an.

„Du bist also Akiko! Ich bin Luchia Nanami. Nett dich kennen zu lernen!“, sagte Luchia, die ein Tablett auf dem Tresen abstellte. „Ich geb euch einen aus.“ Als Akiko ihren Drink schlürfte, sah sie sich staunend um. „Und hier arbeitest du auch?“, fragte sie ungläubig. „Ja, wenn Luchia, Rina oder Hanon mal nicht können. Rina arbeitet nur ab und zu hier, sie wohnt bei ihrem Freund. Hanon ist oft auf Konzerten. Und Luchia treibt sich oft mit Kaito rum.“ „Wer ist denn Kaito?“

„Hat hier wer meinen Namen erwähnt?“, erklang eine freundliche Stimme und Seira und Akiko wandten sich um. Noch nass vom Meerwasser kam Kaito Domoto die Treppen zur Bar hoch. Wie kleine Kristalle rannen die Wassertropfen an ihm hinunter und die Kette um seine Hals klimperte leise. Er lächelte Seira freundlich zu und winkte. Akiko klappte die Kinnlade herunter.

Bewundert starrte sie auf Kaito, der zielstrebig zu Tresen ging und sich zu Luchia hinüber lehnte. „Mir war so, als hättest du Sehnsucht nach mir, meine kleine Nixe“, sagte er und zog Luchia sanft an einer Haarsträhne näher. „Die habe ich doch immer“, sagte diese leise, rieb ihre Nase an Kaitos und gab ihm einen Kuss.

Seira drehte sich zu Akiko um. „Kaito ist seit 5 Jahren Luchias Freund“, sagte Seira und bemerkte leicht amüsiert Akikos Enttäuschung. Sie hörten Schritte und wandten sich erneut um.

Ein Junge kam die Stufen hoch, ebenfalls nass vom Meerwasser. Langsam perlten sie von seinen Schultern zu deiner nackten Brust hinab. Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare und die Wassertropfen schimmerten im Sonnenlicht in allen Regenbogenfarben. Dann öffnete er die Augen und sah Seira und Akiko mit stechend smaragdgrünen, undurchdringlichen Augen an. Sein Mund verzog sich zu einem kecken Lächeln und er entblößte seine makellosen weißen Zähne. Er gesellte sich zu den Mädchen und lehnte sich neben Akiko an den Tresen.

„Na, Seira, willst du mir nicht deine Freundin vorstellen?“, fragte er und zwinkerte Seira zu. Sie zog die Nase kraus und wurde rot. Mit Widerwillen bemerkte sie, wie gut er roch. „Akiko, das ist Daisuke Ikari, Daisuke, das ist Akiko.“ „Hi, Akiko“, sagte er und schenkte ihr ein umwerfendes Lächeln. Akiko wurde puterrot und musste schlucken. „H-Hi“, stotterte sie und lächelte verkrampft. Sie ließ den Blick über Daisuke schweifen und Seira bemerkte, wie ihr Blick an seinem Oberkörper hängen lieb, an seinen Oberarmen, seinen Haaren und besonders bei seinen Augen. Daisuke schien es zu genießen und schaute mit selbstsicherem Grinsen zu Seira.

Sie mochte seine aufreißerische Art nicht und dass alle Mädchen ihm verfallen waren. Doch auch sie konnte sich dieser Anziehungskraft, die er ausstrahlte, einfach nicht entziehen. Es war einfach unmöglich. Er war zu gutaussehend und zu nett, als das man ihn hassen könnte.

Sie schaute zur Seite und sah Kaito, der mit Luchia turtelte. Ja, auch bei ihm war es damals so gewesen wie bei Daisuke jetzt. Kaito war immer noch beliebt, doch der Andrang der Mädchen hatte nachgelassen, seit alle wussten, dass er mit Luchia glücklich war. Kein Wunder, dass Daisuke genauso ist. Er ist Kaitos Cousin. Zwar nicht der leibliche, aber das ist da wohl egal, dachte Seira und schüttelte den Kopf.

„Ahh, da ist Daisuke!“, rief ein Mädchen und Seira schaute auf. Nicht weit entfernt standen ein paar Mädchen aus ihrer Schule und zeigten auf Daisuke. Sie kamen näher und umringten ihn. „Daisuke, warst du grade wieder surfen?“ „Daisuke, wann ist denn dein nächster Wettkampf?“ „Daisuke, hast du heute Abend schon was vor?“

„Ich muss hier weg“, sagte Seira entnervt, packte Akiko am Arm und schleifte sie hinaus. „Hey, was ist denn los?“, fragte Akiko, immer noch leicht verwirrt. „Dieses dumme Gehabe von den Hühnern geht mir einfach auf die Nerven. Außerdem wollte ich dir sowieso meine Lieblingsbucht zeigen“, lenkte Seira ab und zog Akiko mit sich.
 

„Woooow!“, rief Akiko und blickte nach vorn.

Die untergehende Sonne tauchte die Bucht vor ihnen in ein warmes rötliches Licht. Die Strahlen brachen sich auf der Wasseroberfläche und die Ausläufer des Meeres glichen einem Spiegel, der in allen Farben des Regenbogens erstrahlte. Sanft blies der Wind ihnen entgegen und ließ ihre Haare wie Fahnen leicht flattern. Seira strich sich eine Strähne hinters Ohr und lächelte. Dies war ihr liebster Ort. Wie mit glitzerndem Staub bestrichen funkelten die nassen Felsen um die Bucht, an denen die Gischt empor spritzte. Kleine Muscheln bedeckten den Strand und das Wasser war so klar, dass man die winzigen Krabben und Fischlein am Grund erkennen konnte. Wenn sie alleine war, sang Seira dort und der Klang ihrer Stimme, der von den Felsen zurückgeworfen wurde, war atemberaubend.

Am besten gefiel ihr jedoch die kleine Höhle, die versteckt hinter einigen Felsen lag. Erfüllt von unzähligen Stalaktiten und Stalakmiten, mit leichter Feuchtigkeit an den Wänden wurde diese Höhle von einem geheimnisvollen Leuchten erfüllt, das aus dem Wasser zu kommen schien. Doch dieses Geheimnis wollte sie Akiko erst dann zeigen, wenn sich bestätigte, dass sie eine Meerjungfrauenprinzessin war.

„Diese Aussicht ist einfach wunderschön…“, murmelte Akiko verzaubert und blickte wehmütig auf das Meer. „Ja, es ist wundervoll hier“, stimme Seira ihr mit leichter Melancholie in der Stimme zu.

Plötzlich wurde der Wind um sie herum stärker und der Himmel verdunkelte sich. Bedrohlich verdichteten sich die Wolken zu einer schwarzen Masse und ein lautes Donnerkrachen erfüllte die Luft. Schwer klatschten die Regentropfen herunter, erst wenige, dann immer mehr.

Seira hielt sich die Ohren zu und krümmte sich zusammen, um sich vor dem Wind besser zu schützen. Mit einem Mal riss sie die Augen auf: Wenn sie weiterhin so tatenlos herum stand, würde sie sich in eine Meerjungfrau verwandeln! Hektisch sah sie sich um, doch von Akiko fehlte jede Spur. „Akiko!“, brüllte sie gegen den Wind an, doch sie verstand selbst kaum ihre eigene Stimme.

Dann ertönte ein Wolfsgeheul, das einem einen kalten Schauer über den Rücken jagte und der Regen veränderte sich. Immer härter wurde er und schließlich schossen winzige Eisspitzen vom Himmel herunter. Seira schrie entsetzt auf, als eine Spitze ihr den Arm aufritze.

„Das geht nicht mit rechten Dingen zu“, dachte sie alarmiert und tippte an ihren Perlenanhänger. „Orange Pearl Voice!“, rief sie und fand sich wenige Augenblicke mit ihrem E-Pitchi in den Händen wieder. Erneut erfüllte Wolfsgeheul die Luft. Es klang wie ein Lockruf. „Die Höhle!“, dachte Seira und rannte los. Ihre Füße machten schmatzende und klatschende Geräusche, als sie durch den nassen Sand und das Wasser rannte.

Das Tosen des Sturmes ließ nach, als sie die Höhle betrat, doch eisige Kälte umfing sie. Die Wände waren von einer feinen Schicht aus Eiskristallen bedeckt und das geheimnisvolle bläuliche Licht der Höhle ließ die Wände unwirklich schimmern.

„Willkommen, willkommen.“ Die Stimme ließ Seira herumfahren. Ein Mädchen stand vor ihr. Wie Ruby das Aussehen einer Katze hatte, so hatte dieses Mädchen Gemeinsamkeiten mit einem Wolf. Ihre Wolfsrute zuckte voller Erwartung hin und her und das Mädchen grinste und zeigte dabei ihre spitzen Eckzähne. „Was willst du? Und wer bist du?“, fragte Seira und hielt ihr Mikro fest umklammert. „Eine hübsche orangene Perle hast du da“, überging das Mädchen ihre Frage und ein gieriger Ausdruck trat in ihr Gesicht, als sie Seiras Perle in dem E-Pitchi fixierte.

„Wer bist du?“, wiederholte Seira mit Nachdruck. „Ich bin Saphire“, sagte das Mädchen schlicht und grinste. Sie hob die Hand und eine gefährlich spitze Eisklinge bildete sich mit einem ratschenden Geräusch. „Und du bist mein Opfer!“ Ohne Vorwarnung schleuderte sie die Klinge auf Seira, die erschrocken und mit einem kleinen Schrei auswich.

Ihre Haare wehten und ein paar wenige Strähnen vielen langsam zu Boden. Vor Schreck weitete Seira die Augen. „Dieses Eis ist so spitz, dass es selbst Haare spaltet!“, dachte sie entsetzt. Sie setzte ihr Mikro an die Lippen. „Das wirst du büßen“, murmelte sie und begann voller Kraft ein Lied zu singen. Ihr Gesang erfüllte die kleine Höhle, doch mit einem weiteren Handschlenker ließ Saphire eine Eissäule direkt neben Seira aus dem Boden schießen.

Erschrocken kreischte Seira auf, sprang zur Seite und musste ihren Gesang unterbrechen. Sie stand genau in Saphires Schussbahn. Das Wolfsmädchen grinste und drei Eisklingen surrten durch die Luft, direkt auf Seira zu.

Ein hoher, klarer Ton erklang, füllte die Grotte aus, prallte an den Wänden ab und war allgegenwärtig. Als wenn sie gegen einen Schutzwall geprallt wären fielen die Eisklingen klappernd zu Boden und zerbrachen. „Wer-“, knurrte Saphire und ein rötliches Licht erfüllte die Grotte. Ein Mädchen ging auf Seira zu, ihr Haar von weinroter Farbe, im Gesicht ein warmes Lächeln. Das Leuchten kam von dem E-Pitchi, das sie in der rechten Hand hielt und in dem eine rote Perle eingefasst war.

„A-Akiko?“, murmelte Seira und hoffte inständig, dass sie richtig lag. Akiko nickte, lächelte und streckte Seira ihre freie Hand entgegen: „Komm, lass uns singen!“ Seira ergriff die Hand ihrer Freundin und gemeinsam stimmten sie ein Lied an: „Wir singen nur für dich, höre also gut zu, diese Melodie ist heilig…“

Wütend knurrte Saphire auf und presste die Hände auf die Ohren. „Ihr!“ Die Wände bekamen langsam Risse.

„Die blaue See führt die Vögel an ihr Ziel in der weit entfernten Welt, lasst den Gefühlen freien Lauf, so wie wir es machen! Wir weinen nie, denn wir sind stark und zeigen unseren Mut überall. Wir sind ein Teil des Meeres und schützen es!“

Die Stimmen Akiko und Seiras erfüllten die kleine Grotte vollends und mit einem krachen zerbarst die Kristallschicht an den Wänden und millionen und abermillionen von winzigen Teilchen, die einem Glitzerregen gleich auf die Anwesenden hernieder gingen. Ein qualvolles Jaulen kam aus Saphires Kehle und sie verschwand. Freudig blickten sich Akiko und Seira an: Sie hatten es geschafft! Glücklich fielen sie sich in die Arme.
 

Am Abend saß Akiko mit Seira und den anderen an einem Tisch in dem schon geschlossenen Strandbad. „Hach, das erinnert mich an unsere Zeit als Prinzessinnen im Kampf gegen Gaito und Mikeru“, seufzte Hanon und nippte an ihrem Orangensaft. Seira und Akiko hatten den anderen von dem Kampf gegen Saphire ausführlich erzählt.

„Aber ich verstehe immer noch nicht genau, was wir nun tun müssen“, sagte Akiko und blickte Luchia fragend an. Diese sah zu Nikola. „Nun, dann wird es wohl Zeit, dass ich euch alles erzähle. Aber nicht jetzt. Morgen, meine Prinzessinnen, morgen.“

Das Erbe der Prinzessinnen

Meeresrauschen. Das Kreischen der Möwen. Gemurmel, Gekicher und Gläserklirren.

Es war ein ruhiger Tag im Pearl Piari. Hanon und Rina waren unterwegs mit ihren Freunden, wollten aber abends zu Besuch kommen; Luchia und Kaito waren mit einem Boot auf dem Meer unterwegs; Nikola bediente zusammen mit Hippo die Kunden des Perlenbades, Ming und Seira machten die Bedienung im Strandbad.

Am Nachmittag kam Akiko vorbei und bot ihnen ihre Hilfe an, die die beiden freudig annahmen. Obwohl sie sich erst so kurz kannten, kam es ihnen vor, als würden sie schon seit Jahren befreundet sein. Das Band der Prinzessinnen verband.

Nachdem sie bei Sonnenuntergang die letzten Gäste verabschiedet hatten, begaben sich die drei ins Perlenbad, wo sie schon von Nikola, Luchia, Hanon und Rina erwartet wurden. „Nikola, erzähl uns doch bitte, was wir wissen müssen“, bat Akiko, als sie in dem warmen Wasser saß und ihr Haar durchkämmte. Nikola zögerte und wusch abwesend mit einem Schwamm über ihre Flosse. Hanon seufzte: „Es hat keinen Sinn, Seira weiter in unwissendem zu lassen. Es schadet mehr, als das es hilft!“ Nikola legte den Schwamm bei Seite und begann zu erzählen:
 

„Seit Jahrhunderten werden die sieben Weltmeere von den Meerjungfrauen vor dem Bösen beschützt. Der Arktische Ozean im Norden von Kanada, Europa und Asien; der Pazifische Ozean, vom Westen Amerikas bis zum Osten Asiens und vom Osten Ozeaniens bis zum Westen Südamerikas; der Atlantische Ozean zwischen Europa, Amerika, Südamerika und Afrika; der Indische Ozean im Süden Asiens und vom Osten Afrikas bis zum Westen Ozeaniens; und schließlich der Antarktische Ozean, der die Antarktis umspült.

Jedes Meer hat eine Prinzessin, die für es verantwortlich ist. Dies waren Luchia für den Nordpazifik, Hanon für den Südatlantik, Rina für den Nordatlantik, Coco für den Südpazifik, Noel für den Arktischen Ozean und Caren für den Antarktischen, sowie Sara für den Indischen Ozean.

Vor ihnen gab es unzählige andere Prinzessinnen, die die Verantwortung für ihr Reich trugen. Doch wie es das Schicksal so wollte, wurden einige den Erwartungen nicht gerecht. Ein Beispiel dafür ist die Geschichte der Meerjungfrau Fushubi.“
 

„Fushubi?“, fragte Rina. „Die Meerjungfrau, die in Ungnade fiel?“ Nikola nickte ernst. „Wer ist das?“, fragte Seira und sie, Akiko, Luchia und Hanon schauten dümmlich drein. „Fushubi… sie war…“, begann Rina und verlor sich in der Legende:
 

„Fushubi lebte vor Hunderten vor Jahren. Sie war eine gelbe Meerjungfrau. Fushubi verliebte sich unsterblich in einen jungen Mann aus Neuseeland, doch er zeigte keinerlei Interesse an ihr. Dieser Mann begehrte eine andere Frau, eine Tänzerin, denn ihr Beruf faszinierte ihn und er konnte ihr stundenlang zuschauen.

Fushubi kränkte das, denn ihr Gesang, so dachte sie, würde jeden Mann verzaubern. Doch sie war für ihn einfach uninteressant. Mit allen Mitteln versuchte sie, den Mann an sich zu binden, doch damit trieb sie ihn immer mehr in die Arme der Tänzerin. Doch sie hatte noch eine Sache, die sie interessant machte.

Eines Nachts erzählte der Mann ihr, er habe bei Sonnenuntergang eine Meerjungfrau gesehen, wunderschön und mit einer verführerischen Stimme, die ihm nicht mehr aus dem Kopf ginge. ‚Liebst du diese Meerjungfrau? Ist sie dir wichtiger, als diese Tänzerin?‘, fragte Fushubi ihn. Der Mann blickte zu den Sternen hinauf und antwortete ihr: ‚Wenn ich nicht genau wüsste, dass sie ein Trugbild war, würde ich nach ihr suchen. Sie hat mich verzaubert und mein Herz und mein Geist verzehren sich nach ihr.‘

Fushubi hatte erreicht, was sie wollte, denn sie war ihm den Abend zuvor erschienen. Sie erhob sich und stellte sich vor dem Mann. Unter Tränen erzählte sie ihm, wer sie war: Die Prinzessin des Südpazifiks, die Meerjungfrau, die er erblickt hatte, dass sie ihn liebte und auf ewig mit ihm zusammenleben wollte. Der Mann starrte sie ungläubig an und sosehr er es glauben wollte, er konnte es nicht.

Und so verwandelte sich Fushubi sich vor seinen Augen in eine Meerjungfrau. Der Mann griff nach ihr, wollte sie in die Arme nehmen, sie lieben. Doch bevor er sie zu fassen bekam, löste sich Fushubi in Meeresschaum auf, denn sie hatte das Gesetz gebrochen; sie hatte einem Menschen ihre wahre Identität preisgegeben.“
 

Bedrückte Stille breitete sich in dem großen Badezimmer aus, die nur von dem gelegentlichen Plopp einer zerplatzenden Seifenblase unterbrochen wurde. „Die Liebe geht merkwürdige Wege“, merkte Luchia an.

„Und was passierte dann?“, fragte Ming. „Ja, genau, was ist passiert? Der Südpazifik hatte ja dann keine Prinzessin mehr“, sagte Seira und sah Nikola an. „Doch, er hatte noch eine Prinzessin“, merkte Akiko an und Seira und Ming starrten sie an. „Eine Prinzessin, wie ich es bin.“ Akiko fing Nikolas Blick auf. „Ich habe doch Recht, oder?“, fragte sie unsicher. „Ja, hast du“, sagte Nikola und setzte ihren Bericht fort:
 

„Wie Akiko es gesagt hat: Der Südpazifik blieb nicht ohne Schutz. Bis zu dem Augenblick, in dem sich Fushubi in Schaum auflöste, hatten die zweiten Reiche keine große Bedeutung. Die zweiten Reiche…

Wisst ihr, jedes Weltmeer hat zwei Reiche. Luchia und ihre Freundinnen sind die Hauptprinzessinnen dieser Reiche, sie beschütze ihre Meere. Doch es gibt noch jeweils einen weiteren Palast mit einen kleinen Herrschaftsgebiet in jedem Meer, in dem weitere Meerjungfrauen leben.

Nehmen wir Akiko als Beispiel. Sie kommt aus dem Arktischen Ozean, wie Noel auch. Noel ist die Prinzessin dieses Ozeans, doch an einem anderen Ort gibt es einen weiteren Palast: der Palast der roten Meerjungfrauen. Dort gibt es auch eine Prinzessin, und das ist Akiko. Das ist in allen Weltmeeren so.

Damals, als Fushubi das Gesetz brach, wussten niemand von der Existenz der Zweitreiche, außer den Meerjungfrauen, die dort lebten. Aqua Regina wandte sich an die Prinzessin des Zweitreiches des Südpazifiks, Megumi, und bat sie, die Herrschaft über das Meer für eine gewisse Zeit zu übernehmen.

Die gelben Meerjungfrauen mussten für das Vergehen ihrer Prinzessin büßen; erst dann konnte eine neue Prinzessin geboren werden. Megumi nahm das Amt als neue Prinzessin über den Südpazifik an und herrschte solange über das Meer, bis die gelben Meerjungfrauen bereit waren, ihre Verantwortung wieder zu übernehmen.

Seit diesem Vorfall dienen die Zweitreiche als Hilfe. Sollte eine Prinzessin die Gesetze brechen, durch einen tragischen Unfall sterben, ihr Amt niederlegen oder auf irgendeine andere Weise ausfallen, übernehmen die Prinzessinnen der Zweitreiche die Herrschaft über das ihnen zugehöre Meer.“
 

„Aber Noel ist nicht tot und sie hat kein Gesetz gebrochen“, wandte Seira ein, „und die anderen ebenfalls nicht. Warum soll ich denn dann die Zweitprinzessinnen suchen?“ „Nicht die Zweitprinzessinnen“, sagte Hanon und blickte Seira mit einem verzweifelten Lächeln an. „Ich verstehe nicht“, sagte Seira, und sie tat es wirklich nicht.

Luchia seufzte. „Wir dachten, dass wir dir es später sagen könnten, aber nun muss es wohl so sein. Wir sind keine Prinzessinnen mehr, Seira.“ Seira blickte sie verständnislos an. „Seira, verstehst du nicht? Hanon, Rina, Caren, Noel, Coco und ich haben unsere Ämter nieder gelegt. Wir sind nicht länger Prinzessinnen über die Weltmeere. Wir werden nicht mehr mit dir zusammen singen. Unsere Perlen verloren die Kraft, uns unsere Mikros zu schenken, als wir die Entscheidung trafen, für immer an Land zu bleiben und dem Leben im Meer den Rücken zu kehren.“

„A-aber ihr könnt doch wieder zurückkehren!“, rief Seira verzweifelt aus. Sie wollte es nicht wahrhaben. „Seira“, sagte Rina ernst, „diese Entscheidung ist nicht mehr rückgängig zu machen. Wir werden nie wieder Prinzessinnen über unsere Meere sein.“

Erneut beherrschte die Stille alles. Fassungslos blickte Seira Luchia, Hanon und Rina an. Alle drei hatten einen traurigen Ausdruck auf ihren Gesichtern und lächelten schwach. „Aber wieso?“ Seiras Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. „Weil es sich nicht vermeiden lässt.“ Hanon rückte zu der orangefarbenen Prinzessin und nahm ihre Hände in die ihren.

„Luchia hat mit Kaito ihre große Liebe gefunden. Die beiden haben so viel gemeinsam durchgemacht und seitdem er weiß, wer Luchia wirklich ist, hatte Luchia tief in ihrem Innern schon beschlossen, bei ihm zu bleiben. Und das ist hier, an Land. Sie ist zu weit von ihrer Heimat entfernt, als dass sie ihre Aufgaben weiterhin gut erfüllen könnte. Und das Amt als Prinzessin nimmt sie zu sehr in Anspruch. Ihr Platz ist schon seit Jahren hier, bei Kaito. An Land. Nicht mehr im Meer.“

Seira sah Hanon an und Tränen sammelten sich in ihren Augen. „Aber ihr anderen-“, begann sie, doch Hanon schnitt ihr das Wort ab: „Bei uns ist es genauso. Was meinst du, wie Rina und ich erschrocken waren, als Nagisa und Hamasaki herausgefunden haben, dass wir Meerjungfrauen sind. Wir dachten, wir würden uns in Schaum auflösen, doch da die beiden es von selbst herausgefunden hatten, geschah nichts. Auch wir beide haben unseren Platz in der Welt gefunden, und der ist bei Nagisa und Hamasaki.

Nagisa hat mir bereits vor vier Jahren geschworen, dass er mich immer lieben würde, egal wer ich bin. Auch als Meerjungfrau. Es war keine leichte Entscheidung für mich: Das Meer, meine geliebte Heimat, oder Nagisa. Doch mein Herz sagte mir, dass es richtig ist, sich für Nagisa zu entscheiden.

Und wenn du nach Noel, Caren oder Coco fragst: Auch sie sind hier an Land zufrieden. Coco ist sehr erfolgreich in ihrem Beruf und auch Noel und Caren führen ein erfülltes Leben, fern von ihrer Heimat. Es gibt keinen Grund mehr für uns sechs, zurückzukehren ins Meer. Und da es keine Gefahr gab, vor denen wir das Meer hätten beschützen müssen, wurden auch unsere Perlen schwächer.“

„Wie lange… Wie lange seid ihr schon… Keine Prinzessinnen mehr?“ Seiras Stimme brach beim letzten Teil des Satzes. „Ein Jahr“, sagte Rina. Ein ganzes Jahr… Ein Jahr, und sie haben mir nichts gesagt…, dachte Seira und musste schlucken.

Hanon schien ihre Gedanken zu erraten. „Wir hatten keinen Grund, es dir zu sagen und wir wussten, dass es dich zu sehr mitnehmen würde. Da unsere Perlen langsam an Kraft verloren, trafen wir uns mit Aqua Regina, die uns von den Zweitreichen berichtete. Wir hatten keine Ahnung, dass es sie gab, doch ihre Existenz kam uns sehr gelegen. Wir legten in einer komplizierten Zeremonie unsere Ämter nieder und gaben somit die Herrschaft über die Meere auf.

Dies war vorher nie vorgekommen. Und weil wir dies taten, sind nun unsere eigenen Reiche zurückgestuft worden und die neuen Zweitreiche. Und die neuen Herrscher über die Meere sind neue Prinzessinnen. Sie werden solange die Meere beschützen, bis sie selbst das Amt niederlegen und die Herrschaft an unsere eigenen Reiche zurückfällt. Doch das betrifft uns nicht mehr; wir sechs werden nicht wieder zurückkehren“, sagte Hanon und verstummte.

Mit einer liebevollen Geste strich sie Seira die heißen Tränen, die unaufhaltsam über ihre Wangen rannen, weg. „Weine, nicht, Seira, weine nicht, denn du musst stark sein.“ „Ich will aber nicht stark sein!“, wimmerte Seira und hatte Mühe, das Schluchzen zu unterdrücken. „Ihr seid nicht mehr Prinzessinnen! Ihr… Ihr… Ihr könnt mir nicht mehr helfen! Was soll ich denn ohne euch machen?!“ Hanon nahm sie fest in die Arme und Seira begann unkontrolliert an ihrer Schulter zu schluchzen. Sie war allein. Ohne ihre Freundinnen. Wie sollte sie da gegen Seikyo…?

Eine Hand legte sich auf ihre Schulter und Seira wandte sich um. Mit einem warmen, jedoch auch ernsten Lächeln sah Akiko sie an. „Ich kann dir helfen.“ Seira wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und drehte sich nun richtig zu Akiko um.

„Du bist nicht allein, Seira. Es hat einen Grund, dass es uns gibt, uns neue Prinzessinnen. Ich bin nun schon ein Jahr Herrscherin über den Arktischen Ozean und weiß, wie du dich fühlen musst. Es ist alles neu und unbekannt. Aber du bist nicht allein. Du hast mich. Und fünf weitere Meerjungfrauenprinzessinnen. Wir können es schaffen. Gemeinsam können wir das Böse besiegen. Wenn du daran glaubst.“

Sie hielt Seira ihre Hand hin. Sie hat Recht. Ich bin nicht allein. Seira sah ihre Freundinnen an. Sie sind immer noch da und unterstützen mich. Auch wenn sie nicht mit mir singen. Sie sind da. Und es gibt noch weitere fünf Prinzessinnen, die ich finden muss. Wenn ich sie finde, haben wir eine Chance gegen Seikyo. Ich bin nicht allein. Ich bin stark.

„Wir schaffen es.“ Seira nahm Akikos Hand. „Gemeinsam.“
 

Die Tage verstrichen, ohne dass etwas geschah. Seira hatte das Gespräch über die neuen Prinzessinnen vermieden; sie wollte erst damit klarkommen, dass ihre Freundinnen ihre Ämter niedergelegt hatten, was alle anderen respektierten.

Eine Woche später saß sie in der Küche und Nikola machte gerade Abendessen. „Nikola, weißt du, ob auch der Indische Ozean ein Zweitreich hat?“, fragte Seira unvermittelt. Nikola legte die Kelle zu Seite und wandte sich vom Herd ab. Ihr Blick war von leichter Sorge, als sie Seira eine Gegenfrage stellte: „Wieso fragst du? Willst du dein Amt etwa auch niederlegen?“

„Nein!“, wehrte Seira sofort ab. „Nein, wirklich nicht. Aqua Regina hat mir eine Aufgabe gegeben, und die will ich erfüllen. Außerdem ist mir Akiko zu wichtig geworden. Und ich muss doch Seikyo besiegen. Nein, ich hänge viel zu sehr am Indischen Ozean, als das ich ihn aufgeben würde. Ich wollte es nur aus reiner Neugier wissen, denn ich weiß von keinem.“

„Nun“, begann Nikola, „natürlich hat auch der Indische Ozean ein Zweitreich. Doch dieses Reich bleibt solange verdeckt, bis du dein Amt niederlegst oder durch andere Umstände keine Prinzessin mehr sein kannst.“ Seira dachte kurz nach. „In der Zeit, in der ich noch nicht geboren worden war und Sara schon tot war…“, begann sie zögernd.

Nikola lächelte. „Ja, da wurde der Indische Ozean von einer anderen Prinzessin geschützt: Riyaku, die silberne Meerjungfrau. Und sie hat ihre Aufgabe nicht schlecht gemacht, was meinst du?“, sagte sie zwinkernd. „Ja“, sagte Seira, „sie hat sie wirklich nicht schlecht gemacht. Aber wo ist Riyaku jetzt?“ „Das weiß leider keiner so genau“, sagte Nikola und rührte in einem Topf herum. „Da du jetzt die Macht und Verantwortung über deine Heimat hast, zogen sich die silbernen Meerjungfrauen zurück und bleiben verborgen, bis sie wieder gebraucht werden.“

„Hallo!“, erklang eine Stimme und wenige Augenblicke später stand Akiko in der Tür. „Ich dachte mal, ich besuche euch. Ich hoffe, das ist okay?“, fragte sie und setzte sich neben Seira an den Tisch. „Klar, du kannst gerne bis morgen bleiben“, sagte Nikola und holte ein paar Teller aus dem Schrank. „Ich hoffe mal, dass du Appetit mitgebracht hast“, sagte sie und stellte den Mädchen jeweils einen Teller dampfender Suppe vor die Nase.

Nachdem sie gegessen hatten, wandte sich Seira an Akiko. „Sag mal, Akiko, warum wusste keiner von eurer Existenz?“ Akiko wusste, worauf ihre Freundin hinaus wollte, und lachte. „Wir wurden nicht gebraucht. Also, meine Dienste als Prinzessin wurden nicht gebraucht. Unsere Reiche sind nicht wie die euren an einem festen Ort gebunden gewesen; sie waren beweglich, deshalb wurden wir nicht gefunden. Bei den anderen Zweitreichen ist das genauso.“ „Wie bei Gakuto damals“, murmelte Nikola.

„Moment mal: gewesen?“, fragte Seira. „Ja. Nun, da wir die Herrschaft über die Meere übernommen haben, sind unsere Reiche an einen festen Ort gebunden. Sie sind sozusagen verankert. Und das wird wohl auch so bleiben“, erklärte Akiko. „Und was ist dann mit den Reichen von Noel und den anderen?“, fragte Seira neugierig. Akiko lachte. „Die bleiben da, wo sie waren. Da sie sich noch nie bewegt haben, werden sie das jetzt wohl auch nicht tun.“

Seira stimmte in ihr Lachen ein. „Ich frage mich, ob ich irgendwann auch einmal die silberne Prinzessin meines Zweitreiches treffe“, murmelte Seira gedankenverloren. „Und ich frage mich, wer wohl die anderen Prinzessinnen sind, nach denen wir jetzt suchen müssen“, sagte Akiko. „Das heißt, du weißt auch nicht, wie sie aussehen?“ „Nein, woher sollte ich das auch wissen, Seira? Du bist wirklich etwas schusselig“, neckte Akiko sie.

Beide zogen sich in Seiras Zimmer zurück und kuschelten sich in ihren Pyjamas unter Seiras Bettdecke. „Weißt du, Akiko“, sagte Seira und starrte an die Decke. „Manchmal habe ich Angst.“ „Wovor?“

„Davor, dass ich es nicht schaffe. Ich habe keine Ahnung, wie die anderen aussehen oder wo ich sie suchen könnte. Dass ich dich traf, war wohl eher ein Zufall.“ „Ich glaube nicht“, warf Akiko ein.

Auf Seiras fragenden Blick sagte sie: „Ich habe nach dir gesucht. Eines Morgens wachte ich auf und ich wusste: Du musst los. Ich glaube, Aqua Regina hat zu mir gesprochen. Ich habe mich sofort auf den Weg gemacht. Ich wusste einfach, wohin ich musste. Als ich dann hier in der Nähe war, war das Gefühl zu wissen, was man tut, allerdings weg und ich kam mir so verloren vor. Doch dann habe ich dich mit Ming gesehen und ich fühlte mich irgendwie mit dir… verbunden. Deshalb war ich auch so erleichter, dass du dich mit mir angefreundet hast. Und, dass du eine Prinzessin bist.“

Der Wind heulte laut und übertönte fast die nahen Kirchenglocken, die elf Uhr schlugen. „Oh, es wird wohl gewittern“, sagte Seira und zog sich die Decke bis zum Kinn. Wie als Antwort erhellte sich der Himmel und ein lautes Krachen zerriss die Luft.

Vor Schreck zuckten Akiko und Seira zusammen; dann sahen sie sich an und lachten. „Ich glaube, wir werden bald eine neue Gefährtin finden“, sagte Akiko zuversichtlich. Beide lauschten dem prasselndem Regen, dem Heulen des Windes und dem gelegentlichen Grollen des Donners.

„Ich auch“, sagte Seira. „Ich auch.“
 

Der Blitz erhellte die Umgebung und ließ sie das Meer besser beobachten. Die Wellen auf dem offenen Meer waren riesig und lieferte sich einen Machtkampf, bis sie Gischt spritzend an den Klippen zu Grunde gingen.

Sie hob die Hand und schickte einen weiteren Blitz hinaus, doch wieder sah sieh nichts. Ihr Blick war ernst. Der Donner krachte und sie hörte, wie jemand erschrocken aufschrie. Die Bewohner des Hauses, auf dessen Dach sie saß, hatten Angst vor Gewittern.

Voller Vergnügen ließ sie zwei weitere prachtvolle Blitze zur Erde niederfahren, denen der Donner sogleich folgte. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Bald“, sagte sie zu sich und lauschte dem Getose über dem Meer. „Noch verkriecht ihr euch in eurem Loch“, sagte sie und suchte wieder das Meer ab. „Noch taucht ihr nicht auf, Meerjungfrauen. Aber bald werdet ihr mir in die Falle gehen.“

Sie kicherte. „Ich werde nicht versagen so wie Ruby und Saphire. Wartet es nur ab. Das Kaninchen ist nicht so harmlos, wie es aussieht!“, sagte sie und auf ein Schnippen ihrer Finger erhellte erneut ein Blitz die nächtliche Dunkelheit.



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Kommentare zu dieser Fanfic (4)

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Von: abgemeldet
2010-08-30T09:06:07+00:00 30.08.2010 11:06
Echt super!
Wann gets weiter!?!
Von:  Chan
2009-09-12T18:33:02+00:00 12.09.2009 20:33
Irgendwie tat mir Seira ein wenig leid...
Aber sie hat ja Akiko und die anderen neuen Prinzessinen :-))
Luchia und co. sind ja nicht aus der Welt.
Ich freue mich schon auf das nächste Kapitel.
Von: abgemeldet
2009-08-30T12:00:31+00:00 30.08.2009 14:00
Eure Geschichte ist Super!^ - ^
(Wie ich gelesen habe macht ihr ja Team work.)
Die schreibst sehr einfühlsam man hat wirklich das Gefühl als wäre man Seira!

Was ich dir empfehlen würde wäre die Texte (wenn Dialoge vorkommen) nicht so gigantisch zu lassen. erstens es sieht besser aus, weil jede Rolle ihren Part hat und zweitens es ist angenehmer für die Leser! ^-^

Aber auf jedenfall freue ich mich schon auf Kapitel 4!
Von:  xunmian
2009-08-15T15:17:30+00:00 15.08.2009 17:17
Waaaaahhhh x33
das Kapitel war echt toll =3
ich liebe es, wie du schreibst *3*
ich freu mich schon aufs 2. kapitel x333
*faven tutz*


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