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I'd come for you

Bones - Die Knochenjägerin
von

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Leaving

Hinweis: Ich verdiene kein Geld mit diesen Geschichten und die Charaktere und das Bones-Universum gehören nicht mir. Einzig allein Kacy ist meiner Phantasie entsprungen und gehört mir.
 

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Prolog - Leaving
 

Hatte sie alles? Die junge Frau sah sich suchend um, warf einen Blick in ihren Schrank und dann in ihren Koffer. Ja, anscheinend hatte sie nichts wichtiges vergessen. Rasch schloss sie ihren Koffer und hob ihn vom Bett, zog ihn in den Flur. Wieder sah sie sich um. Sie hasste den Flur am meisten von allen Räumen, er hatte mehr als eine Tür. Sie schluckte. Ganz sicher war sie sich nicht, wann sie das nächste Mal diese Wohnung betreten würde. Vielleicht in ein paar Wochen, ein paar Monaten. Vielleicht schon in zwei Tagen oder gar nicht mehr. Nur zum ausräumen. Sie wusste es nicht. Sie wusste nicht einmal, ob es etwas bringen würde, diese Wohnung zu verlassen. Noch einmal ging sie durch alle Räume. Sämtliche Stecker waren gezogen, die Sicherungen rausgedreht. Sie konnte gehen. Tief Luft holend öffnete sie die Tür und zog hinter sich ihren Koffer aus der Tür, die Umhängetasche baumelte bei jedem Schritt leicht mit. Nachdem sie die Tür abgeschlossen hatte, verstaute sie den Schlüssel in ihrer Tasche und verließ samt Koffer das Haus. Das Taxi stand schon bereit, der Fahrer hob ihren Koffer in den Kofferraum und sie ließ sich auf dem Beifahrersitz nieder. „Zum Flughafen.“, sagte sie knapp und schaute den Fahrer dabei nicht an. Dieser gab Gas und das Auto näherte sich schnell dem Flughafen. Dort angekommen, drückte sie ihm hastig das Geld für die Fahrt in die Hand, nahm ihren Koffer aus dem Gepäckraum und verschwand in den Gebäuden des Flughafens.
 

Gut zwei Stunden später ließ sie sich auf ihren Sitzplatz am Fenster sinken, ihre Tasche hatte sie mit ins Flugzeug nehmen können, der Koffer war hinten im Frachtraum. Sie sah aus dem Fenster. Ihre Familie hätte sie für verrückt erklärt, wenn sie mehr gesagt hätte, warum sie so plötzlich nach Washington musste. Sie hatte die Wahrheit gesagt, aber eben nicht die ganze. Ihre Mutter hätte es nicht verstanden. Aber sie bezweifelte, dass sie jemals eine ihrer Entscheidungen verstanden hatte. Sie holte tief Luft und versuchte sich etwas zu entspannen, doch wirklich gelingen tat es ihr nicht. Er ist ein Mörder. Die junge Frau schüttelte den Kopf. Das konnte nicht sein. Er war kein Mörder, dafür war er viel zu lieb und auch scheu, als das er jemals jemandem etwas antun könnte. Sie schluckte. Nein, er war kein Mörder. Und sie würde das beweisen. Egal, was es kosten würde, sie würde es beweisen. Nun, sie war auch nicht dumm, wenn sie nicht schon einen Anhaltspunkt hätte, würde sie jetzt gewiss nicht in diesem Flugzeug sitzen und darauf warten, dass es endlich abhob. 26 Mal hatte sie hier schon gesessen und jedes Mal hatte sie ein Lächeln auf den Lippen gehabt. Eigentlich bedeutete es fast so etwas wie Urlaub, hier einzusteigen und loszufliegen. Doch diesmal würde es kein Urlaub sein. Und es würde auch niemand am Flughafen stehen und sie abholen.

Die Worte der Stewardessen rauschten an ihr vorbei. Es waren immer die gleichen Worte für den gleichen Flug und fast zur gleichen Zeit. Nein, diesmal nicht. Diesmal war es nicht Freitagabend um 17 Uhr. Es war Montag, 6 Uhr und der Regen hatte begonnen, gegen die Scheibe zu klatschen. In zwei Stunden würde das Flugzeug die 592 Meilen bis nach Washington zurücklegen. Sie lehnte sich zurück. Es würde die richtige Entscheidung sein. Sie würde es nicht bereuen, hier eingestiegen zu sein. Sie würde helfen können. Vor allem ihn. Das Flugzeug hob dröhnen ab, während sie die Augen schloss. Zack.
 


 

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Ja, ich weiß, ein etwas kurzes Kapitel, doch es ist ja auch nur der Prolog und soll schonmal neugierig machen.

Die Neue

Kapitel 1 – Die Neue
 

~drei Wochen später~
 

Manchmal war sie zu berechenbar. Angela stand so, dass sie einen Blick in Bones Büro werfen konnte, diese sie aber noch nicht bemerkte. Sie kannte die Anthropologin schon lange und sie hatte vermutet, dass es so kommen würde. Seitdem sie Zack als Lehrling des Gormogon entlarvt hatten, war Temperance noch schwerer aus dem Institut zu kriegen als normal schon. Als würde sie ihre Zweifel, die Enttäuschung und was noch alles in ihr herumspukte, mit Arbeit überdecken. Gerade war sie dabei, das Dokument auszufüllen, dass die Identität eines Toten bescheinigte und später für den Totenschein gebraucht wurde. Die Überreste lagen noch immer auf dem Tisch der Plattform. Angela schaute auf die Akte in ihren Händen herab und seufzte fast lautlos. Sie wollte gar nicht erst wissen, wie sie darauf reagieren würde, wenn sie hörte, dass Goodman bereits jemand neues eingestellt hatte, der Zacks Platz einnehmen sollte. Wahrscheinlich wusste er genau, warum er Angela diese Nachricht überbringen ließ. Doch sie musste es ihr jetzt sagen, ein Blick auf die Uhr verriet, dass die Neue in 10 Minuten da sein würde und sie wollte es ihr nicht antun, dass sie gleich als erstes einen der seltenen Wutausbrüche von Bones mitbekam. Das wäre unfair. Sie trat auf die halb offene Tür des Büros zu und klopfte an. „Hey Sweeti.“, sagte sie ruhig und sah lächelnd zu Bones, die über den Schreibtisch gebeugt dasaß, nun inne hielt und aufsah. Sie erwiderte das Lächeln und Angela musste zugeben, dass die Anthropologin blass aussah. Sie hatte eindeutig zu viel gearbeitet und zu wenig Ruhe gehabt in den letzten drei Wochen. Doch sie verkniff sich einen Kommentar darüber. „Was gibt es denn, Angela? Braucht Booth wieder jemanden fürs Feld?“, fragte die Brünette, während ihre Augen bereits das Stück gefaltete Pappe mit einigen Blättern dazwischen fixiert hatten. Ihre beste Freundin schüttelte den Kopf und trat näher, legte die Pappakte schließlich auf den Schreibtisch und drehte sie so, dass Bones lesen konnte, was draufstand: Bewerbung F/A-Assistent, K. Hobbes. Ihre Augenbrauen zogen sich leicht verärgert zusammen. „Das….das mit. Er ist gerade mal seit drei Wochen weg und Goodman hat die Stelle schon neu ausgeschrieben?“ Ihre Stimme klang empört und genau das war Temperance auch. Sie wollte keinen Ersatz für Zack, genauso wenig wie Jack einen haben wollte. Die Zeichnerin lächelte beschwichtigend. „Schau doch wenigstens mal rein.“, versuchte sie ihr Gegenüber aufzufordern, doch nur widerwillig griff Temperance schließlich nach dem Pappordner. Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und betrachtete noch mal die Aufschrift, ehe sie den Ordner aufklappte. Den Lebenslauf überflog sie kurz. Einzelkind, Studium in Montreal, ein Doktortitel. Klang relativ normal für jemanden, der sich hier bewarb. Doch das Alter ließ Bones augenblicklich an Zack denken. 24. So alt war er gewesen, als sie ihn eingestellt hatte. Die junge Dame, die sich hier erfolglos beworben hatte, schien also ebenfalls eine der schnellen Sorte zu sein. Zwischen den nächsten Seiten steckte ein Photo. Sie konnte den Blick nicht ganz deuten. Die Bewerberin schien einen anzusehen und doch mit ihren Gedanken woanders zu sein. Nein, sie wollte keinen Ersatz. Temperance klappte den Ordner wieder zu und ließ ihn auf den Tisch klatschen. „Falls sie hier warten sollte, sag ihr, sie kann wieder nach Hause gehen.“ Ihre Stimme klang kühl und noch während sie das sagte, schaute sie schon wieder auf das auszufüllende Dokument. Angela hob ihn vom Tisch auf und seufzte. Sie suchte nach Worten, um ihr zu sagen, dass ihre Ablehnung diesmal kein Gewicht hatte. Doch diese Worte auch auszusprechen, dazu kam sie nicht mehr. „Es tut mir leid, Dr. Brennan. Aber ich werde nicht nach Hause gehen.“, ertönte eine ruhige, weibliche Stimme vom Hauptraum her. Abrupt sah Bones wieder auf, schaute zuerst kurz zu Angela hoch und dann an ihr vorbei zum Hauptraum. Hier hatte nur das Team zutritt, abgesehen von Goodman und Ausnahmen bei Notfällen. Und ohne Pass kam hier auch niemand rein. Schritte waren zu hören, die näher kamen und schließlich trat die junge Frau vom Foto neben der Dunkelhaarigen in Bones Büro. Schon beim ersten Blick wurde klar, dass es sich nicht um die natürliche Haarfarbe von ihr handelte, doch das dunkle Kirschrot schien irgendwie zu ihr zu passen und ließen die grünen Augen noch intensiver als normal wirken. Ihr Gesicht war symmetrisch und sehr eben, etwas, was Bones an diese Fantasiewesen aus Büchern erinnerte. Obwohl 24 noch sehr jung war, schien sie noch jünger auszusehen, beim ersten Mal hätte Temperance es ihr sicher nicht abgenommen, dass sie bereits volljährig war. Die Kleidung, die sie trug war im Gegensatz zu Haar und Augen gänzlich farblos. Der graue Rollkragenpulli wirkte eine Nummer zu groß und ging bis über die schwarze Jeans. Die Anthropologin räusperte sich. „Ich nehme an, sie sind Ms. Hobbes?“, fragte sie, obwohl sie die Antwort schon wusste, immerhin hatte die junge Frau auf die Ablehnung der Bewerbung reagiert. Die Angesprochene nickte und trat einen Schritt näher. „Ja, das bin ich. Ich glaube kaum, dass sie meine Bewerbung wegen mangelnder Qualifikationen ablehnen wollen. Sie wollen keinen neuen Assistenten.“, sagte sie gelassen und verursachte damit bei Bones ein wütendes Schnauben. Die junge Frau war ja überhaupt nicht eitel. Gut, sie musste zugeben, dass ihre Qualifikationen wirklich sehr gut waren, doch ihr zweiter Satz traf ins Schwarze und ließ die Knochenjägerin kurz innerlich stocken. Woher wusste sie das? Es war nicht nach außen getreten, dass das Jeffersonian einen Mitarbeiter an den Gormogon verloren hatte. Erst nach einem kurzen Moment des Schweigens fand sie eine für sich logisch klingende Erklärung: Wahrscheinlich hatte Goodman sie vorgewarnt, dass Bones sie nicht würde haben wollte. „Hören sie, ihre Bemühung ist, so-„, begann sie, doch beendete sie den Satz nicht, denn die Rothaarige hatte nach dem Papporder gegriffen und ihn auf der letzten Seite aufgeschlagen.
 

„Ich fasse es nicht, wie konnte er nur?“ Es war deutlich zu hören, dass die Anthropologin erbost war. Das Team stand mit ihr zusammen auf der Plattform, ohne das diesmal ein Skelett oder zumindest einzelne Knochen auf dem Untersuchungstisch ausgebreitet waren. Auch Jack schien nicht wirklich begeistert von der Idee zu sein, dass jemand neues einfach so eingestellt worden war. Dabei hatte er sie noch gar nicht gesehen, genau wie auch Cam und Booth. Bisher war noch nie so entschieden worden ohne das Team oder zumindest Bones vorher zu fragen. Angela hatte sie noch zurückhalten können, bevor Temperance zu Goodman ins Büro marschieren konnte um ihm die Meinung zu sagen. Cam unterbrach schließlich die Stille. „Seht es doch mal so…wir können dich und Jack nicht ewig mit mehr arbeit belasten. Das Leben geht weiter.“ Weiter sprach sie lieber nicht, denn die Blicke des Laborkönigs und seiner Chefin sprachen Bände. Sie hoch zurückziehend die Hände und verschwand wieder in ihr eigenes Büro. Bones und auch sie selber würden sich so oder so an die Neue gewöhnen müssen. Auch wenn sie selber nicht sehr glücklich damit war, dass bereits nach drei Wochen ein neuer Assistent bereitstand. „Wo ist sie eigentlich?“, fragte Booth und sah sich suchend um. „Ich bin hier.“, antwortete die Rothaarige prompt, während sie in den Hauptraum bog und die kurze Treppe zur Plattform hochstieg. Das war bereits das zweite Mal, dass sie auf eine Aussage reagierte, ohne im Raum zu sein. Bones wurde das Gefühl nicht los, dass die Neue jemand war, der sehr gerne lauschte. Sie gehörte definitiv zur größeren Sorte von Frauen. Ohne Absätze war sie bereits so groß wie Angela mit. Und diese machte nun auch den Anfang. Sie lächelte etwas verhalten und reichte der jungen Frau die Hand. „Hi…ich bin Angela, ich rekonstruiere das Aussehen der Toten.“, sagte sie und übergab an Booth. „Special Agent Seeley Booth vom FBI.“, stellte er sich vor und hatte einen passenden Spruch über seine Aufgabe auf den Lippen, doch ließ es lieber. Auch Camille stellte sich vor, ehe Jack an der Reihe war, denn Bones hatte sie ja bereits im Büro halb offiziell kennengelernt. „Jack Hodgins. Ich arbeite im Labor.“, sagte er knapp und klang dabei, als wollte er klarstellen, dass das Labor sein Territorium war. Die Rothaarige trat einen kleinen Schritt zurück und sah jeden noch mal einen Moment lang an, ehe sie sich selber vorstellte. „Mein Name ist Kassandra Hobbes. Aber ich werde meist nur Kacy genannt.“

Die Leiche

„Dann lass uns gehen. Kacy nimmt den Koffer und die Kleidung.“ Booth zog eine Augenbraue hoch und folgte der Anthropologin mit seinem Blick, wie sie sich vom Labortisch löste und an ihm vorbei in Richtung Ausgang ging. Erst dann wanderte sein Blick zu der neuen Assistentin, die ohne jeglichen Kommentar den Koffer mit der „Feldausrüstung“, wie sie ihn nach zwei Tagen betitelt hatte, nahm und nun ihrer Chefin folgte. Als letztes erreichte der FBI-Agent selber sein Auto, mit welchem er die beiden Frauen zum Tatort fahren würde. Es hätte ihn auch gewundert, wenn nicht irgendjemand wieder über eine Leiche stolpern würde und das passierte nun schon selbst in den absurdesten Situationen, wenn er zurück an den Fall mit dem Mann im Schlammbad dachte. Die Fahrt dort hin dauerte nicht lange und war geprägt vom Schweigen. Auf der einen Seite schien Bones noch immer ziemlich empört über die sehr plötzliche Anstellung der jungen Frau auf der Rückbank und auf der anderen Seite fehlte ihm die Diskussion von Bones und Zack oder eine Frage des Laborkönigs, die wieder einmal seine lebensfremde Art bewiesen hätte. Booth schüttelte leicht den Kopf und musste schmunzelnd daran zurückdenken als er mit Fragen über Sexualität gelöchert worden war. Damals war er ziemlich angenervt davon gewesen, jetzt vermisste er das. Seit einer Woche war Kassandra – oder Kacy, denn auf ihren vollen Namen schien sie meist nicht zu reagieren – nun schon im Jeffersonian und einem Außenstehenden würde es nicht schwer fallen, ein wenig Mitleid mit ihr zu haben. Jack beobachtete jeden ihrer Schritte vor allem in seinen Laborräumen scheinbar sehr genau und es ließ vermuten, dass es niemals eine „Queen of the lab“ geben würde. Nicht einmal eine Prinzessin oder etwas Ähnliches. Und Bones selber schien zwar bemerkt zu haben, dass die Rothaarige ihre Aufgaben bisher alle sehr gut erfüllt hatte, doch wahrscheinlich würde sie sämtliche Schädel von jetzt an wieder in Nachtschichten selber zusammensetzen als diese Aufgabe jemand anderem anzuvertrauen. Wenn es so weitergehen würde, würde er es Kacy nicht verübeln, sollte sie bereits in der nächsten Woche ihre Koffer packen und sich eine andere Stelle suchen. Allerdings würde dann wahrscheinlich eine Reihe von Kurzzeitassistenten folgen, was nur Unruhe bringen würde. In einer wenig befahrenen Seitenstraße hielt er schließlich an und stellte den Motor aus. „Wir sind da, meine Damen.“, meinte er und konnte einen fragenden Blick von hinten und von der Seite spüren. Bones hatte ihn gar nicht erst danach gefragt, um was es sich handelte, weswegen sie nun auch nicht wusste, wo sie suchen sollte. Die Seitenstraße war gepflegt und friedlich, ein sanfter Wind ließ die Blätter der Bäume leise rascheln. Booth stieg aus und deutete auf die Absperrung ein paar Meter weiter. „Das ist ein offener Einstieg in die Kanalisation.“, bemerkte Bones und trat darauf zu. Erst schienen ihr die Polizisten aufzufallen, welche jeweils am Ende der Straße standen und den Zutritt verhinderten. „Wo Menschen Einlass finden, kann auch eine Leiche liegen.“, ertönte es halb aus dem Kofferraum, aus welchem Kacy den Koffer zog und ihn nun zur Absperrung trug. Über den anderen Arm trug sie drei Gummihosen, welche in Gummistiefeln endeten. Meist wurden sie von Anglern verwendet, doch in diesem Fall würden sie gute Dienste bei den Ermittlungen leisten. Ja es gab wahrscheinlich keinen Ort, an dem wohl noch keine Leiche entdeckt worden war. Insofern hatte die Neue Recht mit ihrer Aussage. „Dann gehen wir runter und sehen nach.“, antwortete die Anthropologin, nachdem sie eine der Gummihosen angezogen hatte und schlüpfte unter den Absperrbändern hindurch, machte sich daran, die Metallleiter hinabzusteigen. Die Ruhe der Oberfläche täuschte. Die Kanalgänge wurden von hellen Scheinwerfern erleuchtet, es roch nach Fäkalien und Dreckwasser. Mehrere, zum Teil recht junge Polizeibeamte wateten in ähnlichen Gummihosen durch das kniehohe Abwasser von Washingtons Straßen. Anscheinend war eine ihrer Hauptaufgaben die Ratten vom Tatort fernzuhalten. Während Temperance die Szenerie auf sich wirken ließ, kletterte Booth gefolgt von Kacy die Metallleiter ebenfalls nach unten. Leicht besorgt sah er nach oben und betete dafür, dass die junge Frau den Koffer nicht fallen ließ, er wollte ungern von einem Koffer KO gehauen werden. „Wir müssen da entlang.“, sagte der Special Agent schließlich und lotste die Knochenspezialistin etwa 100 Meter den Gang entlang, bis am rechten Rand eine hohe Kante auftauchte, fast ein wenig wie ein kleiner Bürgersteig, und eine Türöffnung. Die Tür war geöffnet, das verschmutzte und an einigen Stellen bereits verrostete Metall eben dieser schien schon etwas länger vorher nicht mehr berührt worden zu sein. „Was ist das?“, fragte Bones, der beim Anblick der Tür sofort die Schauergeschichten von Krokodilen und verunstalteten, menschenähnlichen Monstern in Kanalisationen einfielen. „Ein Pausenraum. Während des Baus war es mühsam, für ein kleines Päuschen den weiten Weg bis zur letzten Öffnung zurückzugehen, also wurden in regelmäßigen Abständen solche Räume gebaut. Heute haben sie allerdings keinen Nutzen mehr.“, erklärte Booth und trat auf die Kante, deutete in den Raum. Bones tat es ihm gleich, Kacy ebenso. „Versteck deine Leiche da, wo niemand sie vermutet.“ Ihre Äußerungen klangen für den Special Agent ein klein wenig wie eine Anleitung zum perfekten Mord. Vielleicht ihre Art von schrägem Humor, den er in den letzten Jahren bei Wissenschaftlern entdeckt hatte. Der Anblick, der sich den dreien bot, war vielleicht nicht der schlimmste und doch löste er in Bones das Gefühl aus, dass sie lange an diesem Fall sitzen würden. Der Raum war nicht sehr groß. Ungefähr 3x2 Meter von der Grundfläche her. Der Beton der Wände war feucht und schmierig, zum Teil hatten sich grünliche Flächen gebildet und auf dem Boden lag verstreut zerflattertes Zeitungspapier von vor 50 Jahren. Es sah genau so aus, wie man sich ein finsteres Kellerloch in der Kanalisation vorstellte. Die alte Lampe funktionierte noch, flackerte jedoch leicht und verstärkte die modrige Atmosphäre noch. In der linken hinteren Ecke lag das, was Bones eine halbe Stunde später als „Hauptleiche“ bezeichnen würde. Die Überreste einer Person, die schon definitiv etwas länger hier lag. Nur das silberne Kreuz um den verwesten Hals war noch gänzlich intakt und blitzte der Anthropologin entgegen, als sie ihre Taschenlampe darauf hielt. Doch das war noch nicht alles. Auf der kleinen Bodenfläche lagen mehrere Skelette verstreut, die wesentlich stärker verwest waren und selbst für Booth sehr deutlich als Nicht-menschliche Überreste zu identifizieren waren. „Kacy, mach Fotos und dann sammle die Überreste separat ein.“, wies Bones die Rothaarige an, während sie selber einen Schritt auf die Hauptleiche zuging, sich hinhockte und sie näher betrachtete. Eigentlich erwartete der FBI-Agent angesichts ihrer Tonlage einen Kommentar, eine kleine Verteidigung, etwas Trotziges, Irgendetwas von der Neuen, doch diese nickte nur leicht, öffnete den Koffer und begann, die gewünschten Fotos zu schießen. „Verschreckte Laborjungfrau.“, murmelte er leise. Eigentlich so leise, dass er sich sicher gewesen war, dass niemand es hörte. Doch er irrte sich. „Ich bin nicht verschreckt. Ich tue lediglich das, was mir aufgetragen wurde. Das ist mein Job.“ Booth sah die junge Frau an, die nicht von ihrer Arbeit aufgesehen hatte. Sie hatte ihn anscheinend tatsächlich gehört und verstanden. „Abgesehen davon ist mein Sternzeichen Steinbock und nicht Jungfrau.“ Er sah ihr einen Moment lang leicht irritiert auf den Rücken. Immerhin schien sie zu wissen, was Sternzeichen waren, bei Bones war er sich da nicht so sicher, immerhin schrieb man den jeweiligen Sternzeichen Eigenschaften für ihre Träger zu und das war etwas, was in ihrem rationalen Denken keinen Platz hatte. „Das Opfer hat keine größere Gewalteinwirkung erlebt. Die Knochen scheinen nahezu intakt zu sein.“ Die Anthropologin hockte noch immer bei der Leiche, stand jedoch nun auf und warf kurze Blicke auf die anderen Skelette. Sie war sich noch nicht genau sicher, um was genau es sich handelte, doch sie würde es rasch genug im Institut herausfinden. Inzwischen hatte Kacy das Fotografieren beendet und die Kamera wieder verstaut. Während ihre Chefin den engen Tatort verließ und der Special Agent ihr folgte, bat sie einen der jungen Polizisten ihr zu helfen, die Leichen für den Transport vorzubereiten, immerhin sollte nichts kaputt gehen. „Wir warten oben.“, meinte Bones und watete durch das Abwasser zurück zur Leiter nach oben. Booth fand, dass sie entschlossen zu kühl fand, doch er war sich nicht wirklich sicher, ob er das Kacys Anwesenheit oder Zacks Abwesenheit zuschreiben sollte.

E-Mails

Kapitel 3 – E-Mails
 

Ein wenig unentschlossen saß Jack in dem zu niedrig eingestellten Drehstuhl und starrte auf dem Flachbildschirm vor ihm. Er war ohnehin schon nicht der größte, doch an Zacks alten Platz fühlte er sich gerade wie ein Zwerg, wenn er auf dessen Stuhl saß. Definitiv zu niedrig. Er könnte ihn natürlich mit einer einfachen Handbewegung ein Stückchen höher fahren, doch das wollte er nicht. Hier sollte nichts verändert werden. Sweets würde eine solche Aussage jetzt wieder analysieren und ihm raten, dass er seinen alten Kollegen langsam aber sicher überwinden sollte. Er würde nicht wieder kommen. Die Zeit der Experimente und Kappeleien waren vorbei, die meiste Zeit über herrschte Stille in seinem Labor, denn mit der Neuen hatte er bisher kaum ein Wort gewechselt. Meist half sie Dr. Brennan und wenn sie etwas von Jack brauchte, beschränkte sich ihre Wortwahl auf das Nötigste. Nun aber schüttelte er seinen gelockten Kopf ein wenig und vertrieb die Rothaarige aus seinen Gedanken, er hatte schließlich wesentlich wichtigeres zu tun. Nun, wirklich wichtig war es eigentlich nicht und richtig wahrscheinlich erst gar nicht. Er hatte Zacks Privatsphäre bisher immer respektiert, so wie er seine eigene. Doch das Warum hatte ihn bisher nicht losgelassen. Warum hatte sich sein bester Freund Gormogon angeschlossen. Klar, Zack war schon immer etwas weltfremd gewesen und besaß auch keine großartige Sozialkompetenz doch er war gleichzeitig so gutmütig gewesen, er hatte doch nicht einmal seine fleischfressenden Käfer für seine Arbeit töten können. Manchmal dachte Jack daran, dass es eine Verschwörung sein könnte. Doch gegen wen und zu welchem Zweck? Der Lockenkopf war sich bewusst, dass man eigentlich die E-Mails von anderen nicht einfach so durchsuchte. Aber vielleicht würde er eine kleine Antwort erhalten. Zack selber hatte ihm bisher keine gegeben. Und er war bisher jede Woche einmal in der Klinik gewesen um ihn zu besuchen. Vielleicht war er ein Mörder, nein, sehr wahrscheinlich war er ein Mörder. Aber er war auch immer noch Jacks bester Freund.
 

Manchmal überraschte ihn Zacks Naivität immer wieder aufs Neue. Das E-Mail-Programm war ungeschützt, nur der allgemeine Zugriff durch ein Passwort gesichert, welches er jedoch schnell herausgefunden hatte: Uriah24. Etwas mehr Kreativität hatte er schon erwartet. Jack schüttelte den Kopf und klickte auf den Ordner mit abgespeicherten E-Mails. Ob er wirklich mit dem „Meister“ wie er ihn nannte, E-Mails geschrieben hatte? Und ob er sie dann hier abgespeichert hätte? Plötzlich kam Jack seine Idee etwas sehr absurd vor. Doch anscheinend hatte er wirklich einige E-Mails abgespeichert, sie sogar in verschiedenen Ordner abgespeichert. „Naomi“, „Arbeit“ „Doktorarbeit“ und so ähnlich hießen einige der Ordner. In „Naomi“ warf er lieber keinen Blick rein, das wollte er sich wirklich nicht antun. Das vorhandene oder nicht vorhandene Liebesleben interessierte ihn dann doch nicht so sehr. Einer der Ordner erweckte dann aber doch sein Interesse: „KH_Anthro“. Diese merkwürdige Bezeichnung rief zunächst keinerlei Assoziationen in ihm wach. Er öffnete eine der ca. 100 E-Mails und warf einen Blick auf die E-Mail-Adresse: kh_anthro@nhimontreal.ca . Jack blinzelte nachdenklich. Montreal? Wen sollte Zack schon kennen aus Montreal? Allerdings klang die Adresse irgendwie geschäftlich. Und sehr unpersönlich. Die gespeicherten E-Mails erstreckten sich über einen Zeitraum von 1 ½ Jahren bis kurz vor der Sache mit Gormogon. Er warf einen Blick auf die gesamte Mail, welche eine der ältesten zu sein schien:
 

Abs: kh_anthro@nhimontreal.ca

An: z.addy@jeffersonian.com

Betreff: RE: RE: RE: Skelett
 

Hi,

ich hab mir mal die Fotos, die du mir gesendet hattest, genauer angesehen. Deine Vermutungen konnte ich bisher aller bestätigen. Die Spuren passen eindeutig zu einem Katana. Ich habe die Spuren auch mit einigen Knochen aus unserer Sammlung und mit unserem Samurai verglichen, bis auf die natürliche Abweichung gibt es keinen Zweifel. Euer Knochenhaufen hatte also mal eine Begegnung mit einem solchen Schwert. Vielleicht war er also mal in Japan, muss aber nicht sein. Heutzutage kann man schließlich alles über all hintransportieren. Ich hoffe mal, dass dir damit weiterhelfen konnte. Anbei ein paar Fotos von meinen Vergleichen, falls du etwas zum Untermauern deiner Vermutungen brauchst.
 

Liebe Grüße

PS: In drei Wochen findet hier an der Uni ein Vortrag über Roboter und ihre Zukunft statt. Der Dozent scheint sehr angesehen zu sein. Vielleicht hast du ja Interesse.
 

Jack runzelte die Stirn und öffnete die Fotos. Tatsächlich waren nur einige Knochen zu sehen und größere Aufnahmen von den Schnittspuren, die anscheinend ein solches Katana auf ihnen hinterlassen hatte. Er versuchte sich zu erinnern, ob sie einen Fall gehabt hatten, in dem es darum ging. Es war ein kleinerer Fall gewesen, nichts spektakuläres, sie hatten sehr schnell herausgefunden, wer für den Tot des jungen Mannes vor fünf Jahren verantwortlich gewesen war. Tatsächlich hatten die Schwertspuren auf die Spur des Täters geführt. Rasch suchte er eine Mail heraus, welche vor einen paar Monaten versendet worden war:
 

Abs: kh_anthro@nhimontreal.ca

An: z.addy@jeffersonian.com

Betreff: Käfer
 

Hi,
 

das mit den Käfern funktioniert prima. Mein Doc war zwar zuerst ein wenig skeptisch aber sie haben uns gute Dienste geleistet. Ich konnte einen alten Schädel nun vollständig von Geweberückständen befreien. Mit Chemie hätten wir dem alten Stück nur geschadet.

Allerdings möchte ich gar nicht erst vorstellen, was die Käfer machen, wenn sie auf lebendiges Fleisch losgelassen werden. Ein Wunder, dass noch kein Fernsehsender darüber eine Doku gedreht hat. Oder vielleicht ein Horrorfilm. Aber ich schweife ab.

Vielleicht werde ich den Gedanken heute Abend ein wenig weiter ausführen.
 

Liebe Grüße
 

Jack suchte nach einer weiteren E-Mail vom selben Datum, doch es gab keine. Entweder der Schreiber hatte eine gesendet, Zack sie aber nicht gespeichert oder er hatte keine abendliche E-Mail geschrieben. Er las sich ein paar weitere Mails doch, doch es gab keinen Hinweis mehr auf die fleischfressenden Käfer und einen Horrorfilm über sie. Die meisten Nachrichten handelten von irgendwelchen mehr oder minder interessanten anthropologischen oder forensischen Details. Auf den ersten Blick ein rein arbeitstechnischer Kontakt. Doch dafür klang den E-Mails ein doch noch zu persönlicher Unterton bei. Vielleicht würde Jack seinen besten Freund beim nächsten Besuch darauf ansprechen, doch dann müsste er zugeben, seine E-Mails durchsucht zu haben. Leicht schüttelte er den Kopf und fuhr den Rechner runter, denn die rothaarige Assistentin stand im Türrahmen seines Reiches und hielt einige Proberöhrchen mit Gewebe in ihren Händen. „Was ist?“, fragte er mit leicht mürrischem Unterton, obwohl er eigentlich genau wusste, was Kacy von ihm wollte. Die Angesprochene legte den Kopf schief und musterte ihn mit ihren grünen Augen. Er konnte es quasi hören, wie sie innerlich leicht tobte. Ein paar Momente des Schweigens vergingen, ehe sie auf seinen Tisch zutrat und die Proberöhrchen abstellte. „Dr. Brennan sagt, dass du das analysieren sollst.“, sagte sie ruhig und Jack wusste, dass diese Ruhe nur gespielt war. Keine Sekunde später war sie wieder verschwunden und er konnte hören, wie sie sich an einem der kleineren Leichen zu schaffen machte. Anscheinend hatte Temperance sie mit dieser Aufgabe betraut. Und wenn er so ab und zu lauschte, musste er feststellen, dass Kacy anscheinend keine großen Probleme mit dem Identifizieren hatte. Anscheinend waren es alle Hunde, bis auf die Hauptleiche natürlich. Gut, dass es keine Menschenleichen gewesen waren, war selbst für Booth zu erkennen gewesen, doch die Rothaarige hatte inzwischen 4 der 6 Tierleichen als Dackel, Golden Retriever, Schäferhund und Bulldogge identifiziert. Jack dachte kurz nach. Er würde sie noch irgendwie zu einer Reaktion bewegen. Irgendwann musste sie doch zumindest ein wenig austicken, schließlich sah sie eigentlich nicht so aus, als würde sie sich seinen dauerunfreundlichen Bemerkungen noch lange aussetzen. Und er hoffte auf eine Reaktion, auf eine verbale und nicht darauf, dass sie ihre Koffer packen würde. Doch nun musste er sich den Proben widmen, ehe Dr. Brennan noch einen Kommentar bringen würde.

Zeit

Kapitel 4 – Zeit
 

Jack benahm sich merkwürdig. Mit jedem weiteren Besuch wurde dieser Satz in Zacks Gedächtnis mehr untermauert. Dabei konnte er es seinem besten Freund nicht einmal wirklich verübeln. Wer konnte sich gegenüber einem Mörder schon normal verhalten? Selbst wenn die Freundschaft noch so groß war, Zacks vermeintliche Tat hatte zu dunkle Wolken aufziehen lassen. „Sie ist gut. Aber trotzdem.“, hatte Jack abschließend gesagt, nachdem er seinem ehemaligen Arbeitskollegen von der Rothaarigen erzählte hatte, die seinen Platz eingenommen hatte. Natürlich war es ein bedrückendes Gefühl, ersetzt worden zu sein, doch sie würde ihren Job sehr gut machen. Zack wusste es. Sein Wächter hatte ihn wieder in sein Zimmer zurückgeführt, nachdem Jack wieder gegangen war. Auf seinem Tisch lag die Akte, welche er ihm mitgebracht hatte. Sie verursachte ein trauriges Lächeln auf seinen Lippen. Ob der Rest des Teams wusste, dass er über ihre Fälle informiert war? Dass er Jack seine Meinung über die Fälle sagte? Er war sich nicht ganz sicher und der Entomologe hatte auch bisher kein Wort über Wissen oder Unwissen verloren. Knapp 5 Wochen war er nun schon in der psychiatrischen Einrichtung. Er mochte sie nicht wirklich, doch besser als das Gefängnis war es alle mal. Sein bester Freund würde wahrscheinlich recht haben, im Knast würde er keine zwei Tage überleben. Schließlich war er kein – Zack biss sich auf die Lippen – Mörder. Zumindest keiner von diesen Typen, die sie immer gejagt hatten. Der Dunkelhaarige schaute auf die Uhr. 17.48 Uhr. In 12 Minuten würde die Tür aufgehen und das Abendessen kommen. In 42 Minuten würde der Teller wieder abgeholt werden und 2 Minuten später das Glas Wasser mit seiner Schmerztablette kommen. Dann würde es 18.32 Uhr sein. Nach der Einnahme der Tablette würde es ca. 7 Minuten dauern bis der Schmerz seiner Hände wieder schwächer werden würde. Und dann waren es nur noch 21 Minuten. 21 Minuten oder 1260 Sekunden bis zu den 60 Minuten, die er vom Tag am meisten mochte. Sein zweiter Besuch würde kommen. Wie jeden Abend. Kommen, 60 Minuten bleiben und dann wieder gehen. Für ganze 82800 Sekunden. Um 20.30 Uhr würde er dann den Strich auf seinem Kalender machen. Dann war er seit genau 34 Tage in diesem Gebäude. Zack holte tief Luft. Für andere wäre solch eine Rechnerei ein Anzeichen für Verrücktheit sein, doch für ihn war es das genaue Gegenteil. Solange er rechnete und einteilte war er noch normal. Insofern man ihn überhaupt jemand als normal bezeichnen würde. Irgendwie musste er sich die Zeit ja vertreiben. Er hatte noch 11 Minuten Zeit bis zum Essen, also griff er nach der Akte. Jack hatte ihm den bisherigen Verlauf des Falles grob geschildert, besonders weit war das Team noch nicht gekommen. Eine männliche Leiche, ca. 23 Jahre alt, seit 3 Jahren tot. Eingesperrt in der Kanalisation mit 6 Hundeleichen. Keine Gewalteinwirkung auf das Opfer, nur minimale Spuren von Chloroform hatte Jack noch gefunden. Immerhin hatten sie durch frühere Verletzungen, das Gebiss und das silberne Kreuz die Leiche identifizieren können. Jack O’Brannon war Marinesoldat gewesen und vor drei Jahren urplötzlich verschwunden. Suchstaffeln hatten ihn nicht finden können. Kein Wunder, wer suchte schon in der Kanalisation? Zack schaute die Papiere vor ihm genauso ratlos an wie Jack ihn vorhin angesehen hatte. Ein Hinweis auf den Täter, die Todesursache oder eine Art Motiv schien nicht vorhanden zu sein. Der Träger von zwei Doktortiteln zuckte zusammen als er die Pappmappe wieder vorsichtig zusammenklappte. Er schaute auf seine Hände oder vielmehr auf das, was davon übrig geblieben war und nun in zwei schwarzen Stoffhandschuhen steckte. Wobei es eigentlich nur zwei Stoffsäcke waren, nicht einmal Fäustlinge. Sein Arzt schien zuversichtlich. Wenn alles gut verlaufen würde, würde er bis zu 90% der motorischen Fähigkeiten seiner Hände wieder zurückerlangen. Nur fest zugreifen war von vornherein ausgeschlossen worden, ebenso wie zu filigrane Arbeiten. Schädelrekonstruktionen würde er also fortan vergessen können. Zack schüttelte den Kopf. Sämtliche Arbeit würde er vergessen können. „Er verdient es, bis an sein Lebensende eingesperrt zu sein.“ Camilles Worte ertönten wieder in seinem Kopf. Wie Recht sie hatte. Eine andere Möglichkeit gab es nicht. Wer beschäftigte schon einen Mörder? Er schaute wieder auf die Uhr. Noch 180 Sekunden.
 

~Flashback~

Für nur einen Moment hatte er nicht aufgepasst. Ein Moment der gereicht hatte, jemanden nicht auszuweichen und umgerannt zu werden. Zack fiel nach hinten und konnte sich noch rechtzeitig abstützen, ehe sich die Treppen unangenehm in seinen Rücken gebohrt hätten. Seine Tasche war zum Glück nur eine Treppenstufe weiter unter ihm hingefallen, ganz im Gegensatz zu den 3 Büchern, einem Schal und einigen Zetteln. Der Besitz der jungen Frau, die ihn umgerannt hatte, hatte sich auf den Treppen verteilt und sein schnelles Zugreifen verhinderte, dass sich ihr Schal endgültig verabschiedete. „Oh nein…das tut mir leid. Ich muss in Gedanken gewesen sein. Verzeihen sie vielmals.“ Sie klang verlegen und die Röte ihrer Wangen bestätigte, dass es ihr etwas peinlich war. Zumindest lief Angela auch immer rot an, wenn sie verlegen oder peinlich berührt war. Das kam zwar selten vor aber doch wieder so oft, dass Zack es unter sozial-humanen Angewohnheiten abgespeichert hatte. Er zuckte leicht mit den Schultern. „Schon in Ordnung. Die Wahrscheinlichkeit, dass man mit jemandem zusammenstößt ist sehr…..groß.“ Er hatte sich rechtzeitig daran erinnert, dass genaue Werte nicht jeden interessierten. Während die junge Frau ihre Bücher und Zettel wieder einsammelte, stand Zack auf und besah sich kurz den Schal. Er grau und aus weichem Stoff, schien sich gut an die Haut zu schmiegen. „Ich weiß. Erschreckend groß und trotzdem ist es einem jedes Mal aufs Neue peinlich.“ Der Dunkelhaarige blinzelte und schaute sie verwundert an, hielt ihr wortlos dabei den Schal hin. Entweder sie wusste ungefähr, wie groß die erwähnte Wahrscheinlichkeit war oder sie hatte einfach geraten, denn in der Tat stimmte ihre Aussage. Eigentlich konnte die Entschuldigung bei einem Rempler getrost abgeschafft werden. Sie hatte sich den Schal genommen und rasch um den Hals gewickelt, befreite ihre Haare mit einer Handbewegung vom Stoff. Es war kühl draußen und bildete somit einen krassen Gegensatz zu der stickigen Wärme, die in der Bücherei herrschte. Zack schaute auf ihre Bücher. ‚Die ersten Roboter’, ‚Technik der Zukunft’ und ein drittes, dessen Titel er nicht entziffern konnte ohne ihr näher zu kommen. „Auch im Vortrag gewesen?“, fragte er und erhielt ein Nicken als Antwort. „Ja, aber er war langweilig. Die Bücher enthalten mehr Fakten über Roboter als der Professor je kennen wird.“, meinte sie schließlich und ließ Zack damit kurz Schmunzeln. Sie hatte Recht, der Vortrag hatte keinen Satz beinhaltet, den er nicht schon gekannt hatte und somit hatte er den Saal der Bücherei früher verlassen, anscheinend genau wie sie. „Heute ist es wirklich kühl, ich könnte was Warmes vertragen.“ Angesichts von Rock und Strumpfhose war es ihr nicht zu verübeln, dass ihr kalt war. Der Assistent von Dr. Brennan deutete die Straße entlang. „Da vorne gibt es guten Kaffee.“ Die junge Frau nickte. „Ich weiß. Ich gebe einen aus, immerhin ist so eine Bekanntschaft mit Treppen unangenehm.“

~Flashback Ende~
 

Minus 360 Sekunden. Sein Besuch war zu spät. Zack musterte die Uhr. Das Abendessen war in Ordnung gewesen und die Tablette hatte ihre gewünschte Wirkung gezeigt. Entspannt hatte er sich auf seinem Stuhl zurückgelehnt und die 21 Minuten bis 19 Uhr gewartet. Jetzt war es 19.06 Uhr. Das war das erste Mal, dass der Besuch zu spät kam. Vor Zacks Auge rauschte eine Tabelle von Wahrscheinlichkeiten über Unfälle und Ähnliches vorbei. Nein, so etwas war sicherlich nicht eingetroffen. Eine einfache Verspätung. Ein kleiner Stau vielleicht oder ein zu langsam fahrender Taxifahrer. Es gab mehr Gründe für Verspätungen die harmlos waren als unglückliche Verspätungen. Und trotzdem ließen ihn die inzwischen 7 Minuten unruhig auf seinem Stuhl hin und herrutschen. Noch weitere 3 Minuten wartete er, ehe er die wohlbekannten Schritte auf dem Flur hören konnte. Sein Besuch tauchte in der Glastür auf, öffnete diese und trat ein. „Tut mir leid, der Taxifahrer….“ Zack sah auf und erwiderte das Lächeln. Ein Lächeln, dass für jede Wartezeit der Welt entschädigte.

Das Foto

Kapitel 5 – Foto
 

„Und? Haben die Hunde schon etwas Neues gebellt?“, fragte der Special Agent noch während er seine Zugangskarte durch den ID-Kartenleser zog. Die rote Lampe erlöschte und gab den Weg auf die Plattform für ihn frei, wo die rothaarige Assistentin nebst ihrer Chefin ihn leicht irritiert ansah. „Die Hunde bellen nicht. Sie sind tot und das seit drei Jahren.“, sagte Kacy schließlich und verpackte die Überreste des Golden Retrievers in eine Kiste, die fein säuberlich beschriftet war. Booth rollte mit den Augen, anscheinend waren doch alle Wissenschaftler weltfremd, zumindest hatte auch die Neue in ihren ersten zwei Wochen sehr eindrucksvoll bewiesen, dass sie die meisten Dinge wörtlich und nicht metaphorisch aufnahm. Er überlegte einen Moment lang ob er antworten sollte, ließ es dann aber doch, es machte keinen Spaß, wenn der Geneckte ihn nicht verstand. „Also gut. Um es für Labormäuse verständlich auszudrücken: Habt ihr etwas Neues herausgefunden?“ Temperance schüttelte den Kopf und stemmte dabei ihre Hände in die Hüften. „Nein. Nichts. Keine Gewalt, nur ein wenig Chloroform zur Betäubung. Bei den Hunden sieht es ähnlich aus, sie sind wahrscheinlich verhungert.“, antwortete sie und es war ihr deutlich anzusehen, dass ihr es überhaupt nicht passte so im Dunkeln zu tappen. „Gut, dann kann ich dich ja vielleicht ein wenig aufheitern, wenn ich dir eine neue Leiche zeige.“ Seeleys Mundwinkel hatten sich zu einem leichten Schmunzeln verzogen. Bones nickte und zog ihre Latexhandschuhe aus, warf sie in den Mülleimer. „Hoffentlich ist sie weniger frustrierend.“ Mit diesen Worten schnappte sie sich die Feldausrüstung. „Kacy, du bleibst hier und räumst auf, danach kannst du Feierabend machen. Wir sehen uns morgen.“, wies sie ihre Assistentin an und verschwand mit dem Special Agent aus der Abteilung. Die Rothaarige nickte nur leicht und sah den beiden hinterher, machte sich dann daran auch die anderen Überreste in sorgsam beschriftete Kisten zu verpacken. Die Hundeskelette hatten ihren Dienst getan, sämtliche Methoden waren ausprobiert worden, doch nun gab es keine Informationen mehr, die das Team aus den Knochen holen konnte.
 

Leicht irritiert sah Jack seiner Mitarbeiterin hinterher. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass Dr. Brennan jemals einem Mitglied des Teams früher Feierabend gegeben hatte. Allerdings konnte er sich kaum vorstellen, dass es sich um ein Zeichen der Güte handelte, früher gehen zu dürfen. Eher mehr ein Zeichen von….Überflüssigkeit. Er hatte sich noch nie überflüssig gefühlt. Bisher hatte es immer etwas gegeben, das er analysieren konnte, immer hatte er ein kleines Puzzlestück beitragen können zum Gesamtbild. Jack hatte nicht wirklich das Gefühl, dass Kacy überflüssig war. Vielleicht, so musste er es sich eingestehen, war sie in den Köpfen von ihm und Dr. Brennan überflüssig aber ihre Arbeit war es sicherlich nicht. Immerhin hatte sie fast alleine die Hundeleichen identifiziert, während Temperance sich vollständig auf die menschliche Leiche konzentriert hatte. „Schwer am nachdenken?“ Der Entomologe drehte sich um und lächelte, Angela war aus dem Raum des Angelators gekommen und sah ihn mit schief gelegtem Kopf an. Er ging ein paar Schritte auf sie zu und nickte. „Kacy hat Feierabend gemacht?“ Seine Verlobte schien etwas verblüfft. „Freiwillig?“ Jack schüttelte sein gelocktes Haupt. „Nein, Dr. Brennan hat ihr gesagt, dass sie nach Hause gehen soll. Sie und Booth begutachten wahrscheinlich gerade eine neue Leiche.“ Die Künstlerin des Jeffersonian seufzte leise und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. „Habe ich mir irgendwie gedacht. Freiwillig würde sie anscheinend nicht einmal bei Fieber gehen. Sie wäre vorgestern wahrscheinlich noch länger geblieben als ich, wenn ich nicht gesagt hätte, dass sie den Schlaf braucht. Selbst Temperance war schon zuhause.“ Jack erinnerte sich, Angela hatte noch an einem neuen Programm gearbeitet, er selber war schon nach Hause gefahren. „Vielleicht will sie Eindruck machen? Oder sie macht Brennan nach.“ Der Lockenkopf drehte sich um und sah zum Ausgang der Abteilung zurück, hielt einen Moment still und ging dann ein paar Schritte in Richtung der Treppen. Anscheinend hatte Kacy nicht so sorgfältig ausgeräumt, wie sie es sollte, denn normalerweise lag kein Papier auf dem Boden herum. Jack trat noch näher und bückte sich, damit er das Papier aufheben konnte. Er konnte erkennen, dass es kein normales Papier. Es war ein Foto, welches mit der Bildseite nach unten zu Boden gefallen war. Er hielt einen Moment inne. Es konnte keines der Tatortfotos oder ähnliches sein. Das Format war zu klein, die Laborfotos waren fast immer in DIN A4 oder nur wenig kleiner. Das Foto aber vor ihm auf dem Boden hatte die Größe, die man für gewöhnlich in ein Album klebte oder auf Familientreffen herumreichte. Und es war zu verbogen, die Kanten und Ecken leicht abgerundet und geknickt. Es musste ein sehr schönes Foto sein oder eines mit großer Bedeutung, die Abnutzung verriet, dass es oft angesehen wurde. Jack stutze, das Foto konnte nur Kacy gehören, denn Dr. Brennan wäre es beim Verlassen des Labors sofort aufgefallen und auch er hatte vorhin nichts entdeckt als er sich Kaffee geholt hatte. In der unteren, linken Ecke der Fotorückseite war ein Datum gedruckt: 23. Mai 2007. Angela war hinter ihn getreten und sah nun ebenfalls auf das Foto herab, nach welchem Jack nun die Hand ausstreckte um es endgültig aufzuheben. Ihm war bewusst geworden, wie sehr er Wissenschaftler war. Angela hatte sicherlich die ganze Zeit gerätselt, welcher persönliche Moment abgelichtet worden war, welche Erinnerungen in diesem Foto steckten, was genau es so wertvoll machte, dass es immer wieder angesehen und überall mit hingenommen wurde. Er selber hatte nüchtern die Begebenheiten des Papiers analysiert. Ein Wunder das Angela es mit ihm aushielt. Er griff nach dem Foto und drehte es um, brauchte ein paar Millisekunden um den Inhalt des Bildes zu begreifen. „Wow. Wer hätte das gedacht?“ Jack brauchte seine Freundin nicht anzusehen, um sich das breite Grinsen auf ihren Lippen vorstellen zu können. Er spürte es fast. Mit dem Foto in der Hand erhob er sich aus seiner hockenden Position und warf einen zweiten, einen dritten Blick darauf. Dr. Brennan würde aus allen Wolken fallen und Booth herzhaft und laut lachen. Es war ein sehr schönes Bild. Im Hintergrund war eine sorgfältig angelegte und gepflegte Blumenwiese einer Parkanlage zu sehen, ebenso wie ein paar blühende Kirschbäume und der Rest des Weges, der sich durch das Bild schlängelte. Der Himmel war herrlich blau, Jack konnte sich daran erinnern, dass der 23. Mai 2007 ein erstaunlich warmer Tag gewesen war. Aber die schöne Landschaft war gewiss nicht der Grund für den Wert des Fotos, vielmehr die zwei Personen die abgelichtet worden waren. Sie hatten sich für das Foto umarmt und lächelten in die Kamera, vielleicht etwas verlegen aber sehr glücklich. Jack vermutete, dass es von einem dieser Fotografen gemacht worden war, die an schönen Tagen in den Parkanlagen oder anderen Orten für Liebespärchen umherwanderten und abholbare Fotos schossen. Die linke Person war Kacy, niemand konnte das abstreiten. Ihre kirschrot gefärbten Haare fielen eigentlich immer auf und waren wahrscheinlich auch ihr Markenzeichen. Sie trug ein dunkelblaues T-Shirt mit den Strukturformeln einiger wichtiger Moleküle drauf. Jack hatte damit gerechnet, dass sie auf dem Foto zu sehen war, doch mit der zweiten Person ganz und gar nicht. Er hätte 100$ gewettet. Angela schmunzelte noch immer. „Wir haben einen neuen Fall. Solange er nicht mit der O’Brannon-Leiche zusammenhängt.“, ertönte plötzlich Bones Stimme wie aus dem Nichts. Der Entomologe und die Künstlerin zuckten zusammen, schnell steckte er das Foto in eine der Taschen seines Anzuges. Die Anthropologin sollte es lieber erstmal nicht zu Gesicht bekommen.
 

„Weiblich, ungefähr 30 Jahre alt. Noch nicht sehr lange tot. Maximal ein halbes Jahr. Eher weniger.“ Dr. Brennan, Jack, Booth und Angela standen um den toten Frauenkörper herum, den die Polizisten auf den Labortisch gehoben hatten. „Und wo habt ihr sie gefunden?“, fragte Angela, die sich angesichts des Anblicks stark zusammenreißen musste. Sollte sie jemals schwanger werden würde sie wahrscheinlich Urlaub nehmen müssen. Sie konnte sich kaum vorstellen, dass sie den Brechreiz beim Anblick von Leichen dann noch unterdrücken konnte. Nie würde sie sich daran gewöhnen. „In einem leerstehenden Haus. Es wurde lange nicht besichtigt. Der Makler hat die Leiche entdeckt. Sie war in der Badewanne gefesselt.“ Temperance rief die Fotos vom Tatort auf den Bildschirm. Jack zog eine Augenbraue hoch. „Ihr Kopf ist an den Badewannenrand gefesselt worden? Selbst wenn die Wanne maximal mit Wasser gefüllt war, ging es ihr nur bis zu den Lippen. Ertrinken können wir also wahrscheinlich ausschließen.“ Booth nickte. „Also dann Leute. An die Arbeit.“

Die Hummel

Kapitel 6 – Die Hummel
 

„Sieht ziemlich durchweicht aus oder?“, meinte Jack und konnte sich ein kurzes Schmunzeln nicht verkneifen. Er saß an dem kleinen Tisch in Zacks Zimmer der Einrichtung. Diesmal hatten sie ihn auf das Zimmer gehen lassen und seinen besten Freund nicht in den Raum gehört, der ihn stark an die Verhörräume im FBI-Quartier erinnerte. Eine leicht leise brummende Hummel flog schwerfällig durch den Raum, ließ die beiden Doktoren aber in Ruhe. Sein Gegenüber sah langsam von den Fotos der Frauenleiche auf und hinüber zu dem Entomologen. Sein Blick war typisch, irgendwie ein wenig entrückt und kühl aber nicht gänzlich emotionslos. „Dr. Brennan mag es nicht, wenn man menschliche Überreste so bezeichnet.“, antwortete er und hatte dabei diesen regelkundigen Ton drauf, den Jack vor allem dann zu hören bekommen hatte, wenn besagte Anthropologin nicht da war. Der Lockenkopf legte den Kopf schief und sah Zack an als wäre er von vielen Geistern verlassen worden: „Erstens ist sie nicht hier und zweitens mag sie es nicht, wenn du Überreste so nennst.“ Zack schnaubte leise und lehnte sich etwas auf dem Stuhl zurück. Bereits seit vier Tagen dokterte das Team nun schon an der Wasserleiche herum ohne wirklich schlau aus den Ergebnissen zu werden. Wobei Wasserleiche noch nicht ganz der passende Begriff war. Erst am Morgen nach dem Fund war dem Team aufgefallen, dass ihr Körper unterschiedlich aufgequellt war vom Wasser. Mit Angelas Hilfe und den Spuren an der Wanne selber hatten sie auch herausgefunden warum: Die junge Frau war so in die Wanne gefesselt worden, dass sie sich nicht selber befreien konnte, bei voller Wanne jedoch auch nicht ertrunken war. Die Autopsie hatte es bestätigt, es war weder Wasser noch die örtliche Konzentration von Kalk und anderen Verbindungen in der Lunge gefunden worden, die sie im Falle des Ablebens durch Ertrinken hätte aufweisen müssen. Der Körper war nach dem Tod nach und nach aufgequellt, da das Wasser jedoch gleichzeitig verdunstete, waren ihre Beine aufgequollener als ihr Brustkorb. Gleichzeitig war dadurch ihr Brustkorb verwester als ihre Beine. Diese Ergebnisse erklärten den Zustand ihrer Leiche, jedoch noch immer nicht die Todesursache. Weitere Untersuchungen von Bones hatten ergeben, dass wieder außer Chloroform keine anderen Drogen, Chemikalien oder ähnliches vorhanden waren und ihr Verfall und Aufbau ihrer Überreste schlossen Gewalteinwirkungen ebenso wie den Tod durch Verhungern aus. „Es ist zum Verrücktwerden. Zwei verschiedene Leichen, zwei verschiedene Fundorte, zwei verschiedene Leben, die sie führten. Das Einzige, das sie gemeinsam haben ist, dass wir einfach nicht herausbekommen, woran sie gestorben sind.“ Jack klang fast ein wenig resignierend und verscheuchte die Hummel, die ihm nun doch ein wenig zu nahe kam, sie schwirrte zu einer weiteren Umrundung des Zimmers davon. „Dr. Brennan hat die letzten Nächte über kaum geschlafen, weil sie so viel arbeitet. Angela und Booth mussten sie gestern regelrecht nach Hause zerren. Und Angela wirkt selber nicht wirklich glücklich.“ Zack konnte das nachvollziehen. Als er noch ein Teil des Teams gewesen war, hatten sie auch immer alles daran gesetzt, den Täter zu finden, selbst wenn es Nachtschichten oder seltsame Experimente von ihnen abverlangte. Aber jetzt war er kein Teil des Teams und würde auch nie wieder einer sein, so sehr Jack auch irgendwie versuchte ihn an den Fällen zu beteiligen. Die anderen wussten nichts davon. Und gerade konnte er auch nicht helfen. Der kleine Haufen an Informationen, gepresst auf die paar Blätter der Akte vor ihm, lösten keine Assoziationen in ihm aus, verbanden sich nicht zu logischen Erklärungen. Es war keine Matheaufgabe. Es waren keine Spuren auf Knochen die er logisch vergleichen konnte, bis er die Waffe identifiziert hatte. Die Leichen forderten Phantasie, Gedankenausschweifungen, bei denen nicht jeder Gedanke, jedes Wort wissenschaftlich fundiert war. Und genau das war das Gebiet auf dem Zack noch nie gut gewesen war, genaugenommen sogar ein kleiner Versager.
 

„Lass uns über etwas anderes reden.“, sagte Jack, nachdem sie sich eine Weile angeschwiegen hatten. Er klappte die beiden Akten zu und schob sie an den Rand des länglichen Tisches. Es gab noch andere Themen außer die Arbeit über die sie reden konnte. Er kratzte sich kurz am Kinn und Zack bemerkte, wie sein Blick erst nachdenklich und dann ernst wurde. „Sag mal Zack…wir sind von sozialen Standartwerten aus gesehen vielleicht doch etwas von der Bezeichnung von „Besten Freunden“ entfernt, trotzdem bist du mein bester Freund und ich deiner. Hast du mir eigentlich mal schwerwiegende Dinge verschwiegen?“ Der Dunkelhaarige ihm gegenüber verfiel einen Augenblick in wechselndes Mienenspiel, ehe er schließlich bei einem verwunderten Blick stehenblieb, gepaart damit, dass er sich auf die Lippen biss. Er hatte geschwiegen. Er war keine Plaudertasche obwohl er Jack vertraute. Er schaute auf die Uhr: seit 46 Minuten war er hier. Noch 14 blieben übrig. Obwohl es nachvollziehbar gewesen wäre, schien der Entomologe nicht die Sache mit Gormogon zu meinen. Darauf hätte er ihm auch nicht geantwortet, es war ein Thema über das er innerhalb dieses Zimmer äußerst ungern redete. Schon im Allgemeinen ungern aber hier besonders. Jack schien etwas anderes zu meinen und auch hier hatte Zack eine vage Ahnung. Trotzdem seufzte er nur, sagte aber nichts und schaute leicht schuldbewusst zu Boden, was Antwort genug für seinen Kumpel war. Dieser seufzte ebenfalls. „Findest du nicht, dass du wenigstens mit davon hättest erzählen können? Okay, eigentlich bin ich auch derjenige, der die meisten Sprüche bei dem Thema brachte, aber ich hätte mich auch gefreut für dich.“ Zack zuckte leicht, Jack hatte also nicht nur eine Vermutung, anscheinend hatte er einen konkreten Hinweis. Einen Fakt. Wie bei einem ihrer Fälle. Vielleicht hatte er eine Antwort verdient, doch noch bevor der Dunkelhaarige seinen Mund für eine Antwort öffnen konnte, ertönte ein Schrei. Er war kurz, stammte definitiv von einer Frau und vermittelte ebenso deutlich, dass besagte junge Frau in Panik war. Die beiden Männer zuckten zusammen, besonders Zack, der etwas blass geworden war. Keine Sekunde später sprang die angelehnte Tür des winzigen Badezimmers auf, weitere zwei Sekunden später wurde eine Zugangskarte durch den Kartenleser der Zimmertür gezogen, nach fünf Sekunden war die junge Frau aus dem Zimmer verschwunden. Leicht irritiert schaute Jack zur Badezimmertür, langsam und gemächlich kam die Hummel aus dem Bad herausgebrummt, schien von einem plötzlichen Geistesblitz geleitet zu sein. Sie flog fast direkt auf das spaltbreit geöffnete Fenster zu und verschwand in die Natur. Der ehemalige Assistent von Dr. Brennan sank ein wenig auf seinem Stuhl zusammen und fuhr sich mit dem Unterarm über den Haarschopf. „Sie hat Angst vor Hummel und ähnlichen Insekten. Sie hatte früher Feierabend und war deswegen schon hier. Du hast uns ein wenig überrascht.“, gab er zu und schaute dabei zur Uhr. Noch 10 Minuten. „Sie arbeitet bei uns.“ Zack sah schlagartig zu seinem besten Freund, schien geschockt, Jack hingegen verblüfft. „Sie….Kacy arbeitet im Jeffersonian? Seit wann?“ „Seit genau 18 Tagen. Sie hat sich anscheinend beworben für eine Art Ersatzposten für dich. Aber eigentlich wundert es mich, dass sie noch nicht ihre Koffer gepackt hat. Dr. Brennan und….eigentlich auch ich sind nicht wirklich freundlich zu ihr gewesen. Wenn ich gewusst hätte, dass sie deine Freundin ist, dann-„ Zack schluckte. „Aber woher weißt du es dann?“ Wortlos griff Jack in seine Tasche und zog das leicht verknitterte Foto heraus, auf dem Zack und die Rothaarige im Park zu sehen waren und legte es auf den Tisch. „Sie hatte es verloren. Sie war ziemlich geknickt deswegen gewesen. Du hast es im Labor gefunden.“, schlussfolgerte der Dunkelhaarige und erhielt ein Nicken als Antwort. Er holte tief Luft und schüttelte den Kopf. „Es tut mir leid Jack….ich hätte es dir gesagt. Aber ich hab mich nicht bereit dafür gefühlt. Ich meine, dass ist ein ganz neuer Teil des Lebens für mich. Diese ganzen biochemischen Prozesse und wirre Gedanken, die einem dabei durch den Kopf gehen, das ist nicht einfach.“ Jack war inzwischen aufgestanden und neben seinen Kumpel getreten. „Schon in Ordnung Zack. Erzähl mir beim nächsten Mal davon, ja? Immerhin haben wir jetzt ein Thema für das nächste Mal. Wir sehen uns am Wochenende.“ Mit diesen verabschiedete sich der Entomologe von Zack und ging zur Tür, drückte auf den Knopf, damit er rausgelassen wurde. Er hatte keine Zugangskarte. „Jack?“ Der Angesprochene drehte sich noch mal um, schaute etwas fragend aber aufmunternd. “Pass bitte auf sie auf.” Jack grinste: “Klar. Ich werd schon dafür sorgen, dass ihr keine Hummel zu nahe kommt.” Während dieser Worte öffnete der Pfleger die Tür und ließ Jack raus. Zack war wieder alleine. Er schaute zur Uhr. Noch 3550 Sekunden bis zum Abendessen.

Spiegel

Kapitel 7 – Spiegel
 

„Was machst du da, Kacy?“ Jack hatte das eifrige Tippen auf einer Tastatur vernommen und von seinem Magazin aufgesehen, reckte nun seinen Hals etwas zur Seite, um an der großen Topfpflanze vorbei zu der Rothaarigen sehen zu können, die auf dem Sofa eins weiter saß. Sie hat ihren Laptop auf dem Schoß, ihre grünen Augen waren starr auf den Bildschirm gerichtet, während sie in, für ein Zwei-Finger-System, beeindruckender Geschwindigkeit auf die Tastatur einhämmerte. „Ich benutze die humanen Fähigkeiten der Augen-Hand-Koordination um einen Text durch Auslösen von elektrischen Impulsen, bestehend aus 0 und 1, zu erzeugen.“, kam die Antwort nach ein paar Sekunden ohne dass sie dabei aufhörte zu tippen oder ihren Blick abwandte. Der Entomologe verdrehte die Augen. Wie ein Computer funktionierte wusste er selber, das brauchte sie ihm nicht beizubringen. „Das sehe ich.“, gab er zurück und fuhr sich mit der freien Hand durch seine Locken. „Warum fragst du dann?“ Jack schnaubte leicht und schloss für einen Moment die Augen. Kacy hatte eine ähnlich ausgeprägte Begabung wie Zack, ihn leicht sauer zu machen. „Du bist eine Frau, eigentlich besitzt das weibliche Geschlecht doch ein natürlich verankertes Verständnis für indirekte Fragen.“ Leicht schüttelte er den Kopf, während er nach seiner Kaffeetasse griff und einen Schluck zur Beruhigung nach. Unterdessen hatte sie für ein paar Sekunden zu schreiben aufgehört, ihr Blick schien nachdenklich in die Ferne zu schweifen, ehe sie den Laborkönig ansah: „Das ist korrekt. Ich bin weiblich. Allerdings bezweifle ich, dass meine sozialen Fähigkeiten mit denen der neurotypischen Frau übereinstimmen.“ Jack seufzte, sie hatte seinen Aufschlag erfolgreich gekontert, denn sie hatte Recht. Die Rothaarige gehörte eindeutig nicht zu den Kompetentesten was soziales Verhalten anging. „Gut, dann frage ich jetzt verständlicher: Woran schreibst du gerade? Es kann kein Bericht über unsere Badewannennixe sein, schließlich haben wir Mittagspause und sitzen im Pausenbereich, außerdem ist es dein eigener Laptop.“ Abgesehen davon hätte er ihr endgültig den Hals umgedreht, wenn sie nun schon wie Dr. Brennan anfing und die Pausen durcharbeitete. Selbst Zack war regelmäßig gegen Mittag zum Makkaroni Essen verschwunden. Inzwischen hatte wieder angefangen zu schreiben. „Ich schreibe an meiner Doktorarbeit.“ Jack holte tief Luft. Anscheinend musste man ihr gerade jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen. Er äußerte diesen Gedanken jedoch nicht, den Metaphern nahm sie ebenfalls wörtlich und er wollte jetzt nicht noch den großen Sprachkundler mimen. Eine Doktorarbeit. Einen Titel hatte sie schon, in forensischer Anthropologie, genau wie Dr. Brennan und Zack. Letzterer hatte noch einen Titel in Applied Engineering aber bisher hatte die Freundin des zweiten Laborkönigs noch nicht durchscheinen lassen, dass sie ebenfallstechnisch begabt war. Gut, da waren die Vorlesungen über Roboter, die sie regelmäßig in den E-Mails erwähnt hatte (Jack konnte schließlich eins und eins zusammenzählen und war sich ziemlich sicher, dass Kacy zur besagten E-Mail-Adresse aus Kanada gehörte), aber er vermutete, dass es sich dabei erstens um Gründe handelte um Zack zu treffen und zweitens um ein zeitlich begrenztes Interesse. Er kannte das, sobald man genügend Informationen über ein Thema gespeichert hatte, suchte man sich das nächste. Er grübelte weiter, in seinen Fachgebieten schien sich ihre Arbeit auch nicht zu bewegen, um alles was surrte und summte machte sie gewaltige Bögen, selbst um seine harmlosen Eintagsfliegen, und sein „Dreck“ schien sie auch nicht zu interessieren, es sei denn, Jack hatte Informationen gefunden, die ihr oder Brennan weiterhalfen. „Verrätst du mir das Fachgebiet oder muss ich Zack fragen?“, sagte er schließlich, nachdem seine innerlichen Ermittlungen in einer Sackgasse endeten. Ihr leichtes zusammenzucken ließ ihn schmunzeln. Seitdem er ihr vor drei Tagen und nach ihrer Flucht vor der Hummel das Foto wiedergegeben hatte, hatte sich das Verhältnis zwischen den beiden sehr verbessert. Sie war nicht mehr nur die Neue, die seinen besten Freund verdrängen wollte, sie war eher das Gegenteil. Aber das war jetzt gerade nicht Thematik seiner Gedanken. „Nekropsie. Mein Nebenfach an der Universität. Aber eigentlich mein persönliches Hauptfach. Aber mit Anthropologie als Hauptfach hatte ich bessere Chancen, einen guten Job zu finden.“ Eigentlich hätte er darauf auch kommen können, immerhin hatte sie nahezu im Alleingang die sechs Hundeleichen auseinandergenommen und jede noch so kleine Information herausbekommen. Und immerhin waren die Verwesungsvorgänge und andere Merkmale von Mensch und Tier sehr unterschiedlich. Sogar von Tier zu Tier unterschiedlich. Dr. Brennan hätte die Kadaver sonst wahrscheinlich von einem Tierarzt untersuchen lassen aber so war dies unnötig geworden. „Cool, wolltest du früher Tierärztin werden?“ Die Angesprochene schüttelte den Kopf, seit Anfang der Pause musste sie mindestens eine Seite geschrieben haben. „Nein, tote Tiere haben mich seit klein auf mehr fasziniert als lebendige.“ Das war mal eine Aussage. Wenn Booth ihn jetzt noch als seltsam bezeichnen würde, weil er sich gerne mit Käfern und Schleim beschäftigte, dann hatte Kacy die Steigerung von seltsam verdient. Kaum hatte er diesen Gedanken zu Ende geführt, als von unten die Geräusche von Karren zu hören waren, gleich darauf die Stimme des Special Agents. „Okay, Leute, ihr wisst, wo Dr. Brennan die Leiche hinhaben will.“ Der Entomologe grinste, was Kacy angesichts ihrer Fixierung auf den Bildschirm jedoch nicht sah. „Neue Leiche, neues Glück.“, flötete er, denn nach insgesamt einer Woche hatte das Team die Arbeiten an der Wasserleiche vorerst eingestellt und sie begraben lassen, ebenso wie das Opfer mit den Hundeleichen. Der Haufen an Informationen war zwar schön anzusehen, doch führte er bei beiden Fällen nicht im Geringsten zu einem Täter oder überhaupt erstmal zu einer vernünftigen Todesursache. Einen Moment später kamen Booth und Brennan die Treppen zum höher gelegenen Pausenbereich hoch. Die Anthropologin hielt einige Fotos vom Fundort in der Hand und reichte sie an Jack weiter. „Ein verspiegelter Raum? Booth, was ist aus den guten alten Moorleichen geworden?“, fragte Jack und schaute sich irritiert die Fotos an. Der hermetisch abgeriegelte Raum hatte sich im Keller eines schon lange leerstehenden Gebäudekomplexes befunden. Er war komplett mit Spiegelkacheln ausgelegt, selbst die Tür war damit „verschönert“ worden. In der Ecke des Raumes kauerte das Opfer oder vielmehr das, was davon noch übrig war. „Weiblich, noch keine 20, wahrscheinlich afroamerikanischer Herkunft.“, teilte Temperance ihre ersten eindrücke mit. „Schön und gut aber Spiegel?“ Die Begebenheit löste reine Verwirrung in dem Entomologen aus. Weiße Kacheln hätte er ja noch verstanden, das wäre außerdem ein Hinweis auf mögliche weitere Opfer gewesen, der Raum hätte dann eine Art Schlachtplatz darstellen können aber Spiegel? Irritiert lehnte er sich zurück, reichte die Fotos an Booth weiter, da Kacy noch immer auf ihren Monitor sah und schrieb. „Ich habe mal mit Zack einen Horrorfilm gesehen. Candyman. Wenn man den Namen des Candyman fünfmal vor dem Spiegel aussprach, kam dieser aus dem Spiegel heraus und brachte einen um.“, sagte sie schließlich. „Zack? Wieso schaust du mit Zack Horrorfilme?“, platzte es aus Brennan hervor und erst jetzt schien die Rothaarige zu realisieren, was sie soeben geäußert hatte. Angela und Jack hatten ihr versprochen dicht zu halten und nun hatte sie sich selber verraten. Sie speicherte den Fortschritt an ihrer Doktorarbeit und klappte ihr Laptop zu, sah zu Agent Booth und Temperance hoch, die beide mit großen Augen zu ihr runter sahen. „Ich bin mit ihm zusammen. Seit über einem Jahr.“, gab sie ehrlich zu, denn es hatte eh keinen Zweck mehr, sich herauszureden. Brennan blinzelte sie ungläubig an. „Zack….hat…….eine….Freundin?“, brachte sie schließlich verblüfft hervor, was Kacy mit einem Nicken bestätigte. Sie öffnete den Reißverschluss ihrer Overalltasche und zog das Foto hervor, durch das Jack und Ange zuvor ihr Geheimnis erfahren hatten, und hielt es den beiden hin. Auch als Temperance und ihr Partner vom FBI das Foto betrachteten, drückten ihre Mienen noch Erstaunen aus, selbst als sie das Foto seiner Besitzerin zurückgaben. Anscheinend hatten sie bisher keine Vorstellungskraft darin investiert, dass das geniale Nesthäkchen des Teams tatsächlich mal eine Beziehung zustande brachte, die nicht nach zwei Wochen vom frustrierten weiblichen Teil beendet wurde. Der Entomologe sah zwischen den dreien hin und her, anscheinend konnte Dr. Brennan sich gerade nicht entscheiden, was nun wirklich spannender war: Kacy oder die neue Leiche. Erstere schaltete ihren Laptop nun jedoch endgültig aus und stand auf, ging an den beiden vorbei und verließ den Pausenbereich, blieb auf halber strecke der Treppen stehen und drehte sich um: „Ich denke wir sollten uns die Leiche anschauen oder? Immerhin ist sie jetzt hier.“, meinte sie ruhig, weswegen ihr Brennan und Hodgins als erste folgten. Booth ließ sich etwas Zeit, ein leichtes Grinsen schien sich in seinen Lippen festgebissen zu haben. Die vier positionierten sich um den Tisch mit der Leiche herum und hielten kurz die Luft an. „Wow, ein Verwesungsvorgang wie aus dem Lehrbuch.“, stellte die Rothaarige fast schon ein wenig euphorisch fest und verursachte damit ein Augenrollen bei Jack. Wahrscheinlich würde sie bei der perfekten Tierleiche vor Verzückung quietschen. „Also, ich höre.“, meinte Booth während die drei anderen näher die Leiche betrachteten. „Die Beckenform lässt eindeutig auf weiblich schließen. Der Wuchs der Knochen auf 18-20 Jahre. Der Verwesungszustand lässt auf einen Tod vor gut einem Jahr schließen.“, sagte Kacy ruhig, während Bones sich den Kopf genauer ansah. „Ich bleibe bei Afroamerikanisch. Dein Gesicht bekommst du, wenn wir die Knochen gesäubert haben und ich die Gesichtsmarker für Angela angebracht habe.“, erweiterte Temperance die Notizen von Booth. „So wie die Überreste aussehen, würde ich Gewaltanwendung mit Gegenständen die Spuren hinterlassen ausschließen. Zumindest keine, die die Knochen kurz vor dem Tod beschädigt haben. Vielleicht sind auf der Unterseite welche. Wenn Jack alle nötigen Proben hat, werde ich die Knochen säubern.“ Jack hatte nun ebenfalls das Kopfende angestrebt und schnupperte am Mund der Toten, richtete sich dann auf und wedelte etwas mit der Hand. „Das Leichen immer so üblen Mundgeruch haben müssen.“, meinte er scherzhaft, erntete dafür aber einen verständnislosen Blick der beiden Anthropologinnen. Immerhin hielten beide sich mit einer Erklärung über das Entstehen des Leichengeruchs zurück. Dr. Brennan richtete sich wieder auf und stemmte die Hände in die Hüften: „Also…Jack, du nimmst alle Proben die du brauchst und verwerten kannst, Kacy, du debridierst die Knochen, Booth sucht schon mal eine Liste mit allen in Frage kommenden Vermissten und ich werde Dr. Goodman suchen, er kennt sich mit der Symbolik besser aus, vielleicht hat er einen Tipp, was die Spiegel betreffen.“ Die Anwesenden nickten alle und machten sich an die Arbeit.

Heiße Schokolade

Kapitel 8 – Heiße Schokolade
 

~Flashback~
 

„Was nimmst du?“, fragte die Rothaarige und sah ihn dabei mit schief gelegtem Kopf an. Zack überlegte kurz. Er war eher selten in diesen Ladenketten, wo man „Coffee to go“ bekam. Wenn er schon einen Becher einer solchen Kette zu trinken bekam, dann eher wenn Jack ihm einfach auf der Fahrt ins Jeffersonian einen mitbrachte. Jetzt musste er eigentlich nur noch wissen, was sein bester Freund ihm da denn immer mitbrachte. Leider wusste er es nicht. Er schielte leicht auf die Tafel, wurde jedoch von der jungen Frau erwischt. „Du trinkst nicht oft Kaffee hier oder?“ Zack nickte leicht. „Woher weißt du dann, dass es hier guten Kaffee gibt?“ Er fühlte sich etwas ertappt, immerhin hatte er ihr diesen Ort vor gut 10 Minuten empfohlen. Der Dunkelhaarige konnte fühlen, wie das Blut in seine Wangen stieg. Die Rothaarige lächelte. „Das braucht dir doch nicht peinlich zu sein.“, versuchte sie ihn ein wenig zu beruhigen und wandte sich dann an die Verkäuferin. „Zwei Mal heiße Schokolade zum Hier trinken.“ Nun war er leicht irritiert, sagte jedoch nichts. Ungefähr eine Minute später drückte sie ihm die große Tasse mit dampfender Schokolade in die Hand, ging dann jedoch zu einem der Fenstertische vor und setzte sich hin, winkte ihn zu sich. „Heiße Schokolade mögen statistisch gesehen 14 von 15 Leuten. Kaffee nur 7 von 15.“, sagte sie ruhig und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Er mochte ihre Haarfarbe irgendwie. Klar, es war garantiert nicht ihre natürliche Haarfarbe, aber dieses dunkle Kirschrot passte einfach zu ihr, den wenigen, zählbaren Sommersprossen und den grünen Augen. Ihre Bücher hatte sie neben sich auf die Sitzbank gelegt, ebenso wie ihren Schal, denn hier drinnen war es wieder angenehm warm, nicht so stickig warm wie in der Bücherei. Zack sah auf seine heiße Schokolade, überlegte ob er die gerade eingetretene Stille irgendwie unterbrechen sollte. Nachdenklich kaute er auf seiner Lippe herum, rührte sein Getränk um. „Wie heißt du eigentlich?“, fragte er schließlich und konnte sich vorstellen, dass Jack nun stolz auf ihn gewesen wäre. Nicht das er gerade daran dachte, dass er sich einer hübschen Frau gegenüber befand, die er von den äußerlichen Begebenheiten her ansprechend fand. Aber stolz wäre Jack trotzdem. Die Rothaarige sah nun ebenfalls von ihrer Tasse auf, sie hatte ihr Gesicht in der linken Handfläche abgestützt und blinzelte ein paar Mal, sodass Zack schon fast dachte, dass er es wieder einmal vermasselt hatte. Vielleicht lag es ja an seiner Stimme, dass er das weibliche Geschlecht vergraulte. Doch dann verzogen sich ihre Mundwinkel zu einem sanften Lächeln. „Ich heiße Kassandra, Kassandra Hobbes.“, sagte sie schließlich und trank einen Schluck heiße Schokolade. „Kassandra.“, murmelte er leise und war sich nicht bewusst, dass er ihren Namen wiederholte, erst als sie nickte und dann ergänzte: „Ja, aber ich mag Kacy lieber.“ Kacy. Diesmal blieb er still. Ihm gefiel auch der Name. Kassandra kam in der griechischen Mythologie vor. Der Dunkelhaarige nippte an seiner Schokolade. „Und wie lautet dein Name?“ Ihre Frage ließ sie leicht zusammenzucken, er hatte sich selber ja noch nicht vorgestellt. Seine Mutter hätte jetzt den Kopf geschüttelt und sein bester Freund wahrscheinlich ebenso. Eigentlich konnte man es ihm nicht übel nehmen, wann kam er tatsächlich mal mit wirklich fremden Menschen in Kontakt? Er hatte seinen kleinen, überschaubaren Kreis am Jeffersonian und seine Familie hier in Michigan, das reichte vollkommen. „Dr. Zachary Uriah Addy.“, antwortete er und biss sich auf die Lippen. „Aber die meisten nennen mich nur Zack.“, fügte er schnell hinzu. Der Doktortitel verbunden mit seinem jungen Aussehen (er war ja auch in der tat noch jung, erst 25) musste doch seiner Meinung nach eindeutig vermitteln, dass er seltsam war. Doch Kacy schien das nicht abzuschrecken, zumindest saß sie ihm immer noch gegenüber, trank in Seelenruhe ihre Schokolade. Er konnte fast fühlen, wie ihre grünen Augen gerade jeden Zentimeter von ihm musterten. „Mh…ein Doktortitel. Die Ausbildung deines Gesichtes und Körperbaus lassen darauf schließen, dass du ungefähr 24 oder 25 bist, nicht älter. Es sei denn, du gehörst zu diesen genetisch veranlagten Jungbrunnen.“ Der Anthropologe schaute verblüfft zu der jungen Frau rüber, doch bevor er ihre Aussage bestätigen konnte, sprach sie schon weiter. „Die Doktorwürde lässt darauf schließen, dass du dein Studium bereits abgeschlossen hast. Da du aber noch jung bist, hast du einige Stufen der High School übersprungen, sonst wärst du noch nicht fertig. Zum Springen muss man sehr intelligent sein. Also…..eigentlich tippe ich nicht gerne aber ich sage 185.“ Zack blinzelte verblüfft und nickte dann leicht. „Du bist gut. Ich bin 25 und habe einen IQ von 184. Meinen Doktortitel habe ich übrigens in forensischer Anthropologie. Und du?“, sagte er und konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen, obwohl er nicht hundertprozentig wusste, warum er eigentlich gerade grinste. Kacy schmunzelte und strich sich wieder eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „22, 179, ich studiere forensische Anthropologie und Nekropsie im letzten Semester.“ Irgendwie hatte der Dunkelhaarige das Gefühl, dass Jack jetzt schallend gelacht hätte. Es gab doch diese Abfolge von Zahlen, die eigentlich für Männer sehr interessant sein sollte, doch er bezweifelte, dass Alter und Intelligenzquotient dabei eine Rolle spielten, ebenso wenig wie das Semester. Das würde dann nämlich bedeuten, dass die ideale Frau 90 Jahre alt war, einen IQ von 60 hatte und im 90. Semester studierte. Er gab es auf, ihm fiel die richtige Zahlenabfrage nicht ein. Es freute ihn, dass sie das gleiche studierten, bzw. studiert hatten, zumindest was das Hauptfach betraf. „Ich hatte Applied Engineering als Nebenfach.“, gab er schließlich zu und lächelte. Jetzt wusste er auch, warum sie ihn so genau eingeschätzt hatte und warum sie noch nicht weggelaufen war. Obwohl ihm bisher noch nichts aufgefallen war, konnte er sich sicher sein, dass auch sie Eigenschaften besaß, die der neurotypischen Person nicht entsprachen. Kacy nickte leicht und lächelte. „Schon ein Gegensatz oder? Einmal Menschen und dann Technik?“, meinte sie und trank wieder einen Schluck aus ihrer inzwischen halbleeren Tasse. Zack sah über den Rand seiner eigenen Tasse zu ihr rüber und zog fragend eine Augenbraue in die Luft. „Die meisten Studenten konzentrieren sich auf eine Fachwahl aus dem gleichen Bereich. Wie der Mensch funktioniert hilft dir nicht unbedingt dabei, eine Maschine zu konstruieren.“ Er überlegte kurz, was er darauf antworten sollte. Sie hatte Recht, Dr. Brennan hatte ihn leicht irritiert angesehen und Jack hatte seine drei Doktortitel in Fachgebieten, die sehr gut zueinanderpassten und sich alle mit seinem „Dreck“ befassten. Schließlich zuckte er jedoch mit den Schultern. „Ich weiß nicht, ich hab einfach das genommen, was mich interessiert.“, sagte er ruhig und trank seine Schokolade aus, stellte die Tasse vor sich auf den Tisch. Kacy lächelte etwas, trank ihre Tasse ebenfalls aus, stellte sie zu Zacks. „Ich auch. Menschen, vorzugsweise tot und Tiere, auch vorzugsweise tot. Kein Wunder, dass mich die meisten als Freak bezeichnen.“ Der Anthropologe konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen, das Team im Jeffersonian war sich zwar einige, dass Zack nicht ganz normal war, doch als Freak bezeichneten sie ihn nicht, diesen Titel hatte er an der Universität zurückgelassen. Die junge Frau ihm gegenüber zog einen Notizblock zwischen ihren Büchern hervor und schrieb etwas auf, schob ihm schließlich den Zettel zu. „Wenn ich mal Hilfe brauche, krieg ich bestimmt welche von dir oder?“, fragte sie und erhielt ein leichtes Nicken von Zack als Antwort. „Prima. Ich muss dann leider jetzt, Hausarbeiten schreiben sich nicht von alleine.“, sprach sie weiter und stand währenddessen auf, wickelte sich ihren Schal um, ergriff ihre Tasche, ihre Bücher und die beiden Tassen. „Auf wiedersehen, Zack.“ Ehe er sich versah, war die Rothaarige aus dem Laden verschwunden, genau so plötzlich wie sie vor gut einer Stunde in seinem Leben aufgetaucht war. Die E-Mail-Adresse auf dem Zettel vor ihm klang glaubhaft, nicht so eine seltsame Aliasadresse, hinter der sich sonst wer verstecken konnte. Moment, sie hatte ihm ihre E-Mail gegeben, dabei hatte sie doch nach Hilfe gefragt. Sie war in seiner Liga. Jemand der High School-Stufen übersprungen hatte brauchte keine Hilfe. Er konnte wieder fühlen, wie das Blut in seine Wangen floss, gleichzeitig kamen ihm Fragen in den Sinn. Studierte sie hier? Wo wohnte sie? Warum interessierte sie sich für Roboter? Was hatte sie nach dem Abschluss vor? Hatte sie gerade mit ihm das gemacht, was man als flirten bezeichnete? Hatte er einen guten Eindruck gemacht? War sie wirklich nur gegangen, weil sie keine Zeit mehr hatte? Oder doch, weil er ihr zu langweilig war? Was sollte er jetzt machen? Zack starrte auf den Zettel mit der E-Mail. In ihm stieg das dringende Bedürfnis auf, Angela und Jack um Rat zu fragen. Wenn er einen Kontakt aufbauen wollte, dann musste er sich schließlich melden. Aber was sollte er da schreiben? Er fühlte sich etwas überfordert. Angela würde ihm helfen können, sie war schließlich eine Frau und konnte ihm sicherlich sagen, was Frauen gerne hörten. Der Dunkelhaarige stand auf und schüttelte den Kopf. Er griff nach dem Zettel und steckte ihn sorgfältig gefaltet in seine Geldbörse. Nein, er würde weder ihr noch seinem besten Freund von dieser Begegnung erzählen. Er würde das alleine hinbekommen. Ohne Hilfe, er war doch erwachsen.
 

~Flashback Ende~
 

Kacy pustete vorsichtig in ihre heiße Schokolade. Seit etwas mehr als vier Wochen war sie nun hier in Washington DC und arbeitete im Jeffersonian. Das Thermometer war in den letzten Tagen immer mehr gesunken, hatte nun fast den Nullpunkt erreicht und die Wettervorhersage kündigte Schnee für das Wochenende an. In Montreal war schon Schnee gefallen, dass hatte ihr Jake am Telefon erzählt. Er hatte auch gesagt, dass sie fehlte. Dass ihr Ersatz nicht so gut arbeitete wie sie. Aber momentan gab es kein Zurück mehr für sie. Sie würde hierbleiben und ihr Vorhaben durchziehen. „Rot-Gold oder Rot-Silber?“ Die Rothaarige zuckte leicht zusammen, sie hatte Angela gar nicht bemerkt, die zum Pausenbereich hochgekommen war und nun mit ein paar Girlanden und Lametta in der Hand vor ihr stand. Die Künstlerin hatte pünktlich vor drei Tagen am erste Dezember damit angefangen, das Labor zu schmücken. Und nun war der Pausenraum dran. „Rot-Silber. Sieht festlicher aus.“, antwortete Kacy und trank einen Schluck. Die Dunkelhaarige lächelte und wuselte weiter. Eigentlich wollte sie mit ihren Nachforschungen schon längst angefangen haben, doch die Spiegelleiche und Fälle der zuvor gefundenen ließen dem gesamten Team keine Ruhe. Dr. Brennan war inzwischen mehr gereizt als sonst und auch Booth schien es überhaupt nicht zu gefallen, dass es bei nun inzwischen drei Leichen keinerlei Anhaltspunkte auf einen Täter gab. Jack hatte kurzzeitig das Wort „Verschwörung“ erwähnt, hatte dafür aber böse Blicke geerntet. Kacy wusste selber nicht, was sie denken sollte. Sie hatten gemeinsam, dass sie das Team zur Verzweiflung brachten, dass sie keine Gewalt erlitten hatten, mit Chloroform betäubt worden war und irgendwie gestorben waren. Vier Argumente die für einen Serienkiller sprachen. Die Liste mit Gegenargumenten war länger. Alter, Geschlecht, Milieu, Bildung, Hobbys, Familie, Feinde, Arbeitsfeld und Todeszeitpunkt waren unterschiedlich und in kein Muster zu bringen. Jack O’Brannon, 23 Jahre, gestorben im November 2005, Marinesoldat, gefunden in der Kanalisation zusammen mit 6 Hundeleichen. Zoe Macol, 19 Jahre, gestorben im November 2007, ging noch aufs College, gefunden in einem verspiegelten Raum. Alissa White, 30 Jahre, gestorben im Juli 2008, Kassiererin bei Walmart, gefunden in einer Badewanne. Die Rothaarige trank ihre Tasse aus und stand auf. Es musste doch etwas geben, eine Kleinigkeit.



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