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Nightmare

Märchengeschichten mal anders...
von

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First Laughter: Bloody Mary

Nightmare
 

First Laughter: Bloody Mary
 

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Liebe Leser, ich kündige euch hiermit ein Jahr an, das es in sich haben wird. Ein Jahr voller Witz, Schrecken und Blut. Es ist Geisterstunde, so sage ich euch und will euch warnen. Macht euch darauf gefasst von einem seelischen Schock zum nächsten zu wandern, während ihr die folgenden Zeilen lest, denn nun beginnt ein Märchen in 12 Akten, eine Geschichte gespickt mit den verschiedensten Vorkommnissen und dem Taschentuchfaktor.

Wagt ihr es diese Geschichte zu lesen? Ich wünsche euch jedenfalls viel Spaß und hoffe natürlich auf eure Kommentare....

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"Bloody Mary..?", fragte HoroHoro verwirrt und starrte den braunhaarigen Jungen ihm gegenüber fassungslos an. "Bloody Mary. Du musst ihren Namen dreimal sagen, während du in einen Spiegel siehst! Es heißt, sie würde kommen und dir die Augen auskratzen!", antwortete der Junge und deutete auf Ren, der neben HoroHoro saß. "Ihr beide müsst es gleichzeitig tun! Das ist eure Mutprobe!", holte der Braunhaarige weiter aus und grinste. "Bist du völlig bekloppt Hao? Wieso sollten wir das tun!?", hakte Ren angenervt nach und verschränkte demonstrativ die Arme vor der Brust. "Weil ihr sonst feige Hennen seid, deshalb!", konterte Hao beleidigt und deutete nun auf die Tür des kleinen Wohnraums, in dem sie sich befanden. "Na los!"

"Und.. und wenn sie uns dann die Augen auskratzt?", wimmerte der Ainu leise und sah Hao bittend an. "Ach, dann ist auch nicht schlimm!", lachte dieser ihm entgegen und bedeutete den beiden erneut sich zu erheben. Ren seinerseits verdrehte nur die Augen und grummelte: "Dann lass mich danach aber auch in Ruhe mit deinem blöden 'Wahrheit oder Pflicht'!" "Du hättest ja Wahrheit nehmen können, allerdings wirst du dir meine Frage ja denken können..", entgegnete Hao gespielt desinteressiert und kratzte sich am Hals. Auf diese Aussage hin, lief Rens Gesicht puterrot an und er sprang förmlich auf, um den Ainu hinter sich herzuziehen.

Als die beiden den Raum verlassen hatten, wandte sich Hao grinsend an seinen Zwillingsbruder Yoh, der die ganze Zeit über neben ihm gesessen hatte. "Siehst du? So bekommt man die beiden dazu zu Tun, was man will!" "Aha... Was hättest du ihn denn gefragt?", hakte Yoh interessiert nach und legte nachdenklich einen Finger an die Wange.

"An wen der feine Herr Tao denkt, wenn er es sich abends selbst macht!"
 

Haos Gelächter war noch bis ins Bad zu hören, in welchem sich Ren und HoroHoro mittlerweile befanden. "Schön, dass wenigstens einer sich amüsiert!", schnaufte der Chinese wütend und schloß die Tür hinter sich. "Naja.. ich würde mich auch amüsieren.. wenn wir das hier nicht machen müssten! Vorallem verstehe ich nicht, wieso Hao uns beiden gesagt hat, wir sollen es machen! ..Immerhin warst nur du ausgewählt..", quängelte der Ainu leise und starrte angsterfüllt auf den Spiegel.

"HoroHoro! Reiß dich zusammen! Das ist doch nur ein Ammenmärchen! Es gibt keinen bösen Geist, der dir die Augen auskratzt, weil du seinen Namen sagst.." "Woher willst du das wissen? Jetzt sag nicht, du hast vergessen, dass wir Schamanen sind!", unterbrach HoroHoro seinen Freund und blickte nun zu eben diesem. Kopfschüttelnd packte Ren den anderen bei der Schulter und platzierte ihn direkt vor dem Spiegel, hielt dabei jedoch auch dessen Kinn fest, sodass HoroHoro gezwungen war in den Spiegel vor sich zu blicken. "Eben deshalb wird uns der Geist - sofern es einen geben mag - nichts antun, okay?", murmelte Ren in HoroHoros Ohr, das ihm auf einmal so nah erschien.

"Okay..", erwiderte der Ainu wenig überzeugt und schluckte. Eine angenehme Wärme durchströmte seine Ohren und er fühlte, wie seine Wangen rot anliefen. "Bei drei!", forderte Ren den anderen auf und zählte hoch. "Bloody Mary!... Bloody Mary!... Bloody Mary!", sprachen beide, während ihre Blicke den Spiegel fixierten. Die Momente verstrichen und nichts passierte. Erleichtert atmete HoroHoro aus, als...

Kirai.. Zenbu.. daikirai.. (Ich hasse es.. alles.. ich hasse alles..)

"W-Was war das, Ren?", quiekte der Ainu panisch, drehte sich um und klammerte sich an den Chinesen, der hinter ihm ... gestanden hatte. HoroHoros Arme griffen ins Leere und er riss erschrocken die Augen auf, um nichts als Schwärze zu erkennen. Von einem Moment auf den anderen war alles zu einer zähflüßigen Masse verschwommen, die er weder sehen noch begreifen konnte. Stimmen tauchten in seinem Kopf auf, schrien ihn an, beschimpften ihn und schienen ihn von Innen heraus zu zerfetzen. Jeder einzelne Schrei schien einen Nerv des Ainus zu zertrümmern und jeder Versuch sich dessen zu erwehren schien ihm das Blut in den Adern gefrieren zu lassen. Er schlug verzweifelt um sich und begann zu kreischen. Nichts wollte helfen.

Bis es ebenso schnell aufhörte, wie es begonnen hatte. Plötzlich fand sich HoroHoro in einem Wald wieder. Zumindest glaubte er, dass es ein Wald sein sollte, denn er sah Gebilde, die aussahen wie die Hälften von Bäumen. Allesamt in schwarzer und in weißer Farbe. Nervös und immernoch voller Panik drehte sich HoroHoro einmal im Kreis und sah immer wieder diese komischen, baumartigen Dinge, die weder plastisch noch real zu sein schienen.

Weit hinten zwischen einer Reihe der komischen Büsche und Bäume konnte er einen Schemen einer Person sehen. Er bewegte sich langsam und behäbig auf ihn zu. Doch HoroHoro stockte der Atem, als er erkannte, dass auch die Person, der der Schemen gehörte, aus schwarzer und weißer Farbe bestand, weder Fleisch noch Blut in sich hatte und ... .

Mit einem Schlag befand sich der Ainu wieder dort, wo er sich befinden sollte; im Badezimmer. Sein Blick war wieder gen Spiegel gerichtet und er konnte den Chinesen vor sich sehen. Vor sich?

Verwirrt legte er seinen Kopf schief. Wieso sah er nur das Spiegelbild des Chinesen, nicht aber sein eigenes? Als er seine Hand ausstreckte, um den Spiegel zu berühren, zuckte er zusammen. Dort war kein Spiegel, dort war Nichts. Seine Hand glitt weiter ohne eine Scheibe zu berühren und er konnte den Schreckensausdruck auf Rens Gesicht deutlich erkennen. Es dauerte einen Bruchteil einer Sekunde, bis er realisierte, dass er im Spiegel gefangen war.

Nur zu deutlich konnte er erkennen, dass Ren etwas sagte, vielleicht sogar schrie, doch der Ainu hörte nicht einen Ton. Erschrocken begutachtete er seine Hand, auf die Ren soeben gezeigt hatte. An seinem Handgelenk floß das Blut in Strömen hinab.

Panisch versuchte HoroHoro die Blutung zu stoppen, indem er seine unverletzte Hand auf die Wunde drückte, um den Blutfluß zu unterbinden, doch das Blut bahnte sich weiterhin seinen Weg und HoroHoro spürte, wie ihn langsam, aber stetig die Kräfte verliessen. "Ren..!", brachte er heraus, als ihm plötzlich ein Blutschwall über die Lippen floss und sich seinen Weg gen Boden bahnte. Es platschte, als der erste Schwall aufklatschte und der Ainu seinen Blick senkte. Die rote Lache wurde größer und HoroHoro spürte, wie ihn zusehends die Kraft verließ. Wenn er nichts unternahm, war es um ihn geschehen.

"...Horo! HoroHoro!", hallte eine Stimme im Kopf des Ainus wider. Seine Gedanken waren trübe, seine Augen geschlossen. Genaugenommen war er nicht einmal mehr sicher sich noch im Spiegel zu befinden, es hätte genau so gut sein können, dass alles eine Einbildung gewesen war und er nun im Badezimmer auf dem Boden lag. Doch dem war nicht so.

"HoroHoro! Wach auf!", ertönte die Stimme erneut und HoroHoro erkannte wenigstens, dass die Worte an ihn gerichtet waren, wenn er schon nicht den Sinn fand. Allmählich schien sich jedoch alles zu klären, die Bilder von eben strömten wieder in seinen Kopf und er erinnerte sich in sich zusammengesackt zu sein, nachdem das Blut um ihn herum einen ganzen See geformt hatte. Einen kurzen Moment lang war HoroHoro verwirrt, denn die Szenen in seinem Kopf schienen ihm unlogisch und gegensätzlich zugleich. Ihm fiel auf, dass sein Blut eine kräftige, rote Farbe gehabt hatte, trotz des schwarz-weißen um ihn herum. Alles an ihm hatte Farbe gehabt.

"HoroHoro! Wenn du jetzt nicht endlich aufstehst, werde ich dir den Schädel eintreten, sobald ich unter dir vor bin!!", keifte die Stimme nun und HoroHoro spürte, wie sich etwas - vermutlich eine Hand - schmerzlich in seine Magengegend grub. Noch immer leicht benommen öffnete der Ainu stöhnend seine Augen und blickte direkt in Rens Gesicht, das ihn wütend anstarrte. Blinzelnd öffnete HoroHoro seinen Mund, um etwas zu sagen, doch fand er nicht die richtigen Worte und schloß ihn wieder, ohne etwas zu Sagen. "Hörst du schlecht!?", fragte Ren noch einmal genervt und setzte dazu an, den Ainu erneut zu schlagen, als dieser sich abrupt aufsetzte.

Ren keuchte gequält und hob den Kopf, um den anderen, der noch immer auf seinem Unterleib saß, böse anzufunkeln. "Wenn du jetzt auch noch den letzten Rest meines Körpers freigeben könntest, wäre ich dir sehr verbunden!", herrschte der Chinese HoroHoro an. Dieser sah sich verwirrt um und zuckte mit den Schultern. "Was ist passiert..?", fragte HoroHoro immernoch verwirrt und stieg letzten Endes gänzlich von Ren. Nachdem dieser sich aufgerichtet hatte, meinte er: "So ganz sicher bin ich mir nicht.. Aber.. ich glaube Bloody Mary hat uns in ihren Spiegel gezogen.." "WAS!? Ich dachte sie existiere nicht!", rief HoroHoro erschrocken aus. "Sei doch still! ... Ich konnte doch nicht wissen, dass es sie gibt!", verteidigte sich der Chinese und verschränkte die Arme vor der Brust. "Und.. wieso hat sie uns dann nicht die Augen ausgekratzt?", setzte der Ainu neu an, nachdem er in Rens ungewöhnlich matte Augen gesehen hatte.

Ren seufzte und presste die Lippen aufeinander, sodass man nur noch einen dünnen Strich von ihnen erkennen konnte, ehe er ausatmete und geradezu beiläufig erwähnte, dass blind war. "Verarsch mich nicht, Ren!" "Ich verarsch dich nicht.. Ich kann nichts sehen. Das Letzte, was ich gesehen habe, warst du. Als du im Spiegel warst, blutüberströmt.." Rens Stimme wurde immer leiser, bis sie schließlich mitten im Satz gänzlich versagte. "Oh.. ähm.. Also.. mir geht es gut! Echt! Die Wunden sind alle weg und Blut kann ich auch keines mehr sehen. Das muss so eine Art Halluzination gewesen sein", versicherte der Ainu schnell, als er begriffen hatte, dass der andere sich anscheinend Sorgen gemacht hatte und - so vermutete HoroHoro ganz im Stillen - Angst gehabt hatte, als sein Körper auf ihm gelegen hatte. Schließlich hätte der Ainu genau so gut tot sein können, während sein Körper den Chinesen begraben hatte.

"Na immerhin! So muss ich schon deine Leiche nicht mit mir rumschleppen..", schnappte Ren nur und drehte sich zur Seite. Wäre der Ainu sich nicht sicher gewesen, dass der Stolz in diesem Moment aus Ren gesprochen hatte, so wäre er sicherlich wütend geworden, doch anstatt sich aufzuregen fragte er leicht irritiert: "Ren.. wieso.. Wieso bist du eigentlich blind? Ich meine, hat sie dir die Augen ausge.. kratzt?" Um dem anderen wieder ins Gesicht blicken zu können, tat HoroHoro einen Schritt zur Seite.

Als der Chinese nach einigen Momenten noch immer nicht antwortete, wollte HoroHoro schon erneut etwas sagen, wurde jedoch von einer kleinen Geste unterbrochen. "Nachdem ich dich im Spiegel gesehen hatte - vorallem all das Blut - wurde plötzlich alles schwarz... Alles woran ich mich erinnere ist der stechende Schmerz in meinen Augen und ein gellender Schrei.. Ich weiß nicht einmal, ob der Schrei von mir oder einer anderen Person kam. Es war.." Ren ließ seinen Satz unbeendet und kaute stattdessen auf seiner Unterlippe herum, als er vorsichtig die Hand ausstreckte und den Ainu an seiner Brust berührte. "Lass uns von hier verschwinden", murmelte er noch und HoroHoro verstand. Schnell nahm er Rens Hand in seine eigene und führte ihn.

Wohin genau er gehen sollte, wusste er nicht, doch ihm war es hier nicht geheuer. Wieder befand er sich an diesem komischen Ort. Halbe Bäume und halbe Büsche zierten das Terrain und alles war in schwarz-weiß - außer ihnen beiden.

"Ich will dich ja nicht verunsichern, aber hier ist es echt abgefahren..", erklärte HoroHoro leise, während er sich in Richtung des Waldrandes aufmachte. "Wieso?", fragte Ren ebenso leise und konzentrierte sich darauf seiner Umgebung zu lauschen. Er hörte nichts weiter als ihre eigenen Schritte, die ungewöhnlich plumb widerhallten und ihren Atem.

"Naja.. Alles um uns herum ist schwarz-weiß, die Landschaft ist... halb verschwunden..?", versuchte HoroHoro zu erklären, doch es gelang ihm nicht wirklich. Ren runzelte die Stirn, fragte jedoch nicht weiter nach.

"Da vorne ist jemand!", durchbrach der Ainu wenige Sekunden später die aufgekommene Stille und zog den Chinesen so schnell er konnte hinter sich her. "Was?!", brachte dieser nur hervor und stolperte haltlos hinterher. Der Schemen, den HoroHoro wahrgenommen hatte, schien gar nicht näher zukommen, als die beiden wie von der Tarantel gestochen daraufzurannten und als HoroHoro gerade meinte, sie würden sich ihm nähern, war er verschwunden, als sei er nie dagewesen.

Abrupt blieb HoroHoro stehen und keuchte leise, als Ren gegen ihn lief und ihn anmeckerte. "Weg..", murmelte der Blauschopf jedoch nur verwirrt und kratzte sich am Hinterkopf. Hatte er sich das nur eingebildet? Nein, da war sicherlich ein Schatten gewesen! Und wenn es darauf ankam, hätte er sogar geschworen, dass er gesehen hätte, wie Haare im Wind hin und hergeweht worden waren.

Nun war dort nichts mehr. "Wie weg?", fragte Ren und kniff seinem Gegenüber in den Arm. Mit einem Schmerzenslaut fuhr HoroHoro herum und sah den Chinesen wütend an, bis ihm auffiel, dass der Chinese einen zutiefst beunruhigten Ausdruck auf seinen Zügen hatte. "Der Schatten.. er ist weg.. Grade war er noch da, aber nun.." "Willst du mir jetzt auch noch erzählen, dass hier in dieser 'halben Landschaft' Leute auftauchen und wieder verschwinden, wie es ihnen passt?", spöttelte der Chinese und grinste.

"Sei nicht so! Du hast selbst keine Ahnung, was hier vorgeht!", wehrte sich HoroHoro säuerlich und ließ die Hand des anderen los. "Ach, aber du? Wohl kaum!", fauchte Ren energisch und schlang die Arme um sich, um den Halt nicht zu verlieren. "Wenigstens sehe ich, was sich vor mir abspielt!!!", konterte der Blauschopf und drehte sich mit einem Ruck von seinem Freund ab. "...Toll! Nur zu deiner Info: Ich hab mein Augenlicht für dich gegeben!"

Kirai.. Zenbu.. daikirai.. (Ich hasse es.. alles.. ich hasse alles..)

Erschrocken sah HoroHoro wieder zurück. Ren war verschwunden, von einem Moment auf den anderen. "Ren!", schrie er, doch er bekam keine Antwort. Schwerschluckend rannte HoroHoro einfach los und stoppte erschrocken ab, als er hörte, wie seine Schritte platschten. Als er den Blick senkte wurde er des roten Blutes gewahr, das unter ihm eine kleine Pfütze bildete. Rens Blut?

"Ren!", kreischte er panisch und stürmte erneut los - dorthin, wo er vor nicht allzu langer Zeit den Schemen erkannt hatte. Obwohl er nach gut zehn Metern nicht mehr konnte, rannte er weiter. "Ren!" Obwohl er keine Antwort bekam, rief er weiter. "Ren!" Obwohl er niemanden sah, suchte er weiter.

Plötzlich - als sei er aus dem Nichts aufgetaucht - lag er vor ihm. Geschockt warf HoroHoro sich auf die Knie und hob Rens Kopf an. Seine Augen waren geschlossen und aus seinen Augen- sowie Mundwinkeln floß Blut. "Ren..? Mach bitte die Augen auf!", flehte HoroHoro leise und strich behutsam über die Wange des Chinesen. Sie war kalt.

Tränen schoßen dem Ainu in die Augen, doch er spürte, wie sich Rens Brustkorb hob und senkte, unendlich schwach, aber er lebte. "Ren.. Wer hat dir das nur angetan..?"

Jibunjishin.. (Er selbst)

Die Stimme drang in HoroHoros Bewusstsein, wie ein Schwert mit glühender Klinge in seine Brust. Er fand keine Worte, um sie zu beschreiben, doch allein ihr Klang schien ihm fast den Verstand zu rauben. "Wer bist du!?", fauchte er aufgebracht, legte den Ohnmächtigen wieder zu Boden und erhob sich. "Zeig dich! Und erklär mir, was das soll!", forderte HoroHoro weiter und ballte die Faust.

Boku wa... seigi desu.. Boku wa.. satsujin-sha o mukemasu... (Ich.. bin die Gerechtigkeit.. Ich.. richte die Mörder..)

"Gerechtigkeit? Was soll das!? Ren hat nichts verbrochen!", entgegnete HoroHoro aufgebracht und gestikulierte wild mit beiden Armen. Ohne zu wissen wem oder was er gegenüber stand, war HoroHoro bereit für seinen Freund zu kämpfen und zog sein Ikupasi. Doch Kororo war nirgends.

Jihaku shimashita.. (Er hat gestanden)

Wutschnaubend drehte der Ainu sich einmal um die Achse und sah erneut den Schemen. "Wieso sollte er das tun!? Na los! Komm her und sag mir, wieso er so etwas Dummes tun sollte!", verlangte HoroHoro und von einem Moment auf den anderen war der Schemen weg, um kurze Zeit später wieder hinter ihm aufzutauchen. Ein dürrer, grauer Arm legte sich auf seine Schulter und drehte ihn herum. Angewidert sah der Ainu weg, nachdem er die Gestalt in schwarz-weiß gemustert und vermodertes, aufgedunsenes Fleisch erkannt hatte. Zusätzlich waren ihm die Würge- und Kratzmahle aufgefallen, die die Gestalt an Hals und Gesicht besaß. Das zerfetzte Kleid, das das Mädchen trug, musste einmal wunderschön gewesen sein, doch nun war es nichts weiter als ein kleiner Trost, der die Blößen kaum zu verdecken vermochte.

Kiite imashita.. (Ich habe ihn gefragt)

"Was hast du ihn gefragt? Ob er schuldig sei!?", blaffte HoroHoro angespannt und zwang sich dem Mädchen wieder in ihr entstelltes Gesicht zu sehen, während er ihr drohend seine Waffe entgegenhob.

Koroshita.. (Getötet)

HoroHoro war vollends verwirrt, als er sah, wie die Gesichtszüge des Mädchens vor ihm eine unglaubliche Trauer auszustrahlen begannen, ließ sich jedoch nicht von seinem eigentlichen Anliegen ablenken. "Was willst du damit wieder sagen?! Ren hat niemanden getötet! ..Zumindest nicht in unmittelbarer Vergangenheit..", führte HoroHoro fort und musste schlucken, als er sich das Mädchen nocheinmal und dieses Mal eindringlicher besah. Ihr pechschwarzes Haar war gekreuzt mit einigen weißen Strähnen, welche ihr ungestüm ins Gesicht fielen, das, was er zuerst für ein Kleid gehalten hatte, stellte sich als ein langer Rock mit einem schwarzen Hemd heraus - beides so sehr zerrissen, dass es ihn einige Mühe gekostet hatte, es zu erkennen.

Dort wo einmal wunderschöne Mädchenaugen gesessen haben mussten, gähnte nun schwarze Leere.

Als das Mädchen zu Lachen begann, drehte sich dem Ainu der Magen herum.

Sokka? Jihaku shimashita! Koroshita! Ano toki.. Ano toki!! (Ahja? Er hat es gestanden! Er hat getötet! Damals.. damals!!)

"Damals!? Was willst du mit damals! Das ist alles längst vorbei! Ren ist ein anderer Mensch geworden!", keifte HoroHoro aufgebracht und warf einen flüchtigen Blick auf den Bewusstlosen am Boden. Er hoffte inständig, dass er ihn retten konnte.

Anata? ... Dou suru? Boku o koroshi..? (Und du? Was tust du jetzt? Mich töten?)

Wiederum lachte die Gestalt, wobei ihr ihr Haar auf gespenstische Weise um die Schultern flog. "Ich? ... N-nein.. ich..", stammelte der Ainu zusammen und blickte unbeholfen auf die Waffe in seinen Händen, die er ohne zu Zögern eingesetzt hätte, um seinem Freund zu helfen. Auf den ausgetrockneten Lippen des Mädchens erschien ein böses Lächeln.

Kimi mou.. satsu-jin.. desu... (Auch du... bist ein... Mörder)

Erschrocken torkelte HoroHoro einen Schritt zurück. Was wollte sie damit sagen? Er war doch kein Mörder! Mit einem Ruck fuhr er herum und warf sich erneut zu Ren auf den Boden. Noch immer hob sich dessen Brustkorb fast unmerklich und als der Ainu ihn berühren wollte, sah er das Gesicht des Mädchens vor sich, das sich HoroHoros Hand packte und ihn in ihre Arme riss.

Jede Berührung war wie eine eigene Hölle.

HoroHoros Haut verbrannte überall dort, wo die knochigen Finger ihn berührten und jeder andere Teil, der in Berührung mit der Gestalt kam, schmerzte als würde er von tausenden von Nadeln gestochen werden. Verzweifelt biss er sich auf die Zunge, um nicht einen Laut von sich geben zu müssen. Vor Schmerz ließ er sein Ikupasi fallen.

Daijoubu... Anata o koroshinai... yakusokushita.. (Keine Angst (wörtlich: es ist alles gut)... Ich werde dich nicht töten... Ich habe es versprochen..)

"V-Versprochen...? Wem? Ren!?", presste HoroHoro hervor und spuckte etwas Blut aus; er hatte sich die Zunge zerbissen.

Sou... Satsu-jin... ga ino... mashita... (Ja... Der Mörder.. hat mich... darum gebeten)

Mit einem Mal schien dem Ainu die Luft wegzubleiben. Er spürte noch immer diesen stechenden Schmerz in seinem gesamten Körper, doch nun mischte sich noch etwas anderes hinzu. Die pure Wut.

"Sein Leben für meins...!?", fragte er zitternd und starrte auf den reglos Daliegenden am Boden. Das Mädchen lachte und ließ ihn los. Von einem Moment auf den anderen verschwand sie, um gleich darauf kniend neben Ren wieder aufzutauchen.

Anata kashikoi desu nai? (Du bist ganz schön klug, was?)

"Das lasse ich nicht zu!", brüllte HoroHoro aufgebracht, bückte sich, um sein Ikupasi aufzuheben und stürzte sich auf die Gestalt vor sich. "Kororo! Ins Ikupasi!", rief er, während er schon dazu ausholte das Mädchen mit seinem Eishieb von Ren wegzufegen, doch anstatt das Mädchen von Ren wegzustoßen, glitt er - einem Schatten gleich - durch sie hindurch und landete schmerzhaft auf seinen Knien, die er sich sogleich aufschürfte. Verdutzt starrte er auf sein Ikupasi, Kororo war noch immer nicht an seiner Seite.

Erschrocken rappelte er sich so schnell er konnte wieder auf und sah, wie das Mädchen vorsichtig über Rens Wange strich. Die Haut, die sie dabei berührte, begann sich schwarz zu färben und HoroHoro war, als würde sie um ein tausendfaches altern und verfaulen. Ihm stieg der Geruch des toten Fleisches in die Nase und er war sich fast sicher, dass er sich entleeren würde, ehe er wieder klar denken konnte, doch allein der Gedanke an Rens Sicherheit ließ ihn allen Instinkten zum Trotz seinen Mageninhalt in sich behalten und er schaffte es die Hand des Mädchens wegzuschlagen, um sich schützend über Ren zu beugen.

Hätte HoroHoro Zeit zum Nachdenken gehabt, so hätte er sich sicherlich gewundert, wieso es auf einmal geklappt hatte die Gestalt zu berühren, doch in den Bruchteilen von Sekunden, die ihm zum Durchatmen blieben, schaffte er es nicht einmal seine Gedanken in eine ähnliche Richtung zu lenken. Nein, er konzentrierte sich voll und ganz auf seine Aufgabe Ren zu beschützen.

"Lass ihn in Ruhe! Er hat dir nichts getan!!", schrie er aus vollem Hals und sah zu, wie das Mädchen tatsächlich einige Zentimeter zurückwich, jedoch legte sich auf ihr Gesicht ein solch grässliches Grinsen, sodass HoroHoro mehr als nur Angst bekam.

Nande? Boku mo... muzai deshita!! Demo.. koroshita! Seigi janakute! (Wieso? Ich.. war auch unschuldig! Dennoch.. wurde ich getötet! Das ist keine Gerechtigkeit!)

Rens verfaulte Haut bildete schwielende Blasen, die den Ainu an Brandblasen erinnerten, doch war HoroHoro sich sicher, dass diese Verletzung noch viel schlimmer sein musste. Vorsichtig nahm er seinen Freund in den Arm, wagte es jedoch nicht dessen Wunde zu berühren, sondern starrte das Mädchen entsetzt an.

Dare mo... Dare mo boku o tasukunakatta... Itsumo... Itsumo sumimasen! Boku no me ga... bunkai shimashita... Soshite.. Boku ga koroshita... (Niemand.. Niemand hat mich gerettet... Immer wieder... flehe ich um Vergebung! Meine Augen... wurden herausgenommen... Und dann... wurde ich getötet...)

Einen kurzen Moment sah HoroHoro das Mädchen fast mitleidig an, ehe sich sein Blick wieder festigte und er wütend erwiderte: "Und darum lässt du andere genauso leiden!?" Das Mädchen legte den Kopf schief, als hatte sie die Worte nicht verstanden, doch der Blauhaarige wusste, dass dem nicht so war. "Wem willst du damit helfen?! Du kannst nicht wiederbelebt werden! Und du tust niemandem einen Gefallen, wenn du Ren umbringst und dich dadurch auch zum Mörder machst!"

Satsu-jin... Boku mo... satsu-jin desu... Seigi no tame ni! (Mörder... Auch ich... bin ein Mörder... Für die Gerechtigkeit!)

Von einer Sekunde auf die andere, hatte das Mädchen den Ainu von Ren weggestoßen und lud ihn sich auf ihre Arme, wobei es leise zu zischen begann, als immer mehr von Rens Haut begann sich schwärzlich zu färben. "Ren!", kreischte HoroHoro panisch und wollte sich auf die Gestalt stürzen, um Ren aus deren Klauen zu befreien, doch ehe der Blauschopf dazu ansetzen konnte, hörte er eine Jungenstimme rufen: "Warte, Gretel! Das kannst du nicht tun!"

Auch die Gestalt schien nicht zu wissen, was dies zu bedeuten hatte, denn sie drehte sich einmal um die Achse, um ihre Umgebung auszukundschaften. In ihrem Rücken sah sie ein weiteres Mädchen mit blonden Haaren und rosafarbenem Kleid. "Gretel!", rief die Jungenstimme erneut und HoroHoro konnte hinter dem blonden Mädchen einen braunhaarigen Jungen ausmachen, der dem Mädchen hektisch nachsetzte. "Hilf mir lieber, Hänsel!", lachte der Blondschopf fröhlich und entriss Ren aus den Klauen seines Peinigers.

Rens Haut verheilte augenblicklich an den Stellen, an denen Gretel ihn berührte. Die Gestalt, die sich ihres Opfers beraubt sah, fauchte eindringlich, ehe ihr Anblick verschwamm. Für einen Moment war es totenstill.

"Hinter dir, Hänsel!", rief Gretel und sah zu, wie der Braunhaarige sich noch im Rennen nach hinten abstieß, um blitzschnell eine Drehung zu vollführen, in welcher er dem schwarzhaarigen Mädchen in einer Bewegung den Kopf abtrennen konnte. Dass Hänsel ein Messer gezogen hatte, war HoroHoro nicht einmal aufgefallen.

Mit einem leisen Platsch landete der Kopf am Boden und HoroHoro konnte all das schwarze Blut sehen, das aus dem abgetrennten Hals lief. Der kopflose Körper des Mädchens torkelte noch einige schreckliche Sekunden haltlos umher, ehe er ebenfalls zu Boden ging. "Oh mein Gott...", stieß HoroHoro entsetzt aus und starrte abwechselnd den Jungen und das Mädchen an.

"Du und dein Freund hattet echt Glück, dass wir da waren...", erklärte Gretel lächelnd und hob dem Ainu seinen Freund hin. "Da, er ist ganz schön schwer..."

Behutsam und leicht verwirrt nahm HoroHoro Ren auf seine Arme und starrte die beiden Neulinge weiterhin an. "Ey, starr meine Schwester nicht so an... Sonst überlege ich es mir noch und lasse dich genau so enden...", warf Hänsel ein und nickte zu dem reglosen Körper der Schwarzhaarigen. "Ä-Ähm... entschuldige... und... danke...", brachte HoroHoro stammelnd hervor und deutete eine knappe Verbeugung an.

"Hm, kein Problem...", winkte Gretel ab und grinste. "Aber lasst uns jetzt ersteinmal verschwinden...", fügte Hänsel noch an und zog seine Schwester mit sich. HoroHoro, der sich nicht besser zu helfen wusste, lief den beiden einfach hinterher.

"Ähm... Hab ich das richtig verstanden...? Ihr seid Hänsel und Gretel?", fragte der Ainu verwirrt und sah zu Hänsel. "Richtig. Ich bin Hänsel und das ist meine Schwester Gretel. Wir bringen euch raus aus dieser Welt", erklärte der Junge und ließ das erste Mal seit seiner Ankunft ebenfalls ein Grinsen auf seinen Lippen erscheinen.

"Raus... aus dieser Welt..?", wiederholte HoroHoro, ohne zu wissen, was der andere ihm damit sagen wollte. "Ja, raus aus dieser Welt. Oder willst du hier bleiben und darauf warten, dass BloodyMary wieder aufsteht und dich tötet?", fragte der Junge schnippisch und führte die drei durch das Dickicht des schwarz-weißen Waldes. "Ähm... Ich dachte, du hättest sie geköpft, wie kann sie da wiederauferstehen?" "Das hier ist ihre Welt", antwortete Gretel an Hänsels Stelle, "Sie wird immer wieder auferstehen... Bis ihre Welt gelöscht wird... Aber das kann keiner... Darum sollten wir in unsere Welt fliehen"

HoroHoro nickte, während ihm die Worte der beiden durch den Kopf gingen. Dies war also die Welt von BloodyMary? Sie hatte die beiden zu sich geholt, um Ren zu töten und nun waren sie von Hänsel und Gretel gerettet worden. Dass dieser Wald, oder wie man es auch nennen wollte, nur halb existierte, musste also daher rühren, dass es BloodyMarys Welt war.

Nein, diesen Gedankengang verstand der Ainu nicht. Zwar war HoroHoro nicht allzu sehr bewandelt in Märchen, jedoch wusste er, dass Hänsel und Gretel einem westlichen entsprangen und dass BloodyMary nur eine Legende war, hatte er vorhin schon erfahren. Dies alles konnte also unmöglich echt sein!

Ren, der sich noch immer in seinen Armen befand, schien es jedoch zu sein, denn während HoroHoro weiter nachdachte, begann Ren leise zu Husten. Seine Verletzungen schienen langsam, jedoch stetig zu heilen und HoroHoro erwartete nicht einmal eine Antwort, als Gretel sie ihm mitteilte: "Wir entfernen uns aus BloodyMary's Einflussbereich, ihr Fluch wird schon bald vollends von deinem Freund genommen sein"

"Wirklich? Das ist gut... Ich hatte... wirklich Angst um ihn...", erklärte HoroHoro und sah auf den Chinesen hinab. So nah war er dem Lilahaarigen selten gewesen und meistens hatte er schon kurze Zeit später eine Kopfnuss oder ähnliches dafür kassiert, doch diesesmal konnte Ren sich gar nicht dagegen wehren. Vermutlich bekam er nicht einmal mit, dass er sich in den Armen des Blauschopfes befand.

"Keine Sorge, jetzt ist er in Sicherheit", pflichtete Hänsel seiner Schwester bei und HoroHoro war so abgelenkt, dass er das, was Hänsel anschließend noch murmelte gar nicht mehr verstand. "Gut...", seufzte der Ainu nur und hob seinen Blick. Vor ihnen flimmerte etwas, das der Ainu nicht deuten konnte. Immer wenn seine Augen gerade dabei waren es zu begreifen, schien es, als würde der Fleck vor ihm erneut zu einer zähen Masse verschwimmen, die sich seinem Begreifen entzog. "Was ist das..?", fragte er leicht verwirrt und vielleicht auch etwas ängstlich, denn Gretel antwortete ihm in beruhigendem Ton: "Keine Sorge. Das ist unser Portal. Gehen wir hindurch, gelangen wir direkt nach Mori-douwa (Märchenwald), also in Sicherheit!"

HoroHoro nickte, während er Gretel genauer ansah. Er musste zugeben, dass sie ein wirklich hübsches Mädchen war, ihre blonden Haare, die sie zu zwei feinen Zöpfen geflochten hatte, dazu ihr rosanes Kleid, das sie richtig niedlich wirken ließ. Doch sein Herz schlug schon für eine andere Person, wenn HoroHoro sich auch wünschte, dass es sich dabei nicht um die Person in seinen Armen handeln würde. Für gewöhnlich tat er seine Hingezogenheit zu dem Chinesen als hormonelle Unruhe hin, doch gerade in einer Situation wie der eben, war sich HoroHoro nicht so sicher, ob es wirklich nichts weiter als sein Jugendtrieb war.

Ehe er seine Gedanken noch weiter in diese Richtung vertiefen konnte, grollte Hänsel ihm entgegen: "Sagte ich nicht, du sollest meine Schwester nicht so anstarren?" Erschrocken wandte der Ainu seinen Blick auf den Jungen und nickte unschlüßig, bevor er meinte: "I-ich war nur in Gedanken! Weil ich doch so verwirrt bin..."

Hänsel begutachtete den Blauhaarigen einige Momente, ehe er akzeptierend nickte. "Verstehe.." Kein Wort wurde mehr verloren, doch HoroHoro entging der Blick, den Hänsel seiner Schwester zuwarf keineswegs, auch, wenn er ihn zu deuten nicht im Stande war. Ihm kam es vor, als sei es eine Mischung aus Drohung und Erleichterung zugleich gewesen. Aus den Augenwinkeln heraus konnte der Ainu sehen, wie Gretel zu grinsen begann.

"Du musst nur hindurch gehen", durchbrach Gretel die aufgekommene Stille und deutete auf das flimmernde Portal, das sich nun unmittelbar vor ihnen befand. Zumindest glaubte HoroHoro, dass es unmittelbar vor ihnen war, denn genau ansehen und erkennen konnte er es noch immer nicht. Für ihn wirkte es zumindest größer als noch einige Meter zuvor.

"Okay...", antwortete HoroHoro skeptisch und drehte sich nocheinmal um die eigene Achse, um den Wald, den er hinter sich lassen würde, genauer zu betrachten. Noch immer war alles in schwarz-weiß gefasst und noch immer konnte der Blauschopf nichts weiter als halbe Büsche, Bäume und anderes halbes Gewächs erkennen.

Kopfschüttelnd glitt sein Blick erneut zum rettenden Portal und tief durchatmend, trat der Blauschopf hindurch....
 

The End of my first laughter

Second Laughter: Hansel and Grethel

Second Laughter: Hansel and Grethel
 

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Nachdem Ren und HoroHoro auf mysteriöse Weise in die Welt des halben Waldes gezogen worden waren, hatten Hänsel und Gretel die beiden vor BloodyMary gerettet, die den Chinesen beinahe umgebracht hätte. Nun sind die beiden dem Geschwisterpaar in ihre Welt gefolgt und versuchen einen Weg zu finden, um wieder in ihre eigene Welt zurückzukehren...

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Ein Vogel - HoroHoro schätzte, dass es eine Nachtigall war - zwitscherte lautstark und trieb den Ainu fast zur Weißglut. Seit geschlagenen drei Stunden saß er nun auf dem eiskalten Stein und wartete darauf, dass Ren und Hänsel wiederkamen, doch noch immer rührte sich nicht der kleinste Zweig. Am liebsten wäre der Ainu einfach aufgestanden und umhergelaufen, um sich selbst ein Bild der Lage zu verschaffen, doch Ren hatte ihm dies in weiser Voraussicht verboten, schließlich konnte BloodyMary hinter jedem Strauch auf sie warten.

Gretel hatte sich längst hingelegt und schlief nun tief und fest, doch der Blauhaarige war zu unruhig, um auch nur ein einziges Auge zuzutun. Er blickte sie stirnrunzelnd an und lies seinen Blick anschließend schweifen, um - wie auch bei den letzten Dutzend Malen - nichts verdächtiges hinter den Ästen der Büsche und Bäume zu finden. Sie befanden sich in einem Wald, indem es vor Tieren nur so wimmelte und man ständig den Geruch von frischen Tannen in der Nase hatte. Die gesamte Umgebung war wieder in Farben zu bestaunen und auch die Bäume hatten wieder ihre bekannte dreidimensionale Form. Wieder einmal zeigte sich, dass man als Schamane auf vieles vorbereitet war, denn HoroHoro nahm kaum Notiz von dem Umstand, dass dieser Ort trotzallem nicht normal war. Der Umstand sich zu fragen, ob dies alles nur ein Traum sei, hatte sich gewandelt in den eines stummen Bewunderns und auch seine innere Unruhe wurde gekonnt von ihm zurückgedrängt ohne bewusst von den vielen Missständen in diesem Wald Notiz zu nehmen.

Seufzend legte er seinen Kopf in den Nacken und starrte nach oben in den von Ästen verhangenen Himmel. Die wenigen Sonnenstrahlen, die sich durch das Astgeflecht kämpften, blendeten den Ainu zwar, jedoch spürte er keinerlei Wärme von ihnen ausgehen, vielmehr waren sie kalt. HoroHoro fragte sich, warum dem so war, doch wollte er das Mädchen nicht extra wecken, um ihm diese Frage zu stellen, er konnte ja genau so gut noch einige Minuten warten. Oder Stunden.

Wie lange wollte sie denn noch schlafen? Mit der Zeit wurde es dem Ainu wirklich zu öde nur dazusitzen und nichts zu tun. All das Herumlaufen hatte ihm nichts gebracht und ihn nur noch mehr gelangweilt, doch nun stand er erneut auf und lief langsam im Kreis um seinen Stein und das Mädchen.

Noch einmal vergingen etliche Minuten - HoroHoro hätte es nicht gewundert, wenn es sogar Stunden gewesen wären - ehe er ein Rascheln vernahm und erleichtert aufatmen konnte, als er sah, wie Ren und Hänsel aus dem Gestrüpp hervorkamen. "Na, endlich!", rief HoroHoro genervt und verschränkte demonstrativ - und zugleich reflexartig - die Arme vor der Brust, um seine Unzufriedenheit deutlicher zum Ausdruck zu bringen. "Als wärst du schneller gewesen!", herrschte Ren ihn an und lies sich ebenso genervt auf den Stein nieder, auf dem HoroHoro die meiste Zeit über gesessen hatte. "Sicherlich!"

Hänsel sagte gar nichts, auch nicht, als HoroHoro ihn darauf ansprach, was die beiden denn nun herausgefunden hatten. "Ren... Was hast du mit dem armen Kerl gemacht, dass er nicht mehr mit mir reden will!?", herrschte der Ainu seinen Kumpel an und beobachtete Hänsel, wie er sich zu seiner Schwester kniete. Zwar konnte HoroHoro nicht genau erkennen, was er tat, doch als er sich wieder erhob, öffnete Gretel ihre Augen und stand langsam auf.

"BloodyMary ist hier", murmelte Hänsel nun doch noch und starrte den Blauhaarigen aus seinen eisblauen Augen an. Komisch, HoroHoro war sich eigentlich recht sicher gewesen, dass Hänsel vor wenigen Stunden noch passend zu seinen Haaren braune Augen gehabt hatte. So konnte man sich täuschen.

"Dann müssen wir weg...", sagte Gretel und riss den Ainu somit wieder aus seinen Gedanken. "Weg? Wohin denn?", fragte HoroHoro verwirrt und deutete in einer weitausholenden Geste um sich herum. "Hier ist nur Wald!"

Gretel lächelte, doch auch ihr Lächeln wirkte auf eine Art und Weise so kalt, dass es HoroHoro schaurig den Rücken herunter lief. Wie machte sie das nur? "Es gibt ein kleines Häuschen hier in der Nähe. Do-" "Das Knusperhäuschen?", warf Ren ein und verschränkte auf eine Art, die ihm selbst schier zu selbstverständlich vorkommen musste, die Arme vor der Brust, wie HoroHoro es bis vor kurzem noch getan hatte. "Genau" "Und die Hexe?" Nun wurde Rens Blick eindeutig lauernd. Doch anstatt sich wirklich auf das Gespräch zu konzentrieren, begann HoroHoro vielmehr in den gelben Augen seines Freundes zu versinken. Er war so froh gewesen, dass Rens Augen vollständig ausgeheilt waren, als sie diese neue Welt betreten hatten. Es hatte nicht einmal wirklich lange gedauert, bis Ren wieder aufgewacht war und mittlerweile schien es ihm wieder so gut wie eh und je zu gehen. Möglicherweise gab es in dieser Märchenwelt ja doch so etwas ähnliches wie Schamanenkräfte und dergleichen.

Seufzend senkte HoroHoro seinen Blick und spürte kurz darauf einen kleinen Druck an seiner Schulter. Als er sich umdrehte, um zu sehen, wer ihn eben gepiekst hatte, sah er in Hänsels Gesicht, das ihn fragend musterte. "Hm?", meinte der Blauhaarige verwirrt und blieb ungewöhnlich lange auch an Hänsels Augen kleben. Irgendetwas passte ihm nicht an Hänsels Gesamtbild, doch er wurde nicht schlau daraus, was es war.

Für einen kurzen Moment verfestigte sich der Gedankenblitz der Schamanenkräfte, bis ihm einfiel, dass weder Kororo noch Bason hier zu finden waren. Anscheinend bildete er sich Hänsels wechselndes Äußeres einfach ein, da er ein anderes Bild von dieser Märchenfigur gehabt hatte.

"Können wir jetzt zum Knusperhäuschen gehen?", fragte Hänsel und nickte in die Richtung, die sich hinter dem Ainu erstreckte. "Hä? Ich dachte die Hexe seie dort..." "Und wiedereinmal hast du nicht zugehört, Baka!", tadelte Ren den anderen und seufzte. "Die Hexe ist längst verbrannt" Den letzten Satz hatte Hänsel mit einem Seitenblick zu Ren eingeworfen. Kam es dem Ainu nur so vor, oder hatte sich Hänsel ein wenig säuerlich angehört?

Ohne noch ein weiteres Wort und damit noch mehr Zeit zu verlieren, begab sich die ungleiche Gruppe in die Richtung, in der das sagenumwobene Knusperhäuschen zu stehen schien. Stille durchzog den gesamten Wald, selbst die Nachtigall hatte aufgehört zu zwitschern und HoroHoro fragte sich mit der Zeit, ob sie die Tiere nur verscheucht hatten oder ob sie mit einem Schlag alle gestorben waren. Mehr als einmal verletzte HoroHoro sich an den Ästen der Sträucher und einmal brachte er es sogar fertig in seinen kurzen Hosen durch ein Feld Brennesseln zu laufen, woraufhin ihn ein vehement starker Juck- und Brennreiz nicht mehr losliess, sodass er immer herzzerreissender zu Quängeln begann, bis sie an einen Fluß gekommen waren, an dem er sich wenigstens ein wenig hatte abkühlen können.

"Boah... Tut das gut...", stöhnte HoroHoro erleichtert, während er durch den Fluß stakste. "Was bist du auch so blöd und trittst in diese Brennesseln?!", meinte Ren augenverdrehend. "'Tschuldigung, der Herr, dass ich diese Brennesseln nicht als solche erkannt habe!", verteidigte sich der Ainu und begann mit den Händen das Wasser zu Ren zu schaufeln und ihn so nasszuspritzen. "H-Hey! Lass das!", rief dieser leicht erschrocken und umso wütender aus und hob abwehrend seine Arme vors Gesicht.

Zwischen den beiden entwickelte sich eine kleine Wasserschlacht, nachdem Ren ebenfalls ins Wasser gesprungen war, um es dem Blauhaarigen heimzuzahlen, doch diese Schlacht endete jäh, als Hänsel plötzlich bei ihnen war, um ihnen beiden den Mund zuzuhalten. "Psssst!", mahnte er, "..Sie ist nah..."

Mit einem Schlag waren die beiden still und das letzte Geräusch, das noch ertönte, war das leise Rauschen des Flußes. Gretel, die sich noch immer am Flußufer befand, drehte sich langsam im Kreis und lies ihren Blick aufmerksam schweifen. "Hänsel..." "Gut.. Ich bringe die beiden zum Knusperhäuschen...", antwortete Hänsel ohne auch nur zu warten, bis seine Schwester ausgeredet hatte. "Pass auf dich auf"

HoroHoro hatte den Sinn des Wortwechsels noch nicht einmal verstanden, als Gretel schon zwischen den Bäumen und Büschen verschwunden war. "Beeilt euch, sie wird BloodyMary nicht ewig irreführen können", mahnte Hänsel monoton, während er so schnell er konnte durch den Fluß zu waten begann. Ren folgte dem Braunhaarigen ohne zu Zögern und ohne ein Wort zu verlieren, während der Ainu noch einige Sekunden brauchte, um zu realisieren, dass auch er sich in Bewegung setzen musste, was er schlußendlich auch tat.

"Wie weit ist es noch?", fragte HoroHoro leise, nachdem sie den Fluß hinter sich gelassen hatten und sich nun wieder durch eine Vielzahl an Gestrüpp kämpfen mussten. "Nicht mehr weit", murrte Hänsel zur Antwort, blickte jedoch weiter gerade aus und schien nicht einmal darauf zu achten, dass die anderen beiden hinterherkamen. "Und wie weit ist nicht mehr weit?", hakte HoroHoro nach und legte einen Zahn zu, um zu Hänsel aufzuschließen, während Ren etwas weiter hinten blieb. Komisch, denn Ren war normalerweise nicht der Typ, der hinter anderen herging, doch HoroHoro hatte keine Zeit und keine Lust sich weiter damit zu befassen, da er seine Zeit lieber damit verbrachte sich über die Tatsache aufzuregen, dass Hänsel ihm keine weitere Antwort gab. Auch nicht nach mehrmaligem Fragen.

"Klar, schweig mich halt an!", beschwerte HoroHoro sich sarkastisch und wand sich dann schnaubend an Ren. "Jetz' weiß ich, wieso du so gereizt warst, als ihr wiederkamt!" Zwar sah sich Ren nicht zu einer wirklichen Antwort verpflichtet, doch hob er teilnahmslos die Schultern, um den Ainu wenigstens etwas zu beruhigen.

"Spürt ihr das...?", fragte Hänsel urplötzlich und blieb ebenso abrupt stehen. "Hm? Nein", antwortete HoroHoro wahrheitsgetreu und blieb ebenfalls stehen. Aus den Augenwinkeln heraus sah der Blauhaarige, dass auch der Chinese angehalten hatte und sich nun umsah. "Ist sie das?" "Ja, sie ist nah... Anscheinend will sie sich ihr Opfer zurückholen", antwortete Hänsel dem Chinesen, "Schnell!" Mit einigen großen Sätzen rannte der Braunhaarige voraus und verschwand durch eine Mauer aus Ästen und Blättern. HoroHoro und Ren sahen sich einen Augenblick lang an, ehe sie ebenso schnell hinter dem anderen herstürzten und vor Schreck fast zurückprallten, als sie hinter den Blättern der Bäume eine kleine Wiese vorfanden, in deren Mitte eine Person scheinbar leblos am Boden lag.

"Gretel!", schrie Hänsel aufgebracht und rannte so schnell er konnte zu dem Körper des Mädchens. Die beiden anderen verharrten erst an ihrem Beobachtungsposten, der ihnen schlechten Einblick auf Gretel gewährte, ehe sich Ren als erster traute näher hinzugehen. "Gretel? Gretel, hörst du mich!?", hörte man den Braunhaarigen schreien, während er an der Schulter des Mädchens rüttelte. "Gretel!.... Bitte!"

Schwer schluckend versuchte auch HoroHoro sich den anderen zu nähern, doch je näher er ihnen kam, desto mehr Angst verspürte er. Das Mädchen schien tot, denn es rührte sich nicht und soweit HoroHoro von weitem erkennen konnte, war es zumindest im Gesicht voller Blut. "Gretel!!!", kreischte Hänsel verzweifelt und der Ainu hörte, wie der Junge zu schluchzen begann, als er sich über den Körper seiner Schwester beugte. "Sie ist tot"

Es mochte sein, dass es der Wahrheit entsprach, doch als Ren diese Worte aussprach, schien es, als würde der Tod des Mädchens erst Wirklichkeit werden und HoroHoro konnte nicht verstehen, wie er es einfach so hatte aussprechen können. Schließlich wäre er wenige Stunden zuvor selbst fast umgekommen und Gretel war diejenige gewesen, die dies verhindert hatte - in erster Linie zumindest.

"Hänsel...", wollte HoroHoro anfangen, um den Braunhaarigen zu trösten, doch dieser erhob sich tonlos und sah den Ainu mit einem so traurigen und so tiefgründigen Blick an, dass HoroHoro keine Worte mehr fand. Es war, als würde der Blick des anderen alle Gedanken in sich aufnehmen und verschlingen, so verrückt dies auch klingen mochte. "Geht in diese Richtung", wies Hänsel ihnen, "...Nach einigen Metern solltet ihr einen Weg erreichen. Folgt ihm... bis zum Knusperhäuschen"

"Und du?", fragte Ren scheinbar ungerührt, während er in die ihm gewiesene Richtung sah. Gerade als HoroHoro seinen Freund zurechtweisen wollte für seine rüde Art, konnte er sehen, wie Ren krampfhaft versuchte seine Gesichtszüge unter Kontrolle zu halten, doch es schien ihm nicht zu gelingen, denn seine Mundwinkel zuckten stetig und seine Augenbrauen konnten sich nicht entscheiden, ob sie die Stirn kraus ziehen, oder doch nur böse wirken sollten.

"Ich werde meine Schwester rächen"
 

Das Knusperhäuschen sah ganz anders aus, als HoroHoro sich das vorgestellt hatte. Er hatte sich viele kleine Lebkuchen vorgestellt, die backsteinähnlich aufeinander geschichtet worden waren, um eine Behausung zu bilden, doch die vier Grundwände bestanden aus vier riesigen Lebkuchenscheiben und nur das Dach bestand aus vielen Lebkuchen, die nebeneinander gelegt worden waren. Die Türe schien mit Lebensmittelfarbe gemischt worden zu sein, denn sie war schwarz und über ihr hing türkise Zuckerwatte, welche man auch als Verbindung der Wände zum Dach finden konnte. Geschmückt war das Haus mit grünen und rosanen Zuckerstreuseln, die fast größer als HoroHoros Kopf waren.

"Woah!", staunte der Ainu als er den Kopf in den Nacken lehnte, um sich das Haus von oben bis unten ansehen zu können. "Das kannst du laut sagen...", pflichtete der Chinese dem anderen bei und musterte das übergroße Haus aus Süßigkeiten genauer. HoroHoro nutzte die Zeit, in der Ren abgelenkt war, um kurzerhand an den großen Zuckerstreuseln hochzuklettern und es sich auf dem Dach bequem zu machen, um von einem gemütlichen Platz aus die Zuckerwatte essen zu können. "Hmmm!", machte er, während ihm die Zuckerwatte auf der Zunge zerlief und er sich nach hinten gegen die Lebkuchen lehnte.

Verdutzt sah sich der Lilahaarige um, als er HoroHoros Laute vernahm, konnte ihn jedoch nicht sehen, ehe er den Kopf anhob und erkannte, dass HoroHoro es tatsächlich gewagt hatte, sich auf das Knusperhäuschen zu begeben. "Baka!", schrie er, "Komm sofort von da runter!"

Erschrocken verschluckte HoroHoro sich an dem Bissen in seinem Mund und wäre beinahe gestürzt, hätte er sich nicht rechtzeitig an einem der Lebkuchen festgehalten. "Was denn?!", murrte HoroHoro beleidigt und schielte herunter zu Ren. "HoroHoro! Du kannst doch nicht einfach an dem Haus knabbern!?" "Wieso denn nicht? Ist doch ein Lebkuchenhaus!", verteidigte sich der Ainu, kletterte jedoch widerwillig nach unten, da er wirklich keine Lust hatte noch weiter von Ren getadelt zu werden.

"Na und!? Das soll fürs erste unser Versteck sein! Und nicht unsere Nahrungsquelle!", stauchte Ren den anderen weiter zusammen, während er wütend zur Tür stampfte. "Entschuldige, Mr. Ich-gönn-niemandem-ein-bisschen-Spaß! Ich dachte ja nur, da-", versuchte der Ainu seinen Standpunkt zu vertreten, doch brach er mitten im Satz ab, als er glaubte jemanden im einzigen Fenster des großen Hauses zu sehen, doch als er sich vergewissern wollte und genauer hinsah, war dort nichts mehr. "Was dachtest du?", fragte Ren genervt nach und hielt inne, um den Blauhaarigen anzusehen, ehe er den Kopf schüttelte und die Türe aufriss.

Ein unendliches Schwarz schien sich vor ihnen zu erstrecken, indem die beiden nichts sehen konnten - bis Ren den Lichtschalter fand und das Häuschen von einem matten Schein erleuchtet wurde. Die beiden staunten nicht schlecht, als sie in dem übergroßen Haus nur einen Backofen, einen kleinen Holztisch und die dazu passenden Stühle fanden und zwei kleine Kerzen, die mit ihrem flackernden Licht das gesamte Haus zu erleuchten versuchten. Stirnrunzelnd lief Ren zu einer der beiden Kerzen und hob ohne zu Zögern einen Finger in die kleine Flamme. "Ren!?", rief HoroHoro erschrocken und erstaunt aus und wurde von Ren ausgelacht, als dieser seinen Finger wieder zurückzog und die Schultern hob. "Sie sind eiskalt"

"Hö?", machte HoroHoro verwirrt und lief zu Ren, um ebenfalls in die Flamme zu fassen. Tatsächlich war die kleine Flamme eiskalt und HoroHoro erinnerte sich an etwas. Hänsels eiskalte Augen kamen ihm wieder in den Sinn und für einen Moment musste HoroHoro sich wirklich schütteln, um den Gedanken wieder loszuwerden, was Ren stirnrunzelnd hinnahm. "Kalte Kerzen, die man mit einem Lichtschalter anbekommt... das kann ja wirklich nur ein Märchen sein...", witzelte der Chinese leise und setzte sich auf einen der vier Holzstühle, die ungleichmäßig verteilt im Haus standen.

"Sagmal Ren...", fing der Ainu leise an, "Was ist los mit dir?" "Los mit mir?", fragte Ren verwirrt und legte den Kopf schief, als HoroHoro auf ihn zukam. "Ja, los mit dir. Du verhälst dich... merkwürdig" "Naja.. wir sind auch in einer merkwürdigen Welt, oder nicht?" "Schon, aber du.. Du bist selbst dafür noch merkwürdig", erläuterte HoroHoro seine Gedanken und setzte sich dem Lilahaarigen gegenüber auf einen zweiten Stuhl. "Ganz ehrlich?" Verwirrt legte nun auch HoroHoro den Kopf schief und nickte. "Ich fühle mich beschissen. Ich habe den beiden nicht geglaubt. Sie hatten wirklich Widersprüche aufzuweisen in ihren Erläuterungen! Aber sie haben uns geholfen... Mir das Leben gerettet... Und Gretel ist tot... Ich..." Ren brach ab und sah zur Seite. "Ren..."

"Ich wünschte, BloodyMary hätte mich umgebracht..."

Schlagartig fuhr HoroHoro hoch und verpasste dem Chinesen eine Ohrfeige, die in dem großen und leeren Haus noch eine Weile nachhallte. "Sag soetwas nie wieder! Hörst du!?", kreischte HoroHoro den anderen an, während er leise schnaubte und sich die schmerzende Hand rieb. Ren, der geschockt zur Seite sah, fühlte, wie sich der Schmerz auf seiner Wange ausbreitete und er konnte sich denken, dass sie auch schon rot anlief, doch er rührte sich nicht. Er sagte nichts und wagte es nicht mehr dem Blauhaarigen ins Gesicht zu blicken.

"Sag das... nie wieder!", wiederholte der Ainu noch einmal genau so energisch, wenn auch etwas leiser als zuvor. "Ich... brauche dich doch!" Langsam drehte Ren seinen Kopf doch wieder zu seinem Freund, wenn er ihm auch nicht in die Augen sah. "...du brauchst mich..?", fragte er fast lautlos und in einem Ton, der anmerken lies, wie sehr er daran zweifelte. "Mehr als irgendetwas sonst..."

"Gut! Dann kann ich dir ja alles andere nehmen, oder nicht?", erscholl es plötzlich und erschrocken drehten sich die beiden in Richtung Ofen, aus der die Stimme kam. "Wer...?", fragte HoroHoro wütend, als er die Person erkannte, der er sich gegenüber sah und zu grinsen begann. "Ach, du bist es! Erschreck uns doch nicht so!" "Verzeiht... Ich wollte euch nicht erschrecken...", meinte Hänsel eine Spur leiser und lief langsam auf die beiden zu.

"Hast du BloodyMary denn...?", wollte HoroHoro weiter wissen, doch Hänsel lächelte ihn nur an und schlagartig fiel es dem Ainu auf. Diese eisblauen Augen. Endlich fiel ihm ein, was ihm an Hänsels Gesamtbild missfallen hatte, als sie beschlossen hatten zum Knusperhäuschen zu gehen; zu diesem Zeitpunkt waren Hänsels Augen braun gewesen.

"Was soll das, Hänsel..?", fragte HoroHoro leise und wich einen Schritt zurück, wobei er mit einem Fuß an den Stuhl stieß, auf dem er bis vor kurzem noch gesessen hatte. "Was soll was...?", gab der Braunhaarige unschuldig zurück. "Deine Augen... Sie ändern ihre Farbe" "Sei doch nicht weibisch, HoroHoro-kun...", murmelte Hänsel und deutete auf die merkwürdigen Kerzen. "Das muss an der Beleuchtung liegen"

"Wo ist die Hexe?", meldete sich nun auch Ren zu Wort und HoroHoros Blick flog automatisch zu seinem Freund. Es vergingen nur wenige Augenblicke, doch diese genügten dem Braunhaarigen, um den letzten Abstand zwischen sich selbst und dem Ainu zu überwinden und den Arm um HoroHoros Hals zu schlingen, um ihn so in den Schwitzkasten zu ziehen. "Wuah!?", stieß HoroHoro hervor und versuchte sich zu befreien, doch Hänsels Griff war eisern und lies ihm keine Chance. Erschrocken war der Chinese aufgesprungen, doch hielt er sich zurück, als Hänsel ihm klarmachte, dass er HoroHoros Genick jederzeit brechen könnte.

"Verbrannt, das sagte ich doch", antwortete Hänsel trotzdem nach einigen Sekunden und lies seinen Griff sogar wieder etwas lockerer, wenn er den Ainu auch nicht freigab.

"Sie kann nicht sterben, nicht wahr?", hakte der Chinese leise nach. Schulterzuckend schüttelte Hänsel den Kopf und grinste. "Ist doch egal, ihr werdet sie sowieso nie zu Gesicht bekommen" "Ja, ihr werdet jetzt nämlich sterben!!", fügte eine Ren und HoroHoro bekannte Mädchenstimme hinzu. Geschockt drehte Ren sich herum und stolperte einige Schritte rückwärts, als er Gretel wiedererkannte - unverletzt.

Sie lächelte ihn zuckersüß an und sprach in einer genau so gezuckerten Stimme: "Was ist, Ren-kun? Hast du mich vermisst?" Langsam kam sie auf den Lilahaarigen zu und strich ihm sanft über die Wange. "Wehrst du dich, stirbt dein Freund", flüsterte sie ihm ins Ohr, woraufhin sie fast zärtlich in dieses biss und belustigt zusah, wie Ren rot anlief. Ob nun vor Scham oder Wut war dem Ainu nicht ganz klar.

"Was wollt ihr..!?", presste Ren hervor und reckte den Hals so weit er konnte, um sich wenigstens ein wenig von Gretel zu entfernen. "Hm... Mein Bruder wollte eigentlich nur mit euch spielen... Ich aber... Ich will euren Tod!", erklärte Gretel seelenruhig und begann schallend zu lachen. Das Echo, das von den Lebkuchenwänden zurückprallte lies den Kopf den Chinesen dröhnen und er fühlte sich, als würde sein Schädel jeden Moment zerplatzen, doch er tat es nicht.

"Reicht es euch denn nicht, dass BloodyMary und jagt!?", knurrte HoroHoro wütend und versuchte erneut sich zu befreien, doch war dieser Versuch ebenso zum Scheitern verurteilt, wie der erste. "Euch jagen soll sie?", fragte Hänsel belustigt, "Achso... Stimmt ja... Wir haben euch da ja was verheimlicht: BloodyMary kann nicht in unsere Welt" Gretel nickte bestätigend und fuhr fort: "Sie hat die Macht in die Welt der Menschen zu gehen, doch dafür musste sie ihre Macht aufgeben in unsere Welten zu können. Wir wiederum können zwar in die Welten der anderen 'Märchen', wie ihr sie nennt, doch können wir nicht in die Welt der Menschen" "Ja! Darum freuen wir uns auch immer, wenn BloodyMary wieder ein neues Opfer anschleppt und wir es entführen können!"

Die Informationen sickerten nur langsam in HoroHoros Kopf, doch er verstand, was sie zu bedeuten hatten. "Ihr habt uns reingelegt!?" "Bravo, HoroHoro-kun! Du bist ja wirklich schlau!", bemerkte Gretel hämisch und stieß Ren vor die Brust, sodass er erneut nach hinten taumelte und gefallen wäre, wäre er nicht gegen den Ofen gestoßen. "Und weil du so schlau bist, wirst du auch der erste sein, den wir verbrennen!", freute sich Hänsel und schleppte den Blauhaarigen ebenfalls zum Ofen. Doch Ren stellte sich ihm in den Weg, nachdem er sein Gleichgewicht wiedergefunden und seinen Puls einigermaßen unter Kontrolle hatte.

"Ach, komm schon! Verschwinde!", bat Hänsel und verstärkte den Griff um HoroHoros Hals wieder. "Lass ihn los!", forderte der Chinese, doch ihm war klar, wie wenig seine Forderung bringen würde. Trotzdem versuchte er HoroHoro etwas zu signalisieren, was dieser anscheinend nicht verstand. "Nein, Mann! Ich hab mir solche Mühe gegeben ihn zum Affen zu machen!", murrte der Braunhaarige und grinste wieder. "Meine Augen haben bisher jeden umgeworfen!" "Ja, weil sie deinen Gemütszustand anzeigen, nicht wahr? Sie waren immer dann braun, wenn du versucht hast uns etwas zu verheimlichen, sobald du aber deine wahren Gefühle nach außen hin gezeigt hast, wurden sie eisblau, stimmts?", erklärte Ren ihm, während er unauffällige Handbewegungen machte, von denen er hoffte, dass HoroHoro sie sehen und verstehen würde. "Hui... Ich bin erstaunt... Es stimmt nicht ganz, aber so im Groben könnte man es wohl so erklären", erwiderte Hänsel und blinzelte. Bisher hatte niemand sein Geheimnis so schnell erkannt.

"Gott, Hänsel... Halt dich doch nicht so lange mit diesem Geschwätz auf! Bring ihn schon um!", drängelte Gretel, die begierig darauf war die beiden im Feuer schmoren zu sehen.

"Ey... Zu sowas gehört auch immer ein Vorspiel! Das ist wie beim Sex! Ohne Vorspiel macht es nur halb so viel Spaß", erläuterte Hänsel, bedeutete Ren aber trotzdem mit einer Kopfbewegung, ihm nun endlich den Weg freizumachen. "Du und deine ewigen Vergleiche!" Gretel und schüttelte den Kopf, "Dabei hattest du noch nicht einmal Sex!" Hänsel äffte seine Schwester lautlos nach, trat jedoch gleichzeitig einen Schritt nach vorne und schob den Chinesen mit einem Fuß zur Seite - zumindest versuchte er dies. "Warte!", bat Ren. Zögerlich deutete er auf sich selbst. Eigentlich hatte er nie soetwas wie Freunde gewollt, trotzdem fühlte er, dass er alles in seiner Macht Stehende tun musste, um HoroHoro zu helfen. "...Verbrenn zuerst mich!"

Stirnrunzelnd betrachtete Hänsel den Chinesen und dann den Ainu in seinen Armen. Während Gretel sich weiter über ihren Bruder aufregte, beschloss dieser der Bitte des Lilahaarigen nachzugehen. Kurzerhand ließ er HoroHoro los und war drum und dran den Chinesen zu schnappen, als dieser schrie: "Horo!"

Alles weitere geschah binnen weniger Augenblicke, in denen HoroHoro - endlich befreit - durch eine geschickte Drehung hinter Hänsel kam, während Ren von ihm gepackt und halb zu Boden gedrückt wurde. Doch so leicht gab sich Ren nicht geschlagen, er hob sein Knie so wuchtvoll an, wie es ihm möglich war und traf die Märchenfigur direkt in ihren Kronjuwelen. Hänsel fiepte gequält auf und ließ den Chinesen los, um sich seine schmerzende Stelle zu halten, während ihm kleine Tränchen in die Augen schoßen. Schnell drehte Ren sich ab und öffnete den Ofen, wonach er zur Seite sprang, um es HoroHoro zu ermöglichen ihren Peiniger in den Ofen zu stoßen. Längst hatte dieser seine Flammen nach außen geschlagen, um sein Opfer gebührend zu empfangen. Hänsels markerschütternder Schrei erfüllte das ganze Haus, als die Flammen sich über seine Kleidung und seine Haut verteilten und immer mehr davon auffrassen. Sofort versengten seine Haare und seine Haut bildete immer schneller Brandblasen, die zerplatzten, als Hänsel sich gequält in der Asche wälzte.

"Nein! Hänsel!", kreischte Gretel entsetzt und stürzte herbei, um ihren Bruder aus den Flammen zu ziehen, doch Ren versperrte ihr den Weg, während HoroHoro die Ofentüre schloß. Trotz massiver Türe konnte man Hänsels Todesschreie laut und deutlich vernehmen und HoroHoro wurde übel, als er daran dachte, was gerade im Inneren des Ofens geschah.

"Wie konntet ihr nur!?", schrie das Mädchen die beiden Jungs an und Ren erkannte die Wuttränen in ihren Augenwinkeln. Ein Gefühl machte sich in ihm breit, das ihm deutlich signalisierte, dass Gretel ein hartnäckigerer Gegner sein würde, als ihr Bruder es gewesen war. Normalerweise hatte ihm dies nicht sein Instinkt sondern Bason gesagt. Es half nicht den Ainu rechtzeitig zu warnen. "HoroHoro, pass auf!", rief Ren noch aus, als er sich zur Seite drehte, um sich schützend vor HoroHoro zu stellen, als dieser von Gretel mit einem kleinen Messer attackiert wurde. "Ahh...?", stöhnte der Ainu leise als er spürte, wie etwas Flüssiges aus seinem Mund lief und er sich sicher war, dass er sich nun übergab, doch Rens entsetzter Blick jagte ihm einen Angstschauder über den Rücken, den er sich erst erklären konnte, als er auf seine Hand sah, die er reflexartig vor den Mund gehoben hatte. Sie war rot.

Als er nun an sich hinabsah, konnte er das Messer sehen, dass sich tief in seine Brust gebohrt hatte und seine Augen weiteten sich vor Schreck. "Ah-!", stieß er aus, bevor er in die Knie sackte und das Mädchen anstarrte, das ihm das Messer reingejagt hatte. "Für Hänsel!", wimmerte sie leise und zog ein weiteres Messer unter ihrem Kleid hervor. Gretel weinte bitterlich und die Tränen verschleierten ihr die Sicht, während sie weit über dem Kopf ausholte und auch das zweite Messer in HoroHoros Brust rammen wollte, doch Ren reagierte schneller, riss ihr das Messer aus der Hand und stieß es dem Mädchen in den Hals. Mit einem Ruck riss er das Messer zur Seite und enthauptete das Mädchen zur Hälfte, ehe er von ihr abließ und einen Satz zurücktat.

Gurgelnd torkelte Gretel ebenfalls zurück und fiel schließlich rücklings zu Boden. Nach kurzer Zeit rührte sie sich nicht mehr und die riesige Blutlache um sie herum, ließ Ren wissen, dass sie tot war. Dieses Mal wirklich.

Nichts desto weniger blutete HoroHoro weiter aus seiner Wunde, wenn auch nicht so stark wie Gretel es getan hatte. "Horo!", presste Ren entsetzt hervor und kniete sich zu seinem Freund, um ihn zu stützen. "...R-Ren...", murmelte HoroHoro leise und drehte den Kopf zu dem Chinesen, erkannte jedoch nur vage den Umriss des anderen. "Ich bin da... Keine Angst... Ich lasse dich nicht sterben", versuchte Ren vielmehr sich selbst als den Ainu zu beruhigen und half HoroHoro sich vorsichtig auf den Rücken zu legen.

"Mir ist... so schlecht... Ren...", nuschelte HoroHoro noch leiser, während sich langsam seine Augen schloßen. "Das ist okay, das geht wieder weg... Aber Horo... Horo, du musst wach bleiben! Hörst du mich? Bleib wach!" Ren schüttelte den Ainu sachte, um ihn wach zu halten, ehe er sich der Wunde widmete. Ohne zu Zögern zerriss er HoroHoros Hemd, um einen besseren Blick auf die Verletzung zu haben und er sog die Luft scharf zwischen den Zähnen ein, als er sah, wo genau das Messer steckte. Wie es aussah, hatte Gretel zwar das Herz des Ainus verfehlt, doch schien sie einen Lungenflügel erwischt zu haben, sodass HoroHoro über kurz oder lang entweder am Blutverlust starb, oder aber daran, dass sich seine Lunge mit seinem Blut gefüllt hatte.

Panisch überlegte der Chinese, was er tun konnte. Er hatte weder Medizin noch Ausrüstung zur Hand, mit denen er den Ainu hätte behandeln können, geschweige denn, dass er eine Ahnung von solchen Verletzungen hatte. Doch irgendetwas musste er tun. Ihm kam eine so sinnlose Idee, das sie möglicherweise sogar helfen konnte, entschied er. Schließlich waren sie in einer Märchenwelt, und in einer solchen mussten doch auch Wunder und dergleichen möglich sein!?

Hastig sah Ren sich um, doch alles was er sah waren der Ofen, der Tisch, auf dem die Kerzen standen, die Stühle, Gretels Leiche und ein Sack, der in der Ecke stand. Moment, hatte der Sack dort schon die ganze Zeit über gestanden? Schnell hastete Ren in die Ecke und griff nach dem staubigen Etwas und öffnete es. Zu seiner Überraschung befanden sich darin Lebkuchen mit Beschriftung. Auf dem Stück, das Ren herausholte war mit zittriger Hand 'Potenz' geschrieben worden. Stirnrunzelnd legte der Chinese den Lebkuchen neben sich und griff erneut in den Sack.

'Haschkeks' stand auf dem nächsten, den der Lilahaarige ebenfalls zur Seite legte und als er wieder zugriff, zog er einen Lebkuchen mit der Aufschrift 'Medizin' heraus. Rens Augen weiteten sich und seine Kinnlade klappte herunter, als er des Wortes gewahr wurde und er zögerte nicht lange, sondern stand hastig auf und lief zurück zu HoroHoro. Schnell lies er sich auf die Knie sinken und biss ein kleines Stück des Lebkuchens ab, um sicher zu gehen, dass es den Ainu nicht umbringen würde. Als er sich plötzlich ruhig und voller Kraft fühlte, beugte sich der Chinese weiter hinunter und hob dem Blauhaarigen den Lebkuchen an den Mund. "Iss!", forderte er HoroHoro leise auf, sah zu, wie dieser den Lebkuchen zwar in den Mund nahm, es aber nicht schaffte ihn zu kauen; ihm fehlte schon die Kraft. "Oh, Horo... Du musst das essen!", stammelte Ren verzweifelt und ballte seine Hände zu Fäusten, die dabei leicht zitterten. Er biss sich auf die Lippe und schüttelte den Kopf. "Bitte!" Als HoroHoro noch immer keinerlei Anstalten machte die Süßigkeit zu kauen, nahm Ren den Lebkuchen wieder an sich und biss ein Stück davon ab.

Er kaute es gut durch und beugte sich zu HoroHoro herunter, um es ihm durch eine Art Kuss in den Mund zu schieben. "Schluck das!", forderte Ren energisch und hob den Kopf des Ainus ein wenig an, um es ihm zu erleichtern. Tatsächlich schaffte HoroHoro es den Bissen in seinem Mund hinunterzuschlucken und Ren wagte es das Messer aus dessen Brust zu entfernen. HoroHoro schrie lauthals vor Schmerz und Ren beobachtete einen neuen Schwall Blut, der sich über HoroHoros Brust ergoss. Schnell kaute er ein neues Stück für den Ainu vor und übergab es ihm auf dieselbe Weise, wie eben.

Der Ainu klammerte sich an Rens Schultern und sah ihn aus schmerz- und angsterfüllten Augen an. "Es wird alles gut", murmelte der Chinese, als er dem Blauhaarigen noch ein drittes Mal die Lebkuchenmedizin verabreichte. Langsam beruhigte sich HoroHoro wieder und sein Klammergriff löste sich, während sich seine Wunde erstaunlich schnell schloß. Vorsichtig strich Ren durch die blauen Haare seines Gegenübers und lächelte ihn matt an. Beide waren schweißgebadet. HoroHoros Hautfarbe glich der einer Leiche. "Ah...", keuchte HoroHoro leise, als er sich wieder zurücksinken ließ und seinen Kopf auf den Holzboden legte. "Du wirst wieder gesund", meinte Ren leise mehr zu sich selbst als zu HoroHoro, legte den Kopf in den Nacken und atmete einmal kräftig durch, während er die Augen schloß und sich die Szene noch einmal durch den Kopf gehen ließ.

"Danke", hörte Ren den Blauhaarigen murmeln und sah wieder zu diesem, wobei ihm ein Lächeln über die Lippen huschte. "Behalt deinen Dank für dich. Wenn du nocheinmal so eine Scheiße baust, rette ich dich garantiert nicht mehr", meckerte Ren und lachte leise. Zumindest für den Moment schienen sie gerettet.
 

"Komm schon, HoroHoro! Sie könnten uns jederzeit einholen!", wisperte Ren, während er einen Ast nach dem anderen zur Seite schob, um so elegant wie möglich daran vorbeizugleiten. "Ja, doch... Ich kann nicht schneller...", schnaufte der Blauhaarige und man sah ihm an, dass seine Lungen viel zu Tun hatten, damit er nicht umkippte.

"Wir sind ja fast da!", flüsterte der Chinese und bahnte sich weiter seinen Weg durchs Gestrüpp.

Sie hatten keine lange Rast im Knusperhäuschen gemacht, doch eine Weile waren sie noch dagelegen und hatten sich ein wenig erholt. Schließlich waren sie zu dem Schluß zu kommen, dass die Gute in diesem Märchen die Stiefmutter sein musste. Also hatten sich die beiden auf den Weg zu eben dieser gemacht, um sie darum zu bitten ihnen den Weg in BloodyMarys Welt zu zeigen.

Den Weg glaubten sie durch den Pfad zu kennen, der sie ursprünglich zum Knusperhäuschen geführt hatte. Ren war der Meinung, dass dies der ausgebaute Pfad des einstigen 'Brotkrumenwegs' war und seine Vermutung stellte sich als richtig heraus, als sie noch eine letzte Buschreihe hinter sich liessen und ein großes Herrenhaus zu Gesicht bekamen.

"Das muss es sein!", zischte Ren und hielt den Ainu zurück, als dieser gerade heraus darauf zustürmen wollte. "Was denn!?", fragte HoroHoro genervt und trat einen Schritt zurück. "Wir wissen nicht, ob sie schon dort sind"

Augenverdrehend begann der Blauhaarige abzuwinken, während er meinte: "Ach, komm! So schnell können sie nicht sein! Wir wissen ja nicht einmal, wie schnell sie... wieder unter den Lebenden wandeln. Wenn es denn wirklich geht und sie uns nicht nur eine weitere Lüge aufgetischt haben, als sie sagten, BloodyMary würde nicht sterben können" "Genau darum müssen wir auf alles gefasst sein, okay?"

Seufzend stimmte der Ainu zu und wartete darauf, dass Ren ihm seinen Plan erläuterte. Natürlich war es riskant, doch HoroHoro verstand Rens übergroße Sorge einfach nicht, immerhin hatten sie noch immer die Reste des 'Medizinlebkuchens' und konnten diesen zur Not einsetzen. "Also... Ich werde anklopfen und du hälst dich hinter der Regentonne versteckt, okay? So kannst du, wenns brenzlig wird noch entkommen", erklärte der Chinese, deutete auf eine Tonne neben der Treppe vor ihnen und lief los, ohne HoroHoros Antwort abzuwarten. "W-Warte!", rief der Ainu und hastete dem anderen schnell hinterher, wollte auch gleich seinen Protest loswerden, wurde jedoch mit einer Geste zum Schweigen gebracht.

"Einmal fast sterben reicht für einen Tag, oder nicht?", fuhr Ren ihn an. Er schubste den Ainu neben die Treppe, ging selbst die drei Stufen hinauf und klopfte an die Tür. Es dauerte seine Zeit, ehe die beiden Schritte vernehmen konnten und sich die Türe schließlich öffnete. Eine hübsche junge Frau stand im Türrahmen und lächelte den Chinesen munter an. "Was kann ich für Sie tun?", fragte sie mit wohlklingender Stimme. Ren lief bei ihrem Anblick rot an.

"Ähm... Nunja.. Sind sie.. Sind Sie die Dame des Hauses?", fragte er um seine Fassung bemüht und räusperte sich leise. HoroHoros wütendes Knurren fiel ihm gar nicht auf. "Ja, die bin ich. Was kann ich für Sie tun, mein Herr?", antwortete die Frau und Ren kratzte sich verlegen an der Wange. "Nunja... Ich... Ich bin auf der Suche nach dem Weg in BloodyMarys Welt"

"WAS!?", schrie die Frau ihn auf einmal an und Ren wich erschrocken einen Schritt zurück, wobei er beinahe rücklings die Treppe hinunter gestolpert wäre. "Was fällt dir ein, du Wicht?!", brüllte sie weiter und drängte den Lilahaarigen nun die Treppe herunter, indem sie faustballend auf ihn zu schritt. "Niemand darf diese Welt verlassen! Das ist meine Welt! Alles hier gehört mir!! Dieses Haus, der Herr und die kleinen Kinderchen sowieso! Ich kann mit ihnen tun und lassen, was ich will! Genau wie mit dir!", herrschte die Frau Ren an und zog eine Peitsche aus ihrer Handtasche, die sie um die Schulter trug.

"W-Was!?", stotterte der Chinese überfordert und wich immer weiter zurück, bis er schließlich gute drei Meter vom Treppenansatz entfernt war und sehen konnte, wie HoroHoro sich hinter der Frau aufbaute. "H-Halt!", rief Ren noch aus, doch HoroHoro ignorierte ihn und verpasste der Dame einen so wuchtigen Schlag auf den Hinterkopf, dass sie augenblicklich in sich zusammensackte und zu Boden ging. "Die Frau ist gefährlich!", verteidigte HoroHoro sein Handeln und zog Ren am Handgelenk weg.

"Sie ist nicht die, die wir suchen!", erklärte HoroHoro aufgebracht und folgte wieder dem ausgebauten Brotkrumenweg. "Wie.. Wie meinst du das?", hakte Ren verständnislos nach. "Na, überleg doch mal! Hänsel und Gretel waren die Bösen, obwohl sie eigentlich die Guten sind. Die Stiefmutter, die zwar böse war, aber niemals jemanden umgebracht hatte, ist hier eine Diktatorin mit Sockenschuß! Wer also bleibt da noch übrig für die Rolle der Guten?" "Die böse Hexe!?", entfuhr es dem Chinesen und mit einem Schlag wurde es auch ihm klar. Warum auch immer die Figuren ihre Rollen getauscht hatten, die Hexe musste die Person sein, die ihnen helfen würde.

"Und wo finden wir sie?", fragte Ren leise, "Hänsel sagte, sie wäre verbrannt und im Knusperhäuschen war sie nicht!" HoroHoro zuckte mit den Schultern. "Hänsel hat gelogen. Die Hexe hat sich nur vor den beiden versteckt, immerhin muss sie wissen, dass die beiden ihre Opfer immer wieder hinters Licht führen!", führte der Ainu aus und verließ urplötzlich den markierten Weg, um sich wieder einmal durch mehrere Bäume und Büsche zu kämpfen. "Aha...?", machte Ren, da er zwar verstand, was der Ainu meinte, jedoch nicht wusste, was ihnen das bringen konnte. "Sie musste sich also ein Versteck suchen!" "Und?" "Und zwar eines, an dem sie niemand vermuten würde! Eines, in dem niemals jemand suchen würde... Zum Beispiel in einem Brennesselfeld", antwortete HoroHoro grinsend und deutete auf eben dieses, das sich nun vor ihnen erstreckte.

"Was? Du glaubst, dass sie dort drin ist?!", fauchte Ren aufgebracht und riss sich los. "Nein... Ich glaube es nicht, ich weiß es!", erwiderte der Ainu noch breiter grinsend und deutete auf einen Baum, der inmitten der Brennesselpflanzen stand. "Und.. woher?", fragte Ren nun verwirrt und starrte auf den Baum. "Sagen wir so... Ich bin halt gut!", lachte der Ainu und lief (so vorsichtig er konnte) durch das Brennesselfeld zu dem Baum hin.

"Hexe? Bist du da?", rief HoroHoro, während er sich dem Baum näherte und ihn von oben bis unten musterte. "Ich hab dich gesehen, du hast uns beobachtet, als wir beim alten Herrenhaus waren, nicht wahr?" Wenigstens wusste der Chinese nun, woher HoroHoro so genau gewusst hatte, dass sie die Hexe hier finden würden. "Wir wollen dir nichts tun... Wir brauchen deine Hilfe!"

Einige Momente lang war es still, und als sich Ren gerade dazu entschlossen hatte, ebenfalls durchs Feld zu laufen, hörten sie eine alte, zerrüttete Stimme: "Knusper, Knusper, Knäuschen... Wer knabbert an meinem Häuschen?"

Verwirrt sahen sich Ren und HoroHoro an, ehe der Ainu antwortete: "Zwei Reisende, die deine Hilfe benötigen"

"Seid ihr wirklich hier, um meine Hilfe zu erbitten?"

"Das sagte ich doch", antwortete HoroHoro blinzelnd und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Er würde doch niemals lügen! Notlügen ausgenommen, außerdem war diese Hexe komischer als sie selbst, immerhin brachte sie einen uralten Spruch, der nicht einmal zur Situation passte. "Gut... Ihr wurdet von Hänsel und Gretel gejagt... und die böse Stiefmutter hat euch versklaven wollen... Ich will euch Glauben schenken"

In dem Moment, in dem die Stimme verstummt war, hatten sich die Brennesseln in Gänseblümchen verwandelt und Ren staunte nicht schlecht, als der Baum sich vor ihnen auftat und eine ältere Frau aus ihm stieg. "Verzeiht meine Vorsicht", begann sie, doch HoroHoro unterbrach sie: "Ach, kein Ding. Solange du uns nicht auch töten willst" "Nein...", antwortete die Hexe, "Sicher nicht. Ich verabscheue Gewalt und die Greueltaten, die Hänsel und Gretel begehen. Ich will euch helfen - sofern ich das kann"

HoroHoro nickte fröhlich und zeigte auf Ren, während er ihr die Situation erklärte, wie sie hier gelandet waren, was Hänsel und Gretel ihnen erzählt hatten und wie sie nun zu der Hexe selbst gefunden hatten.

"So... Ihr wollt also zurück in die Welt der Menschen? Ja... Da kann ich euch helfen", meinte die alte Hexe, während die beiden Jungs große Augen machten. "Doch bevor ich euch von hier fortschicken kann, müsst ihr einer kleinen Geschichte lauschen", fuhr die Hexe fort und grinste mit ihren alten, eingefallenen Wangen. "Geschichte lauschen?", hakte HoroHoro nach, "Klar! Kein Problem!" Die Hexe nickte und bedeutete den beiden sich in das Meer aus Gänseblümchen zu setzen. Die beiden leisteten Folge, ließen ihr Gegenüber dabei jedoch nicht aus den Augen. Langsam begann sie mit den Fingern Zeichen in die Luft zu malen und Ren wollte gerade fragen, was das sollte, als sie mit rauer Stimme sprach:

"Seid gewarnt... Die Geschichte einer Hexe wird nicht einfach erzählt... sie wird gelebt!"
 

The End of my second laughter

Third Laughter: Snow White

Third Laughter: Snow White
 

~~~

Nachdem HoroHoro und Ren die angeblich böse Hexe gefunden und sie um Hilfe gebeten hatten, warteten die beiden nun darauf der Geschichte zu lauschen, die ihnen versprochen worden war...

~~~
 

"Lehnt euch zurück und genießt die Geschichte", murmelte die alte Hexe, während sie es sich selbst im Astgeflecht des Baumes gemütlich machte, in dem sie sich bis vor kurzem noch versteckt hatte. "Hauptsache sie fangen schnell an...", murrte Ren leise, setzte sich aber seines Erachtens nach gemütlich hin - hieß also im Klartext, dass er sich im Schneidersitz niederlies.

"Nur keine Eile... Wir haben alle Zeit der Welt...", erklärte die Hexe belustigt und nickte, als würde sie ihre eigene Zustimmung brauchen. HoroHoro sah abwechselnd von Ren zur Hexe und von der Hexe zu Ren. Er wusste es nicht genau, doch irgendetwas in ihm sagte ihm, dass die 'Geschichte' nicht ganz so werden würde, wie er sich das vorstellte. "So... Wo wir nun alle bequem sitzen, möchte ich beginnen", meinte die senil wirkende Zauberin und räusperte sich gekünstelt. "Jaaa!", rief der Ainu voller Vorfreude aus und grinste. Vorahnung hin oder her, er liebte Geschichten und da er davon ausging die Geschichte noch nicht zu kennen, liebte er sie umso mehr.

"Es war einmal vor sehr langer Zeit, in einem weit entfernten Land..."
 

Verwirrt sah HoroHoro sich um. Seine Augen waren nur für eine Millisekunde geschlossen gewesen - er hatte geblinzelt - doch plötzlich befand er sich nicht mehr in einem Wald bei der Hexe, sondern in einem Gemach, das ihn stark an das eines alten Schloßes erinnerte. "Ähm..." Wirklich alles hier deutete daraufhin, dass seine erste Eingebung richtig war, denn das Bett bestand eher aus einem Sack als aus einem richtigen Bett und statt Lampen, hingen in dem Raum nur Kerzen. Gegenüber des Bettes an der Wand fand HoroHoro einen Kamin und neben dem Kamin befand sich ein Kleiderschrank.

HoroHoro legte den Kopf schief, er fand es ein wenig kalt in dem Zimmer, weswegen er zum Schrank lief, um nachzusehen, ob er dort etwas wärmeres fand als seine eigene Kleidung.

Als er an sich hinab sah, bemerkte er jedoch, dass er nichts außer seiner Boxershorts anhatte. „Wuah!“, rief er aus und riss sofort den Schrank auf, um sich schnellstmöglich Klamotten herauszuholen.

Zu seiner Überraschung fand er dort drinnen nur eine Rüstung. „Was zum...?“, fragte er sich selbst, während er die silbernen Teile herausholte und sie sich genauer ansah. „Das ist ja...“

Minuten später hatte der Ainu es tatsächlich geschafft sich das altertümliche Etwas anzuziehen und begutachtete sich so gut er es konnte. „Yeah, baby...“

Ihm war immernoch nicht klar, wo er sich befand, geschweige denn wieso er dort war, doch die Rüstung gefiel ihm und es war besser als nichts über der nackten Haut zu tragen, weswegen er sich nicht weiter darum kümmerte. Just in dem Moment, als er aus dem Zimmer gehen wollte, um herauszufinden, wo er war, klopfte es an der Tür. "J..ja...?", fragte er verwirrt und sah auf den kleinen Jungen, der in der Tür stand. Komisch, doch der Junge erinnerte ihn irgendwie an Manta und das nicht nur aufgrund seiner Größe. "Sir Usui? Der Prinz erwartet sie!"

Prinz? Wie Prinz? HoroHoro kannte keinen Prinzen, wenn man mal davon absah, dass Ren sich manchmal wirklich wie einer aufführte - Moment!? Sollte das etwa heißen..? "Ich komme!", erklärte der Ainu und eilte auch schon an dem Jungen vorbei, bis ihm klar wurde, dass er nicht wusste, wohin ihn sein weg führen sollte und er dem Pagen doch wieder die Führung übergab. Die tadelnden Blicke des Kleinen ignorierte HoroHoro einfach und lief ihm still nach.

Als der Page an einer etwas größeren Türe klopfte, schien HoroHoros Herz fast auszusetzen, denn die Stimme, die er von Innen vernahm, war tatsächlich Rens. Voller Verwunderung und Erwartung betrat er den Saal, doch statt Ren sah er jemand anderen lässig auf dem Thron sitzen. "Horo?", hörte er allerdings eine ebenso verdutzte Stimme, wie es seine war, als er sich umdrehte und Ren in Ritterrüstung dastehen sah. "Ren?!"

"Meine Herren, Sie tun ja gerade so, als habtet ihr Euch seit Jahren nicht gesehen!", sprach der junge Mann auf dem Thron, der zweifelsohne etwas wie eine Krone trug und sich scheinbar gerne wichtig machte.

"Naja, die Umstände sind neu...", murmelte HoroHoro leicht von der Rolle und starrte den Prinzen an. "Stimmt... wir sind schließlich auf der Jagd nach meiner Braut!", lachte dieser und sprang von seinem Thron. Er hatte kurze blasslilane Haare, die im richtigen Schein der Kerzen ins weiß-graue gingen, sein Hemd wie seine Hose waren weiß. Außerdem trug er einen roten Mantel um die Schultern – genau wie man es von einem Adeligen erwartete.

Ren und HoroHoro sahen sich verwirrt an. Seit wann benahmen sich Prinzen denn so? Und was noch viel wichtiger war: Wo waren sie und warum zum Teufel trug nun auch Ren eine Ritterrüstung?

"Mein Herr!", rief der Page, als der Prinz aus der Tür stürmte und sein Schwert ungestüm durch die Luft sausen lies. "Ach du Schande...", murrte Ren und verdrehte genervt die Augen. "Kannst du laut sagen...", pflichtete HoroHoro dem Chinesen bei, während sein Blick an Ren auf und ab glitt und er versunken in Gedanken hinzufügte: "Aber die Rüstung steht dir..."

Für einen kurzen Moment sah man die Gesichtszüge des Lilahaarigen entgleiten, ehe er sich abwand und dem Prinzen nacheilte....
 

"Stopp, Stopp, Stopp! Du willst damit sagen, du bist Prinz Kain? Der dessen Land auch den Teil hinter den Bergen bei den Sieben Zwergen gehört? Du kannst tun und lassen, was du willst! Keiner schreibt dir etwas vor und du hast Ritter! Ren und mich zum Beispiel und wir helfen dir deine Braut zu finden, von der du gehört hast, dass ihr Haar so schwarz wie Ebenholz ist und deren Lippen so rot wie Blutorangen si-" "Lippen so rot wie Blut, du Hammel!" "Ja, doch, mein ich doch! Und ihre Haut soll so weiß wie Schnee sein, nicht wahr? Sie ist deine Traumfrau und Ren und ich - möge er auch noch so rumnörgeln! - werden dir dabei helfen, so gut wir können!!"

Ren seufzte, denn HoroHoro zählte dies schon zum x-ten Mal auf und jedes Mal hatte er von Neuem irgendeine Kleinigkeit falsch erzählt. Prinz Kain hörte allerdings jedes Mal wieder mit großer Freude zu und schmunzelte jedes Mal, wenn Ren seinen Kumpel verbesserte. "Wie lange ist es eigentlich noch, Kain-chan?", fragte HoroHoro irgendwann, denn ihm tat das Gesäß von ihrer Reiterei mehr als weh. Mittlerweile waren sie schon gefühlte drei Stunden unterwegs. "Nenn den Prinzen nicht Kain-chan, du Hans!", meckerte Ren energisch und schüttelte wütend den Kopf. "Ach, Sir Tao, lassen Sie den Jungen ruhig, Ihr gefallt mir, ihr dürft mich so nennen! ... Und um auf Eure Frage zu kommen, Sir Usui, es dürfte nicht mehr lange dauern, keine Sorge! Irgendwo da vorne ist der Wald, indem sie lebt!"

"Gut, dann haben wir das wenigstens bald hinter uns!", erfreute sich der Chinese und trabte sein Pferd so an, dass es noch einen Tick schneller ritt.

Nach einer Weile konnten sie tatsächlich den Wald sehen, den der Prinz ihnen angekündigt hatte und die drei jungen Männer gewannen sichtlich an Elan, als sie die Wegweiser zur Edelsteinmine sahen und sie genau wussten, dass sie nun die sieben Zwerge finden würden. "Bist du den Zwergen schonmal begegnet, Kain-chan?", hakte HoroHoro neugierig nach und blickte sich um. So gesehen war der Wald hier richtig schön, man konnte die Vögel zwitschern hören und ab und an liefen ein paar Eichhörnchen über den Trampelpfad, dem sie folgten. "Nein, aber hier irgendwo ist das Grab meines Bruders", erklärte der Prinz und sah sich grinsend um.

"Wieso? Ist er tot?" HoroHoro schrie auf, als Ren ihn auf diese Frage hin schlug. "Für was war das denn!?" "Depp! Liegst du denn lebendig in deinem Grab!?", fragte der Chinese schnaubend und sah daraufhin Kain an. "Hm... Naja..", fing er an und seufzte, "Das passiert nuneinmal, wenn man ein ganzes Land regieren will.."

Stirnrunzelnd sahen Ren und HoroHoro sich an, sie verstanden zwar nicht genau, was der Prinz damit meinte, doch wollten sie auch nicht weiter darauf eingehen, da sie aus eigenen Erfahrungen wussten, dass nicht jeder so gut auf das Thema 'Tod' anzusprechen war.
 

Nach nicht einmal einer vollen halben Stunde erreichte das Dreiergespann die Mine der Zwerge. Die Schilder hatten ihnen exzellent den Weg beschrieben und dank HoroHoros und Kains munterem Gequatsche waren sogar die Pferde noch gut drauf, als ihre Reiter abstiegen und sie am nächstbesten Baum festbanden. Nur Ren hatte mal wieder schlechte Laune.

„Gott im Himmel, Renchen! Krieg dich wieder ein, wir finden schon noch raus, wieso wir hier sind!“, versuchte der Ainu seinen Freund aufzulockern, doch es wollte nicht so ganz gelingen, auch nicht als Kain einwarf, dass sie immernoch auf seiner Brautschau waren. „Wie oft denn noch? Wir haben keine Zeit für eine Brautschau! Außerdem wissen wir doch längst, mit wem unser Pri-“, entfuhr es dem Chinesen wütend, doch HoroHoro hatte ihm gerade rechtzeitig den Mund zuhalten können, sodass er verhindert hatte, dass Ren zu viel ausplauderte. „Pssst!“

Prinz Kain sah die beiden einen Moment lang verdutzt an, ehe er gekränkt meinte: „Ja, natürlich habt Ihr keine Zeit für meine Brautschau... Ihr habt eure Braut schließlich schon gefunden, nicht wahr?“ Dieses Mal waren es Ren und HoroHoro, die verdutzt aussahen, ehe sie begriffen, wie der Prinz das gemeint hatte, woraufhin HoroHoro rot anlief und Ren wütend keifte: „Ich bin weder schwul noch in den Kerl da verknallt, kapiert?!“ „Klar, er spielt Euch ja auch das Mädchen, seid unbesorgt, ich kann ihn mir sehr gut in einem zartrosa Kleidchen vorstellen!“, erwiderte Kain ungerührt und schaute in die Tiefen des Stollens, vor dessen Eingang sie sich noch immer befanden. „Ach, würde ich das?“ „Ja, würdet Ihr, mein lieber Sir Usui, denn... Mal ganz ehrlich, ich steh auf Eure blauen Haare!“, antwortete der Prinz grinsend, während er mit seiner Hand die Kratzbewegung einer Katze nachmachte. „Uh.. ähm, danke sehr.. mein Prinz“, stammelte HoroHoro zusammen und fuhr sich nervös durch die eben angepriesenen Haare. Ren verdrehte nur genervt die Augen und äffte den Blauhaarigen nach: „Uh~! Dankeschön, mein Prinz! Leg mich doch bitte gleich hier flach, damit Ren sich übergeben muss!“

„Na, na, na, Sir Tao! Der Einzige, den ich je flach gelegt habe, ist Abel gewesen und das wird auch so bleiben! ..Ein Bild von einem Mann und so naiv...“, säuselte der Prinz und bemerkte gar nicht, dass Ren ihn entgeistert anstarrte. „Abel?“ „Ja, Abel... Er hat alles für mich getan... Nur sein Land... Er wollte es mir einfach nicht schenken“ „Also hast du es dir genommen“

Kain lachte, doch es hörte sich mehr nach einem Hilferuf als einem Lachen an. „Ja... Natürlich! Es stand mir zu! Es... Es stand mir doch zu! Ich habe ihn geliebt! Mehr als einen Bruder... Mehr als alles andere auf der Welt! Und trotzdem weigerte er sich mir seinen Körper zu schenken...“ „Hä? Wie jetzt? Körper oder Land?“, fragte HoroHoro verwirrt, da er die komplizierten Gedankengänge der anderen längst nicht mehr nachvollziehen konnte, „Hast du ihn vergewaltigt und dann umgebracht?“ „Andersherum... Ich habe ihn geküsst, doch er wehrte sich. Sein Land gehöre ihm! Als er sich nicht mehr wehrte, merkte ich, dass ich ihm den Hals gebrochen hatte... Doch endlich gehörte sein Land mir! Und ich eroberte es Stück für Stück... Erst mit der Zunge und dann mit meinem Florida!“, erläuterte Kain und sah in HoroHoros ratloses Gesicht. „Abels Land war also sein Körper, ja? Du hast deinen Bruder umgebracht, um ihn vögeln zu können?“, hinterfragte Ren seine Theorien, woraufhin Kain nickte. „Seiner ist nach einem älteren Land benannt, doch meinen habe ich den Zeiten entsprechend umgetauft! Florida passt doch gut, oder nicht?“ Noch ehe dem Ainu wirklich klar wurde, wer oder was 'Florida' war, wurde ihm speiübel und er hätte sich sicherlich ins nächstbeste Gebüsch übergeben, wäre nicht in genau diesem Moment einer der sieben Zwerge aus dem Stollen getreten.

„Was macht ihr hier für einen Radau?!“, erboste sich der Zwerg und fummelte sich unübersehbar an seinem Bart herum. „Wir sind auf Brautschau, werter Herr Zwerg!“, antwortete Prinz Kain ihm, ehe noch ein anderer etwas hatte sagen können.

„Brautschau? Etwa Schneewittchen?“, fragte der Zwerg daraufhin und nickte nachdenklich. Seine Mine erhellte sich, wenn dies auch noch lange nicht heißen mochte, dass er die Drei nun fröhlich anlächelte. „Schneewittchen? Ey, das ist die mit dem Haar so schwarz wie Elbenholz, oder?“, mischte HoroHoro sich ein, woraufhin Ren ihm einen auf den Deckel gab. „Ebenholz! Verdammt, ist das so schwer zu merken?!“, keifte er und schüttelte genervt den Kopf. Als Gott Hirn verteilt hatte, musste der Ainu einen Spaziergang gemacht haben.

„Sorry.. Aber die ist's doch, oder?“, hakte HoroHoro trotzdem nach und grinste, als Ren stumm nickte. So schlecht war sein Gedächtnis ja doch nicht. Manchmal passierten ihm eben einige kleine Verwechselungen. „Führt mich bitte zu ihr!“, bat Kain, den Streit der beiden Jungen ignorierend und in seinen Gedanken schwelgend.

„Arschlecken Hinführen! Such sie doch selber! Um die Uhrzeit dürfte sie am Fluss sein“, murrte der alte Zwerg und deutete dem Prinzen einen kleinen Pfad, der einen kleinen Hügel hinabführte. „Menno... Aber gut, meine tapferen Freunde! Ich werde mich auf die Suche nach meiner holden Braut begeben! Ihr dürft euch solange auf eigene Faust umsehen. Nun denn, lebet denn wohl!“, erklärte der Prinz gelassen und warf seinen Mantel zurück, um so dramatisch wie möglich von dannen zu ziehen.

Ehe Ren oder HoroHoro noch etwas hatten sagen können, war ihr Herr auch schon verschwunden. Seufzend sahen sie sich nun also an, um zu überlegen, was sie nun machen sollten. „Wenn ihr wollt, könnt ihr in unsere Hütte gehen, allerdings wär's dann auch nett, wenn ihr uns was zu Essen machen würdet, oder so“, bot der Zwerg an, während er die beiden Ritter stirnrunzelnd musterte. „Cool, danke!“, meinte der Ainu freudig und riss den Chinesen schon mit sich, ehe dieser etwas hatte sagen können. Schon nach wenigen Metern jedoch, fiel dem Blauhaarigen sein Fehler auf, weswegen er stehen blieb und sich noch einmal herumdrehte: „Wo ist denn ihre Hütte?“ „Einfach weiter geradeaus! Und an der nächsten Abbiegung links, gar nicht zu verfehlen!“, erklärte der Zwerg grinsend und lief wieder zurück in seinen Stollen.

„Gut, also auf geht's“, zwang Ren sich zu sagen und zog seinerseits den Ainu hinter sich her. Summend folgte HoroHoro dem Chinesen und musste unwillkürlich lächeln, als er der Tatsache gewahr wurde, dass Ren Händchen mit ihm hielt, um ihn hinter sich herzuziehen. Von diesem Umstand angespornt, fiel es dem Ainu nicht im Traum ein sein Tempo zu beschleunigen, um neben dem anderen herlaufen zu können.
 

„Das muss es sein, oder?“, fragte HoroHoro, während er die Hütte, vor der sie nun standen, genauer betrachtete. In der Grundform erinnerte die Hütte stark an das Lebkuchenhaus, doch unglücklicherweise bestand dieses Häuschen nur aus Holz und nicht aus Süßigkeiten. „Denke schon“, antwortete Ren ihm seufzend und lies schlussendlich HoroHoros Hand los. Ihm musste nicht einmal aufgefallen sein, dass er sie die ganze Zeit über gehalten hatte.

„Inspektion!“, rief der Ainu grinsend aus und stürmte in die alte Hütte. Der Chinese schüttelte verständnislos den Kopf und lief ihm nach, bis er zwei Schreie vernahm – einer schrill und männlich und der andere überrascht und weiblich. „Horo!? Was ist los?“, fragte Ren und beschleunigte sein Tempo, um nach dem Rechten zu sehen.

„Wer seid Ihr!?“, hinterfragte die Frauenstimme und HoroHoro rang sichtlich nach Atem, um ihr wenigstens diese Frage zu beantworten, doch ehe er es konnte, erhob Ren das Wort: „Wir sind Ritter des Prinzen, wer bist du?“ „Des Prinzen?... Ist er hier?! Ich bin Schneewittchen!“

HoroHoros Kinnlade klappte überrascht nach unten. „Schneewittchen? Deren Haut so weiß wie Klee ist!? - Au! - Du? Hier!?“, rief er aus, riss zusätzlich die Augen weit auf und hob sich den schmerzenden Kopf, den Ren soeben geschlagen hatte. „Ähm, ja... wieso auch nicht?“, fragte Schneewittchen etwas überfordert und lächelte. „Der Prinz sucht dich am Fluss, deshalb“, antwortete Ren statt HoroHoro und zuckte mit den Schultern.

„Oh... Na, Gott sei Dank ist er nicht hier!“, meinte Schneewittchen daraufhin und grinste. „Wieso? Kannst du ihn nicht leiden?“, hakte HoroHoro neugierig nach. „Hm, naja... Er ist schwul und sucht sich trotzdem eine weibliche Braut. Hallo?! Da ist es doch vorprogrammiert, dass er mich betrügt!“, stellte das Mädchen genervt fest und fuhr sich durch ihr ebenholzfarbenes Haar. „Stimmt auch wieder...“

„Aber naja, wo Ihr schon hier seid, wollt Ihr nicht etwas für mich anprobieren? Ich bin sicher es steht Euch total! Die Sachen passen leider nicht zu mir.. Euch allerdings finde ich, würden die Sachen sehr gut stehen!“, säuselte Schneewittchen und winkte die beiden weiter ins Haus hinein. Die beiden Jungs folgten ihr, zwar mit Bedenken, jedoch ohne ein Wort über diese zu verlieren. „Wie heißt Ihr eigentlich?“, fragte das Mädchen noch, ehe es anfing in ihrem Kleiderschrank herum zu wühlen. „Mein Name ist HoroHoro und die Schmollbacke da heißt Ren!“, antwortete HoroHoro, wofür er sich einen bösen Blick und eine weitere Kopfnuss einfing.

„Ah, nett! ...HoroHoro das hier ist für Euch!“, meinte Schneewittchen daraufhin und hielt dem Ainu ein Kleidungsstück hin, dass den Blauhaarigen stark an ein Korsett erinnerte. Moment – Es war ein Korsett! „D-Das soll ich anziehen!?“, fragte HoroHoro verwirrt und starrte das Stück Stoff an, das er mittlerweile in den eigenen Händen hielt. „Aber sicher doch! Das steht Euch sicherlich fabelhaft! Ihr habt so etwas... weibliches an Euch!“, antwortete das Mädchen lächelnd und öffnete die Verschlüsse der Rüstungsteile des Ainus, ohne weiterhin auf dessen Protest zu hören. Ren sah sich die Szene teils belustigt an und setzte sich auf einen viel zu kleinen Stuhl, der zusammen mit sieben weiteren Stühlen im Raum stand. Hätte HoroHoro Zeit gehabt, um den Blick des Lilahaarigen genauer zu deuten, wäre ihm vielleicht sogar aufgefallen, dass er nicht nur lustiges an der Szene fand, die sich ihm bot.

Schnell war die Rüstung des Blauhaarigen entledigt und schon begann das Mädchen dem Jungen das enge Korsett anzulegen. „Uff!“, presste der Ainu hervor, als ihm klar wurde, dass das Kleidungsstück für seinen Körperbau doch um einiges zu eng war. „W-warte mal...!“, begehrte er auf, doch er fand nicht einmal die Kraft sich gegen Schneewittchen zu wehren, und als er Ren hilfesuchend ansah, bemerkte er nur, dass dieser ihn nicht wirklich beachtete sondern nur den Anblick genoß. „Ich... Ich kriege keine Luft... mehr...“, röchelte der Blauhaarige nun und rang sichtlich nach der ihm wegbleibenden Luft. Das Korsett lag nun fest an und HoroHoro konnte seine Lunge nicht einmal mehr einziehen, um Luft zu schnappen, da sie schon so sehr zusammengedrückt war, wie nur irgendmöglich. In diesem Moment hätte HoroHoro schwören können, dass sich seine Organe verschoben, um in den zusammengedrückten Körper zu passen. „Das steht dir doch prima!“, meinte das Mädchen nur und kaute sich auf ihren blutroten Lippen herum. „Ist das nicht etwas eng? Er sieht nicht gut aus“, fiel der Chinese ihr ins Wort und begann die Stirn zu runzeln. So langsam war es wirklich komisch, dass der Ainu blau anlief und nicht lautstark meckerte. Überhaupt schien etwas faul.

„Sch... eiße...“, keuchte HoroHoro und riss verzweifelt an dem Kleidungsstück, um es wenigstens etwas zu lockern, und als er ungeschickt und immernoch nach Atem ringend an dem Teil riss, schaffte er es eine der Schnallen abzureissen, sodass das Korsett kaputt ging und dem Ainu wieder Platz zum Atmen gab. „Oh mein Gott!“, stöhnte er, während er sich auf die Knie sinken lies und kräftig durchatmete. Seine Lungen brannten nach dem Sauerstoff, den sie nun dankbar wieder in sich aufnahmen. „Ich hätte sterben können!“, fluchte der Ainu und sah Ren vorwurfsvoll an. Wieso hatte er ihm nicht geholfen?

"Was habt Ihr denn?", frage Schneewittchen verwirrt und besah sich das zerstörte Kleidungsstück, "Es stand Euch doch so gut" HoroHoro sah sie daraufhin entgeistert an und deutete auf seinen Oberkörper: "Du hast mich fast umgebracht!"

Schneewittchen zuckte unschuldig die Schultern und wandte sich an Ren: "Ihr findet doch auch, dass es ihm stand, oder nicht? ... Na wie dem auch sei. Für Euch habe ich ja auch noch etwas" Damit lief sie wieder zu ihrem Schrank und wühlte darin herum.

"Okay", meinte der Chinese und sah ihr dabei zu. HoroHoro seinerseits starrte die beiden abwechselnd an. Er konnte es nicht fassen, dass sich keiner dafür interessierte, dass er um ein Haar erstickt wäre.

"Da ist er ja!", rief Schneewittchen aus und hielt Ren einen Kamm vor die Nase. "Der wird Euch bestimmt total stehen!" Verwirrt sah Ren das Mädchen an. "Ein Kamm?" "Ja ein Kamm.", antwortete Schneewittchen und lächelte. Ehe Ren noch etwas sagen konnte, steckte sie dem Chinesen schon den Kamm in die Haare. Um ihn besser zu befestigen, steckte sie ihn in den Ansatz seines Zacken, was dem Lilahaarigen jedoch sichtlich missfiel.

"Nimm das Ding da raus!", keifte er und fummelte in seinen Haaren herum. Allerdings schlug ihm Schneewittchen daraufhin auf die Finger und meinte: "Ach, komm schon, das sieht voll süß aus!"

HoroHoro nickte beipflichtend, während er den Chinesen von oben bis unten begutachtete. Die Rüstung allein stand ihm schon so gut, doch kombiniert mit dem Kamm ergab es einen Anblick, den HoroHoro nur göttlich nennen konnte.

Ren zuckte mit den Schultern, während er wie von selbst seine Arme vor der Brust verschränkte.

"Von mir aus, dann lass ich ihn halt drin", murrte Ren während sein Blick an HoroHoro haften blieb. Als dem Blauhaarigen bewusst wurde, dass der andere seinen Blick bemerkte, drehte er sich schnell weg und versuchte so gut es ging nicht rot anzulaufen.
 

Es verstrichen einige Minuten in denen sie sich nur anschwiegen. Urplötzlich fing Schneewittchen an sich die Haare zu raufen und leise vor sich hin zu fluchen. Ren und HoroHoro verstanden es nicht ganz, jedoch wurde ihnen mit einem Mal klar, dass Schneewittchen versucht hatte sie um zu bringen, genau wie die böse Hexe im Ursprungsmärchen es mit ihr versucht hatte. Erst das Korsett, dann der Kamm, also musste als nächstes der Apfel dran sein. Wie abgesprochen tauschten die beiden Blicke aus, um sich zu signalisieren, dass sie hinter das Geheimnis gestiegen waren. Sie sahen überrascht zu, wie Schneewittchen aus dem Zimmer eilte und keine Minute später wieder kam. In ihrer Hand hielt sie einen Apfel. Auf der einen Seite war er saftig grün, während die andere tief rot gefärbt war.

"Sieht der nicht lecker aus?", versuchte sie die Jungs zu überzeugen und roch genüsslich an dem Apfel. Grinsend sah sie Ren und HoroHoro an und hob ihnen den Apfel hin. "Nein danke, wir wollen nichts", meinte Ren und hob ablehnend die Hand. HoroHoro nickte beipflichtend und wand sich danach an seinen Freund: "Wir hatten vorhin Kekse, nicht wahr?" Dieses Mal war es Ren, der nickte.

"Achso? Gut dann ess' ich ihn eben selber", erklärte Schneewittchen lächelnd und biss in die rote Hälfte hinein. Sie grinste, bis sie auf den Apfel hinabsah. Sofort bemerkte sie ihren Fehler und wollte das vergiftete Apfelstück gerade ausspucken, als es ihr im Hals stecken blieb. Verzweifelt röchelte sie etwas, das die beiden nicht mehr verstehen konnten und versuchte das vergiftete Stück Obst aus ihrem Körper zu bekommen. Noch ehe ihr dies gelang fiel sie zu Boden.

Als HoroHoro sich zögerlich dazu entschloss ihren Puls zu messen, hatte sie keinen mehr. "Sie ist tot", meinte der Ainu zu Ren und grinste ihn an. "Gut so", meckerte der Chinese und sah sich kurz um. Von den Zwergen war nichts zu sehen, doch Ren war sich sicher, dass sie bald nach Hause kommen mussten, weswegen er entschied, dass sie die Leiche weg zu schaffen hatten. Ohne Rücksicht auf Verluste zerrten sie den leblosen Körper also in den Brunnen, der draußen im Hof stand. Ein Platschen war zu vernehmen, als die Leiche unten im Wasser aufkam. "So, jetzt müssen wir dem Prinzen nur noch eine Braut liefern", meinte Ren leise und übernahm dabei das Grinsen des Blauhaarigen.
 

„Muss das wirklich sein?“, fragte HoroHoro sichtlich gequält und besah sich zum bestimmt hundersten Mal im Spiegel, den sie in Schneewittchens Schlafzimmer gefunden hatten. „Ja, schließlich steht unser Brudermörder auf dich“, gab Ren zur Antwort und zog den Lippenstift hervor, um HoroHoros Lippen blutrot anzumalen.

„Das ist echt nicht fair...“, murrte der Ainu und schielte nach unten, um zu sehen, was der andere da tat. „Tja, Pech. Aber du verstehst dich doch sowieso so gut mit unserem 'Kain-chan', da wird dir das doch auch nichts ausmachen!“ „Hallo!? Geht’s noch? Was ist eigentlich dein Problem? Da freunde ich mich einmal mit jemandem an und schon musst du kommen und alles kaputt reden!“, erboste sich HoroHoro, dem sofort aufgefallen war, dass Ren immer unfreundlicher geworden war, je mehr HoroHoro sich mit Kain verstanden hatte. „Tu ich doch gar nicht! Aber sieh ihn dir an – Er hat seinen Bruder getötet, nachdem er ihn gevögelt hat!“, verteidigte sich der Chinese und schnaubte.

„Und? Er hat ihn ja nicht absichtlich getötet!“, versuchte HoroHoro nun den Prinzen zu verteidigen, während er wütend aus dem Zimmer stolzierte. „Bla, bla! Hey, bleib gefälligst hier, wenn ich mit dir rede!“ Schnell stürmte Ren ihm hinter her und hielt ihn an seiner Schulter zurück.

„Langsam glaube ich, dass du derjenige bist, der hier ein sichtliches Problem hat!“, stellte der Chinese fest und baute sich demonstrativ vor dem anderen auf. „Und du glaubst wirklich, dass ich dir davon erzählen würde?“, fragte der Blauhaarige leise, während sein Blick gen Boden glitt. Nein, ihm würde er es nie sagen. Nie.

Ren schwieg, wenn es auch ein bedrückendes Schweigen war. Einen kurzen Moment später wurde HoroHoro klar, wie sehr er Ren gekränkt haben musste, doch das war ihm egal. Sollte er sich doch ber ihn lustig machen. Sollte er all seinen Spott und Hohn über ihn ergießen – er würde einfach drüberstehen und ihm den Arsch retten, indem er sich für Kains Braut ausgab.

„Gehen wir ihn suchen“
 

Gerade als die beiden – noch immer schweigend – aus der Hütte liefen, sahen sie, wie Kain aus einem der umliegenden Gebüsche kam. Anscheinend war in Märchen immer alles zeitlich abgestimmt.

„Prinz Kain!“, rief Ren leicht überrascht und warf einen kurzen Blick über die Schulter, um HoroHoro zu mustern, der sich hinter ihm versteckt hatte. Der Ainu fummelte nervös an seinem rosanen Kleidchen herum und wagte es gar nicht seinen Blick vom Boden zu lösen. Er konnte nur inständig hoffen, dass Kain seine Aussage ernst gemeint hatte, als er gemeint hatte, er würde niemals mit jemand anderem schlafen als seinem toten Bruder.

„Oh, Sir Tao! Sir Usui!“, rief der Prinz aus, als er die beiden sah. Kain staunte nicht schlecht, als er bemerkte, dass HoroHoro ein Kleid trug. „Bevor Ihr euch fragt, wieso ...Sir Usui ein Kleid trägt...“, begann Ren, während er auf den Prinzen zulief, zu erklären, „...Wir haben Eure vermeindliche Braut getroffen und... naja... Sie war nicht ähm... edel genug für Euch!“ Stirnrunzelnd versuchte Kain die Worte zu verstehen und wollte gerade etwas sagen, als HoroHoro ihm zuvorkam: „Darum habe ich mich entschlossen sie zu ersetzen!“
 

The end of my third laughter

Fourth Laughter: Fairytale of the secret cupboard

Fourth Laughter: Fairytale of the secret cupboard
 

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HoroHoro und Ren waren den plumpen Mordversuchen Schneewittchens entkommen und hatten es sogar fertig gebracht deren Leiche in den Brunnen zu werfen, nachdem sie sich mit ihrem eigenen Apfel vergiftet hatte. Nun jedoch war HoroHoro gezwungen die Stelle der Braut einzunehmen...

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„Bevor Ihr Euch fragt, wieso ...Sir Usui ein Kleid trägt...“, begann Ren zu erklären, „...Wir haben Eure vermeindliche Braut getroffen und... Naja... Sie war nicht ähm... edel genug für Euch!“ Stirnrunzelnd versuchte Kain die Worte zu verstehen und wollte gerade etwas sagen, als HoroHoro ihm zuvorkam: „Darum habe ich mich entschlossen sie zu ersetzen!“
 

Verdutzt riss der Prinz seine Augen auf und beäugte seine Braut noch einmal eingehender. HoroHoro trug ein zartrosa Kleid, das mit überflüssigen Schleieransätzen verziehrt und um die Hüfte ein wenig enger geschnitten worden war. Passend zum Kleid trug er eine Kette, die ein 'x' darstellen sollte und ein rosarotes Halsbändchen.

In seinem Haar, das er locker zu einem Zopf gebunden hatte, hielt eine rote Spange mit einem Herz darauf, die langen Strähnen davon ab ihm ins Gesicht zu fallen. „HoroHoro-kun...“, murmelte Kain, während er versuchte seine Gedanken zu ordnen. Rens Blick glitt vom Prinzen ebenfalls zu dem Blauhaarigen und aus irgendeinem Grund tat es dem Ainu weh zu sehen, oder vielmehr nicht zu sehen, dass Ren sich bemühte ihn aus der Schlinge zu ziehen. Der Chinese tat gar nichts.

“Du siehst hinreißend aus!“, meinte der Prinz weiter und lächelte. HoroHoro zwang sich ebenfalls zu einem Lächeln, versagte in diesem jedoch, als Kain auf ihn zu kam und Ren leicht beiseite schob. “Ähm...“, stammelte der Ainu zusammen und wollte zurücktreten, doch blieb er stehen, damit Kain keinen Verdacht schöpfen konnte. Kains Arm legte sich langsam um HoroHoros Schulter, während dieser rot anlief. So hatte er das nicht geplant.

Ren sah die beiden an, schien nicht einmal reagieren zu wollen. „U-Und jetzt?“, fragte der Ainu mit piepsiger Stimme und hoffte so den Prinzen von weiteren Aktionen abhalten zu können. Der jedoch grinste nur und zog den Blauschopf noch fester in seine Arme. „Jetzt werden wir zurück aufs Schloß gehen, um dort zu heiraten!“, erklärte Kain fröhlich und verfiel in ein höhnisches Gelächter.

HoroHoro seufzte – war ja klar gewesen! „Ich befürchte unsere Pferde haben sich losmachen können und sind entkommen...“, bemerkte der Chinese und HoroHoro fragte sich, woher er dies wissen wollte, da sie schließlich seit einer Weile nicht mehr bei den Pferden gewesen waren. „Oh... Dann laufen wir eben!“, entgegnete Kain nur und ließ sich nicht von seinem Gute-Laune-Trip abbringen. „Ren..?“, fragte HoroHoro verwirrt, doch als er Rens mahnenden Blick sah, verstand er, dass der Chinese Zeit schinden wollte. Also lag Ren doch etwas an ihm!

„Nun denn, folgt mir!“, präsentierte der Prinz sich und lief in die Richtung, von der HoroHoro glaubte, sie führe gen Schloß. Ren und HoroHoro folgten ihm so langsam sie konnten und tauschten immer wieder Blicke untereinander aus. Der Ainu meinte sogar zu sehen, wie es hinter Rens Stirn arbeitete, doch es schien nicht so, als würde er auf eine sinnvolle Lösung kommen.

„Sag mal, Kain... Gibt es hier ein Portal?“, erhob Ren nach einer Weile seine Stimme und HoroHoro blickte ihn hoffnungsvoll an. „Portal?“, wiederholte der Prinz und schien einen Moment zu grübeln, ehe er antwortete: „Ja... Ein Portal gibt’s hier schon...“

Sofort leuchteten HoroHoros Augen auf und er war darum bemüht sich seine Erleichterung sowie Freude nicht allzu deutlich anmerken zu lassen. „Wieso fragst du?“, hakte Kain noch verwundert nach und bahnte sich weiter den Weg durch den Wald. „Hm... Die Zwerge haben 'was davon geredet“, redete sich der Chinese raus, um dem Prinzen keinerlei Grund zu geben, Verdacht zu schöpfen. „Achso? Und Ihr fragt Euch nun, was es mit diesem Ding auf sich hat?“, fragte Kain weiter und erntete ein Nicken zur Antwort. Nach weiterem Zögern begann Kain ihnen alles zu erzählen, was er über das Portal in seiner Welt wusste.
 

„Endlich wieder daheim!“, rief der Prinz glücklich aus, als sie vor dem großen Tor seines Schloßes standen und darauf warteten, dass die Bediensteten das Tor aufliessen. „Ja...!“, pflichtete auch HoroHoro bei, darum bemüht fröhlich zu klingen.

Ren schwieg und als sie eintraten, folgte er ihnen still. Man konnte ihm ansehen, dass er nachdachte. „Sir Tao..? Hättet Ihr etwas dagegen, wenn ich ein wenig Zeit mit meiner zünftigen Braut verbringen würde? Alleine..?“, fragte Kain aus Höflichkeit, doch es war klar, dass dies ein Befehl gewesen war.

Natürlich nicht“, gab der Chinese zurück und verbeugte sich, um sich daraufhin abzuwenden.“Ren?“, meinte HoroHoro leicht panisch und versuchte den anderen zurückzuhalten, doch Ren riss sich sanft los und murmelte nur: „Wir sehen uns nachher!“

Stirnrunzelnd beobachtete Kain die Szenerie, sagte aber nichts dazu, er schwieg, bis er mit HoroHoro in seinem Schlafgemach war. „Ich hoffe es gefällt Euch hier...“, hob der Prinz das Wort und zog seinen Mantel aus. „J-ja...“, antwortete der Ainu hastig, wobei man ihm seinen Unmut ansehen konnte. „Liebt Ihr ihn?“, hakte der Prinz nach, während er sich auf sein Bett fallen ließ und dem Blauhaarigen bedeutete, es ihm gleich zu Tun. HoroHoros Gesicht lief puterrot an und es dauerte einen Moment, bis er Kains Aufforderung nachkam, doch als er dies tat, antwortete er leise: „Ich weiß nicht“

In diesem Moment entsprachen die Worte vollkommen der Wahrheit. Er wusste es nicht, denn er verstand den Chinesen nicht. Im einen Moment kümmerte er sich rührend um den Ainu und im nächsten stieß er ihn ohne Vorwarnung vor den Kopf und ließ ihn mit diesem Perversen allein. Das schlimmste davon war, dass der Blauhaarige noch immer dieses Kleid trug.

„Ihr wisst es nicht? So wirkt das aber ganz und gar nicht“, fuhr der Prinz fort und lächelte den Ainu an. Gerade so als habe er Mitleid mit ihm. „Ahnein?“, fragte HoroHoro und war sich seiner Gefühle noch ein weiteres Stück unsicherer. „Nein... Ich finde man merkt richtig, wie du versuchst ihm zu imponieren, doch alles, was du tust geht in die Hose – also entscheidest du dich für mich, da ich mein Interesse längst geäußert habe und du sehen willst, ob ob er eifersüchtig wird“ Daraufhin schwieg HoroHoro. Konnte das wirklich sein? Vielleicht hatte er sich wirklich nur deshalb entschieden die Braut zu spielen, weil er die Hoffnung gehabt hatte, dass der Chinese wenigstens ein kleines Anzeichen Eifersucht zeigen würde. Denkste!

„Keine Angst... Ich werde dich von ihm ablenken...“, flüsterte Kain plötzlich in HoroHoros Ohr und nahm ihn in den Arm. „Wie..?“, presste der Ainu überrascht hervor und merkte, wie sein Gesicht erneut rot anlief. Kain lächelte verführerisch, ehe er sich über den Ainu beugte und ihm seine Lippen aufdrückte. Es war HoroHoros erster Kuss und es fühlte sich komisch an. Zum Glück dauerte es nur Sekundenbruchteile, denn plötzlich wurde die Türe aufgerissen und HoroHoro bekam nur noch mit, wie Kain von ihm weggezerrt und zu Boden geworfen wurde. „Lass ihn in Ruhe, du perverse Sau!“, rief jemand, dessen Stimme der Ainu nur allzu gut kannte. „Ren!“

Im nächsten Moment wurde auch HoroHoro vom Bett gerissen und Ren zog ihn quer durchs Zimmer zu einem Schrank, der versperrt durch ein eisernes Vorhängeschloß, alleine in der Ecke stand. Ohne noch ein Wort zu verlieren zog Ren sein Schwert aus der Scheide, welches er die ganze Zeit schon mit sich getragen hatte und zerschmetterte das alt wirkende Schloß mit einem einzigen gezielten Schlag. Schnell riss er die Türen auf und blickte auf ein verschwommenes Inneres des Schrankes. „Hey! Bleibt gefälligst stehen! Dort darf niemand hindurch!“, kreischte der Prinz, nachdem er sich von seinem Schock erholt und sich wieder aufgerichtet hatte.

„Vergiss es!“, schrie Ren ihm entgegen und stieß den Blauhaarigen in den Schrank, in welchem er statt gegen die Rückwand zu fallen, durch das Portal ging.
 

Wieder einmal erblickte er einen Wald um sich herum, ein relativ normal wirkender Wald, doch um einiges dunkler und düsterer trotz hellem Sonnenschein am Himmel. Nachdem er sich kurz umgesehen hatte, drehte HoroHoro sich um und sah zurück auf das Portal. Ran kam ihm nicht hinterher, doch wenigstens war der Blauschopf sich sicher, dass das Portal nicht verschwinden würde. HoroHoro hatte Angst nocheinmal hindurch zu gehen, weswegen er regungslos auf das Gebilde vor ihm starrte und keinen Mucks von sich gab.

Ob Sekunden oder Minuten vergangen waren, vermochte der Ainu nicht zu sagen, als er schlußendlich erleichtert feststellte, dass Ren durch das Portal kam. Freudig wollte er sich ihm um den Hals werfen, doch Ren schnappte sich nur seine Hand und zog ihn mit sich. „Er kommt!“, japste Ren kaum verständlich und schlüpfte mit dem Blauhaarigen im Schlepptau durch das Gebüsch um sie herum. HoroHoro sparte sich jegliche Fragen, die ihm auf den Lippen lagen und versuchte nur mit dem Chinesen Schritt zu halten, was gar nicht so einfach war, da sein Kleid immer wieder an den Ästen hängen blieb.

Als der Ainu schließlich doch seine Stimme erheben wollte, um dem anderen mitzuteilen, dass er nicht mehr konnte, blieb Ren ohne Vorwarnung stehen. HoroHoro schaffte es nicht mehr zu bremsen, schmiss den Chinesen zwar nicht um, raubte ihm jedoch für einen kurzen Moment das Gleichgewicht und er hörte, wie Ren scharf die Luft einzog, während er leicht zuckte. Es ergab sich jedoch keine Gelegenheit für den Blauhaarigen nachzufragen, ob Ren verletzt sei, da dieser ihn schon weiterzog, direkt zu einem Häuschen, das vor ihnen stand.

Anders als das Knusperhäuschen bestand es nicht aus Lebkuchen und anders als die Hütte der sieben Zwerge war dieses Häuschen nicht aus Holz, sondern aus Stein. Trotz seines guten Zustandes wirkte es verlassen; es brannte kein Licht und man konnte auch keinerlei Bewegung im Inneren ausmachen.

Verdutzt starrte HoroHoro das Häuschen an, ehe er zusah, wie Ren dessen Tür aufriss und ihn hineinstieß.

„Was zum...?“, fragte HoroHoro verwirrt, nachdem Ren die Türe hinter sich geschlossen hatte und sich gegen die Türe stemmte.

HoroHoro konnte sehen und hören, dass der Atem des Chinesen – vermutlich auch dessen Puls – viel schneller ging als normal. Außerdem bemerkte er den Schweiß auf dessen Stirn und als er gerade fragen wollte, vernahm er ein tropfendes Geräusch. Sein Blick glitt zu Boden und er konnte erkennen, dass die Flüßigkeit Blut war – Rens Blut.

„Oh mein Gott, Ren! Was ist passiert?!“, kreischte HoroHoro panisch und drückte den anderen mit sanfter Gewalt zu Boden. „Es geht mir gut!“, stieß Ren atemlos aus und ließ seinen Kopf in den Nacken gleiten, während er die Augen schloß, um ersteinmal einen Moment durchzuatmen. „Du blutest! Von wegen, es geht dir gut!“, erwiderte HoroHoro und schickte sich an die Stelle an Rens Körper zu finden, an der die Verletzung sich befand. Er fand eine nicht allzu tiefe Schnittwunde, die sich über Rens linke Bauchhälfte erstreckte und einige Kratzer in dessen Beinen. „Oh scheiße..“, murmelte HoroHoro geschockt und hob vorsichtig einen Teil von Rens Rüstung an. Kain hatte genau die Stellen getroffen, an denen seine Rüstungsteile unverbunden waren.

„Ah~“, keuchte Ren gequält und schob HoroHoros Hand zur Seite. „Lass.. das.. Mir geht’s gut!“, protestierte er mit dünner Stimme, musste dennoch dabei zusehen, wie HoroHoro ihn obenrum gänzlich entkleidete, um die Wunde genauer untersuchen zu können. Als der Ainu vorsichtig über den Schnitt tastete, verzog Ren voll Schmerz das Gesicht und versuchte keinen Ton von sich zu geben. „Ganz ruhig, Ren“, murmelte der Ainu sorgenvoll und riss sich den Saum von seinem Kleid ab, um ihn als provisorischen Verband zu verwenden. Er fühlte sich schuldig. Nur seinetwegen hatte Ren gegen den Prinzen gekämpft und war verletzt worden. Und HoroHoro hatte Kain auch noch...

„Er wird uns suchen“, presste der Chinese leise hervor und holte den Blauhaarigen wieder aus seinen Gedanken. HoroHoro lächelte (oder versuchte es zumindest) und erhob sich dann. „Hier wird er aber so schnell nicht reinkommen!“, meinte der Ainu noch und suchte ein Fenster, um sich ihrer Lage bewusst zu werden.

Auf den ersten Blick fand er keines, doch als er sich dann umdrehte und das gesamte Haus begutachtete, sah er einen überdimensionalen Schrank, der ihnen gegenüber an der Wand stand und einen ebenso überdimensionalen Hocker, der inmitten des einzigen Raumes des Hauses stand. Mehr war da nicht. „Was zum.?“, entfuhr es ihm als er seinen Blick nach rechts gleiten ließ und dort wenigstens ein Fenster, wenn es auch gut drei Meter über ihm hing und die Ausmaße seiner eigenen Körperlänge hatte, fand.

Ren, der sich immernoch am Boden befand, schien seine Umgebung so langsam ebenfalls zu realisieren, denn HoroHoro konnte deutlich hören, wie er etwas vor sich hinfluchte.

Vorsichtig drehte HoroHoro sich wieder zurück und stellte fest, dass die Tür hier drinnen ebenfalls XXL-Maße angenommen hatte. Oder waren sie beide geschrumpft? Vielleicht befanden sich die beiden ja in einer Art 'Geisterform', wie Kororo und Bason sie meist annahmen. „Hier ists echt schräg“, stellte der Ainu schlußendlich fest und seufzte. Wenn sie wirklich in BloodyMarys Welt zurück mussten, um wieder in die normale Welt zu gelangen, würde dies wohl noch eine Weile dauern.

„Wir müssen das Portal finden!“, entgegnete Ren leise und versuchte sich aufzurappeln, doch die Schmerzen in seinen Beinen verhinderten dies. „Vorsicht, Ren!“, mahnte HoroHoro den Chinesen und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Du musst dich ausruhen“ „Horo... Kain könnte jeden Moment vor der Tür stehen! Wir müssen hier weg!“, rief der Chinese aus und fuchtelte mit den Armen.

Seltsam. Normalerweise versuchte der Lilahaarige nicht zu fliehen, im Gegenteil, er begab sich sogar mit Vorliebe in Gefahr, um zu zeigen, wie toll er doch war. „Ist er so stark?“, fragte HoroHoro leise und schluckte. Ren antwortete nicht mit Worten, sondern nickte. Einen Moment später fügte er noch hinzu: „Bei jedem seiner Schläge... musste ich um mein Gleichgewicht k-kämpfen... Als er mich dann... an den Beinen getroffen hatte, wollte ich fliehen... - In meiner Drehbewegung... hatte er mich erwischt“ „Oh scheiße...“murmelte HoroHoro und wieder einmal wurde er von Schuldgefühlen überflutet. Wäre er doch nur nicht ohne Ren durchs Portal gegangen!

„Wir müssen uns was einfallen lassen...“, murrte der Chinese und sah sich um. Noch immer gab es nur den Riesenschrank sowie den Riesenhocker in diesem Haus. „Hm...“, machte HoroHoro und lief in Richtung des Schrankes. Der Weg dauerte länger als gedacht und HoroHoro war froh, dass er Ren auf die Entfernung wenigstens noch relativ gut erkennen konnte.

Nun glitt sein Blick auf den Schrank vor ihm, die unteren beiden Schubladen waren offen, doch die Haupttüren waren feinsäuberlich geschlossen. Mit Mühe und Not konnte sich der Blauhaarige durch kräftige Sprünge und ein wenig Geschick und Glück eine der Schubladen hochhangeln und saß nun auf deren Kante. Er besah sich das Innere der Schublade und staunte nicht schlecht, als er dortdrin Miniaturbettzeug, ein Stück Käse und eine schlafende Maus vorfand.

Die Maus hatte sich in ihre Decke eingemummelt und ruselte selig vor sich hin, während HoroHoro noch am Überlegen war, ob er den Sprung in die Schublade wagen, oder doch lieber auf der Kante sitzen bleiben sollte.

Wenige Momente später wurde ihm die Entscheidung genommen, denn als die Maus quietschte, erschrak der Ainu so sehr, dass er sein Gleichgewicht verlor und in die Schublade flog. „Wuah!“, stieß der Blauhaarige hervor, als er der Maus ins Gesicht sah, die genau so groß war wie er. „Ganz ruhig, ich bin doch nur eine Maus!“, piepste das graue Ding vor ihm und HoroHoro meinte, dass es ihn sogar angrinste. „W-Wie bitte!?“, keuchte HoroHoro kreidebleich und wich zurück, bis er an den Schubladenrand stieß.

„Ich bin eine Maus“, wiederholte eben diese und wischte sich in einer kurzen Bewegung mit den Armen über ihre Augen. „U-Und was tust du hier?“, fragte HoroHoro mit zittriger Stimme und ließ erneut den Blick schweifen. „Ich wohne hier!“, antwortete die Maus wahrheitsgemäß und versuchte zu lächeln. „Du wohnst hier?“ „Ja, schon seit Jahren“, erläuterte die Maus weiter und bedeutete dem Ainu sich zu setzen. „Der Ritter Gutekunst hat mir extra meinen Schrank dagelasen und den Stuhl, falls mich jemand besucht“ HoroHoro setzte sich nicht, doch er versuchte der Maus in Gedanken zu folgen.

Oh mein Gott, dachte er sich, das wurde ja immer besser!

„Ähm... Achso... Aber... Oh! Oh! Genau! Hast du vielleicht Verbandszeug da?“, fragte der Ainu, als er sich wieder an Ren erinnerte, der sich noch immer alleine an der Tür befand.“Verbandszeug? Klar“, antwortete die Maus leicht verwirrt, verschwand in den Schubladenteil, der unter dem Rest des Schrankes verborgen blieb und kam wenig später wieder, um dem Ainu Verbandszeug und Schmerzmittel in die Hand zu drücken. „Wo tuts denn weh?“, fragte sie noch und begutachtete den Blauhaarigen.

„Mir nirgends, aber meinem Freund, der da hinten an der Tür lehnt!“, erklärte HoroHoro und deutete zurück in die Richtung aus der er gekommen war. „Du bist nicht allein? Na dann los!“

Schnell kletterten die beiden aus der Schublade und begaben sich zu Ren. Dieser starrte die beiden fassungslos an, als er die Maus erblickte.. „Keine Angst, sie hilft uns!“, meinte der Ainu nur und setzte sich neben den Chinesen, um so besser an dessen Verletzungen zu kommen. Ren nickte, auch wenn man ihm ansah, wie wenig überzeugt er war.

Vorsichtig betastete HoroHoro noch einmal Rens Wunde, ehe er ihm die Schmerzmittel gab und den provisorischen Verband abwickelte, um zu sehen, wie es darunter aussah. Wie erwartet, war die Wunde nicht wirklich besser geworden und HoroHoro mühte sich ab das Verbandszeug so zu nutzen, dass es mehr als sein Kleids-Verband half. „Du musst ihn etwas fester machen“, piepste die Maus neben ihm. „So gut?“ „Ja, schon besser“

Der Chinese sagte nichts, er konzentrierte sich einzigst darauf noch den letzten Schmerz zur Gänze zu ignorieren. „Puh, das wars“, meinte HoroHoro begeistert, als der Verband saß und sah zur Maus. „Danke!“ Die Maus wank ab, während sie den Lilahaarigen besah und besorgt fragte: „Woher stammen überhaupt die Verletzungen? Und wie seid ihr hier hergekommen?“ „Naja, ist 'ne ganz schön lange Geschichte..“, begann HoroHoro und endete erst, als er der Maus alles von BloodyMary bis Kain erzählt hatte.

„Oh... Das ist hart... Also... Wenn ihr wollt, helf' ich euch gerne ans Portal zu kommen!“, fiepste die Maus mitleidig und deutete auf den Schrank, indem sie wohnte. „Wirklich?“, fragte der Ainu freudig nach und stieß den Chinesen sanft an. „Hast du gehört, Ren? Wir kommen hier weg!“ „Schön... Hauptsache weg...“, stammelte Ren zusammen und dem Ainu wurde klar, dass er ihm zu viel Schmerzmittel gegeben haben musste, denn Ren redete nicht nur so, er sah auch noch wie weggetreten aus. Sein Verdacht bestätigte sich, als die Maus erst ihn und dann die leere Packung des Mittels ansah. „Ups...“

Trotzdem begannen HoroHoro und die Maus mit ihren Vorbereitungen aus dieser Welt zu verschwinden. Längst waren sie dabei den Hocker von der Mitte des riesigen Raumes zum Schrank zu schieben. „Sicher, dass das Portal da oben drin ist?“, fragte HoroHoro verzweifelt und mühte sich ab, um den Stuhl Millimeter für Millimeter zu verschieben.

„Ja, bin ich“, antwortete die Maus überzeugt und schob ebenfalls so fest sie konnte. Sie hatten noch nicht einmal die Hälfte des Weges hinter sich, als beide nicht mehr konnten. „Pause?“ „Pause!“, beschlossen die beiden und liessen sich müde zu Boden gleiten. Ihnen war bewusst, dass sie noch genug Weg vor sich hatten, weswegen sie ein paar Minuten einfach dasaßen und durchatmeten.

„Was tut ihr da?“, fragte Ren neugierig, als er sah, wie die beiden am Boden saßen und nichts taten. „Im Moment... Nichts!“, antwortete HoroHoro wahrheitsgetreu und grinste. Daraufhin sah Ren ihn tadelnd an und hob ihm die Hand hin. „Hoch mit dir!“, meinte er noch immer leicht neben sich wirkend, „Kain könnte uns jeden Moment finden! Und das wäre gar nicht so lustig...“ Zwar nahm HoroHoro dankend Rens Hand an, schüttelte jedoch den Kopf, als der Chinese helfen wollte den Stuhl zu verschieben. „Du bist verletzt, also ruh dich aus!“, mahnte der Blauschopf, woraufhin er und die Maus wieder ihre Kräfte mobilisierten, um den Hocker zu verschieben. „Ich brauch keine Ruhe!“, meckerte der Chinese empört, beließ es aber dabei, den beiden zuzusehen, wie sie sich dem Schrank immer weiter näherten und dabei leise vor sich hinzugrummeln. Als sie es fast geschafft hatten, klopfte es auf einmal an der Tür und mit einem Mal war alles still.

„Ich weiß genau, dass ihr da drin seid!“, drang eine ihnen sehr gut bekannte Stimme an ihre Ohren. „Macht schon auf!“ Keiner der drei machte Anstalten die Tür zu öffnen, doch die Maus bedeutete dem Blauhaarigen weiter zu schieben, um noch den letzten Weg hinter sich zu bringen, bevor Kain die Tür aufbrechen konnte. Ren, der durch den Schock wieder weitgehend seinen Normalzustand erreichte und sich ihrer Situation bewusst wurde, zog sein Schwert und starrte gebannt auf die Tür, von der er erwartete, dass sie jeden Moment brechen würde.

„Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt!“, schrie der Prinz, ehe Ren mit aufgerissenen Augen zusah, wie die Tür in ihren Angeln erschüttert wurde und sich bedrohlich durchbog. „Scheiße!“, entfuhr es ihm, während er sich zu HoroHoro und der Maus drehte. Zu seiner Erleichterung konnte er feststellen, dass die beiden den Hocker an den Schrank geschoben hatten. „Schnell, Junge!“, rief die Maus aus, während er HoroHoro half den Hocker zu erklimmen. „Komm, Ren!“, rief der Ainu ebenfalls aus, als er endlich oben angelangt war und winkte den Chinesen her. „Ich helfe dir“, meinte die Maus und bietete dem Lilahaarigen schon eine Räuberleiter dar. „Okay...“

Während Ren mühsam versuchte auf den Hocker zu steigen, dabei Hilfe von HoroHoro und der Maus bekam, konnte man Kain noch immer schreien hören und die Tür bog sich immer bedrohlicher durch. Als Ren sich gehetzt umsah, konnte er sogar schon erste Risse in der Tür ausmachen. „Schneller!“, fiepste die Maus und stieß den Chinesen so hoch sie konnte und HoroHoro packte ihn am Arm, um in das letzte Stück hochzuziehen. „Es geht nicht!“, presste Ren unter Schmerzen hervor und verzog das Gesicht, als die Maus unter ihm floh und er sich selbst am Hocker abstützen musste.

„Doch, verdammt!“, herrschte HoroHoro den anderen an und zog ihn mit aller Kraft zumindest so weit hinauf, dass Ren sich mit der anderen Hand am Rand des Hockers festhalten konnte.

In genau diesem Moment flog die Tür auf und Kain betrat mit wütendem Gesicht das Haus. „Ihr!“, knurrte er und HoroHoro beobachtete überrascht, wie Kain immer kleiner wurde, je weiter er ins Haus lief. „Oh-oh!““, stieß Ren hervor und bemühte sich umso mehr den Hocker zu erklimmen. „Keine Angst, ich halte ihn auf!“, rief die Maus und baute sich demonstrativ vor dem Prinzen auf, der nun ihre Größe angenommen hatte, um diesem den Weg zu versperren. Kurz zögerte Ren - er wollte nicht, dass jemand für ihn sterben musste – entschied sich dann aber für ein einfaches Nicken, woraufhin er sich mit aller Kraft und HoroHoros Hilfe auf den Hocker zog.

Dort angekommen musste Ren kurz durchatmen, ehe er dem Ainu anwies sich so hinzustellen, dass Ren auf seine Schultern stehen konnte. „Damit wir die Schranktüre aufkriegen!“, presste der Chinese hervor und stieg schon auf HoroHoros Schultern, ehe dieser etwas sagen konnte. „V-Vorsicht!“, meckerte der Blauhaarige und versuchte sein Gleichgewicht zu bewahren, er schaffte es, doch sein Herz rutschte ihm in die Hose, als er zusah, wie Kain der Maus den Schwanz abtrennte. „Ahrg!“, quiekte sie und sah bemitleidenswert auf die große Blutlache, die sich unter ihr ergoß.

„Oh scheiße..“, keuchte HoroHoro und war drum und dran der Maus zu Hilfe zu eilen, doch diese schrie nur: „Macht schon! Ich kann nicht sterben, ihr schon!“ „O-Okay...“ Damit packte der Blauschopf den Chinesen auch schon fester, um ihn so hoch zu drücken, wie es ihm möglich war. Ren erreichte so nur knapp den Knubbel der Schranktür und es war zu bezweifeln, dass er die Türe so schnell aufbekommen würde. „Höher, Horo!“, jammerte der Lilahaarige und brachte seine gesamte Kraft auf, um den Knubbel zu drehen. „Wie denn!?“, erwiderte der Blauschopf und streckte sich so weit er konnte. Allmählich gelang es den beiden so den Knauf zu bewegen, doch Ren bemerkte, dass seine Wunde am Bauch bereits wieder aufriss.

„Ahh...“, keuchte der Chinese und versuchte sich voll und ganz darauf zu konzentrieren den Schrank aufzubekommen. HoroHoro indes sah geschockt zu, wie Kain die Maus weiter vorführte und ihr schlußendlich das Schwert bis zum Schaft in den Hals rammte. Man konnte noch ein Gurgeln von ihr vernehmen, ehe sie rücklings nach hinten kippte und reglos liegen blieb.

„Nein!“, schrie HoroHoro geschockt und genau in diesem Moment riss Ren die Schranktüre auf, wodurch die beiden vom Hocker fielen und Ren vor Schmerz zu schreien begann. „Argh... Ren!“, schrie nun auch der Blauschopf, während er sich so schnell er konnte wieder aufrichtete und seinen Freund sorgenvoll musterte. Viel Zeit blieb ihm dazu jedoch nicht, da Kain den Moment ausnutzte und auf die beiden zustürmte – mit erhobenem Schwert.

Knapp schaffte der Ainu es sich und den Chinesen durch eine Rollbewegung aus der Reichweite des Prinzen zu schaffen, jedoch reichte ihm der Schwung nicht, um sich und den anderen auch gleichzeitig auf die Beine zu hieven, schon allein, weil Ren noch immer seine Schmerzen niederkämpfen musste. „Lass uns endlich in Ruhe!“, kreischte HoroHoro energisch und stand auf, um sich Kain allein entgegen zu stellen. „Wieso sollte ich das? Du bist meine Braut!“, entgegnete der Prinz und grinste. HoroHoro konnte zusehen, wie Kain sein Schwert lässig hin und herpendeln ließ, ehe er es auf den Blauhaarigen richtete und noch hinzufügte: „Sir Tao wird mir dabei nicht im Wege stehen..“

Für einen kurzen Moment verfiel der Ainu in blanke Panik, ehe ihm die rettende Idee kam. Kurzerhand zog er den Chinesen mit aller Macht und aller Mühe auf die Beine und bedeutete ihm in den Schrank zu klettern. „Los!“, rief er noch und drückte den anderen auch schon hinauf. Ihm fiel auf, dass Ren wieder blutete, doch für den Moment konnte er sich nicht darum kümmern, und als Kain sich ihnen weiter näherte, drückte HoroHoro nur umso fester, bis Ren schließlich im Schrank war. „Ja... Lass ihn nur fliehen.. Solange du hier bleibst..“, hauchte Kain amüsiert und hob dem Blauhaarigen die Klinge an den Hals.

„Was willst du tun? Mich töten?!“, fauchte HoroHoro ihn wütend an, ehe ihm bewusst wurde, dass Kain wohl keinerlei Skrupel davor haben würde, es wirklich zu tun. Wie gedacht, grinste Kain den Blauschopf nur an und nickte. „So leicht kriegst du mich aber nicht tot!“, beschwerte HoroHoro sich und sprang mit einem Ruck nach hinten, wobei er hart gegen den Schrank stieß und ein atemraubender Schmerz sich in seinem Kopf ausbreitete, ihn aber davor bewahrte von Kains Schwert einen Kopf kürzer gemacht zu werden. Noch ehe Kain wirklich realisieren konnte, wie HoroHoro sich davon machte, war HoroHoro auch schon dabei den Schrank zu erklimmen, um sich in dessen Inneren zu verstecken.

Schnell machte der Prinz eine Fegebewegung mit seinem Schwert, um den Ainu noch zu erwischen, doch HoroHoro war zu schnell und entkam der Schneide um Haaresbreite. „Komm sofort zurück!“, fluchte Kain entnervt und folgte HoroHoro hinein in den Schrank.

Dort drinnen sahen die beiden das Portal, das sie hinaus aus dieser Welt führen sollte und noch ehe Kain wieder dazu ansetzen konnte, den Blauhaarigen an irgendetwas zu hindern, schritt der Ainu hindurch...
 

Ein Windhauch ließ HoroHoro frösteln und verwirrt sah er sich um. Er war umgeben von Nichts als einer Klippe, Ren, Kain und in seinem Rücken befand sich ein Fernsehgerät. „Ren..?“, fragte der Ainu planlos und besah sich den Lilahaarigen, der nur mit den Schultern zuckte. HoroHoro musste feststellen, dass Rens Wunde noch immer blutete, doch ließ er dies für einen Moment ruhen, in dem er sich zu Kain drehte und sah, dass dieser ebenso wenig Peilung hatte, wie sie selbst.

Ohne noch ein weiteres Wort zu verlieren, beugten sich alle drei weiter hervor, um den Abhang hinabsehen zu können. Dort unten – sehr weit unten – erkannten alle drei einen kleinen Fluß inmitten eines riesigen Waldes, an dessen Lichtung mehrere Felsen aus dem Boden ragten. Gerade als HoroHoro etwas sagen wollte, schreckten alle drei zusammen.

Der Fernseher hinter ihnen war angesprungen und zeigte ihnen das Flimmerbild, das immer lief, wenn der Empfang gerade flöten gegangen war. Der Ainu hörte, wie Ren nervös schluckte und Kain sein Schwert zurück in seine Scheide steckte. Er selbst war zu gebannt von dem Gerät, als dass er etwas anderes hätte tun können, als zu starren.

Urplötzlich stellte sich das Flimmerbild um, sie konnten einen verwüsteten Vorgarten erkennen, in dessen Mitte ein kleiner Brunnen herausragte. Sofort musste der Blauschopf an Schneewittchen denken, deren Leiche sie in den Brunnen geschmissen hatten. Sie sahen zu, wie sich eine Gestalt aus dem Brunnen erhob, langsam und mit Bewegungen die gequält und alt wirkten.

Mit offenem Mund sah HoroHoro zu, wie die Gestalt auf sie zukam, und er sah aus den Augenwinkeln heraus, dass Kain einen kleinen Schritt zurückgewichen war. Auch er selbst wäre gerne zurückgewichen, doch irgendetwas hielt ihn davon ab. Eine Eingebung vielleicht?

Die Hände der Gestalt schoßen aus dem Monitor und HoroHoro erkannte noch die Ähnlichkeit mit BloodyMary, ehe er vor Schreck nach hinten fiel und ebenso wie Ren und Kain die Klippe hinabstürzte. Ihm blieb die Stimme weg, doch er hörte, wie Kain lauthals schrie, während Ren nur leise Laute von sich gab. Er riss seine Augen weit auf und konnte sehen, wie sie sich immer weiter vom Klippenrand entfernten und ihm wurde bewusst, dass der Aufprall nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen konnte.

Als er seine Stimme wiedergefunden hatte, hörte man ihn nur noch kreischen....
 

The End of my fourth Laughter

Fifth Laughter: The Cruller

Fifth Laughter: The Cruller
 

~~~

Die tapfere Maus war gestorben, um Ren und HoroHoro zu helfen vor Kain zu fliehen. Als sie jedoch den Schrank durchquert hatten, waren die beiden dicht gefolgt von Kain an einer Klippe gelandet, die sie hinuntergestürzt waren, als eine Gestalt aus dem Fernseher sie zurückdrängt hatte...

~~~
 

Die Hände der Gestalt schossen aus dem Monitor und HoroHoro erkannte noch die Ähnlichkeit mit BloodyMary, ehe er vor Schreck nach hinten fiel und ebenso wie Ren und Kain die Klippe hinabstürzte. Ihm blieb die Stimme weg, doch er hörte, wie Kain lauthals schrie, während Ren nur leise Laute von sich gab. Er riss seine Augen weit auf und konnte sehen, wie sie sich immer weiter vom Klippenrand entfernten und ihm wurde bewusst, dass der Aufprall nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen konnte.

Als er seine Stimme wiedergefunden hatte, hörte man ihn nur noch kreischen....
 

Es dauerte, bis der Ainu realisierte, dass er nicht mehr fiel und auch seine beiden Begleiter nicht mehr schrien. Verwundert schlug er seine Augen auf, von denen er sich nicht mehr erinnern konnte, dass er sie geschlossen hatte. Er blinzelte ein paar Mal, um sich zu vergewissern, dass das, was er sah wirklich echt war. Statt der Klippe, den Fernseher oder sonst etwas vor sich zu sehen, was er bis eben noch erwartet hatte, sah er die alte Hexe aus Hänsel und Gretel, wie sie lächelnd dasaß und ihren Tee trank.

"Was zum...?", entfuhr es ihm überrascht und ehe er sichs versah wurde ihm eine Kopfnuss verpasst. Als er sich meckernd und fluchend in die Richtung wand, aus der die Hand gekommen sein musste, erkannte er Ren, wie er ihn fragend ansah. "Anscheinend kein Traum...", murmelte der Chinese und zuckte mit den Schultern. HoroHoro fiel auf, dass Ren wieder die Rüstung anhatte, die er in Schneewittchens Welt an sich genommen hatte und zu seinem großen Bedauern, trug er nun auch wieder den Brustschutz. Als er neugierig an sich selbst hinabsah, musste er feststellen, dass er sein rosa Kleidchen tatsächlich immer noch trug und zu seinem Bedauern bemerkte er auch noch dessen Unversehrtheit.

Doch als ihm wieder bewusst wurde, wieso er den Chinesen eigentlich angesehen hatte, meckerte er dem Lilahaarigen entgegen: "Für was war das denn gewesen?!" Ren, der sich längst erhoben und zu der Hexe begeben hatte, sah noch einmal zurück und meinte unschuldig: "Ich musste doch testen, ob wir wieder wach sind"

Einen wirklichen Sinn konnte der Ainu den Worten erst beimessen, als er genauer darüber nachdachte. Stimmt, die Hexe hatte uns ja auf eine Traumreise geschickt, grübelte HoroHoro für sich und seufzte. Als Schamane hatte mans wirklich nicht leicht. All den Krempel hatte er nie machen wollen, es war ihm schon immer viel zu anstrengend gewesen und nun wurde er auch noch in der Märchenwelt dazu gezwungen! Wenn man mal davon absah, dass HoroHoro selbst laut geschrien hatte, dass er die Geschichte hatte hören wollen.

"Erstaunlich, dass ihr so viel aus der anderen Welt mitgebracht habt...", murmelte die Alte vor sich hin und grinste verschmitzt, während sie ihre Teetasse beiseite stellte und den Ainu zu sich wank. "Wie meinst du das, Mütterchen?", fragte Ren so scharfsinnig wie immer und dem Blauhaarigen fiel auf, dass der andere nicht mehr verletzt war - zumindest konnte er keinerlei Anzeichen mehr erkennen und Ren wirkte auch nicht, als würde ihm noch etwas wehtun. "Naja... Für gewöhnlich bringen die Menschen nur ihre Erinnerungen mit sich... Nicht aber die Kleidung, die sie am Leibe trugen", antwortete die Gefragte und ein undeutbares Zucken der Mundwinkel ließ den Ainu aufmerksamer werden.

"Freut mich, wenn wir ihnen was Neues zeigen konnten... Aber so ganz habe ich den Sinn des Ganzen nun noch nicht verstanden", legte Ren seine Gedanken offen dar und schnaufte leise, während sich seine Arme wie gesteuert vor der Brust verschränkten. "Manchmal ergibt sich der Sinn erst, wenn man darauf zurückblicken kann...", murmelte die Hexe und sah nachdenklich in ihre Teetasse. Unzufrieden mit den Worten, fragte HoroHoro noch einmal nach: "Das heißt...?" "Dass sie uns nichts sagen wird", antwortete Ren statt der Gefragten und seufzte. Es musste wohl so sein, dass Hexen in Rätseln sprachen.

"Na toll...", beschwerte sich HoroHoro beleidigt, woraufhin die Hexe leise lachte, bis sie meinte: "Keine Sorge.... Es gibt jemanden, der euch helfen kann die Antworten zu finden, die ihr sucht" Der Ainu konnte sehen, wie Rens Augenbraue sich leicht hob und sein Blick die Umgebung abtastete, doch fand er nichts wirklich erwähnenswertes. "Und wie finden wir diesen jemand?", hakte HoroHoro nach, als keiner der beiden anderen Anstalten machte weiterzureden.

Dieses Mal sah die Hexe den Blauhaarigen eine etwas längere Zeit an, ehe sie lächelte. "Er wird euch finden" Verwirrt runzelte der Ainu die Stirn, wie sollte sie denn jemand von selbst finden? Sollte das auch wieder so ein Zusatz der Märchen-Power sein? Er kratzte sich am Hinterkopf, während er wieder zu Ren sah. Dieser schien für sich ebenso nachzudenken, was er davon halten sollte. "Und wie?", sprach HoroHoro schlussendlich seine Gedanken laut aus und beobachtete die Hexe, wie sie ihre Tasse zu Boden stellte und auf eine hölzerne Uhr sah. "Er müsste jeden Moment hier eintreffen, er ist sogar schon zu spät...", hörte man die Hexe von sich geben, worauf HoroHoro und Ren wie aus einem Mund ein "Hö?" von sich verlauten ließen.

"Ach, wisst ihr, dieser jemand ist nämlich me-..", wollte die Alte gerade erklären, als sie lautes Geraschel aus den umliegenden Gebüschen vernahmen und eine ihnen seltsam bekannt vorkommende Stimme rief: "Omi! Dein Lieblingsenkel ist daa! Holt schon mal die Shokatsu*-Karten raus!" Überrascht wandten sich die Köpfe der drei Dasitzenden in Richtung der Stimme und Ren sprang verwundert und geschockt auf, als er der Person gewahr wurde, die sich da durchs Dickicht schlug. Auch HoroHoro erschrak und ihm blieb schier die Luft weg. "Omileinchen! Du hast ja Besuch... Wieso sagst du mir das denn nicht? Dann hätte ich mir meine guten Sachen angezogen!", quängelte der junge Mann, den Ren und HoroHoro nicht viel älter als sich selbst schätzten und dessen Gesicht sie noch nicht vergessen hatten.

Er trug eine weiße Hose, so wie ein weißes Hemd und der leichte Mantel, den er noch darüber trug, war ebenfalls weiß. Es fehlten zwar die Krone und das königliche Gehabe, doch die beiden Jungen waren sich eindeutig sicher, dass die Person vor ihnen kein geringer war, als...

"Kain!", riefen die beiden aus und starrten den Neuankömmling entsetzt an. Dieser erwiderte das Ganze nur mit Verwirrung und einem verzweifelten Lächeln. "Ähm... Ihr kennt meinen Namen? Gut... Omilein scheint von mir erzählt zu haben. Wie heißt ihr denn?", fragte Kain leicht überrumpelt und sah zu seiner Großmutter, die ihn nur anlächelte und keinerlei Anstalten machte etwas zu sagen, geschweige denn zu tun. "Tu nicht so scheinheilig! Du hast versucht uns umzubringen!", schrie Ren den Blasslilahaarigen an und zog demonstrativ und zur Sicherheit sein Schwert - HoroHoro erinnerte sich noch zu gut, wie der Kampf beim letzten Mal ausgegangen war, doch überging er diese Tatsache und stand ebenfalls auf, um sich neben dem Chinesen zu platzieren.

Erschrocken weitete sich Kains Blick und er wich schnell einen Schritt zurück, um nicht unmittelbar in der Reichweite von Rens Klinge zu stehen. "Wie?", fragte Kain entsetzt und schüttelte energisch den Kopf, "Ich kenne euch ja nicht einmal!" Man sah, dass Ren ihm nicht glaubte, doch als er sich gerade auf Kain stürzen wollte, stoppte die alte Hexe ihn: "Sei kein Narr... Prinz Kain war nichts anderes als eine Figur der Geschichte, dem ich das Aussehen meines lieben Enkels geschenkt habe, weil ich ihn so lieb habe..."

Für einen Moment schien Ren die Worte ignorieren zu wollen, denn HoroHoro konnte sehen, wie das Schwert in dessen Hände zitterte und Ren Mühe hatte, nicht einen Schritt nach vorne zu tun. "Das heißt, dieser Kain hat gar nichts gegen uns?...", hakte HoroHoro leise nach als keiner mehr sprach. "Korrekt... Aber vor dem da hab' ich jetzt Angst!", antwortete Kain und deutete auf Ren. "Das ist Ren!", meinte der Ainu freundlich und fügte hinzu: "Er ist nur ein wenig angespannt, normalerweise guckt er nur grimmig drein und ist schlecht drauf!" "Hey! Was faselst du da!?", beschwerte Ren sich, noch ehe Kain etwas dazu hatte sagen können. "Ist doch so!", grummelte der Ainu nur noch in sich hinein, als er leicht überrascht auf die Klinge starrte, die sich nun auf ihn richtete.

"Beruhigt euch doch... Kein Grund zum Streiten, wir können doch alle Freunde werden!", mischte Kain sich wieder ins Gespräch ein und lächelte unbeholfen. "Freunde!? Ich will jemanden wie dich nicht zum Freund!", schnaubte der Chinese, während sein Blick wieder zu Kain und sein Schwert zurück in die Scheide glitt. "Ren! Er ist doch gar nicht der Prinz, also sei nicht so gemein", schimpfte HoroHoro wütend und lief zu Kain, um ihm die Hand auf die Schulter zu legen. "Gemein...?", empörte Ren sich noch, doch der Ainu hörte ihm gar nicht mehr zu. "Ich bin übrigens HoroHoro! Freut mich dich kennenzulernen"
 

Schlussendlich hatten Ren und Kain es geschafft sich zu arrangieren, wenn Ren auch immer noch strikt dagegen war Freundschaft mit dem Blasslilahaarigen zu schließen, geschweige denn ihm zu vertrauen.

"Wie lange noch?", quängelte der Ainu und zwang sich weiter durch das Gebüsch um sie herum. Sein Kleid war an mehreren Stellen wieder gerissen und er hatte Mühe mit den anderen Schritt zu halten. "Nicht mehr lange, mein Liebchen", antwortete Kain mitleidig und deutete in die Ferne vor sich. "Nur noch ein paar Meter!"

HoroHoro atmete erleichtert auf - allzu lange hätte er sowieso nicht mehr laufen können! "Ich denke nicht, dass er dein Liebchen ist", grummelte Ren, der nur knapp hinter Kain lief und ihn die ganze Zeit über im Blick behielt. "Ich finde sie süß, darum ist sie mein Liebchen!", entgegnete die Vorlage des Märchenprinzen daraufhin nur. "Wie sie?", fragte HoroHoro verwirrt und sah an sich hinab. Er trug zwar ein Kleid, doch dass er keine Oberweite besaß, sah man ihm noch sehr deutlich an!

"Ich meine dich, meine Hübsche!", säuselte Kain, während er stehen blieb und zurück lächelte. Als Ren schallend zu lachen begann, wurde Kains Blick fragend und HoroHoros Gesicht lief rot an. "Lach doch nicht, Ren!", jammerte der Blauhaarige und strich sich demonstrativ über den nicht vorhandenen Vorbau. "Hä?", machte Kain noch immer verwirrt und sah HoroHoro bei seinem Tun zu.

"Junge, das is'n Kerl!", prustete Ren ihm entgegen und HoroHoros Gesicht lief noch eine Spur röter an. "Hör auf zu Lachen!", quiekte der Ainu weiter und sah, wie Kains Augen sich weiteten und für einen Moment hatte der Blauhaarige wirklich Angst, dass sie aus ihren Höhlen quillen würden. "'n Kerl?...", wiederholte er leise und kam nicht umhin den Ainu noch einmal von oben bis unten zu begaffen.

"Ja, Mann. Sieht man doch...", murmelte HoroHoro geknickt und starrte zu Boden. Einen solch peinlichen Moment hatte er lange nicht erlebt - und er erlebte wirklich oft peinliche Situationen! "Du bist so hübsch... Und hast eine perfekte Figur! Wie... eine Frau...", nuschelte Kain perplex und HoroHoro wurde bewusst, dass auch diese Version von Kain eindeutig auf ihn stand. "Schön, nicht wahr? Unsere Prima Donna ist nur leider schon vergeben!", keifte Ren dazwischen und schnaubte genervt vor sich hin.

Überrascht wandten sich beide Blicke auf Ren und HoroHoro erkannte den Rotschimmer auf dessen Gesicht.

"Achso? Ihr seid also zusammen?", fragte Kain unschuldig nach und zuckte heftig zusammen, als Ren ihm entgegen schrie: "Nein!" "Oh", machte Kain nur leicht irritiert und fügte hinzu: "Hat er eine Freundin?" "Hab ich nicht! Ich bin auch nicht vergeben, also lasst mich in Ruhe!", warf HoroHoro ein und stampfte beleidigt mit dem Fuß auf. Man sah dem Blasslilahaarigen deutlich an, dass er nun vollends verwirrt war, doch beließ er es einfach bei einem angedeuteten Nicken.

Einige Minuten lang schwiegen die drei sich nur noch an und Kain schien zu versuchen anhand der Mimik der anderen beiden zu verstehen, was das eben gewesen war. "Sollen wir... weitergehen...?", durchbrach seine Stimme schließlich zaghaft die Stille und HoroHoro sah ihn kurz leicht verwirrt an, ehe er antwortete: "Ja, besser ists..."

"So.. Das ist die Eiche, die ich vorhin gemeint hatte", erklärte Kain und deutete auf einen Riesenbaum der nun vor ihnen stand. "Und da oben ist das Portal?", hakte Ren misstrauisch nach und ließ den Kopf in den Nacken gleiten, um sich die Krone des Baumes genauer anzusehen. "Ja, ganz oben... Uns bleibt nichts anderes übrig, als zu klettern..."

Seufzend drehte Ren sich halb um, sah den Ainu an und meinte: "Horo, du kletterst vor und schaust nach, ob dort wirklich das Portal ist" Der Angesprochene blickte einen Moment säuerlich zu Ren, entschied sich jedoch gegen einen Kommentar. Er trat an den Baum heran und suchte sich eine geeignete Stelle, an der er guten Halt fand. HoroHoro schaffte den ersten Meter ohne Probleme. Sein Kleid blieb an manchmal hängen und als er sich gerade beschweren wollte, rief Ren ihn zurück. "Wie? Jetzt bin ich schon am Klettern!" "Komm sofort wieder runter, okay? Ich klettere rauf und du behälst Kain im Auge!", entgegnete Ren. Überrascht stellte der Kletternde fest, dass Rens Gesicht von einem sachten Rotschimmer geziehrt wurde und als HoroHoro wieder vom Baum sprang, wurde ihm auch klar wieso: Man hatte ihm unters Kleid linsen können.

"Oh" "Keine Sorge, ich hab nicht hingesehen", versicherte Kain ihm und sah ertappt zur Seite. Dieses Kleid schien dem Ainu wirklich viel abzuverlangen. "Das will ich dir auch geraten haben", antwortete Ren an HoroHoros Stelle, gab jedoch keinem der anderen beiden Zeit etwas dazu zu sagen, da er schon fortfuhr: "Und wehe, da oben ist kein Portal"

In nur der Hälfte der Zeit, die HoroHoro gebraucht hatte, schaffte Ren das Doppelte an Weg und war in den Baumwipfeln verschwunden, welche Kain und HoroHoro nicht einsehen konnten. "Und ihr seid echt nicht zusammen?", fragte Kain leise, bedacht darauf, dass Ren nichts davon mitbekommen konnte. "Nicht wirklich... Ren be-"

"Ich hab es!" Suchenden Blickes legten die beiden Jungs den Kopf in den Nacken und tasteten das Geäst über sich ab, in der Hoffnung zu sehen, wo Ren sich befand. "Gut, dann kommen wir jetzt auch!", antwortete HoroHoro ihm mit etwas Verspätung, woraufhin er nur ein "Aber Kain zuerst!" zurückbekam.

Es brachte ihn zum Lächeln, wenn Ren sich so verhielt. Für jemanden, der sie nicht näher kannte, musste es wirklich so aussehen, als seien sie zusammen. Wie eifersüchtig Ren sich doch gab. Dabei konnte der Chinese auch ganz anders. Mehr als einmal hatte HoroHoro sich gefragt, ob es einfach an seiner Herkunft lag oder ob Ren mit seinem Verhalten nur versuchte zu vertuschen, dass er den Ainu eigentlich mochte. Doch mehr als Wunschdenken war dies nicht. HoroHoro kannte den anderen lange genug, um zu wissen, dass er nichts vertuschte. Ihm war sogar aufgefallen, dass Ren Gretel süß gefunden hatte und die böse Stiefmutter musste es ihm auch angetan haben, immerhin war er bei ihrem Anblick rot geworden.

Wie er es auch drehte und wendete, HoroHoros Liebe blieb eine einseitige.

Er hatte nicht einmal bemerkt, dass Kain längst auf den Baum geklettert war, bis ihm ein paar Blätter vor der Nase herumsegelten; Kain musste sie abgerissen haben. Überrascht hob HoroHoro den Blick und sah, wie Kain ihm auffordernd zuwank. "Na, los! Sonst meint Ren noch, ich würde dir etwas antun!" Der Blauschopf nickte, schwieg jedoch. Ihm war es so gesehen egal, was der Chinese meinte, solange es nur annähernd an Eifersucht oder Sorge grenzte.

"Na endlich", murrte Ren als die beiden anderen ebenfalls die Wipfel erklommen und sich zu Ren gestellt hatten. Tatsächlich befand sich das Portal nun unmittelbar vor ihnen und es trennten sie nur noch wenige Schritte von BloodyMarys Welt. "Entschuldige, Ren, aber in meinem Kleidchen ist es verdammt schwer zu klettern...", rechtfertigte sich HoroHoro und zupfte an seinem Saum herum. Leider verfehlte es seine Wirkung - zumindest halb, denn Kain sprang auf diesen Reiz an und lief rot an - und Ren schüttelte nur resigniert den Kopf.

"Gehen wir jetzt durch?", fragte HoroHoro und wollte sich gerade in Bewegung setzen, als Ren ihn zurückhielt. "Ich gehe zuerst" "Ihr könntet auch gemeinsam durchgehen, oder mich vorlassen", mischte sich Kain grinsend ein und deutete auf das wabernde Etwas vor ihnen. "Man kann nie wissen, was dort lauert"

Zuerst schien Ren nicht sehr angetan von Kains Einmischung, hütete sich jedoch davor etwas zu sagen und machte ihm nur mit einer Kopfbewegung deutlich, dass Kain vorgehen sollte. "Wir folgen dir auf dem Fuße" HoroHoro stutzte leicht. "Wie? Du gehst mit uns?" Zu seiner Überraschung nickte Kain. "Ja, ich muss doch auf euch aufpassen!"

Als Kain noch etwas hatte sagen wollen, wurde er von Ren einfach durchs Portal gestoßen und ehe HoroHoro sich deswegen beschweren konnte, wurde auch dieser von dem Chinesen durchs Portal gezogen.
 

"Woah! Eine richtige Stadt!", rief HoroHoro aus und sah sich begeistert um. Sie standen alle drei auf einer Pflastersteinstraße und vor ihnen befand sich eine kleine Stadt. "Ach, da wär ich mir nicht so sicher, hier ist eh nichts normal", bemerkte Kain und kratzte sich am Hinterkopf. "Woher willst du das wissen? Du warst noch nie in unserer Welt", hakte Ren misstrauisch nach und musterte Kain genauestens.

"Ganz einfach: Ihr seid nicht die Ersten, die sich hier her verirren", entgegnete Kain gelassen. "Wobei ich sagen muss, ihr seid bisher am besten zurecht gekommen. Die meisten anderen sind entweder den Bösen zum Opfer gefallen oder konnten heimkehren und haben einen völlig falschen Eindruck unserer Welten erhalten" "Hä?", warf HoroHoro dazwischen und staunte nicht schlecht, als Kain erzählte: "Eure Märchen... Fandet ihr es nicht komisch, dass Hänsel und Gretel die Bösen waren? Das hat seinen Grund, wisst ihr?" "Dieser da wäre?", fragte Ren leicht genervt, da er dem anderen immer noch nicht wirklich trauen konnte und sich etwas besseres vorstellte, als hier herumzustehen und Kain zuzuhören.

"Hänsel. Ich weiß nicht, was er euch angetan hat. Doch im Grunde ist er ein guter Junge. Er liebt es mit den Menschen aus eurer Welt zu spielen, doch Gretel hasst euch alle. Sie findet es unfair, dass ihr ein anderes Leben führt als wir, und darum möchte sie euch auslöschen. Eines Tages kam ein Junge zu Hänsel, er hatte keine Ahnung, wo er war und konnte nur sagen, dass er vor BloodyMary geflohen war" "Genau wie wir", bemerkte HoroHoro und runzelte die Stirn. Wie viele Menschen schon Opfer des Mädchens geworden waren?

"Genau wie ihr. Hänsel mochte den Jungen sehr und wollte ihm helfen. Als Gretel ihm jedoch befahl ihn umzubringen, verhalf er dem Jungen zur Flucht. Dabei hat er es irgendwie geschafft den Jungen glauben zu lassen, die böse sei meine Großmutter gewesen... Das finde ich übrigens total ungerecht! Ihr solltet diesen Fehler beheben, sobald ihr wieder in eurer eigenen Welt seid!" Verwundert sahen die beiden Jungen Kain an und nickten. So war das also. Nun wussten sie immerhin auch, dass es schon jemanden gegeben haben musste, der den Weg zurück gefunden hatte. In HoroHoro erwachte neuer Mut.

"Gut, dann sehen wir uns hier mal ein wenig um!", befand der Ainu und lief ziellos durch die Straßen des Städtchens, um jede noch so kleine Nische untersuchen zu können. Man konnte schließlich nie wissen, was ihnen in dieser Welt helfen konnte. Nach gut einem Dutzend Straßen, fiel HoroHoro auf, was ihn die ganze Zeit über schon gestört hatte: Alles war still. Es lief nicht eine Menschenseele herum und man konnte auch aus den Häusern keinerlei Geräusche vernehmen.

"Sind die denn alle tot...?", fragte HoroHoro leicht irritiert und sah zu Kain, der hilflos die Schultern anhob. "Tot nicht, aber sie verstecken sich", erscholl eine Stimme wie aus dem Nichts und HoroHoro drehte sich erschrocken herum. Ein alter Mann näherte sich ihnen aus einem der nahegelegenen Gebäude, er brauchte einen Stock, um nicht zu fallen. "Verstecken sich?", wiederholte HoroHoro blinzelnd.

Ren schien nicht warten zu können, bis der Alte noch den letzten Rest des Weges zu ihnen geschafft hatte, denn er lief auf ihn zu und bedeutete ihm, dass er stehen bleiben konnte. Der Alte atmete kurz durch, ehe er nickte. "Und wovor verstecken sie sich?", hakte Ren weiter nach, während er aus den Augenwinkeln heraus seine Umgebung taxierte.

"Das...", begann der Alte, doch genau in diesem Moment, fing die Erde an zu beben und der Mann hatte Mühe sich auf den Beinen zu halten. Schnell griff Ren dem Alten unter die Arme und ließ ihn sachte zu Boden gleiten - bekanntlich sollte man sich ja flach auf den Boden legen, sofern man auf einem weitgehend freien Gelände war. "Ein Erdbeben!?", vernahm man Kains aufgeregte Stimme. Er ließ sich ebenso wie HoroHoro neben den anderen beiden nieder und sah sich gehetzt um. "Kein Erdbeben"

Die Worte des alten Mannes sorgten für Verwirrung, doch diese hielt nicht lange vor. Erstaunlicherweise war es nicht das Erdbeben selbst, das den Schleier des Nicht-Wissens hob, sondern sein Verursacher. "Was zum...!?", entfuhr es Ren, als die vier sich plötzlich vor einer riesigen Kreatur wiederfanden, einer grässlichen und angsteinflößenden Gestalt in Form eines....

Krapfen!?

Das Grollen, das aus der Kehle dieses Wesens kam, hörte sich so unreal an, dass HoroHoro einen Moment lang an seinem Verstand zweifeln musste, ob das Ding vor ihnen wirklich existierte oder nicht. "Weg hier!", schrie Kain plötzlich panisch und riss HoroHoro somit aus seinen Gedanken. Tatsache! Sie mussten weg.

Hastig stand der Blauhaarige auf und stellte erleichtert fest, dass Ren dem alten Mann dabei half. "Horo, kümmer dich um ihn!", meinte Ren jedoch auf einmal und schob den Mann in HoroHoros Richtung. Perplex stützte HoroHoro den alten Mann, wie es ihm aufgetragen worden war und sah entsetzt zu, wie Ren sein Schwert zog und auf den überdimensionalen Krapfen zuging.

"Ren, warte!", rief HoroHoro noch aus, doch Ren ignorierte ihn und baute sich so gut es ging vor der Kreatur auf. Dass Ren mit seinen knapp 1,70m vor einem Monster, von dem HoroHoro schätzte, dass es ihn um mehr als das Doppelte überragte, klein und hilflos aussah, kam HoroHoro zwar normal, jedoch viel zu gefährlich vor. Er konnte nicht zulassen, dass seinem Freund etwas geschah!

Gerade als HoroHoro losstürzen wollte, um dem anderen zu Hilfe zu eilen, wurde er sanft an der Schulter zurückgezogen. Leicht überrascht sah er in Kains Gesicht. "Überlass das uns. Bring den Alten in Sicherheit" Mit diesem Worten war Kain auch schon losgestürmt, um Ren zu helfen. HoroHoro schossen einige Dinge durch den Kopf, doch er entschied sich später darüber nachzudenken und nun erst einmal seiner Aufgabe nachzukommen. Hastig griff er den alten Mann und brachte ihn zum Stadtrand.

"Danke, Junge...", murmelte dieser erschöpft und ließ sich zu Boden sinken. "Alleine hätte ich es wohl nicht geschafft" "Kein Ding", entgegnete der Ainu und lächelte leicht. "Aber sagma, Opachen, was ist das für ein Ding?" Anstatt zu antworten, atmete der Alte erst einmal durch und blickte in die Richtung, aus der sie eben geflohen waren. "Er ist der Krapfen Unverzagt"

Okay, von diesem Märchen hatte HoroHoro beim besten Willen noch nicht gehört. Ein Krapfen, der durch die Stadt streift und tötet? "Er war einst ein lieber und netter Krapfen. Nicht viel größer als meine Hand... Doch die Leute wollten ihn essen und in dem Krapfen wuchs der Hass", erzählte der alte Mann und deutete zurück. "Deine Freunde sind in Gefahr. Niemand kann den Krapfen töten, keine Waffe ist stark genug!"

Rosig klingt das ja nicht, schoss es HoroHoro durch den Kopf, doch er kannte Ren, er hatte gesehen, wie dieser kämpfte und vor allem, wie stark er war. So schnell würde er sich nicht von etwas Essbarem unterkriegen lassen! "Keine Sorge... Irgendwie finden wir einen Weg"

Dass der alte Mann nickte, nahm HoroHoro nur noch aus den Augenwinkeln wahr, denn er war schon wieder aufgestanden und war drum und dran zurückzulaufen, das einzige, was ihn daran hinderte war die Tatsache, dass er keine Waffe besaß und den anderen nicht im Weg stehen wollte. "Er dichtet gerne" "Wie bitte?", fragte HoroHoro überrascht und wandt den Kopf erneut zu dem Alten. "Ich sagte, der Krapfen dichtet gerne", wiederholte der Mann und seufzte. "Ich weiß, es klingt komisch... Aber ich denke, das ist sein Schwachpunkt" Grinsend bedankte HoroHoro sich und lief endgültig zurück zu den anderen.

Die Szene, die sich ihm bot, ließ es dem Ainu einen kalten Schauer über den Rücken jagen. Der Riesenkrapfen war bis auf ein paar kleinere Kratzer vollkommen unbeschadet, doch Ren und Kain bluteten schon aus mehreren Wunden. Zumindest schienen sie nicht allzu schwer zu sein. "Pass auf!", rief Ren, als der Krapfen mit einem seiner Stummelärmchen nach Kain schlug. Kain konnte ausweichen, verlor jedoch im Gegenzug sein Gleichgewicht und fiel zu Boden. Dem Krapfen blieb dies nicht verborgen, weswegen dieser sich schon zu einem erneuten Schlag bereit machte, doch bevor er sein Vorhaben in die Tat umsetzen konnte, schrie HoroHoro: "Hey, du! Was bist du eigentlich!?"

Ich leuchte wie pures Gold, bin leicht verrückt, doch wundervoll!

Ein Zittern durchfuhr HoroHoros Körper als er die Stimme des Krapfens vernahm. Sie war rau und durchdringend bis aufs Mark. HoroHoros Ohren schmerzten, doch seinen Effekt hatte er nicht verfehlt. Der Krapfen hatte in seiner Bewegung inne gehalten und starrte nun den Blauhaarigen an. Kain indes nutzte seine Chance und rappelte sich wieder hoch. "Was tust du hier, Horo?!", fragte Ren entsetzt, der mit erhobenem Schwert dastand. Für einen Sekundenbruchteil war er unaufmerksam, dies reichte dem Krapfen jedoch, um ihn mit einer kurzen Fegebewegung mit den Armen von dessen Füßen zu reißen. "Ren!"

Dieses Mal war das Monster schlauer, es ließ seine Hand auf seinem Opfer und drückte es so zu Boden. Ren keuchte, denn ihm blieb die Luft weg, sich zu wehren war er auch nicht im Stande. "Lass ihn los!", brüllte HoroHoro aufgebracht, während er auf den Krapfen zurannte und sich auf den Arm stürzte, der seinen Freund festhielt. So dünn der Arm auch aussah, er war kräftig genug, um den Versuchen des Ainu ihn wegzuziehen standzuhalten. Mit aller Kraft zerrte und zog HoroHoro an dem Arm, doch er bewegte sich kaum und gab dem Chinesen nur minimal den Spielraum, um wieder zu atmen. Wiederum grollte der Krapfen und holte mit dem anderen Arm aus, um HoroHoro von Ren wegzubekommen, doch der Schlag ging ins Leere, als Kain ihn mit seinem Schwer abtropfen ließ.

"Ich bin auch noch da, Monster!", rief Kain grinsend und fuchtelte wild mit dem Schwert in der Luft herum, um zu signalisieren, dass er bereit war. Überraschenderweise gab der Krapfen Ren wieder frei, stürzte sich jedoch nun beidarmig auf Kain und warf diesen von den Füßen. "Wuah!", hörte man ihn kreischen, als er sein Schwert verlor und hart auf dem Boden aufschlug.

"Kain!", rief HoroHoro und stürmte auch schon los, um das fallen gelassene Schwert aufzuheben. "Lass ihn gefälligst in Ruhe!"

Ich bin der Krapfen Unverzagt, bin leicht verrückt und doch gefragt!

"Schön für dich!", murrte Ren, der mittlerweile seinen Atem wieder unter Kontrolle hatte und es mit Mühe und Not schaffte sich aufzurichten. "Ren, bleib zurück, ich mach das!", versuchte HoroHoro den anderen noch zu überzeugen und war schon dabei auf die Arme des Krapfen mit seinem neu erlangten Schwert einzuhacken, doch den Attackierten schien dies nicht einmal zu stören. Kain versuchte verzweifelt sich unter den Armen des Wesens aufzubäumen, doch der Druck war zu stark. Der Krapfen grollte wieder vor sich hin und machte mit dem einen Arm eine Fegebewegung, die HoroHoro zwar parieren konnte, ihm aber sein Gleichgewicht raubte, weswegen er ein paar Schritte nach hinten taumeln musste, ehe er sich wieder gefangen hatte. "Horo...!", rief Ren entsetzt aus und plötzlich kam ihm eine Idee.

Mit einem Satz sprang der Chinese auf den Krapfen zu, verlängerte seine Bewegung durch eine Vorwärtsrolle und befand sich schließlich direkt vor dem Riesenmaul des Monsters. "Ren..!?", keuchte HoroHoro entsetzt, als er dies sah und war mit einem Schlag wie gelähmt. Was tat dieser Idiot!?

"Ich weiß, wie man ihn umbringt", gab Ren zurück biss in die übergroße Lippe des Krapfens. Ein lauter Schrei ertönte, der HoroHoro schier das Trommelfell platzen ließ und er konnte erleichtert feststellen, dass seine Arme Kain wieder freigegeben hatten. So konnte man ihn also töten. Ren nagte weiter an dem Krapfen und schlug nach den Armen, die nun versuchten ihn davon abzuhalten.

"Komm schon Kain, wir müssen ihm helfen!", schrie HoroHoro aufgebracht und ließ das Schwert fallen, um sich ebenso wie sein Freund an das Monster anzubeißen. Wieder schrie der Krapfen vor Schmerz auf.

Die Wucht der Schläge, die der Krapfen verteilte, nahm ab mit jedem Bissen, den die drei aus dessen Körper herausrissen und als sie fast dessen gesamte untere Front gegessen hatten, kippte der Riese nach hinten. Sie ließen nicht von ihm ab, hörten noch wie er vor sich hindichtete:

Ich sang zufrieden vor mich hin, weil ich verrückt und golden bin, doch jetzt fall ich ins Leere, mach meinem Namen keine Ehre!

Als sie mit dem süßen Stück fertig waren, war nicht viel mehr als ein kleiner Krümelhaufen von ihm übrig und HoroHoro fühlte, wie sein Magen stark rumorte. "Mir ist schlecht.." "Mir auch", bestätigte auch Kain und beide sahen zu Ren. HoroHoro erwartete, dass es ihm am übelsten sein musste, denn ihm war nie aufgefallen, dass Ren gerne Süßes aß, geschweige denn überhaupt irgendetwas in einem so großen Ausmaße. Ren jedoch sagte nichts. er wischte sich nur vorsorglich die letzten Krümel aus dem Mundwinkel und ein kleines Blutrinnsal von der Stirn. "Endlich vorbei!", hörten die drei den alten Mann ausrufen und drehten sich überrascht in dessen Richtung.

"Ihr habt uns von diesem Monster befreit, habt Dank!" Der Alte gestikulierte so gut es ging ohne das Gleichgewicht zu verlieren, mit einem Arm herum. "Ach, kein Ding", antwortete HoroHoro ihm und grinste. Es tat doch immer wieder gut anderen zu helfen. Und Hunger hatte er nun auch keinen mehr.

"Du kannst uns bestimmt auch helfen", warf Ren ein und musterte den alten Mann eingehend. Dieser nickte und fragte: "Was braucht ihr?" HoroHoro, der Rens Verhalten ein wenig unverschämt fand, ergriff statt diesem das Wort: "Wir müssen eigentlich nur wissen, wo das Portal ist" Etwas im Blick des Alten veränderte sich, doch HoroHoro konnte nicht sagen, was es war. "Gut, ich werde euch eine Karte geben", gab er zurück und machte sich schon auf den Weg in eines der vielen Häuser der Stadt.

"Oh! Ihr habt sogar eine Portalkarte?", fragte Kain aufgeregt, "Ich hab meine vor einiger Zeit verloren.." "Natürlich haben wir eine, ich, der Bürgermeister höchstselbst, passe auf sie auf" Während HoroHoro und Ren nicht so ganz verstanden, was genau eine Portalkarte sein sollte, unterhielten sich die anderen beiden weiter darüber, bis sie schließlich in einem kleinen Hinterzimmer des größten Gebäudes der Stadt waren. "Hier ist sie", meinte der Bürgermeister und öffnete eine kleine Truhe, die auf einem Schreibtisch am Ende des Zimmers stand. "Damit müsstet ihr das Portal leicht finden"

HoroHoro nahm die Karte dankend an und sah neugierig hinein, doch er verstand keins der Zeichen. "Gib her, ich kann sie lesen", erklärte Kain und streckte den Arm aus, ihm musste klar sein, dass weder HoroHoro noch Ren dies entziffern konnten. "Hier" "Was ist das für eine Sprache?", fragte Ren, bekam von Kain jedoch nur ein Lachen als Antwort.

"Das ist keine Sprache, es ist vielmehr... Energie. Die Zeichen verschieben sich je nach Energiefluss und durch diesen kann man bestimmen, wo sich das Portal befindet und mit etwas Glück, findet man auch heraus, wohin es führt", erläuterte der Bürgermeister lächelnd und bedeutete den dreien das Zimmer wieder zu verlassen. Auf dem Weg nach draußen ließ Ren sich das Ganze kurz durch den Kopf gehen, fragte dann: "Das heißt der Standort und das Ziel ändern sich bei den Portalen?"

"Nicht oft und nicht zwingend, aber ja", gab der Alte zurück. "Gut, dann suchen wir das Teil mal!", gab HoroHoro von sich und grinste über beide Backen. "Wenn unser Prinzchen es wirklich lesen kann...?", stachelte Ren ebenso grinsend und blickte zu Kain, der noch immer dabei war die Karte zu studieren. Empört blickte er nun jedoch auf und rief:

"Aber natürlich kann ich das! Folgt mir einfach!"
 

*frei erfundenes Kartenspiel meinerseitsxD
 

The End of my fifth Laughter

Sixth Laughter: The very hungry Caterpillar

Sixth Laughter: The Very Hungry Caterpillar
 

~~~

Endlich hatten HoroHoro und Ren einen Mitstreiter gefunden, der sich in der mysteriösen Märchwenwelt auszukennen scheint, doch so ganz vertraute Ren dem jungen Mann noch nicht. Vielleicht zu Recht...

~~~
 

Suchend glitten Kains Augen über die Landschaft. Er sah Bäume so groß wie Berge und Blumen so groß wie Häuser. Dass sie in einem Wald waren, war naheliegend, doch es war nicht der Mori-Kieta und Kain war sich nicht sicher in welcher Geschichte sie nun gelandet waren.

"Natürlich kann ich die Karte lesen, folgt mir!", äffte Ren den anderen nach und schnaubte verächtlich. HoroHoro grinste gequält, als Kain sich zu den beiden umdrehte. "Wenn du willst, kannst du ja gerne versuchen sie zu lesen! Außerdem hab ich uns immerhin in eine neue Welt gebracht!", konterte Kain und wedelte mit der Portalkarte in seiner Hand herum. "Ui, toll... Wir sind weder in BloodyMarys Welt noch in einer anderen, die wir schon kennen und du weißt nicht einmal, welche es ist!" "Jetz' Ren... Ist doch okay. Kain wird sich sicherlich noch daran erinnern, wie man die Karte richtig liest und dann klappt das schon! ... Wir haben doch Zeit!", schaltete sich nun auch HoroHoro ein, um einen größeren Streit zu vermeiden. Ren antwortete zwar nicht direkt, rümpfte jedoch die Nase und stemmte beide Hände in die Hüfte.

"Ohman", murmelte HoroHoro leise, während er die letzten Schritte zu Kain zu tat und auf die Karte blickte. "Wo sind wir?" "Hmm... Hier, denke ich", antwortete Kain und deutete auf einen kleinen sternschnuppenartigen, leuchtenden Fleck in der rechten unteren Ecke. "Denke ich", plapperte Ren den anderen wieder nach und schüttelte den Kopf, woraufhin HoroHoro und Kain ihn böse ansahen. "Schon gut, schon gut. Ich hör ja schon auf, wenn ihr es schafft uns hier weg zu bringen", meinte Ren beschwichtigend und hob beide Hände abwehrend in die Luft.

Ohne noch ein weiteres Wort an Ren zu verlieren, wandt Kain sich wieder der Karte zu und deutete auf einen anderen Fleck, der seltsam rot leuchtete. "Das bestimmt in welcher Welt wir landen, wenn wir durchs Portal gehen", erklärte Kain dem Ainu und suchte noch etwas anderes auf der Karte. "Und wo kommen wir raus?", fragte HoroHoro neugierig. "Tja... Ich weiß nicht... Irgendein Zeichen gehört noch dazu und nur durch die Kombination kriegst du's raus" "Oh... Und du weißt nicht mit was?", hakte HoroHoro seufzend nach und erntete als Antwort ein Kopfschütteln.

"Tja", mischte Ren sich wieder ein und trat nun ebenfalls näher, um die Karte zu studieren. Er erkannte den Fleck, der ihren Standort darstellen sollte und noch etwas anderes. Eine kleine Konstellation aus grünleuchtenden Punkten hatte sich um ihre eigene Position geschart. Sie blinkten, bewegten sich jedoch nicht mehr. "Kain... Was sind das für Punkte?", fragte Ren, ahnend, dass sie nichts Gutes zu bedeuten hatten.

"Ähm... Warte, lass mich nachdenken...", grummelte Kain und rieb sich demonstrativ das Kinn. "Ähm, Ren? ...Kain?", stammelte HoroHoro leise, doch weder Ren noch Kain gingen darauf ein. "Moment... Mir fällts gleich wieder ein", meinte Kain noch und klopfte sich anregend auf den Kopf. "Kain, ich we-!" "Jetzt lass ihn doch mal nachdenken, du Idiot!", nörgelte Ren den Blauschopf an und seufzte. "Ja, aber!" "Ich weiß es wieder!", rief Kain aus und unterbrach den Ainu erneut, "Die fünf leuchtenden Punkte, das ist die Raupe Nimmersatt!"

"Passt auf!", schrie HoroHoro und stürzte sich auf Ren und Kain, und warf sie beide rücklings zu Boden. Nicht eine Sekunde später ertönte ein Knall und ein Knurren durchfuhr die Wälder. Geschockt erblickten Kain und Ren den riesigen langgestreckten Körper über sich, zweifellos der einer Riesenraupe. "Oh mein Gott!", keuchte Kain und richtete sich auf, wobei er HoroHoro von sich drückte.

Die Raupe hatte ihren Kopf genau dort in die Erde gesteckt, wo Ren und er eben noch gestanden hatten. Mit einem weiteren Knurren zog sie ihren Kopf jedoch heraus und richtete sich wieder auf. Kain musste sich umsehen, um die Raupe weiter im Blick behalten zu können. "Steh auf, Horo!", schrie Ren und Kain sah verwundert, dass der Chinese bereits dastand und sein Schwert vor sich hob. Musste an den Genen liegen.

"J-Ja!", schnappte HoroHoro kurz und mühte sich ab der Aufforderung auch wirklich nachzukommen. Kain half ihm. "Bring ihn weg! Ich kümmere mich um dieses Mistding!", wies der Chinese an, doch weder Kain noch HoroHoro kamen der Aufforderung nach. " Haut schon ab!", schrie Ren noch einmal und wedelte mit einer Hand in ihre Richtung, um seine Worte zu verdeutlichen. Gerade als Kain antworten wollte, stürzte sich die Raupe wieder auf sie und unterbrach das Gespräch. Kain und HoroHoro konnten leicht zur Seite ausweichen, Ren jedoch, der direkt fixiert worden war, hatte seine Mühen, dem riesigen Mund auszuweichen und schaffte es letztlich nur, weil er sein Schwert dazu benutzte, das Maul der Raupe der Länge nach aufzuschlitzen. Es spritzte zwar Blut, doch allzu tief war die Wunde nicht.

"Das schaffst du nicht alleine, Ren!", nahm Kain das Gespräch wieder auf und zog ebenfalls sein Schwert. "Ich muss nur Zeit schinden, bis ihr das Portal gefunden habt! Also geht!", kreischte Ren fast unf fuchtelte leicht mit dem Schwert herum, um die Raupe zu irritieren. Diese ließ sich wirklich einen Moment von dem in der Sonne glitzernden Eisen ablenken, fand ihr Ziel jedoch genau so schnell wieder und knurrte wütend vor sich hin. "Okay, wir sind sofort wieder da, stell nichts Dummes an, okay!?", ergriff HoroHoro das Wort und war schon dabei Kain am Arm mitzuziehen. Ren antwortete nicht, weswegen HoroHoro noch hinzufügte: "Ich vertraue dir"

Die Raupe wollte die beiden Flüchtlinge aufhalten, doch Ren ließ sie nicht gewähren. Er blockte das Maul wiederum mit dem Schwert ab, konnte dem Ungetüm jedoch nur einen kleinen Kratzer verpassen. Bedrohlich baute sich die Raupe vor ihm auf und fletschte ihre normalerweise nicht vorhandenen scharfen Zähne. Ren spürte, wie sich ein Kloß in seinem Hals bildete. Wäre Bason hier, wäre dieses Insekt längst Geschichte! Sein Schutzgeist war weitaus stärker als jedes der Monster, das ihnen bisher begegnet war. Doch ohne Bason blieb dem Chinesen nichts anderes übrig, als sich auf seine menschlichen Fähigkeiten zu verlassen.

Es vergingen nur einige Sekunden, bis die Raupe sich wieder auf Ren stürzte und diesesmal Glück hatte. Anstatt sie mit dem Schwert abzuwehren, glitt die Raupe an der Schneide entlang und konnte eine ihrer scharfen Eckzähne in Ren Schulter bohren. Sein Schrei gellte völlig verzerrt durch den Wald, während das Blut ungehindert aus der Wunde sprudelte. Wider erwarten erlitt der Chinese Höllenschmerzen. Für einen kurzen Moment glaubte Ren, der Zahn wäre vergiftet gewesen, doch der brennende Schmerz kam nicht von einem Giftstoff. Er kam von seinem gebrochenen Schlüsselbein, dessen Knochen sich schmerzlich auf seine Lunge drängte.

Ihm blieb die Luft weg. Japsend ließ Ren sich auf die Knie sinken und befreite seine rechte Seite dadurch vom Zahn der Raupe. Der Blutschwall intensivierte sich und für einen kurzen Moment zweifelte Ren daran sein Bewusstsein halten zu können, doch zu seiner Überraschung blieb er wach. Trotzdem musste er für Sekunden sein Bewusstsein verloren haben, denn Ren fand sich bäuchlings auf dem Boden wieder und sein Schwert lag nicht mehr in seiner Hand sondern neben ihm.

Für einen Moment überkam ihn wieder das Gefühl der Ohnmacht, das er nur schwer zu bekämpfen im Stande war. Drückend wurde ihm klar, dass er nicht mehr auf die Beine kam. Er hatte schon sehr viel Blut verloren und der Schmerz betäubte ihn schier gänzlich, sodass er nicht mehr in der Lage war aufzustehen. Vorsichtig hob Ren den Kopf an und sah geschockt zu, wie die Raupe das Blut von ihren Zähnen leckte und ihren Schwanz ebenso anhob, wie ihren Kopf.

Keuchend verzog Ren das Gesicht, um sich auf den kommenden Schmerz vorzubereiten - es war schlimmer als gedacht. Stöhnend schrie Ren auf und fühlte wie der letzte Rest Luft aus seinen Lungen gepresst wurde, als der Schwanz der Raupe auf ihn einschlug. Wieder brach einer seiner Knochen, doch diesesmal konnte er nicht definieren, welcher es war; vielleicht sogar mehrere.

Einen Moment lang war Ren sich nicht sicher, ob er schrie oder nicht, als er letztlich ein Glucksen vernahm, realisierte er, dass sein Mund voll Blut war und seine Stimme erstickte.

Die Raupe drückte ihren Schwanz noch stärker auf Rens Rücken, sodass es erneut knackste. Verzweifelt tastete Rens linke Hand nach dem Schwert, berührte zwar dessen Spitze, war jedoch nicht in der Lage es zu greifen. Er fluchte innerlich und spuckte Blut aus dem Mund. Es schmeckte metallen und rief Erinnerungen in dem Chinesen wach, die er am liebsten für immer vergessen würde.

Auf einmal sah er die rottropfenden Zähne direkt vor sich und der Atem der übergroßen Raupe strich unangenehm über sein Gesicht. Wenn ihm nicht bald etwas einfiel, würde er sterben, das war ihm klar, doch so bewegungsunfähig, wie er war, konnte er nicht fliehen. Das Schwert war zu schwer, um es mit nur zwei Fingern, die es berührten, heranzuziehen und selbst wenn ihm dies gelang, war Ren sich nicht sicher, ob er es halten würde können, um sich zu verteidigen. Er sah wie das Maul der Raupe näher kam, er spürte den Atem immer intensiver und er konnte riechen, dass er nicht ihr erstes Opfer war. Nur noch wenige Augenblicke und die Zähne würden sich erneut in sein Fleisch beißen. Gefasst kniff Ren seine Augen zusammen und erwartete den letzten Schmerz.

Statt sich selbst schreien zu hören, vernahm er erst eine ihm bekannte Stimme, ehe die Raupe gequält fiepte und Ren etwas nasses auf seinem Gesicht spürte, der Hauch des Atems der Raupe jedoch verschwand. Überrascht riss Ren die Augen auf und sah zwei Beine vor sich, er versuchte den Kopf anzuheben, um mehr zu sehen, doch mittlerweile gelang ihm nichteinmal mehr das. Er sah nur noch den Schemen, ehe alles vor ihm verschwamm und er sein Bewusstsein letzten Endes verlor.
 

"Und wenn er nicht mehr aufwacht?", fragte jemand. "Er wird aufwachen", antwortete eine andere Stimme.

Ren glaubte die Stimmen zu kennen, doch schaffte er es nicht sie zuzuordnen, er rang verzweifelt darum auch nur irgendeine Ordnung in seine Gedanken zu bekommen. Er wusste ganz sicher, wer er war, doch was den Rest an Informationen in seinem Kopf anging, herrschte ein völliges Chaos vor. Ihm kam ein Kinderbuch in den Sinn, dass er schon sehr oft in den Regalen der Läden stehen sehen hatte - die kleine Raupe Nimmersatt -, doch verstand er nicht, was er damit anfangen sollte. Plötzlich spürte er eine gewisse Leere in seinem Magen; er hatte Hunger.

"Er ist seit Stunden bewusstlos!" "Und ich versuche dir seit Stunden zu erklären, dass das nichts heißen muss!", fauchte die zweite Stimme und Ren vernahm ein leises Pochen in einem regelmäßigen Takt. Es ließ ihn unruhig werden, er konnte nicht erfassen, was dieses Geräusch darstellen sollte. Mit einem Mal riss er die Augen auf. Der leichte Schein der Sonne blendete ihn, weswegen er die Augen sofort wieder schloß, er öffnete sie jedoch ein zweites Mal, diesesmal langsamer und darauf bedacht sich an die Lichtstrahlen zu gewöhnen. "Was wenn es nicht gereicht hat, ihn in eine andere Welt zu bringen? Was wenn er noch innere Verletzungen hat!?" HoroHoro war es, der mit hysterischer Stimme immer wieder das schlimmste prophezeite und Kain die Gegenpartei, die ihn zur Ruhe zu bringen versuchte. Wenigstens erkannte Ren das. Er beobachtete die beiden, wie sie weiterstritten, nicht in der Lage selbst etwas zu sagen oder sich sonstwie bemerkbar zu machen.

Das irritierende Pochen war von Kains Fingern gekommen, die unablässig auf den Stein klopften, der unter ihm war. Kain saß auf einem vielleicht ein Meter großen Stein, hatte die Beine übereinandergeschlagen und starrte HoroHoro wütend an. Dieser wiederum stand mit dem Rücken zu Ren, der - soweit Ren das sagen konnte - auf dem Boden lag, und gestikulierte wild mit den Händen, wobei sein Kleid leicht mitschwang.

"...rosa..." Erschrocken drehte HoroHoro sich um und auch Kains Blick glitt zu Ren herunter. Zu ihrer Überraschung starrte Ren die beiden an. "...rosa...", brachte Ren noch einmal heraus und versuchte zu Grinsen, doch der Versuch endete in einer Grimasse. "Du bist wach!", rief HoroHoro erleichtert aus, warf sich zu ihm auf den Boden und nahm den Wehrlosen in den Arm. "Gott sei Dank!"

"Horo, du...", setzte Ren wieder an und fand seine Stimme wieder, "Du trägst eine rosane Boxershorts" Ren sah, wie HoroHoro ungewöhnlich rot anlief, woraufhin sich Rens Grimasse tatsächlich zu einem Lächeln entzerrte.

Kain begann schallend zu lachen und musste sich den Bauch halten. "R-Rosa!? Oh-Oh Gott, das... gut!", presste er hervor und musste sich sogar kleine Tränchen aus den Augenwinkeln wischen. "S-Sei still, Kain!", stammelte HoroHoro und sah beschämt zur Seite. Warum hatte Ren gerade das sagen müssen!? Und vorallem, woher wusste er, welche Unterwäsche der Blauhaarige trug?

"Tschuldige, aber-!", prustete Kain weiter, doch musste er mitten im Satz abbrechen, da sein Lachanfall sogar noch einen Tick stärker wurde. Ren sah weiter lächelnd zu, während er insgeheim HoroHoros wilder Gestikulation dankte, die es ihm ermöglicht hatte unter dessen Kleid zu sehen. Zumindest hatte es sich in der Hinsicht gelohnt, dass die Situation sich endlich entspannt hatte.

Nachdem Kain sich wieder beruhigt und HoroHoros Gesichtsfarbe sich wieder normalisiert hatte, fragte HoroHoro leise: "Wie gehts dir, Ren?" Der Angesprochene sah ihn erst einen Moment lang unschlüssig an, versuchte dann aber sich aufzusetzen und schaffte es sogar - wenn auch mit hämmernden Kopfschmerzen. "Ahh... Es geht soweit..", murmelte Ren leise und gab sich Mühe nicht zu zeigen, dass sein Schädel sich anfühlte, als würden kleine Bauarbeiter mit ihren Pressluftmaschinen darin arbeiten. "Ganz sicher?", hakte HoroHoro nocheinmal nach, doch nicht Ren war es, der ihm antwortete sondern Kain: "Horo-chan, wenn er sagt, es geht ihm gut, dann gehts ihm auch gut!" Die Wut die Ren bei diesem Satz aufkochte, verebbte jäh wieder, als er sah, wie Kain ihm zuzwinkerte. Anscheinend hatte er gemerkt, dass Ren nicht ganz so ging, wie er es vorgab.

"Ja, egal... Naja... Was ist denn... passiert?", lenkte Ren das Thema um und sah wieder zu HoroHoro, der ihn immernoch sorgenvoll musterte. "Oh, oh! Das darf ich erzählen!", freute Kain sich und räusperte sich ersteinmal künstlich, bevor er begann: "Ich hab deinen Schrei gehört, wir hatten das Portal sowieso fast gefunden. Also bin ich zurückgehetzt... Ich sah dich am Boden liegen - Alter, hast du viel Blut verloren gehabt! - und die Raupe Nimmersatt hatte ihr Maul bereits aufgerissen, um dich genüsslich zu verspeisen! Ich sags dir, hätte ich eine Sekunde später reaigert, wärst du Geschichte gewesen! Ich hab heldenmutig mein Schwert geworfen und - tatsächlich! - habe das Auge von diesem Mistviech erwischt!" Ren blinzelte ungläubig, also war es Kain gewesen, dessen Schemen er gesehen hatte. "Natürlich hat das Viech sich ersteinmal aufgebäumt, sodass ich genug Zeit hatte, mich vor dich zu stellen, nur für den Fall, du verstehst? Gott sei Dank hattest du dein Schwert fallen gelassen! Sonst wäre ich unbewaffnet dagestanden. Den Rest kannst du dir denken, oder?", fragte Kain grinsend und deutete auf Rens Schulter. "Die Wunde verwschwand von allein, als wir durchs Portal gingen. Aber du hattest schon eine Menge Blut verloren" "Von wegen von allein!", beschwerte HoroHoro sich, "Er war ja noch stundenlang weggetreten! Und die blöden Medizinkekse haben auch nichts geholfen!" Wieder begann Kain zu grinsen, doch diesesmal etwas schiefer. "Natürlich nicht, wir sind 8 Zekto* von Hänsel und Gretels Welt entfernt" "Wie bitte, was?!", hakte HoroHoro stammelnd nach. "Nicht so wichtig", meinte Kain abwinkend, "Ist nur 'ne Entfernungseinheit, aber egal... Ich erklärs euch: Die Welten sind durch Portale verbunden, wie ihr ja wisst. Und diese Portale sind in einem bestimmten Abstand zueinander. Ihr müsst euch das so vorstellen: Bei euch kreist alles um die Erde, bei uns kreist alles um eine riesige Energiemenge" "Bei uns kreist alles um die Sonne", verbesserte Ren grinsend. "Was? Echt? Aber... Mir wurde mal gesagt-" "Dann hattest du wohl schon lange keinen Besuch mehr von unserer Welt, oder?", mischte sich auch HoroHoro ein und kicherte. "Nein, aber..." "Wir haben herausgefunden, dass unser Sonnensystem nicht geozentristisch sondern heliozentristisch ist. Aber erzähl weiter", führte Ren weiter aus. "Aha... Ja, gut. Jedenfalls ordnen sich die Welten um diese Energiemasse, sie werden von ihr bestimmt und auch die Portale entstehen durch die Harmonie mit der Energiemenge. Um von einer Welt zur anderen zu kommen, muss man einen Dimensionssprung ausführen - das habt ihr auch schon gemacht, als ihr durch die Portale geschritten seid. Je nach Entfernung muss man mehrere Dimensionssprünge auf einmal machen, um ans Ziel zu gelangen. Von hier zu Hänsel und Gretel wären es zum Beispiel 8 Zekto, also 16 Dimensionssprünge. Errechnen lässt sich das mit Hilfe der Portalkarte. Genaugenommen macht es nicht sonderlich viel Unterschied, wie weit die einzelnen Welten voneinander entfernt sind, außer, dass gewisse magische Gegenstände ab einer bestimmten Entfernung nicht mehr zu gebrauchen sind, wie zum Beispiel der Medizinkeks. Hänsel und Gretel haben nur wenig magische Kraft, weswegen alles aus ihrer Welt nur 1 Zekto weit wirkt, da es aber unter normalen Umständen keine Welt in ihrer unmittelbaren Nähe gibt, kann man Gegenstände aus ihrer Welt vergessen"

HoroHoro nickte zwar brav, verstand jedoch kein Wort. Jedoch Ren speicherte alles ab und führte weiter aus: "Also ist BloodyMarys Welt nicht allzu weit von ihrer Welt entfernt, aber weit genug, um ihren Fluch aufzulösen?" "Jain. Ihre Welt ist im Normalfall 5 Zekto entfernt, aber BloodyMary hat eine weitaus höhere magische Kraft als die beiden. Darum dauert es eine Weile, bis sich alles aus BloodyMarys Welt in Wohlgefallen auflöst. Stimmt ja, ihr hattet ja erzählt, dass du dein Augenlicht verloren hattest... Hm, ja... Passt alles", erklärte Kain und bestätigte sich selbst durch ein überflüssiges Nicken.

"Wow... Anscheinend kannst du das Ding doch lesen...", murmelte Ren kaum hörbar und sah weg. Ren war nie jemand gewesen, der sich gerne Fehler eingestand und schon gar niemand, der sich gerne bei anderen bedankte. "Tja...", setzte Kain an, hopste von seinem Stein herunter und klopfte Ren sachte auf die Schulter, wobei dieser das Gesicht verzog. "Ich bin eine Märchenfigur, da kommt immer alles anders als geplant!" Lachend verschwand Kain hinter einer kleinen Baumreihe und Ren konnte in einiger Entfernung Tauben gurren hören.
 

*Zekto = selbsterfundene Dimensionseinheit (1 Zekto = 1 Dimensionssprung)
 

The End of my sixth Laughter

Seventh Laughter: Cinderella

Seventh Laughter: Cinderella
 

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Kain konnte Ren gerade noch so vor der Monster-Raupe retten. Vielleicht hatte sich Ren ja doch getäuscht und er und HoroHoro hatten in Kain einen neuen Verbündeten und Freund gefunden...

~~~
 

"Guck' dir mal die vielen Tauben an!", staunte HoroHoro und lief begeistert auf das riesige Taubenhaus zu, das sie gefunden hatten. Sie waren den Geräuschen gefolgt und in einem Garten gelandet, der nur von einer kniehohen Steinmauer umgeben war. Dort stand das Taubenhaus einige Bäume und ein kleiner Brunnen. Direkt hinter dem Taubenhaus befand sich eine große Villa. Sie war schön verziehrt und hatte besonders große Fenster.

"Damit ist wenigstens klar, wo wir sind!", lachte Kain und versuchte eine der Tauben zu streicheln, doch diese zog es vor wegzufliegen. "Ahja? Wo denn?", fragte HoroHoro neugierig. "Aschenputtel", antwortete Kain und lächelte. Ren hatte die ganze Zeit über geschwiegen. "Und wer ist das?", hakte der Blauhaarige nach und legte die Stirn in Falten. "Kennst du nicht die Geschichte von Aschenputtel? Ein Mädchen unterdrückt von ihrer bösen Stiefmutter, nachdem ihr Vater starb. Die einzige Hilfe eine gute Fee und ihr Traum von einem Prinzen" "Wie romantisch!", säuselte HoroHoro und drehte sich einmal um die eigene Achse. "Ja, stimmt"

Ren sagte noch immer nichts, lief nun jedoch am Taubenhaus vorbei, wobei ihm einige Vögel ausweichen mussten, damit er näher an die Villa kam. "Hey, Ren! Warte doch!", rief HoroHoro ihm überrascht hinterher und folgte ihm. "Schauen wir doch mal, ob jemand zu Hause ist"

Der Chinese lief, direkt gefolgt von HoroHoro und Kain, um das Haus herum. Die Vorderseite war noch prachtvoller, als es die Rückseite gewesen war.

Man sah dem Haus einfach an, dass es jemandem mit Geld gehörte, auch die prachtvoll verziehrte Tür deutete durch ihre Größe daraufhin. "Ui...", staunte HoroHoro und legte den Kopf in den Nakcen, um alles von oben bis unten anzusehen.

Kain hielt Ren an der Schulter fest, als dieser drum und dran war auf die riesige Tür zuzulaufen. "Was denn?", fragte Ren leicht überrascht und sah Kain an. "Naja... Sagen wir so, unser Stiefmütterchen mag keinen... Besuch"

"Wohin sollen wir denn dann jetzt?", hakte HoroHoro neugierig nach und sah sich um. Auch auf der Vorderseite erstreckte sich ein großer Garten und HoroHoro bemerkte eine alte, ramponierte Schaukel, die in einem Baum hing. Sie schien seit Jahren nicht mehr benutzt.

"Gute Frage... Wir sollten warten, bis Aschenputtel zu ihrer Arbeit in den Garten muss" Auch Kain bemerkte die Schaukel und ein flüchtiges Lächeln erschien auf seinen Lippen. "Gut... Dann verstecken wir uns am besten im Taubenhaus", wollte Ren bestimmen, doch Kain hielt ihn - wenn auch nur mit Worten - wiederum auf. "Was ist denn nun schon wieder!?", herrschte der Chinese genervt und sah den anderen an - Kains Blick war todernst.

"Verärgere nie die Tauben... Sie sind nicht so unschuldig, wie sie aussehen..." "Wie meinst du das?", fragte HoroHoro an Rens Stelle und sah zurück in Richtung Taubenhaus. Kain zuckte mit den Schultern. "Nicht so wichtig, solange ihr sie nicht ärgert" HoroHoro und Ren nickten, wenn ihnen auch schleierhaft war, weswegen sie Angst vor einer Taube haben sollten.

"Lasst uns verschwinden", durchbrach Kain die mittlerweile aufgekommene Stille und lenkte die zwei anderen in die Hecke, die sich auf der gegenüberliegenden Seite befand. Sie versteckten sich so darin, dass sie die Vordertür, sowie einen Teil des hinteren Gartens im Blickfeld hatten. Nun hieß es warten.

HoroHoro verbrachte seine Zeit die Tauben zu zählen, die eifrig auf den Boden pickten, während Ren es tunlichst mied die Vögel anzusehen, denn es jagte ihm einen eiskalten Schauer den Rücken hinunter, als würden die Tauben sie aus gefühllosen Augen anstarren. Natürlich konnte das gar nicht sein.

Schnell wurde dem Ainu langweilig und er versuchte durch ein Gespräch die Wartezeit zu verkürzen. "Halt die Klappe, wenn du unentdeckt bleiben willst", war Rens einziger Kommentar gewesen, woraufhin HoroHoro sich schmollend von ihm weggedreht hatte. Ren verdrehte die Augen, manchmal war HoroHoro so ein Idiot.

Beinahe wäre Ren zusammengezuckt, als er plötzlich etwas schweres auf seiner Schulter spürte. Zu seiner Überraschung lehnte HoroHoros Hinterkopf an Rens Schulter und der Rest seines Körpers hing sonderbar schlapp daran runter.

Der Ainu war tatsächlich eingeschlafen. Rens erster Impuls war es gewesen den anderen einfach von sich zu stoßen, doch ermahnte er sich, welchen Zoff es geben würde, würde er den Ainu nun wecken. Also seufzte Ren nur und zog den anderen so heran, dass sie nebeneinander saßen und er nur seinen Kopf auf seine Schulter bettete. Und plötzlich lag HoroHoros Hand auf Rens Oberschenkel.

Kain verkniff es sich zu lachen, natürlich hatte er die ganze Szene mitangesehen. Den bösen Blick, den Ren ihm zuwarf, um herunterzuspielen, dass sein Gesicht feuerrot angelaufen war, ignorierte Kain gekonnt und murmelte stattdessen: "Wenigstens müssen wir nicht Dornröschen suchen"

Ren verdrehte die Augen. Genau in dem Moment ging die Haustüre der großen Villa auf und drei Frauen, eine davon weitaus älter als die anderen beiden, traten auf den Hof. Kain hätte nicht einmal sagen müssen, dass dies die böse Steifmutter und ihre Töchter waren, trotzdem sagte er es.

Eine Kutsche fuhr vor und die drei stiegen ein. Keine Minute später verließ die Kutsche den Hof wieder und die Türe öffnete sich erneut. Ein Mädchen mit blonden Haaren lugte dort heraus, mehr konnte Ren auf die Entfernung nicht erkennen und als er aufstehen wollte, fiel ihm wieder ein, dass HoroHoro noch immer auf seiner Schulter lag, doch durch seine angefangene Bewegung rutschte HoroHoro herunter auf seinen Schoß. Kain war längst aufgestanden und lief auf das Mädchen zu. "Aschenputtel!", rief er und sah zu, wie das Mädchen überrascht aus der Tür kam.

"Wach auf, du Trottel!", schnaubte Ren und gab dem Ainu eine leichte Kopfnuss. Mittlerweile hatte der es sich auf Rens Schoß bequem gemacht und sogar die Arme um dessen Körper geschlungen. "Wach auf!" Aschenputtel und Kain sprachen nun in einer Lautstärke, die Ren auf die Entfernung nicht mehr hören konnte. "Horo!" Endlich wachte der Ainu auf, als Ren ihn grob von seinem Schoß schob. "Hm...?", fragte HoroHoro verschlafen und richtete sich mühselig auf. "Beweg deinen Hintern, oder willst du zurückbleiben?" Hastig eilte Ren zu Kain und Aschenputtel, seine Wangen fühlten sich warm an, doch er hoffte, dass die anderen den Rotschimmer auf ihnen nicht bemerkten. "...Schon wieder? Oh, Aschenputtel! Das kannst du dir doch nicht gefallen lassen" "A-Aber Kain-sama..." "Nichts aber! Und hör auf mich sama zu nennen!" Das blonde Mädchen erschrak, als es Ren ansah. Sie hatte ihn kommen sehen müssen, doch sie tat, als habe sie ihn eben erst bemerkt. "Das ist Ren. Er und sein Freund HoroHoro", er deutete beim Sprechen auf den blauhaarigen Jungen, der es endlich aus dem Gebüsch geschafft hatte und nun auf dem Weg zu ihnen war, "...sind vor ein paar Tagen von BloodyMary in unsere Welt verschleppt worden. Ich will ihnen helfen, doch dazu brauche ich deine Hilfe"
 

Schlußendlich hatte Aschenputtel sie alle hereingebeten und sie um den kleinen Esstisch im Bedienstetenzimmer, welches sich im Keller befand, gesetzt. Nun war das Mädchen dabei Tee zu kochen. "Kannst du das tun?", fragte Kain hoffnungsvoll und wartete auf den Tee. "Nunja... Ich... weiß nicht. Ich habe so viel zu Tun ... die Wäsche wartet, die Tauben, der Garten!" "Keine Sorge, Aschenputtel. Wir helfen dir die Arbeit rechtzeitig zu erledigen", warf HoroHoro selbstbewusst ein und grinste. Ihm fiel auf, dass Aschenputtel ihn komisch ansah, möglicherweise war sie irritiert, weil er noch immer in Schneewittchens Kleid steckte, doch offensichtlich männlichen Geschlechts war.

"Ich weiß nicht recht...", murmelte Aschenputtel. "Ach, komm schon! Die beiden machen das bestimmt glänzend! Schau sie dir doch an, das sind die perfekten Putzen!", strahlte Kain sie an und blinzelte vielsagend. "Oh, Kain! Du bist unverbesserlich", seufzte das Mädchen, welches wohl mehr hinter dieser Geste sah. Es deutete auf einen Besen in der Ecke. "Jemand muss den Flur putzen" HoroHoro reagierte als erster und schnappte sich das Putzwerkzeug. "Wird gemacht, Chef!" Aschenputtel lächelte und führte HoroHoro und Ren die Treppe hinauf. Ehe sie im ersten Stockwerk angekommen waren, öffnete Aschenputtel eine in die Seite eingelassene Tür und kramte Kutterschaufel und Kehrwisch heraus; beides drückte sie dem Chinesen in die Hände. Außerdem zog sie einen Eimer hervor, den sie HoroHoro anvertraute.

Die drei ließen noch den Rest der Treppe hinter sich. HoroHoros Kinnlade klappte hinunter, als er des riesigen Flurs gewahr wurde. Das würde Jahre dauern! "Ihr müsst einfach alles kehren. Mit dem Besen den Boden und mit dem Kehrwisch die Säulen, das Treppengeländer und vorsichtig die Bilder" HoroHoro nickte eifrig, wenn auch nicht ganz so motiviert, wie eben noch.

Aschenputtel lief wieder hinunter zu Kain. "Das ist doch viel zu viel!", quängelte HoroHoro und stellte den Eimer ab. "Memm nicht 'rum! Ist doch nur ein bisschen putzen" "Nur ein bisschen putzen? Hallo!? Ich seh doch nicht aus, wie 'ne Putze!", empörte HoroHoro sich und stemmte eine Hand in die Hüfte. "Ehrlich gesagt.... Doch", bemerkte Ren grinsend, wobei sein Blick an HoroHoro entlangglitt.

"Und jetzt an die Arbeit", bestimmte Ren, ehe HoroHoro noch zu einem Gegenkommentar hatte ansetzen können. HoroHoro grummelte leise vor sich hin, fing jedoch an den Boden des großem Flurs zu kehren. Ren seinerseits begann zuerst damit vorsichtig die Bilder abzustauben.

"Ohman, das ist so anstrengend...", seufzte HoroHoro nach nichteinmal einer halben Stunde. "Gott, Horo! Jetz' spiel dich nicht so auf, schließlich kommen wir dadurch endlich nach Hause! Außerdem schadet dir die Anstrengung nicht, an Schneewittchens Korsett hat man ja gesehen, was passiert, wenn man nur auf der faulen Haut liegt" "Willst du damit sagen, dass ich fett bin!?", schnaubte HoroHoro wütend und begann den Boden schneller zu fegen. "Das hast du gesagt", redete Ren sich raus und grinste. Mittlerweile war er dazu übergegangen das Treppengeländer zu putzen. "Boah, du bist so doof!", meckerte der Ainu weiter, während er den Dreck vor sich hinschob.

"Wer ist hier doof, Stachelbirne?!", empörte Ren sich und fuchtelte wild mit dem Kehrwisch in seiner Hand. "Du! Mr. Ich-vertraue-niemandem-selbst-wenn-er-mir-das-Leben-rettet!", konterte HoroHoro und schmiss seinen Besen zu Boden. Darauf konnte Ren nichts mehr sagen. War es denn so abwegig misstrauisch zu sein? "Ja, Ren. Man merkt dir deutlich an, dass du ihm noch immer nicht vertraust. Du hast dich nichteinmal richtig bei ihm bedankt", führte HoroHoro weiter aus und lief zu Ren. Er blieb direkt vor ihm stehen.

"U-und? Das geht dich nichts an!" HoroHoro konnte das Unbehagen in Rens Stimme hören und seine Unsicherheit an seinen Augen ablesen. "U-und?", äffte der Ainu ihn nach und drückte ihn sanft an das Treppengeländer hinter ihm. "Vielleicht will ich dir ja nur helfen? Vielleicht will ich ja nur, dass ihr euch endlich versteht und wir nicht durch eure Meinungsverschiedenheiten aufgehalten werden!" Ren war mittlerweile rot angelaufen und versuchte seitlich an HoroHoro vorbeizukommen, doch der Ainu hatte seine Arme genau dort platziert. "Mir doch egal!", blaffte Ren und schob den Ainu mit beiden Armen von sich - erfolglos, da HoroHoros Griff zu stark war. "Mir aber nicht", hauchte HoroHoro und Ren spürte wie nah der Blauschopf ihm momentan war. Ihm gingen viele Gedanken durch den Kopf, unangenehme wie angenehme.

Für einen kurzen Moment hatte Ren jeglichen Widerstand aufgegeben. Seine Arme ließ er kraftlos zur Seite baumeln und er blickte HoroHoro aus weichen, fordernden Augen an. HoroHoro genoß diesen Augenblick. Endlich war er dem Anderen genau so nah, wie er es immer hatte sein wollen. Niemand der sie störte und Rens Gegenwehr hatte sich in Luft aufgelöst.

Ihre Gesichter kamen sich immer näher und erst als sie nur noch Millimeter voneinander entfernt waren, begriff Ren, was sie taten. Mit einem Ruck stieß er den Ainu zurück, der überrascht von Rens plötzlicher Aktion das Treppengelänger nicht mehr fest genug hielt und rücklings die paar Treppenstufen herunterfiel, die sie zuvor hinaufgestiegen waren. "Horo!", rief Ren erschrocken aus und stürzte ihm hinterher. "Ist alles in Ordnung?", fragte er hysterisch und hob HoroHoros Oberkörper leicht an. "Ah...", keuchte der Gestürzte und verzog schmerzhaft das Gesicht. Er war mit dem Kopf am Boden aufgekommen und die erste Treppenstufe hatte sich in seinen Rücken gebohrt.

"E-Es tut mir Leid! Das wollte ich nicht, ehrlich!", entschuldigte Ren sich und strich vorsichtig durch HoroHoros Haare. Den Kopf hatte er auf seinen Schoß gebettet. Einen Moment lang begriff HoroHoro gar nicht, was geschehen war; er rührte sich nicht. Die Wärme von Rens Händen in seinen Haaren und seiner Schenkel unter seinem Kopf fühlte sich gut an. HoroHoro wagte gar nicht, sich zu bewegen und so eventuell diesen schönen Augenblick zu zerstören.

"Ich wollte das wirklich nicht", wiederholte Ren noch einmal und ließ seine Schultern hängen. "Schon okay...", nuschelte der Ainu mit geschlossenen Augen und genoß einfach die Nähe des anderen. "Hast du dir sehr wehgetan?", fragte Ren noch immer besorgt, doch ehe HoroHoro zur Antwort ansetzen konnte, hörten sie einen erschrockenen Laut. Abrupt hoben beide den Kopf an, um Aschenputtel und Kain zu erkennen, die soeben die Treppe hinaufgekommen waren.

"Ohman... Also schwuler gehts ja mal nicht...", gab Kain grinsend von sich und tat so, als müsse er sich vor Scham die Augen zuheben. "N-Nein, das ist ein Missverständnis!", protestierte Ren und hob HoroHoros Oberkörper von seinem Schoß. "Er ist die Treppe runtergestürzt und ich hab nachgesehen, ob ihm etwas passiert ist!" "Treppe runtergestürzt? Sicher, dass ihr nicht aus anderen Gründen so aneinander hingt?", quetschte Kain die beiden weiter aus, wobei HoroHoro nicht viel mitbekam, da er damit beschäftigt war sein Gleichgewicht zu wahren, damit er nicht hinten überfiel.

"Ja, sicher! Wir sind nicht schwul!", regte Ren sich auf und stand auf. "Kain...", ergriff nun auch Aschenputtel das Wort und der Angesprochene nickte. "Hast Recht. Wir sollten unsere Zeit nicht so vergeuden. Also Jungs, ich erkläre euch jetzt den Plan..."
 

"Wie lange müssen wir hier jetzt warten?", flüsterte HoroHoro leise. "Solange, bis die Tauben das Portal freigeben", gab Kain zurück.

Die drei hatten sich in das Taubenhäuschen begeben, wie Aschenputtel es ihnen aufgetragen hatte. Sie selbst war wieder am Putzen, da ihre Stiefmutter heimgekehrt war. "Und wie lange ist das noch?", hakte der Blauschopf weiter nach. Ihm war extrem langweilig und sein Rücken schmerzte wie verrückt. Eingequetscht in einer Ecke unter einer der vielen Holzplatten zu sitzen half nicht wirklich.

"Tja, wenn wir das wüssten..." Aschenputtel hatte ihnen gesagt, dass die Tauben das Portal freigeben, wenn sie jemanden akzeptieren. Doch anscheinend waren die drei Anwesenden nicht akzeptabel, denn die Tauben saßen nur auf ihren Stangen und starrten sie an.

"Das ist so unheimlich...", quängelte HoroHoro und versuchte die Blicke der Tauben zu ignorieren; es misslang.

"Könntest du jetzt endlich die Klappe halten? Du nervst uns alle und die Tauben sind sicherlich auch nicht erfreut!", erboste Ren sich und maß den Ainu mit einem ärgerlichen Blick. "Ja, mecker du nur! Dir tut ja schließlich nicht alles weh! Du bist ja keine Treppe runtergestürzt!" Ren sagte nichts mehr und man hörte nur, wie Kain seufzte.

Trotzdem blieben ersteinmal alle still. Eine einzelne Taube flog von ihrer Stange auf die gegenüberliegende und gurrte leise, mehr geschah nicht. HoroHoro war irgendwann eingeschlafen, als er wieder aufwachte spürte er, dass sein Hals verspannt war.

"Oh! Du bist aufgewacht. Rechtzeitig zum Essen", meinte Kain fröhlich und schob ihm ein belegtes Brot hin. "Woher..?", wollte HoroHoro fragen, doch Kain antwortete, ehe er seine Frage überhaupt hatte stellen können. "Aschenputtel hat es eben gebracht; sie hatte Pause" "Achso" Ren und Kain hatten ebenfalls jeweils ein Brot in Händen und Ren wollte eben in seines hineinbeißen, als ein lautes Gurren zu vernehmen war und eine der vielen Tauben auf ihn hereinschoß und ihm das Brot aus der Hand pickte.

"Au!", rief er überrascht und auf einmal überwältigt von seiner Wut. "Jetzt reichts mir!" HoroHoro hatte ihn nicht aufhalten können, er hatte überhaupt Mühe seinen steifen Nacken in Rens Richtung zu lenken, doch der Anblick des Schwertes gefiel ihm auch im Profil nicht. "Um Gottes Willen, Ren, steck' das Schwert weg!", mahnte Kain wild gestikulierend, "So werden sie uns nie helfen!" "Das tun sie so scheinbar auch nicht! Sieh sie dir doch an, das sind Tauben! Die wollen nur ihren Spaß!"

Wildes Gurren erfüllte das Taubenhäuschen. Einige flogen aus den kleinen Türchen heraus, andere stürzten sich nun auch auf HoroHoro und Kain und rissen ihnen ebenfalls die Brote aus der Hand. "Verdammt, mein Essen!", stieß HoroHoro hervor. Er hatte doch so Hunger gehabt! Kain jedoch ließ sich nicht so leicht beeindrucken, er sammelte sein Brot einfach wieder vom Boden auf. Ehe er hineinbeißen konnte, kam erneut eine Taube und entriss es ihm.

"Verdammt, sowas haben die doch sonst nie gemacht!", beschwerte Kain sich und sah zu, wie sich mehrere Tauben sein Brot mit ihren Krallen griffen und mühsig damit aus dem Häuschen flogen.

"Ich sag doch, die wollen uns nur ärgern!", wiederholte Ren und fuchtelte mit seinem Schwert herum - jedoch erfolglos. Kain beobachtete, wie drei weitere Tauben auch das nächste Brot fortschafften. "Wartet mal...", überlegte Kain, "Glaubt ihr nicht, sie wollen uns helfen?" HoroHoro und Ren sahen sich kurz gegenseitig, dann Kain an. "Helfen?", plapperte HoroHoro nach. "Indem sie unser Essen rausschaffen?", fügte Ren hinzu.

"Überlegt doch mal, würden normale Tauben nicht einfach das Brot essen?" "Und? Normal ist hier eh nichts - die Tauben gleich dreimal nicht!", widersprach Ren genervt und fixierte die Taube, die sich soeben neben dem letzten Brot niedergelassen hatte, mit seinem eisigsten Blick. "Gurr... Gurr...", machte die Taube leise und erwiderte Rens Blick. "Was? Willst du jetzt ewig da hocken und mich anstarren!?", fuhr Ren sie an und schwang sein Schwert in die Richtung der Taube - nicht, dass er getroffen hätte, doch tat es ihm einfach gut zu sehen, wie die Taube einige Sätze zurückmachte.

"Guru, guru...", machte die Taube wieder. "Ach, sei doch still, du dummes Vieh!" "Guru, guru... Gi-" "Verdammt, halt's Maul!"

Kain hielt Ren an der Schulter zurück und deutete auf die Taube. "Warte... Ich glaube, sie will was sagen..." "Was sagen?" Nun brachte auch der Ainu den Chinesen durch ein leises 'Sh' zum Schweigen. "Guru, guru...", fing die Taube wieder an, "Gift ist im Brot..."

Alle drei starrten die Taube entsetzt an. Diese scharrte leise auf dem Boden, ehe sie ihre Worte wiederholte. Gift ist im Brot.

"Das...", murmelte Ren fassungslos und seufzte. Was hatte er von so einer Welt schon erwartet? "Okay... Gift ist im Brot... Heißt das, Aschenputtel wollte uns umbringen?" "Niemals!", rief Kain erschrocken. "Das... Das würde sie nie tun!" "Aber sie hat es", entgegnete HoroHoro mitleidig und legte Kain eine Hand auf die Schulter. Dieser schüttelte den Kopf in Unglauben. Einige Momente lang verharrten die drei so. Die Taube war mittlerweile weggeflogen. "Fragen wir sie einfach", schlug Ren irrationalerweise vor und deutete auf die kleine Tür des Taubenhäuschens. "Fragen?" "Klar"
 

Sie klopften einfach an die Eingangstür und warteten. Eine Frauenstimme ertönte: "Aschenputtel, mach doch endlich die Tür auf!" Keine Minute später wurde die Tür tatsächlich von eben jenem Mädchen geöffnet.

"J-ja?... Oh! I-Ihr seid's...", stammelte Aschenputtel zusammen, als sie die drei Jungs erkannte. "Ja... Wir sinds. Wir haben deinen Anschlag überlebt", zischte Ren ihr entgegen. "Ren, hör auf! Wir wissen doch noch nicht einmal, ob sie es wirklich getan hat..?" Kains Worte galten nicht wirklich dem Angesprochenen sondern vielmehr Aschenputtel selbst, von der er sich eine Antwort erhoffte. Er konnte einfach nicht glauben, dass seine langjährige Freundin ihn hatte umbringen wollen. Nicht nach allem, was sie gemeinsam erlebt hatten.

"Kain... Ich...", begann Aschenputtel, doch brach sie ab und senkte ihren Blick gen Boden. Kein Wort würde über ihre Lippen kommen. Sie stand einfach wie gelähmt da und ließ die Zeit verstreichen. Kain biss sich auf die Lippe. Ihr Schweigen war mehr als genug. Als er sprach, bebte seine Stimme und HoroHoro war sich sicher, er würde sich nicht mehr lange davon abhalten können zu weinen: "Wieso...?"

Noch immer antwortete das Mädchen nicht, doch sah es Kain mit verweinten Augen an. "Ich habe dir vertraut...", wimmerte Kain und zuckte leicht zusammen, als Ren ihm eine Hand auf die Schulter legte und ihn mitleidig ansah. "Wir sind alle darauf hereingefallen", wisperte er und umklammerte das Schwert in seiner anderen Hand fester. Dem Mädchen war klar, was der Lilahaarige vorhatte, sie schluckte. Kain drehte sich weg und diesesmal war es HoroHoro, der ihm eine Hand auf die Schulter legte und ihn stützte. Ren hob an, um Aschenputtel zu enthaupten, als sie plötzlich ein Gurren vernahmen.

"Guru, Guru... Die Falsche habt ihr erwischt, denn des Mädchens Hände sind gewaschen in Unschuld, guru! Nur die Mächtige vermag zu befehlen und so nehmen. Die Falsche habt ihr erwischt, denn des Mädchens Hände sind gewaschen in Unschuld, guru!" Eine weiße Taube landete zwischen Ren und dem Mädchen. Einen Moment lang zögerte Ren, doch ließ er sein Schwert sinken und sah das Mädchen an. "Deine Stiefmutter hat dich gezwungen?" Wortlos nickte sie.

Ren schnaubte. Wie hatte er auch nur annehmen können, dass sie es gewesen war? Immerhin hatte sie ihnen geholfen. Nicht zu vergessen, dass sie schon seit so langer Zeit mit Kain...

"Ich wusste es!", quetschte Kain heraus, und fiel Aschenputtel um den Hals. "Wie könnte ich dir etwas antun, Kain? Wo wir doch..." "Ich weiß, Aschenputtel... Ich weiß...", unterbrach Kain sie und gab ihr einen Kuss auf die Wange. HoroHoro sah die beiden fragend an. Kain lächelte. "Wir waren mal zusammen"
 

Die vier stürmten die sauber geputzte Treppe hinauf, um in das Schlafgemach der Stiefmutter zu gelangen. Diese starrte sie entsetzt an. "Das ist für alle, die ihnen bereits zum Opfer gefallen sind, und für Aschenputtel, die unter ihnen leiden musste!", schrie Kain und stürzte sich auf sie.

Sie schaffte es nicht einmal mehr aus ihrem Bett heraus, konnte nur noch die Bettdecke zurückschlagen und sah sich schon von Kains Körpergewicht und seiner Kraft in die Kissen gedrückt. Mit der einen Hand würgte er sie, während die andere das Schwert zog und mit der Schwertspitze nach ihrem Arm züngelte. Die Stiefmutter schrie gellend auf, als sich das Metall in ihre Haut bohrte und ein warmer Fluss Blut aus der Wunde schoß. Das Bett verwandelte sich in eine rote Hölle.

Der nächste Schwerthieb hackte ihr den Arm komplett ab, wobei sie erneut aufschrie. Mit den Beinen verfuhr Kain genauso. In den Augen der alten Frau loderte die bloße Todesangst und für einen Moment wollte sogar Ren den wildgewordenen Jungen aufhalten, doch blieb er stumm und sah dem blutigen Schauspiel weiter zu. Aschenputtel und HoroHoro hatten sich längst abgedreht, wenn sie auch noch immer die qualvollen Geräusche hören konnten. Ein Knochen nach dem anderen brach. Kain brach ihr alle Rippen einzeln. Zu guter Letzt rammte Kain ihr die Schneide in den Hals und ließ sie auf halber Strecke hängen, sodass die Frau elendig ersticken musste, wenn sie nicht schon zuvor am Blutverlust verstarb.

"Kain...", murmelte Ren entsetzt und brachte sich nun doch dazu den Jungen mit einem Ruck von der Sterbenden abzubringen und die Mordlust, die er in Kains Augen sah, ließ ihn für einige Sekunden erstarren. Seine Erinnerungen drangen auf ihn ein, als wollten sie ihn zu Boden drücken. Doch HoroHoros Stimme, riss ihn wieder heraus und er sah sich verwirrt um.

"Ist sie jetzt tot?" HoroHoro stand am Bett und sah auf die verstümmelte Leiche. Aschenputtel hatte den Raum verlassen und Kain stand ruhig neben HoroHoro - das Schwert hatte er eingesteckt. Es mussten Minuten vergangen sein, in denen Ren seinen Gedanken zum Opfer gefallen war. "Ja", nuschelte Kain vollkommen normal und seufzte leise. Ren konnte Bedauern in seinen Augen lesen. Mit einem Mal war Ren sich nicht mehr sicher, ob er wirklich gesehen hatte, was er glaubte gesehen zu haben. Hatte wirklich Kain die alte Frau getötet?

Ihm blieb keine Zeit weiter darüber nachzudenken, denn Aschenputtel rief sie von außerhalb des Raumes zu sich. "Es wird Zeit", meinte sie und deutete die große Treppe hinunter. "Du hast Recht", stimmte Kain ihr zu und begann Stufe für Stufe hinunterzugehen. Sie mussten das Portal finden. "Kommt mal wieder vorbei, ja? Hier wird es nun immer einen Platz für euch geben", frohlockte Aschenputtel lächelnd und winkte ihnen noch nach, als sie das Grundstück verließen und das Portal zu suchen begannen.

Die drei bekamen nicht mehr mit, wie die weiße Taube auf Aschenputtels Schulter landete und sich in einen schwarzen Raben verwandelte. "Ich hatte dich nicht gebeten für mich zu lügen..." "Mein Leben, für das Ihre, Oujo-sama*..."
 

*Oujo-sama = Herrin
 

The End of my seventh Laughter

Eighth Laughter: Rumpelstilzkin

Eighth Laughter: Rumpelstiltskin
 

~~~

Kains alte Freundin hatte ihnen schlußendlich weitergeholfen, doch noch war Ren sich nicht sicher, ob ihre Hilfe wirklich das war, was sie vorgab zu sein...

~~~
 

Es war kein allzu großes Dorf, doch immerhin war es kein Wald und es gab nicht zu viele neugierige Leute. Kain hatte ihnen ein Zimmer in einem Gasthaus besorgt und nun saßen sie in der hintersten Ecke der Schenke und studierten die Portalkarte.

"Seht ihr die zwei Punkte? Die, die aussehen, wie die, die ich euch bei der Raupe gezeigt hatte?", fragte Kain und deutete auf die grünen Punkte, die regungslos auf der Karte leuchteten. "Klar" "Das ist das Monster dieser Welt. Der Balken links oben in der Ecke zeigt seinen Gemütszustand", erklärte Kain weiter und zeigte ihnen einen an einen Bilderrahmen erinnernden Balken. "Ist es gut, wenn er blau ist?", hakte HoroHoro neugierig nach und studierte die Karte. "Für uns ja, denn es bedeutet, dass es gut drauf ist", antwortete Kain lächelnd. "Das große rotblinkende Ding in der Mitte ist das Portal, oder?", fragte Ren nach und setzte seinen Finger an den Mittelpunkt der Karte, auf dem man einen an den Morgenstern erinnernden Stern sah. "Genau. Immer der Mittelpunkt, in jeder Welt"

Außer ihnen war niemand in der Schenke, den Wirt hatten sie längst in die Küche geschickt, um ihnen etwas zu Essen zu machen, ansonsten gab es weder Besucher noch weitere Angestellte. Also hatten sie genug Zeit, um sich die Karte genaustens anzusehen.

"Dieser Balken bestimmt die Längeneinheit und die Richtung, die man zum Portal hat", meinte Kain und zeigte ihnen einen Balken, der fast den gesamten unteren Kartenrand einnahm. "Wie meinst du das 'die Richtung'?" HoroHoro legte seine Stirn in Falten, selbst er wusste, dass auf Karten der Norden immer oben eingezeichnet war. "Norden, Osten, Süden, Westen, meine ich. Diese Karte ist nicht wie andere, sie wechselt ihre Himmelsrichtungen. Sonst wäre es ja einfach. Ebenso wechselt sie ihren Maßstab. Ist dir nicht aufgefallen, dass sie bisher in allen Welten dieselbe Größe hatte, aber die Welten an sich nicht gleich groß sein können? Ich meine, normalerweise kann eine Karte nicht für alle Welten gelten, doch diese tut es, weil sie sich ändert" Nun hatte Kain sich den Mund so fusselig geredet, dass er selbst nicht mehr so ganz dahinter stieg, was er nun eigentlich hatte sagen wollen. "Egal..", brachte er das Thema einfach zur Ruhe und fuhr anderweitig fort: "Der Balken interagiert jedenfalls mit diesem Doppelkreis in der rechten oberen Ecke. Seine Farben ändern sich je nach Himmelsrichtung" "Aber kann man das nicht mit dem Balken allein schon sagen?", fragte Ren. "Nicht ganz... Manchmal ja, manchmal nein... Es gibt Kombinationen, die sind eindeutig und andere eben nicht.. die gibt es dann mehrmals aber mit unterschiedlicher Farbe des Kreises", antwortete Kain. "Na toll", beschwerte HoroHoro sich und lehnte sich zurück. Ihm tat der Kopf weh von dem ganzen Denken.

Kain lachte leise. "Warts ab, es kommt noch besser. Das eckige Teil da, das sich durch die ganze Karte schlängelt, bestimmt, wo wir landen", erklärte Kain weiter und fuhr mit dem Finger der Linie nach, die unstet über die Karte huschte. Sie bewegte sich tatsächlich, wenn auch langsam, und leuchtete golden.

"Ohman, ich bin erstaunt, dass du dir das alles merken konntest, wo Aschenputtel es dir nur einmal erklärt hat", stöhnte HoroHoro und schloß die Augen. "Ach, ich wusste es ja schonmal.. Hattes' nur wieder vergessen, da behält sich sowas leichter", meinte Kain abwinkend und rollte die Karte zusammen. "Jetzt seid ihr genau so schlau, wie ich" "Mag sein, aber in welcher Welt wir jetzt sind, wissen wir trotzdem nicht", schaltete Ren sich ein und legte sein überlegenes Grinsen auf. "Und? Das finden wir früh genug raus, immerhin wissen wir, wo sich das Monster befindet, nicht wahr?" "Stimmt, so können wir leicht ausweichen", fügte HoroHoro hinzu und grinste nun ebenfalls.

"Wir sollten uns jetzt ersteinmal ausruhen, finde ich. Hier scheint es einigermaßen ruhig zu sein, da können wir bestimmt eine Nacht lang verschnaufen", schlug Kain vor und wandte sich in Richtung der Theke, der Wirt war noch immer in der Küche. "Aber erst will ich was Essen!", empörte HoroHoro sich und verschränkte die Arme vor der Brust. "Sicher doch, HoroHoro-kun" Als hätte der alte Mann nur auf sein Stichwort geraten, ging die kleine Tür zur Küche auf und der Wirt trat mit drei Tellern hinaus. Was genau der Mann als Essen bezeichnete, wussten die drei nicht, doch nachdem HoroHoro todesmutig davon probiert hatte und noch immer lebte, aßen sie ihre Teller leer. Sie hatten schon bei weitem besseres Essen gehabt.

Zu ihrem Leidwesen waren die Betten nicht sonderlich besser. Dass man soetwas überhaupt Bett nannte, grenzte schon fast an Betrug, doch andererseits war es besser als gar keine Unterlage zu haben. Die Erschöpfung der drei tat ihr Übriges und es dauerte nicht sehr lange, bis sie alle drei eingeschlafen.
 

Ein Schrei riss Ren aus dem Schlaf. Verwirrt sah er sich um, Kain war ebenfalls hochgeschreckt und HoroHoro schlief unbeirrt weiter. "Hast du das eben auch..?" "Ja... Von draußen?", fragte Ren mit einem Kopfdeut gen Fenster. Die morschen Fensterläden versperrten den Blick nach draußen, doch durch unzählige Löcher im Holz konnten Kain und Ren eindeutig Licht erkennen. Ren war als erster am Fenster und stieß es schwungvoll auf. Ihn empfingen ein unwohler Geruch von verbranntem Holz und ein Licht, das einem kleinen Inferno glich. Die Dorfbewohner hatten sich alle im Kreis um eine einzelne Frau geschart und trugen hocherhoben ihre Fackeln. Scheinbar brauchte jeder seine eigene Fackel und noch die eine oder andere Mistgabel.

"Was zum...?" "Oh nein...", keuchte Kain, der ebenfalls ans Fenster getreten war. Ren zuckte leicht zusammen, unterdrückte jedoch den Impuls Kain erschrocken anzusehen. "Was ist?" Nun war Kain derjenige, der sich umdrehte, denn HoroHoro schien ebenfalls aufgewacht zu sein und streckte sich noch ganz verschlafen. "Wir haben ein kleines Problem...", beantwortete Kain ihm die Frage und deutete aus dem Fenster. "Das ist die Königin... Und sie einem kleinen Zwerg ihr Kind versprochen..."

HoroHoro verstand kein Wort. Was wollte Kain denn den jetzt mit einer Königin und deren Kind? Noch dazu einem Zwerg? "Und? Dann soll sie es ihm doch geben... Wenns doch versprochen ist...", nuschelte HoroHoro genervt und drehte sich wieder auf die Seite, um weiterzuschlafen. "Sie wird es nicht freigeben und der Zwerg wird es sich holen, wenn sie nicht..." "Seinen Namen errät? Kein Problem, er heißt Rumpelstilzchen und hüpft immer freudig um sein Feuerchen und singt 'Ach, wie gut, dass niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß'", unterbrach Ren den anderen und grinste. "Was?" "Ich hab vor ein paar Jahren mal ein wenig Deutsch gelernt. Mein Lehrer gab mir Rumpelstilzchen zu lesen", antwortete Ren und zuckte mit den Schultern. "Wichtiger ist jetzt aber, wo wir unseren Zwerg finden"

HoroHoro hatte sich erst geweigert, war dann aber doch noch aufgestanden und mit den anderen beiden nach unten zu der Menge gegangen. "Wo ihr den findet? Na, im Wald! Er hat dort eine kleine Hütte, umrandet von einer steinernen Mauer... Ihr müsst sie überqueren, sonst bleibt der Weg versperrt...", erklärte einer der Dorfbewohner, während er Schritt für Schritt zurückwich, als habe er Angst vor den Fremdlingen. "Okay, das dürfte wohl kein Problem sein..." "Mein Kind! Er will mein Kind!", kreischte die Königin und schlug sich beide Hände vors Gesicht. "Wieso nur? Ich war doch so glücklich! Er darf mir nicht mein Kind nehmen!" "Beruhigen Sie sich bitte, MyLady...", versuchte Kain die aufgebrachte Schönheit zu beruhigen, doch sie schlug seine Hand nur zurück und kauerte sich noch weiter zusammen. "Beruhigen! Beruhigen, sagt er! Sie sind nicht Vater? Woher wollen Sie wissen, wie ich fühle!?", jammerte die Königin weiter und hielt erst inne, als ein großgewachsener, in schwarz gekleideter Mann durch die Menge schritt und ihr sanft die Hand auf die Schulter legte. "Es wird alles gut, Karu-sama. Ich bin sicher, diese drei Herren werden ihr Neugeborenes beschützen", sprach der Mann und blickte dabei unverwandt Ren, HoroHoro und Kain an. "Aber sicher doch!", bestätigte HoroHoro grinsend und gab Kain einen Klapps auf die Schulter. "Wir haben ja 'nen exzellenten Experten bei uns!"

Ob ironisch gemeint oder nicht, wusste Kain nicht so recht, weswegen er einfach freundlich lächelte und im nächsten Moment das Thema wechselte. "Sind sie der Herr Gatte?" "Gott, bewahre, nein. Ich bin der Gärtner der werten Karu-sama. Ich mag zwar nicht so aussehen, doch ich besitze den grünen Daumen, zu MyLadys großer Gunst. Wenn ihr etwas braucht, könnt ihr euch jederzeit an mich wenden, doch vorerst würde ich es bevorzugen Karu-sama aufs Schloß zurückzubringen. Es wird kalt", führte der Gärtner aus und verbeugte sich. "Natürlich", gab HoroHoro nur knapp zurück und sah den beiden verdutzt hinterher. "Was sollte denn das?", fragte Ren, als die beiden ausser Hörweite und der großteil der Menge wieder gegangen war. "Wozu ist die Königin hierher gekommen? Sie hätte ihr Wehgeklagen genau so gut auf dem Schloß loswerden können" "Ja, aber da hätten wir es nicht gehört", antwortete Kain, der den beiden noch immer nachsah und ein wenig in Gedanken versunken wirkte.

"Wie auch immer... Lasst uns bis morgen früh warten" "Schlafen ist immer gut...", stimmte HoroHoro dem anderen bei und sie schlurften gemeinsam wieder auf ihr Zimmer. Ren und HoroHoro schliefen schnell wieder ein, nur Kain blieb noch wach und dachte nach, bis er schließlich selbst aufgab und ebenfalls einschlief.
 

Das Frühstück war genauso schlecht, wie es das Abendessen gewesen war. Doch wenigstens hatten sie eine nicht ganz so schmerzhafte Nacht hinter sich gebracht, wie sie angenommen hatten. Ihr Rücken schmerzte nur leicht.

"Einfach die Straße entlang, dann könnt ihrs nicht verfehlen", dirigierte sie der Wirt, als sie diesen nach dem Weg zu besagtem Wald fragten. "Danke", gab Kain noch zurück, während sein Blick schon auf der Karte ruhte und seine Füße ihn den Weg entlangtrieben.

"Und? Kannst du sie lesen?", fragte Ren, der einen halben Schritt vor Kain lief. "Ja. Ist gar nichtmal so tief im Wald... Ich schätze, es ist ein... Wie sagt ihr? Kilometer..." "Was sagt ihr denn dazu?", fragte HoroHoor neugierig und sah, wie Kain zu grinsen begann. "Wir nennen es den Rotkäppchen-Weg, weil es durch den Wald geht. Die Entfernung benennen wir gar nicht - eigentlich. Wir lernen viel von euch, deswegen wissen wir, wie ihr es nennt, aber unser eigentlicher Sprachgebrauch ist es nicht" "Cool..." "Was ist daran cool, wenn man etwas nicht bezeichnen kann?", mischte Ren sich ein und schüttelte nur verständnislos den Kopf. "Dass du das nicht cool findest, hatte ich mir schon gedacht... Mr. Spielverderber!" "Mr. Hat-dir-schon-den-Arsch-gerettet, wenn ich bitten darf!", keifte Ren zurück und wurde etwas langsamer, um mit HoroHoro auf einer Höhe zu laufen. "Ach!? Und ich dir nicht, oder wie?", empörte HoroHoro sich und plusterte demonstrativ die Backen auf. "Allerdings hast du es weitaus dämlicher angestellt, als ich!", konterte Ren triumphal und grinste.

Kain schaute dem Ganzen eine ganze Weile lang zu. Man merkte, dass die zwei dicke Freunde waren, wenn sie es auch nicht immer zugaben. Er hätte sie sogar noch weiter kabbeln lassen, wenn sie nicht die Mauer erreicht hätten. Erstaunlicherweise hatten Ren und HoroHoro sich so in ihren Streit vertieft, dass sie die Mauer erst bemerkten, als Kain sie darauf ansprach.

"Wohoa... Wie will der Zwerg denn da immer drüber kommen?", fragte HoroHoro entsetzt und sah an der gut drei Meter hohen Mauer empor. "Indem er klettert" "Haha, sehr witzig, Kain. Hätte ich jetzt nicht gedacht", bäffte HoroHoro zurück und stemmte die Hände in die Hüfte. "Deshalb sag ichs dir ja", witzelte Kain weiter und streckte dem anderen die Zunge raus. Ren war nicht so tolerant und erstickte diesen freundschaftlichen Streit im Keim. "Fangt lieber an zu Klettern, anstatt euch hier zuzusülzen..." HoroHoro musste natürlich als Letzter hinaufklettern, immerhin konnte man ihm noch immer unters Kleid sehen. Kain half ihm noch das letzte Stück auf den Rand der Mauer und deutete dann auf ein kleines Hüttchen, dass nur wenige Meter von der Mauerwand entfernt stand. Aus dem Schornstein qualmte der Rauch und inmitten des kleinen Gartens konnten sie eine Feuerstelle erkennen.

"Wollt ihr da oben picknicken, oder was?", fragte Ren herausfordernd und winkte die beiden hinunter. Er selbst war natürlich schon am Boden und schickte sich nun an die Feuerstelle zu untersuchen.

Kain zuckte nur mit den Schultern und sprang nach unten. HoroHoro riss die Augen auf und kniff sie dann entsetzt zu, als Kain unten angekommen, zur Seite kippte und ersteinmal liegen blieb. "Alles in Ordnung?", rief HoroHoro besorgt herunter. Ein Lachen versicherte dem Blauschopf, dass der andere unversehrt war. Ein Lachen, das jäh durch einen Schlag unterbrochen wurde. "Au!", quiekte Kain dafür und sah Ren schmollend an. "Jag uns nie wieder so einen Schrecken ein!", grollte Ren und wandte sich wieder um. Eigentlich hätte Kain sauer sein sollen, doch ganz im Gegenteil freute er sich sogar über Rens Reaktion. Der Chinese schien sich wirklich Sorgen um ihn gemacht zu haben. "Ey! Und was ist mit mir? Machst du dir nicht Sorgen, dass ich herunterstürzen könnte, wenn ich mit meinem Kleid hängen bleibe?", hakte HoroHoro eifersüchtig nach und begann missmutig hinabzusteigen, als er nur sah, wie Ren abwinkte. "Tze..."

Als HoroHoro endlich wieder Boden unter den Füßen hatte, kam auch schon eine kleine Gestalt aus der Hütte. "Wer seid ihr? Was macht ihr hier?", blaffte sie ihnen entgegen. "Bringt ihr mir das Kind?" "Nicht direkt, wir wollen, dass du den Pakt löst", erklärte Kain, der mittlerweile wieder aufgestanden war - unversehrt. "Tja, dann müsst ihr erst meinen Namen herausfinden", gab das Männchen zurück und grinste. "Nichts leichter als das, Rumpelstilzchen!", sprach Ren triumphierend, doch die Gestalt starrte ihn nur verdutzt an. "Hast du mich gerade Rumeplstilzchen genannt?", hakte es nach. "Ja, habe ich" "Trottel! Das war mein Cousin! Haha! Ich und Rumpelstilzchen!? Dass ich nicht lache! Hahahahahahaha..."

Die drei sahen sich ratlos an. Cousin? "Also bist du nicht Rumpelstilzchen?", fragte HoroHoro noch einmal nach, um sich ganz sicher zu sein. "Nein, verdammt! Ich doch nicht!" HoroHoro wollte noch einmal etwas fragen, doch das Männchen scheuchte sie nur genervt: "Verschwindet endlich! Ich muss mich vorbereiten! Morgen will ich mir das Kind der Königin holen..." "Nicht übermorgen?", fragte HoroHoro rein rhetorisch, bekam jedoch eine sehr energische Antwort. "Nein!!!"
 

"Wieso haben wir der Königin nochmal versprochen, ihr Kind zu retten?", fragte HoroHoro, während er versuchte es sich in dem Gebüsch, in welchem er lag, bequem zu machen. "Weil meine Portalkarte anzeigt, dass das Portal hier irgendwo in der Nähe sein muss. Darum" "Und wieso liegen wir jetzt hier in einem Busch und warten, dass der Morgen kommt?" "Wir warten nicht auf den Morgen, sondern darauf, dass Rumpel.. äh, sein Cousin anfängt den Reigen zu tanzen" "War der Reigen nicht was anderes?..." "Scheiß doch drauf! Er soll einfach um sein blödes Feuerchen tänzeln!", keifte Kain restlos entnervt und schüttelte den Kopf. "Wie hälst du das nur immer mit ihm aus?", fragte er Ren, der nur mit den Schultern zuckte.

"Ihr seid gemein, alle beide", nuschelte HoroHoro in sich hinein und begann zu schmollen. Doch allzu lange hielt er es nicht aus, er holte schon wieder zu einem Fragenschwall aus, als die kleine Gestalt tatsächlich aus ihrem Häuschen kam und das Feuer entzündete. "Psst, jetzt!", warnte Kain noch, um sich auch zu vergewissern, dass HoroHoro wirklich die Klappe hielt.

"Hahahaha! Rumpelstilzchen! Hach, Cousin... Wie ich dich vermisse...", gackerte das Männchen und begann um das Feuer zu tanzen. "Der Mörder war wieder der Gärtner, und der plant schon den nächsten Coup. Der Mörder ist immer der Gärtner - und der schlägt erbarmungslos, der schlägt erbarmungslos, der schlägt erbarmungslos zu!"

Alle drei starrten das Männchen fassungslos an. Mörder? Gärtner? Was zum Teufel sang dieser Zwerg da vor sich hin?

"Und jetzt?", fragte Kain ratlos und sah zu Ren - von HoroHoro erwartete er nicht wirklich einen guten Vorschlag. "Ich... bin sprachlos", gab Ren nur zurück und sah zu Kain. Das Männchen war mittlerweile wieder in sein Häuschen gegangen und das kleine Feuer brannte immer weiter hinab. "Gehen wir zurück aufs Schloß", schlug HoroHoro vor und erntete zwei böse Blicke. "Was denn!?" "Damit du frühstücken kannst, oder was? Nene, wir bleiben hier, bis wir den Namen haben!", beschloß Ren herrisch und untermalte seine Worte mit ein paar Gesten, die HoroHoro nicht genau deuten konnte, einerseits, weil das Licht immer weniger wurde und andererseits, weil sie ihren Effekt verloren, da Ren immernoch auf dem Bauch lag.

"Ähm... Eigentlich meinte ich deswegen, weil es einen Gärtner auf Schloß Darkmoore gibt, wenn ich mich nicht irre...", führte HoroHoro seinen Gedankengang aus und diesesmal waren die Blicke, die ihn trafen alles andere als tadelnd. "Horo?... Du bist ein Genie!", jubelte Kain und kroch rücklings aus dem Gebüsch heraus. "Ich weiß doch, ich weiß!", gab HoroHoro nur lachend zurück und folgte Kain auf dem Fuße.

Ihr Rückweg war fast ein kleiner Sprint. Schloß Darkmoore war noch ein kleines Stück weiter entfernt vom Wald, als das Dorf, doch es kostete sie wenig Zeit dorthin zurückzukehren. Sie wurden von niemand anderem als dem Gärtner höchstselbst begrüßt. "Habt ihr den Namen herausgefunden?", fragte dieser hoffnungsvoll und bat die drei in den Speisesaal. "Wir haben etwas viel interessanteres herausgefunden...", begann Ren, als sie alle an einem großen Tisch saßen. "Und was...?" "Dass Rumpelstilzchen einen Cousin hat!" "HoroHoro, halt endlich die Klappe, wenn du nicht gefragt bist!", fuhr Ren den anderen an und widmete sich wieder dem Gärtner. Einen kurzen Augenblick lang ging ihm die Tatsache durch den Kopf, dass HoroHoro sich kein Stück verändert hatte. Er war noch immer genau so, wie er es in ihrer normalen Welt gewesen war. Scharfsinnig und doch ein Trottel.

"Genau genommen haben wir herausgefunden, dass sie derjenige sind, der..." "Ja... Ich weiß. Ich kenne den Namen des Übeltäters! Doch - ohweh! - soll ich retten, was nicht gerettet werden sollte!? Das Kind stammt nicht von unserem König... Sondern von mir! Was hätte ich tun sollen? Meinen alten Freund hintergehen und euch oder gar meiner Geliebten seinen Namen nennen? Damit das Kind bei einem falschen Vater aufwächst?" Die drei sahen sich an. Sie hätten nicht erwartet, dass der Gärtner so schnell auspacken würde. Dass es noch dazu solch ein Geständnis werden würde, war noch überraschender gewesen. "Ist ja gut..." Kain war der Erste, der seine Worte wiederfand. "Ich kann dich... verstehen... Aber.. Willst du dein Kind deswegen umbringen?" "Natürlich. So macht man das doch, oder nicht?", antwortete der Gärtner so selbstverständlich wie das Amen in der Kirche. "Nicht wirklich...", sprach nun HoroHoro, der sich von seinem Anschiß längst erholt hatte. "Nicht?" "Nein... Man versucht das Beste für das Kind zu entsinnen", erläuterte Kain und lächelte ermutigend. "Sagen Sie uns den Namen und wir richten alles"

So schnell wie sein Geständnis gekommen war, kamen nun auch die nächsten Worte über seine Lippen. "Nun gut... Dann werde ich wohl meinen alten Freund eine Weile nicht mehr sehen können. Sein Name ist Karottenmoffel"

"Seine Mutter war sehr, sehr grausam... Kann das sein?", fragte HoroHoro, während er sich das Lachen verkneifen musste. Kain hielt es als erster nicht aus und prustete laut los. Selbst Ren hatte seine Probleme. "Nein, wieso...?", fragte der Gärtner verständnislos und sah die drei abwechselnd an. "Schon gut! Unwichtig...", entgegnete Ren und winkte ab. Je mehr er darüber nachdachte, desto schwieriger wurde es für ihn nicht laut losuzlachen. Diese Blöße würde er sich nicht geben.

"Ähm... Okay..." "Wir sollten los... Dringend!", fügte Kain hinzu und hielt sich noch immer den Bauch vor Lachen. HoroHoro nickte zustimmend und gluckste wie ein Huhn. "Wir kommen wieder, wenn Karotten... Karottenmoffe-.. Oh, Gott, ich kann nicht mehr!", wollte Kain noch sagen, doch er verfiel wieder in einen Lachanfall und schaffte es nicht mehr seinen Satz zu beenden. Stattdessen verließ er ebenso wie HoroHoro und Ren den Raum und ließ den Gärtner ratlos zurück.
 

"Lasst uns das schnell über die Bühne bringen", bat Kain, der sich mittlerweile wieder gefangen hatte. Sie saßen wieder auf dem Rand der Mauer. "Superschnell!", stimmte HoroHoro zu und kletterte vorsichtig wieder hinunter. "Ey! Wo bist du? Wir wissen deinen Namen!", rief Ren, der mal wieder als Erstes unten angekommen war.

"Eideidei... Mit dem ersten Sonnenstrahl taucht ihr hier bei mir auf? Nungut... Wie wollt ihr mich heute nennen?", fragte das Männchen amüsiert und verschränkte die Arme vor der Brust - siegessicher. "Na, los. Ich muss noch ein Kind holen", stachelte der Zwerg und grinste breit.

"Keine Sorge, wir beeilen uns, mein lieber Karottenmoffel!", entgegnete Ren ebenso grinsend und zuckte mit den Schultern. "Was!? Nein! Nein! Das hat euch der Gärtner gesagt!!", kreischte Karottenmoffel und raufte die Haare. "Das hat euch der Gärtner gesagt!", wiederholte er nocheinmal und HoroHoro hörte, wie etwas riss. Er erschauerte, als ihm bewusst wurde, dass Karottenmoffel sich an seinem Haarscheitel enzweiriss. Erst riss die Haut auseinander, dann spaltete sich der Kopf. "Das hat euch der Gärtner gesagt!", kreischte er weiter, während seine Stimme immer höher wurde, bis sie komplett verstummte und man nur noch hörte, wie das Blut zu Boden platschte und noch mehr Knochen, Sehnen und Muskeln auseinandergerissen wurden, bis Karottenmoffel sich schließlich komplett geteilt hatte und beide Hälften zu Boden fielen.

Doch den drei blieb keine Zeit sich darüber große Gedanken zu machen, denn neben Karottenmoffels geteilter Leiche tat sich ein grünschimmerndes Loch auf - ein Portal. "Was zum...?", keuchte Ren überrascht und wurde jäh aus seinen Gedanken gerissen, als HoroHoro schrie. Es blieb keine Zeit mehr, um zu reagieren. Eine Hand erstreckte sich aus dem Portal - lang und grün - und riss den Blauhaarigen mit sich. HoroHoro versuchte sich an irgendetwas festzuhalten, doch es misslang. Ehe Ren oder Kain ihm hinterherstürzen konnten, schloß sich das Portal und ließ die beiden zurück gefangen in einem Käfig aus Stille...
 

The End of my eighth Laughter

Nineth Laughter: Alice in Wonderland

Nineth Laughter: Alice in Wonderland
 

~~~

Aschenputtel hatte ihnen geholfen in eine neue Welt zu gelangen. Als sie von Rumpelstilzchens Cousin erfuhren, waren die drei überrascht, doch ihr Erschaudern war größer, als sich das Portal auftat und HoroHoro in dessen Schlund gezogen worden war...

~~~
 

"Ich hatte dich nicht gebeten für mich zu lügen..." "Mein Leben, für das Ihre, Oujo-sama...", krächzte das schwarze Ding auf Aschenputtels Schulter und hob seinen Flügel, um mit seinem Schnabel die Federn darin zu ordnen. Das Mädchen lächelte.

"Was habt ihr jetzt vor, Oujo-sama? Wollt ihr euer Spielchen anderweitig fortsetzen, Oujo-sama?" "Es ist mehr als das. Ich habe dafür gesorgt, dass sie die schlimmsten Qualen erleiden werden, ehe der Tod sie erlöst...", erläuterte Aschenputtel, deren Grinsen immer breiter und kälter wurde, je mehr Worte sie von sich gab. Ihre Stimme zitterte leicht. "Das wird ein Festmahl! Oujo-sama!", krähte der Rabe und flatterte wild mit beiden Flügeln, wobei er leicht abhob. Seine Herrin lachte, doch verstummte sie sogleich wieder. "Komm mit, Charos... Wir müssen die Jagd eröffnen..."

Aschenputtel lief ins Haus, dicht gefolgt von ihrem Raben. Dieser jedoch drehte sich noch einmal um und sah den drei Jungen hinterher. Als sich die Tür schloß, hörte man sein schadenfrohes Krächzen...
 

Ren kniff die Augen zu. Er schreckte nicht hoch, doch er spürte, dass er wach war. Dass er einen Alptraum gehabt hatte. Seine Hände waren schweißnass und dass sein Atem schnell ging, bemerkte er erst, als er die unregelmäßigen Geräusche wahrnahm. Die Decke musste er von sich gestrampelt haben, denn er spürte den kalten Windhauch auf seiner Haut. Als er sich wieder einigermaßen beruhigt hatte, konnte er Kains ruhige Atemzüge neben sich hören; er schlief noch.

Vorsichtig wagte Ren es die Augen zu öffnen. Um ihn herum herrschte vollkommene Dunkelheit, die nicht nur daher rührte, dass die Fensterläden geschlossen waren, sondern auch daher, dass es draußen noch immer stockfinster war. Allzu lange durfte er nicht geschlafen haben. Wie könnte er auch?

Langsam richtete er sich auf und ließ seinen Blick schweifen. Seine Augen hatten sich schon an die Dunkelheit gewöhnt, doch allzu viel konnte er nicht erkennen, das Zimmer war so gut wie leer. Außer ihm und Kain gab es kein Leben in diesem Raum; nicht einmal eine Spinne oder gar eine Ratte. Ren konnte sich gut vorstellen, warum. Er stand auf. Es fröstelte ihn leicht, doch anziehen wollte er sich noch nicht. So lief er in Boxershorts ans Fenster und stieß die Läden zur Seite. Kühle Luft wirbelte um sein Gesicht und wehte ihm einzelne Haarsträhnen vor die Augen, die er mit einer flüchtigen Bewegung wieder aus seinem Sichtfeld nahm. Die Straße unter ihm war wie ausgestorben. Keine Menschenseele war um so eine Uhrzeit noch unterwegs - nicht, dass Ren gewusst hätte, wie spät es gewesen war - und auch im Schloß, das er von hier nur als Schemen wahrnehmen konnte, schien alles still zu sein und zu schlafen.

Er hätte es nie zugegeben, doch die kühle Luft beruhigte ihn ungemein. Das brauchte er jetzt einfach, so unruhig wie er seit dem Morgen schon war. Hilflos hatte er zusehen müssen, wie HoroHoro in das neue Portal gezogen worden war. Und nun war es verschwunden. Ebenso wie HoroHoro. Sie hatten lange versucht das Portal erneut zu öffnen. Ren hatte sogar mehrfache Leichenschändung begangen, um das Portal wiederherzustellen, doch es blieb geschlossen. Letzten Endes hatte Kain es mehr oder minder geschafft ihn zu beruhigen und ihn zurück ins Dorf zu bringen.

Mit Hilfe des Gärtnes hatten sie eine andere Lösung gefunden. Ren hatte es nicht ganz verstanden, doch irgendetwas hatten Kain und der Gärtner geändert, sodass sich die umherhuschende Leiste auf der Karte verändert hatte und der Stern in der Mitte verschwunden war. Laut Kain würde sich bald ein neues Portal auftun.

"Kannst du nicht schlafen?" Ren schreckt auf und drehte sich um. Kain hatte sich in seinem Bett aufgesetzt und sah mitleidig zu ihm hin. "Wir werden ihn finden", versprach Kain einen Augenblick später und winkte Ren zu sich her. "Du solltest dich ausruhen, du wirst deine Kraft brauchen" Noch immer sagte der Angesprochene nicht ein Wort, begab sich jedoch tatsächlich zu seinem Bett zurück und setzte sich auf seine dünne Decke. Es vergingen noch einige Momente, ehe Ren sich sogar hinlegte und leise fragte: "Wann taucht endlich das Portal auf?"

Kain seufzte. Wenn er die Antwort wüsste, würde er sie ihm sagen, doch er selbst war ebenso ratlos und sah betrübt auf die Portalkarte. Noch immer war der Stern im Herzen der Karte verschwunden. "Wir werden ihn finden", murmelte Kain noch einmal und schloß die Augen. Obwohl sie sich noch nicht lange kannten, fühlte Kain sich, als hätte er einen seiner wichtigsten Freunde verloren. Um welchen Preis auch immer - er würde HoroHoro retten. Da erging es ihm wie Ren.

Doch Kain verstand den Chinesen nicht. Erst tat er so kaltherzig und nun, wo er gebraucht wurde, setzte er alles daran seinem Freund zu Hilfe zu eilen. Ob das für die Menschen in ihrer Welt normal war?
 

Das Wiehern eines aufgeregten Pferdes und die lauten erschrockenen Stimmen auf den Straßen ließen Ren aus dem Schlaf hochschrecken. Schritte polterten über die Straße und in das Gasthaus, in dem sie sich befanden, bis zu guter Letzt die Türe aufgerissen wurde und ein nach Luft japsender, älterer Mann ins Zimmer stürmte. "Meine Herren! Meine Herren! Das Portal... Es hat sich aufgetan!", schrie er schon fast und wedelte wild mit einem Stück Papier in der Hand. Ren erkannte, dass es eine Portalkarte war.

"Wo?", fragte er noch bevor der Mann seinen Mund schließen konnte und sprang auf. So schnell es ging zog er seine Kleidung an und sah aus dem Augenwinkel, wie Kain grob geweckt wurde, da dieser nicht so viel Anteil zu nehmen schien. "Ich bin ja schon wach..!", nörgelte Kain verstört und streckte vorsichtig seinen Kopf in die Höhe, als der Mann von seinen Schultern abgelassen hatte und einige Schritte zurückgetan hatte. "Komm schon! Wir müssen ihn finden!", forderte Ren ihn auf und bewarf ihn mit einem seiner Kleidungsstücke.

Als Kain den letzten Rest Schlaf aus seinen Gedanken verbannt hatte, sprang auch er auf und zog sich fluchs an. "Es ist tatsächlich da!?" "Ja! Nicht weit von hier!", erklärte der Mann und deutete aus dem Fenster. "Ich habe Pferde für euch vorbereiten lassen" Schnell rannten Kain und Ren nach draußen und fanden dort tatsächlich eben erwähnte Pferde vor. "Beeil dich!", rief Ren noch, während er sich schon geschmeidig in den Sattel warf und Kain mehr schlecht als recht und mit Hilfe einer der Schaulustigen in den Sattel stieg.
 

"Verdammt.. Wo bin ich?", fragte Kain leise und rieb sich den Kopf. Das letzte, an das er sich erinnern konnte war, dass er neben Ren an einem Abhang gestanden hatte. Vorsichtig sah er sich um. Rundgeschnittene Rosenbäume türmten sich neben ihm auf - allesamt mit weißen Blüten. Er hatte mit Ren das neue Portal gesucht, fiel ihm wieder ein. Ein weiterer Blick durch die Gegend verriet ihm, dass eine lange Hecke um ihn herum verlief. Das Portal hatte sich mitten in der Luft befunden, sie hatten den Abhang hinunterspringen und hoffen müssen, dass sie es erreichten. Langsam stand Kain auf und klopfte sich den Staub von der Kleidung.

Er folgte der Hecke und fand einen Durchlass, der ihn in den nächsten Minigarten aus Rosenbäumen führte. Wiederum fand er einen kleinen Durchlass und lange Wege. Je mehr er umherirrte, desto mehr bekam er das Gefühl sich in einem Irrgarten zu befinden. Im nächsten Garten waren die Rosenbäume rot. Kain seufzte.

Als er an eine Kreuzung kam folgte er Stimmen, die er aus der Ferne vernahm. Es mussten die Kartenmänner sein, die dabei waren die Rosenbäume rot zu streichen. Natürlich hatte er kein schlechteres Timing wählen können, um in diese Welt zu gelangen. "Wir malen die Rosen rot, sonst schlägt uns die Königin tot!", sangen sie vor sich hin und bestrichen dabei die Rosenblüten mit ihrer roten Farbe. Kain erschauderte. Die Farbe erinnerte ihn stark an Blut. Er schluckte und lief nur zögerlich zu einem der Kartenmänner hin. "Entschuldigt, aber könnt ihr mir bitte sagen, wolang ich muss, um zum Portal zu kommen?" "Wir malen die Ro-.. Was? Portal? Hey, Pik Ass, hilf dem Knirps mal weiter!", antwortete der Herz-7-Kartenmann und rief letzteres zu der Karte, die auf einer Leiter die höhergelegenen Rosen anstrich.

"Was? Portal? Dazu musst du zum Kaninchen, das kannst du gar nicht verfehlen!", rief das Pik Ass zurück und ließ sich nicht weiter davon abhalten die Rosen anzustreichen. "Danke", murmelte Kain und lief weiter. Zum Kaninchen, weil er auch wusste, wo das zu finden war! Zu dumm nur, dass er genau wusste, wie sinnlos jede weitere Unterhaltung gewesen wäre.

Als er erneut Stimmen hörte, fiel ihm wieder etwas ein. Ren war gar nicht bei ihm!

"Was!? Wieso sollte ich diese blöden Rosen anmalen!? Ich habe wichtigeres zu Tun!", empörte sich eine Kain bekannte Stimme und er erkannte Ren, als er der Stimme folgte und in den Garten lief, aus dem sie kam. "Na, komm schon! Hilf uns, sonst schlägt uns die Königin den Kopf ab!", jammerte die Kreuz-8 und wedelte mit ihrem Pinsel in der Hand herum. "Lasst ihn doch, wenn er sagt, er hilft euch nicht", mischte Kain sich ein und lächelte. "Kain!", rief Ren erleichtert aus und deutete auf die Spielkarten. "Diese ...! Sie wollen mir nicht helfen!"

Kain winkte ab. "Wir brauchen ihre Hilfe auch gar nicht, das Portal ist beim Kaninchen und das Kaninchen können wir locker alleine finden!", brüstete Kain sich, schnappte sich den Chinesen am Handgelenk und zog ihn mit sich. Sein Lächeln war erloschen und machte einem ernsten Ausdruck Platz. "Leg dich niemals mit den Karten an. Sie holen die Königin und ehe du dirs versiehst, rollt dein Kopf!", erklärte er und zog den anderen weiter mit sich.

"O-Okay... Wie finden wir jetzt das Karnickel?", fragte Ren leise und sah sich um. Er hatte die Orientierung verloren in diesem großen Labyrinth. Für ihn war es nicht üblich die Orientierung oder gar den Überblick einer Situation zu verlieren, doch im Moment schien ihm einfach alles aus dem Ruder zu laufen. "Natürlich mit einer Karotte!", lachte Kain und für einen kurzen Augenblick zweifelte Ren tatsächlich an seinem Verstand.

Wider Rens Erwarten fanden sie tatsächlich einen kleinen Garten, indem Karotten wuchsen. Ein großes Haus beschattete den Garten und auf dem kleinen Briefkästchen neben der Türe konnte Ren das Wort 'Rabbit' lesen. Hier musste das Kaninchen wohnen. "Und jetzt?" "Jetzt pflücken wir ein paar Karotten und warten, was passiert", erläuterte Kain und stampfte mitten ins Beet, um seinen Worten Taten folgen zu lassen. "Und das funktioniert..?", fragte Ren ungläubig, half dem anderen jedoch, da ihm selbst nichts besseres einfiel.

"Zu spät!" "Hm? Hast du was gesagt?", fragte Ren und sah auf. Kain schüttelte den Kopf, doch Ren hätte schwören können, dass er soeben etwas gehört hatte - "Ich komme viel zu spät!" "Da! Schon wieder", meinte Ren erneut und sah sich um. Diesesmal schien auch Kain es gehört zu haben, denn er nickte und stand auf. "Zu spät, zu spät, ich komme viel zu spät!"

Ein Kaninchen raste in hoher Geschwindigkeit auf sie zu. Es trug einen kleinen Anzug und ein Monokel und kam erst kurz vor den beiden Jungen zum Stehen. "Zu späät! Oh nein, oh nein, oh nein, oh nein! Was macht ihr nur mit meinen Karotten? Was seid ihr nur böse! Die Königin wird mich umbringen!", haspelte das Karnickel und hüpfte wild auf und ab. "Reg dich nicht so auf, deinen Karotten gehts gut!", versuchte Kain das Kaninchen zu beruhigen, doch dieses sprang noch wilder umher und rief: "Zu spät! Ich bin zu spät!"

"Verdammt jetzt hör doch mal zu!", keifte Ren das Tier entnervt an und genoß es, als dieses zusammenzuckte und ihn ängstlich ansah - starr vor Schreck. "Wo finden wir das Portal?", fragte Kain sanft und legte dem Chinesen eine Hand auf die Schulter, um ihn zu beruhigen. "Portal..?", wiederholte das Kaninchen leise und deutete in sein Haus. "Dort. Doch ihr dürft nicht hinein! Schreckliches erwartet euch! Monster, Verrat, Leid und Tod! Dort dürft ihr nicht hinein!" Es schüttelte sich, als säße ein widerliches Insekt in seinem Fell. "Was?" "Sterben werdet ihr! Sicherlich!", sprach das Karnickel weiter und duckte sich weg. "Niemand wird hier sterben!", zischte Ren und wollte das Kaninchen packen, doch es sprang nach hinten. "Zu spät! Z-Zu spät! Ich komme viiel zu spät!", begann es wieder im SingSang und hüpfte weiter nach hinten. "Machts gut, bis bald, auf wiedersehen, muss gehen, muss gehen, muss gehen!"

Noch ehe Kain oder Ren es aufhalten konnten, raste das Kaninchen von dannen - noch schneller als es angerannt gekommen war. "Verrat?", fragte Kain leise, während er noch immer dem Tier hinterhersah. "Das war doch 'n Scherz, oder?" "Das werden wir wohl erst sehen, wenn wir durch dieses Portal gegangen sind", gab Ren zurück und seufzte. Er würde ihn finden, ohne Zweifel.

"Hmhm... Aber beantworte mir bitte eine Frage, bevor ich dich durch dieses Portal begleite..." Kains Blick traf auf den Rens, während Kain sein Schwert zog und es auf Ren richtete. Ren nickte.

"Wie weit bist du bereit für ihn zu gehen?"

Tenth Laughter: AliBaba and the fourty Bandits

Tenth Laughter: AliBaba and the fourty Bandits
 

~~~

Die Warnung des Kaninchen hallte noch in den Ohren der beiden Jungen wider, als Kain den anderen zu einem entscheidenden Kampf herausforderte...

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"Wie weit bist du bereit für ihn zu gehen?"

Ren grinste. Genau das hatte er erwartet. Nun zeigte Kain also sein wahres Gesicht. "Bis in die Hölle", antwortete Ren mit einigen Sekunden Verspätung und zog ebenfalls sein Schwert, um seine Klinge mit Kains zu kreuzen.

Die beiden traten auseinander und sahen sich momentelang schweigend an. Kain bewegte sich als erster. Er schnellte vor, kaum sehbar, und stieß die Klinge direkt auf Ren zu. Dieser wehrte den Schlag leicht ab und nutzte seine eingeleitete Vorwärtsbewegung, um seinerseits nach dem anderen zu hacken - vergebens. Längst hatte Kain seinen Schwung genutzt, um sich an Rens Seite hindurchzuducken und hinter ihm wieder Stellung zu nehmen.

"Was glaubst du, wie lange dieser Kampf dauern wird?", fragte Kain lachend und leckte spielerisch an seiner Klinge. "Nicht sehr lange, wenn du dich nicht konzentrierst!", antwortete Ren schnaubend und stürmte auf den anderen zu. Er erhob seine Klinge, täuschte einen direkten Schlag an, warf sich jedoch im letzten Moment noch herum und vollführte einen Seitenhieb, der Kains Mantel zerriss und ihn überrascht zur Seite taumeln ließ. "Ja, ich seh schon!", keuchte Kain, während er sich auf dem Absatz drehte und nun Ren attackierte. Dieser stemmte sich mit der Hand nach oben, um die Kraft zu finden dem Schlag auszuweichen und schaffte es nur um Haaresbreite. Kain lachte. "Ich kämpfe seit Jahrhunderten mit dem Schwert, wie lange kämpfst du?"

Ren fand nicht den Atem und nicht die Zeit eine Antwort zu geben, denn Kain stürzte erneut auf ihn ein und Ren war froh, als er sich mühsam wieder auf die Füße retten konnte und so bessere Chancen zum Ausweichen bekam. Hier und da konnte er einen oder mehrere Schläge parieren, doch Kain drängte ihn immer weiter zurück. Er durfte nicht verlieren, für HoroHoro!

"Ich werde nicht verlieren!", schrie Ren wütend und duckte sich, um Kains Hieb auszuweichen. Entschlossen drückte Ren sich vom Boden ab und rammte dem anderen seine Schulter in die Magengrube. Kain stöhnte vor Schmerz und taumelte zurück. Einen kurzen Augenblick musste er um sein Gleichgewicht kämpfen und Ren nutzte dies aus. Nun drosch er auf Kain ein und ließ ihm keine Zeit zum Luft holen. Ren hatte das Blatt gewendet und hielt nun die Fäden in Händen; bis er über eine der Karotten am Boden stolperte und es ihn der Länge nach zu Kains Füßen hinlegte.

Wieder lachte Kain. Er wischte sich über den Mund und drückte Rens Kopf mit dem Fuß in den Boden. "Du hast aber verloren", keuchte Kain noch immer außer Atem und erhob sein Schwert weit über seinem Haupt. "Aber keine Angst, du musst nicht lange mit dieser Schmach leben..." Ren schnappte nach Luft, Erde füllte seinen Mund und er strameplte, um sich zu befreien, doch er bekam Kain nicht von sich los. Tränen schoßen ihm in die Augen, als ihm klar wurde, dass er es nicht geschafft hatte. HoroHoro würde sterben müssen, weil er es nicht geschafft hatte Kain zu besiegen. Alles war vorbei.

Er verkrampfte sich, als er das Surren des Metalls hörte, das sich rasend herabbewegte. Es war vorbei.
 

"Richte ihr aus, dass ich ablehne!"

Die Krähe, die sie die ganze Zeit über beobachtet hatte, krächzte lauthals. Ihre Flügel breiteten sich aus und sie sprang vom Dach des Hasenhäuschens, um sich knapp über Kains Kopf hinweggleiten zu lassen. "Oujo-sama wird nicht erfreut sein! Oujo-sama wird dich töten! Töten wird sie dich! Oujo-sama wird auch bei dir keine Ausnahme machen!", krähte das Federvieh und stürzte auf Kain. Dieser versuchte sich mit den Händen zu schützen, doch die scharfen Krallen und der spitze Schnabel bohrten sich in sein Fleisch und zupften an seinen Haaren. Er schrie. "Oujo-sama hasst dich! Dich und deinen Bruder! Genau so dickköpfig, sagt Oujo-sama! Doch getötet hat sie ihn, ja, getötet, um dich zu kriegen.. Oujo-sama hasst dich!" Blut rann an Kains Armen entlang. Er sank in die Knie und war zu nichts mehr in der Lage außer zu Schreien, doch auch seine Stimme versagte ihm bald den Dienst, als die Tränen sich ihren Weg bahnten und alles in lautem Geschluchze unterging. Die Krähe hackte weiter auf ihn ein. Sie machte weiter und beachtete die zweite Person gar nicht, die dem ganzen fassungslos zusah.

Als die Person sich endlich gefasst hatte, griff sie nach ihrem Schwert und stürmte laut schreiend auf die Krähe zu. "Lass ihn in Ruhe!" Geschockt stieß die Krähe sich von Kain ab und krächzte: "Du! Oujo-sama wird deinen Freund töten! Töten wird sie ihn! Ihr werdet zu spät kommen! Oujo-sama hat längst einen Plan!" Zwischen seinen Krallen hing etwas blutüberströmtes Weißes. Die Krähe zerquetschte es und die Masse spritzte auf die beiden am Boden. Dann verschwand die Krähe.

"I-Ist alles in Ordnung bei dir?", fragte der Junge Kain und ließ sich neben ihm auf die Knie sinken. Kain hatte sich mittlerweile auf den Boden gekauert und hielt die Hände vors Gesicht. Er wimmerte. "Sag schon.." Als der Junge seine Hände auf Kains Schultern legte, schlug Kain erschrocken danach und rollte sich zusammen.

"Verschwinde! Ich bringe dir nur Unglück! Ich habe euch hintergangen und einen Pakt geschlossen!", kreischte Kain heiser und schüttelte energisch den Kopf. "Verrat! Blut und Verderben!"

"Jetzt halt doch mal die Luft an!", schnappte der Junge wütend und verpasste Kain eine Ohrfeige, woraufhin dieser geschockt seinen Kopf zu ihm wandte. "....?" "Du hast mich nicht getötet, oder!?", schrie Ren ihn an und musste entsetzt feststellen, dass Kains Gesicht blutüberströmt war. Seine Augen weiteten sich, als ihm klar wurde, dass die Krähe eines von Kains Augen zwischen seinen Krallen zerfetzt hatte. Dort wo Kains Augen hätten sein sollen, klafften riesige Blutlöcher. "A-Aber ich wollte es tun! Für Abel..."

Ren seufzte und schlang vorsichtig die Arme um Kain. "Ich weiß..." Er strich vorsichtig über Kains Rücken und schloß die Augen. "Du hast genau das getan, was ich für HoroHoro getan hätte..." Kain zögerte erst, klammerte sich dann jedoch an den Chinesen und wimmerte gegen dessen Brust.

"Wieso hast du es nicht getan?", fragte Ren nachdem einige Zeit verstrichen war und Kain sich wieder einigermaßen beruhigt hatte. Aus seinen Augenhöhlen tropfte noch immer das Blut und Ren konnte seinen Blick nicht lange auf ihn gerichtet halten, denn der Rabe hatte ganze Arbeit geleistet und Kains Arme sowie sein Gesicht mit tiefen Wunden entstellt.

"Ich... Ich konnte nicht...", fing Kain an und brach ab. Kurz musste er sich sammeln, um erneut anfangen zu können: "Er kam zu mir... In der Nacht, als das Portal aufgetaucht ist... Charos, meine ich... Der Rabe. Seine Herrin hätte ein Angebot für mich. Wir können sterben. So richtig meine ich, wie ihr... Wenn wir..." Wieder brach Kain ab und senkte den Kopf. "Dein Bruder...?", fragte Ren leise nach. Kain nickte. "Abel starb in Rotkäppchens Welt... Charos' Herrin hat die Macht ihn wiederzubeleben" "Wer ist seine Herrin?" "Ich weiß es nicht. Doch es war meine einzige Chance... Ich wollte ihn wiedersehen... unbedingt. Ihn noch einmal in meinen Armen halten..."

Nur zu gut konnte Ren nachempfinden, was Kain fühlte. Es musste noch schrecklicher sein, wenn man vor diese Wahl gestellt wurde. Er seufzte. "Ist okay... Wir werden einen Weg finden... Das versprech ich dir...", hauchte Ren mitfühlend und half Kain aufzustehen. "Wir werden HoroHoro finden und dann machen wir diesen Raben und seine Herrin unschädlich, okay?" Kain reagierte nicht darauf.
 

Das Haus war anders, als Ren es sich vorgestellt hatte. Nichts hier deutete daraufhin, dass der Bewohner ein Karnickel war - nur eine übergroße Kuckucksuhr, die statt ihres Namensgebers eine Karotte besaß. Musternd ließ er seinen Blick durch den kleinen Vorraum schweifen. Außer der Eingangstür konnte er keine weiteren Türen und nicht einmal ein Fenster entdecken.

"Ist da ein Tisch?", fragte Kain leise und drückte vorsichtig Rens Arm. Da er noch immer nichts sehen konnte, hielt er sich an dem Chinesen fest und ließ sich lotsen. "Ähm... Ja, wieso?", antwortete der Gefragte und besah sich stirnrunzelnd den Tisch, der sich inmitten des Raumes befand. Auf seiner Platte standen zwei kleine Fläschchen. "Steht da irgendetwas?" "Ja" Ren zog Kain zum Tisch, damit Kain die zwei Fläschchen in die Hand nehmen konnte. "Die in deiner rechten ist rot, die andere blau", erklärte Ren und sah zu, wie Kain die blaue Flasche öffnete und einen Schluck nahm. Die andere stellte er auf den Boden - geöffnet - und gab die blaue an Ren weiter. "Trink", befahl er nur.

Als Ren ebenfalls einen Schluck genommen hatte, erklärte Kain: "Blau wirkt wie die Kälte, Dinge ziehen sich zusammen und werden kleiner.." Ehe Ren dazu kam zu hinterfragen, was Kain damit meinte, sah er es mit eigenen Augen. Kain schrumpfte vor seinen Augen immer weiter, bis er schließlich nicht größer war, als eine Maus. Erinnerungen schoßen in Rens Kopf. Auch er schrumpfte auf eine kleine Gestalt zusammen. "Okay... Diese Märchenwelt ist echt krass..."

Kain grinste gequält. "Man gewöhnt sich daran, wenn man eine Weile in ihr lebt" "Du meinst Jahrhunderte?", fragte der Chinese nach, um seine Worte während des Kampfes wiederaufzunehmen. "Nein... Genau genommen bin ich erst 62, aber unsere Zeitrechnung ist sowieso etwas anders als eure. Also stell dich schon einmal auf einige Veränderungen ein, wenn ihr wieder in eurer Welt seid" So eine Antwort hatte Ren nicht erwartet. Er sah den anderen einige Sekunden lang fassungslos an, unfähig etwas darauf zu erwidern. Zwar wusste Ren nicht, wie genau das mit der Zeiterschiebung war, doch er wusste, wie alt die Märchen ihrer Welt waren. Und er wusste, dass Kain aus einer biblischen Geschichte stammte. Sie mussten längst viel zu viel Zeit verplempert haben.

"Hey, jetz zieh doch nicht so'n Gesicht! So hatte ich das auch wieder nicht gemeint.. Das wird schon!", versuchte Kain ihn zu beruhigen und lächelte leicht. Der einzige Grund, wieso Ren tatsächlich zurücklächelte war der, dass Kain seinen Gesichtsausdruck nicht sehen konnte. "Was müssen wir jetzt tun?", fragte Ren, um abzulenken.

Kain deutete auf eine kleine Türe in der Wand, die kaum größer war als sie selbst, bei seinem vorherigen Umsehen war ihm die Tür nicht aufgefallen. "Da durch" Sie steuerten die Tür an und Ren umklammerte den runden Knauf und zog daran, doch nichts tat sich.

Als er jedoch fester zog, hörte er einen Aufschrei und zuckte erschrocken zurück. "Aua... Meine Nase!" Rens Augen weiteten sich, als er sah, dass derjenige der gesprochen hatte, kein geringerer als der Türknauf war. "Hä..?"

"Du hast mir die Nase zerquetscht, Junge!", beschwerte sich der Türknauf und runzelte seine Nase. "Ä-Ähm.. Das.. tut mir Leid..", stammelte Ren verwirrt und sah fragend zu Kain. Dieser hatte die Szene zwar nur Hören können, schien sie aber trotzdem verstanden zu haben. "Entschuldige bitte, Herr Knauf. Ren ist das erste Mal hier. Und ich hab wohl versäumt ihm von dir zu erzählen" "Ah! Wenn das nicht Kain ist. Was hast du mit deinen Augen gemacht?!", fragte der Türknauf erschrocken als er Kains geschundenen Körpers gewahr wurde. Der Gefragte senkte den Kopf. "Charos hat mich bestraft...", murmelte er leise.

"Charos...?", hakte der Türknauf entsetzt nach und schüttelte sich. "Dieser Bote des Todes! Wenn ihr ihn verfolgen wollt, so rate ich davon ab! Entführt hat er sie!" "Entführt? Wen?" Die Stimme des Chinesen zitterte. "Na, Alice", antwortete der Türknauf leicht überrascht und seufzte. "Was? Die Arme!", rief Kain aus und schüttelte gleichzeitig den Kopf, "Bitte, lieber Herr Knauf, lass uns durch.. Wir sind nicht nur auf der Suche nach Charos, wir suchen auch einen Freund, der ebenfalls von ihm entführt wurde"
 

"Hier lang hat er gesagt, nicht wahr?", fragte Ren leise und tastete sich an der kalten Steinwand entlang. Kain nickte. Er konnte wieder sehen, seit sie das Portal durchschritten hatten. Herr Knauf hatte ihnen eine knappe Wegbeschreibung geben können, wo sich das nächste Portal befinden müsste; als Dimensionsportal bekam man schließlich so einiges mit und spürte ein Stück weit auch die Entfernung der anderen Portale.

"Gibt es eigentlich noch mehr Portale wie ihn?", stellte der Chinese die Frage, die ihm seit ihrer Begegnung mit Herrn Knauf auf der Zunge gelegen hatte. "Nein, Herr Knauf ist der einzige. Zumindest so viel ich weiß", antwortete Kain und bückte sich unter einem Ast hinweg. Der Baum, der sich ihnen in den Weg gestellt hatte, hatte weder Blätter noch sah er sonderlich gesund aus, war von seiner Statur her jedoch sehr hoch und um ein vielfaches breiter als die beiden Jungen zusammen. "So viel du weißt?" Seit einiger Zeit durchquerten die beiden eine Schlucht, die einem Irrgarten glich. "Jop. Das hab ich von meiner Omi gelernt, sie weiß echt viel", erklärte Kain stolz und sah in den Abendhimmel. "Was sie wohl gerade macht..?" Ren blieb stehen und drehte sich zurück. "Sicherlich hockt sie grade in ihrem Blumenfeld und wartet darauf, dass du zurückkommst und sie dich in Empfang nehmen kann!"

Die beiden lachten. "Ja, bestimmt! Das hat sie auch damals gemacht, als wir Abel..."

Kain sah betrübt zu Boden. Es war noch nicht viel Zeit vergangen, seit sie seinen Bruder tot aufgefunden hatten, als sie ihre Freundin Rotkäppchen besucht hatten. Noch immer saß der Schmerz tief in seinem Herzen. "Es tut mir Leid", murmelte Ren mitfühlend, wurde jedoch von Kain mit einer hektischen Handbewegung zum Schweigen gebracht. "Pssst!"

Als Ren aufmerksam lauschte, verstand er. Sie waren zwar leise, doch aus der Entfernung waren eindeutig Stimmen zu vernehmen. Viele Stimmen. "Ob das..?" Kain nickte. Laut Herr Knauf befanden sie sich nun in der Welt von AliBaba und seinen vierzig Räuber, also war die Chance hoch, dass die Räuber bald ihren Weg kreuzen würden. "Versuchen wir so nahe wie möglich an sie heran zu gelangen...", schlug Ren vor und setzte auch schon seinen Weg fort.

Zwar fanden sie keine vierzig, jedoch ein dutzend Männer vor, die um ein Feuerchen gereiht Geschichten zum Besten gaben und ordentlich einen becherten. Sie lachten, stritten und tranken mehr als ihnen gut tat. "Ich glaub, ich hab 'nen Plan", sprach Kain mehr zu sich selbst und warf schon einen Stein, ehe Ren etwas hatte sagen können. Einige der Männer hoben erschrocken die Köpfe, während andere schon keine Notiz mehr davon nahmen. Ren und Kain hatten sich hinter einem Felsen versteckt, um nicht entdeckt zu werden und Kain grinste, als er aus seiner Deckung hervorlugte und sah, wie zwei der Männer auf sie zukamen.

"Spinnst du!?", fauchte Ren angespannt und strafte instinktiv die Schultern, um sofort angreifen zu können, wenn die Männer in Reichweite waren. Kain grinste nur weiter.

Tatsächlich schien er einen roten Faden zu verfolgen, denn als die beiden Männer um den Felsen sahen, zögerte er keine Sekunde lang und zog die beiden dahinter. Als auch Ren verstand, was dies zu bedeuten hatte, half er dabei die beiden bewusstlos zu schlagen und sich deren Kleidung zu bemächtigen. Der Alkohol schien den Kriegern mehr zu schaden, als sie denken mussten. "Wow... Viel angenehmer als die schwere Rüstung", freute Ren sich, als er sich seine neue Kluft besah. Er trug nun einen Turban, der zugleich sein Gesicht verdeckte, und einen Mantel, der noch weit über seine Füße zum Boden reichte.

"Gell? Und tarnaktiv noch dazu!", lachte Kain und verließ ihre Deckung. Wie selbstverständlich schlenderte er zu den Männern am Feuer und setzte sich zu ihnen. Einer fragte ihn, was gewesen sei, woraufhin er nur unverständliches Zeug nuschelte und der andere beließ es dabei. Überrascht setzte Ren sich ebenfalls dazu und musterte jeden einzelnen. Trotz ihres angetrunkenen Zustandes wäre es eindeutig zu gefährlich gewesen sie wissentlich anzugreifen, sie mussten also abwarten, bis sich ihnen eine günstige Gelegenheit darbieten würde. "Ja, und dann meinte der Trottel doch tatsächlich, dass ich ihm helfen würde!" "Wirklich? Was glaubt der denn, wer wir sind? Seine Vogelscheuchen?" Allgemeines Gelächter brach aus, in das Kain und Ren provisorisch einstimmten, um nicht aufzufallen. "Ja! Das Beste war ja, dass dieses blöde Federvieh meinte, seine Krallen und sein Schnabel könnten gegen mein Schwert bestehen!" Erschrocken wechselten Ren und Kain Blicke. Sprachen diese Räuber etwa von Charos?

"Charos will ers sagen, hat er gemeint. Und der sagts dann seiner Herrin!", erzählte der Mann weiter und lachte noch mehr, wobei er mehr als die Hälfte des Inhalts seines Glases verschüttete.

"Wo habt ihr den Raben gesehen!?", fragte Kain fordernd. "Alter, hab ich doch eben gesagt, bei unserer Höhle!", antwortete der Krieger genervt und schüttelte den Kopf. "Höhle..?" "Hast du dir jetzt etwa das Hirn weggesoffen, Gundar?", mischte sich ein anderer Krieger ein und deutete in seinen Rücken. "Unsere Höhle, am Ende des Weges. Das Passwort wirste ja wohl noch wissen!"
 

Schlußendlich hatten sie sich von der Runde losreißen können. Zwar waren sie für den Rest der Truppe nur kurz Pinkeln, doch die Zeit musste reichen. Es hatte sie nicht viel Zeit gekostet das Ende des Weges zu erreichen und nun standen sie vor einer extrem hohen und extrem steilen Steinmauer.

Von einem Eingang war keine Spur.

"Kein Problem!", meinte Kain stolz und streckte selbstsicher seine Brust hervor, "Kümmel, öffne dich!"

Nichteinmal ein kleines Steinchen bewegte sich. "Trottel! Das heißt 'Sesam, öffne dich'!", motzte Ren den anderen und zuckte überrascht mit der Augenbraue, als sich auch bei seinen Worten nichts tat. "Haha...", erwiderte Kain nur und duckte sich weg, um der Kopfnuss auszuweichen, die Ren ihm verpassen wollte.

"Machs besser", nuschelte der Chinese noch und verschränkte die Arme vor der Brust. "Öhm... Hafer, öffne dich? Roggen, öffne dich? Weizen öffne dich..?" Nichts schien zu helfen. Kain seufzte, ehe er grinsend im SingSang anfing: "Hopfen und Malz, Gott erhalts!" Rens Blick glitt verstört zu Kain, er ließ einige Sekunden verstreichen, ehe er hinzufügte: "Zwischen Leber und Milz, passt immer noch 'n Pilz!"

Als die Jungen im Chor zu Lachen begannen, rumpelte die Wand vor ihnen und eine Tür aus Stein tat sich vor ihnen auf. Die Blicke der beiden wurden groß, als sie der riesigen Höhle gewahr wurden, die sich dahinter befand. Leider war die Höhle nicht so leer, wie sie gehofft hatten...
 

The end of my tenth Laughter

Eleventh Laughter: Little Brother and little Sister

Eleventh Laughter: Little Sister and little Brother
 

~~~

Überrascht hatten die beiden Jungen ausgesehen, als sie den Eingang der Höhle mit einem unkonventionellen Spruch freigelegt hatten. Mehr noch aber hatte sie der Anblick der vielen Räuber überrascht, die sich ihnen nun näherten...

~~~
 

"Nabdil, AbuDun, seid ihrs?", fragte einer der Räuber, der ihnen am nächsten stand. Er schien schon gut angeheitert zu sein. Kain nickte instinktiv und ließ sich in die Höhle winken. Ren folgte ihm aufmerksam, machte jedoch keinerlei Anstalten ebenfalls zu antworten.

"Wieso seid ihr so früh wieder hier? Und wo ist der Rest?", hakte nun ein anderer nach, der schon fast schreien musste, um von den anderen gehört zu werden, so weit hinten befand er sich in der Höhle. "Nun...", begann Ren, wurde jedoch von Kain unterbrochen: "Uns ist der Alkohol ausgegangen, da wollten wir Nachschub holen!" Einige Momente lang starrten ein dutzend Augenpaare auf Kain, der unter seinem neuen Mantel erheblich zu schwitzen begann, dann jedoch brach schallendes Gelächter aus und der Mann vom Anfang klopfte ihm kräftig auf die Schulter. "Ja, das war ja klar, dass ihr wieder sauft, wie die Schweine!"

Kain lachte. "Soll ich euch jetzt auch noch helfen, oder schafft ihr es wenigstens alleine die Kisten zu schleppen?", hakte der Räuber weiter nach und stieß Kain nach vorne, um ihm zu zeigen, dass er sich endlich in Bewegung setzen sollte. "Ach, schleppen geht wohl alleine, aber könntest du zwei Angetrunkenen ein Händchen sein und uns zum Alkohol führen?", mischte sich nun auch Ren ein und spielte dabei nahezu perfekt den bereits zu beschwipsten starken Mann, der es zwar aussehen lassen wollte, wie einen Scherz, es aber doch bitterernst meinte. "Oh, Nabdil! Das klingt ja fast, als hättest du die ganzen Kisten alleine leer getrunken! Na, komm, ich werde euch geleiten!", witzelte der Mann und führte sie weiter in die Höhle. An einer Gabelung bog er nach rechts ab. Ren konnte mehrere Männer beisammen stehen sehen, als er kurz den linken Weg musterte.

"So!", rief der Mann übertrieben laut aus, als sein Arm ausschwenkte und auf die Kisten deutete. "Danke, Alter", antwortete Kain grinsend, hob eine der Kisten auf und wollte sie gerade gegen den Schädel des Mannes donnern, als ein weiterer Räuber aufgeregt auf sie zugestürmt kam. "Rahim! Rahim! ...Nabdil und AbuDun, du sollst sie sofort zum Boss bringen!", rief der Mann außer Atem und kam kurz vor den dreien zum Stehen.

Kains Blick glitt erschrocken zu Ren, dieser jedoch konnte seine Fassung nach Außen hin gut wahren und sah den Mann nur minder verwirrt an. "Was ist denn?" "Der Boss meint Rahim solle euch zu ihm bringen! Er müsste euch etwas fragen... Fragt mich nicht was, ich weiß es!", erklärte der Mann kopf schüttelnd und machte schon wieder auf dem Absatz kehrt. "Beeilt euch lieber! Er sah nicht sehr erfreut aus!" Kurz tauschten die beiden Jungen Blicke aus, ehe Ren sich an Rahim wandte und schulterzuckend sprach: "Dann wollen wir ihn auch nicht warten lassen"

Rahim führte sie den Weg zur Gabelung zurück und nahm diesesmal den linken Weg, vorbei an den Männern, die Ren vorhin noch gesehen hatte und tief hinein in die Höhle, an weiteren Abzweigungen vorbei. Vor ihnen türmten sich mehrere Berge aus Gold, Geld und Edelsteinen auf. Das Licht der aufgehangenen Fackeln spiegelte sich verzehrt und unheilvoll von den vielen Goldstücken wider und tauchte alles in ein mattes, schwerwirkendes Licht. Inmitten der Berge stand ein kleiner Thron, der zwar über die Jahre hinweg von seinem Glanz eingebüßt hatte, nicht aber seine Authoritätserscheinung.

"Danke, Rahim. Du kannst nun gehen" Die Stimme schien von nirgendwoher und von überall zu kommen. Rahim verbeugte sich und verschwand. Ren und Kain sahen sich verwirrt um, bis eine - verglichen mit den arabischen Kolossen - kleine Gestalt hinter dem Thron hervortrat. "Willkommen in meinem Reich" Der junge Mann - Ren schätzte ihn nicht viel älter als sich selbst - verbeugte sich knapp, ehe er seinen Krummsäbel zog und ihn auf die beiden richtete. "Was verschafft mir die Ehre des Besuches?" Instinktiv griff Ren ebenfalls zu seiner Waffe; auch er besaß nun einen Krummsäbel. Jedoch wurde er von Kain daran gehindert seine Waffe zu ziehen.

"Herr der Diebe, wir erbitten deine Hilfe!", sprach Kain mit gehobener Stimme und verbeugte sich tief. Ihr Gegenüber stutzte. Seine Klinge glitt zu Boden, doch sein misstrauischer Blick blieb. "Ich kenne dich... Wer bist du und woher kommst du?" Kain sah auf und lächelte. Er nahm seinen Turban ab. "Man nennt mich Kain, und ich komme aus der Welt Hänsel und Gretels! Du wirst dich sicherlich noch an meinen Bruder erinnern - Abel - er hat dich vor Jahren einmal zutiefst beeindruckt" Der junge Mann lachte. "Ja, ich erinnere mich... Damals war ich nichts weiter als ein Laufbursche dieser Räuberbande"

"Ich muss sagen, du hast dich gut gemacht, Vaughn!" "Ja, das finde ich auch. Aber sag, wo hast du deinen Bruder gelassen? Ihr ward doch so unzertrennlich? Und wieso schleppst du einen Ranim mit dir herum?" Vaughns Blick glitt zu Ren. Dieser nahm nun ebenfalls seinen Turban ab, erwiderte den Blick jedoch verwirrt. "Ranim?" "Ein Mensch, der nicht aus unserer Welt stammt", erklärte Vaughn lächelnd. "Mein Bruder Abel... starb vor einiger Zeit...", murmelte Kain leise und sah zu Boden. "Wie?", stieß Vaughn entsetzt hervor, steckte sein Schwert weg und lief auf Kain zu. "Das wusste ich nicht! Er wirkte so lebendig!" Vaughn nahm seinen alten Bekannten fest in den Arm und seufzte. "Er erzählte mir noch, wie stolz er darauf sei nun endlich die Portalkarte lesen zu können! Und dass du durch die Prüfung gefallen seist!"

Erschrocken stieß Kain den anderen von sich. Seine Augen waren Schreck geweitet und ihren Winkeln bildeten sich kleine Tränen. "Was redest du da!? Abel starb noch bevor er die Karte lesen konnte... Meine Prüfung bestand ich nicht, weil sie mir sinnlos vorkam.. Ohne ihn!" Vaughn runzelte die Stirn. "Aber er war hier! Vor nicht allzu langer Zeit!" Entschlossen schüttelte Kain den Kopf. "Abel starb vor fast einem Jahr! Ich habe ihn zu Grabe getragen! Er ist tot!" Unwillkürlich musste Ren sich an die Krähe erinnern, die Kain die Augen ausgepickt hatte, ihre Augen hatten denen Kains geähnelt. Sie hatte von Abel gesprochen, oder nicht? Irgendetwas schien faul.

"Moment.. Soll das heißen..?", stammelte Vaughn verwirrt. "Wir sind hier, um das Portal zu finden, um Abel wiederzubeleben!", schluchzte Kain, wobei Ren überging, dass er HoroHoro vergessen hatte. "Achso...", murmelte Vaughn leise und schnippte in die Finger. Um sie herum versammelten sich die Räuber mit ihren gezogenen Klingen. Diesesmal hinderte Kain den Chinesen nicht daran sein Schwert zu ziehen, tat es ihm jedoch nicht gleich. "Verdammt, was soll das!?", keifte Ren aufgebracht und stieß Kain an. Dieser taumelte erst einige Schritte, ehe er sich fing und sich an Vaughn warf. "Wieso?! Was haben wir dir denn getan!?" "Oujo-sama will es so"

Kain sah erschrocken sich hinab. Er fühlte es. Langsam glitt das Schwert aus seinem Bauch und ein Blutschwall ergoß sich am Boden. Hustend würgte er Blut hervor und sah Vaughn verzweifelt an. "Heißt das... er lebt...?", keuchte Kain hervor, ehe sein Blick sich trübte und er zu Boden fiel; inmitten seiner Blutlache. "Kain!", rief Ren aus und drängte Vaughn mit einem lauen Schwerthieb zurück, der nicht zum Treffen gedacht war, dennoch den Anführer der Diebe zurückstolpern ließ. Überrascht verlor Vaughn sein Gleichgewicht und fiel auf seinen...

Anstatt auf den Thron zu fallen, glitt er durch ihn hindurch und war verschwunden.

"Das Portal!", presste Ren hervor und packte Kain unter dem Arm, um ihn zum Thron zu ziehen. Natürlich reagierten die Räuber schneller. Einer stellte sich ihm frontal in den Weg und zwei weitere flankierten seine Seiten, um ihn auch an einem Rückzug zu hindern. "Verdammt...", zischte Ren und ließ Kain noch einmal zu Boden gleiten, um sich den dreien entgegenzustellen.Den ersten konnte er noch mit einer gezielten Hiebfolge niederstrecken, die anderen beiden jedoch griffen ihn gleichzeitig an und rissen ihn zu Boden. Die Klinge des einen traf nur Millimeter von Rens Gesicht entfernt auf den Boden und Ren spürte die Hitze, als sich die kleinen Funken in seine Haut fraßen, sie entstanden. Er rollte sich herum und stieß noch in der Bewegung sein Fuß gegen das Knie des Angreifers, was diesen in die Hocke zwang und Ren aus seiner Aufwärtsbewegung heraus gestattete ihn zu enthaupten.

Blieben noch fünf Räuber in seiner unmittelbaren Umgebung und der Rest der Bande, der sich in der Höhle befand und bald auftauchen musste - laut genug war der Kampf.

"Rahim!", rief einer der Männer, Ren war sich nicht sicher welcher. Gehetzt überdachte Ren die Situation. Rahim musste der stärkste der Krieger sein, den Eindruck hatte er schon gemacht, als er sie am Höhleneingang in Empfang genommen hatte. Ein Wunder eigentlich, dass Rahim nicht längst hier war. Wieder packte er Kain und riss ihn herum. Mit einem Ächzen gelang es dem Chinesen den schlaffen Körper über die Leiche vor ihnen zu hieven und dafür zu sorgen, dass Kain durch das Portal hindurch verschwand. Ihm selbst jedoch wurde von einer Klinge der Weg versperrt, die sich knapp vor seinem Gesicht an ihm vorbei in den Körper der Leiche bohrte, der zu seinen Füßen lag.

Die letzten fünf hatten sich eindeutig besser geordnet, als ihre Vorgänger und kreisten Ren systematisch ein, um ihm keinerlei Entkommensmöglichkeiten zu lassen. Er musste sich beeilen, sonst wäre es um ihn geschehen. Gerade als er sich einen Plan zurechtgelegt hatte, hörte er ein Krächzen. Zusammenzuckend sah er an die Decke der Höhle. Etwas blitzte ihm entgegen, so unheilvoll. Erstaunt sah er in die schwarzen Knopfaugen eines Rabens. Mehr als eine Sekunde gestatteten ihm die Räuber nicht; zwei von ihnen stürzten sich auf ihn und Ren wich einen Schritt zurück, um dem ersten auszuweichen und riss seinen Krummsäbel in die Höhe, um den Hieb des zweiten zu parieren. Keuchend kämpfte er darum nicht in die Knie zu sinken bei der gewaltigen Kraft des Angriffs des Anderen.

Als Ren sich aus den Augenwinkeln heraus umsah, war die Krähe verschwunden. Fluchend ließ er sich nach hinten fallen, um dem Mann hinter sich aus einer Rolle heraus das Schwert in den Unterleib zu rammen. Getroffen sackte dieser zusammen und röchelte, zwar war er nicht tot, doch fürs Erste musste Ren sich vor diesem Mann nicht mehr fürchten. Vier übriggebliebene Gegner und Rahim, der bereits angestürmt kam. Nur noch wenige Augenblicke.

Ohne es zu realisieren schlug Ren einem Räuber die Schulter ab, hatte jedoch noch immer einen Mann vor sich, der ihm den Weg zum Thron verperrte. Seine Drehung kam gerade noch rechtzeitig, ehe Rahims mächtiger Morgenstern ihn traf. Zwar konnte er sich der Wucht nicht erwehren und taumelte haltlos zur Seite, bis er schließlich zu Boden fiel, konnte aber verhindern, dass ihm der Schädel quer gespalten wurde. Entsetzen machte sich in dem Jungen breit, als Rahim sich über ihn stellte und mit seiner Waffe weit ausholte.

Für einen Moment hielt Ren den Atem an und schien den Schmerz bereits zu spüren - doch er blieb aus. Stattdessen hörte er ein Krächzen und er sah, wie der Rabe aufgescheucht vor Rahims Gesicht herumflatterte und ihm ins Gesicht pickte, sodass das Blut spritzte. Ren konnte es kaum fassen, sah jedoch seine Chance und krabbelte an dem Koloss vorbei. Rahims Kameraden hatten längst keine Augen mehr für den Chinesen, sie waren gebannt von dem Raben, der ihren Kameraden so mühelos in Schach zu halten schien. Keuchend schleppte Ren sich zu dem Thron und ließ sich mit einem Blick zurück hindurchfallen. Rahims Morgenstern raste gerade auf den Raben zu und schleuderte ihn zu Boden...
 

"Das meinst du nicht ernst! Du lügst!", schrie Kain verzweifelt und hielt sich seinen Unterleib. Die Wunde verheilte, doch sie war noch immer da. "Wenn ich es dir doch sage, Kindchen!", konterte Vaughn genervt und ließ seinen Säbel kreisen. "Wieso sollte Abel..?" Genau in diesem Moment fiel Ren zwischen die beiden. Überrascht kneite Kain sich neben ihn. "Ren! Alles okay!?"

Vaughn lachte. "Na, da hast du aber Glück, ihr könnt doch gemeinsam sterben!" Der Säbel erhob sich und Vaughn war drum und dran die beiden zu zerhacken, als plötzlich ein Schrei durch den Wald hallte. Alle drei zuckten zusammen und Ren nutzte die Chance, um nach Vaughns Bein zu treten, brachte ihn so zwar zu Fall, konnte aber selber nicht viel mehr Tun als dem Fallenden auszuweichen. Kain richtete sich überrascht wieder auf und nahm dem anderen geistesgegenwärtig den Säbel aus der Hand und half Ren dann auf die Beine.

"Ich glaube dir kein Wort, Vaughn!", brüllte Kain und sah auf den Säbel, an dem sein eigenes Blut hing. "Kümmere dich nicht um ihn, Kain! Ich muss dir etwas Sagen!", versuchte Ren den anderen von Vaughn loszureißen, doch Kain ließ sich nicht abbringen. Er trat nach Vaughn. "Kain!" Wieder trat er nach ihm und Tränen rannen über seine Wangen. Grob packte Ren ihn und zog ihn mit sich, fort von Vaughn, welcher am Boden lag, aus mehreren Wunden blutend, lachend. Sein schrilles Lachen verfolgte sie auch als er längst nicht mehr zu Hören war.

Sie kamen an eine Hütte, wo Kain sich endlich losriß und Ren anschrie: "Was sollte das!? Ich wollte mich an diesem Kerl rächen!" "Für was denn!?", heischte Ren zurück und schnaubte. "Was hätte es dir gebracht!? ...Hör mir zu, dein Bruder...!"

Erneut ertönte ein Schrei, den die beiden längst vergessen hatten. Entschlossen der Konversation zu entkommen, stürmte Kain der Stimme entgegen und bekam nur am Rande mit, dass Ren ihm nacheilte. Wie von einem Schlag getroffen, prallte Ren zurück als er HoroHoro dort stehen sah. Er wandte ihm zwar den Rücken zu, doch die Haare entlarvten ihn eindeutig. "HoroHoro!", rief Ren aus, doch er reagierte nicht. Stattdessen bückte er sich nach dem Mädchen zu seinen Füßen. Er riss sie grob auf die Beine und krallte sich in ihre Haare. Mit der freien Hand schien er ein Loch in die Luft zu reißen, aus welchem kleine Blitze schlugen, ehe es schwarz wurde. Sein Blick glitt über seine Schulter zu Ren. Ein eiskalter Schauer lief dem Chinesen über den Rücken. Er war es.

Ohne ein Wort verschwand der Blauhaarige mit seiner Geisel in dem schwarzen Loch, das sich daraufhin schloß.

Ren sank zu Boden. Über seine Wange rollte eine einzelne Träne.
 

"Hau ab!", zischte Ren das Reh an, welches schon seit einiger Zeit um die beiden Jungs herumschlich und immer wieder versuchte einen der beiden abzuschlecken. "Hau ab, hab ich gesagt!", keifte der Chinese noch einmal und schob den weichen Kopf des Tieres von sich. Kain hatte sich unter einen Baum gekauert, die Beine angewinkelt und seinen Kopf darauf gebettet. Er seufzte.

Das Reh gab es auf und lief zu Kain. Dessen unendlich trauriger Blick veranlasste das Reh sich neben ihn niederzulassen und ihn mit seiner bloßen Anwesenheit zu trösten.

Vorsichtig glitt Kains Hand über das weiche Fell des Tieres. Es beruhigte ihn, so wie Abels Nähe ihn oft beruhigt hatte. Er seufzte leise. Bestimmt war das Reh auch ein Bruder und konnte den Schmerz fühlen.

Als Ren merkte, dass Kain mit den Gedanken wieder bei sich war, fragte er leise: "Wo sind wir?" Doch Kain schüttelte nur den Kopf. "Wo ist die Karte?" "In meiner anderen Kleidung..." Nun war Ren es, der seufzte. Sie hatten ihre Sachen in AliBabas - Vaughns - Welt gelassen. Das Reh schnaubte und stubste Kains Hand mit seiner Schnauze an.

"Was ist mit diesem Vieh los? Rehe sind doch normalerweise nicht so zutraulich!", beschwerte Ren sich und schnaubte. "Stimmt..." Mit einem Schlag kam es ihm. "Aber natürlich, Ren! Das ist Brüderchen!" Kain ließ seine Knie sinken und sah dem Reh zu, wie es aufgeregt nickte. "Dann weiß ich, wo wir sind! Oh, Brüderchen! Weißt du, wo das Portal ist?" Wieder nickte das Reh. "Brüderchen, willst du uns helfen?"

Entschlossen stand Brüderchen auf und bedeutete ihnen ihm zu folgen. "Danke, Brüderchen, vielen lieben Dank!" Ren sah den beiden verdutzt zu, stand dann selber auf und folgte ihnen. "Brüderchen?" "Ja, kennst du das Märchen von Brüderchen und Schwesterchen nicht?" "Nein...", gab Ren wahrheitsgemäß zu, doch Kain winkte ab. "Nicht schlimm. Ich werde es dir bei Gelegenheit erzählen! Jetzt lass uns erstmal Charos und seine Herrin finden..."
 

Brüderchen führte sie zu einem Schloß außerhalb des Waldes. Begrüßt wurden sie von der Königin und ihrem Gemahl. "Brüderchen, du hast Besuch mitgebracht?", fragte die Königin verzückt und bat die beiden sogleich mit sich zu kommen. Brüderchen wurde vom König höchstselbst in den Stall gebracht.

Neugierig hörte sich die Königin ihre gesamte Geschichte an, wobei sie immer wieder höflich nickte, lächelte oder erschrocken die Hand vor den Mund hob.

"Also seid ihr nun auf der Suche nach Charos?", fragte die Königin abschließend und seufzte. Kain nickte. "Ja, das tun wir" Sie nippte an ihrem Tee, den einer der Diener vor einer geraumen Weile gebracht hatte. "Nun.. Ich kann euch nicht beistehen, Informationen jedoch habe ich für euch", sprach sie leise und sah die beiden prüfend an. "Dann bitte, Schwesterchen, gib sie uns!", flehte Kain und erwiderte ihren Blick entschlossen. Rens Blick hingegen glitt ins Nichts.

"Gut, ich will es euch sagen...", seufzte die Königin und lehnte sich zurück.

"Charos, das bedeutet in unserer Sprache 'Herr über die Toten'... Er hat die Macht die Verstorbenen zu neuem Leben zu erwecken - verdammt in einem Rabenkörper zu leben" "Also doch", fiel Ren ihr ins Wort und sah auf. "Was?", hakte Kain verwirrt nach und schluckte. Er hatte eine Ahnung, doch wirklich fassen konnte er sie nicht. "Der Rabe, der dir die Augen ausgepickt hat und mir in Vaughns Welt das Leben gerettet hat!", fuhr Ren fort und sprang auf. "Was? Leben gerettet..!?" "Das war Abel! Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass er es gewesen ist!", holte Ren weiter aus und lachte Kain an. "Dein Bruder lebt! Und er scheint sich an dich zu erinnern!"

Kains Augen weiteten sich und er war nicht im Stande etwas zu Sagen. "Das ist schön zu Hören, doch um ihn aus Charos' Klauen zu befreien, müsst ihr seine Herrin töten", riss die Königin sie wieder aus ihren Gedanken und hatte nun zwei große Augenpaare auf sich gerichtet. "Die Herrin ist das eigentliche Problem..", fuhr sie fort und räusperte sich leise, "...Sie heißt Aschenputtel und..."

"Was!?", keuchte Kain und seine Kinnlade klappte ungläubig nach unten. "Das...", stammelte er fassungslos. "Kennt ihr sie? Sie war einmal eine nette, junge Dame, doch... Etwas - oder Jemand - hat sie verändert.." Ren sah erschrocken zu Kain. Er konnte sich vage vorstellen, wie es in dem anderen vorgehen musste. "A-Aschenputtel soll...?", fragte Kain noch einmal ungläubig nach und schüttelte den Kopf. Die Königin nickte betrübt, ihr fiel auf, wie es den Jungen mitnahm.

Kains Mundwinkel zuckten wirr, er verlor die Kontrolle über sich selbst und begann zu Zittern. "Nein...", murmelte er schluchzend vor sich hin und mit einem Ruck beugte er sich zur Seite und übergab sich auf den seidenen Teppich unter seinen Füßen. Angewidert wandte die Königin den Kopf ab und seufzte. "Es tut mir Leid für euch"

"Schon okay... Irgendwann hätten wir es sowieso erfahren" Ren winkte ab und sah zu Kain. Sie kannten nun ihren Feind, also gab es keinen Grund noch länger in dieser Welt zu verweilen....
 

The End of my elenth Laughter
 

->Tanjoubi omedeto gozaimasu, Fokushi-sama!<-

Twelveth Laughter: Little Red Hiding Hood

Twelveth Laughter: Little Red Hiding Hood
 

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Die grausame Wahrheit nun wissend, begaben die zwei Freunde sich nun auf die Suche nach Charos und seiner Herrin, um so ihre geliebten Angehörigen aus deren Klauen zu befreien...

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Schwesterchen hatte ihnen das Portal gezeigt und ihnen nicht nur Proviant, neue Kleidung und neue Waffen gegeben, sie hatte ihnen auch ihre Portalkarte überlassen, damit sie sich wieder zurechtfinden konnten. Seufzend studierten die beiden nun also die Karte und Kain murmelte leise vor sich hin: "...Viereck... so viel grün... Hmm... vielleicht Rapunzel..? Nein... Wo sind wir nur?" "Suchen wir am besten jemanden, der uns weiterhelfen kann", schlug Ren vor und faltete die Karte zusammen und steckte sie ein.

Sie folgten einem unausgebauten Feldweg, in der Hoffnung schnell ein Dorf oder besser noch eine Stadt zu finden. Ren fuhr sich mehrere Male durchs Haar, welches ihm aufgrund des Rückenwindes immerwieder vors Gesicht wehte. "Verdammt, wieso hab ich das nur zugelassen!?", nörgelte er vor sich hin und versuchte seine neue Frisur zu bändigen, doch das Haar, welches nicht mehr die gewohnte Zacke formte sondern locker über seiner Schultern fallen sollte, ließ sich nicht so einfach zähmen und wehte wild umher. "Ach, ich finde die Frisur steht dir, also reg dich nicht so auf!", grinste Kain und zupfte an einer Strähne, die Schwesterchen dem Chinesen geflochten und in ein Band verstrickt hatte. "Pah! Von wegen!", entgegnete Ren genervt und bekam einen leichten Rotschimmer auf den Wangen, während er Kains Hand wegschlug. "Außerdem seh ich aus, wie ein Zuhälter in den Klamotten!" "Zuhälter..?", fragte Kain verwirrt und legte den Kopf schief. "Unwichtig...", murmelte Ren und sah zum wiederholten Male an sich hinab. Die weiße Weste an sich wäre ja nicht einmal so problematisch, wenn er nicht darunter ein enges, schwarzes Maschenhemd tragen würde und seine viel zu weit geschnittene ebenfalls schwarze Hose nicht einen so auffälligen hellen Gürtel beinhalten würde, der ein gutes Stück zu lang war und lose vor ihm herunterbaumelte.

"Naja, auf jeden Fall ist es eine relativ verlässliche Tarnung, meinst du nicht?", verteidigte Kain Schwesterchens Handeln und begann eine seiner hinteren Strähnen, die von einem Haarreif nach hinten gehalten wurden, zu zwirbeln. "Das sagst du doch nur, weil du so draufstehst wie ein Mädchen die Haare zu frisieren!", regte Ren sich weiter auf und erntete einen Schmollmund. "Von wegen! Ich meine - gut - ich mag den Haarreif wirklich, aber ich glaub meine Frisur ist längst im Eimer! Der Wind bläst die ganzen Haare nach vorne und dann hängen sie mir wieder wirr ins Gesicht..." Augenverdrehend schloß der Chinese das Gespräch, indem er einfach nichts mehr sagte. Der Andere würde sowieso immer wieder mit denselben Argumenten ankommen.

Zugegeben Rens Zacke war auffällig gewesen, doch dass seine Haare lila waren, fiel trotz gewechselter Frisur noch immer auf. Irgendwie würde er die Zeit eben durchstehen müssen, bis sie endlich Charos, Aschenputtel und den Drahtzieher hinter alle dem gefunden hatten. Eine Zeit lang herrschte Stille, der Wind hörte auf zu wehen. "Glaubst du, er lebt noch?" Rens Blick glitt zu seinem Freund und er konnte den betrübten Ausdruck erkennen, den der andere widerspiegelte. Natürlich hatte Ren ihm erzählt, wie die Krähe ihn gerettet hatte, dummerweise auch das, was er als letztes gesehen hatte. "Ich denke schon. Schließlich ist er einer von Charos' Leuten, er ist sicherlich zäh", sprach Ren, um den anderen aufzumuntern, auch wenn er sich selbst nicht sicher war, ob ein Vogel einen so harten Schlag mit einem Morgenstern überleben konnte, wo sogar Menschen an so etwas leicht starben. "Und wenn er noch lebt... Wird er mich dann wirklich erkennen?" "Bestimmt, ich bin mir sicher, er hat mir geholfen, weil er wollte, dass ich dir weiter beistehen kann" Kain lächelte; ein trauriges Lächeln. "Das passt zu ihm. Er hat sich immer um andere gekümmert, weißt du? Vorallem um mich..." Ren konnte die Tränen sehen, die langsam über Kains Wangen rollten. Er seufzte und blieb stehen, als Kain ebenfalls stehen blieb und sich die Tränen aus den Augen wischte. "'Tschuldigung... Jetzt nerve ich dich auch noch damit... Du hast ja selber genug Sorgen, HoroHoro ist ja auch noch verschwunden...", schluchzte Kain mitleidig und versuchte Ren anzulächeln. "Wir sollten keine Zeit verlieren und ihn finden!"

Überrascht riss Kain die Augen auf, als Ren ihn vorsichtig in den Arm nahm und an sich drückte. Eine seiner Hände strich durch Kains Haare und er flüsterte: "Schon okay... Ich weiß, wie du dich fühlst" Kains Lippen begannen zu beben. Obwohl Ren anfangs so gemein zu ihm gewesen war, spürte er nun, dass der Chinese ihm endlich vertraute und ihn als seinen Freund ansah. Wieder strömten die Tränen über seine Wangen und verzweifelt klammerte er sich an den Kleineren und weinte sich an dessen Schulter aus.

Als die beiden sich wieder voneinander lösten konnte Kain in Rens Augenwinkeln ein schwaches Glitzern ausmachen, doch der Chinese drehte sich zu schnell weg, als dass er sich wirklich sicher sein konnte, dass es Tränen waren, die sich dort angesammelt hatten. "Wir sollten weiter" Kain nickte. Ihnen konnte nicht mehr viel Zeit bleiben, sein Gefühl verriet ihm dies.
 

Zu allem Übel führte sie der Weg nicht in die Stadt sondern an eine Waldlichtung. Zwischen den Bäumen entdeckten sie eine junge Frau, die die beiden zu sich winkte. "Ihr seht stark aus, wollt ihr mir nicht helfen?", fragte die junge Frau freundlich lächelnd, "Mein Gartentor ist umgefallen und ich bin zu schwach, um es zu reparieren..." "Keine Sorge, wir helfen dir gerne!", bot Kain sich an und stieß Ren an der Schulter an. "Nicht wahr?"

Die Frau nickte dankbar und deutete hinter sich in den Wald. "Folgt mir, meine Hütte steht hinter den Bäumen. Ich bin noch nicht lange Waise... Und kann noch nicht so gut alleine..." Sie drehte sich auf dem Absatz um und lief zwischen den Bäumen entlang, dicht gefolgt von Kain. Ren aber blieb stehen. "Geht schonmal vor, ich komme gleich nach", rief er ihnen noch nach und ließ seinen Blick zwischen den Baumwipfeln über seinem Kopf schweifen. Das Grinsen auf dem Gesicht der Frau blieb ihm verborgen.

"Hier ist es...", sprach die Frau unnötigerweise und deutete auf eine Hütte, die umrandet war von einer kleinen Mauer, deren Gartentor auf dem Boden lag. "Keine Sorge, das haben wir gleich!", prahlte Kain und spuckte sich demonstrativ in beide Hände. Dass Ren hinterherkommen wollte, hatte ihn zwar stutzig gemacht, doch ihm kam keine Idee, wieso der Chinese dies getan hatte. Er beugte sich und hob das Tor an. "Uff!", presste er hervor und wollte das Tor wieder aufstellen, als..

"Oh, nein! Verdammte Scheiße..." Seine Hände klebten daran. So sehr er auch daran zog und rüttelte, er bekam sie einfach nicht frei. "Was soll das?!", entfuhr es ihm leicht panisch und er starrte die Frau ungläubig an. "Haha! Du bist darauf hereingefallen, du Narr!", lachte sie ihm entgegen und verbeugte sich höflich. "Gestatte mir dein Gesicht meiner Sammlung hinzuzufügen und du bist frei!"

Kain verdrehte entnervt die Augen. Hätte er bloß mal nachgedacht, dann wäre ihm sicherlich früher eingefallen, in welcher Welt sie sich nun befanden. "Lass mich raten... Ich wäre dein dreitausenddreihundertdreiunddreißigstes Gesicht..?", stöhnte Kain genervt und zuckte überrascht, als sie den Kopf schüttelte. "Nein, du bist mein dreitausenddreihundertzweiunddreißigstes Gesicht! Aber dein Freund wird mein dreitausenddreihundertdreiunddreißigstes Gesicht!" Das siegessichere Grinsen des Jungen ließ die Frau stutzig werden. "Was ist? Du glaubst doch wohl nicht, dass du mir entkommen kannst..?" "Nein, ich nicht, aber Ren hat den Braten sicher längst gerochen und hat sich aus dem Staub gemacht!"

Doch genau in diesem Moment kam ein sichtlich verwirrt dreinblickender Chinese aus der Wand aus Bäumen. "Wer hat was gerochen?", fragte er ratlos und lächelte. "Ach, niemand, nichts, das war nur so dahingesagt!", winkte die Frau schnell ab und deutete auf das Tor. "Kannst du ihm schnell helfen..?" Ren nickte. "Warte, Ren! Sie will uns unsere Gesichter stehlen! Ich bekomme meine Hände von dem Tor!", versuchte Kain noch den anderen zu warnen, doch dieser starrte ihn nur verwirrt an und zuckte mit den Schultern. "Hä? Was meinst du denn damit? Ist es so schwer, dass du es nicht mehr absetzen kannst, ohne dir die Finger einzuklemmen?" "Nein, verdammt! Sie will uns die Gesichter abziehen und ihrer Sammlung hinzufügen!"

Eine Augenbraue des Chinesen schoß in die Höhe. "Aha... Als ob!", lachte er dem anderen ins Gesicht. "Sowas geht doch gar nicht! Außerdem, sieh sie dir doch mal an! Sie kann doch gar nicht so einen großen Zauber bewirken!", entgegnete Ren zu dem Leidwesen der Frau, die empört die Hände in die Hüfte stemmte und ihre Backen aufplusterte. "Hey, was soll denn das jetzt heißen!?", fauchte sie aufgebracht, "Ich kann das sehr wohl!"

"Beweis es mir!", forderte Ren keck. "Gut, erlaube mir dir das Gesicht abzunehmen, um es dir zu beweisen", konterte die Frau siegessicher. "Gerne, aber warte... Wenn du mir mein Gesicht nimmst, so kann ich ja nicht sehen, was du tust... Bitte gib mir etwas von deiner Macht und lass mich dir Kains Gesicht abnehmen, sodass ich dir danach mein eigenes mit eigenen Händen überreichen kann!", schlug Ren vor und lächelte. Kains Augen weiteten sich. Er verstand sofort.

Die Frau überlegte einige Momente, ehe sie Ren für so naiv befand, dass er niemals in der Lage wäre auf Hintergedanken zu kommen. "Gut, so halte sein Kinn und seine Stirn", befahl sie ihm, was Ren sofort tat. "Kain, wärst du so freundlich mir dein Gesicht zu überlassen?", fragte Ren lächelnd, woraufhin dieser nickte. Ein Grinsen zierte das Gesicht der Frau. "Gut so! Und nun sage 'Ich befreie dich aus deinem Gefängnis, du Bildnis deinerselbst'", wies sie ihn an und sah aufgeregt dabei zu, wie Ren dem anderen das Gesicht abzog. Kains Hände lösten sich nahezu gleichzeitig wieder von dem schweren Tor und es fiel klappernd zu Boden.

"Gut, gut, gut! Gib es mir, schnell!" Mit beiden Armen winkte sie Ren zu sich heran. Als Ren jedoch direkt vor ihr stand, grinste er sie nur an, warf das Gesicht zu Kain, der zwar keine Augen mehr hatte, sein Gesicht jedoch problemlos auffangen konnte. "Was...?", fragte die Frau genau in dem Moment, indem Ren seine Hände an ihrer Stirn und ihrem Kinn platzierte und sagte: "Ich befreie dich aus deinem Gefängnis, du Bildnis deinerselbst!"

Ehe sichs die Frau versah hatte Ren ihr Gesicht in seinen Händen; Kain und er staunten nicht schlecht, als darunter ein zweites Gesicht zum Vorschein kam, das eines jungen Mädchens. "Oh, danke!", rief das Mädchen überglücklich, "Ihr habt mich endlich von diesem Fluch befreit! Hätte diese böse Hexe alle dreitausenddreihundertdreiunddreißig Gesichter gesammelt gehabt, so hätte es für mich keine Rettung mehr gegeben..."

Gerade als Ren sie fragen wollte, was nun aus den anderen Menschen und ihren Gesichtern werden würde, liefen aus allen Himmelsrichtungen gesichtslose Menschen heran, als hätten sie gespürt, dass die Zeit nun gekommen war sich wieder mit ihrer Erscheinung zu vereinigen. Auch Kain trug sein Gesicht wieder und grinste gewohnt breit.
 

"Ich möchte mich noch einmal im Namen von allen bei euch bedanken", sagte der Brügermeister und schüttelte den beiden die Hände. Sein Händedruck entsprach seiner Erscheinung: stark, streng und sehr überzeugt. Ren schüttelte nur den Kopf, während Kain breit grinsend antwortete: "Ach, das war doch ein Klacks! Wir haben dauernd mit solchen Leuten zu Tun!"

Das junge Mädchen saß neben einem anderen Mädchen, das ein gutes Stück größer war als sie selbst und Ren zuerst für einen Jungen gehalten hatte. Ihr schien es gut zu gehen, denn sie redete aufgeregt auf das andere Mädchen ein, das immer wieder lachte, oder ihr Gegenüber einfach anlächelte, während sie erzählte. Auffällig war das Haarezwirbeln, welches jedes Wort der Kleineren untermalte.

Seufzend sah sich der Chinese um. Alle Bewohner der Stadt hatten sich in der großen Festhalle versammelten, um die Befreiung ihrer Gesichter zu feiern. Unnötig zu erwähnen, dass die Opfer aus anderen Städten dies in ihrer eigenen Heimat taten, denn sonst hätte der Platz niemals ausgereicht sie alle unterzubringen und zu verpflegen. Junge, Alte, Männer und Frauen, alle saßen sie beisammen und quasselten aufgeregt durcheinander. Mittlerweile sprach Kain nicht mehr mit dem Bürgermeister, sondern mit seinem Sohn oder zumindest einem anderen hochangesehenen Bürger der Stadt. Die Kleidung des Mannes jedenfalls ließ Ren darauf schließen, sie ähnelte der des Bürgermeisters, allerdings nicht nur was den Wert anging sondern auch im Muster.

"Ja, das Gerücht ist sogar schon bis zu uns vorgedrungen... Sicher ist, dass es sich dabei um eine Frau handelt! Wieso? Naja, allein ihre Vorgehensweise erinnert stark an eine Frau, außerdem gibt es Augenzeugen, die aussagen eine Gestalt in einem Kleidchen gesehen zu haben. Wie dem auch sei, sicher ist, dass ihr zu Rotkäppchen müsst - Wenn ihr mich fragt, ich sage ja, dass sie hinter alle dem steckt, schließlich plant sie schon seit Jahrhunderten ihre krummen Dinger! Gut, eigentlich immer Mädchenstreiche, aber ich sags euch, die hat das Potenzial dazu!", erzählte der Mann aufgeregt und Kain hörte ihm interessiert zu. Na wenigstens schien Kain es sich nicht nehmen zu lassen ein paar Informationen zusammenzusammeln.

"Okay, danke für den Tipp. Kannst du mir denn auch sagen, wo das nächste Portal ist?", fragte Kain und lächelte. "Hm... Ich nicht, aber meine Schwester kann dir das sagen" Schon pfiff er und Kain staunte nicht schlecht, als die beiden Mädchen, die eben noch ins Gespräch vertieft waren zu ihnen kamen. Das größere der beiden antwortete: "Ja, Brüderchen, was ist?" "Kannst du den beiden mal bitte das Portal zeigen?"

Es war nicht einmal annähernd so weit weg, wie die beiden es angenommen hatten, nachdem sich das kleinere der beiden Mädchen über den langen Fußweg beschwert hatte. Sie erreichten es noch ehe die Sonne den Horizont berührte. "Wenn ihr hier hindurch geht, gelangt ihr direkt in die Welt von Rotkäppchen. Diese Verbindung ist hier schon seit Jahren. Aus irgendeinem Grund ändert sie sich nicht... Naja, praktisch für euch, so wisst ihr genau, wo ihr landet, ohne eine Portalkarte zu besitzen", erklärte die Größere und lächelte. "Naja, wir hätten ja eine Portalkarte, aber das Lesen...", murmelte Kain vor sich hin, winkte aber ab, als die beiden Mädchen sie verwirrt ansahen. "Auch gut, dann sollten wir los"

"Wartet!", rief eine fiepsige Stimme und als die vier sich umsahen, lief ein kleiner Junge auf sie zu. "Ihr solltet nicht gehen!", rief er panisch und fuchtelte mit seinen Armen. "Unheil erwartet euch auf der anderen Seite! Verrat und Tod werden eure stetigen Begleiter sein! Ihr dürft dieses Portal nicht passieren!" Der Junge, Ren schätzte ihn auf sieben oder acht Jahre, hüpfte aufgeregt von einem Bein aufs andere und stellte sich zwischen sie und das Portal. Er schüttelte energisch den Kopf, als Kain ihm bedeutete zur Seite zu gehen. "Ihr werdet sterben!" "Michael, jetzt erzähl' den beiden doch nicht so einen Unsinn!", beschwerte sich das kleinere Mädchen und zog den Jungen sichtlich genervt zur Seite. "Wie oft soll ich dir denn noch sagen, du sollst nicht solche Märchen herumerzählen?!", schimpfte sie weiter mit ihm, doch er machte nur große Augen und schüttelte erneut den Kopf. "Aber es ist doch wahr!"

"Es mag sein, dass es wahr ist...", fing Ren an und seufzte. "...Doch gehen wir trotzdem. Wir müssen nämlich diejenigen retten, die wir lieben. Das verstehst du doch, oder?", beendete Kain lächelnd den Satz und klopfte Ren auf die Schulter. Dieser nickte zustimmend. "Aber... Aber ihr müsst auch unversehrt wieder zurückkommen, versprochen?" "Versprochen"

Die beiden sahen nicht zurück, als sie durch das Portal gingen, sie wussten, dass sie nicht wieder kommen würden. Alles was sie wollten, war diesen Alptraum endlich hinter sich zu lassen.
 

"Wenn ich wieder in meiner Welt bin, will ich nie wieder einen Wald sehen...", nörgelte Ren vor sich hin und sah sich entnervt die Bäume um sich herum an. Hier und da blitzten gierige Augen auf, die sie beobachteten.

"Sag mir das nicht! Ich lebe in einem Wald... Und langsam habe ich auch die Schnauze voll davon...", stimmte Kain mit ein und seufzte. Die Krähen saßen seit ihrer Ankunft in den Baumwipfeln und ließen sie nicht aus den Augen. "Was glaubst du? Werden die noch lange untätig rumsitzen?", fragte Kain und nickte über ihre Köpfe. "Das werden wir wohl bald wissen...", antwortete Ren nur, während er sich mit dem Schwert einen Weg durchs Dickicht schnitt.

Sie schafften tatsächlich noch gute hundert Meter, ehe die Raben laut krächzend davon flogen. Stirnrunzelnd liefen die beiden weiter und erblickten plötzlich eine einzelne Krähe am Boden vor ihnen. Ihre Augen blitzten feindselig auf und Ren war sich sicher, dass es die Krähe namens Charos sein musste. "Aitakatta (Ich habe euch sehen wollen)", krächzte das Tier und putzte sich frech die Federn. "Sag mir, Charos, was hast du mit meinem Bruder gemacht!?", rief Kain aufgebracht und wollte auf das Tier stürzen, doch Ren hielt ihn zurück. "Beherrsch dich!"

Charos lachte. "Lass ihn ruhig... Ich mag es, mich an der Verzweiflung zu laben... Dein Bruder... Vielleicht wirst du ihm ja bald begegnen", grinste die Krähe und schnappte ein paar Mal kampfeslustig in die Luft. "Gib mir sofort meinen Bruder wieder!" "Nun gut... Ich habe heute meinen guten Tag, besiege mich und ich werde deinen Bruder aus meinen Diensten freigeben. Verlierst du allerdings, so musst du dich in meine Dienste begeben. Einverstanden?", krächzte der Rabe und flatterte aufgeregt mit den Flügeln. "Lass dich nicht auf sowas ein, Kain!", riet Ren dem anderen noch, doch dieser hatte längst aufgehört zu denken, er nickte nur.

"Ich werde dich töten"

Vor ihren Augen wuchs die Krähe heran, ihre Flügel verformten sich zu menschlichen Armen, die Federn zogen sich ein und wurden zu Haut und den darunterliegenden Muskeln. Die sonst schwarzen Augen bekamen einen matten grauen Schein und aus den Krallen wurden lange, schlanke Beine, bedeckt von einer schlichten schwarzen Hose. Einzig in den langen schwarzen Haaren befanden sich noch einige Federn, die sich allerdings bis auf eine lösten, als Charos den Kopf schüttelte. Er grinste.

"Du bist ein Mensch...?", fragte Ren überrascht und starrte den Jungen vor sich an. Charos schien wie Kain körperlich ohne Alter zu sein, denn seine Erscheinung war die, eines sechzehnjährigen, nicht die eines viel älteren, grausameren Wesens. "Mensch, Rabe.. Wo ist da schon der Unterschied?", entgegnete Charos, wobei seine Stimme zum ersten Mal nicht krächzte wie die eines Tieres. "Aber wenn du es genau wissen willst - Ich bin weder das Eine noch das Andere. Ihr würdet mich wohl am ehesten noch als einen 'Gott' bezeichnen... Schließlich bin ich der Herr der Toten. Eine einzige Berührung der Leiche genügt und sie erhält von mir und für mich ein neues Leben" "Gefangen in einem Rabenkörper!", schrie Kain aufgebracht und wollte erneut auf ihn stürzen, wurde jedoch erneut von Ren zurückgehalten. "Ach", winkte Charos genervt ab, "Gefangen, wie das klingt! Meine Schützlinge lieben ihre vogelfreie Gestalt! Durch mich jedoch können sie auch ihre menschliche Gestalt wieder annehmen, so wie ich es selbst kann", erklärte Charos lächelnd und hob eine der Federn vom Boden auf. Als er sie zwischen seinen Fingern drehte und wendete, fing sie schwach an zu leuchten, ehe ihre Form verschwamm und sich ein Katana daraus bildete.

"Genug geplaudert, wir wollten doch Kämpfen!"

Dem Chinesen gefiel es gar nicht seinen Freund alleine kämpfen zu lassen, doch dieser bat ihn darum, damit sein Bruder auch wirklich die Freiheit erlangen konnte. Er ließ Charos nicht aus den Augen, griff aber auch nicht in das Geschehen ein. Anfangs hatte er auch keinerlei Grund dazu. Kain konnte den Angriffen seines Gegners mit Leichtigkeit ausweichen, verbrauchte wenig Kraft für seine eigenen Angriffe und schaffte es sogar Charos' Haare eine Ecke zu kürzen. Dies jedoch hatte dem Überwesen nicht gefallen, denn schon kurz darauf waren dessen Angriffe immer schneller und härter gekommen.

Ren biss sich auf den Daumennagel und kaute daran. Kain wurde immer weiter in die Ecke gedrückt, Charos schien mit einem Mal überall zu sein. Mit der Zeit konnte Kain nichts weiter tun, als zu parieren und zu hoffen nicht getroffen zu werden. Irgendetwas kam dem Chinesen Spanisch vor. Sobald sich Charos in das Dickicht oder Geäst der Bäume um sie herum zurückzog, schoß er blitzschnell wieder daraus hervor und griff erneut an - aus einer anderen Himmelsrichtung.

"Kain!", rief Ren und zückte sein Schwert. "Blei-b weg!", keuchte dieser jedoch nur und drehte sich in diesem Moment zur Seite, um einem von Charos' Hieben auszuweichen. "Aber Kain!", rief Ren erneut, erntete aber nur einen böse Blick des anderen.

Charos nutzte diesen Moment, um auf ihn zuzustürzen - Kain schaffte es gerade so noch seine Klinge zwischen sich und das Katana zu bringen, rammte seine Ferse in den Boden, um seinen Halt wahren zu können und stemmte sich mit aller Gewalt gegen die Waffe des anderen. "Das ist dein Ende", flüsterte Charos grinsend und Kain registrierte verwirrt, dass Charos' Blick nicht ihm galt, sondern etwas in seinem Rücken.

Metall kreischte auf und erschrocken sah Kain über seinen Rücken zurück. Er konnte erkennen, dass Ren direkt hinter ihm stand, sein Schwert erhoben und sich eines weiteren Katanas erwehrend. Sein Gegner war kein geringerer als...

Charos?

Kain hatte nicht genug Zeit sich den zweiten Angreifer genauer anzusehen, doch er war sich sicher, dass er genauso aussah, wie der Junge, gegen den er selbst kämpfte. "Ihr seid Zwillinge", presste Ren hervor und drückte sein Gegenüber mit aller Gewalt zurück, sodass dieser gezwungen war nach hinten zu stolpern, um nicht zu fallen. "Zwillinge?" Die beiden grinsten so gut wie identisch. "Darf ich vorstellen? Ich bin Chaos", erklärte Kains Gegenüber argwöhnisch und sprang zurück. Schnell erlangte Kain sein Gleichgewicht wieder, nachdem er nach vorne gestolpert war, aufgrund des fehlenden Gegengewichtes. "Chaos?", hakte Kain noch verwirrter nach und drehte sich um. Charos grinste ihn ebenso frech an wie sein Bruder. "Was spielt ihr hier für ein Spiel?!", fauchte Ren und drehte sein Schwert in seiner Hand. "Charos hat Kain einen Kampf Mann gegen Mann versprochen!"

"Das tut uns jetzt aber Leid, dass das nicht geklappt hat...", antwortete Chaos lippenschürzend und lachte dann. "Als würde ich meinen Bruder alleine kämpfen lassen! Naja, bis du ihm die Haare abgeschnitten hast, hast du auch nur gegen ihn gekämpft, aber die Haare? Nein, das war wirklich nicht nett... Da musste ich eingreifen" Kain schnappte nach Luft. "Was!? Wegen diesen blöden Haaren!?" "Die sind nicht blöd! Weißt du eigentlich wie schwer es ist, sich die Haare so lang wachsen zu lassen und sie dann auch dementsprechend zu pflegen!?", keifte Chaos zurück und schnaufte verächtlich.

"Ich hätte wohl besser dich ausschalten sollen, anstatt deines Bruders, der hätte mich jetzt garantiert verstanden!", fügte Chaos nach einer kurzen Pause grinsend hinzu und schulterte sein Katana. "Was willst du damit sagen...?" "Na, was wohl? Natürlich, dass ich deinen geliebten Bruder damals umgebracht habe", antwortete Chaos verächtlich und deutete auf seine langen Fangzähne. "Gebissen habe ich ihn!"

Mit einem Mal explodierte die Wut in Kain und er schaffte es nicht mehr nachzudenken, er sprengte auf Chaos zu und attackierte ihn mit allem, was er noch besaß. "Kain!" Selbst Rens Rufe halfen nichts, er war gefangen in seiner Agonie. "Tja, nachdem der Gute tot war, konnte ich ihn leicht wiederbeleben - als meinen Handlanger versteht sich", erklärte Charos ruhig und sah den beiden kämpfenden zu. Chaos hatte klar die Überhand. "Sein Gift schleicht sich langsam durch den Körper seines Gegners und binnen einiger weniger Stunden stirbt das Opfer qualvoll"

"Also seid ihr ein perfektes Team?", fragte Ren nach und drehte sich wieder zu Charos. Natürlich musste er Kain irgendwie helfen, doch es würde nichts bringen, einfach ins Kampfgeschehen einzugreifen, schon allein, weil er nicht sicher sein konnte, dass Kain ihn überhaupt noch erkannte. "Team?" Charos lachte hohl auf. "Zweckgemeinschaft trifft es wohl eher. Wir sind weder Mensch noch Tier, wir leben nur für unsere Oujo-sama" "Aschenputtel?" "Ja, für sie. Oujo-samas Wunsch ist es, dass alle ihre Feinde sterben und viele ihr untergeben sind. Gemeinsam können wir Oujo-samas Wünsche erfüllen, du verstehst?"

Ren verstand nur zu gut.

"Was hälst du dann davon, wenn wir die beiden alleine kämpfen lassen und du mit mir vorlieb nimmst?", forderte Ren den anderen heraus und erhob seine Klinge wieder. "Von mir aus gerne, was mein Bruder macht, geht mich nichts an" Ihre Schwerter sprühten Funken, als sie aneinander gerieten und abrutschten. Auf Rens Wange brannten sich einige der kleinen Funken schmerzhaft in seine Haut, doch er ignorierte es. Mit einer Drehung konnte er die Wucht von Charos' Schlag weiter abfedern und seine eigene Vorwärtsbewegung ausnutzen, um hinter dem anderen zu stehen. "Hier bin ich!", keuchte Ren und stach nach Charos' Rücken. Da dieser jedoch schnell genug reagieren konnte, streifte er nur dessen Arm, schaffte dies aber an einer Stelle, die es ihm unmöglich machte den Arm weiterhin zu benutzen, um sein Schwert zu führen. Nun musste Charos mit seinem rechten Arm allein ausharren.

"Nicht schlecht", murmelte Charos leicht säuerlich und schwang das Schwert vor seinen Augen hin und her. "Aber so leicht bin ich nicht umzubringen" "Und ich habe noch gar nicht richtig angefangen", konterte Ren und setzte ihm nach. Hieb um Hieb drängte er den anderen zurück und zwang ihn dazu sich immer öfter zu verteidigen, ohne selbst zum Angriff zu kommen.

Kain hatte sich noch immer nicht gefangen, griff aber immer bedachter an, was nicht zuletzt daran lag, dass ihm langsam die Puste auszugehen drohte und er aufpassen musste, denn schließlich wollte er nicht sterben, ehe er nicht seinen Bruder gerächt und befreit hatte. Chaos jedoch hatte bisher nicht eine einzige neue Schramme.

"Soll ich dir sagen, wie ich deinen Bruder getötet habe?", fragte er hämisch. "Halt's Maul!" "Ich versprach ihm Macht. Macht, die du nie haben würdest", führte Chaos aus, während er weiter den plumpen Angriffen seines Gegenübers auswich. Er hielt es nicht einmal für nötig selbst anzugreifen. "Eine Macht, mit der er in der Lage sein würde, seinen heißgeliebten Bruder vor allem zu beschützen, was ihm schaden könnte..."

Schmerzerfüllt schrie Chaos auf. Kains Schwert hatte sich in seine Seite gebohrt und knapp über der Hüfte ein klaffendes Loch hinterlassen, als Kain sie wieder herausgezogen hatte. "Ich werde dir niemals verzeihen, was du meinem Bruder angetan hast!", schrie Kain mit Tränen in den Augen und stürzte sich weiter auf Chaos. Dieser schlug nun zurück.

Charos nutzte noch immer nur seinen rechten Arm, schaffte es nun jedoch sich stattlich zur Wehr zu setzen und konnte so verhindern von Ren gegen einen der umstehenden Bäume gedrückt zu werden. "Weißt du, was ich an dir schon immer gemocht habe?", fragte Charos grinsend, während er einen Schwerthieb parierte und dem Gesicht des Chinesen ganz nahe kam. "Deine Augen erinnern mich an eine Katze..." Ren stieß ihn angewidert mit der bloßen Hand zurück und sah zu, wie Charos kurz taumelte, jedoch stetig grinste. "Eine Katze, die einen armen Raben jagt"

Um Rens nächstem Angriff auszuweichen, machte Charos wieder einen Satz nach hinten, jedoch bemerkte er den Baum, der hinter ihm stand zu spät - er knallte mit dem Hinterkopf dagegen und fiel benommen zu Boden. Sein Schwert glitt ihm aus der Hand und er sah nur desorientiert in Rens Gesicht, als dieser sich vor ihm postierte und leise murmelte: "Und am Ende erlegt die Katze ihre Beute"

Charos Augen weiteten sich, Blut spritzte zu allen Seiten und bedeckte sein Gesicht. Er bekam keinen Laut heraus. Tränen sammelten sich in seinen Augen. "Was tust du da...?", hauchte Charos fassungslos und starrte auf den blutverschmierten Rücken, der ihm die Sicht versperrte. Langsam richtete Chaos sich auf - Rens Schwert steckte noch immer in seiner Brust. "Versprich mir, dass du..." Charos hörte ein röchelndes Husten "...auf Oujo-sama Acht gibst..." Chaos' Hände legten sich um die Klinge, die sein Herz durchstach und zog sie weiter in sich hinein, um am Schaft anzugelangen und so direkt bei Ren zu stehen. Der Chinese war so erschrocken, dass er nicht in der Lage war irgendetwas zu machen. Ein Grinsen umspielte Chaos' Lippen und Ren riss seine Augen auf, als sein Kopf zur Seite gerissen wurde und sich zwei scharfe Fangzähne in sein Fleisch bohrten. Er schrie gequält auf.

Mit der Faust schlug er Chaos in den Magen und sah zu, wie dieser zu Boden sank und sich nicht mehr rührte. Blut floß Rens Kehle hinab und er atmete stoßartig ein und aus. Die Wunde brannte wie Feuer. "Ren! Ist alles in Ordnung!?", schrie Kain aufgebracht - er stand ungefähr zehn Meter von ihnen entfernt und starrte nur ungläubig. Ren antwortete nichts.

Erst Charos' Schrei holte ihn aus seiner Starre zurück. Erschrocken sah er zu Boden, wo Charos sich längst über den Leichnam seines Bruders gebeugt und ihn in den Arm genommen hatte. "Du Mörder! Du hast meinen Bruder getötet!" Tränen flossen an seinen Wangen hinab und seine hasserfüllten, grauen Augen blickten tief in Rens. "Dafür werdet ihr bezahlen!"

Ein Krächzen ertönte, doch statt der erwarteten Krähenarmee flog nur eine einzelne Krähe an und segelte direkt vor Kain zu Boden. In dem Moment, indem Ren von dem Vogel abgelenkt war, stand Charos auf und hob seinen Bruder auf seine Arme. "Mal sehen, ob ihr seinen Bruder auch so einfach töten könnt" Ehe Ren ihn aufhalten konnte, rannte Charos davon - nicht schnell, doch der Chinese war nicht in der Lage ihm zu folgen. Er starrte gebannt auf den Raben.

"Abel..?", fragte Kain leise und seine Mundwinkel begannen zu zucken. "Du bist es, hab ich Recht?" Die Krähe sah ihn einige Momente lang an, ehe mit ihr dieselbe Verwandlung von Statten ging, wie Charos sie vor wenigen Minuten erst durchgemacht hatte. Zum Vorschein kam ein Junge, der Kain wie aus dem Gesicht geschnitten war, mit den einzigen Unterschieden, dass die Haare des anderen viel ordentlicher zurechtgekämmt waren und an manchen Stellen hatte er noch Auswüchse von Federn und Flügelstummel.

"Ren...? Überlass das mir... Rette du HoroHoro, dann rette ich meinen Bruder" Ren zögerte, nickte dann jedoch stumm und verschwand in genau die Richtung, in die Charos eben noch geflohen war.
 

Er rannte weiter. Durch die vielen Bäume, Büsche und Sträucher. Seine Lungen brannten, doch langsamer konnte er nicht werden. Charos war aus seinem Blickfeld verschwunden, doch er konnte seine Bewegungen noch nachvollziehen anhand der Blätter und Äste, die Charos auf seiner Flucht berührte. Sein Hals schmerzte höllisch.

Ihm war klar, dass er ihn auf keinen Fall verlieren durfte, es wäre nicht nur sein und Kains Ende sondern genauso HoroHoros. Der Weg führte den Chinesen zu einer Hütte. Die Tür knallte gerade zu, als Ren in Sichtweite kam. Jetzt hatte er ihn! Bevor Ren jedoch in der Lage war die Hütte zu erreichen, stellte sich ihm jemand in den Weg...
 

"Hör mir doch zu, Abel!", rief Kain und wich noch weiter zurück. Sein Bruder stand gut geschätzte zehn Meter von ihm entfernt und blickte ungläubig auf sein Schwert, von welchem einzelne Tropfen flossen.

"Wir müssen nicht kämpfen!", versuchte Kain es weiter, doch Abels einzige Reaktion darauf war es, sein Schwert wieder auf seinen Bruder zu richten und zu Grinsen.

"Oujo-sama wa... (Meine Herrin...)", murmelte Abel und stürzte auf Kain. "...anata ga koroshitai (will, dass du stirbst)!" Erschrocken wich Kain der Klinge aus, die sich nach seinem Gesicht streckte und stieß seinen Bruder zu Boden, als dieser an ihm vorbei torkelte.

"Abel! Ich will dir nicht wehtun!", schrie Kain verzweifelt und sank neben Abel auf die Knie. Er riss seinen Bruder ebenfalls hoch auf die Knie und umarmte ihn so fest er konnte. Tränen rannen über Kains Gesicht.

"Es tut mir so Leid, Brüderchen! Ich hätte viel besser auf dich aufpassen müssen!", schluchzte Kain und küsste seinen Bruder auf die Wange.

Seine Hände verkrampften sich in Abels Haut und seine wirr abstehenden Federn, die mittlerweile das einzige waren, das Kain von Abel unterschied.

Auch Abel hatte nun begonnen zu weinen, erwiderte die Umarmung allerdings nicht. Doch Kain drückte ihn nur umso fester an sich. "Abel! ... Abel, hör mir zu! Du musst nicht tun, was sie von dir wollen! Du bist stärker, als diese Bastarde!"

"Sou... kamoshiremasen... (Ja... Vielleicht...)", flüsterte Abel leise und schloss einen Arm fest um seinen Bruder. Kain lächelte unwillkürlich und atmete erleichert schniefend durch. "Ich hab dich lieb, Bruder"

Kain konnte nichts mehr tun, als Abel sein Schwert erhob und zustach....
 

Ren musste nicht wirklich gegen das Mädchen kämpfen, das sich ihm in den Weg gestellt hatte, sondern vielmehr gegen die Übermacht Krähen, die sich immer und immer wieder auf ihn stürzten, egal wie vielen er den Kopf, die Flügel oder sonstige Körperteile abhackte. Es war nicht so, dass die Krähen dem Chinesen wirklich etwas entgegensetzten, mit der Zeit jedoch begannen Rens Kräfte erheblich zu schwinden.

All die bisherigen Kämpfe zeigten sich nun unbarmherzig in der Ausbeutung von Rens Durchhaltevermögen und der zusätzliche Schmerz, der seinen Nacken nahezu ersteifen ließ, machte die Sache auch nicht gerade besser. Wie lange er wohl noch haben würde?

"Du wirst sterben, genau wie die anderen!", rief Aschenputtel ihm lachend zu. "Selbst wenn du meine Krähen besiegen kannst, Chaos hat dich längst zum Tode verurteilt!" Selbst wenn er hätte antworten wollen, blieb Ren weder die Zeit noch der Atem dies zu Tun. "Ist es nicht schön zwei so kompetente Handlanger zu haben? Chaos, den Herrn über das Leben, der es jedem beliebigen Wesen durch einen einzigen Biss rauben kann und Charos, den Herrn über den Tod, der jedem beliebigen Wesen ein neues Leben schenken kann, durch eine einzige Berührung. Wirklich, fantastisch!" Rens Gedanken konzentrierten sich nur noch auf eines: Überleben.

Die Übermacht schien endlich zu schrumpfen. Wie viele Anhänger Charos sich auch geschaffen hatte, Ren lebte noch. Eine der übriggebliebenen Krähen stieß Ren von hinten zu Boden. Erschrocken landete er mit dem Gesicht im Dreck und verlor sein Schwert aus der Hand.

Wieder konnte er Aschenputtels hämisches Lachen hören. Kraftlos schob Ren sich auf seinen Rücken und schlug dem Raben, der sich bereits erneut auf ihn stürzte, mit einem Stein den Kopf ein. Für einen Sekundenbruchteil schickte Ren ein Stoßgebet in einen Himmel, an den er nicht glaubte, an einen Gott, dessen Existenz er bezweifelte, für den Stein, der unmittelbar neben seinem Gesicht im Boden gesteckt hatte, an den er in diesem Moment zu glauben gelernt hatte.

Der letzte Rabe krächzte erbost auf und machte sich an Rens Bein zu schaffen. Dieser kreischte gequält auf und trat nach dem Vogelvieh, was jedoch misslang. "Ja! Genau so sieht die Rache aus!", schrie Aschenputtel ihm entgegen.

Das Schwarz seiner Hose färbte sich blutrot und der Schmerz ging immer tiefer und tiefer. Ren hielt es nicht mehr aus. Mit einem Ruck riss er die Krallen und den Schnabel aus seinem Fleisch heraus - noch einmal kreischte er in nackter Pein auf - und nutzte den Moment, um sich herum zu werfen und mit letzter Kraft zu seinem Schwert zu kriechen. Als die Krähe wieder an seinem Bein saß und diesesmal die Wade aufpickte, schrie Ren wieder auf und schlug in der Drehbewegung mit dem Schwert auf den Kopf des Tieres. Erneut durchzuckte den Chinesen eine Woge des Schmerzes und er schrie nocheinmal auf, als sich das Metall in sein Fleisch biss und das Blut der Krähe sich in seine Wunde fraß.

"Was...?!", keuchte Aschenputtel aufgeregt und stolperte zurück. Ihre Armee war vernichtet. "Ha...!", presste Ren schmerzverzerrt grinsend hervor und richtete sich mühsam, auf sein Schwert gestützt, auf. Angewidert schob er den Rabenkadaver von sich und sah Aschenputtel herausfordernd an. "Was willst du jetzt tun?", fragte er mit wackeliger Stimme. Die Angesprochene wich zurück bis an die Hauswand und fluchte vor sich hin: "Allein gelassen bin ich! ... Habe allen vertraut und wurde hintergangen! Freunde wurden Feinde... Untergebene sind einfach weg, Chaos ist tot, Charos hat mich im Stich gelassen... Allein bin ich! Und sie, der ich nun als letztes noch vertraut habe, will nicht herbeieilen zu meiner Rettung... Ich bin verloren!"

Humpelnd ging Ren auf das Mädchen zu, während dieses mehr zu sich selbst als zu ihrem Gegenüber sprach. Schmerz durchzuckte Rens Bein und sein Nacken begann wieder fürchterlich zu brennen - das Mal breitete sich unaufhaltsam weiter aus. Sie wimmerte leise. Als Ren seine Klinge gerade an Aschenputtels Hals legen wollte, um aus ihr herauszuholen, wo HoroHoro sich befand, nahm eine handähnliche Kralle die Klinge plötzlich in die Hand.

"Sawaru na... Ore no oujo-sama wo (Nimm deine Pfoten... Von meiner Herrin...)", zwischte Charos ihn böse an und drückte ungeachtet des frischen Blutes, das floß, weiter zu, sodass die Klinge in sein Fleisch schnitt. Seine Augen schimmerten matt, Ren erkannte, dass der andere nichts weiter als eine gebrochene Seele war, die nun nichts weiter tun konnte, als ihre Ruhe zu suchen. "Was willst du noch..? Du bist besiegt!", bemerkte Ren spöttisch, wenn er sich auch selber kaum noch auf den Beinen halten konnte - für ihn gab es noch einen Grund zu leben.

"Chi...gau... (Fa...lsch...)", keuchte Charos.

"Was redest du denn da!? Du kannst deinen linken Arm nicht mehr benutzen, außerdem hast du schon erheblich an Blut verloren!", konterte Ren aufgebracht und riss seine Klinge herum, sodass Charos' kleiner Finger dabei abgeschnitten wurde. Er verzog nicht einmal eine Miene. "Du spinnst doch!", schrie Ren ihn an und stieß das Schwert tief in Charos' Leib. Ihn brachte Charos' Verhalten seltsam aus der Fassung. "Mag sein...", murmelte Charos, während das Blut aus seinem Mund floß, "Aber ohne Chaos hat es doch sowieso keinen Sinn weiterzumachen.."

Voller Verachtung drückte Ren die Klinge noch weiter in das Fleisch des anderen und schnaubte: "Wieso hast du es dann so weit kommen lassen!? Wieso hast du deiner Herrin nicht gesagt, zu was das führen wird? ... Jetzt ist niemand mehr übrig, der sie beschützt!" "Niemand...?", wiederholte Charos ungläubig und sah zurück zu Aschenputtel. Seine Knie zitterten, Ren wusste, dass Charos bald zusammensacken und sterben würde. "Aber..." Verzweifelt sah er seine Herrin an, versuchte ihr noch etwas zu Sagen, doch alles, was ihm über die Lippen kam, war ein erleichterter Seufzer, der all die Pein hinwegzuwischen schien, begleitet von einigen Tropfen Blut, ehe er nahezu lautlos zu Boden sackte.

Es war vorbei.

Aschenputtel sah Ren geschockt an. "Du hast...", stammelte sie, konnte den Leichnam zu ihren Füßen nicht ansehen, ekelte sich davor und drückte sich gegen die Wand in ihrem Rücken. "Ich habe den Kampf sicher nicht begonnen", schnaubte Ren zu seiner Verteidigung und zog das Schwert aus Charos' leblosem Körper. Angewidert wischte er das Blut an seiner schwarzen Hose ab und wollte gerade zurückhumpeln, dorthin, wo er Kain zurückgelassen hatte, als ein Gelächter ertönte.

Überrascht wandte Ren seinen Kopf zu allen Seiten, doch die Stimme schien von nirgendwo und überall gleichzeitig zu kommen. Plötzlich flog die Tür des Häuschens auf und eine fast so große Gestalt wie Ren, verdeckt von einer roten Kapuzenkutte, trat aus der Tür. "Das lief ja alles nach Plan!", meinte das eindeutig weibliche Wesen und lächelte Aschenputtel an. Locker strich sie über ihren Kopf, um ihre Kapuze von ihrem Haupt zu ziehen. Zwei goldblonde Zöpfchen kamen zum Vorschein, ein frech ins Gesicht hängender Pony und tiefblaue Augen, die mit ihrem Blick alles durchzudringen schienen. "Plan..?", murmelte Aschenputtel verwirrt und sah das Mädchen ungläubig an. "Ja, meine Liebe. Plan", grinste die andere ihr entgegen.

"Was heißt hier Plan!? Charos und Chaos sind tot! Alle meine Untergebe-!" "Deine was!? Diese Idioten haben doch nur auf dich gehört, weil ich es ihnen befohlen hatte! Ohne mich wärst du so allein, wie du es gewesen bist, ehe ich dich aufgegabelt habe! Vergiss das nicht!" Wieder lachte das Mädchen schallend. Aschenputtel weinte bitterlich und warf sich nun über Charos' Leiche. "Es tut mir so Leid, Charos! Ich wollte nicht, dass du und dein Bruder sterben! Bitte - ich brauche euch! Kommt zu mir zurück!" Ren konnte nur zusehen, wie Aschenputtel am Schopfe gegriffen und grob herum gerissen wurde. Mit einem Ruck hatte das andere Mädchen Aschenputtels Kopf in den Nacken geworfen und fasste mit der Hand durch sie hindurch. Ungläubig riss Ren die Augen auf, doch es stimmte. Die Hand stoppte nicht an der Stirn, sie glitt durch sie hindurch, als würde sie in Wasser eingeführt und wirkte suchend, ehe die Hand mit einem Ruck zurückgeworfen wurde. Ren war nicht ganz klar, was da eben geschehen war, doch als das Mädchen Aschenputtels Haare losließ, fiel diese leblos zu Boden.

Sie grinste den Chinesen an.

"Sie ist tot, wenn du das wissen willst. Hat sie dich nicht auch genervt mit ihrem ständigen Geplärre?", fragte das Mädchen hämisch und zuckte mit den Schultern, als Ren keinerlei Anstalten machte zu antworten. "Tja, ihr Pech... Jetzt hat sie wenigstens keinen Grund mehr zu jammern - schließlich ist sie nun vereint mit ihren beiden Freunden" Das Mädchen lachte schrill.

"Nenn mich Rotkäppchen, das machen alle", stellte das Mädchen sich nun vor und deutete auf die Haustür, "Willst du nicht reinkommen? Ich glaube wir müssen verhandeln..." "Als würde ich mit dir verhandeln wollen!", keifte Ren aufgebracht und erhob seine Klinge gegen Rotkäppchen. Diese hob eine Augenbraue an. "Das solltest du, schließlich habe ich deinen Freund in meiner Gewalt und mit dem bisschen Kraft, das du noch hast, hast du nichteinmal den Hauch einer Chance gegen mich"

Verbittert musste Ren ihr Recht geben. Und nicht nur das, er spürte auch das Gift, das sich immer weiter in ihm ausbreitete. "Was willst du..?", fragte Ren leise und musterte das Mädchen misstrauisch. Er hatte nicht mehr viel zu verlieren - außer HoroHoros Leben. "Nicht viel... Ich will nur, dass du mit reinkommst, danach darfst du deinen Freund suchen - findest du ihn, so seid ihr beide frei zu gehen und ich werde euch nicht aufhalten. Dein Zeitlimit solltest du ja selbst kennen, nicht wahr?", erklärte Rotkäppchen und deutete mit dem Finger an ihrer Wange eine Linie bis zum Kinn hinab an. So weit hatte sich das Mal bereits in seinem Gesicht ausgebreitet, von seinem Nacken und seiner Schulter ganz zu schweigen.

Ren schnaubte. "Gut, dann lass' uns keine Zeit verlieren" Sie nickte und lief ins Haus, woraufhin Ren ihr folgte.
 

Dunkel. Alles um ihn herum war dunkel. Seine Hand konnte er nicht sehen und auch sonst nichts. Doch er hörte. Seufzer, Klagelaute, Rufe. Ihm kamen die Stimmen nicht im geringsten bekannt vor, trotzdem litt er mit ihnen. Jedes Geräusch, das an sein Ohr gelangte, durchtrieb ihn mit reinster Pein, als würde jemand eine Nadel nehmen und damit in seinen Ohren herumstochern.

Kein Laut kam über seine Lippen, er wollte nicht schreien, nicht zeigen, dass der Schmerz echt war. Stattdessen tastete er stumm nach seinen Ohren - Blut floss aus ihnen. Die Laute um ihn herum nahmen an Stärke zu und schwollen zu einer richtigen Schallmauer an, ehe sie mit einem Paukenschlag verstummten.

Noch immer herrschte Dunkelheit, doch als er sich umsah und in die Dunkelheit tastete, fiel ihm auf, dass er seinen Körper sehen konnte. Verwirrt begann er zu laufen, suchte einen Ausweg; erst langsam, bis er schließlich rannte und er die Anstrengung auf alle Glieder übergehen spüren konnte.

An Verletzungen konnte er sich nicht erinnern, doch sein Bein schmerzte so sehr, als würde ein Fremdkörper in ihm stecken. Er leif weiter. Zumindest glaubte er, dass er lief, er sah zwar seine Bewegungen, nicht jeodch, ob sie ihn irgendwohin brachten.

Als ihm plötzlich jemand entgegenlief, blieb er stehen. Viel konnte er nicht erkennen, da die Person einen braunen Kuttenmantel trug, aber von der Größe und Statur her, hätte Ren vermutet, es handelte sich um einen Jungen. Wer bist du?, hatte Ren gefragt, doch sein Gegenüber hatte nicht einmal geantwortet, als er ihm ganz nahe gewesen war. Ob der Chinese allerdings wirklich etwas gesagt hatte, war die andere Frage, da er selbst nichts gehört hatte - selbst seine Gedanken klangen merkwürdig gedämpft.

Die Kutte hing weit ins Gesicht, sodass Ren nicht erkennen konnte, wie der Junge aussah. Was ihm auffiel waren die lilanen Strähnen, die gerade so unter dem braunen Stoff hervorlugten. Erneut glaubte der Chinese etwas zu sagen und dass der andere reagierte, erschien ihm zumindest die Bestätigung zu sein. Bernsteinfarbene Augen sahen ihn an. Rens Kinnlade klappte herunter.

Es hätte den Chinesen schon genug irritiert sich selbst vor sich zu haben, doch diese Welt der Dunkelheit setzte noch einen drauf. Das Gesicht des Ebenbildes war verkratzt und verschrammt, es floß Blut aus mehreren Wunden und seine Haare klebten an der blutigen Masse. Langsam klappte der andere seine Kapuze zurück und Ren sah, dass sein Schädel gespalten war. Hirnmasse tropfte aus dem Riss und lief nun in schmierigen grünen Schlieren über die Schläfen und tropfte schließlich sein Kinn herab.

Oh Gott, presste Ren angewidert hervor und drehte sich ab, doch schon stand der Junge wieder vor ihm, als er sich erneut drehte, konnte er den Anblick noch immer nicht ausblenden. Der Junge lächelte matt und Ren schloß angewidert die Augen, um dem Anblick zu entkommen. Doch selbst vor seinem inneren Auge tauchte der Junge wieder auf und grinste sein Gegenüber hämische an. Ren schlug nach ihm, doch er rührte sich nichteinmal, wurde aber nicht getroffen.

Die Lippen des anderen bewegten sich, doch es kam kein Ton über sie. Zusammenzuckend riss Ren die Augen auf. Es tropfte. Als er an sich hinunter sah, steckte ein kleiner Pflock in seiner Brust und das Blut troff in Strömen zu Boden. Der Schmerz setzte erst ein, als sein Ebenbild ihn in den Arm nahm und den Pflock mit seinem Körper noch tiefer hineindrückte. Ren schrie gequält auf und dieses Mal konnte er seinen Schrei sogar gellen hören.

Mit aller Kraft befreite er sich von der unangenehmen Umarmung und riss den Pflock aus der Brust, der wie Feuer brannte und sich in sein Herz gebohrt hatte. Der andere grinste noch immer.

Wutentbrannt riss der Chinese den Pflock hoch und rammte ihn seinem Gegenüber in den sowieso schon gespaltenen Kopf. Sein Blick verschwamm und die vollkommene Dunkelheit nahm ihn wieder ein.

Rens Blinzeln reichte aus, um die Szene komplett zu verändern. Die Dunkelheit wich einer ungewohnten Helligkeit, die Schwere der Füße wich einer Leichtigkeit und dem Wissen zu liegen. Ren starrte an eine besche Decke. Seine Hände ertasteten vorsichtig weichen Stoff - vermutlich eine Decke und mehrere Kissen. Er richtete sich auf und sah sich um. Die Couch, auf der er lag, war grünlich mit schwarzen Flecken. Tatsächlich lag unter ihm eine Decke und mehrere Kissen verteilten sich zu seiner Seite. Ansonsten befanden sich in diesem Zimmer noch ein Fernseher, ein Tisch, ein kleiner Heizer und ein an die Wand gelehntes Snowboard.

Erschrocken sprang Ren auf. Horo!?, schoß es ihm durch den Kopf und er ignorierte den wiederaufkommenden Schmerz in seinen Gliedern, um sich weiter umzusehen. Schnell verließ er den Raum und fand sich im Flur wieder, als nächstes fand er das Bad - es sah vollkommen normal aus und war leer.

Er suchte weiter, suchte den ganzen oberen Stock ab und lief dann langsam die Treppe runter. Sie knarrte. Ren hielt den Atem an und lugte um die Ecke in den Flur.

Keine Menschenseele war zu sehen.

Sein Weg führte ihn in die Küche, wo er seufzend stehen blieb. Hatte er sich tatsächlich eingebildet, er würde den Ainu hier vorfinden? Nervös ließ Ren seine Finger über die blitzeblanke Küchenablage gleiten, die, wie so oft in Amerika, in der Mitte der Küche und nicht an deren Rand vorzufinden war. Ihm fiel auf, dass der Herd offen war. Irritiert bückte er sich und schloß ihn. So fand er es schon viel besser - normaler.

"Schicke Aussicht", ertönte eine Stimme hinter Ren und der Chinese drehte sich erschrocken um. "Du...?""Schicke Aussicht", ertönte eine Stimme hinter Ren und der Chinese drehte sich erschrocken um. "Du...?", murmelte er geschockt und sah zu, wie sein Gegenüber eine blaue Haarsträhne aus dem Gesicht wischte. Ein Lächeln zierte die aufgeschrammten Lippen. "Wir haben dich gesucht!", rief Ren aufgebracht und fiel dem anderen um den Hals. HoroHoro wirkte seltsam hager und seine Körpertemperatur schien weit unter dem Normalwert zu liegen. Als HoroHoro weder antworte noch seine Umarmung erwiderte, lief Ren rot an und löste sich von ihm. "Entschuldige, ich... Ich bin nur so froh, dass du lebst..."

Reflexartig fasste Ren sich an den Hals. Seine Finger tasteten über die raue Haut, die sich immer weiter verbreitete. Das Mal breitete sich bereits auf seinem Gesicht aus.

"Solange du lebst, immer", antwortete HoroHoro und nahm Rens Hand von dessen Wange in seine eigene. Ren lief rot an und sah zu Boden. "Baka... Erzähl' mir lieber, was passiert ist!" HoroHoro seufzte und zuckte mit den Schultern. "Ich weiß nur, dass ich irgendwann aufgewacht bin, andere Klamotten und überall Verletzungen hatte..." Tatsächlich hatte der Ainu etwas anderes an, was dem Chinesen erst nun auffiel. Sein Kleid hatte einer weißen Hose und einem weißen Westenmantel Platz gemacht. Ren konnte sehen, dass HoroHoro eine Kette trug, doch der Anhänger war von seinem Mantel verdeckt. Außerdem trug er weiße Stulpen an beiden Armen.

"Sag, was ist dir widerfahren..?" Ren schreckte aus seinen Gedanken hoch. "Ähm, naja... Wir haben dich gesucht! Als du in dieses... Portal gezogen wurdest, da... da haben wir alles daran gelegt dich wiederzufinden!", fing Ren an zu erzählen und er konnte nicht verhindern, dass seine Stimme dabei bebte. "Du hast alles daran gelegt?", fragte HoroHoro, ohne eine Mine dabei zu verziehen und trat so nah an den Chinesen heran, dass dieser zurückwich und an die Küchenarmatur stieß.

"J-Ja, hab' ich! Aber Kain auch...! Und er... er...", stammelte Ren, der immer irritierter dabei zusah, wie der Ainu seine Hände an Rens Hüfte legte und leicht grinsend hin- und herschaukelte. "Er ist mir egal... Ich will nur dich...", hauchte HoroHoro überlegen und verschloss Rens Lippen mit seinen eigenen, als dieser zum Protest den Mund öffnete.

Ren keuchte, als er die Zunge des anderen in seinem Mund spürte. Es gefiel ihm. Ruckartig legte er seine steif gewordenen Finger in HoroHoros Nacken und erwiderte mit leichter Verzögerung den ihm geschenkten Kuss. HoroHoros Hände glitten an Rens Seiten entlang nach oben, wobei sie sein Hemd mit anhoben und seine Weste über seine Schultern gleiten ließ. Sie lösten sich voneinander und Ren sah ihn unsicher an, während der andere ihm das Hemd auszog. Vorsichtig küsste der Ainu den Hals des Anderen und legte dessen Kopf zur Seite, während er mit den Fingerspitzen behutsam über das Fluchmal tastete. "Horo...", presste Ren hervor und kniff die Augen zusammen.

Die Berührungen taten unendlich gut und Ren spürte, wie sein Körper darauf reagierte. Sein Atem ging schnell und sein Herz fühlte sich an, als würde es jederzeit aus seiner Brust springen. Zu allem Übel wurde seine Hose immer enger als HoroHoro anstatt aufzuhören, seine Hände über Rens Brust gleiten ließ und vorsichtig in dessen Brustwarzen kniff und sie streichelte, bis sie hart wurden. Genau genommen könnten das ihre letzten gemeinsamen Momente sein; sie mussten dies ausnutzen.

Überrascht keuchte der Chinese auf, als HoroHoro ihn hoch auf die Ablage hievte und ihm die Hose öffnete. "Oh, Gott... Horo...", murmelte Ren und biss sich auf die Lippe. Mit einem Mal war auch seine Boxershorts heruntergezogen und Ren stöhnte auf, als HoroHoro seinen bereits steif gewordenen Schwanz in den Mund nahm. Erneut stöhnte der Chinese und er kniff die Augen zusammen, als der andere vorsichtig daran saugte. Seine Hände krampften sich an die Marmorablage unter ihm.

"Horo... nicht...!", keuchte Ren und sah verunsichert in HoroHoros Augen, als er von seinem Glied abließ und ihn angrinste. "Wieso denn nicht?", fragte er leise und richtete sich wieder auf, um auf direkter Augenhöhe zu sein. HoroHoros Hand übernahm den Job, den er noch eben mit dem Mund verrichtet hatte und entlockte dem Chinesen einen weiteren Stöhner. "W-Weil...", versuchte Ren zu erklären, doch ihm fehlten die Worte - sein Verstand hatte längst abgeschalten. "Mir gefällt deine neue Frisur...", säuselte HoroHoro und man konnte zum ersten Mal so etwas wie Gefühl in seiner Stimme vernehmen, während seine freie Hand durch Rens offenes Haar glitt. "Ma-mach dich nicht lustig über mich!", zischte Ren und wandt den Kopf ab. HoroHoro lachte. "Ich habe dir ein Kompliment gemacht, du Dummerchen..." Doch Ren rümpfte nur die Nase. "Findest du mich denn unattraktiv?", fragte HoroHoro leicht gekränkt wirkend und zog sich beide Stulpen von den Armen. Erschrocken schüttelte Ren den Kopf und sah den Blauschopf überrascht an. "Aber nein! Wie kommst du denn darauf...?" "Naja...", begann HoroHoro und öffnete den Reißverschluss seiner Westenjacke und ließ sie langsam zu Boden gleiten. Sein nackter Oberkörper glänzte dem Chinesen entgegen. "Du scheinst mich ja nicht zu wollen..." Der Anhänger der Kette war ein in flammenstehendes Kreuz und HoroHoros Oberkörper war geziehrt von mehreren Verletzungen, vielleicht sogar Narben. Sie erinnerten Ren an etwas sonderbares, etwas, das er kannte, jedoch nicht zuordnen konnte. Das Angebot lenkte ihn zu sehr ab.

"Natürlich will ich dich!", antwortete Ren eine Spur zu laut und lief sofort knallrot an. "Ich... Ich meine... Das siehst du ja wohl...", murmelte er noch und deutete mit einem Nicken nach unten auf seine Erregung. Ein Grinsen ziehrte das Gesicht des Blauschopfes und er strich sich langsam über die Lippen, über seine Brust und über seinen Bauch. Rens Keuchen ließ ihn dazu übergehen sich die Hose herunterzuziehen und dem anderen seine ausgebeulte Boxershorts zu präsentieren. "H-Horo...", keuchte Ren und konnte den Blick nicht mehr abwenden. Auch die Boxershorts fand ihren Weg zum Boden und HoroHoro setzte sich unverblümt in Rens nackten Schoß. Er schlang die Arme um ihn und hauchte ihm ins Ohr. "Nimm mich..."

Mehr musste der Chinese nicht hören. Aufhören hätte er ohnehin nicht mehr gekonnt, doch nun war dies sein Freibrief und er wusste ihn zu Nutzen. Sie küssten sich wieder und es dauerte nicht mehr lang, bis Ren in den anderen eindrang und sie es tatsächlich auf der Küchenarmatur trieben. Alles um sie herum wurde bedeutungslos, die Gefahren waren nichtig und der verlorene Freund vergessen. Nur sie selbst zählten noch.

Es waren unglaublich kostbare Momente, die sie miteinander teilten, ehe sie beide laut stöhnend und nahezu synchron kamen.

Ihr Atem ging schnell, ihre Blicke gingen aneinander vorbei ins Leere. Ren fühlte sich, als sei die schwerste Last von ihm gefallen, die er je hatte schultern müssen. Sein Herz pochte wild in seiner Brust, während sein Verstand noch immer versuchte den Moment zu fassen.

Als er seine Lippen mit der Zunge abtastete, schmeckten diese süß. Er fuhr sich mit dem Handrücken über die schweißbedeckte Stirn und lächelte sein Gegenüber an.

HoroHoros Körper glänzte vor Nässe und plötzlich kam Ren der Gedanke, dass die Narben des Ainus stark an Nähte erinnerten. Körperteile mit schwarzen, hauchdünnen Fäden zusammengenäht. Ehe sich die Idee in Rens Kopf jedoch festigen konnte, lenkte etwas anderes seine Aufmerksamkeit auf sich.

Das Gesicht des Ainus spiegelte ein trauriges Lächeln wider, seinen Arm hob er hoch über dem Kopf. Stahl blitzte auf. Mit einem Mal ging alles ganz schnell. So schnell, wie die Klinge der Axt sich ihren Weg an Rens Hals suchte...
 

~~~

Das Jahr des Schreckens zieht ins Lande und was nun bleibt ist die Erinnerung...

~~~

Entschuldigt, dass ich erst jetzt den Rest hochgeladen habe... Es war ehrlich fertig.. Aber eben nur auf Papier und zum Abtippen bin ich selten gekommen... Ich bin froh, dass es jetzt vorbei ist, der Schluß ist kacke, ich weiß es... Ich sitz immernoch an der Überarbeitung >_<' Also seid bitte nich zu streng mit mir T_T'

Ich hab grade echt Probleme mit dem Scheiß >_____<'

Aber ich bemüh mich schnell alles neuzuschreiben!>.<'
 

Hochachtungsvoll euer Chaos



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Kommentare zu dieser Fanfic (72)
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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  DanteMaxwell
2013-01-11T20:34:10+00:00 11.01.2013 21:34
Also, mit einem Wort ausgedrückt: Genial! Eine richtig gute Mischung zwischen Spannung, Kreativität und Thriller. Die Idee die Charaktere aus Shaman King in diese Märchenwelt zu setzen ist genial und gerade mit Bloody Mary einzusteigen ist großartig. Ich muss gestehen, dass ich mich nie getraut habe dieses Ritual auszuprobieren und nach diesem Lapitel werde ich es auch definitiv nicht machen! Wer weiß was mir sonst widerfährt!
In freue mich auf jedenfall schon darauf in den nächsten Tagen die anderen Kapitel zu lesen.

Liebe Schreibziehergrüße
-RenTao-
Von:  rentaogirl95
2010-08-02T10:41:56+00:00 02.08.2010 12:41
ochhh bitte schreib ein happy end):
Von:  Nitschieh
2009-12-30T12:48:22+00:00 30.12.2009 13:48
Oka~y...
Das schockiert mich... Ich meine, ich weiß ja mittlerweile, dass du auf Mord- und Todschlag stehst, aber das hat mich wirklich schockiert. Und ein wenig verwirrt. Der Schluss kam irgendwie ein wenig zu plötzlich. Und um ehrlich zu sein hab ich ihn nicht hundertprozentig verstanden ^^°
Die Szene am Ende grenzt fast schon an adult, was!? XD Tzezeze, böses Chaos ^^ Aber ich bewundere dich. Ich könnte nie eine Yaoi-Szene schreiben. Ich weiß auch nicht warum, aber ich traue mir das einfach nicht zu ^^°
Egal. Die FF ist jetzt zu Ende, was? Eigentlich schade. Ich hab sie wirklich gemocht. Ok, blöd formuliert, ich mag sie natürlich immer noch ;) Auch, wenn ich mit dem Ende nicht so ganz zufrieden bin. Ich hätte mir hier wirklich ein Happy-End gewünscht. Wäre mal was anderes bei dir gewesen ;P Naja, daran kann ich wohl nix mehr ändern XD
Ich werde die Nacht bestimmt einen Albtraum haben ^^° So viel Blut auf einem Mal vertrag ich nicht XD
Ich habe grade voll das Gefühl in Trance zu sein O_o Siehst du mal, was deine FF bei mir für nen Eindruck hinterlässt XD Da werde ich sicher noch ne Weile drüber nachdenken :)
Boah, ich hab das Gefühl, dass ich anfange zu faseln... Ich sollte aufhören.
Ich wünsche dir nen guten Rutsch :)
Liebe Grüße,
die Nitschieh
Von:  HoroHoro
2009-12-28T20:24:12+00:00 28.12.2009 21:24
T______T
waaaaaaah QxQ
neeein T_T
wie gemein ist das denn QoQ
warum warum warum p_q

ich dachte schon "jaa happy end"
und dann sowas /3

aber eine unglaublich tolle ff

will mehr QxQ
und ich will das ende nicht wahrhaben *schnief*
Von:  SoLee
2009-12-28T18:55:23+00:00 28.12.2009 19:55
es ist... es ist...

WAHHHH T____T

Ich liebe die ganze ff und der Schluss brachte mich zum weinen T_T (bin bei sollchen Sachen immer so gefühlvoll)
Ich persönlich hätte ein Happy End gern gesehen, aber schlussendlich liegt es in deiner Hand D:
Auf jedenfall ist alles sehr gut geschrieben, mach weiter so

Liebe Grüße, der verrückte Ren der die Ritter version machen will mit akaoni <3
Von:  Sehun
2009-12-28T18:21:50+00:00 28.12.2009 19:21
Kommie die 2.
Tust du das absichtlich? Was hab ich dir nur getan? - Wieso tust du mir das an? Q_____Q
Da freu ich mich so, als ich lese das die FF endlich fertig ist und dann...?
Ich wollte ein Happy End, verdammt, weißt du noch? xD
Jetzt schuldest du mir was, weil ich seeeeehr unzufrieden mit dem Ende bin. Okay, Yaoi.. Das ist gut, aber der Rest? D:
Außerdem bleiben so viele Fragen offen, was jetzt mit Horo war und warum er das tut, das Ganze mit Rotkäppchen, usw..
Man merkt, dass du dich ziemlich beeilt hast mit allem. Zumindestens macht es für mich den Anschein, als wäre es so.

Ich schalt mir jetzt Emo-Musik ein und verkriech mich.
*knuddel* unglückliches aka~. D:
Von:  HoroHoro
2009-12-28T11:16:46+00:00 28.12.2009 12:16
aaah T_T
was ist mit Horo los?!

Ren und Kain müssen Aschenputtel vernichten! *grinz*
Horo-Chan soll wieder normal sein QxQ

Nächstes Kappi wo bist du?
Von:  HoroHoro
2009-12-28T10:55:05+00:00 28.12.2009 11:55
euh.. Kains arme Augen oO
Sollte er Ren etwa töten? >.>
Der Rabe ist echt eklig-böse <D

Betrunkene Banditen! Yay xD
Von:  HoroHoro
2009-12-28T10:37:41+00:00 28.12.2009 11:37
Das Ende ist ein wenig gruselig ~
Ich hoffe, dass Ren das Richtige tun wird >.<
Man Horo soll wieder da sein QxQ~
Von:  HoroHoro
2009-12-28T10:22:13+00:00 28.12.2009 11:22
herrlich!
Kartoffelmoffel >DDDD~
Zu gut!

aber Horo Q_Q
Loos Ren, rette ihn!


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