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Avatar - New Generation

von

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Was bisher geschah...

Der große Krieg ist vorbei.
 

Die Freunde blieben auch weiterhin möglichst eng im Kontakt, auch wenn ihnen das durch ihre neuen Aufgaben ordentlich erschwert wurde.
 

Zuko ist damit beschäftigt die Fehler seiner Familie wieder auszubügeln und auch das Denken der Bewohner der Feuernation wieder in geordnete Bahnen zu lenken. Mai steht ihm dabei treu zur Seite.

Onkel Iroh hat, wie er es sich gewünscht hatte, seinen Teeladen zurückbekommen.
 

Aang ist in seiner Position als Avatar oft unterwegs. Trotzdem hat er sich mit Katara am Südpol niedergelassen und hilft beim Wiederaufbau so oft er kann.

Katara selbst wurde zur Führerin des Südpols ernannt, dessen Dorf mittlerweile wieder auf alte Größe gewachsen ist.
 

Sokka wurde zum Führer des nördlichen Wasserstamms. Allerdings pendelt er mit Suki immer für einige Monate zwischen Kyoshi und dem Nordpol hin und her, damit auch Suki ihrem Status als Anführerin der Kyoshi-Kriegerinnen gerecht werden kann.

TyLee ist mittlerweile eine der besten Kriegerinnen und vertritt Suki während ihrer Abwesenheit.
 

Toph kehrte ins Erdkönigreich zurück und half bei den Wiederaufbauarbeiten. Als die Arbeiten abgeschlossen waren wurde sie mit 15 Jahren zur neuen Erdkönigin gewählt.

Ihren Eltern machte sie endgültig klar, dass sie ihren eigenen Kopf durchsetzen will und ihre Blindheit ihr dabei in keinster Weise im Weg ist.
 

Im Laufe der Zeit erholten sich die Länder fast vollständig von dem schrecklichen Krieg, der so viele Jahrzehnte getobt hatte.

Feuer- Wasser- und Erdbändiger leben nun im Einklang mit Aang als Avatar und gleichzeitig letztem Luftbändiger.

Prinzessin Kaya vom Wasserstamm

Es war dunkel am Nordpol, die Straßen wurden nur schwach von vereinzelten Laternen beleuchtet.

Ein Schatten entfernte sich leise und schnell vom Palast, sprang über eine Mauer und verschwand in der Dunkelheit.

“Ich bin mal gespannt ob sie kommt.” Eine kleine Gruppe Jugendlicher hatte sich in einer Gasse zusammengefunden. Der älteste Junge, der eben gesprochen hatte, lehnte mit verschränkten Armen an der Eismauer und beobachtete die Querstraße. “Ich wette, sie kneift.”

“Wette verloren.” Eine Gestalt sprang aus dem Schatten des Daches über ihnen und landete vor den Jungs.

Es war ein Mädchen mit blauen Augen und langem, gewelltem, braunem Haar, das nun zum Vorschein kam, als sie die Kapuze ihres Mantels zurückschlug und die Jungs anfunkelte.

“Hast dich also doch hergetraut, Prinzesschen.” Der Junge, der eben noch an der Wand gelehnt hatte, baute sich nun aufrecht und mit immer noch verschränkten Armen vor dem Mädchen auf und sah es etwas herablassend an.

“Du sollst mich nicht so nennen, Alek, das weißt du genau. Ich heiße Kaya, verdammt.” Sie sah ihn etwas genervt an.

Alek grinste plötzlich. “Okay… Lass uns drum kämpfen, Prinzesschen.”

Auf Kayas Gesicht breitete sich ebenfalls ein breites Grinsen aus: “Wenn du es so haben willst… Du wirst sowieso verlieren, gegen mich hast du keine Chance, auch wenn du das nicht einsehen willst.”

“Na dann los, ich werd dich fertigmachen, Prinzesschen, auch wenn du’s nicht wahrhaben willst!” Die beiden rannten los, Richtung Stadttor, gefolgt von den übrigen Jungs.
 

Ihr Ziel war eine weite Eislandschaft am Meer, entfernt von den Toren der Stadt. Kaya und Alek zogen sich die schweren Mäntel über die Köpfe und drückten diese den übrigen Jungs in die Arme um mehr Bewegungsfreiheit zu haben.

“Bist du bereit, Prinzesschen? Du kannst immer noch aufgeben.” Kaya lachte laut auf. “Und wovon träumst du nachts?!” Wie auf einen unhörbaren Befehl hin, verwandelten sie einen Teil des Schnees um ihnen herum in Wasser, das dann einsatzbereit um sie herum in der Luft schwebte.

Sie maßen sich noch einmal mit durchdringenden Blicken - und im nächsten Moment griff Alek an. Kaya blockte ihn sofort mit einer Eiswand und ging fließend in einen Angriff über. “Gar nicht schlecht, Prinzesschen, aber Mako ist ja auch dein Lehrmeister.” Der Junge grinste frech und Kaya antwortete mit einem unüberhörbar verächtlichem Schnauben: “Du weißt genau dass ich nichts auf seine Lehren gebe. Er ist so streng... Ich bändige wie ich will!!” Mit diesen Worten zog sie immer mehr Wasser aus dem Schnee um sie herum an, ließ es um ihren eigenen Körper kreisen, immer schneller und schneller - und griff dann unerwartet an. Alek wurde zurückgeschleudert und landete ein paar Meter weiter hinten auf dem Rücken liegend im Schnee. Mit einer Welle folgte ihm das Mädchen und griff wieder an. Eisspeere landeten links und rechts von ihm im Schnee, die nächste Salve blockte er und sprang stolpernd auf. Er fing sich wieder und versuchte die Angriffe zu kontern, doch Kaya blockte fast alle, indem sie abwechselnd links und rechts von sich das Wasser hochzog und als Schild benutzte, während sie langsam aber stetig auf ihn zuging.
 

Hinter ihnen ging über dem Meer langsam der Mond auf. Kaya spürte unterbewusst wie Aleks Angriffe stärker wurden, doch es war nichts im Vergleich zu dem was in ihr passierte. Sie konnte förmlich fühlen, wie die Kraft des Mondes durch ihre Adern floss…

Ihre Blicke trafen sich und sie grinsten sich beide an, in dem Wissen, dass der eigentliche Kampf erst jetzt begann. Die anderen Jungen wichen vorsichtshalber ein paar Schritte zurück. So oft hatten sie den beiden schon bei ihren Kämpfen zugesehen - oft genug um zu wissen, dass es für sie besser war, in Deckung zu gehen. Kaya und Alek gehörten zu den stärksten Bändigern des Nordpols und wenn der Mond schien waren sie kaum noch zu bremsen.
 

Beide Kämpfer ließen sich von Wellen in die Luft tragen, die dann zusammenkrachten während sich die Bändiger angriffen. Ihre Bewegungsabläufe wurden immer schneller, immer heftiger und die anderen Jungs konnten ihnen kaum noch folgen, so sehr sie sich auch bemühten.

Immer wieder schossen blitzschnelle Wasserarme wie Peitschenhiebe durch die Luft und Eisstücke prasselten wie ein Pfeilregen auf den Schnee am Boden nieder.

Der Kampf zog sich in die Länge. Die Wasserbändiger waren langsam aber sicher erschöpft. “Lass es uns beenden.” Kaya grinste Alek an, sammelte ihre Kräfte und griff erneut an, indem sie auf ihn zurannte und dabei Wasser um sich herum emporbändigte und ihm schließlich entgegenschleuderte. Alek reagierte zu langsam. Er schaffte es zwar den größten Teil des Wassers abzulenken, wurde aber dennoch getroffen und nach hinten geschleudert. Erschöpft blieb er liegen: “Okay, du hast gewonnen.”
 

Kaya grinste, hielt Alek die Hand hin und zog ihn hoch. Dann gingen sie zu zweit zu den anderen Jungs. “Das war wieder mal ein klasse Kampf!” Der größte der Jungen sah die beiden Bändiger ehrfürchtig an und gab ihnen ihre Mäntel zurück. “Ihr solltet beim nächsten Tunier mitmachen.”

“Machst du Witze? Mako und meine Mutter würden einen Herzanfall bekommen.”, brummte Kaya verdrossen. “Was ist mit dir, Alek?” “Das letzte Mal durfte ich nicht mitmachen, weil ich angeblich zu jung war…” Er bändigte sich etwas Wasser nach oben, das sich in seiner Hand in einen Eisspeer verwandelte. “Aber jetzt müssen sie mich mitmachen lassen!” Mit diesen Worten schleuderte er den Speer von sich, der tief in einer Schneewehe stecken blieb.

Kaya konnte sich einen leisen spöttischen Unterton nicht verkneifen, als sie Aleks Geste kommentierte: “Ja, sie werden dir sofort bei deinem Auftreten freiwillig den ersten Platz geben, oh mächtiger Alek!”

Der Wasserbändiger knurrte nur ungehalten als Antwort.

Nach einer kurzen Pause, fing er dann aber doch an zu sprechen: “Sag mal, Prinzesschen…” “Hey!!” “Jaja, schon gut. Also, sag mal, K a y a… Müsstest du nicht langsam nach Hause?”

“Was?! Oh verdammt, du hast Recht!” Kaya fluchte ganz unprinzessinnenhaft, während sie sich hastig den Mantel überzog und rannte los Richtung Stadtmauer. Die Jungs folgten ihr.
 

Leise schlichen die Freunde im Schatten die dicke Eismauer entlang, die die Stadt umgab. An einer bestimmten Stelle hielten sie inne und Alek und Kaya bändigten zusammen ein Loch durch die Mauer durch das sie in die Stadt gelangten.

Die anderen Jungs teilten sich auf und gingen nach Hause, nur Alek begleitete Kaya bis zum Palast. “Kommst du klar?” “Drück mir die Daumen, dass ich niemanden begegne.”, erwiderte Kaya nur und machte sich daran mit kleinen Bändigungstricks die Palastwand zu ihrem Balkon hochzuklettern.

Alek sah ihr noch einen Moment nach und verschwand dann im Dunkeln.
 

Noch bevor Kaya den Balkon erreicht hatte, konnte sie schon hören wie sich Schritte ihrer Zimmertür näherten. Das konnte nur ihre Amme Nana sein…!

Das Mädchen schwang sich über die Mauer und tat so, als stünde sie schon die ganze Zeit dort. Sie hoffte inständig, Nana würde nicht nachfragen, warum sie sich noch nicht umgezogen hatte und im Bett war. Sonst würde es riesigen Ärger für sie geben, das war mal sicher.
 

In dieser Sekunde öffnete sich die Tür zu Kayas Zimmer und nach einem vorsichtigen Blick trat die Amme ins Zimmer. Als sie die Prinzessin dort nicht vorfand, ging sie zielstrebig zum Balkon. “Ah, Kaya, da bist du ja. Warum bist du noch nicht im Bett?”, fragte sie tadelnd, aber mit sanfter Stimme.

“Der Mond.”, antwortete das Mädchen knapp und versuchte herauszufinden, ob ihre Stimme vor Aufregung zitterte.

“Du solltest aber trotzdem schlafen gehen, Kind. Deine Eltern kommen doch morgen zu Besuch und Meister Sokka…” “Was?!” Entgeistert sah Kaya die ältere Frau an. “Warum weiß ich davon nichts?!” Nana verkniff sich ein breites Grinsen: “Da hast du wohl mal wieder nicht aufgepasst.” Sie hustete vernehmlich. “Aber Onkel Sokka und Tante Suki kommen?! Das ist gut…” Auf Kayas Gesicht wich der Schrecken einem zufriedenem Lächeln. Nana räusperte sich noch einmal, bevor sie fortfuhr: “Außerdem werden sie begleitet vom Feuerlord und seiner Gemahlin, sowie der Königin des Erdkönigreichs…” Wieder unterbrach Kaya die Frau, diesmal mit einem erfreuten Aufschrei: “Tante Toph kommt?! Wirklich?! Das ist super!!” Begeistert ging Kaya an Nana vorbei in ihr Zimmer, während sie einfach weiterredete. Mit einem Lächeln folgte ihr die Amme und schloss die Türe.
 

“… und Tante Toph kommt, das ist so cool!”, schloss Kaya ihr Selbstgespräch und drehte sich dann schwungvoll und begeistert zu Nana um. “Ich darf dich daran erinnern, dass die Erdkönigin den Titel “Tante” gar nicht gern hört… wie sagte sie? Sie käme sich so alt vor… Ach Kind….? Warum ist eigentlich dein Mantel klatschnass?”

Schlagartig verblasste Kayas Grinsen und sie fluchte innerlich als sie an sich heruntersah. In der Tat. Der Schnee auf ihrem Mantel war inzwischen geschmolzen und tropfte langsam in kleinen Pfützen auf den Boden ihres Zimmers. “Ehm….” Mit einer Handbewegung bändigte sie das ganz Wasser zusammen und beförderte es in eine große Ziervase in einer Zimmerecke. “… wieso denn klatschnass?”, fragte sie dann, in dem Versuch unschuldig auszusehen und mit einem hilflosen Lächeln auf den Lippen.
 

Nana versuchte vergeblich streng zu schauen, doch dann schlich sich doch wieder ein gutmütiges Lächeln auf ihr Gesicht, während sie ein paar Schritte zur Tür machte. “Hab mich wohl geirrt. Entschuldigt, Prinzessin.” Sie deutete eine Verbeugung an. “Ihr werdet nun sicher schlafen gehen wollen, morgen wird ein langer Tag für euch werden… Gute Nacht.”
 

“Danke, Nana! Gute Nacht!” Dankbar strahlte Kaya ihre Amme an, dann war die Frau auch schon verschwunden.

Fröhlich drehte sich das Mädchen einmal um sich selbst. “Nana hat Recht, ich sollte ins Bett, morgen wird ein klasse Tag!”, sagte dann sie leise zu sich selbst.

Mit dem Kopf voller Gedanken an den morgigen Tag zog sich die junge Wasserbändigerin um und schlüpfte dann in ihr Bett, den Morgen kaum noch erwarten könnend.

Ankunft am Nordpol

“Prinzessin?” Es klopfte an die Tür. “Kaya, bist du wach…?”

Bevor die Amme die Tür berühren konnte, wurde diese aufgerissen und ein Paar blitzender blauer Augen strahlten sie an. “Natürlich bin ich wach, schon seit Stunden!”

Die Frau lächelte, während sie ins Zimmer trat und dem Mädchen zusah, das sich, immer noch im Nachthemd, aufgeregt um sich selbst drehte und durch den Raum schwebte, während sie sprach: “Ich freu mich so, ich freu mich so… Wann kommen sie denn an?” Sie tänzelte zum Balkon und sah hinaus, als erwarte sie schon im nächsten Moment Appa am Himmel zu sehen.
 

Nana lachte leise. “Sie kommen heute Nachmittag an, Liebes.” Sie zog Kaya sacht vom Balkon, damit sich die temperamentvolle Prinzessin nicht erkälten konnte. “Aber sie kommen mit Appa, ja?” Das Mädchen ließ den Himmel immer noch nicht aus den Augen. “Ja”, bestätigte die Amme mit einem ergebenen Nicken und einem Lächeln. Kaya war wirklich aufgeregt. “Die Königsfamilie der Feuernation wird mit dem Schiff anreisen.” , fügte sie noch nach einer kurzen Pause hinzu. “Hm, klar, Appa kann nicht so viel schleppen.” Die Prinzessin warf einen letzten Blick in den Himmel und seufzte leise und sehnsüchtig. “Ich wünschte sie wären schon da…!”

Die Amme klatschte in die Hände. “Jetzt aber los! Zieh dich an und dann geh frühstücken, Kind! Sonst starrst du immer noch im Nachthemd in den Himmel wenn unser Besuch ankommt!” Kaya lachte auf. “Jaja, ist schon gut! Nana, geh schon vor, ich komme gleich!”
 

Nach einer Viertelstunde erschien Kaya am Frühstückstisch. Sie trug ein hellblaues Kleid mit dem Symbol des Wasserstamms und sah aus wie eine Prinzessin aussehen sollte: nichts erinnerte mehr an das temperamentvolle Mädchen, das die letzte Nacht damit verbracht hatte, wieder mal einen Bändigungskampf mit einem anderen Wasserbändiger auszutragen.

Nichts, mit Ausnahme der funkelnden Augen, die das Temperament des Mädchens nur erahnen ließen.
 

Das Mädchen ließ sich an seinem angestammten Platz nieder um zu Frühstücken. Sie hatte zwar keinen sonderlich großen Hunger, aber sie wusste, dass sie die wachsamen Augen ihrer Amme, die etwas abseits stand, auf sich ruhen hatte.

Und Nana würde dafür sorgen, dass die Prinzessin genug zu sich nahm. Schließlich trug sie als Amme einen großen Teil der Verantwortung für das Mädchen, seit es geboren worden war.

“Okay, ich bin fertig.” Kaya wollte aufstehen. “Prinzessin, seid ihr sicher, dass ihr nicht vielleicht noch etwas essen möchtet?” Die Angesprochene seufzte leicht genervt. “Ja, bin ich. Bis dann!” Schnell verschwand sie, bevor Nana sie noch weiter aufhalten konnte.

Ihr Weg führte sie in den Teil des Palastes, der normalerweise ein eher unüblicher Aufenthaltsort für eine junge Prinzessin war: Sie besuchte den Stallmeister.
 

Salon war gerade dabei Appas Box herzurichten. Wobei der Ausdruck Box vielleicht etwas untertrieben war, der Schlafplatz des Himmelsbisons war eigentlich an sich schon so groß wie ein Stall.

Kaya ließ sich auf einer Kiste nieder. “Hallo Salon.” Der Mann drehte sich zu ihr um. “Oh, Hallo Kaya, was verschlägt dich denn hierher?” Das Mädchen seufzte ungeduldig. “Ich warte.” Ein Lächeln überzog das Gesicht des Stallmeisters: “Ah, ich verstehe. Kannst es gar nicht mehr abwarten, hm?” Als Antwort kam nur ein weiteres Seufzen.

“Wenn du magst, kannst du mir mit dem Wasser helfen, dann hast du einen Zeitvertreib.” Kayas Gesicht hellte sich auf. “Was soll ich tun?” “Hier, das Becken ist für Appas Trinkwasser. Er freut sich sicher, wenn er sein Zuhause betritt und das Becken voll ist.” Vergnügt sprang Kaya von der Kiste. “Nichts leichter als das! Aber…” Sie warf Salon einen warnenden Blick zu. “Verrate das nicht meiner Mutter.” Der Mann lachte und zwinkerte ihr verschwörerisch zu. “Keine Angst, von mir erfährt sie kein Wort.”

Das Mädchen lächelte. Sie wusste, dass auf den Stallmeister Verlass war.

Kaya ging nach draußen zu einem der Brunnen vor den Ställen und bändigte sich eine große Wassermenge nach oben. Geschickt dirigierte sie das kalte Nass in den Stall und ließ es in das Becken laufen.

Salon nickte zufrieden. “Dankeschön! So geht das viel schneller! Oh - ich glaube du wurdest gerufen...”
 

Kaya fluchte lautlos als auch sie nun Nanas Stimme vernahm, verabschiedete sich flüchtig und eilte ihrer Amme entgegen.

“Hallo Nana, was gibt’s?” Schlitternd kam sie im Schlosshof vor der Frau zum Stillstand. Diese sah sie leicht tadelnd an. “Mittagessen, das gibt’s.”, antwortete sie und schob Kaya zu einem der Tore, die in den Palast führten. “Prinzessin, ihr wisst, dass Euch eure Mutter nicht gerne dort draußen sieht.” Kaya murrte etwas unverständliches und folgte ihrer Amme widerstrebend zum Mittagstisch.
 

Nana spürte wie das Mädchen immer zappeliger wurde, je mehr der Tag voranschritt. Sogar beim Essen wanderten Kayas Blicke zum Fenster, als hoffte sie Appa würde dort plötzlich auftauchen.

Deshalb sparte sie sich dann auch eine Rüge, als Kaya aufstand und nicht mal die Hälfte ihres Mittagessens den Weg in ihren Magen gefunden hatte.
 

Die nächsten Stunden verbrachte Kaya damit, in ihrem Zimmer unruhig auf und ab zu laufen, immer wieder hinaus auf den Balkon zu treten und gedankenverloren mit dem Wasser und Eis um sie herum zu spielen.

Sie hatte ihre Eltern eine ganze Weile nicht gesehen. Sokka und Suki waren ebenfalls seit drei Monaten nicht mehr am Nordpol gewesen. Und wann genau sie Toph oder jemanden aus der Feuernation zuletzt gesehen hatte, konnte sie gar nicht mehr genau sagen. Aber sie genoss jeden Besuch der Freunde ihrer Eltern, vor allem die Besuche der Erdbändigerin. Vor sich hinstarrend versank Kaya in Erinnerungen.
 

Als es schließlich an ihrer Tür klopfte, zuckte Kaya erschrocken aus ihren Gedanken hoch. Sie eilte zur Tür, öffnete diese und sah sich ihrer Amme gegenüber. “Sind sie etwa da?!”, fragte sie, bevor Nana etwas sagen konnte. Die Frau lächelte entschuldigend: “Nein, noch nicht. Ich wollte dich zum Nachmittagstee rufen.” Von Kaya kam nur ein entnervter Seufzer.

Während sie hinter ihrer Amme hertrottete meckerte sie leise vor sich hin: “…. und wer hat eigentlich diese vielen Essen erfunden?! Ständig wird man irgendwohin geschleift… ” Einer der Wachmänner konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als die schimpfende Prinzessin an ihm vorbei lief.
 

Kaya knabberte immer noch an ihrem ersten Keks herum und sah dabei zu, wie ihre dritte Tasse Tee langsam eiskalt wurde, als sie plötzlich ein vertrautes Geräusch hörte: ein noch leises, aber unverkennbares Brummen.

“Appa!!” Kaya sprang auf und rannte nach draußen. Nana, die ihr hinterher rief, sie solle langsam machen, hörte sie schon nicht mehr.

Der Riesenbison landete gerade als Kaya schlitternd im Hof zum Stehen kam und begrüßte das Mädchen mit einem freudigen Brummen. “Appa!!” Sie kuschelte sich an den Pelz des riesigen Tieres und streichelte ihn. Im nächsten Moment landete Momo auf ihrem Kopf. “Momo! Ich hab dich vermisst!” Lachend kraulte sie den Lemuren hinter den Ohren.

Neben ihr sprang Aang von Appas Rücken und reichte Katara, die ihm folgte, eine helfende Hand. Dann wandte er sich seiner Tochter zu: “Hallo, Kaya, schön dich zu sehen.” Liebevoll umarmte er sie. Kaya strahlte ihn an: “Hallo Papa!!” Ihr Blick wanderte weiter zu Katara: “Hallo Mutter.”

Auf Appas Rücken regte sich etwa und im nächsten Moment sprang eine Frau von seinem Rücken. “Tante Toph!!” Mit einem Freudenschrei flog Kaya der Erdbändigerin in die Arme. “Hey, ich hab gesagt, du sollst mich nicht so nennen!”, erwiderte Toph halb lachend halb tadelnd und drückte das Mädchen fest.

In diesem Moment kamen die Boote mit der Besatzung der Feuernation neben ihnen an. Das Schiff war auf dem Meer umweit der Stadt vertäut.

Kaya eilte auf das Boot mit der Königlichen Familie zu um Zuko und Mai zu begrüßen. Mit im Boot saß noch eine weitere Person, ein Mädchen, das sie nicht kannte. Auch dieses stieg aus und begrüßte Kaya zurückhaltend. “Das ist Ira.”, stellte Zuko das Mädchen vor. “Meine Tochter.” Aang ging auf Ira zu. “Schön dich mal wieder zu sehen. Das letzte Mal warst du noch ein kleines Mädchen.” Die Feuerprinzessin lächelte etwas verlegen.

Kaya strahlte das ältere Mädchen an: “Ist das nicht cool? Die Prinzessin der Feuernation und die Prinzessin des Wasserstamms…!” “… vergesst das Erdkönigreich nicht. Thal, was treibst du da oben so lange?” Toph hatte sich halb zu Appa umgedreht. Verdutzt wirbelte Kaya herum und starrte in ein Gesicht mit leuchtend grünen Augen und schwarzem Haar, das sie frech und ein wenig amüsiert angrinste. “Ich hab die Show genossen, Mum.”

Thal vom Erdkönigreich

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Anmerkung: Kaya kapiert nicht, dass Thal ein Mädchen ist… ;)

[Hätte ich fast vergessen und musste nen Satz des 2. Kapitels nochmal umschreiben, also nicht wundern. Macht die Geschichte nen Ticken lustiger. x3]

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“Na los, worauf wartest du, Thal, komm runter da.” Das Mädchen richtete sich gemächlich und betont gelangweilt auf, sprang dann aber geschmeidig wie eine Raubkatze von Appas Rücken.

Sie richtete sich auf und sah auf Kaya, die sie immer noch überrascht anstarrte, ein wenig erhaben und amüsiert herunter: “Hi, ich bin Thal. >Prinzessin< des Erdkönigreichs.” Bei dem Wort “Prinzessin” hatte ihre Stimme einen leicht belustigten Tonfall angenommen, vielleicht auch mit einer Spur von leisem Spott.

Kaya war dieser Unterton nicht entgangen und sie stellte sich sofort quer. “Aha. Hallo.” Dann wandte sie sich wieder Ira zu: “Unsere Eltern werden jetzt wohl eine Weile mit Quatschen beschäftigt sein. Möchtest du dir mit mir den Palast ansehen? Ich zeig dir alles!” “Gerne, warum nicht.” Ira lächelte die Jüngere leicht an und ließ sich mitziehen.

In der Zwischenzeit hatten sich Aang und Katara bereits mit Zuko und Mai in ein Gespräch vertieft. Thal warf ihrer Mutter einen verstohlenen Blick zu, den diese natürlich sofort bemerkte, obgleich sie hier am eisigen Nordpol kaum etwas fühlen konnte.

“Na los, worauf wartest du, Thal, geh schon!” Tophs Stimme war sanft, aber bestimmend. Ihre Tochter nickte widerwillig: “Okay…” Während sie wegging warf sie ihrer Mutter noch einen besorgten Blick zu. Sie ließ sie nie gerne allein, auch jetzt nicht, obwohl sie doch wusste, dass Toph eine Meisterin im Erdbändigen war, umgeben von ihren alten Freunden. Das änderte dennoch nichts an der Tatsache, dass sie hier am Nordpol so gut wie nichts fühlen konnte und es zudem kaum etwas zum Bändigen gab. Vielleicht ein wenig Metall, ein paar vereinzelte Steine, aber das war’s dann auch schon. Thal machte sich dennoch Sorgen.
 

“Das hier ist mein Flügel.” Kaya lachte. “Fast jedenfalls. Komm mit, ich zeig dir eine der kleinen Bibliotheken!” Die Wasserbändigerin unterbrach sich selbst und zog Ira mit sich in einen Raum zu ihrer Rechten. An den Wänden standen hohe Regale mit Schriftrollen und Büchern, in der Mitte befand sich ein kleiner Zimmerbrunnen. “Außer mir wohnen hier noch ein paar Leute, die hier arbeiten.”, fuhr Kaya fort. “Und Nana. Sie trägt quasi die Verantwortung für mich, während meine Eltern nicht da sind.”, erklärte sie Ira, die interessiert nickte.

“Du meinst wohl, sie ist dein Kindermädchen.” Thal lehnte mit verschränkten Armen am Türrahmen und sah Kaya leicht spöttisch an.
 

Es war für die Erdbändigerin kein Problem gewesen die Mädchen zu finden, obwohl diese einen recht großen Vorsprung gehabt hatten und sie sich selbst im Palast nicht auskannte.

Toph hatte ihr das Bändigen auf ihre Art und Weise beigebracht und obwohl sich Thal im Laufe der Jahre auch von anderen Erdbändigern einiges abgeschaut hatte, blieb sie dem Stil ihrer Mutter doch stets treu. Dazu gehörte natürlich als wichtigste Lektion sich nicht nur auf seine Augen zu verlassen. Im Dunkeln fand sie sich fast ebenso gut zurecht wie ihre Mutter. Die Palastmauern leiteten die Vibrationen zwar nicht so gut wie fester Stein, dennoch fand die Erdbändigerin die beiden Mädchen auf Anhieb.

Obgleich Thal sehen konnte, trug sie wie ihre Mutter keine Schuhe und weigerte sich auch hier am Nordpol welche zu tragen. Sie käme nie auf den Gedanken ihre Mutter über den eisigen Boden laufen zu lassen, während sie selbst Schuhe trug.
 

Kaya sah die Erdbändigerin, die immer noch ganz cool an der Tür lehnte, wütend an. Insgeheim musste sie zugeben, dass Thal ziemlich attraktiv war, auch wenn sie darauf keinen großen Wert zu legen schien. Sie sah Toph ausgesprochen ähnlich, mit dem Unterschied, dass ihre Augen von einem kräftigeren grün waren und einen mit jedem Blick zu durchdringen schienen - und dass ihre schwarzen Haare für ein Mädchen ungewöhnlich kurz geschnitten und etwas zerzaust waren.
 

“Na, beeindruckt?” Thals belustigte Stimme beendete Kayas Gedankengang abrupt und die Wasserbändigerin wurde noch ein bisschen wütender als sie spürte wie ihr das Blut heiß ins Gesicht stieg und sie rot wurde.

“Ich bin nicht beeindruckt, jedenfalls nicht von dir, Idiot!”, fauchte Kaya - zugegeben etwas unbeholfen - und funkelte die Erdbändigerin zornig an. “Wie niedlich.”, kommentierte Thal die Reaktion der Jüngeren frech und löste sich vom Türrahmen. “Du bist ein richtiges Kind.”

Die Wasserprinzessin schnappte empört nach Luft. Das war ja wohl unerhört!!

“Wenigstens kann ich auf jedem Kontinent bändigen!”, stieß Kaya schließlich hervor.
 

Das hätte sie wohl besser nicht tun sollen, denn Thals Gesicht verfinsterte sich schlagartig und sie ging bedrohlich langsam auf Kaya zu. “Bevor du mich herausforderst, solltest du erst mal in Ruhe darüber nachdenken was ich hier drinnen alles bändigen kann.”

Bei ihren Worten spürte Kaya wie die metallenen Schnallen an ihrem hellblauen Kleid bebten, ebenso wie die teils beschlagenen Bücher in den Regalen und die Zinnteller an den Wänden. “Und wer mir alles beigebracht hat, was ich kann. Dich schlage ich überall.”

Prinzessin Ira aus der Feuernation

“Ach, kommt schon, hört auf!” Bittend sah Ira Thal und Kaya an. “Das bringt doch nichts…”
 

Thal löste ihre kämpferische Pose auf und lehnte sich wieder mit verschränkten Armen am Türbogen an. “Lohnt sich sowieso nicht.” Ihr leicht geringschätziger Unterton brachte Kaya schon wieder auf die Palme. “Du…!” Thal grinste das aufgebrachte Mädchen nur spöttisch an.

“Ich glaube… es gibt gleich das Empfangsessen, oder, Kaya?” Ira nahm die Wasserbändigerin am Arm. “Ja…” Widerwillig wand sich das Mädchen von Thal ab und nickte. “Komm mit…”
 

Ira atmete auf. Sie verabscheute Gewalt und Kämpfe jeder Art und wer konnte schon ahnen, in was einfache Zänkereien ausarten konnten.
 

Mai hatte ihr von klein auf eingeschärft, sich nicht nur auf Bändigungskräfte zu verlassen und Ira hart im Umgang mit Shuriken unterrichtet, damit sich ihre Tochter auch in Gefahrensituationen immer zu wehren wusste.

Doch das Kampftraining, das die Feuerprinzessin von Anfang an begleitet hatte, war nichts gegen die Gerüchte und Tuscheleien hinter ihren Rücken, die sie verunsicherten. Seit sie denken konnte, war überall wo sie sich befand Getuschel zu hören. Darüber, dass sie ihrer Tante Azula so ähnlich sah, Spekulationen über ihren Charakter, ihre Fähigkeiten, über alles was irgendwie mit ihr zu tun hatte.

So hatte Ira sich im Laufe der Jahre abgewöhnt auf Menschen zuzugehen oder sich ihnen zu öffnen. Ihre eigentlich sehr vielversprechende Veranlagung im Feuerbändigen unterdrückte sie, indem sie das Training aufgab und sich auf den Kampf mit den Shuriken spezialisierte; seit Jahren schon hatte sie niemand mehr bändigen gesehen.
 

Zuko und Mai waren viel zu beschäftigt damit, die Feuernation zu regieren und alle Schäden des langen Krieges wieder in Ordnung zu bringen, um die versteckte Traurigkeit ihrer Tochter zu bemerken. Und wenn sie sie doch einmal darauf ansprechen wollten, warum sie denn so zurückgezogen war, vergaßen sie das über die Arbeit hinweg wieder.
 

Ira warf einen Seitenblick auf Kaya, die schon wieder vergnügt auf sie einredete. Die jüngere schien ihre Differenzen mit Thal schon wieder vergessen zu haben und war damit beschäftigt kleine Geschichten aus dem Palast zu erzählen um Ira zu unterhalten. Diese hörte zwar zu, nickte und lächelte an den richtigen Stellen, grübelte aber gleichzeitig über ihre redselige Gesprächspartnerin nach.

Kaya wirkte auf den ersten Blick sehr kindlich, vielleicht auch kindisch, und ein wenig streitsüchtig. Dennoch glaubte Ira vorhin, als sie Thal so trotzig gegenüber gestanden hatte, ein kämpferisches Funkeln in ihren Augen gesehen zu haben, das den Kampfeswillen der Kleinen erahnen ließ.

Thal hingegen war ihr, Ira, schon ein wenig ähnlicher. Sie schien bereits vor ihrer Herausforderung an Kaya, ihre Umgebung nach Vor- und Nachteilen analysiert zu haben und sich ihrer Sache sehr sicher zu sein.

Diese Eigenschaft teilte die Feuerprinzessin. Egal wo sie sich befand und wer ihr gegenüber war, sie analysierte die Personen um sich herum sofort. Als Kind zunächst aus reinem Zeitvertreib, doch mittlerweile war sie recht gut darin geworden, Menschen einzuschätzen, konnte manchmal sogar Bewegungen erahnen. Dennoch ließ sie der Gedanke nicht los, dass die beiden Prinzessinnen an ihrer Seite sicherlich einige Überraschungen auf Lager hatten. Auch wenn sie das vielleicht selbst noch nicht wussten.
 

“Wir sind da! Das ist die große Empfangshalle!” Mit Kayas Worten konzentrierte Ira ihre Gedanken wieder völlig auf die Geschehnisse in der Realität und sie betrat den großen Raum. Gegenüber der riesigen Flügeltür, durch die sie gerade gegangen waren, und somit am anderen Ende der weitläufigen Halle, führten einige Stufen hinauf zu besonderen Ehrenplätzen: die Throne der königlichen Familie. Auf den Stufen selbst und an den Wänden entlang standen Wasserbrunnen und große Vasen, wie sie überall im Schloss zu finden waren. Außerdem erstreckten sich links und rechts nahe der Wände schlanke helle Säulen zur hohen Decke, die eher der Dekoration als dem Halt des Gebäudes dienten.

Wie der restliche Palast war um sie herum alles in weiß und verschiedenen Blautönen gehalten, den typischen Farben für die Wasserstämme. Die Banner an den Wänden zeigten stolz die Symbole des Wasserbändigens, sowie das Wappen des Nördlichen Wasserstammes.
 

Als die drei Mädchen den Raum durchquerten, verneigten sich die Bediensteten ehrfürchtig vor ihnen - die Prinzessinnen waren das längst gewohnt, man begegnete ihnen überall mit diesem Respekt, auch wenn einige von ihnen das reichlich übertrieben fanden.

Endlich am anderen Ende angekommen, trafen die drei auch wieder auf ihre Eltern, die sich bereits umweit der Throne versammelt hatten. Dort waren für den hohen Besuch weitere Ehrenplätze aufgebaut worden: drei in rot-gold gehaltene Sitze für Zuko, Mai und Ira als die Herrscher der Feuernation, zwei Plätze in grün-gold für Toph und Thal, für Sokka, Katara und Kaya im typischen Wasserstamm-blau, währen Sukis Platz eher im schlichten Stil der Kyoshi-Kriegerinnen gehalten war und schließlich noch ein weiterer Platz für Aang in den hellen Farben, die die Luftnomanden bevorzugt hatten.
 

“Freunde… ich freue mich, dass wir uns endlich wieder treffen.”, eröffnete der Avatar den offiziellen Teil des Staatsbesuches, nachdem endlich ein wenig Ruhe eingekehrt und ein Großteil der Angestellten verschwunden war. “Ich hoffe es geht euch gut. Wir haben uns sicher viel zu erzählen...”

Glücklich sah Aang in die Gesichter seiner Freunde. Soviel hatten sie gemeinsam durchgemacht und so wenig Zeit hatten sie nach Beendigung des Krieges füreinander gehabt. “Also, lasst uns essen und hören was so alles passiert ist in den letzten Jahren!” Mit diesen Worten eröffnete er das offizielle Begrüßungsbankett und auch die letzten Bediensteten verschwanden und die Freunde waren endlich unter sich.

Die Prinzessinnen, insbesondere Kaya natürlich, fanden das Essen eher weniger spannend. Nach zwei Stunden ausharren, zupfte sie ihren Vater schließlich am Ärmel. Aang erinnerte sich eben mit Zuko an die seine Rettung durch den “Blauen Geist” und sah ein wenig aus der Vergangenheit gerissen auf seine Tochter herunter. “Darf ich mit Ira raus? Mir ist furchtbar langweilig.” “Eh… klar… viel Spaß…” Immer noch leicht irritiert, nahm Aang seinen Gesprächsfaden wieder auf. Katara allerdings hielt Kaya noch fest. Etwas pikiert über den ihrer Meinung nach unrühmlichen Abgang ihrer Tochter, mahnte sie dennoch, auch Thal mitzunehmen. Sie hatte schon bemerkt, dass zwischen den Mädchen wohl leichte Differenzen herrschten, denn während Kaya die zwei Jahre ältere Ira bewundern und geradezu anzuhimmeln schien, verhielt sie sich Thal gegenüber abweisend. Keine sonderlich gute Vorraussetzungen für Thronerben. Genervt nickte Kaya und machte Thal gegenüber eine nachlässige Handbewegung. “Komm schon.”

Widerwillig stand Thal auf, nachdem Toph sie schon motivierend hart in die Seite geknufft hatte und folgte den Mädchen nach draußen.
 

“Hast du Kind nicht stillsitzen können?” Die Mädchen befanden sich im kleinen überschaubaren Hof des Palastes, der lediglich ein Tor zu den Ställen, zur Schmiede und eines nach draußen hatte. Thal konnte es nicht lassen Kaya aufzuziehen und sah belustigt auf die Wasserprinzessin hinunter. Diese wirbelte herum. “Na, als ob du diese alten Geschichten so super spannend finden würdest wie du tust!”

“Naja, ich finde schon ziemlich cool, was meine Mum alles geleistet hat.” Die Erdbändigerin setzte sich lässig auf ein Futterfaß und grinste Kaya weiter provozierend an. Diese senkte den Kopf und ließ sich auf einen umgedrehten Wasserkübel fallen. “Okay, du hast Recht, Tante Toph IST cool. Zumindest viel cooler als meine Mutter. Aber dafür hat mein Dad den Krieg beendet!” “Ich bitte dich.” Thal winkte gelangweilt ab. “Er ist der Avatar, das war seine Aufgabe! Aber ohne die Hilfe unserer Eltern hätte er es niemals geschafft, stimmt’s Ira?” Auf den nach Zustimmung suchenden Blick aus Thals leuchtendgrünen Augen hin, lächelte Ira nur leicht und blieb still. Die Erdbändigerin wandte sich wieder Kaya zu: “Aber ich wette DU hättest viel zu viel Angst, wenn es um ein richtiges Abenteuer gehen würde, du bist sicher so ein Kontrollfreak wie deine Mutter!” Kaya sprang empört auf. “Überhaupt nicht! Das würde ich dir schon beweisen!!”

Thal grinste die Jüngere triumphierend an und Ira ließ der Gedanke nicht los, dass sie nur auf diese Reaktion gewartet hatte. Gebannt verfolgte sie das Geschehen. “Dann tu das doch.” “Haha, sehr witzig. Und wie soll ich das anstellen?!” Kaya verschränkte mit herausforderndem Trotz die Arme und sah Thal kritisch mit ihren meerblauen Augen an.
 

“Ganz einfach. Indem du mitkommst in ein neues Abenteuer!”

Ein neues Abenteuer

“Ah ja. Und wo willst du dein >neues Abenteuer< hernehmen? Aus den Ärmeln schütteln oder drauf warten, dass es vom Himmel fällt?!”

Ira war leicht überrascht. Von Kayas kindlicher Art war gar nichts mehr zu spüren, stattdessen sah sie Thal weiterhin mit herausfordernd verschränkten Armen an und wartete auf ihre Antwort.

Die Erdbändigerin erhob sich gemächlich von ihrem Fass und schlenderte durch den Stall, in dem links und rechts ein paar Dutzend Büffel-Rentiere, die ungestört weiter fraßen, untergebracht waren.

“Ehm, hallo? Könntest du mir mal antworten?!” Kaya stapfte Thal hinterher, die eben durch eine Tür in den größeren Stallbau trat, in dem auch Appa zuhause war.
 

Die Erdprinzessin blieb so ruckartig vor Appas Box stehen, dass Kaya beinahe in sie rein gerannt wäre. “>Himmel< war gar nicht mal so schlecht.”, grinste sie. “Häh… eh… nein….” In Kayas Gesicht machte sich die Erkenntnis breit. “Du hast nicht etwa vor, Appa zu entführen?!”

“Wofür hälst du mich?! Wir leihen ihn ins nur aus.” Thal grinste ihr typisches freches Grinsen.
 

“Na das ist ja eine tolle Idee.”, brummte Kaya sarkastisch und verschränkte die Arme. “Und was hast du dann vor? Die Abenteuerzeiten, die unsere Eltern hatten sind längst vorbei, du Träumer.”

“Das glaubst du. Hast du dich schon mal gefragt, was mit den Luftbändigern passiert ist?” “Ist doch weltbekannt. Sozin hat den Kometen genutzt und die Luftnomaden ausgelöscht. Ende. …Sorry, Ira.”, fügte Kaya noch schnell hinzu und die Feuerprinzessin lächelte nur leicht. Sie war das längst gewohnt.

“Denkst du das ernsthaft? Ich glaube nicht, dass die Luftbändiger ruhig dagesessen haben, bis sie alle vernichtet wurden.” Thal verschränkte ebenfalls die Arme. Kaya verdrehte die Augen. “Wenn es sie wirklich gäbe, hätte mein Dad sie längst gefunden. Er ist der letzte Luftbändiger, schon vergessen?” “Sicher, sie hätten ihm den roten Teppich ausgerollt.” Die Ironie in Thals Stimme war deutlich herauszuhören. “Beweis es doch!”, fauchte Kaya. “Gern.” “Ach und wie?” “Komm mit.” “…” Kaya biss sich auf die Unterlippe. Am liebsten würde sie sofort zusagen, ihr war das Prinzessinnenleben sowieso viel zu langweilig. Aber das würde sicher Ärger geben. Was solls.

“Okay.” Thal grinste triumphierend. “Dann treffen wir uns wenn es richtig dunkel ist bei Appa.” Gut. Dann organisiere ich uns mal Proviant.” Kaya eilte davon.

“Eh… Moment mal, ihr könnt doch nicht einfach so abhauen?!” “Warum >ihr<, du kommst doch mit.”, grinste Thal, als hätte Ira längst zugesagt. “Oder willst du nicht wissen, ob eure zuweilen ziemlich kranken Geschichtsschreiber deinem Uropa doch zuviel Ruhm geschenkt haben?” “Ururopa.”, korrigierte Ira sie wie von selbst. “Ist doch egal. Du bist dabei.” Thal strahlte sie an und legte ihr einen Arm um die Schultern. Ira war insgeheim ein wenig überrascht, wie muskulös die Erdbändigerin war, während sie sie nach draußen dirigierte. “Naja… wäre… geschichtlich vielleicht ganz interessant…”, murmelte die Feuerprinzessin und erntete dafür von Thal einen “aufmunternd“ kräftigen Schlag auf die Schulter. “Na siehst du! Und ich versprech dir, es wird lustig werden!” Mit diesen Worten ließ sie Ira stehen und ging zurück ins Schloss um zumindest noch für ein paar Stunden bei ihrer Mutter zu sein.

Die Feuerprinzessin blieb ein wenig ratlos zurück.
 

Gute drei Stunden später war es stockfinster im Stall, bis Kaya mit einer Lampe hereinkam, deren Licht Thal sofort löschte. “Willst du dass uns jeder sieht?!”, knurrte die Erdbändigerin ein wenig ungehalten. “Tut mir ja leid”, fauchte Kaya zurück, “Ich hätte nur gerne gesehen wo ich hinlaufe.” Prompt stöhnte sie schmerzerfüllt auf, als sie sich den Kopf an einem Balken stieß.

Ira stand stumm neben Appas Box. Sie hatte ein furchtbar schlechtes Gewissen. Schließlich waren sie drei die Thronfolger und konnten ja nicht einfach so abhauen. Doch ihre Gedanken wurden von Thal unterbrochen, die ihren Namen rief. “Na komm schon, oder bist du schon festgefroren?!” Die Erdbändigerin zog Ira mit Leichtigkeit auf Appas Rücken, während Kaya noch einmal schnell die Gurte des Sattels überprüfte, mit der leisen Frage im Hinterkopf, wie Thal es alleine geschafft hatte, das schwere Ding auf den Rücken des Himmelsbisons zu bekommen.

Als sie sich sicher war, dass die Gurte alle saßen, öffnete sie Appas Box. Der Bison brummte leise. “Ssst, nicht so laut, mein Dicker, sie dürfen uns nicht hören…” Kaya führte Appa möglichst lautlos in den Hof, dann kletterte sie selbst an ihm hoch und nahm die Zügel in die Hand. “Yip-yip!”, flüsterte sie und im nächsten Moment erhob sich der Himmelsbison in die Lüfte.
 

Im Thronsaal spitze Momo, der die ganze Zeit auf seinem Kissen neben Aang geschlafen hatte, die Ohren. “Schon gut, Kleiner, schlaf weiter.” Der Avatar lächelte Momo an und kraulte ihn hinter den Ohren. Der Lemur blickte noch einen Moment zum Fenster, dann rollte er sich wieder zusammen. “Er wird wohl wirklich langsam alt…”, murmelte Aang leise. Katara hatte die Szene zwar beobachtet, schwieg allerdings zu Aangs Worten.
 

Sehnsüchtig hielt Kaya ihre Nase in den Wind. Es war ewig her, dass sie das letzte Mal auf Appas Rücken gesessen hatte. Sie machte die Zügel fest und ließ sich zu den anderen auf den Sattel gleiten. “Und wo solls hingehen?” “Kyoshi.”, antwortete Thal prompt. Kaya seufzte leise auf. “Und warum Kyoshi? Du weißt doch, dass Onkel Sokka da halb wohnt…” “Weil Appa sich spätestens dann ausruhen muss und wir einen Hitzschlag kriegen, wenn wir weiterfliegen. Es ist nicht überall so kalt wie am Nordpol. Außerdem hab ich das dringende Bedürfnis Erde unter meinen Füßen zu spüren.”, fügte Thal noch hinzu und Kaya seufzte ergeben. “Also gut… Appa, hast du gehört? Es geht nach Kyoshi!” Der Bison brummte bestätigend und mit einem Schlag seines Schweifes flog er noch ein Stückchen höher.
 

Kaya sah über den Rand des Sattels nach unten, wo die meisten Häuser bereits im Dunkel lagen. “Da wohnt Alek…”, murmelte sie. “Was ist, kriegst du jetzt schon Heimweh oder was?” Kaya funkelte Thal wütend an, die immer noch belustigt grinste. “Wohl kaum. Du bist echt ein Idiot.”, fügte sie noch knurrend hinzu, dann sah sie wieder hinunter auf die schlafende Stadt.
 

Die Mädchen schwiegen. Die erste Aufregung war verflogen und nun wurden sie langsam aber sicher müde.

Kaya nickte zuerst ein, mit dem Kopf auf die Arme gesunken, die noch immer auf den Rand des Sattels ruhten. Fast zeitgleich mit ihr Ira, die sich schon vor einer ganzen Weile in eine Ecke gelegt hatte um nachzudenken und irgendwann vom Schlaf übermannt wurde. Und zuletzt Thal, die, an den Sattelrand gelehnt, ruhig dasaß und die beiden Mädchen eine ganze Weile beobachtete, bevor auch sie langsam ins Reich der Träume glitt.

Das Abenteuer beginnt

Die Mädchen wurden im ersten Morgengrauen des zweiten durchgeflogenen Tages von Appas Brummen geweckt, als Kyoshi in Sichtweite kam.

Ira und Thal waren sofort wach, im Gegensatz zu Kaya, die erst ein paar Mal irritiert blinzeln musste. „Na los, Prinzesschen, komm mal in die Gänge!“ Thals ruppiger Tonfall machte sie allerdings in Sekundenschnelle wach – und sauer – während Appa bereits dabei war auf einer kleinen Lichtung zu landen.
 

„Das ist also Kyoshi.“ Thal sah sich anerkennend um, nachdem sie von Appas Rücken gesprungen war und sich ordentlich gestreckt hatte. Die Sonne war mittlerweile fast ganz aufgegangen. „Ich bin heilfroh wieder vernünftigen Boden unter den Füßen zu haben.“ Kaya warf der Erdbändigerin einen missbilligenden Blick zu und knurrte ein lautloses „Idiot!“.

Dann jedoch wurde ihr Gesicht wieder ernst. „Hört mal, Leute. Wir müssen unseren Proviant aufstocken, das ist klar. Aber wir müssen leise sein, ich hab hier nämlich Verwandte und ich will nicht, dass....“ Doch ihre Warnung kam zu spät.

Denn in diesem Augenblick wirbelte Thal bereits mit einem „Wer ist da?!“ herum und im nächsten Moment sprangen zwei Teenager aus dem Unterholz am Rande der überschaubaren Lichtung. Kaya stöhnte auf.
 

„Yue, Tui! Solltet ihr nicht noch in euren Betten liegen?! Was treibt ihr hier?!“, fragte die Wasserbändigerin verzweifelt.

„Du kennst sie?“ Thal musterte die beiden ebenfalls. Sie schienen Geschwister, wenn nicht sogar Zwillinge zu sein, denn sie waren beide gleichgroß und sahen sich ausgesprochen ähnlich, wenn man davon absah, dass es sich um einen Jungen und ein Mädchen handelte. Die Erdbändigerin schätze das Alter der beiden auf etwa 14 oder 15 Jahre.

Kaya seufzte auf. „Ja.... das sind meine Cousine Yue und mein Cousin Tui. Sie sind die Zwillinge von Onkel Sokka und Tante Suki und leben das ganze Jahr über hier auf Kyoshi...“

Die Zwillinge grinsten. „Sag bloß wir kommen ungelegen?“, fragte Tui foppend. „Ja, allerdings.“ Kayas Ton war deutlich anzuhören dass sie mehr als unerfreut war, die beiden hier anzutreffen. Sie wusste was für eine große Klappe sie hatten, insbesondere Tui, der, was das Mundwerk anging, seinem Vater sehr nahe kam. „Im Ernst, warum seid ihr hier?“, fragte nun auch Yue. „Wir haben Appa gesehen. Und es ist ja nicht so, als bekämen wir dich häufig zu Gesicht...“ Sie grinste Kaya spitzbübisch an.

„Wir haben was vor.“, antwortete Thal an Kayas Stelle. „Und es wäre toll, wenn ihr uns helfen könntet oder uns wenigstens nicht verpfeift bis wir wieder weg sind.“ Die Zwillinge sahen sich an. „Und was springt für uns dabei raus?“ „Wie wäre es damit, dass ihr diesen Tag überlebt?!“, fauchte Kaya und Thal schlug sich entgeistert an die Stirn. Feingefühl schien Kaya nun wirklich nicht zu besitzen. Doch bevor sie versuchen konnte, Kayas Patzer wieder auszugleichen, mischte sich Ira ein, die der Unterhaltung bis jetzt nur schweigend zugesehen hatte.
 

Jetzt beugte sie sich lächelnd zu den Zwillingen hinunter. „Hi, ich bin Ira.“, stellte sie sich erst mal vor. Yue lächelte sie an. „Du kommst aus der Feuernation.“, stellte sie fest, was nicht schwer war, da alle drei Mädchen noch ihre offiziellen Gewänder als Mitglieder der königlichen Familie ihrer Länder trugen. „Ja.“, bestätigte Ira mit einem leichten Nicken. „Wir sind auf der Suche nach den überlebenden Luftbändigern und es wäre toll wenn ihr uns helfen würdet, indem ihr uns deckt.“ Die Zwillinge sahen sich mit leuchtenden Augen an, während Thal und besonders Kaya sich fragten, ob es klug war, den beiden zu erzählen was sie vorhatten. Doch bevor sie sich überhaupt ausmalen konnten, was passieren würde, wenn sie von den beiden verpetzt werden würden, nickten die Zwillinge schon synchron: „Keine Sorge. Wir...“ „...geben euch Deckung.“

„Danke.“ Ira lächelte die beiden an. „Und wir besorgen euch Proviant, nicht, Tui?“ Yue sah ihren Bruder an. Der nickte. „Und andere Klamotten. Da seid ihr auffällig wie bunte Hunde.“ Die drei Mädchen sahen an sich herunter – und mussten zugeben, dass er Recht hatte.

„Wartet hier, wir sind bald zurück!“, rief Yue noch, da rannten die beiden auch schon los, Richtung Dorf.
 

Thal ließ sich mit einem erleichterten Seufzer auf den Boden fallen. „Gut gemacht, Ira.“, meinte sie anerkennend. „Danke.“ Ira nickte einfach und nahm neben ihr Platz. Kaya ließ sich mit ein wenig Abstand ebenfalls nieder. Jetzt hieß es warten.
 

Eine knappe Stunde später kamen die Zwillinge zurück. Auf Appas Beschwerde hin, hatten sich Kaya und Ira mit ihm auf dem Weg zu einem kleinen Waldsee gemacht, während Thal zurückblieb um auf Yue und Tui zu warten. Nun trafen sie zu dritt am See ein.

„Wir haben alles bekommen was wir wollten. Proviant, Klamotten und sogar eine Karte!“ Tui schwenkte triumphierend eine Pergamentrolle. Yue nickte mit leuchtenden Augen. „Da sind alle Länder verzeichnet! Das ist so aufregend!“ Die Geschwister tauschten vielsagende Blicke und den älteren Mädchen schwante bereits, was jetzt kommen würde.
 

„Sagt mal...“, fing Tui an, doch er wurde gleich von seiner Schwester unterbrochen, die ein „Dürfen wir miiiiit? Biiiiiiiitte!!“ herausplatze. Nach einem kurzen ungnädigen Blick zu Yue sah er jedoch genauso bettelnd zu Thal und Kaya auf. Ira hielt sich wie üblich im Hintergrund.

„Kommt schon, nehmt uns mit, hier ist es so langweilig!“ „Kommt gar nicht in Frage!“, brauste Kaya auf, doch Thal stoppte sie mit einer Handbewegung. Ohne weiter auf Kayas wütende Blicke zu achten, sah sie die Zwillinge an. „Klar könnt ihr mit.“ Kaya glaubte gleich in Ohnmacht zu fallen. War Thal etwa wahnsinnig geworden?! „Aber ihr müsst uns erst noch was besorgen...“ Die Zwillinge strahlten sich an, während Kaya glaubte gleich ohnmächtig zu werden. Das konnte ja wohl nicht wahr sein!! „Klar, was braucht ihr?!“ „Kohl?!“ „Ja, Kohl. Oder irgendwas anderes. Als Essen für Appa, falls wir mal irgendwo in der Wüste landen oder so.“ Die Zwillinge nickten ein „Wir sind bald wieder da!“ und rannten los.
 

Thal ignorierte Kayas „BIST DU EIGENTLICH TOTAL BESCHEUERT?!“-Schrei und drehte sich geschäftig um. „Wir müssen uns beeilen, wir haben nicht viel Zeit. Ira?“ Die Feuerprinzessin nickte. Während Thals verhandlungen hatte sie bereits die Sachen zusammengepackt, so dass nur noch alles auf Appas Rücken verstaut werden musste.

„Du... hast sie ausgetrickst?“ Kaya war sprachlos. Fast zumindest. „Dachtest du wirklich ich nehme sie mit? Ist doch viel zu gefährlich.“ Thal sah die Wasserbändigerin ein wenig herablassend an. „Aber wir müssen uns beeilen.“ Kaya verbiss sich jedes weitere Kommentar und warf eilig ihre Sachen auf den Sattel.

„Yip-Yip!“ Zwei Minuten später erhob sich Appa von der Wiese, gerade noch rechtzeitig, da Thal schon fühlen konnte, dass die Zwillinge auf dem Rückweg waren.
 

Als sich der Himmelbison gut zehn Meter über den Baumwipfeln befand, sahen die Mädchen Yue und Tui winkend und rufend auf die Wiese rennen. Sie konnten sie zwar nicht verstehen, doch es war klar, dass sie erkannt hatten, wie Thal sie ausgetrickst hatte und nun blieb ihnen nichts anderes übrig als Appa nachzusehen.

Die Erdbändigerin wandte ihren Blick als erstes wieder nach vorne. „Seid ihr bereit? Es geht los in ein neues Abenteuer!!“

Auf nach Omashu!

“Okay, Mädels, und wo geht’s jetzt hin?”
 

Thal löste als erste das eingetretene Schweigen und sah Kaya und Ira erwartungsvoll an. “Das fragst du uns? Wer ist denn im Erdkönigreich zuhause, hm?!” Die Wasserbändigerin sah sie ein wenig gereizt an. So ganz wohl war ihr nicht bei dem Gedanken, ihre Cousine und ihren Cousin so einfach zurückzulassen. Erstens weil beide ein paar Jahre jünger waren als sie - zweitens weil sie eine dafür umso größere Klappe hatten. Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn sie irgendjemandem von ihrer Begegnung erzählten. Die Erdbändigerin hingegen ignorierte Kaya einfach und überlegte einen Moment.
 

“Ich glaube…”, sagte sie dann. “Wir fliegen am besten nach Omashu. Wir sind schnell dort und es ist eine große Stadt, da können wir ganz gut untertauchen.” Ira nickte nachdenklich. “Gute Idee. Und wenn wir dort sind machen wir am Besten erst mal einen Plan, wie wir vorgehen werden.” Thal zuckte nur leicht mit den Schultern. Sie war kein großartiger Vorausplaner. Meistens geschah sowieso alles anders als gedacht.

Kaya indessen schwieg ein wenig beleidigt. Sollten die beiden nur planen was sie wollten, ihr blieb sowieso nichts anderes übrig als ihnen zu folgen.
 

Im Wald, kurz vor Omashu, landeten sie und gaben Appa zu verstehen, dass er hier warten sollte. Der Himmelsbison war damit sofort einverstanden, schließlich war er nicht mehr der Jüngste und hatte nichts gegen eine Auszeit - und eine ausgiebige Futtersuche - einzuwenden. Die Mädchen zogen sich die Erdkönigreichkleidung an und machten sich zu Fuß auf den Weg in die Stadt.
 

Dort liefen die Mädchen staunend durch die Straßen - zumindest Ira und Kaya staunten. Kaya kannte - bis auf die Insel Kyoshi, die sie ab und an besuchte - nur die eisigen Gefilde des Nord- und Südpols. Aber auch Ira, der steinerne Städte durch die Feuernation nicht fremd waren, war begeistert von der riesigen Stadt und wusste gar nicht, wo sie zuerst hinsehen sollte. Thal dagegen kannte Omashu bereits und versuchte möglichst cool zu wirken, auch wenn sie doch wieder beeindruckt vom Transportsystem und dem Gewirr der vielen Straßen war.
 

Mithilfe der Orientierungstechniken, die Thal von ihrer Mutter gelernt hatte, schaffte sie es in kürzester Zeit die Mädchen zu einem leerstehenden Gebäude zu bringen. Es handelte sich um eine Mischung aus schlichtem Wohnhaus und Schuppen - vielleicht war es bei seinem Bau als Gästehaus gedacht gewesen, aber nun offensichtlich seit langem nicht mehr benutzt worden. Die kleine Gruppe richtete sich im Dachboden des Hauses ein, da sie von dort aus durch die kleinen Fensterluken einen guten Blick auf die Stadt hatte, ohne selbst gesehen zu werden.
 

Kaya kam sich unwillkürlich vor, als wären sie auf der Flucht. Doch waren sie das nicht gewissermaßen auch? Wenn man sie hier fand und enttarnte, würden sie zurück nach Hause geschickt - und das würde sicher in einem gewaltigen Donnerwetter enden, für jede von ihnen. Naja, Thal vielleicht ausgenommen. Kaya brummelte leise. Vermutlich würde Toph ihr auch noch auf die Schulter klopfen und sie loben, weil sie Regeln gebrochen hatte.

Ein kleiner Stich durchzuckte die Wasserbändigerin. Ihre Mutter würde das nie tun. Katara war viel zu streng, viel zu… regelkonform. Kaya bezweifelte, dass ihre Mutter je Spaß gehabt hatte - geschweige denn jemals wirklich Kind gewesen war. Vermutlich war sie bereits meckernd auf die Welt gekommen.
 

Es war Thal, die Kaya mal wieder aus ihren Gedanken riss. “Willst du hier noch länger grimmig Löcher in die Luft starren oder können wir bald mal los?” “…los?”, echote die Wasserbändigerin irritiert. Ein theatralisches Stöhnen. “Das hatten wir doch EBEN besprochen! Wir gehen los, Karten kaufen! Landkarten. Oder bist du ein wandelnder Kompass?!” Ohne eine Antwort abzuwarten stapfte Thal hinter Ira her, die bereits an der Leiter wartete, welche nach unten ins Erdgeschoss führte. Kaya schluckte das Gefauche, das ihr auf der Zunge lag, hinunter und folgte den beiden in verbissenem Schweigen.
 

“Kohlköpfe! Frische Kohlköpfe!” Auf dem Markt wurden die Mädchen von lautem Stimmengewirr empfangen. Die Händler riefen durcheinander, priesen ihre Waren an und versuchten die Kunden davon zu überzeugen, dass ihre Produkte natürlich die Besten waren.
 

Recht schnell fand Ira den seriösesten Laden, der auch Landkarten in seinem Sortiment hatte. Es war ein kleiner überdachter Stand, der mit allerlei Schriftrollen und Karten, aber auch merkwürdigen Kleinkram - zum Beispiel Ketten mit seltsam geformten Anhängern oder winzige, mit undefinierbaren Flüssigkeiten gefüllte Fläschchen - vollgestopft war. Der Besitzer fing sofort an Ira mit geschäftsmäßigem Gesichtsausdruck zu bequatschen. “Willkommen, die junge Dame, willkommen! Hier findet Ihr alles, was Ihr sucht, sogar Dinge, die Ihr gar nicht gesucht habt…!”

Nachdem die Feuerbändigerin den aufdringlichen Verkäufer höflich, aber sehr bestimmt losgeworden war, vertiefte sie sich in die verschiedenen Karten um möglichst geeignete Exemplare für ihr Vorhaben zu finden. In der Zwischenzeit schlenderte Thal lässig die Straße entlang. Sie genoss das Gewusel. Ihre Mutter war zu bekannt im Erdkönigreich, es war nahezu unmöglich mit ihr den Palast zu verlassen ohne in einem Haufen begeisterter Bewohner des Erdkönigreichs zu enden, die ihre Königin verehren wollten. Thal hatte es etwas leichter. Außerhalb des Palastes wusste kaum einer, wie sie aussah und sie konnte leicht untertauchen und das Volk beobachten.
 

Kaya stand indessen ein wenig verloren zwischen den Kartenständern. Zwar schmollte sie immer noch ein wenig, fühlte sich allerdings auch ziemlich überflüssig und fragte sich langsam, warum sie eigentlich mitgekommen war. Thal und Ira waren hier überaus nützlich, sie kannten das Erdkönigreich und die Feuernation wie ihre Westentasche und selbst wenn sie noch nicht an einem Ort gewesen waren, so kannten sie doch wenigstens die grundsätzlichen Gepflogenheiten. Kaya dagegen verließ den Nordpol so gut wie nie und wenn, dann nur für Besuche am Südpol oder auf Kyoshi.
 

Plötzlich tauchte Ira neben der Wasserbändigerin auf. “Ich bin fertig.” Sie wies in einer leichten Geste auf die zusammengerollten Karten in ihrer Hand. “Wo ist Thal?” “Ähm…”

“Ich bin hier.” Bevor Kaya ein vernünftiges Wort sagen konnte, war die Erdbändigerin bereits katzengleich vor ihnen gelandet. “Sehr schön.” Während Kaya noch ungläubig auf die drei Meter hohe Mauer starrte, von der Thal eben lässig hinuntergesprungen war, gingen die anderen beiden schon weiter. “Kaya, kommst du?” Erst Iras Ruf riss sie aus ihrem Staunen und sie beeilte sich, zu ihnen aufzuschließen.
 

Doch auch während dem Laufen und auch den restlichen Tag ließ sie das Gesehene nicht los. Während Ira und Thal die letzten Stunden vor dem Schlafengehen munter plauderten, saß die Wasserbändigerin nachdenklich in einer Ecke.

Kaya war schlagartig klar geworden, wie wenig sie eigentlich über die anderen Völker wusste. Sie hatte sich nie große Gedanken über die Fähigkeiten der anderen Bändiger gemacht, über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Bändigungsarten oder ihre besonderen Fähigkeiten. Und wieder drängte sich ihr der Gedanke auf, dass ihre beiden Begleiterinnen auch auf diesem Gebiet vermutlich viel mehr wussten als sie.

Den Kopf voller Gedanken schlief sie schließlich ein.

Aufgeflogen?!

Kaya war auch am nächsten Morgen relativ still. Sie sprach kaum, weder beim Frühstück, noch danach, als Thal sie mit ein paar provozierenden Worten zu einem Stadtspaziergang zu überreden versuchte.

Denn die Wasserbändigerin war immer noch mit Grübeln beschäftigt. Schließlich schaffte Ira es doch, sie aus ihren Gedanken zu reißen.
 

“Kaya? Was ist denn los?”, fragte die Feuerbändigerin bereits zum dritten Mal, als die Angesprochene endlich reagierte. “W-Was? Hast du was gesagt?” “Ich habe dich gefragt, was los ist.”, sagte Ira geduldig. “Dich beschäftigt doch irgendwas…”

Es dauerte einen Moment, bis sie eine Antwort bekam. Dann platze Kaya schließlich doch heraus: “Ich komme mir so schrecklich dumm vor!” “Dumm?”, wiederholte Ira ruhig, aber sichtlich erstaunt. “Warum das?” “Ihr wisst so viel… ihr seid mit anderen Nationen groß geworden, ich hatte immer nur Wasserbändiger um mich herum! Für mich gab es nichts anderes… Ich… Ich komme mir wie ein Kind vor!”

Obwohl Kaya sehr schnell und ein wenig wirr gesprochen hatte, glaubte Ira zu verstehen. Sie lächelte. “Und darüber zerbrichst du dir so sehr den Kopf? Das ist ganz normal, der Nordpol ist nun mal nicht gerade der Knotenpunkt der Welt.” Ira lachte aufmunternd, stand auf und hielt der Wasserbändigerin die Hand hin: “Komm, wir gehen uns die Stadt ansehen!”
 

Thal hatte sich wohl oder übel alleine auf den Weg machen müssen, nachdem Kaya schweigend Löcher in die Luft gestarrt und Ira erklärt hatte, dass sie sich erst einmal über die Karten setzen wollte.

Ein wenig schade fand sie es schon, dass Kaya nicht mitkam. Sie mochte es, die jüngere Wasserbändigerin zu foppen. Sogar bei dem Gedanken musste sie schon grinsen.

Aber nun schlenderte Thal alleine durch die Straßen - und blieb erschrocken vor drei Plakaten stehen.

Die Zeichnungen auf den Steckbriefen stellten ganz eindeutig die drei Prinzessinnen da - wenn auch in unterschiedlicher Art und Weise. Thal stellte mit einem gewissen Schmunzeln fest, dass Toph keinen allzu großen Wert auf Wiedererkennung gelegt zu haben schien, während die Zeichnung von Kaya äußerst detailliert war und einen langen Text zur Beschreibung enthielt. Iras Abbild hingegen schien das Mittelmaß darzustellen: man konnte die Feuerprinzessin zwar erkennen, der Zeichner hatte sich jedoch auch nicht mit unnötigen Details aufgehalten.

Thal riss die drei Plakate von der Wand, verbarg sie in ihrem Gewand und machte sich sofort auf dem Weg zurück zu ihrem Unterschlupf in dem verlassenen Gästehaus.
 

An der Tür wäre sie fast mit ihren beiden Gefährtinnen zusammengestoßen, wäre sie nicht reflexartig zur Seite gesprungen, als sie sie kommen spürte.

“Was ist denn mit dir los?”, fragte Kaya verdutzt. Thal wunderte sich einen Sekundenbruchteil, warum die Wasserbändigerin wohl wieder sprach und nicht mehr mit dem Kopf in irgendwelchen unbekannten Welten versank, dann erinnerte sie sich jedoch wieder, warum sie es so eilig gehabt hatte.

“Ich glaube, wir haben ein Problem.”
 

"Nicht zu fassen..." Kaya starrte auf ihren eigenen Steckbrief, der mit den anderen zusammen auf den Boden vor ihnen lag. "Sogar ein Blinder würde mich so erkennen - sorry, Thal." "Kein Ding", grinste die Erdbändigerin und warf schmunzelnd einen Blick auf ihren eigenen Fahndungsbrief. "Ich vermute meine Mum hat meinen selbst gezeichnet." Belustigt begutachtete sie die Zeichnung, die sie darstellen sollte... und die im Grunde jede beliebige Person darstellen konnte. Auch mit der Beschreibung hatte sich Toph nicht wirklich Mühe gegeben, außer "Thal, 16 Jahre, schwarze Haare, grüne Augen" stand dort nichts weiter. "Man könnte meinen, Toph will gar nicht, dass du gefunden wirst...", lächelte Ira. "Ich bin mir ziemlich sicher, dass das so ist.", grinste Thal zurück und ließ sich mit hinter dem Kopf verschränkten Armen nach hinten zu Boden sinken. "Beneidenswert...", murmelte Kaya. Katara hatte sich äußerste Mühe gegeben und sogar sämtliche Kleidung, die ihre Tochter besaß und die Art, wie sie sich die Haare band beschrieben. "Was machen wir denn jetzt?", fragte die Wasserbändigerin in leicht verzweifeltem Tonfall.

"Nur keine Panik", kam es aus Bodennähe von Thal. "Ich würde sagen, wir wechseln erst mal die Stadt. Oder besser: das Land. Jetzt wäre das Feuerreich dran, was meinst du?" Sie richtete sich auf und sah Ira erwartungsvoll an.
 

Die Feuerbändigerin zögerte einen Moment, dann nickte sie schließlich langsam.

Alte Wunden

Mit großen Augen sah Kaya sich um. Sie standen mitten auf dem Marktplatz der Hauptstadt des Feuerreiches und die Wasserbändigerin konnte sich kaum entscheiden, wo sie zuerst hingucken sollte. Thal genoss den Trubel um sie herum und versuchte möglichst interessante Orte in ihrer Umgebung aufzuspüren. Ira hingegen schien absolut nicht begeistert davon, wieder in ihrer Heimat zu sein. „Was ist los?“, fragte Thal leise. „Nichts.“, antwortete die Ältere schnell. Die Erdbändigerin zog eine Augenbraue hoch. „Ich brauch nicht mal meine Füße um festzustellen, dass du lügst. Also, was ist?“ „Nichts, wirklich!“ Ira hob abwehrend die Hände. „Ich hab die Stadt nur noch nie ... so gesehen... also nicht als Prinzessin.“ Thal sah sie weiterhin misstrauisch an, da Ira jedoch keinerlei Anstalten machte, mit der Wahrheit rauszurücken, ließ sie sie in Ruhe.
 

Doch schon bald sollte sie sehr genau zu sehen bekommen, was Iras Unwohlsein auslöste...
 

Die drei Abenteurer hatten beschlossen ihre Vorräte aufzustocken und zerschlissene Taschen und Kleidung auszutauschen bzw. sich in Thals und Kayas Fall überhaupt erst mal Kleidung der Feuernation zuzulegen. Während Ira also am Markt Lebensmittel besorgte, suchten sich ihre Gefährtinnen ein paar Stände weiter ihre Kleidung aus. Ein leises Tuscheln erregte Thals Aufmerksamkeit und sie spitzte die Ohren, als sie feststellte, dass es aus der Ecke kam, in der sich Ira gerade befand.
 

„Bist du nicht die Prinzessin?!“ Der Gemüsehändler machte eine rüde Kopfbewegung in Richtung Palast. Seine Stimme hatte absolut nichts von dem Respekt, dem man normalerweise einer Prinzessin entgegen bringen sollte – im Gegenteil: sie strotzte nur so vor Verachtung. „Bitte, mein Herr, ich möchte einfach nur etwas Gemüse kaufen...“ Doch der Mann ignorierte die leisen Worte der Feuerprinzessin, die mit gesenktem Kopf da stand und den Eindruck machte, als wäre sie am liebsten unsichtbar. „Ozo, hey OZO!“, brüllte er dem Mann am Fischstand gegenüber zu. „Schau doch mal, wenn ich hier entdeckt habe – heute ganz ohne Eskorte!“ Der Fischhändler wischte seine Hände an einem schmutzigen Tuch ab, warf es auf die Theke und kam neugierig herüber. Ira spürte, wie ihr vor Angst fast die Luft weg blieb. „Ach, sieh an!“ In seinem Gesicht spiegelten sich erst Erstaunen und dann - Thal, die die Szene von fern beobachtete, zuckte erschrocken zurück – blanker Hass.

Auch die dicke Frau, die den Stand neben dem Gemüsehändler unterhielt, stieß nun zur Gruppe hinzu – und auch ihr Gesicht war hasserfüllt. Ihre kreischende Stimme hallte über den gesamten Marktplatz und lockte immer mehr Zuschauer an: „Die Feuerprinzessin, na sowas! Dass du dich alleine hier runter traust!“ Sie lachte höhnisch, schubste das zitternde Mädchen, das immer wieder versuchte die Leute um sie herum zu beschwichtigen, in den Staub und trat nach ihr. Ira rang nach Luft und versuchte sich gleichzeitig vor der wütenden Menge zu schützen. Die Angst schnürte ihr im wahrsten Sinne des Wortes die Kehle zu.

Thal wurde es nun eindeutig zu viel. Sie ließ die Ledertasche, die sie gerade in der Hand gehalten hatte, fallen und drehte sich ganz zur Meute um. „Kaya, komm.“ Ohne über die Schulter zu sehen, wusste sie, dass die Wasserbändigerin sie gehört hatte und nun auch mit Schrecken die Szenerie bemerkte. Dann folgte sie der Älteren hastig.
 

„Was ist denn hier los?!“, donnerte Thal und mit ihren Worten bebte der Boden unter ihren Füßen zornig. Die Menge teilte sich überrascht und gab den Blick auf eine am Boden kauernde und staubbedeckte Ira frei. Kaya war über den Anblick beinahe schockiert. Nie hätte sie gedacht ihre sonst so ruhig und beherrschte Freundin so verängstigt zu sehen.

Thal jedoch machte das Bild, das sich ihr bot, nur noch wütender. Als sie nun wieder die Stimme erhob, waren ihre Worte gefährlich langsam, laut und deutlich: „Was... Bitte WAS hat dieses Mädchen euch getan, dass ihr sie dermaßen behandelt?! Ich rate euch zu antworten...“ Der letzte Satz war drohend und Kaya war irritiert, wie autoritär Thals Stimme klingen konnte. Sie hatte nichts mehr von der so frechen und sorglosen Person an sich, die Thal sonst war.

Es war Ozo, der Fischhändler, der schließlich einen Schritt nach vorne wagte – und sofort wieder zurückwich, als Thals grüne Katzenaugen ihn fast mit ihrem Blick durchbohrten. „Sie ist die Tochter des Feuerlords!“, sagte er schließlich und die Menge murmelte zustimmend, als wäre das die Rechtfertigung ihres Handelns. Thal schnaubte. „Na und? Ich bin die Tochter der Erdkönigin – was macht ihr jetzt? Bewerft ihr mich mit dem stinkenden Fisch da drüben?“ Ihr Kopf ruckte in Richtung des Fischstandes und Ozo machte ein empörtes Gesicht, wagte es jedoch nicht noch einmal zu sprechen.
 

„Ihr kennt wohl nicht die Geschichte unseres Landes, Prinzessin.“, wandte ein Mann aus der Menge ein. „Ich kenne eure Geschichte vermutlich besser als ihr selbst.“, knurrte Thal. „Meine Mutter war damals dabei. Sie hat geholfen Ozai zu Fall zu bringen. Aber was soll Ira damit zu tun haben?! All das geschah lange vor ihrer Geburt. Ihr wart damals selbst jung! Warum also behandelt ihr eure Prinzessin nicht mit dem Respekt, den sie verdient hat?“ „Seht sie Euch doch an!“, schrie die dicke Frau plötzlich heraus und Kaya bemerkte, wie Thal bei ihrer Kreischstimme genervt zusammenzuckte. Manchmal waren ihre gute n Ohren und das Händchen für Schwingungen ein Fluch. „Sie ist das genaue Ebenbild Azulas!“ Kaya und Thal tauschten verwunderte Blicke. „Und?“, fragte die Erdbändigerin schließlich ungeduldig. „Na, glaubt ihr etwa, wir lassen noch mal zu, dass wir von so einer Person terrorisiert werden?!“ Thal schnappte nach Luft und starrte die fette Frau ungläubig an. „Das ist der Grund? Is nich euer Ernst.“

Doch die Reaktion der Menge – ein zustimmendes, feindseliges Nicken - war eindeutig.
 

„Wie dumm seid ihr eigentlich?!“, polterte Thal. „Nur weil eure Prinzessin jemandem ähnlich sieht, der lange vor ihrer Geburt das Land terrorisiert hat, bestraft ihr sie dafür?!“ Als keiner antwortete, fuhr sie mit ihrem Donnerwetter fort: „Viel eher solltet ihr euch fragen, warum sich nie jemand gegen Ozai gewehrt hat! Oder gegen Azula. Warum viele eurer Eltern – oder gar ihr selbst! - ihnen als Soldaten treu gedient haben!“ Wütend sah sie die Bewohner der Stadt der Reihe nach an. Niemand sagte etwas. „Kaya!“ Die Angesprochene zuckte leicht zusammen. „Hilf Ira auf. Wir verschwinden von hier. Ist ja nicht auszuhalten.“ Kaya nickte und beeilte sich, zu dem immernoch am Boden liegenden Mädchen zu kommen. Doch noch bevor sie sie überhaupt berühren konnte, ging eine drohende Bewegung durch die Menge. Ohne Nachzudenken hatte Kaya im Bruchteil einer Sekunde ihre Wasserflasche geöffnet und das Wasser darin gebändigt, das nun drohend um sie und Ira herumfloss, bereit jeden Angriff abzuwehren. „Wer will sich mit mir anlegen? Kommt nur näher!“ Sie war selbst erstaunt über ihre schnelle und bestimmte Reaktion, denn insgeheim hatte sie trotz Thals selbstbewussten Auftritt Angst. Die fremden Länder hatten ihr sämtliches Selbstbewusstsein geraubt.

„Jetzt wollt ihr also auch noch die Wasserprinzessin angreifen?!“, donnerte Thal. „Habt ihr etwa in eurer idiotischen Verbohrtheit vor, einen Krieg gegen alle anderen Nationen anzetteln?! Geht lieber nach Hause und überlegt mit euren Eltern, warum ihr nie hinterfragt habt, was damals geschehen ist!“

Mit diesen Worten drehte Thal sich einfach um und ging langsam Richtung Stadttor. Kaya hatte einen Arm um Ira gelegt und folgte der Erdbändigerin.
 

Als sie sich bereits einige Meter von der erstummten Menge entfernt hatten, hörten sie eine leise Männerstimme in die Stille hinein sagen: „Eigentlich haben sie Recht...“
 

Auf ihrem Weg aus der Stadt hatten die Mädchen Ira zuliebe, die immernoch um Luft kämpfte, viele kurze Pausen eingelegt, um sie zu Atem kommen zu lassen. Nun waren sie endlich bei Appa angelangt. Thal schimpfte immernoch wütend vor sich hin. „Beruhig dich doch mal, Thal...“, murmelte Kaya leise. „Ich kann mich aber nicht beruhigen!“, fuhr diese sie an. „Diese Vollidioten!!“ Sie holte aus und spaltete mit einem einzigen Schlag einen der großen Felsen auf der Lichtung, die Appa mittlerweile abgegrast hatte.

Bei diesem Geräusch zuckte Ira, die im Gras saß und sich gerade wieder gefangen hatte, heftig zusammen. „Thal!!“, fauchte Kaya strafend und die Erdbändigerin guckte schuldbewusst. „Tschuldigung.“ Sie ging neben Ira in die Hocke. „Wie lange geht das schon so?“, fragte sie leise. Ira wich ihrem Blick aus.
 

„Schon immer...“

Die Last der Vergangenheit

Iras Kindheit war der von Mai sehr ähnlich gewesen. Ihre Eltern waren damit beschäftigt gewesen, die Fehltritte von Zukos Ahnen auszugleichen und gleichzeitig das Land zu regieren. Für ihre kleine Tochter blieb da wenig Zeit.

Ihr Großonkel Iroh jedoch, nach dem sie benannt worden war, war fast eine Art Vater für sie, wie er es einst auch für Zuko gewesen war. Gleichzeitig war er aber auch ein Freund und Lehrmeister. Von ihm lernte Ira erst die Grundlagen des Feuerbändigens und später auch seine fortgeschrittenen Techniken. Iroh war begeistert über ihr Talent – lehrte ihr aber gleichzeitig, verantwortungsbewusst mit ihrer Gabe umzugehen und mit sich selbst und ihrer Umwelt im Einklang zu leben. Lange Zeit war er für sie der beste Freund, den sie hatte. Doch irgendwann kam der Tag, an dem er durch seinen Tod aus ihrem Leben gerissen wurde.
 

Nachdem Ira nun völlig alleine gewesen wäre, nahm Mai sich ihrer an. Obwohl sie ihre Tochter liebte, war sie eine strenge Mutter, die großen Wert auf Disziplin legte. Außerdem brachte sie Ira bei, sich niemals auf ihre Bändigungsfähigkeiten zu verlassen, sondern lehrte sie stattdessen im Umgang mit Wurfmessern und Ähnlichem. Obwohl sie nie danach fragte, hatte die kleine Ira so den Eindruck ihre Mutter würde sich für ihre Bändigungskräfte schämen. So fing sie an, diese unter Verschluss zu halten.
 

Sie konnte nicht ahnen, dass Mai sie nur vor Vorurteilen und schnellen Zungen schützen wollte, indem sie versuchte die Ähnlichkeit Iras mit ihrer Tante Azula möglichst gering zu halten. Denn leider war nicht von der Hand zu weisen, dass Ira ihr glich, wie aus dem Gesicht geschnitten und auch ihr Talent Feuer zu bändigen, dem ihrer Tante gleich kam.

Doch trotz Mais Mühen, ihre Tochter von Azula abzugrenzen, indem sie sie ausschließlich mit Waffen kämpfen ließ und sie eher im Hintergrund behielt, drangen die Gerüchte nach außen und schürten Hass in den Bewohnern der Feuernation, vor allem jedoch in denen der Hauptstadt, die dem Palast am nächsten waren.
 

Niemanden interessierte es, dass Iras Charakter viel ausgeglichener war, als Azulas. Sie ähnelte in ihrem Harmoniestreben mehr ihrem Großonkel, als irgendwem sonst – dennoch wurde sie für das Volk zum Symbol der Vergangenheit. Eine Vergangenheit, an die man sich ungern erinnerte und die man am liebsten auslöschen würde.
 

Durch all diesen Hass, der Ira entgegengebracht wurde, sobald sie den Palast verließ – ja, manchmal sogar von Wachleuten und Personal innerhalb des Palastes – zog sie sich zurück.

Sie hörte auf zu bändigen, sich mehr als unbedingt nötig vor Menschen zu zeigen oder gar mit jemandem zu sprechen, der nicht dem engsten Kreis ihrer Familie angehörte.

Der Sturm

Schweigend hatten Kaya und Thal Iras Geschichte gelauscht. Obwohl Ira nur das Gröbste erzählt hatte, waren beide schockiert. Ihre Kindheit war völlig anders gewesen. Thal hatte sowieso schon immer machen dürfen, was sie wollte und auch wenn Katara eine sehr strenge Mutter war – durch ihre seltene Anwesenheit hatte auch Kaya viele Freiheiten gehabt.
 

Thal lächelte Ira plötzlich aufmunternd an: „Wir finden die Luftnomaden. Dann kannst du allen beweisen, dass du anders bist als Azula.“ Sie stand auf und bot Ira die Hand, um ihr hochzuhelfen. „An deinem Selbstbewusstsein müssen wir allerdings auch noch etwas arbeiten.“ Sie grinste. „Ich hab dich noch nie Feuer bändigen gesehen. Das ist doch ein Talent, ein Teil von dir. Den kannst du nicht so einfach wegsperren. Das üben wir auch noch.“ „Danke.“, murmelte Ira verlegen. Thal winkte nur ab und lachte ihr sorgloses Lachen, während sie begann ihre Sachen zusammenzusammeln. „Jetzt verschwinden wir aber erst mal von hier. Ich will erst wieder in diese Stadt, wenn wir diesen Leuten endlich die Blödheit aus den Köpfen vertreiben können.“
 

Kaya hatte ihr stumm zugehört. Scheinbar war Thal doch nicht so ein Vollidiot, wie sie gedacht hatte. Und wieder fühlte sie sich ein wenig ausgeschlossen. Die beiden schienen sich so gut zu verstehen und sie? Sie blieb irgendwie immer außen vor.

So auch jetzt, denn sie schrak erst aus ihren Gedanken hoch, als Thal ihr ihren Schlafsack an den Kopf warf. „Kommst du jetzt endlich oder willst du hier bleiben?“ Mit Schrecken stellte die Wasserbändigerin fest, dass die anderen beiden bereits abflugbereit auf Appas Sattel saßen. „Bin schon da!“ Hastig sprang Kaya hoch, raffte ihre Sachen zusammen und beeilte sich, den Rücken des riesigen Himmelsbisons hochzuklettern.

Als sie endlich oben angekommen war, sah sie Thal fragend an: „Und jetzt? Fliegen wir gleich ins Gebiet der Luftnomaden?“ „Klar!“, nickte die Erdbändigerin und gab ihr die Zügel in die Hand. „Je eher, desto besser. Die Welt wartet auf uns, Leute!“ Sie lachte übermütig und machte es sich dann im Sattel bequem, während Appa sich nach einem leisen „Yip-yip!“ von Kaya gemächlich in den Himmel schwang.
 

Ein Donnerschlag weckte die Mädchen. „Scheiße!“ Thal fluchte, als sie feststellte, dass sie in einen gewaltigen Sturm geraten waren. Der Wind tobte um sie herum. Kaya versuchte gerade die Zügel zu greifen, um Appa zu zeigen, dass sie bei ihm war, als der Regen einsetzte. Dicke eiskalte Tropfen, die unbarmherzig auf sie niederprasselten und in Sekundenschnelle alles durchweicht hatten. Als sie sich schlafen gelegt hatte, war am Himmel nicht eine einzige Wolke zu sehen gewesen und sie hatte sich darauf verlassen, dass der Himmelsbison den Weg in die vertrauten Gefilde von alleine fand. Nun hatte sie keine Ahnung, ob und wie weit sie vom Kurs abgekommen waren. „Appa, versuch irgendwo zu landen, der Sturm ist viel zu stark für dich!“, brüllte sie gegen den heulenden Wind an und Appa brummte zustimmend.

Ira sah hinunter. Sie waren vermutlich bereits im gebirgigen Areal der Luftnomaden angekommen. Die Feuerbändigerin hoffte inständig, dem Bison möge es gelingen irgendwo sicher zu landen. Sie wollte sich gar nicht vorstellen, was passieren könnte, wenn der Wind...

Doch bevor sie ihren Gedanken überhaupt zu Ende spinnen konnte, nahm er grausige Realität an: Eine Windbö erfasste Appa, wirbelte den riesigen Bison wie eine Feder herum und fegte die Mädchen von seinem Rücken. Kaya wurde so heftig gegen Thal geschleudert, dass sie für einen Moment keine Luft mehr bekam. Die Erdbändigerin griff geistesgegenwärtig nach ihr und versuchte auch Ira zu erreichen, die von ihnen weggetrieben wurde. Der nächste Windstoß riss sie endgültig von den beiden weg und die drei Mädchen verloren sich aus den Augen, während sie in die Tiefe stürzten.

Thal und Kaya taten ihr möglichstes um den Aufprall zu dämpfen: doch trotz des Wasserstrahls, der ihren Fall erheblich verlangsamte, landeten sie empfindlich hart in bewaldetem Gebiet. Mit letzter Kraft bändigte Thal eine kleine Höhle – eigentlich mehr zwei Steinplatten, die ein Dach bildeten – dann sanken sie auch schon bewusstlos zu Boden.
 

Als Kaya am nächsten Morgen aufwachte, tat ihr jeder einzelne Knochen weh und als sie hochfuhr, kam mit dem Schmerz auch die Erinnerung zurück.

Der Platz neben ihr, an dem Thal gelegen hatte, war leer, deshalb stand sie mühsam aus und trat hinaus. Die Erdbändigerin stand hier, auf einer kleinen Lichtung, im nassen Gras, das in der Sonne glitzerte und starrte gegen die aufgegangene Sonne zu einem Berggipfel, der durch die Baumkronen hindurch sichtbar war. „Da oben irgendwo muss Ira gelandet sein.“, sagte sie, als sie spürte, dass Kaya die Überdachung verlassen hatte. „Das ist ganz schön weit weg...“, murmelte die Wasserbändigerin und blinzelte ins helle Sonnenlicht. „Irgendeine Ahnung, wo Appa ist?“, fragte Thal.

Kaya ließ sich auf einen umgestürzten Baumstamm fallen und besah sich ihre Verletzungen. Kleine Schnittwunden, Abschürfungen und Prellungen. Nicht weiter schlimm. „Ich denke, er ist nach Hause geflogen.“, antwortete sie schließlich. „Er ist alt und wie sollte er uns auch finden? Ich hoffe nur, ihm ist nichts geschehen.“ Die Erdbändigerin nickte und blickte wieder in die Richtung des Berges. „Wir sollten versuchen Ira zu finden. Ich kann sie im Umkreis der nächsten paar Meilen nicht spüren.“ „Ich hoffe wir finden unterwegs unser Gepäck.“, brummelte Kaya. „Ich hab keine Lust irgendwo in der Wildnis zu verhungern.“

Auf der Suche

„Ich kann nicht mehr...“ Stöhnend ließ sich Kaya ins Gras fallen.

Es dämmerte bereits wieder – sie und Thal waren zwei Tage lang in die Richtung gelaufen, in der sie Ira vermuteten – und waren doch kaum vorangekommen. Die Bergspitzen schienen zumindest genauso unerreichbar fern wie noch am Morgen des Vortags.

Thal drehte sich zu Kaya um. Sie war ebenfalls erschöpft, auch wenn sie es nicht sagte. Die Rast in der Nacht zuvor war nur kurz gewesen, da sie so zur Eile gedrängt hatte. „Na gut, schlagen wir hier unser Lager auf.“ Die Wasserbändigerin schnaubte leise. Nicht, dass sie sonderlich viel aufzubauen hätten, der Sturm hatte schließlich alles fortgerissen. „Wir sollten erst mal Feuerholz sammeln, bevor es dunkel wird.“ Thal befolgte ihren eigenen Vorschlag ohne eine Antwort abzuwarten und marschierte Holz sammelnd drauf los. Mit einem Seufzen folgte ihr Kaya.
 

Gerade zog sie einen recht vielversprechend aussehenden Ast aus einem Busch als ein unheilverkündendes Grollen ertönte. Langsam und ängstlich hob sie den Kopf – und ihr stockte der Atem als sie direkt in die wütenden Augen eines riesigen Schnabeltierbären blickte. Reflexartig sprang sie einen Schritt zurück und entging nur knapp der gewaltigen Pranke, die die Luft an der Stelle zerschnitt, an der sie eben noch gestanden hatte. Ohne nachzudenken rannte die Wasserbändigerin los. „Thal!“ Der Bär hatte die Verfolgung aufgenommen und Kaya versuchte panisch ihn während dem Laufen mit Wasserbändigen fernzuhalten. Der Erfolg war eher mäßig. „Thal! Hilfe... THAL!!!“ Der nächste Hieb hätte sie getroffen, wäre die junge Erdbändigerin nicht wie aus dem Nichts aufgetaucht und hätte den Schlag mit einem heraufgebändigten Felsen abgefangen. Thal ließ dem Schnabeltierbären keine Pause sich von dem Schrecken zu erholen und griff gleich wieder an, während Kaya nur bebend vor Angst zusehen konnte. Ihr Kopf war einfach nur leer, während ihr Herz nicht nur hämmerte sondern ihr regelrecht in den Ohren dröhnte.
 

Erst als es eng für die Erdbändigerin wurde, schaffte sie es, sich aus ihrer Starre zu lösen und kam ihr zur Hilfe – gerade noch rechtzeitig, denn der nächste Schlag hätte Thal vermutlich zerrissen. So hatte Kaya die Pranke des Bären an einem Baum festgefroren, zwar nur kurz, denn die animalische Kraft des Tieres ließ das Eis sofort in alle Richtungen zersplittern, aber immerhin genügend Zeit, um Thal das Leben zu retten. „Jetzt sind wir quitt würd ich sagen.“, keuchte die Erdbändigerin sarkastisch und wandte sich wieder dem Bären zu: „Und von dir... hab ich endgültig die Schnauze voll!“ Während sie sprach begann bereits die Erde zu beben und Sekunden später fegte sie den Schnabeltierbären einige Meter von sich weg. „Jetzt aber schnell!“ Sie schnappte Kayas Hand und zog sie mit sich, während sie so schnell sie konnte losrannte.
 

Erst als sie beide keinen Schritt mehr tun konnten, machten sie Halt und ließen sich an einen Baum gelehnt auf den Boden fallen. „Ich hasse Schnabeltierbären...“, knurrte Thal mit geschlossenen Augen und nach Luft ringend. Dann legte sie eine Hand auf den Boden. „Nicht weit von hier ist eine Höhle. Sieht aus als wäre sogar ein See dabei, dann haben wir beide was davon. Was meinst du?“ Die Erdbändigerin blinzelte mit einem Auge zu Kaya hinüber. Diese nickte nur. Sie war nur mäßig überrascht, dass Thal sie nach ihrer Meinung gefragt hatte – ihre Aufmerksamkeit lag eher darin ihren Herzschlag wieder zu beruhigen. „Sehr gut, ehrlich gesagt hab ich nämlich keine Lust mehr, heute noch irgendwelche Höhlen zu bändigen...“ Zufrieden schloss Thal wieder ihre Augen und legte den Kopf in den Nacken, um sich noch ein wenig auszuruhen.
 

Ira hatte Glück gehabt und war von dem Sturm zwar unsanft, aber glücklicherweise größtenteils unverletzt in einen Baum geschleudert worden. Bei dem Versuch herunterzuklettern rutschte sie auf dem vom Regen glitschigen Stamm ab, schlug hart auf dem Boden auf und verlor für einige Stunden das Bewusstsein.

Nun kam sie langsam und mit einem leisen Stöhnen wieder zu sich. Sie schien mitten im Gebirge gelandet zu sein, denn um sie herum war der Boden felsig und die Bäume sahen knorrig und von Wind und Wetter geplagt aus.

Vorsichtig trat sie an den nahen Rand des Felsplateaus, auf dem sie stand. Der Ausblick, der sich ihr bot, war fantastisch: sie konnte das sonnenbeschienene Land auf viele Meilen überblicken; weite, teilweise noch nebelverhangene Wiesen und Wälder und einige kleine und größere Dörfer und Städte. Sogar Richtung Gipfel konnte sie ein ganzes Stück weit sehen, bis ihr die ersten Wolkenfetzen die Sicht versperrten.

„Die anderen werden sich auch Richtung Gipfel aufmachen... Das ist die beste Möglichkeit sie wiederzufinden...“, murmelte Ira. Sie war froh, dass sie ihre Umhängetasche während des Fluges nicht abgenommen hatte, denn so hatte sie jetzt zumindest eine leichte Decke, eine Wasserflasche und ein bisschen Proviant bei sich. Nach einer kurzen Stärkung machte sie sich auf den Weg Richtung Gipfel.
 

Zwei Tage lang war Ira nun gewandert. Zwischendurch hatte sie ihre Flasche an einer kleinen Bergquelle gefüllt und ihre Tasche mit möglichst vielen Nüssen, Beeren und Pilzen vollgestopft. Sie hatte es einfach nicht übers Herz gebracht, sich auf die Jagd nach einem der vielen Wildtiere zu machen – nun war es zu spät. Die Umgebung hatte sich weiter verändert: nur vereinzelt war noch kleine knorrige Bäumchen zu finden, Überlebenskünstler, die kaum Erde benötigten. Außer dem ein oder anderen Greifvogel hatte Ira kaum noch ein Lebewesen zu Gesicht bekommen und normales Gehen war kaum noch möglich, da überall große und kleine Felsbrocken den Weg versperrten und ihren Aufstieg mehr und mehr in eine Klettertour verwandelten.

Jetzt saß sie auf einem Felsblock, trank ein paar Schlucke Wasser und stellte gerade besorgt fest, dass ihr Proviant langsam aber sicher zur Neige ging, als sie glaubte etwas zu hören. Angespannt lauschte Ira. Hatte sie sich das nur eingebildet? Doch dann hörte sie es wieder: ein leises Geräusch, das Knistern von zerbröckeltem Fels. Irgendwer oder irgendetwas war ganz in ihrer Nähe und beobachtete sie vielleicht. Die Feuerbändigerin atmete tief durch. „Wahrscheinlich nur ein wilder Botenfalke...“, dachte sie, während sie versuchte sich zu entspannen.

Da, das waren eindeutig Schritte! Ira sprang auf. „Wer ist da??“ WUSHH - im nächsten Moment rauschten ein, zwei Luftstöße haarscharf an ihr vorbei. Ira wirbelte herum, um – wenn nötig – zurückzuschlagen und endlich konnte sie erkennen, wer sie da heimlich beobachtet hatte: Ein Mädchen mit langen schwarzen Haaren und großen grauen Augen stand geduckt hinter einem Felsbrocken, bereit erneut anzugreifen. „D-Du bist eine Luftbändigerin! Dann hatte Thal Recht!!“, stieß Ira überrascht hervor und gab ihre Verteidigungshaltung auf. Das Mädchen jedoch schien über ihre Worte noch wütender zu werden. „»Thal«??“, wiederholte es empört. „Dann ist jetzt also das Erdkönigreich dran – habt ihr nicht schon genug angerichtet!?!“ Ohne eine Antwort abzuwarten sprang sie mühelos auf den Felsen und schoss in einer flüssigen Bewegung zwei weitere Windstöße auf Ira ab, die hastig auswich. „Warte!!“ Die Feuerbändigerin hob bittend die Hände. „Ich glaube du bist nicht ganz auf dem neuesten Stand!“ Das fremde Mädchen hob misstrauisch eine Augenbraue. „Was meinst du damit?!“ Ira machte eine ehrerbietige Verbeugung. „Seit 35 Jahren herrscht Frieden zwischen den Völkern. Avatar Aang hat zusammen mit meinen Eltern und einigen anderen dazu beigetragen, dass der große Krieg beendet wurde.“ Verblüfft ließ das Mädchen die Arme sinken. „A-Aber… Es hieß Avatar Aang wäre gestorben!!“ Ira lächelte. „Naja, vor ein paar Wochen habe ich ihn am Nordpol getroffen, da war er noch quietschlebendig.“ „Oh…“ Das Mädchen schwieg einen Moment. Dann sah sie Ira zum ersten Mal direkt in die Augen. „Erzähl mir bitte, was geschehen ist.“ Sie glitt federgleich vom Felsen und ließ sich im Schneidersitz nieder. Ira folgte ihrem Beispiel: „Gerne, aber das wird eine Weile dauern.“ „Ich habe Zeit.“ Das Mädchen lächelte leicht.

„Ich heiße übrigens Nisa.“

Erdbeben

„Wahnsinn…“ Nisa staunte mit offenem Mund als Ira ihre Geschichte schließlich beendet hatte. „Da haben wir ja echt was verpasst!“ Mittlerweile war es völlig dunkel um die Mädchen geworden – und auch ziemlich kalt. Nisa stand auf und strahlte die Feuerbändigerin an: „Ich bin gespannt, was die anderen dazu sagen werden! Komm mit, ich stell dich ihnen vor!“ Scheinbar schwerelos glitt sie auf den nächsthöheren Felsen über ihr. „W-Warte, Nisa! Es ist stockfinster, das ist viel zu gefährlich!“ Nach einer Sekunde kurzen Zögerns, musste die junge Luftbändigerin zugeben, dass Ira Recht hatte und ließ sich wieder in eine sitzende Position sinken. „Was schlägst du vor? Langsam wird es ganz schön kalt hier oben.“ „Ich habe vorhin dort hinten eine kleine Höhle gesehen, da könnten wir übernachten.“ Vorsichtig kletterte Ira über einige Felsen und fand die Höhle nach kurzer Zeit tatsächlich wieder. Nisa folgte Ira ins Innere der kleinen Höhle, die zwar ziemlich eng war, aber wenigstens nicht von irgendwelchen Raubtieren bewohnt wurde. Eine Ansammlung von Feuerholz und ein Lager aus Moos ließ daraus schließen, dass hier vor längerer Zeit jemand übernachtet hatte.

„Ich hab zwar fast mein gesamtes Gepäck verloren und ich bin auch keine Erdbändigerin wie Thal, dass ich mit ein paar Handgriffen eine Tür zaubern könnte, aber immerhin werden wir nicht frieren.“, murmelte Ira und ein paar Sekunden später brannte ein munteres Feuer, das tanzende Schatten an die Höhlenwände warf. „Erdbändigerin?“, wiederholte Nisa mit hörbarer Begeisterung. „Du kennst Erdbändiger?! Wie cool! Ich hab noch nie einen getroffen… Sind sie wirklich so mutig wie die Geschichten sagen?“ Ira warf einen Blick auf Nisas Augen, die vor Neugier nur so funkelten und lachte leise. „Ja… ich würde sagen Thal ist einer der mutigsten Menschen, die ich kenne.“ „Ach bitte, erzähl mir mehr! Ich will ALLES wissen!“

Und mit einem Lächeln begann Ira von der Welt außerhalb des Gebirges der letzten Luftbändiger zu erzählen.
 

Als sie sich beide wieder beruhigt hatten, rappelte Thal sich schließlich als erste wieder auf. „Komm schon, lass uns zur Höhle gehen. Ich hab keine Lust noch einem dieser Biester zu begegnen.“ Ein bisschen widerwillig stand auch Kaya auf. Am liebsten wäre sie an Ort und Stelle eingeschlafen, doch Thal hatte Recht. Wer wusste schon, wie viele Schnabeltierbären – oder Schlimmeres – sich noch in diesen Wäldern herumtrieb? Zwar würde Thal einen möglichen Angreifer spüren, doch beim letzten Mal hatte ihnen das nicht viel gebracht.

„Thal…?“ „Mh?“ „Wie ist Toph so als Mum?“ Die Erdbändigerin starrte Kaya irritiert an: „Warum willst du das wissen?“ „Ach… einfach nur so.“ „Okay… Keine Ahnung… ich denke ziemlich cool. Sie hat mir viel Freiraum gelassen und ich glaube sie ist ziemlich verständnisvoll. Zumindest hat sie sich nicht aufgeregt, weil ich ihren Bändigungsstil mit dem der anderen Erdbändiger mische oder wenn ich mal ausgerückt bin.“ Thal lachte. „Wie ist denn Katara so als Mum?“

Thal schien als würden sie sich ewig unterhalten. Anfangs war das Gespräch ausgeglichen, doch nach und nach wurde Thal stiller und hörte nur noch zu, während Kaya erzählte. Vom Nordpol, von Kataras Strenge, die sie einfach nicht verstehen konnte, von ihren heimlichen Kämpfen mit Mako und schließlich auch von dem kleinen Kulturschock, den auf ihrer bisherigen Reise erlitten hatte.

Nun standen sie schließlich vor ihrem Ziel zu dem sie Thal – bewusst oder unbewusst – über mehr als einen Umweg geführt hatte. Kaya staunte. Ihre neue Unterkunft war einfach wunderschön: Der graue Fels der Höhle war über und über moosbewachsen, genau wie der Waldboden davor. Links vom Eingang befand sich der kleine See, von dem Thal gesprochen hatte und in dem sich nun silbern der fast volle Mond spiegelte. Das Wasser des Sees stammte aus einer natürlichen Quelle, die irgendwo im Fels ihren Ursprung hatte und einen kleinen Wasserfall bildete, der ein Stück weit über den Stein plätscherte, bevor er in den Weiher fiel.

„Das ist fantastisch!“ Begeistert rannte Kaya in die Höhle, um das Innere in Augenschein zu nehmen. Thal folgte ihr langsamer.

„Wow, da hast du ganze Arbeit geleistet, ich war noch nie an einem so schönen Ort!“ Kaya lehnte an der Wand, völlig beeindruckt von ihrer neuen Schlafstätte und sah sich weiter um. An der gegenüberliegenden Wand floss ein kleiner Bach durch sein steinernes Bett, der aus einer weiteren, kleineren Quelle gespeist wurde. An sich wirkte die Höhle sauber, fast wohnlich.

Erst jetzt fiel Kaya auf, dass Thal auf ihren Begeisterungsausbruch gar nicht reagiert hatte. Als sie sich zu ihrer Begleitung umdrehen wollte, schrak sie ein bisschen zusammen, denn Thal stand plötzlich direkt neben ihr. Und was sich dann ereignete, geschah für Kaya fast wie in Zeitlupe.
 

Denn Thal berührte plötzlich mit einer Hand Kayas Gesicht, beinahe zärtlich bevor sie sie einen Sekundenbruchteil später in einem Kuss an die Wand drückte. Und während Kaya vor lauter Verwirrung gar nicht bemerkte, dass sie den Kuss zuließ, begann unter ihnen die Erde zu beben. Zuerst ganz sacht, aber bestimmt, ein kurzes heftiges Beben, das schneller aufhörte als es begonnen hatte. Und mit einem leisen Keuchen fuhr Thal zurück, Kaya fast ungläubig anstarrend, die sich sofort wortlos in den hinteren Teil der Höhle zurückzog.
 

Am Nordpol horchte Katara auf. „Was war das? Habt ihr das eben bemerkt?“ Die Wasserbändigerin leitete die Suche nach ihren verschwundenen Kindern – mit wachsender Besorgnis, seit Appa ohne Reiter und ziemlich zerzaust zurückgekehrt war. Toph dagegen grinste. „Keine Sorge, Katara, ich weiß was das war.“ Und wissend, dass Katara ungeduldig auf eine Antwort wartete, fuhr Toph mit einem fast sanften Ausdruck in ihren blinden Augen fort: „Dieses Erdbeben war auf der ganzen Welt zu spüren. Es bedeutet, dass Thal soeben die Liebe ihres Lebens geküsst hat.“
 

- Flashback -

Es war Sommer in Ba Sing Se und obwohl die Sonne gerade im Begriff war unterzugehen, war die Luft noch sehr warm, fast heiß.

Auf einer kleinen Treppe, in der Nähe eines kleinen Baches im Obersten Ring, saßen zwei Kinder, eigentlich schon Teenager, eng nebeneinander, den Sonnenuntergang im Blick. Ab und zu war ein leises Kichern zu hören, das von dem Mädchen mit den beiden langen geflochtenen Zöpfen stammte. Und wie im stillen Einverständnis kamen sich die beiden plötzlich näher. Die Szene wirkte wie ein typisches Teenager-Szenario, ein schüchternes erstes Date mit einem vorsichtigem ersten Kuss. Wäre die zweite Person – die auf dem ersten Blick wie ein Junge wirkte – nicht eigentlich die Prinzessin dieses Königreichs.

Genau das fiel dem Mädchen des Teehändlers auch wieder ein, gerade als sich ihre Lippen berührt hatten und sie zuckte erschrocken zurück. „Tut mir leid, ich kann das nicht!“ Eine schnelle Verbeugung und das Mädchen rannte mit hochrotem Kopf davon. Thal blieb alleine sitzen.

Hinter ihr näherte sich lautlos jemand. „Mum, willst du jetzt wirklich jedes meiner Dates überwachen?“, fragte Thal ein bisschen unwillig, den Blick jedoch weiter auf den Sonnenuntergang gerichtet. Ihre Mutter lachte, dann setzte sich Toph neben ihre Teenie-Tochter. „Nein, aber ich wollte zumindest deinen ersten Kuss mitbekommen. Wie war’s denn?“, fragte sie neckend. „Mum, sie ist weggerannt.“, antwortete Thalia genervt. Toph lachte wieder. „Keine Sorge, Schatz, irgendwann findest du jemanden.“ Mit einem Satz sprang Thal auf das steinerne Treppengeländer, das sie mit Erdbändigen hinuntersurfte und kam schließlich mit einem kleinen (angeberischen) Salto auf dem schmalen Brückengeländer zu stehen. „Du hast Recht, Mum!“ Sie drehte sich zu Toph um, die bereits die Treppe herunterkam. „Irgendwann finde ich sie!“, sagte sie laut. „Und wenn ich sie das erste Mal küsse, dann werde ich die ganze Welt zum Beben bringen! Hast du das gehört, Ba Sing Se?!“ Das Echo ihrer Frage hallte an den Häusern der riesigen Stadt wider.

Toph lachte. „Ja, das wirst du, Thal! Lass uns gehen, ich hab keine Lust wieder eine Diskussion mit den Wachen zu führen, weil uns ja etwas passieren könnte.“ Sie verdrehte genervt die Augen. Thal lachte ebenfalls und hielt dann noch mal inne, bevor sie vom Geländer sprang, so dass Toph sich fragend zu ihr umdrehte. „Oh, und ich werde nie wieder einem Mädchen sagen, dass ich die Prinzessin des Erdkönigreichs bin. Ich glaube, das kommt nicht gut.“

Mondlicht

Am nächsten Tag gingen sich Kaya und Thal aus dem Weg. Bevor sich die Wasserbändigerin herauswagte, um etwas zu trinken, stellte sie sich so lange schlafend, bis Thal verschwunden war – offensichtlich unterwegs zur Jagd, denn als sie wenig später zurück kam, briet sie irgendein… Tier über dem zuvor errichteten Lagerfeuer. Kaya wusste nicht genau was das war, das da über dem Feuer brutzelte - und sie wollte es auch nicht wissen – aber sie war dankbar, dass Thal wieder ging, nachdem sie gegessen hatte, so dass auch die Wasserprinzessin die Gelegenheit hatte, etwas zu essen.

Natürlich wusste Kaya, dass es besser gewesen wäre, wenn sie ihren Weg fortgesetzt hätten und sie wusste auch, dass sie früher oder später wieder miteinander reden mussten, doch sie konnte sich einfach nicht dazu durchringen, den ersten Schritt zu tun. Zuvor musste sie erst mal in Ruhe nachdenken, doch dazu war sie nicht in der Lage, solange sie krampfhaft darum bemüht war, sich vor ihrer Begleitung zu verstecken.
 

Als es schließlich dunkel wurde und sie davon überzeugt war, dass Thal schlief, tat Kaya, was die meisten Wasserbändiger taten, wenn sie zur Ruhe kommen und nachdenken wollten: Sie nahm ein Bad.

Möglichst lautlos huschte sie durch die Höhle und an Thal vorbei ins Freie. Die Nacht war sternenklar und der riesige Vollmond tauchte alles in Silberlicht. Am Ufer des kleinen Waldsees schlüpfte Kaya aus ihren Kleidern, die sie auf einem Felsen ablegte und öffnete den Knoten in ihrem Haar, so dass ihr die braunen Wellen ungebändigt über den Rücken fielen. Und dann endlich war sie in ihrem Element.

Kaum hatte sie sich am andern Ende des Tümpels, ganz in der Nähe der Quelle, an den Felsen gelegt, das beruhigende Plätschern in den Ohren und das schöne silberne Licht des Mondes auf ihrer nackten Haut, spürte Kaya, wie sie sich bereits entspannte. Sie liebte den Vollmond sowieso auf eine ganz besondere Weise. In Nächten wie diesen wurde sie fast magisch von seinem Licht angezogen und auch wenn sie nicht wusste warum, fühlte sie sich in dem silbernen Licht doch viel stärker als sonst.

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Auch Thal hatte den Tag über nachgedacht – und das konnte sie am besten, wenn sie etwas zu tun hatte. Die Jagd war dafür eine optimale Beschäftigung, denn sie konnte sich beim bändigen verausgaben und war gleichzeitig hochkonzentriert. Natürlich hatte sie den Heimvorteil: Die Fähigkeit, ihr Umfeld sogar blind wahrzunehmen, war bei ihr zwar nicht ganz so ausgereift wie bei Toph, doch das Training ihrer Mutter war Gold wert gewesen. Gleichzeitig war es irgendwie beruhigend und vertraut und gab ihr die Zeit nachzugrübeln.

Thal wusste selbst nicht genau warum sie Kaya geküsst hatte – schließlich war sie ja nicht in die Wasserbändigerin verliebt. Die Erdbändigerin schüttelte energisch den Kopf.

Zwar hatte sie bei ihrem bisher einzigen richtigen Gespräch in der vergangenen Nacht eine gewisse Sympathie verspürt und die Erinnerung an ihr Kindheitsversprechen versuchte sich mit aller Macht in ihr Bewusstsein zu drängen, doch Kaya konnte einfach nicht ihre große Liebe sein. Zu diesem Schluss war die Erdbändigerin soeben gekommen. Die Wasserbändigerin war als eventuelle Freundin einfach… unpassend. Ohne es zu bemerken nickte Thal bekräftigend. Genau, unpassend. Zickig und launisch und seit dem Beginn ihrer Reise so furchtbar still. Nicht würdevoll ruhig, wie Ira, deren wenige Worte immer so treffend waren, sondern einfach nur… - Thal zog die Augenbrauen zusammen – nervig still. Langweilig. Ganz abgesehen davon, dass sie eine lausige Bändigerin war. Die Erdbändigerin schnaubte verächtlich. Kayas Selbstbewusstsein am Nordpol war offenbar auch nur gespielt gewesen. Nein, nein, dieser Kuss war bedeutungslos gewesen, das Beben reiner Zufall, dessen war sie sich sicher. Ganz, ganz sicher.

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Kaya hatte entspannt die Augen geschlossen und lauschte dem leisen Plätschern der Quelle, während ihre Haare wie dunkelbraune Seide über ihre Schultern ins Wasser flossen. „Eigentlich ist Thal ja ganz okay“, dachte sie. Abgesehen von diesem rüpelhaften Verhalten manchmal sicher kein schlechter Kerl, annehmbar als Partner für einen Kuss.

Und wenn sie ganz ehrlich war, hatte sie das Gespräch gestern sogar genossen.

Plötzlich ein leises Plätschern am Ufer und eine leichte Wellenbewegung im Wasser, die Kaya hochschrecken ließ. „Thal!?!“ Gleichermaßen entsetzt und entrüstet duckte sie sich tiefer ins Wasser und verschränkte die Arme schützend vor ihrem nackten Oberkörper. Gedanklich fluchte sie: „Ganz toll, Kaya, schleich dich an einem schlafenden Erdbändiger vorbei, der bei TOPH in die Lehre gegangen ist!“

„Entspann dich.“ Zu Kayas größtem Entsetzen machte sich Thal daran, sich auszuziehen. „Oder hast du Angst, dass ich dir was weggucken könnte?“ Der Spott in Thals Stimme nicht zu überhören, ein schiefes Grinsen im Gesicht und in diesem Moment rutschte das Gewand über ihre Schultern und gab den Blick auf einen erstaunlich muskulösen, schlanken Körper frei. Und das dort, verborgen unter eng gewickeltem Stoff, aber dennoch deutlich sichtbar, war eindeutig…

„Du bist ein MÄDCHEN?!“ Kaya schnappte vor Entsetzen nach Luft und während sie sich noch in einer Art Schockzustand befand, entledigte sich Thal ihrer restlichen Kleidung, sprang ins Wasser und war mit ein, zwei kräftigen Zügen bei Kaya. DICHT bei Kaya.

Diese kam erst wieder völlig zu sich, als sie direkt in Thals grüne Katzenaugen starrte und drückte sich sofort so dicht wie möglich an den Felsen, um möglichst viel Abstand zwischen sich und der Erdbändigerin zu bekommen. Thal lächelte spöttisch: was für eine unüberlegte Aktion. Doch Kaya fauchte schon los: „Du bist ein MÄDCHEN und hast mich trotzdem geküsst?! Bis du noch ganz dicht?!“ Die Erdbändigerin grinste lässig, in den Augen ein verschlagenes Funkeln. Ein Funkeln, das Kaya dummerweise übersah.

„Dir hat’s doch gefallen, oder?“ Es war mehr eine Feststellung als eine Frage und bevor Kaya großartig nach einer Antwort suchen konnte, wurde sie ein zweites Mal an einen Felsen gepresst und geküsst. Nur mit dem Unterschied, dass sie diesmal beide nackt waren. Überrascht stellte die Wasserbändigerin fest, wie stark Thal war. Stark, aber nicht grob und abgesehen vom an-den-Felsen-drücken eigentlich sogar fast sanft. Das Mädchen war wie in Trance – erst als Thals Zunge ihren Mund eroberte, zog Kayas Hirn endlich die Notbremse. Sie riss sich mit aller Macht los, bändigte Thal einen Schwall Teichwasser ins Gesicht und verschwand mit ihren hastig aufgelesenen Klamotten in der Höhle.

Thal wischte sich das Wasser aus dem Gesicht, sah ihr entspannt an den Felsen gelehnt hinterher und grinste. „Ich krieg dich schon noch…“
 

Denn schon als sie Kaya dort im blassen Mondlicht gesehen hatte, hatte es „Klick“ gemacht. Ihre Überlegungen waren Geschichte - sie wollte Kaya, mit Herz und Seele, das wusste sie nun und nachdem sie sich darüber im Klaren war, hatte sie sich auch sehr schnell mit diesem Umstand abgefunden. Schließlich war sie ein Macher, rumjammern half nicht und wenn sie ehrlich war, hätte ihr Herz auch eine schlechtere Wahl treffen können.

Vor allem, da sich nun mit aller Macht irgendetwas in ihr rührte, dass ihr sagte, dass in Kaya mehr steckte, als auf den ersten Blick zu sehen war. Und dieses „irgendetwas“ war der untrügliche Sinn, den sie von ihrer Mutter geerbt und mit ihr trainiert hatte und leise flüsterte Thal die Worte, die sich dank Toph tief in ihrem Hirn eingebrannt hatten:

„Hör auf dein Herz, es ist nicht alles so, wie es aussieht.“

Nisa, die Luftnomadin

Am nächsten Tag strafte Kaya ihre Mitstreiterin mit beleidigtem Schweigen und gelegentlichen tödlichen Blicken. Sie konnte einfach nicht fassen, dass sie bisher nicht bemerkt hatte, dass Thal ein Mädchen war – und noch weniger konnte sie fassen, dass sie nun bereits zweimal ein Mädchen geküsst hatte. In ihrem Kopf wirbelten Gedanken von „Ich werde Thal dafür umbringen“ bis „Eigentlich war es doch ganz schön“ herum und letzterer kehrte immer wieder wie ein Bumerang zu ihr zurück, egal wie energisch Kaya versuchte ihn beiseite zu schieben. Das machte sie nur noch wütender und so ließ sie ihren Frust über das eigene Gedankenchaos an Thal aus. Schließlich war die ja auch Schuld dran.

Thal nahm das Ganze gelassen hin und ließ die wütende Wasserbändigerin den Berg hinauf vorausstapfen. Seit sie sich über ihre Gefühle für Kaya im Klaren war, fühlte sie sich irgendwie… entspannter. Sie wusste, dass sie zusammengehörten genauso sicher und intensiv wie sie bändigte. Und Kaya würde das auch erkennen, irgendwann. Das war nur eine Frage der Zeit und die hatten sie ja.

Immerhin schaffte es Thal Kaya dazu zu bringen, ihnen für später einige Fische aus einem kleinen Bergbach zu fangen – auch wenn sie dafür noch mehr böse Blicke erntete und einen der Fische ins Gesicht geklatscht bekam.
 

Viel zu schnell wurde es wieder dunkel und den beiden Mädchen blieb nichts anderes übrig, als ihr Nachtlager auf einem kleinen, relativ ebenen Felsvorsprung aufzuschlagen. Mit wenigen sicheren Handgriffen erschuf Thal aus den unterwegs gesammelten Zweigen und den umliegenden Steinen ein prasselndes Lagerfeuer, über dem auch bald die mitgebrachten Fische brieten.

Kaya schlang immer noch eisern schweigend ihr Abendessen hinunter und legte sich dann so weit wie nur möglich von Thal entfernt zum Schlafen hin. „Vielleicht solltest du dich nicht ganz so nah an den Rand legen“, unterbrach die Erdbändigerin schließlich mit ruhiger, aber freundlicher Stimme die seit Stunden anhaltende Stille. Kaya knurrte jedoch nur unwirsch und ignorierte den Ratschlag.

Thal grinste verstohlen. Minuten vergingen. „Wird dir nicht langsam kalt?“

Kaya biss sich auf die Lippen und verfluchte ihre Begleitung in Gedanken. Natürlich wurde es langsam kalt – sie lag eindeutig zu weit vom Lagerfeuer weg und außer dem ebenfalls unterwegs gesammelten Moos und ihrem Gewand hatte sie auch keinen Schutz gegen die Kälte. Aber am Feuer lag Thal und keine zehn Eisbärhunde würden sie in die Nähe dieser Verrückten bringen.

Also schwieg sie weiterhin verbissen, während Thal sie unentwegt beobachtete.
 

Weitere Minuten vergingen und langsam fror Kaya wirklich. Unvermittelt eine Bewegung hinter ihr und plötzlich erschien Thal über sie gebeugt. „Hasst du mich so sehr, dass du eher von einem Felsen fallen oder erfrieren möchtest?“ Kaya stutzte. Nein, sie hasste die Erdbändigerin nicht. Genaugenommen war ihr dieser Gedanke noch gar nicht in den Sinn gekommen, aber sie konnte die Frage sofort beantworten. Sie war vielleicht stocksauer und beleidigt, aber das war weit entfernt von Hass.

„Oder hast du etwa Angst vor mir?“ Ein sanft spottender Unterton und Kaya wurde sofort wieder wütend. „Ich hab keine Angst!!“, entgegnete sie gereizt. „Na dann beweg deinen Hintern zum Feuer. Wenn wir nicht zusammenarbeiten erfrieren wir wirklich noch. Beide.“
 

Kurze Zeit später lagen sie tatsächlich dicht nebeneinander am Lagerfeuer und Kaya musste insgeheim zugeben, dass es so wirklich wärmer war, auch wenn sie sich demonstrativ von Thal und dem Feuer weggedreht hatte.

Plötzlich spürte sie wie Thal sich bewegte und offenbar hatte sie den Kopf auf die Hand gestützt, denn als sie sprach war ihre Stimme dicht an Kayas Ohr. Sehr dicht. „Was ist so schlimm daran, dass ich dich geküsst hab?“ Wieder einmal fehlten der Wasserbändigerin vor Verblüffung die Worte. „Na… Sowas macht man nicht ungefragt. Und du bist ein Mädchen.“, antwortete sie schließlich ein wenig ungeschickt. „Und?“ „Na, nichts und…“

„Hätte es dir weniger ausgemacht, wenn ich ein Junge gewesen wäre?“ „K-Keine Ahnung. Vielleicht.“ Kaya riskierte einen schnellen verlegenen Blick in Thals Richtung. Nur Sekundenbruchteile, aber ausschlaggebend.

„Hast du schon mal einen Jungen geküsst?“ „J-Ja…“ „Dann sag mir, worin der Unterschied liegt.“

Diesmal ließ Thal Kaya Zeit. Zeit um zurückzuschrecken, sie von sich zu stoßen. Doch nichts geschah. Nur die Sterne spiegelten sich in den großen blauen Augen als Thal sich ihr näherte.

Kayas erster Kuss war am Nordpol gewesen, in Appas Stall. Mit Alek. Es war überraschend gewesen, vielleicht ein wenig aufregend, aber Kaya hatte ihm natürlich sofort eine gescheuert und aus dem Stall gejagt, obwohl sie damals ziemlich geschmeichelt war. Aber so etwas gehörte sich einfach nicht für eine Prinzessin, das hatte ihr Katara deutlich genug eingebläut.

Doch dieser Kuss war anders. Irgendwie leichter… Es fühlte sich an wie ein kleines Schneegestöber in ihrem Inneren – nicht kalt, sondern wie tausend tanzende Flocken, irgendwie fremdartig und irgendwie auch… schön…

Nach endlosen Sekunden trennten sich ihre Lippen wieder und Kaya sah atemlos in Thals mandelförmige Smaragdaugen, die sich jetzt direkt über ihr befanden.

Sie musste nicht sprechen – Thal war als könne sie durch Kayas Augen direkt in ihre Seele blicken und darin alles sehen… Verwirrung, Sehnsüchte, Vergangenes, Zukünftiges…
 

„Hast du Angst?“ Thal hatte den Kopf gesenkt und ihre raue Stimme war so dicht an Kayas Ohr, dass dieser Schauer über den Rücken rannen. „N-Nein…“ „Gut…“ Federleicht berührten Thals Lippen Kayas Hals als sie nach unten wanderten, während ihre Hände bereits das Gewand der Wasserbändigerin beiseiteschoben, um mehr Haut zum Vorschein zu bringen.
 

Thal ging weit in dieser Nacht, jedoch niemals zu weit. Kurz vor der Morgendämmerung erwachte Kaya für einen Moment und fand sich in den Armen der Erdbändigerin wieder, die diese schützend um sie gelegt hatte. Doch bevor Kaya überhaupt einen klaren Gedanken fassen konnte, war sie auch schon wieder eingeschlafen, übermannt von der Erschöpfung durch das Chaos in ihrem Kopf.
 

Als sie zum nächsten Mal die Augen aufschlug war es bereits hell und Thal war schon dabei sorgfältig das Lagerfeuer zu löschen. „Guten Morgen.“ Ein leichtes Lächeln lag auf den Lippen der Erdbändigerin bevor sie den Blick auf das Gebirge über ihnen richtete. „Wir sollten uns lieber gleich auf den Weg machen, sonst müssen wir noch eine Nacht in dieser Gegend verbringen. Ich hoffe wirklich, dass wir Ira heute finden.“ Kaya nickte nur, während sie sich fragte, welcher Teil der letzten Nacht Realität oder vielleicht doch nur irgendein merkwürdiger Traum gewesen war.

Dann schrak sie aus ihren Gedanken hoch, stellte fest, dass Thal bereits einige Meter vorausgegangen war und beeilte sich, ihr zu folgen.
 

Nach einigen Minuten schweigenden Wanderns hielt die Erdbändigerin inne. Der Weg war deutlich beschwerlicher geworden und erinnerte die beiden Mädchen mehr denn je daran, dass sie gerade dabei waren, einen Gebirgspass zu überqueren. „Was ist los?“, fragte Kaya beunruhigt. Thal schien zu lauschen. „Da drüben ist ein kleiner Bach. Wir sollten unsere Wasservorräte nochmal auffüllen, bevor wir weitergehen.“ Die Wasserbändigerin nickte und tatsächlich standen sie nach kurzer Zeit vor einer kleinen, aber munter sprudelnden Quelle. „Ich mach das schnell.“ Kaya öffnete die verbliebene Wasserflasche und hob die Hand, um das Wasser zu bändigen – doch nichts geschah. Verdutzt hielt sie inne, schüttelte dann kurz ungläubig den Kopf und hob erneut die Hand – wieder nichts. „Das kann doch nicht…“ Die Wasserbändigerin ließ sich auf die Knie fallen und versuchte es wieder, doch egal welche Bändigungsbewegungen sie auch versuchte – nicht mal auf die Lehrbuchformen ihrer Mutter reagierte ihr Element.

Thal hatte schweigend mit etwas Abstand hinter Kaya gestanden. Als diese sich mit tränenüberströmtem Gesicht zu ihr umdrehte, war der Erdbändigerin als hätte ihr jemand einen Dolch ins Herz gestoßen. „Ich kann nicht mehr bändigen!“

„Vielleicht bist du grade einfach nur zu gestresst. Wir laufen schließlich seit drei Tagen durch die Wildnis. Wenn wir hier raus sind, ist sicher wieder alles in Ordnung.“ Thal versuchte ihre Stimme so beruhigend wie nur irgend möglich klingen zu lassen, während sie Kaya sanft die Wasserflasche abnahm und diese mit der Hand auffüllte. Kaya nickte nur wie betäubt.

Dann machten sie sich wieder auf den Weg um die verschollene Feuerbändigerin zu finden.
 

Ira kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, als Nisa sie durch das Dorf der Luftbändiger führte. Wo man hinsah erblickte man die lebendige Kultur eines totgeglaubten Volkes. Nur die Blicke der Bewohner waren alles andere als freundlich. Ira konnte ihnen das Misstrauen nicht verübeln – schließlich war sie eine Feuerbändigerin und die Feuernation war es gewesen, die diese Menschen gnadenlos gejagt und fast ausgerottet hatte. Bei diesem Gedanken wurde Ira schlecht – nicht weil sie sich Sorgen um sich selbst machte, sondern weil sie sich für ihr Volk schämte.

„Nisa!!“ Eine donnernde Stimme zerschnitt die Luft, überraschend barsch für so ein fröhliches Volk. „Was hast du schon wieder angerichtet?! Du wirst uns noch alle umbringen!“ Die junge Luftbändigerin hob trotzig den Kopf und sah dem wutentbrannten Mönch, der eben gesprochen hatte, gerade ins Gesicht. „Ich hab überhaupt nichts angerichtet – außer die Wahrheit in dieses Dorf zu bringen: Der Krieg ist längst vorbei. Wir müssen uns nicht länger verstecken!“ „Das ist eine Lüge!“ „Ist es nicht! Und dieses Mädchen kann es beweisen. Ira ist die Prinzessin der Feuernation. Ihr Vater hat zusammen mit Avatar Aang den früheren Feuerlord besiegt und den Frieden zurück in diese Welt gebracht!“

Die einkehrende Stille schien ewig anzuhalten – dann brach ein unglaubliches Stimmengewirr los. „Aang ist vor über 130 Jahren verschwunden!“ „Sie lügt doch!“ „Nehmt sie fest!“

Die Mönche waren fast einstimmig dafür, Ira gefangen zu nehmen – doch Nisa stellte sich ihnen in den Weg. „Was ist los mit euch? Hört ihr doch erst mal zu!“ Ira verbeugte sich tief vor dem Wort führenden Mönch. „Ich würde euch gerne erzählen, wie es dazu kam, dass Avatar Aang – der sich übrigens nach wie vor bester Gesundheit erfreut - meinen Großvater besiegen konnte.“

Unter dem Protest vieler Mönche und Dorfbewohner wurde schließlich für den Abend eine Versammlung einberufen, um Ira die Chance zu geben, ihre Geschichte vorzutragen. Bis dahin durfte sie sich in Nisas Begleitung frei bewegen, jedoch unter der Auflage in der Nähe des Dorfes zu bleiben.
 

Und so zeigte Nisa ihrer neuen Freundin den Tempel – den Mönchen zuliebe nur von außen – sowie den Rest des Dorfes. Gegen Nachmittag machten sich die beiden dann auf zu einem Rundgang um das gesamte Areal der Luftbändiger. „Ich hätte nie gedacht, dass ich mal Luftbändiger sehen würde – abgesehen von Aang.“ In Iras Gesicht lag eine Mischung aus Traurigkeit und Bewunderung. „Ohne meine Familie hättet ihr euch nie verstecken müssen…“ Nisa lächelte sie aufmunternd an. „Du kannst gar nichts dafür, damals warst du ja noch nicht mal geboren. Also hör auf dir Vorwürfe zu machen. Wir gehen jetzt zurück zum Dorf und dann kannst du allen erzählen was damals passiert ist und wie die Welt da draußen nun ist.“
 

Und die Luftbändiger glaubten Ira. Zwar gab es einige Diskussionen und endlose Fragen nach Details, die Ira geduldig beantwortete und schließlich erklärte der Ältestenrat Ira zu einer Freundin der Luftnomaden. Ira bekam die Erlaubnis so lange zu bleiben, wie sie wollte und musste versprechen niemandem vom Versteck der letzten Luftbändiger zu erzählen.

„Siehst du, ich wusste doch, dass sie dir glauben werden!“ Nisa machte einen Drei-Meter-Luftsprung und ließ sich fröhlich kichernd wieder zu Boden gleiten. „Manchmal sind sie stur wie Himmelbisons, aber sie sind sehr weise.“ Ira lächelte, dann jedoch seufzte sie. „Ich wünschte, ich könnte für immer hier bleiben.“ Verdutzt hielt Nisa inne. „Warum? Also, du könntest es, wenn du es möchtest. Aber willst du deine Familie gar nicht wieder sehen?“ „Meine Familie schon…“ „Aber?“ Nisa ließ sich auf einen Felsen gleiten und bedeutete Ira, ihrem Beispiel zu folgen. „Ich möchte kein Feuerbändiger sein.“ Die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus. „Ich schäme mich für das, was mein Volk getan hat. Außerdem wäre es den meisten Leuten der Feuernation sowieso lieber, ich würde verschwinden.“ „Warum denn das?“ Nisa starrte die Prinzessin entgeistert an. „Ich habe euch von Azula erzählt. Nun… Sie ist meine Tante. Und ich sehe ihr ausgesprochen ähnlich.“ „Aber du bist nicht wie Azula, kein Stück!“ Ira lächelte müde. „Das interessiert die Leute aber nicht. Ich sehe aus wie sie und habe offenbar auch ein gutes Stück ihrer Fähigkeiten geerbt.“

Unvermittelt packte Nisa sie an den Schultern und Ira sah verdutzt in die überraschend ernsten grauen Augen der Luftbändigerin. „Du hast mir von deinem Großonkel erzählt, nach dem du benannt wurdest.“ „Ja, General Iroh, der Drache des Westens.“ „Siehst du? Er war ein großartiger Feuerbändiger und du wurdest nach ihm benannt. Du bist kein bisschen wie Azula.“

Ira lächelte unwillkürlich. „Vielen Dank, Nisa.“

Verbannung

Verwirrt stolperte Kaya hinter Thal her, ohne großartig auf den Weg zu achten. Zweimal wäre sie fast gestürzt und abgerutscht, hätte ihr die Erdbändigerin nicht blitzschnell Halt geschaffen.

Sie konnte einfach nicht verstehen, was geschehen war. Sie bändigte, seit sie denken konnte – und ein Leben ohne zu Bändigen konnte sie sich nicht vorstellen.

„Kaya, sieh mal… Ich glaub, wir sind oben…“ Thals Stimme riss die Wasserbändigerin aus ihren verzweifelten Gedanken. Als die Erdbändigerin sie jedoch über den letzten Felsen zog, waren ihre Sorgen für einen Moment wie weggeblasen. Die Aussicht war einfach fantastisch: Ein fließender Übergang des bewaldeten Berghangs ins grüne Tal mit den verstreuten kleinen und großen Dörfern. Irgendwo in der Mitte des Berges entsprang ein Fluss, der sich silbern bis weit ins Tal hinein schlängelte. Nur von Ira fehlte weiterhin jede Spur. „Meinst du sie ist irgendwo da unten?“ Kayas Resignation kehrte zurück. Wie sollten sie die Feuerbändigerin hier nur jemals finden?

Doch Thal schien ihr nicht zugehört zu haben. „Das ist merkwürdig… Schau mal, ich glaub auf dem Berg sind Leute.“ Kaya sah in die angegebene Richtung und stellte fest, dass Thals Aussage leicht untertrieben war, denn es sah aus als befände sich ein ganzes Dorf an der Flanke des Berges. Zwar noch einige Höhenmeter von ihnen entfernt, aber bereits in unwirtlicher Gegend. „Was die da wohl machen?“ Thals Katzenaugen versuchten angestrengt mehr zu erkennen.

„Oh, mein… Thal, Kaya?! Was tut ihr denn hier?!“ Die beiden Mädchen wirbelten herum. „Ira!! Natürlich dich suchen, was denn sonst?!“ Kaya umarmte ihre Freundin. „Wo warst du denn?“ Thal knuffte der Feuerbändigerin in die Schulter. „Wir hätten uns fast schon Sorgen gemacht. Und wer ist deine Begleitung?“ „Ich bin Nisa.“ Die Luftbändigerin trat einen Schritt vor und Kayas Augen wurden größer als sie die traditionelle Kleidung erkannte, die der ihres Vaters so ähnlich sah. „B-Bist du eine Luftbändigerin?“ Nisa nickte strahlend, während Ira nun ihrerseits vorstellte: „Nisa, das sind Thal und Kaya. Kaya ist Aangs Tochter.“
 

Nach einigem Geplapper schlug Nisa schließlich vor ins Dorf zurückzukehren. „Wir werden aber noch ein ganzes Stück laufen müssen. Ira und ich haben heute einen ziemlich ausgedehnten Spaziergang gemacht.“ Sie deutete nach vorn, wo die Felsformationen in der Ferne abwehrender wirkten. „Kein Problem, wir sind ans Laufen gewöhnt.“, lachte Thal und setzte sich in Bewegung. Ira und Kaya ließen sich ein wenig zurückfallen. „Was ist los mit dir?“ Ira schenkte ihrer Freundin einen besorgten Blick. Kayas Gesicht verdunkelte sich. „Ich kann nicht mehr bändigen… Es geht einfach nicht mehr und ich hab keine Ahnung warum.“ „Vielleicht bist du einfach zu erschöpft“, versuchte Ira zu trösten, doch das andere Mädchen schüttelte den Kopf. „Es ging gar nichts mehr. Das hatte ich noch nie! Es ist wie… eine komplette Blockade…“

„Machst du dir vielleicht über irgendetwas Gedanken?“ Kaya stutzte. Konnte das möglich sein? Sie verfiel in Schweigen und mit einem leichten Lächeln ließ Ira sie ihren Gedanken nachhängen.
 

Kurz vor dem Dorf der Luftnomaden brach sie jedoch ihr Schweigen. „Nisa, meinst du, dass das wirklich so eine gute Idee ist? Ich glaube, die Mönche sind nicht sonderlich begeistert, wenn du noch mehr Besuch mitbringst.“ „Ach was“, Nisa lächelte. „Mach dir keine Sorgen.“

Doch diesmal irrte sich Nisa. Drei Fremde innerhalb so kurzer Zeit waren eindeutig zu viel für die Ältesten und die Konsequenzen waren hart: Die Freundinnen mussten das Dorf für immer verlassen – Nisa eingeschlossen.

Bestürzt nahm Ira die Luftbändigerin in die Arme. „Das tut mir so leid!“ Die Mädchen waren auf einer kleinen ebenen Fläche umweit des Dorfes. „Willst du nicht nochmal zurück um mit ihnen zu reden?“

Nisa schüttelte den Kopf. „Nein. Die warten schon lange darauf, mich loszuwerden. Ich hab mich einfach zu wenig angepasst.“ Sie wies auf ihre Stirn, wo im Gegensatz zu ihren Händen und Füßen kein Luftbändigerpfeil zu sehen war.

„Leute, ich will echt nicht drängen, aber wenn wir nicht zurück ins Dorf können, sollten wir sehen, dass wir von diesem Berg runterkommen.“ Mit gerunzelter Stirn warf Thal einen Blick in den Himmel, der sich immer weiter zuzog. „Sie hat Recht.“ Nisa stand auf und wischte sich einmal über die Augen. „Machen wir, dass wir von hier wegkommen.“
 

Für den Heimweg nahmen die Mädchen die andere Seite des Gebirges, Ira zufolge der logischste Weg. „Immerhin kann ich dann mal sagen, ich hätte ein Gebirge überquert.“, brummte Kaya. Dann gingen sie los.

„Okay, das macht keinen Sinn mehr, Leute.“ Thal war stehen geblieben. Es war fast dunkel und vor einer Weile hatte ein seichter Regen eingesetzt. Die anderen nickten müde. „Ich zauber uns jetzt eine gemütliche Unterkunft und dann machen wir Schluss für heute.“ Mit geübten Bewegungen schuf sie einen Unterschlupf, der die Mädchen auch vor stärkerem Regen schützen würde.

Doch kaum saßen die vier im Kreis um das fröhlich knisternde Lagerfeuer, für das Ira gesorgt hatte, stand Kaya abrupt wieder auf. „Ich bin eben nochmal draußen.“ „Bist du sicher? Es regnet mittlerweile in Strömen!“ Ira hatte Recht, doch Kaya lächelte nur matt. „Wasserbändigerin, schon vergessen?“ Dann war sie verschwunden.
 

Draußen holte sie erst mal tief Luft. Zwar war sie innerhalb von Sekunden völlig durchnässt, doch sie hatte es einfach nicht mehr ausgehalten. Warum konnten die anderen noch bändigen und sie nicht? Heiß und unaufhörlich stiegen die Tränen in ihr hoch und mischten sich bald mit dem Regen. Kaya schlang die Arme um sich. Sie konnte das einfach nicht verstehen. Nicht ertragen. Ohne Bändigen zu können fühlte sie sich hilflos… und nutzlos. Bändigen war schon immer das Einzige gewesen, das sie gut gekonnt hatte. Sie hatte niemanden gebraucht, weil sie das Bändigen hatte. Nun war ihr zumute als wäre ein Teil von ihr gestorben.

„Kaya?“ Thals Stimme war leise und dennoch hörte Kaya sie sofort und wirbelte herum. Ihr Anblick versetzte der Erdbändigerin einen Stich ins Herz.

„Lass mich in Ruhe.“ Kaya wandte sich wieder ab, verschränkte die Arme und ging ein paar Schritte weiter, um Abstand zwischen sich und Thal zu bekommen. Die folgte ihr jedoch.
 

„Alles okay?“ Im selben Moment noch hätte sich Thal am liebsten die Zunge abgebissen. Eine dämlichere Frage konnte es wohl kaum geben. „Nein.“ Kaya fuhr herum. „Nein, nichts ist okay. Ich bin… nutzlos…“ Das Gefühl zu haben und die Sache tatsächlich auszusprechen waren zwei Dinge. Eine weitere Welle der Verzweiflung schüttelte sie und sie drehte sich wieder weg. Thal sollte sie so nicht sehen. Niemand sollte sie so sehen.

„Jetzt red nicht so einen Mist. Du bist nicht nutzlos.“ Thal legte ihr eine Hand auf die Schulter, doch Kaya schlug sie weg. „Achja?“, fauchte sie. „Eine Wasserprinzessin, die nicht bändigen kann? Was Nutzloseres gibt es ja wohl kaum!“ Sie riss sich von der Erdbändigerin los und dann ging alles ganz schnell.

Durch den Schwung rutschte sie auf dem matschigen Untergrund aus und versuchte sich an einem kleinen abgestorbenen Baum festzuhalten, doch durch die Regenfälle konnten die Wurzeln ihr Gewicht nicht tragen und Kaya rutschte samt Baum den Hang hinunter.

Thals Schrecksekunde währte eine gefühlte Ewigkeit. Dann stürzte sie Kaya hinterher und bremste den Rutsch mit ihrem Bändigen. „Thal, d-danke! Ich-“ „Sht!“ Die Erdbändigerin presste Kaya ihre matschige Hand auf den Mund und drückte sie zu Boden. Verdutzt versuchte Kaya einen blick auf Thals Gesicht zu erhaschen, das merkwürdig angespannt schien. Und dann hörte auch sie es.

Die beiden lagen hinter einigen dichten Büschen und offenbar war Kaya soweit gerutscht, dass sie umweit des Lagers gelandet waren, das Thal zuvor entdeckt hatte. „Jetzt bewegt euch gefälligst mal ein bisschen schneller!!“ Eine grobe Männerstimme zerschnitt die Luft und machte keinen Hehl aus der Befehlsgewalt des Sprechers.

„Das Dorf der Luftratten muss da oben sein. Wenn wir es erst gefunden haben, wird es ganz leicht es auszuräuchern. Und dann ist der Rest dieses Bändigerpacks dran.“

Niederlage

Thal sah zu Kaya hinunter, deren schreckgeweitete Augen genau das ausdrückten, was der Erdbändigerin durch den Kopf ging. Dann richtete sie sich ein wenig auf und spähte vorsichtig in die Dunkelheit, eine Hand auf dem Boden. Auf der anderen Seite des Lagers schien ein loser Felsbrocken zu liegen, etwa so groß wie eine Melone. Thals Hand ballte sich zur Faust und sie zog sie blitzschnell zurück. Das genügte.

Der Felsblock löste sich und rollte polternd an den Zelten vorbei. Das Ablenkungsmanöver reichte aus, um die beiden Mädchen ungesehen flüchten zu lassen.

„Hast du das gehört?!“ Kayas Stimme war getränkt mit purem Entsetzen. „Komm!“, drängte Thal und zog sie an der Hand weiter. Sie waren zwar für den Moment außer Hörweite, doch das bedeutete nicht automatisch, dass sie außer Gefahr waren.

Ira und Nisa fuhren hoch als die beiden Mädchen klatschnass und schlammbedeckt zurück in den Unterstand stolperten. „Was ist los?“ Die Feuerbändigerin sah ihre Freundinnen besorgt an. „Ich hab heute Nachtmittag ein Lager am Hang des Berges entdeckt. Wir konnten die Leute eben belauschen…“ „Sie wollen das Dorf angreifen! Nisa, DEIN Dorf!“, platzte Kaya panisch heraus. Innerhalb von Sekundenbruchteilen wechselten die Mimiken der anderen von Sorge zu Entsetzen. „Aber… wie? Warum? Wir wurden nie gefunden…“ Nisa stand auf und fuhr sich fahrig durch die langen dunkelbraunen Haare. „Tja, sie hatten auch lang genug Zeit, nach euch zu suchen. Offenbar haben diese Leute etwas gegen Bändiger und wollen sie ausrotten.“ „Aber was sollen wir denn machen?!“ Nisa taumelte und Ira zog sie wieder auf den Boden in eine sitzende Position. Auch die Feuerbändigerin schien plötzlich völlig planlos zu sein und nahm die schluchzende Nisa in die Arme. „Sie sind keine Gefahren gewohnt. Die werden sie einfach überrennen!“
 

„Werden sie nicht.“ Thals Stimme war kühl und hart. „Aber wir müssen uns beeilen. Ihr geht zurück ins Dorf und warnt die Nomaden, euch werden sie glauben. Kaya und ich halten dieses Pack auf. Worauf wartet ihr noch? Lauft, lauft, LAUFT!!“ Während sie sprach, hatte Thal die Wände ihres Unterstandes verschwinden lassen und nun prasselte der Regen unnachgiebig auf die vier Mädchen. Mit einem letzten entsetzten Blick rannten Ira und Nisa wieder den Berg hinauf. Thal packte Kayas Hand und zog sie mit sich, zurück in Richtung Lager.

Im Laufen begann die Erdbändigerin bereits mit ihrem Angriff. Mit schnellen, präzisen Bewegungen ließ sie die lose herumliegenden Steine und Felsbrocken ins Lager rollen, wo der unerwartete Aufruhr für Chaos sorgte. Doch das genügte nicht. Abrupt blieb Thal stehen, etwa an der gleichen Stelle wie zuvor und zog eine Mauer um die Zelte. Sie drehte sich zu Kaya um, der nichts anderes übriggeblieben war, als hilflos zuzusehen. „Das wird sie nicht lange aufhalten. Wir wahrscheinlich auch nicht, aber wir müssen den anderen genug Zeit verschaffen, um das Dorf zu warnen.“ „Wir?! Thal, ich kann kein Stück mehr bändigen, ich bin hier völlig nutzlos!!“ Kaya schrie beinahe hysterisch, doch Thal packte sie an der Schulter und schüttelte sie kurz, aber nicht grob. „Red nicht so einen Unsinn. Du schaffst das!“ In diesem Moment sprang bereits der erste Mann über die Mauer. „Gib mir einfach Deckung!“ Schon spurtete die Erdbändigerin los, bändigte den ersten Kämpfer mit einer lässigen Bewegung wieder hinter die Mauer und sprang in die Luft. Das Erdbeben, das entstand, als sie wieder auf dem Boden aufkam, schüttelte fast alle Gegner wieder von der Mauer – fast.

Der Anführer war hartnäckig, das musste Thal ihm lassen. Offenbar hatte er bemerkt, dass Kaya nur unsicher dastand und sich nicht am Kampf beteiligte, denn es war deutlich, dass sie sein Ziel war. Thal fluchte und versuchte ihrer Freundin zur Hilfe zu kommen und gleichzeitig die Männer aus dem Lager in Schach zu halten. Doch noch bevor sie Kaya erreichen konnte, hatte der Mann sie schon an den Haaren gepackt und ein Stück hochgehoben. „Willst du etwa das hier, Bändigerabschaum?!“ Thal erstarrte, als sie die Klinge an Kayas Hals blitzen sah. „Ganz recht, nur nicht bewegen, sonst ist es vorbei mit der Kleinen.“ Der Wasserbändigerin wurde beinahe schlecht von dem widerlichen Ton, den der Anführer anschlug. Sie musste sich irgendwie befreien - nur… wie? Aus den Augenwinkeln sah sie wie sich einer der Soldaten von hinten an Thal heranschlich. Vermutlich war der Boden für sie zu aufgeweicht um seine Schritte zu bemerken. Dann sah Kaya auch in seiner Hand etwas aufblitzen…

„Thal – NEIN!!“

Dann ging alles ganz schnell. Ihr markerschütternder Schrei kam so unerwartet, dass der Anführer sein Messer frei ließ. Kayas intuitiv erhobener Hand folgte überraschenderweise tatsächlich ein feines Wassergebilde, das dem Mann das Messer aus der Hand schlug, bevor es wieder in sich zusammenfiel. Thal reagierte sofort und nahm ihren Kampf wieder auf, während Kaya noch einen Sekundenbruchteil verdutzt auf ihre Hände starrte – und dem ausholenden Faustschlag des Anführers ausweichen musste. Zugegeben, ihr Bändigen war schwach, viel schwächer als gewohnt, aber es war besser als nichts und es erfüllte sie mit grimmiger Befriedigung, dass sie sich endlich wehren konnte.
 

Thal wurde immer weiter zurückgedrängt. Sie war zwar stark, aber im Kampf gegen so viele offenbar gut ausgebildete Gegner unerfahren. Als Kaya ein Moment Zeit blieb, um nach ihrer Kampfgenossin zu sehen, sah sie Thal mit Schrecken am Rande eines Abgrunds stehen, umzingelt von den Männern, die sie noch nicht ausgeschalten hatte – und das waren genug. Die Wasserbändigerin duckte sich unter dem nächsten Schlag weg und eilte ihrer Freundin zu Hilfe.
 

Nur für einen winzigen Moment war Thal von Kayas Anblick abgelenkt – doch die Folgen waren verheerend. Einer der Soldaten nutzte die Chance und zog ihr den Griff seines Säbels über den Kopf.
 

Kaya rannte. Die Männer, die ihr im Weg standen, verscheuchte sie mit dem schwächlichen Abklatsch der Wasserpeitsche, der ihr geblieben war.
 

Dann stürzte sie gemeinsam mit der bewusstlosen Thalia in die Tiefe.

Fall und Schmerz

Angst & Schmerz

Ira rannte. Dicht hinter ihr die Luftbändigerin. Sie hetzten den steilen Berg hinauf, sie mussten das Dorf der Luftbändiger einfach erreichen, bevor die Angreifer Thals und Kayas Verteidigung unterbrechen konnten!

Bei diesem Gedanken krampfte sich Iras Magen zusammen. Kaya. Ob ihr Bändigen wohl wiedergekommen war? Wenn nicht… Die Feuerbändigerin schüttelte kurz den Kopf, um die Gedanken zu vertreiben. Sie wollte sich so etwas gar nicht erst ausmalen! Verzweifelt erhöhte sie ihr Tempo. Sie mussten es einfach schaffen!
 

Kaya fiel, Thals leblosen Körper umklammert.

Der Wind pfiff schrill in ihren Ohren und jedesmal, wenn sie beim Sturz an vorstehenden Felsen hängenblieben, zerfetzten die scharfen Kanten ihre Kleidung und hinterließen tiefe Schrammen.

Jeden Moment musste der Aufschlag kommen und das würde ihr Ende sein.

Kaya drückte Thal an den Schultern näher an sich. Nie hatte sie sich mehr gewünscht bändigen zu können. Nicht, um jemanden herauszufordern. Nicht, um anzugeben. Nicht, um sich stark und unbesiegbar zu fühlen.

Sondern weil sie Thal beschützen, ihr Leben retten wollte.

Selbst ohne ihr Element hatte sie sich nie so hilflos gefühlt. Denn dort unten war zwar Wasser, doch nun würde es durch den tiefen Sturz ihren sicheren Tod bedeuten.
 

Gleich musste es soweit sein…
 

Nur kurz bevor die Körper der beiden Mädchen auf der Wasseroberfläche aufschlugen, erhoben sich die Wellen und hüllten die beiden jungen Frauen schützend ein.

Das bremste den Sturz zwar, doch der Aufprall war trotzdem heftig gewesen. Kaya spürte noch, wie ihr die Luft wegblieb, dann verlor auch sie das Bewusstsein.
 


 

Stöhnend vor Schmerz bewegte sich Kaya. Ihr tat einfach ALLES weh. Am liebsten hätte sie die Augen für immer geschlossen behalten – auch weil sie sich vor dem fürchtete, was sie sehen würde. Doch schließlich musste sie die Augen aufschlagen.

Es war überraschend hell, vielleicht sogar schon Mittag. Sie schien die ganze Nacht bewusstlos gewesen zu sein. Vorsichtig setzte sich Kaya auf und biss die Zähne zusammen, um nicht aufzuschreien, als sie durch die Bewegung jede einzelne Verletzung deutlich spüren konnte.

Wo war Thal?

Blinzelnd sah sie sich um. Ein lautes Rauschen verriet ihr, dass sie sich dicht am Ufer des kleinen Sees befand, in den der Wasserfall mündete. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie nicht mehr verschwommen sah. Und dann entdeckte sie sie.
 

Die Erdbändigerin lehnte an einem Fels, ganz in der Nähe.

Kaya wäre am liebsten sofort aufgesprungen, aber die Idee gab sie ganz schnell wieder auf, als sie von einem stechenden Schmerz in der Schulter daran erinnert wurde, dass sie erst vor ein paar Stunden einen Wasserfall hinuntergesprungen war.

So ließ sie sich lieber Zeit beim Aufstehen. Es tat zwar immer noch ordentlich weh, war aber weitaus angenehmer als eben.

„Thal…?“ Vorsichtig ging Kaya neben ihrer Freundin in die Knie. Die Erdbändigerin, die die ganze Zeit starr aufs Wasser geblickt hatte, sah langsam auf. „Ich hab sie nicht aufhalten können.“

Ihre Stimme war brüchig. „Quatsch, du warst großartig!! Ira und Nisa hatten bestimmt genug Zeit ins Dorf zu kommen und alle zu warnen!“ Der Hauch eines Lächelns über Kayas entrüstetem Tonfall schlich sich über Thals Lippen, jedoch nur für einen Augenblick.

Dann wurde ihre Miene wieder hart.

„Wir hatten keine Chance.“, sagte sie bitter. Kaya öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch während sie noch nach Worten suchte, sprach Thal schon weiter. „Es stimmt und das weißt du. Das waren ausgebildete Kämpfer. Mum hätte das locker hingekriegt…“ Sie vergrub das Gesicht in ihren Händen. Kaya blieb stumm. So hatte sie die Erdbändigerin noch nie erlebt und sie war hoffnungslos überfordert mit der Situation.

Doch noch bevor sie sich zu einer Reaktion entschließen konnte, hob Thalia wieder den Kopf. „Wir wissen nicht, ob es die Luftnomaden geschafft haben. Aber egal, ob sie fliehen konnten oder nicht, diese Männer verschwinden nicht einfach.“

Sie erhob sich - zwar mit zusammengebissenen Zähnen, doch ohne Schmerzenslaut. „Wir sind die einzigen, die von ihnen wissen. Das nächste Mal, sollten wir besser mit ihnen klarkommen.“

Ihre grünen Augen glühten förmlich, als sie Kaya ansah. „Ich werde hier bleiben und trainieren. Bist du dabei?“ Sie streckte der Wasserprinzessin die Hand entgegen. Völlig gebannt von Thals Blick schlug Kaya ein und ließ sich hochziehen.

„Ich bin dabei.“

Ganz so schnell ging das Ganze dann aber doch nicht. Die Mädchen stellten schnell fest, dass sie viel zu erschöpft waren, um sofort mit einem Training loszulegen – von ihren Verletzungen, den Klamotten, die kaum noch zu gebrauchen waren und dem nicht vorhandenem Essen ganz zu schweigen.

Und so kümmerte sich Kaya erst einmal um Thalias Wunden. Bislang hatte sie den Heilunterricht ihrer Mutter immer als überflüssig und nervig betrachtet, doch im Moment, wünschte sie sich ihre Kräfte zurück, um Thal besser helfen zu können – auch wenn es die Erbändigerin nicht ganz so schlimm erwischt hatte wie sie selbst. Kaya fragte sich insgeheim, ob der Geist des Mondes ihren Wunsch, Thal zu beschützen, vielleicht nachgekommen war.

So blieb ihr jedoch nichts anderes übrig, als die Schrammen sauber zu waschen und tiefere Wunden mit Fetzen ihrer Kleidung notdürftig zu verbinden. Der Schlag auf den Kopf schien keine weiteren Folgen nach sich gezogen zu haben. „Gut, dass Erdbändiger so einen Dickschädel haben.“, stichelte Kaya. Dann gab sie ihrer Mitstreiterin einen sanften Klaps. „Ich bin fertig und ich hoffe du bringst was ordentliches zu futtern mit.“ Thal grinste. „Ich werd sehen, was sich machen lässt.“ Dann war sie auch schon zwischen den Bäumen verschwunden.
 

Vorsichtig betastete Kaya ihre Schulter. Es tat wirklich verflucht weh. Sie biss die Zähne zusammen und widmete sich lieber erst einmal den anderen Schrammen. Doch schließlich blieb ihr nichts anderes übrig und sie zog vorsichtig den Stoff ihres Gewandes von der Schulter.

„Das sieht ja gar nicht gut aus.“ Thals so überraschende Stimme ließ Kaya heftig zusammenzucken – was wiederum ordentlich wehtat.

Die Erdbändigerin ließ das unkenntliche Bündel, das sie mitgebracht hatte, fallen und kniete sich hinter Kaya auf den Boden. „Zeig mal her…“ „Ist schon okay, ich – autsch!“ Thal grinste. „So viel zum Thema ‚ist schon okay‘.“ Dann wurde ihre Stimme wieder ernster. „Das ist eine offene Wunde. Hast du was für mich zum Verbinden?“ Kaya riss den herunterhängenden Fetzen ihres Oberteils ab. Dieses war sowieso schon so zerfleddert, dass sie so gut wie bauchfrei war. „Mehr hab ich nicht, sofern ich nicht nackt rumlaufen will.“ Thal schmunzelte und unterdrückte einen Kommentar. „Es wird jetzt gleich wehtun. Da sind ein paar Steinsplitter drin und ich werde versuchen sie raus zu bändigen.“ Kaya nickte knapp und biss die Zähne zusammen.

Trotzdem keuchte sie auf, als ihre Begleiterin mit einer schnellen Handbewegung die Stücke aus der Wunde bändigte. „Schon vorbei…“, murmelte Thal beruhigend und drückte Kayas Stoffstreifen auf die Wunde. Dann erhob sie sich in die Hocke und riss den Rest ihres eigenen Oberteils in Stücke, mit denen sie Kaya verband. Insgeheim genoss sie das Gefühl von Kayas nackter Haut unter ihren Fingern und den Anblick ihres – da sie das Oberteil heruntergeschoben hatte – fast nackten Rückens, doch sie riss sich zusammen und ließ sich nichts anmerken.

Schließlich war sie fertig und Kaya atmete erleichtert auf. „Danke.“ Sie zog ihr Gewand wieder hoch und verknotete es unter der Brust. Als sie sich umdrehte, musste sie unwillkürlich schmunzeln: Auch Thals sonst so schlichtes Gewand hatte einiges einstecken müssen. Genaugenommen waren eigentlich nur noch die Hose und der Stoffstreifen um ihre Brust übrig geblieben.
 

„Ich werd dann mal ein Feuer machen.“ Thal erhob sich und ging zurück zu dem mitgebrachten Bündel. Kaya sah ihr nach. Dann seufzte sie. „Wie hast du dir ein Training in der Wildnis eigentlich vorgestellt? Möchtest du täglich die Landschaft umgraben?“

Thal lachte leise. „Keine Sorge… Ich möchte erst mal an einer neuen Technik arbeiten – gedanklich, versteht sich. Und für die Praxis werd ich dann woanders hingehen.“ „Hm…“ Kaya versank wieder in Gedanken. Wie hatte SIE sich eigentlich ein Training vorgestellt? Schließlich konnte sie nach wie vor nicht mehr bändigen.
 

Plötzlich sprang Thal alamiert auf. „Was ist los?“, fragte Kaya unruhig. „Psst… Da ist jemand!!“ Die Erdbändigerin ging langsam in die Knie, ihre Umgebung immer im Blick. Doch kaum berührte ihre Hand den Boden riss sie überrascht die Augen auf.

„Diese Schritte…. Das kann unmöglich sein…!!“

Wiedersehen

„Glaub’s ruhig, Schätzchen. Übrigens bist du verdammt nachlässig geworden, was ist los mit dir?“

„Mum!!“ Thal war mit zwei Sätzen bei ihrer Mutter und umarmte sie.

„Ta- Toph! Wie hast du uns gefunden?!“ Kaya wusste nicht ganz ob sie lachen oder weinen sollte. „Ähm, hallo? Beste Erdbändigerin aller Zeiten? Das war ja wohl ne Kleinigkeit.“ Toph stemmte empört die Hände in die Seiten.

„Mum, hör mir zu.“ Thals Stimme wurde schnell wieder ernst. „Wir haben die Luftbändiger gefunden, aber gerade ist eine Armee auf dem Weg um die Luftnomaden zu töten.“ „Irgendwelche Anti-Bändigungs-Spinner!“, fiel Kaya ihr ins Wort. „Ja… Wahrscheinlich sind sie längst dort, wir wissen nicht ob Ira…“

„Macht mal langsam…“ „Nein, Mum, wir haben keine Zeit…!!“ „Thalia, jetzt bin ich aber beleidigt. Du unterschätzt deine Mutter ganz schön.“ Toph verzog das Gesicht. „Yue und Tui sind längst bei den Luftnomaden angekommen, ich hab sie unterwegs abgesetzt. Sie bringen die Leute in Sicherheit und werden mit Ira dann zu uns stoßen.“

Stille.

Dann fielen die beiden Mädchen der Erdkönigin gleichzeitig um den Hals. „Mum, du bist echt die Größte!“ „Die Allergrößte!“, bestätigte Kaya glücklich.
 

Etwas später saßen die drei am Lagerfeuer. Sie hatten bereits gegessen und besonders die beiden Mädchen freuten sich über die Decken, die Toph mitgebracht hatte.

„Wie werden Yue und Tui uns finden?“, fragte Kaya schließlich. „Ich werde morgen losgehen und sie herlotsen. Ich wollte nur sichergehen, dass ihr da bleibt, wo ihr seid.“ Toph verschränkte die Arme hinter dem Kopf, nachdem sie mit einer beiläufigen Bewegung einen Felsen aus dem Boden gebändigt hatte, an den sie sich nun bequem anlehnen konnte.

Thal öffnete den Mund, doch bevor sie etwas sagen konnte, fuhr Toph bereits fort: „Ihr bleibt hier und erholt euch etwas. Ihr fühlt euch an, als wärt ihr gerade eine Klippe runtergesprungen.“ „Wasserfall…“, murmelte Kaya und um Tophs Lippen zuckte ein Lächeln. Dann wurden ihre blinden Augen ernst. „Wir müssen dringend etwas gegen diese Armee tun, von der ihr gesprochen habt. Appa ist auf dem Weg zurück zu Aang und den anderen, aber er ist auch nicht mehr der Jüngste. Ich weiß nicht, ob sie rechtzeitig hier sein werden. Wir sollten darauf vorbereitet sein, denen selber in den Arsch zu treten.“ Toph grinste breit.

Ihre Zuversicht steckte an und die beiden Mädchen entspannten sich wieder etwas.
 

Als sie am nächsten Tag aufwachten, war Toph bereits fort.

Kaya saß bereits einige Zeit stumm und regungslos am Wasser, so dass Thal sich schließlich zu ihr gesellte. „Ich werde euch keine Hilfe sein.“, murmelte die Wasserprinzessin. Sie sah zu Thalia auf. „Es tut sich gar nichts mehr… Im Kampf konnte ich zumindest noch ein bisschen bändigen, aber jetzt…“ Ihre Stimme brach erstickt ab.

Die Erdbändigerin schwieg betroffen, dann kam ihr jedoch eine Idee. „Wie wär’s wenn du mal mit meiner Mum redest, wenn sie zurückkommt? Vielleicht weiß sie, was mit dir los ist.“ Thal strahlte ihre Mitstreiterin aufmunternd an. „Komm schon, einen Versuch ist es wert! Und jetzt lass uns endlich frühstücken.“ Sie sprang auf und ging zurück zum Lagerfeuer um das Brot und die Früchte hervorzukramen, die Toph ihnen dagelassen hatte.

Kaya folgte ihr langsam. Klar, sie konnte es kaum abwarten zwei Mitglieder ihrer Familie wiederzusehen – die im Gegensatz zu ihr noch bändigen konnten…

Den Rest des Tages versuchten die beiden sich zu erholen, wie Toph es ihnen gesagt hatte. Kaya ertrug den Anblick des Wassers irgendwann nicht mehr und ließ sich von Thal eine geräumige Höhle erschaffen, in die sie sich verzog. Die Erdbändigerin entfachte noch ein Feuer für Kaya, dann nahm sie wieder ihren Platz am ursprünglichen Lagerfeuer ein, wo sie mit einer Hand auf dem Boden auf die Rückkehr ihrer Mutter wartete und sich Gedanken über neue Erdbändigungstricks machte.

Kayas Gedanken indes drehten sich nur um ihre verlorenen Fähigkeiten.

Als Toph am frühen Morgen des nächsten Tages zurückkam, hatte sie keine Sekunde geschlafen. Dementsprechend ließ sie sie auch die Begrüßung über sich ergehen.
 

„Okay, Kinder. Ich hab tierischen Kohldampf, also werden wir erst mal was essen und dann reden wir über das Kämpfen. Nicht, dass ich das nicht auch gleichzeitig könnte.“ Toph grinste und ließ sich neben das Lagerfeuer fallen. „Essen find ich schon mal gut.“ Tui grinste und bekam von seiner Schwester einen Stoß in die Seite. „Das wissen alle hier.“ Die anderen lachten.

Das Essen verlief fröhlich. Für einen Moment vergaßen sie alle, warum sie hier mitten im Nirgendwo um ein Lagerfeuer saßen – alle, außer Kaya, die vor sich hinstarrend an einem Stück Mango knabberte.

„So, ich denke, wir sollten mal loslegen.“ Toph stand schließlich als Erste auf und beendete das Mahl. „Für den Anfang wäre es sicher nützlich, wenn ihr euch gegenseitig Tipps geben würdet…“ „Mum, kann ich kurz mit dir reden?“ „Klar, einen Moment. Tui und Nisa, ihr bildet ein Team. Yue, du schnappst dir Ira. Wo ist Kaya?“ Thal seufzte. „Deshalb will ich ja mit dir reden…“
 

„Hast du einen Moment für mich?“ Kaya sah überrascht auf – direkt in Tophs blassgrüne Augen. „K-Klar.“ Sie zögerte einen Moment und seufzte schließlich. „Thal hat es dir erzählt.“

Toph nickte. „Kaya… Bändigen ist ein wichtiger Teil unserer Persönlichkeit. Es prägt uns gewissermaßen… Sieh dir zum Beispiel Ira an. Oder mich. Wenn ich nicht bändigen könnte, wäre ich wohl tatsächlich das Mädchen gewesen, das sich meine Eltern gewünscht haben. Das bedeutet aber nicht, dass du weniger wert bist, weil du es nicht mehr kannst.“ Sie lächelte und wandte sich zum Gehen. „Trotzdem solltest du herausfinden, wer du bist und was du wirklich willst.“
 

Kaya blieb nachdenklich zurück.

Sternenlicht

„Trotzdem solltest du herausfinden, wer du bist und was du wirklich willst.“
 

Die Mädchen trainierten den ganzen Tag über. Kaya jedoch musste sich damit begnügen, Toph zu assistieren und ihre Freundinnen auf mögliche Angriffsschwächen hinzuweisen. Wenigstens blieb ihr dabei genug Zeit, um über Tophs Worte nachzudenken.
 

Am Abend gestaltete Toph die Landschaft etwas um und schuf drei neue Höhlen – jeweils für Kaya und Thal, Ira und Nisa und die Zwillinge. „Was ist mit dir?“, fragte Thal verdutzt. „Ich mach mich auf die Suche nach Aang und die anderen. Sie wissen ja nicht wo wir sind.“

Das war einleuchtend, auch wenn Thal ihre Mutter ungern ziehen ließ. Deshalb war sie auch recht still, während die anderen – besonders die Zwillinge – am Lagerfeuer herumalberten und alle möglichen verrückten Geschichten zum Besten gaben. Doch schließlich wurde es langsam Zeit schlafen zu gehen. Zuerst verschwand Kaya, eine Stunde später wurden dann auch die anderen müde und Thal blieb alleine zurück.

Sie hatte ein flaues Gefühl im Magen und auch wenn sie nicht wusste woher es kam, bedrückte es sie. Mit einem Seufzer und einem letzten Blick in den Nachthimmel machte auch sie sich auf den Weg in ihren Unterschlupf.
 

Dort angekommen staunte sie jedoch erst mal. Toph hatte wohl Kaya zuliebe etwas von dem Wasser abgezweigt, so dass sich die Wellen im von oben hereinfallenden Sternenlicht an die Wände reflektieren. Von dem leichten Schimmer der Sterne und dem roten Schein des Lagerfeuers, das durch den Eingang schien, abgesehen, war es in der Höhle dunkel.

Schlagartig war das flaue Gefühl vergessen.

Kaya war offenbar nicht wie angenommen schlafen gegangen, sondern nahm ein Bad. „Soll ich wieder gehen?“, fragte Thal leise.

„Nein… Aber leistest du mir vielleicht etwas Gesellschaft?“ „Klar.“ Nach ein paar schnellen Schritten war Thal bei ihr und setzte sich – taktvollerweise – hinter sie an die Wand gelehnt auf den Boden.

Trotzdem zog Kayas nackter Rücken ihren Blick wie magisch an.

Eine Weile schwiegen sie beide.

„Du hast es Toph gesagt.“ Kaya brach schließlich das Schweigen. Thal wollte schon den Mund öffnen, um etwas zu sagen, doch Kaya fuhr bereits fort: „Danke dafür… denke ich.“ Thal schmunzelte leicht.

„Toph sagte, ich sollte herausfinden, wer ich bin.“

Kaya drehte sich halb zu Thal um.

„Hilfst du mir dabei?“

Irgendetwas an ihrem Blick ließ Thals Herz schneller schlagen und sie nickte atemlos.

Im nächsten Moment zog Kaya sie langsam an ihrem Gewand näher und im nächsten Moment berührten sich ihre Lippen.
 

In Kaya explodierten die Gefühle und aus vorsichtigem Lippenkontakt wurde ein sehnsüchtiger Kuss – den Thal nur zu gern erwiderte. Unbewusst zerrten Kayas Hände an Thals Kleidung… sie wollten mehr von der Haut der Erbändigerin spüren. Erst als sie registrierte, dass Thal bei ihr im Wasser stand und deren Hände auf Kayas Taille glitten, kehrte die Unsicherheit zurück.

Thal bemerkte den zögernden, ein wenig ängstlichen Schimmer in Kayas Augen sofort und lächelte sie beruhigend an. Dann hob sie sie sanft auf ihre Hüfte und trug sie aus dem Wasser, wo sie Kaya auf ihrem Lager absetzte.

Ohne Hintergedanken zog sich Thal das klatschnasse Oberteil ihres Gewandes aus. Dass Kaya sie von sich aus geküsst hatte, reichte ihr völlig – sie konnte warten.

Als sie sich jedoch umdrehte, bemerkte sie, dass Kaya sie mit großen Augen musterte. Und sie bemerkte, dass sie wohl warten konnte, dies aber weder musste noch wollte.
 

Als das Sternenlicht auf Thals muskulösen Oberkörper fiel, lief Kaya ein Schauer über den Rücken. Und noch während sie sich fragte, wie sie Thal begreiflich machen sollte, dass sie sie wollte und nur ein wenig ängstlich war, drehte sich die Erdbändigerin um und ihr Blick traf sich.

Für einen Moment stand die Welt still.
 

Dann war Thal auch schon bei ihr, ihre Lippen trafen sich wieder und die Erdbändigerin schloss Kaya fest in ihre Arme, bevor sie sich mit ihr zusammen rückwärts zu Boden sinken ließ.

Mit einer geschmeidigen Bewegung war Thal plötzlich über Kaya. Dass sie dabei eine massive Steinwand vor den Höhleneingang gebändigt hatte, war Kaya nicht einmal aufgefallen. „So rum gefällt mir das irgendwie besser“, raunte Thal mit einem kleinen frechen Grinsen und Kaya lachte leise, bevor Thal sie wieder in einen intensiven Kuss zog.



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Kommentare zu dieser Fanfic (77)
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Von:  EL-CK
2013-03-17T10:46:26+00:00 17.03.2013 11:46
Wirklich schönes Kapitel ..
Freu mich auf nächste...
Von:  fahnm
2013-03-16T23:19:50+00:00 17.03.2013 00:19
Ein Geniales Kapi^^
Von:  dragon493
2013-03-16T21:53:41+00:00 16.03.2013 22:53
Thal ist so süß und zuvorkommend
super das die beiden zusammen gekommen sind
bin sehr gespannt ob Kaya jetzt wider bändigen kann
bin gespannt auf das nächste Kapitel
lg dragon493
Von:  23Katara23
2013-03-16T21:32:20+00:00 16.03.2013 22:32
Ich bin hin und weg.
Auf das habe ich schon lange gewartet.
Du hast die beiden supergut zusammengebracht.
Mir wäre das nie in den Sinn gekommen.
Ich finde Thal klasse!
Und nach wie vor deinen Schreibstil ^^
Von:  dragon493
2013-02-19T13:27:01+00:00 19.02.2013 14:27
toll das sie entliche Verstärkung bekommen haben :)
freu mich schon auf toph In Aktion
ob die anderen rechtzeitig dazu stoßen
Freu mich auf nächste Kapitel
Lg dragon493
Von:  23Katara23
2013-02-19T09:49:21+00:00 19.02.2013 10:49
Endlich mal jemand er helfen kann!
Ich dachte schon die sind jetzt auf sich allein gestellt. Aber selbst wenn weiß ich nicht wie sie das ohne Toph´s Hilfe so schnell hinbekommen hätten den anderen bescheid zu sagen.
Ich kann mir nicht vorstellen was als nächstes passieren könnte... bin ja mal gespannt!
Ich frage mich auch ob Thal Kaya dabei helfen kann ihre Bändigungskraft wiederzufinden.
Von:  EL-CK
2013-02-19T09:17:10+00:00 19.02.2013 10:17
Darf ich ehrlich sein.... ich dachte mir dass es Toph sein würde...
:-)
Ich hoffe Kaya findet heraus wer ist ist und was sie will...
Von:  fahnm
2013-02-18T22:49:04+00:00 18.02.2013 23:49
Klasse Kapi^^
Von:  23Katara23
2013-02-18T20:34:12+00:00 18.02.2013 21:34
Die Armen T.T
Ich find das so krass wie Thal den Stein rausbändigt. Super Idee jedenfalls :)
Du machst einen richtig neugierig was als nächstes wohl kommt...
Bin ja mal gespannt!
Von:  dragon493
2013-02-18T18:07:35+00:00 18.02.2013 19:07
Tolles Kapitel
gut d sie den Sturz überleben konnte
Bin nur sehr gespannt ob die anderen beide es rechtzeitig Geschäft haben
bin auch sehr gespannt wer da kommt
freu mich aufs nächste Kapitel
Lg dragon493


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