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Bunter Zucker

-Bunt, Bunter, Pillimao-
von

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Gezuckerter Prolog

-Prolog-
 

Es begann alles in einer kalten und stürmischen Winternacht. Wir beide waren ganz alleine zu Hause, da Anna, Yoh und die anderen noch nich zurück waren. Nervös blickte ich auf die Uhr. Es war kurz nach Mitternacht und wir beiden zogen uns einen Horrorfilm rein. Ich versuchte, nicht zu ängstlich auszusehen, konnte aber trotzdem nicht verbergen, dass Panik in mir hochstieg, als diese schreckliche Musik verstummte. Ein plötzlicher Schrei brach das Fass zum überlaufen. Ich konnte mich nicht mehr zurückhalten und schrie mit der Frau im Chor. Neben mir vernahm ich ein leises Kichern. Mit verschrecktem Gesichtsausdruck, das Kissen fest an meine Brust gepresst und mit weit aufgerissenen Augen, drehte ich den Kopf in die Richtung, aus der das Kichern kam. „Nun sei mal nicht so ein Angsthase, Tamao. Das ist doch alles nur gespielt, die hatten einen riesigen Spass, als sie diesen Film drehten.“ „P-Pillica...können wir uns nicht etwas anderes ansehen? Ich bekomme ja jetzt schon Alpträume, mein Herz ist mir in die Hose gerutscht und das Kissen hält auch keine Szene mehr durch, bitte“, flehte ich sie an. „Mh...na gut, such du was aus“ Pillica reichte mir die Fernbedienung, die ich mit zitternder Hand entgegennahm. Ich versuchte, in dem Licht, dass der Fernseher spendete, die Knöpfe und deren Zahlen oder Buchstaben zu entziffern. Als ich endlich den gesuchten Knopf fand und ihn drückte, passierte es. Der Strom fiel aus. Mir entwischte ein leiser Schrei, was Pillica natürlich zum Lachen brachte. „Pillica! Das ist nicht witzig!“, fauchte ich mit zittriger Stimme. Sofort rappelte ich mich auf. „Na komm, wir müssen das mit der Sicherung wieder in Ordnung bringen!“ „Wieso denn? Ist doch irgendwie aufregend, finde ich“, erwiderte sie und sicher grinste sie dabei, auch wenn ich es nicht sehen konnte, aber so wie ich ihren Tonfall deuten konnte, amüsierte sie sich sicher prächtig über meine Hilflosigkeit und Angst im dunklen. Vorsichtig tapste ich durchs dunkle und schlug sogleich mein Bein an einer Tischkante des Wohnzimmertisches an. Ich sog die Luft scharf ein, um nicht loszufluchen und Pillica noch mehr Spass zu gönnen. „Was war das den?“, kam es aus ihrer Richtung, gefolgt von einem Kichern. „Nichts“, murrte ich leise und spürte, wie die Röte in mein Gesicht schoss. Ein Glück, dass es dunkel war. „Sag mal“, begann Pillica, „weißt du eigentlich, was wir genau machen müssen, damit wir wieder Strom haben?“ Ich blieb stehen. „Äh...muss man nicht irgendeinen Knopf drücken? Oder einen Hebel umlegen? Oder sonst irgendwas?“ „Weiss ich nicht, deshalb frage ich ja dich“ „Ich habe keine Ahnung“ Wir beide seufzten, bevor wir eine Schweigeminute einlegten.

„Lass und schlafen gehen“, schlug Pillica nach einer Zeit des Schweigens vor. „Sonst bleibt uns ja kaum was übrig“, antwortete ich und bahnte mir den Weg zur Treppe, gefolgt von Pillica, die wohl auch so ihre Schwierigkeiten mit der Dunkelheit hatte, was mir ein Rumpeln und das darauf folgende ‚autsch’ bestätigten. Ich musste kichern. „Hey! Lachst du mich aus?“ „Niemals! Ich bin anständig und empfinde nie Schadenfreude“
 

Wir beide haben es irgendwie doch noch geschafft, trotz blauen Flecken, in unser Zimmer zu kommen. Erleichtert kroch ich unter die Decke, genauso wie Pillica. „Schlaf gut, Pilli“ „Du auch“ Ein Gähnen konnte ich nicht zurückhalten, bevor ich die Augen schloss. Ich drehte mich auf die Seite, in die Richtung von Pillica. Einen spaltbreit öffnete ich meine Augen und zu meinem Erstaunen, waren ihre Augen immer noch weit geöffnet und auf mich gerichtet, was ich dank dem Mondlicht erkennen konnte. Nun öffnete ich auch meine Augen etwas mehr. „Kannst du nicht schlafen?“, fragte ich mit besorgter Miene. Ihre Lippen formten sich zu einem Lächeln. „Nein, alles in Ordnung“ Wieder schoss beim Anblick von Pillicas Worten die Röte in mein Gesicht. Mein Herz schlug schneller. Verlegen wollte ich mich wegdrehen, da spürte ich Pilli’s Hände an meinen Wangen. Mir stockte der Atem. Mir dämmerte es, dass Pillica etwas vorhatte und ich wusste genau, um was es sich handeln musste. Ich konnte erkennen, dass sich ihr Gesicht auf meines zubewegte. Ihre Lippen näherten sich meinen unaufhaltsam. Mein Herz begann zu rasen, als ich ihren süssen Atem spüren konnte. Bis es dann geschah. Sie raubte mir meinen ersten Kuss.
 

-Prolog Ende-

Himbeertorte

Unruhig wälzte ich mich in der Nacht in meinem Bett umher. Ich drehte mich seufzend zurück auf den Rücken. Erschrocken öffnete ich die Augen, als etwas oder jemand mit an den Armen berührte. „Shh! Ganz ruhig“, hauchte eine bekannte Stimme in mein Ohr. Mein ganzer Körper spannte sich an, als die dunklen Umrisse sich bewegten. Die Person setzte sich ganz frech auf meinen Schoss und sah auf mich herunter. Mir stockte der Atem, als sich die Gestalt zu mir herunterbeugte. Ich vergass komplett zu atmen und schnappte nach Luft, als ich die weichen Lippen an meinem Hals spürte. „P-Pillica?“, fragte ich leise, ehe meine Stimme versagte. Ein Kichern bestätigte mir, dass ich richtig lag. „Was...“ „Ganz ruhig, lass dich einfach gehen“, fiel sie mir ins Wort. Ich nickte zaghaft. Schon im nächsten Moment hinterliessen ihre Küsse heisse Spuren auf meinem Hals. Der warme Atem, mit dem sie die Küsse verband, machte es mir schwer, nachzudenken. Ich fiel in eine Art Trance, in der ich keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. „Ich würde dir gerne etwas zeigen, wenn du einverstanden wärst“ Ganz sanft strichen ihre Fingerkuppen den Linien meines Kinns nach, bis runter zu meiner Kehle und schliesslich noch ein Stück runter, zu meinen Schlüsselbeinen. Ich zögerte. Trotzdem wusste ich die Antwort schon und ohne dass ich es richtig bemerkte, formten meine Lippen ein ‚Ja’ unterstützt von einem Kopfnicken. „Ich werde ganz sanft sein“, versicherte mir das Mädchen. Ich vertraute ihr, was mich ziemlich überraschte. Pillica war doch nur eine Freundin, mit der ich aber auch nicht sehr viel am Hut habe, gelegentlich wechselten wir ein paar Worte, das war’s auch schon. Aber diesmal war es anders, das Vertrauen zu ihr war grösser als sonst. Ein wohliges Seufzen entwich mir, als ihre Hände tiefer wanderten. „Pillica...Ich...“, begann ich, hochrot bis über die Ohren, als es mir dämmerte, was sie mir zeigen wollte. Pillica blickte zu mir hoch, lächelte mich an, doch als sie zum Sprechen ansetzen wollte, kam, an Stelle von Wörtern, nur ein nervtötendes Klingeln. Das Bild verzerrte sich, alles war schwarz, alles war verschwunden, abgesehen, von diesem Klingeln, das immer lauter wurde. Ich musste ein paar Mal blinzeln, bis ich bemerkte, das ich unberührt auf meinem Futon lag, komplett verschwitzt und die Decke zur Seite geschlagen. Mühsam rappelte ich mich auf und brachte den Wecker zum Schweigen, der mich aus dem Schlaf gerissen hatte. Normalerweise schlafe ich länger und habe keinen Wecker bei mir. Doch dieses Mal, war es eine Ausnahme. Es war Pillicas Geburtstag und ihr Bruder Horo hatte vorgeschlagen, eine Überraschungsparty zu geben. Das war gar nicht so leicht, schliesslich wollte Horo die Party in Annas Haus feiern und das passte ihr irgendwie nicht. Aber nach einem kurzen Wortkampf, musste Horo versprechen, dass er das Haus wieder blitzblank säubern wird. Wie ich ihn kenne, wird er bestimmt noch ein paar von uns mit reinziehen, wie zum Beispiel sein Freund Ren, der schon so einiges miterlebt hatte, seit sie zusammen sind. Ich begann meine Tageskleidung zusammenzusuchen, erstarrte aber mitten in der Bewegung. Das Bild von Pillica und mir, in der Nacht, bei einer Aktion, in der ich keine Erfahrung hatte, erschien von meinen Augen. Ich bekam eine Gänsehaut, als ich mich an Pillicas Bewegungen erinnerte. Natürlich konnte ich nicht verhindern, dass meine Wangen ein dunkles Rot annahmen. Sofort verwarf ich die Gedanken wieder. Es war schliesslich nur ein Traum...ja, nur ein Traum.
 

„Ich habe gedacht du kaufst die Torte?!“ „Nein die solltest doch du kaufen!“ Im Wohnzimmer herrschte ein Durcheinander. Ballonverpackungen, Luftschlangen, Kerzen, Papier, Karton und alles Mögliche, was man zum Dekorieren eines Zimmers brauchte, falls man je dazu kommen würde. Inmitten der ganzen Sachen, leisteten sich Anna und Horo einen bitterlichen Kampf. „Äh...worum geht es denn?“, fragte ich die beiden, blieb aber in der Wohnzimmertür stehen, nur zur Sicherheit. Die beiden wendeten die Blicke nicht voneinander ab. „Dieser Schneemann hier, hatte die leichte Aufgabe, eine Torte für Pillica zu kaufen, aber nicht mal dazu ist er fähig“, erklärte mir Anna mit scharfem Unterton, den Blick immer noch auf Horo gehaftet. „Achja? Ich habe das ganz anders in Erinnerung! Du...“ „Wie du das in Erinnerung hast interessiert doch keinen, was da in deinem Kopf rumschwirrt ist sowieso nur Müll!“, unterbrach sie ihn, was Horo natürlich nicht in den Kram passte. Schon ging der Kampf wieder los. Die beiden fuhren sich gegenseitig wütend an, machten irgendwelche eigenartige Gesten und sprangen einander fast ins Gesicht. „Ich würde eine Torte machen, vorausgesetzt ihr wollt das...und dass alle nötigen Zutaten vorhanden sind...Eine Himbeertorte würde ich vorschlagen“, sagte ich leise, was die beiden wohl kaum gehört haben. Sofort herrschte zu meinem Erstaunen Totenstille. Zwei Augenpaare waren auf mich gerichtet, was mir natürlich total peinlich war. „In Ordnung. Du machst den Kuchen und Horo geht einkaufen“ „Wieso denn ich und nicht du?“ „Weil ich es sage...sonst noch etwas?!“ „Nein“, grummelte der Ainu mit verschränkten Armen vor der Brust und ziemlich beleidigt, da er den Kampf gegen Anna haushoch verloren hatte, wie immer eigentlich. „Jetzt beeil dich gefälligst! Sonst kannst du es gleich vergessen mit der Party!“ Anna wendete sich ab und verliess den Raum mit schnellen Schritten, gefolgt von dem blauhaarigen Jungen. Ich sah den beiden schweigend hinterher, bevor ich mich dann in die Küche begab, um schon mal alles für die Geburtstagstorte von Pilli vorzubereiten.
 

Es dauerte eine ganze Weile, bis Horo mit den Einkäufen zurückkam. „Was hast du denn so lange gemacht? Du hast fast mehr als eine Stunde gebraucht, obwohl in unserer Nähe doch gerade ein neuer Laden eröffnet wurde“ Horo zuckte mit den Schultern und für einen Moment sah es aus, als würde er in Erinnerungen schwelgen, in ziemlich amüsanten Erinnerungen. „Ach weißt du...Auf dem Weg zum Einkaufen findet man ziemlich viele interessante...Sachen, auch wenn man...alleine ist“, antwortete er grinsend, als hätte er irgendeine glücklichmachende Medizin geschluckt. „Ehm...ich verstehe nicht ganz...“, sagte ich verwirrt und packte die Sachen aus den Tüten. „Morgen“, kam es von der Tür. Ein müde aussehender Ren lehnte sich gegen den Türrahmen und betrachtete sein Umfeld wie ein hungriger Tiger. Horo hüpfte auf der Stelle zu ihm, um ihm einen Kuss auf die Wange zu drücken. „Schön dich...mal wieder zu sehen“, säuselte Horo zuckersüss. Genervt drückte Ren ihn zur Seite und schleppte sich zum Kühlschrank. „Was hast du denn? Du läufst so seltsam“, fragte ich neugierig, als ich ihn beim Gehen beobachtete. „Unterleibsschmerzen...keine weiteren Fragen, okay?“, grummelte er fast unverständlich und griff nach einer Milchflasche. Ich zog die Augenbrauen hoch und war mal wieder ziemlich verwirrt, als hinter ihm Horo zu lachen begann. Sichtlich genervt und auch verlegen, ging Ren an dem anderen vorbei. „Ich hasse dich“, knurrte er, bevor er um die Ecke bog. „Danke, ich liebe dich auch“, rief ihm Horo hinterher und tapste ihm wie ein anhänglicher Hund hinterher. //Total unterschiedlich, die beiden, trotzdem kann sie nichts trennen.// Ich seufzte leise. So gut wie jeder hier hatte irgendjemanden mit Ausnahme von mir. Niedergeschlagen begann ich, die richtige Menge der Zutaten in eine Schüssel zu geben, die ich mit einem Mixer zusammenmischte.
 

Am späten Nachmittag waren alle Vorkehrungen geregelt. Das Wohnzimmer, in dem wir feiern werden, war wunderbar ich verschiedenen blauen Pastelltönen geschmückt. Es war kaum wieder zu erkennen, wir hatten alle tolle Arbeit geleistet. „Yoh und Manta kommen jeden Moment, also nehmt alle eure Position ein!“, befahl Anna schroff. Keiner widersprach ihr, da jeder Annas Art von Konsequenzen kannte. Es war eine ganze Weile still, jedes Geräusch von aussen war zu hören. Vogelgezwitscher, der Wind der durch die Bäume und Büsche wehte und auf einmal näher kommende Stimmen, Schritte, Gelächter und das Öffnen einer Tür. Ich stand regungslos, mit der Torte auf den Händen, in der Küche neben Anna und wartete darauf, dass die drei ins Wohnzimmer gingen. „Also los...“, murmelte sie und gab ein Zeichen. Kurz darauf ertönte Musik und aus allen Ecken kamen wir singend hervor. Vorsichtig kam ich als letzte mit der Torte ins Wohnzimmer und stellte sie vor der erstaunten und etwas überrumpelten Pillica ab. „Alles Gute zum 17. Geburtstag, Pilli-chan! Blas die Kerzen aus und wünsch dir was“, riefen wir im Chor. Pillicas Augen leuchteten richtig, als sie verstand, dass dies alles nur für sie war. Stürmisch umarmte sie jeden, bedankte sich hundertmal und strahlte dabei bis über alle Ohren. „Und dir danke ich natürlich auch, Tamao“ Ich hatte gar nicht bemerkt, dass Pillica vor mir stand, ich war mit den Gedanken ganz woanders, und deshalb auch dementsprechend erschrocken. „Oh...eh...das ist doch selbstverständlich und soviel habe ich doch auch nicht gemacht“, antwortete ich verlegen. Sie begann zu lachen. „Ach sei doch nicht so bescheiden, du hast doch die Torte gemacht, wie ich vorher von Anna zu hören bekam. Du kannst mir zeigen, wie man eine Himbeertorte, die auch schmeckt, hinkriegt und ich werde dir etwas anders zeigen“ Pilli zwinkerte frech, ich wurde natürlich wieder rot, war aber gleichzeitig überrascht und erschrocken. Mir etwas zeigen. In meinem Traum wollte sie mir doch auch etwas zeigen. //Vielleicht war es doch mehr als ein Traum? Nein, garantiert nicht! Aber wenn doch mehr dahinter steckt?...// Meine Stimme im Kopf und ich lieferten sich einen fieberhaften Kampf und die Unsicherheit streute noch mehr Zweifel und Unklarheit in die ganze Sache.

Den ganzen Tag über, beobachtete ich Pillica ganz genau und saugte jedes ihrer Worte wie ein Schwamm in mich auf. Ich wollte unbedingt wissen, ob mehr dahinter steckte. Am Abend war ich deswegen auch ziemlich müde, es war nicht leicht, unauffällig einer Person zu folgen und ihr immer genau zuzuhören. Die Party ging zu Ende, wir hatten bis tief in die Nacht gefeiert und so mussten wir auch ausgesehen haben. Müde schleppten sich die einzelnen Personen in ihr Zimmer. Ich selber habe beschlossen, Horo die Arbeit ein wenig zu erleichtern und räumte Dinge wie Pappteller oder Becher weg, damit er morgen gleich mit dem Putzen beginnen kann. Anna erlaubte ihm, die Arbeit über die Nacht stehen zu lassen, sie selber hatte wohl kaum die Kraft noch mal rumzubrüllen, sie hatte schon Mühe, die Augen offen zu halten. Nun waren Pilli und ich alleine im Wohnzimmer. Sie hatte den Fernseher angeschaltet und es sich in einem Haufen von Kissen bequem gemacht. „Lass das doch, Tamao. Mein Bruder kann das machen, der soll ruhig auch mal einen Finger rühren, kann ihm ja nicht schaden...Komm her und setzt dich doch zu mir. Oh und kannst du den Teller mit dem angeschnittenem Kuchen bringen? Wir teilen ihn zwischen uns auf, in Ordnung?“ „Wie du meinst, noch hast du Geburtstag“ „Genau! Auch wenn es noch etwa eine halbe Stunde dauert...“ Ich stopfte den griffbereiten Abfall in eine Mülltüte und stellte diese gleich nach draussen vor die Tür. Rasch wusch ich mir die Hände, ehe ich zur Torte griff und mich zu Pilli gesellte. Ich schnitt ihr und mir ein passendes Stück zurecht, reichte ihr noch eine Gabel und lehnte mich schliesslich zurück. „Bequem hast du es dir gemacht...“ Pillica piekste eine Himbeere auf. „Naja, jetzt bin ich schon so alt, da muss ich es mir wenigstens bequem machen“ Ich stutzte. „Alt? Bitte! Du bist erst 17!“ Sie schob sich die Himbeere in den Mund und grinste mich an. „Nimm es doch nicht so wörtlich“, grinste sie und tippte mir an die Nase. Verlegen nahm ich ein kleines Stück vom Kuchen auf die Gabel. „Entschuldigung“ „Hey, dafür musst du dich nun wirklich nicht entschuldigen!“ Erneut piekste sie eine Himbeere auf, wobei ich bei ihrer Aktion zuguckte. Ich wich mit dem Kopf ein Stück zurück, als sie mir die Himbeere vor die Nase hielt. „Du hast so gierig ausgesehen“, erklärte sie und fuhr dann fort, „und statt sie von den anderen Kuchenstücken zu klauen, kannst du meine haben“ Ohne erbarmen schon sie mir die Himbeere in den Mund, mir blieb also nichts anderes übrig, als sie zu essen. „Süss, du bist schon wieder ganz rot“ Sie begann zu lachen und machte mich somit nur noch verlegender. „Du bist gemein...“ „Wieso denn? Ich habe dir die Himbeere gegeben, da darf ich ruhig sagen, was ich denke“ Ich zuckte beleidigt mit den Schultern und wendete den Blick ab. Eine Weile schwiegen wir beide. „Soll ich dir sagen was ich mir gewünscht habe?“, begann Pillica leise und legte den Teller zur Seite. Verwundert sah ich sie an, schüttelte dann aber heftig den Kopf. „Das darfst du nicht! Sonst geht der Wunsch nicht in Erfüllung!“ Verwundert über meine Reaktion, starrte mich Pillica an, lächelte aber wieder. „Ich habe mir seit sicher zwei oder drei Jahren das gleiche gewünscht in Erfüllung ging er aber trotzdem nicht, da kann ich es sicher ruhig sagen“ Ich zuckte mir den Schultern. „Wenn du willst...du weißt es selber am besten“, kam es leise von meiner Seite. „Du klingst nicht sehr begeistert...Na gut, dann werde ich es ganz leise sagen, damit keiner ausser uns er hört, okay?“ Ich sagte nichts weiter, sie würde es mir sowieso sagen. Pillica rückte etwas mehr in meine Richtung, was mein Herzschlag auf einmal schneller werden lässt. Sie beugte sich langsam zu meinem Ohr. Ihr warmer Atem machte es mir schwer...Warte! Das kommt mir doch bekannt vor?! Mein Herz schlug noch schneller, ich konnte ein Wettbewerb gegen einen Hydranten gewinnen und meine Gedanken kreisten in meinem Kopf umher. „Weißt du, ich träume ich fast jeder Nacht das gleiche. Alles um mich herum ist dunkel. Mit der Zeit wird vor mir ein schmaler Pfad sichtbar, und ich spüre, dass am Ende des Pfades etwas oder jemand auf mich wartet, je weiter ich gehe, desto klarer werden die Umrisse von der Gestalt, die auf mich wartet. Aber immer, wenn ich kurz davor bin, sie zu berühren und sie weiter ins Licht zu ziehen, um zu sehen, wer sich da verbirgt, wache ich auf. Ich weiss nicht was es ist, aber ich bekomme immer ein warmes Gefühl, mein Herz macht Luftsprünge und ich kann nichts ausser Glück und Freude empfinden. Ich will so sehr, dass ich endlich erfahre, wer das ist und heute habe ich es mir mal wieder gewünscht. Es ist schliesslich nicht mehr nur ein Traum, glaubst du nicht auch?“, flüsterte sie in mein Ohr, ehe sie wieder zurück auf ihren Platz sank. Ich schnappte nach Luft. Ich habe ihr so konzentriert zugehört, dass ich vergessen habe, Luft zu holen. „Das ist kein Traum, da hast du Recht, aber glaub mir...“ Sanft nahm ich Pillicas Hände, „ich kann dir versichern, dass dein Wunsch in Erfüllung geht...Ich weiss nicht, wieso ich das jetzt so einfach sage aber, wenn du es dir von ganzem Herzen wünschst und auch daran glaubst, wird es garantiert nicht mehr sehr lange dauern“ Ich war selber über mein Selbstbewusstsein und diese Sicherheit überrascht, normalerweise bin ich diejenige, die Zweifel hat und das war wohl auch Pillica aufgefallen. Sie musterte mich, um sicher zu gehen, dass ich es war und nicht eine andere. „Nun, wenn du das sagst...Dann werde ich dir mal glauben, du bist schliesslich sehr selten so selbstbewusst, da muss bestimmt etwas Wahres dahinter stecken“ Sie griff wieder nach dem angebrochenem Kuchenstück, teilte es in mundgrosse Stücke und steckte sie eins nach dem anderen in den Mund. „Ich werde dann mal ins Bett gehen, je schneller die Nacht vorbei ist, desto schneller werde ich meinem Ziel näher kommen, meinst du nicht auch?“ „Mag sein, vielleicht wird das, was du suchst aber auch nachts zu dir kommen...“ Pillica rappelte sich auf, stellte den leeren Teller auf den Tisch und liess ein lautes Gähnen ertönen. „Scheinst wohl müde zu sein“ „Tja, auch noch ein Grund, schlafen zu gehen, schaltest du dann das Licht aus?“ Ich nickte nur und wünschte ihr eine gute Nacht, bevor sie sich die Treppen raufschleppte.
 

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Näheres zum Kapitel in der Beschreibung

Kirscheis

Pillicas Geburtstag ist nun schon seit ein paar Wochen vorbei. In der Zeit hatte ich noch oft diese seltsamen Träume. Doch mit der Zeit wurden sie wieder seltener, woran das wohl liegen mag? Auch wenn ich immer schweissgebadet aufwachte, fühlte ich mich nach dem Traum immer total seltsam, aber nicht auf eine schlechte Art. Ich war ruhig, trotz Herzrasen, Gänsehaut und zitternden Händen. Ich fühlte mich befreit. Woran das lag wusste ich nicht, es war einfach so. Nur zu gerne hätte ich gewusst, was es mit dem Traum auf sich habe, aber da musste ich mich noch gedulden, denn bisher war noch nichts passiert, das meinen Träumen auch nur im Geringsten ähnlich war. Die Tage liefen ab, wie man es sich von ihnen gewohnt war. Anna schrie rum, Yoh versuchte sie zu beruhigen und musste dafür ein paar Beulen einstecken, Ren und Horo waren irgendwo anders beschäftigt, wollte aber nicht wissen, womit sie beschäftigt waren. Das Leben hatte wieder seinen gewohnten Lauf genommen, wie es sich gehörte. Ich dagegen, fand nicht in mein altes Leben zurück, ich hatte alle Hände damit zu tun, Pillica genauer zu beobachten, mir sogar zu notieren, wie sie sich verhielt oder was sie besonders mochte. Ich folgte ihr so ziemlich überall hin, wenn auch nicht immer unbemerkbar, da hie und da auch mal was schief ging. Wie gestern zum Beispiel, als ich ihr in die Bücherei gefolgt bin. Ich wollte mich wie ein ganz normaler Besucher verhalten und nahm deshalb ein Buch aus einem Regal um darin herumzublättern. Dummerweise zog ich ein weiteres, kleineres Buch raus, das gleich meine Reflexe einem Test unterzog, bei dem ich kläglich scheiterte. Ich wollte das Buch aufheben, doch das Bücherregal war mir im Weg. Unsanft stiess ich mir den Kopf, ein Buch, das nicht richtig im Regal stand, segelte von oben herab, das ausgerechnet auf meinen Kopf fallen musste, was mir ein schriller Schrei entlockte, wodurch ich die anderen Besucher auf mich aufmerksam gemacht hatte. Rasch und mit hochrotem Kopf sammelte ich die Bücher ein und als das alles nicht genügte, stolperte ich über eines dieser verfluchten Dinger. Ich suchte nach Halt, fand aber nur das Bücherregal, an dem ich mich festklammerte und mit einem Ruck alle Bücher mitriss, doch ich konnte noch rechtzeitig zur Seite krabbeln, ehe der Bücherregen herunterprasselte. Fassungslos starrten mehr als zweidutzend Augenpaare auf das Chaos und das Mädchen, das dieses Chaos angerichtet hatte. Ich selber konnte nicht glauben, dass es passiert war, ich kam mir vor wie in einem schlechten Film. Wieso sind diese Bücherregale denn nicht irgendwo befestigt? Oder wieso hätte da nicht ein Schild mit der Aufschrift „Gefahr! Tollpatsche bitte wenden und zum Ausgang gehen“, stehen können? Ich blickte das leere Bücherregal an. Ein einziges Buch hatte tapfer meine Würde verteidigt, in dem des den Platz ganz alleine verteidigte und...PFLAPP...das Buch fiel auch noch runter. Scheiss Tag!

Ich bin froh, dass Pillica dieses Szenario nicht mitverfolgen konnte. Eine kleine Beule hatte ich mir zugezogen, mehr zum Glück nicht. Trotz dieses Missgeschicks blieb ich Pillica dicht auf den Fersen, ich glaube das sind Nebenwirkungen von Detektivsendungen, die vernebeln einem das Gehirn so das man glaubt, dass man selber einer ist, wie ich jetzt zum Beispiel. Naja auch egal. Irgendwie fand ich das alles ziemlich peinlich und kindisch von mir. Aber irgendwas muss ja mit ihr sein, wieso erschien sie denn sonst immer in meinen Träumen? Ich hatte die ganzen Wochen nur damit verbracht, mir alles von ihr zu notieren und sie genau zu beobachten, da musste sich doch was finden lassen, redete ich mir ein.

Am Abend betrachtete ich meine vollgekritzelten Hefte und suchte nach irgendeiner Verbindung zwischen meinem Traum. Seufzend klappte ich sie nach einer ganzen Weile zu. Nichts zu finden. Ich tappte im Dunkeln. Was genau ich mir erhoffte, wusste ich selber nicht aber ich wusste, dass ich so nichts herausfand, wie auch? Ich konnte mir schlecht vorstellen, dass Pillica mit plötzlich überfiel und wild an mir rumfummelte. Aber ich war mir ziemlich sicher, wenn ich mehr über Pillica wusste, würde ich es schnell herausfinden und dann würde ich merken, dass das alles gar nichts Grosses zu bedeuten hatte und ich das ganze Drama umsonst gemacht hatte. Wie naiv es von mir war, das zu denken...Aber das werde ich erst später bemerken.
 

In dieser Nacht hatte ich schon wieder diesen merkwürdigen Traum. Mit Herzklopfen bin ich aufgewacht und mit weit aufgerissenen Augen liege ich nun auf meiner Tatamimatte. Ein paar Schweissperlen lagen auf meiner Stirn und meine roten Wangen glühten richtig. Ich warf einen raschen Blick auf den Wecker der neben mir stand. „Erst halb eins...“, murmelte ich verschlafen. Mühsam rappelte ich mich, nach einer Weile des Schweigens, auf. Die Nervosität hatte mal wieder meinen Körper übernommen, kaum habe ich mich erhoben, knickten meine Beine zusammen und mit lautem Rumpeln fiel ich zurück auf den Boden. „Au...“, grummelte ich und rieb mir mein schmerzendes Kinn. Statt noch einen Sturz zu riskieren, blieb ich in der Nähe des Bodens, den ich mir in der Zeit mal genauer betrachten konnte. Obwohl alles in mir nach Schlaf rief, wusste ich genau, dass ich doch nicht schlafen konnte, da mir wieder alle Szenen aus meinem Traum erscheinen würden. Und so schleppte ich mich tapfer aus meinem Zimmer. Meine Augen haben sich zum Glück an die Dunkelheit gewöhnt, deshalb konnte ich, zu meinem Glück, die Treppenstufen, die nur wenige Zentimeter vor mir begannen, noch rechtzeitig erkennen. Rasch rappelte ich mich auf und stieg die Treppen leise nach unten. Ich bemühte mich sehr, keinen Krach zu machen, trotzdem knarrten die holzigen Treppenstufen grässlich laut, jedenfalls kam es mir so vor. Ich schlich mich ins Wohnzimmer, direkt zu den Schiebetüren, hinter denen sich der Garten verbarg. Kühle Luft strömte in das warme Zimmer, als ich die Tür zur Seite schob. Ein zufriedenes Seufzen entwich mir. Ich machte es mir draussen auf dem Holzboden, der rund ums Haus führte, bequem. Es war eine dieser angenehm kühlen Nächten, die man im Sommer so gut gebrauchen konnte. Gleichzeitig war die Nacht sternenklar. In diesen Nächten schlief ich eher schlecht, weshalb ich mich oft nach draussen setzte, wie heute auch. Langsam bewegte sich mein Oberkörper nach hinten, bis er den Boden berührte und starrte gedankenverloren in den Himmel, der übersäht von verschiedengrossen Sternen war.
 

„Soll ich dir etwas zeigen?“ „Tut es weh?“ „Ich werde ganz sanft sein.“ „Dann wird es also nicht weh tun“ „Vielleicht am Anfang.“ „Ich habe Angst“ „Musst du nicht haben. Der Schmerz wird vorbeigehen“ „Versprichst du es mir?“ „Ja“ Es war wieder totenstill, als sich unsere Lippen berührten. Eine ihrer Hände fuhr unter mein Oberteil, zog es nach oben, als ihre Finger über meinen Bauch frech nach oben wanderten. Meine Unterlippe zitterte, mein Herz schlug schneller. Ich beobachtete ihre zweite Hand, die in die Entgegengesetzte Richtung verschwand. Nervös weiteten sich meine Augen, als ich die Hand nicht mehr sehen konnte. Dafür spürte ich sie an einer ungewohnten Stelle. Eine Gänsehaut überkam mich. Eine wohlige Gänsehaut, muss man bemerken. Mein Puls raste, der Kuss wurde inniger, die Berührungen heisser. Meine Augen weiteten sich. Ein ungewollter Laut kam über meine Lippen. Ein unbekannter Schmerz. „Pillica“, hauchte ich mit zittriger Stimme. „Beruhig dich...du bist zu verkrampft...Versuch dich zu entspannen, es kann nichts passieren“ Ich nickte langsam und schloss die Augen. Tief atmete ich ein und wieder aus. Mein Herz schlug mit jedem Atemzug langsamer, bis es schon fast wieder normales Tempo angenommen hatte. Meine Hände zitterten. Trotzdem war ich ganz ruhig und entspannt, was Pillica auch bemerkt haben musste. Doch ehe noch etwas passieren konnte, verschwand das Bild allmählich vor meinen Augen. Die Farben verliefen in einander und wurden in ein scheinbar unsichtbares schwarzes Loch gesogen.
 

Ich schlug die Augen auf. Anscheinend war ich eingeschlafen, ich lag immer noch draussen auf dem warmen Holzboden. Doch die Sterne waren immer noch am Himmel, ich musste wohl nur kurz eingenickt sein. Ich sog die kühle Luft tief ein. Irgendwie hatte ich keine Lust zurück ins Bett zu huschen. Hier draussen war es doch viel angenehmer ausserdem war die Aussicht doch auch ganz nett. „Kuck Kuck!“ Das umgekehrte Grinsen von Pillica erschien von meinen Augen. Erschrocken schrie ich auf. Sofort rappelte ich mich auf, doch das war ein gewaltiger Fehler. Weil ich mich zu schnell aufgerappelt hatte, drehte sich nun alles vor meinen Augen, wodurch ich ungewollt rückwärts taumelte Ich spürte, dass ich den Boden unter meinen Füssen verlor und ruderte wild mit den Armen auf der Suche nach Halt. Das alles half aber nichts. Ich spürte, dass sich mein ganzer Körper unaufhaltsam nach hinten bewegte und wartete auf den schmerzhaften Aufprall. Ich konnte schon die riesige Beule an meinem Hinterkopf sehen, vielleicht auch ein paar Schürfwunden an den Ellenbogen. Während ich mir meinen, ziemlich brutalen, Fall vor meinen Augen ablaufen sah, mir kam sogar der Gedanke, dass ich auf etwas hartes fallen könnte, wie einen Stein, woran ich meinen Kopf aufschlug...oder vielleicht auch das Genick brechen könnte und dann daran starb, war mir gar nicht aufgefallen, dass ich gar nicht mehr fiel. Es dauerte auch etwas, bis ich das endlich verarbeitet hatte und öffnete nun ganz vorsichtig meine Augen. Ich blickte einer verwunderten Pillica ins Gesicht. „Wow...das ging ja lange bist du wieder zu dir gekommen bist“, murrte sie, konnte sich aber das Grinsen nicht verkneifen. Als ich realisierte, wie dramatisch ich mich in Pose geworfen habe, schoss das Blut in meinen Kopf. „Pillica...also...ich...du...“, stotterte ich verlegen. Pillica wandte den Blick ab und ehe ich den Satz beenden konnte, zog sie mich fest an sie und trat ein paar Schritte zurück. Ein ersticktes „Pilli?!“ konnte ich noch hervorbringen ehe sie mein Gesicht an ihren Busen drückte. Ich hörte wie sich ein Fenster öffnete. Ein schroffes „Wer macht um diese Uhrzeit noch so einen Krach?!“ war zu hören gefolgt von einem quengligem „Re-hen! Lass uns weiter machen!“ Das Fenster schloss sich wieder. Seufzend liess Pillica mich los. „Du bist einfach zu laut Tamao“, seufzte sie und strich sich ein paar Haarsträhnen ihrer zerzausten Haare aus dem Gesicht. „Tut mir Leid“, kam es kleinlaut von meiner Seite. Wir beide schweigen eine ganze Weile, mir war es immer noch peinlich dass sich mein Kopf...Naja...Zwischen ihren Brüsten befunden hatte. „Hey! Weißt du wo sich deinen Kopf hattest! Da zeigt sich eine ganz neue Seite von dir!“ Pillica stemmte die Hände in die Hüfte und zog eine Augenbraue hoch. „I-Ich?! Du hast mich doch an deine besten Stücke gedrückt! Nicht ich“, protestierte ich lautstark und bekam dafür sofort Pillicas warme Handfläche an die Lippen gedrückt. „Scht! Nicht so laut habe ich gesagt!“ Ich nickte langsam. Sie nahm ihre Hand wieder weg und seufzte. „Du kannst wohl auch nicht schlafen...Hm...Ich habe da was, das uns garantiert helfen wird, warte hier!“ Mit leisen Schritten hüpfte die Blauhaarige ins Haus. Wie sie es befohlen hatte, wartete ich brav, wie ein gut erzogenes Hündchen, hier draussen auf sie. Ich hörte ein leises Klappern, Schritte und das Öffnen von Schublade und Kühlschrank. Gespannt starrte ich in die Richtung, aus der die Geräusche kamen und konnte nach einer Weile Pillica erkennen, die mit zwei Löffeln in der Hand und einem grossen Eisbecher in der anderen Hand freudig auf mich zukam. „Kirscheis! Habe ich gestern Nachmittag gekauft und so versteckt, dass mein Bruder es ja nicht findet“ Sie sank auf den Boden und klopfte auf die Stelle neben sich. „Setz dich, dann können wir essen, glaub mir, nach einem Eisbecher fühlt man sich gleich viel besser“ Ich zweifelte daran, widersprach ihr aber nicht und setzte mich auf die Stelle neben sie. Sogleich bekam ich einen Löffel in die Hand gedrückt. Pillica war schon damit beschäftigt, den Deckel von dem Eisbecher abzukriegen. Anscheinend hatte sie Mühe damit, so wie man ihren Gesichtsausdruck deuten konnte. „Da...wäre ein Verschluss, damit geht es...besser“, schlug ich vor und deutete auf den gemeinten Verschluss. „Oh...den habe ich gar nicht gesehen...Danke“ Sie öffnete den Verschluss und legte den Deckel zur Seite. //Nicht gesehen? Obwohl es sogar noch da steht? Sie ist echt seltsam...//, schoss es mir durch den Kopf. Ich musste aber zugeben, dass es auch zum Schmunzeln war, wenn man Pillica bei den einfachsten Dingen zusieht. //Na gut...es ist...dunkel da kann man es nicht sehr gut lesen//, fügte ich meinem anderen Gedanken hinzu. Pillica schob den Becher ein wenig in meine Richtung. „Versuch mal, es schmeckt lecker und ist nicht sehr teuer“ Sie nahm freudig ein paar Löffel voller Eis, die sie regelrecht reinschaufelte. Ich schabte ein wenig vom kühlen Eis auf meinen Löffel und führte ihn zu meinem Mund. Das Eis verlief sofort auf meiner warmen Zunge. Es schmeckte wirklich göttlich, ich fragte mich, wieso ich früher nie davon gekostet hatte. Pillica grinste mich an. „Du siehst aus als hättest du gerade getrieben“ Ich fiel aus allen Wolken. Perplex und mit offenem Mund starrte ich sie an. Sie zuckte bloss mit den Schultern. „Naja, so sieht mein Bruder auch aus, nachdem er wieder eine dieser Nächte hinter sich hatte...“, gab sie mir zu verstehen und nahm wieder einen Löffel voll Eis. Ich wurde rot um die Nase. „N-Naja...wenn er seinen Spass daran hat“ „Ohja! Den hat er!“ Wir sahen uns eine Weile schweigend an, um dann in lautem Gelächter auszubrechen und kaum haben wir uns einigermassen eingekriegt hing an unseren Lippen jeweils die Hand der anderen, die verhinderte das noch ein weiteres Geräusch in die Nacht entwischte. Wie wir beide schon erwartet hatten, wurde wieder ein Fenster geöffnet, ein wütender Ren rief irgendetwas, das wie „Es gibt Leute die schlafen wollen“ klang und noch etwas, dass ich leider nicht verstanden habe, da Horo ihm mit dem Satz „Ja aber wir gehören nicht dazu!“ ins Wort fiel. Lautes Poltern, das Schliessen des Fensters, Stille. Das Gezirpe der Grillen war das einzige, was noch zu hören war. Schweigend sahen wir uns an. Die Hand der anderen ruhte immer noch auf unseren Lippen. Pillica schaute mich aus ihren wasserblauen Augen aus an, ich konnte nicht anders, als ihren Blick zu erwidern. Mir war noch gar nie aufgefallen, wie schön ihre Augen waren. Pillica zog ihre Hand zurück und ich machte es ihr gleich. Wir beide liessen die Blicke aber nicht voneinander an. Im Unterbewusstsein bemerkte ich, dass der Abstand zwischen uns geschrumpft war. Mein Herz schlug schneller. So wie im Traum, schoss es mir durch den Kopf. Ich wurde plötzlich total nervös, aber irgendetwas in mir wollte wissen, was als nächstes passiert, auch wenn ich hätte wegrennen wollen, wäre es nicht möglich, ich war wie gelähmt. Pillicas Lippen näherten sich meinen. Nur noch ein Stück und dann berührten sie sich. Noch ein Stück. Nur noch ein wenig. „Ich gehe schlafen, gute Nacht“, hauchte sie gegen meine Lippen. Sie lächelte mich an, sank zurück und verschloss den Eisbecher wieder. „Du nimmst doch kein Eis mehr oder?“ „Ehm...N-Nein“, murmelte ich, total überrumpelt, von Pillica’s Aktion. Sie rappelte sich auf, nahm beide Löffel in die Hand und ging zurück ins Haus. Ich starrte ihr mit grossen Augen nach. Irgendwie war ich enttäuscht, ich hätte ehrlich gesagt etwas anderes erwartet. In meinem Kopf drehte sich alles. Das sollte doch alles anders ablaufen. Was war denn das für eine Aktion?! Und wieso rege ich mich darüber so auf? „Es ist alles in Ordnung...vielleicht war das ja auch nur ein Traum?“ Ich knuffte mich in den Arm und rümpfte sofort die Nase. „Nein, es schmerzt...Ich bin wach...Logisch...ich werde nur im Traum geküsst, im richtigen Leben werde ich sowieso nie geküsst! Daran hätte ich gleich denken müssen“, lachte ich, mit einem leicht hysterischem Unterton. Ich fragte mich aber wirklich, was mich so sehr daran störte. Vielleicht empfand ich etwas für sie? Ach was...ich...PAFF...ein Kissen kam geflogen. „Wir brauchen Ruhe wenn wir schlafen wollen!“ „Zusammen, Ren! Wir wollen zusammen schlafen“ „Jaja was auch immer...“ Ich seufzte leise. Scheiss Nacht.
 

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Pfannkuchen mit Zimtzucker

„Sag mal Pillica...Bist du verliebt?“ Pillica stellte ihr Glas ab. Wir beide waren mit Horo und Ren alleine zu Hause, die anderen waren schon ziemlich früh ausser Haus. Anna zwang Yoh zum Frühsport und schleppte das ganze Volk, das um diese Zeit wach war, natürlich mit. Wir beiden sassen im Wohnzimmer vor dem Fernseher, während die anderen zwei in ihrem Zimmer Krach machten. Es waren auch schon wieder einige Tage her, seit diesem Vorfall in der Nacht, aber mir kam es so vor, als verhielte sich Pillica in meiner Gegenwart etwas seltsam. Nicht negativ seltsam. Aber auch ich bin etwas offener und nicht mehr so schüchtern. Wir verstehen uns prächtig und unsere Freundschaft ist besser als je zuvor. Trotzdem sind wir uns nicht sehr viel näher gekommen. „Naja...das kann ich nicht so recht sagen, ich kriege schon Herzklopfen, aber irgendwie konnte ich mich noch nie so richtig um die Liebe kümmern, ich hatte ja immer sehr viel zu tun, obwohl ich jetzt eigentlich mehr Zeit für mein Liebesleben nehmen könnte...hm...wieso fragst du eigentlich?“ Ich hob die Augenbrauen, als sie mir einen kurzen Einblick in ihr Liebesleben gab. „Oh...nur so...“ Ich biss in mein Brötchen um nichts mehr sagen zu müssen, aber ich konnte Pillicas fragende Blicke in meinem Nacken spüren. „Bist du etwa verliebt?“, fragte sie mich schelmisch. Ich zuckte zusammen. „Nein...Wie kommst du den darauf? Das ist doch völlig absurd“, fragte ich mit einem falschen lachen und drehte mich zu ihr. Pillica hatte den Kopf auf die Hände gestützt und grinste mich an. „Wer ist es?“ „Niemand!“ „Du bist ganz rot“ „Bin ich nicht!“, widersprach ich ihr mit roten Wangen. „Ein Beispiel für schlechtes Timing, was?“ Ich grummelte leise. „Keine Angst, ich würde es keinem sagen...Ist es jemand aus dem Haus? Garantiert?“ Pillica erhob sich und brachte ihr leeres Glas in die Küche. „Ich bin nicht verliebt“, rief ich ihr nach und folgte ihr sofort. „Wer ist es denn nun? Manta? Yoh?“ „Pillica!!“, jammerte ich los. „Vielleicht sollte ich mal einen von ihnen fragen ob du dich in ihrer Nähe seltsam verhältst?“ Kichernd eilte sie aus der Küche und ich ihr hinterher. „Du verstehst das ganz falsch ich bin nicht ver-“ Lautes Gepolter, Lachen, ein Quietschen von meiner Seite und ein etwas unsanfter Sturz. Vor Schreck hatte ich die Augen fest zugekniffen, öffnete sie nun aber wieder. Ich blickte in das verdutzte Gesicht von Pillica, die unter mir lag. „Wow...du gehst...ja ganz schön ran, was?“, fragte sie grinsend. Ich verschaffte mir rasch einen Überblick und bemerkte mit hochrotem Kopf, dass ich auf Pillicas Schoss hockte und sie regelrecht auf den Boden genagelt hatte. „P-Pillica...Ich...ehm...Tut mir Leid...“, sagte ich verlegend. Sie lächelte. „Schon gut...Aber...könntest du von mir runter? Ich würde gerne wieder aufstehen“ „Was? Oh! Ja sicher!“, antwortete ich etwas erschrocken darüber, dass ich nicht sofort von ihr runterging. Sofort krabbelte ich von ihr und half ihr gleich hoch. Sie nickte dankbar und strich ihre Klamotten glatt. „Bevor ich es vergesse...Anna wollte dass wir einkaufen gehen“ Ich runzelte die Stirn. „Woher weißt du das?“ „Deswegen“ Pillica kramte aus ihrer Rocktasche einen ziemlich zerknüllten Zettel hervor und reichte ihn mir. Ich zog das kleine Papier vorsichtig auseinander. „Tamao, Pillica! Geht einkaufen! Liste auf der Rückseite. Seid zurück ehe wir da sind! Sonst setzt was! – Anna“ Ich seufzte leise. „Annas Schreibstil ist unverkennbar“, seufzte ich und gab Pilli den Zettel zurück. „Ach komm, einkaufen ist doch gar nicht so schlimm...wenn wir jetzt gehen, sind wir sicher rechtzeitig zurück, also schnapp dir deine Schuhe! Ich hole noch rasch den Geldbeutel und sage den beiden dass wir weg sind. Ehe ich etwas sagen konnte, rauschte die Blauhaarige davon, gleich die Treppe hoch. Seufzend schleppte ich mich zur Tür, wo meine Schuhe warteten, und schlüpfte rein. Ich musste ein paar Minuten warten, ehe Pillica zurückkam. Rasch wechselte sie von den Hausschuhen in die normalen Schuhe und öffnete die Tür. „Bis dann, Bruderherz! Macht nichts, was wir nicht auch tun würden!“, rief sie noch zurück. „Viel Spass! Zum anderen Teil gebe ich keinen Kommentar ab!“, kam es zurück. Pillica grinste mich an. „Die beiden haben sich gesucht und gefunden“, meinte sie und schob mich zur Tür raus.
 

„Zucker, Eier, Milch, Mehl, Erdbeeren...“, zählte Pillica auf, als wir durch die Regale schlenderten. Ich schob den Einkaufswagen vor ein Regal und griff nach einer Packung Zucker. „Bist du sicher dass wir das alles brauchen? Anna schreibt doch immer andere Sachen auf“, fragte ich sie unsicher und legte den Zucker in den Einkaufswagen. „Sicher, es steht auf der Liste...vielleicht...mit ein paar Veränderungen...“ Verwundet drehte ich mich in Pillicas Richtung, die mich breit angrinste. „Du meinst...“ Sie nickte. „Ganz genau, diese Liste habe ich noch rasch zusammengestellt, deswegen hat es auch etwas länger gedauert“ „Das wird Anna gar nicht gefallen“, murmelte ich leise und schon nur bei dem Gedanken, wie Anna ausflippen wird, lief mir ein Schauer über den Rücken. „Ach wir werden das schon überleben“ „Na du hast ja Nerven“, stöhnte ich und war natürlich gar nicht davon überzeugt. „Du solltest optimistischer denken“, meinte sie, mit vorwurfsvollem Unterton. „Hast ja Recht, es fällt mir aber schwer so zu denken, wenn es um Anna geht“, grummelte ich leise.

Pillica hatte die restlichen nötigen Sachen geholt und in den Einkaufswagen gelegt. „So ich denke, jetzt haben wir alles“ Ich schob den halbvollen Einkaufswagen zur Kasse, konnte mir aber nicht so ganz vorstellen, was Pillica mit diesen Sachen wollte. Wir hatten selten irgendwelche süssen Sachen zu Hause, meistens kauften wir das übliche, wie Fertigsushi oder andere Reisgerichte. Sorgfältig packte ich die gekauften Sachen in Tüten, während Pillica das Geld hervorkramte und der Verkäuferin in die Hand drückte. „Nun sag schon...was willst du damit machen?“ „Tamao, du bist ziemlich neugierig, lass dich doch einfach überraschen“ Sie zwinkerte mir zu. Ich rümpfte die Nase. „Ich bin doch nicht neugierig...naja...nimm mir...das jetzt nicht übel...aber sag mir eines“, verlegen tippte ich die Fingerspitzen aneinander, „...kann es vielleicht explodieren? Oder jemanden vergiften? Oder sonst irgendwas mit uns anstellen?“ „Das war aber nicht nur eine Frage“, antwortete sie und tippe mir an die Stirn. Ich errötete sofort, was Pillica natürlich zum Grinsen brachte. „Sieht süss aus, wenn du rot wirst“ „W-Was?“, stotterte ich und wurde noch röter. „Du hast schon richtig gehört“, kicherte Pillica und nahm mir die Tüten ab. „Oh...“, murmelte ich leise und konnte fühle, wie mein Herz laut pochte.

Die ganze Zeit über, fragte ich Pillica, was genau sie denn vorhat und immer bekam ich die gleiche Antwort: „Wirst du schon sehen, binde dir aber eine Schürze um, wenn wir in der Küche sind“ Diesen Hinweis befolgte ich auch, als wir zu Hause waren. Ich griff nach einer weissen Schürze und band meine kurzen Haare so gut es ging zusammen. Pillica bereitete in der Zeit die nötigen Sachen vor. Ich hatte irgendwie immer noch keinen Plan, was genau sie vorhatte, bloss eines war sicher: Es wird ein ziemlich süsses Gericht. Mit einem breiten Lächeln drehte sie sich zu mir um. „So, nun kann ich es dir ja sagen...wir backen eine Erdbeerquarktorte“, verkündigte sie mit vollem Stolz. Ich legte die Stirn in Falten. „Oh...“ „Oh?! Ist das alles? Das ist nicht eine normale Erdbeerquarktorte! Das ist Erdbeerquarktorte à la Pillica!“, knurrte sie beleidigt. Ich konnte mir das Lachen nicht verkneifen. „Schon nur das Wort, Erdbeerquarktorte ist ein halber Zungenbrecher, da kann das doch nichts gutes bedeuten“ „Warte es nur ab! Du wirst deine Worte bereuen!“, kam es drohend aus ihrer Richtung. „Na gut, sag mir was ich machen soll“, fragte ich, um sie nicht noch mehr zu verärgern und stellte mich zu ihr. „Pah, jetzt musst du mir nicht mehr helfen, ich mache das schon alleine“ „Bist du jetzt beleidigt?“ „Vielleicht...Aber warte trotzdem draussen, damit ich es geniessen kannst, wenn du jedes einzelne deiner Worte bereust“ Langsam drehte ich mich um und verliess schweigend die Küche. „Hoffentlich kriegt sie sich wieder ein und lässt die Küche stehen...“, dachte ich besorgt und setzte mich ins Wohnzimmer.
 

Bei jedem kleinsten Geräusch und bei jedem Schimpfwort, das sie zum Himmel stiess, drehte ich mich zur Küche, traute mich aber nicht, nachzusehen.

Nach einer Weile erschien Pillicas Kopf in der Tür. „Tamao-chan, ich bin fertig“, strahlte sie und war auch schon wieder verschwunden. Mühelos rappelte ich mich auf. Erschrocken blieb ich stehen, als ich auf dem Boden eine weisse Mehlspur entdeckte. „P-Pillica? Was hat das hier zu be-?“ Kaum hatte ich die Küche betreten, wünschte ich mir, ich hätte es nicht getan. Ich war mir nicht ganz sicher, ob das wirklich die Küche war. Überall lagen Töpfe, Schwingbesen, kaputte Eierschalen, Mehl, sowie Teller und andere Sachen, herum. „Ich glaube ich kann da noch eine Kante vom Tisch erkennen...Was zur Hölle hast du hier angerichtet?“ Vorsichtig tapste ich in die Küche, achtete aber darauf, nicht auf Eierschalen oder in eine Milchpfütze zu treten. Pillica hielt auf der einen Hand einen Teller und auf der anderen Hand eine kleine Schale. Ich wich einen Schritt zurück, als ich Pillica mustern konnte. Sie war über und über bekleckert, in ihren blauen Haaren war eine dicke Schicht Mehl, in ihrem Gesicht klebte Quark und von ihren Klamotten will ich gar nicht erst reden. „Äh...wie sieht es mit der Torte aus?“ Pillica runzelte die Stirn. „Torten sind von gestern...Pfannkuchen mit Zimtzucker sind angesagt!“ „War es...zu schwer für dich?“ „Nein, war es nicht...es war bloss ein...langweiliges Rezept...auch wenn ich die Pfannkuchenmischung nicht alleine gemacht habe...ich habe sie gewendet und darauf kommt es ab!“ Ich verkniff mir den Kommentar und nahm ihr die beiden Sachen ab. „Ich bringe es schon mal rüber ins andere Zimmer...du solltest dich erstmal waschen“ Pillica guckte an sich runter und nickte, um dann gleich in ihr Zimmer zu verschwinden. Im Nebenzimmer stellte ich die beiden Sachen auf den Tisch und setzte mich hin. Kaum eine Minute später kam jemand die Treppe heruntergepoltert. „Ich rieche essen!“ Ein hungrigaussehender Horo, gefolgt von einem genervten Ren, mit leuchtenden Augen stand in der Tür. Er liess keine Zeit verstreichen und setzte sich sofort an den Tisch um den Pfannkuchenturm zu beäugen. „Dämlicher Ainu...du hast doch gerade eben etwas gegessen...“, grummelte Ren der sich nun auch zu uns gesetzt hatte. „Pff...bei dem Sport, den ich fast täglich treibe habe ich schneller abgenommen als mir lieb ist“, erwiderte Horo und griff nach einem Pfannkuchen. „Du hattest es auch nötig...“ „Wie war das?“ „Du hast richtig gehört“ Etwas verdattert guckte ich den beiden beim Streiten zu. Auch wenn es bei ihnen an der Tagesordnung war, musste ich zugeben, dass ich es irgendwie witzig fand. Eine Weile sah ich den beiden beim Streiten zu, als mir eine Frage durch den Kopf schoss, deren Antwort mir vielleicht helfen konnte. „Ich...will euch ja nur ungern unterbrechen aber ich habe da eine Frage...“ Die beiden hörten auf aneinander zu zerren und richteten ihre Augen auf mich. „Wer von euch...hat eigentlich den ersten Schritt gemacht? Ich meine, dem anderen zu gestehen, dass man sich in ihn verliebt hat?“ Sie wechselten rasch einen Blick zwischen einander. „Naja“, begann Ren, „das war eigentlich eher ein...Ausrutscher...“ „Genau, Ren hat sich verraten“, grinste Horo, der sich über den Pfannkuchen hermachte. „Halt die Klappe“, zischte Ren gereizt. „Ein Ausrutscher?“ „Ja, ich hatte eigentlich nicht vor es ihm zu sagen...das war auf dem einen Fest, das Ende August war...wir haben uns mal wieder gestritten“ „Sehr heftig sogar“, fiel Horo ihm ins Wort und griff nach dem nächsten Pfannkuchen. „Sei still! Ich rede! Nunja...wir haben uns also gestritten und“ „Und ich habe ihn gefragt, warum er dann unbedingt mit mir hier sein wollte und dann hat er wütend gesagt: ,Weil ich dich liebe, du Baka!’ Sehr nett oder? Er hat mich Baka genannt, während er mir eine Liebeserklärung machte...tze...also was das Gestehen betrifft hat er so gar keine Ahnu-auaaa!“ Ren hatte Horos Wangen zwischen Daumen und Zeigefinger geklemmt und zog sie nach aussen. „Was habe ich eben gesagt? Ich rede! Und wenn ich rede, bist du gefälligst still“ „Isch ja fon gut“, nuschelte er beleidigt und mit vollem Mund. Ich seufzte leise. Es hat mir irgendwie doch nicht geholfen, das bei ihnen war also eher Zufall dass es sich so ergeben hat. „Aber...wieso fragst du eigentlich?“ Das Blut schoss in meine Wangen. „Ä-äh...also ich...nunja...n-nur so“ „Oho...die beiden Worte ‚nur so’! Dann ist garantiert etwas im Busch, habe ich nicht recht Renchen?“, lachte Horo. „Ersticke an deinem Pfannkuchen!“, zischte Ren, sah dann aber wieder zu mir. „Aber er hat recht“, fuhr er fort, „du hast dich doch sonst immer nur im Hintergrund gehalten und solche Fragen von dir sind auch neu“ Ich konnte die Blicke der beiden spüren, die mich neugierig anguckten. „Na gut...Es ist nicht so, dass ich gar nicht neugierig bin...aber...nunja ich glaube...dass ich mich verliebt habe“, gestand ich schliesslich kleinlaut. Die beiden sahen sich erneut an. „Ahja...Verstehe...und die Person weiss nichts davon, richtig?“, sagte Ren. Ich nickte. „Dann mach es doch so wie wir oder jedenfalls so ähnlich! Bald findet das Sommerfest statt, das wäre eine Möglichkeit der Person zu gestehen, dass du sie liebst“, schlug Horo vor und erntete total überraschte Blicke. „Was denn? Habe ich was Falsches gesagt?“, fragte er zögerlich. Ren schüttelte den Kopf. „Nein gar nicht, ich finde es nur erstaunlich dass so was von einem Baka wie dir kommt, ohne irgendeine dumme Bemerkung“ „Ahja...Aber es ist doch toll, zwischen Tintenfischbällchen und Reiskuchen jemandem seine Liebe zu gestehen“ „Ich nehme es zurück“, grummelt Ren und verdrehte die Augen. „Was soll das denn jetzt wieder heissen?!“, knurrte Horo den anderen an. „Ganz einfach! Du bist ein Baka! Und zwar ein riesiger Baka!“, keifte Ren wütend zurück Sofort fingen die beiden wieder an zu streiten und haben mich natürlich mal wieder total vergessen. Ich seufzte leise und nahm schliesslich die Pfannkuchen, den Zimtzucker, erhob mich und umging die beiden Jungs. Die beiden hörten sofort auf zu streiten, liessen aber die Wangen des anderen nicht los. „Ich sollte vielleicht mal Anna und Yoh fragen“, sagte ich zu ihnen um das Fragezeichen in ihren Gesichtern zu löschen. „Anna?! Yoh?! Als ob deren Beziehung besser ist als unsere!“, war das einzige, was ich noch verstanden konnte, dann nur noch lautes Gepolter und irgendwelche Fluchworte.
 

Nun sassen wir beide in Pillis Zimmer. Wir laberten ein wenig über dies und jenes und assen dabei unsere Pfannkuchen, von denen leider nur noch die Hälfte da war, dank Horo. Lachend stützte ich mich zurück auf meine Arme und beobachtete dabei, wie Pillica einen weiteren Pfannkuchen auf ihren Teller legte. „Weißt du, dass in wenigen Tagen das Sommerfest beginnt?“, fragte ich. Pillica biss gerade ein Stück von ihrem Pfannkuchen ab, ehe sie nickte. „Ja stimmt, das habe ich schon fast vergessen...“ „...Freust du dich darauf?“ „Aber sicher! Dieses Jahr gehen wir ja alle zusammen hin, ausserdem freue ich mich darauf, mal wieder einen Kimono zu tragen...Und wie steht es bei dir?“ „Naja...sicher! Weil es da eine...einmalige Chance gibt...und da muss ich zugreifen!“ Mit grossen Augen guckte Pillica mich an. „Du meinst damit die Liebesäpfel nicht?“, fragte sie, was aber eher wie eine Feststellung klang. „Äh...was?“, nuschelte ich überrumpelt von dieser Antwort. „Stimmt, da müssen wir unbedingt zugreifen“, grinste sie und ass weiter. „Oh aber...ich brauche noch einen neuen Yukata, der andere ist mir irgendwie zu... klein?“, fiel es mir aufeinmal ein. „Du kannst sonst einen von mir haben, die werden dir bestimmt gehen, wir haben ja etwa die gleiche Grösse...und wenn er dir gefällt, kannst du ihn sogar behalten“ „Soll ich nicht lieber einen kaufen gehen? Ich will dich doch wirklich nicht damit nerven“ „Tamao-chan! Wir sind Freundinnen! Sehr gute, das hast du doch sicher in den letzten Tagen auch bemerkt, wir verstehen uns besser als je zuvor! Ich finde das selbstverständlich, dass du dir Sachen von mir leihen kannst, ich weiss dass ich sie zurückbekomme und wenn ich dir mal was schenke, kannst du es ruhig annehmen...Ich mag dich“ Ich erwiderte ihr Lächeln. „Danke...“ „Kein Ding, Tamao“ Seit ich wusste, dass ich mich in sie verliebt hatte, und das ist schon ein Weilchen her, hatte ich keinen Plan, wieso ich mich ausgerechnet in sie verliebt hatte. Nun konnte ich diese Frage beantworten. Sie war eine gutmütige Person, sanft, witzig...man, oder in diesem Fall Frau, musste sie einfach lieb haben. Jetzt musste ich nur noch abwarten, bis der Tag des Festes gekommen war. An diesem Tag war die Entscheidung fällig, sagte ich entschlossen zu mir, griff nach einem Pfannkuchen und liess vorsichtig den Zimtzucker auf ihn rieseln.
 

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Liebesäpfel

Heute Abend war es endlich so weit. Das Sommerfest stand vor der Tür, auf das ich ungeduldig und sehnsüchtig gewartet habe. An diesem ganz besonderen Tag wollte ich es wagen, Pillica meine Zuneigung zu ihr zu gestehen.

Ich sass in meinem Zimmer auf dem Boden und überlegte mir, wie ich vorgehen sollte. Direkt kann ich es ihr nicht sagen, dafür bin ich einfach zu schüchtern. Es muss irgendwo etwas abseits vom Fest geschehen, sonst könnte alles schief gehen. Sie würde mich zum Beispiel nicht verstehen weil es zu laut sein wird, die ganzen Menschen würden nur ablenken und wir würden uns sicher aus den Augen verlieren, da es an Festen immer soviel zu sehen gab. Als ich dann endlich halbwegs wusste, wie ich es anstellen wollte, erhob ich mich und ging zu Pillicas Tür. Ich klopfte an, bekam aber erst keine Antwort und klopfte daraufhin nochmal lauter an die Tür, bis endlich ein ‚Herein’ ertönte. Ich öffnete die Tür und trat einen Schritt herein. „Hey Pillica, ich wollte fragen was denn nun wegen dem Yu-...“ Mitten im Satz brach ich ab und es dauerte auch nicht lange, bis ich noch röter als ein Hydrant war. Pillica stand nur noch in Unterwäsche vor mir, oder eher vor ihrem Kleiderschrank und durchsuchte die Yukatas. „Pillica! D-Du hättest....mir sagen sollen dass du...n-naja...“, stotterte ich mit zugekniffenen Augen, bekam den Satz aber nicht zu Ende, da meine Gedanken ihre Position geändert hatten und nun irgendwo herumschwirrten, genauso wie die passenden Worte, nach denen ich hektisch suchte. Das leise Lachen von Pillica zwang mich dazu, die Augen einen kleinen Spalt zu öffnen. „Ach was ist denn so schlimm daran? Wenn du einer von den Jungs wärst, wäre das schlimmer, aber ich wusste dass du es warst“ Ich hatte meine Augen wieder ganz geöffnet und guckte sie daraufhin fragend an. „Naja...wenn es mein Bruder wäre, hätte der gar nicht geklopft. Ausserdem hätte er sicher Ren im Schlepptau, der würde ja sowieso nicht in mein Zimmer kommen. Anna kommandiert lieber Yoh herum, anstatt extra zu mir hochzukommen, mit Yoh habe ich ja sowieso nichts zu tun, aber er würde sicher warten, da er es respektiert, wenn man die Türe geschlossen hat, dass keiner rein soll...nunja und bei den anderen könnte ich auch noch so einiges aufzählen“ Pillica nahm lächelnd einen dunkelblauen Yukata den weissen Blumen zierten und wunderschön mit dem Blau ihrer Haare und ihren Augen harmonierte. „Hm...Ich weiss nicht so recht welchen ich nehmen soll...“, murmelte sie vor sich hin und ging in die Hocke um sich ein paar Holzschuhe herauszuholen. „Nimm den!“, kam es wie aus der Pistole geschossen. Sie drehte den Kopf in meine Richtung und sah mich verwirrt aber erstaunt an. „Ich...ehm...der steht dir eben...sehr gut, finde ich...“, redete ich mich da raus. Pillica grinste mich an. „Wenn du das sagst, kann es ja nur stimmen.“ Während Pillica in den Yukata schlüpfte, versuchte ich, die raschen Blicke, die ich ihr ständig zuwarf, zu unterlassen. Doch das klappte nur sehr schwer um nicht gleich zu sagen: gar nicht. Ich fand es einfach zu verlockend, musste ich zugeben.
 

Irgendwie habe ich das ganze Szenario überstanden, ohne dass Pillica meine Blicke bemerkt hatte, denn das wäre peinlich zu erklären gewesen. Ich konnte ihr nicht einfach aus dem nichts sagen, wie sehr sie mir gefällt, ich würde stottern und irgendwelchen Mist über mich und die Welt reden und dann würde mich Pillica als verrückt abstempeln und ich konnte das ganze abblasen. Nur gut dass es nicht dazu kam. Seit einiger Zeit hatte Pillica in ihrem Zimmer einen ziemlich grossen Spiegel. Ich wusste eigentlich nicht so recht, wozu sie diesen brauchte, Pillica war doch keine dieser Modepuppen, die sich ständig im Spiegel anschauten und wenn sie am Morgen ihre verwuschelten Haare in Ordnung bringen wollte, strich sie ein paar Mal mit der Bürste durch ihr Haar und schon war es wieder wunderschön glatt. Manchmal frage ich mich, ob sie irgendeinen Zauber ausgesprochen hatte, dass ihre Haare immer so schön glatt wurden, egal ob es nun windig, regnerisch oder sonnig war. Nunja, jetzt wusste ich aber, wozu sie sich diesen angeschafft hatte. Es war wirklich praktisch, wenn man sich in dem Yukata von oben bis unten mustern konnte. Ausserdem konnte man zusehen, wie eine aufwendige, aber süsse Frisur entstehen konnte, mit vielen Haarspangen, Haargummis und anderen Haarschmuck. Woher ich das wusste? Naja ich sah nun meinem Spiegelbild entgegen und konnte Pillica beim frisieren meiner Haare beobachten. Sie machte das wirklich sehr geschickt, dennoch vorsichtig aber wunderschön und ziemlich süss, passend zu meinem Charakter, wie sie gesagt hatte. Ich selber wusste nicht mal, dass man so was mit meinen Haaren anstellte, sie waren ja nicht gerade sehr lang, sondern eher kurz und ich war nicht gerade der Typ, der sich so sehr für die neuste Mode interessiert, dass er extra in ein anderes Land flog, um sich genau das Stück zu kaufen. Hauptsache, die Klamotten waren bequem, fertig Schluss.

„Und? Wie findest du sie?“ Ich wurde sofort aus meinen Gedanken gerissen, als Pillica mir auf die Schulter tippte und auf den Spiegel deutete. Erschrocken weiteten sich meine Augen, als ich mein Spiegelbild musterte. Es war erstaunlich, wie sehr man Leute schon nur mit einer anderen Frisur ändern konnte. „Bin...das wirklich ich? Also, ich träume doch nicht oder? Das sind...meine Haare...“, brachte ich nuschelnd hervor. Pillis Spiegelbild grinste mich stolz an. „Zufrieden?“ Ich nickte vorsichtig. Pillica hatte meine Haare hochgesteckt, die von Kirschblütenklammern zusammengehalten wurden, an denen goldene Bänder lockenartig herunterhingen. Die Haare auf den Seiten hatte sie zu kleinen Pferdeschwänzen zusammengebunden, deren Haarbänder hinter zwei mittelgrossen, goldenen Glöckchen versteckt waren. Einige meiner Stirnfransen wurden mit goldenen Spangen zurückgehalten, während die längeren Fransen knapp neben meinen Augen gerade herunterhingen. „Sieht richtig süss aus. Das habe ich doch recht gut hingekriegt.“ „Und was machst du mit deinen Haaren? Die lässt du wohl kaum so wie sie jetzt sind oder?“ Pillica zwinkerte mir rasch zu. „Natürlich nicht, Tamao. Wir werden im Partnerlook gehen, was jedenfalls die Haare betrifft, nur nehme ich statt Gold, Silber. Passt besser zu meinen blauen Haaren.“ „Soll ich nun draussen warten?“ „Kannst du entscheiden, ich glaube es wird nichts Grossartiges mehr passieren...du kannst ja unten bei meinem Bruder warten, der sollte draussen stehen, es ist nämlich sehr ruhig um nicht zu sagen ZU ruhig.“ Ich zog die Augenbrauen rasch hoch, nickte dann aber und verliess schweigend das Zimmer. Leise schloss ich die Tür hinter mir, ehe ich laut seufzte. Der Abend fing doch schon mal sehr gut an, fand ich.
 

Solange Pillica sich noch fertig machte, konnte ich noch mal meine Schritte durchgehen, die ich sorgfältig durchdacht habe. Wir mussten uns unbedingt von der Gruppe entfernen, soviel war schon mal sicher, ich kann mich nicht sehr gut äussern, wenn mir noch andere Leute dabei zuhören, abgesehen von der Person, an die es gerichtet ist natürlich und bei Annas Anwesenheit bekomme ich sowieso fast nichts mehr heraus, wenn ich ihren bohrenden Blick spüren kann. Ich musste mich rasch schütteln, um den Gedanken an Annas Mörderblick zu verwerfen. Es gab jetzt wichtigeres, um das ich mich kümmern musste. Erschrocken zuckte ich zusammen, als die Tür schwungvoll geöffnet wurde. Pillica grinste mich von ihrem Zimmer aus an, verkleinerte den Abstand zwischen uns aber gehörig, als sie mit grossen Schritten auf mich zukam. „Na?“, fragte sie, als sie wenige Zentimeter vor mir stehen blieb. „Wie findest du es?“ „Dreh dich mal rasch“ Pilli trat sogleich wieder einen grossen Schritt zurück und drehte sich einmal um sich selbst. Ich betrachtete sie prüfend von oben bis unten. „Also ich habe nichts zu meckern. Es sieht wunderschön aus“, verkündete ich mein Urteil. Ich vernahm ein Seufzen, das ziemlich erleichtert klang. „Hast du gedacht, dass du dich vertan hast, was den Yukata und die Frisur betrifft?“, hackte ich grinsend nach. Pillica verzog eine Miene. Anscheinend hatte ich einen wunden Punkt getroffen, weswegen ich amüsiert grinsen musste. „Nunja...ich habe mich mal grässlich vertan, was das alles betrifft. Ich habe damals eine wichtige Sache gelernt: Vertraue niemals dem Mode- und Geschmacksinn meines Bruders, vor allem dann nicht, wenn man sich mit ihm um was zu Essen gestritten hat! Ich habe ihm das bis heute nicht verziehen. Für einen kurzen Augenblick war Pillica wohl in ihrer Vergangenheit, sie rümpfte die Nase und verengte kurz die Augen. „Nun denn“, begann sie, als sie sich wieder fing, „lass uns mal nach unten gehen, vielleicht sind die anderen ja auch schon fertig und-“ Mit einem lauten Krachen wurde die Tür aufgetreten und, wie konnte es anders sein, Anna stand in der Tür, die Hände in die Hüfte gestemmt und bewaffnet mit dem Anna-Blick, der bei so gut wie jedem eine Gänsehaut verursachte. „Seid ihr nun endlich fertig?! Ihr wisst ja gar nicht, wie lange wir schon warten!“, keifte sie genervt. Sofort stand ich bolzengerade neben Pillica, die aber keine Miene verzog. Sie lächelte die wütende Anna bloss an. „Wir kommen ja schon, wir hatten noch ein kleines Problem“, antwortete sie ruhig. „Aber Anna! Wir warten nicht einmal fünf Minuten, was soll denn diese ganze Aufregung?“ Yoh war uns zur Hilfe gekommen und versuchte, Anna zur Ruhe zu bringen. „Pff...ob fünf Minuten oder nicht. Ich habe doch nicht ewig Zeit“ Sie warf uns noch mal einen ihrer ‚Anna-Blicke’ zu, ehe sie mit Yoh, der sich mehr oder weniger freiwillig, mitschleppen liess. „Die beiden sind wirklich wie füreinander geschaffen...“, murmelte Pillica. „Und Anna hat in dieser Beziehung die Hosen an“, stimmte ich zu. „Ja...obwohl ich sie noch nie ins Hosen gesehen...ist das nicht seltsam?“ Ich guckte Pillica stirnrunzelnd an, überlegte kurz und begann zu lachen. Pillica lachte ebenfalls, schob mich aber gleichzeitig zur Tür, um Anna nicht noch mehr zu verärgern.
 

Eines habe ich in den letzten paar Sekunden gelernt: Ich sollte nie mehr mit einem Affenzahn die Treppe runter rennen. Die ersten paar Stufen hüpfte ich noch elegant runter, doch je näher ich dem Treppenende kam, desto tollpatschiger und ungeschickter sah ich mit meinen Verrenkungen aus, mit meinen verzweifelten Versuchen, mich am Treppengeländer festzuhalten und bei den letzten paar Stufen war es schliesslich so weit. Ein sauberer Flug, direkt auf die Nase, mit einem Geschrei, das die Wände wackeln liess. Logischerweise folgten alle Mitbewohner dem Krach, den ich veranstaltete, bei dem Versuch, eine stinknormale Treppe runterzugehen und ich habe auch sogleich festgestellt, dass mir nicht mal so was Einfaches lag. Ich presste das Gesicht gegen den Boden und schlug mit der Faust kurz auf den Boden. //Verdammt, Verdammt, Verdammt!!!//, dachte ich und konnte auf einmal die Blicke der Anderen spüren, was mir das Blut sofort in den Kopf schiessen liess. „Ehm...ist alles o--“ Wie aus dem nichts rappelte ich sofort auf. „Es ist alles oka...auu!“ Anscheinend hatte sich jemand über mich gebeugt, da ich einen stechenden Schmerz in meinem Hinterkopf spüren konnte. „Verdammt! Könntest du mich das nächste Mal vorwarnen?!“ Ich rieb mir die schmerzende Stelle. „Tut mir Leid, Horo...“ „Kann passieren...“, seufzte der Ainu, auf dessen Stirn in der nächsten Zeit wohl eine kleine Beule wachsen wird. „Ach, so ein wenig Schmerz schadet ihm doch nicht ausserdem, was ihn nicht umbringt härtet ihn nur ab und das hat er bitter nötig! Und vielleicht lernt er nun endlich, dass man sich nicht über Leute beugt, solange man nicht weiss, ob sie wirklich ohnmächtig sind“, meinte Ren, der gelassen im Türrahmen stand. Man konnte ihm aber ansehen, wie sehr er sich über diesen Zwischenfall des Blauhaarigens amüsierte. „Ach sei doch still..“, grummelte Horo beleidigt, erhob sich wieder und stellte sich zu den Anderen, jedoch mit Absicht so weit weg wie möglich von Ren, dem das irgendwie gar nicht passte, versuchte aber, sich nichts anmerken zu lassen. „Ohje, dich kann man auch wirklich nie aus den Augen lassen, was Tamao?“ Pillica ging in die Hocke und grinste mich breit an und in ihren Augen war ein Hauch von Schadenfreude zu erkennen. „Hilf mir lieber hoch...“, grummelte ich leise und hielt ihr meine Hand unter die Nase. Pilli erhob sich, griff dabei nach meiner Hand und zog mich gleich mit auf die Beine. Rasch klopfte ich den Staub aus meinem geschenkten Yukata. „Können wir dann mal los? Oder muss noch jemand von euch ein misslungenes Kunststück vorführen? Oder aufs Klo? Ich warne euch, wir machen keine Pause“, fragte Anna schroff und blickte in die Runde. Ich schüttelte den Kopf, ebenso wie die Anderen. Ausser Horo, der ziemlich nachdenklich aussah. Anna seufzte. „Das ist ja abartig von dir! Musst du wirklich noch überlegen, ob du noch was zu erledigen hast?!“, zischte sie ihn an. „Das kann doch jedem passieren, aber wenn du es willst kann ich ja noch mal gehen“, schnauzte er zurück und stampfte davon. „Oh nein! Ich habe jetzt lange genug gewartet und ich will nun endlich an dieses Sommerfest im Tempel!“ Mit raschen Schritten folgte sie ihm, es war kurz ein lauter Krach zu hören, Schimpfworte fielen und ein richtiges Geschrei entstand. Genauso wie ein Katzenkampf! Bloss...dass Horo ein Junge ist und nicht ein Mädchen. Doch auch diesen Kampf hatte die Furie Anna gewonnen. Sie schleppte den armen Horo gewaltsam zurück zu uns, wo alle in ihre Richtung guckten, was wohl auch ziemlich dämlich aussah. „Guckt nicht so blöd! Na los beeilt euch, raus aus dem Haus bevor ich euch beisse“, knurrte die Gewinnerin des Katzenkampfs und ging auf Ren zu. „Hier, pass besser auf deinen Freund auf, in Sachen Erziehung hat er ja noch so gar keine Punkte! Da müsst ihr noch mal dahinter!“ Sie liess Horo los, ehe sie uns anderen aus dem Haus folgte. „Von wegen Erziehung! Du bist einfach zu streng und ungeduldig...oh und ausserdem zu dominant!“, warf Pillica’s Bruder ihr nach und bekam glatt ein Paar Hausschuhe ins Gesicht. Ren ging wortlos an Horo vorbei, ebenfalls aus der Tür. „Hey! Verteidigst du mich nicht?!“ Der lilahaarige Chinese drehte sich in seine Richtung, zog kurz eine Augenbraue hoch und zuckte mit den Schultern. „Wieso denn? Sie hat doch recht“ Perplex starrte Horo seinem Freund nach, der uns anderen die Strasse entlang folgte. „Wie war das?!“, schrie er ihm hinterher und beendete alles mit dem zuknallen der Tür.
 

Am Tor hing ein grosses Schild, das hinwies, dass hier das alljährige Sommerfest stattfand. Die ganzen Stände und Bäume waren mit Lichterketten dekoriert. Überall wurden Fruchtsäfte, verschiedene Gerichte, süsse Gebäcke, Zuckerwatte und weitere Süssigkeiten angeboten. Es war eine richtige Augenweide und weiter hinten wurden einige Spiele vorgestellt, die uns aber nur allzu bekannt waren. „Wollen wir uns aufteilen? Ich denke mal, jeder von uns würde gerne was anderes machen, da ist es doch praktisch, wenn man zu zweit ist, dann hat man mehr Zeit, was meint ihr? Es würde sogar aufgehen“, schlug Yoh vor. Sofort wurde ich hellhörig und sah die anderen an. Ja! Es würde aufgehen! Anna und Yoh, Horo und Ren, Pillica...und ich. Schon nur bei dem Gedanke begann mein Herz wie wild zu pochen und meine Wangen färbten sich rot. „Geht in Ordnung“, stimmten wir zu und schon verschleppte Anna ihren Yoh und auch Horo und Ren machten sich auf den Weg. „oh, Ren-chan“, hörte ich Horo noch säuseln, „ich habe meine Brieftasche zu Hause vergessen und das heisst, dass du alles für mich bezahlen musst“ „Bitte?! Niemals werde ich das machen! Du bist so verfressen, das reicht doch niemals“, knurrte Ren und wollte ihm schon eine verpassen. „Nicht doch Ren-chan, du darfst mich nicht hauen“, schniefte Horo in einem herzzerreissenden Ton, sodass all die Leute um sie herum sich in ihre Richtung drehten und den achso bösen Ren anstarrten. Ich guckte den beiden nach und erinnerte mich dann an ihre Worte. Meine Augen wanderten rüber zu Pillica, die verwundert ihrem Bruder nachsah, blickte dann aber zu mir, als sie meinen Blick spürte. „Und wo wollen wir zuerst hingehen?“, fragte sie mit einem bezaubernden Lächeln. Je genauer ich mir ihre Lippen ansah, desto grösser wurde der Drang sie zu berühren, sie auf meinen eigenen zu spüren und sie einfach nur mir gehörten. „Tamao?“ Ich blinzelte verwirrt. „Wie?“ „Hast du mir denn überhaupt zugehört?“ Pillica runzelte die Stirn uns musterte mich. „Du bist in letzter Zeit oft am träumen, bedrückt dich irgendwas?“ Sofort winkte ich hektisch ab. „Ach was! Mich bedrückt doch nichts, siehst du? Ich lächle und ich will jetzt unbedingt Goldfische fangen!“, antwortet ich laut und munter, lachte sogar, wenn es auch so richtig künstlich klang, was Pillica wohl auch auffiel. „Na gut...Aber wenn du irgendein Problem hast, kannst du dich ruhig an mich wenden! Schliesslich sind wir in der letzten paar Tagen wirklich gute Freunde geworden. Ausserdem kannst du mir wirklich vertrauen, meine Lippen werden versiegelt sein“ Sie griff nach meiner Hand uns sah mir in die Augen, um mir zu bestätigen, wie ernst sie es meinte. Ich nickte langsam. „Natürlich weiss ich, dass ich dir vertrauen kann...“ „Na dann ist ja alles...gut. Dann auf zu den Goldfischen!“, jubelte die Blauhaarige und zog mich ohne wenn und aber in Richtung der Fische. Ich liess mich einfach mitziehen, wandte den Blick aber nicht von ihr ab und wie man sich sicher vorstellen kann, lagen da Steinchen, ein paar Äste, oder kleine Kinder rum, wenn auch die Kinder mehr oder weniger knieten oder standen.

Ich habe wirklich kein Problem. Ich habe nur eine Aufgabe. Ich muss Pillica’s Herz erobern und sagen, was ich für sie empfinden.
 

„Wieso will der Fisch nicht stillhalten“, fluchte Pillica leise. Trotzdem konnte ich jedes ihrer Worte hören und musste mir das Grinsen verkneifen. „Tamao du bist ja wirklich klasse!“ Ich guckte rasch zu ihr rüber, nachdem ich einen weiteren Goldfisch aus dem Becken fischte. „Achwas...na gut vielleicht habe ich ein Händen für dieses Spiel, aber das war es auch schon“ Ich konnte spüren, dass Pillica mich aufmerksam beobachtete und ich konzentrierte mich deswegen auch ganz genau. Sachte suchte ich mit dem Netz nach einem Fisch und versuchte dann, das ausgewählte Tier zu fangen. Stolz hob ich den Fisch aus dem Wasser und logischerweise hielt mein Erfolg nie lange, wenn ich es jemandem zeigen wollte und deswegen hatte der Goldfisch entschieden, meinen Fängen zu entwischen und mir dabei mein kleines Fangnetz zerstörte. „Eww...das war ja klar...“, seufzte ich niedergeschlagen. „Ach! Du hast doch vier Goldfische! Das ist doch was! Ich habe...keinen einzigen“ „Du kannst ruhig einen von mit haben“ „Ach, lass uns doch später darüber reden“ Ich nickte nur und wir verabschiedeten uns von den beiden Veranstalterinnen. Die ganze Zeit über starrte ich meine Goldfische an, um nicht Pillica ansehen zu müssen, weil ich dann immer ziemlich dumm aussehe, wenn mein Kinnladen ein Stück runterklappt, ein Hauch von Röte auf meinen Wangen liegt und sie ansehe, als hätte ich es dringend...naja, das muss ich jetzt wohl nicht aussprechen. Deswegen gucke ich mir lieber die Fische an. //Klar! Ihr seid alle auch glücklich und habt jemanden! Goldfische haben auch ein leichtes Leben! Ihr seid doch echt blöd! Wenn ihr meine Probleme hättet! Naja...aber irgendwie habe ich Durst...und Hunger auf...// „Tamao? Alles in Ordnung? Du siehst aus, als hättest du Streit mit deinen Goldfischen, so wie du sie schon die ganze Zeit anstarrst.“ „Liebesäpfel!“, kam es von mir wie aus der Pistole geschossen. „Wie?“, antwortete Pillica verwirrt, da ich auf eine Frage antwortete, die sie gar nicht gestellt hatte, sondern nur meinen Gedanken beendete. „I-Ich...also ich habe Lust auf...Liebesäpfel“, erklärte ich rasch mit hochrotem Kopf, griff nach ihrer hand und eilte mit ihr zu einem der Stände, wo sich die Süssigkeiten befanden. Ich bestellte der noch etwas verdutzten Pillica ebenfalls einen Liebesapfel, den ich ihr sogleich in die Hand drückte, nachdem ich sie bezahlt hatte. „Ich...ehm danke?“ „Kein Problem!“, nuschelte ich und wir setzten uns wieder in Bewegung. „Sag mal, macht es dir was aus, wenn wir etwas aus der Menschenmenge gehen? Es ist nun voller geworden und man muss sich fast durch die ganzen Leute quetschen...“, sagte Pillica und knabberte an ihrem Liebesapfel. Ich hob sofort den Kopf und sah sie mit grossen Augen an. Habe ich das richtig gehört? „Nein! Absolut kein Problem! Ich bin ganz deiner Meinung! Zu viele Menschen! Eindeutig!“ Ich unterstrich die Sätze mit einem heftigen Kopfschüttelt, was dann aber als Nicken endete. Pilli erwiderte mit einem Lächeln, was mich ebenfalls zum Lächeln brachte.
 

Wir schlenderten ein Weilchen gemütlich weiter, bis wir in die Nähe des Tempels kamen, wo sich ein kleiner Wald befand. Nervös knabberte ich an meinem Liebesapfel, der zur Hälfte schon weg war, ohne dass ich es bemerkt hatte. Die Musik wurde etwas leiser, nur noch einige Lichterketten beleuchteten den Weg bis zum Tempel. „Beim Tempel hat es einige Bänke, da könnten wir uns ja hinsetzen, sonst können wir da ja nichts grossartig machen“ „Gerne doch...“ Es dauerte auch nicht mehr lange, bis wir beim Tempel ankamen und mein Herz machte auch nicht mehr lange mit. So extrem nervös, dass mein Herz drohte rauszuspringen, war ich lange nicht mehr. Ich wollte ihr jetzt unbedingt sagen, wie ich mich fühlte, wenn ich in ihrer Nähe war. Das musste ich nun endlich loswerden, ich hielt es nicht mehr länger aus. Mir war nun richtig schlecht, liess mir aber nichts anmerken und setzte mich mit Pillica auf eine der Bänke. Ich betrachtete meinen halbaufgegessenen Apfel. Irgendwie hatte ich auch das Gefühl, dass mir etwas fehlt und ich wusste irgendwie auch, was es war. Leise seufzte ich auf. //Jetzt oder nie! Mach es! Ihr seid fast alleine, aber die anderen werden uns schon nicht hören// Ich schluckte noch mal und holte dann tief Luft. „Du, Pillica...ich muss dir was sagen...“, begann ich und konnte den Satz noch knapp beenden, ehe meine Stimme versagte. „Hm? Was denn?“ Sie drehte den Kopf in meine Richtung und sah mich lächelnd an. „A-Also weißt du...das ist so eine Sache...“ Ich holte erneut Luft und drehte meinen Kopf in ihre Richtung. „Nur raus damit, Tamao“ „Tja...wenn es so einfach wäre...also...ich...“ Ich brach mitten im Satz ab. Mein Herz schlug wie wild, meine Gedanken durcheinander und meine Stimme versagte ständig. „Hab Mut!“ Ich legte die Goldfische etwas zur Seite, umklammerte aber den Holzstiel auf dem der Apfel war, noch mehr. „Pillica...Ich....Ich....Ich liebe..di...-“
 

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Näheres zum Kapitel in der Beschreibung

Vanillekekse

Es regnete. Schon seit Tagen verschlossen die Wolken den Himmel. Ständig prasselten die kalten Regentropfen auf den Boden. Die Temperaturen sanken in den letzten Wochen ziemlich rasch. Dabei war der Sommer doch erst seit zwei Wochen vorbei. Nun hatten wir schon fast wieder Ende September. Ich sass in meinem Zimmer, in eine Decke gekuschelt, vor dem Fenster und beobachtete die Regentropfen, wie sie wild im Wind herum tanzten, ehe sie auf den Boden fielen. In meinem Zimmer war es nun wirklich nicht gerade sehr warm, deswegen erklären sich diese ganzen Kerzen, die fast überall herumstanden, von selbst. Leise seufzte ich. Trotz den Kerzen, die eigentlich recht gut Wärme spendeten, fror ich und ich fühlte mich schlapp. Alles ging den Bach runter, jedenfalls für mich. Ich konnte es ja nicht mal schaffen, das zu erreichen, was ich wollte.
 

„Ich...Ich...Ich liebe di...“, stotterte ich weiter. „Ja?“ Ich konnte hören, wie neugierig Pillica nun war. „Ich liebe...diese Melonenbrötchen!“ Stille. „Melonenbrötchen?“, wiederholte Pillica, um sicher zu gehen, dass sie es richtig verstanden hatte. Heftiges Nicken von meiner Seite. „Ohja! Die sind doch total lecker! Ich glaube hier gibt es einen Stand, an dem ich welche gesehen habe!“ Ich kicherte künstlich und lächelte breit. Doch innerlich wollte ich schreien, weglaufen und einfach weinen! Ich hatte so eine Wut auf mich. „Ich...also...irgendwie bist du ja schon seltsam. Hier ist es doch so schön ruhig und irgendwie auch romantisch oder? Naja und dann redest du vom Essen...“ „T-Tut mir...ja Leid aber wenn man hungrig ist, sollte man wirklich was essen, das ist gar nicht gut für den Kreislauf, wenn man hungert!“ Ich begann wie aus heiterem Himmel zu erzählen, was alles passieren kann, wenn man nicht richtig isst. Es war mir ziemlich unangenehm, doch schweigen konnte ich auch nicht und ich schaffte es nicht mehr, Pillica anzusehen und während ich weiterredete, füllten sich meine Augen mit Tränen, aus Wut und aus Trauer. Das rasche Wegwischen mit der Hand, brachte nichts, sie kamen immer wieder. „Okay, Stopp! Ich glaube, das reicht, für heute Abend habe ich genug gelernt!“ Pillica lachte kurz und stand auf. „Na komm, holen wir noch ein paar Melonenbrötchen. Danach können wir ja nach Hause gehen“ Schweigend erhob ich mich, griff nach meiner Tüte mit den Goldfischen und trottete Pillica hinterher, die schon vorausgelaufen war. Ich fühlte mich mies und ich wollte am liebsten verschwinden.

Als wir zu Hause ankamen, wollte ich nur noch in mein Zimmer, was ich dann auch irgendwie schaffte. Diese Melonenbrötchen haben wir natürlich gekauft, doch statt sie zu essen, hab ich sie einfach in den Müll geworfen, ich wollte sie nicht mehr sehen.
 

Ich stöhnte leise und vergrub meinen Kopf in den Armen. Wieso hatte ich mir eine Chance entgehen lassen? Alles wäre doch so perfekt gewesen. Mit einem lauten RUMMS knallte meine Zimmertür auf und Anna trat herein. Ich hob meinen Kopf und warf ihr einen fragenden Blick zu. „Heute bist du dran, in der Küche zu stehen und unser Mittagsessen vorzubereiten. Also los!“, murrte Anna mit einem warnenden Blick, was soviel bedeutet wie: ‚Wenn du in fünf Sekunden nicht auf der Matte stehst, dann beiss ich dir ein Ohr ab!’ Da ich keine Lust hatte, nur noch auf einer Seite etwas zu hören, rappelte ich mich rasch auf und stolperte etwas unbeholfen auf sie zu. Ein prüfender Blick von ihrer Seite, trieb mich noch mehr voran und ich beschleunigte mein Tempo, damit ich so rasch es geht in der Küche stand. „Hey! Warte mal!“ Ruckartig blieb ich stehen und drehte mich zurück in Annas Richtung. „Ja? Was denn noch?“ Anna musterte mich etwas genauer, ehe sie auf mich zukam. „Ich werde dir helfen. Ausserdem siehst du nicht besonders gut aus...Anscheinend wirst du krank“, meinte Anna und zog mich die Treppe runter, direkt in die Küche. „Was? Ach, ich werde schon nicht krank!“, erwiderte ich leise. Aber ich fühlt mich wirklich nicht sehr gut und ich war müde. Ausserdem war ich immer noch deprimiert wegen dem Vorfall von ein paar Tagen. „Sei still und hol den Reis! Ich werde dir jetzt helfen“, zischte sie und deutete auf einen Schrank. „Ja Anna!“ Sofort holte ich die gewünschten Sachen, während Anna aufzählte, was wir alles noch brauchten. Ich seufzte innerlich. Anna ist nämlich eine lausige Köchin, aber das zu sagen wäre mein Tod. Aber ich war irgendwie auch froh über ihre Hilfe, obwohl ich es seltsam fand, da sie viel lieber die anderen herumkommandierte. Langsam begann ich, den Reis vorzubereiten und schmiss ihn dann in den Topf. „Wir brauchen noch Fisch und Sossen“, murmelte ich zu mir selber. Ich liess den Reis aufkochen, während Anna das Gemüse für die Suppe kleinschnitt. „Und? Hast du es ihr gesagt?“ Sofort hob ich meinen Kopf. „Wie? Wem soll ich denn etwas gesagt haben?“ „Ob du Pillica gesagt hast, dass du sie liebst!“, murrte Anna leicht gereizt. Ich wurde mal wieder rot. „W-Woher...weisst du...?“ „Der Wind war es“ Ich sah sie fragend und verwirrt an, war aber auch neugierig. Anna bemerkte, dass ich nicht ganz kapierte, was sie meinte. Sie seufzte. „Der BLAUE Wind! Aus dem Norden“ „Oh...er hat es dir also erzählt...“ „Oh bitte! Es konnte doch ein Blinder sehen, dass du mehr von Pillica willst, so wie du immer an ihr hängst und sie anhimmelst!“ „D-Das mache ich überhaupt nicht!“ „Hast du dich schon mal gesehen?!“ Ich schwieg. „Na also...und ich wette, du hast es nicht geschafft, es ihr zu sagen.“ Ich liess den Kopf hängen und verneinte. „War ja klar...“ Da hatte sie auch irgendwie recht. Irgendwie brachte ich nichts auf die Reihe. Doch bevor ich weiter auf mir rumhacken konnte, griff Anna nach meiner Hand und sah mich an. „Verdammt noch mal! Warum ist dir das bisher noch nie aufgefallen?! Ich liebe dich!“, sagte Anna oder besser gesagt, sie schrie fast. Verdutzt und mit riesigen Augen starrte ich sie an. „Ja...aber Anna! Du und Yoh...ich meine...i-ich...ich weiss nicht was ich sagen soll“, stotterte ich leise. „Oh mein Gott! Ich meinte das doch nicht so! Du musst zu Pillica gehen und es richtig rausschreien! Sonst geht doch gar nichts!“ Sie liess meine Hand wieder los und machte sich wieder ans Gemüse. Immer noch völlig überrumpelt von der ganzen Aktion, starrte ich Anna an. „Du solltest besser zum Reis schauen und nicht mich anstarren. Danach gehst du ins Bett, die Suppe kann ich ja machen“ Ich nickte etwas. Irgendwie war Anna doch nicht so ein Drache, sie kann auch ganz nett sein, also auf ihre Art und Weise. Ausserdem...ich muss die Suppe von Anna zum Glück nicht essen!
 

Anscheinend hatte Anna es vorausgesehen. Ich war nämlich seit drei Tagen krank, hohes Fieber und eine hässliche Erkältung habe ich mir zugezogen. Es war langweilig, die ganze Zeit im Bett zu liegen und irgendwelche Medikamente zu schlucken. Ab und zu kam jemand rein, um nach mir zu sehen, doch irgendwie hatte keiner richtig Zeit, sich zu mir zu setzen und mit mir zu reden. Dabei hatte ich einen ungeheuren Drang dazu. Ich sass also, krank, gelangweilt und genervt in meinem Bett. Also versuchte ich, wieder ein wenig zu schlafen, was irgendwie nicht so leicht war, obwohl ich total schlapp fühlte und alles in mir nach Schlaf rief. Wieder einmal flog die Tür auf und Anna stand in der Tür. „Hey. Tamao. Yoh, Spitzkopf und Trottelmiene gehen heute Abend weg und wir bleiben übers Wochenende im Spa, das habe ich mir verdient. Eigentlich wollten wir ja alle gehen. Aber da du krank bist, bleibt jemand hier.“ Anna warf mir einen seltsamen Blick zu, ehe sie die Tür schloss. Eine Weile lang starrte ich auf die Tür und grübelte über diesen Blick nach. „Ueeeeee?! Pillica ist die Person, die hier bleibt?! Ich mir ihr alleine?! Den ganzen Abend!?“, kreischte ich, als es mir dämmerte, wer diese Person war und was dieser Blick zu bedeuten hatte. Schon nur bei dem Gedanke, dass wir das Haus für uns alleine hatten, liess mich erröten. Ich biss mir auf die Unterlippe. Ob ich es heute schaffte, es Pillica zu sagen? Irgendwie zweifelte ich an mir. Ich glaubte nicht mehr so recht daran, dass ich es überhaupt einmal schaffen werde. Seufzend drehte ich mich auf die Seite und starrte die Wand an. Wieso fiel mir das bloss so schwer? Vielleicht, weil ich Angst hatte, dass Pillica nicht die gleichen Gefühle hatte? Weil ich Angst hatte, dass sie mich meiden würde? Ich kniff die Augen fest zusammen. Mir war schlecht und ich wollte jetzt bloss noch schlafen, Aber das wollte mir nicht so recht gelingen. Noch einige Male wälzte ich mich hin und her. Das Fieber stieg, was mir so gar nicht passte. Doch nach einer ganzen Weile siegte die Müdigkeit und ich fiel in einen langen, wenn auch leichten, Schlaf.

Ich wachte erst wieder auf, als es draussen anfing, dunkel zu werden. Langsam rappelte ich mich auf. Träge stieg ich aus dem Bett und torkelte zum Fenster, da ich Stimmen hörte (mein Fenster war offen. Irgendwer musste es wohl geöffnet haben). Draussen standen Anna, Yoh, Horo und Ren. Sie wollten anscheinend gleich los, aber so wie ich ihre Gesichtsausdrücke deuten konnte, gab es einige Komplikationen. Ich lächelte etwas, legte mich dann aber wieder hin, da ich immer noch ziemlich schlapp war. Erst wollte ich mich richtig ausschlafen. Daraus wurde aber irgendwie nichts. Kaum eine Stunde später erwachte ich wieder, jedoch war ich diesmal wirklich hellwach und munter. Freudig hüpfte ich aus dem Bett, um dann gleich torkelnd nach vorne zu kippen. „Mist...“, grummelte ich leise. Anscheinend war ich doch nicht so fit und munter wie ich es gedacht habe. Mühsam rappelte ich mich auf, da öffnete sich auch schon die Tür und eine Pillica mit einem Tablett stand in der Tür, ziemlich verwirrt und besorgt, als sie mich da am Boden sah. Sofort stellte sie das Tablett ab und half mir hoch. „Alles okay? Ich hab so ein Poltern gehört, als ich die Treppe hochkam.“ „Ich...naja ich war etwas übermütig...“, antwortete ich hochrot. „Hm...Hast du wieder Fieber? Du bist nämlich ganz rot!“, fragte Pillica, immer noch sehr besorgt. „N-Nein! Alles in Ordnung...was hast du mir denn da gebracht?“, wechselte ich das Thema. Sie lächelte beruhig und ging zu dem Tablett. „Ich habe dir Kekse gemacht! Vanillekekse in Herzform. Damit du schnell wieder gesund wirst und einen Grüntee.“ Sie hob den Teller mit den Keksen hoch, drehte sich zu mir um und schenkte mir eines dieser herzerwärmenden Lächeln. Wir beide setzten uns aufs Bett, begannen zu reden und knabberten an den Keksen. „Nun..sind wir also alleine. Ganze zwei Tage.“, murmelte ich leise. Pillica nickte nur etwas. „Ein Wunder. Wir haben endlich mal Ruhe. So ganze alleine zu zweit ist doch auch mal schön“, sagte Pillica, mit einem vielsagenden Grinsen und Schob sich einen Keks in den Mund. Ich errötete etwas und senkte deswegen den Kopf. „Sobald du gesund bist, gehen wir auf den Markt! Da hat es immer leckere Sachen zu kaufen...und im Dezember müssen wir noch auf den Weihnachtsmarkt...“ Munter plauderte Pillica los. Ich hatte ein unheimliches Bedürfnis nach Ruhe, ihre Lippen zu stoppen und schon nur bei der Vorstellung, sie zu küssen, zitterte ich vor Aufregung und Nervosität. „Hast du kalt? Du zitterst ja am ganzen Körper.“ „Nein!! Ich meine, alles in Ordnung! I-Ich habe da nur an etwas gedacht! Das ist alles“ Ich lachte etwas hysterisch und wedelte mit beiden Händen vor meinem Gesicht rum, um von meinem roten Kopf abzulenken.
 

Wir redeten, tratschten, lachten und grübelten über die schrägsten, tollsten und dümmsten Dinge. Der Freitag war nicht mehr sehr interessant, ich fühlte mich immer noch matt und schlief deswegen auch sehr früh ein, was sich aber positiv auf mich auswirkte. Am Samstagmorgen fühlte ich mich wieder viel besser. Mein Fieber war etwas gesunken, aber noch nicht ganz verschwunden. Pillica und ich assen in meinem Zimmer Frühstück und schmiedeten Pläne fürs Wochenende. Gegen den Nachmittag backten wir aus Langeweile irgendwelche Plätzchen, sowie Kuchen und experimentierten danach auch mit Rezepten, die wir auch probierten, worauf uns alles wieder hochkam und wir die Toiletten für eine ganze Weile besetzten. Und das, obwohl es mir doch am Morgen noch so gut ging. Jedenfalls, fühlten wir beide uns richtig krank. Daraus konnten wir schliessen: Plätzchenteig, Essiggurken gleich SCHLECHT! Sehr schlecht! Oder wie Pillica es nannte: Rezepte für Schwangere und nach langer Überlegung beschloss ich, dass ich keine Kinder haben wollte. Nun denn. An diesem Abend spielten wir noch etwas Karten. Im TV lief nichts Gescheites und Lust auf eine DVD hatte keiner von uns. Wir assen noch zu Abend, ehe wir uns ins Bett verzogen, da mein Fieber wieder etwas gestiegen war, wenn auch nicht sehr hoch.

Es war Sonntag und wir beide schliefen fast bis zum Mittag durch. So gab es Frühstück zum Mittagessen. Wir erzählten uns irgendwelche Geschichten, redeten über Träume die wir hatten (ich liess aber die Träume von Pillica und mir lieber aus). Das mit dem Markt wurde übrigens gar nichts, da es mir nicht besonders gut ging. Deswegen sassen wir zu Hause rum, machten alberne Spiele, sahen fern und verplemperten den Sonntag, bis es Abend wurde.
 

Wir haben uns am Abend vor den Fernseher platziert, mit Plätzchen und Knabberzeug. he wir uns einen Liebesfilm reinzogen. Naja eigentlich bestimmte Pillica, dass wir das sehen müssen. Aber sie verschwieg mir, dass in diesem Film auch intime Szenen gezeigt wurden.

Also sass ich nun da. Auf der Couch. Neben Pillica. Fest drückte ich ein Kissen an mich und blinzelte verlegen und bei jedem ‚Oh’ oder ‚Uhh’ sowie bei den ‚Ahh’s kniff ich kurz die Augen zusammen, vergrub den Kopf im Kissen und tat so, als wäre irgendwas in meinem Auge, da ich spüren konnte, dass Pillica mich genau bei solchen Szenen beobachtete und ich konnte wetten, dass sie sich das Grinsen nicht verkneifen konnte. Ich seufzte ins Kissen und rieb mir die Augen. „Du bist wohl kein grosser Fan von solchen Dingen was?“ Ich schielte rüber zu Pillica und verzog eine Miene. „Du etwa? Du guckst nämlich so interessiert“, erwiderte ich leise. Pillica begann zu lachen und zuckte dann mit den Schultern. „Naja, was soll ich denn machen?“, antwortete sie ziemlich gelassen, worauf ich nur nickte. Anscheinend war es ihr wirklich nicht peinlich, so was zu sehen und je länger ich darüber nachdachte, desto weniger schlimm fand ich es, stattdessen machte ich mir Gedanken über die Schauspieler und ich fragte mich, wie das bei solchen Szenen wohl ablief. Der Film war für mich gelaufen, ich war mit den Gedanken wieder ganz woanders.

Nach einer Weile war der Film zu Ende und wir beide waren ziemlich müde. Ich streckte mich und gähnte herzhaft. „Auch müde?“, fragte Pillica, die dann auch anfing zu gähnen. „Ein wenig“, grinste ich mit schweren Augen. „Ich glaube ich schlafe hier auf der Couch...ist gerade so bequem und eine Decke haben wir hier ja auch. Während einer Pause war Pillica nämlich kurz oben und holte für uns beide eine grosse und flauschige Decke. „Wenn es dir nichts ausmacht...würde ich auch gerne auf der Couch schlafen“, kam es leise von mir, doch Pillica verstand jedes Wort. „Kein Problem! Die Decke und die Couch sind gross genug für beide.“ Pillica rappelte sich auf, griff nach meiner Hand und schleppte mich erstmal ins Badezimmer. Ich runzelte nur die Stirn und guckte etwas irritiert, da es doch so schön warm unter der Decke war. „Zähne putzen!“, antwortete sie mir, als sie meinen Blick spürte und deutete. Ich zuckte bloss mit den Schultern und griff brav nach meiner Zahnbürste.
 

„Unglaublich, dass eine Person sogar beim Zähneputzen ständig reden kann und das auch noch so deutlich!“, nuschelte ich leise und zog die Decke etwas höher. Wir beide sassen nebeneinander auf der Couch, schön eingewickelt in die Decken. „Tja! Ich habe eben immer was zu sagen, egal in welcher Situation ich bin, das muss ich dann einfach loswerden!“ Der stolze Unterton war nicht zu überhören, auch wenn ich mich fragte, wieso sie eigentlich stolz auf so etwas war und ich stellte mir Pillica auf einer Trauerfeier oder im Kino vor. „Ich bin mir nicht wirklich sicher, ob ich das sehr gut finden soll...“ „Wieso denn nicht? Ich rede gerne und du schweigst eben gerne! Ich bin mir nicht wirklich sicher ob ich das gut finden soll“ Pillica grinste mich breit an und ich verzog beleidigt eine Schnute. „Naja, genug gemeckert...lass uns schlafen, ich bin hundemüde.“ „Okay...“ Wir machten es uns so bequem es ging und schalteten den Fernseher aus. Nun war es stockdunkel und verdammt still. Ich starrte eine ganze Weile in die Dunkelheit, dachte nichts und sagte dann plötzlich: „Pillica...“ „Mh?“, kam es von meiner Linken. „Ich liebe dich.“
 

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Kiwitörtchen mit Sahne

Kiwitörtchen mit Sahne
 

„Ich liebe dich.“ Das sind doch eigentlich nur drei Worte. Nur drei Worte. Aber es sind Worte, die dein ganzes Leben verändern könnten, die vielleicht sogar über deine Zukunft bestimmen und diese mit einem Schlag radikal verändern! Einmal gesagt, kann man sie nicht mehr zurück nehmen. Einmal gesagt, werden sich die Worte entweder positiv auf dein Leben auswirken...oder wenn du Pech hast, dich innerlich zerstören und dein Herz entzweien.
 

Der November war bald zu Ende. Draussen wirbelte der kalte Herbstwind die Blätter durch die Luft. Der Boden war an manchen Stellen bedeckt von den braunen, gelben und roten Blättern, die langsam eintrockneten und schlussendlich zerbröselten, wenn man drauftrat. Es war nun schon ein ganzes Weilchen her, dass ich Pillica offen gestanden habe, dass ich sie liebte. Seither verhielt sie sich irgendwie anders oder vielleicht kam es mir nur so vor, aber ich konnte deutlich sehen und spüren, dass sie nervös wurde, wenn wir alleine waren. Sie wusste wohl nicht, wie sie sich verhalten sollte. Oh und anscheinend wussten seit einem Weilchen alle, dass ich es ihr gesagt habe. Schuld war wieder der ‚Blaue Wind’, dem sich Pillica anvertraute. Irgendwie ja verständlich, der blaue Wind war ihr Bruder und auch er musste sich mit der Liebe rumschlagen. Sie hätte auch Anna und Yoh fragen können, aber am Ende hätte Anna ihren Verlobten wieder angebrüllt und Pilli irgendwelche merkwürdigen Tipps gegeben, die mit der Zeit immer brutaler wurden. Annas Stil eben, den sie (und wirklich NUR sie) befolgt. Seltsames Mädchen.
 

„Wohin gehst du?“ Ich hob kurz den Kopf und sah zu Anna, Pilli und Yoh, die es sich vor dem Fernseher gemütlich gemacht haben. „Ich gehe kurz was holen und mach einen Spaziergang. Mir ist etwas langweilig.“ Ich band mir den Schal um, zog den Reissverschluss des Wintermantels bis oben und setzte meine Mütze auf. Ich öffnete die Tür und sofort wehte mir ein kalter Wind ins Gesicht. Schnell hüpfte ich nach draussen und schloss die Tür. Mit gesenktem Kopf schlenderte ich die Strassen entlang. Eigentlich wollte ich gar nichts kaufen, ich musste nur raus. Ich war ziemlich geknickt, da ich Pillica erst doch so nahe war und nun kommt es mir vor, als wäre ich eine Fremde für sie. Klar, sie lächelte mich immer wieder an. Aber es war nicht das Lächeln, das ich von ihr kannte. Es war eher ein gequältes, verlegendes Lächeln und auch wenn sie mit mir redete, war es nicht mehr das gleiche. Irgendwie bereute ich, dass ich es gesagt habe. Ich wusste ja nicht, dass es sich gleich so auf sie auswirkte.

Seufzend stand ich im Park, auf der kleinen Brücke, die über den kleinen Teich mit den Fischen führte und starrte gedankenverloren ins Wasser. „Dumme Fisch! Seid glücklich und immer zusammen!“, beschimpfte ich die unschuldigen Tiere. „Wieso denn so bedrückt, Tamao-chan?“, ertönte auf einmal eine Stimme hinter mir. Ich wirbelte erschrocken herum und starrte in die Augen von Lyserg. Neben ihm stand schweigend Jeanne. Alle beide lächelten mich an, doch in ihren Augen spiegelte sich die Sorge und der fragende Blick war auch nicht zu übersehen. Ich lächelte etwas gezwungen und winkte rasch ab. „Ach...nicht sehr wichtig...“, murmelte ich, ehe meine Stimme versagte und mir die Tränen in die Augen stiegen. „Ach herrje...jetzt weine ich ja schon wieder“, winselte ich leise, versuchte aber, daraus einen Witz zu machen und lachte deswegen ziemlich gekünstelt, während ich mir hektisch die Tränen wegwischte. Ich konnte die Blicke der anderen ganz deutlich spüren und ich wusste genau, was sie jetzt dachten. „Nichts ist in Ordnung. Du weinst und lügen konntest du noch nie gut“, widersprach mir der Grünhaarige, der ebenso besorgt klang, wie er aussah. Ich rieb mir die Augen und begann zu frösteln, als ein kalter Herbstwind um meine Nase wehte. „Lass uns am besten in ein Café gehen, hier draussen wird es kalt und eine kleine Aufwärmung schadet nicht“
 

Da sassen wir nun also. Im Café um die Ecke. Mit einer heissen Schokolade vor der Nase und ein paar Knabbereien. Ich hatte meinen Blick stur auf die Tischplatte gerichtet und presste meine Lippen fest aufeinander, da ich schon wieder mit den Tränen kämpfen musste. Wir alle schwiegen einen Moment, bis sich Jeanne zu Wort meldete: „Willst du uns nun sagen, was dich so bedrückt? Wenn du Probleme hast, solltest du dich aussprechen. Du weißt, wir sind deine Freunde und du kannst uns alles sagen. Es ist nicht gut, alles in sich reinzufressen. Ich kann aber verstehen, dass es dir schwer fällt, so wie du geweint hast, muss es ja was ziemlich schlimmes gewesen sein“ Nun hob ich meinen Kopf und rieb mir meine Augen, die schon ganz rot waren, weil ich wie ein elender Schosshund geheult habe und das den ganzen Weg ins Café. Ich schniefte nich einmal, rieb mir rasch die letzten Tränen weg und sah Jeanne in die Augen. Sie lächelte sanft und aufmunternd, was mich irgendwie ruhig stellte. Meine Augen wanderten kurz zu Lyserg rüber, dann wieder zu Jeanne und anscheinend verstand diese sofort. Sie wandte sich zu dem Grünhaarigen und wollte ihn gerade fragen, ob er uns beide für eine Weile alleine lassen könnte. Doch auch er bemerkte schnell, dass er ‚unerwünscht’ war. „Schon gut. Ich bin dann mal kurz weg“, meinte er während er in die hintere Ecke des Cafes deutete und im nächsten Moment war er auch schon verschwunden. Ich folgte ihm mit den Augen und konnte spüren, dass meine Lippen bebten. Kaum war Lyserg verschwunden, brach ich schon wieder in Tränen aus, da ich es keine Sekunde mehr hätte zurückhalten können. Ich schämte mich fürchterlich dafür, dass ich so eine Heulsuse war, dabei wollte ich mich doch unbedingt ändern und eine starke Persönlichkeit werden. Aber das war ziemlich schwer, vor allem weil ich wegen fast jedem Mist anfange zu heulen, wie ein kleines Kind. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass Jeanne sich zu mir gesetzt und einen Arm um mich gelegt hatte, weswegen ich auch so erschrocken zusammenzuckte. „Dann erzähl doch mal, um was es geht und ich werde versuchen dir zu helfen und dich zu unterstützen“, sagte sie ganz sanft, worauf ich aber nur stimm nickte. Jedoch fiel es mir danach unglaublich leicht, über mein Problem zu reden, was ich eigentlich nicht erwartet hätte. Ich wischte ab und zu noch eine einzelne Träne aus dem Gesicht aber irgendwann war es vorbei mit dem Geheule. Meine Augen waren ganz rot und mir brennten die Augen. Ich glaube, ich hatte noch nie so sehr geweint. Aber es tat so schrecklich weh, wenn man sich zu etwas überwand, dieses Geständnis aber nicht wirklich erwidert wurde und man dafür nur gequälte Lächeln und seltsame Blicke erntete. Das alles war neu für mich. Ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte und wie meine nächsten Schritte aussahen. Am liebsten wollte ich von der Bildfläche verschwinden, was nur möglich wäre, wenn ich sterben oder meine Identität wechseln würde und ich würde keines der beiden bevorzugen.

„Wann hast du es ihr den gesagt?“, fragte mich Jeanne vorsichtig. Der beruhigende Unterton liess mich etwas klarer denken und sperrte die überflüssigen Gedanken verdrängen. „Weiss nicht genau...vielleicht vor fast zwei Wochen?“ „Mh...vielleicht braucht sie noch mehr Zeit zum Nachdenken. Du musst ganz behutsam vorangehen. Für sie ist das auch was ganz neues, schliesslich gesteht einem nicht jeden Tag eine Freundin ihre Zuneigung. Aber weißt du, wenn du dich nun auch anders verhältst, dann ist es ganz klar, dass sie sich unwohl fühlt. Geh auf sie zu und sag ihr was Sache ist, dass du akzeptieren würdest, wenn sie nicht die gleichen Gefühle für dich empfindet, aber dass du trotzdem noch weitere schöne Tage mit ihr verbringen willst. Du bist schliesslich keine andere Person, du bist immer noch so tollpatschig und süss wie vorher...vielleicht...auch etwas doof...ich meine natürlich im positiven Sinn! Das macht dich doch sogar noch liebensbedürftig.“ Ich nickte während ihrem Gespräch immer zustimmend, hielt am Schluss aber inne. „Wie, doof? Positiv?“, fragte ich etwas beleidigt. Die Frage klärte sich aber schnell von selbst, als ich ein Grinsen auf Jeannes Lippen wahrnahm. Ich begann ebenfalls zu grinsen und lachte dann auch leise. Leider hatte sie recht. Ich bin wirklich etwas doof...und mir mangelte es an Selbstvertrauen Aber ich glaube, ich werde das schon noch in den Griff kriegen. Erst musste ich mich jedoch um Pillica kümmern, da ich wohl kaputt gehen würde, wenn sie mich weiterhin als jemand Fremdes betrachtete.
 

Ich redete noch eine ganze Weile mit Jeanne und Lyserg, den wir viel zu spät wieder zu uns liessen, da wir ihn, auch wenn’s mies klingt, vergessen hatten. Komplett vergessen. Deshalb reagierten wir auch dementsprechend, als er sich wieder zu uns gesellte. Der Arme kann einem echt Leid tun. Ich verabschiedete mich von den beiden und verliess mit meiner ganzen Montur, Schal, Mütze und Jacke, das Café. Auf meinem Weg nach Hause, kam ich an einer Konfiserie vorbei, deren Schaufenster herrlich und lecker aussah. Verschiedene Törtchen und Gebäcke waren ausgestellt, so dass einem das Wasser im Mund zusammenlief. Mein Blick ruhte vor allem auf diesen köstlich aussehenden Kiwitörtchen, auf denen ein Sahnehäubchen trohnte. Verführerisch! Ich betrat ohne zu zögern die Kofiserie und bestellte ein paar Kiwitörtchen, da Anna mich sicher anmeckern wird und zu meiner Verteidigung werde ich ihr die Törtchen unter die Nase halten. Als Entschuldigung, dass ich solange weg war. Der Himmel färbte sich schon langsam dunkelblau. Nun eilte ich also, mit den Kiwitörtchen in den Händen, durch die Strassen, zurück nach Hause.
 

„Hallo? Wer da?“ Als ich das Haus betrat, war es totenstill. Ich blickte rasch auf die Uhr. So spät war es noch gar nicht und normalerweise hätte ich eine Antwort gekriegt, weil es Abendessen...Moment! Irgendwas roch hier ziemlich seltsam. Rauch? Ich stellte die Törtchen rasch auf die Kommode, schlüpfte aus den Schuhen und befreite mich von den Winterklamotten, die ich achtlos in die Ecke warf. So schnell es mir meine Füsse und der rutschige Boden es mir erlaubten, stolperte ich in die Küche aus der mir der stickige Rauch entgegenkam. Am Backofen stand eine hustende Person, die fluchend versuchte, das Essen (jedenfalls glaube ich, dass es etwas zu essen war) herauszunehmen. „W-Was ist den hier los?!“, fragte ich verdattert und eilte zum Fenster, welches ich öffnete, damit sich der Rauch schneller verzog. Ein erschrockenes ‚Wah!’ und das Geräusch vom Backblech das laut krachend auf den Boden fiel liess mich zusammenzucken. Die Person wirbelte zu mir herum und stöhnte erleichtert. „Oh Tamao! Du bist es! Ich bin so froh! Mir...naja mir...eh...da ging wohl was schief“ Nervös lachte Pillica und warf ihr hellblaues Haar zurück. „Sieht...so aus!“, murmelte ich leise hustend, da der Geruch nach Verbranntem sich in meiner Nase festsetzte. Pilli seufzte leise und blickte verlegen zur Seite. Ich biss mir auf die Unterlippe. Anscheinend fühlte sie sich immer noch unsicher in meiner Gegenwart. „Ich werde dir beim Aufräumen und Putzen helfen“, murmelte ich kurz und machte mich auch schon an die Arbeit. Ich konnte Pillicas Blick spüren und schielte auch kurz zu ihr rüber. Sie selber wusste nicht wirklich, was sie nun tun oder sagen sollte und sie konnte wetten, dass wusste genau, dass sie sich in meiner Gegenwart nicht sehr wohl fühlte.

Nach einigen Minuten des Schweigens und Zögerns, machte sich auch die Blauhaarige an die Arbeit. Wir standen schweigen in der Küche, während wir unserer Arbeit nachgingen. Abwaschen und Abtrocknen. Schrubben und Putzen. Ich hätte gerne was gesagt, traute mich aber nicht. Nun begann ich ernsthaft meine dreie Worte zu bereuen. Wütend auf mich selber, schrubbte ich das Geschirr wie eine Verrückte und knallte sie Pillica regelrecht vor der Nase. Diese zuckte verwirrt zusammen und starrte fragen zu mir rüber. „Hast...du irgendwas?“, fragte sie zögerlich. Das war’s! Ich schmiss de Teller wieder zurück in die mit Schmutzwasser gefüllte Spüle und wandte mich zu Pillica. „Ach was! Mir geht es gut! Fantastisch“, zischte ich sarkastisch und warf theatralisch die Hände in die Luft. „Natürlich nicht! Du gehst mir verdammte noch mal aus dem Weg und behandelst mich, als wäre ich eine fremde Person, die du vielleicht ein paar mal in der Stadt gesehen hast! Hallo?! Ich habe dir bloss etwas gestanden, was ich übrigens schon seit Wochen, wenn nicht schon seit Monaten versucht hatte, nur so ne Randinfo! Und du tust gleich so, als...hätte ich eine ansteckende Krankheit! Du versuchst mir auszuweichen und sprichst so gut wie gar nicht mehr mit mir. Wieso tust du das? Du musst ja nicht das gleiche für mich empfinden aber wieso kannst du mich nicht genauso behandeln, wie du es früher getan hast?! Als beste Freundin, mein ich! Aber nein! Stattdessen gibst du mir das Gefühl, als hätte ich alles zerstört und mit diesen Worten, die mir so ungeheuer zu schaffen machten! Weißt du, wie schlecht ich mich fühle, seit du dich so verhältst? Wie gerne hätte ich nun doch den Moment zurückgedreht! Wenn ich gewusst hätte, wie das alles ausgegangen wäre...du...du dumme Kuh!“ Es sprudelte alles nur so aus mir heraus, ich was selber überrascht von mir, wohl noch mehr, als die angesprochene Person gegenüber von mir. Aber ich war wie in einem Rausch und konnte mich nicht mehr beruhigen. Vor Wut stiegen mir die Tränen in die Augen, was mich noch wütender machte und schon kullerten die salzigen Tränen die Wangen runter. Verdammt! Immer musste ich weinen! Ob ich nun wütend oder traurig war. Doch das kümmerte mich nun eher weniger. Ich heulte wie ein Schlosshund und konnte nicht mehr aufhören. Einer der peinlichsten Momente, wie ich fand. Heftig rieb ich mir die Augen, was mir aber nicht viel brachte, da die Tränen nur noch schneller kamen. Ich schämte mich höllisch dafür, doch statt wegzulaufen, zitterten meine Beine heftig und ich drohte einzuknicken. Umso erschrockener war ich, dass mich, statt der harte Boden, ein warmer Körper fest umschloss. Meine geröteten Augen weiteten sich und ich starrte hoch zu Pillica. Ich starrte wie jemand, der gerade das achte Weltwunder entdeckt hatte. Mein Herz pochte wie wild und meine Lippen bebten vor Aufregung und dem plötzliche Adrenalinschub, der wohl schuld daran war, dass ich fast zusammenklappte (ich bin es mir eben nicht gewöhnt, immer so offen mit der Wahrheit herauszuplatzen.) Pillica sah mich nicht an. Sie hatte mich einfach fest an ihre Brust gedrückt und strich mir über den Rücken. Ich dachte an nichts, da sich noch alles in meinem Kopf drehte. Verwirrung, vermischt mit Wut, Trauer und Freude. Aber meine Tränen flossen weiter und ich schluchzte immer noch wie ein Kleinkind. Mit zittrigen Händen umarmte ich nun auch die Blauhaarige und krallte mich fest in ihrem Pullover ein, während ich meinen Kopf in ihrer Schulter vergrub, womit ich ihr leider den ganzen Stoff versaute.
 

Ich weiss nicht, wie lange wir dort standen, uns in den Armen lagen und einfach nur schweigen. Jedenfalls waren meine Tränen versiegt, selbst wenn ich immer noch traurig wäre, könnte ich nicht mehr weinen, ich hatte keine Kraft mehr dazu und ich hatte wohl meinen Jahresvorrat an Tränen verbraucht. Nun begann ich zu frieren. Ich war müde, ich konnte kaum aufrecht stehen. „I-ich...habe was zu Essen mitgebracht...Kiwitörtchen“, hauchte ich nur, da es nicht lauter ging, weil sonst meine Stimme versagen würde. Pillica schwieg. Abwartend stand ich da und lauschte ihrem atmen. Ich konnte ihr Herz spüren, dessen Rhythmus mich irgendwie glücklich machte. Ich horchte auf, als Pillica leise begann zu kichern. „Was...was ist los?“, nuschelte ich fragend. Pillica löste sich etwas von mir. „Du hast mich dumme Kuh genannt“ Mein Herz blieb vor Schreck stehen. War sie mir jetzt etwa böse. „P-Pillica! Ich kann...weisst du...es kam nur so aus mir heraus und...du...ich...ich konnte es nicht mehr kontrollieren, es...musste einfach alles raus, ich hatte das Gefühl, dass ich sonst platzen müsste. Bitte! Nimm es nicht ernst! Es tut mir Leid!“, entschuldigte ich mich in einem flehendem Ton. Doch statt einer wütenden Reaktion ihrer Seite...lachte sie. Immer lauter und lauter. „Was...“ Verdattert sah ich sie an. War das ein Scherz. Pillica bemühte sich aufzuhören, doch sie brauchte ein Weilchen, bis sie sich wieder einkriegen konnte. „Du hättest dich mal sehen sollen! Dein Kopf war ganz rot“, prustete sie los. „Also...“, begann ich leise murmelnd, „bist du mir nicht böse?“ Sie schüttelte heftig ihren Kopf, wodurch ihre blauen Haare ihr ums Gesicht flogen. „Nein...du hattest vollkommen Recht. Mir muss es Leid tun, nicht dir. Du konntest nun wirklich nichts für mein Verhalten und ich finde es sehr mutig von dir, mir so was direkt ins Gesicht zu sagen.“ Ich glaube, so erleichtert war ich noch nie. Das Blatt wendete sich auf einmal. Ich griff nach Pillicas Hand. „Ich verzeihe dir!“, erwiderte ich glücklich und umarmte das Mädchen. Fest drückte ich sie an mich, so fest, als hätte ich Angst sie wieder zu verlieren. Ich wurde aber durch ein lautes Grummeln aus meinem Gedanken gerissen. „Sag mal...hast du nicht gesagt, dass du noch etwas zu Essen mitgebracht hast?“, fragte Pillica verlegen und hielt sich den Bauch. „Klar doch!“ Ich griff wieder nach Pillicas Hand und drückte diese fest, bevor ich mit ihr zu den Törtchen eilte, die immer noch beim Eingang einsam und verlassen warteten. „Gehen wir in mein Zimmer? Damit wir unsere Ruhe haben“, schlug Pillica vor. Zustimmend nickte ich und schon verschwanden wir beiden im oberen Stock.

Wie schade, dass ich zu der Zeit nicht die ganzen Zeichen deuten konnte, die mir Pillica immer wieder schickte. Vielleicht hätten wir die folgenden Fehler vermeiden können...Vielleicht.
 

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Erdbeerlollis mit Liebesfüllung

„Warte Pillica! Das ist viel zu viel Zucker!“ „Von wegen! Je süsser desto besser!“ „Aber wenn es zuviel ist, fallen dir beim ersten Bissen ins Plätzchen die Zähne aus!“ Weihnachten stand vor der Tür. Geschneit hatte es in den letzten Tagen nicht wirklich viel, aber als ich heute morgen auf dem Weg zur Bäckerei war, flog ich nach wenigen Metern schon auf die Schnauze. Daraus schloss ich: Es war so ziemlich alles gefroren und damit verdammt glatt. Ich hätte mir passendes Schuhwerk kaufen sollen...nun denn. Pillica wollte den anderen zu Weihnachten Plätzchen schenken, da sie das ganze Geld für ziemlich unwichtige Dinge ausgegeben hatte. Leider war Pillica nicht wirklich eine Starköchin und da sie lieber Salz statt Zucker in den Tee schüttete (sich dann aber immer fragte, wieso der so eklig schmeckte), hatte ich beschlossen, ihr zu helfen. Mit mässigem Erfolg. „Pillica! Nein! Nicht so heftig rumrühren!“ „Pillica hier, Pillica da! Tamao-chan, lass mich doch einfach mal machen!“ „Aber das wird nicht so, wie du es dir vorstellst...“ Flatsch! Eine Mischung aus Mehl, Ei und Schokostückchen landete fast in meinem Gesicht. Perplex starrte ich die Blauhaarige an. Diese hatte die Hände in die Hüfte gestemmt und sah ziemlich genervt aus. „Am besten gehst du...etwas raus, okay? Ich kann das!“ „Ich...wollte doch nur helfen“, antwortete ich irritiert. „Das ist wirklich nett, aber...ich würde es doch lieber alleine machen. Schliesslich sollen die Kekse von mir sein. Dann hast du jetzt auch genug Zeit für das Weihnachtsessen einzukaufen, oder etwa nicht?“ Ich senkte meinen Blick, ehe ich zustimmend nickte. „Naja...ja, du hast schon Recht aber ich will doch, dass alles klappt und dass dir die Plätzchen gelingen.“ Pillica legte die Stirn in Falten. „Ich kann das!“ „Aber...“ „Ich kann das.“, schnitt sie mir das Wort ab. „Ich kann das wirklich!“ Das war ausdrücklich genug. Ziemlich geknickt verliess ich die Küche ohne ein weiteres Wort zu verlieren. Ich war ziemlich gekränkt. Zum Einen, weil ich es doch nur gut meinte und Pillica bloss davor bewahren wollte, dass ihre Plätzchen im Müll landen werden und zum Anderen...weil ich die Zweisamkeit mit ihr so genoss. Keiner funkte uns dazwischen. Ausserdem machte mein Herz immer grössere Sprünge, wenn Pillica mich berührte. Ein wohliger Schauer überkam mich immer und eine Gänsehaut jagte die andere über meinen ganzen Körper.

Ich war wirklich froh, dass wir wieder zueinander gefunden hatten. Wenn wir uns länger hätten gemieden, wäre dies wohl mein Tod gewesen. Ich stieg die Treppe hoch und steuerte auf mein Zimmer zu. Da angekommen, machte ich mich über meine Spardose her, die in meinem Nachttisch ruhte. Ein kurzes Schütteln verriet mir, dass es sich gelohnt hatte, zu sparen. Ich öffnete die Dose und betrachtete stolz mein Erspartes. Das reichte locker für das Weihnachtsessen, mit Vorspeise und Nachtisch! Rasch stopfte ich die ganzen Scheine und das silberne Kleingeld in meine Brieftasche, die sogleich in meiner Umhängetasche verschwand, die ich immer neben meinem Bett hängen hatte. Ich verstaute meine leere Spardose wieder, ehe ich mich erhob und meinen warmen braunen Parka holte, in den ich in wenigen Sekunden geschlüpft war. Ich griff nach der Umhängetasche, die fast denselben Braunton hatte, wie der Parka, und hängte sie mir um die Schulter. Langsam schlurfte ich auf die Tür zu um mein Zimmer zu verlassen. Ebenso langsam stieg ich die Holztreppe runter, vorbei an der Küche, ohne einen Blick in den Raum oder die Person zu werden, die fluchend vor sich hinexperimentierte. Mit gesenktem Blick begab ich mich zur Haustür, wo meine Schuhe auch schon auf mich warteten. „Mist, jetzt weiss ich, was ich kaufen wollte.“ Mit diesen Worten starrte ich auf meine Pseudostiefel, die ich schon so oft verwunschen hatte, weil sie nicht wasserfest waren. Trotzdem hatte ich sie nicht durch irgendwelche Supertreter ersetzt, weswegen ich mich ziemlich hasste und so schlüpfte ich widerwillig in die noch trockenen Schuhe, was sich aber bald ändern wird. „Ich geh dann mal“, rief ich in die Küche, zog den Reisverschluss des Parkas ganz nach oben und verliess eilig das Haus ohne die Antwort abzuwarten. Ich rückte meine Umhängetasche zurecht und schlich vorsichtig über den vereisten Gehweg, um nicht, wie schon am Morgen, auf den Hintern zu fliegen.

Wer weiss, wie lange ich nun vor den Regalen im Supermarkt stand. Jedenfalls spürte ich deutlich die neugierigen Blicke der Angestellten, die um mich herum die Regale auffüllten. Ich seufzte leise ehe ich mich für eine der vielen Fertigsaucen entschieden hatte. Ich schmiss die Tüte in den Korb und setzte mich wieder in Bewegung, damit diese stechenden Blicke endlich aus meinem Nacken verschwanden. Lustlos trottete ich noch eine ganze Weile durch den Supermarkt um die restlichen Zutaten zusammen zu suchen, die ich für das Festessen brauchte. Nachdem ich auch dies endlich erledigt hatte, konnte ich zur Kasse, wo ich auch noch eine ganze Weile anstehen musste, weil mal wieder ein älterer Herr glaubte, mit der Kassiererin plaudern zu müssen. Wie toll dieser Tag doch war.
 

Nun trottete ich also wieder heimwärts, während mir eine kalte Brise ins Gesicht wehte, mich ständig zum Schniefen brachte und mich zwang, die Augen zu schmalen Schlitzen zu formen. Jedenfalls hatte ich das vor, denn als die Kreuzung kam, an der ich nach rechts abbiegen musste, blieb ich für einen kurzen Moment stehen und starrte in die Richtung, in der unser Haus lag. Ohne gross einen Gedanken zu verschwenden, setzte ich mich wieder in Bewegung. In eine komplett andere Richtung. Nach einer Weile kam ich dann auch schon in eine eher fremde Gegend, in der ich einige Male nur flüchtig durch die Strassen lief. Um mich herum war es ruhig und die eisige Brise, die vorhin noch um meine Nase wehte, wurde auch von den Häuserreihen abgewehrt. Dass die Häuser hier so eng beieinander starrten, störte mich irgendwie, man fühlte sich eingeengt von den riesigen Häusern, die nicht mal einen Vorgarten hatten. Die Häuser wurden von hohen Zäunen voneinander getrennt und hohe Hecken, die perfekt geschnitten waren, wuchsen vor den Eingängen. Irgendwie war alles gleich und...perfekt. Die Bäume waren perfekt, die Häuser, die Gärten...und irgendwie störte mich das ziemlich. Es passte einfach nicht in diesen Ort. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich stehengeblieben war und mit offenem Mund eines der grossen Häuser anstarrte. Ein freundliches „Tamao-chan?“, riss mich aus den Gedanken. Ich musste mich nicht lange umsehen um zu wissen, wer mich gerade angesprochen hatte. „Lyserg“, murmelte ich etwas überrascht. Ich hätte ihn hier nicht erwartet, deswegen auch dieser überraschte Gesichtsausdruck. Dieser bemerkte auch sofort, wie überrascht ich darüber war, ihn hier anzutreffen. „Ich wohne hier“, kam es kurz und knapp von seiner Seite. Ein Schmunzeln konnte ich nun nicht mehr unterdrücken. „In so einer unheimlich perfekten Gegend.“ Lyserg grinste verlegen. „Mich stört es nicht. In England hatten wir einen Garten, der dem ganzen hier ziemlich ähnlich ist. Perfekt also. Naja bis mir mal dieses Missgeschick passierte und vom Garten nicht mehr viel zu erkennen war. Eh nun gut. Das ist ja auch Nebensache. Aber sag mal, Tamao, wieso bist du denn hier?“ Seine Augen wanderten zu der Tüte, auf der das Label des Supermarktes aufgedruckt war. „Weihnachtseinkäufe?“, fragte er weiter nach. Mit einem lächelndem Schulterzucken antwortete ich. Ich konnte spüren, wie er mich noch mal ganz genau musterte, ich war nämlich mal wieder damit beschäftigt, dem nassen Pflasterstein zu meinen Füssen meine ganze Aufmerksamkeit zu schenken. Ehrlich gesagt, wollte ich nicht mit ihm reden, aber ich konnte auch nicht einfach davonrennen, wie ich das selber schon in so vielen Mangas gesehen hatte. „Tamao-chan, ist irgendwas passiert? Du wirkst niedergeschlagen und du weichst mir meinem Blick aus, ebenso meinen Fragen.“ Wider Willen schielte ich zu ihm hoch. Die Knöchel meiner Hände traten weiss hervor, mir war gar nicht aufgefallen, wie fest ich die Griffe dieser dumme Tüte im umklammert hatte. Nun schwiegen wir beide uns stur an. Anscheinend wurde Lyserg aus meinem Verhalten nicht schlau und ich selber ja auch nicht wirklich. Ich war nicht traurig oder deprimiert. Verletzt vielleicht? Nein, auch nicht. Jedenfalls nicht wirklich. Wie fühlt man sich, wenn man sich in keines der Gefühlsbilder oder in eine bestimmte Emotion einsortieren kann? Mir war einfach nach Nichts. „Nein es ist nichts passiert“, war schliesslich meine Antwort. Eigentlich war ja wirklich nichts passiert. Es war nur...Pillica kam ich immer noch nicht wirklich näher und dabei wollte ich unbedingt noch vor oder an Weihnachten...“Und deswegen weinst du?“ Verdutzt blickte ich zu ihm hoch, bevor ihr mit den Fingern mein Gesicht abtastete und bemerkte, dass einige Tränen eine dünne, nasse Spur auf meinen Wangen hinterlassen hatten. „Verdammt, jetzt weine ich schon wieder!“, nuschelte ich durch die zusammengebissenen Zähne. Im nächsten Moment spürte ich eine warme Hand auf meiner Schulter, die wie ich annahm von Lyserg war. „Willst du vielleicht für einen Moment reinkommen? Es ist kalt hier draussen und Jeanne kommt bald vorbei, ich sollte noch etwas...aufräumen, im Moment habe ich alles unters Bett und in die Schränke gepackt. Deswegen will ich noch etwas Ordnung schaffen, bevor die Schranktüren aus den Angeln fliegen.“ Ich musste unwillkürlich lächeln, als ich in das (mädchenhafte) Gesicht des Grünhaarigen blickte.
 

Nun sassen wir also hier. In der Wohnung von Lyserg. Auf der Couch, mit einer Tasse Tee vor der Nase, sowie einer kleiner Schüssel, die voller Kekse war. Ich sah mich verstohlen um und stellte ziemlich rasch fest; es war ganz anders eingerichtet als ich es normalerweise kannte und gewohnt war. Es war irgendwie richtig... Englisch eingerichtet. Jedenfalls glaubte ich das, ich wusste ja nicht wie die Häuser von London und Co. aussahen. Aber es passte zu Lyserg, war schliesslich mein Urteil. Trotzdem musste ich mir eingestehen, dass ich jetzt doch lieber zu Hause sitzen würde. Sofort verwarf ich den Gedanken wieder, denn ich musste unwillkürlich an Pillica denken, die mich sicher am liebsten selber aus dem Haus geworfen hätte. Ich konnte mir ein Seufzen nicht verkneifen. Nunja, es klang eher wie das Schnauben einer Kuh, da ich mir keine Mühe gab, das Seufzen wenigstens etwas zu unterdrücken. Lyserg schmunzelte, was mir nicht entging. Ich warf ihm einen beleidigten Blick zu. „Tut mir Leid aber du hättest dich hören sollen und dann auch noch dein Gesichtsausdruck.“ Erneut schmunzelte Lyserg, der krampfhaft versuchte, sich auf den Tee in der Tasse zu konzentrieren, die er nun zum Mund führte. Immer noch beleidigt, machte ich es ihm gleich und griff nach der Tasse, die ich an die Lippen führte, um einen Schluck zu nehmen. „Willst du mir nun sagen, was genau passiert ist? Man sollte nämlich nicht immer alles in sich reinfressen“, wechselte er das Thema, ehe er nach einem der Kekse griff und sich in den Mund schob. Ich liess die Hände sinken und mit ihnen meinen Kopf, denn ich wusste nicht recht, ob ich nun schweigend oder doch eine Antwort geben sollte. Nach kurzen Minuten des Schweigens, die Lyserg geduldig abwartete, entschied ich mich dann doch dazu, mit der Wahrheit rauszurücken. „Nunja...ich hatte mich mit Pillica gestritten, mal wieder. Also, es war nicht so ein richtiger Streit aber sie hat mich angeschnauzt obwohl ich ihr eigentlich nur helfen wollte. Pillica will nämlich etwas Selbstgebackenes verschenken, nur ist es so, dass sie nicht wirklich fähig ist, was Leckeres zu zaubern. Das ist natürlich nicht böse gemeint aber...es ist nun mal so!“, seufzte ich und betrachtete meine Tasse Tee. „In letzter Zeit hatten wir uns ziemlich oft angeschnauzt und dann auch noch wegen solchen Kleinigkeiten“ Ich legte meine Stirn in Falten, wobei ich die Tasse Tee böse anstarrte, als ob die für all meine Probleme verantwortlich gewesen wäre. „Nun, du solltest das aber auch aus Pillicas Sicht sehen. Du magst es ja auch nicht, wenn dich ständig jemand verbessert und dir ständig in deine Arbeit reinfummelt, obwohl du es doch eigentlich selber machen willst“, meinte er nachdenklich, ehe er einen weiteren Schluck des Tees nahm. „Aber ich meine es nur gut!“, protestierte ich lautstark und verschüttete fast den Tee, da ich mit den Händen rumfuchteln wollte, mich dann aber doch noch rechtzeitig zurückhalten konnte. Lyserg hob den Kopf und betrachtete mich schweigend. „Darf ich dich noch was fragen?“ „Nur zu“, antwortete ich leicht unfreundlich und wollte an meinem heissen Tee nippen. „Wie sieht es eigentlich mit eurer Beziehung aus? Du und Pillica...seid ihr nun eigentlich ein Paar?“ Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. Ich verschluckte mich, verbrühte meine arme Zunge mit dem Tee, hustete darauf lautstark, wodurch sich meine Hände ruckartig bewegten und das meiste des heissen Getränks auf meinen Händen landeten, was dann dazu führte, dass ich die Tasse fast fallen liess (die Betonung liegt auf ,fast’). Lyserg reichte mir ohne mit der Wimper zu zucken ein ungebrauchtes Taschentuch, das er aus seiner Hosentasche gezogen hatte. Dankbar nahm ich dieses an und trocknete mir die Hände. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass Lyserg ziemlich rasch ein kühles Getränk aus der Küche geholt hatte. Rasch griff ich nach dem Glas und leerte es in wenigen Zügen. „Ich glaube meine Zunge rennt mir bald davon“, murrte ich mit schmerzverzerrtem Gesicht, damit Lyserg wusste, wie heiss sein Tee war. Doch statt sich zu für irgendetwas zu entschuldigen, zuckte er bloss mit den Schultern und grinste. „Anscheinend habt ihr noch so einige Schwierigkeiten.“ Ich formte meine Augen zu engen Schlitzen und schenkte ihm die gleichen bösen Blicke, die ich der Tasse geschenkt hatte. „Woher weißt du denn davon?“ Lyserg überlegte kurz, ob er es mir sagen wollte oder doch lieber schwieg. „Hmm...weisst du, der Wind erzählt mi-“ „Der Wind? Horo!“, knurrte ich und biss die Zähne zusammen und erntete erstaunte Blicke, von meinem Gegenüber. „Also ich hab doch bloss gesagt, dass es der Wind war. Wie kommst du denn auf Horo?“ „Der sogenannte Wind hat schon fast jedem diese Info weitererzählt. Ohne zu fragen, ob ich das überhaupt will! Ich bringe ihn um...Ich bringe ihn um!“ Lyserg begann zu lachen. „Wohl kaum. Aber weißt du was? Vielleicht solltest du nun wieder zurück. Ich denke, Pillica wird nun deine Hilfe bitternötig haben, wenn sie wirklich so eine miserable Köchen und Bäckerin ist.“ Meine Wut war schlagartig verschwunden und ein Bild von Pillica in der Küche erschien vor meinem geistigen Auge. „Du lächelst, Tamao.“ Ich nickte stumm. „Vielleicht sollte ich wirklich wieder zurückgehen“, stimmte ich ihm zu und lächelte noch ein Stück breiter.
 

„Ich bin wieder da“ Schweigen. Okay, entweder hat Pillica etwas in die Luft gesprengt oder alle wurden entführt. So schnell es ging schlüpfte ich aus meinen Schuhen und schleppte die Tüten in die Küche. Vor Schreck liess ich sie fallen, denn vor mir erstreckte sich ein Schlachtfeld, das an einen Kampf zwischen Gut und Böse erinnert. Eierschalen und Schokoguss. Mehl, Zucker und Salz, aufgerissene Puderzuckertüten und eine schleimige Substanz, die wohl einmal den Teig darstellen sollte. „P-Pillica?“, fragte ich vorsichtig. Doch ich bekam keine Antwort. „Da wird jemand den ganzen restlichen Tag mit aufräumen beschäftigt sein“, säuselte ich leise, wobei ich grinste. „Ich weiss“, säuselte es lieblich zurück. Pillica hat sich zu mir gestellt und betrachtete zusammen mit mir die Küche. „Für den Anfang...ist es doch eigentlich gar nicht schlecht. Ich meine, es hätte etwas brennen können oder so“, versuchte Pillica sich auszureden. „Sind wenigstens die Plätzchen in Ordnung?“ „Plätzchen? Ach, die will doch keiner, ich habe etwas viel besseres!“ Sie wühlte rasch in ihrer Hosentasche und zog einen süss verpackten Lollipop hervor, den sie mir unter die Nase hielt. „Lollis mit Erdbeergeschmack und in der Mitte ist ein Kaugummi! Damit hättest du jetzt nicht gerechnet, was?“ Die Blauhaarige grinste mich breit an und wedelte mit dem Ding rum, wodurch sie mich zum Lächeln brachte. „So kann man das natürlich auch machen. Pillica...ich wollte mich äh...noch entschuldigen, wegen heute. Ich war noch bei Lyserg zu Hause und wir haben kurz miteinander geredet. Sehr kurz. Aber das hat gereicht um mich zu beruhigen und naja.“ Ich wurde immer leiser, doch Pilli verstand mich und nickte. „Du meintest es ja nur gut, ich weiss. Ich war selber auch nicht viel klüger als du. Oh! Ich wollte dir noch was zeigen!“ Rasch flitzte Pillica aus der Küche, um kurz darauf mit einem Mistelzweig wiederzukommen. „Wir sollten den gleich hier oben in der Tür aufhängen.“ Ich schielte nach oben und errötete plötzlich. „Ehm...du weißt, was es heisst, wenn zwei Leute unter einem Mistelzweig stehen, oder?“ Ich lachte hysterisch und fuhr mir verlegen durchs Haar. „Sicher doch!“, antwortete sie, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt. Vorsichtig sah ich zu ihr hoch. Ich konnte erkennen, dass Pillicas Gesicht meinem immer näher kam. Ein roter Hydrant hätte im Wettstreit keine Chance gegen mich gehabt. Langsam aber sicher spitzte sie ihre wunderschönen Lippen. Ich schloss die Augen, wie sie es vorher schon getan hatte, und wartete ab. Nun konnte ich schon ihren Atem spüren und dann küsste sie mich. Auf die Wange.
 

„Wusstest du, eigentlich, dass Lysergs Haus so...Englisch eingerichtet ist?“ „Oh ja! Echt gruselig, nicht wahr?“ „Und ob!“ „Sachen gibt’s.“
 

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Vanilleeis mit heissen Beeren Teil 1

Der neue Tag brach an. Mit halbgeschlossenen Augen lag ich da, die Haare zerzaust und noch immer ziemlich müde. Aber ich wollte nicht mehr schlafen. Es würde wohl ein wunderschöner Tag werden, denn die ersten Sonnenstrahlen schimmerten durch die Blätter des Baumes, der vor meinem Zimmer stand, in den Raum. Irgendwie lag etwas Besonderes in der Luft, das keiner deuten konnte. Als ich meinen Kopf zur Seite neigte, bot sich mir ein unwiderstehlicher und wunderschöner Anblick. Das seidene Haar hing in Strähnen über ihr Gesicht, wobei sie einen Teil dieser unglaublich zarten Lippen verdeckten. Die Lippen, die ich vor einigen Stunden geküsst hatte. Mit geschlossenen Augen lag sie da und schlief seelenruhig wie ein Engel. Mein Engel, wenn ich das so sagen darf. Froh über so einen Anblick, kuschelte ich mich etwas mehr an die Blauhaarige. Sanft drückte ich meine Stirn gegen ihre. Pillica roch so gut, ich konnte davon gar nicht satt werden. Wie ein süsses Dessert, das man gleich vernaschen wollte. Mit geschlossenen Augen erinnerte ich mich an die vergangen Tage und diese eine, besondere Nacht zurück, die dazu geführt hatten, dass ich so glücklich aufwachen durfte.
 

„Und schon wieder steht er vor der Tür“ „Hmh“ „Und schon wieder muss ich ihn ohne meine Herzblatt verbringen“ „Hm...“ „Ich werde wohl als Single sterben.“ „Schon möglich.“ „Vielen Dank dass du mich so aufmunterst, Tamao-chan!“ Ich stand mit Pillica an diesem kühlen Morgen draussen auf der Veranda. Wir beide starrten in den Garten, der sich schon fast ganz von dem Schnee befreit hatte und redeten über den Valentinstag, besser gesagt Pillica. Ich wusste ja, mit wem ich diesen Tag verbringen und meine selbstgemachte Schokolade schenken wollte.

Seit ich Pillica gestanden hatte, dass ich sie liebte, ist eine Menge Zeit vergangen. Am Anfang hatte sie immer mehr Abstand genommen, mich gemieden, wo es ging. Doch seit meinem Ausraster in der Küche, machten wir uns an den Aufbau einer neuen, besseren Beziehung. Das Geheimnis stand nicht mehr zwischen uns, denn Pillica akzeptierte, dass ich Gefühle für sie hatte. Auch wenn ich nicht damit rechnete, dass sie einmal so fühlen wird wie ich, war ich froh, dass sie mich wieder wie eine gute Freundin behandelte. Vielleicht sollte ich mich damit abfinden, dass es sich nicht ändern wird. Jedoch keimte seit einem Weilchen wieder ein Keim der Hoffnung. Mir fiel auf, dass sich Pillica öfters in meiner Nähe aufhielt. Seltsamerweise waren wir zwei recht oft alleine (mir war das aber so ziemlich egal, was die anderen in dieser Zeit trieben, Hauptsache wir waren alleine). Es war auch schon an der Tagesordnung, dass wir zusammen etwas unternahmen. Obwohl dieser kleine Keim munter weiter wuchs, war da dieser verflixte, vernünftige Teil in mir, der mir ständig vor Augen hielt, was Pillica von mir hielt. Ich war eben bloss eine sehr gute Freundin. So etwas machten gute Freundinnen nun mal! Somit trampelte die Vernunft auf dem Keim herum, bis dieser fast komplett zerstört war. Auch wenn ich mich eigentlich nicht beschweren sollte, deprimierte mich der Gedanke, bloss eine gute Freundin zu sein.

Pillica seufzte leise und stellte sich aufrecht hin. „Ist das nicht gemein, dass in diesem Haus so gut wie jeder seinen Valentinsschatz hat? Wenn man es sich recht überlegt...“ „Sind nur noch wir zwei übrig“, beendete ich ihren Satz nickend. Schweigen machte sich breit. „Hast du deine Schokolade schon gemacht?“, fragte Pillica schliesslich, um das lästige Schweigen zu durchbrechen. „Ja ich hab sie gestern fertig gekriegt, zusammen mit Anna. Ich denke mal, du kaufst lieber Schokolade, was? Wenn ich mich so an die letzten Experimente in der Küche zurückerinnere.“ „Du bist gemein! Ich habe gedacht wir würden die Schokolade gemeinsam machen“, beschimpfte sie mich entsetzt. „Ich will nämlich etwas ganz Spezielles machen, auch wenn ich noch keinen habe, dem ich die Schokolade schenken will, aber man kann ja nie wissen!“

Schmunzelnd betrachtete ich sie von Kopf bis Fuss, doch mein Blick blieb an ihren Augen hängen, denn in diesen spiegelte sich eine wilde Entschlossenheit. Natürlich konnte und wollte ich dieses Angebot nicht abstreiten. „Ich würde dir gerne helfen“, lautete also meine Antwort. Ein Tag mit Pillica in der Küche? Mit ihr Schokolade herzustellen? Nur zu zweit? Da liess ich mich nicht ein weiteres Mal bitten! „Dann sollten wir unbedingt einkaufen gehen, Tamao! Die anderen machen sich schon an die Valentinsvorbereitungen!“ „Stimmt, sie hängen ‚Bitte nicht stören!’-Schilder an die Türen“, fügte ich grinsend hinzu. „Tja, Tamao-chan. Irgendwann wirst du auch solche Schilder an die Türe hängen können“, kam es schlagartig aus ihrem Mund. Verdammt! Darauf wusste ich keine kluge Antwort. Wie immer konnte ich es nicht verhindern, dass sich bestimmte Zonen meines Gesichtes rot färbten. „Dass du auch immer gleich rot werden musst“, nervte mich Pillica weiter. Wie gemein sie sein konnte, hatte ich fast vergessen.

So kam es, dass Pillica mit mir nach oben in die Zimmer flitzte. Während sie wie wild in ihrem Chaos nach den nötigen Sachen suchte, holte ich seelenruhig meine grosse braune Tasche und den Geldbeutel aus meinem Reich. Geduldig wartete ich neben Pillicas Tür, bis sie mit einem lauten „Gefunden!“ aus dem Zimmer stürmte. Ein Wunder, dass Pillica das Gesuchte noch in diesem Jahrhundert gefunden hatte. So zogen wir beiden los, in Richtung Supermarkt, wobei wir heftig über die Welt und deren mehr oder weniger wichtigen Probleme diskutierten.
 

„Was meinst du? Soll ich Sprühsahne nehmen? Oder doch lieber die flüssige Form?“ „Wofür brauchst du den Sahne, Tamao?“ „Ein neues Rezept, das ich mal ausprobieren will.“ „Aha.“ Schweigend standen wir beide vor dem Regal, ich mit einem Einkaufskorb in der Hand, um das Sahne-Angebot unter die Lupe zu nehmen. „Durchaus…interessant, was du so alles in deiner Einkaufszeit erlebst.“ „Sei still Pillica! Die Zutaten müssen stimmen, da ist jede noch so kleine Entscheidung wichtig!“ „Eigentlich waren wir ja meinetwegen hergekommen. Ausserdem finde ich, dass du übertreibst“, sagte Pillica trotzig, woraufhin sie einfach blind ins Regal griff und mir einen Haufen Sprühsahne in den Korb schmiss. „So erledigt man Probleme“, meinte sie zufrieden, wand sich ab und ging davon, noch rechtzeitig, um der Lawine von herunterfallender Ware zu entkommen. Kreischend und wild fuchtelnd, versuchte ich die Dosen abzuwehren die auf mich zuflogen. Natürlich hatte ich Pechvogel kein Glück und wurde unter dem Berg von Sprühsahne begraben. Logischerweise zog der Krach auch neugierige Kunden an, die sofort wissen mussten, woher das Gekreische und dieser Krach kamen. Glotzend stellten sie sich vor mich hin, um mich weiterhin begaffen zu können. Wildes Gemurmel und Gekicher war aus der Menge zu vernehmen. Noch bevor mir die Angestellten helfen konnten, sprang ich auf und versuchte hektisch, mit schriller Stimme, zu erklären, dass ich das nicht mit Absicht gemacht hätte. Auch wenn es eigentlich nicht meine Schuld war, doch das behielt ich für mich. Das war nicht mehr peinlich, das war oberpeinlich! Nein, auch das war untertrieben! Wie schön es doch gewesen wäre es, wenn ich die Fähigkeit hätte, im Boden zu versinken. Aber leider hatte ich die nicht und deswegen räumte ich mit den Mitarbeitern brav und stillschweigend, die unbeschädigten Sprühsahnen ein.

„Tamao-chan! Was machst du denn da?“ Aha! Der Täter kommt wirklich immer wieder an den Tatort zurück! „Das Chaos aufräumen, das du hinterlassen hast!“, schnauzte ich sie beleidigt an. „Mein Chaos?“, fragte Pillica mit einer Unschuldsmiene. „Ja!“, lautete meine knappe Antwort, griff nach dem Einkaufskorb, den ich aus Versehen fallen gelassen hatte, und stapfte davon. „Bist du jetzt wütend?“ Innerlich seufzte ich. „Nein, bin ich nicht“, sagte ich ehrlich. Ich war wirklich nicht wütend auf sie, Pillica war nun mal eine voreilige Person, jemand der nicht grossartig über die Folgen nachdachte. Aber ich finde, genau das macht einen grossen Teil ihres tollen Charakters aus. Ein wohliger Schauer jagte über meinen Rücken, als ich anfing, von ihr in Gedanken zu schwärmen. „Tamao! Tamao!?“ Pillicas Stimme riss mich aus meiner Träumerei. Die Blauhaarige stand vor mir, schnippte gegen meine Stirn, bevor sie die Hände in die Hüfte stemmte. „Ich habe dich etwas gefragt, aber es sah so aus, als wärst du an einem ganz anderen Ort.“ Erschrocken zuckte ich zusammen, schüttelte dann aber heftig den Kopf. „Tut mir Leid“, murmelte ich. „Schon gut. Lass uns jetzt noch den Rest besorgen und dann ab nach Hause“, lächelte sie, ehe sie nach meiner Hand griff, um mich so quer durch den Laden zu ziehen.
 

Nachdem wir den Einkauf erledigt hatten, machten wir uns auf den Heimweg, der mit einer unerwarteten Hetzjagd endete. Pillica glaubte nämlich, sie müsse einem Strassenhund etwas zu Essen vor die Nase halten und dann davonrennen. „Damit wir auch etwas Sport gemacht haben“, erklärte sie mir seelenruhig. Noch bevor ich etwas dagegen unternehmen konnte, rannte sie in einem Karacho los, mich dabei im Schlepptau und den Hund als Verfolger. „Pillica! Gib dieser Bestie doch dieses verdammte Essen!“, heulte ich flehend und ängstlich, bekam als Antwort bloss ein Lachen, bevor sie noch einen Zahn zulegte.

Nach Atem ringend, standen wir beide vor der Haustür. Ich stand gebeugt vor ihr und blickte kurz hoch. „Pillica! Ich hasse dich! Wieso hast du das gemacht?!“ Pillica atmete tief ein, wobei sie ihr Haar zurückwarf. „Hm? Oh naja...weiss nicht genau. Ein wenig Sport eben.“ „Ein wenig Sport“, wiederholte ich ihre Worte japsend, noch immer nach Luft ringend. „Ein wenig Sport?!“, wiederholte ich die Worte erneut, doch diesmal wütender. „Was ist in letzter Zeit mit dir los?! Du verhältst dich total komisch, Pillica! Ich weiss ja, dass du dumme Sachen machst, aber das ist doch selbst unter deinem Niveau! Das ist doch nicht mehr...“ Als ich mich wieder aufgerichtet hatte, schaute ich ins Leere. Pilli hatte sich aus dem Staub gemacht, besser gesagt, sie war ins Haus verschwunden. „Tama-chan, kommst du jetzt endlich?“, flötete sie in meine Richtung. Vielleicht träumte ich das alles ja bloss? Ich war noch immer wütend, doch auch das Gefühl der Verwirrung kam in mir hoch. Was war denn mit ihr los? Irgendwas stimmte mit ihr nicht. Auf die ganzen Fragen fand ich keine Antwort. Doch dafür war jetzt auch keine Zeit. Pilli wartete ungeduldig in der Küche auf mich. Sie hatte schon die ganzen Sachen auf den Tisch gestellt, konnte aber nicht wirklich etwas damit anfangen.

Als ich die Küche betrat, war meine Wut schlagartig verflogen. Pillicas hilfloses Gesicht brachte mich zum Grinsen. So verloren sah man sie selten und ich musste sagen, dass mir das zu gefallen beginn. „Tamao hilf mir!“ Zu dem hilflosen Gesichtsausdruck, kam jetzt auch noch eine genauso hilflose und fast verletzlich klingende Stimme. Oh je! Dieser Anblick brachte mein Blut in Wallungen. „I-ich komme ja schon“, stotterte ich, während ich mich wie ein Roboter auf Pillica zubewegte. „Also zuerst musst du...ehm...was wollte ich noch mal sagen“, nuschelte ich geistesabwesend, noch immer geblendet von diesem seltenen Anblick. „Irgendwie bist du mir auch nicht eine grosse Hilfe. Ich hätte schon mehr von dir erwartet“, sagte Pilli provokativ. Tja, wenn sie wüsste, weswegen mein Herz raste und mein Verstand mich komplett im Stich liess...Aber leider wird sie es nie wissen. Eine Welle von Trauer überkam mich mit diesem Gedanken, was mich wieder zur Besinnung kommen liess. „Uhm...ich war gerade abgelenkt. Entschuldigung“ „Na, dann musst du dich jetzt auf das hier konzentrieren“ Mit diesen Worten wandte sie sich wieder den Zutaten zu. Ich machte es ihr gleich, wenn auch mit weniger Elan.
 

Schmunzelnd betrachteten wir beide das Ergebnis, das sich vor uns auf dem Tisch befand. „Zufrieden?“ Ein kurzer Blick in Pillicas Richtung verriet mir, dass sie mehr als zufrieden war. „Du solltest mir in Zukunft öfters in der Küche helfen, Tamao.“ Ohne eine Vorwarnung legte Pillica ihre Arme um meinen Hals und drückte mich fest an sich. „Urks!“, war alles was ich raus bekam. Der süssliche Duft von ihrer Haut stieg mir in die Nase, liess mich erschaudern und meine Sinne erneut verrückt spielen. „Tamao? Ich muss dir etwas sagen.“ „Was denn?“, fragte ich, noch immer betäubt von ihrem Geruch. Pillica errötete schlagartig, was mich wieder zur Besinnung kommen liess. Erstaunt blickte ich die Blauhaarige an. Diese hatte den Kopf gesenkt und fummelte an ihrer Schürze rum. „Ich...ehm...ich habe schon vor einiger Zeit jemanden gefunden, dem ich die Schokolade schenken will.“

Krack! Ich glaube, das war mein Herz. Schweigend, mit geweiteten Augen, starrte ich die lächelnde Pillica an. „Deswegen wollte ich auch, dass du mir beim Zubereiten der Schokolade hilfst. Ich will sie nämlich verschenken, doch die Person sollte nicht daran sterben können“, kicherte sie. Krack! Ja, das war wirklich mein Herz, das gerade dabei war, zu zerbrechen. Ich fühlte mich, als hätte mir jemand einen Schlag ins Gesicht verpasst. In meinem Kopf drehte sich alles sodass mir schlecht wurde. Doch antworten konnte ich immer noch nicht. Wie gelähmt stand ich vor Pillica, die immer noch weiterredete. Von ihren Worten bekam ich nichts mehr mit, ihre Stimme klang nur noch weit entfernt und verzerrt. Die Küche um mich herum färbte sich schwarz, die Umrisse verblassten, bis ich mich in einem vollkommen dunklen Raum befand. Ich wusste nicht, wie ich jetzt reagieren sollte. Meine Gefühle, meine Gedanken, mein Verstand...alles vermischte sich miteinander und verschmolzen zu einem einzigen, grossen Klumpen, der sich in meinem Hals festsetzte.

Erst als Pillica mir auf die Schulter klopfe, kam ich wieder zu mir. Der dunkle Raum wurde nach und nach wieder zur Küche und Pillicas Stimme drang an mein Ohr. „Ich muss es noch verpacken. Wir haben aber kein Geschenkpapier mehr. Das Passende ist ausgegangen, da irgendwer sehr schlecht im Verpacken ist“, überlegte sie laut und fuhr fort: „Ich hole sonst rasch welches, du musst auch nicht unbedingt mitkommen, okay? Bin sofort wieder da“ Mit diesen Worten legte sie die Schürze ab, eilte zur Haustür, wo sie sich ihre Jacke griff und war auch schon verschwunden.

Ich war nicht dazu fähig, irgendwas zu erwidern, ich fühlte mich noch immer benommen von dem Stich, den ich ins Herz bekommen hatte. Dieses Geständnis kam völlig unerwartet. Ich dachte wirklich, dass Pillica keinen Valentinsschatz hatte und ich vielleicht ihre Schokolade abbekommen würde, wenn auch nur aus Freundschaft. Mein Mund war vollkommen ausgetrocknet, aber noch immer konnte ich nichts mit meinen Gefühlen oder Gedanken anfangen. Mein ganzer Körper spielte verrückt. Wut, Trauer und Verwirrung. War da auch das Gefühl der Freude? Freude darüber, dass sie doch jemanden gefunden hatte? Dass sie glücklich war? War das denn nicht wichtiger, als dass ich bei ihr an erster Stelle stand? Was ist mit der Eifersucht? Vielleicht manipulierte auch noch das grüne Monster meinen Verstand.

Als ich mich wieder gefasst hatte, konnte ich meine eigene Schürze mit zittriger Hand ablegen. Ich hatte das Bedürfnis in mein Zimmer zu gehen. Mit wenigen Schritten erreichte ich die Treppe. Stufe für Stufe liess ich das Erdgeschoss hinter mir, bis ich mit dem nächsten Schritt mein Zimmer betrat. Ich schloss leise die Tür hinter mir, verriegelte sie zur Sicherheit auch ab, da ich den Wunsch hatte, alleine zu sein. Doch kaum hatte ich abgeschlossen, knickten meine Beine unter meinem Gewicht ein, als wären sie aus Gummi. Unsanft landete ich auf dem Boden, um sofort in Tränen auszubrechen. Ich begann, hemmungslos Rotz und Wasser zu heulen, zu wimmern und zu schniefen. All die Gefühle die ich vorhin unbewusst unterdrückt hatte, brachen aus mir heraus. Wieso? Ausgerechnet jetzt? Wieso hatte ich sie denn nicht gefragt, ob wir uns gegenseitig die Schokolade schenken würden?

Wie lange ich da auf dem kalten Boden sass, wusste ich nicht, doch irgendwie schaffte ich es, mich zu erheben. Stumm bahnten sich die Tränen noch immer ihren Weg über die Wangen, bis zum Kinn, um sich dann fallen zu lassen. Ich schniefte und wischte mir mit dem Handrücken einmal quer übers Gesicht. Ohne es zu merken, hatte ich mich in Bewegung gesetzt, bis ich beim Schreibtisch ankam. Dort öffnete ich die unterste Schublade um das selbstgemachte Schokoladenherz, das in ein zartes Rosa gehüllt war, hervorzuholen. ‚Für Pillica’, hatte ich mit weisser Zuckerschrift fein säuberlich auf die braune Schokolade geschrieben. Krack! Wieder brach ein Herz. Doch diesmal war es nicht mein eigenes, sondern das Schokoladenherz, das ich ohne Erbarmen entzwei brach und in den nahestehenden Abfalleimer warf. Eine letzte Träne folgte dem zerbrochenen Herzen in den Müll.

Den restlichen Tag verbrachte ich in meinem Zimmer, was Pillica Sorgen bereitete (diese war nämlich in der Zwischenzeit wieder nach Hause gekommen). Immer wieder klopfte sie an meine Tür, um zu fragen, ob alles in Ordnung sei. Ich antwortete ihr nicht, da ich mich in Ruhe ausheulen wollte. Doch auch die Zeit des Weinens war mal vorbei. Irgendwann versiegten meine Tränen und die Müdigkeit schlich sich heran. So fiel ich in einen tiefen aber unruhigen Schlaf.
 

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Vanilleeis mit heissen Beeren Teil 2

„Tamao! Steh auf und bereite das Frühstück vor!“ Wildes Gehämmer zusammen mit Annas eisiger Stimme rissen mich am frühen Morgen aus dem Schlaf. Müde rappelte ich mich auf, wobei ich herzhaft gähnen musste. Schliesslich erhebte ich mich mühsam, mir dabei durchs Haar streichend. „Tamao!“, brüllte Anna erneut. „Ich beeil mich ja“, antwortete ich rasch, um sie zu besänftigen. „Das hoffe ich für dich“, knurrte sie. Die leiser werdenden Schritte verrieten mir, dass sie sich mit der Antwort mehr oder weniger zufrieden gab. Seufzend öffnete ich meinen Kleiderschrank, um mir etwas Frisches zum Anziehen herauszusuchen. Damit Anna nicht noch wütender wurde, beeilte ich mich mit dem Umziehen, schloss die Tür auf und polterte eilig die Treppe runter. Verstohlen warf ich einen Blick ins Wohnzimmer und in die Küche. Anscheinend war Pillica noch nicht aufgestanden. Beruhigt über diese Feststellung machte ich mich an die Vorbereitung des Frühstücks. Was gestern geschehen war, hinterliess in mir eine tiefe Wunde. Pillica wollte ich im Moment nicht unter die Augen treten. „Yoh und ich werden heute Abend ausgehen. Die anderen zwei haben anscheinend auch irgendwas vor, du und Pillica werden also alleine zu Hause sein.“ Ich zuckte zusammen. Hatte ich das richtig verstanden? „Yoh meinte, ich sollte euch beiden heute auch etwas einkaufen. Irgendeinen Nachtisch. Erwartet aber nicht zuviel, das ist schliesslich mein Geld, dass ich für euch ausgebe.“ Ich wusste nicht, was mir mehr Angst machte; Das alleine Sein mit Pillica oder die Angst davor, was Anna uns kaufen würde. Was Lebensmittel und gutes Essen betraf, hatte sie nun wirklich noch weniger Ahnung als Pillica. „Uhm...okay“, erwiderte ich kaum hörbar ohne mit der Arbeit aufzuhören. „Und jetzt beeil dich, ich verhungere hier ja bald“, fügte Anna schroff hinzu, wandte sie sich ab und stolzierte aus der Küche. Kalt wie eh und je. Manchmal beneidete ich Annas Art, sie bekam immer alles, was sie wollte.

Der Tag zog sich schleppend daher. Ich hatte in den ganzen Stunden kein Wort mit Pillica gewechselt, da ich zu sehr damit beschäftigt war, ihr aus dem Weg zu gehen. Jetzt musste ich nur noch den Abend überstehen. Ich sass schon ein ganzes Weilchen vor dem Fernseher, um die Zeit totzuschlagen. Ab und zu warf ich einen Blick auf die Uhr. Es war gerade kurz nach sechs. Während Anna Yoh laut brüllend durchs Haus jagte, verliess Pillicas Bruder zusammen mit Ren das Haus. Ich verdrehte neidisch die Augen und griff in die Keksschale, mit der ich mich vor den Fernseher gepflanzt hatte. Lustlos knabberte ich an dem Keks rum, den ich zwischen die Finger gekriegt hatte. „Hey Tamao“, ertönte Yohs Stimme hinter mir. Rasch drehte ich mich in seine Richtung.. „Also...Anna und ich haben euch was im Kühlfach hinterlassen, aber keine Angst, ich habe es selber ausgesucht. Nur so aus Sicherheit, versteht sich.“ Ein Grinsen konnte er sich nicht verkneifen. Ich nickte ihm dankbar zu und zwang mich zu einem Lächeln. „Ich wünsche euch viel Spass“, antwortete ich, wobei ich versuchte, freundlich zu klingen. „Wünsch ich euch beiden auch. Geniesst den Abend, ihr seid schliesslich alleine zu Hause“, lächelte er, hob die Hand zum Abschied und liess sich von Anna nach draussen scheuchen. Danke Yoh, dass du mich daran erinnern musst, dachte ich genervt. „Den Abend werden wir sicher geniessen, was Tamao-chan?“ Ich verschluckte mich an meinem Keks, als ich Pillicas Stimme hörte. Woher kam sie denn so plötzlich. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, setzte sie sich neben mich auf den Boden. Mit geweiteten Augen musterte ich sie eine Weile, bis das Mädchen den Kopf in meine Richtung drehte. „Uhm, ist irgendwas? Oder starrst du mich einfach so aus Spass an?“ Sofort senkte ich den Blick. „Tut mir...Leid.“ Ich konnte aus dem Augenwinkel erkennen, dass Pillica sich durchs Haar strich und eine Strähne um ihren Finger wickelte. Anscheinend fühlte sie sich unwohl, genauso wie ich. Okay, mir gefiel die Situation, so wie sie jetzt war, überhaupt nicht. Sollten wir uns noch ewig anschweigen? „Wollen wir mal nachsehen, was Yoh und Anna uns im Kühlfach hinterlassen haben?“, fragte ich, um die Stimmung zu lockern, was aber nicht so klang, wie ich es wollte. Pillica nickte achselzuckend. „Warum nicht.“ Wir rappelten uns auf und gingen, mit einem Abstand zueinander, in die Küche. Eine angenehme Kühle kam mir entgegen, als ich die Tür des Kühlfachs öffnete. Mein Blick fiel auf die beiden vordersten Schachteln, welche ich auch raus nahm. „Was ist es denn?“, fragte Pillica neugierig, die fast am anderen Ende des Raumes stehen geblieben war. Ich wedelte mit den beiden Schachteln in der Luft rum, während ich sprach: „Vanilleeis und tiefgekühlte Himbeeren.“ „Das heisst also, dass es Vanilleeis...mit tiefgekühlten Beeren gibt?“, fragte Pillica mit einer hochgezogenen Augenbraue. Ein Grinsen, das ich versuchte zu unterdrücken, huschte über meine Lippen. „Ich wäre ja eher für warme Beeren“ „Damit kann ich leben. Das heisst also, dass wir jetzt diese Beeren aufwärmen. Aber wärmt man die denn wirklich im Ofen auf?“ „Nein! Natürlich nicht! Du bist nicht wirklich informiert, was? Hattest du denn noch nie Vanilleeis mit heissen Beeren?“ Pillica lächelte verlegen. „Nicht wirklich. Was Süssspeisen betrifft, da habe ich mich auf ein paar wenige beschränkt. Ich probiere nur ab und zu etwas von Freunden, doch das war’s auch schon.“ „Dann wird es aber höchste Zeit“, sagte ich lachend und verstaute das Eis wieder im Kühlfach.

Es dauerte nicht lange, bis die Luft in der Küche von einem süsslichen Duft erfüllt war. Interessiert beobachtete Pillica, wie ich etwas Eis in zwei Schälchen verteilte und das alles mit den warmen Beeren übergoss. Prüfend musterte die Blauhaarige die Süssspeise. „Und das soll gut schmecken?“ „Versuch es doch einfach“, antwortete ich seufzend, die Skepsis der Anderen ignorierend. Ich drängte mich mit meinem Dessert in der Hand an Pillica vorbei, um mich zurück ins Wohnzimmer zu setzen. Pillicas Blick, der in meinem Nacken festsass, spürte ich ganz deutlich. „Oh Gott ist das lecker!“, hörte ich Pillica, wenige Sekunden später, kreischen. Das Geräusch von Elefantenschritte ertönte hinter mir. Im nächsten Moment setzte sich Pilli mit grossen, glänzenden Augen neben mich. Sie schlang ihr Eis regelrecht runter, genoss aber trotzdem jeden einzelnen Bissen. Seltsamerweise konnte sie das Eis ohne eine Unterbrechung verschlingen. Na gut, die Frage, warum es in ihrem Kopf nicht zu einem Gefrierschock kam, sparte ich mir. „Ich hol mir noch eine Portion, wenn ich damit fertig bin. Also...jetzt!“ So schnell wie Pillica sich hingesetzt hatte, so schnell war sie wieder auf die Beine gesprungenen, wobei ihr blauer Rock schwungvoll flatterte und zwar so, dass man einen Blick erhaschen konnte. Natürlich konnte ich mir das nicht verkneifen. Mist, viel sehen konnte ich leider nicht. Kaum hatte ich diesen Gedanken in meinen Kopf gezaubert, schimpfte ich heftig mit meinem inneren Ich. So was machte man doch nicht, egal wie verführerisch es war. Zwischen uns herrschte doch immer noch Funkstille. Jedenfalls glaubte ich das. Seufzend legte ich den Kopf in den Nacken. Wie wundervoll! Wir hatten unsere Beziehung doch erst gerade auf einen neuen Stand gebracht und jetzt war sie schon wieder am Zerbröckeln. Eigentlich nur meinetwegen. Wieso musste ich mich denn in sie verlieben? Ich pustete mir eine meiner rosafarbenen Strähne aus dem Gesicht. Diese Situation war doch echt zum... „Hey! Tamao! Willst du auch noch etwas abhaben?“, hörte ich Pillica aus der Küche rufen. „Nein, danke. Ich habe noch genug.“ Ob ich mein Eis heute noch zu Ende essen würde, war fraglich, denn meine Gedanken kreisten sich nicht ums Essen, sondern noch immer um Pillica und mich, unsere Freundschaft. „Übrigens“, begann Pillica, als sie sich wieder neben mich sinken liess, mit einer neuen Portion in der Hand, „ich habe uns noch etwas für uns besorgt. Für den ganz besonderen Abend.“ Ihr keckes Grinsen verriet mir nichts Gutes. Blieb nur die Frage, ob ich wissen wollte, was sie für uns besorgt hatte. „Ganz sicher, dass ich es wissen will?“, fragte ich nun doch, aber die Frage bereute ich sofort, als Pillica zu lachen begann. „Und ob du das wissen willst. Sobald ich mein Eis aufgegessen habe, werde ich es dir zeigen.“ Löffel für Löffel, verschwanden Eis samt Beeren in ihrem Mund. Wie erstarrt sass ich aufrecht neben ihr, den Blick auf die Schale gerichtet, die in kurzer Zeit verspeist war. Wir gerne würde ich nun die Resten von ihren Lippen küssen. So, jetzt reicht es aber mit der Schwärmerei, schimpfte ich innerlich. Immer öfter hatte ich diese Streitereien mit mir selber doch langsam reichte es mir. Pillica war vergeben, damit musste ich mich abfinden, auch wenn es mir nicht gefiel. Während ich, mal wieder, mit mir selber einen Kampf führte, war Pillica nach oben gesaust, ob die sogenannte Überraschung zu holen. Laut polternd kam sie kurze Zeit später wieder die Treppe runter, direkt zu mir ins Wohnzimmer, wo sie sich direkt neben mich plumpsen liess. Mit einer Hand wedelte sie mit einer DVD-Hülle vor mir rum, deren Titel und Aussehen mir so gar nicht gefiel. „Ein Horrorfilm?“, riet ich, mit einem schlimmen Verdacht. Damit hatte ich natürlich ins Schwarze getroffen. „Oh Pillica. Wieso tust du mir das an? Du weißt genau, dass ich solche Filme nicht ausstehen kann!“, protestierte ich lautstark. Das durfte sie mir doch nicht antun! „Ach komm schon. Das ist doch alles nur gespielt“, grinste die Blauhaarige um mich zu beruhigen. Von wegen, beruhigen! Aber ich wusste ganz genau, dass ich da nicht herumkommen würde. Ich musste mich meinem Schicksal stellen und mit ihr diesen Film ansehen. „Na gut, dann schieb die DVD rein“, brummte ich unzufrieden. „Was? Wieso? Doch nicht jetzt, es ist noch zu früh, auch wenn es schon recht dunkel ist. Draussen muss es pechschwarz sein, dann schalten wir das Licht aus und stellen die Lautstärke etwas mehr auf!“ In Pillicas Augen spiegelte sich die pure Begeisterung wider. Stöhnend legte ich den Kopf in den Nacken, um ihr klar zu machen, dass ich von dieser Idee überhaupt nicht begeistert war. „Können wir nicht wenigsten eine Kerze anzünden? Nur eine einzige!“, flehte ich sie an, aber ohne Erfolg. „Wir machen es so, wie es sich gehört! Dunkel! Ohne Licht!“
 

Trotz Betteln und Flehen, konnte ich Pillica die Idee nicht aus dem Kopf schlagen. Zwar konnte ich es noch etwas hinauszögern, indem ich ihr vorschlug, uns erst einmal in unsere Schlafklamotten zu schmeissen. Aber wirklich viel Zeit brachte mir das auch nicht.

Ein mulmiges Gefühl machte sich in mir breit, als ich die Vorhänge zuzog. Draussen hatte es sogar, passend zur Stimmung, angefangen zu stürmen. Das Universum war also eindeutig gegen mich. Ich drehte mich um und konnte beobachten, wie Pillica noch ein paar Snacks auf dem kleinen Tisch vor dem Fernseher stellte, bevor sie das Licht auslöschte. Schlagartig stellten sich meine Nackenhaare auf, während mich innerlich alles zur Flucht aufforderte. Steif wie eh und je, bewegte ich mich auf den Tisch zu und setzt mich neben diesen hin. Das summende Geräusch vom DVD-Player war mir nicht geheuer. Wenn es dunkel war, klang es irgendwie gruselig. Okay, das war wohl etwas übertrieben, aber es klang in meinen Ohren nun mal anders. Wenigstens spendete der Fernseher noch sein helles Licht, was den Raum ein bisschen freundlicher wirken liess. Wäre doch die perfekte Atmosphäre für einen romantischen Abend, wenn da bloss nicht dieser dämliche Film wäre. Laut stiess ich die Luft aus. Das konnte ja etwas werden. Leise liess sich Pillica, welche zwei Kissen in den Armen hielt, neben mich auf den Boden sitzen „Hier, falls du Angst bekommst!“, flüsterte sie mit verstellter Stimme in mein Ohr. „Gib schon her!“ Gewaltsam entriss ich ihr ein Kissen, welches ich fest an meine Brust presste, damit ich wenigstens ein bisschen das Gefühl von Sicherheit hatte. Seelenruhig startete Pillica den Film per Fernbedienung. Schon nur der Anblick der Menüauswahl, liess mich erschaudern, als sich im Hintergrund manche Szenen abspielten. Am liebsten hätte ich ins Kissen gebissen, doch ich versuchte ruhig zu bleiben.

Gut, der Anfang des Films verlief eigentlich noch ruhig, nichts weswegen ich Panik kriegen musste. Doch je später es wurde, desto gruseliger kam mir der Film vor. Ein kurzer Blick auf die Uhr verriet mir, dass es kurz nach Mitternacht war. Warum waren die anderen denn noch nicht zurück?, grübelte ich ängstlich. Wenn sie wieder zurückkommen würden, dann hätte dieses verdammte...! Der Schrei einer Frau liess mich aufschrecken. Einen leisen Aufschrei konnte ich nicht mehr zurückhalten, obwohl ich meine Hände fest auf meinen Mund presste. Pillicas Kichern drang an meine Ohren. Diese hatte sichtlich Spass daran, mich zu quälen. „Pillica, bitte! Können wir nicht etwas anderes sehen? Mir egal was, solange es nicht gruselig ist.“ „Och, Tamao! Verdirb mir doch nicht den ganzen Spass“, säuselte Pilli mit engelsgleicher Stimme. Sie hatte Glück, dass ich sie so mochte und die bösen Gedanken deswegen verdrängte. „Bitte!“, flehte ich sie noch immer an. Lachend gab Pillica nach und griff sich die Fernbedienung, welche sie mir zuwarf. „Du heulst ja fast. Ich will mich nicht schuldig fühlen, wenn du beim Weitersehen einen Herzinfarkt bekommst und ins Gras beisst.“ Trotzig, aber durchaus erleichtert, fing ich die Fernbedienung auf. Ich erkannte zwar kaum etwas, da sich das Szenenbild gerade geändert hatte, doch das war mir egal, solange sich das Programm änderte. Was ein Knopfdruck alles bewirken konnte, wurde mir erst bewusst, als es schon zu spät war. Ohne Vorwarnung schaltete sich der Fernseher aus. Ein erschrockener, schriller Schrei kam aus meinem Mund. „Was zum...“, murmelte Pillica. Ich konnte hören, wie sie sich erhob, ein paar Schritte ging und versuchte, das Licht anzuschalten. Zwar klickte der Schalter hörbar, doch es zeigte sich keine Reaktion. „Oh Tamao! Du musst es mal wieder übertreiben, was? Gleich einen Stromausfall“, ärgerte mich Pillica. „Hey! Das ist nicht witzig, okay?!“, fauchte ich, mit einer zittrigen Stimme. Schnell rappelte ich mich auf, um zu Pillica zu eilen. Aber anscheinend fand das Universum, dass ich über den Tisch stolpern musste. „Tamao?“ „Alles in Ordnung!“, zischte ich sofort, bevor die Blauhaarige zu lachen begann. „Ich weiss gar nicht, was du hast. Das ist doch eine tolle und aufregende Stimmung, findest du nicht?“, schwärmte sie, doch ich konnte wetten, dass sie dabei ihr breitestes Grinsen aufgesetzt hatte. Sie amüsierte sich immer köstlich, wenn ich mich schusselig anstellte. Vorsichtig tapste ich durch den dunklen Raum. „Nun komm schon! Wir müssen das mit der Sicherung wieder in Ordnung bringen, Pilli.“ Pillica folgte mir aus dem Raum, blieb jedoch stehen und zupfte an meinem Oberteil. „Du, sag mal“, begann Pillica. Ich blieb stehen und drehte mich zu ihr um. „Was?“ „Weißt du denn, was wir machen müssen, damit wir wieder Strom haben?“ Eine kurze Zeit fehlten mir die Worte, bevor ich ihr antworten konnte. „Äh...muss man nicht...so einen Knopf drücken? Oder einen Hebel umlegen? Oder so was ähnliches?“ „Weiss ich nicht, deshalb frage ich ja“ „Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, normalerweise hatte Yoh sich darum gekümmert.“ Wir beide seufzten synchron. „Ich glaube, wir können hier nichts mehr machen. Wir sollten schlafen gehen, Yoh wird das schon hinkriegen.“, schlug Pillica vor. Das erschien mir gar nicht mal so dumm. „Du hast Recht. Dann also auf zur Treppe.“

Glücklicherweise war ich nicht die einzige, die so ihre Probleme in der Dunkelheit hatte. Pillica folgte mir die Treppe nach oben und auch ihr passierte es, dass ihr hie und da ein ‚autsch’ entwich. Kichernd tastete ich mich weiter, bis ich heil oben angekommen bin. „Dann also eine gute Nacht, Tamao.“ Pillica versuchte an mir vorbeizukommen, doch ich griff reflexartig nach ihrer Hand, um sie zurückzuhalten. „Tamao?“, fragte die Andere verwirrt. „Ich ehm...Naja weißt du, dieser Film hat mich...nennen wir es mal beeindruckt“, murmelte ich mit verlegender Stimme. „Du hast also Angst?“ „So kannst du es auch nennen, aber ich finde, beeindruckt trifft es besser“, versuchte ich mit gelassener Stimme zu sagen, doch wir beide wussten, dass sie mit dieser Aussage ins Schwarze getroffen hatte. Zu meiner Überraschung zog mich Pillica damit nicht auf, sondern bat mich in ihr Zimmer. Da sich unsere Augen nun an die Dunkelheit gewöhnt hatten, bewegten wir uns sicherer fort, direkt in Pillis Zimmer. Diese holte aus ihrem Schrank einen weiteren Futon, den sie neben ihrem eigenen auf den Boden legte. „Der ist zwar etwas alt, aber für eine Nacht tut der es auch.“

Da lagen wir beide also. Im gleichen Zimmer, so nahe beieinander. Vorsichtig schielte ich zur Seite, um einen Blick auf Pillica werfen. Diese hatte sich mit einem ‚Schlaf gut’ auf die andere Seite gedreht, so dass sie mir den Rücken zuwandte. Abgesehen von dem Wind, der durch die Blätter der Bäume wehte. Anscheinend beruhigte sich das Unwetter, denn die Wolken begannen sich zu verziehen und gaben den Mond Stück für Stück frei. Ich konnte nicht schlafen. Nicht nur, weil ich kaum müde war, sondern wegen Pillica. Was ist, wenn ich einen unruhigen Schlaf haben werde und auf ihrer Seite rollte? Alleine schon die Vorstellung liess mein Blut in Wallungen geraten. Schnell verwarf ich den Gedanken, bevor ich mir noch vorstellte, wie ich sie in Gedanken auszog. Ich drehte mich mit geschlossenen Augen zur Seite. Nur noch einen Blick, dann wird ich versuchen zu schlafen. Vorsichtig, als könnte etwas passieren, öffnete ich meine Augen. Pillica hatte sich wohl im Schlaf in meine Richtung gedreht und jetzt...schaute sie mich an. Verwirrt blinzelte ich. Hatte ich mich geirrt? Nein, ich konnte es im Mondlicht sehr gut erkennen. „Ist etwas? Kannst du denn nicht schlafen?“, flüsterte ich mit besorgter Miene. Auf ihren Lippen erschien ein warmes Lächeln. „Nein, es ist alles in Ordnung“, beruhigte sie mich. Meine Wangen färbten sich wieder dunkelrot, doch ehe ich mich verlegen wegdrehen konnte, spürte ich Pilli’s Hände an meinen Wangen. Mir stockte der Atem. Ich fühlte mich wie ein Vollpfosten, ich war nicht fähig zu fragen, was sie vorhatte, ich starrte sie bloss mit geweiteten Augen an. Doch mir dämmerte es plötzlich, dass Pillica etwas vorhatte, was mir gefallen würde. Ich konnte erkennen, dass sich ihr Gesicht nun auf meines zubewegte und ihre Lippen näherten sich meinen unaufhaltsam. Mein Herz begann zu rasen, als ich ihren süssen Atem spüren konnte. Langsam schloss ich meine Augen, ehe ihre Lippen die meinen trafen. Sie hatte mir meinen ersten Kuss geraubt. Glücksgefühle erfüllten meinen Körper, obwohl ich verwirrt war. Wieso dieser plötzliche Wandel? Egal, was soll’s? Ich bekam endlich das, was ich wollte.

Glücklich schlang ich die Arme um Pillica, die hastig zu mir rüberrobbte. Sanft strich ihre Zunge über meine Lippen, welche sich im nächsten Moment ein Stück öffnete. Noch ein wenig unsicher kam ich ihrer Zunge entgegen. Pillica hatte ihre Position gewechselt und sich nun über mich gebeugt, gestützt auf Arme und Beine. Ich hatte noch immer die Arme um ihren Hals gelegt und hing weiterhin an ihren Lippen. Nun löste Pillica den Kuss, um sanft über die Wangen zu streicheln und mir ein wundervolles Lächeln zu schenken. Auch ich erwiderte mit einem Lächeln, bevor ich ihren Kopf wieder zu mir zog, um einen langen Kuss auf ihre weichen Lippen zu drücken. Schon im nächsten Moment hinterliessen ihre Küsse auf meinem Hals heisse, angenehme Spuren. Die Küsse, die sie mit ihrem heissen Atem verband, liessen mich verrückt spielen. Ich neigte den Kopf zur Seite, damit Pillica mehr Fläche zum Küssen hatte, was sie auch gleich ausnützte. Keinen einzigen klaren Gedanken brachte ich zu Stande. Zärtlich fuhren ihre Fingerspitzen die Linien meines Kinns nach, bis zu meiner Kehle um schliesslich. Das weisse Shirt, welches zu einem Teil meines Schlafanzugs wurde, schien sie zu stören. Und mich ehrlich gesagt auch. Doch Pillica rührte sich nicht. Stattdessen sah sie mir tief in meine Augen, abwartend, was ich nun sagen oder machen würde. Ohne gross nachzudenken, versuchte ich mich aus meinem Shirt zu befreien. Kichernd beugte sich Pillica wieder über mich, als ich mein Oberteil in die Ecke warf. Ihre weichen Strähnen fielen auf meinen nackten Oberkörper, welcher wieder mit Küssen beschenkt wurde. In gleichmässigen Schritten wanderten ihre Hände tiefer, umspielten meinen Bauchnabel. Keuchend schnappte ich nach Luft, als mir auffiel, dass ich das Atmen fast vergessen hatte. Ich wollte mich ihr hingeben und vergass alles um uns herum.

Diese Nacht war nicht mehr dunkel und schwarz. Ihre Luft war erfüllt voller Leidenschaft, die in unserer Liebe vorhanden war. Sie brannte förmlich und erhellte die Nacht so lange, bis der Tag anbrach. Keiner würde je in der Lage sein, unser gemeinsames Feuer zu löschen. Niemals.
 

Ein leises, aber zufriedenes Seufzen entwich mir. Im nächsten Moment spürte ich eine warme Hand, auf meiner Wange, deren Finger hoch zu meiner Stirn wanderten und mir einige zerzauste Strähnen aus dem Gesicht strichen. „Guten Morgen“, nuschelte die Blauhaarige verschlafen. „Morgen“, antwortete ich leise, um nicht die Stimmung zu zerstören. Sie lächelte mich an und drückte mir einen Kuss auf die Stirn. „Ich muss dir noch etwas sagen, Tamao-chan“, hauchte Pillica leise in mein Ohr. Sie tastete mit der einen Hand den Boden neben sich ab, solange bis sie gefunden hatte, was sie suchte. Es war das Schokoladenherz, das wir zusammen kreiert hatten. Fragen blickte ich die Blauhaarige an und erntete gleich einen weiteren Kuss von ihr. Warmherzig lächelte sie mich an und reichte mir das süsse Herz, das ich noch etwas verwirrt annahm. „Nachträglich noch alles Gute zum Valentinstag, Tama“, lächelte sie, woraufhin sie ihre Arme wieder um mich schlang, um meine Nähe nicht zu verlieren.

„Sag mal. Du hast dich in letzter Zeit so seltsam verhalten. War das gestern Nacht die Antwort?“ Pillica zog verlegen eine Schnute. „Ich wusste nicht, was diese Gefühle zu bedeuten hatten, deswegen versuchte ich sie auch die ganze Zeit über zu verdrängen. Doch das war falsch. Und, na ja, wenn ich verwirrt bin und nicht mehr weiter weiss, mache ich nun mal sehr dumme Sachen.“ „Ja, zum Beispiel das mit dieser Hundebestie! Wie konntest du nur?“, grummelte ich leise und erinnerte mich an den Moment der Hetzjagd zurück. Skeptisch betrachtete sie mich, während sie sich eine Strähne aus dem Gesicht wisch. „Nun übertreib mal nicht, Tama! Das war ein kleiner Hund, der uns nicht einmal annähernd zu den Knien kam. Der hätte dich schon nicht zerfleischt, ausserdem war der nach kurzer Zeit total ausser Puste. Wenn du einen Blick zurückgeworden hättest, wäre dir das auch aufgefallen. Zudem kommt noch, dass er auch kein Strassenhund war.“ Mit hochgezogener Augenbraue musterte sie mich, auf eine Antwort abwartend. „Trotzdem war das eine Bestie“, antwortete ich schliesslich leise nuschelnd und mit geröteten Wangen, auf welche Pillica im nächsten Moment einen weiteren, sanften Kuss hauchte.
 

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Kommentare zu dieser Fanfic (69)
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Von:  rikku1987
2010-04-30T17:32:22+00:00 30.04.2010 19:32
ein wirklich schönes FF, du hast zwar ein paar itzibitzikleine schreibfehler drinne, dennoch konnte ich meine augen nicht loseisen

Von:  Takuya
2009-09-29T21:11:34+00:00 29.09.2009 23:11
whoah~ *_*
*schmelz*
süüüüüß!!!!
*schmelz*
Ein suuuuper Kapitel X3~

*geschmolzen ist*
*Fan-Schiffchen mit Fan-Flagge auf der Pfütze schwimmt*
x3

Das kappi is wie immer echt toll geschrieben udn die stimmung hast du echt toll rübergebracht!! Wahnsinn =)
gaaanz schnell weiterschreiben ja? *_*

lg
Takuya~
Von:  Silver_Wolf
2009-09-29T16:00:09+00:00 29.09.2009 18:00
*_______* woaaaaah na endlich *__* da sist zucker *__*

suuupüer wie du die scenen beschrieben hast *__* zum dahin schmelzen *__________*

endlich haben die beiden sich gefunden *rrr* *freu*

*________* meeeehr xD

lg
Von: abgemeldet
2009-09-28T21:53:28+00:00 28.09.2009 23:53
*schmelz*
und
*lach*
und
*grins*
ENDLICH!!!
^^
So eine gute Idee, weiterzuschreiben. Wirklich.
Von:  Jokul
2009-09-28T17:57:34+00:00 28.09.2009 19:57
WAAAAH Q///Q

Ist das S-Ü-ß!!! <///3
Ich weiß gar nicht was ich dazu schreiben soll... außer über knuffig <3

Me hofft das du gaaazn schnell weiter schreibst :P
*chuw*

Deine Fan-Spam-Sis <//3
*hibbel*
Von:  La_souveraine
2009-09-26T17:27:26+00:00 26.09.2009 19:27
endlich *___* nach soooo langer zeit...T___T
ich habe wirklich jeden tag mit sehnsucht auf dieses kappi gewartet und ENDLICH hast du es hochgeladen!
DANKE DANKE DANKE >3<
dein schreibstil wird immer besser...mit jedem kappi ^^
super toll geschrieben..hut ab und meinen respekt!
freue mich schon auf den 2. teil, aber lass dir diesmal nicht so viel zeit ;)

glg ^^
Von: abgemeldet
2009-09-26T16:12:29+00:00 26.09.2009 18:12
Unfassbar, es geht weiter. Nach so langer Zeit rechnet man nicht mehr damit, aber ich bin sehr froh, dass du die FF nicht abgebrochen hast. ^^
Wie immer musste ich öfter mal lachen, besonders bei der Szene mit dem Hund. Aber gut, dass das Drama bald vorbei ist. XD
Von:  Jokul
2009-09-25T15:58:58+00:00 25.09.2009 17:58
JAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAH >////<

ein neues Kappi!!! *____*
*hibbel*
Und des ist sauuu gut geschrieben <//3
*schwärm*

lad den zweiten teil bloß schnell hoch T//T
*nodnod*

*chuw*
toi Spam-sis (die no time zum spammen hat Q___Q)
Von:  Takuya
2009-09-25T14:54:08+00:00 25.09.2009 16:54
Yay!!! *_*
Endlich wieder ein neues Kappi X3~

*freu*

Also wie die anderen Teile auch einfach toll geschrieben~
Ich hoffe das nächste kappi kommt auch bald!!!
*________*

lg Takuya
Von:  Silver_Wolf
2009-09-25T10:57:20+00:00 25.09.2009 12:57
*__________________________* jaaaaaaaaaaaaaa ein neues kapi *____________*


wieder super gut *___*

machst es ja mal wieder schön spannend xD auch wenn das >vermeindliche< ende schongeschrieben steht XDD

*_________* hoffe das du wirklich bald den zweiten teil hoch lädst xD

*__* super geil ^^

lg


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