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Kapitel 23 online (09.12.2010)
von

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Wiedersehen - Oder wie man das nennt

Ich will gar nicht auf das Datum schauen, als es hier das letzte Mal etwas gab. Eigentlich hatte ich mir ja vorgenommen, ab sofort regelmäßiger hochzuladen, aber daraus ist auch weiterhin nichts geworden.

Leider war ich ziemlich raus aus der Story, weswegen es hier auch so lange nichts gab. Irgendwie fehlte mir die Motivation >o<

Ich hoffe, dass mir das niemand so übel nimmt, die Fanfiktion wird nicht abgebrochen, aber ich kann auch nicht so genau sagen, wann es das nächste Mal wieder etwas gibt :/

Eigentlich war dieses und das nächste Kapitel als Eines geplant, aber jetzt finde ich es doch besser, es in zwei zu teilen.

Und. Ich finde es teilweise wirklich erschreckend, wie manche über Uruha reden, nachdem das ganze Zeug mit Reita passiert ist xD

Ich sag jetzt mal nicht, was meine Meinung dazu ist, aber damit hab ich echt nicht gerechnet!

Danke an meinen Beta life_is_melody :D

Viel Spaß, falls sich überhaupt noch jemand an die vorige Handlung erinnern kann xD
 

Meroyui
 

_____
 

Kapitel 23 – Wiedersehen – Oder wie man das nennt
 

Großteils war es dunkel um mich. Bloß hin und wieder konnte ich ein paar Lichtpunkte ausmachen, die mich selbst durch meine geschlossenen Augen noch zu blenden versuchten. Aber nur kurze Zeit, denn schon danach legte sich wieder ein Schatten über mein Gesicht und das Spiel ging von Vorne los.

Zeitgleich hatte ich ein Rauschen in den Ohren, Stimmengewirr, das weit weg klang ließ mich nicht zur Ruhe kommen. Und das leichte Ruckeln, das hin und wieder meinen Körper zum Schaukeln brachte, tat sein übriges.
 

Wenn man mich so sah, würde man sicher denken ich würde schlafen, aber mein Geist war noch immer hellwach. Nur wollte ich alle um mich herum etwas anderes glauben lassen. Und dazu hatte ich auch einen guten Grund.

Ich war nicht sonderlich erpicht darauf der Person, die mir gegenüber saß in die Augen zu schauen, ja vielleicht sogar noch gezwungen zu werden mich mit ihr zu unterhalten. Eigentlich wollte ich gerade gar nicht hier sein. Ich sollte wirklich aufstehen und mich woanders hinsetzen.

Das würde aber leider seltsam aussehen, wie ich vermutete.
 

Stur die Augen geschlossen haltend konnte ich nur erahnen, dass der Zug in den nächsten Bahnhof einfuhr. Es wurde lauter um mich herum, dann kurz leiser, ehe die Lautstärke wieder zunahm. Passagiere stiegen aus, stiegen ein, niemand kümmerte sich um die anderen Leute. Jemand, der an meinem Platz vorbeiging hörte unverschämt laut Musik, darauf folgten ein paar kleine tratschende Mädchen. Jedenfalls klangen sie so, als wären sie noch nicht allzu alt.

Starkes Rasierwasser, gefolgt von starkem Parfum wehten vorüber, die Gespräche wurden leiser und ich spürte einen Ruck. Wir fuhren wieder.
 

Ein Räuspern mir gegenüber. Dann war es wieder ruhig. Reita schwieg. Genau wie ich. Ob er mir wirklich glaubte, dass ich schlief, wusste ich nicht. Aber er sprach mich nicht an. Also war es mir nur recht, was auch immer er tat.

Meine Haltung war ein wenig ungemütlich, also drehte ich mich leicht in Richtung Fenster. Dabei raschelte meine Kleidung unnatürlich laut in meinen Ohren. Kurz versuchte ein Lichtstrahl mich zu blenden.

Es war schon sehr schwierig sich ein Zucken zu verkneifen, als in unmittelbarer Nähe ein Handy zu klingeln begann. Vor allem, wenn es so laute Gitarrenklänge gemischt mit Bass und Schlagzeug waren, die ohne Vorwarnung losging.
 

Und genauso abrupt, wie das Lied begonnen hatte endete es wieder. Viel lieber hätte ich weiter dem Song gelauscht, statt der Stimme, die sich nun erhob.

„Ja?“, meldete sich Reita. Wahrscheinlich war es Kai, der sich erkundigte, ob alles glatt lief.

„Ist ja auch kein Wunder, ich bin gerade unterwegs.“ Das war bestimmt nicht Kai.

„Doch, hab ich dir gesagt.“ Reita klang ein bisschen genervt.

„Hast du mir eben nicht richtig zugehört…!“ Er rollte gerade bestimmt mit den Augen.

„Bin mit Uruha unterwegs. Seine Mutter besuchen…“ Es war seltsam. Er hatte gar nicht ‚Barbie’ gesagt…

„Ja, ist sie…“ Reita schwieg. Wahrscheinlich redete sein Gesprächspartner etwas länger.

„Ich weiß.“, meinte er plötzlich ziemlich leise. Diesen Satz glaubte ich noch etwa fünfmal von ihm zu hören. Danach war es wieder eine Weile still.

„Hör zu, Tora. Ich weiß, was ich tue!“ Also hatte Tora angerufen. In letzter Zeit war er ziemlich oft bei uns gewesen und hatte dann zusammen mit Reita in dessen Zimmer gesessen. Sie waren dann für Stunden nicht mehr herausgekommen und man sah sie erst wieder, als sie sich voneinander verabschiedeten und Tora nach Hause ging.

Oder aber Reita war stundenlang unauffindbar gewesen. Aoi hatte irgendwann mal erwähnt, dass er dann bei Tora hing. Das hätte er früher auch mal gemacht. Den Grund hätten sie nie erfahren.
 

Aber ich kannte den Grund. Wahrscheinlich hing es immer noch mit seinem Geständnis und unserem Streit zusammen, auch wenn ich den Eindruck hatte, dass er das ganz gut wegsteckte. Wir sprachen zwar nicht mehr miteinander, aber sonst war Reita wie immer. Ob das auch wirklich seine Gefühle waren, wusste ich nicht, schließlich verstellte ich mich selbst. Ich wollte nicht, dass jemand von den anderen erfuhr, was zwischen uns passiert war.

Einerseits schämte ich mich für meine Naivität, andererseits wusste ich nicht, wie sie reagieren würden. Außerdem wollte ich es am Liebsten nur noch vergessen…
 

„Das ist schon ewig her! Das war was ganz anderes… Außerdem solltest gerade du das wissen! Immerhin warst du da auch dabei…“ Reitas Stimme wurde gegen Ende so leise, dass ich ihn kaum verstand. Als mir dadurch bewusst wurde, wie angestrengt ich ihm lauschte, versuchte ich gleich wieder wegzuhören.

Es war wirklich unangemessen ihm beim Telefonieren zuzuhören. Es ging mich nichts an und es sollte mich auch wirklich nicht angehen. Ich konzentrierte mich auf das Rauschen des Zuges und das Stimmenwirrwarr im Hintergrund. Und so entging mir auch das Ende von Reitas und Toras Telefongespräch.

Und irgendwann war ich dann auch wirklich eingeschlafen. Trotz Gerede, trotz Rauschen, trotz Wackeln und trotz des blendenden Lichts.
 


 


 

Etwas rüttelte mich stark. Mein Körper wurde erschüttert. Wieder und wieder. Es dauerte etwas, bis ich aufwachte. Ich fuhr hoch.

„Was ist los?“, fragte ich reflexartig und sah direkt in Reitas Gesicht. Er sah ernst aus. Auf seiner Schulter trug er seine Reisetasche.

„Wir sind gleich da.“, meinte er nur knapp und ging. Unbewusst schaute ich direkt auf die Digitalanzeige, die den nächsten Halt anzeigte. Tatsächlich.

Ich raffte mich auf, nahm meine Tasche und stellte mich hinter Reita, vor die elektrische Tür. Wir schwiegen. Ein grässliches Schweigen. Eines, das niemand wirklich brechen wollte. Es war wie, wenn man eine Person traf, die man absolut nicht ausstehen konnte. Beide Parteien wollten eigentlich nur verschwinden, aber aus irgendeinem Grund war man gezwungen Zeit miteinander zu verbringen. Wie der Schwiegersohn, der den Schwiegervater nicht mochte und umgekehrt. Aber beide liebten die Tochter und ihr zuliebe versuchten sie wenigstens ihren Hass nicht offensichtlich werden zu lassen. Nur, dass ich Reita nicht wirklich hasste.
 

Klar, ich hatte es ihm an den Kopf geworfen, aber eigentlich war es nicht so gemeint gewesen. Ich war furchtbar enttäuscht und verletzt, aber das reichte nicht ihn zu hassen. Aber es reichte dennoch, nicht in seiner Nähe sein zu wollen. Ich glaubte einfach nicht, dass ich das schon schaffte. Oder… ob ich es überhaupt schaffte.

Der Zug hielt und wir wurden von den anderen aussteigenden Menschen nach draußen geschwemmt. Etwas verloren sah ich mich an dem mir so bekannten Bahnhof um. Es war seltsam plötzlich wieder hier zu sein. Unwirklich. Der letzte Besuch kam mir ewig her vor. Als wäre ich ein anderer Mensch gewesen.

Inzwischen ist so viel passiert. So viel, dass ich lieber nicht erlebt hätte…
 

Neben mir setzte sich der Blonde in Bewegung. Einfach so. Er beachtete nicht, ob ich nun mitging oder nicht. Schien ihn nicht zu kümmern.

Zuerst war mir einfach nur danach ihn gehen zu lassen, meinen eigenen Weg zu gehen und am liebsten ein paar Jahre lang verschollen zu sein. Damit ich mir darüber klar werden konnte, wie es weitergehen sollte mit mir. Mit meinen Gefühlen. Aus Angst Atashi wieder online zu sehen war mein Messenger aus geblieben. Ob Reita noch mal versucht hatte darüber Kontakt aufzunehmen? Ober wohl manchmal hoffnungsvoll vor seinem PC saß? Eine seltsam unwirkliche Vorstellung.

Er musste darüber hinwegkommen. Wir beide mussten das.
 


 

Gegen meinen eigentlichen Willen war ich ihm doch gefolgt. Wir hatten es uns wieder in meinem alten Zuhause gemütlich gemacht. Meine Tante hatte das Haus sauber gehalten. Sie kam einmal die Woche vorbei und kümmerte sich um alles. Für diese Woche würden wir allein hier bleiben. Ich hatte sie gebeten nicht vorbei zu kommen.

Es würde mir einfach zu deutlich zeigen, dass meine Mutter nicht in der Lage war all das zu tun. Wie schon bei meinem letzten Aufenthalt hier, hatte ich mich in das Zimmer meiner Mutter zurückgezogen. Wo Reita war, wusste ich nicht. War aber okay so.

Ich saß auf ihrem Bett, sah an ihre Zimmerdecke, atmete den Geruch von etwas Staub ein. Es roch leblos. Man spürte geradezu, dass lange Zeit in diesem Bett niemand geschlafen hatte. Traurig, wie einsam und verlassen das Haus auf Bewohner zu warten schien. Es war still hier. Man hätte hier eine Stecknadel fallen lassen können und ich war sicher, wenn Reita im Keller wäre, würde er es hören.
 

Kurz fuhr ich noch über die Bettdecke, ehe ich mich erhob und in die Küche ging. Hier war niemand. Ich ging weiter ins Wohnzimmer. Dort saß er. Der Fernseher war aus. Dennoch starrte er ihn an. Er hatte seine Hände locker ineinander verschränkt. Es wirkte fast, als würde er auf etwas warten.

Ich tat so, als würde ich ihn nicht sehen, ging vor ihm vorbei und öffnete das Fenster. Die Luft hier drin war nicht sonderlich gut. Ein wenig Durchzug würde mir gut tun. Ich drehte mich wieder um und verließ den Raum. Es war noch immer still. Reita tat wohl genauso, als wäre ich nicht da, wie ich, als wäre er nicht da.
 

Im Flur stand noch Reitas Tasche. Er hatte sie noch nicht ins Gästezimmer gebracht. Kümmerte mich eigentlich nicht. In der Küche öffnete ich rein aus Gewohnheit den Kühlschrank. Natürlich war er leer. Diese Tatsache machte alles irgendwie nur noch trostloser.

Wir würden Einkaufen gehen müssen. Bald. Am Besten noch heute. Am Besten sofort. Ich schloss die Tür wieder, schlurfte zurück ins Wohnzimmer. Reita saß noch genauso da, wie ich ihn eben zurückgelassen hatte. Fast, als wäre er so etwas wie eine Puppe. Eine lebendige, atmende Puppe, die Gefühle hatte. Die vielleicht mehr Gefühle hatte, wie ich ihm zugetraut hatte.

„Ich geh einkaufen.“, meinte ich einfach, stellte ihn vor vollendete Tatsachen. Weil ich nicht wollte, dass er mitkam. Er schien meine Aussage richtig zu deuten, denn er gab nur ein brummen von sich. Das hatte er nicht verlernt. Nur ganz kurz kroch ein Seufzen in mir auf, aber ich wusste es zu unterdrücken.
 

Jetzt bekam ich wenigstens den Abstand, den ich haben wollte. Und tatsächlich fühlte ich mich viel freier, als ich erwartet hatte, als ich die Haustür hinter mir zuzog, nachdem ich mir meinen Geldbeutel geschnappt hatte. Ich atmete tief aus.

Der Einkauf verlief sehr unspektakulär. Manchmal hatte ich zwar das Gefühl, Yune gesehen zu haben, aber meist waren das nur Hirngespinste. Warum sollte er auch ausgerechnet jetzt rein zufällig hier irgendwo auftauchen? Das hätte doch wirklich etwas von einem schlechten Drama. Dennoch wurde ich das unbehagliche Gefühl nicht los und brachte den Einkauf schneller hinter mich, als geplant. Zwar war die Aussicht darauf, allein mit Reita in einem Haus zu wohnen nicht sonderlich toll, aber immer noch beruhigender, als die, dass mein ehemals bester Freund hier irgendwo herumlungern könnte…

Relativ schwer beladen schleppte ich mich dann auch zurück nach Hause, stellte die beiden vollen Einkaufstüten erstmal ab, um aufsperren zu können. Kaum, dass sie aufgeschwungen war, konnte ich auch schon Stimmen vernehmen. Sofort runzelte ich die Stirn. Ich schleppte die Einkäufe in den Flur, entledigte mich meiner Schule, legte die Hausschlüssel beiseite. Ohne das Zeug in die Küche zu bringen, begab ich mich ins Wohnzimmer, da dort die Stimmen herkamen. Mittlerweile hatte Reita seine Position verändert. Er lag auf dem Sofa und der Fernseher lief. Das erklärte auch die Stimmen. Es war irgendeines dieser Nachmittagsprogramme, die eigentlich niemand wirklich sehen wollte.
 

Ich machte einige Schritt ein den Raum hinein und musste feststellen, dass Reita eingeschlafen war. Einen Moment betrachtete ich sein friedliches Gesicht – oder zumindest das, was man davon sehen konnte – beim Schlafen, bevor ich resignierend seufzte und den Fernseher wieder ausschaltete. Danach verstaute ich unsere Einkäufe.

Vom Hunger getrieben machte ich mir dann noch schnell eine Fertignudelsuppe. Ich hatte nichts Frisches eingekauft, lohnte sich nicht. Ich kochte nicht so gern und ich konnte mir nicht vorstellen, dass Reita ein super Koch war. Während ich aß, schweiften meine Gedanken wieder ein wenig ab.

Worüber Reita und Tora wohl genau gesprochen hatten? Irgendwie war ich ja schon neugierig, aber das ging mich wirklich nichts an! Außerdem sollte ich aufhören über Reita nachzudenken, denn ich spürte schon wieder diesen leichten Druck auf meinem Herzen, der mir jegliche gute Laune sofort austreiben konnte.

Also zwang ich meine Gedanken geradezu in eine andere Richtung. Ich würde heute noch meine Mutter besuchen. Dabei war es mir egal, ob Reita mitkam oder nicht. Am besten war es sicher, wenn ich mich allein davonstehlen würde, solange er schlief. Dann hatte ich noch ein bisschen meine Ruhe.
 

Da könnte man eigentlich schon denken, dass ich besser gleich allein gefahren wäre, aber das stimmt auch wieder nicht. Ich glaube, wäre ich allein würde ich mit dem Zustand meiner Mutter nicht klarkommen, es gab niemand, der weniger passend für einen Begleiter gewesen wäre, wie Reita. Aber das konnten Aoi und die anderen ja nicht ahnen. Seufzend schob ich die Schüssel von mir. Mir war der Appetit vergangen.

Ich beschloss, dass ich das auch später aufräumen konnte und ging wieder zurück in den Flur, um meinen ebigen Plan in die Tat umzusetzen.
 

Auf dem Weg zum Krankenhaus begegnete ich niemandem, bis auf einer Nachbarin, die sich höflich nach dem Zustand meiner Mutter erkundigte und mir beteuerte, dass ihr das wirklich sehr Leid täte. Außerdem würde sie mir helfen, wenn ich Hilfe brauche. Ich lächelte sie nur an und nickte dankend, wissend, dass ich es nie in Anspruch nehmen würde.

„Ich würde gern meine Mutter besuchen.“, informiere ich die Rezeptionsschwester. Diese fragt mich nach dem Namen meiner Mutter. Nachdem diese Formalien geklärt waren, konnte ich dann auch endlich in dieses fast schon ekelhaft weiße Zimmer eintreten. Es hatte sich nichts verändert seit ich das letzte Mal hier gewesen war.

Das einzige Geräusch war das stetige Piepen irgendwelcher Geräte, die mir verrieten, dass die Frau dort in diesem Bett noch am Leben war, dass in ihr noch ein Herz schlug, dass es noch Hoffnung gab, dass sie irgendwann wieder aufwachen könnte…
 

Schweigend setzte ich mich auf den Hocker neben ihrem Bett. Überhaupt hatte ich schon lange nicht mehr richtig gesprochen. Kaum mehr, als das Nötigste. Ich hatte einfach nicht den Wunsch dazu gehabt. Meine Mitbewohner hatten das alle respektiert, auch wenn sie mir gezeigt hatten, dass sie sich um mich sorgten und dass sie für mich da sein wollten…

Ich beugte mich leicht vor, verschränkte meine Arme auf dem reglosen Körper meiner Mutter und bettete meinen Kopf auf sie, ihr ins Gesicht schauend. Normalerweise würde sie mir jetzt durchs Haar streichen…

In der Vorstellung sie täte eben genau dies, schloss ich meine Augen. Auch, wenn das alles andere als eine schöne Situation war, fühlte ich mich irgendwo tief in mir beruhigt, als würde sie mir sagen, alles wäre in Ordnung, alles würde wieder gut werden.
 

In dieser Haltung musste ich irgendwann eingedöst sein, denn ich erschrak mich fast zu Tode, als mir jemand eine Hand auf die Schulter legte und mich mit meinem Nachnamen ansprach.

„Die Besuchszeit ist um. Ich muss Sie bitten das Zimmer zu verlassen.“ Es war der Arzt meiner Mutter. Ich erkannte ihn wieder. Hastig richtete ich mich auf und rieb mir unauffällig die Augen, als der Arzt kurz einen Blick auf seine Patientin warf.

„Wie geht es ihr?“, fragte ich leise, als ich seinem Blick folgte.

„Leider noch nicht besser, aber glücklicherweise noch auch nicht schlechter. Leider kann ich Ihnen nicht mehr sagen, als beim letzten Mal, als Sie hier waren…“ Ich biss mir leicht auf die Unterlippe. Es von meiner Tante zu hören war schon schlimm, aber wenn es der Arzt so direkt sagte, war es noch viel schlimmer.

„Glauben Sie, sie hat noch eine Chance aufzuwachen?“ Ich spielte nervös mit meinen Fingern.

„Ich weiß es nicht.“ Das zuzugeben fiel ihm sichtlich schwer, aber das würde meine Mutter auch nicht dazu bringen wieder aufzuwachen…
 

Ich fühlte mich noch leerer als zuvor, als ich das Krankenhaus verließ. Vielleicht würde sie nie mehr aufwachen. Wie sollte ich nur ohne meine Mutter klarkommen? Ich war doch noch nicht so weit…

Ich hätte nie von Zuhause weggehen sollen. Dann wäre ihr das vielleicht nie passiert.

Erschaudernd schüttle ich den Kopf. Besser, wenn ich schnell nach Hause ging. Doch noch bevor ich auch nur einen weiteren Schritt tun konnte, stockte mir der Atem. Rechts von mir, nahe vom Parkplatz stand Yune. Er stand da einfach so und sah zu mir herüber. Allerdings sah er nicht so geschockt aus, wie ich mich fühle. Nein, er wirkte eher so, als hätte er nur darauf gewartet, dass ich auftauche.

Er machte ein paar Schritte in meine Richtung, hob unbeholfen seine Arme und seine Lippen formten meinen Namen, aber ich hörte seine Stimme nicht. Gerade hatte ich das Gefühl überhaupt nichts mehr zu hören. Ich spürte irgendwo tief in mir drin ein böses Stechen. Und ohne weiter darüber nachzudenken lief ich los. Gerade wollte ich Yune nicht sehen…

Ich wollte ihn überhaupt nicht mehr sehen! Was tauchte der hier einfach so auf? Wollte er mein Leben noch kaputter machen? Hatte es ihm nicht gereicht mich die ganze Zeit verarscht zu haben?
 

Keuchend hörte ich erst zu Rennen auf, als mich das aufkommende Seitenstechen dazu zwang. Als ich aufblickte, bemerkte ich, dass ich vor unserem Haus stand. Ich war rein instinktiv hierher gelaufen…

Wieder schloss ich die Tür auf, schlug sie laut hinter mir zu. Stille. Beinah beängstigend. Dann erschien Reitas Kopf aus der Küchentür.

„Was knallst du die Tür so?“, blaffte er. Er aß gerade. Ich nahm es zumindest an. Denn er kaute nebenbei noch auf etwas. Angewurzelt stehen bleibend, starrte ich ihn einfach nur an. Das schien ihn doch ziemlich zu wundern und er trat komplett aus der Küche.

„Was ist passiert?“, fragte er nun wesentlich ruhiger. Ich atmete tief durch die Nase ein und drehte ihm den Rücken zu, während ich meine Schuhe auszog.

„Nichts.“, log ich tonlos. Ich konnte ihm nicht davon erzählen. Außerdem war eigentlich auch nichts passiert. Nur weil ich Yune gesehen hatte, musste ich nicht gleich so tun, als sei die Welt untergegangen. Egal, wie sehr mich sein Auftauchen auch beunruhigte.
 

„Ach ja?“, fragte er mit gehobenen Augenbrauen. Ich nickte. Es war noch immer unangenehm irgendwie mit ihm zu sprechen. Stille. Zuerst glaubte ich schon, er sei wieder in die Küche zurückgegangen, doch dann hörte ich ihn ausatmen.

„Wie geht es deiner Mutter?“ Er hatte sich überwunden mir diese Frage zu stellen, dass sah ich ihm an. Vielleicht war es ihm genauso unangenehm, wie mir? Ich sah auf meine Füße, streifte mir meine Schuhe ab und stellte sie ordentlich auf die Seite.

„Uruha.“ Ich wollte ihn ignorieren, leider gelang es nicht.

„Genauso schlecht, wie vorher!“, schrie ich ihn an. Was fragte er auch so blöd? Würde es ihr besser gehen, hätte ich mich sicher anders verhalten!

„Sonst wären wir doch gar nicht hier, oder?!“ Mir stiegen Tränen in die Augen. Ob vor Wut, Trauer oder Verzweiflung, wusste ich nicht. Reita, offenbar überrascht von meinem Gefühlsausbruch machte einen Schritt zurück.

Dieses Verhalten steigerte meine Wut nur noch.

„Wie kannst du nur so eine dumme Frage stellen, ohne rot zu werden? Kannst du nicht denken, du Idiot?!“ Ich tat den Schritt vor, den er zurück gemacht hatte und noch einen Weiteren dazu.

„Was ist denn in dich gefahren?“, fragte er leise, überrascht, überfordert. Was fiel ihm ein überfordert zu sein? Er war mit seiner Situation doch eindeutig besser dran, als ich!

„Was in mich gefahren ist?! Ich will mal sehen, wie du dich in meiner Situation verhalten würdest! Oh, du würdest sicher ganz cool damit umgehen und mich belächeln! Weil du ja so toll und mir überlegen bist!“
 

„Was redest du da überhaupt?“, fragte er nun etwas lauter, doch damit konnte er nicht zu mir durchdringen. Ich war so unendlich wütend. Und so verzweifelt. Warum war er nicht auch verzweifelt?

Der Abstand zwischen uns war kürzer als erwartet und es kam mir fast vor, als wäre ich plötzlich direkt vor ihm aufgetaucht. Ich ballte meine Hände zu Fäusten und prügelte auf seine Schultern ein, wahrscheinlich mit weniger Kraft als ich wollte, denn Reitas Körper gab nicht nennenswert unter mir nach. Er sah mir geschockt in mein Gesicht, soweit ich es durch den Tränenschleier erkennen konnte.

„Warum kann ich ihr nicht helfen? Egal, was ich mache, alles ist umsonst! Ich bin so nutzlos!“

Bevor ich weiter schreien konnte, hatte Reita mich in die Arme genommen. Fest. Ich war so überrascht, dass ich glatt vergaß zu weinen. Vorsichtig hob ich meine zitternden Arme.

Ich wollte ihn wegstoßen, ehrlich! Doch ich konnte es nicht. Kraftlos sanken sie schlaff und nutzlos an meinem Körper herunter. Ich spürte, wie er mich fest an sich drückte.

„Du bist nicht nutzlos.“, hörte ich seine Stimme nah an meinem Ohr sagen. Ich weinte.
 

In solchen Situationen waren solche Worte das, was man am Meisten brauchte. Und er hatte sie einfach gesagt. Als wäre es ganz selbstverständlich, fast als würde er es wirklich so meinen.

Er hielt mich fest, bis ich mich beruhigt hatte. Und während er mich festhielt hatte ich fast wieder ein warmes Gefühl in der Brust. Fast hätte ich ihm alles verziehen. Einfach, weil er da war. Einfach, weil er es gesagt hatte. Einfach, weil ich mich so allein fühlte und jemanden brauchte, der einfach da war. Egal wie eklig ich zu ihm sein würde. Einfach, so wie Reita es getan hatte. Aber es war zu früh…

Als ich nur noch hin und wieder die Nase leicht hochzog, löste er seine Umklammerung und sah mich an. Er sagte kein Wort. Und ich auch nicht…



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Kommentare zu diesem Kapitel (13)
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Von: abgemeldet
2010-12-09T20:10:33+00:00 09.12.2010 21:10
haha~ ich konnte fast meinen Augen nicht trauen, als ich gesehen hab, dass es ein neues Kapitel geben soll XD
es freut mich wirklich riesig :D
auch wenns relativ kurz war...oder kam es mir nur kurz vor? Q_____Q
maaa~w...jetzt bin ich nur noch ungeduldiger o3o
und irgendwie mag ich alle deine Charaktere...auch Yune oÔ
hach~ ich hoffe wirklich, dass du es doch irgendwie schaffst, zumindest etwas häufiger zu posten qq :3
Von:  cookie-monster-kyo
2010-12-09T19:33:04+00:00 09.12.2010 20:33
endlich gehts weiter *^*
das ende war so süß <3
jetzt hast du mir den abend versüßt^^
danke dafür
Von:  hAppY_CaKe
2010-12-09T18:35:50+00:00 09.12.2010 19:35
das mit der umarmung am Ende fand ich einfach zu süß, ich frage mich wie es weiter geht ^^


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