Zum Inhalt der Seite

Dark Angel

.:9.3.10 Kapitel 18 on:.
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Zero

Titel: Dark Angel

Kapitel: 1/?

Autorin: -Satty-

Pairing: Ni~yaxSakito

Genre: Shounen-ai, Romantik, Darkfic etc...

Kommentar: Ich denke es gibt noch nicht viel zu sagen, außer viel Spaß beim lesen ^^
 

Dark Angel
 

Prolog
 

Der Raum war erfüllt von einer eisigen Kälte und die einzigen Geräusche, welche durch die trübe Stille klangen, waren das stetige Tropfen einer defekten Wasserleitung und das gleichmäßige Atmen, der in filzige Decken gehüllten, Kinderkörper, die selbst im Schlaf noch zitterten.

Einzig allein zwei Gestalten, die eng aneinander gekuschelt in einer dunklen Ecke kauerten und die Decken um ihre beiden Leiber geschlungen hatten, unterbrachen dieses triste Bild. Die Kleinere der beiden Gestalten schmiegte sich tief in die Arme des Älteren. Die braunen, katzenartigen Augen waren halb geschlossen, zeigten einen Ausdruck völliger Erschöpfung und dennoch konnte er nicht schlafen, fraß sich die Kälte doch durch die dünne, schon an einigen Stellen kaputte Kleidung und ließ den zierlichen Körper erzittern.

„Wird dir denn nicht langsam wärmer?“, fragte der Größere mit einem Mal, schloss die Arme noch enger um den Kleineren. Dieser schüttelte nur leicht den Kopf. Ein leises Seufzen. „rück noch etwas näher zu mir.“ Sofort gehorchte der Kleinere, rutschte nun auf den Schoß des Größeren und seine feine Nase zog deutlich den zarten Geruch ein, der von dem Älteren ausging.

Einige Zeit herrschte Stille unter ihnen und fast wäre er eingeschlafen, als die zarte Stimme des Kleineren ihn die Augen wieder öffnen ließ. „Ni~ya? Erzählst du mir noch mal etwas von der Welt da draußen? Ich möchte so gern wieder davon träumen.“, sagte der Braunhaarige und der Junge, welcher auf den Namen Ni~ya hörte, lächelte leicht. „Was möchtest du denn hören?“, fragte er sanft, fuhr durch das weiche Haar des Kleineren. „Erzählst du mir noch einmal von dem Gefühl, wenn meine Füße Gras berühren?“ Es waren leise Worte, kaum mehr als ein Flüstern. Ni~ya lächelte, zog den Kleineren noch enger an seinen Körper, schloss die dünnen Arme stärker um den zierlichen Leib.

„Es ist ein kribbeliges Gefühl, ganz so als würde ich leicht über deine Fußsohlen streichen und am Morgen, wenn frischer Tau auf den Halmen liegt, ist es nass. Du denkst du würdest auf einem weichen Teppich über die Welt laufen, über einen großen weiten grünen Teppich auf dem Blumen blühen.“, begann er zu sprechen, strich dabei immer wieder leicht über den Rücken des Braunhaarigen, der die Augen geschlossen hatte, sich ganz auf die Stimme des Schwarzhaarigen konzentrierte und in seinem geistigen Auge deutlich die Bilder sah, die Ni~ya zu beschreiben versuchte.

Er hatte nie die Welt außerhalb der dicken Mauern „Manticores“ kennen gelernt. Er war hier geboren worden und danach sofort für die Forschungszwecke dieses großen Konzerns missbraucht worden. Seine Mutter hatte er nie gesehen, war diese doch nur eine junge Prostituierte gewesen, die sich für viel Geld einige Eizellen hatte einpflanzen lassen und somit schließlich ihn, einen kleinen Jungen auf die Welt gebracht hatte.

Eigentlich hatte er keinen Namen, sondern nur die Nummer X5-443, doch die Kinder, die wie er hier gefangen gehalten wurden und nur einem Zweck dienten, hatten ihn dem Namen Sakito gegeben. So redeten sie sich alle, wenn sie allein waren mit ihren selbst gegebenen Namen an oder einige, die hierher kamen und sich noch an die Welt da draussen erinnern konnten, brachten ihren Namen schon mit. So auch Ni~ya, der eigentlich Yuuji hieß, aber von Sakito selbst den Namen Ni~ya erhalten hatte.

„Saki… schläfst du?“, fragte Ni~ya mit einem Mal. Ein leichtes Kopfschütteln war die antwort des Kleineren. „Nein… ich… habe nur nachgedacht. Aber Ni~ya…“ Sakito löste sich etwas von dem Älteren, blickte ihn mit den Katzenaugen zielsicher an. „Irgendwann möchte ich auch die Welt da draussen sehen. Die Wälder, das Meer, den Himmel und die Wolken und ich möchte wissen, wie es sich anfühlt über Gras zu laufen.“ Ein wehleidiges Lächeln lag auf den ungewohnt hübschen Zügen des Jungen. Ni~ya konnte sie nicht sehen, aber er konnte es erahnen, kannte er Sakito doch inzwischen besser als jeder andere.

Er war der Jüngste und dazu noch der zierlichste von ihnen allen und dennoch musste er das härteste Training durchstehen.

Er zog Sakito enger an sich und gab ihm einen Kuss auf den braunen Haarschopf. „Irgendwann, dass verspreche ich dir, werde ich dir alles zeigen.“, raunte er ihm zu. „W-Wirklich?“, fragte der Kleinere nach, blinzelte Ni~ya an. Dieser lächelte sanft, nickte. „Und wenn es das letzte sein wird, was ich tue. Aber jetzt Schlaf, Saki. Du wirst es brauchen.“ Und der Kleinere gehorchte. Langsam schloss er seine Augen und tatsächlich beruhigte sich der Atem des kleinen Jungen innerhalb weniger Minuten. Nur das leise Murmeln seiner letzten Worte wurden noch wahrgenommen. „Lass… mich nie allein… Ni-chan…“ „Keine Sorge, Kleiner. Das werde ich nie.“

Darkness

Titel: Dark Angel

Kapitel: 2/?

Autorin: -Satty-

Pairing: Ni~yaxSakito, ReitaxAoi

Genre: Shounen-ai, Romantik, Darkfic etc...

Kommentar: So hier ist nun also das erste Kapitel ^^

Ich danke allen Kommischreibern und hoffe das euch das neue Kapi gefallen wird. Es ist leider etwas kurz, aber ich versuche die nächsten Kapitel etwas länger ausfallen zu lassen.

Besonderen Dank hiermit auch an Tsugi, die sich in der Schule immer mein Geschwafel anhören muss.

Hab dich lieb Süsse
 

Text - Erinnerungen/Flashbacks

*** - Trennungen zwischen den Szenen
 

Kapitel 1: Darkness
 

Kaum ein Windzug war zu spüren. Wie ein alles fressender Nebel legte sich die Dunkelheit der Nacht über die Stadt, schluckte jedes Licht, welches natürlichem Ursprungs war, verscheuchte den Tag, die Sonnenstrahlen und alles was es brachte war Finsternis. Das Leben des Tages erstarb jäh, Frauen rannten umher und zogen ihre greinenden Kinder in die Häuser, schlossen die Läden und verriegelten die Türen. Die Nacht war gefürchtet, nicht nur hier in Kyoto, der ehemaligen Kaiserstadt, nein sie war gefürchtet im ganzen Land.

Er jedoch hatte keine Angst. Er liebte die Nacht, den Anblick der Sterne, des Mondes, welcher ihm jedoch heute verwehrt blieb. Dennoch saß die schlanke Gestalt hoch über den Dächern der Stadt auf dem Vorsprung eines der Skyliner, das noch vor 10 Jahren zu einem der Wahrzeichen der Stadt gehört hatte, jetzt jedoch fast so verfallen wirkte, wie der Rest der einst so prächtigen Kaiserstadt.

Kalte Augen, ohne erkennbare Emotion blickte hinab in die Tiefe, beobachteten das rege Treiben dunkler Gestalten auf den Strassen, doch es war, als blicke er durch sie hindurch in eine nichterkennbare Leere, in eine Welt, die nur er kannte. Es regte sich nichts und für viele mochte es wirken, als saß eine Puppe auf dem Sims, gefertigt aus dem edelsten Porzellan der Welt, jedoch mit den kalten und gläsernen Augen, die nie das Leben zeigen würden, welches einem Menschen zu dem machte, was er war.

Eine Puppe mochte noch so schön sein, noch so lebendig aussehen, ihr würde immer das Herz und die Seele zum Leben fehlen, doch war es bei ihm nicht ähnlich? Eine schlanke Gestalt, so schön und zerbrechlich wie eine Porzellanpuppe und doch wirkte sie so tot wie eine Marionette, die leblos an ihren Fäden hing.

Keine Regung zeigte sich, nicht einmal ein Heben und Senken des Brustkorbs war zu erkennen…

Keiner würde in sein Inneres blicken, die Spiegel seiner Augen durchbrechen, die die Wahrheit ausblendeten.

Es vergingen lange Momente in denen er weiterhin reglos auf dem Sims sitzen blieb und seinen Gedanken nachhing. Erinnerungen, Gedanken, all das jagten durch seinen Kopf wie ein rasender Fluss, der alles mit sich in die Tiefe zog, während die Sonne nun vollständig hinter der Skyline versank, auch das letzte Licht mit sich nahm.

Noch immer sahen die leeren Augen in ihre weite Ferne. Er bemerkte nicht, wie ein leichter Windhauch ihm einige längere Haarsträhnen aus dem Nacken strich, seine Haut sanft kitzelte und sie wie feine Fäden in der Luft tanzen ließ. Er war gefangen in seiner Welt aus Gedanken und Erinnerungen, qualvollen Erinnerungen voller Schmerz und Pein.
 

***
 

Ein Hetzen und ein Laufen. Seine Lungen brannten wie Feuer und seine Beine zitterten wie Espenlaub. Er war so schwach, wollte stehen bleiben, doch ein Ruck an seinem Arm, riss ihn wieder nach vorne, ließ ihn staucheln und aufjapsen. „Komm schon Saki… wir müssen weiter, sonst bekommen sie uns.“ Er nickte tapfer, nahm seine letzten Kraftreserven zusammen, holte wieder auf, lief nun neben dem Schwarzhaarigen her, der ihn lächelnd ansah. Es war alles so schnell gegangen, er hatte kaum realisieren können was passiert war. Er hatte geschlafen, war von seinem besten Freund leise geweckt worden. Hinter ihm hatte er zwei weitere Gestalten sehen können. Er war aufgeschreckt, hatte Ni~ya mit ängstlichen Augen angesehen, doch der Ältere hatte ihm eine Hand auf den Mund gelegt und ihn sanft angelächelt. „Keine Angst“, hatte er geflüstert, ihn angelächelt und gedeutet ihm zu folgen. Sofort war der kleine Junge aufgestanden, so leise und katzenhaft wie er sich immer bewegte. „Was ist los?“, hatte er geflüstert, ganz leise, sodass es kaum ein Hauchen war, doch Ni~ya hatte ihn verstanden. „Ich werde dir die Welt da draußen zeigen. Ich hab es dir doch versprochen.“ Verwirrung kennzeichnete seine weichen noch so kindlichen Züge in diesem Augenblick und er nickte nur, folgte dicht an dem Älteren gedrängt, den anderen beiden.

Er hatte bis zuletzt nicht verstanden, was die anderen denn vorhatten, was Ni~yas Worte bedeuteten, doch als schon die beiden Jungen begannen an der schweren Tür zu hantieren hatte er es gewusst. Sie würden fliehen, dieser Hölle endlich entkommen, die sie alle schon so lange gequält hatte. Seine Sinne waren geschärft, als die Tür mit einem Klicken nachgab. Einer der Älteren hatte sie mit einem kleinen Drahtstück öffnen können und so huschten die vier schmalen Gestalten aus dem kalten Raum, setzten ihre nackten Füße vorsichtig auf dem Boden auf. „Lass Sakito vorgehen Ni~ya. Er hat die besten Augen und kann uns warnen.“, drang schließlich mit einem Mal die flüsternde Stimme des Ältesten unter ihnen hervor und der Jüngste zuckte ängstlich zusammen, nickte aber. Er konnte trotz der Dunkelheit alles erkennen, war dies doch seinen Genen zu verdanken. Zielsicher und gekonnt leitete er sie alle durch die finsteren Gänge, erkannte Wachposten und Kameras bereits aus weiter Ferne, konnte sie alle umgehen. Sein Herz klopfte ihm bis zum Hals und es waren wohl nur Ni~yas Hände, die auf seinen Schultern lagen und ihm Stärke gaben, dass alles durchzustehen.

Sie hatten es geschafft, waren aus dem Gebäude entkommen, standen nun auf dem großen Hof, den Sakito selbst noch nie mit eignen Augen gesehen hatte. Die kalte Nachluft stach ihm in den Lungen und ängstlich blickte er sich um. Er kannte nichts von dieser Welt, kannte nur die kalten Labore, die dunklen Kammern und alles was er atmete war die stickige Luft in den Gewölben gewesen. Es war das erste Mal in seinem noch so jungen Leben, dass er die wahre Welt erblickte, dass was die Realität darstellte.

Voller Erstaunen sahen die Kinderaugen sich um, sahen hoch über sich die leuchtenden Punkte am Himmelsfirmament, wie sie glänzten und sich in seinen honiggoldenen Augen spiegelte. Ein Ruck zog ihn weiter. „Komm Sakito… nicht stehen bleiben.“, raunte die Stimme seines besten und wohl auch einzigen Freund leise an sein Ohr. „Wir machen es wie abgesprochen. Ni~ya! Sakito und du machen den Anfang. Ihr klettert über den Zaun und wartet dann auf uns. Wir folgen euch kurz darauf.“ Noch ehe Sakito diese Worte, die der Älteste ihrer kleinen Gruppe äußerte, realisierte, zog Ni~ya ihn weiter. Zusammen hatten sie schließlich den Zaun überwunden, warteten auf ihre beiden Gefährten, bis mit einem Mal die Sirenen losgingen, sie alle erschrecken lies. Ruki war der letzte, der den Zaun soeben überwand, als die Hunde bellten und Scheinwerfer sich auf den Hof richteten. Man hatte ihr Verschwinden bemerkt.

Und nun rannten sie durch den Wald, der die Forschungslabore umgab, versuchten ihren Häschern zu entkommen.

Sakito hatte Angst, zitterte am ganzen Leib und wieder war es nur die Nähe zu Ni~ya, der ihm das Selbstvertrauen gab es durchzustehen. „Ni~ya! Beeilt euch!“, schrie von vorne Reita, der sich zum Anführer ihrer Gruppe erklärt hatte. Ni~ya nickte nur, zog Sakito noch weiter mit sich. Der Kleine hatte schwer zu kämpfen bei den anderen mitzuhalten. Er war schon immer schwach gewesen, schwächer als Ni~ya und die anderen. Es schien wohl so, als würde sein Körper mit der Veränderung der Gene nicht zurechtkommen, die fremde DNS noch immer etwas abstoßen. „Komm schon Saki… wir haben es bestimmt bald geschafft.“, raunte Ni~ya ihm wieder zu, machte ihm noch mehr Mut. Ein lautes Rattern, das schnell zu einem Beben wurde, durchbrach auf einmal die nächtliche Stille und Scheinwerfer durchdrangen die Baumkrone, rissen das Blätterwirrwarr auseinander. Ein Helikopter hatte die Verfolgung aufgenommen, hetzte die vier kleinen Gestalten auseinander.

Sie rannten weiter, Sakito mit einem vor Angst schwer hämmernden Herz. Zusammen erreichten sie eine Wiese, eine Fläche die ihnen den Schutz des Waldes nahm, doch sie mussten sie überqueren, hörten sie hinter sich doch schon das Bellen und Reißen der Wachhunde und ihrer Häscher. „Ni~ya! Wir teilen uns auf! Geh du mit Sakito in die Richtung, Ruki und ich nehmen die andere.“ Und schon trennten sie sich. Ni~ya zog ihn einfach mit in eine andere Richtung und das letzte, was Sakito von den anderen beiden sah, waren ihre davonhuschenden Schatten…
 

***
 

Ein Schließen der Lider vertrieb auch diese Erinnerung aus seinem Kopf und mit einem leisen Seufzen öffnete er sie wieder und zum ersten Mal in dieser Nacht erkannte man ein einen Anflug von Gefühl in den katzenähnlichen Opalen. Traurigkeit und Sehnsucht, doch auch das nur einen winzigen Augenblick und es verschwanden die Emotionen, machten Platz für die allumfassende Leere, die auch in seinem Inneren zu herrschen schien.

Langsam stand er auf.

Es wurde Zeit. Er musste weiter, seine Suche fortsetzen, die ihn bereits 9 Jahre durch dieses Land hetzte. Noch immer auf der Flucht, noch immer der Gefahr ausgesetzt, noch immer auf der Suche. Langsamen Schrittes verließ er die Aussichtsform, hangelte sich an dem Gebäude hinab in die Tiefe, zurück in die grausame Realität.

Er wurde von denselben Geräuschen begrüßt, die ihn auch verabschiedet hatten. Dieselben Eindrücke wie in jeder Großstadt. Trist, kalt… so wie er.

Zielsicher zog er seinen Rucksack unter der Plane hervor, wo er ihn vor einigen Stunden versteckt hatte, zog den bereits rissigen Reißverschluss auf, kramte nur kurz in ihm herum, bis er das Gesuchte aus der Tasche zog.

Geübt zog er die Spritze aus der luftsicheren Verpackung, öffnete mit der anderen Hand das kleine Fläschchen, hielt es einen Moment gegen das fahle Licht einer Straßenlaterne, seufzte erneut auf. Er würde noch sparsamer umgehen müssen, sich noch mehr zusammen nehmen um nicht durchzudrehen. Einen Moment lauschte er tief in sein Inneres hinein, fühlte bereits wie er unruhig wurde, wie sein Körper nach dem verlangte, das er ihm einfach nicht länger verwehren durfte.

Langsam zog er die Spritze auf, hatte sich dafür tief in eine Gasse zurückgezogen, denn er wusste für die nächsten Minuten würde er angreifbar sein, nahm er doch unter der berauschenden Wirkung kaum etwas war. Der Brünette lehnte den Kopf hinter die ihm liegende Wand und kippte ihn in den Nacken, suchte geübt nach der Halsschlagader, schloss dann die Augen und injizierte die Spritze sicher unter die Haut.

Sein Körper sackte leicht zusammen und nur wenige Augenblicke später spürte er, wie sich die lähmende Wirkung in seinem Leib ausbreitete, die Unruhe in ihm abtötete und einfach nur eine angenehme Leere blieb. Die Lider senkten sich über die bernsteinfarbenen Iriden und für einige Minuten dämmerte er wirklich wie in eine leichte Trance. Einzig allein das leichte Zittern, welches in regelmäßigen Abständen durch seinen Körper lief und seine Atemzüge zeigten, dass er lebte und nicht ein weiteres Opfer der hohen Kriminalität war. Es interessierte inzwischen keinen mehr, ob an einem Tag nun einer oder mehrere Morde geschahen, Hauptsache, man selbst kam mit dem Leben davon.

Er wusste nie, wie es vorher gewesen war, vor dem Terroranschlag, der das ganze Land ins Chaos stürzte. Er wusste nichts von der Welt, die die Menschen immer beschrieben, die Ni~ya ihm damals beschrieben hatte. Ni~ya…

Wieder kamen die Erinnerungen, doch diesmal verschwanden sie genau so schnell wieder. Das Tryptophan hatte auch noch positive Auswirkungen auf seinen so unruhigen und gequälten Geist. In der Zeit nach der Einnahme, wenn sich das Medikament in seinem Körper ausbreitete, blieb er von den Schmerzen der Vergangenheit verschont. Doch auch diese Wirkung verflog schnell, er kam wieder zu sich, nahm seine Umgebung wieder scharf und deutlich klar, fuhr sofort auch seine Sinne aus und untersuchte die nahe Umgebung nach möglichen Verfolgern. Die nahe Vergangenheit hatte ihm erst wieder gezeigt, wie wichtig es für ihn war, immer auf der Hut zu sein.

Als er sichergestellt hatte, dass es nicht gefährlicheres gab, als ein paar streunende Katzen, die in dem Abfall der Menschen nach nahbaren Essensresten wühlten, richtete er sich leicht wanken auf und stützte sich noch einige Momente an dem bröckeligen Mauerwerk in seinem Rücken ab. Dann zog er den Rucksack wieder zu sich, verstaute das Fläschchen und die Spritze sicher, tastete nun nach aber etwas anderem, fand dies auch schnell und zog es aus der zerschlissenen Tasche hervor. Etwas reumütig dachte die schlanke Gestalt an die etlichen Yenscheine, die diese Information ihn gekostet hatte, aber wie immer hatte er die Hoffnung doch noch hinter einer solchen unsicheren Auskunft einen Hinweis auf seine „Geschwister“ zu finden, der ihn zu ihnen führte.

Einmal, daran erinnerte er sich, hatte er geglaubt Reita in einem Fernsehbericht gesehen zu haben. Jedenfalls hatte die Aura und das Aussehen des gezeigten Jungen auf den damals 10-Jährigen gepasst, der Ruki, Ni~ya und ihn aus Menticore geleitet hatte.

Dort war es um eine Jungendgang mit dem Namen „FightDevils“ gegangen, die in den Strassen Kyotos für Aufregung sorgten und dieser Fernsehbeitrag war es schließlich gewesen, der ihn veranlasst hatte hierher nach Kyoto zu kommen.

Mit fast hypnotisierendem Blick sah er auf den kleinen Zettel, auf die mit krakeliger Handschrift verfassten Worte, die ihn zu dem Ort führen sollte, an dem er sich erhoffte endlich Reita zu finden.

Aber er ergab sich nicht der Illusion zu glauben, dass es das vollkommene Ende seiner Suche sein könnte, zu oft war er so bereits enttäuscht worden. Wieso sollte er also unnütze Gefühle mit so etwas verschwenden. Entweder er fand ihn oder er fand ihn nicht. Es gab nur diese zwei Möglichkeiten und egal welche eintreffen würde, Sakito war klar, dass er dann vor dem nächsten Problem stehen würde.

Jetzt jedoch wollte er sich darüber keine Gedanken machten, über dass wenn und oder. Er musste sich vorbereiten, vorbereiten auf das, was der alte Obdachlose ihm gesagt hatte und dies bedeutete eine Nacht ohne viel Schlaf. Morgen Abend würde er den Ort aufsuchen und sehen, was kommen würde.

Mit einem leichten Lächeln verließ er schließlich die Gasse, verschmolz mit der Dunkelheit der Nacht und lief einem ungewissen Tag entgegen, dessen Ende alles oder nichts bedeuten konnte.

Survive

Titel: Dark Angel

Kapitel: 3/?

Autorin: -Satty-

Pairing: Ni~yaxSakito, ReitaxAoi

Genre: Shounen-ai, Romantik, Darkfic etc...

Kommentar: So nun wieder ein neues Kapitel. Und diesmal habe ich mich bemüht etwas mehr Geschehen zu lassen. Und auch Reita und Aoi tauchen endlich auf. Ich bedanke mich für die lieben Kommis und freue mich, dass meine FF recht viel Anklang findet. Und jetzt viel Spaß beim Lesen ^^
 

Text - Erinnerungen/Flashbacks

*** - Trennungen zwischen den Szenen
 

Kapitel 2: Survive
 

Der Tag hatte Einkehr gehalten und erneut musste er um das Überleben seiner Gruppe kämpfen. Es gab kein planen, kein Denken an das Morgen oder das Gestern, alles was zählte war das hier und jetzt. Er wusste nicht welcher Tag in welchem Monat und welchem Jahr war. Das Zeitgefühl hatte er schon lange verloren.

Er zog die Bandagen fester um sein linkes Handgelenk, wollte ihm mehr Halt geben und verhindern, dass es bei jeder Bewegung schmerzte. Dann aber glitten seine Hände wieder zu dem schweren Bündel Holz, welches er auf dem Rücken, befestigt durch zwei Seile, mit sich trug. Die kleine Axt an seiner Seite schlug bei jedem Schritt gegen sein Bein, doch das störte ihn nicht. Seine Schritte wurden sicherer je näher er seinem Ziel kam. Der alte Tempel, der längst nicht mehr dazu diente Gott anzubeten, sondern nun ihr Unterschlupf war und das was sie zuhause nannten. Das Dach des alten Gotteshauses war bereits an einigen Stellen eingestürzt und musste dringend repariert werden, so wie fast alles hier. Es mangelte überall, seien es nun Bau- oder Verbandsmaterialien oder weit wichtigere Dinge wie Nahrungsmittel.

Doch es brachte nichts über diese ganze Situation zu klagen. Er war schlechteres gewohnt, weitaus schlechteres und doch tat er alles um für die handvoll jungen Menschen zu sorgen, die ihm in den letzten Jahren so wichtig geworden waren, fast so wichtig wie eine Familie, auch wenn er es nie zeigte.

Er hatte sein Ziel erreicht, ließ das Bündel gerader Hölzer auf den Boden sinken und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Der Tag war noch nicht sonderlich alt. Der Stand der Sonne verriet ihm, dass es etwa um die Mittagszeit sein musste. Die Temperaturen kletterten hoch in diesen Wochen und es regnete eher selten, doch wenn, dann schüttete es wie aus Eimern und seine feinen Sinne, die so viel schärfer waren, als die eines normalen Menschen, verrieten ihm bereits jetzt, dass die wenigen Quellwolken, die man am Rande des Horizonts erkennen konnte, in wenigen Stunden zu einem wohl etwa mittelgroßen Sommergewitter heranwachsen würden. Er gönnte sich einen Moment Ruhe, massierte sich nochmals das schmerzende Handgelenk. Die Schmerzen hatten im Verlauf der letzten Tage zugenommen und so langsam half auch der straffe Verband nicht mehr. Doch er schonte die strapazierten Knochen nicht, arbeitete jeden Tag unermüdlich, war er das den anderen doch schuldig.

So ging er kurz in den kleinen Schuppen, den sie als Vorratsraum benutzten und griff nach dem kleinen Säckchen, wog es kurz in der Hand. Es war deutlich leichter geworden in den letzten Wochen und so mussten sie wohl demnächst wieder neue Nägel besorgen. Für sein jetziges Vorhaben würden sie schon reichen. So hoffte er wenigstens. Er nahm sich noch den Hammer und verließ den Schuppen dann wieder, griff draussen mit der linken Hand auch nach einem der Holzschindeln. Er hatte beim Schlagen der Bäume gut darauf geachtet, was genau sie brauchten. Die Lücken, die dann zurückbleiben würden, konnte er nachträglich noch mit einem Gemisch aus Wasser, lehmiger Erde und Gräsern abdichten.

Er schmiss die dünnen Schindeln nach oben auf das Dach, zog sich selbst an den stabilen Balken hoch, die jeder Witterung strotzten.

„Du willst jetzt das Dach reparieren? Du solltest deine Kräfte für heute Abend schonen.“ Er blickte sich nicht mal um, sondern griff nach einem der Bretter, welches in seinen Augen für angemessen erschien und legte es in die erste große Lücke, passte es an. Ein Seufzen von unten war zu vernehmen. „Du hörst mir schon wieder nicht zu!“ Es war Beleidigung, die aus diesen Worten sprach und ein kaum merkliches Verziehen der Mundwinkel seinerseits hervorrief. „Gestern Abend habe ich dir sehr wohl zugehört, Aoi.“, brachte er schmunzelnd hervor, hob den Hammer und fixierte die erste Holzschindel, befestigte sie mit wenigen Schlägen. Der Blondschwarzhaarige musste nicht einmal hinab sehen, um zu wissen, dass sich die Wangen des Schwarzhaarigen gerade rot verfärbten und er den Blick abwandte, nur leise schnaubte. „Das ist etwas ganz anderes! Du weißt genau, dass dein Handgelenk noch nicht in Ordnung ist und Ruhe brauch!“ „Ich weiß, das sagst du mir seit vier Tagen.“, erwiderte er daraufhin nur ruhig, nahm den nächsten Nagel und hämmerte ihn mit zwei gezielten Schlägen in das neue Holz, verzog kurz die Gesichtszüge durch die Verspannung seines Handgelenkes. „Dann hör verdammt noch mal auf mich!“ Langsam wurde der Schwarzhaarige böse, er regte sich auf, dass spürte der Ältere instinktiv. Er hörte auf zu hämmern, blickte nun dem Jüngeren genau in die dunklen Augen. Er erkannte nicht nur Wut, sondern auch Sorge in ihnen und diese Sorge war es, die ihn dazu verleitete den Hammer aus der Hand zu legen und von dem Dach zu klettern. Er ging auf den Schwarzhaarigen zu, fasste ihn an den schmalen Schultern und drückte ihn gegen die Wand. „Aoi… ich habe dir bereits gesagt, dass diese Verletzung nur Nebensache ist. Sie behindert mich kaum… schau…“ Er hob seinen linken Arm und bewegte sein Gelenk fast locker vor den Augen des anderen. Doch auch wenn es spielerisch aussah, schmerzte es ihm bis tief in die Knochen. Das Lächeln welches dabei auf seinen Lippen lag, war mehr gespielt, als wirklich ernst gemeint und Aoi erkannte es sofort. Sein Blick wurde traurig und mit sanften Händen umfasste er das bandagierte Handgelenk, bog es leicht nach hinten und sofort fühlte er die Anspannung in den Muskeln des Älteren, sowie den kaum merklichen Versuch die Hand zurückzuziehen. „Du lügst, Reita. Es schmerzt sehr wohl und wenn du es noch mehr beanspruchst wird dir auch deine Gabe, dass deine Wunden schnell heilen, nicht helfen.“ Langsam führte der hübsche Junge Reitas Hand zu seinen Lippen, koste die verletzte Stelle und schmiegte seine Wange an die Hand des anderen. „Du willst nie, dass ich mir Sorgen mache, aber warum gibst du mir dann Grund dazu?“ Es waren leise Worte, kaum ein Flüstern und doch nahm Reita sie so scharf war, als hätte Aoi normal gesprochen. Nun legte sich doch ein sanftes und ehrliches Lächeln auf seine sonst so kalten Züge und er strich zärtlich einige schwarze Strähnen aus dem hübschen Gesicht des Kleineren.

„Aoi…“, sprach er den Namen aus, bewirkte so, dass der Angesprochene den Blick hob und ihm in die Augen sah. „Ich will nicht, dass du dir Sorgen machst, das ist richtig und ich will auch nicht, dass du traurig bist. Das Handgelenk tut weh, ja, aber es macht mich noch lange nicht schwach. Solange es durch die Bandagen gestützt wird, kann ich gut damit arbeiten.“ „Aber ich will nicht, dass du Schmerzen hast und ich möchte eigentlich auch nicht, dass du heute Abend kämpfst.“, erwiderte der andere und ein Anflug von Verzweiflung wurde in seinen Augen sichtbar. Auch Reitas Blick wurde ernst. „Diese Diskussion hatten wir erst gestern und du weißt genau, dass wir das Geld dringend gebrauchen können!“, meinte er eindringlich, strich dem anderen nochmals durch das schwarze Haar.

Kurz wich Aoi dem Blick des anderen aus. Er wusste genau, dass Reita Recht hatte. Diese Kämpfe und das Geld was sie dort gewinnen konnten, war ein Großteil ihrer Einnahmequellen. Und dennoch machte Aoi sich große Sorgen um den Blondschwarzhaarigen, denn die Verletzung, die Reita so gerne runterspielte, war nicht leicht. Er hatte sie sich bei seinem letzten Kampf zugezogen und bisher war sie nicht wieder abgeheilt. Reita umfasste nun Aois Kinn, hob es etwas an und sah dem anderen tief in die dunklen Augen. „Zerbrech dir nicht dein hübsches Köpfchen wegen der Sache, Aoi. Ich passe schon auf mich auf.“, sprach er leise, wollte seinen Geliebten so beruhigen. Aoi seufzte leise auf, zog nun Reita etwas tiefer zu sich hinunter. „Versprich mir, dass du ab morgen dein Gelenk schonst und dich mal etwas ausruhst, ja?“, raunte er gegen die Lippen seines Freundes und ehe Reita antworten konnte, legte Aoi die seinen auf die des Älteren, küsste ihn leidenschaftlich und doch mit einer Süsse, die Reita so sehr an dem Schwarzhaarigen faszinierte. Er drückte Aoi zurück, presste ihn härter gegen die Holzwand und ließ eine Hand über den schlanken Hals bis zu den Schultern des Jüngeren gleiten, begann den Kuss zu dominieren und Aoi zurückzudrängen. Leidenschaft überfiel ihn und nur mühsam konnte er sich beherrschen. So löste er den Kuss, leckte noch mal kurz über die leicht geröteten Lippen seines Geliebten, ehe er seine Stirn gegen die des Kleineren lehnte. „Ich verspreche es dir, Aoi.“, raunte er noch leise, ehe er den anderen losließ und sich etwas entfernte.

Der Zauber war verflogen, der ihn für die wenigen Momente gefangen genommen und ein Gefühl unendlicher Ruhe geschenkt hatte. Nur Aoi war im Stande dieses in ihm zu wecken, sein unruhiges Gemüt zu besänftigen.

„Hey ihr beiden Turteltauben…“, ertönte mit einem Mal eine freche Stimme und sowohl Reita als auch Aoi drehten sich in die Richtung, aus der diese gekommen war. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht und die starken Arme vor der Brust verschränkt, stand ein braunhaariger junger Mann an die Wand gelehnt und beobachtete die beiden anderen aus belustigt funkelnden Augen. „Ruka…“, knurrte Reita leise, blickte den anderen etwas feindselig an. „Stets zu Diensten, Reirei.“, grinste der Ältere weiter. Es machte ihm Spaß den Blondschwarzhaarigen zu ärgern, was ihm auch immer wieder gelang aufgrund Reitas aufbrausenden Gemüts, das im krassen Gegenstand zu seinem kalten und abweisen Verhalten stand. Ehe Reita auf diesen gehassten Kosenamen auch nur irgendetwas erwidern konnte, erhob Aoi das Wort um die gespannte Situation zu entschärfen. „Du bist schon wieder zurück? Das ging schnell…“, fragte Aoi an den Ältesten ihrer Gruppe gewand. Dieser richtete seinen Blick nun auf die schwarzhaarige Schönheit und der Ausdruck auf seinem Gesicht wurde ernster. Er nickte. „Ja… und leider habe ich schlechte Nachrichten. Ich habe vorhin Katsuya getroffen und der meinte, die Fracht, die sie schon seit Tagen erwarten, kommt frühestens übermorgen. Ich konnte also keine neuen Verbandsmaterialien besorgen.“ Das waren wahrlich schlechte Nachrichten, die insbesondere Reita erschreckten. Wenn Ruka kein neues Verbandsmaterial besorgen konnte, dann mit Sicherheit auch kein Tryptophan. Jenes bestätigte Ruka auch sogleich. //Verdammt! Das hat mir gerade noch gefehlt.// fluchte er in Gedanken, sah in das besorgte Gesicht seines Freundes. „Kommst du trotzdem noch zwei Tage über die Runden?“, fragte nun Ruka und auch ihm stand etwas Sorge in das Gesicht geschrieben. Reita überlegte was er tun sollte. Er hatte keine Vorräte mehr, hatte auf Ruka gehofft. Doch er wollte nicht, dass Aoi sich wieder beunruhigte und so nickte er schließlich, obwohl es eine Lüge war. Den Schwarzhaarigen beruhigte das Nicken wieder etwas. Aoi war oft erstaunt über Reitas Reflexe, seine Schnelligkeit und Stärke, seine Sinne, die für ihn schon manchmal unmenschlich waren, doch umso besorgter wenn es um die anscheinend einzige Schwäche des Schwarzblondhaarigen ging, denn er wusste aus eigener Erfahrung wie schlecht es Reita ohne dieses Medikament gehen konnte. Seine Gedanken glitten ab, vier Jahre zurück in die Vergangenheit, zu dem Tag als er Reita verlassen in einer einsamen Gasse gefunden hatte.
 

***
 

Es war kalt, verdammt kalt und die Decke, die er sich um die schmalen Schultern geschlungen hatte, schützte ihn auch nicht vor der eisigen Kälte dieser Dezembernacht. Er musste sich beeilen, war bereits viel zu lange in der Stadt gewesen und hatte vollkommen die Zeit vergessen. Dabei warnte Tetsu ihn doch auch immer genau davor! Aoi schollt sich in Gedanken und noch mehr dafür, dass er zum Trotz aller allein losgegangen war. Jetzt hatte er den Salat. Es war stockdunkel und für einen 13-Jährigen, der zwar auf der Strasse aufgewachsen war, aber immer noch zu gefährlich.

Gerade jetzt lief er durch eine dunkle Gasse und ein eisiger Schauer lief ihm über den Rücken. Er hatte schon von vielen Überfällen gehört, die hier in der Gegend geschehen waren und fürchtete nun, vielleicht auch ein Opfer zu werden. Er beschleunigte seinen zügigen Schritt noch mehr, rannte nun schon fast durch die verlassenen Gassen, wollte einfach nur schnell aus der Stadt raus und nach Hause.

In seiner Hast übersah er, dass etwas auf dem Boden lag und mit einem erschrocken Schrei fiel er auf den Boden, jaulte auf, als sein Knie auf dem harten Beton aufschlug. Er musste nicht mal nachschauen um zu wissen, dass seine Haut aufgeplatzt war und sein Knie blutete. Fluchend richtete er sich auf, drehte sich um, damit er erkannte über was er gestolpert war. Seine dunklen Augen weiteten sich, als er das paar Füße sah, die reglos auf dem dreckigen Boden lagen und er erschauderte, als seine Augen deren Verlauf folgten und schließlich den schmächtigen Körper erfassten, der regungslos an der Wand lehnte.

Ängstlich betrachtete Aoi die leblose Gestalt, die sich nicht rührte, musste unweigerlich daran denken, dass diese tot war. //Ich muss hier weg!//, jagte es durch den Kopf des Schwarzhaarigen und er wollte gerade davonlaufen, als sich mit einem Mal eine Hand um seinen Knöchel legte und er erneut zu Boden ging. Voller Panik schrie er auf und begann nach hinten zu treten, traf auch und erhielt als Antwort ein schmerzliches Stöhnen.

Erschrocken drehte Aoi sich wieder um, sah nun, wie die schlanke Gestalt am Boden lag, die getretene Hand zurückgezogen hatte und sie schmerzlich an den zittrigen Leib drückte. Im fahlen Licht des Mondes sah er nun in zwei dunkle Augen, die ihn leidvoll anblickten. Aoi wusste nicht, was ihn hielt, doch diese Augen, die so voll und so dunkel waren, zogen ihn schier magisch an, brachten ihn dazu, sich hinzuhocken und dem schätzungsweise ein bis zwei Jahre älteren Jungen näher zu betrachten.

Kein Wort kam über die aufgerissenen Lippen, nur in den Augen erkannte Aoi so etwas wie eine stumme Bitte nicht zu gehen, ihn nicht allein zu lassen, sondern ihm zu helfen.

Kurz glitten die Augen des hübschen Jungen über den Körper des Älteren, erfassten die zerrissene Kleidung, das getrocknete Blut an Stirn und Schläfe und das dreckige, blutverkrustete schwarze Haar, welches dem anderen bis über die Schulter fiel. Er sah erbärmlich aus und unter normalen Umständen wäre Aoi längst geflohen, denn es konnte eine Falle sein, eine gespielte Schwäche, die nur dazu diente, ihn hinters Licht zu führen und letzt endlich auszurauben, obwohl es nichts bei ihm zu holen gab.

Aber hier war Aoi sich sicher, dass es keine Falle war, dass das leid dieses Jungen nicht gespielt, sondern Wahrheit war.

„Wie… heißt du?“, fragte der 13-Jährige schließlich vorsichtig, erhielt jedoch keine Antwort.

Egal was er sagte, der Junge blieb stumm, sah ihn nur mit diesen dunklen, fast schwarzen Augen an. Aoi verzweifelte. Er wusste nicht, was er tun sollte, was er tun konnte, um diesen Jungen zu helfen. Ihm bleiben nur zwei Möglichkeiten: Entweder er lies diesen Jungen hier liegen und überlies ihm seinem Schicksal oder er nahm ihn mit zu sich nach Hause? Doch wie sollte er das schaffen? So ganz allein mit seiner schmächtigen Statur, die ihn schon immer den Spott seiner Freunde einbrachte. Doch er wollte ihn hier nicht liegen lassen, wollte nicht nachts davon träumen, die gebrochenen Lichter dieses Jungen zu sehen.

Er fasste einen Entschluss. Langsam nahm er die Decke von seinem Körper, legte sie über die gebrechliche Gestalt des Älteren, der darauf kaum reagierte. Sein Körper schien nur noch zu atmen, aber er zeigte sonst keine weitere Reaktion. Er musste so geschwächt sein, dass er zu nichts anderem mehr fähig war und Aoi wusste, würde er ihn hier allein lassen, wäre das sein Tod. „Ich… ich bin bald zurück. Bitte halte durch.“, hauchte er angstvoll, wollte aufstehen, doch eine leise, mehr gebrochene Stimme hielt ihn zurück. „Nein… geh nicht. Bleib hier.“ Der Schwarzhaarige verstand die Worte kaum und doch blieb er sitzen. „Ich… muss doch Hilfe holen, allein kann ich dir nicht helfen.“, brachte er hervor, sah nur das schwache Kopfschütteln des Älteren. „Nicht… gehen… bitte…“, war das Einzige was er als Antwort erhielt. Wenn er nicht gehen konnte, musste er den anderen eben mit sich nehmen.

Vorsichtig rutschte er näher an den anderen Körper. „Dann… muss ich dich mitnehmen. Glaubst du, dass du laufen kannst?“, fragte er leise, erhielt kaum eine Antwort, nur ein schwaches Nicken. Aoi glaubte dem anderen nicht, doch er musste es versuchen. Liegen lasen würde er ihn nicht. So umfasste er vorsichtig eines der Beine und die Hüfte des schwachen Körpers, versuchte ihn aufzuheben, doch wieder gelang all das nicht. Er spürte die immense Hitze, die von dem Leib ausging, also litt der andere auch an starkem Fieber.

„Komm… versuch aufzustehen. Allein schaffe ich das nicht.“, meinte er fast hilflos nach drei weiteren Versuchen, die missglückt waren. Es schien Aoi mehr, als halte er einen Puppenköper in Händen, nicht aber einen lebendigen Menschen. Der dunkelhaarige Junge rührte sich kaum, hing mehr wie ein Sack Mehl in den Armen des Schwarzhaarigen und doch ging mit einem Mal ein leichter Ruck durch dessen Körper und er trat auf den Boden. Aoi spürte wie sich Spannung in den Muskeln aufbaute und der Körper sich langsam aufrichtete, sich einige Finger in seine Kleidung krallten, dort halbwegs nach Halt suchten. Kein Wort kam über die aufgeplatzten Lippen des Älteren, er brauchte wohl alle Kraft um sich aufrecht zu halten. Leicht lächelnd verfestigte Aoi seinen Griff, bot so dem Fremden noch etwas mehr Halt. „So ist es gut. Und jetzt langsam laufen.“, spornte er den anderen an, stützte ihn so gut es ihm möglich war und tatsächlich. Langsam setzten sie sich in Bewegung, verließen die Gasse und liefen einem neuen Leben entgegen.
 

***
 

So hatte Aoi Reita damals gefunden und ihm das Leben gerettet. Und schon bald hatten sie festgestellt wie knapp Reita dem Tod entgangen war. Aoi hatte das für ihn so lebenswichtige Tryptophan in der zerschlissenen Jacke des anderen gefunden und es ihm mit Hilfe Tetsus injiziert. Reita war damals viel zu schwach gewesen um es sich selbst hätte Spritzen können.

Aber für Aoi war es das erste und letzte Mal gewesen, dass er Reita so schwach erlebt hatte. Niemals wieder hatte er in die Augen gesehen und diesen leidvollen Blick in ihnen wahrgenommen, wie bei ihrer ersten Begegnung.

„Aoi? Ist alles okay?“, riss auf einmal Rukas Stimme ihn aus den Gedanken. Der Schwarzhaarige schüttelte kurz den Kopf, sah den Brünetten fragend an. „Ähm was? Ja… ich war nur in Gedanken.“, brachte er dann entschuldigend hervor, sah wie auch Ruka nun wieder ein Grinsen auf den Lippen hatte. „Gut.. ich dachte jetzt muss ich mir auch noch um dich Sorgen machen.“ Ein Kopfschütteln war die Antwort. „Wo ist Reita eigentlich hin?“, fragte Aoi dann, der erst jetzt das Fehlen des Blondschwarzhaarigen bemerkte. „Reita ist rein. Wohl schauen ob er noch genug Tryptophan hat.“, erläuterte Ruka seine Vermutungen. „Wir sollten auch langsam rein. Ryoko und Ayumi haben das Essen vorbereitet.“ „Hm...“, sagte Aoi nur, driftete erneut kurz in Gedanken ab. Ruka wollte soeben gehen, als der Schwarzhaarige ihn aber noch mal zurückhielt. „Ruka… ich.. ehm… würdest du heute Abend auf Reita aufpassen? Ich weiß nicht, aber sein verletztes Handgelenk macht mir Sorgen.“, sagte er dann, sah wie der Brünette lächelnd nickte. „Ich werde ein Auge auf ihn haben.“ „Danke.“ So verschwanden auch die beiden in das Innere des alten Tempels.
 

***
 

Der Tag zog weiter ins Land und so langsam hielt die Dämmerung Einzug. Sowohl Reita und Ruka machten sich fertig und während Reita sein Handgelenk nochmals straff bandagierte, beobachtete Ruka ihn dabei aus den Augenwinkeln. Irgendwie war der Jüngere heute anders als sonst, angespannter und kam es dem Brünetten nur so vor, oder ging sein Atem schneller? „Reita alles klar?“, fragte er den Jüngeren, als dieser ein schwarzes Tuch um die Bandage wickelte, ihr noch etwas mehr Stützung geben sollte. Reita hob den Kopf und sah Ruka an. „Was sollte anders sein?“, erwiderte er nur kühl, fuhr dann fort sich anzuziehen. Sein muskulöser Körper steckte nun in recht engen schwarzen Sachen und die Haare hatte er sich zu einem Iro aufgestellt und seine Nase verbarg sich unter einem schwarzen Halstuch. In ähnliche dunkle Kleidung war auch Ruka gehüllt und das ärmellose Shirt entblößte das Tattoo auf seiner linken Schulter. „Schon gut. War ja nur ne Frage.“, murrte Ruka. Reita hatte ja mal wieder eine wunderbare Laune. „Gut wenn es das war, dann können wir ja langsam gehen, immerhin müssen wir uns auch noch einschreiben.“, sagte der Schwarzblonde und streckte sich nochmals kurz.

Ruka nickte nur ernst, verließ das Zimmer, welches ihnen als Schlafstätte diente und Aoi betrat es. Der Anblick seines Freundes ließ sein Herz höher schlagen und gleichzeitig auch schmerzlich pochen. Er machte sich jedes Mal sorgen, wenn Reita zu einem dieser gefährlichen Kämpfe aufbrach, wusste er doch, dass es dort oftmals bis zum bitteren Ende ging und sowohl Ruka als auch Reita waren bereits mehrmals mit Verletzungen zurück gekommen. Dieses Mal kam erschwerend hinzu, dass er keine Materialien mehr hatte um eventuelle Wunden richtig zu versorgen. Und das was Ruka bereits bemerkt hatte, fiel ihm, Aoi, umso deutlicher auf.

Reita hatte eine erschwerte Atmung. Langsam trat Aoi auf den anderen zu, umarmte ihn von hinten. „Du bist verspannt.“, meinte er leise, schmiegte seine Wange an die starken Schultern seines Freundes. „Ist normal wenn es um den Kampf geht, weißt du doch.“, erwiderte Reita nur gelassen, drehte sich zu dem Dunkelhaarigen um und sah ihn an. „Bitte denk an dein Versprechen von heute Mittag, hai?“, sprach Aoi noch einmal das Thema an, wollte sicher gehen, dass Reita auch an es dachte. Der Schwarzblonde lächelte leicht, nickte. „Keine Angst. Ich passe schon auf.“ Er beugte sich nochmals zu der schwarzhaarigen Schönheit hinab und hauchte ihr einen Kuss auf die vollen Lippen, brauchte gar nicht um Einlass zu bitten, denn dieser wurde ihm sofort gewährt. Gierig erkundete Reita das ihm dargebotene Territorium, fachte Aoi zu einem leidenschaftlichen Zungenspiel an, ehe sie sich wieder trennten. Mit dem süssen Geschmack des Schwarzhaarigen verabschiedete er sich schließlich von ihm und ging hinaus zu Ruka, der schon auf ihn wartete. Sie mussten sich beeilen, wenn sie den Stadtpatrouillen nicht begegnen wollten, die seit dem Terroranschlag vor neun Jahren nachts immer durch die Strassen zogen, ein kläglicher Versuch der Regierung die hohe Kriminalität einzudämmen, der jedoch wenig brachte, als noch mehr Unruhe.

Gemeinsam kletterten sie den Hang hinab. Es war eine gute Idee gewesen, sich ein Versteck außerhalb der Stadt zu suchen, denn so hatten sie einen gewissen natürlichen Schutz, mussten nicht immer Angst haben, ausgeraubt zu werden.

„Was ist der heutige Schauplatz?“, fragte Reita den Älteren, während sie Seite an Seite durch die dunklen Gassen huschten, immer darauf bedacht den Stadtpatrouillen zu entwischen, denn ihre Gesichter waren leider bekannt. „Die alte Kirche im Norden der Stadt.“, brachte Ruka knapp hervor und Reita nickte nur als Antwort. Ein guter Platz, denn die unterirdischen Gewölbe der alten Kathedrale, boten die beste Atmosphäre für einen guten Kampf.

Sie erreichten die alte Ruine unbeschadet und der Lärm, der sie begrüsste, zeugte bereits davon, dass eine gute Stimmung herrschte. Etwas das Reita immer stiller werden ließ. Sobald sie sich einer größeren Menschenmenge näherten, wurde der Schwarzblonde kälter und abweisender, verschloss sich mehr und mehr.

Als sie das Gemäuer betraten war die große unterirdische Halle bereits durch zahlreiche Fackeln und Neonlampen fast taghell erleuchtet und Reita musste die Augen zusammenkneifen. Er hasste dieses künstliche, grelle Licht, erinnerte es ihn doch nur an seine Vergangenheit, die er tief in seinem Inneren verschlossen hielt und auch nie wieder an die Oberfläche holen wollte.

Es herrschte eine ausgelassene Stimmung. Viele Menschen waren anwesend und auf den Tribünen unterhalb des Deckengewölbes tummelten sich die Reichen, die wenig später ihre Wetten auf die einzelnen Kämpfer abschließen würden, während unten das Gesindel um Leben und Tot kämpfte und sich an den wenigen Leckerbissen labte, die die Reichen ihnen hinunter warfen. Es war eine widerwärtige Gesellschaft, die Reita abgrundtief hasste. Es tat ihm nicht leid, dass er regelmäßig in die Villen der Reichen einstieg und sie ausraubte, um dann solch teure Gegenstände wie Kerzenleuchter aus Silber oder teuren Schmuck auf dem Schwarzmarkt in Geld umzuwandeln. Sie brauchten jeden Yen um zu leben.

Gemeinsam schrieben sich Reita und Ruka ein, wurden dann auch schon zu den Randplätzen geführt und bekamen eine Nummer angeklebt. Später dann bei den ersten Kämpfen wurden sie anhand ihrer Nummer aufgerufen und einem zufälligen Gegner zugeteilt.

Eine Prozedur, die er bereits zur Genüge kannte und wie immer wenn er sich die Gesichter der anderen Kämpfer ansah, stellte er fest, dass er viele von ihnen kannte. Sie alle waren aus demselben Grund hier. Das Preisgeld, mit dem sie ihre Sippe ernährten.

Ruka hatte ebenfalls schon einige bekannte Gesichter gesehen und war nun auf dem Weg zu ihnen. „Hey Die! Na auch wieder dabei?“, grüsste er einen hoch gewachsenen jungen Mann mit feuerroten Haaren, dessen eigentlicher Name Daisuke war, aber den alle nur Die nannten. „Na klar! Ist doch das Einzige, was einem mal Abwechslung verschafft!“ Er lachte und klopfte Ruka zur Begrüßung auf die Schultern.

Reita hielt sich im Hintergrund und beobachtete stattdessen die anderen Teilnehmer, entdeckte hier und da noch unbekannte Gesichter. Doch sie alle waren unrelevant. Ja fast schon gelangweilt sah er sich weiter um, bis sein Augenmerk auf eine schmale Gestalt fiel, die ihn stutzen ließ.

Das was er ins Auge gefasst hatte, war ein junger Mann, der fast vollständig von Kopf bis Fuß verhüllt war. Füße und Arme waren eng badagiert und die Beine steckten dazu in wadenhohen Schnürrboots und auch der restliche Körper verbarg sich in enger dunkler Kleidung, die die schmale Gestalt des jungen Mannes preisgab. Ja der Körperbau wirkte fast schon zu schmächtig. Reita erinnerte diese Aufmachung an einen Ninja, denn auch so wie diese traditionellen Kämpfer war auch der Fremde komplett verhüllt und nur die hellen, stechenden Augen waren zu erkennen, gaben Einblick auf die Gestalt, die sich unter der Kleidung verbarg. Und gerade diese Augen waren es, die Reita so sehr an dem Fremden festhielt. Die stechend scharfen goldgelben Iriden, die wie eine lauernde Katze sich umsahen, hielten ihn fest und mit einem Mal richteten sich die Katzenaugen auf ihn und er wirkte wie erstarrt.

Er kannte diese Augen, blickte wie in einen Spiegel der Vergangenheit. Es konnte nicht sein… ER konnte es nicht sein! //Sakito…?//

The Reunion

Titel: Dark Angel

Kapitel: 4/?

Autorin: -Satty-

Pairing: Ni~yaxSakito

Genre: Shounen-ai, Romantik, Darkfic etc...

Kommentar: Jaaaa auf dieses Kapitel habe ich mich gefreut. Obwohl ich doch so einige Probleme hatte XD

Für den miesen Cliffi im letzten Chap muss ich mich ja nicht entschuldigen, was wäre eine FF ohne ein bisschen Spannung ^.~
 

Kapitel 3: The Reunion
 

Noch immer sah Reita fast schon schockiert auf die schlanke Gestalt und noch immer sahen ihn diese katzenhaften goldgelben Augen an. Das konnte nicht sein. ER konnte nicht Sakito sein!

Der Blondschwarzhaarige schloss die Augen und schüttelte den Kopf. Er öffnete sie wieder und blickte erneut in die Richtung des jungen Mannes und sah… gar nichts?

Schnell sah Reita sich um, blickte in alle Richtungen doch nirgends konnte er die vermummte Person entdecken. //Kami-sama! Ich werde schon paranoid. Sakito tse… ich hab ihn neun Jahre nicht gesehen und ich will es auch gar nicht! Mein Kopf spielt mir wieder Streiche!//

„Oi Reita! Komm rüber der erste Kampf geht los.“, rief Ruka ihm gerade in diesem Moment zu und mit einem erneuten Blick durch den Raum, drehte er ab und ging zurück zu dem hoch gewachsenen Braunhaarigen. Und tatsächlich betraten die ersten beiden Kämpfer die Arena und der Blondschwarzhaarige erkannte sofort, dass sie nicht mal im Geringsten als Gegner für ihn in Frage kamen. Zwar besaßen beide Muskeln wie ein Mammut, aber dafür soviel Grips wie ein Affe. Dieser Gedanke bestätigte sich auch sogleich als der selbst erklärte Ansager sie mit ihren Nummern vorstellte, damit die Zuschauer in den oberen Rängen bereits erste Eindrücke sammeln konnten. Die Wetteinsätze waren zumeist erst ab der zweiten Runde möglich, doch das interessierte Reita selbst überhaupt nicht. Für ihn war nur das Geld wichtig, was sie aus diesen Wetten schlagen konnten.

Laut brüllten die beiden Kämpfer auf, rissen ihre Arme nach oben, versuchten wohl so das Publikum auf ihre Seite zu ziehen. //Idioten!//, dachte Reita sich nur, überdrehte die Augen und wandte sich ab. Er verließ den Kampfbereich und setzte sich etwas weiter abseits auf den Boden, lehnte sich gegen die Wand. Ihm war etwas schummrig zumute und er glaubte zu spüren, wie sein Körper sich innerlich erwärmte. Er kannte die Symptome zu gut, hoffte, dass er den heutigen Kampf überstand und sich dann einfach ausruhen konnte, bis Ruka das neue Tryptophan besorgte. Seine letzte Dosis lag bereits zwei Tage zurück und schon dort hatte er einsparen müssen. Aber er wollte sich darüber jetzt keine Gedanken machen. Sein Körper war stark und dieses bisschen würde ihn schon nicht umhauen.

Oh wie sehr Reita doch die Symptome unterschätzte.

Etliche Minuten saß er so da, schaltete alles um sich herum ab, versuchte etwas zu entspannen, wenigstens so weit, dass der Schmerz in seinem Handgelenk etwas nachließ. Er wollte nicht wissen, wie es unter dem Verband aussah, den er diesmal noch zusätzlich mit einem kleinen Holz stabilisiert hatte, aber Aoi würde wohl darauf bestehen sich das Gelenk nach ihrer Rückkehr noch anzusehen.

Im Hintergrund hörte er wie die Kämpfe fortschritten, doch das war ihm egal. Er versank in seinen Gedanken, dämmerte immer mehr weg, hätte sich beinahe dem Müdigkeitsgefühl, welches sich in ihm ausbreitete, ergeben, als ein Rütteln an der Schulter ihn zurück in die Realität riss. „Hey Reita! Pennen kannste heeme!* Ruka is gerade im Ring. Willste dir das nich anschauen?“ Die kühlen Augen öffneten sich, blickten den großen Rothaarigen an, der ihn nur breit angrinste. Ohne eine wirkliche Antwort zu geben, richtete sich Reita wieder auf, bekam noch einen Schlag auf die Schulter. „Man Alter, pass bloß auf, dass dir nicht irgend wann noch wichtige Körperregionen einfrieren.“, lachte Die nur, erhaschte sich von dem Blondschwarzhaarigen nur einen eisigen Blick, der sich nicht herabließ auf diesen geschmacklosen Kommentar zu antworten.

Die schüttelte darüber nur den Kopf. Ihm war Reita schon immer suspekt gewesen. Was Aoi an dem Kerl fand, war ihm schleierhaft, aber gut. So ging er nur achselzuckend hinter dem wandelnden Eisblock, wie Die den kühlen Blondschwarzhaarigen leidenschaftlich gern nannte, hinterher, der den Weg zurück zum Ring einschlug, den Ruka gerade betrat.

Der Braunhaarige warf ein kühnes Lächeln ins Publikum und diese Geste genügte schon, dass es in Applaus ausbrach. Ruka war bekannt in der Szene und das als ausgezeichneter Kämpfer. Der Brünette hatte bisher kaum ein Straßenmatch verloren und so was sprach sich natürlich rum. Jetzt erwartete er mit Spannung seinen Gegner, welcher auch kurz nach ihm in den Ring gerufen wurde. Es war keine spektakuläre Gestalt die nun den Ring betrat. Sie besaß in etwa dieselbe Figur wie Ruka, war aber etwas kleiner. „Uhhh Toto! Na das kann spannend werden. Jetzt geht’s wohl unser Clan gegen euren, Reita!“ Dieser musterte nur kühl Rukas Gegner. Er kannte Toshiya sehr wohl, hatte auch schon gegen den Schwarzhaarigen gekämpft und wusste aus Erfahrung, dass dieser nicht unbedingt leicht zu schlagen. Ruka und er waren sich ebenbürtig.

„Ah Toto… lang lang is her, dass wir das Vergnügen hatten!“, feixte Ruka nun auch schon, blickte dem schönen Dunkelhaarigen ins Gesicht, der das Lächeln erwiderte. „Das stimmt wohl Ruka. Aber schonen werden wir uns wohl nicht, hm?“ „Worauf du dich verlassen kannst, immerhin sollten wir den Snobs da oben mal was bieten, als die lahmen Kämpfe hier!“ Dann gab der Moderator auch schon das Kampfsignal und die Zuschauer brachen in Gebrüll aus, wie immer, wenn ein interessanter Kampf sich anbahnte.

Toshiya war der erste, der angriff, Rukas Deckung durchbrach und ihm einen Schlag in den Magen verpasste, doch das kratzte den trainierten Brünetten nicht einmal ein bisschen, so griff er nach Toshiyas Schlagarm, zog ihn dabei zu sich zurück und rammte seinen Kopf gegen den des Dunkelhaarigen. Toshiya ätzte leicht auf, spürte wie ein roter Nebel sich über seine Augen legte. Doch beeinflussen ließ er sich davon nicht, griff einen Moment ins Leere, bekam dabei Rukas Haarschopf zu packen und riss ihn mit sich auf den Boden.

Ruka hatte diese Attacke nicht kommen sehen, landete nun seitlich auf der Hüfte, rollte sich aber sofort weg und sprang mit der nächsten Bewegung wieder auf die Beine, grinste Toshiya entgegen, der bereits wieder stand und wischte sich das Blut von der aufgeplatzten Lippe. Die Finte des Dunkelhaarigen hatte ihn ebenso einige Haare gekostet, aber das war nebensächlich. Einen Moment lag Spannung in der Luft, ehe beide zeitgleich wieder angriffen. Sie waren gleich stark, besaßen ein taktisches Auftreten, was den Kampf für die Zuschauer umso interessanter machte und doch endete er nach etlichen Minuten, indem Toshiya zu Boden ging, sich die schmerzenden Rippen hielt. Ruka hatte ihm mit dem letzten Tritt zwei Rippen gebrochen, etwas das schon zu den normaleren Verletzungen zählte. Man durfte sich nichts schenken, egal ob man befreundet oder befeindet war, das wussten sie alle! Dennoch half Ruka Toshiya auf die Beine, entschuldigte sich mit einem leichten Lächeln. Die Gruppe des Schwarzhaarigen hatte mit ihm nun einen Verlust zu verzeichnen, denn durch diese Verletzung würde er einige Wochen nicht mehr an den Kämpfen teilnehmen können und würde so als Einnahmequelle ausfallen. Darauf musste jeder Kämpfer sich vorbereiten, wenn er an den Kämpfen teilnahm, denn nicht selten endeten sie mit dem Tod von einem der Teilnehmer.

Die, der das Ende mitverfolgt hatte, fluchte laut auf, hastete zu Ruka und Toshiya und half den Verletzten aus der Arena zu tragen. Ein kurzer hasserfüllter Blick traf den Brünetten, doch er zuckte nur mit den Achseln. Es war die Sorge, die aus Daisukes Blick sprach, denn ihn und den Schwarzhaarigen aus seiner Gruppe verband eine innige Freundschaft. Gemeinsam brachten sie Toshiya zu einem etwas abseits liegenden Bereich, auf dem Stroh ausgebreitet worden war und wo bereits einige Verletzte umsorgt wurden. Verbandmaterialien gab es nicht. Sie waren wie in der ganzen Stadt Mangelware, aber Toshiya würde sie auch nicht brauchen. Er war stark genug das auch so zu überstehen.

„Hey Toto ich wollt nicht so fest zutreten.“, entschuldigte Ruka sich dann doch noch verbal, doch der Schwarzhaarige machte nur eine wegwerfende Handgeste. „That’s Life, Ruka. Du musst dich nicht entschuldigen.“, lächelte er, verzog dann aber das Gesicht aufgrund der schmerzen in seinem Brustkorb. „Leg dich hin, Toto! Ich bring dich nachher nach Hause.“, sagte Die zu ihm, blickte dann kurz zu Ruka und Reita. Sein Blick war weitaus nicht freundlich, aber auch nicht mehr so aggressiv wie noch vor ein paar Minuten. Die würde sich wieder beruhigen. So etwas wie eine Verletzung bei einem Kampf reichte nicht aus, um ihre Freundschaft zu zerstören. Es gab wenig in diesen Zeiten auf diesen Strassen, was noch etwas wert war, doch der Zusammenhalt unter den Gruppen, der nicht immer in einem bitteren Konkurrenzkampf endete, war etwas besonderes Seltenes und Wertvolles. Jetzt grinste Die auch schon wieder sein typisches Strahlegrinsen, auch wenn ein Anflug von Verbitterung nicht ganz aus seinen Zügen verschwand. „Nun hol dein Geld und verschwinde.“, scheuchte er Ruka schließlich auf, beugte sich dann zu Toshiya, lächelte auch ihn liebevoll an. „Das war’s dann wohl erstmal wieder mit kämpfen. Aber hey, das heißt, dass ich dich die nächsten Wochen vollkommen für mich habe.“ Versaut grinsend strich er dem anderen einige Strähnen aus dem Gesicht, der daraufhin nur lächelnd den Kopf schüttelte. „Spinner!“

Reita, der die Sache mit Toshiya eher still mitverfolgt hatte, sah nun zu Ruka, der auf ihn zukam, in der Hand einige Geldscheine haltend. „Kein schlechter Gewinn würde ich meinen. 8000 Yen. Damit können wir sicher die nächsten Lebensmittel und Verbandsmaterialien bezahlen, sowie dein Tryptophan.“ Ein freundlich gemeintes Lächeln richtete sich auf Reita und er erwiderte es leicht. Doch kein Wort kam über seine Lippen, er kämpfte im Moment mit einem leichten Schwindelgefühl in seinem Kopf. Ruka sah den Blondschwarzhaarigen an, bemerkte aber nichts von dessen Schwindelgefühlen. Ein neuer Kampf wurde aufgerufen, der vorletzte dieser Runde. Der erste Kontrahent kam in den Ring, ein Kollos von einer Größe weit über 1,80m und mindestens genauso breit. „Woho wer den Fleischberg als Gegner bekommt muss aufpassen nicht überrollt zu werden.“, lachte Ruka, verfolgte gespannt wie sich eine weitere Gestalt aus der Menge löste, doch diese ließ ihn nur die Augenbrauen anziehen. „Was hat denn so ein Hungerhaken hier verloren. Der ist doch nicht mal die Hälfte von diesem Koloss. Der wird zermalmt werden wie eine Stampfkartoffel. Was meinst du Rei?“ Ruka warf einen fragenden Blick auf seinen Partner, doch dieser starrte nur gebannt auf die zierliche Gestalt, die sich aus der Menge gelöst hatte, die von zahlreichen Lachern und Rufen begleitet wurde. Etwas verwirrt runzelte Ruka die Stirn, blickte dann wieder auf die Arena, fragte sich, was Reita so an diesem verhüllten Pseudoninja festhielt.

Dieser von Ruka als liebevoll betitelter Pseudoninja hatte soeben die Arena betreten, blickte empor zu seinem Gegner, der beim Anblick des Jungen nur auflachte. „Ey Leute? Soll das nen Scherz sein? Schmeißt das Würstchen raus und bringt mir nen ordentlichen Gegner!“ Lauthals lachte das Publikum stehen, doch der vermummte junge Mann reagierte nicht, sah den Koloss nur unentwegt in die Augen. Und der arrogante Blick, welcher aus den gelben Katzenaugen sprach, machte ihn wütend. „Ey du kleiner Pisser! Starr woanders hin oder ich schlag dir deine Glubscher aus dem Schädel!“ Hätte man durch das dunkle Tuch hindurch sehen können, dass das Gesicht des jungen Mannes mit den stechenden Katzenaugen verbarg, hätte man das spöttische Grinsen auf seinen Zügen gesehen. Aber man musste dies nicht tun, spiegelte sich die Meinung, die er über diesen Koloss hatte, doch in seinen Augen wieder. „Spar dir die lieber die Spucke und greif an!“, folgten kalte, fast schon emotionslose Worte, die wohl genau den Schwachpunkt seines Gegners trafen.

Vor Wut schnaufend kam die Walze auf ihn zu. „Na warte du kleiner Pisser!“ Der Schlag, der auf ihn zukam, war voller Kraft, aber nicht ideal. Sakito wich ihm gekonnt aus, verpasste seinem Gegner einem harten Nackenkantenschlag, der diesen Stolpern ließ. Fast wäre der wandelnde Fleischberg zu Boden gegangen, doch er konnte sich abfangen. Er drehte sich schwerfällig herum, setzte einen wuchtigen Schlag auf die flinke Gestalt und wieder wich diese mühelos auf, vollführte selbst eine fliegende Drehbewegung und erneut traf ein harter Fußtritt die Halsregion. Der Vermummte wusste anscheinend genau, dass Tritte in Magen oder andere Regionen keine Wirkungen erzielen würden, da die Fleischmasse seinen Gegner schütze, doch er war mit seiner Schnelligkeit und Wenigkeit der Stärke und Masse überlegen.

Doch der Kleinere wollte nicht spielen, sondern schnell zum Ende kommen. Somit hielt er sich nicht mit Nichtigkeiten auf, sondern setzte einen gekonnten und kräftigen Tritt nach, noch ehe sein Gegner sich von dem anderen Schlag erholen konnte, brachte ihn somit vollkommen aus dem Gleichgewicht. Ein geschickt ausgeführter Kinnhaken, der den Kehlkopf traf, setzte den Dicken vollends außer Gefecht, ließ den wallenden Fleischberg die Augen verdrehten, sich an den Hals greifen und zu Boden gehen. Der Kampf war vorbei, denn mit dem Schlag gegen den Kehlkopf hatte die schlanke Gestalt dem Größeren die Luftzufuhr abgetrennt. Er kam nicht mehr hoch. Der zierliche junge Mann hatte gewonnen.

Doch anstatt Beifalls herrschte nun eine Totenstille um den Gewinner herum.

Keiner konnte wirklich glauben, dass diese so schwächlich wirkende Gestalt den Fleischberg, der als Kenzo der Knochenbrecher bekannt war, so einfach besiegt hatte.

Selbst Ruka hatte es die Sprache verschlagen. Und dann kam er, der tosende Beifall, doch anscheinend interessierte es den Gewinner nicht. Dieser schritt erhobenen Hauptes von der Bühne, bekam sein Geld ausgehändigt.

Nun erst schien Ruka aus seiner Starre zu erwachen und er stieß einen lauten Pfiff aus. „Woho der Kleine scheint es ganz schön drauf zu haben! Ich hab noch nie gesehen, dass jemand Kenzo niedergestreckt geschweige denn besiegt hat!“ Bewunderung sprach aus seinen Worten und noch immer Unglauben, doch Reita, an den diese Worte eigentlich gerichtet waren, nahm sie nicht mal war. Ihm war heiß und kalt zumute, ja ihm wurde schon fast speiübel.

Es gab keinen Zweifel. Die Bewegungen, diese Eleganz und Leichtigkeit mit der jeder Schlag des Fremden ausgeführt worden war, ließen nur einen Entschluss zu.

Es musste Sakito sein! Diese Augen, dieses Auftreten… seine Augen hatten ihm keinen Streich gespielt, nein er hatte ihn vorhin wahrhaftig gesehen.

„Man Alter! Komm mal wieder zu dir… du wurdest eben aufgerufen!“, riss Ruka ihn nun doch zurück und Reita sah ihn einen Moment an, ehe der verwirrte Ausdruck aus seinen Augen verschwand und er nur kühl nickte.

Ohne noch ein weiteres Wort oder eine weitere Geste zu verschwenden betrat nun Reita den Ring, aus dem eben noch der Fleischberg von Kenzo weggebracht worden war.

Sein Kampf war schnell vorbei. Er registrierte seinen Gegner kaum, war mit den Gedanken vollkommen abwesend und auch sein verletztes Handgelenk machte ihm keine Probleme. Kaum drei Minuten dauerte dieser Fight an, da ging sein Gegner zu Boden und Reita wurde zum Gewinner erklärt. Der Blondschwarzhaarige holte nur schnell seinen Gewinn, drückte diesem Ruka in die Hand, verschwand sofort in der Menge. Er musste ihn finden! Musste sich Gewissheit verschaffen. Er kämpfte sich durch die Menge hindurch, wirkte rastlos, fast gehetzt, etwas, dass so untypisch für ihn war.

Er suchte die ganze Halle nach der vermummten Gestalt ab hinter der er Sakito vermutete, doch nirgends fand sich eine Spur von ihm. Er fuhr seine Sinne aus, konzentrierte sich auf die Energieströme der hier anwesenden, versuchte irgendwo die Besonderheit zu finden, die ihre so von den anderen abhob, doch er fand sie nicht. Es waren zu viele Menschen hier und er schaffte es nicht sie zu filtern.

Fluchend musste er aufgeben, zurückkehren zu Ruka, der ihn nur schief ansah. Doch sollte er sich nicht eigentlich freuen? Er wollte nichts mehr mit seiner Vergangenheit zu tun haben und Sakito gehörte unweigerlich zu dieser hinzu! Er hatte sich eine neue Existenz aufgebaut, gelernt was Lieben und Vertrauen heißt und all das wollte er nie wieder missen. Doch er wusste mit dem Auftauchen des Brünetten würde seine kleine heile Welt in Gefahr sein.

„Oi Rei. Was ist los? Du bist so unruhig. Hat es etwas mit diesem komischen Fremden zu tun?“ Rukas Fragen prasselten auf ihn ein, doch keine einzige beantwortete er.

Irgendwann gab es der Ältere dann einfach auf, er würde eh nichts bei dem Blondschwarzhaarigen erreichen.

Schließlich begann dann auch die zweite Runde, doch die Kämpfe zogen einfach so an Reita vorbei. Er nahm nur am Rande war, dass Ruka auch diese Runde gewann, erneut Geld für ihre Gruppe verdiente. Er war versunken in einem Gedankenchaos, innerlich aufgewühlt nur durch diese kurze Begegnung mit einem Fremden, wo er nicht mal zu 100% sagen konnte, ob es sich bei diesem um Sakito handelte oder nicht. Aber diese Augen, diese Ausführungen der Bewegungen, sie erinnerten so stark an den Brünetten, dass eine Verwechslung fast gar nicht möglich war. Dieses innerliche Chaos tat ihm nicht gut. Ihm schwindelte immer mehr und auch die Schmerzen ließen sich nicht mehr verbannen. Fast jede kleinere Bewegung tat nun schon weh, ließ den stechenden Schmerz, von seinem Handgelenk ausgehend, durch seinen gesamten Körper jagen. Er hatte sich abgegrenzt, sich bei Ruka entschuldigt, dass er noch etwas Ruhe vor dem nächsten Kampf sammeln wollte und der Ältere hatte es akzeptiert, dies zwar mit einem komischen Gesichtsausdruck, den Reita jedoch nicht mal mehr wirklich wahrgenommen hatte.

Irgendwann dann wurde seine Nummer erneut aufgerufen und er begab sich in den Ring, wollte diesen Kampf auch so schnell wie möglich hinter sich bringen, um dann nach Hause zu gehen. So wartete er auf seinen Gegner, ignorierte vollkommen um sich herum die angeregte Stimmung, die Anfeuerrufe, schloss kurz die Augen und lockerte seine angespannten Muskeln mit einigen Übungen. Als er die Augen dann wieder öffnete und direkt vor sich seinen Gegner erkannte, stockte er kurz.

Jetzt stand er ihm also gegenüber, diesem merkwürdigen Fremden und nun sah er auch direkt in diese honiggoldenen Augen, die vollkommen ruhig auf ihm ruhten, keine Emotion erkennen ließen. Und jetzt spürte er auch die starke Aura, die von diesem äußerlich so zierlich aussehenden Jungen. Er verengte seine Augen etwas und Spannung lag in der Luft, während die beiden Kontrahenten sich einfach nur still in die Augen sahen. Der Gong ertönte und der Kampf war damit eröffnet, doch keiner von ihnen regte sich, sah den jeweils anderen einfach nur an. Rufe ertönten, Misslaute, die klarmachen sollten, dass sie endlich mit dem Kampf beginnen sollten und endlich ließ der Fremde auch ein Gefühl in den Augen aufleuchten, ein Gefühl der Erkenntnis, etwas, dass Reita endlich klar machte, wer ihm Gegenüberstand.

„Sakito…“, hauchte er tonlos und der andere reagierte mit einem leichten, kaum merklichen Nicken. Ein komisches Gefühl ergriff den Blondschwarzhaarigen, ein Gefühl der Leere. Alle Gedanken waren mit einem Mal aus seinem Kopf verschwunden, er wusste nicht was er denken oder gar tun sollte. Doch diese Entscheidung wurde ihm nun von seinem Gegenüber abgenommen. Sakito hatte sich aus seiner Starre gelöst und startete nun den Kampf, nach dem das Publikum lechzte. Sie alle waren gespannt, wollten sehen was zwischen diesen beiden passierte, was sie tun würden.

Reita sah den Schlag nicht, als er kam, spürte ihn nur instinktiv und wich zurück, rief sich endlich wieder zur Besinnung, wo er war und wozu er hier war. Sakito wollte kämpfen! Er würde kämpfen!

Verbannt war alles aus seinem Inneren, Erinnerungen, die sich aufdrängen wollten, Gefühle, die ihn verwirrten. Alles, was jetzt wichtig war und Konzentration verlangte, war der Kampf, denn nun hatte er einen Gegner gefunden, der schwer zu besiegen war.

Sakito war nach seinem Angriff sofort wieder auf Abstand gegangen, sah Reita nun an und in seinen Augen lag die stumme Aufforderung, dass der Blondschwarzhaarige nun den nächsten Schritt tun sollte. Gern und mit einem Grinsen auf den Lippen kam Reita dieser Aufforderung nach, schnellte auf den Jüngeren zu, täuschte einen Schlag gegen die linke Seite des Transgenos vor, zielte dann aber auf den Magen des anderen. Sakito hatte dieses Vorhaben längst kommen sehen, blockierte Reitas Angriff mit der rechten Hand, zog Reita zu sich heran und rammte ihn das Knie in den Magen. Der Ältere keuchte auf, reagierte doch nicht weiter auf diesen Tritt, bekam mit einer fast übermenschlichen Bewegung Sakitos linke Hand zu fassen, drückte die rechte gleichzeitig zurück, die seine Linke festhielt, drückte den anderen trotz der pochenden Schmerzen in seinem Gelenk nach hinten, schlug ihm mit dem rechten Bein die Füße unter dem Boden weg, sodass der Kleinere den Halt verlor, zu Boden stürzte. „Ich hätte mehr erwartet nach neun Jahren!“, lachte Reita, ignorierte in diesen paar Sekunden vollends seine Deckung, was ihm schnell zu Schaden kam. Sakito war nicht vollkommen gefallen, hatte sich nach links abgerollt und war sofort wieder auf die Beine gesprungen. Sein rechter Arm wickelte sich jetzt um Reitas Hals, drückte dem Älteren die Luft ab, der nur reflexartig nach seinem Angreifer trat. „Lektion eins: Achte auf deine Deckung!“, raunte ihm eine fremde und doch gleichzeitig so bekannte Stimme ins Ohr. Die Augen des Blondschwarzhaarigen verengten sich und er konzentrierte seine Sinne, riss Sakitos Arm zurück und zog den anderen an diesem nach vorn, während sein Ellenbogen sich in den Bauch des Kleineren bohrte. Doch es schien Sakito nicht einmal zu stören, denn mit einem Mal wickelten sich zwei schlanke Beine um Reitas Hüfte, während Sakito sich nach hinten schwang, Reita vollends aus dem Gleichgewicht brachte und sie beide zu Boden gingen. Instinktiv versuchte Reita sich auf seiner Hand abzufangen, doch das Vorhaben missglückte kläglich, denn seine verletzte Linke konnte sein Gewicht nicht tragen, knickte weg und ein rasender Schmerz jagte durch seinen Körper, ließ seiner Kehle ein schmerzvolles Aufkeuchen entkommen. Sofort erkannten die scharfen Augen Sakitos die gefundene Schwachstelle und er änderte seine Taktik, begann nun systematisch das verletzte Handgelenk anzugreifen.

Es herrschte eine Totenstille um die beiden Kämpfenden herum, die sich ein Match einer art schenkten, wie die Zuschauer es selten gesehen hatten. Beide Kontrahenten umwirbelten sich wie in einem Tanz und nicht länger wirkte dieses Match wie ein Kampf, sondern wie eine Vorführung und Kombinationen aus geschmeidigen, kaum sichtbaren Bewegungen, die für das normale Auge kaum nachzuvollziehen waren. Selbst Ruka blieb der Mund vor Staunen offen stehen. Selbst seinem geschulten Auge viel es schwer die einzelnen Bewegungen, die Angriffe auseinander zuhalten, so schnell erfolgten sie.

Sakito zwang Reita durch eine Kombination aus schnellen Angriffen und Finten in die Defensive und schon bald kamen die Schläge so schnell, dass Reita mehr erahnte, als wusste, woher sie genau kamen. Sakito hatte sich verändert. Er war stark geworden, sehr stark.

Reita konzentrierte sich stärker, spürte wie der Schmerz auch in seinem Kopf zunahm und ein Taubheitsgefühl sich in seinem Handgelenk ausbreitete.

Es fiel ihm immer schwerer Sakitos Parolen abzuwehren und so setzte er seine Beine ein, wich dem nächsten Angriff aus, drückte sich unter einem weiteren Schlag hindurch und schlug seinem Gegner erneut die Beine weg. Er spürte wie einen Moment die Sicht vor seinen Augen verschwamm und sein Körper nachzugeben drohte. Die anfängliche Wärme, die mit der körperlichen Anstrengung gekommen war, hatte sich längst in eine quälende Hitze verwandelt und sein Körper glänzte vor Schweiß. Die Entzugserscheinungen des Tryptophanmangels!

Durch diesen Schlag landete Sakito auf dem Boden, doch diesen Zustand behielt er nicht lange. Er war voller Energie, kaum außer Atem. Seine scharfen Augen waren gezielt auf Reita gerichtet und längst hatte er erkannt, wie schlecht es dem anderen ging. Es war nur zu Reitas Vorteil diesen im Moment ungleichen Kampf schnell zu beenden.

Noch ehe Reita seinen Schwachmoment zu seinem Vorteil ausnutzen konnte, stand er wieder auf den Beinen, setzte zum nächsten Angriff an.

Und diesmal hatte er ein genaues Ziel. Sein Angriff kam schnell und Reita konnte ihn durch seine eingeschränkte Sicht nicht genau abschätzen, musste sein linkes Gelenk einsetzen um ihn abzuwehren und dies war der Moment seiner Niederlage.

Sakitos rechter Unterarm prallte hart gegen das verletzte Gelenk und Reita konnte einen Schmerzenschrei, der jedoch auch Wut enthielt nicht zurückhalten, wich zurück und umfasste das nun höllisch brennende Gelenk mit einer Hand. Das war zuviel für seine strapazierten Nerven und seine Beine gaben nach, knickten einfach unter ihm weg. Der Schmerz hatte eine Grenze erreicht, die sich nun mit der körperlichen Schwäche des Blondschwarzhaarigen vereinte, ihm endgültig die Sicht vor Augen nahm. Er hörte das Rauschen des Blutes in seinen Ohren, den dumpfen Aufprall, den sein Körper hinterließ als er der Länge nach auf den Boden schlug. Das schmerzende Gelenk noch immer umklammert haltend blieb er liegen, wartete auf das Aus. Der Moderator zählte runter, gab Sakito als Gewinner bekannt und doch herrschte wieder Stille. Keiner hatte mit diesem plötzlichen Ende gerechnet, selbst Ruka war unfähig zu handeln, hatte Reitas schmerzlichen Niedergang nur wie einen Film verfolgt.

Der erste, der reagierte war Sakito, indem er neben dem anderen in die Knie ging, sofort erkannte, was mit Reita los war.

Der Verband, der die Hand umgab, färbte sich rot, also hatte sein Schlag auch die Haut beschädigt, doch das war nicht das, was ihn alarmierte. Es war das starke Zittern und das immense Fieber, welches er sofort fühlte. //Du Idiot! Mit Tryptophanmangel auch noch zu kämpfen!// „Helft ihn mit runter tragen!“, herrschte Sakitos kühle stimme zwei der Kämpfer an, die sofort nickten, Reita an Hüfte und Beine packten, während Sakito den Oberkörper des geschwächten Blondhaarigen anhob und sie ihn gemeinsam dorthin brachten, wo vor einigen Minuten Toshiya noch gelegen hatte.

Und endlich konnte auch Ruka sich aus seiner Starre lösen, stieß grob einige Zuschauer beiseite, die neugierig beobachteten wie Reita fortgebracht wurde. Schnell ging Ruka neben dem anderen in die Knie, sah ihn an, blickte dann zu dem Fremden. „Was hat er?“, fragte er nach, sah nur wie Sakito nicht lange fackelte und aus einer kleinen Tasche eine Spritze und eine kleine Phiole zog. Der für Ruka noch fremde junge Mann zog ohne Worte die spritze auf und injizierte sie Reita in die Armbeuge, blickte er dann Ruka in die Augen. Er drückte ihm die Spritze und die Phiole in die Hand, die noch etwa bis zur Hälfte gefüllt war, sagte ohne auf die vorherige Frage Rukas einzugehen. „Gib ihm das morgen früh noch mal! Und wenn er aufwacht bitte das!“ Er reichte Ruka zusammen mit der Spritze einen dreckigen Umschlag. „Er soll ihn lesen! Und nur er!“ Dann stand Sakito auf, verschwand vom Ort des Geschehens ohne noch ein weiteres Wort oder gar eine weitere Geste zu hinterlassen.

Ruka sah der davonhuschenden Gestalt nur nach, blickte dann auf den Umschlag und die Spritze, fluchte leise. „Verdammt du Idiot! Ohne Tryptophan zu kämpfen!“, schnauzte er Reita an, der davon jedoch nichts mehr mitbekam. Er war längst der Bewusstlosigkeit erlegen.

Und durch diesen ganzen Tumult bemerkte keiner die Person, die sich nun mit einem bösartigen Grinsen abwandte und die Kathedrale verließ.
 

***
 

Sakito hatte sich zurück auf den Weg zu dem gemacht, was ihm gerade als Unterschlupf diente. Das Geld für die beiden gewonnenen Kämpfe steckte in einem kleinen Beutel, den er immer unter den Sachen trug. Aus diesen hatte er auch das Tryptophan herausgezogen. Die ganze Zeit hatte er kalt und abweisend gewirkt, vollkommen gefasst, doch in Wahrheit hatte in seinem Inneren ein Chaos der Gefühle geherrscht. Auch jetzt fiel es ihm schwer zu glauben, was dort vorhin passiert war, dass er Reita wahrhaftig gefunden hatte und dieser Hinweis nicht nur wieder ein Fehlschlag gewesen war. Und auch Reita hatte ihn wieder erkannt, nun hoffte Sakito sehr, dass wenn der andere sich erholt hatte, er auf seinen Vorschlag reagieren würde. //Vielleicht ist es jetzt wirklich vorbei. Neun Jahre des hastens und der Unruhe…//
 

***
 

Aoi wartete sehnsüchtig auf Ruka und Reita. Ein ungutes Gefühl hatte ihm den Schlaf geraubt und seit dem tigerte er rastlos durch den kleinen Tempel. Als dann endlich weit nach Mitternacht die Schiebtür aufgezogen wurde und Ruka das Innere betrat, sprang der Schwarzhaarige sofort auf. „Was ist passiert?!“, fragte er alarmiert, als er sah, wie Ruka Reita, den er den ganzen Rückweg auf dem Rücken getragen hatte, langsam niederließ. Noch immer war dieser bewusstlos und es sah nicht so aus, als würde er vor Morgengrauen wieder aufwachen. Besorgt sank Aoi neben dem Bewusstlosen in die Knie, strich ihm einige Haarsträhnen aus dem Gesicht und löste das Halstuch. „Der Idiot hat uns angelogen und mit Tryptophanmangel gemeint kämpfen zu müssen! Das war los!“, platzte es aus Ruka hervor, der noch immer sauer war, wenn auch zugleich froh, dass Reita nichts schlimmes passiert ist, was es zweifellos wäre, hätte der Fremde ihm nicht das Tryptophan gespritzt. Wobei seine Gedanken wieder zu diesem glitten. Wer war er? Woher kam er und vor allem woher wusste er von dem Tryptophan? Es war klar, dass Reita und er sich kannten und damit hatte er wohl auch die Frage beantwortet, wieso der Blondschwarzhaarige vorhin die ganze Zeit so geschockt auf den Vermummten geblickt hatte. Er hatte nicht damit gerechnet ihn dort wieder zusehen, vielleicht ihn überhaupt wieder zusehen. Dies waren alles Fragen, die nur Reita ihm beantworten konnte und Ruka würde ihn danach fragen!

Jetzt jedoch konzentrierte er sich auf Aoi, der ziemlich aufgelöst wirkte. „Mach dir keine Sorgen um diesen Dickkopf. Ich habe Tryptophan das ihm die nächsten zwei Tage helfen wird und genug Geld um neues zu besorgen. Doch kümmere dich um sein Handgelenk.“, meinte er noch, setzte sich dann selbst neben seine beiden Freunde.

Aoi nickte, war erleichtert über diese Worte Rukas, kümmerte sich nun um Reitas Handgelenk. Jetzt wo der Ältere bewusstlos war, konnte er sich das Gelenk endlich in Ruhe ansehen und das was er zu sehen bekam, als er den Verband löste, ließ ihn die Luft einziehen. Reitas ganze Hand war geschwollen und das Gelenk blau und rot verfärbt. Dort wo Sakitos Schlag Reita getroffen hatte, war die Haut eingerissen und blutete leicht. „Gott! Damit hat er gekämpft!“, fluchte Ruka, könnte Reita für diese Sturheit wieder einmal eins reinschlagen! Aoi nickte bitter. Ihn machte es eher traurig das Reita ihm nicht schon viel eher gesagt hatte, wie schlimm es wirklich war, wie sehr betroffen das Handgelenk war. Und noch bitterer war, dass er ihn nicht angemessen behandeln konnte. Er verfluchte wieder einmal ihr armseliges Leben. „Ich muss es kühlen. Würdest du mir bitte etwas Wasser holen?“, richtete er eine Frage an Ruka, der sofort nickte und aufstand.

Geistesabwesend strich Aoi seinem Geliebten durch das wirre Haar, ertastete die kleine Narbe auf der Stirn des Älteren, die dieser noch von damals trug. Und es war bei weitem nicht die einzige Narbe auf dem Körper des Blondschwarzhaarigen.

Ruka kam zurück und während Aoi das Handgelenk seines Freundes so gut es ging behandelte, begann Ruka ihm von den Erlebnisse des Abends zu erzählen und besonders von dem Fremden. Aoi schluckte trocken, wurde ihm doch einmal mehr bewusst wie wenig er doch über seinen Gelienten wusste, ja eigentlich gar nichts wusste.

Aber er war zu müde und die Sorge, die ihn die ganze Nacht auf den Beinen behalten hatte, machte sich bemerkbar. Er wollte nicht mehr denken, nicht heute, wollte einfach nur neben Reita liegen und darauf warten bis dieser aufwachte. Sein Gelenk hatte er mit den letzten auffindbaren Bandagen verbunden, jedoch weitaus nicht so fest wie es der Blondschwarzhaarige immer tat. Zusammen mit Ruka trug er den Älteren noch zu ihrer Schlafstätte, ehe er vollkommen fertig neben ihm einschlief.
 

***
 

*heeme = ugs. zu hause

Whole Life

Titel: Dark Angel

Kapitel: 5/?

Autorin: -Satty-

Pairing: Ni~yaxSakito, ReitaxAoi

Genre: Shounen-ai, Romantik, Darkfic etc...

Kommentar: Tja diesmal gibt es auch nicht viel zu dem Kapitel zu sagen. Es dient mir eher als Übergang zum nächsten Teil, an dem ich bereits fleißig arbeite und in dem dann auch wieder mehr passiert. Hierbei wollte ich im Vordergrund noch mal genauer auf das Leben von Reita und insbesondere auch Sakito eingehen ^^

Ich hoffe, dass es euch dennoch gefällt…

*alle leser knuffl*
 

Kapitel 4: Whole Life
 

Es vergingen einige Tage in denen Reita das Bett nur zum Essen verlassen durfte. Der Blondschwarzhaarige bekam deutlich zu spüren, was Aoi und auch der Rest des Clans von seinem Stursinn hielten, trotz der Verletzung und dazu noch mit Tryptophanmangel an diesen Kämpfen teilzunehmen. Die schwarzhaarige Schönheit war zutiefst enttäuscht von dem Älteren, kam um sich um seine Verletzung zu kümmern, die jetzt, wo sie endlich mal Ruhe hatte, erstaunlich schnell heilte.

Doch dafür ging ihm Aoi erstmal aus dem Weg. Etwas das auch Reita nicht gerade kalt ließ. Heute durfte er zum ersten Mal von Seiten seines Freundes aufstehen und er war froh darüber. Nur im Bett liegen und nichts tun war einfach nichts für ihn.

Er erhob sich, schonte das Gelenk aber weiterhin und trug es durch eine Schlinge um den Hals. In dem Raum, welcher ihnen als Küche und Aufenthaltsraum diente, traf er dann auf Ruka, der gerade dabei war eine kleine Holzfigur zu schnitzen, während Ayumi einige Kartoffeln schälte. Das hübsche braunhaarige Mädchen hob den Kopf, begrüsste Reita mit einem milden Lächeln. „Na? Darfst wohl endlich wieder aufstehen?“, stichelte Ruka auch sogleich. Reita warf ihm nur einen giftigen Blick zu. Es kratzte ihn immer noch, dass er solch eine Schwäche vor dem Älteren gezeigt hatte und dieser ihn jetzt damit fast pausenlos aufzog. „Wo ist Aoi?“, fragte Reita stattdessen, ohne auf die Sticheleien des Brünetten einzugehen. „In der Stadt, einkaufen.“, kam auch sogleich die Antwort von Ruka, der die Schnitzerei nun beiseite legte und den Blondschwarzhaarigen ernst ansah. „Reita. Ich müsste dich mal unter vier Augen sprechen.“, meinte er dann. Bis jetzt hatte er es gelassen den Jüngeren auf diesen Fremden anzusprechen, doch jetzt wollte er endlich Klarheit haben. „Gut. Dich hindert nichts daran.“, erwiderte der Angesprochene nur kühl darauf, deutete nach draussen. Ayumi sah die beiden zwar schräg an, sagte aber nichts dazu. Ruka nickte, stand auf und ging nach draussen und Reita folgte ihm. Sie entfernten sich etwas von dem Tempelgebäude, stiegen die brüchigen Steintreppen hinab. „Ich denke wir sind jetzt weit genug entfernt. Also was willst du?“, fragte Reita, konnte sich schon denken, worum es den Älteren ging. Dieser kam auch direkt zur Sache. „Wer war dieser Fremde? Du kennst ihn und er hatte Tryptophan dabei und wusste von deiner Schwäche. Also?“ Reita stand mit dem Rücken zu dem anderen, drehte sich auch jetzt nicht um als er sagte: „Und wenn? Was würde es dich angehen?“ Ruka stutzte. „Was es mich angeht? Eine Menge, immerhin könnte es sein, dass er für die Gruppe gefährlich werden könnte.“ „Tse… das glaubst du doch selbst nicht! Ja ich kenne ihn. Er ist ein Teil meiner Vergangenheit und damit habe ich abgeschlossen!“ „Gut… dann willst du also auch sicher nicht den Brief lesen, den er mir für dich gegeben hat.“ Nun war es Reita der sich überrascht umdrehte, Ruka mit einem überraschten Blick ansah. „Er hat dir einen Brief gegeben? Für mich?“ Ruka nickte, zog den dreckigen Umschlag aus seiner Tasche hervor, hielt ihn in die Luft. „Ja das hat er. Und ich habe ihn dir bis jetzt nicht gegeben, weil ich das erst mit dir klären wollte. Wer ist er? Wer bist du Reita? Ich habe euren Kampf gesehen. Eure Bewegungen, eure Ausführungen und Techniken, sie waren so schnell, dass ich sie nicht verfolgen konnte! Ich gebe dir den Brief, wenn du mir diese Fragen beantwortest!“ Rukas Blick war ernst, sehr ernst und Reita blickte ihn nun mit zusammengekniffenen Augen an. „Willst du mich erpressen, Ruka?“, knurrte er, spannte seinen Körper an, was einen schmerzlichen Impuls von seinem Handgelenk verursachte.

„Nein. Ich möchte nur wissen, wer du bist, Reita? Keiner von uns weiß etwas über dich, woher du damals kamst, als Aoi dich zu uns gebracht hat. Schon etwas komisch, wenn man 4 Jahre lang in einer Gruppe lebt, die nichts über jemanden weiß und selbst der Geliebte kaum mehr als deinen Namen und dein Alter kennt.“, antwortete der Ältere, hielt dem drohenden Blick des Kleineren stand. „Lass Aoi da raus! Mit ihm hat das nichts zu tun.“, herrschte Reita, der sich deutlich in die Enge gefühlt trieb. Er hatte seine Vergangenheit bisher gut verbergen können und er hatte auch nicht vor jetzt damit rauszurücken. „Meine Vergangenheit ist meine Sache! Sie hat euch bis jetzt nicht geschadet und wird es auch in Zukunft nicht tun!“ Nur mühselig konnte der Blondschwarzhaarige seine Stimme im Zaum halten, ebenso die Wut und die Angst, die in ihm aufstieg. „Bist du dir sicher, dass du das so einfach versprechen kannst?“ Diese Frage war wie ein Faustschlag ins Gesicht. Natürlich konnte er es nicht. Er hatte seit seiner Flucht vor neun Jahren nie wieder etwas mit Menticore zu tun gehabt, hatte alles hinter sich gelassen und er wusste nicht, ob die Wissenschaftler noch an ihnen interessiert waren. Doch er konnte es sich nicht vorstellen, immerhin hatten sie sich seit neun Jahren nicht um ihn gekümmert.

Nun erschien ein Lächeln auf Rukas Lippen und er schritt auf Reita zu, hielt ihm den Brief hin. „Wann verstehst du endlich, dass du uns vertrauen kannst, Reita? Sind denn vier Jahre nicht lange genug um jemanden kennen zu lernen?“ Reita, der bis eben noch mit seinen Gedanken beschäftigt war, sah Ruka nun an und sein Blick war nicht zu definieren. Tatsächlich war der Blondschwarzhaarige verwirrt, hatte er solche Worte doch zum ersten Mal von dem 20-Jährigen gehört. Ruka lächelte noch immer, drückte Reita den Brief schließlich in die Hand und kehrte dann um. „Denk über diese Worte nach, Reita. Du gehörst inzwischen zu uns und es würde uns freuen, wenn du dich langsam etwas öffnest.“ Damit verschwand der Brünette, ließ einen verwirrten und mit sich selbst kämpfenden jungen Mann zurück, der einfach nicht verstand, was das Ganze zu bedeuten hatte.

Mit einem Seufzen setzte sich Reita schließlich auf die bröckelnden Stufen, blickte auf den Umschlag in seiner Hand. Er haderte. Sollte er ihn öffnen und lesen oder lieber nicht? Wenn er ihn öffnete, das wusste er, öffnete er gleichzeitig einen Weg zurück in seine Vergangenheit, die er doch um keinen Preis jemals wieder an die Oberfläche hatte holen wollen. Lies er ihn verschlossen, würde vielleicht alles so bleiben, wie es jetzt war. Er wäre glücklich, doch dann tauchten wieder die Katzenaugen vor seinem inneren Auge auf und mit einem weiteren Seufzen, riss er den Brief auf, las die wenigen Zeilen, die in hastiger, aber sauberer Handschrift dort geschrieben standen.
 

Wenn wir uns trotz meiner Zweifel wieder begegnen sollten und du diesen Brief liest, bitte ich dich beim neunten Glockenschlag genau sieben Tage nach dem Kampf die alte Kathedrale aufzusuchen, wo der Kampf stattfand.

Ich werde dort auf dich warten…

Sakito
 

Sieben Tage nach dem Kampf? Dann war das bereits morgen. Es war eine schwere Entscheidung für den Blondschwarzhaarigen ob er dieser Bitte folge leisten sollte oder nicht. Es war inzwischen vollkommen klar, dass der Jüngere nach ihm gesucht hatte und die Hoffnung regte, dass er kommen würde.

Doch wenn er sich Sakito stellte, bedeutete dies auch, sich seiner Vergangenheit zu stellen.

Was sollte er tun? Im Moment wusste er es wirklich nicht.
 

***
 

Auch bei ihm waren die Tage vergangen und bereits morgen würde der entscheidende Tag sein und es würde sich zeigen, ob Reita kam um ihm zuzuhören oder nicht. Würde er nicht kommen, dann wusste Sakito, dass die Jahre der Suche vollkommen nutzlos gewesen waren. Ruki hatte er nicht finden können und Reita trug nun die Hoffnung in sich, die der Brünette die ganzen Jahre bewart hatte. Aber würde Reita erscheinen, bedeutete dies keineswegs das Ende aller Probleme. Sakito musste versuchen ihn von seinem Vorhaben zu überzeugen und dies, dass wusste er, würde die schwerste Aufgabe sein, die er zu bewältigen hatte.

Die Sonne stand bereits weit am Himmel und bewegte sich unweigerlich dem Zenit entgegen.

Er saß bei einer Gruppe von Gauklern, die frei durch die Gegend zogen und andere Leute mit ihrem Schauspiel unterhielten, eine Art von Menschen, die in dieser Zeit sehr selten zu sehen waren und von den Obrigkeiten auch verabscheut.

Doch Sakito mochte sie. Er hatte sich ihnen vor mehreren Wochen angeschlossen, hatte so Einzug in die Stadt gehalten. Er hatte bisher immer versucht große Menschenansammlungen zu vermeiden, hatte sich stets nur kleineren Gruppen angeschlossen und das auch nie länger als nötig. Zu groß war die Gefahr gefunden zu werden, wenn er sich zulange an einem Ohr aufhielt. Aber alleine, das wusste er, war man in diesen Zeiten verloren, war man auch noch so stark. Es stimmte zwar, dass er relativ resistent gegen Verletzungen und auch Krankheiten war, doch gegen eine Kugel konnte selbst er sich nicht schützen.

„Oi Saki-chan… tanzt du mit mir?“, riss ihn plötzlich eine bekannte Stimme aus den trüben Gedanken. Er hob seinen Kopf und sah einer hübschen jungen Frau direkt in die Augen. Akiko… eine der Gauklerinnen, die ihr Geld mit ihrem Tanz verdiente.

„Nein… nicht jetzt.“, lehnte er ab, wollte nicht tanzen, doch die junge Frau gab nicht nach. „Och komm schon. Wir ziehen doch morgen schon weiter.“, bettelte sie weiter. Als dann auch noch Ryo ihm einen Stoß in die Rippen gab und meinte, er solle sich nicht so anstellen wie eine Jungfrau vor dem ersten Stoß, gab er knurrend nach. „Aber nur ein Lied!“ Die junge schwarzhaarige Frau lachte und nickte, zog Sakito auf die Beine. „Wenn du tanzt, bekommen wir bestimmt noch mehr Zuschauer, so hübsch wie du bist.“, lachte Akiko, strich dem überdurchschnittlich hübschen Jungen die dunkelbraunen Strähnen aus der Stirn. Sakito unterdrückte den Impuls nach der Hand der jungen Zigeunerin zu schlagen, lächelte nur etwas steif. Ryo forderte schließlich die drei Jungen, welche die beiden mit ihrem Spiel auf Gitarre, Dudelsack und Geige begleiteten, auf ein fröhliches Lied anzustimmen.

Sanjo holte sogar seine Flöte hervor und begann eine fröhliche Melodie zu spielen. Sie alle wollten wohl, dass Sakito mal aus sich herauskam.

Also er nahm die Hand der zierlichen jungen Frau und begann mit ihr zu der Musik zu tanzen. Er bewegte sich leicht, elegant, zog viele der Zuschauer mit einem Mal in seinen Bann. Akiko behielt also Recht und zahlreiche Blicke richteten sich auf das doch ungleiche junge Paar.

Zu jenen Zuschauern gehörte auch ein schwarzhaariger junger Mann, den die Musik angelockt hatte und der nun die Zigeuner bei ihrem Spiel beobachtete. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf seine Züge, mochte er es doch, wenn auch mal Fröhlichkeit das schwere Gemüt der Menschen in dieser Stadt auflockerte und sie nicht nur immer an das Leid und die Qualen dachten. Der Schwarzhaarige hielt in seinen Händen einen kleinen Weidenkorb, der mit frischem Gemüse und einem Laib Brot gefüllt war, welches er soeben auf dem Markt erstanden hatte. Ja die Zeiten waren schlecht und Essen kostete viel Geld und dennoch verloren sie alle nicht die Hoffnungen.

Aoi ließ sich von der fröhlichen Musik mitziehen, beobachtete weiterhin das tanzende Paar, welches nun für seine Darbietung einige Geldmünzen zugeworfen bekam. Besonders der junge Tänzer, der die schwarzhaarige Zigeunerin leichtfüßig führte, erlangte seine Aufmerksamkeit.

Und Sakito tanzte, konzentrierte sich auf seine Partnerin, die er elegant in seinen Armen drehte, aber auch darauf achtete, dass sie ihm nicht zu nah kam. Er ließ niemals übermäßige Nähe zu.

Einige Minuten schwebten sie wie auf einer Wolke über den Straßenasphalt, ehe er sie losließ und sich leicht verbeugte. Man lernte, wenn man bei Zigeunern lebte doch etwas. Ein Spiel sich zu verstellen und dabei immer das Gute zu zeigen. Das zu zeigen was die Menschen sehen wollten und sie auch einmal zum lachen brachte. Es war ein schönes Spiel musste er zugeben, etwas, dass diese kümmerliche Welt viel mehr gebrauchen konnte. Sakito zauberte er ein strahlendes Lächeln auf seine engelsgleichen Züge, ein Lächeln, das so perfekt war, dass selbst Akiko ihm glaubte. „Ich danke für den Tanz, meine Liebe.“, sagte er, entfernte sich dann. Sie lachte. „Keine Ursache… und schau… du hast viele Leute angelockt. Vielleicht solltest du ihnen noch etwas auf der Gitarre oder der Flöte spielen, hm?“, neckte sie den hübschen Jungen. Dieser resignierte. //Ruhe hat man wohl nie…//

Damit setzte er sich zurück zu Ryo, überkreuzte die Beine und zog aus seiner Hosentasche eine kleine Muschelflöte, welche er vor einem Jahr am Strand einer entlegenen Stadt gefundenen hatte. Ja er war da gewesen, am Meer, hatte gefühlt wie sich nasses Gras unter seinen Fußsohlen anfühlte, doch gelacht hatte er dabei nicht. Erneut nahmen ihn die trüben Gedanken gefangen, wenn er begann nachzudenken, an Ni~ya zu denken. Wie sehr vermisste er die Wärme des Dunkelhaarigen, dessen beruhigende Worte, die ihm auch nach den schmerzlichsten Qualen die Angst genommen hatten und ihn ruhig hatten schlafen lassen.

Er setzte die Flöte an den Mund und sofort hörten die anderen auf zu spielen, lauschten dem ruhigen, traurigen Klang der Flöte, die Sakito mit sanfter Hand führte. Die Lider hatte er geschlossen und die langen dunklen Wimpern ragten bis auf seine Haut.

Er driftete ab, weg von der Realität, weg von den Menschen. Sein Spiel berührte die Zuschauer. Alle lauschten still, ließen sich von der Melodie davontragen und auch Aoi berührte sie tief. Dieses Spiel, diese Melancholie… sie erinnerte ihn an Reita, an dessen dunkle Seen, die niemals das zeigten, was wirklich in dem Blondschwarzhaarigen vorging, was er dachte und fühlte. Irgendwann riss der Schwarzhaarige sich dann einfach los, wollte nicht das Schwermütigkeit ihn übermannte und er resignierte.

Er würde es schaffen, dass Reita ihm vertraute, auch wenn er noch nicht genau wusste wie. Aber er würde es schaffen.

Er warf eine Münze in den Hut, den die junge Zigeunerin herumreichte, die vorher noch mit dem Brünetten getanzt hatte. Sie verbeugte sich leicht vor ihm und ihre schwarzen Seen, die so unglaublich sanft und voller Lebensfreude glänzten, entlockten dem Schwarzhaarigen ein leichtes Lächeln. „Danke mein Herr.“, bedankte sich das Mädchen und Aoi nickte. „Sagt dem jungen Mann, dass er ein außergewöhnlich guter Spieler ist.“ „Ich werde es ihm ausrichten.“ Dann tanzte sie weiter und Aoi verließ den Marktplatz, machte sich auf den Weg zu ihrem Zuhause, zurück zu Reita. Diese Begegnung mit den Zigeunern, hatte ihm neuen Mut gebracht, gezeigt, dass selbst in den dunkelsten Momenten immer noch Licht vorhanden war und man nur an dieses Licht glauben musste.
 

***
 

Sakito hörte auf zu spielen und sofort klatschten einige der Zuschauer begeistert Beifall, doch ihn kümmerte dies nicht. Er verstaute die kleine Muschel wieder in seiner Tasche, lehnte sich zurück an die Wand und schloss einen Moment erneut die Augen.

Sobald der nächste Morgen anbrach, würde er die Zigeunergruppe verlassen. Er hatte sich bereits zu sehr mit Ryo, Akiko und dem Rest des bunten Völkchens beschäftigt, war aber trotz des ständigen Kontaktes entfernt und anonym geblieben. Ryo hatte ihn akzeptiert wie er war und auch die anderen. Er hatte sich ihnen angeschlossen, geholfen das Essen zu besorgen und sich an den täglichen Schauspielen beteiligt. Mehr hatten sie nicht erwartet, mehr hatte er nicht getan. Bekommen hatte er jedoch viel. Die Nähe zu anderen Menschen, die er in den letzten Jahren fast stur vermieden hatte, war unumgänglich gewesen und nicht selten hatte er geglaubt, es nicht zu überstehen, waren doch zu viele der schmerzlichen Erinnerungen zurückgekehrt. Er hatte nicht nur einmal gewünscht, einfach zu ihnen gehören zu können. Aber trieb sein innerer Geist ihn weiter und es wurde Zeit sich zu lösen.

//Du wirst viel zu sentimental... es wird Zeit.//, dachte er bei sich, als Ryo ihn plötzlich anstupste. „An was denkst du?“, fragte der dunkelhaarige Schausteller. Sakito erwiderte nichts darauf, was Ryo wieder zum Schweigen brachte. „Ich werde aus dir nicht schlau Sakito. Du bist wirklich ein außergewöhnlicher Mensch, zeigst nie Gefühle und egal wie sehr man denkt, dir nah zu sein, desto ferner ist man es.“ //Du hast etwas erlebt, dass wohl keiner erleben möchte. Nur was wird wohl auf ewig dein Geheimnis bleiben.// „Ich lege keinen Wert darauf, dass andere mich kennen und das weißt du, Ryo. Morgen werde ich euch verlassen. Ihr habt mich mit hergenommen, mir Schutz in eurer Gruppe geboten und ich habe mich integriert und euch geholfen.“, sagte Sakito schlicht, lehnte sich zurück an das Gemäuer und schloss die Augen. Der Ältere lächelte. „Schon klar. So war es abgemacht gewesen und so halten wir es ein, obwohl ich doch sagen muss, dass deine Anwesenheit eine nette Abwechslung war.“ „Hai... und bevor sie dir zu sehr ans Herz wächst, wird es Zeit sie zu lösen.“, erwiderte der Brünette nur, zeigte Ryo dann die Schulter, was stets ein Zeichen des hübschen Jungen war, dass er nicht weiter an einer Kommunikation interessiert war.

Tatsächlich waren die letzten Wochen, die er in der Mitte dieser lebenslustigen und freundlichen Menschen verbracht hatte, eine angenehme Abwechslung zu seinem sonstigen Alleinsein gewesen. Aber jetzt hatten sie ihren Sollt erfüllt und er musste allein weiter. Es hing von Reita ab, wie sein weiterer Weg sich gestalten würde.

Meeting in the Dusk

Titel: Dark Angel

Kapitel: 6/?

Autorin: -Satty-

Pairing: Ni~yaxSakito, ReitaxAoi

Genre: Shounen-ai, Romantik, Darkfic etc...

Kommentar: Gomen an alle, dass ich solange nicht geschrieben hab T___T aber es kam in den letzten Wochen soviel dazwischen… erst Klassenfahrt, dann Gazette und nun wieder Schule >< aber ich habe dafür extra viel geschrieben und ich hoffe das es euch gefällt ^^

Wobei ich nochmal anmerken muss, dass Gazetto einfach klasse waren und Kai sich über meine Palme sehr gefreut hat xDD

So und nun wird es endlich mal etwas spannender *sich die Hände reib*
 

Und zudem möchte ich euch bitten mal einen Blick in die Charakterbeschreibung zu werfen, die sich mit der Story noch etwas weiterentwickeln wird ^^
 

Kapitel 5: Meeting in the Dusk
 

Der qualmende Rauch zog sich wie eine unsichtbare Spur durch den Raum, nur an den Stellen wo Lichtstrahlen die Dunkelheit brachen, tänzelte er in wirrer Faszination. Abstrakte Muster verworren sich ineinander, verschmolzen zu einer Einheit und verbanden sich zu einem Ganzen, bis sie verblassten ohne jeglichem Zeichen. Stille war währenddessen wieder eingekehrt, nur dieses Bild hatte die Aufmerksamkeit gänzlich auf ihn gezogen und ließ ihn mit einem Lächeln die Augen schließen - einem kalten Lächeln.

Das Leder knarrte leicht, als er seinen Arm bewegte, den Kopf etwas anhob und nun aus dem großen Fenster in die Dunkelheit hinaussah.

Eine unnatürliche Stille erfüllte den Raum, nur das Atmen zweier Personen durchzog diese auf eine fast schon schaurige Art.

„Nun, du hast um eine Unterredung gebeten. Also sprich Hakuei? Was gibt es so wichtiges, dass du mich noch mitten in der Nacht so dringend zu reden wünscht?“ So flossen die einleitenden Worte, während seine Zigarette im schwarzen Aschenbecher ihren letzten Willen verlor und als nutzloses Ding ihre Glut für immer verlor. Erneut knarrte das Leder des hohen Stuhls, als er sich herumdrehte, sich von dem Fenster abwandte und nun die zweite Peson im Raum musterte, die ihm gegenüber auf einem Sessel saß.

„Ich habe heute einen sehr interessanten Anruf aus Kyoto erhalten und ich dachte es könnte Sie interessieren.“, erhob nun auch der Zweite das Wort. „Dann sprich und verschwende meine Zeit nicht mit deinen ewigen Rätseln!“ Seine Stimme wurde ernster, duldete keine weiterer Zögerung. „Wie Sie es wünschen, Kaoru.“, entgegnete nun der andere, aber das Lächeln verschwand nicht aus seinen Zügen. „Wie von Ihnen befohlen habe ich #42 vor zwei Monaten nach Kyoto geschickt um euren Verdacht zu überprüfen…“ eine wirsche Handgeste unterbrach die Ausführungen des braunhaarigen Mannes. „Das was du mir da erzählst ist nichts neues! Komm zum Punkt, Hakuei!“ „Bitte gedulden Sie sich etwas. Jedenfalls wussten wir ja schon, dass sein Auftrag erfolgreich war und er #668 gefunden hat.“ „Und? Weiter?“ Der andere ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, erläuterte weiter in Ruhe. „#42 war dabei seinen Auftrag auszuführen und #668 zu eliminieren, bis… nun ja… lassen Sie es mich so ausdrücken, es eine durchaus positive Wendung gab.“ „Dann sprich weiter!“ „Es gibt Annahme dazu, dass #443 aufgetaucht ist.“ Eine Stille hielt Einzug in den Raum und einige Momente wusste Kaoru nicht was er sagen sollte. „Zu wie viel Prozent Wahrscheinlichkeit?“, fragte er nach, ließ sich nicht von inneren Gefühlen verleiten, voreilig Schlüsse zu ziehen. „Vielleicht 50% oder auch weniger oder mehr. Ich weiß es nicht. #42 sprach nur von einem Kampf zwischen #668 und einem Fremden beobachtet, dessen Merkmale deutlich für #443 sprechen! Bernsteinfarbene katzenhafte Augen, schnelle Bewegungen und schnelles taktisches Denken.“ „Hm also kein eindeutiges Ergebnis. Gib #42 bescheid, dass er vorerst nur beobachten soll und sowohl #668 und diesen Fremden nicht aus den Augen lässt. Er soll nichts im Alleingang unternehmen und sobald er bestätigt, dass es sich bei diesen Jungen wirklich um #443 handelt, schicke DeltaI raus!“, meinte er ruhig und doch mit einer Eiseskälte in der Stimme, dass Hakuei zusammenzuckte. „Gut ich werde es ihm sofort übermitteln.“ „Gut, aber Hakuei, bevor du gehst, noch eine Frage. Wie weit seit ihr mit dem Mikrochip?“ Hakuei hielt inne, blickte Kaoru an. „Nun meine Wissenschaftler arbeiten unermüdlich daran, die technischen Probleme zu beseitigen.“ „Du weißt schon, dass ich nicht mehr lange warte! Ich will Erfolge sehen, auch bei den Projekten! Sie kosten zuviel Geld und Zeit, die wir nicht haben.“ Seine Stimme klang kalt und fordernd und es war ihm anzuhören, dass er seine Worte mehr als ernst meinte.

Unverlässlichkeit und Unkompetenz zählten zu Dingen die er fast noch mehr hasste, als Betrug und Widerstand.

Hakuei war diese Launen seines Vorgesetzen gewöhnt und dennoch beunruhigte ihn die Herrischkeit den Mannes. „Wir geben unser Bestes Kaoru und es gibt auch einige Erfolge zu verzeichnen. Objekt #444 entspricht immer mehr den Anforderungen der Tests und sobald diese Durchläufe beendet sind, wird er der erste sein, an dem wir den Mikrochip ausprobieren können.“ Hakuei hoffte, Kaoru mit dieser Mitteilung wenigstens etwas zu besänftigen, doch keine Miene regte sich auf dem steinharten Gesicht. „Dann seht zu, dass ihr ihn bald da habt! Und jetzt geh!“ Damit war für den vorsitzenden der Menticore Forschungszone dieses Gespräch beendet und er drehte sich dem Fenster wieder zu, würdigte seinem Mitarbeiter keines Blickes mehr.

Hakuei verstand und erhob, verneigte sich noch leicht vor seinem Vorgesetzten, ehe er das Büro verließ.

Als Kaoru schließlich die Tür zuschlagen hörte, breitete sich doch ein leichtes, aber grausames Lächeln auf seinen Lippen aus. Er beobachtete die Stadt durch die Fensterscheiben, doch er nahm nicht war, was hinter diesen passierte.

Seine Gedanken glitten ab. Wenn die Testreihen erst einmal abgeschlossen waren und auch der Mikrochip, an dem Hakueis Leute Tag und Nacht arbeiteten endlich funktionierte und die Testphase überstand, dann war er sicher, würde auch der Reinfall von vor neun Jahren nicht weiter zur Last fallen. Dennoch lag ihm dieser Zwischenfall schwer im Magen, an dem vier ihrer besten Objekte geflohen waren. Sie alle hatten zu den stärksten und besten Experimenten gehört, hatten exzellente Ergebnisse in ihren Test vorgewiesen und auch die körperliche Stärke um die schwere Ausbildung zu überstehen. Doch Kaoru ging es lediglich um #443, sein wichtigstes und auch gefährlichstes Projekt, welches sie bis heute hatten erzielen können.

Dieser Junge war der einzige Überlebende einer jahrelangen Testreihe, die mehr als einhundert Versuche gekostet hatte, Dinge die ihn, Kaoru, nicht im Geringsten interessierten. Aber dieser Junge, der von den anderen Objekten damals den Namen Sakito erhalten hatte, hatte all diese Tests überlebt. Sowohl die Kälte-Schock, als auch Nerventests und das Experiment mit Nervengiften. All diese Dinge waren nur ein Bruchteil dessen, was er hatte ertragen müssen, aber Kaoru hatte es nie interessiert, tat es noch heute nicht.

Sakito war der Prototyp einer willenlosen Kampfmaschine gewesen und nur durch den Fehler ihn mit den anderen Objekten zusammengelassen zu haben, war ihm und den anderen damals die Flucht gelungen. Und seine Flucht war erfolgreich... bis heute!

Der dunkelhaarige Mann drehte sich zurück zu seinem Schreibtisch, öffnete eine der Schubladen und zog eine Akte hervor. Er öffnete den Ordner und das erste, was ihm entgegenblickte war das Gesicht eines vielleicht 8 jährigen Jungen mit großen, angstvollen, aber auch faszinierenden Augen. Nie wieder hatte er in solche Augen geblickt. Bernsteinfarben und mit den Pupillen einer Katze, die trotz des zarten Alter dieses Kindes schon Dinge gesehen hatten, die selbst einem Erwachsenen Angst und Panik in die Augen zaubern würden. Kaoru jedoch ließ diese Tatsache nur lächeln.

//Bald schon, ja sehr bald bist du wieder zuhause, Sakito. Und dann werde ich persönlich dafür sorgen, dass du nie wieder eine Gelegenheit finden wirst, mir zu entkommen.//
 

***
 

Der nächste Morgen kam schnell und damit der Abschied von der Gauklertruppe. Diese hatte bereits in den frühen Morgenstunden ihre Sachen auf die zwei Wagen verladen, während Sakito das Wenige, was ihm gehörte in einem zerschlissenen Rucksack auf seinem Rücken trug. Ryo trat auf den hübschen Jungen zu und ehe Sakito etwas tun konnte, hatte er ihn in eine innige Umarmung gezogen. „Pass auf dich auf, Sakito. Vielleicht sehen wir uns mal wieder.“ Der dunkelhaarige Jüngling, noch etwas überrumpelt von dieser Umarmung, nickte nur steif. Akiko war die nächste, die sich an ihn schmiegte und einen Kuss auf die Wange hauchte. In ihren Augen standen Tränen. „Es war sehr schön dich kennen zu lernen, Sakito.“, schluchzte sie. Ihr fiel der Abschied sichtlich schwer, hatte sie den stillen Jungen doch in den letzten Wochen so lieb gewonnen. Ryo zog seine Schwester an sich, lächelte Sakito noch an. Die anderen der Wandergruppe verabschiedeten sich weniger herzlich, aber freundlich. Sie mussten nun weiter und das sahen auch Ryo und Akiko ein.

Sie stiegen beide auf einen der Wagen und schon knallte die Peitsche und die Pferde zogen an.

Sakito sah den Gauklern noch nach bis sie um die Ecke verschwunden waren, betrachtete dann den leeren Platz. Kurz keimte ein Anflug von Wehmut auf, doch den verscheuchte er schnell. Es war richtig, dass er sich dazu entschlossen hatte sich von ihnen zu trennen, das wusste er, wenn es auch schwer fiel.

//Hör auf solchen sentimentalen Gedanken zu äußern und mach dich auf den Weg!//, schalt er sich selbst, straffte den Rucksack auf seinem Rücken und verließ den Ort, an dem er mit den Gauklern die Nächte verbracht hatte. Er musste diesen Tag nutzen um sich einen neuen Unterschlupf zu suchen und neues Tryptophan zu besorgen. Das Geld würde ihm zumindest den zweiten Teil seines Vorhabens erleichtern.
 

***
 

Reita erwachte etwa zu der Zeit, in der Sakito sich auf den Weg machte. Das erste, was ihn an diesem Morgen begrüsste, war das schlafende schöne Gesicht seines Freundes. Ein zärtliches Lächeln ruhte auf seinen Lippen und er strich dem hübschen Jungen einige der rabenschwarzen Strähnen aus dem ebenmäßigen Gesicht. Er liebte es aufzuwachen und seinen Geliebten neben sich zu erblicken, dieses wunderschöne Gesicht und die vollen Lippen, deren Süße er bereits so oft hatte spüren dürfen. Er liebte ihn aufrichtig, würde alles für ihn tun, egal was auch passierte und ihn mit dem beschützen, was er hatte.

Und wieder schlich sich die Frage in seine Gedanken, die ihn seit dem letzten Tag unermüdlich das Denken schwer machte: Sollte er gehen oder nicht?

Er wurde unterbrochen, als sich Aoi neben ihm zu regen begann, die dunklen Augen öffnete und etwas verschlafen in das Gesicht seines Freundes blickte, der ihn anlächelte. Die schwarzhaarige Schönheit erwiderte dieses Lächeln. „Ohayo…“, hauchte Aoi leise, richtete sich dann leicht auf. „Morgen… ich hoffe ich habe dich nicht geweckt mit meiner Grübelei.“, lächelte Reita leicht. Aoi schüttelte den Kopf, strich sich die langen schwarzen Haarsträhnen aus dem Gesicht. „Nein. Es wurde wohl einfach Zeit aufzustehen. Wie geht es deinem Gelenk heute?“ Eine Frage, die zur Routine geworden war und Reita entgegnete wie jeden Morgen. „Es wird immer besser. Die Schmerzen haben sind fast komplett verschwunden.“ Aoi hörte dieses gern und so beugte er sich über den anderen und einige lange Strähnen des schwarzen Haares kitzelten dem Älteren im Gesicht. „Das hört man natürlich gern. Jetzt schonst du es auch endlich einmal angemessen.“ „Hmm und ich kann es gar nicht mehr abwarten, bis ich es endlich wieder richtig benutzen kann.“ Das schmutzige Grinsen auf den markanten Gesichtszügen des Blondschwarzhaarigen ließ Aoi leicht erröten. „Denkst du denn nur an das Eine? Man könnte fast meine, dass du unzufrieden bist!“, schmunzelte der hübsche Junge dann aber, biss Reita verspielt in die Nase.

Aoi war der Einzige, dem Reita sie zeigte. Er wusste auch nicht genau wieso er immer ein Nasenband trug, doch wahrscheinlich fühlte er sich damit einfach wohler, weil es ihm einen gewissen Grad an Anonymität verlieh.

„Hey, hey… wir werden doch wohl nicht frech werden!“, schmunzelte Reita, zog Aoi einfach zu sich herunter und rollte sich mit dem Jüngeren so herum, dass er nun über dem anderen lag. „Hnn nach dir kann man nur süchtig sein.“, raunte er ihm zu und versiegelte die verführerischen Lippen erneut mit einem leidenschaftlichen Kuss, der erwidert wurde. „Na dir scheint es wirklich wieder besser zu gehen, wenn du schon wieder so ran gehst.“, schmunzelte der Schwarzhaarige, als sie sich schließlich voneinander getrennt hatten. „Immerhin musste ich auch lange genug verzichten!“, rechtfertigte Reita sich und seine Hand wanderte unter das Shirt des Jüngeren, suchte zielstrebig nach dessen Brustwarzen und rieb über die rosigen Knospen. Sofort entrann ein leises Stöhnen den Lippen der schwarzhaarigen Schönheit. „Und das ist der Beweis, dass auch du zulange verzichtet hast.“, lächelte Reita, zog seine Hand dann aber zurück und setzte sich zurück.

Sein Blick wurde wieder nachdenklich und Aoi neigte den Kopf etwas zur Seite. „Was bedrückt dich Reita? Du warst gestern schon so abwesend, als ich zurückkam.“, fragte der Dunkelhaarige, richtete sich nun ebenfalls auf. Sie beide hatten eine Schlafstätte für sich, während Ruka und die beiden Mädchen sich das Nebenzimmer teilten. Reita drehte nun seinen Kopf und blickte wieder zu Aoi, seufzte, ehe er den Brief aus seiner Hosentasche zog, den Sakito ihm geschrieben hatte. Er reichte ihn an seinen Freund weiter, der ihn entgegennahm und kurz las. „Wer ist das?“ „Derjenige, der mich besiegt hat und… ein alter Bekannter.“, antwortete Reita nach einigem Stocken. Er hatte nie über seine Vergangenheit geredet und doch kamen ihm Rukas Worte wieder in den Sinn.

Du gehörst inzwischen zu uns und es würde uns freuen, wenn du dich langsam etwas öffnest.

„Aoi? Wie lange sind wir jetzt schon ein Paar?“, stellte Reita auf einmal eine Frage, die vollkommen aus dem Sinn gerissen schien. Der schwarzhaarige sah ihn verwirrt an, begann dann kurz nachzurechnen. „Ich… ich denke etwa ein Jahr, aber ich kann es nicht genau sagen.“, meinte er noch immer verwirrt. Reita jedoch nickte nur. „Liebst du mich?“ Aoi fühlte sich vor den Kopf gestoßen. Was war denn auf einmal los? Wieso diese komischen Fragen? „Reita was soll das? Natürlich liebe ich dich!“, sagte er nun schon beinahe empört, doch auf Reitas Lippen breitete sich nur ein leichtes Lächeln aus und er drehte seinen Kopf nun zu Aoi. „Und das wo du mich doch kaum kennst. Du weißt nicht wie glücklich mich diese Worte machen, Aoi.“, raunte er, zog den perplexen Jungen in seine Arme.

„Du weißt wenig über mich Aoi, doch bald, dass verspreche ich, werde ich dir alles über mich erzählen.“, sprach Reita weiter und noch immer schien es, als rede er mehr zu sich selbst, als zu dem Schwarzhaarigen. Aoi jedoch trieben diese Worte nun ein glückliches Lächeln auf die Lippen und er umarmte Reita seinerseits.

Lange Zeit saßen sie einfach nur so da, bis sich Reita schließlich löste. Er war froh Aoi dies gesagt zu haben, auch wenn es ihm sichtlich schwer gefallen war. „Willst du heute Abend dorthin gehen?“, durchbrach Aoi schließlich die Stille, die sie umgeben hatte. Reita hob den Kopf und sah ihn an. „Ehrlich gesagt weiß ich es nicht. Wenn ich mich ihm stelle, ist es so, als würde ich mich meiner Vergangenheit stellen. Und ich weiß nicht ob ich das wirklich will.“, sagte er vollkommen offen, äußerte so erstmals seine Angst gegenüber dem Schwarzhaarigen. Dieser legte den Kopf schief, schmiegte sich dann aber an den Älteren. „Aber… wer weiß wie du denken wirst, wenn du es nicht tust. Reita es bringt nichts immer davonzulaufen, nicht umsonst gibt es diese Sprichwörter. Deine Vergangenheit wird dich früher oder später einholen. Und vielleicht tut sie das ja in Gestalt dieses Fremden.“ „Also willst du, dass ich hingehe?“, fasste er die Aussage des Schwarzhaarigen schlicht zusammen. Aoi jedoch reagierte nur mit einem wissenden Lächeln.
 

***
 

So zog der Tag dahin, wie viele andere vor ihm und dennoch war er anders. Sakito verspürte eine leicht innere Unruhe, als er sein vorübergehendes Versteck, eine alte Lagerhalle etwas weiter außerhalb der Stadt, verließ. Er wusste nicht was ihn erwartete und diese Tatsache machte ihn nervös. In den letzten Jahren hatte er stets darauf geachtet, dass er immer genau bescheid wusste, sich nie auf Dinge einließ, die ein Ende nehmen konnten, dass er nicht voraussah. Doch heute konnte er nicht sagen, welches Ende der Tag nehmen würde.

Er strich sich durch das braune Haar, stieß ein leises Seufzen aus. Seine Gedanken begannen erneut zu wandern, doch dieses Mal in eine ganz andere Richtung. Er dachte an die letzten Jahre nach der Flucht, an sein Leben und den Weg, den es genommen hatte.

Doch schließlich zwang er sich dazu, alle störenden Gedanken aus seinem Kopf zu vertreiben und seine Sinne auf die nähere Umgebung zu konzentrieren. Immerhin hatte er nicht vor blind in eine der patrouillierenden Soldatengruppen zu laufen.

Er setzte seinen Weg also fort, wich jedem Leben aus, welches seinen Weg zu kreuzen drohte. Er wollte nicht auf andere Menschen stoßen, vermied noch heute engeren Kontakt und schon mit den Zigeunern war er viel zu lange zusammen gewesen. Jetzt musste er sich wieder allein durch das Leben schlagen und es war ihm lieber, drohte er so nicht andere in Gefahr zu bringen.

So erreichte er das verfallene Gotteshaus schnell, welches auf einer Anhöhe etwas außerhalb des Stadtrings stand. Das Gras, welches die Ruine umsäumte war niedergetreten und braun. Kaum grün wuchs hier auf dem Boden, doch Sakito hatte dafür kein Auge. Er betrachtete nur die soliden Mauern, die einmal der Grund eines imposanten Andachtsortes gewesen waren, jetzt aber nur der kümmerliche Rest, der von einem Brand übrig geblieben war.

Sakito wandte seinen Blick wieder ab und richtete ihn auf den Horizont. Von dieser Anhöhe aus hatte er einen Überblick über einen Teil der Stadt. Die Sonne versank bereits und es schien als würden die Häuserreihen von der brennenden Feuerkugel verschlungen. Ein wunderschöner, aber zeitgleich auch melancholischer Anblick, der in Sakito jedes Mal aufs neue verschiedene Gefühle weckte.

Mit einem Mal vernahm er nähere Schritte und schnell tauchte er in den Schatten ein, musste erst sichergehen, wer den Weg hierher fand. Er sah die Silhouette, die von der Sonne noch nicht zu erkennen war, doch anhand des Geruches konnte er klar definieren, wer sich ihm näherte und ein leichtes Lächeln legte sich auf seine Züge.

Er war also seiner Einladung gefolgt.

„Schön, dass du gekommen bist.“, sagte Sakito schließlich, tauchte aus dem Schatten auf und präsentierte sich so dem Neuankömmling. Dieser sah den Jungen ausdruckslos an, wusste nicht so recht, was er jetzt tun sollte. Sakito erkannte deutlich die Abwehrhaltung Reitas, der die Arme vor der Brust verschränkt hielt. „Es war nicht meine alleinige Entscheidung herzukommen. Also was willst du Sakito?“, durchbrach nun endlich Reitas Stimme die kurz angehaltene Stille. Damit hatte der Jüngere gerechnet. „Lass uns erst in die Kirche gehen. Ich will nicht, dass womöglich jemand dieses Gespräch belauschen könnte.“, erwiderte der Brünette nur auf die Frage, wartete erst gar nicht auf eine Antwort, sondern ging in die Überreste des einst so imposanten Gebäudes. Ein Erdbeben hatte einen Großteil des Kirchenschiffes zerstört, doch durch die schlechten Zeiten waren Schutt und Gesteinsbrocken von den Einwohnern der Stadt verschleppt worden und so wirkte das Gotteshaus von innen weitaus nicht so verfallen wie von Außen.

Sakito schritt zwischen den noch stehenden Bankreihen hindurch, genau auf den großen Altar zu, der sich unter dem großen zersprungenen Mosaikfenster befand. Vor diesem blieb er stehen, sah etliche Minuten zu dem gekreuzigten Jesus hinauf, ehe Reitas schneidende Stimme die Stille durchbrach. „Wir sind allein. Also sprich, Sakito.“ Reita war unberührt zwischen den letzten Bankreihen stehen geblieben, hatte die Arme verschränkt und sah den Jüngeren einfach schweigend, aber auffordernd an. Dieser drehte sich zu Blondschwarzhaarigen und entfernte erstmals das dunkle Tuch von seinem Kopf, zeigte Reita sein Antlitz. Dieser staunte nicht schlecht, wie sehr sich der andere doch verändert hatte.

Aus dem damals so verschreckt wirkenden Kind war ein doch sehr hübsch anzusehender junger Mann geworden. Aber der Blick seiner Augen hatte sich verändert, wie wohl auch bei ihm. Sie sahen kalt und berechnend in die Welt und doch erkannte Reita einen Schimmer Hoffnung in den goldgelben Katzenaugen.

„Sakito! Nun sag schon was du willst!“ Langsam wurde der Blondschwarzhaarige nervös und auch ungeduldig. Er wusste nicht, was er von der ganzen Sache halten sollte, von dem plötzlichen Auftauchen des Brünetten und nun dieser Maskerade, diesem Zögern. Und tatsächlich hatte Sakito Schwierigkeiten. Er wusste nicht wie er anfangen sollte, wo er anfangen sollte. Die honiggoldenen Augen richteten sich auf den Älteren, bevor er sich wieder abwandte, erneut zu dem Altar drehte. „Ich habe dich gesucht, Reita… lange…“, fing er schließlich an, betrachtete die toten Augen der Holzikonen.

Reita runzelte die Stirn. „Wie lange? Und wie hast du mich gefunden?“, fragte er. Ein Seufzen, dann die Antwort. „Fast zwei Jahre. Ich habe dich in einem Fernsehbericht gesehen, jedenfalls glaubte ich das und ich bin jedem Hinweis nachgegangen, den ich bekommen konnte und schließlich habe ich dich gefunden.“ „Aber warum hast du nach mir gesucht? Du hattest Ni~ya?“, fiel Reita ihm ins Wort. Aber Sakito schwieg beharrlich zu diesem Thema, sah nur weiterhin auf das Mosaikglas, durch welches die letzten Sonnenstrahlen hineinfielen und das alte Gebäude mit einem Lichtspiel erhellten. Doch für diese Schönheit hatten weder Sakito noch Reita ein Auge. Und endlich schien auch der Blondschwarzhaarige etwas zu begreifen. „Was ist damals passiert… nach unserer Trennung?“, fragte er schließlich, während sich in seinem Inneren alles versteifte. Er fing an sich in die falsche Richtung zu bewegen. Er begann sich für die Vergangenheit zu interessieren, sich ihr wieder zuzuwenden, etwas was er doch so vermeiden wollte.

Nun holte aber das leise Seufzen ihn zurück in die Realität und er blickte wieder nach. Sakito stand noch immer mit dem Rücken zu ihm, doch der junge Körper war angespannt und die Hände hatten sich zu Fäusten geballt.

Sakito hielt die Augen geschlossen und seine Lider zuckten unruhig. Unbewusst hatte Reita eine alte Wunde mit seinen Worten aufgerissen. Bilderfetzen schossen durch seinen Kopf wie Blitze und er atmete angespannt. Doch er musste antworten.

„Ja… Ni~ya war bei mir gewesen… aber das nicht für sehr lange.“, sagte er schließlich und seine Stimme klang ernst, ja sogar verbittert. Reita blinzelte. Er wollte etwas sagen, doch Sakito unterbrach ihn mit weiteren Worten. „Du hast gefragt was passiert ist… willst du es wirklich wissen?“ „Ja.“, lautete die kurze und knappe Antwort.

„Gut dann werde ich es dir erzählen…“
 

***
 

Lange konnte der Braunhaarige nicht mehr an Ruki und Reita denken, denn er wurde weiter gezogen, weiter durch die Dunkelheit der Nacht. Das Einzige was sie hörten waren ihre hastenden Atemzüge und das Knacken der Äste unter ihren Füßen. Sie waren schnell, doch ihre Kräfte würden sich bald dem Ende neigen, dass spürte Sakito deutlich an dem Stechen in seiner Brust. „Ni~ya ich… ich kann nicht mehr…“, keuchte er, stolperte schon leicht. Der Ältere hielt inne, drehte sich nur einen kurzen Augenblick zu dem Kleineren, schüttelte den Kopf. „Wir müssen weiter… wenn sie uns kriegen wird es uns noch schlechter gehen. Und ich hab dir doch was versprochen, Sakito.“ Ein kleines sanftes Lächeln erschien auf den Zügen des Dunkelhaarigen und er zog den anderen an sich, legte einen Arm um ihn und zog ihn weiter.

Dieser vergaß bald alles um sich herum. Es zählte nur ein Gedanke: Laufen! Einfach nur laufen.

Die Wiese hatten sie längst hinter sich gelassen, bewegten sich nun wieder durch das dichte Geäst des Waldes. Doch war man immer noch auf ihrer Spur. Die Scheinwerfer des Helikopters zerrissen das dichte Blätterdach und Sakito und Ni~ya schlugen einen Haken um ihm zu entgegen, doch es hatte keinen Sinn. Das Licht fand sie schnell und damit stieg auch wieder die Gefahr. Die beiden konnten nicht die Funksprüche hören, die der Pilot an die Bodensoldaten weitergab, ihnen verriet welche Position die Flüchtlinge innehielten.

Sakitos Lungen brannten und er bekam kaum noch Luft, so erschöpft war er vom vielen Laufen. Die kurzen Beine fanden kaum noch Halt auf dem unebenmäßigen Boden und die Sicht verschwamm vor seinen Augen. Ni~ya versuchte ihn immer wieder aufrecht zuhalten und anzutreiben, aber er musste einsehen, dass der Kleinere bald zusammenbrechen würde. Sie mussten diesen Wald durchqueren… nur dann hatten sie eine Chance!

Mit einem Mal wurden Geräusche hinter ihnen wieder hörbar. Das Bellen der Wachhunde und die Rufe der Soldaten, die sie verfolgten. Ni~ya beschleunigte seine Schritte und packte Sakito noch fester, der schmerzvoll ächzte. „Ni~ya… ich…“ „Shhh… spar dir deine Kräfte Sakito.“, meinte er nur und richtete seinen Blick wieder nach vorn. Der Braunhaarige zitterte bereits. Er hatte Angst, hörte wie hinter ihm die Stimmen lauter wurden, das Ächzen und Brechen der Äste unter den schweren Stiefeln der Soldaten zunahm.

Doch bald nahm ihre Fflucht eine dramatische Wendung. Sie durchbrachen die Büsche, zerrissen sich die Kleidung und zerfetzten ihre Haut, aber es störte sie nicht. Sie wollten überleben und nicht zurück in die Hölle, der sie entflohen waren. Aber plötzlich standen sie einer Felswand gegenüber. „Ni~ya… was… nun?“, fragte Sakito ängstlich, presste sich an den Leib des Gößeren. Ni~ya schluckte. Ihre Verfolger kamen näher und sie mussten sich entscheiden, schnell! Mit einem Mal fasste der Dunkelhaarige die Schultern des Kleineren, zwang ihn, ihn anzusehen. „Wir haben nur eine Chance zu entkommen. Wir müssen uns trennen. Lauf dort entlang, Sakito. Ich werde sie ablenken.“ Ni~ya wusste, dass sie zusammen keine Chance hatten zu entfliehen. Der kleinere Brünette wollte protestieren, aber mit einer wirschen Handgeste stoppte der Ältere ihn, schubste ihn noch in die Richtung. „Jetzt lauf schon… ich komme nach! Versprochen… aber nun geh!“ Ni~yas Stimme wurde immer eindringlicher und seine Hast machte Sakito nervös. Doch der Braunhaarige wagte nicht zu widersprechen und so sah er seinen Freund noch einmal an, ehe er sich auf den Weg machte allein weiter zu fliehen.

Ni~ya sah ihm nach und wollte selbst gerade loslaufen, doch weit sollte er nicht kommen. Ein Schuss löste sich und ein gewaltiger Schmerz jagte von seinem Bein ausgehend durch seinen ganzen Körper und er stürzte mit einem unterdrückten Schmerzenslaut. Rufe ertönten. „Hah! Einen haben wir!“

Sakito war noch nicht weit entfernt und hörte den Schuss sowie die Rufe. Erschrocken hielt er inne, fuhr herum, sah Ni~ya noch zu Boden gehen. „Ni~ya! Nein!“, schrie er wollte zurücklaufen, aber der Dunkelhaarige war es selbst, der ihn aufhielt. „Nein Sakito! Lauf! Verschwinde…“, rief er und machte eine Handgeste. Der Braunhaarige schüttelte den Kopf, spürte wie Tränen in ihm aufstiegen und er verhaarte geschockt auf seinem Platz. Doch wieder schrie ihn Ni~ya an und das diesmal aggressiver. „Verdammt Sakito verschwinde!“ Der Kleinere war noch immer hin- und hergerissen und doch wurde ihm die Entscheidung schneller abgenommen als er wollte. „Da hinten ist der andere! Lass die Hunde los!“ Und das Gekläffe wurde lauter. Sakito schrie auf, als er plötzlich zwei der bellenden Hunde auf sich zulaufen sah, wirbelte herum und begann zu laufen. Die beiden abgerichteten Hunde nahmen sofort die Verfolgung auf und begannen den verängstigten Jungen zu jagen.

Sakito konnte nicht mehr denken. Ihn erfüllte nackte Panik und seine Füße trugen ihn durch den Wald, unbewusst genau auf den steinigen Abgrund zu. Er konnte bereits die Hunde in seinem Nacken riechen, ihren fauligen Atem und wie sie ihre Zähne in seinen Hals gruben, als er plötzlich durch das Dickicht brach und der Wald endete. Er war zu schnell, konnte nicht mehr abbremsen und stürzte über den Abgrund, genau in den Fluss…
 

***
 

Eiserne Stille erfüllte die Kirche und Sakito sah betreten zu Boden. Er fühlte sich schlecht, fühlte sich dafür verantwortlich, was Ni~ya widerfahren war. Er hatte ihn beschützen wollen und war deswegen wieder in die Hände Menticores gefallen. Das er, Sakito, die Flucht überlebt hatte, war auch mehr Glück als alles andere gewesen.

„Ich habe die Flucht überlebt, doch Ni~ya wurde wieder zurück nach Menticore gebracht!“, fasste er seinen Bericht zusammen, drehte sich nun zu Reita und sah ihm genau in die Augen. „Und der Grund wieso ich dich und auch Ruki gesucht habe, war der, weil ich um euch um Hilfe bitten wollte, Ni~ya da raus zu holen. Jetzt weißt du es!“ Sakitos Stimme klang ernst und kalt, doch Reita spürte deutlich den inneren Schmerz, den der Jüngere empfand.

Aber Reita musste überlegen. „Du willst, dass ich dir Helfe Ni~ya zu befreien? Aus Menticore? Tut mir leid, Sakito, aber das kann ich nicht. Ich werde nie wieder auch nur einen Fuß in die Richtung in diese Hölle setzen.“ Er wandte sich ab. „Es tut mir leid, was mit Ni~ya geschehen ist, aber ich habe mit der Vergangenheit abgeschlossen und ich bin glücklich. Ich habe mir ein eigenes Leben aufgebaut und will nichts mehr mit Menticore zu tun haben! Und daher kann ich dir nicht helfen. Wenn das alles war, was du von mir wolltest, tut es mir leid. Ich kann nichts für dich tun…“

Sakito zuckte zusammen. Diese Worte waren deutlich und tief in seinem Inneren hatte er sie erwartet. Doch er wollte Reitas Entscheidung nicht akzeptieren. „Nein… das ist nicht der einzige Grund. Ich wollte dich warnen! Menticore ist uns immer noch auf den Fersen! Du verkriechst dich in eine trügerische Sicherheit, wenn du glaubst einfach vergessen zu können!“, brach es aus ihm heraus und er hielt Reita zurück. Der Blondschwarzhaarige drehte sich wieder um, sah Sakito entgegen. „Uns immer noch auf den Fersen? Das glaubst du doch selbst nicht. Neun Jahre sind wir nun schon auf der Flucht und noch nie habe ich wieder mit ihnen zu tun gehabt!“ „So? Du nicht, aber ich! Zweimal bin ich ihnen wieder begegnet und sie haben nicht aufgegeben. Sie verfolgen uns immer noch, Reita!“ Sakito wurde lauter und eindringlicher, schien jegliche Ruhe verloren zu haben.

Reita machte eine wegwerfende Handgeste. „Lass mich in Frieden, Sakito! Du willst nur, dass ich dir wegen Ni~ya helfe. Doch das werde ich nicht! Ich will nichts mehr mit der Vergangenheit zu tun haben und zu der gehören du und er dazu! Ich komme alleine klar und hätte es längst mitbekommen, wenn mir jemand auf den Fersen wäre!“ Das war verletzend. Sakito klappte den Mund zu und trat einen Schritt zurück. Sein Blick ruhte auf Reita, doch mit einem Mal lenkte er sich in die Höhe des Deckengewölbes.

„So wenn du das wirklich glaubst. Warum hast du dann nicht bemerkt, dass wir bereits die ganze Zeit beobachtet werden…“

Fight

Kapitel 6: Fight
 

Titel: Dark Angel

Kapitel: 7/?

Autorin: -Satty-

Pairing: Ni~yaxSakito, ReitaxAoi

Genre: Shounen-ai, Romantik, Darkfic etc...

Kommentar: Und da ist es endlich ^^ Kapitel 6. Viel zu sagen haben ich dazu nicht, außer viel Spaß zu lesen. Aber ich wollte mich an der Stelle einmal bei all meinen lieben Lesern und besonders bei den fleißigen Kommischreibern bedanken. Ihr seid so toll Leute. *____*
 

Kapitel 6: Fight
 

„So wenn du das wirklich glaubst. Warum hast du dann nicht bemerkt, dass wir bereits die ganze Zeit beobachtet werden…“
 

***
 

Kaum hatte Sakito diese Worte geäußert, fuhr er herum, schleuderte zwei seiner Wurfmesser in Richtung der dunklen Dachkonstruktion. Von dieser war nur noch ein Teil übrig geblieben und dieser verschwamm mit den Schatten der Dämmerung. Die Messer verfehlten ihr Ziel.

„Reita! Runter!“, rief Sakito dem Blondschwarzhaarigen zu, welcher noch immer nicht genau zu begreifen schien, was hier passierte. Aber schnell wurde es ihm bewusst, als Sakito mit einem Mal einen Hechtsprung nach links vollführte, sich auf dem Boden abrollte und wieder auf die Beine sprang. Wenige Momente später zeugte ein klirrendes Geräusch von den beiden Messern, die nun genau auf dem Punkt in dem Boden steckten, an dem bis eben der Brünette verharrt hatte.

Sofort spannte auch Reita seine Muskeln hatte, hatte begriffen, dass die Gefahr von oben kam und sprang sogleich einige Schritte zurück. Er stand nun unter der Brüstung, auf der einst eine prächtige Orgel das große Kirchenschiff mit ihren Tönen verzaubert hatte, nun aber nur noch ein Trümmer der Vergangenheit war. Der Blondschwarzhaarige schloss die Augen, begann sich zu konzentrieren und zu lauschen. Es schien alles totenstill. Nur Sakito war zu hören, der leise atmete, anscheinend mit seinen Augen nach dem Eindringling suchte. Doch Reita wusste, dass der Brünette ihn nicht finden würde. Sakito besaß die Augen einer Katze, die in der Dunkelheit stechend scharf zu sehen vermochte, doch in der gleitenden Dämmerung, in der alle Schatten und Konturen ineinander verschwammen, sah er nicht viel mehr, als ein normaler Mensch. So musste Reita mit seinen Ohren arbeiten.

Er konzentrierte sich näher auf die Brüstung, schloss alles andere aus, konnte mit einem Mal das leise Ächzen des Holzen hören, den Staub der hinabrieselte und weiter…

Da! Ein verräterisches Geräusch links von ihm. Leise, fast lautlose Schritte, die das alte Holz nur minimal, aber für Reita dennoch hörbar knarren ließen.

„Sakito! Oben rechts von dir!“, rief er plötzlich und der Brünette brauchte nicht einmal eine Sekunde um das Aufgefasste zu verarbeiten. Er zögerte nicht, zückte ein weiteres seiner Kampfmesser und warf es gekonnt in die Richtung, die Reita ihm preisgegeben hatte. Und tatsächlich traf er sein unsichtbares Ziel. Ein tiefes Einatmen und beide kannten die genaue Position ihres Gegners.

Sakito warf Reita einen dankenden Blick zu, schnappte sich die beiden im Boden steckenden Messer und schwang sich auf die Brüstung hinauf, wusste um Reitas Rückendeckung. So hatten sie schon damals gekämpft. Ein verlassen auf den Partner, gegenseitiges, aber verbotenes Vertrauen.

Der Brünette setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen, sah angestrengt in die Dunkelheit, setzte aber auch sein geschärftes Gehör ein. Hier oben staubte es und die voranschreitende Dämmerung, die sich bereits langsam zur Nacht wandelte kam ihm zugute. Das Abendrot verschmolz bereits mit dem sich senkenden Schwarz der Nacht und ließ die Sicht vor seinen Augen schärfer werden. Es war still um ihn herum, fast totenstill und doch nahm er den Luftzug von links war, wich schnell aus und spürte das spitze Messer an sich vorbeirauschen. Sofort fuhr er herum, sah sich nun der Schattengestalt gegenüber, die in ihren schwarzen und grauen Kleidern fast nicht von der Wand abzuheben war.

Ein geschicktes Versteckspiel, das dafür bereitet worden war, Sakito zu täuschen. Der Brünette wusste, dass es nicht länger Zufall war, sondern Reita und er schon lange beobachtet worden waren und dies erschreckte ihn. Doch es blieb keine Zeit zum nachdenken, denn nun griff sein Gegner an. Sakito wich mit zwei gekonnten Schritten mühelos aus, vollführte dann selbst eine halbe Drehung um einen Fußtritt zu verteilen, doch auch er verfehlte sein Ziel.

Er konnte seinem Gegner nicht in die Augen sehen, nicht ins Antlitz. Zu schnell verführte dieser Bewegungen, die die seinen sehr ähnlich schienen. //Ein Gesandter Menticores!//, schoss es durch seinen Kopf. Kein anderer Gegner, den Sakito in seinem jungen Leben bereits gehabt hatte, seien es Soldaten, Obdachlose, Diebe, Schläger oder wilde Hunde, die ihm sein Essen hatten streitig machen wollen, gewesen, konnte man mit diesem hier vergleichen. Es war kein normaler Gegner!

Seine Gedankengänge wurden unterbrochen und der Kampf ging weiter. Zuerst wurde Sakito zurückgedrängt, fast bis an den Rand der Brüstung heran und nur einer ausweichenden Duckung war es zu verdanken, dass er nicht über sie stolperte.

Reita stand währenddessen noch immer unter der Brüstung, lauschte dem oben stattfindenden Kampf. Es war erstaunlich wie leise beide Gegner in der Lage waren zu kämpfen und langsam, ganz langsam begann es auch Reita zu dämmern. Der Fremde, gegen den Sakito dort oben kämpfte, war nicht etwa ein Dieb oder jemand der auf Ärger aus war. Nein es musste jemand von Menticores sein, jemand seiner verhassten Vergangenheit.

In dem Moment gab es ein lautes Knacken und ein Holzbruchstück fiel zu Boden. Kurz darauf zwei Schatten, die flink den Schauort ihres Kampfes wechselten. Reita kniff seine Augen zusammen, starrte auf die beiden kämpfenden Gestalten.

Sakito gewann die Oberhand zurück, drängte den Fremden mit einigen harten Paraden weiter nach hinten, bis dieser nicht weiter ausweichen konnte. Die blanke Wand im Rücken sah sich der Fremde anscheinend verwirrt um.

Endlich erhaschte Sakito einen Blick auf das Gesicht seines Gegners. Dunkle Augen, dunkle Haare, eine lange Blonde Strähne, die unter der Kapuze hervorschimmerte. Eine ungewöhnliche Vertrautheit ging von dieser Person aus. „Gut gekämpft, #443! Aber nicht gut genug!“, sagte der Fremde plötzlich und mit einem Mal sah Sakito sich dem Lauf einer Waffe gegenüber. Eine Moment weiteten sich seine Augen, doch dann riss ein Stoß ihn aus der Verwirrung und der donnernde Ton so nah an seinem Ohr, das Zischen der vorbeisausenden Kugel zeigte, dass der Schuss nur knapp verfehlt hatte.

„Nicht träumen! Aufpassen!“, zischte eine Stimme ihm zu. Reita!

Dieser warf nur einen kurzen Blick auf den Fremden, zog seine Augenbrauen zusammen und startete nun einen Angriff. Der Vermummte sah Reita nur einen Moment verwirrt an, reagierte dann aber schnell, riss den Lauf der Waffe herum, versuchte abzufeuern, aber im nächsten Moment sah er das Blitzen, zuckte instinktiv zurück, ehe die Klinge seine Kehle schneiden konnte. Ein Arm legte sich von hinten um seinen Hals, drückte zu. „Das würde ich nicht tun!“, raunte eine Stimme dicht an seinem Ohr und heißer Atem streifte seine Haut. Der Fremde war Gefangener seiner eignen Falle geworden. Nun trat auch Reita nach vorn, schlug dem Fremden die Waffe aus der Hand, während Sakito ihn mit der Klinge weiterhin in Schach hielt. Der Lauf richtete sich nun auf den Vermummten selbst.

Er rührte sich nicht.

„Los sprich! Wer bist du?!“, forderte Reita mit kalter Stimme. Aber er erhielt keine Antwort, sondern nur ein kaltes Aufblitzen in den dunklen Augen des Fremden. Eine unsichere Wut stieg in dem Blondschwarzhaarigen auf. „Komm schon #668 bring es hinter dich.“, setzte der Fremde dann doch an zu sprechen und die Aussprache seiner alten Nummer ließ Reita innehalten. Nun brach auch der letzte Zweifel, dass dieser Fremde hier nicht von Menticore stammte. Der Unbekannte spürte deutlich wie abgelenkt Reita durch diese Worte war und sich nicht länger auf die Situation konzentrierte, sondern komplett mit sich selbst beschäftigt war. Und auch Sakito war einen Moment auf den Blondschwarzhaarigen fixiert und diesen Moment nutzte der Maskierte aus um den Arm des Brünetten weg zu schlagen und Reita die Waffe wieder zu entreißen. Ein dumpfes Lachen ertönte, dass sowohl Sakito als auch Reita zusammenzucken ließ. „Neun Jahre Flucht und dennoch nicht in der Lage zu zweit einen Gegner zu besiegen.“ Der Lauf der Waffe richtete sich nun wieder auf den Blondschwarzhaarigen und ein hämisches Grinsen, dass jedoch den beiden Transgenos verborgen blieb, schlich sich auf die Züge des Unbekannten. „Das war deine Chance #668 und du hast sie nicht genutzt. Also solltest du dich von der Welt verabschieden.“ Ein Klicken ertönte, zeugte vom Betätigen des Abzuges. Reita stand noch immer da, unfähig sich zu rühren, und mit leeren Augen starrte er ins Nichts. Ein leichtes Ziel.

Sich seines Triumphes sicher zielte der Fremde auf Reitas Kopf, wollte abdrücken, als ein plötzlicher Seitenstoß ihn aus dem Gleichgewicht brachte, er von seinem Ziel abkam und dennoch löste sich die Kugel aus dem Lauf.

Der Knall hallte hundertfach von den Wänden der Kathedrale wieder und ihm folgte ein unterdrücktes Gurgeln und ein dumpfer Aufschlag auf dem Boden. Der Schuss hatte sein Ziel getroffen.

Von dem Stoß aus dem Gleichgewicht geraten, taumelte der Fremde noch etwas zurück, wollte die Waffe wieder hochziehen, als der nächste Schlag ihn traf. Verwirrt blickte er sich um und sah sich genau zwei goldgelben Katzenaugen gegenüber, die jedoch alles andere als sanft dreinblickten. Er hatte einen entscheidenden Fehler gemacht, indem er sich vollkommen auf Reita fixiert und Sakito völlig außer Acht gelassen. Dieser Fehler wurde ihm nun zum Verhängnis.

Tatsächlich schreckte der Fremde etwas erschrocken zurück. Dieser mörderische Ausdruck und die eng zusammengezogenen Pupillen sagten ihm sofort, dass er sich jetzt in Acht nehmen musste.

Sakito hatte nur einen kurzen Blick zu Reita geworfen, der nun am Boden hockte und sich die linke Schulter hielt, jedoch nicht schwer verletzt zu sein schien. Er hatte nicht lange gezögert, die Situation schnell erfasst und gehandelt. Sein Stoß hatte den tödlichen Schuss abgewendet und dafür gesorgt, dass er nur kleines Übel anrichtete.

Jetzt aber richtete er sich vollkommen auf den Fremden. Er hatte sich gewandelt, die drohende Gefahr dafür gesorgt, dass sein genmanipulierter Körper alle menschlichen Instinkte ausschalt und nun nur noch mit den Instinkten einer Katze kämpfte, die man in die Enge gedrängt hatte.

Es vergingen nur Bruchteile von Sekunden und der Vermummte sah sich einem Hagelsturm von Tritten und Schlägen ausgesetzt, die er nur kaum abwehren konnte. Die schwarzen Pupillen hatten sich zusammengezogen und die Bewegungen, die der Brünette nun vollführte, waren so unglaublich schnell, dass der Fremde nur die Schemen der Bewegungen erkennen konnte. Sakito nahm keine Rücksicht, kämpfte ausschließlich mit den Instinkten des Tierwesens, welches tief in seinen Genen veranlagt war. Der andere hatte kaum eine Chance selbst auch mal einen Angriff zu starten, zu sehr wurde er von den Angriffen des Brünetten blockiert, konnte nur immer weiter Ausweichen und das bis er die Wand erneut in seinem Rücken spürte. Diesmal war es jedoch sakito der überlegen grinste. „Man sollte sich nie von einer erahnenden Schwäche ableiten lassen!“, raunte er dem anderen zu und dieser konnte nur die Augen erschrocken aufreißen, als ein rasendes Funkeln durch die Luft sauste und kurz darauf brennender Schmerz sich in seinem Körper ausbreitete. Die Luft blieb ihm verwehrt und er krümmte sich zusammen, sah sich ausgeliefert, als die blutige Klinge erneut gehoben wurde um seinen Körper zu zerfetzen. Die letzten Kraftreserven holte der Fremde raus, kickte dem Brünetten die Beine unter dem Körper weg, der dadurch das Gleichgewicht verlor und wegknickte. Der Fremde nutzte diese Chance aus. Er hätte jetzt sein Werk vollenden können, doch etwas hielt ihn davon ab. Vielleicht war es der Schock von der Wandlung des Brünetten, vielleicht etwas anderes. Er wusste es nicht.

So schnell er mit den Verletzungen laufen konnte, trugen ihn seine Beine weg vom Kampfplatz, hinaus aus der alten Kathedrale.

Sakito sah dem Fremden nur nach, ließ ihn ziehen und richtete sich langsam auf. Sein Kopf schmerzte und nur schemenhaft hatte er die Erinnerung an die vergangenen Augenblicke. Es war immer so, wenn er das Tier in sich freiließ oder es die Oberhand übernahm.

Ein leises Stöhnen riss ihn aus seinen Gedanken und der Brünette wandte sich zu der Richtung, entdeckte Reita.

„Reita! Ist alles in Ordnung?!“ Alarmiert kniete Sakito sich neben den anderen, der leicht schnaubend und sich die linke Schulter haltend vor dem Brünetten auf dem Boden hockte. „Ja... nur ein Streifschuss!“, brachte der Blondschwarzhaarige zwischen zusammengepressten Zähnen hervor und richtete sich langsam und etwas wankend auf. Sakito traute dem Frieden nicht ganz und hielt sich bereit dem Älteren zu helfen, sollte dieser wieder einknicken. Aber Reita hielt sich auf seinen Füßen, löste dann die Hand von seiner Schulter, betrachtete das dunkelrote Blut, welches an ihr klebte. Es war noch immer schwer für ihn zu glauben, was in den letzten Minuten geschehen war und auch wenn es nur ein kurzer Zeitraum gewesen war, hatte er doch eine so schwere Bedeutung für den jungen Mann. Alles das, was er sich in den letzten neun Jahren so mühevoll aufgebaut hatte, drohte nun zu zerbrechen. Menticore war ihnen auf der Spur, jagte sie noch immer und der Angriff eben war wohl erst der Anfang gewesen.

Er schloss einen Moment die Augen, atmete tief durch, versuchte zu verarbeiten. „Reita?“, holte ihn die Stimme Sakitos wieder aus den Gedanken und er sah den Jüngeren an. „Du weißt was das bedeutet, oder?“, meinte der Brünette und seine Augen funkelten ernst. Reita nickte nur. Sicherlich wusste er, was dies bedeutete und es machte ihn wütend. Er würde sein jetziges Leben aufgeben müssen, Aoi aufgeben müssen, um ihn zu beschützen. Seine Existenz war eine große Gefahr für die kleine Gruppe, die ihn damals so fürsorglich aufgenommen hatte, ihn einen Fremden, einen Ausgestoßenen. „Was willst du jetzt tun?“, fragte Sakito, erhielt jedoch erstmal keine Antwort. Ja es war eine gute Frage. Was sollte er jetzt tun? Zurückkehren zu den Menschen, die ihm so wichtig geworden waren, zu Aoi, der ihm das Wichtigste auf der Welt war und möglicherweise sein und das Leben der anderen riskieren? Oder verschwinden mit dem Wissen, dass es nur wieder Einsamkeit und Schmerz bedeuten würde und er Aoi das Herz brechen?

„Ich weiß es nicht und gerade bin ich auch nicht in der Lage dir eine Antwort zu geben, Sakito.“ Mehr sagte er nicht, aber das brauchte er auch nicht. Sakito war einfühlsam genug um in den Lebenslichtern des Älteren zu erkennen, welch eine schwere Entscheidung ihm bevorstand und welchen Schmerz sie auslösen würde, auch wenn er nicht wusste, was genau es war, was Reita diese Gefühle ins Herz trieb. Er konnte nur Vermutungen anstellen und jene waren wohl gar nicht mal so falsch. „Das verlangt keiner von dir. Nur solltest du nicht zulange mit einer Entscheidung warten. Dieser Angriff eben wird nicht der einzige bleiben. Sie wissen nun wo wir uns befinden und die Gefahr ist groß.“, sagte der Brünette leiser. Reita reagierte auf diese Worte nicht, aber er wusste auch so, dass der Jüngere recht hatte. Nun wo Menticore wusste, wo sie sich aufhielten, würde es nicht lange dauern und die nächsten Angriffe folgen.

„Lass mich kurz die Verletzung ansehen...“, sagte Sakito, wollte sich den anderen nähern, aber dieser wich etwas zurück. „Nein schon gut. Es ist nichts.“, wehrte Reita den anderen an, maß ihn mit einem kühlen Blick und in den dunklen Augen konnte Sakito einen starken Vorwurf sehen. Es war klar, dass Reita ihm die Schuld an dieser Situation gab und vielleicht hatte der Blondschwarzhaarige damit auch nicht so unrecht und dennoch verletzte Sakito dieses Wissen. Er zog seine Hände zurück, senkte einen Moment den Blick. „Okay das musst du wissen. Ich denke es wäre dann besser, wenn ich gehe. Aber ich warte dennoch auf eine Nachricht von dir. Zu zweit haben wir mehr Chancen, als allein.“, waren die letzten Worte des Brünetten, ehe er sich umdrehte und aus der Kirche und aus Reitas Blickfeld verschwand. Dieser blieb zurück mit einer schweren Bürde und einem Gefühl inneren Chaos' und Angst.
 

***
 

In dem Moment schleppte sich eine andere Person durch die dunklen Gassen Kyotos. Das schwarze Cape hing ihm tief ins Gesicht und wieder war nur die lange blonde Strähne zu erkennen. Die Schritte, welche vorhin noch elegant und sicher gewesen waren, waren nun lang und schlurfend. Die Wunden, welche sich von seiner Schulter bis zu seiner Brust zogen und seine Kleidung zerfetzt hatten, bluteten stark und einige Tropfen des Lebenselixiers tropften auf den rauen steinigen Untergrund. Es brannte und noch immer saß der Schock tief über die Verwandlung des doch so schmächtig wirkenden Jungen.

Doch plötzlich zuckte er zusammen, als ein anhaltendes, hohes Klingeln die Gasse durchdrang. Schnell zog er das kleine Handy aus seiner Tasche und klappte es auf, brauchte nicht erst auf dem Display zu schauen, wer ihn anrief. Es konnte nur einer sein und schon als die kalte, schneidende Stimme an seine Ohren drang bestätigte sich sein Gedankengang.

„Tsukasa! Ich habe deinen Anruf vor einer halben Stunde erwartet! Was war los?“

Der Vermummte atmete tief durch, ehe er antwortete. „Es gab Probleme.“, antwortete er, setzte an weiter zu sprechen, doch er wurde ruppig unterbrochen. „Probleme? Was heißt hier Probleme?!“ Tsukasa schloss einen Moment die Augen, atmete tief durch, ehe er sich zu einer Antwort durchrang, sich bewusst war, dass er nun sehr vorsichtig sein sollte mit dem was er sagte. „Ich habe sie nur beobachtet, wie Sie es mir befohlen haben, doch ich wurde entdeckt. Es kam zum Kampf zwischen ihnen und mir und ich habe #668 verletzt. Doch gegen beide war ich unterlegen und musste fliehen, aber inzwischen kann ich Ihnen genau sagen, dass es sich um #443 handelt. Eine Verwechslung ist ausgeschlossen.“, schloss er den kurzen Bericht, welcher die Ereignisse der vergangen Stunde zusammenfasste. Es herrschte Stille am anderen Ende der Leitung, so als müsse der Angesprochene überlegen und das tat er. Tsukasa konnte förmlich sehen, wie Hakuei nun die Stirn runzelte. „Das sind tragische Wendungen #42. Dem bist du dir hoffentlich bewusst. Da #443 und #668 dich entdeckt haben, müssen wir nun schnell handeln, ehe sie uns entwischen. Du hast versagt, aber ich gebe dir noch eine Chance. Sorge dafür, dass #668 und #443 die Stadt nicht verlassen. Ich werde Niikura-san von deinem Versagen unterrichten und sei dir klar, dass es noch Folgen haben wird, aber dazu werden wir später kommen. Ich veranlasse, dass DeltaI raus geschickt wird. Du hängst dich weiter an die Fersen von #668, denn nachdem was du von ihm berichtet hast , wird es leichter sein ihn im Auge zu behalten. Aber sieh zu, dass du nicht wieder entdeckt wirst! Verstanden!“ „Jawohl Sir!“, antwortete Tsukasa nur. „Gut! Ich melde mich, wenn DeltaI auf dem Weg ist!“ Damit wurde aufgelegt und Tsukasa war wieder allein. Er knirschte unwillig mit den Zähnen. Das Ganze war absolut nicht gut gelaufen, absolut nicht. Wie hatte er den Fehler auch machen können und Sakito so einfach unterschätzen?! Er wusste ja aus den Unterlagen und Dokumenten von den Fähigkeiten des Transgenos, doch das diese inzwischen so stark ausgeprägt waren, hatte er nicht gedacht. Und dann diese Verwandlung. Mit Schaudern dachte Tsukasa an die kurzen Kampf zurück, in den Sakito fast unmenschlich schnell, selbst für einen Transgeno, gehandelt hatte und Schläge ausgeteilt, die so präzise gesetzt worden waren, dass sie ihm locker die Lunge zerfetzt hätten, wäre er im letzten Moment nicht abgedreht. Die Zeugnisse hatte er jetzt.

Entkräftet ließ er sich an der Wand hinab rutschen und zog nun auch das dunkle Cape von seinem Kopf, lehnte diesen einen Moment gegen das kühle Gestein, schloss kurz die Augen und atmete tief durch. Dann aber band er langsam das Cape ab, zog das Shirt nach oben und schluckte bei den Schnittwunden, die auf seiner Brust prangten und blutige Bahnen zogen. Jetzt wurde ihm bewusst, wieso Menticore diesen Jungen unbedingt haben wollte.

Aber er konnte sich keine lange Pause gönnen, denn er musste weiter, seine Wunden versorgen und dann so schnell wie möglich zurück zu dem Versteck von #668. Hakuei hatte ihm unmissverständlich klar gemacht, was passieren würde, wenn er ein weiteres Mal versagte und so musste er verhindern, dass Reita die Stadt verließ, denn solange er blieb, würde auch Sakito bleiben. Dem war er sich gewiss. Zumal er nun auch wusste, wieso der brünette Transgeno den Weg zu dem Blondschwarzhaarigen gefunden hatte. Aber das würde er vorerst für sich behalten, brachte diese wichtige Information doch vielleicht noch den einen oder anderen Vorteil mit sich.
 

***
 

Mit schweren Gedanken kehrte Sakito zu seinem Unterschlupf zurück, legte sich auf die alte Matratze und hüllte seinen Körper in den zerschlissenen Schlafsack, der ihm als Decke diente. Er hatte, nachdem er die Kirche verlassen hatte, nach Spuren des Fremden gesucht, war sogar auf die leichte Blutspur gestoßen, die den Weg des Vermummten gesäumt hatte, doch diese hatte an dem nahe gelegenen Fluss gestoppt und egal wie sehr sich auch angestrengt hatte irgendeine Fährte aufzunehmen, es war für ihn unmöglich gewesen. Der Fremde musste sich hier gereinigt haben und war somit unauffindbar gewesen. Und der einsetzende Regen hatte auch die letzten möglichen Spuren beseitigt

Und nun lag er hier, lauschte dem Prasseln des Regens, dachte über diesen Tag nach. Dieses Gespräch mit Reita war anders ausgegangen, als er es sich erhofft hatte. Dieser Zwischenfall mit dem anderen Transgeno, bei dem sich Sakito inzwischen ziemlich sicher war, dass es sich um einen handelte, hatte alles verdorben. Zwar hatte der Brünette erwartet, dass Reita ihm nicht bei seinem vorhaben helfen würde, doch dieser Vorwurf, den er zuletzt in den dunklen Augen gesehen hatte, machte ihn nachdenklich und auch traurig, ließ ihn zweifeln. War es wirklich seine schuld gewesen, dass sie beide beobachtet und verfolgt worden waren? War dieser fremde Transgeno etwa schon länger hinter ihm her?

Es waren Fragen, die er nicht beantworten konnte und es würde auch keine Antworten geben. //Ich sollte schlafen und morgen dann werde ich mich wieder auf die Suche nach diesem Typ machen.// Er drehte sich auf die Seite und schloss die Augen, doch Schlafen konnte er nicht. Zu viele unruhige Gedanken hielten ihn wach und er wälzte sich immer wieder von einer auf die andere Seite. Aber irgendwann dann fiel er doch in einen Schlaf, doch war dieser geplagt von verwirrenden Träumen und Bildern, Bilder seiner Vergangenheit, Dinge, die vergessen wollte. Der junge Körper wirkte unruhig und verkrampft.
 

***
 

{Nur die hin- und herschwingende kleine Glühbirne tauchte den winzigen Raum, der nichts weiter beinhaltete außer einer schmutzigen Matratze, in schummriges Licht.

Regungslos lag der geschwächte Körper des 8-Jährigen auf der nackten Matratze. Die tiefgründigen, nun vollkommenen ausdruckslosen Augen sahen nichts, wirkten wie tot. Lediglich das auf- und abbewegen des Brustkorbs und das leise Wimmern, welches hin und wieder die geschundenen Lippen verließ, zeugten vom Leben der hilflosen Kreatur.

Sie versuchte alles um sich nicht zu bewegen, denn jede noch so kleine Bewegung raubte ihm den Atem, ließ einen blitzartigen Schmerz durch seinen Körper jagen und ihn erneut schmerzvoll aufstöhnen.

Noch immer bluteten die kleinen Wunden in seinem Kopf und zwei kleine Schläuche liefen zu den Nadeln, die auch jetzt noch die giftige Tinktur in den jungen Körper leiteten.

Er schreckte auf, als er die schweren Schritte von der Tür vernahm, eine Bewegung die eine Schmerzenswelle durch seinen Körper jagen lies.

Die Tür wurde geöffnet und ein Mann betrat den Raum. Anfangs konnte er ihn nicht erkennen, da das plötzlich einfallende Licht seine Augen schmerzen ließ. Er kniff sie zusammen, hörte jedoch die schweren Stiefel, die auf den blanken Betonboden traten. Kalte Augen richteten sich auf die kleine Gestalt, welche mit einem Schmunzeln als das kostspieligste aber auch Erfolg versprechendste Forschungsobjekt identifiziert wurde. Langsam näherten sich die schweren schwarzen Stiefel dem kleinen Häufchen Elend, welches später einmal ein eiskalter Profikiller werden sollte.

Das dumpfe Geräusch der Schritte hallte tausendfach in Sakitos, von irgendwelchen Mitteln stark sensibilisiertem, Gehörgang wieder.

Ein kaltes Lachen durchbrach die Stille, ein gellender Schrei zerriss die Luft, als der Kleine plötzlich an den Haaren hochgerissen und gegen die Wand gepresst wurde. Der kleine Körper erschauderte unter den Schmerzen, die diese ruckartigen Bewegungen in ihm auslösten, hervorgerufen von den stak konzentrierten Nervengiften, welche seine Synapsen überstrapazierten, sodass jede kleine Bewegung wie ein Schlag ins Genick waren.

„Na..? Wie geht es uns heute Kleiner..?" Die kalte Stimme vor ihm ließ ihm einen kalten Schauer über den Rücken laufen. Er wollte nicht antworten, wollte nicht seinem Peiniger ins Gesicht sehen, doch er musste es. Ängstlich öffneten sich die goldgelben Katzenaugen, sahen dem Mann ins Gesicht, dem er all die Schmerzen zu verdanken hatte, der ihn seit seiner Geburt in diesem Verlies gefangen hielt und ihm Qualen zufügte.

„Mir… mir tut alles weh…“, stotterte eine schüchterne Kinderstimme, von dem kalten Ausdruck in den harten Augen völlig verängstigt. Es waren Augen, die weder Mitgefühl, noch Gnade oder gar Erbarmen kannten.

Eben jene Augen bohrten sich wieder in den Blick des Kleineren, genossen förmlich die Angst, die die faszinierenden Augen ausstrahlten.

„Oh… keine Angst, dass wird vorbei gehen. Du weißt doch, das deine neu erlernten Fähigkeiten genauestens getestet werden wann immer ein kleines Projekt an dir beendet ist, nicht wahr?“ Das kalte Lächeln nahm noch teuflischere Züge an und Sakito zuckte darunter zusammen. Er wusste inzwischen nur allzu genau, was ihm bevorstand, wenn der Vorsitzende des Menticore-Komplexes dieses Lächeln benutzte. Es bedeutete nur noch größeren Schmerz. Die Kehle des Kindes schnürte sich zu und es konnte nicht auf die Frage antworten, sondern nur still Nicken. Dies brachte Kaoru zu einem ausdruckslosen Lachen und eine Hand, kälter als Eis, legte sich auf die Wangen des kleinen Jungen. „Sehr gut. Aber warum gibst du dir dann nicht die Mühe, dass die Tests gut laufen? Hakuei sagte es gab wieder Ärger mit dir, Sakito.“ Ein Ruck ging durch den Kinderkörper als der Dunkelhaarige seinen Namen aussprach. Er tat es nie, nannte ihn nur bei seiner Nummer und wenn er seinen Namen nannte, bedeutete dies nur eine starke Quälerei. Und diese folgte fast plötzlich.

Die Hand, welche eben noch fast sanft die Wange des Jungen getätschelt hatte, legte sich nun auf die Schläuche und die Nadeln, die aus seiner Kopfhaut nahe über dem Ohr ragten.

Und mit einem Mal sah Sakito rot, spürte nur noch die druckartige Schmerzenswelle, welche durch seinen Kopf jagte, ihm das Gefühl verlieh, als würde jener anschwellen und platzen. Markerschütternde Schreie hallten durch die Zelle und die goldgelben Augen traten fast aus den Augen. Der kleine Körper begann sich zu wehren, schlug um sich, trat aus, wurde nur mit dem vollen Körpergewicht des erwachsenen Mannes gegen die kalte Wand gepresst.

Das hochempfindliche Nervengift, welches in geringen Dosen durch seinen Körper gepumpt wurde, war unterbrochen worden durch den Druck auf die Nadeln und als der Dunkelhaarige diesen wieder gelöst hatte, wurde eine höhere Dosis des Giftes in die Nervenbahnen des Kindes transportiert, welches unbändige und unvorstellbare Schmerzen in ihm auslösten.

Sakito schrie und weinte, bis er heiser war und bald war der sowieso schon geschwächte Körper so entkräftet, dass mit einem Mal alle Bewegungen aufhörten und der junge Körper wie tot an der Wand herabhing.

Nur noch Zuckungen, ausgelöst von den überstrapazierten Nerven und Muskeln gingen durch den Leib des Brünetten.

Der dunkelhaarige Mann grinste nur und ließ den Körper los, sah teilnahmslos mit an, wie jener an der Wand hinabrutschte und auf der kalten Erde liegen blieb.

Ungerührt drückten die schweren Stiefel gegen den zitternden Körper des Jungen, welcher inzwischen der Bewusstlosigkeit näher war, als dem Wachzustand, drehten ihn um und kalte Augen sahen in die leeren, stumpfen Opale des Kindes.

Mit einem Grinsen, welches Sakito nie wieder vergessen sollte, hockte sich Kaoru zu dem 8-Jährigen und wieder strich eine Hand fast zärtlich über die nun nass glänzenden Wangen des Jungen. „Du wirst noch lernen was es wirklich heißt Schmerzen zu empfinden. Schmerzen, die so tief gehen, dass du nicht einmal in der Bewusstlosigkeit vor ihnen fliehen kannst. Es wird solange andauern bis du endlich gelernt hast deine Befehle richtig zu befolgen…“ Diese Worte brannten sich in das Gedächtnis des Kindes, welches nur mit einem leisen Wimmern reagierte und die gequälten Augen schloss, nicht mehr in das Antlitz seines Peinigers sehen musste. Und endlich, endlich hatte Gott ein Erbarmen mit ihm, schenkte ihm die rettende Dunkelheit.
 

***
 

Mit einem heiseren Keuchen schreckte Sakito hoch, hielt sich die schmerzenden Schläfen, fühlte die kleinen Narben auf der weichen Haut, welche jedoch von kaltem Schweiß gedrängt war. Dieser Traum, diese Erinnerung… sie taten weh. Er hatte die Schmerzen gespürt, wie damals als sie ihm zugeführt worden waren.

„Nein… nie wieder! Nie wieder werde ich zulassen, dass du mich so quälst!“, murmelte er zu sich selbst, war noch immer gefangen in der qualvollen Erinnerung.

Doch ein schnäpperndes Geräusch in seiner Nähe ließ ihn aufschrecken, mit einer blitzschnellen Bewegung hatte er ein Wurfmesser in der Hand und sah sich alarmiert um. Seine Augen sahen nun in der Dunkelheit stechend scharf, doch er konnte nichts Auffälliges sehen, außer einen kleinen Schatten, der sich ängstlich in eine Ecke kauerte.

Sakito zog die Augenbrauen zusammen und stand langsam auf, schritt auf das kleine Wesen zu, welches sich immer mehr zusammenkauerte und schließlich ein klägliches Maunzen von sich gab. Der Brünette entspannte sich. Das, was ihn geweckt hatte, war ein kleines Kätzchen gewesen. Langsam hockte er sich vor den kleinen Streuner und strich diesem über das gestromerte Fell. „Shh ist ja gut Kleines. Keiner tut dir was.“, meinte er mit beruhigender Stimme und immer wenn er mit Katzen zu tun hatte, spürten die Tiere seine Gene und auch das kleine Wesen hörte auf zu zittern, sah ihn nur aus dunklen Augen an, maunzte fragend. Es schien sie zu verwirren, was sie sah. Sakito jedoch lächelte nur, hob das kleine Kätzchen auf seine Arme und ging zurück zu seiner Schlafstätte.

„Du kannst einem ganz schön Angst einjagen, Kleines. Aber anscheinend hast du nur einen Schlafplatz gesucht, hm? Na dann komm her.“ Er legte sich unter den Schlafsack und das kleine Kätzchen krabbelte von allein unter den Stoff und rollte sich schnurrend neben dem Körper des Brünetten zusammen. Ein kleines Lächeln zierte die Lippen Sakitos, der sich nun auch wieder niederlegte und die Augen schloss. Die Gesellschaft des kleinen Strassenstreuners beruhigte ihn und nahm ihm das Gefühl der Einsamkeit und der Angst.
 

***
 

Zur selben Zeit dachte auch ein dunkelhaariger Mann an das Kind von vor neun Jahren, welches in seinen Händen aufgewachsen war, jedoch entkommen war und nun durch einen glücklichen Zufall wieder in greifbare Nähe gerückt war.

Ein kaltes, ja mörderisches Grinsen umspielte die Züge des Dunkelhaarigen.

Schließlich aber drehte er sich zu den vier anwesenden Personen, die direkt vor dem mächtigen Schreibtisch Aufstellung genommen hatten. Seine dunklen Augen glitten emotionslos von einem Gesicht zum nächsten, betrachteten jeden der Männer im Alter von 20 bis 24, bleiben schließlich an dem in der Mitte hängen. „Ihr kennt euren Auftrag! Und ich will, dass ihr ihn sofort ausführt! Bringt #443 zurück. Lebend und möglichst unverletzt! Verstanden?!“ Sofort salutierten die drei in der Mitte, während der vierte nur stehen blieb. „Verstanden Sir.“, kamen die drei Stimmen im Chor und nur einer wagte es Kaoru genau in die Augen zu sehen. „Gut… und macht keine Fehler. #42 hat versagt. Euch sollte dies möglichst nicht passieren. Ich verlasse mich auf euch!“ Seine Worte galten allen, doch sein Blick ruhte nur auf dem schwarzhaarigen Mann, welcher in der Mite der anderen beiden stand. „Keine Sorge, Kaoru-san. Sie können sich auf uns verlassen. #443 wird schon bald wieder in ihren Händen sein.“ „Dann macht euch auf den Weg!“ Die drei Gestalten verneigten sich vor dem Oberhaupt des Menticore-Komplexes und verließen das Büro. Nur einer blieb zurück. „Sakito wird bald wieder in unseren Händen sein, Kaoru. Hizumi, Karyu und Zero werden dafür sorgen.“ „Ich hoffe es für sie und auch für dich, Hakuei. Ich hoffe du hast deine Wachhunde gut genug erzogen. Bisher haben sie nur gute Leistungen gebracht, doch du weißt. Jeder Hund wird einmal alt.“ „Sie werden ihre Sache gut machen. Aber es freut mich ihnen noch eine weitere Mitteilung machen zu können. #444 ist in der letzten Stufe bevor Projekt Alfa eingeleitet werden kann.“ Diese Nachricht zauberte dann doch ein Lächeln auf die Züge des Vorsitzenden und er blickte seinem Bediensteten in die Augen. „Das ist doch eine gute Nachricht! Aber jetzt geh und bereite alles vor. Projekt Alfa soll so schnell wie möglich gestartet werden!“ Hakuei nickte, verneigte sich leicht und verschwand.

Kaoru selbst wandte sich wieder dem Fenster zu. //Du bist das letzte Puzzleteil in unserem Plan kleiner Sakito.//

Afraid to Confront with the Reality

Titel: Dark Angel

Kapitel: 8/?

Autorin: -Satty-

Pairing: Ni~yaxSakito, ReitaxAoi

Genre: Shounen-ai, Romantik, Darkfic etc...

Kommentar: Kapitel 7… nun ja was gibt es groß zu sagen? Mit diesem Kapi habe ich mich etwas schwer getan durch eine Umbauarbeiten meinerseits XD Und ich habe mich entschlossen die Handlung etwas vorzeitig nach vorn springen zu lassen ^^

Ich hoffe, dass es euch trotzdem gefällt. Und um noch mal auf die Verwirrungen im letzten Kapitel bzgl der Nummern zu beheben, schaut einfach mal in die Charakterbeschreibung ^^

An dieser Stelle dann auch einmal ein recht herzliches Danke an meine beiden Betas: Sakito und Kitani *euch beide knuffel*

Und gewidmet ist das Kapitel allen ReitaxAoi Anhängern.

Habt Spaß und lasst ein Kommi da ^.~
 

Kapitel 7: Afraid to Confront with the Reality
 

Mühselig trugen seine Beine ihn durch die Strassen, nicht so leichtfüßig und elegant wie es sonst der Fall war. Sein Blick war starr auf den Boden gerichtet, doch schien er diesen nicht wahrzunehmen. Die Verletzung an seiner Schulter schmerzte, dennoch achtete er gar nicht auf sie. Alles um ihn herum schien so unwirklich, so anders. Hatte dieser Augenblick mit Sakito, dieser Angriff ihn etwa so sehr verändert?

Noch immer hatte er mit den Gedanken, der Erkenntnis zu kämpfen. Die letzten vier Jahre hatte er bei Aoi und seiner Gruppe verbracht. Diese Handvoll Menschen waren zu seiner Familie geworden, hatten ihn aufgenommen, einfach so und ohne Fragen zu stellen. Mit Aoi teilte er noch mehr...

Reita verstand nicht, wieso gerade jetzt, wo doch alles so gut gelaufen war, wo er endlich begonnen hatte zu vergessen, seine Vergangenheit ihn auf diesem grausamen Wege wieder einholte? Neun Jahre hatte er nichts mit Menticore zu tun gehabt, hatte geglaubt endlich in Frieden leben zu können, ohne den Schmerz, ohne die Qualen, ohne die seelischen Wunden, die er mit Aois Hilfe langsam aber sicher hatte heilen können. Ja neun Jahre hatte er in Angst gelebt, besonders die erste Zeit war schlimm gewesen, in der er hinter jedem Fünkchen Nettigkeit eine Falle gesehen hatte, geglaubt hatte, dass jeder, der es gut mit ihm meinte, ein verdeckter Spion von Menticore gewesen war. Und jetzt? Nun sah er sich vor einem Scherbenhaufen des Lebens, dass er sich so mühselig aufgebaut hatte.

Zum ersten Mal seit langen fühlte Reita wieder Angst, keine Angst vor Schmerzen, sondern eine Angst, die tiefer ging... die Angst vor der Einsamkeit, davor, dass, was ihm das Liebste auf der Welt geworden war, zu verlieren.

Die Stadt lichtete sich, wandelte sich in hässliche Plattenbauten und schließlich zu Gebieten, die noch Natur waren. Seine Füße wechselten von der betonierten Strasse auf waldigen Untergrund und er begann die steinbehauenen Stufen zu dem alten Tempelgebäude nach oben zu steigen. Er wusste nicht, was ihn erwartete, ob Aoi und Ruka noch wach waren um auf ihn zu warten oder ob sie schon schlafen gegangen waren. Reita hoffte auf letzteres. Er wollte jetzt nicht in die Augen des Dunkelhaarigen sehen, die ihn mit Neugierde erwarten würden.

//Ich hätte nicht zu dem Treffen gehen sollen...//, schallte es immer wieder durch seine Gedanken, während seine müden Beine ihn auch die letzten Stufen nach oben trugen und er so schließlich vor dem Tempelgebäude stand. Reita schloss die Augen, begann wieder zu lauschen. Im ersten Moment wirkte alles still, aber dann vernahm er leise Geräusche aus dem Raum, der ihnen als Küche und Esszimmer diente, leise Stimmen, die sich gedämpft miteinander unterhielten.

„Er ist jetzt schon solange weg. Ich mache mir Sorgen.“ Aoi. Eindeutig. „Ach komm. Reita kann auf sich aufpassen. Du solltest dir nicht immer zu viele Gedanken machen.“ Und Ruka.

Reita seufzte. Gerade die beiden. Er wollte ihnen nicht unter die Augen treten, doch wollte er noch weniger, dass Aoi sich um ihn sorgte. So schob er leise die Schiebetür des Tempels auf und betrat den kleinen Innenraum. Auf diesen folgte gleich die Küche, sodass das leise Gespräch abbrach und als Reita die Küche betrat, Ruka und Aoi am Tisch sitzen sah, ihre Gesichter nur von dem leichten Schein einer brennenden Kerze beleuchtet, richteten sich die Blicke der beiden auf ihn.

„Reita!“, Rief der Schwarzhaarige sogleich etwas erschrocken beim Anblick seines Freundes. Reita konnte sich schon denken wie er aussah. Die Sachen zerknittert und dreckig vom Staub und sein ganzer Körper schlaff und kraftlos. Selbst Rukas Blick ruhte auf dem Kleineren und Sorge sprach aus den dunklen Augen. Doch Reita bemaß ihn nur kurz, ehe er sich vollkommen auf den Schwarzhaarigen konzentrierte, der nun langsam auf ihn zuschritt. „Was ist passiert?“, Fragte Aoi leise, wusste nicht so recht, was er jetzt tun sollte, verunsicherte der leere Blick der dunkelbraunen Augen seines Gegenübers doch sehr. Reita schüttelte nur leicht den Kopf. „Später.“, Sagte er. Er spürte die Müdigkeit nun bis in seine Knochen und wollte nur noch schlafen.

Das einzige was er Aoi entgegen hielt war seine verletzte Schulter. Dunkles Blut hatte den Stoff um die Wunde verfärbt. Aoi zog die Augenbrauen zusammen, forderte nach der Kerze. Er akzeptierte, dass Reita nicht sprechen wollte, nicht jetzt, aber hoffte der Jüngere doch, dass der andere wenigstens später dazu bereit war etwas zu sagen. Die Sorge blieb dennoch in seinem Inneren verankert. Reita ließ sich schweigend verarzten, beobachtete Aoi nur dabei, wie er geschickt und geübt die Wunde säuberte und schließlich mit einem leichten Verband versah.

Sie waren inzwischen allein und mit einem Mal überkam Reita ein brennendes Verlangen. Er griff harsch nach Aois Schultern, zog den Kleineren zu sich hoch und noch ehe der Schwarzhaarige auch nur einen Laut der Überraschung über die Lippen bringen konnte, wurden diese von einem feurigen Kuss verdeckt. War der Dunkelhaarige im ersten Moment noch etwas erschrocken, senkten sich die Augenlider dann langsam und er ließ sich auf den Kuss ein. Reita küsste ihn sanft, aber bestimmt und deutlich fühlte der Jüngere Verzweiflung die aus diesem Kuss sprach.

//Reita.. Was ist dort heute nur passiert?//

Sie lösten sich voneinander und Aoi sah dem Blondschwarzhaarigen tief in die Augen. Er ahnte, nein er wusste sogar, dass etwas bei diesem Treffen passiert war, dass Reita verändert hatte. Der rebellische, kalte Glanz war aus den dunklen Opalen verschwunden und an ihrer Stelle stand nun ein Ausdruck tiefster Verwirrung und auch Angst.

„Reita…“, hauchte der Schwarzhaarige leise den Namen seines Geliebten, lehnte seine Stirn gegen die des anderen.

Reita schloss die Augen, sackte leicht gegen den Körper des Kleineren. Er fühlte förmlich wie eine innere Ruhe zu ihm zurückkehrte, wie sie sich von Aoi direkt auf ihn übertrug. Dies war es, was er so an dem Dunkelhaarigen liebte. Aoi war der einzige Mensch, bei dem er Schwäche zuließ und sie auch zeigte. So legte er auch jetzt seine Arme um die schmale Taille des Jüngeren, zog ihn näher an sich und bettete seinen Kopf auf der Schulter des Kleineren, der nun begann ihm sanft über den Rücken zu streichen. So verharrten sie in trauter Zweisamkeit und auch wenn dieser Augenblick auch noch so schön wirkte, lag doch spürbar Melancholie und Traurigkeit über den beiden Liebenden.

Lange Zeit verharrten sie in dieser Pose, bis Reita seinen Kopf wieder hob und dem anderen in die Augen blickte. Deutlich konnte er die stummen Fragen in ihnen lesen, die dem Jüngeren wohl auch auf der Zunge lagen. „Lass uns morgen darüber reden, bitte.“, Richtete Reita leise Worte an seinen Freund, welcher verstehend nickte. „Wollen wir schlafen gehen? Du siehst müde aus.“, Fragte Aoi schließlich. Reita antwortete mit einem leichten Kopfnicken. Er war müde und ausgelaugt, noch immer erschrocken von dem, was passiert war.

Aber irgendwo ruhte in ihm immer noch der kleine Funken glaube, dass das alles nur ein böser Albtraum war, aus dem er bald erwachen würde.

Doch die Wahrheit sah anders aus und Reita würde schon bald begreifen, dass das alles erst der Anfang des Albtraumes war.
 

***
 

Es verliefen zwei Tage ohne das viel passierte und doch veränderte sich Reitas Verhalten zu seinen Freunden immer mehr. Besonders Aoi spürte es, merkte, wie, der Blondschwarzhaarige sich immer mehr entfernte, nur in seinen Gedanken lebte. Auch nachts verhielt Reita sich unruhig, wurde von Albträumen geplagt und wachte immer öfter schweißgebadet auf. Es war wie in der Zeit nach der Flucht, als er noch vollkommen allein durch die Wälder geirrt war, immer die Angst im Nacken, man könnte ihn verfolgen.

Aber jetzt waren es andere Ängste, Ängste der Gewissheit. Menticore war wieder da, ihnen auf der Spur und wer wusste schon, wie lange sie ihn bereits beobachteten.

Reita arbeitete unkonzentriert und an den täglichen Raubzügen in die Stadt beteiligte er sich nicht mehr, war das Risiko erkannt zu werden, ihm doch zu groß. Stattdessen übte er sich im Jagen, fühlte sich nur im Dickicht und Schutz des Waldes wohl.

Nur hier fand er etliche Stunden am Tag etwas Ruhe, musste nicht ständig an die Begegnung mit dem fremden Transgeno denken und an die schwere Entscheidung, die ihm noch bevorstand und der er sich mit jedem weiteren Tag der verging, zu entziehen versuchte. Man mochte dieses Verhalten als Schwäche deuten, ihn als Feigling beschimpfen, doch bedachte man die Tatsache, was Reita zu verlieren drohte, war dann nicht doch dieses Denken berechtigt?

Aoi verging jeden Tag mehr in Sorge, versuchte mit Reita zu reden, doch dieser blockte ab, verwandelte sich immer mehr in das Abbild des Kindes, welches er damals gefunden und ihm das Leben gerettet hatte. Reita hatte keinem vertraut, war ihnen allen mit Misstrauen entgegengekommen. Nur langsam war Aoi zu ihm durchgedrungen, aber jetzt hatte er Angst, dass Reita ihm wieder zu entgleiten drohte.

Eben jener befand sich nun auf der Jagd. Er hatte das alte Tempelgebäude bereits früh verlassen und nur bewaffnet mit einem leichtem Speer und einem kleinem Jagdmesser, machte er sich daran die Fallen, welche er noch am Vortag aufgestellt hatte abzusuchen. Aoi hatte er noch schlafend zurückgelassen.

Die Sonne stand gerade nur über den Wipfeln der leichten Berge, die Sonnenstrahlen durchdrangen den noch nach Morgentau riechenden Wald, nur wenig.

Reita jedoch liebte genau diese Stimmung, diese Stunden zwischen Morgenröte und Tagesanbruch. Außerdem machte es sich zu dieser Tageszeit am besten zu jagen. Er tötete nicht gern und dennoch wusste er, dass jedes Tier, dass er fangen konnte, wichtig für den Lebenserhalt seiner Gruppe war.

Reita dachte an das vergangene Jahr zurück, indem sie noch eine alte Ziege gehabt hatten, die ihnen Milch gebracht hatte. Aber das Tier hatte den harten Winter nicht überlebt. Eigentlich tragisch, doch besonders getroffen hatte es ihn nicht.

Die frische Morgenluft machte ihn immer etwas nachdenklich, aber er fühlte sich wohler, als im Tempel bei Aoi und den anderen. Gut Ruka und die Mädchen waren heute in der Stadt auf dem Markt und Ruka würde nach einem neuen Job suchen.

Reita fragte sich wirklich, was aus der kleinen Gruppe werden sollte, wenn er nicht mehr da war, sich dazu entschloss sie zu verlassen?

Er wusste es nicht.

Ein plötzliches Geräusch im Dickicht ließ ihn aufhorchen. Er spannte den Speer, bereit ihn abzufeuern, doch als er das Reh entdeckte, dass ihn aus sanften braunen Augen ansah und dahinter das kleine Kitz, welches Schutz bei seiner Mutter suchte, konnte er sie nicht töten. Der Augenblick dauerte nur Sekunden, als das Reh auch schon wieder mit leisen Geräuschen verschwand.

Reita blickte ihnen nach, verspürte selbst kurz einen Stich im Herzen. Der Anblick dieser Tiere hatte ihn selbst an seine Mutter erinnert. Er hatte sie über fünfzehn Jahre nicht gesehen, wusste nicht wo sie war, ob sie überhaupt noch am Leben war.

Schnell vertrieb er die störenden Gedanken. Er war hier um einen klaren Kopf zu bekommen, nicht um ihn noch mehr zu verwirren.

So streifte er weiter durch das Dickicht des Waldes, hatte ein klares Ziel vor Augen. Er nutzte die Morgenstunden nicht nur um Ruhe zu finden und zu jagen, sondern auch um zu schwimmen. Weiter oben den Berg hinauf befand sich ein kleiner See, versteckt hinter hohen Bäumen und umgeben von sachtem grünen Gras. Hier verbrachte der junge Mann die meiste Zeit des Morgens. Die Oberfläche des Bergsees lag wie ein glatter Spiegel vor ihm. Keine Welle verzerrte die Wasseroberfläche, kein Windhauch wehte. Schon allein dieses Bild bewirkte, dass Reita sich entspannte. Und so sehr er die Einsamkeit auch hasste, war doch diese hier friedlich und ruhig.

Er legte Speer und Messer beiseite, entledigte sich seiner Kleider und watete in das Wasser. Sofort wurde sein Körper von einer Gänsehaut überzogen, denn so früh am Morgen war das Wasser doch sehr kalt. Aber es störte ihn nicht, verhalf ihm doch genau diese Kälte zu einem klaren Kopf und kaum stand er bis zur Hüfte in dem eisigen Nass, tauchte er unter, begann einige Züge zu schwimmen, ehe er wieder auftauchte. Wasserperlen flogen durch die Luft, als er die Oberfläche durchbrach und keuchend nach Luft schnappte, drückte die Kälte doch auf seine Lungen. Er musste sich erst an sie gewöhnen, wie jeder andere Mensch auch.

Reita schloss die Augen, ließ sich dann einfach vom Wasser treiben, lauschte auf die Geräusche um sich herum. Das Rauschen der Bäume, wenn der Wind durch sie streifte, dem Zirpen der Grillen und dem Quaken einiger Frösche. Ja hier oben war die Natur noch unberührt, das Bild der einstigen Welt im Gleichgewicht und nicht zerstört durch die Machtbesessenheit des Menschen.

Reita zog etliche Bahnen durch das kalte Nass, ehe er es wieder verließ, sich von den Strahlen der noch so jungen Sonne dieses Tages trocknen ließ. Dann zog er sich wieder an, suchte die Fallen ab und kehrte schließlich kurz vor der Mittagszeit mit drei kleinen Wachteln und einem Hasen zurück zum Haus.

Aoi kochte bereits einen kleinen Eintopf, blickte nur kurz auf, als der Blondschwarzhaarige die Küche betrat und die toten Tiere auf den Tisch legte. „Schon wieder zurück?“, Schlug der Jüngere schließlich ein lockeres Gespräch an. „Siehst du doch. Mehr war heute nicht drin.“, Erwiderte er recht kühl, suchte nach einer kleinen Schüssel und legte die Tiere dorthinein. Sobald Ayumi zurück war, könnte sie die Tiere schlachten und in ihrem Vorratsraum verstauen. Aoi mochte diese Stille nicht und auch nicht wie Reita ihm entgegentrat. So ließ er den Eintopf über dem Feuer köcheln und wandte sich dem Älteren zu. „Reita langsam ist es genug. Wir alle haben Verständnis für dich, dass du nicht sagen willst, was passiert ist, aber deine Launen solltest du unterlassen. Wir haben dir alle nichts getan, also behandle uns nicht wie Luft.“ Der Blick des Schwarzhaarigen war Ernst. Reita ignorierte ihn. „Ich weiß nicht, was du wieder hast Aoi. Ich benehme mich normal. Gegenüber dir, sowie den anderen. Du interpretierst zuviel hinein und vor zwei Tagen ist nichts weiter Bewegendes passiert.“ Kalte Worte und eine eiskalte Lüge.

Und Aoi durchschaute sie, schnaubte leise aus. „Ich weiß nicht wen du belügen willst, Reita! Aber bei mir zieht das nicht. Bitte, du musst nicht mit mir reden, aber dann nimm dich wenigstens zusammen. Wir brauchen dich!“ Damit wandte sich der Schwarzhaarige wieder ab, doch nicht lange, da wurde er an den Schultern gepackt und wieder herumgedreht.

Erschrocken quietschte Aoi auf, fand sich plötzlich dicht an die Wand gedrängt wieder, blickte Reita in die dunklen Augen. Sie zeigten einen Ausdruck den Aoi nicht deuten konnte und irgendwie machte ihm das Angst. „Euch belügen? Denkst du ich mache das gern, Aoi? Ich will euch nur schützen. Je weniger ihr wisst, desto besser ist es doch. Ich gehe daran kaputt, Aoi… aber ich will euch… dich nicht verlieren…“, meinte Reita mit einem Mal ernst, drückte den anderen noch weiter gegen das Holz der Täfelung. Und ehe Aoi noch etwas sagen konnte, spürte er die Lippen des anderen. Sie drückten sich hungrig, ja verzweifelt auf die des Schwarzhaarigen, küssten ihn verlangend. Aoi erwiderte den Kuss, auch wenn in seinem Kopf Verwirrung stand. Was hatte Reita damit gemeint?

Aoi keuchte auf, als Reitas Hände sich unter seine Knie schoben, ihn anhoben und fester gegen die Wände drückten. Um Halt zu finden musste der Schwarzhaarige seine Beine um die Hüfte des anderen schlingen, ihre Becken gegeneinander stoßen.

Eine verzweifelte Leidenschaft überfiel Reita in diesem Augenblick und er schob das Shirt des anderen nach oben, senkte den Kopf und begann hungrige Küsse auf der nackten Haut seines Geliebten zu verteilen. Aoi keuchte, stöhnte auf. Seine Hände gruben sich in das schwarze Unterhaar des anderen, drückten dessen Kopf weiter auf seine Brust. Aber trotz der Leidenschaft fühlte sich diese Tat hier falsch an, auch wenn sie nichts Verbotenes taten.

Reitas Worte, die Verzweiflung hinter seinen Berührungen. All das verwirrte den Schwarzhaarigen. Und doch konnte er nicht nein sagen, sich nicht gegen Reitas Hände wehren, die ihn hielten und doch immer wieder über die weiche Haut seines Bauches fuhren, seine Brustwarzen ausreizten.

Sie wären weiter gegangen, hätte in diesem Moment nicht das klappernde Geräusch des Deckels auf dem Topf Aoi abgelenkt. Er sah kurz hinüber zum Feuer und erschrak.

„Reita! Das Essen!“, Holte er auch den Älteren wieder zur Besinnung, welcher den Schwarzhaarigen sofort runter ließ. Aoi hastete zu dem Topf, nahm ihm vom Feuer und stellte ihn auf den Tisch. Sie konnten es sich nicht leisten durch Nachlässigkeit wichtiges Essen zu verschwenden oder wie in diesem Fall anbrennen zu lassen.

Und doch war der magische Augenblick wieder verflogen und Reita hatte sich abgewandt. Aoi wollte den Älteren ansprechen, doch als er sich umdrehte, war der andere verschwunden.
 

***
 

Er hatte die Hand noch immer auf die Brust gepresst, schmerzten die Kratzer doch bei jedem Atemzug. Aber er musste sich zusammennehmen, konnte sich eine weitere Schwäche oder Nachlässigkeit nicht erlauben, wusste er doch, was für Folgen es mit sich ziehen würde. Zwei Tage waren seit dem Treffen der beiden Transgenos vergangen und seit dem hatte sich Tsukasa wieder an die Fersen Reitas gehängt, noch deutlicher darauf geachtet nicht entdeckt zu werden und sich immer aus der Reichweite des Blondschwarzhaarigen gehalten.

Versteckt in den Wipfeln der Bäume war er getarnt gewesen und hatte dem Treiben in dem verfallenen Tempelgebäude folgen können. Er wusste über die Beutezüge des Transgenos bescheid, wann er das Haus verließ, wann er zurückkehrte. All das konnte von Vorteil sein, wenn der Rest der Einheit DeltaI endlich eintraf.

Hakuei hatte ihn gleich nach dem Losschicken informiert und jetzt wartete er nur auf seine Kumpanen, die er seit zwei Monaten nicht mehr gesehen hatte.

Sie würden sich melden, hatte Hakuei gesagt und solange sollte er seinen Posten keinesfalls verlassen und möglichst ein weiteres Zusammentreffen von Reita und Sakito unterbinden. Letzteres war keineswegs schwer gewesen, da Reita gar nicht erst versucht hatte den Weg zu dem Brünetten zu finden. Er schien eher fiel mehr mit sich selbst zutun zu haben, etwas, dass Tsukasa doch sehr amüsierte.

Reita war verwirrt und leicht angreifbar. Aber dennoch wusste er nun, dass der Transgeno keinesfalls zu unterschätzen war. Sakito und er hatten gewisse Talente, die auf ihre tierische DNS zurückzuführen war, doch der wesentliche Unterschied lag wohl darin, dass Sakito diese Gene bereits im Embryostadium erhalten hatte, sein Körper also damit entstanden und aufgewachsen war, während Reita erst später die Gene eingesetzt worden waren.

Die Sonne sank immer mehr dem Abend entgegen und langsam würde Tsukasa seinen Platz verlassen müssen. Der Rest der Gruppe, ein Kerl mit braunen Haaren und zwei Mädchen, würden bald zurückkommen und er nutzte die Abendstunden immer in der Stadt für Verpflegung zu sorgen und die Verbände musste er auch unbedingt wechseln.

Tsukasa wusste nicht warum, aber die Wunden, die Sakito ihm zugefügt hatte, heilten schlecht und bluteten noch immer.

So verließ er also seinen Wachposten und suchte sich einen Weg durch das Dickicht zur Stadt. Er hatte sie fast erreicht, als mit einem Mal das Handy zu vibrieren begann. Verwirrt hielt er inne, suchte nach dem Mobiltelefon. Was konnte Hakuei jetzt von ihm wollen. Doch als er das Handy aufklappte und mit einem fragenden „Ja?“ Heran ging, hörte er nur ein leises Lachen. „Lang nichts mehr von dir gehört Tsukasa!“ Der Brünette reagierte schnell, fuhr herum und wehrte einen Schlag ab, hielt das Handy immer noch am Ohr, blickte nun in zwei schwarze Augen, die spöttisch glitzerten. „Aber deine Reflexe scheinen immer noch so gut.“, Ertönte es aus dem Handy und zeitgleich auch von der Person, die vor ihm stand und wie auch er ein kleines Mobiltelefon an das Ohr gepresst hielt.

„Hizumi!“, Knurrte Tsukasa, sprang zurück, klappte das Telefon zusammen und verstaute es wieder in der Tasche. „Jap anwesend. Aber du scheinst nicht ganz bei der Sache zu sein, was? Sonst hättest du uns längst bemerkt!“ Und mit einem Mal erschienen wie aus dem Nichts zwei weitere Schatten neben dem Schwarzhaarigen. „Karyu… Zero…“, hauchte Tsukasa, erhielt nur ein Nicken. „Richtig und damit ist die ganze Familie wieder vereint.“, Witzelte Hizumi, doch der Ausdruck auf seinem Gesicht wurde ernster.

„Also, Tsukasa! Was ist passiert? Du hast versagt, aber wieso?“ Der Angesprochene zuckte zusammen, spannte sich dann an. Es folgte ein kurzer Bericht von dem was geschehen war und schließlich der Ereignisse der letzten zwei Tage.

Es waren durchaus Dinge, die den Anführer der Sondereinheit DeltaI zum Lächeln brachten. „Also wird #668 kein schweres Unterfangen werden. Mit #443 sieht es da doch etwas anders aus. Weißt du wo er sich befindet?“ Tsukasa schüttelte den Kopf. „Dann werden wir mal ein kleines Spielchen spielen müssen um das Kätzchen aus seinem Versteck zu locken.“ Ein dunkles Lächeln breitete sich auf den Lippen Hizumis aus. Ein Lächeln, welches kalt und grausam war.
 

***
 

Die Nacht kam schnell und wieder verlief sie für Reita recht unruhig. Bilder seiner Vergangenheit quälten ihn in seinen Träumen und so klammerte er sich regelrecht an den Schwarzhaarigen, der neben ihm lag, jedoch nicht schlafen konnte. Aoi war ratlos, besorgt. Er hatte Reita so noch nie erlebt, so voller Angst und noch nie so schwach. Der Rest des Tages hatte nicht viel gebracht. Reita hatte sich wieder zurückgezogen, war ihm aus dem Weg gegangen.

Aois Sorgen nahmen zu und er versuchte den anderen im Schlaf zu beruhigen, indem er, wie auch die Nächte zuvor, Reita sanft streichelte und auch leise zuredete. Und wieder keimten die Fragen in seinem Kopf auf.

Was hatte Reita so verstört? Was war passiert?

„Nein! Geht weg! Ich will das nicht!“, Drangen auf einmal die gemurmelten Worte an die Ohren des Schwarzhaarigen und er sah den Älteren an, der sich in seinen Armen zu winden begann. Schweiß stand dem Blondschwarzhaarigen auf der Stirn und seine Gesichtszüge wirkten verspannt und die geschlossenen Lider zuckten unruhig.

Ein Albtraum?

Aoi zuckte erschrocken zusammen, als Reita schließlich mit einem Mal aufschreckte und senkrecht im Bett saß. Der Körper des jungen Mannes zitterte noch leicht und seine Augen waren geweitet. Purer Schrecken stand in ihnen.

„Reita…“, hauchte Aoi wieder leise, näherte sich dem anderen, welcher wohl noch immer gefangen in die Verwirrungen seiner Träume war, und schlang seine Arme um den bebenden Körper vor sich. Anfangs zuckte Reita noch zusammen, realisierte dann aber, wo und bei wem er war. Er lehnte sich leicht in die Umarmung zurück, schloss einen Moment die Augen. Seine Wangen hatten einen Rot-Ton angenommen, war es ihm doch peinlich gerade jetzt solch eine Schwäche zu zeigen.

„Ist alles in Ordnung?“, Raunte Aois leise, feine Stimme gegen seine Ohren. Der Ältere nickte. „Ja… es war nur ein Albtraum.“, Erwiderte er, genoss noch einige Momente diese stille Umarmung, ehe er sie brach und sich von Aoi abwandte. „Nur ein Albtraum. Also mach dir keine Sorgen.“ Reita Stimme klang kühl, war gezeichnet von der Scham, die ihn innerlich erfüllte. Aoi senkte den Blick. „Willst mir nicht doch sagen, was es wirklich war?“, Fragte er zögernd, wagte nicht aufzublicken. Reita seufzte. Er hätte wissen müssen, dass der Schwarzhaarige nun nach den Antworten verlangte und ein Teil von ihm war gewillt ihm diese zu geben, doch der andere, weitaus größere Teil, warnte ihn davor das zu tun. Es waren die Zweifel und Ängste vor Aois Reaktionen. Er glaubte nicht, dass er so reagieren würde wie damals die Wissenschaftler, die sie alle nur als Missgeburten angesehen hatten, einzig allein dazu erschaffen um der Wissenschaft zu dienen.

„Aoi.. Ich…“ Er brach wieder ab, wie die unzähligen Male davor, als er versucht hatte seinem Liebsten zu erzählen was ihn plagte, jetzt mehr denn je. Und wieder schaffte er es nicht zu sprechen, von den schlimmen Ereignissen seiner Kindheit zu erzählen. Er verfluchte sich dafür.

Und wie immer legte Aoi seine Hände auf seine Schulter um ihn zu beruhigen. „Schon gut… du musst nicht, wenn-“ „Doch Aoi! Verdammt ich muss!“, Unterbrach Reitas energische, wutgeladene Stimme die sanften Worte des Dunkelhaarigen. Aoi schreckte zurück, doch Reita zog ihn sofort wieder an sich. „Begreifst du denn nicht, dass mir nicht mehr lange Zeit bleibt es dir zu sagen? Verstehst du nicht, dass das alles keine Zufälle sind.“, Fuhr der andere weiter fort, noch immer energiegeladenen, lauter als beabsichtigt. „Reita was…? Wovon sprichst du?“ Der Schwarzhaarige war verwirrt und der starke Griff von Reitas Händen um seine schmalen Gelenke schmerzte. Er wand sich leicht, doch der Ältere nahm darauf keine Rücksicht. „Aoi ich bin kein normaler Mensch. Das scharfe Gehör, die schnelle Wundheilung, die Schwäche, die nur mit Tryptophan geheilt werden kann. Das alles besitzt kein normaler Mensch. Sie haben mir damals weh getan, schlimme Tests an mir durchgeführt, meinen Körper verändert. Die Träume, die Angst… alles nur wegen ihnen. Und jetzt sind sie wieder da. Sie wollen mich holen…“, meinte der Blondschwarzhaarige und der Ausdruck in seinen Augen schien fast verrückt. Er drückte in seiner Aufregung noch fester zu, was Aoi nun ein leises Wimmern entkommen ließ. „Reita! Au! Du tust mir weh…“, brachte er hervor, wand sich noch mehr in dem Griff und erst da schien der Ältere aus seinem Tun aufzuwachen. Sofort ließ er den anderen los, entfernte sich, blickte weg.

„Aoi ich… gomen… ich muss raus…“ Damit sprang Reita auf, schnappte sich nur noch seine dünne Jacke und war verschwunden, ehe Aoi reagieren konnte.

Dieser blieb noch immer erstarrt genau auf dem Fleck sitzen, an dem Reita ihn losgelassen hatte. Seine Handgelenke waren rot von dem harten Druck, den der Ältere auf sie ausgeübt hatte, doch er war es nicht, was ihn noch immer so erstarrt verhaaren ließ.

Die Worte, die Aufregung Reitas, die ganze Situation. Sie hatte ihn verwirrt, ihn für diese Momente gelähmt, unfähig gemacht einen klaren Gedanken zu fassen. Was hatte Reita gemeint, er sei kein normaler Mensch? Und wer waren SIE? Wer wollte ihn holen?

Aoi fasste sich an die pochenden Schläfen. Sein Kopf schmerzte und sein Gewissen plagte ihn. Er machte sich Sorgen, solch große Sorgen.

Mit einem Mal hörte er ein leises Geräusch, welches von der Tür herkam. Er fuhr herum, erkannte die Silhouette einer dunklen Gestalt. „Wer ist da? Reita?“, Fragte er hoffnungsvoll.

„Nein… nicht ganz, aber fast, Liebchen.“ Erschrocken wich Aoi zurück und die Person trat einen Schritt nach vorn ins Licht des einfallenden Mondes. Aoi erkannte fremde Züge, grausame Augen, dunkles schwarzes Haar. „Wer bist du?!“, Rief er aus, suchte nach irgend etwas mit dem er sich vielleicht verteidigen konnte, tastete blind mit den Händen hinter seinem Rücken, erfühlte das Jagdmesser Reitas, wollte es greifen, doch da spürte er mit einem Mal heißen Atem in seinem Nacken. „Das würde ich lassen, Süßer. Messer sind nichts für kleine Jungs.“ Die dunkelbraunen Augen weiteten sich und sofort fuhr Aoi wieder herum, sah wieder in das Gesicht des Fremden, welches seinem nun viel näher war. Erschrocken schrie er auf, stolperte nach hinten, verhedderte seine Beine in dem Schlafsack und stürzte zu Boden. „Na na na… pass auf, dass du dir nichts brichst. Wäre doch sehr tragisch.“ Ein kaltes Lachen genau neben Aois Ohr. Der Schwarzhaarige reagierte panisch, versuchte sich aufzurappeln, doch er kam nicht weit. Ein schwerer Griff legte sich um seine Hände, zwang sie hinter seinem Rücken zusammen, zwangen ihn in ein Hohlkreuz. „Nein! Lass mich los!“, Kreischte er, wusste noch immer nicht mit wem er es zu tun hatte. Doch der Fremde hielt ihn weiter unnachgiebig fest, legte nun einen Arm um den Hals des Schwarzhaarigen. „Shhh Kleiner. Du willst doch nicht frühzeitig von der Welt Abschied nehmen oder? Außerdem wäre Reita dann ganz allein.“, Raunte es böswillig in Aois Ohr. Ein Schauer der Angst lief kalt den Rücken des Dunkelhaarigen hinab. „Woher weißt du?“, Kam es nur leise über die Lippen des Jungen. Er verspannte sich, was auch der Mann hinter ihm bemerkte. „Oh dann hat dir Reita wohl nicht viel über sich erzählt hm? Und das wo ich doch ein Paar seid.“ Die Worte waren mit Bedacht gesprochen worden und sie versetzten Aoi einen Stich ins Herz. Wer war dieser Fremde? Woher kannte er Reita? War es letzt endlich der, mit dem er sich getroffen hatte.

Eine Hand, die sich auf einmal auf seinen Bauch legte, ließ ihn die Gedanken vergessen und er begann sich zu wehren. „Nimm deine Hände von mir du Mistkerl!“, Fluchte die schwarzhaarige Schönheit, erhielt dafür jedoch nur ein kaltes Lachen. „Oh eine kleine Wildkatze. Wie reizend. Aber eines muss man Reita lassen. Er hat definitiv Geschmack.“ Eine heiße Zunge leckte über die Ohrmuschel des schwarzhaarigen Jungen und diesen überkam ein Schauer des Ekels. „Lass mich los!“, Fauchte er, begann nun auch auszutreten, doch er traf den Fremden nicht. Stattdessen wurde der Griff nur fester und seine Arme weiter nach oben gebogen. Es fehlte nur ein Stück und der Fremde würde ihn beide Schultern auskugeln. Aoi hatte Tränen in den Augen vor Schmerz, doch er ließ es nicht zu, dass diese über seine Wangen liefen oder gar ein Schmerzenslaut über seine Lippen kam.

„Oh und mutig noch dazu. Dabei mag ich es, wenn andere schreien. Aber dafür werden wir schon noch Zeit haben, Kleines.“ Die Hand schob sich nun unter das Shirt des Dunkelhaarigen, begann dort die weiche Haut zu streicheln. Aoi zitterte, kniff die Augen zusammen. Er kannte solch eine Situation nur zu genau. Bilder kamen ihm in den Sinn, Bilder wo er noch klein gewesen war und in eine Ecke gedrängt wurde. Dann war da nur noch Schmerz.

„Lass mich los!“, Schrie er mit einem Mal, begann sich heftiger zu wehren, doch er hatte gegen den Fremden keine Chance, für den es ein Einfaches zu sein schien, den Jungen festzuhalten. „Hnn so geil du mich gerade auch machst. Es wäre besser wenn du jetzt erstmal schlafen gehst. Wir können später noch genug spielen.“ Aoi wollte aufschreien, doch er spürte nur noch den Schmerz in seinen Nacken und wie alles um ihn herum dunkel wurde.
 

***
 

Reita streifte rastlos durch die Finsternis des Waldes. Sein Herz pochte schnell gegen seinen Brustkorb und sein Puls raste. Er hatte Aoi wehgetan, hätte ihn in seiner Verwirrung vielleicht sogar verletzt. //Verdammt, was ist nur los! Ich bin nicht mehr ich selbst. Diese Träume, diese Angst… es sollte alles hinter mir liegen… Doch jetzt frisst es mich auf, zerstört mich von innen heraus!!// Seine Gedanken kreisten nur um diese eine Sache. Menticore.

Irgendwann, Reita wusste nicht wie lange er gelaufen war, blieb er stehen, lehnte sich schwer keuchend gegen einen Baumstamm, holte erstmals richtig Luft.

Er hörte sein Blut in seinen Ohren rauschen, wie es alles andere ausblendete. Er schloss die Augen, versuchte sich zu beruhigen. Und nur langsam schaffte er es.

Der Druck auf seinen Ohren ließ nach und schließlich beruhigte sich auch sein Herzschlag wieder. Die Verwirrung war endgültig verschwunden und es blieb nur ein Gedanke. //Ich muss es ihm sagen… ich muss ihm alles sagen…//

Und mit dem Gedanken wollte er sich auf den Rückweg machen, als er plötzlich innehielt. Ein böses Gefühl machte sich in ihm breit, eine böse Vorahnung. Irgend etwas passierte gerade in diesem Moment. „Aoi!“, Hauchte er nur und begann zu laufen. Seine schritte wurden immer schneller, die Vorahnung immer deutlicher. Sein Inneres zog sich schmerzlich zusammen.

Reita brach durch die Böschung, hielt erst an, als der Tempel vor ihm auftauchte. Er begann zu lauschen, doch er hörte nichts. Nur Stille… unheimliche Stille.

Der Herzschlag nahm wieder zu und damit die Angst.

Er riss die Tür auf, stolperte in ihr gemeinsames Schlafzimmer, doch er kam zu spät. Aoi war verschwunden.

Fury and Desperation

Titel: Dark Angel

Kapitel: 9/?

Autorin: -Satty-

Pairing: Ni~yaxSakito, ReitaxAoi

Genre: Shounen-ai, Romantik, Darkfic etc...

Kommentar: Als erstes muss ich ein riesen großes Sorry an euch alle geben, weil ich euch solange hab warten lassen. Und dann auch noch mit einem Kapitel, dass nicht mal besonders lang ist und in dem nicht viel passiert. Aber Sakito, Kitani und Katsu haben mich vom Gegenteil überzeugt.

Euch gilt mein Dank ihr Süssen *allen knuffl*

Und natürlich auch allen meinen lieben Kommischreibern. Ohne euch hätt ich bestimmt schon lange aufgegeben *knutschi*
 

Kapitel 8: Fury and Desperation
 

Bewegungsunfähig und mit starrem Blick, unfähig in diesen Augenblick auch nur einen klaren Gedanken zu fassen, starrte Reita in das leere Zimmer. Er wusste nicht wie lange er dastand und einfach nur starrte, jeglichem Zeitgefühl beraubt. Und doch fraß sich die Gewissheit wie ein lästiges Insekt in ihn hinein und langsam, ganz langsam sank er zu Boden. Aoi war verschwunden, weg... nicht mehr da! Und er war nicht einfach mal eben gegangen, sondern mit Gewalt gezwungen worden.

Die Kampfspuren waren deutlich. Ihre Schlafsäcke waren zerwühlt, das Messer, welches Reita selbst noch auf den kleinen Tisch gelegt hatte, lag nun auf dem Boden. Ein fremder Geruch stieg Reita in die empfindliche Nase, ein Indiz, dass Aoi noch nicht lange fort war. Er kämpfte sich hoch, verbot sich in Selbstmitleid zu versinken! Er musste Aoi finden! Vielleicht, ja vielleicht hatte er noch eine Chance.

Der Blondschwarzhaarige stürzte aus dem Raum, stolperte mehr als er lief, in das zweite Schlafzimmer und blieb erneut mit einem Schlag stehen. Süßlicher Geruch stieß ihm entgegen, ein bitterer Geschmack legte sich auf seine Zunge. Blut! Es roch nach Blut! Und das, was seine Nase bereits erfasst hatte, wurde mit einem grauenhaften Bild bestätigt. Er hatte kein Lebenszeichen gehört, als er gekommen war, keine gleichmäßigen Atemzüge, sondern nur Stille... Totenstille. Und nun stiegen ihm die Tränen in die Augen, klar und im Mondlicht silbrig glänzend, perlten sie über seine Wangen, während er mit stockenden Schritten näher an die grausame Szenerie zuschritt. Drei Silhouetten befanden sich hier, lagen noch in ihren Schlafsäcken und schienen zu schlafen. Und ja sie schliefen, sie schliefen den Schlaf der Ewigkeit.

//Nein! NEIN!//, Schrie es immer wieder in seinem Kopf. Unglaube, Entsetzen und ein unbeschreiblicher Schmerz erfasste ihn, als er neben der größten Gestalt in die Knie sank.

Langsam bewegte seine Hand sich auf das Gesicht zu, doch er wagte nicht, es zu berühren. Gedanken kamen ihm in den Sinn, Worte.

„Meine Vergangenheit ist meine Sache! Sie hat euch bis jetzt nicht geschadet und wird es auch in Zukunft nicht tun!“

„Bist du dir sicher, dass du das so einfach versprechen kannst?“

Er hatte keine Antwort darauf gegeben, sie nicht wirklich geben können, doch jetzt, jetzt war sie ihm mit brutaler Realität in den Kopf geschlagen wurden.

„Nein,... ich konnte es nicht versprechen.“, Hauchte er leise, mit fast tränenerstickter Stimme.

„Wann verstehst du endlich, dass du uns vertrauen kannst, Reita? Sind denn vier Jahre nicht lange genug um jemanden kennen zu lernen?“

„Du gehörst inzwischen zu uns und es würde uns freuen, wenn du dich langsam etwas öffnest.“

Er hatte sie doch nur beschützen wollen. Sie, seine Familie! Er hatte nichts gesagt aus Angst, dass sie ihn verstoßen würden. Und nun hatte sein Schweigen sie getötet!

Niemals zuvor hatte er so einen Schmerz gefühlt. Was waren körperliche Schmerzen gegen das, was er gerade erlebte? Er hatte sie verloren, Ruka, Ayumi und die kleine Ryoko. Sie waren tot, ermordet im Schlaf.

Etwas in Reita brach, ließ die Mauer stürzen. Er brach auf dem brünetten Mann zusammen, krallte seine Hände in den Stoff des Schlafsacks.

Und dann... mit einem Mal... Reita fuhr hoch, starrte auf Ruka hinab. Spielten seine Sinne ihm einen Streich, wollten sie nicht verstehen, was sein Geist schon längst begriffen hatte?

Reita schloss die Augen, lauschte in sich hinein, konzentrierte sich vollkommen auf die Geräusche in diesem Raum, auf die leblose Gestalt vor sich. Und da... ganz leise, selbst für ihn kaum hörbar: feine Atemzüge, kaum lebenserhaltend und doch waren sie da.

Reita legte seine Finger an die blutige Kehle Rukas, suchte zitternd nach der Schlagader, fand sie, spürte den feinen, kaum schlagenden Puls.

Ruka lebte!

Eine unbändige Euphorie brach über ihn herein. Hecktisch und doch vorsichtig öffnete er den Schlafsack, nutzte den Stoff um ganz leicht Rukas Hals von dem Blut zu befreien. Sofort erfassten seine Augen die Verletzungen. Man hatte Ruka den Hals aufgeschlitzt und doch die wichtigste Ader verfehlt. Er lebte und doch hing dieses Leben an einem seidenen Faden.

Die Wunde blutete noch immer und wenn Reita sie nicht schnellstens stillte, würde Ruka unter seinen Händen wegsterben. Hecktisch sprang er auf, suchte nach etwas, womit er die Wunde stillen konnte, fand jedoch nicht mehr als einen weißen Pullover Ayumis. Er drückte diesen auf die Wunde und schnell zog der Stoff die zähe rote Flüssigkeit auf, färbte sich. Reita drückte fest zu, jedoch nicht so fest, dass er Ruka die Luft abdrückte.

Er wickelte den Pullover um Rukas Hals, verknotete ihn, hoffte, dass es für den Anfang reichte. Er stolperte zu den beiden Mädchen, doch für sie kam jede Hilfe zu spät. Ryoko und Ayumi waren tot und es schmerzte, schmerzte tief. Aber Reitas Sorge um Ruka überdeckte den Schmerz für den Verlust der beiden Mädchen in diesem Moment. Er musste ihn retten, durfte nicht ein weiteres Leben aufs Spiel setzen. Und doch stand Reita nun vor einer schweren Entscheidung. Aois Entführer entfernten sich immer weiter und mit ihnen der Schwarzhaarige. Er hatte vielleicht noch die Chance sie einzuholen, doch dann würde er das Todesurteil für Ruka fällen. Es war eine Entscheidung die seine Seele auseinander riss. Und doch fällte er die Entscheidung instinktiv. Aoi lebte, dessen war er solange sicher, wie seine Häscher Reita noch nicht in ihren Händen hielten, dem war er sich bewusst. Ruka jedoch würde ohne seine Hilfe sterben.

Die Gewissheit schmerzte, dass er Aoi bewusst in die Hände seiner Entführer spielte, diese ihm vielleicht Qualen und Schmerzen zufügen würden.

Reita zwang sich dazu alle Gedanken zu verbannen. Er musste sich jetzt um Ruka kümmern, alles versuchen ihn zu retten und dann, dass schwor er sich, würde er Aoi zurückholen und Rache üben! Fürchterliche Rache!
 

***
 

„Was meinst du, wie wird er reagieren, wenn er merkt, dass seine Freunde tot sind und sein Freund verschwunden?“, Richtete Tsukasa die vorsichtige Frage an ihren Führer. Hizumi grinste nur, während er zu dem Bewusstlosen blickte, den Karyu auf dem Rücken trug. „Oh ich denke er wird sich Vorwürfe machen. Er ist schwach.“, Lautete die kalte Antwort. Verachtung sprach aus Hizumis Stimme und doch musste er sich eingestehen, dass er Reitas Reaktion, den Schmerz und das Leid in dessen Gesicht gerne gesehen hätte. Er hatte Reita seit der Flucht nicht mehr gesehen und hatten Tsukasas Worte und Beschreibungen genügt, dass er sich sicher war, zu wissen, was in dem Blondschwarzen vorging. Es erfreute ihn die Leiden und Qualen seiner Opfer zu sehen, ehe er sie tötete, die Gewissheit in ihren Gesichtern, dass sie sterben würden. Er liebte das Gefühl der Macht und schon bald würde er dieses Gefühl an ihrer hübschen Geisel wieder ausleben können. Weder Niikura-san noch Hakuei hatten ihnen Vorschriften gemacht wie sie ihren Job erledigten, für sie zählte nur das Ergebnis.

„Hizumi! Er beginnt sich zu regen.“, Durchschnitt Karyus düstere, kalte Stimme die Gedanken des Schwarzhaarigen. Hizumi warf nur einen kurzen Blick zu der Gestalt auf dessen Rücken und er leckte sich leicht über die Lippen. Dieser Junge war zäher, als er gedacht hatte. Der Schlag, dem er ihn verpasst hatte, war alles andere als lasch gewesen und das er schon jetzt wieder das Bewusstsein zu erlangen schien, war doch äußerst interessant.

Kurz sah er sich um, scannte ihre Umgebung mit einem Blick. Sie waren weit genug von dem Tempelgebäude entfernt und bewegten sich zielsicher immer weiter der großen Stadt entgegen. Ihr Versteck war bereits vorbereitet und nicht mehr weit. „Tsukasa, verpass ihm noch mal einen Schlag. Wir können ihn jetzt nicht bei Bewusstsein gebrauchen!“, Ordnete er an und der Brünette gehorchte, wechselte seine Position zu Karyu und mit einem sicher geführten Kantenschlag sackte der zierliche Körper wieder zusammen, ehe er wirklich die Möglichkeit gehabt hatte richtig aufzuwachen.

Hizumi grinste ein teuflisches Grinsen. Der Schwarzhaarige gefiel ihm außerordentlich gut und er hatte nicht vor diesen Leckerbissen so einfach entkommen zu lassen. Er hatte lange Zeit keine Möglichkeit mehr gehabt zu spielen und sich auszutoben. Er musste Aoi nur am Leben lassen, bis sie ihr Ziel erreicht hatten und dann würde der Dunkelhaarige eh nicht mehr zu viel gebrauchen sein.
 

***
 

Sakito war mit einem Schlag wach und saß kerzengerade auf seiner Lagerstätte, die Kunais in der Hand. Das kleine Kätzchen, welches friedlich auf seiner Brust geschlafen hatte, maunzte empört, war sie durch das ruckartige Aufsetzen doch vom Körper des Brünetten gepurzelt. Sakito kümmerte sich im Moment nicht um sie, sondern hatte alle seine Sinne nur auf die nähere Umgebung ausgefahren.

Es war jemand hier!

Er rief nicht, sondern stand langsam auf. Mit der Geschmeidigkeit einer Katze auf Lauer schlich er sich an der Wand entlang, erfasste die wankende Silhouette einer Person, die sich nicht einmal die Mühe machte sich zu verbergen oder leise zu sein. Sakito ließ das Kunai sinken, hielt seine zusammengekniffenen Augen jedoch weiter auf den Eindringling gerichtet. „Hör auf Kätzchen auf Beutefang zu spielen, Sakito!“, Grollte eine Stimme und der Brünette spürte sofort den Hass, der ihm entgegenschlug. Er richtete sich auf und trat aus dem Schatten der Wand. Das Licht des einfallenden Mondes, welches durch die kaputten Fensterscheiben zu ihnen herab fiel, beleuchtete nun Reitas Gestalt und machte deutlich, dass er jemanden auf dem Rücken trug. „Wer ist das?“, Fragte Sakito, anstatt einer Begrüßung. Es war nicht der richtige Zeitpunkt um Förmlichkeiten auszutauschen, dass spürte der Brünette sofort. Sein Blick war scharf, wenn auch nicht so hass- und wutgeladen wie der Reitas. Sakito überspielte die Verwirrung, die ihn heimsuchte. Warum begegnete Reita ihm mit solch einem Hass? „Das kann dir egal sein!“, Knirschte der Ältere mit zusammengebissenen Zähnen, ehe er sich abwandte und einfach an Sakito vorbeiwankte, genau auf dessen Schlafstätte zu um dort behutsam die Gestalt abzulegen, welche er bis dato auf dem Rücken getragen hatte. Der Jüngere beobachtete das Ganze skeptisch, sagte aber nichts dazu, sondern betrachtete nur die Person, die Reita abgelegt hatte. Es handelte sich um einen braunhaarigen jungen Mann, dessen Alter er im Moment nicht genau bestimmen konnte. Doch er kannte ihn. Er war damals in Reitas Begleitung gewesen, als sie beide an diesem Wettkampf teilgenommen hatten. Schnell entdeckten die scharfen Katzenaugen auch den blutbefleckten Schal, der dem Fremden um den Hals gebunden worden war.

Er kam näher. „Was ist passiert?“, Fragte der Brünette leise, ging neben dem schwarzblonden in die Knie. „Das siehst du doch genau! Ihm wurde der Hals aufgeschlitzt! Aber er lebt und ich bin hier, damit DU ihm hilfst.“ Sakito starrte Reita aus seinen goldgelben Augen offen an, verblüfft und verwirrt. „Wie soll ich ihm bitte schön helfen? Du hättest ihn in ein Krankenhaus bringen müssen, nicht zu mir!“, Sagte er, doch alles was ihm entgegenschlug war ein Blick voller abgrundtiefem Hass. „Klar, damit sie ihm dort eine Spritze geben und er elendig verreckt! Sie verschwenden an uns keine helfenden Medikamente, wenn du sie nicht bezahlen kannst! Es ist deine Schuld, dass es ihm so schlecht geht und jetzt hilf ihm gefälligst!“, Schrie Reita nun und es war das erste Mal, dass Sakito den Schmerz so deutlich an ihm erblickte. Etwas war geschehen, etwas, dass Reita verändert hatte. Irgendetwas war in ihm zerbrochen.

Der Brünette sagte nichts mehr, sondern stand auf und schnappte sich seinen Rucksack, kramte daraus einige Kerzen sowie Streichhölzer und einen kleinen Kasten heraus, der verschiedene Medikamente und Verbandsmaterialien beinhaltete. Reita warf er die Kerzen und die Streichhölzer zu, welche dieser ohne großen Aufwand auffing. „Stell die Kerzen auf und zünde sie an. Ich werde Licht brauchen! Ich versuche deinem Freund zu helfen, doch ich kann nichts versprechen.“, Sagte er, doch er erhielt keine Antwort. Ohne noch auf Reita zu achten, begann er langsam den Pullover abzuwickeln, den Reita wohl in aller Eile benutzt hatte um die Blutung zu stillen. Im Schein, der nun brennenden Kerzen, besah er sich die leicht klaffende Wunde, die dem Brünetten wohl eine Menge Blut gekostet haben musste. Sakito schluckte. Dieser junge Mann war mehr tot als lebendig und hätte viel mehr gebraucht als das Bisschen, was Sakito zur Verfügung stand. Er war längst kein Arzt und hatte nie eine Ausbildung in diesen Dingen gehabt. Sein Wissen für solche Arten von Verletzungen war sehr begrenzt, beschränkte sich nur auf einige Erlebnisse innerhalb seiner alten Gruppe. Das, was Reita hier von ihm verlangte, grenzte stark an einem Wunder und doch wollte der brünette Junge alles versuchen was in seinen Mächten stand, um diesen Jungen zu retten.

Er kramte in dem Verbandskasten nach einem Wattetupfer und etwas Jod um die Wunderänder und auch die Verletzung selbst etwas zu reinigen und anschließend einen Druckverband anzulegen, der verhindern sollte, dass die Wunde nochmals zu stark nachblutete, dem Fremden jedoch aber nicht die Luft abdrückte.

Sakito öffnete eine, der noch steril verpackten, Spritzen, welche er sonst stets für sein Tryptophan verwendete und injizierte dem Bewusstlosen ein Antibiotikum und einen Entzündungshemmer, der einer möglichen Entzündung vorborgen sollte. Zu mehr reichten seine kümmerlichen Vorräte und auch sein Können nicht. Der Rest würde nun von dem Lebenswillen des Mannes abhängen.

Mit einem leisen Seufzen lehnte Sakito sich zurück, sah zu Reita und in dessen düsteres Gesicht. „Ich hoffe für dich, dass er durchkommt, sonst bist du der Erste, der ihm folgt!“, Grollte er und der Kleinere fühlte ein Unbehagen in sich aufsteigen. Was war nur geschehen? Woher stammte dieser plötzliche Hass? „Was ist passiert, Reita? Wieso machst du mich für seine Verletzung verantwortlich?“, fragte er nach einer Zeit in der eine bedrückte Stille geherrscht hatte. Und irgendetwas in diesen Fragen, in Sakitos unwissenden Tonfall, brachte einen Steinhagel der Emotionen in Reita zu Fall. Wut, Schmerz, Verzweiflung, Angst brachen auf ihn hinab und ehe er, als auch Sakito es begreifen konnten, hatte er den Jüngeren am Hals gepackt und gegen die Wand gedrückt. Das Kätzchen, welches bis eben noch neben dem verletzten geruht hatte, fauchte nun aufgrund dieser Störung und zog sich mit einem Murren zurück. Aber die beiden beachteten sie nicht.

Der Schreck und der Schock des Augenblickes waren deutlich in Sakitos weit aufgerissenen Katzenaugen zu lesen, das Nichtverstehen, die Verwirrung, ein Anblick, der Reitas Inneren doch so ähnlich war und ihn mit weiterer Wut füllte. Er verstärkte unbewusst den Druck auf Sakitos Kehle und dessen Hände krallten sich in das Handgelenk des Blondschwarzen.

„Reita…“, keuchte der Jüngere und versuchte Reitas Hand von seinem Hals zu befreien. Der Ältere jedoch verkrampfte seinen Griff, was ihn hart wie den eines Schraubstockes werden ließ, und er spürte das Blut kaum, welches nun über seinen Unterarm lief.

In den Augen des Älteren sammelte sich immer mehr ein Ausdruck den Sakito nicht verstand. Doch schnell musste der Jüngere sich auf andere Dinge konzentrieren. Seine Luft wurde immer mehr abgedrückt und er versuchte durch ein langsames Atmen den Sauerstoffmangel zu kompensieren. Er war an solche Situationen fast schon gewöhnt, hatte gelernt ruhig zu bleiben, selbst wenn sein Überlebensinstinkt und die daraus resultierende Panik die Kontrolle über seinen Körper zu übernehmen versuchte. Aber lange würde er diese Ruhe nicht mehr aufrechterhalten können, denn die Luft wurde immer knapper und es fiel ihm schwerer sich zu konzentrieren, doch er musste durchhalten. Er wollte nicht, dass wieder dieses andere Wesen in ihm die Kontrolle übernahm, welches Sakito selbst nach 17 Jahren immer noch Angst machte.

„Reita! Lass… mich… los!“, Forderte er mit brüchiger Stimme, riss noch tiefere Kratzer in Reitas Haut. Der Blondschwarzhaarige schien noch immer wie in einer Art Trance, unfähig sich bewusst zu werden, was er hier im Begriff war zu tun. Sakito spürte immer mehr wie Schwäche ihn übermannte, der fehlende Sauerstoff ihn lähmte und seinen Körper erzittern ließ, während jedoch zur selben Zeit sein animalisches Wesen immer stärker zu reagieren und zu rebellieren begann, sich immer mehr aus seinem tiefen Gefängnis befreite, in das Sakito es verbannt hatte. In jenen Situationen, wenn das Leben des zierlichen Jungen in Gefahr war, dann vertrieb es die schwache menschliche Seite und übernahm die Kontrolle. Und dieser Augenblick war nun erreicht.

Deutlich spürte Sakito, wie seine Beine wieder etwas mehr Halt fanden und etwas Kraft in seinen Körper zurückkehrte. Seine Pupillen zogen sich zusammen und seine Züge veränderten sich. Wie eine in die Enge getriebene Katze stieß er ein leises und aggressives Fauchen aus, spannte sämtliche Muskeln an und rammte seine Knie in Reitas Magenhöhle.

Der Schmerz, der in Reitas Magen explodierte, schien auch endlich aus seiner Starre zu reißen. Er keuchte schmerzlich auf und krümmte sich etwas, ließ vollkommen von dem Brünetten ab. Diese wenigen Sekunden nutzte Sakito aus, tauchte blitzschnell hinter Reita auf und verdrehte ihm die Hände auf den Rücken, bog sie nach oben. „Bist du verrückt geworden? Willst du mich umbringen!“, Fauchte Sakito aggressiv dem Älteren ins Ohr. Noch hatte das Katzenwesen die Kontrolle, aber Sakitos Geist drängte es langsam zurück.

Reita indes begann sich nun auch langsam zu regen und sich gegen den schmerzlichen Griff zu wehren, doch alles, was er damit erreichte war, dass Sakito seine Arme noch weiter nach oben bog. „Lass mich los kleiner Bastard!“, Zischte der Blondschwarzhaarige zwischen zusammengebissenen Zähnen. „Nein erst wenn du mir endlich erklärt hast was los ist und was die ganze Sache hier soll?!“, Meinte Sakito nur kühl, hielt Reita ohne große Mühen weiterhin in dieser Pose. Dieser knirschte unwirsch mit den Zähnen. „Du willst wissen was los ist, was MEIN Problem ist?! Ganz einfach! Mein Problem bist DU!“, Giftete er und es war erneut purer Hass, der Sakito entgegenschlug. Innerlich prallte er zurück, hielt den anderen jedoch noch weiterhin fest. „Seit du hier bist! Seit du erneut in meinem Leben eingefallen bist, tauchen auch plötzlich Menticore auf, von denen ich neun verdammte Jahre nichts gehört

habe! Ein komischer Zufall, nicht?“, Brüllte er jetzt und nun ließ Sakito ihn los.

Der Schmerz, die Trauer und die Verzweiflung, welche so tiefgründig aus Reitas Stimme sprachen, trafen Sakito tief im Inneren.

„Du machst mich dafür verantwortlich, dass Menticore wieder hier ist? Reita, sie waren die ganze Zeit hier.“ „NEIN! Das ist nicht wahr. Erst seit du wieder aufgetaucht bist, habe ich wieder mit ihnen zu tun. Es ist alles deine Schuld! Hörst du! Es ist deine Schuld, dass Ayumi und Ryoko tot sind, dass Rukas Leben am seidenen Faden hängt und Aoi entführt wurde!“ Reita wurde nun mit jedem Wort lauter und die Aggressivität war im ganzen Raum zu spüren. Selbst das Kätzchen, welches sich nun neben Ruka zusammengerollt hatte und Bettwache zu halten schien, fauchte leise.

Sakito jedoch schwieg. Nach außen hin wirkte er gelassen und kühl, ja fast schon Anteilnahmslos, während in seinem Inneren aber ein Sturm der Fragen tobte. Er kannte keinen dieser Namen und Menschen, bis auf den Rukas, den er nun auch endgültig dem jungen Mann zuordnen konnte, der auf seiner Ruhestätte lag.

„Reita es bringt hier überhaupt nichts, wenn du mich anschreist. Komm erst mal runter.“, meinte Sakito noch immer relativ ruhig und diese Ruhe, die Anteilnahmslosigkeit, ja Gelassenheit, die Reita aus Sakitos Verhalten und Anblick schloss, schürten nur weiter die Wut in ihm.

Erneut drängte er Sakito zurück an die Wand, sah ihm in die goldgelben Augen und grub seine Finger in die zierlichen Schultern. „Runter kommen! Ich soll runter kommen?! Am liebsten würde ich dir den Hals umdrehen oder noch lieber dir die Kehle durchschneiden, wie es meiner Familie passiert ist! Verdammt, sie sind tot und nur deinetwegen! Du hast Menticore hergelockt! DU Sakito! Du hast ihnen das Leben genommen und du trägst die Schuld dafür, dass das Wichtigste in meinem Leben nun auch in Gefahr ist!“, schrie Reita und wieder rannen ihm die Tränen über die Wangen. Er grub seine Hände noch fester in die Schultern des anderen, schüttelte ihn, schrie die Verzweiflung, den Schmerz einfach aus sich hinaus.

Und dann mit einem Mal erschlaffte er, ließ den Kopf einfach sinken und den Tränen freien Lauf. Sie verschwanden in dem Stoff des Bandes, welches er immer um die Nase trug und doch nahm Sakito sie war. Er lehnte an der Wand, blickte einfach stumm auf Reitas kümmerliche Gestalt. Diese plötzliche Wandlung von Wut zu Traurigkeit, er wusste einfach nicht, wie er damit umgehen sollte.

Es entstand eine drückende Stille zwischen ihnen und es war Reita, der sich schließlich abwandte, sich mit den Ärmeln seiner Jacke kurz über die Augen wischte. Wie sehr hätte er sich jetzt Aoi an seiner Seite gewünscht. Der Jüngere hätte ihn mit seiner ruhigen, ausgeglichenen Art getröstet und ihm geholfen. Reita bemerkte erstmals wie wichtig der Dunkelhaarige ihm geworden war, wie sehr er ihn brauchte. Ohne ihn kam er sich in diesem Moment fast wie ein Neugeborenes vor, dass ohne die Liebe seiner Mutter zugrunde ging.

Doch er musste sich zusammen reißen, durfte nicht aufgeben. Er musste stark sein, für Aoi und für Ruka!

Stumm und ohne ein Wort zu sagen, zog er einen Zettel aus der Tasche seiner Jacke und ihn vor Sakitos Füße warf. Der Brünette sah den Älteren kurz an, ehe er das Papierstück aufhob, auseinander faltete und zu lesen begann.
 

Hallo #668 oder wie dein Liebchen sagen würde, Reita!

Hattest du einen schönen Nachtspaziergang? Wenn ja, wird die Heimkehr dir sicher gefallen haben. Es war so einfach die kleinen Schäfchen im Schlaf zu töten. Doch es wird dir sicher aufgefallen, dass etwas in deinem trauten Heim fehlt, nicht wahr?

Du solltest uns einen kleinen Gefallen tun und #443 zu uns bringen, sonst wird die Schönheit deiner Blume für immer verschwinden.

Du hast drei Tage!

Wir erwarten dich bei eurem schicken Zuhause!
 

Der Zettel zitterte leicht in Sakitos Hand und er schloss kurz die Augen um tief durchzuatmen. Diese Drohung war eindeutig und Reitas Worte die Wahrheit. Es war seine Schuld. Sie hatten seine Familie nur wegen ihm getötet und Reitas Liebe entführt, um sie als druckmittel zu benutzen. Er schwieg beharrlich, musste seine Gedanken ordnen. Wieso hatte Menticore das getan? Wieso hatten sie ihn nicht direkt angegriffen? Sie hatten doch schon einmal nicht davor zurückgeschreckt. „Reita ich…“, begann er, doch der Ältere unterbrach ihn mitten im Satz. „Nein! Sag nichts. Es gibt nichts, was du noch sagen könntest. Ich hoffe nur, dass du jetzt endlich verstehst!“ Die kalte Stimme des Älteren durchschnitt die Stille und nun war keine Emotion mehr aus ihr zu vernehmen. Nur Kälte, nicht mehr.

Sakito blickte ihn nur stumm an, erwiderte nichts auf diese Worte. Es war nicht nötig. Nein er hatte verstanden, sehr gut sogar.

„Und was hast du jetzt vor?“, fragte Sakito dann schließlich doch, verscheuchte alle Zweifel und störenden Gedanken. Reita, dessen Rücken nun von dem Mondlicht beleuchtet und durch Sakitos verschärfte Augen noch deutlicher hervorgehoben wurde, bebte leicht, doch nur einen Augenblick später hatte Reita dieses Beben wieder unter Kontrolle. „Was ich vorhabe? Oh ist das nicht ersichtlich, Sakito?“ Reita drehte sich zu ihm, sah ihn an, aber in seinen Zügen war nichts zu lesen. Der Jüngere von ihnen verengte die Augen. „Du willst mich gegen deinen Freund eintauschen?“, kam nüchtern aus seinem Mund und auch sein Gesicht erstarrte zu eisiger Kälte. Sie blickten sich an, kalt, abwertend, bis Reita seine Gesichtszüge zu einem verachtenden Lachen verzog. „So? glaubst du? Meinst du wirklich, dass ich dir den Brief dann gezeigt hätte? Nein Sakito. Diesmal liegst du falsch. Ich will etwas anderes! Du sollst mir helfen Aoi zu befreien und die Entführer zu töten. Dann wirst du verschwinden und dich nie wieder hier oder bei mir sehen lassen!“ Den letzten Satz spuckte er fast aus, sah den Jüngeren einen Moment ablehnend an, wandte sich dann ab. „Ich hätte dich verraten können, doch ich wollte es nicht! Wir wissen beide wie grausam es bei Menticore war und keiner soll dorthin zurückkehren… zu… zu keinem Preis.“ Reita schloss kurz die Augen, dachte bei diesen Worten an Aoi. Er fragte sich, wie es dem schwarzhaarigen ging, was seine Entführer mit ihm wohl anstellten?

Sakito indes stand nur stumm hinter ihm, hielt den Zettel noch immer in der Hand. Er konnte keinen klaren Gedanken fassen, wusste nicht was sagen. Reita hatte mit diesen wenigen Worten sein ganzes Wesen vollkommen anders präsentiert. Sakito hatte fest damit gerechnet, dass der Ältere ihn hatte ausliefern wollen. Er öffnete den Mund um nun doch einige Worte zu entgegnen, doch erneut brach Reita in sein Vorhaben, bevor er hatte ansetzen können. „Ich will keinen Dank, sondern nur das Versprechen, dass, sobald ich Aoi wiederhabe du verschwindest.“, kamen die Worte ruhige aus dem Munde des Älteren, der sich jetzt wieder zu ihm drehte und im Lichte des einfallenden Mondlichtes den Weg in seine Augen suchte. Sakito nickte. „Gut ich werde es tun, aber du solltest dir eines bewusst sein, Reita. Wenn du hier bleibst werden sie dich jeder Zeit wieder finden. Du solltest schnell mit deinem Freund fliehen, wenn die Sache vorbei ist.“, brachte der Brünette wie immer reserviert und recht kühl hervor. Er hatte sich schon lange zurückgezogen hinter der kühlen Fassade, hatte Emotionen auf das mindeste herabgesetzt.

Ähnlich war es auch Reita ergangen, doch dieser hatte sein wahres Ich, die Schönheit von Liebe und Geborgenheit in Aoi wieder gefunden.

„Was ich dann tue ist meine Sache und hat dich nicht zu interessieren. Du hilfst mir einfach Aoi zu befreien und wir sind quitt.“ Sakito seufzte nur, zuckte dann mit den Schultern. „Kay… nur wie willst du jetzt vorgehen? Warten bis die drei Tage um sind und dann einfach zuschlagen?“, lenkte er dann bewusst auf ein anderes Thema. „Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung. Es fiel nur nicht sonderlich leicht mich auf einen Plan zu konzentrieren, während mein bester Freund vor sich hin krepiert, weißt du?“, knurrte Reita nun wieder merklich aggressiver, sah er hinter Sakitos Worten nur wieder einen Angriff auf seine Person. Der Brünette jedoch zog nur eine Augenbraue an. „Bleib ruhig! Die HundeDNA kommt wohl bei dir langsam wirklich etwas heraus. Ich will dich nicht angreifen, klar?“ Er kehrte Reita den Rücken zu und begab sich zu der Lagerstätte und setzte sich neben Rukas leblose Gestalt. „Wenn du mir erlaubst zu sprechen, würde ich folgendes vorschlagen. Heute Nacht bleiben wir hier und kümmern uns um deinen Freund und morgen früh müssen wir ihn woanders hinbringen. Kennst du jemanden, bei dem er sicher ist?“, fragte er, während er mit einer Hand dem Kätzchen, welches sich nun wieder an ihn schmiegte über das gestromerte Fell streichelte. Reita lehnte an der Wand und hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Er überlegte einige Augenblicke, hatte das Kommentar des Jüngeren bezüglich seiner DNA einfach überhört, dann nickte er. „Ja ich denke schon, dass ich jemanden kenne, wo wir ihn hinbringen können.“ „Sehr gut. Dann wachen wir jetzt abwechselnd über ihn. Hoffen wir einfach, dass er die Nacht übersteht. Wenn er das packt, hat er wohl den schlimmsten Teil hinter sich.“, sagte Sakito schließlich ernst. Er setzte sich neben Ruka und blickte stumm auf ihn hinab. „Leg dich etwas hin. Ich übernehme die Wache. Und morgen dann… wenn du willst, gehen wir rauf zu eurem Unterschlupf und begraben deine Freunde.“ Es waren leise Worte und jetzt sprach auch deutlich Mitleid und Traurigkeit aus ihnen. Reita erwiderte darauf nichts, sondern setzte sich nur an die Wand und kreuzte die Beine, schloss die Augen. Er spürte jetzt erst die Anstrengungen in seinen Knochen und die Müdigkeit. Er war einfach fertig von dieser Nacht. Zuviel war passiert, zuviel hatte ihn Kraft gekostet.

Es dauerte nicht lange, da schlief er ein, doch es war kein erholsamer Schlaf.

Sakito selbst saß nur neben Rukas lebloser Gestalt. Es war noch immer stockdunkel, doch es würde wohl nur noch wenige Stunden dauern, bis schließlich die Sonne aufgehen würde. Auch er war an die Wand gerutscht, streichelte die kleine Katze in seinem Schoß, welche es sich dort bequem gemacht hatte.

Auch er hatte die Augen geschlossen, doch er schlief nicht. In seinem Kopf kreisten verschiedene Gedanken und Erinnerungen. Diese ganze Situation, die Reita gerade durchmachen musste, kam ihm so verdammt vertraut vor.

Langsam öffneten sich die goldgelben Opale und er betrachtete Rukas Gestalt vor sich. Der Braunhaarige wirkte wie tot und er sah nur ganz schwach die leichten Atembewegungen, wie sich die Brust leicht hob und senkte.

//Du bist nicht der Einzige, der bereits eine Familie verloren hat, Reita…//, dachte er betrübt, lehnte dann aber den Kopf wieder an die Wand und verbrachte den Rest der Nacht allein mit seinen Gedanken...

Decision

Titel: Dark Angel

Kapitel: 10/?

Autorin: -Satty-

Pairing: Ni~yaxSakito, ReitaxAoi

Genre: Shounen-ai, Romantik, Darkfic etc...

Kommentar: So hier nach langem warten endlich mal was neues. Wobei ich hiermit sagen muss, dass dies nur der erste Teil des eigentlichen Kapitels ist. Der zweite wird am Donnerstag folgen und ich hoffe, dass ich euch dort eine angenehme Überraschung bereiten werde. Besonders für die, die endlich Ni~yas Auftauchen entgegen fiebern ^^

Nun aber erst mal viel Spaß… und vielen Dank für die tollen Kommis *plüsch*
 

Kapitel 9: Decision
 

Ein Dröhnen beherrschte seinen Kopf und er fühlte sich so, als müsse er sich sogleich übergeben. Alles um ihn herum war nur ein dumpfer Schmerz, der den Mittelpunkt in seinem Kopf fand. Was war passiert? Wo war er? Was war das für eine Dunkelheit?

Er bekam nichts mit, fühlte sich wie in einer alles verschlingende Dunkelheit gefangen. Er öffnete seine Augen, blinzelte, öffnete sie noch mal, doch alles was er sah blieb ein schwarzes Nichts. Panik überkam ihm. Er versuchte mit den Händen um sich zu schlagen, doch nur ein gleißender ziehender Schmerz durchzog seinen schmächtigen Körper.

Und dann mit einem Mal hörte er schwere Schritte, die sich ihm näherten, laut in seinen durch die gestohlene Sicht geschärften Ohren widerhallend.

„Sieh an sieh an... ist unser Dornröschen endlich aufgewacht?“ Erschrocken zusammen zuckend blickte er sich erneut um, versuchte herauszufinden von wo diese ihm so fremde und doch auf eine unheimliche Art und Weise auch bekannte Stimme sprach. Er konnte nichts sehen, konnte sich nicht bewegen, lag also schutzlos wie ein Neugeborenes seinem Feind gegenüber.

Und noch immer rührte der Schmerz in seinem Kopf wie ein dumpfes Schlagen. Und da plötzlich berührte ihn etwas. Er schrie erschrocken auf, versuchte in die Höhe zu schießen, doch es gelang ihm nicht. Grausames Lachen, das fast tausendfach in seinem Kopf widerhallte, den Schmerz nur wachsen ließ, erfüllte ihn. „Nanana... wer wird denn da so ängstlich sein? Bist du letzten Endes vielleicht doch nur ein scheues Häschen?“ „Wer... wer sind Sie?“, brachte er mit bebender Stimme hervor, bewegte den Kopf noch immer unruhig hin und her. Er kam sich so schutzlos, so ausgeliefert vor und in ihm wuchs die Angst. „Oww sag bloß du hast mich schon vergessen, mein kleiner schwarzer Engel, hm?“ Erneut schrie er auf, doch eine Hand schoss blitzschnell vor und legte sich auf seinen Mund, hielt den Schrei zurück. Er begann zu zittern und ohne dass er es wollte, bildeten sich Tränen in seinen Augen, wurden jedoch von dem schwarzen Stoff aufgesogen. Ein fremder Körper presste sich gegen seinen, ein fremder Atem strich über seine Wange.

Gepeinigt schloss er die Augen. Wo war er? Und wo war Reita? Wieso war er nicht da um ihm zu helfen? „Na denkst du an Reita? Fragst du dich wieso er nicht hier ist um dich zu retten? Nun kleiner Aoi... Reita war zu feige. Er hat lieber sich selbst gerettet als dich.“ Nein! Das stimmte nicht! Reita würde ihn nie im Stich lassen, niemals! Und dann kamen sie mit einem Mal die Bilder. Reita und er, Reita der ging, eine fremde Person, ein Schlag und Dunkelheit.

„Was haben Sie mit ihm gemacht?! Was haben Sie mit Reita gemacht!“, bäumte sich der Schwarzhaarige mit einem Mal auf, erhielt für diesen kläglichen Versuch jedoch nur ein höhnisches Lachen. „Oh du erinnerst dich. Wie wunderbar. Aber was soll ich schon mit ihm gemacht haben? Ich habe gar nichts gemacht. Er war es doch, der dich allein gelassen hat und einfach ging, oder?“ Aoi verkrampfte sich, als eine eiskalte Hand den Weg von seinem Nacken über seinen Rücken zum Rand des dünnen Pullovers fand, den er trug und sanft begann die weiche Haut darunter zu streicheln. „Fass mich nicht an!“, fauchte der Dunkelhaarige mit einem Mal, begann sich zu winden. Sofort packte ein zweiter Arm ihn an der Schulter und drückte diese schmerzhaft nach unten. Aoi biss sich auf die Lippe. „Scheues Häschen oder doch Wildkätzchen? Nun letzteres passt mir besser. Umso mehr Widerstand du leistet, desto mehr wirst du nachher schreien!“ Erneut erklang dieses kalte Lachen, dass Aoi Schauer aus Kälte und Angst über den Rücken jagte. Wo war er nur gelandet? In welchen Händen befand er sich?

Doch rasant wurde er aus seinen Gedanken gerissen, als sein Körper mit einem Mal auf den Boden gedrückt wurde, seine, wie er inzwischen bemerkt hatte, auf den Rücken zusammengebundenen Hände sich schmerzhaft in seinen Rücken bohrten. Er schrie leise auf, wollte nicht das, was hier passierte!

Ein schwerer Körper schob seine Beine auseinander und legte sich auf ihn, presste ihn noch schmerzhafter gegen den kalten Betonboden. Er begann sich zu wehren, mit seinen Beinen zu treten. Diese waren das Einzige, was er bewegen konnte. „Hahaha begreifst du nicht, dass Gegenwehr keinen Sinn hat! Wenn du die Missgeburt Reita über die drüber gelassen hast, wirst es mit mir auch tun!“ Nun begann Aoi zu schreien. Wut füllte seinen Körper. „Geh von mir runter du Arschloch!“, kreischte er, begann noch heftiger um sich zu treten. Und als er die Beine anzog und mit voller Wucht austrat, traf er auch. Schmerzerfülltes Zischen erfüllte den Raum und das Gewicht verschwand. Aoi robbte so gut er konnte zurück, bis er die Wand im Rücken spürte.

Und dann war da Gelächter. „Na was denn Hizumi, lässt der Kleine dich nicht ran?“ Ein verächtliches Ausstoßen. „Halts Maul, Zero!“ Verwirrt wanderte Aois Kopf hin und her. Dieser Kerl war nicht allein. Es waren mehrere und sie alle würden im Zweifelsfall ihren Freund unterstützen. Der Schwarzhaarige war nicht blöd. Er wusste längst, was dieser Fremde mit ihm vorhatte.

Er zitterte noch immer am ganzen Leib, spürte die Angst die immer höher in ihm kroch und ihn zu lähmen drohte. Doch er durfte das nicht zulassen. Er durfte nicht schwach sein!

Aber Aois Mut wurde auf eine harte Probe gestellt, denn mit einem Mal legte sich eine kalte Hand um seinen Hals, drückte ihm die Luft ab. Er würgte erschrocken, bekam nur ein gluckerndes Gurgeln heraus. „Du kleines Miststück!“, raunte jetzt die Stimme Unheil verkündend in sein Ohr. Aois Augen weiteten sich unter dem schwarzen Tuch, dass ihm die Sicht raubte. Wo war er so schnell hergekommen? Wieso hatte er ihn nicht bemerkt?

„Das wirst du jetzt doppelt und dreifach bezahlen!“ Der Griff wurde fester um seinen Hals und er begann unruhig zu zappeln. Es war nur die eine Hand, die ihn hielt und wo die andere war, dass bemerkte er schnell. Kalte Finger griffen nach dem Saum seines Pullis, er spürte sie deutlich unterhalb seines Halses und mit nur einem Ruck, ein ekelhaftes Geräusch von reißendem Stoff zurücklassend, wurde sein Pulli auseinander gerissen. Er schrie auf, begann erneut zu treten, doch engte er so nur die Schlinge, die sich bereits um seinen Hals zog. Schmerzhaft, voller Pein wurde sein Hals zusammen gequetscht. Es kamen nur noch würgende, heisere Geräusche aus seiner Kehle hervor, während sein Atem rasselnd nach dem verlangte was sein Körper so dringend zum leben brauchte.

Aoi traten die Tränen in die Augen, der Ekel übermannte seinen Körper. Fremde, ekelhafte Hände tasteten sich einen Weg über seinen Oberkörper, kratzten fahrig über die Haut und kniffen schmerzhaft in seine Brustwarzen. „Na du kleine Hure... das gefällt dir! Ich weiß es!“ Höhnend, verachtend klangen die Worte in Aois Kopf. „Gleich wirst du fühlen wie es sich anhört einen richtigen Mann in dir zu haben und nicht einen Schlappschwanz wie diesen räudigen Straßenköter Reita.“ Aoi trat verzweifelt nach seinem Angreifer, doch seine Bewegungen waren zu unkoordiniert und die heißen Tränen brannten in seinen Augen. Er wollte diese Worte nicht hören, diese Verachtung. Und dann spürte er kalte, brutale Lippen, die sich auf seine zwängten, ihm auch noch den letzten Weg zur Atmung nahmen und ihn wie einen Fisch auf dem Land unruhig werden ließen. Er öffnete den Mund um zu schreien, doch alles was er spürte, wahr nur diese eklige Zunge, die in seinen Mund eindrang und ihn plünderte, ihn auf eine brutale Art und Weise küsste, dass ihm schlecht wurde.

Aois Geist bäumte sich auf, er erlebte in seinem Inneren den verzweifelten Kampf ums Überleben, die Verzweiflung, die ein jeder Körper spürte, sah er sich im Auge des Todes. Aoi wusste nicht was er tat, doch es rettete ihm das Leben. Er biss zu, schmeckte fremdes Blut und ein lauter Aufschrei ertönte, gefüllt von Schmerz. Aoi wurde nach hinten gestoßen, sein Kopf schlug gegen die Wand und die Hand löste sich von seinem Hals. Der Luftstrom der mit einem Mal auf seine Lungen einströmte, ließ ihn husten. Sein Körper sackte in sich zusammen und mit würgenden, hustenden Geräuschen erbrach sich der Schwarzhaarige in seinem Zustand.

Wut dagegen herrschte in dem Körper seines Peinigers. Hizumi war zurückgeprallt, hatte sich eine Hand vor den Mund geschlagen, durch deren Zwischenräume dunkelrotes Blut seinen Weg suchte. Dieses kleine Aas hatte ihm auf die Zunge gebissen. Er schäumte vor Wut. Er stand mit einem Mal, ging bedrohlich auf die schmächtige Gestalt zu, die nur zitternd am Boden lag, holte aus und trat mit voller Wucht in die Seite des Schwarzhaarigen. Dieser schrie laut und gepeinigt auf und dazwischen war das Knacken gebrochener Rippen zu hören. Hizumi holte zu einem weiteren Tritt aus, doch er bremste diesen ab, hockte sich hin, krallte seine Hände in Aois Haarschopf und riss den verletzten Dunkelhaarigen daran hoch. „Das wirst du noch büßen, du kleine Schlampe!“ Damit spuckte er Aoi mitten ins Gesicht und rotes Blut, gepaart mit Speichel zog seine Bahn über die lädierte Wange des hübschen Jungen. Hizumi ließ Aoi einfach fallen, der sich sofort zu einem wimmernden Bündel zusammenrollte.

Der Schwarzhaarige empfand seinen Leib nur noch als einzigen Schmerz. Hizumi hatte ihm mit seinem Tritt mindestens zwei Rippen gebrochen, die nun einen starken Schmerz verströmend seinen Körper lähmten.

Hizumi ließ ihn einfach liegen und wandte sich Zähneknirschend ab, verschwand zurück zu seinen Gefährten, die am anderen Ende der Halle auf einigen Decken und Matratzen saßen, die Leichen der drei Obdachlosen einfach ignorierend.

„Na das war wohl nichts, hm?“, schmunzelte Karyu und grinste Hizumi überlegen an. „Noch ein Wort und ich drehe dir den Hals eigenhändig um!“ „Etwa so wie deinem kleinen Spielzeug? Komm runter! Du hast noch drei Tage um den Kleinen ein zureiten.“ Damit deutete der groß gewachsene Dunkelhaarige auf den Platz neben sich. „Jetzt sollten wir erstmal darüber reden, wie es weiter gehen soll.“ „Ja, aber ohne, dass das Miststück da hinten zuhört! Tsukasa räum es weg!“, knurrte Hizumi noch immer schlecht gelaunt. Seine Sprache klang etwas lallend, war seine Zunge doch durch den Biss etwas angeschwollen. Aber keiner der drei weiteren Anwesenden verlor darüber ein Wort, auch wenn der Jüngste unter ihnen nur widerwillig aufstand. Er hatte eine Menge an Respekt durch das Versagen seines Auftrages verloren und dies spürte er auch deutlich. Besonders Hizumi ließ es ihn spüren. So stand er auf und trabte hinüber zu der zusammen gekauerten Gestalt des Schwarzhaarigen.

Als er das Elend sah, schüttelte er leicht den Kopf. Er hatte alles andere als Mitleid, nein eher noch im Gegenteil. Er verspürte eher den Drang sich an dem Dunkelhaarigen abzureagieren, immerhin war es Reitas und Sakitos schuld, dass er versagt hatte und nun darunter leiden musste. Aber hatte Hizumi dieses Stück Fleisch schon für sich beansprucht und sein Respekt vor dem Älteren war größer als der Durst nach Rache. So packte er Aoi nur an den Schultern, der sogleich wieder wimmerte, jedoch nur ein Augendrehen bei dem Älteren hervorrief. „Hab dich nicht so!“, zischte er, hievte den leichten Körper hoch, ignorierend, dass er ihm damit Schmerzen zufügte. Laufen würde der Kleinere nicht, also musste er ihn wohl tragen. Mit einem leisen Knurren packte er den Schwarzhaarigen und hob ihn hoch. Aoi zuckte nur wenig, anscheinend hatte er nicht mehr die Kraft dazu. Hizumi hatte auch keine schlechte Arbeit geleistet, betrachtete die dunklen Blessuren und bereits erkennbaren Würgemale am schlanken Hals des Jungen. Tsukasa brachte den Schwarzhaarigen in einen kleinen Nebenraum des Hauses, welches sie nun besetzen. Hier hatten sie bereits eine Matratze und eine dünne Decke vorbereitet. Nicht gerade sanft legte er den geschwächten Körper auf der Matratze ab, suchte nach dem Seil, welches sie bereits in der Wand verankert hatten und band den Kleinen daran fest. Diesmal wollte er sich gehen, dass nichts schief ging. Also der würde nirgends hingehen, wenn sie es nicht wollten. Er schmiss die verfilzte Decke über den Körper und verschwand, schloss die Tür und kehrte zurück zu der Lagerstätte seiner Gefährten, setzte sich im Schneidersitz neben Zero. „Hast du ihn auch ordentlich fest gemacht? Ich will nicht schon wieder, dass du was vermasselst, denn diesmal hängen wir alle mit drin!“, knurrte Hizumi. Tsukasa nickte. „So wie wir es abgesprochen hatten.“, murrte er nur. Des Respekt der anderen hatte er sich wohl erstmal verspielt, wobei Zero sich eh selten mit ihm abgab und Karyu seine eignen Dinge drehte.

„Also wie wollt ihr vorgehen?“, fragte der Jüngste. „Ganz einfach... abwarten und wenn das Kätzchen in die Falle tappt schnappen wir zu.“ „Sofern #668 alles plangemäß erledigt.“ „Oh glaub mir, das wird er. Immerhin haben wir sein kleines Goldstück.“ Das dunkle Lächeln Hizumis verhieß nichts Gutes.
 

***
 

Der nächste Morgen brach an und die ersten Sonnenstrahlen bahnten sich ihren Weg über die Dächer der Stadt, vertrieben nach und nach die Schatten der Dunkelheit. Und zwischen den Häusern schleichend, machte sie die zwei Gestalten sichtbar, die schon seit frühester Dämmerung durch die Straßen schlichen.

Sie beide waren verhüllt in dunkle Tücher und nur ihre stechenden Augen ließen erkennen wer sie waren.

Sakito, der mit seinen Augen bisher sie beide geleitet hatte, wechselte nun die Position mit Reita, übernahm Ruka, der doch recht schwer, aber für ihn kein Problem darstellte. Der Braunhaarige hatte die Nacht überlebt und Sakito hatte am Morgen seine Verbände gewechselt. Danach waren sie aufgebrochen.

Sie sprachen nicht miteinander, fanden es nicht für nötig. In der letzten Nacht hatten sie genug miteinander gesprochen für ihre Verhältnisse.

Und sie beide wussten, dass zwischen ihnen niemals eine Freundschaft würde entstehen können. Dafür war zu viel vorgefallen. Sakito bekümmerte dieser Gedanke, denn er mochte Reita eigentlich, aber der Ältere würde nie begreifen, dass es nicht seine schuld war, dass Menticore hier aufgetaucht waren. Es war alles eine Reihe unglücklicher Zufälle gewesen.

„Da vorn ist es!“ Es waren die ersten Worte, die am heutigen Tag zwischen ihnen gesprochen wurden. Reita deutete nur auf ein unscheinbares Gebäude, welches wie die meisten anderen hier mehr einer Ruine glich, als alles andere. Er hatte sie aus dem Viertel in dem Sakito seine Zuflucht gefunden hatte längst verlassen, waren durch die halbe Stadt gezogen und näherten sich nun dem Ort, an dem die Menschen hausten, von denen Reita sich Hilfe erhoffte.

Der Blondschwarzhaarige kannte diese Leute nicht sehr gut, aber er wusste, dass es ein Straßentribe war, der oft zusammen mit ihnen gearbeitet hatte und besonders Ruka und Aoi hatten den Kontakt zu zwei Mitgliedern dieses Tribes gepflegt. Tora und Saga hießen sie.

Sakito folgte ihm dicht auf, hatte zum Verständnis genickt. Er würde Reita kommentarlos alles überlassen, etwas, dass sie schweigend vereinbart hatten. Er selbst war erst einmal hier gewesen, doch seine feine Nase und sein außerordentlich guter Spürsinn verdankte er es, dass er den Weg schnell wieder gefunden hatte. Und als sie kurz vor dem Gebäude waren begann er zu lauschen. Es war noch außerordentlich früh, die Sonne kaum aufgegangen und dennoch war er sich sicher, dass bereits Leben dort herrschte. Und er hörte die feinen, leisen Stimmen, die durch die Wände des verfallenen Gebäudes zu ihm durchdrangen. „Sie sind da.“, murmelte er leise zu sich selbst, bemerkte aber, dass auch Sakito diese Worte verstanden hatte.

Gemeinsam näherten sie sich nun dem fremden Haus, Reita umrundete es, während Sakito selbst eher im Hintergrund blieb, Rukas Puls und Herzschlag kontrollierte. Das Fieber war in der Nacht gesunken, doch der Braunhaarige war noch lange nicht über dem Berg. Es würde dauern bis die Wunden heilten und ob nicht doch ein bleibender Schaden zurückblieb, konnte keiner sagen.

Reita suchte nach dem Eingang, wusste er doch, dass Tora und seine Truppe in den unterirdischen Kellern dieses alten Gebäudes ihr Reich aufgeschlagen hatten. Es war einfach der sicherste Platz.

Und schließlich fand er den kleinen Verschlag, der versteckt zwischen einigen Steinen lag. Er ging in die Hocke und klopfte einige Male gegen das alte Holz.

Erst regte sich nichts im Inneren, bis er das leise Geräusch vorsichtiger Schritte hören konnte. „Wer ist da?“, fragte eine kalte Stimme und Reita wusste, dass derjenige, der sich hinter der Tür befand mit Sicherheit bewaffnet war. „Reita... ein guter Freund von Ruka!“ Es herrschte einige Momente Stille, anscheinend wusste der andere nicht ob er ihm glauben sollte.

Es vergingen wohl einige Minuten in denen sich nichts rührte, aber Reitas Ohren erzählten ihm eine andere Geschichte. Der Typ hinter der Luke war verschwunden und statt seiner, näherten sich dieser jetzt schwerere Schritte. Der Blondschwarze trat zurück, als ein Riegel verschoben wurde und die Luke sich endlich öffnete. Ein dunkelbrauner Haarschopf erschien und blickte Reita aus misstrauischen Augen an. Dieser bemerkte schnell wie sich die Hand, die eben noch lauernd an der Seite gelegen hatte, von jener löste. Ohne Zweifel verbarg sich unter der Weste und dem weißen Shirt eine Waffe. Doch der Dunkelhaarige hatte ihn erkannt und so wandte sich der misstrauische Blick zu einem höflich kühlen und die Mundwinkel umspielte ein feines Grinsen.

„Wie kommen wir zu der Ehre, dass gerade du uns besuchst? Ich wusste gar nicht dass Ruka beim nächsten Gig mitmischen will. Oder gibt es einen anderen Grund wieso du auftauchst?“ Etwas Misstrauen schwang aus den Worten des Dunkelhaarigen mit, den Reita längst als Tora identifiziert hatte. Verübeln konnte ihm das keiner, immerhin kannten sie sich so gut wie gar nicht, aber Tora und sein Tribe waren die einzigen Menschen, die er noch kannte und von denen er Hilfe erwarten konnte. Er musste über seinen Schatten springen. So schüttelte er seinen Kopf. „Nein, es geht nicht darum. Ich bin hier, weil ich eure Hilfe brauche, Tora.“ Reita sah den anderen abwartend an. Es fiel ihm mehr als schwer solche Worte zu äußern, einen für ihn Fremden zu vertrauen, ihm seine Lage so offen darzulegen und damit auch seine Ängste. Tora selbst schien mit diesen Worten etwas überfordert zu sein, denn seine Augenbrauen wanderten nach oben und sein Mund verzog sich etwas. Reita handelte schnell. „Hör mir erstmal zu. Gestern Nacht wurde unsere Gruppe angegriffen. Ayumi und Ryoko sind tot, Ruka sehr schwer verletzt und Aoi wurde entführt. Du und dein Tribe sind die einzigen, die ich um Hilfe bitten kann!“ Der Blondschwarzhaarige hatte seinem Gegenüber die bloßen Fakten entgegengeworfen, versuchte zu viele Gefühle zu vermeiden, denn sie machten schwach. Er hatte es doch an seinem eigenen Leib erfahren. Seine Liebe zu Aoi war an dem ganzen Desaster Schuld.

Tora war gerade mit der ganzen Situation überlastet. Er hatte die Worte verstanden, sie aufgenommen, aber ihre Bedeutung, ihre Schwere blieb ihm in diesem Moment versagt. Doch er begriff die Informationen. Sein Gesichtsausdruck wurde ernst. „Wer hat euch angegriffen und wo bitte ist Ruka?“, fragte er scharf. Reita hatte diese Frage erwartet. Er drehte den Kopf nach links und stieß einen leisen Pfiff aus. Tora sah ihn irritiert an. Er schien das Ganze nicht zu verstehen. Als dann plötzlich eine schlanke Person aus dem Schatten heraustrat und langsam auf sie zukam, schwankte sein Blick zurück zu Reita. „Wer ist das?“, fragte er schneidend, hatte er Sakito doch vorher noch nie gesehen. „Jemand, der mir geholfen hat Ruka zu retten. Und wenn wir hier noch lange stehen und Smalltalk betreiben, stirbt uns Ruka unter den Fingern weg!“ Er deutete auf den leblosen Braunhaarigen, den Sakito noch immer auf dem Rücken trug. Dieser hatte sich bisher aus allem herausgehalten und hatte auch nicht so schnell vor einzugreifen. Tora schien jedoch erst jetzt Rukas Gestalt zu bemerken. Seine Augen weiteten sich leicht, aber schnell wurden sie wieder ausdruckslos. Er haderte mit sich, ob er sie aufnehmen sollte oder nicht?

Reita war ihm schon immer etwas komisch vorgekommen. Diese kalte distanzierte Handlung, die stechenden Augen. Selbst bei den ganzen Diebstähle oder Erkundungen, die ihre beiden Tribes gemeinsam ausgeführt hatten, hatte er sich stets zurückgehalten, doch immer solide Arbeit geleistet.

//„Er ist ein stiller Mensch und sogar uns scheint er immer noch nicht zu vertrauen, außer Aoi. Aber für ihn würde ich meine Hand ins Feuer legen!“// Diese Worte schossen Tora in diesem Augenblick durch den Kopf. Ruka selbst hatte sie einmal zu ihm gesagt, als der Dunkelhaarige ihn auf den Blondschwarzhaarigen angesprochen hatte.

Toras Blick schweifte misstrauisch zu dem für ihn Fremden. Er scannte die zierliche Gestalt, der er auf den ersten Blick nicht die Kraft zugetraut hätte, eine Person wie Ruka so mühelos tragen konnte. Aber schon jetzt wo er Sakito nur betrachtete, spürte er die besondere Aura, die diesen umgab. Und mit einem Mal richteten sich diese goldgelben Katzenaugen auf ihn, sodass er bei dem durchdringenden Blick erschauderte.

„Also, was ist nun?“, fragte Reita nochmals und dieses Mal ungeduldiger. In ihm herrschte Unruhe, denn wenn Tora sie abwies hatten sie ein großes Problem. Der Dunkelhaarige warf noch mal kurze Blicke zu den beiden Bittstellern und schließlich rang er sich zu einem knappen Nicken durch, auch wenn das Misstrauen blieb. Aber er sah ein, dass es hier um Rukas Leben ging und es Reita ernst war, sonst wäre er nicht zu ihm gekommen und hätte ihn so flehendlich gebeten.

„Folgt mir!“, sagte er nur knapp und öffnete die Luke. Reita warf einen Blick auf Sakito und nickte. Der Brünette verstand und vorsichtig setzte er sich in Bewegung und trug Ruka in das Innere des Hauses. Dort wartete Tora auf sie und geleitete beide in die hinten liegenden Räume, aus denen bereits dumpfes Stimmenwirrwarr zu hören war. Jenes brach sofort ab, als Tora gefolgt von Sakito und Reita den Raum betrat. Etwa ein Dutzend Augenpaare richtete sich auf sie und sah erst Tora, dann die beiden anderen an. Sakito warf nur kurze, aber scannende Blicke auf die Gruppe von mehrheitlich jungen Männern in seinem Alter. Er fühlte sich unwohl, spannte seinen Körper an. So zeigte auch Reita ähnliche Körperreaktionen, kannte er zwar die meisten dieser Jungen vom Sehen her, hatte aber sonst nur sehr wenig Kontakt zu ihnen gehabt. Einzig einen dunkelblonden, hübschen jungen Mann, derbei ihrem Eintreten aufgestanden war und sie aus den dunkelblonden Ponysträhnen hindurch aufmerksam beobachtete und auf den Namen Saga reagierte, als auch den rothaarigen Daisuke kannte er durch die monatigen Kampfturniere näher.

Tora war es schließlich, der die Stille brach. „Gestern hat es einen Übergriff gegeben auf Rukas Tribe gegeben. Deshalb ist Reita hier. Ruka ist verletzt. Saga, kümmere dich um ihn und zeige…“ Er brach ab, als ihm auffiel, dass er keine Ahnung hatte, wie der Fremde überhaupt hieß. Jenen sah er nun auffordernd an. Sakito erwiderte den Blick nur kühl und distanziert. „Sakito“, sprach er seinen Namen und Tora nickte, beendete so seinen zuvor angefangenen Satz. „…Sakito, wo er ihn hinlegen kann!“ Toras Worte waren kühl gesprochen, doch der angesprochene Dunkelblonde nickte und deutete Sakito ihm zu folgen. Dieser kam dem Ganzen nach und verschwand zusammen mit Saga aus dem Raum.

Reita blieb zurück und musste sich nun den genaueren Fragen stellen, von denen jede Einzelne die grausamen Erlebnisse der Nacht noch einmal aufreißen würde. Doch er wollte dies nicht vor allen tun. So sah er Tora genau in die Augen. „Ich werde es erzählen, doch bitte ich darum mit dir und Daisuke allein zu reden.“ Etwas erstaunt über diese Worte blickte Tora zu Daisuke und dieser ebenso erstaunt zurück. Damit hatten sie wohl beide nicht gerechnet. Das Reita allein mit Tora reden wollte, hätten sie verstanden, aber warum mit Daisuke?

Doch Tora schluckte seine Fragen hinunter und nickte. „Okay... wenn du es so möchtest. Ich respektiere deine Bitte. Dann gehen wir in mein Zimmer.“ Er deutete sowie Reita und Daisuke ihm zu folgen und beide taten, was der Dunkelhaarige von ihnen verlangte.
 

***
 

Sakito und Saga währenddessen begaben sich in einen abgelegen Raum des Gebäudes. Sakito bemerkte, dass dieses Haus weitaus größer war, als es von außen den Anschein hatte. Er folgte dem dunkelblonden bis dieser endlich stehen blieb und auf eine Liege deutete, die von der Öllaterne und dem einfallenden Licht aus dem kleinen Fenster beleuchtet wurde. Vorsichtig und behutsam legte Sakito Ruka auf der Pritsche ab, fühlte sogleich nach seinem Post und schloss erleichtert die Augen. Ruka atmete noch immer. Ein gutes Zeichen...

Er hörte wie Saga die Lampe an einem Haken an der Wand auf hing und sich dann neben ihn kniete. Sakito beachtete ihm kaum, ließ die Nähe aber zu. Es ging keine Gefahr von dem etwa Gleichaltrigen aus, das spürte er intuitiv. „Was genau fehlt ihm?“, fragte eine kühle und dennoch freundlich klingende Stimme und ein forschender, interessierter Blick ruhte auf der Gestalt des Brünetten. „Ihm wurde die Kehle durchgeschnitten, aber man verfehlte die Halsschlagader.“, sagte Sakito kurz angebunden, im gleichen Tonfall wie es von seinem Gegenüber zu hören war. Dieser nickte leicht und richtete den Blick wieder auf Ruka. „Dann ist seine Überlebenschance gering. Hat er sehr viel Blut verloren?“ Es war ein neutrales Gespräch, das sich einzig um die Verletzungen und den Zustand des Verletzten drehte. Sakito bejahte. „Sehr viel. Ich hab mit den wenigen Mitteln versucht seinen Zustand soweit wie möglich zu stabilisieren.“, antwortete er. Es dauerte eine Weile bis eine Antwort fiel. Der Junge, der auf den Namen Saga hörte, machte sich daran Sakitos provisorischen Verband vorsichtig zu entfernen und die Wunde zu untersuchen. Der Riss, den eine Klinge unsauber in die Haut gerissen hatte, war auseinander geklafft und zeigte das rohe Fleisch, welches sich darunter verbarg. Saga erblickte nun im besseren Licht die bereits behandelten Wundstellen und das tatsächlich nur noch wenig Blut aus der Wunde trat. Anscheinend hatten der Entzündungshemmer und das Antibiotikum wirklich gewirkt. „Gute Arbeit... aber noch ist er lange nicht über den Berg.“ „Er gehört in ein Krankenhaus, doch Reita hat sich dagegen geweigert.“ „Nicht ohne Grund. Ich denke du bist noch nicht lange in der Stadt. Du sprichst mit einem weiter nördlichen Dialekt.“ Ein kleines Lächeln huschte über Sagas Lippen. „Wir können heute nicht mehr in die Krankenhäuser gehen. Jede Behandlung kostet Geld, dass wir nicht haben und wenn die Obrigkeiten uns kriegen wandern wir in den Bau. Sie mögen uns nicht, Kids und Teenager die auf der Strasse leben.“ Er schwieg kurz, wandte den Blick ab und sah zu einer Kommode, die hier stand. „Öffne bitte die Kommode und hole was sich in der ersten Schublade befindet.“ Sakito antwortete nicht, aber gehorchte. Ein komisches Gefühl beschlich ihn. Er kannte Saga nicht und doch hatte dieser etwas an sich, was es ihm leichter machte ihm zu vertrauen.

Er kehrte mit einem Tablett zurück auf dem einige sterile Behandlungsgegenstände lagen und auch eine Box, die wohl verschiedene Medikamente enthielt. Saga dankte ihm mit einem Nicken.

Die folgende halbe Stunde herrschte zwischen ihnen Schweigen und gemeinsam versorgten sie Rukas Verletzungen, wobei Saga die Rolle des Arztes und Sakito die des Helfers einnahm. Er war innerlich beeindruckt von dem Können des etwas Älteren. //Er muss mit Medizin zu tun gehabt haben...//, schoss es durch seinen Kopf, während Saga mit einem Skalpell vorsichtig die Wundränder etwas sauberer schnitt und die tiefe Wunde behandelte, ehe er sie vorsichtig zunähte.

Er legte zusammen mit Sakito einen stabilen Druckverband um die Wunde und packte dann die benutzten und teilweise blutigen Instrumente zur Seite auf ein weißes Tuch. Er verstand wirklich etwas von dem was er tat.

Sakito beobachtete den etwas Größeren aus den Augenwinkeln und erst jetzt bemerkte der etwas Jüngere die schwarzweiße Augenklappe in Form eines Schmetterlings. Saga schien seinen Blick bemerkt zu haben, denn er drehte sich ihm zu. Ein trauriger Schimmer erschien in seinem braunen Auge. „Ein Rückbleibsel von dem Terrorangriff. Ein Glassplitter traf mein Auge bei dem Erdbeben, als das Haus meiner Eltern einstürzte.“ Sakito schwieg. Er wusste nicht was er sagen sollte. Er selbst hatte nie Eltern gehabt. Eine Mutter, ja die hatte es gegeben, doch hatte er sie nie gesehen.

„Du bist sehr gut in dem medizinischen Bereich.“, entgegnete Sakito nur um von dem für Saga schmerzhaften Thema abzulenken. Doch anscheinend schien dieser Wechsel nicht besser zu sein. Saga senkte noch mehr den Blick. „Hai... meine Eltern waren beide Ärzte und ich lernte viel von ihnen. Aber sie kamen damals ums Leben, wie viele andere auch.“ Auch Sakito senkte den Blick.

Er hatte von dem großen Beben, dass damals kurz nach seiner Flucht Japan erschütterte und fast die gesamte Wirtschaft des Landes lahm legte, kaum etwas mitbekommen. Sicher hatte er die Erschütterungen gespürt, doch im Gegensatz zu fielen anderen, sah er dieses Beben als ein glücklicher Zufall, denn nur durch es konnte er Menticore entkommen.

Kurz darauf hatte er Zuflucht bei Shake und seiner Truppe gefunden.

Er schüttelte den Kopf. „Gomen... ich wollte kein solches Thema anklingen lassen.“. Brachte er dann noch hervor, erhielt jedoch nur ein Kopfschütteln. „Schon okay. Es ist nur eines von vielen Schicksalen.“, lächelte der Dunkelblonde und jegliche Art von Misstrauen und Distanz war aus seinen Zügen verschwunden.

Etwas, dass ihn sehr verwunderte, wie auch Saga selbst. Normaler weise vertraute er keinem so schnell, doch dieser Junge, der auf den Namen Sakito hörte, hatte etwas an sich, was einen magisch anzog. Eine Aura aus Distanz und Eiseskälte, doch darunter, das würde jeder spüren, der empfindlich und sensibel war, verbarg sich ein Kern aus Schmerz und Angst. Etwas, dass er auch bei Reita sofort gespürt hatte. //Die beiden verbindet etwas... etwas tiefgehendes.//, dachte sich Saga. Er blickte wieder zu Ruka, der noch immer schlief. „Hoffen wir, dass es ihm schnell besser gehen wird.“, murmelte er. Sakito nickte.

„Was ist gestern passiert? Warst du dabei?“, fragte Saga nach einer gewissen Zeit der Stille. Sakito sah ihn an, schüttelte jedoch nur den Kopf. „Nein... ich weiß nicht viel mehr als du. Du musst Reita fragen, wenn du Informationen haben willst. Er tauchte gestern Nacht nur bei mir auf.“ „Ein Zeichen, dass er dir vertraut.“, begann Saga erneut mit einem leichten Lächeln, was jedoch mit einem Kopfschütteln des Angesprochenen wieder verschwand. „Nein... alles, aber das mit Sicherheit nicht!“ Und damit war für Sakito das Gespräch fürs Erste beendet.
 

***
 

Reita indes hatte den beiden anderen alles von den Ereignissen der vergangenen Nacht berichtet, jedoch von den Unterredungen Aois und ihm nichts erwähnt. Diese gingen niemand was an. Tora und Daisuke hatten zuerst geschockt reagiert, dann verwirrt und nun sahen sie ihn mit ernsten und nachdenklichen Mienen an. Besonders der Rothaarige hatte die Augenbrauen tief ins Gesicht gezogen. Er war einer der besten Freunde Rukas, der Hauptgrund, wieso Reita ihn noch als Zuhörer gewählt hatte. Tora brach die unangenehme Stille. „Das... klingt alles mehr als tragisch. Und du weißt nicht wer euch attackiert haben könnte oder warum gerade Aoi entführt wurde?“ Misstrauen klang mit. Reita schüttelte den Kopf. „Nein!“, log er. „Und eine weitere Frage: Wie sollen wir dir helfen? Sollen wir dir helfen die Entführer aufzuspüren und zu eliminieren?“ Tora sah ihn auffordernd an, doch zu seinem Erstaunen schüttelte Reita nur den Kopf. „Nichts von beidem. Ich möchte lediglich, dass ihr auf Ruka aufpasst und euch um ihn kümmert. Die Sache mit den Entführern machen Sakito und ich allein. Sie haben meine Familie umgebracht und dafür werden sie bezahlen!“ Reitas Augen wurden bei diesen Worten dunkler und sein Gesicht verdüsterte sich. Tora und Daisuke warfen sich einen schnellen Blick zu. Sie kannten Reita so nicht, so wutgeladen und sie beide spürten, dass der Blondschwarzhaarige doch mehr wusste, als er zugeben wollte. Doch sollten sie nachfragen? Sollten sie sich in die Angelegenheiten der anderen Gruppe einmischen? Tora bekam innere Gewissensbisse. Am liebsten würde er Reita gehen lassen, denn wenn er ihm mehr half, brachte er auch seine Gruppe in Gefahr, aber wenn nicht, könnte es sein, dass auch noch Aoi den Entführern zum Opfer fiel. Er kannte den Schwarzhaarigen, welcher stets lebhaft und dazu noch sehr gut befreundet mit vielen aus seinem, Toras, Tribe war. Es war eine sehr schwierige Entscheidung. „Wie willst du bitte die Entführer allein besiegen? Oder mit der Hilfe von diesem Fremden?“ Es war Die, der diese Fragen und damit die Stille sprach. „Das ist meine Sache. Ich habe nicht vor euch in dieses Unterfangen einzubinden. Ich will nur, dass Ruka in Sicherheit ist.“, erwiderte Reita immer noch kalt. In Dies Augen leuchtete Misstrauen auf. „Du weißt mehr, als du zugeben willst, Reita. Und dieser Kerl… Sakito. Ich kenne ihn… ich weiß es!“ Zwei Blicke richteten sich auf den Rothaarigen. Dieser lehnte an der Wand des kleinen Raumes und hatte seinen undurchdringlichen Blick auf Reita gerichtet. „Letzte Woche… bei dem Turnier. Er war der Fremde gegen den du gekämpft hast. Und er ist verdammt gut. Ich habe euren Kampf gesehen. Wer ist das Reita?“, fragte er und seine Stimme wurde dunkler je länger er sprach. Reita knirschte mit den Zähnen. Es war nicht gut, dass Die ihn erkannt hatte. „Jemand, den ihr nicht kennen müsst!“ Nun schellten auch in Toras Ohren die Alarmglocken. Er warf Die einen schnellen Blick zu. „Sprich Reita! Wer ist das?“, drängte nun auch Tora. Der schwarzhaarige verspürte nun noch tieferes Misstrauen, was auch Reita deutlich fühlte.

//Mist! Das kann ich nicht gebrauchen! Wieso müssen sie solche Fragen stellen!// Der Blondschwarze sah sich in einer Zwickmühle. Wenn er diese Frage nicht beantwortete, würden Tora und Die sich letztendlich noch vollkommen weigern, ihm zu helfen.

Er drehte den Kopf zur Seite. „Er ist ein alter Bekannter. Letzte Woche habe ich ihn erst wieder getroffen bei diesem Kampf. Reicht das? Oder wollt ihr auch noch seine Eltern, seine Sexualität und seine Adresse wissen?“ Die letzten Worte zischte er fast und bei diesen wurden Tora und Die schlagartig rot. Beide räusperten sich schließlich. „Ähm nein… aber was bitte ist schlimm daran uns zu sagen, dass er ein alter Bekannter von dir ist?“ Tora hatte sich schnell wieder gefangen. „Ich wollte einfach nichts mehr damit zu tun haben, ja! Und ich denke ihr seid nun wahrlich die Falschen, denen ich das alles erzählen sollte.“ Reitas Stimme klang ungewöhnlich kühl und sein Blick war starr auf einen Fleck an der Wand gerichtet.

Erneut warfen Die und Tora sich einige Blicke zu. „Nun hör mal… wir wollen dir nicht zu nahe treten, ja.“, meinte der Dunkelhaarige schließlich. Reita blickte nur kurz zu ihm. Tora fuhr einfach fort. „Aber es ist nun mal so, dass auch wir ein Risiko eingehen. Und wir sollten schon wissen, was du in etwa vorhast.“, sagte Tora ruhig. Reita wandte ihm nun wieder den Blick zu, zuckte mit den Schultern. „Ihr geht kein Risiko ein Tora. Ihr sollt euch nur im Ruka kümmern…“, er brach kurz ab, „…und wenn es möglich wäre auch um Aoi, wenn ich ihn befreit habe.“ Diese Worte waren leise gesprochen, ja kaum mehr als ein Flüstern. Reita biss sich kurz auf die Lippen. Ja er hatte beschlossen, Aoi hierher zu bringen, wenn er ihn befreit hatte. Er würde nicht bei dem Schwarzhaarigen bleiben. Nein, es war zu gefährlich.

Diese Gedanken waren ihm in diesem Moment klar geworden. Sakito hatte recht. Er musste weg, er konnte nicht länger bleiben…

Tora sah Reita mit großen Augen an. „Wie meinst du das?“ „So wie ich es sage. Wenn ich Aoi da raus habe, werde ich ihn herbringen und ich wäre euch dankbar, wenn ihr ihn und Ruka aufnehmt. Sie haben niemanden sonst mehr.“, erwiderte Reita, blickte jedoch nicht in die Richtung des Angesprochenen. Tora stutze, dann lächelte er warm. „Sicher können sie hier bleiben. Sie sind hier gern willkommen.“ Reita atmete aus. „Danke…“ „Aber was ist mit dir?“, mischte plötzlich Die sich wieder in das Geschehen ein. „Das ist egal. –es spielt keine Rolle was mit mir ist. Wenn Aoi hier ist, werde ich verschwinden. Und bitte stellt keine Fragen.“ Damit stand Reita auf und ging. Zurück blieben Tora und Die, die sich fragende, ja gar zweifelnde Blicke zuwarfen. Sie beide verstanden nicht, was Reita mit diesen Worten meinte. Doch dies war gut so.
 

***
 

Sakito und Reita verließen das Quartier von Tora und seiner Gruppe bei Sonnenuntergang. Erneut schweigend und jeder in seine eigenen Gedankengänge vertieft. Sie hatten einen Weg vor sich, ein Vorhaben, welches besonders den Blondschwarzen innerlich mit Schmerz und Trauer füllte. Nun hieß es Abschied von seiner Familie nehmen… für immer.

Der Tempel ragte schwarz und düster vor ihnen auf, als sie ihn im Schimmer der letzten bleibenden Sonnenstrahlen erreichten. Das was ihm immer Gefühle von Wärme und Friede gegeben hatte, weckte jetzt einen Anflug von Trauer und Wehmut in ihm. Das Gebäude war verlassen, totenstill. Nur in einer Nacht hatte man ihm das ruhige und friedvolle Leben gestohlen, welches immer seine Mauern gefüllt hatte.

Reita riss sich von den beklemmenden Gedanken los, spürte den Blick, der auf ihm ruhte, doch er wandte sich nicht um. Dies war das letzte Mal, dass er den Tempel betrat, der ihm mehr als vier Jahre lang das Gefühl von Hoffnung und Zuversicht, ja Liebe und inneren Frieden geschenkt hatte. Alles Dinge, die er in seinem vorherigen Leben nicht einmal hätte definieren können.

Er schob die beiden Türen auf, betrat somit das Innere des Tempels. Aber er blickte sich nicht um, denn zu groß würde der Schmerz sein das Vertraute zu betrachten. Starr suchte er den Weg in das nächste Zimmer und dann zu dem Raum, in dem noch immer die Leichen der beiden Mädchen ruhten. Süßlicher Gestank schlug ihm entgegen und Übelkeit kam in ihm auf. Doch er ließ sich nicht von seinem Vorhaben abbringen, ging einfach auf die Erste der beiden leblosen Körper zu.

Ryoko.

Der kleine Mädchenleib lag wie schlafend in dem Schlafsack eingehüllt. Ihr langes Haar verbarg ihm den Blick in ihr kindliches Gesicht. Sie wirkte noch jetzt so unschuldig und liebenswürdig, als würde sie gleich die großen fröhlichen Augen aufschlagen, ihn ansehen und um den Hals fallen, fragen, ob sie nicht etwas spielen wollten.

Ohne, dass Reita groß etwas dagegen tun konnte, begann die Sicht vor seinen Augen zu verschwimmen. Er schloss sie, blinzelte die aufkommenden Tränen fort, griff nach dem Schlafsack und zog ihn langsam bis oben zu. Er hob die Kinderleiche auf seine Arme, trug sie nach draußen in die laue Nachtluft. Er hörte nur, wie Sakito ihm mit Ayumi auf den Armen folgte.

Gemeinsam trugen sie die beiden Mädchen in den verwilderten Garten, welcher das Gebäude umgab und legten sie dort in das taunasse Gras. Reita ging nur um kurze Zeit später mit zwei Schaufeln wiederzukommen. Stillschweigend verrichteten sie ihre Arbeit, hoben zwei Gräber aus, die sie mit Gras füllten, ehe sie die beiden toten Mädchen hineinlegten. Sakito wollte gerade beginnen das erste Grab wieder mit dunkler Erde zu bedecken, doch Reita hielt ihn zurück. „Warte noch einen Augenblick…“ Mit diesen Worten verschwand der Blondschwarze erneut, doch diesmal führte sein Weg ihn zurück in sein altes Zuhause. Er brauchte nicht lange um zu finden was er suchte und damit zurückzukehren. In den Händen hielt er nun zwei kleine Gegenstände, ein kleines geschnitztes Holzpferdchen und eine gläserne Blume. Dies waren die wertvollsten und schönsten Sachen von Ryoko und Ayumi gewesen. Beides legte er den toten Mädchen mit in die Gräber. Erst jetzt konnten sie mit ihrer Arbeit beginnen.

Immer mehr dunkle Erde bedeckte die beiden toten Körper, bis sie nicht mehr zu sehen waren.

Reita hatte nichts mehr für sie tun können, um sie zu retten, doch die letzte Ehre, ihnen beiden ein Grab zu errichten, dies hatte er getan. Und mit zwei letzten Tränen in den Augen steckte er persönlich zwei Holzkreuze in die frische Erde.

„Möge es euch dort oben wo ihr seid, besser gehen als hier.“ Mit diesen Worten legte Reita noch zwei kleine Wildblumen auf die Grabhügel. Ein Zeichen seines Abschieds.

Es war ein Abschied für die Ewigkeit.
 

***
 

Mit übereinander gekreuzten Beinen saß Tsukasa auf dem Boden, hatte sich leicht an die Wand nach hinten gelehnt. Seine dunklen Haare hingen ihm im Gesicht. Er war an der reihe mit der Nachtwache, was für ihn jedoch nicht sonderlich von Wichtigkeit war. Was bitte lohnte es sich zu bewachen? Etwa dieses kleine Häufchen Elend da drin, dass sich nicht mehr zu regen wusste? Kein Geräusch drang durch die Tür und er selbst hatte ihn schließlich angekettet und dafür gesorgt, dass der Junge nicht fliehen konnte. Doch anscheinend wollte Hizumi ihm einmal mehr zeigen, wie sehr er an Respekt verloren hatte. Die anderen hatten sich zurückgezogen, dass sie schliefen, davon ging er nicht aus. Sie hatten ihn, nachdem er zusammen mit Zero die beiden Leichen der Obdachlosen weggeschafft hatte, schlicht und einfach ausgegrenzt. So hatte er Zeit genug um einmal nachdenken zu können.

Seine Gedanken glitten zurück zu dem Zeitpunkt als er das Gespräch zwischen #668 und #443 belauscht hatte. Er hatte die Aussagen Sakitos noch ganz genau im Ohr und davon bisher nichts erzählt. Schlagartig begannen die verschürften Wunden auf seiner Brust zu kribbeln und zu schmerzen, als er bloß an diesen Tag dachte. Sie waren gut verheilt, was zum einen an seinen veränderten Genen und zum anderen an dem Medikament Vitasiakum lag. Dieses Medikament wurde in den Laboren Hakueis hergestellt und illegal auf dem schwarzen Markt verkauft. Die Regierung hatte die Vermarktung dieses Medikamentes sofort wieder verboten, da es, trotz seiner überragenden Heilwirkung, starke Nebenwirkungen hervorrief. Doch Hakuei hielt es nicht davon ab, es weiter herzustellen und an Rebellen und Terroristen zu verkaufen. Die Zusammensetzung jedoch hatte er verändert und nun arbeiteten auch ihre eignen Leute mit diesem Präparat.

Eine Hand des Dunkelhaarigen glitt unter das eigne Shirt und suchte nach den Narben des Angriffs. Rissig und halbverheilt zogen sie sich über seine Brust und schmerzten schon bei der bloßen Berührung. Dafür würde Tsukasa sich noch höchstpersönlich bei Sakito rächen, das hatte er sich geschworen und den wohl wichtigsten Trumpf in diesem Spiel hielt er in der Hand. Dennoch schwirrten unzählige Fragen in seinem Kopf umher, die ihn faszinierten, gleichsam aber auch abschreckten. Er fragte sich was sich Hakuei und Niikura-san dabei gedacht hatten einen solchen Menschen wie diesen Transgeno zu erschaffen? Er selbst hatte die Verwandlung des Brünetten miterlebt und am eignem Leib erfahren. Diesen mörderischen Ausdruck, der mit einem Schlag die katzenhaften Augen beherrscht hatte und wie seine Finger sich um die Wurfmesser gekrallt und ohne Gefühl einfach zugestochen hatten.

Tsukasa zog seine Hand wieder hervor. Er lebte bereits so lange in dem Laboren Menticores, hatte unzählige Kinder und Experimente gesehen und dennoch war keines von ihnen dabei gewesen, dass auch nur im Ansatz an die Erscheinung von #443 heranreichte. Weder im Verhalten, noch in den Fähigkeiten. Er selbst hatte mit den anderen seiner Einheit die Akte des Jungen gesehen, die Testergebnisse und Körpermerkmale, wie auch von den anderen beiden entflohenen. Doch schon als er in der alten Kirchruine den schlanken Körper gesehen hatte, hatte er die Ausstrahlung gespürt, die ihn umgab. //Gruselig…//, dachte er und schauderte kurz, etwas, dass er sich nie in der Gesellschaft von den anderen erlauben würde. Schwäche war tödlich, egal in welchem Zusammenhang.

Die Gedanken des jungen Mannes glitten weiter und seine Hände griffen in die Hosentasche, umfassten das kleine Mobilfunktelefon, welches sich noch immer in seinem Besitz befand. Er hatte vollkommen vergessen es an Hizumi abzugeben, als sie aufeinander getroffen waren. Und mit einem Mal kam ihm eine Idee, die ihn teuflisch Grinsen ließ. Er würde sich den Respekt schon wieder erkaufen… und er wusste auch wie.

Trap

Dark Angel

Kapitel: 11/?

Autorin: -Satty-

Pairing: Ni~yaxSakito, ReitaxAoi

Genre: Shounen-ai, Romantik, Darkfic etc...

Kommentar: Endlich ist es fertig X___ X Kami, dieses Kapi hat mir mehr als eine schlaflose Nacht bereitet… Und so wirklich zufrieden bin ich nicht -.- Ich hoffe das ich im Verlauf dieser Story nie wieder so etwas schreiben muss… Jedenfalls nicht in diesem Ausmaß X.X

Und deshalb spreche ich hier wohl mal eine kleine Warnung aus *hust*
 

Wer schwache Nerven hat und kein Blut mag, sollte dieses Kapitel nicht lesen XD
 

Nun ja, jedenfalls viel Spaß beim lesen und ich freue mich wirklich sehr auf eure Kommentare.

*liebhabz*

Satty
 

Kapitel 10: Trap
 

So vergingen die nächsten zwei Tage. Reita und Sakito versuchten zwar die Entführer Aois aufzuspüren, doch Kyoto war einfach zu groß um sie zu finden. So mussten sie auf den „vereinbarten“ Treffpunkt warten, was besonders Reita zunehmend nervöser und auch aggressiver machte. Die Abwesenheit des Menschen, der ihm soviel bedeutete und der Verlust seiner beiden Familienmitglieder hatten ihn stark getroffen und ihm den Halt genommen, der ihn in den letzten Jahren immer mehr das Gefühl von Sicherheit verliehen hatte.

Sakito beobachtete die Verwandlung des anderen anscheinend unbeteiligt. Er hielt sich mit Kommentaren zurück, blieb meistens der stille Beobachter. Doch innerlich sah es anders aus. Die Erlebnisse Reitas hatten ihn stark an die eigne Zeit der Flucht erinnert, an die Gefühle, die auch ihn niedergestreckt hatten. Er verstand Reita besser, als dieser es annahm und dennoch schwieg er.

Im Allgemeinen herrschte zwischen ihnen zumeist eine gespannte Atmosphäre. Reita war nervös, ungeduldig und brach immer wieder in leisen Flüchen aus, ein Verhalten, dass man sonst von dem Älteren nicht gewöhnt war. Selbst in ihrer gemeinsamen Kindheit war der Blondschwarze immer beherrscht gewesen, hatte kaum eine Miene verzogen.

Es wurde eben immer wieder deutlich, dass sich nicht alles aus einem Körper prügeln und alle Gefühle durch straffe Disziplin und harte Bestrafung austreiben ließen.

Insgeheim beneidete Sakito Reita für seine Gefühle gegenüber dem unbekannten Jungen. Der Ältere hatte das gefunden, was er sich sehnlich wünschte. Ruhe, Glück und einfach nur Geborgenheit. Er dachte oft an die wenigen Momente in seiner Kindheit zurück, die er nicht allein in einer feuchten und dreckigen Zelle verbrachte und in der er mit Ni~ya zusammen gewesen war. Doch so klar und schön, wie diese Augenblicke immer gewesen waren, hatten inzwischen Frust, Unmut und auch Schuldgefühle diese überschattet.

Wie gerne hatte er als Kind Ni~yas Geschichten von der Außenwelt gelauscht, sich die so detailreich beschriebenen Erlebnisse vorgestellt. Für ihn war diese unbekannte Welt immer wie ein Märchenland gewesen, etwas Wunderbares, von dem es sich lohnte zu träumen. Doch seine Erwartungen, seine Träume waren heillos zerstört wurden.

Überall war ihm nur Leid, Elend und Zorn begegnet, niemals das, was Ni~ya ihm beschrieben hatte. Er musste schnell lernen, dass er einem Traumgespinnst hinterher gejagt war, ewig auf der Flucht und auf der Suche nach etwas Schönem…

Jetzt hatten sie sich in die Fabrik zurückgezogen, die er als Unterschlupf genutzt hatte und beratschlagten wie sie am Abend vorgehen wollten. Jene Diskussion erwies sich als ein äußerst schwieriges Unterfangen, da Reita immer wieder ausbrach. Er wäre am Liebsten sofort losgestürmt, doch dies ging nicht. Sakito versuchte ihn immer wieder zu beruhigen, doch gerade das ging nach hinten los.

„Reita wenn du nicht langsam runter kommst, geht das heute Abend gegen den Baum.“, nahm Sakito den dritten Anlauf, den nervös umherlaufenden Blondschwarzhaarigen zu bremsen. Doch dieser fuhr nur herum und stierte den Jüngeren wütend und aufgeregt an. „Was weißt du bitte davon? Du hast doch nicht die leiseste Ahnung, was es in mir vorgeht! Verdammt noch mal dieser Mensch ist das Wichtigste in meinem Leben!“, schrie er und ballte die Hand zur Faust. Sein Körper zitterte leicht. „Doch! Auch wenn du mir nicht glaubst, ich weiß genau was in dir vorgeht. Und jetzt komm runter. Wenn wir den Jungen retten wollen, müssen wir endlich überlegen wie wir vorgehen! Wir können nicht einfach dahin stürmen, ihn uns schnappen und wieder verschwinden.“, erwiderte Sakito nun doch langsam leicht gereizt. Reitas Aufregung ging auf ihn über und gegen sie spielte auch der letzte Gebrauch, des für sie so lebenswichtigen, Tryptophan. Sakito hatte die letzte Dosis vor drei Tagen genommen und langsam brauchte sein Körper die Droge wieder, ebenso Reita. Aber der letzte Rest, den Sakito noch besaß, würde nur für eine winzige Portion für sie beide reichen.

Reita sah ihn erstaunt an, hatte Sakito bisher noch nie seine Stimme in solchem Maß erhoben, doch dann zischte er nur und ließ sich schließlich neben Sakito auf der alten Matratze nieder. Dieser bereitete gerade die Spritzen vor. Die letzten beiden Packen die er noch hatte. Er zerstampfte die letzten Tabletten und erhitzte diese dann mit einem üblichen Löffel und Feuerzeug, ehe er die letzten beiden Spritzen auspackte und aufzog. Eine davon reichte er Reita und die zweite nahm er selbst, injizierte sich das Medikament geübt in die Halsvene.

Einige Minuten verstrichen, die sie nun schweigend zubrachten und einfach die Wirkung des Tryptophans abwarteten. Dann schließlich wieder die Augen aufschlugen. Sakito erkannte, wie Reita sich entspannte und auch das Zittern bei ihm nachließ.

So würde es hoffentlich leichter gehen mit ihm zu reden.

„Also… lass uns überlegen. Der Treffpunkt war in der Dämmerung bei eurem Tempel, nicht wahr?“ Reita nickte. „Und du hast die Entführer nicht erkannt?“ „Nein… ich habe sie nicht mal gesehen!“, brummte der Blondschwarze immer noch sichtlich angespannt. Sakito erwiderte darauf nur ein Nicken. „Gut… ich würde sagen, wir müssen abwarten, bis sie den Jungen rausrücken. Es soll ja im Tausch gegen mich geschehen. Du schnappst dir Aoi und verschwindest.“ Reita zog eine Augenbraue an. „Und dich mit denen alleine lassen? Gegen die hast du alleine keine Chance.“ Der Brünette wandte den Blick ab. „Ich weiß es nicht. Aber ich bin der, den sie wollen. Der Junge ist nur Mittel zum Zweck. Wenn du ihn hast, solltest du verschwinden und ihn retten.“ „Welch großer Mut in deinen Worten. Ich falle dir gleich um den Hals, oh großer Held!“ Reita lachte ironisch. „Vergiss es Sakito. Ich kann dich nicht sonderlich gut leiden, das geb ich zu, doch in die Hölle schicke ich keinen zurück, wenn ich es nicht verhindern kann.“, entgegnete er. Eine Aussage die Sakito ein kleines Lächeln abrang. „Danke… aber dennoch… was willst du sonst tun? Wenn du nicht mit Aoi verschwindest ist er in Gefahr, denn ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass er in der Lage sein wird schnell zu laufen.“ Damit traf er natürlich die Befürchtungen des Schwarzblonden, der sich deutlich anspannte. „Wenn sie ihm ein Haar gekrümmt haben, bringe ich sie um!“, grollte er. Sakito sah ihn an. „Ich hoffe es auch nicht, auch wenn ich ihn nicht kenne.“, murmelte er, lehnte sich schließlich zurück. „Also sind wir wieder am Anfang.“, seufzte Sakito und überkreuzte die Beine. Reita zuckte mit den Schultern. „Und? War sowieso mein Vorschlag. Du kannst nichts planen, Sakito. Wir kennen unseren Gegner nicht.“ „Schon, nur mir behagt es nicht vollkommen blind in diese Falle zu laufen.“ „Nun das müssen wir riskieren, wenn wir Aoi retten wollen und wenn du nicht mitmachst, geh ich allein! Ich lasse ihn nicht noch einmal im Stich!“ Sakito lächelte bei diesen Worten. Oh ja Reita empfand viel für diesen Jungen, sehr viel.

„Okay dann machen wir es mit deinem Weg.“, schlug Sakito schließlich ein, auch wenn es ihm nicht behagte.
 

***
 

„Hey… komm hoch mit dir!“ Ruppig wurde Aoi an den Armen nach oben gezogen, etwas, dass ihm ein schwaches Stöhnen entkommen ließ. Der schwarzhaarige trug noch immer die Augenbinde und seine Hände waren auf dem Rücken gefesselt. Die Seile hatten sich in den zwei Tagen tief in die schmalen Handgelenke gefressen und bereiteten dem Jungen Schmerzen. Doch noch schlimmer waren die Schmerzen seiner beiden gebrochenen Rippen. „Nun steh endlich auf!“ Ein unsanfter Stoß in seine Seite ließ ihn aufschreien und wacklig aufstehen. Ein harter Griff an seinen Armen riss ihn dann nach vorne. Er sah nichts, spürte nur die Anwesenheit einiger Personen in seiner Nähe. Die letzten beiden Tage hatte er in vollkommener Dunkelheit zugebracht. Er hatte sein gesamtes Zeitgefühl verloren und außer einigen Schlucken Wasser am Tag und zwei Schalen Reis hatte er nichts zu essen und trinken bekommen. Sein Körper war geschwächt, seine Augen brannten vom vielen weinen.

Er stand wacklig auf seinen Beinen und hing mehr zwischen den beiden Unbekannten, die ihn festhielten.

Hizumi warf dem Schwarzhaarigen einen abfälligen Blick zu. Nach seinem Versuch ihn zu bedrängen hatte er keine Lust mehr auf das Flittchen gehabt und ihn auch soweit in Ruhe gelassen. Sie hatten andere Dinge zu klären gehabt.

„Wir haben keine Zeit mehr! Bald geht die Sonne unter! Nehmt ihn und lasst uns gehen!“ Tsukasa und Zero nickten, festigten beide ihre Griffe um die Arme des schwarzhaarigen und zogen ihn mit. Aoi, durch den plötzlichen Ruck überrascht, stolperte und wäre beinahe gefallen, hätte der Griff von Tsukasa ihn nicht gehalten. „Komm beweg dich!“, sagte der Brünette kalt. Aoi zitterte am ganzen Leib. Seine Sachen waren schmutzig und an einigen Stellen weiß von der kalkhaltigen Wand, sowie zerknittert und zerrissen. Hizumis Übergriff hatte Spuren hinterlassen. Aber der Schwarzhaarige war zu schwach um noch viel Protest aufbringen zu können. Würde Hizumi es jetzt erneut versuchen ihn zu vergewaltigen, hätte er ein leichtes Spiel.

Doch der junge Mann war mit den Gedanken bereits ganz woanders. Aoi interessierte ihn nicht. Viel wichtiger war ihr kommendes Vorhaben. Sie mussten #443 unbedingt fangen und zurück in die Labore bringen. Dies hatte oberste Priorität. Er warf Karyu und Zero einen kurzen Blick zu. Sie hatten alles untereinander abgesprochen und waren sich sicher, dass ihr Plan aufgehen würde. Als Aoi erneut einknickte, wurde Hizumi aus seinen Gedanken gerissen. Gereizt warf er ihrer Geisel einen Blick zu. „Tragt ihn verdammt! In dem Tempo brauchen wir Jahre und wir müssen eher da sein als #443 und #668!“, ordnete er an und sofort nickte Zero, hob den geschwächten Jungen auf die Arme. Aoi stöhnte nur leise, gab sonst aber keinen weiteren Protest von sich.

Der Rest des Weges verlief ohne weitere Zwischenfälle und schnell erreichten sie den angegebenen Treffpunkt. Hizumi grinste. Ruhig lag der Tempel vor ihnen und weit und breit kein Anzeichen von #443 und #668. Er hätte sie gespürt, wären sie hier.

Er drehte sich zu Zero. „Gib mir den Kleinen! Ihr bezieht Posten! Wenn #443 und #668 auftauchen, gebt ihr mir über das vereinbarte Zeichen das Signal. Ich kümmere mich solange noch um unsere hübsche Geisel.“ Mit einem bösen Funkeln in den schwarzen Augen drehte sich der Dunkelhaarige nun zu den anderen. Zero zuckte mit den Schultern, ließ Aoi auf die schwachen Beine und schubste ihn grob in Hizumis Richtung. Der junge Mann fing den Anderen auf, bevor dieser fallen konnte, drückte ihn sofort an seinen Körper. Er spürte genau, wie Aoi sich verspannte, sich aus dieser unfreiwilligen Umarmung winden wollte, doch es nicht konnte.

Ohne noch ein Wort zu verlieren, hob Hizumi den jungen Körper hoch und schleppte ihn in das Innere seines alten Zuhauses. Dort wurde er einfach auf die Holzbank gestoßen, was dem Schwarzhaarigen erneut einen leisen Schmerzensschrei entkommen ließ. Hizumi lehnte sich ihm gegenüber an die Wand. „Na hast du eine Ahnung wo wir sind?“, fragte er spottend. Aoi kämpfte sich von allein in eine halbwegs aufrechte Lage. Er konnte noch immer nichts sehen, doch dieser Geruch den er wahrnahm… er war ihm so vertraut.

Sie befanden sich in seinem Zuhause!

„Wo sind sie? Wo sind die anderen? Reita!!! Ruka!!“, begann er sofort zu rufen, doch alles was er als Antwort erhielt war das hämische Lachen. „Oh ruf nach ihnen, ja tu es, doch sie werden dich nicht hören…“, tönte die Stimme dann plötzlich wieder genau neben seinem Ohr. Noch hatte Hizumi Aoi nicht gesagt, was aus seiner Familie geworden war. Der Schwarzhaarige ahnte nicht, dass sich in dem kleinem Garten hinter dem Tempel zwei Gräber befanden in denen zwei der wichtigsten Menschen ruhten, die es in seinem Leben bisher gegeben hatte. Und mit einem Mal wurde ihm die Binde von den Augen gerissen. Aoi schreckte zusammen, wollte sich schützend die Hände vors Gesicht schlagen, doch er vergaß, dass er noch immer die Handfesseln trug und er schrie auf, als jene erneut in seine Haut schnitten. Er kniff die Augen zusammen, untersagte sich einen Schmerzenslaut.

Erst als er sie langsam öffnete und in das Gesicht blickte, dass ihn aus seinem eignen Zuhause entführt hatte, zuckte er zurück. Seine Augen, die rot umrandet und vollkommen verheult waren, weiteten sich sofort. „Nein! Verschwinde!“, schrie er, doch Hizumi grinste nur. „NA guck an. Doch noch immer die kleine Wildkatze, hm? Ich könnte dir das ganz schnell austreiben, was du bis jetzt ja gut vermeiden könntest. Und hätte ich mehr Zeit gehabt, hätte ich mich dir gerne mehr gewidmet.“ Hizumis stahlharter Griff umfasste das Kinn des Schwarzhaarigen und Aoi hatte Angst, der Andere würde es ihm brechen, so weh tat es. Doch seine Augen strahlten neben der Angst auch eine heftige Portion Trotz aus.

„Was habt ihr vor?! Und wo sind die anderen?!“ „Oh du willst es wissen, na gut… ich zeigs dir gerne. Dein Freund hat anscheinend aufgeräumt.“ Er grinste, zerrte Aoi schließlich sofort wieder hoch. Sie alle hatten die Gräber entdeckt. Er schleifte den anderen durch die Räume bis zu einem Fenster und riss kurzerhand die Läden herunter. „Schau… da sind sie deine Freunde.“ Er gab Aoi den Blick auf den Garten frei. Erst konnte der Schwarzhaarige nichts erkennen aufgrund des einfallenden Lichts der noch stehenden Sonne, doch dann entdeckte er, die aus Holzstücken geformten, Kreuze.

Es ratterte in seinem Kopf. Erst war er verwirrt, dann schockiert und schließlich weiteten sich seine Augen, als er sich der Bedeutung dieser Kreuze bewusst wurde. Tränen stiegen in seine Augen. „Nein… das… kann nicht sein… nein!“ Er wehrte sich dagegen, er wollte nicht glauben.

Hizumi beugte sich zu ihm vor. „Oh doch… sie sind tot! Sie sind alle tot… die beiden Mädchen. Sie waren ja so süß, als sie schliefen… und der Kerl… hat sich noch versucht zu wehren, doch er hatte keine Chance.“, raunte er teuflisch in das Ohr des Kleineren, leckte einmal mit seiner Zunge darüber. Aoi registrierte dies kaum. Er war schockiert und mit einem Mal überkam ihm eine schreckliche Wehmut. Seine Beine gaben nach und er sank zu Boden und wieder traten Tränen in seine Augen, liefen über die blassen Wangen. „Oh wohl doch keine Wildkatze hm?“, lächelte Hizumi, trat auf die kauernde Gestalt zu, fasste das zerrissene Oberteil des anderen und zog ihn wieder hoch. „Erbärmlich wie ihr alle reagiert, sobald ein paar Menschlein abtreten.“, lachte er Aoi ins Gesicht und dieser hätte ihm am liebsten dieses arrogante Lächeln aus dem Antlitz geschlagen. „Du bist so ein mieses Schwein…“, zischte der Junge unter seinen Tränen. „Aber, aber… wer wird denn gleich ausfallend werden? Tröste dich doch… immerhin wirst du gleich deinen Schatz wieder sehen.“ Aoi sah Hizumi an. „Reita?“ „Genau den… immerhin will er ja seinen kleinen Liebling wiederhaben nicht wahr? Nur ob du ihn noch haben willst?“ Hizumi genoss es mit dem Kleinen zu spielen. Diese wechselnden Mienen von Trauer, über Wut bis Fassungslosigkeit waren einfach köstlich. Und endlich bewegte er sich auf sein Ziel zu.

„Er hat dir so vieles verschwiegen, was du alles nicht weißt.“, flüsterte Hizumis böse Zunge weiter. Aoi war verwirrt, aufgelöst, am Boden. Er wusste nicht mehr wo ihm der Kopf stand. Das hatte Hizumi erreichen wollen. „Er hat dir sicher noch nie etwas über seine Vergangenheit erzählt nicht wahr? Wo er herkam, wie er aufwuchs…“ Leise und unheil verkündend raunte Hizumi dem Jungen diese Worte. „Er hat dir nicht erzählt, dass er kein richtiger Mensch ist, sondern ein genetisch verändertes Wesen. Oder warum kann er so gut hören, so gut riechen? Hast du dich das nie gefragt?“ Wieder leckte die fremde Zunge über sein Ohr und er schauderte. Aoi konnte die Worte nicht glauben. Es klang alles wie aus einem schlechtem Traum. Was sollte Reita sein? Ein genverändertes Wesen? Nein… das konnte nicht sein…

Ein leiser Ruf ertönte plötzlich, etwas, dass klang wie das Rufen eines Käuzchens und dennoch erkannte Hizumi diesen als das ausgemachte Lockzeichen. Er sah Aoi an, der noch immer auf dem Boden saß. Schnell hatte er das Tuch geschnappt, welches dem anderen bis eben noch über den Augen gelegen hatte. „Dein Schatz ist im Anmarsch… er sollte gebührend empfangen werden, nicht wahr? Du hast erst mal Pause, kleines Vögelchen.“ Damit verband er dem Schwarzhaarigen den Mund, legte eine Hand über seine Augen und zerrte ihn wieder aus dem Raum.
 

***
 

Nicht nur Hizumi hatte den Käuzchenruf gehört, sondern auch Reita und Sakito. Sie beide waren nicht dumm. Sie hatten die Anwesenheit der Fremden längst bemerkt. Dank Reitas scharfem Gehör hatten sie das unnatürliche Wiegen in den Bäumen gehört und waren nun auf der Hut. Sie wussten nicht auf was sich eingelassen hatten, wie viele Gegner sie erwarteten, sie bewegten sich wie ein Kaninchen direkt in die Falle, nur mit dem Unterschied, dass sie das durchaus wussten.

Sakito warf Reita einen kurzen, aber bedeutungsvollen Blick zu. Er spürte eine innere Aufregung, ja vielleicht sogar ein bisschen Angst. Seine katzenhaften Augen glitten über die Bäume, die dicht aneinandergereiht links und rechts ihren Weg säumten. Das letzte Licht der Sonne fiel durch das dichte Blätterwerk und ließ die Schatten spielen.

Doch dafür hatten die beiden Transgenos keinen Blick. Sie fokussierten sich auf die Silhouette des Tempels, die langsam vor ihnen auftauchte. Alles wirkte ruhig, fast schon friedlich, doch genau diese Ruhe war trügerisch. Einige Vögel zwitscherten noch ihr letztes Lied für den Tag und in den Bäumen spielten einige Eichhörnchen.

Sie kamen dem Tempel langsam näher und je größer dessen Umrisse vor ihnen auftauchten, desto angespannter fühlten sich die beiden. Noch wirkte alles ruhig und genau das machte diese Sache so gefährlich. Jederzeit könnte etwas aus den Baumkronen oder zwischen den mächtigen Stämmen der alten Zedern hindurchsausen und sie treffen, denn auch wenn sie schnellere Reflexe und weitaus bessere Sinnesnerven hatten als normale Menschen, waren sie immer noch verletzlich.

Reitas Nerven waren zum zerreißen gespannt und seine linke Hand zitterte leicht. Sie war noch immer etwas geschwächt durch die leichte Verletzung seiner Schulter, ein Manko, das in einem Kampf um Sieg und Niederlage entscheiden konnte.

Sakito selbst hatte seine feinen Sinne ausgefahren und achtete auf jede Unstimmigkeit in dieser Umgebung und mit einem Mal zuckten seine Ohren kurz. Es war mehr ein Reflex als eine überlegte Handlung, als er Reitas Schulter packte und ihn nach hinten zog.

Keine Sekunde zu früh, denn schon im nächsten Augenblick sirrte ein silberner Schatten durch die Luft, blieb direkt in dem Stamm neben ihnen stecken. Es war eines jener Kampfmesser, die auch Sakito benutzte, das nun aus dem mächtigen Stamm der alten Zeder ragte. Sofort stellten sich die beiden kampfbereiten jungen Transgenos Rücken an Rücken und hatten beide ihre Waffen gezückt. Sakito eines der Messer und Reita einen gezackten Wurfstern. Er hatte sich einige Waffen von dem Brünetten genommen, war es doch einfach zu gefährlich, unbewaffnet hier aufzutauchen.

Ein lautes Lachen schallte von links und damit hatten ihre Gegner den besten Vorteil verspielt, die Sicherheit des Waldes! Sofort flogen der Stern und das Messer in die Richtung der Stimme, doch sie verfehlten ihr Ziel. „Na, na… wer wird denn gleich mit Messern um sich werfen, #443!“, rief eine dunkle Stimme nun von rechts. Beim Klang der vertrauten Registernummer biss Sakito sich kurz einen Moment auf die Lippen. Doch seine katzengleichen Augen huschten unmenschlich schnell hin und her, sie ließen ihn auch dieses Mal nicht im Stich. Er erkannte die zwei schlanken Silhouetten zweier Personen, die eine rechts im Wipfel eines Baumes, die andere links, halb verborgen vom Stamm. Sie wollten sie verwirren, doch die beiden Jungen ließen sich nicht beirren. Sie drängten sich enger an den Rücken des anderen, boten sich so von der Rückenseite Schutz.

„Wie viele?“, zischte er Reita zu, der mit dem besseren Gehör in dieser Situation im Vorteil war. „Vier!“, hauchte er leise zurück. „Einer rechts, einer links, einer vor mir, der andere hinter dir.“, kamen die weiteren Ansagen. Sakito verengte die Augen. Also waren sie eingekreist. Eine Situation, die ihm nicht behagte. Er konnte gegen vier gewinnen, wenn es sich um normale Menschen handelte, doch ihre Gegner waren vom selben Schlag wie sie, genetisch aufgearbeitet! Schnellere Reflexe, schärfere Sinne, bessere Körperbeherrschung und doppelt gefährlich! Also würde es zwei gegen einen stehen in diesem Kampf. „Konzentrier dich!“, drang Reitas Stimme wieder zu ihm durch und seine Hand krallte sich um den kühlen Griff des kleinen, verdammt scharfen Messers. Noch am Morgen hatte er alle seine Waffen präpariert, einfach um sicher zu gehen. Sie waren alle mit einer höchst giftigen Substanz versehen worden. Eine Verletzung durch diese Waffen konnte also tödlich enden! Sakito hatte nie mit Vorsatz getötet, nur wenn er es musste. Und so ging er auch heute heran.

„Gute Lösung für dein Problem, #668! Du hast ihn eingeweiht, weil du dir somit höhere Chancen errechnest deinen kleinen Schatz zu retten, nicht wahr? Nur doof, dass diesen Denken falsch ist.“ Wieder ein Lachen, diesmal von vorn. Reita spannte sich an. „Lass dich nicht provozieren!“, zischte Sakito dem Blondschwarzen zu. Er wusste, dass Gefühle eine Situation erschweren konnten, besonders wenn es Wut und Rache waren. Die Gefühle hatten seine Reise all die Jahre hindurch geleitet, jene und der Wunsch nach etwas Frieden.

Erneut flog ein Messer, diesmal genau auf sie zu. Sie lösten kurz ihre Haltung, sprangen dann aber wieder an den Rücken des anderen. Ihre Gegner wollten durch Provokation und das Einwerfen verschiedener Waffen bewirken sie zu trennen. Das wusste nicht nur Sakito, sondern auch Reita. Eine ähnliche Taktik hatten sie in dem jahrelangen Training bei Menticore gelernt. „Komm schon #668! Während ihr hier Katz und Maus spielt, könnte dein kleiner Schatz schon den Kampf ums Überleben bestreiten. Ist er dir so wenig wert, dass du ihn sterben lässt und lieber wartest!?“ Wieder setzte die Stimme von vorn ein und noch härter spannten sich Reitas Muskeln an. Er zitterte leicht vor innerer Wut und die Faust ballte sich schon fast schmerzhaft um den Stern in seiner Hand. Er durfte sich nicht provozieren lassen! Dies galt alles nur dem Zweck sie zu trennen. Aoi war in Sicherheit! Er wusste es!

„Oh und noch etwas! Er hat ja so sehr nach dir geschrieen, als ich ihn nahm. Wirklich hübsches Spielzeug hast du, das muss man dir lassen, doch ob du jetzt noch viel Spaß an ihm haben wirst, bezweifle ich doch sehr!“ Dieser Hohn in der Stimme, die Freude an den Schmerzen, die sie ausdrückte.

Reita konnte sich nicht mehr halten!

Er stieß einen wütenden Schrei aus und ehe Sakito auch nur reagieren konnte, brach der Blondschwarze ihren Schutz und stürmte nach vorn, genau auf die Stimme zu, die ihn die ganze Zeit gereizt hatte.

Darauf hatten Hizumi und seine Leute nur gewartet. Der Dunkehaarige, der die ganze Zeit gezielt Reitas Schwachpunkt ausgespielt hatte, gab nur ein kurzes Zeichen und schon schossen zwei Messer in Reitas Richtung, trafen den Schwarzblonden zwischen den Schulterblättern, der wie ein Berserker nur ein Ziel vor Augen gehabt hatte. Ein Schrei, der zwischen Wut und Schmerz nicht zu unterscheiden war, entrann seiner Kehle und er knickte ein. Er rollte sich herum, verursachte somit jedoch nur, dass die Messer sich noch weiter in seine Schultern und die Muskeln bohrten.

Sakito hatte das Ganze nur beobachten können. Er wollte dem Älteren nach, doch schon sah er sich umzingelt von gleich drei Gegnern. Alle waren sie in dunkle Tarnkleidung gehüllt und nur ihre Augen und Nasenansätze waren von ihrem Gesicht zu erkennen. //Verflucht!//, schnappte der Junge in seinem Kopf, zog gleich zwei der giftigen Kampfmesser und stellte sich in Angriffsposition. Seine drei Gegner sahen sich nur an, lächelten sich unter den Tüchern zu. „Meinst du wirklich, dass du gegen uns drei eine Chance hast, Wildkätzchen?“, sagte einer von links. Sakito wandte ihm nicht den Blick zu, sondern konzentrierte sich auf alle Gegner, auch wenn es schwer war sie alle im Auge zu behalten. Doch er erkannte sofort die Stimme, grinste nur leicht. „Vielleicht… aber eigentlich seid ihr nur zwei, denn dich habe ich ja schon ausreichend verletzt, nicht wahr?“ Seine Stimme klang spottend. Er versuchte nun dieselbe Taktik, die auch bei Reita geklappt hatte. Sakito konnte nun nicht an den anderen denken. Reita hatte ihre Verteidigung gebrochen, doch Sakito sorgte sich um den anderen, denn der Schrei war ihm durch Mark und Bein gegangen. Aber zuerst musste er sich um diese Gegner hier kümmern!

Tsukasa biss unter dem Tuch die Zähne zusammen und sein Blick fixierte sich angriffslustig auf den Brünetten. Wieder war er von der Gestalt eingenommen und beeindruckt. Sakito ähnelte mehr und mehr einer Katze. Seine leicht geduckte Haltung, die Messer, die er wie Krallen von sich gestreckt hatte und der Blick in den goldgelben Augen. Doch er ließ sich davon nicht abbringen. Es galt nun diesen Menschen zu fangen und das möglichst ohne schwere Verletzungen.

Karyu und Zero, die beide ebenfalls ihre Waffen gezückt hatten, beobachtete die Situation zwischen ihrem Gegner und Tsukasa mit Amüsement.

Doch auch sie spürten die Kraft die von dem Jungen ausging und sie animierte sie zu größerer Vorsicht. Einen Gegner zu unterschätzen war der größte Fehler, den man in einem Kampf begehen konnte und dank der Schilderung Tsukasas und den Akten wussten sie halbwegs über die Stärke des Jüngsten Bescheid. Aber sie konnten sich keinen Fehler erlauben. Nicht noch einmal! Daher sollten sie diese Sache schnell hinter sich bringen.

Ein Blickaustausch mit den anderen und schon stürmten sie los. Ihre Messer waren angesetzt, doch Sakito war schneller. Er warf sich auf den Boden, wich so einem Angriff aus, während er mit den Beinen nach denen Tsukasas trat, ihn erwischte und somit auch zu Boden schickte.

Der Brünette sprang mit der nächsten Bewegung auf die Beine, warf nun seine Messer und zerfetzte einem weiteren seiner Gegner das rechte Armoberteil, verletzte die Haut jedoch nicht.
 

***
 

Und während Sakito sich mit seinen Gegnern herumschlug, hatte Reita sich wieder auf die Beine gekämpft und mit einem Ruck die beiden Messer aus seinen schultern gezogen. Ein Schwall warmen Blutes ergoss sich über seine Schultern und tränkte den Stoff seines Oberteils. Doch er spürte den Schmerz nicht, viel zu sehr war sein Blick auf die beiden Gestalten fixiert, die er nun deutlich erkennen konnte. Er hielt in sich inne, starrte verständnislos auf Hizumi und den Schwarzhaarigen in seinen Armen, den der Dunkelhaarige ohne große Anstrengungen halten konnte. Aoi hatte sich versteift und auf seinen Wangen zeichneten sich feine Tränenspuren. Er hatte versucht zu schreien, als Reita zu Boden gegangen war, hatte ihm sofort zurufen wollen, als er ihn entdeckt hatte, er solle verschwinden, das alles war eine Falle.

In Reitas Blick lag Sehnsucht und Angst. Er hatte Angst um seinen Geliebten. Er traute sich nicht sich zu bewegen, eine falsche Handlung zu tun und damit vielleicht Hizumi zu einer Tat zu bringen, die dem Schwarzhaarigen noch mehr schaden könnte.

Hizumi grinste. Seine Hand ruhte um Aois Hüfte. Er hielt den Kleineren eng an seinen Körper gedrückt und mit der freien Hand hielt er dem Jungen ein Messer an die Kehle. Die Klinge reflektierte sich im trüben Sonnenlicht.

„Hmm… schau ihn an Aoi? Total verstört der Arme. Er macht sich Sorgen. Muss er das?“ Er sah sein Opfer an, grinste. Dann strich er mit dem Messer die schwarzen Haare aus dem Nacken des Kleineren, neigte seinen Kopf und legte seine Lippen auf die weiche Haut, sog den herrlichen Duft des Schwarzhaarigen ein, der zu zittern begann. Dann leckte seine Zunge langsam über die schmale Halspartie. „Hnn er schmeckt so gut. Wirklich köstlich Reita…“, schnurrte der junge Mann, blickte Reita auffordernd an. Dieser ballte die Hände zur Faust, spürte nicht das Blut, welches nun auch über seine Hand lief, als die Zacken des Sternes sich in seine Handinnenfläche gruben. „Lass ihn los!“, knurrte der Blondschwarze, doch seine Stimme zitterte. Hizumi lachte. „Warum sollte ich das? Er ist so ein wunderschönes Spielzeug. Warum sollst du ihn für dich allein haben. Hast du nicht gelernt zu teilen.“ Hizumis Zähne vergruben sich in Aois Hals, verletzten die zarte Haut. Aoi zuckte zusammen, schloss die Augen. Er wollte das nicht! Es sollte aufhören! In ihm schrie alles danach… er wollte zu Reita, wollte in den Armen seines Geliebten liegen. „Oh ja… er hat Angst. Siehst du was du angerichtet hast Reita? Sein Puls jagt. Er würde nicht hier sein, wenn du ihn nicht kennen gelernt hättest. Ihm wäre kein Leid geschehen, wenn du deine Hände von ihm gelassen hättest. Eure Freunde würden noch leben, wenn du ihnen nicht begegnet wärst. Welch eine Tragödie, hm?“ Dunkel und böse suchten sich diese gesprochenen Worte einen Weg zu Reitas Herz. Der Schmerz in seinem Inneren betäubte den körperlichen. Hatte dieser Fremde Recht? Würden Ryoko und Ayumi noch leben, wenn er niemals aufgetaucht wäre? Hätte Aoi niemals diese Schmerzen erleiden müssen, die Hizumi ihm zugefügt hatte?

Er begann zu zweifeln. Seine Hände zitterten und langsam ließ der druck um die Waffe nach. Der Stern fiel zu Boden.

Hizumi triumphierte. „Du bist so schwach Reita… war es nicht die erste Regel, die du gelernt hast? Gefühle machen einen schwach… sie machen einen angreifbar.“ Erneut versenkte Hizumi die Zähne in der weichen Haut seines Opfers, begann nun zu saugen, hinterließ an dieser Stelle einen dunklen Fleck, der Reita nur noch mehr Schmerz zufügte.

Dieser gequälte Ausdruck in Aois Augen, dieser Hilfeschrei…

Aoi bäumte sich im Inneren auf. Er sah wie Reitas Blick immer hilfloser wurde, wie der starke Körper in sich zusammensackte. //Lass dich von ihm nicht verunsichern! Nichts ist deine Schuld! Er lügt!// All diese Gedanken wollte er seinem Geliebten zurufen, doch kein Wort drang über seine Lippen, waren diese doch durch den Knebel versiegelt. Und dennoch! Er musste doch etwas tun können? Reita durfte nicht aufgeben.

Aoi ignorierte die Klinge, die sich unangenehm gegen seine Kehle drückte. Er begann sich zu regen, undeutliche Worte zu Reita zu schreien. Er zuckte nicht zusammen, als das Messer in seine Haut schnitt, ihn somit leicht verletzte. Er wollte Reita zeigen, dass er nicht auf diese Worte hören sollte! Nein er durfte einfach nicht!

Hizumi knurrte! Was bildete sich dieses Miststück ein! Er riss Aoi hart an den Fesseln zurück, drückte die Klinge wieder an den Hals des Kleinen, diesmal mit mehr Druck. „Halt die Klappe Miststück!“, grollte er, war in diesen Momenten abgelenkt.

Diese kurzen Momente, die kaum die Länge einer Sekunde überschritten, nutzte nun aber Reita. Er war aus der Trance erwacht, als Aoi sich zu regen begann, versuchte ihm etwas zuzurufen. Doch es waren nicht diese Dinge sondern der Ausdruck in den dunklen schönen Augen. Der Blick war fest, sicher und gefüllt von Vertrauen, Zuversicht! Reita hatte die Nachricht verstanden, die der Schwarzhaarige ihm übermitteln wollte. Er hatte den Stern wieder an sich gerissen, war vorgeschnellt und warf die Waffe mit einer unglaublichen Präzision, traf Hizumis Hand mit dem Messer! Die Zacken des Wurfsterns verkeilten sich in dem Fleisch des Unterarms, ließen Hizumi mehr vor Überraschung als vor Schmerz aufschreien. Das Messer fiel aus seiner Hand. Und jener Moment wurde von Aoi genutzt. Er warf sich gegen Hizumi, brachte sie somit zu Fall und rollte sich schnell aus der Reichweite des Dunkelhaarigen. Schnell war Reita zur Stelle. Er warf Aoi einen kurzen Blick zu, lächelte ihn an. Mit einer schnellen Bewegung entriss er ihm den Knebel, zog ihn auf die Beine. „Lauf Aoi! Lauf in die Stadt zu Tora und Saga! Beeil dich!“, raunte er ihm zu. In seinem Blick lag Sehnsucht, solch große Sehnsucht. Er wollte den Schwarzhaarigen in die Arme schließen, ihn küssen, doch dazu blieb ihnen keine Zeit.

Hizumi hatte sich schnell von dem Übergriff erholt, stand wieder auf den Beinen und zog den Stern aus seinem Arm. Er spürte die Verletzung nicht. Alles was er spürte, war Wut, unendliche Wut!

Er hob den Stern, zielte genau und warf! Doch das Geschoss traf sein Ziel nicht. Es wurde von einem Messer abgewehrt. Reita hatte sich aufgerichtet. Zornfunkelnde Augen blickten dem Dunkelhaarigen entgegen und seine Hand war noch gehoben. Er hatte das Messer geworfen. Aoi, der das Ganze noch beobachtet hatte, hatte die Augen geweitet. Auch er konnte den Hass in Reitas verdunkelten Augen sehen und es schreckte ihn ab. Noch nie hatten sie so gefunkelt, noch nie hatte ein Ausdruck von einer solchen Boshaftigkeit in ihnen gelegen. „Aoi! Steh nicht rum! Lauf endlich!“, grollte Reitas dunkle Stimme. Der Schwarzhaarige zuckte zusammen, zögerte. „NUN MACH SCHON!“, schrie Reita ihn jetzt an und erschrocken von der Wucht in der Stimme, stolperte der Junge etwas zurück, nickte dann aber verunsichert. Er drehte sich um und begann zu laufen.

Hizumi fluchte innerlich auf. Er sah die Gestalt des Jungen zwischen den Bäumen verschwinden, doch schnell musste er sich auf andere Dinge konzentrieren. „Hier spielt die Musik!“ Es folgte ein weiterer Stern, der nur knapp das Gesicht des Dunkelhaarigen verfehlte. Hizumi sprang einige Schritte zurück und dennoch bildete sich nun wieder ein Lächeln auf seinen Zügen. „Glaubst du wirklich, du hast gegen mich eine Chance, #668? Du bist verletzt und hast viel Blut verloren. Du wirst den Kampf nicht gewinnen!“ „Im Gegensatz zu dir schwinge ich jedoch keine großen Reden, sondern schreite zur Tat!“ Reita schnellte vor. Feine Blutspritzer flogen durch die Luft, ausgehend von den klaffenden Wunden auf seinem Rücken. Reita ignorierte es einfach. Er hatte sich auf sein Ziel festgebissen.
 

***
 

Nicht weit von der Stelle entfernt, an der nun Hizumi und Reita ihren Kampf austrugen, kämpften auch Sakito und der Rest der Einheit DeltaI. Bisher waren sie alle gut davongekommen. Sakito schaffte es immer wieder durch seine Schnelligkeit den mehrfachen Angriffen auszuweichen, während er selbst immer heftiger auskeilte. Tsukasa und Zero bluteten bereits aus leichten Wunden an Armen und Beinen, während Sakito zwei Wunden an der Schulter und dem rechten Bein davongetragen hatte. Doch dies alles war nicht nennenswert. Es war noch immer nur ein herantasten, kein wirkliches Gemetzel. Karyu hatte sich ganz aus dem Kampfgeschehen zurückgezogen, beobachtete nun. Er wollte eingreifen, wenn Zero und Tsukasa selbst nicht mit diesem Bürschchen fertig werden würden. Er scannte jede von Sakitos Bewegungen, prägte sich die Wurftechnik ein, die Schnelligkeit und die Winkel seiner Angriffe. Alles konnte von Vorteil sein.

Der Katzenjunge wich gerade vor zwei weiteren Angriffen aus, entkam diesen durch eine Rolle über den Boden, während seine Arme selbst nach vorn schnellten und seinen Angreifern zwei weitere leichte Wunden zufügten. Noch immer kämpfte er mit den vergifteten Waffen und mochte es auch alles zufällig erscheinen, hatte er jede Verletzung genau berechnet. Tsukasa zischte, als das Messer seine rechte Wade schnitt, doch er ließ sich nicht beirren. „Komm schon Kätzchen. Zeig uns endlich deine Krallen. Wir wollen nicht spielen!“, raunte er kühl, ja provozierend. Doch auch Sakito ließ sich nicht beirren.

Er wich nun zurück, als Zero ihm näher kam. Der Schwarzhaarige hatte bisher kein Wort gesprochen. Er war still auf sein Ziel gerichtet und die Verletzungen spürte er nicht. Er war auf Sakitos Hals fixiert, ebenso wie Karyu von außen. Doch sie mussten noch warten.

Tsukasa bemerkte von dem stillen Blickaustausch seiner Gefährten nichts. Er setzte nun seinem Konkurrenten nach, hatte das Messer in der Hand schon erhoben. Sein Ziel war nah, als Sakito eine Wurzel übersah und nach hinten stolperte. Doch genau in diesem Augenblick versagte sein links Bein. Er knickte um und mit einem Schrei überschlug er sich. Mit einem erschrockenen Ausdruck in den Augen blieb er kurz liegen, richtete sich aber schnell wieder auf und sah auf sein Bein. Es zitterte und wenn er es bewegen wollte, gab es nach.

Sakito hatte das beobachtet und unbemerkt von seinen Gegnern die Lippen zu einem Lächeln verzogen. //Endlich wirkt das Gift!// Er fackelte nicht lange, zückte ein neues Messer und war bereit zum letzten Schlag auszuholen. Doch ein Stoß und ein brennender Schmerz in seiner Seite brachten ihn von seinem Vorhaben ab. Sakito wich instinktiv zur Seite weg, ehe das Messer erneut seinen Körper traf.

Karyu sprang sofort zurück und sah den Kleineren aus verengten Augen an. Sakito stand und sein Brustkorb hob und senkte sich leicht, doch er verzog keine Miene. Seine unglaublich beeindruckenden Augen waren scharf auf die Gestalt des Braunhaarigen gerichtet.

Karyu erwiderte diesen Blick standhaft, in seiner Hand funkelte das Messer, dessen Klinge rot glänzte. Sie standen nur da und sahen sich an, nicht mehr und nicht weniger.

Zero beobachtete sie. Er hatte innegehalten, als Tsukasa zu Boden gegangen war und Karyu sich in den Kampf eingemischt hatte.

„Hilf ihm auf, Zero.“, meinte Karyu kühl, ließ jedoch Sakito dabei nicht aus den Augen. Der Schwarzhaarige gehorchte sofort und begann Tsukasa zu stützen. Dieser hatte die ganze Szene mit verbissener Miene beobachtet, hatte selbstständig versucht aufzustehen, doch sein Bein versagte ihm noch immer den Dienst. //Verdammt, was ist nur los!// Er ließ sich nur widerwillig von Zero hochziehen, der nicht gerade sanft mit ihm umsprang. Doch Tsukasa störte das nicht. Er verlagerte sein Gewicht auf das rechte Bein, beobachtete die Szene zwischen Karyu und ihrem Gegner.

„Schlaue Taktik, #443. Deine Waffen mit Gift zu versetzen und dann gezielt bestimmte Körperteile zu verletzen, nenn ich doch sehr intelligent.“ Karyu grinste, als Sakitos Augen sich verengten. Innerlich war er schwer beeindruckt von der Denkweise des Jungen, der seinen Körper jetzt wieder anspannte, nicht auf die Wunde achtend, die nun seine Seite zierte. Im jahrelangen Training hatten sie lernen müssen Schmerzen auszublenden, wenn es ernst geworden war und die anstrengenden Tests hatten alle ihre Nerven und Sinne geschult. Doch diese Intelligenz war schon gefährlich.

Der braunhaarige Mann lächelte, hob nun ebenfalls wieder die Waffe.

Zero beobachtete noch immer und auch er war überrascht gewesen von den vergifteten Waffen zu hören. Wer hätte das schon ahnen können? Aber im Gegensatz zu Tsukasa bemerkte er keine körperlichen Einschränkungen, sondern konnte sich frei bewegen. Anscheinend war das Gift nicht weit genug in seinen Körper vorgestoßen. Doch das interessierte ihn nicht. Mit einem Mal ertönte ein Knacken hinter ihnen und er fuhr herum, sah im Wald die Gestalt Aois verschwinden. Er warf Karyu einen Blick zu, der es ebenso bemerkt hatte, auch Sakito. Doch anders als Karyu ließ er sich nicht ablenken, sondern startete einen Angriff, sprang den Braunhaarigen an, der die Bewegung nur aus den Augenwinkeln wahrgenommen hatte und genug Zeit fand, seinen Körper aus der Bahn zu winden und somit verhinderte, dass die giftige Klinge ihm die Kehle durchtrennte, denn darauf hatte Sakito gezielt. Der brünette Transgeno krachte mit dem Älteren zusammen und gemeinsam gingen sie zu Boden. Sofort versuchte Sakito erneut die Kehle seines Feindes zu fassen, doch Karyu sah das vorraus, stemmte seine Arme gegen die Sakitos und umfasste die Handgelenke, wehrte das Messer ab und warf sich mit dem Jungen herum, begrub ihn nun unter sich. Karyus Gesicht zeichnete die Anstrengung, denn es kostete Kraft den Transgeno am Boden zu halten. Er fand nur den kurzen Moment um Zero einen Blick zuzuwerfen. //Geh ihm nach und töte ihn!//, hieß die Botschaft und sofort hatte der Schwarzhaarige verstanden. Er flüsterte Tsukasa etwas zu, der sofort nickte. Sakito bemerkte den stillen Schlagabtausch der beiden Kumpane und er hatte schnell begriffen, was hier vor sich ging. Der Junge, der durch den Wald gelaufen war, musste Aoi sein und der, den sie Tsukasa nannten, sollte ihm nach und ihn töten. Für Reita würde es das Aus bedeuten!

Seine Pupillen zogen sich zusammen und er bekam eine Hand frei, formte seine Finger zu Krallen und schlug diese Karyu in den Hals. Die Haut brach und sofort tropften die warmen Spritzer auf das Gesicht des Katzenjungen. Karyu zischte, griff mit seinen Händen nun nach der Kehle Sakitos, fand sie und drückte hart zu. Sofort entspannte sich Sakito, auch wenn seine Luft abgeschnürt wurde, war der Kampf noch nicht vorbei. Ihm blieben vier Minuten!

Tsukasa hatte sich sein eigenes Messer geschnappt und gnadenlos in das eigene Bein gerammt. Der brennende Schmerz, der ihn durchloderte, brachte die Muskeln zu einer neuen Reaktionsfähigkeit. Das Gift lähmte noch immer einige seiner Nerven und Muskeln, doch nun konnte er sein Bein wieder bewegen. Er setzte dem Schwarzhaarigen nach.

Zero blieb und sicherte den Kampf zwischen Karyu und Sakito ab. In seiner Tasche hielt er bereits die Waffe verborgen, die zum Einsatz kam, wenn Sakito die meiste Kraft verbraucht hatte. Jener hatte seinen Körper entspannt, drückte seine Hand jedoch weiter gegen den Hals des anderen, vergrößerte die Wunden noch mehr. Er spürte das warme Gewebe und die klebrige Flüssigkeit an seinen Fingern und wie feine Spritzer seine Wangenknochen bedeckten. Aber es war egal. Er wartete nur auf einen Augenblick und dieser würdeschnell kommen. In Karyus Augen loderte der Zorn und noch härter drückte er die Kehle des Transgenos unter sich zu, musste aufpassen nicht den Kehlkopf zu zerschmettern, denn dann würde dieser Junge nutzlos sein und nur eine weitere Leiche für die Müllentsorgung Menticores.

„Gib auf!“, zischte er den Jungen an, doch dieser erwiderte mit einem Aufblitzen in den Augen. „Nie…mals!“ Karyu knurrte, wollte Zero gerade das Zeichen geben, doch genau diesen Moment passte Sakito ab, stützte seine Beine auf den Boden und mit einer gewaltigen Kraft in den unteren Extremitäten, warf er sich samt Karyu herum und befand sich nun über dem anderen, dem nur ein erstickter Schrei entkam. Sakitos Finger gruben sich automatisch tiefer in das Fleisch und die Sehnen und als er sie wie zu einer Faust zusammenfügte, löste sich sofort der Griff um seinen Hals und Karyu riss die Augen auf, klammerte die Hände nun an das schmale Gelenk seines Gegners. Sakitos Blick war starr auf seinen Konkurrenten gerichtet, wie jener sich zu winden begann. Er spürte den schnellen Pulsschlag gegen seine Finger, wie die Schlagader verzweifelt Blut pumpte und versuchte den Organismus am Leben zu halten. Nur noch ein bisschen und er würde Karyu die Kehle zerreißen. Fasziniert waren seine Augen auf die zuckenden Gliedmaßen gerichtet. Ein Gefühl der Macht erfüllte ihn… Macht und der Durst nach Rache!

Nur ein Moment der Ablenkung, ein Augenblick der Nachlässigkeit!

Sakito schrie auf, fauchte wie eine wütende Katze und riss seine Finger aus dem Fleisch des unter ihm Liegenden. Es gab ein ekelhaftes PLOPP und weiteres Blut sudelte aus den Wunden, doch Karyu kümmerte das nicht. Die Verletzungen waren nicht leicht, aber auch nicht lebensgefährlich. Er stieß Sakito von sich, der blind nach der Spritze tastete, die in seinem Hals steckte. Als er die Ampulle endlich zu fassen bekam und aus dem Fleisch zog, sahen seine Katzenaugen sich sofort um. Natürlich! Wie hatte er den Zweiten vergessen können! Und Aoi… Reita!!

Er sprang auf, taumelte jedoch etwas. Was hatte man ihm injiziert? Ein Schlag kam auf ihm zu, traf ihm an der Wange und ließ ihn taumeln. Er hatte ihn nicht bemerkt! Er wirbelte herum, ließ seine Sinne ausfahren.

Rechts!

Er hob seinen Arm, wehrte einen weiteren Angriff an, keilte gleichzeitig mit den Beinen nach dem Angreifer und traf! Ein unterdrückter Schrei, als Sakitos Beine sich im Sprung um die des Angreifers wickelten und sie beide zu Boden gingen. Diesmal war es der Schwarzhaarige. Sakito verlor keine Zeit… alle Gnade alle Menschlichkeit wich aus seinem Körper und seinen Zügen.

Es gab ein hässliches Geräusch von brechenden Knochen und der Schwarzhaarige unter ihm schrie auf. Er rollte sich sofort weg, umklammerte sein Bein, welches in einem abstrakten Winkel zu seinem Körper abstand. Sakito hatte es mit gezielter Wucht beim Aufprall gebrochen.

Doch der Brünette verschwendete keinen Gedanken mehr an den Schwarzhaarigen. Er hatte ein neues Ziel!
 

***
 

Hizumi wich mit einem weiteren Sprung zurück. Seine Brust hob und senkte sich unregelmäßig und die Waffe in seiner gesunden Hand zitterte. Reita stand nur zwei Meter von ihm entfernt und auch bei ihm zeigten sich die ersten Anzeichen von Schwäche. Doch dies hatte weniger mit seinem Willen, als mit seinem Kreislauf zu tun, als vielmehr mit dem hohen Blutverlust, den er zu verzeichnen hatte. Besonders die Wunden auf seinem Rücken schmerzten nun deutlich spürbar. Das Kunai in seiner linken Hand konnte er kaum noch halten und den Arm kaum heben.

Sie hatten sich beide einen unerbitterlichen Kampf geliefert und noch war dieser nicht zu ende. Hizumi biss die Zähne zusammen. Innerlich kochte er vor Wut. Wie hatte es diese niedere Kreatur nur wagen können, ihn in die Enge zu treiben und wie hatte er den Fehler machen können, ihn zu unterschätzen. Längst waren auch bei ihm die Spuren des Kampfes zu sehen. Es war nicht bei der Wunde an seinem Arm geblieben, nein er blutete inzwischen auch an Kratzern im Gesicht und kleineren Schnittwunden am Oberkörper. Die Waffen, die sie beide benutzten waren scharf und gingen durch die Kleidung hindurch wie durch ein Stück Butter. Und der weitere unverzeihliche Fehler war, dass er keine Schusswaffe dabei hatte. Er hatte sich die Sache viel einfacher vorgestellt. Wer hätte auch ahnen können, dass dieser Mistköter solche Kräfte entwickeln würde?

Die Erholungspause war vorbei und Reita griff erneut an. Er dachte schon kaum mehr mit den Sinnen eines Menschen, als mit den Instinkten des Hundes in ihm. Er fixierte immer wieder die Kehle seines Gegners und andere tödliche Bereiche. Aber Hizumi verfügte über einen sicheren Kampfstil, sicherer als der des Transgenos. Reita hatte in den letzten Jahren wenig an seinen Fähigkeiten gefeilt, anders als Hizumi, der fast jeden Tag trainierte. Doch Reita kämpfte mit Verbissenheit und Willen und so war der Angriff, den er jetzt startete wieder auf die Kehle des anderen fixiert.

Hizumi hatte dieses Schema längst durchschaut, wich nur zur Seite aus und stellte Reita ein Bein, der ins Stolpern geriet, jedoch nicht fiel. Ihre Bewegungen waren schon recht unkoordiniert und dennoch versetzte Hizumi Reita einen weiteren Schlag, genau auf den Rücken. Der Blondschwarze keuchte auf, wirbelte jedoch herum und setzte zu einem weiteren Schlag an, traf auch, jedoch nicht dort, wo er wollte.

Hizumi verzog nicht eine Miene, als der Schlag ihn am Arm traf, doch er packte schnell zu und zog Reita zu sich. „Das wirst du büßen, Köter! Dein kleiner Liebling wird genau nach dir dran glauben!“ Damit versuchte er das Messer in Reitas Kehle zu rammen, doch dieser duckte sich darunter hindurch weg, kickte Hizumi die Beine weg, sodass der Schwarzhaarige nun der Länge nach fiel. „Oh, doch bevor das soweit ist wirst du dran glauben!“, grollte Reitas tiefe Stimme und er setzte zum entscheidenden Schlag an, als Hizumi das Messer noch mal hochriss und der Klinge des anderen begegnete. „So schnell nicht, kläffende Töle!“ Hizumi schwang sich zurück auf die Beine und stieß Reita gegen die Schulter. Dieser hatte damit so schnell nicht gerechnet, stolperte nach hinten und fiel über einen Stein zu Boden.

Nun regierte Hizumi ohne noch groß zu zögern. Er hob das Messer, ließ es niedersausen.

Reita sah die Klinge auf sich zuschnellen, seine Augen schlossen sich. Wenn das das Ende war, hatte er wenigstens Aoi retten können!

Doch kein Schmerz explodierte in seinem Körper, kein Messer durchdrang seinen Leib, nur ein ersticktes Geräusch ertönte über ihm.

Verwundert öffnete der Blondschwarze die Augen, sah über sich die Gestalt Sakitos, der Hizumis Arm in einem festen Griff umklammert hielt.

„Sakito…“, kam der Name des Jüngeren überrascht über seine Lippen. Der Brünette atmete inzwischen ebenfalls schwer und auf der Stirn des Jungen sah Reita den Schweiß glitzern. Sakito hielt Hizumi fest, während dieser ihn ebenfalls einen Augenblick verwirrt ansah, sich dann aber schnell fing, schneller als Reita es in diesem Moment vermochte. Die Klinge richtete sich nun gegen den Brünetten, von dem noch immer nicht mehr als die durchdringenden Augen zu sehen waren.

„#443! Was für eine Überraschung…“, knurrte Hizumi, sichtlich verstimmt. Das Sakito hier auftauchte musste heißen, dass er die anderen außer Gefecht gesetzt hatte. Sakito antwortete nicht, sondern starrte den anderen nur an. Er hatte Mühe sich noch vollkommen aufrecht zu halten. Inzwischen konnte er sich denken, was man ihm in den Hals gejagt hatte, denn die Spannung in seinen Muskeln war nicht länger zu ignorieren und die Schmerzen in seinem Kopf noch weniger. Und dennoch musste er durchhalten, würde auch mit jeder Bewegung die Starre und Lähmung seiner Muskeln deutlicher.

Er hielt die Hand aufrecht und das Messer in seiner Hand gegen Hizumis, hielt ihn ab. Die Worte, die er sprach galten nur dem Schwarzblonden.

„Reita… du solltest Aoi nach… er… wird verfolgt…“ Mehr sagte er nicht, konzentrierte sich nun auf Hizumi, der eine Augenbraue anhob, dann grinste, hatte er diese Information doch bisher nicht gewusst.

Reita stockte. „Was?“ „Fackel nicht lange… sondern geh ihm nach. Ich… habe den Kerl verletzt, doch… ich weiß nicht… ob er nicht doch… Aoi einholt… er will ihn töten…“ Sakitos Stimme zitterte und der Schmerz in seinem Kopf nahm ihm fast jeden klaren Gedanken. Reita hatte die Augen geweitet, musste diese Worte erst einmal in seinem Kopf verarbeiten, bis deren klare Bedeutung zu ihm hindurchsickerte.

Und dann sprang er auf die Beine. Aoi war in Gefahr! Schon wieder!

Doch stürmte er nicht sofort davon, wie es Sakito erwartet hatte, sondern hielt inne. „Was… ist mit dir?“, fragte Reita einen Moment zögernd. Sakito stöhnte, als sein Arm zitterte. Er konnte den Druck der Waffe kaum noch standhalten. „Verdammt frag nicht noch, sondern geh endlich! Ich komme schon klar!“, zischte der Brünette.

Hizumi beobachtete die ganze Szene mit einem hämischen Grinsen. „Oh wie niedlich, ihr doch seid. Und sicher, dass du klar kommst, #443? Du kannst dich doch kaum noch aufrecht halten!“ Und dabei verschwand Hizumis Hand in seiner Seitentasche. Sakito sah die Bewegung, doch sein Körper reagierte zu langsam. Er zuckte zusammen und sank etwas ein, als der gezackte Stern sich in seinen Bauch grub.

Reita sah es, war gewillt einzugreifen, doch erneut war es Sakito, der ihn anwies endlich zu gehen. „Reita… geh… endlich!“, zischte er, zog den Stern mit einem hässlichen Geräusch aus dem Fleisch und feuerte ihn gegen Hizumi zurück. Reita schluckte. Er gab es nicht gern zu, doch in den letzten Tagen hatte er Sakito schätzen und vielleicht sogar auch mögen gelernt. Ihn jetzt in dieser Situation zurückzulassen, die er seiner Meinung nach, nicht gewinnen konnte riss an seinen Nerven. Aber er musste zu Aoi und ihm helfen!

So schüttelte er nur den Kopf, drehte ab und verschwand.

Hizumi sah es nicht gerne, doch er musste ihn erst einmal gehen lassen. Mit einem Grinsen sah er Sakito an. „Glaubst du wirklich, dass er weit kommt? Wenn du erledigt bist, wird er dir folgen und der Junge auch! Du rettest nichts, genau so wie du damals nichts retten konntest!“ Mit diesen Worten sprang Hizumi zurück, jedoch nur um dann wieder anzugreifen.

Sakito wich der Bewegung aus, biss die Zähne zusammen. Er benutzte nun selbst wieder zwei Messer, die mit Gift getränkt waren. Etwas, dass Hizumi ja nicht wusste!
 

***
 

Hetzend und sich kaum umblickend rannte der Schwarzhaarige durch den dunklen Wald. Die Sonne war untergegangen und er sah nicht einmal mehr die Hand vor Augen. Etliche Male stolperte er und die rechte Hand hatte er immer wieder auf seinen Bauch gepresst. Sein Körper brannte und die gebrochenen Rippen taten ungemein weh. Seine Augen waren aufgerissen und auf seiner Stirn stand der Schweiß.

Aoi hatte Angst, Angst um Reita. Er war verletzt gewesen und dieses Monster noch nicht schwer. Konnte Reita diesen Kampf gewinnen?

Doch er sollte sich weniger Gedanken um den Blondschwarzen machen, als um sich selbst, denn wieder ertönte die Stimme hinter ihm, die sein Herz fast zum Aussetzen brachte.

„Komm schon halt an Kleiner! Du kommst nicht weit!“ Aoi griff sich fester auf die gebrochenen Rippen. Kam es ihm nur so vor oder war sein Verfolger näher gekommen.

Ihn packte die nackte Angst und ein ängstliches Wimmern entkam seinen Lippen. Wie sollte er einem von diesen Leuten entkommen so verletzt wie er war?

Er konnte ja nicht ahnen, dass auch Tsukasa verletzt war und mit seinem Bein leicht hinkte. Das Gift hatte sich noch nicht in seinem weiteren Körper verbreitet, sodass er dennoch gut voran kam und ein weiterer Vorteil waren seine Augen, die im Gegensatz zu Aoi in der Dunkelheit sehen konnten. Er machte die zierliche Gestalt des Schwarzhaarigen nur mit einem Abstand von einigen Dutzend Metern aus. Er lächelte in sich hinein.

Tsukasa nahm noch einmal etwas an Geschwindigkeit zu, vermied es gekonnt auf Wurzeln oder lose Äste zu treten, ganz anders als sein schwarzhaariges Ziel, welches immer wieder einknickte oder stolperte. Und durch das taktische Rufen aller paar Meter versetzte er den anderen auch zusätzlich in Panik.

Aoi hetzte weiter, blickte sich immer wieder panisch um und da passierte ihm der Fehler. Er konzentrierte sich zu sehr auf seinen Verfolger, als auf den Weg und konnte so nicht die Baumwurzel bemerken, die aus dem Boden ragte. Sein Fuß verfing sich in der Wurzel und mit einem leisen Aufschrei fiel der Junge über die Wurzel, landete genau auf der Seite seiner gebrochenen Rippen, das ihn erneut wimmern ließ.

Aoi war durch die Schmerzen einige Sekunden gelähmt, hatte vollkommen vergessen, dass er verfolgt wurde und jenes wurde ihm zum Verhängnis. Er hatte sich auf den Rücken gerollt und die Augen zusammengekniffen, versuchte diesen brennenden Schmerz wieder zu verdrängen.

Tsukasa hatte diesen Moment genutzt und den letzten Abstand zu dem Schwarzhaarigen überwunden. Er stand grinsend über ihm, während der Jüngere noch vollkommen mit sich selbst beschäftigt war. Doch das würde nicht mehr lange so sein.

Aoi riss die Augen auf, als eine Hand sich in seinem Oberteil krallte und ihn hochhob, sodass er in die dunklen Augen eines ihm unbekannten Gesichts blickte. Sofort begann der Junge sich zu winden, leicht zu treten, doch Tsukasa unterband jegliche Art von Wehr, indem er Aoi gegen einen der umstehenden Bäume drückte. „Versuch gar nicht erst dich zu wehren! Du hast keine Chance!“, raunte er ihm zu. Sein Bein wurde immer schwerer, doch er würde diesen Auftrag zu Ende bringen und einen Moment schien auch er der Versuchung zu verfallen zuerst noch etwas Spaß haben zu wollen, ehe er das Leben des Jungen beendete. Doch er widerstand dem anrüchigen Köper. Vergnügen konnte er sich später noch, wenn der Auftrag erst einmal zu Ende war. Und hübsche Körper gab es sichtlich genug.

„Sag Aufwiedersehen…“, raunte er dem Jungen noch zu, zückte nun seinerseits ein Messer, welches noch vollkommen frei von Blut und dergleichen war, drückte es dem Jungen an die Kehle. Aoi zitterte, hatte die Augen geschlossen. Sollte dies hier wirklich das Ende seines kurzen Lebens sein? Der Druck an seinem Hals schien ihm die Antwort zu geben.

Der Körper ergab sich unter der straff geführten Hand und Tsukasa grinste. Dieses Kind war einfach schwach. Es würde niemanden schaden, wenn der Schwarzhaarige von der Erde verschwand. Er setzte die Klinge an…
 

***
 

Ein unterdrückter Laut entkam ihm, als sein Rücken gegen den Baum schlug und die Knochen in seinem Leib leise knirschten. Eine Hand hatte sich um seinen Hals geschlungen, ebenso wie ein dünnes Seil, dass seine Luftzufuhr verwehrte. Zwei weitere Hände schlangen sich um seine Handgelenke, hielten diese über seinem Kopf fest zusammen.

Spöttische Augen sahen ihn an, erfreuten sich an dem Leid des Brünetten, an dem wilden ungebändigten Ausdruck in den goldgelben Katzenaugen. Er versuchte sich noch zu wehren, doch so langsam konnte er sich nicht mehr regen. Das Nervenmittel hatte fast alle Muskeln in seinem Körper betäubt und seine Nerven befallen, sodass jeder kleinste Druck ihm höllische Schmerzen bereitete.

Sakito sah sich wie ein verletztes Reh in der Falle von seinen Räubern!

Nachdem er einen Angriff auf Hizumi gestartet hatte, die vergifteten Klingen bereits in der Hand und seinem Ziel so nahe war, hatten zwei Hände ihn von hinten gepackt und zu Boden geschleudert! Er hatte Karyu nicht berücksichtigt, dass dieser immer noch auf den Beinen war!

Nun denn, die Quittung hatte er jetzt. Gegen beide zusammen hatte er allein keine Chance mehr gehabt, zumal das Nervengift seinen Körper immer mehr zur Unfähigkeit trieb. Unter einer Reihe von verzweifelten Selbstverteidungsversuchen immer mehr in die Enge gedrängt, fand er sich nun in der Situation wieder, die ihn jetzt umgab. An einen Baum gepinnt, unfähig sich zu rühren und zwei Gegnern gegenüberstehend, die zwar selbst angeschlagen, jedoch bei weitem nicht so körperlich fertig waren, wie er.

Er musste es einsehen, er hatte den Kampf verloren!

Hizumi und Karyu grinsten, als sie zusahen, wie die letzte Gegenwehr des zierlichen Körpers erstarb, jedoch der Hass und der Wille in diesen beeindruckenden Augen mit jedem Moment stärker wurden. Kalt lachte der Dunkelhaarige auf. „Oh sieh an, das Kätzchen will noch kämpfen, nur zu blöd, dass der Körper schwächer als der Geist ist, nicht wahr?“ Er hob seine freie Hand, während die andere noch immer den Hals des Jungen umklammerte. „Wollen wir doch mal sehen, wer sich hinter dir verbirgt, Kätzchen.“ Ja er war neugierig. Immerhin hatte er von dem Jungen, den Menticore unbedingt in seine Fänge bekommen wollte, noch immer nicht mehr gesehen außer eineigen braunen Haarsträhnen und diesen Augen. So legte er seine Hand auf das Tuch, welches den Rest des Gesichtes verbarg, zog es nach unten und entfernte dann auch noch das Kopftuch und blinzelte, grinste dreckig.

„Na schau mal einer an, was für ein hübsches Kerlchen. Hätte ich ja nicht erwartet.“ Er umfasste grob Sakitos Gesicht und drehte es zu sich. Zwei kleine Schnitte zierten die Wangenknochen des Jungen, doch anstatt das Gesicht zu verunstalten, gaben sie ihm noch mehr den Ausdruck einer Katze.

Auch Karyu betrachtete das Gesicht des Jungen und runzelte die Stirn. Es war deutlich, dass er mehr als hübsch war und doch umgab ihn noch immer diese merkwürdige Aura. Der Braunhaarige hielt die Hände des jungen Transgenos noch immer zusammen und ihn somit auch in einer aufrechten Pose.

Hizumi leckte sich erneut über die Lippen und ein Schauer perverser Erregung durchflutete seinen Körper. Aoi hatte er nicht haben können und was verbot ihm hier und jetzt diesen Jungen zu nehmen, der sein Interesse um vieles mehr weckte. Immerhin war es nicht irgendeiner, nein es war das Experiment, nach dem ganz Menticore verlangte, nach dem man neun Jahre ohne Erfolg gesucht hatte und er hatte ihn gefangen, ER!

Sakitos Atem wurde flacher und sein Gesicht färbte sich langsam rot. Der mangelnde Sauerstoff ließ die Sicht vor seinen Augen verschwirren, doch er gab sich nicht ergeben. Er hatte durchaus dieses perverse Glitzern in den feindlichen Augen gesehen und es weckte ihn mit Ekel, immerhin kannte er es genau. Und auch wenn sein Geist schrie und sich bändigte, konnte sein Körper nichts tun. Er war gelähmt.

Karyu beobachtete nur mit einem Grinsen seinen Führer dabei, wie dieser die Hand unter das bereits lädierte Textil von Sakitos Oberbekleidung wandern ließ und forsch die weiche Haut berührte. Er blickte zurück in Sakitos Gesicht, dass während der ganzen Sache nicht eine Regung zeigte. Außer in den Augen, die vor Hass und Wut schrieen und das der Puls unter der Haut des Jungen jagte und in Aufrührung war.

Doch egal was sein Geist auch machte, sein Körper war nicht mehr in der Lage sich zu rühren. Er war ein gefundenes Fressen für den Trieb Hizumis.

Aber nun betrachtete er den Jungen näher und mit einem Mal stockte er. Hatte er ihn nicht doch schon einmal gesehen? Es war der Ausdruck und die verkniffene Mundpartie, als Hizumi nun auch noch den Stoff entzweiriss und sich ungeniert an dem Oberkörper des Jungen verging.

Karyu begann nachzudenken. Er hatte ihn gesehen, auch diese Aura, doch es war Jahre her. Und mit einem Mal erhaschte er den Geistesblitz.

Fünf Jahre. Er selbst war damals 18 gewesen und zusammen mit DeltaI und einigen weiteren Soldaten bei einem Auftrag gewesen, der sich um einen Strassentribe mit dem Namen DevilSharks gehandelt hatte. Sie hatten diesen Tribe aus dem Weg räumen sollen, auslöschen, weil er der Regierung ein Dron im Auge gewesen war und verbotenen Einfluss auf die Bevölkerung von Osaka ausgeübt hatte. Ihren Anführer Shark würde er sicher nie vergessen. Er war einer der Menschen gewesen, die alles darum zu gaben und selbst im tod noch kämpften. Hizumi selbst war es gewesen, der den mächtigen Körper dieses Mannes, der an seinem Oberarm die Tättovierung eines Hais getragen hatte, den Körper regelrecht durchlöchert hatte und dennoch war er weiter auf sie zugelaufen um ein Kind zu beschützen.

Ein Kind… einen Jungen!

Natürlich… dieser Junge, diese Augen und die Aura.

Er grinste. Kami… sie hätten ihn 5 Jahre eher fangen können, wenn sie es nur gewusst hätten. Doch Karyu äußerte diesen Gedanken nicht, sondern schüttelte nur innerlich darüber den Kopf. Schon witzig diese Zufälle.

Sakito wehrte seinen Kopf ab, eine der wenigen Bewegungen zu denen er noch fähig war, als Hizumi seine widerlichen Lippen auf seinen Hals legen wollte. Der lachte nur.

„Na, na… Kätzchen will sich wohl immer noch wehren?“, grinste er, hatte den Griff um den Hals des Jungen gelöst. Auch er spürte den rasenden Puls, doch es war keine Angst, sondern Wut! Oh ja Sakito war wütend und es war diese Wut, die Hizumi so anmachte.

Dieser Körper, dieser ganze Junge.

Er war gerade dabei sich tiefer vorzuarbeiten, als mit einem Mal ein lautes Knallen durch den Wald hallte und direkt neben ihm ein Windzug zu spüren war, das Geräusch splitternden Holzes hinter ihm. Sofort ließ er ab und auch Karyu hob alarmiert den Blick, glitt umher.

„Ist das nicht ein bisschen unfair, zwei gegen einen, Hizumi?“, ertönte mit einem Mal eine Stimme von oben.

Der Dunkelhaarige riss die Augen auf. „Was? Wo?“ Er ließ von Sakito ab und auch Karyu hatte den Jungen losgelassen. Sakito, seiner einzigen Stütze beraubt sank zu Boden, konnte den Körper aus eigener Kraft nicht mehr tragen. Und dennoch waren seine Sinne scharf und gespannt. Auch er hatte die Stimme deutlich vernommen und noch mehr den Schuss.

Mit Anstrengung drehte er seinen Kopf, öffnete die schweren Lider und sah nach oben in die Kronen der Bäume. Deutlicher als Hizumi und Karyu erkannte er die Silhouette einer schlanken Gestalt, dunkler Stiefel, die auf dem Ast einen Zeder standen und die lässige Pose, sowie den silbernen Lauf der Automatikpistole aus der noch immer leichter Rauch aufstieg.

Sein Blick wanderte höher und ohne das er wusste woher, begann sein Körper zu schaudern. Eine Gänsehaut legte sich auf seine Haut und er erfasste blonde Haare, sowie ein ebenmäßiges Gesicht, dass jedoch durch den dunklen Schatten des Baumes auch für ihn schwer zu erkennen war.

Doch er musste es nicht. Nein… er musste die Gesichtszüge nicht erkennen… er wusste es so.

Tief in seinem Körper reagierte eine tief verschlossene Vertrautheit.

Und dennoch war es seinem Geist unbegreiflich zu verstehen, was Wahrheit war.

Seine Lippen bewegten sich kaum, als nur vier Buchstaben über sie kamen, leise, fast weniger als ein Flüstern. „Ni~ya…“
 

tbc
 

Soo da isser endlich muhahahaha...

Friend or Enemy?

Dark Angel

Kapitel: 12/?

Autorin: -Satty-

Pairing: Ni~yaxSakito, ReitaxAoi

Genre: Shounen-ai, Romantik, Darkfic etc...

Kommentar: Jaaa endlich ist er da… der Ni~ya xD und das Kapi ist endlich fertig. Was eine Erkältung und der Einfluss von Tabletten allen doch auch für Vorteile haben. Den Rest machen dann die schlaflosen Nächte und supertolle Telefonate mit Freunden.
 

Wuhuu und endlich konnte ich meinen geliebten Aki einbauen **

*SID Fähnchen schwenk*

Und ich konnte einen Einblick in Menticore geben ^^
 

Und jetzt will ich mich auch einmal richtig bei euch allen bedanken.

Vielen dank für 127 Kommentare und 110 Favoriten!!

*sich verneig*

Satty
 

P.S: Diesmal ging es ohne Beta online… wenn viele Fehler gefunden werden, könnt ihr mich informieren oder drüber hinwegsehen ^.~
 

Kapitel 11: Friend or Enemy?
 

Er setzte die Klinge an…
 

Doch er sollte nicht treffen, denn genau in dem Moment als die Klinge im Begriff war Aois Hals zu durchbohren, schnellte ein Arm nach vorn und fing sie ab. Der Schwarzhaarige, der bereits mit seinem Leben abgeschlossen hatte und dem Ende nun entgegensah, öffnete seine Augen verblüfft, als nichts geschah.

Das Bild, welches sich ihm bot, ließ ihn überrascht aufkeuchen. Der Fremde hielt das Messer noch in der Hand und nur Millimeter von Aois Gesicht entfernt war der tödliche Stoß aufgehalten worden. Eine Hand hielt den Arm des Fremden fest und als Aoi ihr folgte, erkannte er die Gestalt Reitas.

Der Blondschwarzhaarige hatte seinen Blick konzentriert auf Tsukasa gerichtet. In den dunklen Augen erkannte Aoi eine Kälte und Brutalität, die ihn selbst erschaudern ließ.

„Lass es fallen!“, grollte die tiefe Stimme Reitas und eine unsagbare Kälte klang in diesen wenigen Worten mit. Sein eiskalter Blick traf auf den Tsukasas, der ihn nicht minder konzentriert erwiderte. Eine strenge Härte lag in den dunklen Augen des Fremden, die Entschlossenheit nicht aufzugeben.

Tsukasa bog seine Mundwinkel nach oben, verzog sie zu einem höhnischen Grinsen. „Denkst du, dass ich auch nur einen Befehl von dir annehme, Straßenköter? Du wirst hier und jetzt mit diesem Jungen untergehen!“ Und damit riss sich der Dunkelhaarige von dem stahlharten Griff los und wenn er Schmerzen empfand, als Reitas Fingernägel tiefe Risse in seinem Handgelenk hinterließen, so zeigte er das nicht. Die Klinge hob sich erneut, jagte unmenschlich schnell auf Reita zu, doch mit einer selben unmenschlich schnellen Bewegung wich der Blondschwarze ihr aus, sprang zurück und zog Tsukasa mit sich. Er verfolgte nur das Ziel den anderen von Aoi fernzuhalten und um dieses Ziel zu erreichen würde er alles tun… wirklich alles!

Tsukasa sah die Entschlossenheit in Reitas Augen und innerlich lachte er. Wie konnte man nur so tief sinken und sich auf eine Sache einlassen, die einen so verletzlich machte? Wie konnte man sich verlieben? Liebe… pah… ein Gefühl, dass nur schwach machte!

Der Dunkelhaarige machte eine Halbdrehung, einen Ausfallschritt und täuschte einen Angriff von links vor, wechselte die Klinge jedoch blitzschnell in die andere Hand und attackierte Reitas Kehle, verfehlte aber das Ziel, denn der Jüngere hatte diese Finte durchblickt, hatte sich geduckt.

Aoi versuchte die sich so schnell bewegenden Schatten mit den Augen zu verfolgen, doch er war nicht in der Lage die Schemen auch nur ansatzweise genau Reita zuzuordnen. Er wollte ihm helfen, nicht nur unnütz herumstehen, doch wenn er sich einmischte bestand auch die Gefahr, dass er Reita damit behinderte. Er presste sich so gut es möglich war an den Baumstamm hinter sich und zog die Beine an. Sein gesamter Körper zitterte, pumpte sein Herz noch immer Adrenalin durch die Blutbahnen und sorgte für den rasenden Herzschlag, der schmerzhaft gegen seinen lädierten Brustkorb hämmerte. Er bettete, hoffte, dass Reita nichts geschah, dass er den Kampf gewann.

Und seine Gebete schienen erhört zu werden.

Es gab ein dumpfes Geräusch, als die beiden ineinander verschlungenen Körper zu Boden fielen, sich auf dem unebenen Waldgrund herumrollten und den Kampf, der längst ein Kampfs ums Überleben geworden war, fortsetzten.

Tsukasa zog rasselnd die Luft ein, als Reita auf sein verletztes Bein fiel, damit eine verzehrende Schmerzenswelle auslöste, die seinen Körper für die Bruchteile einer Sekunde lähmten und doch genügten diese wenigen Augenblicke aus, sodass Reita die Klinge abwenden und gegen den eignen Führer richten konnte. Nur ein ruckartiges zur Seite drehen des Kopfes rettete Tsukasa davor, dass das Messer seine Stirnhöhle durchbohrte.

Aber längst war der Kampf noch nicht entschieden!

Aus Sekunden wurden Minuten und immer unkontrollierter wurden die Bewegungen beider Kontrahenten, immer ungenauer ihre Attacken. Sowohl Reita, als auch Tsukasa hatten eine Menge Blut verloren und der hohe Verlust des lebenswichtigen Elixiers verursachte die langsam eintretende körperliche Schwäche.

Und doch schien der Kampf ein jähes Ende zu finden, als Tsukasa eine der Stellen fand, an denen ein Kunai Reitas Schulter durchbohrt hatte und seine rechte Hand sich tief in die Wunde grub und das verletzte Gewebe weiter auseinander riss.

Reita brüllte auf vor Schmerz und dennoch lag in dem Schreien viel mehr ein Ausdruck wilder Wut. Mit einem Mal schwand jegliches Gefühl aus seinem linken Arm und das Messer, welches in seiner Hand ruhte fiel zu Boden, der Arm leblos hinunter. Tsukasa lachte laut auf, grub seine Finger noch tiefer in die Verletzung, drückte sein Bein mit ungeheurer Kraft nach oben, direkt in Reitas Magen und katapultierte den Blondschwarzhaarigen von sich hinunter. Reita überschlug sich, prallte mit dem Hinterkopf gegen den Stamm eines Baumes und verlor einen Moment die Besinnung.

Ein Augenblick der Zeit, die sein Schicksal besiegeln sollte. Schneller, als man es nur erahnen konnte, stand Tsukasa über dem Jüngeren, in der Hand noch immer die tödliche Klinge haltend, welche mit enormer Wucht zu einem letzten finalen Schlag ausholte.

„Das hätte ich schon lange tun sollen!“, lachte Tsukasa, auch der eigenen Kräfte beraubt und sich kaum noch auf den Beinen haltend und dennoch kostete er den Moment des Triumphes.

Ein widerliches Geräusch, ähnlich dem reißenden Papiers war es, der die Stille der Nacht durchzog und ein ersticktes Gurgeln, welches ihm folgte.

Haut platzte auf, Sehnen wurden zertrennt und Blut sudelte über den Boden, dann ein stolpern und das Geräusch eines Torsos, der zu Boden sank.

Aoi hatte die Augen aufgerissen, starrte erschrocken auf seinen eigenen Arm der zitterte und auf die blutige Klinge, die mit einem dumpfen Aufprall den Boden berührte und dann huschte sein Blick zu der Gestalt, die vor ihm auf dem Waldgrund lag und sich kaum mehr regte, nur mit schmerzverzerrten Gesicht den Armstumpf umklammert hielt, aus dem unaufhörlich Blut sickerte und den Boden tränkte.

Doch er musste nicht mehr denken, richtete sich seine Aufmerksamkeit doch auf die Gestalt, die sich nun langsam wieder aufrappelte, mit einem leisen stöhnen den schmerzenden Hinterkopf hielt und ihn, Aoi, ansah.

Reitas Augen fingen Aoi ein, der durch das wenige Mondlicht, welches das Blätterdach zu durchdringen vermochte, nur einer schwarzen Silhouette glich und dennoch hatte er alles gesehen. In dem Moment in dem er dem Tod bereits ins Auge sah, war der Schwarzhaarige vorgeschnellt, hatte in der Hand ein Messer gehalten und mit einem unsicheren, aber wuchtigen Schlag die Hand seines Gegners abgeschlagen.

Es war eine Verzweiflungstat gewesen, eine Tat, die den 17-Jährigen bis ans Ende seiner Tage verfolgen würde und die sie, Reita und Aoi, nun immer verbinden würde.

Reita wollte zu seinem Geliebten, ihn endlich in die arme schließen, doch bevor er dies tun konnte, musste er noch etwas anderes tun.

Der Blondschwarze tastete nach dem Körperteil Tsukasas, löste den klammernden Griff des nun toten Gewebes und nahm es selbst in die Hand. Die Waffe, die sein Tod hätte sein sollen, würde nun der Tod des anderen sein.

Keine Emotion, keine Regung, kein Gefühl lag in seinem Gesicht, in seinen Augen, als er auf den am Boden Liegenden zuschritt, ihn mit einem unsanften Stoß seiner Schuhe auf den Rücken drehte und seinen Fuß auf seinen Brustkorb stellte.

Alles was er fühlte war Triumph, ein Zeichen der Auskostung, als er sich hinabbeugte und Tsukasa in die Augen sah, die jedoch nicht mehr in der Lage waren normal zu fühlen.

Der Schmerz, der von dem Stumpf seines Armes ausging, raubte ihm die Nerven, nahm ihm den Verstand.

Reita grinste. „Grüß die Hölle von mir und die Opfer, die durch deine Hand gestorben sind!“, grollte Reitas Stimme und er setzte das Messer an die Kehle seines Opfers, bereit den tödlichen Schnitt auszuführen, als eine leise Stimme hinter ihm erklang.

„Nein… Reita… bitte nicht.“ Verblüfft brach Reita sein Vorhaben ab, drehte sich leicht und warf einen Blick über die Schulter, zurück zu Aoi, der nun in einem Lichtstrahl stand. Auf dem hübschen Gesicht schimmerten die Tränen, die der Schwarzhaarige vergoss und ein Ausdruck tiefsten Schmerzes und Kummer stand in den nun nachtschwarzen Augen.

„Werde nicht meinetwegen zu einem Mörder…“ es war ein klägliches Wimmern, ein Ausdruck tiefster Verzweiflung und Verwirrung.

Reita stockte.

„Aoi… dieser Kerl ist für all das, was dir und mir widerfahren ist mit verantwortlich. Er hat viele getötet und es ist nur die gerechte Strafe, wenn ich ihn töte.“, sprach er aus, doch noch immer schüttelte Aoi den Kopf. „Nicht durch deine Hand… er wird sterben, Reita, aber ich will nicht, dass es durch deine Hand geschieht… bitte… oh bitte… werde nicht wie er... sei kein Mörder.“ Aois Stimme begann zu zittern, wie auch seine Beine. Sie konnten ihn nicht länger tragen und er sank zu Boden, weinend und voller Verzweiflung.

Reita brach es das Herz und zeitgleich schürte es seine Wut auf diese Kreatur, die zu seinen Füßen lag. In ihm schrie es nach Rache. Es war seine Chance alle Qualen zu rächen, indem er diesen Mann tötete und doch hielt ihn etwas zurück.

Er warf einen Blick auf Tsukasas kümmerliche Gestalt, auf das leichenblasse Gesicht und diese Augen, die kein Gefühl mehr zeigten.

Er würde sterben, das war sicher. Tsukasa würde nicht überleben.

Er ließ die Klinge fallen, den gebrochenen Torso zurück.

Es gab etwas was wichtiger als Rache war, viel wichtiger! Zärtlich schloss sich sein rechter Arm um Aois Gestalt, die zitternd und weinend noch immer am Boden hockte. Der Schwarzhaarige hob leicht seinen Kopf, blickte Reita in das blutverschmierte Gesicht, bemerkte das leichte Lächeln und ihn hielt nichts mehr. Mit einem herzzerreißenden Wehklagen warf er sich dem Älteren um den Hals, ließ all seinen Gefühlen freien Lauf und Reita fing seine Tränen auf. „Lass uns gehen… lass uns einfach gehen…“, hauchte er leise und seine Lippen fanden Aois Stirn, berührten diese sanft.

Sie hatten gesiegt, für dieses Mal, doch der Preis, den sie beide für ihr Leben hatten zahlen müssen, war hoch gewesen. Aoi würde nicht mehr der sein, der er vorher gewesen war. Nun war auch er, ein Teil dieser Hölle geworden, die Reita jede Nacht in seinen Träumen heimsuchte.

Langsam zog er den Kleineren mit auf die Beine. „Wir gehen zu Tora und Saga… sie werden sich um uns kümmern.“ Aoi, der nichts mehr konnte, als nicken, krallte sich weiterhin an Reita fest, welcher seinen Arm fester um ihn legte und ganz langsam verließen sie den Ort dieses grausamen Geschehens.

Und doch warf Reita einen Blick zurück und in seinen Augen lag Wehklagen. Sein letzter Gedanke, bevor er sich wieder auf den vor ihm liegenden Weg konzentrierte, galt Sakito.

//Dir ist es zu verdanken, dass wir leben, dir und deinem Opfer, welches du gebracht hast. Ich werde dir helfen, mein Freund. Das verspreche ich!//
 

***
 

„Kaoru! Wie konnten Sie das tun?!“ Hakuei schlug die Hände auf den Tisch, sah seinen Vorgesetzten wohl zum ersten Mal in ihrer jahrelangen Freundschaft und Zusammenarbeit aufgebracht an. Kaoru hatte sich zum Fenster gedreht, beachtete seinen Angestellten nicht, sondern beobachtete lieber die Vögel die über den blauen Himmel dahin zogen. „Es steht Ihnen nicht zu eine meiner Entscheidungen in Frage zu stellen, Hakuei.“, antwortete er ruhig, kühl, komplett ohne Emotion. „Aber wieso haben Sie das getan?“ „Sie gehen auch meine Gründe nichts an. Es war meine Entscheidung und mehr hat Sie nicht zu interessieren.“ Noch immer blickten die reglosen Augen durch die Scheibe. Hakuei dagegen hatte die Hände zu Fäusten geballt. Er war zornig, sehr zornig. Wie immer verstand er die Denkweise seines Vorgesetzen und zur selben Zeit auch Freundes nicht. Doch konnte er Kaoru wirklich noch als Freund bezeichnen? Sie kannten sich so lange, noch bevor er den Konzern übernommen hatte und Hakuei seine rechte Hand wurde, noch während des Studiums waren sie Hand in Hand gegangen und jetzt? Er zwang sich selbst diese unnützen Gedankengänge zu beenden und sich zu beruhigen. Wenn etwas nicht funktionierte, dann war es die Tatsache Kaoru mit Wut und Aggression zu begegnen. Dieser stand über solchen primitiven Gefühlsausbrüchen.

„sie sollten sich lieber um die Dinge kümmern, die ihr Fachgebiet sind, Hakuei. Das Projekt Alfa zieht sich schon zu lange in die Länge und verschlingt Gelder die wir nicht haben!“ Die Stimmung sank immer weiter und deutlich lag die Spannung in die Luft. Hakuei verzog sein Gesicht leicht. Innerlich füllte noch immer Wut seinen Bauch. „Ich habe verstanden. Doch Hexen können meine Leute und ich nicht, Niikura-san.“ Der Forschungsleiter wusste nicht mehr, wie lange er den Älteren nicht mehr mit diesem Namen betitelt hatte, doch nun war es Ausdruck der kalten Atmosphäre. „Dann sollten Sie dies schnell lernen, sonst beginne ich noch an ihrer Kompetenz zu zweifeln, Hakuei. Sie wissen doch sicher, dass es nichts gibt, was nicht zu ersetzen ist!“ Mit einem Schlag schien die Temperatur im Raum gegen den Gefrierpunkt zu sinken. Natürlich war es deutlich welche Worte Kaoru seinem Mitarbeiter gegenüber geäußert hatte. Hakuei brauchte einen Moment um diese Information zu verarbeiten und gerade als er antworten wollte, durchzog ein schrilles Klingeln den Raum. Routiniert griff Hakuei in die Tasche seines Kittels und zog sein Handy hervor, ging ran. „Ja? ... Was? ... Verstanden! Ich komme sofort!“ Er schlug das Handy zu, aggressiver und seine Hand zitterte leicht. „Natürlich weiß ich das, Sir und dennoch kann ich nur noch um etwas Zeit bitten. Ich muss zurück in die Labore. Es scheint Probleme zu geben.“ Diese Worte kamen nur steif über die Lippen des dunkelhaarigen Mannes.

Kaoru bedachte ihn noch immer keines Blickes, sondern sah emotionslos aus dem Fenster. „Geh nur. Ich habe Sie nicht herbeordert. Doch denken Sie an meine Worte. Meine Geduld ist bald erschöpft.“ „Jawohl…“ Damit drehte Hakuei sich um und verließ eilenden Schrittes das Büro seines Vorgesetzten.
 

***
 

Zur selben Zeit starrte ein junger Mann, der nur knapp die 30 überschritten haben konnte, mit zusammengekniffenen Augen auf den vor ihm liegenden Monitor, der eine weiße Gummizelle zeigte. Seine Mimik war angespannt und seine Hand ballte sich um das Telefon in seiner Hand, mit dem er eben noch seinen Vorgesetzten informiert hatte. Doch keine Sekunde hatte er die Zelle aus den Augen gelassen.

In deren Inneren tobte ein junger Mann, stieß sich immer wieder gegen die gepolsterten Wände, versuchte sich aus der Zwangsjacke zu befreien, schrie wie am Spieß! „Lasst mich hier raus, ihr elenden Bastarde!!! Lasst mich hier raus!!!“ Die Schläuche, die einst in seiner Kopfhaut gesteckt hatten, hingen an seinem Hals hinunter und blutige Bahnen zogen sich vom Haaransatz bis zum Hals des bildhübschen Jungen, der kaum 17 Jahre zählte. //Hakuei beeil dich, sonst dreht er völlig frei!// Shinya kaute nervös auf seiner Lippe herum, als er endlich die hastenden Schritte seines Vorgesetzten auf dem Gang wahrnehmen konnte.

Als die Tür sich dann öffnete und Hakuei in den Raum stürmte, atmete er beruhigt aus. #444 oder auch unter dem Namen Aki registriert, stieß noch immer unkontrolliert gegen die Tür der Gummizelle. Das Blut, welches weiterhin aus den kleinen Wunden lief, spritzte zu Boden und gegen die Wände. Das unkontrollierte Schlagen des Jungen und die noch intakt sitzenden Injektionen taten weh, ließen ihn weiter schreien. Durch die dünnen Schläuche liefen hochempfindliche Flüssigkeiten, die direkt in die Blutbahn des Jungen zu den Nervenenden geleitet worden und für höllische Schmerzen sorgten. Und hinzu kam die Wut des Jungen.

Shinya beobachtete ihn noch kurz, ehe er Hakuei ansah. „Was ist passier Shinya?“, fragte der Laborleiter seinen Angestellten, nahm den Blick nicht von den kleinen Bildschirmen, die alle dasselbe Motiv zeigten. „Er ist ausgerastet. Es kam ganz plötzlich. Ich habe vor etwa einer Stunde, kurz nachdem du gegangen bist, die neue Injektion gesetzt und ihn dann zurück in seine Zelle bringen lassen. Kurz darauf ging der Alarm los und als die Wachen zur Zelle stürmten, hatte er bereits die Hälfte der Schläuche aus seinem Kopf gerissen. Es hat vier Wachen benötigt ihm die Zwangsjacke anzulegen und in die Gummizelle zu bringen. Ich habe versucht ihm ein Beruhigungsmittel zu spritzen, doch es ging nicht. Ich vermute, dass die Dosierung zu hoch war und seine Synapsen angegriffen wurden. Aber es kommt keiner an ihn ran. Er tobt und schlägt um sich. Einer der Wachen hat er sogar gebissen. Ich denke wir müssen die Betäubungspistole einsetzen, sonst wird er zur Gefahr und beruhigt sich erst wenn sein Körper zu schwach ist. Und das wäre das Aus.“, berichtete er die Geschehnisse der vergangenen Stunde. Hakuei ballte die Hände zu Fäusten und schlug aggressiv auf das Pult vor sich. Das konnte nicht wahr sein. Wieso gerade Aki?

Gerade er! Dieses Objekt hatte nach den letzten Versuchen immer ruhiger werden sollen, aber wie es aussah trat hier genau das Gegenteil in Kraft. Hakuei fluchte und drehte sich dann zu Shinya. Dieser wich einige Schritte zurück. „Verdammt noch mal! Hatte ich nicht gesagt, dass die Injektion vorsichtig dosiert werden muss?!“, fluchte Hakuei und sein Blick war eisig auf Shinya gerichtet. „Wenn er uns hops geht, fangen wir wieder von vorn an! Und was das bedeutet, muss ich hoffentlich nicht erwähnen, oder?" Shinya sah sich mit Vorwürfen konfrontiert, die vollkommen unberechtigt waren und er hatte nicht vor sich von seinem Vorgesetzten so fertig machen zu lassen!

„Ich habe die Dosis so gesetzt, wie du sie mir verordnet hast!“, verteidigte er sich und seine Handlungen. Empörung schwang in der Stimme des jungen Wissenschaftlers mit, ebenso Zorn, Zorn auf Aki! Hakuei wollte davon jedoch nichts wissen. Er machte eine wirsche Handgeste. Seine Augen schienen den blonden Wissenschaftler durchbohren zu wollen, verengten sich zusehends. Wagte Shinya es doch tatsächlich, ihm zu widersprechen?!

„Scheinbar nicht, sonst hätten wir das Problem jetzt nicht, oder?", knurrte er, wandte sich wieder den Bildschirmen zu, schloss kurz die Augen, atmete tief durch. Er musste versuchen sich zu beruhigen, denn jetzt haltlos den Kopf zu verlieren, brachte gar nichts.

„Wir müssen ihn ruhig stellen, sonst macht er es nicht mehr lange! Mir ist egal wie du es machst, doch sorge dafür, dass er sich beruhigt, verstanden!“ Trotz seines guten Vorsatzes klang die Aggressivität doch in seinen Worten mit. Shinya kaute leicht auf seinen Lippen herum. „Ja…nur dann wird er aber wieder zwei Wochen lang nicht fähig sein zu Tests eingesetzt zu werden.“, sagte Shinya vorsichtig.

Hakuei knirschte mit den Zähnen. „Das dauert zulange! Wir können keine zwei Wochen warten, die Zeit haben wir nicht! Also dosiere gefälligst so, dass ich heute noch was mit ihm machen kann, verstanden?" Er funkelte den Wissenschaftler kalt an.

Shinya sah den Leiter der Untersuchungen mit aufgerissenen Augen an. „Noch heute? Hakuei… bei aller Güte und Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen, das wirst du nicht können.“ Hakuei sah den weitaus Jüngeren nur mit kalten Augen an. „Und ob ich das kann oder nicht, überlass mir! Aki ist das wichtigste Projekt im Moment und wir können es uns nicht erlauben, noch mehr Zeit zu verlieren! Also wirst du ihn ruhig stellen, sodass er für weitere Tests zur Verfügung steht und zwar heute, verstanden?" Zufrieden registrierte er Shinyas Nicken. Doch das Gemüt des sonst so ausgeglichenen Wissenschaftlers versetzten diese Anweisungen nur weiter in Rage. Aber der blonde Wissenschaftler wusste, dass es nichts bringen würde mit dem Laborleiter zu streiten.

„Ich werde dafür sorgen, dass du schnellstmöglich wieder mit ihm arbeiten kannst! Aber Aki muss endlich lernen zu gehorchen. Du hast ihn lange genug mit Zuckerbrot gefüttert, Hakuei!", meinte er trocken, ließ den Vorwurf deutlich werden, den er an seinen Vorgesetzten richtete.

Shinya wusste, dass Aki ihr wichtigstes Objekt war. Er hatte viel Potenzial und in ihm schlummerten dieselben Gene wie sie es in Sakito getan hatten. Das wusste Shinya nur zu gut, immerhin war er bereits seit fast 10 Jahren selbst in das Projekt AlfaOne integriert. Aki befand sich bereits seit seiner Geburt in dieser Experimentreihe, fast genauso lange wie ihr Misserfolg Sakito. Das sie es schaffen würden diesen Ausreißer wieder zu integrieren, bezweifelte er stark. Sakito war viel zu lange draußen gewesen und hatte genug Zeit gehabt eine Persönlichkeit zu entwickeln, die man nicht mehr unter Kontrolle bringen konnte. Für Shinya war er nichts weiter als ein Projekt, das versagt hatte. Das war wohl der einzige Grund, wieso er sich bei Aki solch eine Mühe gab, der leider so aufsässig und stur war, dass auch er immer wieder zu Hindernissen führte. Doch er musste Hakuei zustimmen. Er war das Wichtigste, was sie gerade hatten, der Einzige, der es jemals nach Sakito wieder geschafft hatte, diese endlos grausamen Tests mit solch guten Ergebnissen zu bestehen und zu überleben. ER war die wahre Zukunft Menticores, Objekte mit seinen körperlichen und geistigen Fähigkeiten. Alle anderen würden Nichts im Vergleich zu ihm sein, sollten sie es denn endlich schaffen das Gemüt und den Willen dieses Jungen zu brechen!

Hakuei war der Vorwurf nicht entgangen und Shinya bekam einen entsprechenden mörderischen Blick zurück. Normalerweise war auch Hakuei mehr als kalt, selbst im Umgang mit seinen Mitarbeitern, doch gerade wuchs ihm der Druck über den Kopf. „Das wird er, mach dir darüber mal keine Sorgen, Shinya! Bisher haben meine Methoden immer funktioniert und wenn Aki meint, er könne sich noch länger unseren Regeln widersetzen, wird er seine gerechte Strafe dafür bekommen!", knurrte er. „Doch jetzt sorge dafür, dass er endlich die Klappe hält!“

„Wird gemacht, Sir!“ Jenes Sir verließ seinen Mund nur widerwillig, doch er machte sich sofort daran, durch den Funk einen Befehl an die Wachen zu geben und selbst aus dem Raum zu stürmen.

Shinya hastete zu seinem Labor, suchte nach der kleinen Pistole, welche er benutzte, wenn solche Fälle auftraten, wie es mit Aki der Fall war. Er suchte nach der kleinen Patrone, flößte in diese eine starke Dosis Beruhigungsmittel und lief dann los zu der Zelle, in welcher Aki noch immer randalierte. Die vor Wut und Schmerz verzerrte Stimme drang selbst durch die dicken Wände. Als Shinya eintraf hatten sich bereits drei Wachen um die Tür versammelt.

„Bei drei öffnen! Und Vorsicht!“, ordnete er an und die Soldaten nickten. Einer begann zu zählen, die anderen richteten den Lauf der Waffen auf den Eingang der Tür.

Bei drei öffnete sich diese und Aki, der soeben einen neuen Anstoß genommen hatte, stolperte purzelnd hinaus, fiel auf die Beine und schrie erschocken auf.

Sofort reagierten die Soldaten, zwei hielten Akis Beine fest, während der dritte den Jungen fest zu Boden drückte. „Schnell Professor.“, rief einer der Männer, der sichtlich Mühe hatte, die Beine des zappelnden und auch schreienden Jungen zu halten.

Der blonde Wissenschaftler wartete nicht lange, sondern kniete nieder und jagte Aki die Pistole in den Hals, injizierte das starke Beruhigungsmittel direkt in die Vene und ein letzter wütender Schrei entglitt den Lungen des Braunhaarigen, ehe er noch ein paar mal zuckte und dann zusammensackte.

Sich den Schweiß von der Stirn wischend richtete Shinya sich auf.

„Bringt ihn sofort in Zelle #444! Und bindet ihm am Bett fest. Hakuei wird sich nachher um ihn kümmern.“ //Und ihn hoffentlich für diese Unzulässlichkeit bestrafen.//

Denn inzwischen war dem jungen Wissenschaftler klar, warum Aki so außer Kontrolle geraten war. Die Beobachtungen der letzten Tage hatten ihn kurz vor dem Ausbruch des Jungen erreicht und in all der Eile hatte er sie vollkommen vergessen. Doch jetzt wo er den Männern nachsah, die den schwachen Körper des Jungen aufhoben und wegtrugen, vielen sie ihm wieder ein.

Bereits seit zwei Tagen hatte Aki nichts mehr gegessen und nur noch getrunken. Der zierliche Körper war zu schwach für die kräftezehrenden Tests gewesen und Aki hatte genau gewusst, dass es so kommen würde.

Er hatte es ausgerechnet mit dem genauen Ziel zu sterben!

//Das hätte ich dir nicht zugetraut... Bürschchen!//, dachte Shinya, machte sich zurück auf den Weg zu Hakuei.

Jener hatte das ganze Szenario beobachtet und in ihm wuchs die Wut über das Verhalten des Experimentes #444.

Innerlich musste er Shinya Recht geben. Er hatte Aki ein wenig anders behandelt, als die bisherigen Objekte ihrer Forschung. Etwas hatte dieser Junge an sich, was er nicht beschreiben konnte und was ihn dazu brachte, eine gewisse Sympathie ihm gegenüber zu empfinden, etwas, dass er bisher nur bei einem Objekt gefühlt hatte. Normalerweise waren diese Menschen für ihn nur Versuchsobjekte, nicht mehr und nicht weniger.

Aber Aki hatte seinen Vorteil nun deutlich verspielt, denn als Shinya zurückkehrte und ihm von den letzten Beobachtungen und Ergebnissen berichtete, ballte er die Hände zu Fäusten, sah den blonden Wissenschaftler an. „Wann wird er wieder fit sein?“

„In drei Stunden wird er schätzungsweise aufwachen. Dann dauert es etwa noch eine halbe Stunde bis er seine Umwelt registriert und etwa noch mal solange bis er wieder da ist. Also in vier Stunden wirst du keine Probleme haben, ihn zu handhaben wie du willst.", sagte er monoton, eher ruhig, blickte Hakuei ernst an. Dieser nickte nur, sagte jedoch nichts mehr zu seinem Untergebenen. Sein Blick ruhte starr auf den kleinen Bildschirmen, die er durch einige Knopfdrucke nun dazu brachte, die Zelle Akis zu zeigen, der gerade wie von Shinya angeordnet an das Bett gefesselt wurde.

Shinya sah seinen Vorgesetzen an, wartete noch auf irgendwelche Worte, doch als Hakuei nichts sagte, wollte der blonde Wissenschaftler sich zum gehen wenden, als Hakuei ihn jedoch noch einmal zurückhielt.

„Wie weit bist du mit der dem Chip? Gibt es da gute Neuigkeiten?", fragte der Dunkelhaarige und sah Shinya nun doch wieder an. Dieser drehte sich nochmals um. „Der Chip ist bald soweit um in die Testphase zu gehen. Wenn #444 bis dahin körperlich und psychisch auf der Höhe ist wird es kein Problem sein ihm den Chip einzupflanzen und bis #443 wieder hier ist, wird er fertig sein um ihm ohne Probleme einzusetzen.“

Hakuei nickte. „Gut… dann sieh zu, dass dies so schnell wie möglich der Fall ist. Du kannst dann gehen.“ Shinya nickte nur noch und erwiderte nichts mehr, sondern verließ den Raum.

Hakuei blieb zurück und starrte weiterhin auf den Bildschirm, die Hand immer noch zu einer Faust geballt.

//Das wird noch ein kräftiges Nachspiel haben, mein Freund. So leicht kommt uns keiner davon… und das wird auch Sakito ganz schnell wieder lernen!// Er würde dem Jungen schon beibringen, wie er sich zu verhalten hatte.
 

***
 

Langsam zuckten seine Lider und begann sich zu öffnen, doch lange offen halten konnte er sie nicht, blendete das einfallende Sonnenlicht seine empfindlichen Sehnerven. Ein schwaches Stöhnen entkam seiner Kehle und als er seinen Kopf leicht nach links neigte, hörte er das leise 'Platsch' als etwas zu Boden fiel. Auf seiner Stirn blieb ein kühles, feuchtes Gefühl zurück.

Sakito runzelte leicht die Stirn, versuchte mit einer Hand nach ihr zu tasten, doch es fiel ihm unheimlich schwer seinen Arm überhaupt zu heben. Allgemein fühlte er sich sehr schwach und wie in Watte gepackt. Sein Körper war kaum spürbar und dort wo seine Beine sein sollten, fühlte er nur ein unangenehmes Kribbeln. Selbst seine Sinne, wie er jetzt bemerkte, schienen nicht wie sonst zu arbeiten. Er konzentrierte sich auf seine Umwelt, doch das Einzige was er hörte war das eigne Blut in den Ohren rauschen. //Was ist hier bloß los?//, fragte er sich selbst und startete einen erneuten Versuch die Augen zu öffnen. Dies tat er jedoch weitaus langsamer als beim ersten Mal und erblickte nun sanftes grünes Gras und feuchten Waldboden, ein Indiz, das er also immer noch im Wald war.

Und je länger er so lag und versuchte sich zu erinnern, desto mehr kehrten auch die Erinnerungen zurück. Ein schwaches Seufzen entrann seinen Lippen, als er sich an den Kampf zurück entsann. Die vier Unbekannten, die sie angriffen, wie er schließlich durch irgendein Mittel die Kontrolle über seinen Körper verloren hatte und dann in den Fängen seiner Häscher gelandet war. Doch dann, kurz bevor er das Bewusstsein verloren hatte, war er aufgetaucht. „Ni~ya“, hauchten seine Lippen den Namen des Jungen, an den er die letzten neun Jahre fast ununterbrochen hatte denken müssen.

Aber war das alles real?

Hatte er sich Ni~yas Gestalt nicht nur im Moment der Niederlage eingebildet? War er ihm vielleicht wie ein Retter erschienen? Und auch die gesamte Situation jetzt, der Geruch des frischen Grases und die grünen Blätter, war auch das alles nur Einbildung? Befand er sich jetzt womöglich schon auf den Weg zurück nach Menticore und war nur gefangen in einer Illusion, in einer bizarren Fantasie, die sein Kopf ihm vorspielte?

Sein Kopf sackte zurück. Er hatte nicht die Kraft ihn länger in einer Position zu halten und auch seine Augenlider wurden schwer, senkten sich langsam. Was war nur mit ihm los? Solange er sich zurück entsinnen konnte, war er noch nie so müde, schwerfällig und benommen gewesen.

Er hörte nicht, wie sich feine Schritte näherten, bemerkte nur wie erneut etwas Feuchtes auf seine Stirn gelegt wurde.

Der Brünette erschrak, fuhr leicht auf, fiel jedoch keuchend zurück auf den Waldboden, als ein brennender Schmerz durch seinen gesamten Körper zuckte.

„Du solltest liegen bleiben. Deine Wunden können schnell wieder aufbrechen und du hast Fieber.“ Langsam öffnete Sakito erneut seine Augen, erblickte nun eine Person neben sich, die die Beine zu einem Schneidersitz gekreuzt hatte und Wasser aus einer kleinen Flasche in einen Plastikbecher füllte. „Wer?“, kam es leise über die trockenen Lippen des Brünetten, dessen Sicht merkwürdig verklärt und dennoch erkannte er die blonden Haare und feinen Gesichtszüge seines Gegenüber.

Ni~ya schraubte die Wasserflache wieder zu und verstaute sie in seinem Rucksack, wandte sich dann dem geschwächten Jungen zu. „Ich erkläre dir später alles. Jetzt trink und iss erstmal, damit dein Kreislauf wieder in Schwung kommt, Sakito.“ Den vertrauten Namen durch diese fremde, aber gleichzeitig auch wieder bekannten Stimme zu hören, verursachten einen leichten Schauer in seinem Körper.

Träumte er noch immer?

Eine Hand legte sich unter seinen Kopf und hob diesen etwas an. In Sakito selbst verkrampfte sich alles und er wollte im ersten Moment diese Hand weg schlagen, doch als er die Hand heben wollte, verkrampfte sein Körper bei der schnellen Bewegung nur. „Hör auf dich zu wehren. Ich tue dir nichts.“, murmelte Ni~ya leicht genervt, hob Sakitos Kopf noch etwas mehr an und drückte den Becher mit dem Wasser gegen die trockenen Lippen des Kleineren. Dieser starrte ihn misstrauisch an, denn auch wenn es nun Ni~ya war, der vor ihm kniete, wer sagte nicht, dass es nur eine Halluzination war und stattdessen nun einer seiner Häscher versuchte ihm etwas einzuflößen?

„Jetzt trink schon. Das ist kein Gift.“ Und um es Sakito zu demonstrieren, zog der Blonde den Bescher zurück und trank selbst einen Schluck, ehe er ihn Sakito wieder gegen die Lippen drückte. Diesem war immer noch etwas unwohl, als er die Lippen öffnete und kurz darauf das klare, kühle Wasser in seinem trockenen Hals spüren konnte. Doch schnell verschwand das Misstrauen, fühlte sich das Wasser doch wunderbar an. Er trank eifrig, aber viel zu schnell zog Ni~ya den Becher wieder weg, hielt ihm stattdessen ein stück Brot vor die Nase. „Soll ich das auch noch vorkosten, damit du es isst oder vertraust du mir jetzt?“ Sakito antwortete nichts, sondern nahm stattdessen das Brot mit zittrigen Fingern entgegen und begann daran herumzuknabbern. Noch nie zuvor war es ihm so schwer gefallen seine Hand zu heben und das ständige Zittern seiner Glieder war ihm unbehaglich.

Ni~ya packte in der Zeit das Wasser wieder weg und zog stattdessen ein kleines Säckchen und eine Packung Tabletten aus dem Rucksack, ließ dann seinen Blick über die zarte Gestalt Sakitos und schließlich zu dessen bildschönem Gesicht.

Lange hielt er diesen Blick nicht aufrecht, als er zwei Pillen aus der Verpackung drückte und das Säckchen öffnete. Die beiden Tabletten legte er auf die Schachtel und zog dann eine steril verpackte Spritze und eine kleine Phiole mit einer klaren Flüssigkeit aus dem schwarzen Ledersäckchen.

Sakito sah ihm dabei misstrauisch zu. Auch wenn er längst nicht alles klar erkennen konnte, war er doch schlau genug um zu wissen, was Ni~ya da tat. Er konnte einfach nicht über den Schatten springen und dem Blonden blind vertrauen, dazu war zuviel in seinem Leben schief gelaufen. Aber knabbert er weiterhin leicht an dem Brotstück, bemerkte er doch langsam wie hungrig er war. Der Ältere hatte in der Zeit bereits die Spritze aus der Verpackung genommen und zog sie nun mit der klaren Flüssigkeit auf, behielt sie in der Hand, während er noch einen Gürtel aus dem Säckchen zog, sich dann wieder Sakito zuwandte.

„In dieser Spritze befindet ein sich Gegenmittel für das Nervengift, was dir injiziert wurde und diese Tabletten dienen zur Unterstützung. Es ist deine freie Entscheidung ob du mir soweit vertraust, dass ich dir jetzt diese Spritze gebe und du die Tabletten schluckst und in etwa einer halben Stunde wieder deine Muskeln benutzen kannst und deine Sinne richtig funktionieren und wir von hier weg kommen. Oder du lehnst ab und wir bleiben bis morgen hier. Denn solange wird es dauern, bis du wieder halbwegs in der Lage sein wirst deinen Körper unter Kontrolle zu halten.“ Ni~ya sah ihn auffordernd an und der Brünette überlegte einige Augenblicke, ehe er nickte. „Gib mir das Zeug.“, sprach er leise.

Ni~ya grinste kurz, kam ihm die Entscheidung des Kleineren doch entgegen und kniete er sich neben Sakito, krempelte seinen Arm nach oben und band dem Jüngeren die Armbeuge ab. Er griff nach der Spritze und injizierte sie geübt in die Vene des Brünetten.

Dieser zuckte nicht einmal als die Nadel seine Haut durchbohrte, gehörte das doch bereits zu seinem Alltag.

Als Ni~ya das Serum geimpft hatte, packte er die Spritze wieder weg und löste auch das Band von Sakitos Arm, griff nun nach den Tabletten und dem Wasserbecher, der noch zur Hälfte gefüllt war. Sakito selbst versuchte sich wieder etwas aufzurichten, aber noch immer versagten ihm seine Knochen und Gelenke den Dienst und noch immer verstand er nicht, was los war, wo er sich befand und wieso Ni~ya bei ihm war. Ihm schwirrte der Kopf.

Dem Brünetten war die Verwirrung anzusehen und einen Moment sah der Blonde wieder den kleinen hilflosen Jungen vor sich, dem er damals immer Geschichten erzählt hatte, dennoch verschwand das Bild sofort wieder. Der Ältere legte erneut eine Hand unter Sakitos Kopf, spürte das strähnige, durch den Schweiß leicht verklebte, Haar an seinen Fingern und hob das Haupt des Jüngeren leicht an. Er griff mit der anderen Hand nach den Tabletten und hielt sie Sakito vor den Mund, der ihn widerstandslos öffnete und die Pillen in Empfang nahm.

Sofort spürte der Kleinere den bitteren Geschmack auf der Zunge und er musste den Impuls unterdrücken sie wieder auszuspucken. Dafür nahm er dankbar, dass ihm dargebotene Wasser an, trank in hastigen Zügen um diese widerlichen Tabletten herunterzuschlucken.

Aber anscheinend war er etwas zu vorschnell, denn mit einem Mal verschluckte er sich und ein erbärmlicher Husten brachte seinen Körper zum Beben.

Schmerzen jagten durch seinen Körper und ließen ihn kurz Wimmern.

Ni~ya schüttelte den Kopf, schloss dann jedoch seine Arme um den sich schüttelnden Körper und drückte ihn kurz an sich, einfach um ihm Stabilität zu verleihen.

„Atmen Sakito… atmen…“, raunte er ihm zu.

Sakito spürte die Nähe des anderen sofort und in ihm breitete sich ein komisches Gefühl aus. Der erste, was er tun wollte, war es Ni~ya wegzustoßen, einfach weil er diese Nähe nicht gewohnt war, doch zeitgleich erfüllte ihn auch ein Gefühl von Geborgenheit und als er die Stimme des Älteren so nah an seinem Ohr spürte, versteifte er sich kurz, schloss dann aber die Augen um sich vollkommen auf seinen Körper zu konzentrieren.

Er musste noch einige Male husten und jeder Anfall sorgte für eine krampfartige Schmerzenswelle, die ihm die Luft nahm. Was hatte man ihm bloß injiziert? Welches Gift war in der Lage seinen Körper so außer Gefecht zu setzen?

Doch langsam schien sich sein Körper wieder zu beruhigen und das Husten lies nach und damit auch der Schmerz.

Sakitos Atem hatte sich durch die Anstrengung verschnellt, doch er tat alles um so flach wie möglich zu atmen, stachen die tiefen Atemzüge doch in seiner Brust.

Als Ni~ya spürte, wie der Jüngere sich langsam wieder ruhiger wurde, löste er die Umarmung und bettete Sakito wieder zurück auf die Erde.

„Du solltest noch einige Minuten liegen bleiben, bis deine Muskeln lockerer werden. Dann sehen wir weiter.“, meinte der Ältere dann und packte alle Utensilien zurück in den kleinen Sack und verstaute diesem, zusammen mit den Medikamenten wieder in seinem Rucksack. Sakito selbst lag nun einfach ruhig da und wartet ab. Dabei ruhte sein Blick die ganze Zeit auf dem Blonden.

„Was ist passiert, als ich weggetreten bin und was für ein Gift wurde mir gespritzt?“, fragte er mit leiser aber fester Stimme. Ni~ya sah ihn an. Keine Regung war in seinem Gesicht erkennbar, als er sprach. „Myosalatoxin*. Ein Nervengift, das dafür sorgt, dass langsam deine Nerven blockiert werden und die Muskelkontraktion verlangsamt arbeitet. Der Grund dafür, dass du letzt endlich weggetreten bist. Und was passiert ist? Ganz einfach. Ich hab dich gerettet und DeltaI wieder zurück nach Hause geschickt.“

„DeltaI?“ Sakito blickte Ni~ya fragend an. Irgendwo hatte er das schon einmal gehört.

„Die Sondereinheit von Menticore. Dazu ausgebildet Flüchtlinge oder Staatsfeinde zu verfolgen und zu eliminieren.“, lautete die trockene Antwort des Älteren, der nun eine Zigarettenschachtel hervorzog und sich einen der Glimmstängel zwischen dien Lippen klemmte und entzündete.

Sakito erwiderte nichts darauf. Er war tief in seine Gedanken versunken

Die Gesichter der vier Unbekannten erschienen vor seinem inneren Auge und erst jetzt, wo er mehr zu ihnen wusste, wurde ihm bewusst, dass er bereits zwei von ihnen schon einmal gesehen hatte. Das Gesicht des Anführers Hizumi und des Mannes, der ihm die Spritze in den Hals gejagt hatte. Über fünf Jahre lag diese Begegnung nun schon zurück und der Gedanke, wie er diese Gesichter bloß hatte vergessen können überkam ihn. Bilder des blutigen Kampfes tauchten in seinem Kopf auf, rissen die alte Wunde wieder auf.

„Das Mittel scheint zu wirken…“, holten Ni~yas Worte ihn wieder in Realität zurück. Verwirrt sah Sakito ihn an. Der Blonde jedoch deutete nur auf die Hände des Jüngeren und jener sah an sich hinab, stellte verwundert fest, dass seine Hände sich zu Fäusten geballt hatten und durch das dünne, an einigen Stellen zerrissene Textil seines Oberteils waren die angespannten Muskeln seiner Arme deutlich erkennbar. Das kurze Anzeichen eines Grinsens huschte über Ni~yas Züge, ehe er sich wieder wegdrehte und kurz umblickte.

„Ich schätze es dauert nicht mehr lang bis du dich vollständig bewegen kannst, doch ein gut gemeinter Rat. Selbst wenn deine Muskeln wieder arbeiten und dein Körper dir gehorcht, solltest du dich nur bedingt anstrengen. Deine Verletzungen habe ich mit den Mitteln, die mir beistanden, weitestgehend versorgt, aber ich kann nicht dafür garantieren, dass die Verbände größere Belastungen standhalten werden. Deine Wundheilung hat durch das Gift gelitten. Also nichts mit großen Kampfattacken.“

„Aie, aie Sir…“, meinte der Jüngere sarkastisch, ehe er jedoch kurz lächelte. Es war das erste seit einer langen Zeit. „Du hättest Arzt werden sollen.“

Ni~ya sah ihn einen Moment verwundert an, wandte den Blick dann aber wieder ab, zuckte nur mit den Schultern. Er nahm einen weiteren Zug von der Zigarette und blies den blaugrauen Dunst zwischen den Nasenflügeln wieder aus. „Tja was nicht ist, kann ja noch werden. Vielleicht hat Menticore wenigstens in diesem Punkt etwas Gutes gebracht. Die Lehrstunden über Gifte und Wirkungen waren doch äußerst hilfreich. Hat sich mehrmals bestätigt!“ Mit einem verächtlichen Auflachen schnipste der Ältere die Zigarette hinfort und sah Sakito wieder genau in die Augen. Dieser hatte den Blick jedoch abgewandt, löste der Name ihrer beider wahr gewordenen Hölle ein bedrückendes Gefühl in ihm aus, ließ ihn an die Flucht von vor neun Jahren denken und an die Schuldgefühle, die er über die ganze Zeit hinweg als ständige Begleiter mit sich trug.

„Wie bist du entkommen?“, fragte Sakito plötzlich mit belegter Stimme. Ni~ya zog eine seiner Augen an, hatte er doch mit dieser Frage nicht im Geringsten gerechnet.

„Auf demselben Weg wie Ruki, Reita und du… nur acht Jahre später.“, lautete die kurze, aber prägnante Antwort. Sakito nickte nur als Zeichen des Verständnisses. Was hätte er schon noch groß sagen sollen? Er spürte instinktiv, dass es der falsche Zeitpunkt für eine derartige Unterhaltung war.

Die bedrückende Stille, die sich nun zwischen ihnen ausbreitete, war nur schwer zu ertragen.

Sie sorgte für verbitterte Gedanken in dem Jüngeren. Es schien ihm erst jetzt langsam bewusst zu werden, dass es wirklich Ni~ya war, der ihm hier gegenübersaß. Derjenige, dem er all die Jahre der Flucht nachgesinnt hatte, der sein einziges Ziel vor Augen gewesen war, seine Befreiung, die verzerrenden Schuldgefühle zu verbannen und auszulöschen. Sollte er sich nicht freuen? Sollte er nicht eine riesige Last von seinen Schultern fallen spüren?

In all den Jahren hatte er sich ein Widersehen anders vorgestellt. Er wusste nicht wie, doch keinesfalls so wie es nun wirklich der Fall war.

Hatte er vielleicht angenommen mit Ni~yas Befreiung würde alles gut werden, würden alle schlimmen Erinnerungen, Alpträume, alle Enttäuschungen und Ängste von ihm abfallen?

Ja das hatte er.

Wie ein Kind hatte er einen Traum gejagt, ein rettendes Ventil gesucht, eine Quelle, die ihm Schutz und Geborgenheit gab, wie die Arme einer Mutter, die ihr Neugeborenes umfingen und alles Schlechte von ihm fernhielten. Und immer war dieser Traum, dieses Ventil, diese Quelle Ni~ya gewesen, der einzige Mensch bei dem er sich je sicher gefühlt hatte.

Und umso schmerzhafter war nun die Realität!

Ängste, Erinnerungen, Schmerzen… all das war geblieben.

Eine tief erschütternde Enttäuschung befiel den hübschen Jungen und er schloss die Augen.

Ni~ya hatte jede Regung in dem jungen Gesicht beobachtet, jedes verziehen der Mundwinkel und Ausdruck in den faszinierenden Augen, die durch die innerlichen Schmerzen so wunderschön glänzten, wie selten zuvor.

Doch in dem Blonden weckten sie keine Gefühle, keine Anregungen diesen Jungen schützen zu wollen, ihn wieder in die Arme zu ziehen und Geschichten zu erzählen. Er fühlte nichts, nichts außer einer grotesken Bewunderung über die Wandlung dieses Kindes. Er hatte beobachtet wie Sakito, einer stolzen Wildkatze gleich, gekämpft hatte, wie elegant seine Bewegungen, der Umgang mit den Messern und Wurfsternen gewesen waren und wie stark die Aura, das brennende Feuer ihn umgeben, welchen Glanz die goldgelben Augen von sich gegeben hatten und letzt endlich wie die stolze Katze zu Boden gegangen war, er den Kampf verlor und das Feuer in einer einzigartigen Tragödie erlosch.

Es war nicht länger der kleine Junge, sondern eine starke Koryphäe, die jedoch gerade von der verletzten Hülle verborgen wurde.

Neun Jahre waren seit dem letzten Aufeinandertreffen vergangen und sie beide hatten sich verändert, waren von gegenseitig Schutz suchenden Jungen zu kalten, von schlimmen Erfahrungen und unendlich vielen Enttäuschungen geprägten, jungen Männern herangewachsen. Und das würde selbst Sakito sich eingestehen müssen.

„Ich werde kurz die Gegend auskundschaften und frisches Trinkwasser holen. Du erholst dich in der Zeit und überlegst, wie du weiter verfahren willst.“ Damit stand der Blonde auf und warf erneut einen Blick auf den schwachen Körper, der jedoch langsam wieder zu Kräften kam, jedoch von mentalem Schmerz in diesem Prozess gehindert wurde. Ni~ya wollte dem Jüngeren noch einmal etwas Zeit geben mit sich und der Welt wieder ins Reine zu kommen. Er verstand sehr wohl wie Sakito Fühlen und Denken musste. „Ach und Sakito… zerbrich dir nicht zu sehr den Kopf. Die Dinge sind wie sie sind.“

Der Brünette hob überrascht den Kopf, sah jedoch nur noch wie Ni~ya sich bereits langsam entfernte.

Es war das erste Mal, dass Sakito einen genauen Blick auf Ni~yas Gestalt werfen konnte. Der Ältere war kaum noch mit dem Jungen zu vergleichen, den Sakito stets in Erinnerung behalten hatte. Er hatte sich verändert, wie wohl er, Sakito, auch. Ni~yas gesamtes Erscheinungsbild entsprach nun dem eines jungen starken Mannes. Sein Körper war gewachsen und stärker geworden und die gesamte Haltung des Älteren sprach von dem jahrelangen Kampftraining. Aber das wohl markanteste Merkmal waren die nun platinblonden Haare.

Sakito lehnte sich wieder zurück, während Ni~ya sich immer weiter zwischen den Bäumen hindurch entfernte. Er war ihm dankbar für diese Zeit des Alleinseins, denn er hatte die Geste des Älteren verstanden.

Der Brünette hatte nun die Zeit zu reflektieren, noch einmal die letzten Tage und Wochen in seinem Kopf Revue passieren zu lassen. Es war soviel passiert, dass es selbst ihm wie ein verwirrender und surrealer Traum erschien. Es lag kaum drei Wochen zurück, als er mit den Zigeunern zusammen die Tore Kyotos passiert hatte und das nur in der Hoffnung, die klägliche Spur, die er von Reita gehabt hatte, würde sich bewahrheiten und er den Blondschwarzhaarigen finden. Ab diesem Zeitpunkt, in dem er die Stadt wieder betreten hatte, waren die Ereignisse Schlag auf Schlag eingetreten. Erst das Kampfturnier in der alten Kirchruine und das damit herbeigeführte Wiedersehen mit Reita, dann eine Woche später das verabredete Treffen und Einmischen eines fremden Transgenos, sowie nur zwei Tage später die Entführung des schwarzhaarigen Jungen und die damit verbundenen Erlebnisse, die bis zu dem jetzigen Zeitpunkt anhielten.

Ni~ya war aufgetaucht, war nun hier bei ihm, einfach so und er, Sakito, stand vor einem Abgrund. Er hatte keine Idee wie es jetzt weitergehen sollte, was er jetzt tun sollte? Sollte er zu Reita zurückkehren und ihn erneut davon überzeugen, dass es besser wäre zu gehen oder sollte er ihn lieber in Ruhe lassen, ihn sein Leben leben lassen, wie er es wollte? Reita hatte sein Glück gefunden, auch wenn es jetzt durch diese ganzen Dinge nah am Rand gewesen war zu zerbrechen. Die Tatsache, dass weder er noch der schwarzhaarige Junge hier waren, waren Beweis genug für Sakito, dass Reita und sein Geliebter es geschafft hatten zu entkommen.

Er wollte sie nicht wieder mit seiner Anwesenheit in Gefahr bringen, doch sie waren es auch so und das musste Reita bewusst sein. Jetzt wusste Menticore genau wo sie sich aufhielten und sie würden nicht davor zurückschrecken weitere Einheiten zu schicken um sie zu eliminieren.

//Vielleicht hat Ni~ya recht und ich denke einfach zuviel nach…//

Er seufzte leise und hob eine Hand an die Stirn, spürte nun selbst die Wirkung des Serums und der Tabletten, die zwar dafür sorgte, dass seine Muskeln sich lockerten, aber zeitgleich auch ein Schwindelgefühl in ihm hervorriefen. Aber dies waren nicht die einzigen Veränderungen die er wahrnahm. Das Kribbeln in seinen Beinen hatte zugenommen und so langsam konnte er auch wieder alle Körperteile und Glieder spüren.

Er wusste nicht wie viele Minuten vergingen, als er die leisen und feinen Schritte hörte, die sich ihm wieder näherten. Der Brünette öffnete die Augen und drehte seinen Kopf, blickte Ni~ya entgegen, der von seiner Tour zurückkam.

„Alles okay… wie ich es aber schon erwartet habe. Und bei dir? Das Mittel müsste eigentlich super wirken.“, fragte der Blonde, als er die nun wieder volle Wasserflasche wieder in den Rucksack packte.

Sakito sah ihn an, nickte dann leicht. „Hai es wird. Ich spüre meine Muskeln und die Beine wieder.“

„Sehr schön… hast du schon mal versucht aufzustehen?“

„Nein…“

„Dann versuch es mal. Dein Kreislauf sollte langsam wieder in Schwung kommen.“

Sakitos Kopfnicken diente erneut als Antwort und langsam setzte er sich auf, stützte sich dabei auf dem Boden ab. Ihm schwirrte bereits erneut der Kopf und als er sich langsam auf die Beine stützte, drohte er sofort wieder umzufallen, weil seine zittrigen Glieder noch nicht in der Lage schienen sein Gewicht zu tragen.

Doch sofort war Ni~ya zur Stelle und fing den Brünetten ab. Seine Arme schlossen sich um Sakitos Körper und setzten ihn wieder vorsichtig auf dem Boden ab.

„Hoppla… anscheinend war ich etwas vorschnell. Bleib lieber noch etwas sitzen. Hast du dir denn schon überlegt was du jetzt machen willst?“

Auch Ni~ya setzte sich wieder neben den Kleineren, sah ihn fragend an. Sakito schüttelte leicht den Kopf, war mit den Gedanken doch noch bei der eben geschehenen Szene, richtete seine Aufmerksamkeit jetzt wieder auf den Blonden.

„Ich weiß es nicht.“

Ni~ya wirkte nun nachdenklich. „Du könntest zusammen mit mir einfach verschwinden. Lassen wir das alles hier hinter uns. Doch wir sollten Reita die Chance geben und fragen ob er uns begleiten will. Denn nach dem was hier passiert ist, weiß ich, dass Menticore nicht lange brauchen wird, bis sie weitere Teams schicken. Wir sind hier alle nicht mehr sicher.“ Er sprach mit energischer Stimme, beeinflussend und doch immer noch ruhig.

Sakito dachte nach. Vielleicht war es wirklich die beste Lösung noch einmal zu Reita zu gehen.

„Ich… weiß wo er sich aufhalten sollte.“, meinte er dann und sah Ni~ya an. Dieser erwiderte den Blick. „Dann sollten wir dorthin gehen. Ich denke sowieso, dass es das Beste wäre, diese Situation aufzuklären. Reita wird denken, dass DeltaI dich mitgenommen haben.“

„Was ja dank deiner Hilfe auch fast passiert wäre. Wie hast du uns eigentlich gefunden?“

„Das erzähle ich dir lieber dort, wo wir unsere Ruhe haben.“, wehrte Ni~ya diese Frage ab. Sakito gab sich damit zufrieden.

Es verstrich wohl einige Zeit und immer deutlicher spürte Sakito nun seine Muskeln wieder spielen und wie seine Sinne wieder schärfer wurden. Bald fiel es ihm nicht mehr schwer die Arme zu bewegen oder Beine zu strecken.

Ni~ya beobachtete ihn die ganze Zeit und irgendwann sagte er. „Versuch noch mal aufzustehen.“ Und diesmal gelang es dem Brünetten auch mit der Hilfe des Blonden, aber noch immer schienen seine Beine mächtig zu zittern, etwas, dass Sakito Sorgen bereitete, die er jedoch nicht äußerte Aber das musste er nicht, Ni~ya bemerkte es auch so.

„Hm… anscheinend will dein Körper noch immer nicht ganz. Doch wir sollten langsam verschwinden. Du brauchst ein Bett oder wenigstens eine richtige Ruhestätte. Komm ich werde dich tragen und du nimmst den Rucksack und dirigierst den Weg. Es wäre sowieso hinderlich hier im Wald, wenn du nicht richtig laufen kannst.“

Somit stützte Ni~ya Sakito noch etwas, half ihm den Rucksack anzulegen und hob ihn schließlich ohne große Anstrengung hoch auf seinen Rücken. Sakito fühlte sich unbehaglich und ohne das er es wollte, spürte er wie seine Wangen heiß wurden und ein leichter Rotschimmer sich auf sie legte, den Ni~ya, Gott sei dank, jedoch nicht sehen konnte. Und so machten sich die Beiden auf den Weg.
 

***
 

Tbc…
 

* Nicht das ihr denkt, dass es das wirklich gibt xD Dieses Gift ist meinem Hirn entsprungen

Waiting

Dark Angel

Kapitel: 13/?

Autorin: -Satty-

Pairing: Ni~yaxSakito, ReitaxAoi

Genre: Shounen-ai, Romantik, Darkfic etc...

Kommentar: So nun geht auch endlich mal weiter >< nach zwei Monaten Abstinenz habe ich mich heute dazu gezwungen mal wieder an das Kapitel zu setzen und siehe da… nach einigen Startschwierigkeiten ist es mir locker flockig in einem 5 stündigen Schreibmarathon von der Hand gegangen und ich bin endlich fertig geworden xD

Und ich muss sagen, dass mir das Kapitel sogar recht gut gefällt ^^

Hoffe, dass es bei euch an so gut ankommt

Und wieder einmal muss ich mich wirklich bei euch allen bedanken. Eure superlieben und auch so tollen Kommentare heitern mich jedes Mal wieder auf und spornen mich an die FF weiter zu führen *~*

Ein herzliches Danke dafür

*sich verbeug*
 

Kapitel 12: Waiting
 

Immer wieder keuchte er schmerzvoll auf, krallte sich in die Schulter seines Freundes, der unter dem zusätzlichen Gewicht selbst schwer zu kämpfen hatte.

„Halt durch… wir sind bald da.“, klang die besorgte und leise stimme an seinem Ohr und noch einmal gab er sich einen Ruck, lastete mehr Gewicht auf seine zitternden Beine, doch lange sollte auch das nicht mehr helfen.

Immer schwerer wurden seine Knochen und mit ihnen auch die Kraft sich auf den Beinen zu halten. Er spürte seinen linken Arm nicht mehr, war nicht mehr in der Lage diesen zu heben oder zu bewegen. Und zu allem Übel wurde seine Sicht immer schwächer.

Aoi wurde immer schwerer ums Herz und er versuchte Reita so gut es ihm möglich war zu stützen. Der Schwarzhaarige stöhnte, krallte seine Hand fester in Reitas Rücken um ihm etwas mehr Halt zu geben.

Aber das zusätzliche Gewicht konnte der Jüngere kaum tragen. Seine Beine zitterten und der druck in seiner Brust, der brennende Schmerz, der durch die gebrochenen Rippen verursacht wurde, nahmen ihm fast den Atem.

„Reita bitte… du musst durchhalten…“, flehte der Schwarzhaarige, als Reita mit einem Mal einknickte und sie beide fast zu Fall brachte. Auch Aoi sank etwas ein, griff noch einmal fester zu, was Reita einen unterdrückten Schmerzenslaut entrinnen ließ. Der Jüngere zuckte etwas zusammen, zog seine Hand sofort zurück, spürte das klebrige Blut an seinen Fingern, welches noch immer aus den tiefen Wunden strömte, die dunkle Kleidung tränkte und dunkle Flecken auf der schmutzigen Straße hinterließ.

Aoi hatte Angst, schreckliche Angst.

Reita hatte bereits viel Blut verloren und sogar jetzt noch rann der kostbare Lebenssaft aus dem Körper des Blondschwarzen. Was sollte er nur tun, wenn Reita hier und jetzt starb? In seinen Armen auf dem Weg zu ihrer Rettung?

Einen Moment drohte Aoi auch die letzte Kraft zu verlieren, doch er nahm sich zusammen.

Es war nicht mehr weit bis zu Tora und Saga und auch wenn seine Lungen brannten, seine Beine die doppelte Last nicht mehr zu tragen vermochten, so musste er stark bleiben. Noch einmal raffte er sich auf, zog Reitas rechten Arm enger um seine Schultern und legte die zweite Hand um Reitas Hüften, zog ihn enger an sich.

„Wir schaffen es, Reita.“, raunte er dem fast Bewusstlosen zu.

Reita selbst spürte kaum noch etwas. Sein Atem ging stoßweise und sein Körper fühlte sich an wie ein einziger Schmerz. Er registrierte zwar Aois Worte, verstand sie jedoch kaum, hing nur schlaff auf der Schulter seines Freundes, der sichtlich Mühe hatte, ihn zu tragen.

Aois Kräfte schwanden immer mehr dahin. Er hatte Probleme noch gerade zu laufen und musste immer öfter die Augen schließen und blinzeln um richtig zu sehen. Der Schwarzhaarige schwankte leicht, während der Schweiß heiß und klebrig über seine Stirn rann, sich erst in den Falten seiner dreckigen Kleidung verlor. Aber er musste stark bleiben, durfte dem Drang der Müdigkeit nicht nachgeben.

Es ging um Leben und Tod!

Der 17-Jährige biss die Zähne zusammen. Sein Ziel lag nicht mehr in weiter Ferne und mit jedem schweren Schritt kam er ihm näher.

Die Sonne war längst aufgegangen, quälte ihn mit ihren warmen Strahlen noch mehr. Aber dann endlich erkannte er die Ruine vor sich, die Tora und seinem Tribe als Unterschlupf diente. „Wir sind gleich da. Ich kann Toras Haus schon sehen.“, raunte Aoi seinem Freund zu, wollte ihm Zuversicht geben.

Aber Reita war nicht mehr in der Lage ihn zu verstehen. Seine Augenlider wurden immer schwerer, seine Beine so schwer wie Blei und sein Kampfeswille sank mit jeder Sekunde immer mehr. Er gab nach…

Aoi seufzte überrascht, als Reitas Beine unter seinem Körper nachgaben, nicht mehr in der Lage waren den verletzten Körper zu tragen und er sie beide endgültig aus dem Gleichgewicht brachte. Aoi stolperte, Reitas Arme entglitten seinem Griff und der benommene Leib des Blondschwarzen sackte schwer zu Boden.

„Reita! Nein!“, wimmerte der Jüngere, sank neben dem Älteren in die Knie, versuchte ihn wieder hochzuziehen, doch es gelang ihm nicht. Reitas Körper war einfach zu schwer und er, Aoi, zu kraftlos ihn zu heben.

„Rein bitte… steh auf…“, fiepte der Schwarzhaarige nun, sichtlich den Tränen nahe. Aber Reita regte sich kaum. Die Augen des Schwarzblonden blickten leer ins Nirgendwo und die Lider waren halb gesenkt, während sich die Brust unregelmäßig und schwach hob und senkte. Aoi schlang seine dünnen Arme noch fester um Reitas Leib, versuchte ihn so noch einmal hochzuziehen, doch wieder entsagte ihm sein Körper den Dienst. Der Wille war unbegrenzt stark, aber was nützte es wenn die Kraft nicht mehr da war?

Hilflos warf der Jüngere einen suchenden Blick um sich herum, doch nirgendwo war auch nur eine Menschenseele zu sehen, die ihm hätte helfen können und in der Ferne, nur wenige hundert Schritt entfernt lag doch schon Toras Unterschlupf. In Aois Kopf ratterte es. Er suchte verzweifelt nach einer Lösung und doch schien die Einzige, die es gab, jene zu sein Reita allein zu lassen und allein zu Tora zu gehen und diesen schnell herzuholen.

Aber er wollte Reita nicht allein lassen, keine Sekunde, aber ihm blieb nichts anderes übrig.

„Ich bin gleich wieder da…“, raunte er dem Verletzten zu und richtete sich auf. Aois Rippen schmerzten fürchterlich, aber dennoch hastete er die letzten wenigen hundert Meter, hielt sich die rechte Hand krampfartig an die Brust gepresst. In seiner Brust stach es und seine Lungen brannten, als er endlich bei der Türluke ankam und wie wild dagegen hämmerte.

Eilige Schritte zeugten von dem Kommen mehrere Personen und als die Tür aufgestoßen wurde, schrie Aoi kurz auf, prallte das Holz doch genau gegen seine Brust und ließ ihn nach hinten stolpern. Zwei überraschte Augenpaare sahen ihn an, ehe einer der beiden jungen Männer nach vorn stürzte und den geschwächten Schwarzhaarigen auffing.

„Aoi…“, sprach Shou leise und sah in die glänzenden Augen des jungen Mannes. Tränen verfingen sich nun in den langen Wimpern, als Aois Kraft endgültig zusammenbrach und er sich in das T-Shirt des Braunhaarigen krallte, der ihn aufgefangen und vor einem Sturz bewahrt hatte. „Was ist passiert?“, fragte Shou weiter, dem der Zustand des etwa Gleichaltrigen keineswegs entgangen war.

Aoi litt in diesem Moment unter den Schmerzen in seiner Brust und jeder Atemzug stach in seinen Lungen. Es fiel ihm schwer zu Reden und die seelische Belastung machte es ihm nicht einfacher Shous Frage zu beantworten. „Reita… er… Hilfe… bitte…“, brachte er wimmernd hervor und kniff die tränenden Augen zusammen. Shou warf einen warnenden Blick zu Hiroto, der mit ihm auf das laute Klopfen des Schwarzhaarigen reagiert hatte. „Was ist mit Reita?“, fragte der Brünette nun leiser weiter, löste den Griff etwas, in dem er ihn hielt. „Er… ist… ich musste ihn zurücklassen… bitte… helft ihm…“ Shou fiel es schwer Aoi zu verstehen. „Wo ist er?“ Schwach hob Aoi einen seiner zittrigen Arme und deutete in die Richtung, wo er den Blondschwarzhaarigen hatte zurücklassen müssen.

Und das war der Augenblick wo Aoi auch die letzten Kräfte verließen, er mit einem Mal zusammensackte und gegen Shous Körper drückte. „Helft ihm… bitte…“, waren die letzten Worte, die über die zitternden Lippen kamen, ehe der hübsche Schwarzhaarige das Bewusstsein verlor.

Shou schaltete schnell. „Pon… schnell. Hol Tora und Die. Und Saga!“ Der Kleinere von beiden nickte, sprang auf und lief flink zurück in das Haus.

Shou bettete Aoi nun vorsichtig auf den Boden, hielt seinen Kopf aber weiterhin erhoben und strich die schwarzen, teilweise verklebten Strähnen aus dem dreckigen Gesicht, dass nun von den Tränenspuren durchzogen war. //Was ist nur passiert?//, dachte sich der brünette Junge, als er auch schon die herannahenden Schritte von Tora, Die und Saga vernahm, die aus dem Haus stürzten. Tora war der erste der auftauchte und sich sofort zu Shou auf den Boden kniete. „Was ist passiert?“, fragte der Tribeführer, hatte er doch von Hiroto nur sehr geringe Details erhalten.

„Aoi ist hier aufgetaucht und meinte Reita ist verletzt und liegt irgendwo dort hinten.“, antwortete Shou knapp und wies in die Richtung, die Aoi ihm gedeutet hatte. Tora wollte noch etwas sagen, als Saga sich einmischte. „Können wir das nicht später klären? Aoi ist bewusstlos und Reita anscheinend so schwer verletzt, dass er nicht mehr laufen kann und Aoi ihn zurücklassen musste! Tora, Die! Holt ihn, schnell und Shou hilf mir bitte Aoi rein zu bringen.“ Die Stimme des dunkelblonden klang energisch und ohne noch groß zu protestieren nickte Tora, sah Die an und gemeinsam machten sie sich auf den Weg Reita zu suchen.

Lange mussten sie das nicht tun, denn die Gestalt des zusammengesunkenen Schwarzblonden war nicht zu übersehen. Sowohl Tora, als auch der rothaarige Daisuke stockten kurz, als sie die erbärmliche Verfassung bemerkten, in der sich der Jüngere wohl befinden musste.

„Kami wer hat ihn nur so zugerichtet?“, fragte Die leise, wohl aber eher zu sich selbst, als an den Dunkelhaarigen gewandt, der sich nun neben ihn kniete und Reita einen Moment betrachtete.

Jetzt wo die sonne aufgegangen war, erkannte man deutlich die eingetrockneten roten Flecken auf der dunklen Kleidung und eine kleine Lache der rubinroten Flüssigkeit hatte sich unter dem Jungen ausgebreitet. „Das ist im Moment egal! Wir müssen ihn schnellstens zu Saga bringen!“, zischte Tora, fühlte kurz nach dem Puls des Bewusstlosen und nach einigem Suchen hatte er ihn auch, schwach aber deutlich spürbar. „Noch lebt er, aber ich weiß nicht mehr wie lange.“

So bemühten sich die Beiden Reita behutsam hochzuheben. Tora nahm den schmächtigen Körper auf die Arme und brachte ihn schnell aber sicher in ihren Unterschlupf, wo Saga bereits damit beschäftigt war, Aoi zu untersuchen.

Der Dunkelblonde hatte mit Shous Hilfe Aoi von seinem Oberteil befreit und tastete nun vorsichtig den Oberkörper des Schwarzhaarigen ab, der zumindest keine äußeren Verletzungen aufwies.

Doch die blauen Flecke und besonders ein großer Bluterguss direkt unter der linken Brust ließen sein geübtes Auge schnell die gebrochenen Rippen finden, die starke Schmerzen verursachen mussten.

Aber als Tora die Tür öffnete und mit Reita eintrat, brach Saga die Untersuchung an dem Schwarzhaarigen ab. Reita schien es weitaus schlimmer erwischt zu haben.

„Leg ihn auf die Liege!“, ordnete Saga an. Es war die letzte die in ihrer provisorischen Krankenstation zur Verfügung stand. Sofort nickte Tora und legte den bewusstlosen Körper auf die enge Liege.

„Shou, Die… geht bitte. Ich werde das jetzt mit Tora allein machen, okay? Aber Shou… eine Schüssel mit warmen Wasser brauchen wir.“, sprach der Dunkelblonde noch an seine beiden Freunde gewandt, die dieser sofort nachkamen und den Raum verließen. Zurück blieben Tora und Saga. Einen Moment blieb Saga einfach stehen und schloss die Augen, rieb sich über die Stirn, als er zwei starke Arme um seiner schmalen Taille spürte. Kurz lehnte sich der Dunkelblonde an die Schulter des Älteren, ehe er seine Augen wieder öffnete und Tora aus dem dunklen Iriden ansah. „Lass uns beginnen. Reita scheint schwer verletzt zu sein.“ Tora nickte, ließ den Kleineren los und gemeinsam begannen sie Reita zu versorgen.
 

***
 

Langsam trugen seine Schritte sie beide durch die morgendlich erwachende Stadt. Warmer Atem blies ihm in den Nacken, zeugte von den ruhigen Atemzügen des Jungen, den er nun seit mehr als zwei Stunden auf den Schultern trug.

Ni~ya grinste leicht in sich hinein, blieb dann stehen und warf einen Blick in das hübsche Gesicht, welches auf seiner Schulter ruhte, auf die geschlossenen Augenlider und fein geschwungenen Augenbrauen. Sakito war erneut eingeschlafen, schien das Gift ihn noch immer zu schwächen. Doch seiner einzigen Hilfe beraubt, wusste der Blonde nun nicht wohin er gehen sollte. Kyoto selbst war eine riesige Stadt und Reita konnte inzwischen überall sein.

Ginge es nach ihm, wollte er den Blondschwarzhaarigen nicht wieder sehen.

Doch Sakito hatte den Wunsch geäußert und so würde er ihm nachgehen.

Jetzt jedoch hielt er eine Rast für angemessen. Es ging ihm immer noch gut. Sein Körper zeigte keinerlei Spuren von Anstrengung trotz des langen Marsches und dem zusätzlichen Gewichts Sakitos auf dem Rücken. Aber er musste wohl oder übel warten, bis der Jüngere wieder aufwachte.

Dank seiner Instinkte fand Ni~ya auch recht schnell einen guten Unterschlupf, an dem sie beide vor fremden Blicken geschützt waren, nicht etwa weil sie auffallen würden, sondern viel mehr, weil Ni~ya fremde Menschen scheute.

Er hatte ein verlassenes halbverfallenes Haus gefunden, welches noch immer recht dicht am Stadtrand lag. Der Abstieg vom Berg war doch schwerer gewesen, als er angenommen hatte und er war langsam und vorsichtig gegangen um Sakito weitere Schmerzen zu ersparen.

Vorsichtig ließ er den Brünetten nun von seinem Rücken gleiten, fing ihn sanft mit den Armen auf und nahm ihm den Rucksack ab. Das Sakito dabei nicht aufwachte war nur ein weiterer Beweis dafür wie geschwächt er noch immer sein musste, denn normalerweise verfügten sie alle über einen sehr feinen Schlaf und wachten bei der kleinsten Unstimmigkeit in ihrer Umgebung auf.

Ni~ya bettete Sakito erneut auf die Erde, legte aber seine Jacke unter den Kopf des Kleineren, während er selbst sich erneut eine Zigarette anzündete und den Jüngeren wieder im Schlaf beobachtete.

Es war schon eine starke Wandlung, die Sakito durchgemacht hatte. Verglich Ni~ya diese anmutige, elegante Gestalt mit dem kleinen pausbäckigen Jungen von damals, fiel es schwer große Parallelen zu ziehen. Das einst so kindliche Gesicht hatte sich zu feinen Zügen ausgebildet, die besonders in der Augenpartie dem scharfsinnigen Verstand einer Katze glichen. Hohe Wangenknochen, fein geschwungene Augenbrauen und sinnliche Lippen reiften das feminine und schöne Gesicht aus.

Und auch der schlanke Körper, der sich unter der noch immer zerrissenen und blutbefleckten Kleidung befand war kaum mehr mit dem mageren Jungen zu vergleichen.

Ni~ya wandte seinen Blick ab, rauchte weiter in Ruhe, schritt an eines der verfallenen und zersplitterten Fenster, in dessen Ecken einzig noch einige Scherbensplitter steckten und das Licht der Sonne reflektierten.

Auf der Strasse war es noch ruhig. In diesen Randgebieten der Stadt war nicht viel los, ganz anders als in den Innenbezirken, in denen niemals die Ruhe der Nacht einzukehren vermochte.

Ein leises Stöhnen hinter ihm veranlasste ihn sich wieder abzuwenden und umzudrehen.

Sakito begann sich zu regen und eine Hand des Jüngeren landete auf seiner Stirn.

Der Brünette öffnete die katzenhaften Augen und blickte sich in den ersten Momenten noch recht verwirrt um. Er schien noch immer desorientiert und kaum in der Lage wirklich seine Umwelt zu registrieren. Doch als sein Blick durch den Raum glitt und er Ni~ya am Fenster entdeckte, versteifte er sich zwar kurz, entspannte sich dann aber wieder.

Wesentlich schneller als beim letzten Mal kehrten seine Erinnerungen zurück und das Letzte, an das er sich erinnerte, war das ruhige schaukeln von Ni~yas gleichmäßigen Schritten gewesen und eine unendliche Müdigkeit.

„Wo sind wir?“, fragte er leise, legte sich wieder zurück und schloss noch einen Moment die Augen. „In einem Haus in einem Randbezirk von Kyoto. Ich weiß ja nicht wo du hin willst, also musste ich warten, bis du wieder aufwachst.“, sagte Ni~ya knapp, Sakito ansehend.

Noch immer schien der junge Körper ausgezerrt und geschwächt. Er brauchte Nahrung, denn der winzige Brotkanten konnte nicht ausreichen, genug Energie zu liefern um die Strapazen der letzten Nacht auszugleichen.

„Wie fühlst du dich?“, fragte der Blonde nun in den Raum und Sakito öffnete die Augen, sah den anderen an. „Schwach…“, lautete die eintönige Antwort. „Dann iss und trink, damit du wieder zu Kräften kommst. Die Medikamente und das Serum mögen die Wirkungen des Giftes gelindert haben, doch mehr werden sie nicht tun.“ Mit einem nichts sagenden Grinsen auf den Lippen kehrte Ni~ya Sakito den Rücken zu um kurz in seinem Rucksack herumzukramen und dann die Wasserflasche sowie ein größeres Stück Brot und ein Päckchen herauszuziehen. All das warf er Sakito entgegen, der es geschickt fing.

//Na wenigstens scheinen meine Reflexe wieder zu arbeiten…//, dachte sich der Brünette, ehe er das Gefangene näher in Augenschein nahm. In dem kleinen Päckchen befanden mehrere Verpackungen mit weißen Tablettchen, die Sakito nicht kannte.

„Traubenzucker…“, meinte Ni~ya schlicht, welcher zu dem Kleineren gekommen war und sich nun im Schneidersitz neben diesem niederließ. „…sorgt dafür, dass du schnell Zucker in deinen Körper kriegst, damit dieser Energie daraus schöpfen kann. Stillt keinen Hunger, ist aber effektiv.“ Der Blonde lehnte sich an die Wand.

Sakito sah ihn mit angezogenen Augenbrauen an. Es fiel ihm noch immer schwer zu begreifen, dass dieser Mensch wirklich sein Jugendfreund war, hatte sich Ni~ya doch so sehr geändert. Es fehlte jeder Funke der warmen Ausstrahlung und des vertrauen weckenden Lächelns, welches damals immer zu ihm gehört hatte.

„Magst du denn gar nichts essen? Du musst auch Hunger haben?“, fragte Sakito ihn, als er begann an dem Brot zu kauen. Und erst jetzt fiel ihm auf wie ausgehungert er tatsächlich war. Ni~ya sah ihn nur an, schüttelte den Kopf. „Nein ich brauche nichts. Iss ruhig.“ Damit war das Thema zwischen ihnen beendet.

Sakito fühlte sich dennoch etwas unwohl, als er immer größere Brocken des Brotes abbiss und schluckte, deutlich spürte wie sein Körper die erhaltene Nahrung dankbar aufnahm. Schließlich war von dem großen Stück nicht mehr viel übrig, als Sakito es beiseite legte, Ni~ya dann aber ansah und es ihm hinhielt. „Iss! Nicht nur ich kann Kraft gebrauchen…“, meinte er ernst und Ni~ya zog eine seiner Augenbrauen an, ehe er einen leisen Laut ausstieß und sich das Brot schnappte. „Noch genauso stur wie damals…“, murmelte er, etwas, was Sakito leicht zum Schmunzeln brachte.

Stille breitete sich zwischen ihnen aus, während Ni~ya aß und Sakito sich zwei Stückchen des Traubenzuckers zu Gemüte führte.

Aber er fühlte sich noch lange nicht gesättigt. Sein Körper verlangte nach Fleisch und das katzenhafte Wesen in ihm war wohl nicht ganz unschuldig daran. Aber er ignorierte es einfach, war froh überhaupt etwas im Magen zu haben.

Als auch Ni~ya mit dem Essen fertig war, sah er Sakito aufmerksam an. „Ich denke, ich sollte mir noch einmal deine Verletzungen ansehen und wenn nötig die Verbände wechseln.“ Sakito haderte einige Momente mit sich, ob er Ni~ya an seinen Körper heranlassen sollte, doch andererseits hatte der Blonde ihm bereits Verbände angelegt. So nickte er schließlich und legte sich zurück, betete seinen Kopf wieder auf Ni~yas Jacke.

Dieser zog seinen Rucksack heran und holte daraus einen kleinen Erste-Hilfe-Kasten hervor, den er vor etlicher Zeit aus einer Apotheke entwendet hatte, und klappte diesen auf.

Aufmerksam sah Sakito dem Älteren zu, wie er einige Verbände und andere Dinge herauslegte, sich dann schließlich ihm zuwandte. „Zieh dein Oberteil hoch, bitte.“ Mit deutlich unwohlem Gefühl im Magen kam Sakito der Bitte nach und zog das dünne Textil nach oben, lüftete somit seinen flachen Bauch. Doch Ni~ya betrachtete ihn gar nicht lange, sondern wandte sich den zwei Verletzungen zu, die er bereits in der letzten Nacht verarztet hatte und wie er es vermutet hatte, hatten sich die weißen Binden an einigen Stellen schon rot verfärbt. „Entspann dich…“, murmelte Ni~ya leise, als er begann die Verbände zu lösen und damit die zwei unschönen Schnitte zu enthüllen, die der Jüngere in der letzten Nacht erlitten hatte. Sakito sah die Hautabschürfungen und an einigen Stellen auch tief geschnittenen Wunden, die sich von seiner Hüfte bis zu seinem flachen Bauch zogen und bei einer Bewegung schmerzten. Doch er hatte bereits weitaus schlimmere Verletzungen überstanden und Schmerzen kennen gelernt bei denen selbst ein Erwachsener Mensch vielleicht den Verstand verloren hätte.

Er schloss nun die Augen, während Ni~ya die Schnitte desinfizierte, mit einer übel riechenden Salbe eincremte und dann schließlich neue Verbände anbrachte.

„Das war’s…“, meinte der Blonde und räumte die Sachen wieder ein.

„Dann können wir ja bald wieder weiter.“, murmelte Sakito mehr zu sich selbst, blickte kurz zu Ni~ya auf. „Könnten wir, doch ich habe noch einmal nachgedacht. Vielleicht sollten wir ein oder zwei Tage warten, bevor wir zu diesem Tora gehen.“, offenbarte der Ältere nun.

Sakito sah ihn fragend an.

„Nun ja betrachte es von der Seite. Ich weiß nicht wie die letzte Nacht wirklich abgelaufen ist, doch in der Lage in der du dich befunden hast und die Tatsache das DeltaI immer noch zu dritt gewesen sind, lässt mich annehmen, dass zumindest Reita einen Ausschalten konnte, jedoch mit Sicherheit verletzt ist. Gehen wir einfach mal von der Tatsache aus, dass er es ist und den Weg zu diesem Tribe noch geschafft hat. Vielleicht konnte er ihnen noch nicht einmal erzählen, was los war und ist nicht bei Bewusstsein oder nicht ansprechbar. Wie würde es deiner Meinung nach aussehen, wenn wir beide, vollkommen gesund und putzmunter da auftauchen und verlangen mit Reita zu reden? Ziemlich komisch, oder? Wenn du mich fragst, würden wir nur Misstrauen auf uns lenken, denn ihr beide seid gemeinsam gegangen und er kam allein zurück?“ Auffordernd sah Ni~ya den Jüngeren an, in dessen Augen erst Verwirrung, dann aber Erkenntnis aufleuchtete.

Sakito blickte kurz zur Seite, musste nachdenken. An diese Dinge hatte er nicht gedacht. Er selbst hatte doch gesehen wie schwer Reita verletzt worden war und das er eine Menge Blut verloren haben musste und so wie Ni~ya es vermutete, könnte er zusammengebrochen sein, nachdem er sein Ziel erreicht hatte.

Seufzend lehnte Sakito sich wieder zurück. „Du… könntest Recht haben. Dann müssen wir wohl oder übel einige Tage warten bis wir sicher sein können, dass Reita wieder auf den Beinen ist.“ Er knirschte leicht mit den Zähnen. Dann wäre er noch einige Tage mit Ni~ya allein und er befand sich im Zwiespalt der Gefühle. Sollte er sich freuen oder nicht?

Ni~ya fehl interpretierte den nachdenklichen Gesichtsausdruck des Jüngeren und meinte. „Mach dir keine Sorgen um Reita. Der Kerl hatte schon immer mehr Biss, als ein Straßenhund.“ Er klopfte dem Kleineren leicht auf die Schulter. Sakito hob irritiert den Kopf. „Ehm… was? Ja… ich weiß…“, antwortete er dann doch etwas neben der Spur. Ni~ya grinste ihn nur leicht an. „Nimm es nicht so schwer. Ruh dich einfach noch etwas aus.“
 

***
 

Das dunkle Dröhnen der Propellermotoren zerschnitt die Luft und langsam setzte der Helikopter auf dem Landeplatz auf und nach und nach schalteten sich die Motoren aus und das laute Sirren ließ nach. Die Schiebtür wurde mit einem Ruck aufgezogen und eine schlanke Person sprang leichtfüßig aus dem Hubschrauber hinaus, deutete vier wartenden Personen mit einer Handgeste und sofort setzten diese sich in Bewegung, während weitere Personen nun aus dem Hubschrauber stiegen und zwei Verletzte stützten.

Sofort griffen die Sanitäter mit zu und legten die beiden Verletzten auf die vorgesehenen Tragen. „Versorgt sie!“, schalt plötzlich eine gereizte Stimme. „Und du kommst sofort mit mir!“

Hizumi blickte zu Hakuei, der aus dem Schatten des Gebäudes getreten war und ihn zu durchleuchten versuchte. Auf der Miene des jungen Mannes war nichts zu lesen, keine Emotion sichtbar. Er wirkte gelassen und kühl, ganz so, wie man es von ihm stets verlangte. Er warf einen kurzen Blick zu seinen beiden Gefährten, die nun weggebracht wurden. Der Schwarzhaarige selbst blieb noch einen Moment stehen, während Hakuei unbeirrt an ihm vorbei zu dem Hubschrauber schritt, einige Worte mit dem Piloten wechselte und dann zurückkehrte, ihn nur mit einer Handgeste bemaß, die ihm bedeuten sollte, ihm zu folgen.

Der ganze Weg durch das Hauptquartier Menticores verlief schweigend und erst als sie Hakueis Büro erreicht hatten und jener hinter dem imposanten Schreibtisch saß, hob er erneut das Wort.

Und nun verlor er seine straffe, gefasste Haltung. „Verdammt wie konnte das passieren, Hizumi?! Ihr seid die Eliteeinheit von Menticore und lasst euch von zwei entlaufenen Transgenos derart zurichten? Ich habe vor Niikura-san das Gesicht verloren, nur weil ihr nicht in der Lage wart euren Auftrag zu erledigen?!“ Es war selten, nein mehr als das, es kam nie vor, dass Hakuei seine kalte Fassade derart fallen ließ und sich von seinen Gefühlen leiten ließ.

Hizumi hörte sich die Vorwürfe stillschweigend an, regte keine Miene und schien fast anteilnahmslos. Doch nun trat er Angesprochene einen Schritt vor, wagte es aber nicht zu nahe an den Tisch heranzutreten. „Es gibt keine Entschuldigung für unsere Niederlage, Hakuei-san.“, sprach der Schwarzhaarige mit kühler Stimme, verneigte sich leicht.

„Ist das alles, was du dazu zu sagen hast!“, fuhr Hakuei sogleich wieder auf.

„Nein. Ich sagte ihnen bereits was alles geschah, doch ich wiederhole es gerne. Wir hatten #443 bereits in der Gewalt und hätten ihn ohne Probleme zurück bringen können, während Tsukasa sich an die Fersen von #668 gesetzt hatte um ihn wie gefordert zu eliminieren. Aber dann tauchte ja bekanntlich #389 auf und zwang uns #443 frei zu lassen. Er war mit einer Waffe ausgestattet, während wir zu jenem Zeitpunkt keine bei uns trugen. Ein Verstoß, der nicht zu verzeihen ist. Wir wollten ihm nach, doch erlaubte uns die missliche Lage von Zero und wenig später auch die Tsukasas uns es nicht und wir mussten die Verfolgung abrechen. Den Rest wissen sie zu gut.“, wiederholte Hizumi noch einmal in der Kurzfassung das Geschehen der verhängnisvollen Nacht.

Hakuei knirschte mit den Zähnen. Er kannte die ganze Sache bereits und sie machte ihn noch wütender.

Immerhin war er es gewesen, der sofort zu DeltaI Kontakt aufgenommen hatte und von den Vorkommnissen unterrichtet worden war, ihnen den Helikopter geschickt und eine weitere kleine Einheit von Soldaten ausgesandt hatte, um den Berghügel nach den Vermissten abzusuchen. Derzeit befand sich Karyu noch mit den Soldaten in Kyoto und suchte nach #443. Doch bisher hatte es keine guten Nachrichten gegeben. Hizumi hatte er mit Tsukasa und Zero zurück beordert. Und nun stand der Anführer der Spezialeinheit hier, während Tsukasa wohl mit dem Leben kämpfte und Zeros gebrochenes Bein behandelt wurde. Egal wie man es drehen und wenden würde, es würde einige Zeit dauern bis sie wieder einsatzfähig waren, immerhin hatte auch Hizumi einige Verletzungen davongetragen und Karyus Wunden am Hals würden ebenso verheilen müssen. Der Brünette befand sich nur in dem Auftrag, weil er es selbst gewollt hatte und die Verletzungen wohl vor Ort behandelt werden konnten.

Ein vernichtender Schlag!

„Das war’s erstmal! Verschwinde aus meinen Augen und melde dich umgehend bei Terachi in den Laboren.“, knurrte er frustriert. Was hatte er sich auch nun erhofft? Gar nichts… die ganze Aktion war ein volltrefflicher Rückschlag gewesen.

Hizumi nickte, verneigte sich dann etwas und verließ das Büro seines Chefs. Dieser würde sich nun wohl auf den Weg zu Kaoru begeben müssen und ihm noch einmal zu berichten was im Einzelnen geschehen war.
 

***
 

Es vergingen einige Tage in denen Sakito endlich wieder vollkommen zu Kräften kam und sein Körper das Gift vollends besiegte. Zwar verfiel er noch immer in tiefen Schlaf, doch sonst konnte er sich wieder ohne Einschränkungen bewegen und auch seine Sinne kehrten mit gewohnter Schärfe und Schnelligkeit zurück. Und dennoch verließ er das ausgewählte Versteck kaum, blieb zumeist in dem verfallenen Gebäude und wartete auf Ni~ya, der lange und ausdauernde Touren durch die Stadt unternahm und jene auskundschaftete. Abends kehrte er dann immer wieder mit Essen zurück und berichtete dem Jüngeren von seinen Erlebnissen.

Und trotz der Nähe, die beide nun hatten, sprachen sie kaum miteinander, gingen distanziert miteinander um und verharrten zumeist im Schweigen. Sei es nun das gemeinsame Essen oder einfach nur das nahe Beieinandersein. Sie fanden keinen Weg zu dem jeweils anderen.

Trotzdem unternahm Sakito jeden Tag in den Morgenstunden und in der Dämmerung Ausflüge zu Toras Versteck, beobachtete dieses und achtete auf alle Geräusche und lauschte in sein Inneres hinein, spürte jedes Mal erneut die Anwesenheit und Präsenz Reitas und bemerkte wie schwach diese war. Ni~yas Vermutung schien sich wohl zu bestätigen und der junge blondschwarze Transgeno kämpfte mit den schweren Verletzungen. Bei Sakito selbst hatte der Heilungsmechanismus eingesetzt und Verletzungen an Schulter, Beinen, Armen und auch die Schnitte am Becken begann zu heilen.

Der Brünette achtete jedes Mal bei seinen versteckten Besuchen auf die Anwesenheit der anderen Tribemitglieder, merkte sich jedes Gesicht, das den Unterschlupf verließ und betrat. Manchmal gelang es ihm auch einige Gespräche zu belauschen, wenn er sich besonders nahe an das Gebäude heranwagte, ohne, dass man ihn entdeckte, schnappt so auch einige Neuigkeiten auf, jedoch nie die ausschlaggebende Nachricht, dass Reita wieder erwacht war. Jedoch schien Aoi wieder das Bewusstsein erlangt zu haben, denn oft viel der Name des schwarzhaarigen, den Sakito nur einmal erblickt hatte.

Und abends wenn er immer in sein Versteck zurückkehrte und auf Ni~ya wartete, grübelte er darüber nach, wie es jetzt weitergehen sollte, wie er sich Reita nähern konnte. Selbst als er Ni~ya am Morgen des fünften Tages darauf ansprach, wusste dieser keine Antwort auf seine Fragen. „Wir müssen einfach warten.“, lautete stets die Antwort des Älteren.

Dazu waren sie verdammt… zu warten, etwas, dass Sakito nervös machte. Denn je länger sie hier in dieser Stadt waren, desto größer war die Gefahr, dass Menticore zurückkehrte und nach ihnen suchte und auch größer die Wahrscheinlichkeit, dass sie gefunden wurden.

Jedoch schien diese Verdammnis sich am Abend desselben Tages aufzuheben, als Ni~ya ihr Versteck betrat, nur wenige Minuten, nachdem auch Sakito von seiner Beobachtungsstätte zurückgekehrt war.

Ein Ausdruck tiefster Ernsthaftigkeit lag auf den Zügen des Blonden. „Sie sind hier.“ Es waren nur drei Worte und dennoch bedurfte es keiner weiteren Aussagen, damit Sakito wusste wen er meinte. Alarmiert fuhr der Brünette von seiner Position hoch. „Wo?“, fragte er. „In der Stadt. Ich sah etliche Soldaten, verkleidet, aber dennoch klar als Menticore zu erkennen.“, antwortete Ni~ya auf diese Frage. „Wie viele?“, kam sogleich die nächste. Der Ältere zuckte die Schultern, während er seinen Rucksack absetzte, in jenem er stets das Essen und andere Dinge wie gestohlene Kleidung, Werkzeuge oder Ähnliches von seinen Touren aufbewahrte. „Keine Ahnung. Ich sah eine Einheit von vier Soldaten, doch ich nehme an, dass es mehr sind und sie langsam die Stadt durchkämmen.“ „Verdammt.“, entfuhr es dem Kleineren. „Und jetzt?“

Ni~ya kniete noch immer am Boden und packte einige Sachen aus, sah nun hoch, zuckte mit den Schultern. „Gute Frage. Wenn wir sofort verschwinden sind die Chancen sehr gut, dass wir wegkommen ohne das sie es bemerken.“, meinte er schlicht und sachlich mit gewohnter ruhiger Stimme, schnürte nun den Rucksack zu.

Sakito knirschte mit den Zähnen. Wenn sie das täten, mussten sie Reita zurücklassen und ihm seinem eigenen Schicksal überlassen und Sakito wusste genau, dass es der sichere Tod wäre, denn die Hartnäckigkeit, die Menticore an den Tag legte um die Geflohenen zu finden, hatte er ja nun am eigenen Leib erfahren und es würde nur eine Frage der Zeit sein, bis sie den Blondschwarzhaarigen finden würden.

„Ich kann Reita nicht seinem Tod überlassen.“, meinte Sakito schließlich. Ni~ya sah ihn aus dunklen Augen an. „Entweder er oder wir alle zusammen. Du bist weich geworden Sakito.“, meinte er trocken und diese Aussage weckte den Zorn des Jüngeren. „Weich geworden? Ich war neun Jahre auf der Flucht und hätte alles getan um dich zu retten! Das war doch der eigentliche Grund, wieso ich den Kontakt zu Reita gesucht habe!“, fuhr er auf. Ni~ya ging nur unbeeindruckt seiner Tätigkeit weiter nach. Ihn schien diese Aussage nicht weiter zu interessieren. „Und damit wärst du in den sicheren Untergang gelaufen. Ich habe damals auch die Freiheit geopfert um sie dir zu schenken, und? Hör endlich auf diesem Gerechtigkeitssinn nachzulaufen. Aber gut, wenn du es unbedingt willst. Warne ihn. Ich werde mit dir kommen.“, sagte er weiterhin kühl und emotionslos.

Wieder einmal zeigte sich Sakito klar und deutlich die Veränderung Ni~yas. Damals hätte er niemals so gesprochen, doch der Brünette würde endlich einsehen müssen, dass der Junge von damals nicht länger der Ni~ya war, der nun vor ihm kniete.

Sakito sah zur Seite als Ni~yas Blick ihn traf.

„Geben wir ihm die Möglichkeit zu entscheiden.“, fuhr Ni~ya schließlich fort. „Gehen wir heute Nacht zu ihm.“ Er stand auf und fuhr sich durch das gebleichte Haar, zog das Zigarettenpäckchen hervor und zündete sich eine der Krebsstängel an. Sakito nickte nur und hoffte, dass Reita bis dahin endlich wieder ansprechbar sein würde und Tora und Saga sie zu ihm durchlassen würden.
 

***
 

Die Nacht graute und langsam legte sich die Dunkelheit über die Millionenstadt. Überall in den Randbezirken wurde es leiser und die Menschen zogen sich in ihre Häuser zurück.

In dem Quartier von Toras Tribe entzündete Saga gerade einige Kerzen und blickte zu Aoi herüber, der stillschweigend neben Reitas Bett saß und die bandagierte Hand des Älteren hielt. Seit seinem Erwachen vor knapp zwei Tagen hatte er sich nicht einen Millimeter von seinem Freund wegbewegt und kaum gesprochen. Zu den Ereignissen der verhängnisvollen Nacht schwieg der Schwarzhaarige auch noch mehrmaligen Fragen von Tora und Die, die unbedingt wissen wollten, was geschehen war.

Saga selbst konnte sich denken, wieso Aoi schwieg. Er hatte einen tiefen Schock davongetragen und sein Körper sowie seine Seele hatten schwer gelitten. Anscheinend waren die psychischen Verletzungen sogar schlimmer als die physischen.

Der Dunkelblonde zündete auch die letzte Kerze an, damit der Raum wenigstens etwas beleuchtet wurde und er Reitas sowie Rukas Verletzungen behandeln konnte. Beide waren bisher nicht erwacht, aber soweit über den Berg, dass ihnen keine Lebensgefahr mehr drohte. Zumindest reichte Sagas Wissen soweit aus um das beurteilen zu können.

Ruka hatte den Mordanschlag recht gut aufgearbeitet und die Wunde heilte zu Sagas Zufriedenheit. Der Brünette hatte ein wahnsinniges Glück gehabt, wobei Saga bei Reita schon an ein Wunder glaubte.

Am Morgen als Aoi und der Blondschwarze hier aufgetaucht waren, hatte er nicht geglaubt, dass Reita überleben würde. Die tiefen Verletzungen in den Schultern, die Sehnen und Muskeln stark beschädigt und einen immens hohen Blutsverlust zu verzeichnen hatten, hatten ihn deutlich an seine Grenzen geführt. Die Wundränder waren ausgerissen und durch Erde und Dreck stark verschmutzt gewesen und das hohe Fieber, welches Reita in den darauf folgenden Tagen befallen hatte, zeugte von einer Blutvergiftung.

Doch dann in der vergangen Nacht war das Fieber mit einem Schlag verschwunden und Reitas Zustand hatte sich rekordartig stabilisiert. Jetzt hatte der junge Mann nur noch ruhig geschlafen und Saga war sich sicher, dass der Blondschwarzhaarige auch bald erwachen würde.

Dies sagte er nun auch Aoi, als er Ruka versorgt hatte und auf den Schwarzhaarigen zukam, in der Hand einige Utensilien um die Wunden des Bewusstlosen zu versorgen.

Aoi hob seinen leeren Blick und sah Saga an, reagierte jedoch kaum auf ihn, sondern senkte seinen Kopf wieder. Saga seufzte, kniete sich neben das Bett und schlug die Decke zurück, die Reitas Körper bedeckte. Der junge Mann lag auf dem Rücken und der Dunkelblonde hatte sofort Zugang zu den schweren Verletzungen der Schultern. Er entfernte die Verbände, die nun kaum noch Blut aufwiesen, eine weitere Besonderheit, die mit einem Schlag eingetreten war. Die Blutungen hatten wie das Fieber war abrupt aufgehört. Er desinfizierte die Wundränder, die sich jetzt auch langsam schlossen, trug eine dünne Salbe auf und verband den Älteren dann wieder. Anschließend kümmerte er sich um die anderen Verletzungen, die weniger bedrohlich und bereits mit einer dicken Schorfkruste überzogen waren. Nur Reitas Handgelenk war nach wie vor geschwollen und gerötet und zeigte keinen Heilungsfortschritt.

Saga konnte nicht genau sagen um welche Art Verletzung es sich dabei handelte, doch sie war definitiv älter als die anderen und unter der feinen Haut zeigten sich dunkle Punkte und blaue Verfärbungen, die von einem gesplitterten Knochen stammen konnten.

Saga packte die Utensilien wieder weg und kehrte zurück zu dem Schwarzhaarigen, nahm die leere Schüssel an sich, die neben dem Stuhl des Jüngeren stand.

//Wenigstens isst und trinkt er.//, dachte er bei sich, betrachtete die schmale Gestalt des Jungen. „Aoi… wie geht es deinen Rippen?“, startete er den Versuch zu einem Gespräch. Doch alles was er als Antwort erhielt, war ein Nicken seitens des Schwarzhaarigen, die einzige Kommunikation, auf die Saga hoffen konnte. Es war ein Zeichen, dass es ihm besser ging.

Der junge Mann seufzte und wollte aufstehen um etwas zu Essen zu holen, als eine Regung des Blondschwarzhaarigen seine Aufmerksamkeit auf sich lenkte.

Sofort stellte er den Teller wieder hin und kniete sich neben Aoi. Tatsächlich bewegten sich die Lider Reitas unruhig und sein Körper begann sich leicht zu regen und zu zittern. Würde er jetzt endlich aufwachen?

Mit einem Stöhnen öffneten sich schließlich Reitas dunkle Opale und er blinzelte benommen einige Male, konnte seine Umgebung nicht klar erkennen. Alles war für ihn verschleiert und verschwommen. Sein Körper fühlte sich unglaublich schwach und schwer an und als er eine Hand heben wollte, brauchte er mehrere Anläufe bis er es schaffte, jedoch lies er sie sofort wieder sinken als ein starker Schmerz durch seinen gesamten Arm jagte.

„Beweg dich lieber nicht zu sehr, sonst brechen die Wunden wieder auf.“, sprach eine leise Stimme zu ihm. Verwirrt wem sie gehörte, versuchte Reita seinen Kopf zu drehen, doch selbst dazu war er nicht in der Lage.

Saga belächelte dies und ein großer Stein fiel ihm vom Herzen. Endlich… ja endlich hatte er die Gewissheit, dass auch Reita vollends über dem Berg war und es jetzt nur noch aufwärts gehen konnte. Er sah zu Aoi neben sich und bemerkte wie endlich wieder Leben in die dunklen Iriden zu kehren schien. Der Schwarzhaarige zuckte leicht und drückte Reitas Hand etwas fester, wollte wohl, dass der Ältere spürte, dass er bei ihm war.

Und tatsächlich schien Reita es zu bemerken, denn das Zittern in seinem Körper lies nach und er schloss die Augenlider wieder etwas, entspannte sich zusehends.

Aoi streichelte nun leicht über die verbundene Hand und ein sanftes Lächeln schlich sich auf seine Züge. „Endlich… endlich bist du wieder da…“, hauchte er tonlos, fast nicht hörbar und trotzdem vernahmen beide Anwesende die feine, zarte Stimme.

Für Reita war es wie ein wohltuendes Balsam, das seinen geschwächten Zustand etwas beflügelte und er unter Anstrengung seinen Kopf drehte und nun Aois Gestalt neben sich erblickte. Einige Strähnen seines Haares verbargen ihm die vollkommene Sicht auf seinen Engel, doch dieser strich sie beiseite und sah den Geliebten warm an.

Es war ein fast magischer Moment, den selbst Saga spüren konnte. Der Dunkelblonde schloss seine Augen und stand dann auf. Er wollte die beiden nun etwas allein lassen, doch er würde in der Nähe bleiben und seine beiden Sorgenkinder überwachen. Er schritt um die Liege herum und ging wieder zu Ruka.

Die Liebenden schienen das nicht einmal zu bemerken. Sie waren in einer Welt gefangen, die nur sie wahrnahmen. Aoi streichelte immer noch sanft über Reitas Hand und lies diese nun über das Gesicht des Älteren gleiten, spürte wie sich der Blondschwarze der sanften Bewegung entgegenbewegte.

Die Augen hatte er wieder geschlossen, genoss einfach. Und dennoch kehrten langsam Erinnerungen zurück, zeigten ihm noch einmal das Geschehen der erschütternden Nacht. Aber es schien unwichtig in diesen Momenten. Aoi lebte, war bei ihm und er durfte die Berührungen seines Geliebten spüren. Selbst wenn er tot sein sollte, könnte der Himmel nicht schöner sein.

Aber so langsam verschwand der Zauber des Augenblicks und er bemerkte andere Geräusche um sich herum. Das Flackern der Kerzen, das Atmen anderer Personen, Sagas leises hantieren im Hintergrund. Die dunklen Opale öffneten sich erneut und sahen Aoi an. „Wie geht es dir?“, hauchte er leise und mit kratziger Stimme. In seinem Körper brannte der Durst und sein Rücken zog unangenehm. „Jetzt wo du wieder da bist, könnte es mir nicht besser gehen.“, hauchte Aoi genauso leise zurück. Die Stimme des schwarzhaarige war noch immer etwas stockend und leise. Reita grinste leicht. „Ich kann dich doch nicht alleine lassen, ohne vorher noch einmal dein hübsches Gesicht zu sehen.“, meinte er, wollte nun auch seine Hand ausstrecken, doch zuckte dieser wieder unter den Schmerzen zusammen. „Nicht bewegen.“, meinte Aoi sofort alarmiert, ergriff die Hand wieder und schloss sie in die seine.

Reita verzog leicht das Gesicht. „Scheint wohl, als hätten die Mistkerle mich doch ganz schön außer Gefecht gesetzt. Wo sind wir?“

„Bei Tora und Saga… wie du es wolltest.“, antwortete Aoi sofort und Besorgnis tauchte in seinen Augen auf. „Ich hatte solch eine Angst um dich.“, kam es dann über die Lippen des Jüngeren. Reita grinste schief. „Ach was… Unkraut vergeht nicht. Das weißt du doch.“, witzelte er und musste mit einem Mal husten, sodass sein Körper geschüttelt wurde und erneut eine Schmerzenswelle ihn durchjagte. „Hnn…“, entkam es Reitas Kehle. „Na, wenn du schon wieder Witze reißen kannst, war unsere Sorge wohl überflüssig.“ Reita öffnete die Augen wieder und sah nun in Sagas lächelndes Gesicht, der in der Hand einen feuchten Lappen hielt und damit jetzt Reita den Schweiß von der Stirn tupfte. Auch wenn der Blondschwarzhaarige es nicht zugeben wollte, tat diese Kühle ungemein gut. „Und bleib liegen!“, fügte Saga seinen Worten noch einmal hinzu.

Reita nickte nur leicht. Er nahm den Ratschlag gerne an. Er würde wohl eh nicht aufstehen können ohne sofort wieder den Boden zu knutschen.

„Ich hole dir etwas zu trinken, weil ich denke, das kannst du vertragen.“ Damit verschwand Saga erst einmal und ließ die beiden Liebenden allein.

Reita und Aoi blieben zurück und genossen einfach ihre Zweisamkeit. Sie beide redeten aber nicht über das Vergangene, sie genossen im Moment einfach, dass sie beide einander hatten.
 

***
 

Was jedoch keiner von allen wusste war, dass etwa zur selben Zeit auch zwei weitere Personen sich dem Versteck Toras im Schatten der Dunkelheit näherten.

Ni~ya und Sakito hatten sich in dunkle Kleider geschlungen und fielen kaum auf, bewegten sie sich doch so lautlos wie ihre Schatten selbst, verschmolzen immer wieder mit den dunklen Schemen der Gebäude.

Doch ihr Ziel war klar vor Augen.

Und bald hatten sie es auch erreicht. Kein Licht zeugt von dem Leben, welches sich unter den Mauern des Gebäudes erstreckte und doch war es da. Beide Transgenos fuhren ihre scharfen Sinne aus, spürten die Anwesenheit des Tribes.

Sakito lauschte tief in sich hinein, suchte gezielt nach der Präsenz Reitas und fand sie schließlich auch. Und zu seiner Freude war sie stärker als noch vor einigen Stunden, als er gegangen war.

„Er scheint bei Bewusstsein zu sein.“, raunte er in die Dunkelheit, schlug etwas die Kapuze zurück. Ni~ya spürte er deutlich hinter sich, als sie die letzten Meter überwanden und schließlich vor der Tür standen, die sie in das Innere des Gebäudes führen würde.

Der Ältere der beiden hielt sich komplett im Hintergrund, würde Sakito alles überlassen. Dieser klopfte nun laut an das Holz. Sie hatten sich geeinigt auf direkte Konfrontation zu gehen. Und schnell näherten sich Schritte und das Holz wurde vorsichtig aufgeschoben und Sakito blickte direkt in den Lauf einer Waffe.

„Wer da?“, ragte eine kalte Stimme, die Sakito sofort als die von Die identifizierte. Der Rothaarige sah ihn grimmig und misstrauisch an, schien ihn erst einmal nicht zu erkennen. Eine zweite Person tauchte hinter dem Rothaarigen auf, nicht minder misstrauisch.

Sakito blieb unbeeindruckt stehen, zog auch das Tuch aus dem Gesicht und zeigte sein Gesicht seinen Gegenübern, die eine kleine Neonlampe bei sich trugen. Und nach einem Moment erschien Überraschung, dann Erkennen und schließlich wieder Misstrauen in ihren Gesichtern. „Was willst du?“, fragte nun Tora, der sich an Die vorbei schob um Sakito näher zu sein. „Mit Reita sprechen. Es ist eine wichtige Angelegenheit.“, meinte er gelassen ruhig, aber mit Druck in der Stimme. Der Brünette wusste, dass es nicht einfach sein würde und dieses Wissen bestätigte sich auch als Tora die Augenbrauen zusammenzog und Die die Waffe wieder anhob. „Und was, wenn ich fragen darf?“ „Etwas, dass eigentlich nur ihn angeht. Aber weil ich genau weiß, dass ihr uns nicht hineinlassen werdet, wenn ich die Frage nicht beantworte, folgendes. Die Gegner, die auch Aoi entführt haben sind noch hier und sie sind gefährlich. Ich möchte ihn davor warnen.“, sagte er. Tora blieb weiterhin distanziert und die Waffe auf Sakito gerichtet. „Gut… dann können wir ihm das sagen und wer ist der Zweite?“ Erst jetzt richtete der Tribeführer den Blick hinter Sakito und entdeckte Ni~ya im Schatten stehen.

Sakito blickte sich nicht um. „Weil es noch einige Dinge gibt, die Reita dazu wissen muss, die ihr nicht wisst! Und zu eurer zweiten Frage: Er ist derjenige, der mein Leben und das von Reita gerettet hat.“, meinte er nur.

Das Misstrauen blieb noch immer. Und wurde nun vielleicht sogar größer. „So und was sagt uns, dass das alles nicht eine Falle ist und du nur darauf wartest zu ihm zukommen, um ihn auszuliefern?“ Eine berechtigte Frage. „Ganz einfach. Wenn es so wäre, würdet ihr hier nicht mehr stehen, sondern schon durchlöchert sein, denn ich wäre sicher nicht allein gekommen.“, erwiderte Sakito nun genau so kalt darauf.

Ein Argument das eindeutig auf seine Kappe ging. Tora und Die sahen sich an. Es war Tora, der das Wort wieder erhob. „Okay… du darfst zu ihm, doch dein Freund bleibt hier und machst du auch nur eine falsche Bewegung sind er und du tot!“ Innerlich lachte Sakito nur über diese Drohung. //Ehe du dazu kommst deine Waffe zu benutzen, bist du bereits auf dem Boden!//, dachte er innerlich, nickte dann aber. „Kein Problem.“, erwiderte er. „Und deine Waffen legst du hier ab! Los!“ Tora war unfreundlich, etwas, dass Sakito nachvollziehen konnte. Auch damit hatte er kein Problem, denn er führte lediglich zwei Wurfsterne mit sich, die er vor Tora auf den Boden legte. „Das ist alles?“, fragte der Dunkelhaarige argwöhnisch. „Du kannst auch gerne eine Leibesvisitation durchführen, aber ja, das ist alles.“, knurrte Sakito leise, was Toras Zorn auf sich lenkte. „Halt die Klappe!“, fuhr der Dunkelhaarige den Brünetten an, schubste ihn dann aber in das Innere und drückte ihm nun selbst eine Waffe in den Rücken.

„Die du gibst auf den Typen da Acht! Bewegt er sich, schieß!“

Er selbst drängte Sakito durch den dunklen Gang in das Innere des Hauses und wie auch schon wenige Tage zuvor richteten sich die Blicke aller Anwesenden auf Sakito und Tora. Doch dieses Mal wesentlich aggressiver und auch ängstlicher, immerhin blieb den Tribemitgliedern nicht verborgen, dass Tora Sakito mit einer Waffe bedrohte.

Ein dunkelblonder Haarschopf löste sich wieder von den anderen und Saga war mehr als erstaunt.

„Sakito! Was willst du hier?“, fragte er überrascht und als Sakito antworten wollte, fiel Tora ihm ins Wort. „Er ist nur da um Reita einen kleinen Besuch abzustatten und dann wieder zu verschwinden.“ Saga zog die Augenbrauen an, besorgt und zweifelnd. „Aber Reita ist erst vor ein paar Stunden aufgewacht und nicht wirklich in der Lage…“ „Es wird nicht lange dauern, das verspreche ich.“, meinte Sakito nun, den die ganze Situation langsam aber sicher nervte. Saga sah ihm in die Augen, bemerkte die Ehrlichkeit.

„Okay… aber ich komme mit und Tora nimm doch endlich die Waffe runter!“, meinte nun der Dunkelblonde zu dem Dunkelhaarigen. Dieser blieb jedoch hart. „Nein. Die bleibt oben und ich komme auch mit! Ich traue diesem Kerl nicht!“, meinte er.

Da konnte selbst Saga nichts machen.

Sakito fand sich damit ab, ließ sich den vertrauten Weg zu dem Raum führen, in dem er damals zusammen mit Saga Ruka behandelt hatte.

Saga ging voran, es folgte Sakito und dahinter Tora, der die Waffe noch immer gegen den Rücken des Brünetten gerichtet hatte.

Saga klopfte leise an die Tür. „Aoi… Reita. Ich bin es.“, meinte er um die beiden nicht zu überraschen und öffnete dann die Tür.

Sowohl aoi als auch Reita hatten sich kaum von ihren Plätzen bewegt, doch der Schwarzhaarige hob den Kopf von der Liege und sah Saga an, bemerkte schnell die beiden Personen hinter ihm. Er riss die Augen auf. „Wer… ist das?“, fragte er stockend, machte nun auch Reita, der vor sich hingedöst hatte auf die anderen aufmerksam.

Seine Sinne funktionierten noch nicht vollständig, so hatte er das Näher kommen der anderen kaum bemerkt.

Jetzt aber drehte er den Kopf zur Tür. Er lag inzwischen auf dem Bauch, versuchte aber die beiden Verletzungen nicht zu quetschen und schnell erkannte er Sakito.

Überraschung und auch Verwirrung zeichnete sich sofort auf seinen Zügen ab und er wollte hochfahren, als Aois Hände ihn sofort davon abhielten.

„Sakito…“, keuchte Reita nur.

Nun richtete auch Aois Blick sich auf den Brünetten, der jetzt mit Tora das Zimmer betrat. Reita und er, Aoi, hatten in den vergangenen Stunden über einiges geredet, auch über die flucht und den abscheulichen Abend und Reita hatte ihm offenbart, dass es die Aufopferung dieses Jungen, Sakito, gewesen war, dass sie beide überlebt hatten und fliehen konnten.

Sakito richtete den Blick auf beide und sah dann genau Reita an. Er las die Frage in den Augen des Älteren, grinste ihn leicht an, verlor nur diesen winzigen Moment den ersten Gesichtsausdruck. Doch sofort wurde er wieder steinhart und ernst, erinnerte er sich doch an die Dinglichkeit seines Erscheinens. Er achtete nicht auf Tora oder Saga und Aoi, sondern sprach nur zu Reita.

„Ich weiß was du denkst und annimmst, doch wie du siehst bin ich wohlauf. Aber ich bin aus einem bestimmten Grund hier, den ich unbedingt mit dir unter vier Augen bereden muss.“ Sofort verstärkte sich der Druck der Waffe in seinem Rücken, doch sakito achtete nicht darauf. Sein Blick war stur auf den Blondschwarzhaarigen gerichtet.

Tora schnappte. „Vergiss es! Damit du ihn gleich zur strecke bringst?!“ Alle Blicke bis die der beiden Angesprochenen richteten sich auf Tora. Es war Reita der erneut die stimme erhob. „Lass ihn Tora. Du brauchst ihm nicht zu misstrauen. Ihm allein ist es zu verdanken, dass Aoi und ich hierher kommen konnten und entkommen sind. Und nimm die Waffe runter!“ Sofort zogen sich Toras Augenbrauen wieder an und er war im Moment unfähig wirklich zu entscheiden. Doch dann nahm Saga ihm die Entscheidung ab, als er nach seiner Hand griff und die Pistole an sich nahm.

„Lass uns gehen und die beiden reden.“, meinte der Dunkelblonde sanft und lächelte ihn an. Tora sah ihn an, dann wieder Sakito und Reita, noch immer mit einem skeptischen Funkeln in den Augen. Doch dann gab er nach. „Okay… aber nur 5 Minuten!“ Damit drehte er der kleinen Gemeinschaft den Rücken zu und wartete vor der Tür auf Saga und Aoi.

Letzterer wusste nicht was er tun sollte. Er wollte nicht von Reita fort, nicht einmal fünf Minuten. Was mussten die beiden unter vier Augen besprechen? Waren es etwa noch mehr Geheimnisse, die er nicht verstand? Er klammerte sich fast halt suchend an Reitas Hand. Dieser streichelte vorsichtig über die Aois. „Keine Angst. Ich werde dir später alles erklären und diesmal endgültig.“, meinte er beschwichtigend und mit einem sanften Lächeln. Aois Augen glänzten noch immer unsicher, aber dann nickte er. „Gut… ich warte draußen.“ Damit ließ er den Blondschwarzhaarigen los und verließ den Raum, schloss die Tür.

Zurück blieben Sakito und Reita und einige Sekunden herrschte Schweigen, bis Reita es brach. „Wie bist du entkommen? Ich dachte sie hätten dich erwischt.“ Seine Stimme war noch immer etwas schwach.

Sakito trat näher an den anderen heran, blieb genau vor ihm stehen. „Nicht nur du hast es gedacht. Doch ich wurde durch einen mehr als glücklichen und unglaublichen Umstand gerettet. Aber das ist jetzt nicht wichtig. Ich bin aus einem bestimmten Grund hier.“ Sakito wurde immer ernster mit jedem Wort und am Ende war deutlich zu erkennen, wie dringlich diese ganze Sache war.

Auch Reita spürte das deutlich und wurde nun noch ernster, selbst wenn noch andere Fragen in ihm kreisten. „Welcher?“, fragte er kurz abgebunden.

„Ich mache es kurz. Menticore ist wieder hier und dieses Mal wohl mit mehreren Einsatztruppen, die langsam aber sicher die ganze Stadt nach uns durchkämmen und es wird nur eine Frage der Zeit sein, bis sie einen von uns finden.“, teilte Sakito dem Älteren die erschreckenden Neuigkeiten mit und er konnte genau sehen wie es in Reitas Kopf arbeitete, sein Blick sich verdunkelte und er die Zähne aufeinander biss.

„Verdammt… die sind lästiger als Schmeißfliegen!“, fluchte er. Sakito nickte. „Ich wollte, dass du das dringend weißt und noch etwas. Ich habe vor die Stadt zu verlassen, weil es hier einfach zu gefährlich ist und ich wollte dir anbieten mit mir zu kommen. Natürlich weiß ich, dass du Zeit zum Nachdenken brauchst und wieder auf die Beine kommen musst. Ich warte eine Woche, maximal aber 10 Tage und dann musst du wissen, ob du mitkommen willst oder nicht.“ Es waren klare Ansagen, die Reita erst einmal verdauen musste.

Es vergingen einige Minuten in Stille und schließlich erhob er wieder das Wort. „Ich… werde darüber nachdenken.“

„Sehr gut. Ich werde dir dann in den nächsten Tagen immer wieder Nachrichten zukommen lassen und dir dann auch meinen Aufenthaltsort mitteilen, wo ich auf dich warten werde. Jetzt aber muss ich wieder gehen. Ich brauche selbst noch ein Versteck wo sie mich nicht aufspüren können.“, meinte Sakito weiterhin.

Erneut schwieg Reita einen Moment. „Okay… dann… pass auf dich auf. Ich werde deine Nachrichten beantworten und zurücksenden.“

Sakito lächelte leicht. „Keine Sorge… die bekommen mich nicht so schnell. Also Reita… ich werde warten und wenn du nicht kommst, weiß ich wie du dich entschieden hast. Sorge du dafür, dass du schnell wieder auf die Beine kommst und ich denke das hier wird dir helfen.“ Mit diesen Worten packte Sakito eine kleine Phiole und eine Spritze auf den Stuhl, auf dem bis vor kurzem noch Aoi gesessen hatte. Reita bemerkte die Geste und blickte zu den beiden Utensilien.

Neues Tryptophan… etwas, dass er dringend brauchte.

„Danke…“, raunte er.

„Keine Ursache. Also ich melde mich. Bis dann…“ Sakito hob die Hand noch einmal zum Gruß und für einige Augenblicke trafen sich ihre Blicke, ehe auch Reita schwach die Hand für einen Abschiedsgruß hob. „Bis dann.“

Damit verschwand Sakito und Reita blieb zurück, durcheinander und mit der Entscheidung auf sich gestellt, was er nun tun würde.

Finally, the Truth

Dark Angel

Kapitel: 14/?

Autorin: -Satty-

Pairing: Ni~yaxSakito, ReitaxAoi

Genre: Shounen-ai, Romantik, Darkfic etc...

Kommentar: So hier nach unendlich langen Warten endlich das neue Kapitel.

Es tut mir leid, dass ihr solange warten musstest, aber erst war das Abi, dann war ich einige Zeit nicht da und zuletzt der Stress mit Studienplatz und Wohnungssuche…

Und damit möchte ich euch kurz um etwas bitten.

Da ich jetzt nach Köln zum Studium gehen werde, wollte ich euch fragen, ob jemand von euch aus Köln kommt und sich gern mit mir in Verbindung setzten möchte. Ich kenne nämlich leider keinen aus der Stadt und es wäre schön, wenn ich dann vielleicht jemanden hätte, mit dem man sich mal treffen könnte um zu reden oder der mir mal ein bisschen die Stadt zeigt.

Wenn jemand von euch Interesse hat, soll er sich bitte per ENS melden.

Ich würde mich riesig freuen.

Und bitte lest kurz das Nachwort.

Und ein großen Gomen ne für alle Tsukasafans ^^
 

Und wieder mal ein riesiges Danke an euch liebe Kommischreiber.

Nun aber viel Spaß und danke für eure Aufmerksamkeit…

*sich verbeug*

Satty
 

Kapitel 13: Finally, the Truth
 

Langsam öffnete Saga seinen Verband und betrachtete die Wunden auf seinem Rücken. Reita warf einen Blick über seine Schultern, erkannte den überraschten Ausdruck in dem dunkelbraunen Auge. „Was ist los?“, fragte der Blondschwarzhaarige.

Saga schüttelte leicht den Kopf, lächelte dann. „Nichts weiter. Ich bin nur überrascht zu sehen, wie schnell die Wunden verheilen. Sie sind schon geschlossen und vollkommen verschorft. Es dauert vielleicht noch 2 bis 3 Tage, dann sind sie komplett verheilt.“, gab der junge Mann seine Überlegungen kund und entfernte die benutzten Materialien.

Reita selbst richtete sich auf und zog das Hemd wieder an, knöpfte es zu.

Aoi stand lächelnd im Türrahmen und hatte das Ganze beobachtet. „ich hab dir doch gesagt, dass seine Verletzungen außergewöhnlich schnell heilen.“, meinte der schwarzhaarige mit einem triumphierenden Lächeln auf den Lippen.

Saga sah auf und schüttelte leicht den Kopf. „Schon, aber einen so schnellen Heilungsprozess habe ich noch niemals gesehen. Du musst außergewöhnliche Abwehrstoffe haben, Reita.“ Dieser schloss gerade den letzten Knopf, ehe er sich leicht streckte, sodass seine Knochen knackten.

„Schon… nur bei meiner Hand scheint er zu versagen.“, meinte er trocken und blickte auf das bandagierte Gelenk. Noch immer bereitete es ihm Probleme, juckte schrecklich und schmerzte bei einer zu großen Belastung.

Saga kam nun zurück von der Kommode, hielt in der Hand eine kleine Dose und schon allein bei ihrem Anblick rümpfte Reita die Nase. Saga lachte und öffnete den Deckel, kniete vor Reita wieder nieder. Er öffnete den Deckel und sofort verbreitete sich der strenge Geruch von Kräutern in dem Zimmer, welches Reita unangenehm in der Nase kitzelte. Seine feinen Sinne, die viel ausgeprägter als die eines normalen Menschen waren, machten es ihm schwer diesen Geruch zu ertragen. „Ich weiß das du den Geruch nicht magst, aber die Salbe hilft deiner Hand.“, meinte Saga milde lächelnd, während er den Verband abwickelte und das Gelenk im einfallenden Licht betrachtete. Es war stark gerötet und auch geschwollen, fühlte sich warm an und unter der Haut waren nun deutlich feine Splitterchen zu erkennen.

Der Verdacht, den er gehegt hatte, hatte sich bestätigt. Reitas Knochen waren gesplittert und die feinen, nicht einmal staubkorngroßen Splitter hatten sich in Muskeln und Sehnen gefressen und waren bis in die zweite Hautschicht vorgedrungen, die sie als feine schatten sichtbar machte. Die ständige Reizung in den Muskeln in Sehnen machte die Heilung fast unmöglich. Der Heilungsprozess war in einem solchen Fall langwierig und würde Wochen oder sogar Monate dauern und das hatte er Reita auch schon gesagt. Vorsichtig verteilte der Dunkelblonde die Salbe auf dem Gelenk und er spürte das erleichterte Aufseufzen des Schwarzblonden, als die Essenz sofort die Hitze nahm und die warme Haut kühlte.

Doch der beißende Geruch schreckte sofort ab und Reita war froh, als Saga den Verband wieder anlegte. Sofort schüttelte der Jüngere den Kopf.

„Ich werde diesen Gestank niemals ertragen.“, maulte er und handelte sich sofort eine sanfte Kopfnuss ein. „Aua! Hey, was soll das?“, murrte der Blondschwarze und drehte sich herum, erblickte Aois spöttisch lächelndes Gesicht. „Hör auf dich zu benehmen wie ein Kleinkind. Sei froh, dass Saga soviel Zeit und Mühe in dich investiert.“, meinte der Dunkelhaarige ernst, doch der Spott in seinen Augen, nahm jeglichen Glauben aus den Worten.

Reita stieß nur die Luft zwischen den Nasenflügeln aus, während Aoi warm lachte und ihn von hinten umarmte. „Nimm es doch nicht so ernst, Reita.“, meinte der Schwarzhaarige sanft und hauchte einen kleinen Kuss hinter das Ohr seines Geliebten.

Unweigerlich lief ein Schauer über seinen Nacken.

Saga betrachtete das ganze mit einem warmen Lächeln. Reita und Aoi waren wirklich ein niedliches Paar.

„So das war’s dann erstmal. Aoi deine Rippen schau ich mir später noch einmal an.“, meinte er an den Schwarzhaarigen gewandt. Dieser nickte. „Hai und vielen Dank für deine Hilfe.“ „Keine Ursache.“ Damit stand Saga auf und drückte Reita unauffällig einen Zettel in die Hand. „Lass uns nachher noch einmal reden.“, meinte der Dunkelblonde leise.

Reita nickte nur, ließ den Zettel in der Tasche seiner Hose verschwinden.

Saga stand dann auf und verschwand aus dem Zimmer.

Zurück blieben Reita und Aoi, wobei letzterer sich mit einem Lächeln nun neben Reita auf die Pritsche setzte und ihn angrinste. „Manchmal beneide ich dich echt um diese Fähigkeit, dass deine Wunden viel schneller heilen, als die von anderen.“ Der schwarzhaarige drehte sein Gesicht zu das seines Freundes. Dieser hatte den Blick nur nachdenklich nach unten gerichtet. Eine Hand ruhte noch immer auf der Tasche, in die er den Zettel soeben gepackt hatte.

Reita machte sich nichts vor. Er wusste genau, was diese kurze Nachricht beinhalten würde.

Eine Woche war verstrichen und der vereinbarte Tag gekommen.

In dieser Nacht würde er Aoi verlassen… für immer!

„Reita? Hey, alles okay?“ Der Blondschwarzhaarige riss sich aus seinen Gedanken und hob den Kopf, sah Aoi fragend an.

„Hast du was gesagt?“, fragte er. Aoi seufzte. „Ist irgendetwas mit dir? Du bist wieder so in Gedanken.“ „Nein ist schon in Ordnung.“ „Das sagst du immer, wenn du mir ausweichst.“, murmelte der Schwarzhaarige leise und stand wieder auf.

Aoi hatte die Unterredung kurz vor seiner Entführung keineswegs vergessen. Jedes einzelne Wort, welches Reita damals zu ihm gesagt hatte, wusste er bis jetzt noch. Und es waren Worte, die ihm tiefe Sorgen bereiteten.

Zwar Arme legten sich um seine schmalen Hüften und ein warmer Körper schmiegte sich an seinen Rücken. „Hey… zerbrich dir nicht den Kopf, okay? Ich muss immer wieder an diesen schrecklichen Abend denken, an die Angst. Aber ich bin so froh, dass du lebst.“, raunte Reitas dunkle Stimme sanft in sein Ohr. Aoi schloss die Augen und lehnte sich in die Umarmung zurück. Ja nicht nur Reita dachte soviel an diese Nacht. Aoi hatte Alpträume davon, von seiner Gefangenschaft bei Hizumi, von dem schlimmen Kampf.

Doch jetzt wenn er Reitas starke Arme um sich fühlte, dann verschwand alle Angst, alles Schreckliche.

„Ich liebe dich, Reita…“, kamen die Worte über die vollen Lippen und Aoi drehte seinen Kopf, um denen seines Geliebten zu begegnen. Sie tauschten einen liebevollen, sanften Kuss miteinander, den Reita löste um einige weitere kleinere Küsse auf Aois Hals zu verteilen. „Ich dich auch…“, erwiderte er.

„Wollen wir ein wenig zu den anderen gehen? Vielleicht können wir ihnen helfen.“, fügte Reita nach einigen Momenten der Stille hinzu. Aoi antwortete nur mit einem leichten Nicken.

Er hätte lieber noch länger diese Nähe und Zweisamkeit genossen.

Aber er gab nach und Reita löste die Umarmung. Zusammen verließen sie das Zimmer, welches ihr Quartier war.

Aoi wusste nicht, dass Reita sich nur ablenken wollte, regelrecht danach suchte, nur um nicht mit dem Schwarzhaarigen zulange allein zu sein. Es brachte seinen Entschluss nur ins schwanken und doch war es das Beste für den Jüngeren, sowohl für alle, die hier lebten. Er hatte bereits Ryoko und Ayumi auf dem Gewissen und er wollte nicht, dass noch mehr unschuldige Leben in diese Sache mit hineingezogen werden würden.

In dem großen Gemeinschaftsraum trafen sie auf Shou und Hiroto, die an dem Tisch saßen und in ein Gespräch vertieft waren.

Als nun Reita und Aoi dazu stießen unterbrachen sie ihre hitzige Diskussion und lächelten die Neuankömmlinge an. „Hallo ihr zwei. Helft uns mal diese eine Frage zu klären. Pon behauptet steif und fest, dass…“

Reita hörte schon nicht mehr zu. Ihn interessierte diese Diskussion herzlich wenig. „Diskutiert ihr mal schön. Ich will zu Saga. Wisst ihr wo er steckt?“, unterbrach er die beiden Jüngeren schlicht und einfach, die sich schon wieder beginnen wollten zu streiten.

Shou und Hiroto hörten wieder auf und sahen den Blondschwarzen nur an. „Er wollte zu Tora.“, brachte Shou schließlich heraus und deutete in die Richtung, in der das Zimmer des Tribeführers lag. Reita nickte. „Danke… ich geh dann mal.“

Damit wandte er sich ab. Aoi wollte ihm nach, doch da wurde er auch schon kurzerhand von Pon am arm festgehalten. „Hilf mir doch mal, Aoi!“, maulte der kleine Quälgeist und dem Schwarzhaarigen blieb nichts anderes übrig als sich ebenso zu setzen.
 

***
 

Reita indes hatte den Aufenthaltsraum verlassen und näherte sich Toras Zimmer. Schon durch die Tür vernahm sein feines Gespür die leisen Stimmen.

„Es ist wirklich ungewöhnlich wie schnell seine Wunden heilen.“, hörte er Sagas Stimme. „Er ist mir sowieso nicht ganz schlüssig. Reita ist eine Person, die ich überhaupt nicht einschätzen kann und das ist mir bisher noch nie untergekommen.“ Eindeutig Tora.

„Ja… das gleiche gilt aber auch für diesen Sakito.“

Reita überdrehte die Augen. Es war so klar, dass die beiden wieder nur über ihn redeten. Er nahm es ihnen aber nicht übel. Sie begriffen eben nicht was los war, wussten nichts.

Saga wusste ein wenig, doch bei weitem nicht genug um auch nur ansatzweise einige Schlüsse zu ziehen. Und Reita wollte, dass es so blieb.

Saga war es, der sich immer mit Sakito traf, ihm Botschaften übermittelte, einfach weil es für die beiden Transgenos zu gefährlich war sich zusammen sehen zu lassen. Sakito schrieb in jeder seiner Nachricht von seinen Beobachtungen über die Lage der Stadt, über die Agenten Menticores.

Jetzt fiel ihm auch der Zettel wieder ein und er zog ihn aus der Hosentasche heraus, faltete ihn auseinander.
 

Hey Reita,

wie abgesprochen werden Ni~ya und ich heute Nacht am Tower auf dich warten. Noch hast du die Chance es dir anders zu überlegen.

Wir warten bis zum Morgengrauen, nicht länger.

Triff deine Entscheidung gut, Reita.

Sakito
 

Wie immer waren die Mitteilungen sehr kurz gehalten, doch gerade der letzte Satz, den Sakito ihm verfasst hatte, machte ihn nachdenklich. Er hatte seine Entscheidung getroffen und sie dem Jüngeren auch schon mitgeteilt.

Nur mit einem hatte Reita immer noch zu knabbern. Ni~ya war aufgetaucht. Das hatte Sakito ihm sogleich mit seiner ersten Nachricht mitgeteilt, die am längsten von allen gewesen war. Schon allein beim Namen des Älteren hatte er ein dumpfes Gefühl in der Magengegend empfunden.

Damals in Menticore hatten Ni~ya und er nie einen sehr guten Draht zueinander gefunden, was Reita bisher wohl immer darauf geschoben hatte, dass sie eben noch Kinder gewesen waren. Doch auch heute noch empfand er nichts Gutes, wenn er über den Transgeno nachdachte.

Seit der ersten Nachricht hatte er sich gefragt, wie Ni~ya Sakito gefunden hatte und wieso gerade in dem Augenblick wo der Strick sich so eng um den brünetten Jungen zusammenzog?

Reita schüttelte die Gedanken ab, faltete den Zettel wieder zusammen und kehrte auch Toras Zimmer dem Rücken zu. Er wollte jetzt nicht mit Saga reden. Dazu würde er später auch noch Zeit haben.

Unbemerkt kam er an Shou, Hiroto und Aoi vorbei, die noch immer in dem Aufenthaltsraum saßen und redeten, schlug den Weg zu dem Krankenraum ein. Leise öffnete er die Tür, ging auf Rukas Schlafstätte zu und ließ sich auf dem Hocker nieder, betrachtete das ruhige Gesicht seines Freundes, wie der Brustkorb sich in gleichmäßigen Bewegungen hob und senkte.

Ruka war über den Berg. Das hatte Saga ihm gesagt. Die Wunden heilten langsam, aber stetig und es sah sehr gut für Ruka aus.

Zweimal war er bisher schon wach gewesen, doch niemals lang genug um mit ihm reden zu können. Doch Reita bezweifelte, dass Ruka sprechen konnte, denn es hatte doch ganz danach ausgesehen, als hätten die Wunden auch seine Stimmbänder angegriffen.

Aber das würde Reita nicht mehr herausfinden können.

Niedergeschlagen ließ er den Kopf etwas hängen und sah schweigsam zu Boden.

Selten zuvor hatte er sich so unentschlossen und kraftlos gefühlt wie jetzt.

Er würde heute Nacht zum zweiten Mal in seinem Leben alles hinter sich lassen, doch würde es ihm dieses Mal das Herz herausreißen.

Aoi, Ruka… ein Leben in Ruhe und Harmonie. Das alles gab er auf, nur um das zu beschützen, was ihm das Wichtigste geworden war. Und ohne auch nur wirklich darüber nachzudenken, wusste er schon jetzt, dass jedoch ein Teil seines Selbst hier bleiben würde.

„Pass gut auf Aoi auf, ja Ruka? Das musst du mir versprechen!“, raunte Reita leise, drückte kurz Rukas Hand.
 

***
 

Einzig das glimmende Rot der brennenden Zigarette und erhellte den Raum, in dem sonst Finsternis herrschte.

Im einfallenden Licht des Mondscheines erkannte er die bizarren Gebilde der aufsteigenden Rauchschwaden.

Leicht gekrümmt stand er in dem dunklen Zimmer. Sein rechter Arm schmerzte und der Verband, der um den Stumpf gewickelt war, stach als ein Gemisch aus Grau und Weiß in der Dunkelheit hervor.

„Sie… haben nach mir verlangt, Niikura-san?“, brachte er schließlich etwas stockend hervor. Man erkannte deutlich, wie schwer es ihm fiel zu sprechen. Das sonst so anmutige Gesicht wirkte eingefallen und war von Schmerzen gekennzeichnet. Kränklich und blass starrte Tsukasa auf die Lehne des großen Schreibtischstuhls, der sich jetzt mit einem leisen Quietschen bewegte und zu ihm drehte.

Er erkannte nicht viel in der Dunkelheit, nur die Silhouette eines Mannes, der hinter dem gewaltigen Schreibtisch saß.

Das Rot der Zigarette war nun präsenter, beleuchtete einen Moment zwei volle Lippen und es zischte, als an dem Filter gezogen wurde, ehe Kaoru den Rauch in die Luft blies und die Zigarette in dem bereitstehenden Aschenbecher tötete.

Und Tsukasa jagte dieses sonst so harmlose Geräusch einen Schauer über den Rücken. Es war etwas Endgültiges und weckte dumpfe Gefühle in seinem Körper.

„Ja das habe ich wohl, #42! Und ich denke, dass dir bewusst ist warum.“ Kaorus Stimme klang kalt und emotionslos wie immer, doch spürte der angesprochene Transgeno eine natürliche Bedrohung. Er neigte demütigend den Blick, starrte auf den piekfeinen Boden.

Ein Knipsen schallte durch das Zimmer und nur Bruchteile einer Sekunde später wurde der Raum von hellem Licht durchflutet, welches Tsukasa in den Augen brannte.

„Nun rede, #42! Ich möchte den Grund deines Versagens aus deinem Mund hören.“ Jetzt wurde es deutlich und Tsukasa war es, als säße ein Eisblock in seinem Inneren.

„Es gibt nichts zu meinem Versagen zu berichten, Niikura-san. Ich war zu schwach.“ Einige wenige Worte, die doch so aussagekräftig waren.

„Zu schwach? Nun… du weißt, dass Schwäche hier nicht geduldet wird, ebenso wenig wie Verrat und Versagen!“

„Nein durchaus nicht…“, murmelte der junge Mann, wagte es immer noch nicht aufzusehen.

„Dann weißt du auch, was für Strafen darauf stehen?“

Tsukasa versteifte sich. „Ja…“ Es war nur ein gehauchtes Wort.

„Wir haben keine Verwendung für Verräter und Versager und kein Geld für unbrauchbare Objekte.“ Kalt, emotionslos und hart schallten diese Worte in Tsukasas Ohren wieder.

Ein Klatschen ertönte und es klang in seinen Ohren wie das letzte Urteil.

Er spürte, wie jemand aus dem Schatten hervortrat und er drehte sich aus Reflex um, sah in das Gesicht seines jahrelangen Partners.

Hizumi grinste, als er die Waffe hof und gegen den Kopf des Brünetten drückte.

„Baibai Tsukasa…“

Er schloss die Augen und das Letzte was er in seinem Leben hörte, war ein ohrenbetäubender Knall. Und ehe sein lebloser Körper zu Boden sank, hatte die Seele den Körper verlassen.

Der Torso fiel zu Boden und der Rauch der Waffe stieg in die Luft empor.

Kaoru sah ohne Gefühle auf die Leiche. „Schaff sie weg und ordne an, dass mein Büro noch heute Nacht gesäubert wird.“

Hizumi nickte nur und hob die Leiche Tsukasas auf die Arme und verschwand.

Kaoru selbst nahm einen roten Stempel und drückte diesen auf die vor ihm liegende Akte.
 

Objekt # 42, Tsukasa

Testobjekt der X3-Serie

Ausgebildeter Auftragskiller

DNA: Hund

Status: Mobil

---VERSAGT und ELIMINIERT---
 


 

***
 

So verging der Tag… viel zu schnell brach die Dunkelheit über alles herein und mit jeder Minute, die verstrich, wurde Reita stiller und zog sich immer mehr zurück. Das blieb Aoi nicht lange verborgen und als sie beide sich auf ihr Zimmer zurückgezogen hatten und auf dem weichen Lager, bereitet aus einigen Bastmatten, zwei Kissen und zwei Decken, dicht beieinander lagen, erhob der Jüngere seinen schwarzen Schopf und betrachtete das Gesicht seines Geliebten.

Reita hatte die Hände hinter dem Kopf verschränkt und sah an die Decke. Seine dunklen Augen wirkten nachdenklich und verklärt, ganz so, als blicke er ins Nirgendwo.

„Rei… alles in Ordnung?“, erhob Aoi schließlich leise die Stimme, holte den Älteren somit aus den Tiefen seiner Gedankenwelt.

Der Blondschwarzhaarige blinzelte kurz und sah dann in die fast schwarzen Augen des Kleineren, grinste leicht. „Ja alles okay… ich hab nur nachgedacht.“ Aoi stützte sich auf seine Arme. „Ja wie immer. Du denkst zuviel nach…“, meinte Aoi und in seinem Gesicht erkannte Reita genau, wie wenig es dem Jüngeren doch passte.

Er wandte den Blick nicht ab. „Weil es viel zum nachdenken gibt.“ Reitas Stimme klang ernst und auch belegt. In ihm tobte ein innerer Sturm. Er hatte nur noch so wenige Stunden und doch gab es noch so vieles zu klären. Er wollte endlich die Wahrheit sagen, er wollte, dass Aoi endlich seine ganze Geschichte kannte. Jene, die er ihm solange vorenthalten hatte.

Es war an der Zeit endlich reinen Tisch zu machen.

„Aoi…“ Der Name des Schwarzhaarigen kam leise über seine Lippen, doch ernst und eindringlich. Sofort sah der Jüngere dem Älteren in die Augen.

„Erinnerst du dich an unser Gespräch in der Nacht, in der du entführt wurdest?“, fragte der Blondschwarzhaarige. Für den Jüngeren kam diese Frage unerwartet und er erbleichte ein wenig, sah weg. „Sicher… wie könnte ich das auch vergessen…“, meinte er leise. Reita strich ihm über die Wange, hob seinen Kopf und zwang ihn dazu ihm in die Augen zu sehen. „Ich weiß, wie schlimm das alles für dich war und es tut mir so unendlich leid, dass ich nicht früher da war.“ Ein sanftes Lächeln umspielte bei diesen Worten die Mundwinkel des Älteren. Er beugte sich nach vorn, hauchte einen kleinen Kuss auf Aois Stirn. Dieser schlang seine Arme um Reitas Rücken und kuschelte sich an ihn. „Wieso entschuldigst du dich? Du… kannst doch nichts dafür.“

„Doch Aoi… es gibt so viele Dinge, die du nicht weißt, auch wenn ich denke, dass DeltaI dir Sachen erzählt hat. Damals habe ich begonnen, doch es geschafft meine Geschichte zu ende zu erzählen. Heute will ich es. Und bitte Aoi. Hör mir einfach zu, okay?“ Reita spürte wie sich bereits erneut eine innere Barriere aufbauen wollte, die nicht wollte, dass alles an die Oberfläche drang, was er so lange erfolgreich versteckt halten konnte.

Aoi seinerseits verstand nicht, was genau Reita von ihm wollte. Sicher hatte Hizumi von Dingen gesprochen, die er jedoch nicht begriffen hatte. Und natürlich erinnerte sich an das Gespräch, bei dem Reita geflohen war. Doch nun nickte er nur, spürte er doch, wie hart es in seinem Freund aussah. Er wollte ihm zuhören und ein Teil wollte auch endlich die Vergangenheit des jungen Mannes kennen lernen.

„Ich… werde zuhören…“, willigte er schließlich ein.

Reita nickte auf die Antwort hin und lächelte Aoi schwach an. Er war dem schwarzhaarigen dankbar, dass er ihn nicht unterbrechen würde, denn würde er das tun, konnte er nicht garantieren, dass die Blockade in seinem Kopf nicht doch wieder Oberhand gewinnen würde.

Der junge Mann krallte sich in den Stoff der dünnen Decke, schloss die Augen und ließ die Gedanken wandern, zurück in die Vergangenheit. Zum ersten Mal seit Jahren ließ er es zu, dass alles wieder hoch kam. Der Schmerz, die Erniedrigungen… all die Quälereien.

Aoi saß neben ihm und trotz der Dunkelheit und dem schwachen Licht, was die kleine Kerze spendete, die er eben angezündet hatte, sah er deutlich, wie sehr sein Freund litt. Allein das verkrampfte Gesicht, die starre Haltung. Es musste so schwer sein und am Liebsten wollte er ihn umarmen und gut zureden, doch sein Versprechen hinderte ihn daran.

„Aoi… in der Nacht, in der du entführt wurdest, hatte ich einen Alptraum und du hast gefragt was es für einer war. Ich aber habe es dir nicht erzählt. Jetzt werde ich das nachholen. Ich sah mich wie Jahre zuvor, festgeschnallt auf einer Liege und um mich herum waren lauter Männer in weißen Kitteln. Ärzte, Wissenschaftler. Und sie haben mir Schmerzen zugefügt, so wie jedes Mal.“, begann Reita stockend zu erzählen. Er wusste nicht, ob es der richtige Anfang war, doch er schien sowieso nicht wirklich fähig seine Gedanken zu ordnen. „Ich habe dir gesagt, dass meine Fähigkeiten nicht menschlich sind. Kein normaler Mensch hat so ein scharfes Gehör und so einen feinen Geruchssinn und bei keinem normalen Menschen heilen Verletzungen so schnell. Das jetzt ist doch der beste Beweis. Die wunden, die ich im Kampf davongetragen habe, hätten einen normalen Mann locker umbringen können oder wenigstens für das Ganze Leben schädigen. Saga selbst hat mir heute gesagt, dass Nerven und Sehnen schwer verletzt worden waren und unter normalen Umständen nicht wieder vollständig geheilt wäre, geschweige denn so schnell. Auch er hat es noch nie gesehen.“ Einen Moment brach Reita ab, holte Luft um weitersprechen zu können.

„Das alles hat Ursachen, die ich am liebsten für immer vergessen hätte. Als Kind lebte ich auf der Straße, ähnlich wie ihr damals. Aber ich war allein, suchte mir Nahrungsmittel, indem ich in Müllcontainern herumwühlte. Eines Tages kam ein Mann. Er war gut gekleidet und so vollkommen anders, als alle anderen. Er sagte mir, dass er mir helfen könnte ein komplett neues Leben zu beginnen. Das ich nie wieder im Müll nach Essen suchen müsste, immer was zum Anziehen hätte und ein Bett zu schlafen. Seine Versprungen klangen so verlockend, kamen mir vor, wie das Paradies. Und er meinte ich könnte all das haben, wenn ich nur mit ihm gehen würde. Ich war 5, konnte noch nicht wissen, dass ich mit meiner Zusage direkt den Bund mit dem Teufel unterschrieb.“ Erneut brach der Blondschwarzhaarige ab, zu stark waren die Emotionen, die jetzt auf ihn einstürmten.

Aoi hatte alles schweigend mit angehört und ein Kloß hatte sich in seinem Hals gebildet. Endlich erfuhr er Reitas Vergangenheit, den Grund, wieso er so war, wie er war und doch wusste er nicht, ob er überhaupt alles wissen wollte. Vielmehr wollte er nun zu Reita, ihn umarmen, ihm seine Nähe geben, aber als er auf ihn zurücken wollte, hob Reita die Hand und schüttelte den Kopf. „Nein… bitte… bleib wo du bist. Ich muss es jetzt durchstehen.“, sprach er mit zitternder Stimme und mehr denn je, glich diese Gestalt vor ihm, dem kleinen Jungen, den er damals in der Gosse gefunden hatte und der ihn um Hilfe angebettelt hatte. Doch schon wurden Aois Gedanken unterbrochen, als Reita fortfuhr.

„Ich ging mit ihm, bekam anfangs auch das, was er versprochen hatte. Regelmäßiges Essen, Kleidung und ein Bett zum Schlafen, doch ich ahnte nicht, dass all das nur dazu gedacht war, dass mein Körper stärker wurde. Stärker um all die Tests und Experimente zu überstehen!“ Reita biss die Zähne zusammen und krallte seine Hände noch fester in die Decke, zitterte nun leicht. „Es begann alles harmlos. Ein paar Spritzen, ein paar Untersuchungen. Alles nur zu meinem Wohl, wie mir gesagt wurde. Doch dann wurde es härter. Ich wollte irgendwann keine Spritzen mehr, begann mich zu wehren, weil es wehtat. Aber man kannte kein Erbarmen. Ich wurde einfach gezwungen und langsam bröckelte diese nette Fassade. Alles was folgte waren Jahre der Grausamkeit. Tests, Experimente, Quälereien. Ich weiß nicht was mir alles in diesen Jahren angetan wurde, aber es war schlimm. Hormontests, Nervengifte, körperliche Belastungstests und dann die DNA-Tests…“ Reitas Stimme zitterte immer mehr und am Ende konnte Aoi ihn kaum noch verstehen.

Der Schwarzhaarige hatte seine Augen geweitet. Wo bitte war Reita da gelandet? Was hatte man ihm nur angetan?

„Mir wurde tierische DNS eingesetzt. Ich wurde Teil einer jahrelangen Testreihe, in der Kinder mit der DNA verschiedener Tiere versehen wurden. Alles nur, damit Sinne und körperliche Stärke weiter ausgebildet wurde. Und ich gehörte zu den wenigen, bei denen sie damit Erfolg hatte. Mein Körper nahm die fremde DNA an und damit wurden mein Gehör und mein Geruchssinn schärfer, mein Körper konnte größeren Belastungen widerstehen. Und weißt du wie sie das herausbekommen haben? Sie haben uns in den Wald gejagt, abgerichtete Wachhunde hinterher und erneut wurden wir aussortiert. Mit Händen und Füßen mussten wir uns wehren, die Tiere töten um zu Überleben und nicht wenige wurden niedergerissen und tot gebissen. Mein Gott wir waren alle 7 oder 8 Jahre alt. Uns wurden menschliche Gefühle ausgeprügelt. Wir wurden gehalten und erzogen wie Tiere, eingepfercht in enge Räume und nur herausgeholt um Experimente und Tests über uns ergehen zu lassen. Täglich wurden wir weniger. Kälteschocktests, Hitzetests, Nervengifte, Schocktherapien und tagelang ohne Essen und Trinken, eingesperrt in einer winzigen Box, ohne Licht und kaum Luft. Und dann kamen die Entzugserscheinungen. Diese Sucht nach Tryptophan, eine Schwäche, die bei allen von uns eintrat. Einige von uns wurden solange in einen sterilen Raum eingesperrt und beobachtet. Sie wurden solange abgesetzt bis sie vor Schmerz und Wahnsinn die Wände hochgingen, sich Haare und Fingernägel ausrissen, nur um irgendwann grausam und aller Kräfte beraubt liegen zu bleiben und zu sterben. Und wofür? Nur um zu testen, wie lange wie es ohne das Medikament aushalten! Es war die Hölle Aoi! Die Hölle! Es gab Tage, da haben sie irgendwelche Obdachlosen geholt, sie in den Wald gejagt, ähnlich wie bei uns, doch nun waren wir die Jagdhunde und derjenige von uns, der als ersten den Menschen zu fassen bekam und tötete, wurde belohnt!“

Reita zitterte nun am ganzen Körper, hatte die Hände nicht mehr in die Decke gekrallt, sondern in seine Haare. Seine Augen waren aufgerissen und traten leicht hervor. Er durchlebte gerade alles noch einmal. Sah in seinem Kopf wie Freunde unter Schüssen und zum Spaß anderer angeschlachtet wurden, wie Hunde sie anfielen und die Schreie dieser Kinder durch die Nacht halten.

„Jede Nacht hast du die Schreie aus den Laboren gehört, hast mitbekommen wie jedes Mal neue Kinder geholt wurden und nicht wieder zurückkamen. Du wusstest, dass sie tot waren und Kami, wir anderen hätten gewünscht wir wären es gewesen. Es gab viele von uns, sehr viele, doch mit der Zeit wurden es weniger und dann kam die Nacht, in der vier von uns den Entschluss fassten abzuhauen, alles hinter uns zu lassen. Wir waren vier, vier von über einhundert. Über Tage und Wochen hatten Ruki und ich alles ausgekundschaftet, hatten uns freiwillig für Tests gemeldet, nur um die Gänge, die Kameras und das Gelände genau kennen zu lernen. Und es hatte sich gelohnt. Zusammen mit Ni~ya und Sakito sind wir abgehauen und wir haben es geschafft. Doch schnell wurde unsere Flucht bemerkt und wir verfolgt. So haben wir uns getrennt. Ni~ya ging mit Sakito und Ruki ging mit mir. Und nach einigen Kilometern trennten auch Ruki und ich uns, denn alleine hatten wir bessere Chancen das Ganze zu überstehen. Der Rest zog an mir vorbei wie in einem Traum. Tage und Wochenlang schleppte ich mich durch die Städte, gab alles Geld für Tryptophan aus, doch auch das reichte nicht. Und das Ende vom Lied war es dann, dass du mich gefunden und mir damit das Leben gerettet hattest.“ Reita blickte nun auf und das Lächeln auf seinen Lippen schien jeden Moment in sich zusammenzufallen. Seine Augen glitzerten verräterisch.

Aoi hielt nichts mehr.

Der Schwarzhaarige umschloss den zitternden Körper seines Freundes und drückte ihn an sich. Reita ließ es geschehen. Er war gerade zu nichts fähig, lehnte sich an seinen Freund, sog den Geruch des Jüngeren ein.

Aoi selbst war geschockt. Noch nie hatte er so etwas Grausames gehört und es ging über seinen Horizont hinaus, dass Menschen zu so etwas in der Lage waren. Es waren alle Kinder gewesen, kleine hilflose Geschöpfte und wohl alle auf dieselbe Art und Weise angelockt und ausgenutzt wie Reita. Er konnte im Moment nichts sagen, wollte es auch nicht. Er wollte Reita einfach nur Nahe sein.

Keiner wusste im Nachhinein wie lange sie einfach nur in dieser stillen Umarmung dasaßen. Reita hatte die Augen geschlossen und eine einzelne Träne war über seine Wange gerollt, doch nicht mehr.

Er bekam sich langsam in den Griff, auch wenn die Gedanken der Vergangenheit sein Inneres noch immer aufwühlten.

„Du bist der Erste, dem ich es je erzählt habe.“, brach Reita die Stille schließlich wieder. Aoi strich durch sein Haar. „Es ist nicht in Worte zu fassen, was man dir… euch allen angetan hat.“, erwiderte Aoi sehr leise, fuhr fort über Haar und Rücken des Älteren zu streichen. Er beruhigte damit nicht nur den Älteren, sondern auch sich selbst.

Wieder herrschte Stille.

„Was ist… aus den anderen geworden?“, fragte Aoi in den Raum hinein. Reita zuckte leicht mit den Schultern. „Was aus Ruki und Ni~ya geworden ist, weiß ich nicht. Doch Sakito… er tauchte wieder auf und du kennst ihn.“ „Der Junge, der dir geholfen hat, mich zu befreien und der letzte Woche hier war?“ Aoi löste sich etwas um Reita ansehen zu können. Dieser nickte. „Ja… er…“ Er schwieg, dachte nach.

„Aoi… es tut mir so leid. Ich habe all die Jahre geschwiegen, weil ich vergessen, nie wieder an dieses Leben erinnert werden wollte. Ich habe gedacht, dass nach all den Jahren endlich Ruhe wäre, dass ich anfangen könnte zu vergessen. Doch ich hatte mich geirrt. Das Auftauchen Sakitos, dann dieser Kampf. Schon damals als ich verletzt nach Hause kam, wusste ich, dass sie wieder da waren. Menticore… so hieß der Konzern, der uns das alles antat. Dann die Entführung. Es war meine Schuld Aoi, denn nur wegen mir bist du entführt wurden. Du solltest ein Druckmittel sein. Ein Druckmittel, das dazu bestimmt war, mich zu erpressen. Bitte Aoi, bitte hasse mich nicht!“ Zum Ende hin war Reita immer leiser geworden und nun brach die Fassade endgültig. Die Tränen brachen aus ihm hervor und er krallte sich an dem Jüngeren fest. Der Blondschwarzhaarige hatte Angst vor der Antwort, hatte Angst, dass Aoi ihn von sich stoßen würde.

Doch stattdessen schlossen sich die Arme des Schwarzhaarigen nur fester um ihn, drückten ihn noch enger an sich. „Wie könnte ich dir jemals böse sein? Ich liebe dich Reita und für deine Vergangenheit kannst du nichts. Allein das du es mir erzählt hast, zeigt doch, wie sehr du mir vertraust. Und du hast dein Leben riskiert um mich zu retten. Wer weiß wer es getan hätte?“ aus Aois Worten sprach soviel Wärme und Sanftheit, dass Reita erst nicht glauben konnte, was er hörte. Aoi war ihm nicht böse, nein, er zeigte sogar Verständnis für ihn. Mit was auch immer er gerechnet hätte, das allein überstieg diese Vorstellung bei weitem.

Reita lehnte sich vor und fing nun Aois Lippen zu einem sanften Kuss ein. „Du bist ein Engel Aoi… ein Engel…“, raunte er und der Tränenfluss stoppte.

Aoi lächelte zärtlich, wischte die Tränen von Reitas Wangen, überbrückte die Verbindung und erneut verschmolzen ihre Lippen.

Sanft, aber bestimmt drückte Reita Aoi nun nach hinten, brachte ihn in eine liegende Position. Der Schwarzhaarige ließ ihn gewähren.

Langsam öffnete er auch seine Schenkel, gebot seinem Geliebten so eine weitaus bequemere Liegeposition.

Reita ging äußerst vorsichtig mit dem Kleineren um, als er eine Hand über den flachen Bauch und das dunkle Shirt gleiten ließ, welches Aoi zum schlafen trug. Immerhin war der Schwarzhaarige noch verletzt.

Er selbst trug nicht mehr als eine schwarze Boxershorts.

Aoi stöhnte leise auf, als Reitas kalte Hand auf seine warme Haut traf und diese leicht massiert wurde. Man merkte deutlich wie viel Mühe der Blondschwarzhaarige sich gab, Aoi nicht wehzutun und auch ja nicht zuviel Druck auszuüben.

„Ich liebe dich mehr als alles auf dieser Welt…“, raunte Reita gegen seine Lippen, ehe er sie mit den seinen verschloss und ein nun leidenschaftlicher Kuss zwischen ihnen entbrannte. Willig öffnete Aoi seinen Mund, als Reitas Zunge um Einlass bettelte. Dieser glitt in das bekannte Territorium ein und erforschte es mit ungezügelter Gier. Zahnreihen und Gaumen wurden genau und Stück für Stück erkundet und schließlich fand er den Weg zu Aois Zunge, stupste diese vorwitzig an und lockte sie zu einem neckischen Spiel.

Und Aoi ging nur zu gerne darauf ein.

Viel zu lange hatten sie beide auf solche Momente verzichten müssen und in beiden keimte nun die Leidenschaft auf. Vergessen waren das Leid und die Tränen der vergangenen Minuten. Ebenso vergaßen sie alles um sich herum.

Es gab nur noch sie zwei.

Langsam lösten sich ihre Lippen voneinander und Reita senkte seinen Kopf, fuhr nun von den Lippen über Aois Kinn zu dessen Hals und begann diesen sanft zu liebkosen.

Hauchzarte Küsse fanden ihren Platz auf der sanften Haut und einige Male biss er sanft zu, jedoch nur so fest, dass die Haut leicht gerötet wurde.

Aoi selbst hatte die Augen geschlossen und seine Hände in Reitas weiches Haar vergraben, welches diesem nun ungestylt in das Gesicht fiel. Zielsicher fand Aoi die Enden des Bandes, welches Reita stets trug und lösten sie geschickt, zog letztendlich das Stück Stoff aus dem Gesicht des Älteren.

Reita ließ es geschehen. Aoi war einer der wenigen, die ihn ohne dieses Band kannten, welches in den Jahren zu einer Art Markenzeichen geworden war.

Ein leises Keuchen kam über die vollen Lippen des Schwarzhaarigen, als Reita sich in der weichen Haut festbiss und an ihr zu Saugen begann, damit deutlich klarmachte, dass der Jüngere ihm gehörte.

„Hah Reita… so gut…“, stöhnte Aoi, spannte seine Muskeln ein wenig an und verfestigte den Griff in Reitas blondschwarzen Haaren.

Dieser lächelte leicht, wusste er doch genau, wie er seinen Liebsten zum Stöhnen bringen konnte. Er kannte jede Stelle, jede Erhebung, jede noch so feine Struktur an diesem wundervollen Körper in und auswendig, damit auch jene Stellen an denen der Schwarzhaarige besonders empfindlich war.

Ganz leicht kratzten seine Nägel über Aois Seiten, brachten somit den jungen Körper zum Zittern. Er zog seine Hände nach unten bis zum Saum des dunklen Shirts, umfasste diesen und langsam schob er es höher, entblößte immer mehr der samtig weißen Haut, die nun nicht mehr von einem Verband verborgen wurde.

Bei der letzten Untersuchung am Abend hatte Saga Aoi wiederholt untersucht und die Verbände angenommen. Der Schwarzhaarige brauchte nun keine mehr, heilten die Rippen doch sehr gut.

Hauchzart fuhr Reita im Licht der einzelnen Kerze Aois Konturen nach, fand jeden Muskelstrang unter der feinen Haut und jede Linie auf dem sanften Körper.

Und schließlich zog er das Stück Stoff über den Kopf seines Geliebten, ließ es achtlos neben ihre Ruhestätte fallen. Einen Moment trafen sich ihre Blicke und verliebt sahen sie einander an, suchten sich erneut in einem tiefen Kuss, ehe Reita den Kopf senkte und Aois Schlüsselbeine zu liebkosen. Vorsichtig küsste er diese entlang und knabberte an den Enden.

Der Schwarzhaarige entspannte sich immer mehr. Wie sehr hatte er diese Berührungen nur vermisst.

Sein Körper schrie nach jedem Fünkchen Aufmerksamkeit und das zeigte er deutlich. Als Reita keck über die kleinen Erhebungen auf der Brust seines Geliebten leckte, stöhnte dieser auf und sofort wurden seine Brustwarzen hart.

Verspielt zwickte der Ältere in die linke Brustwarze des Kleineren, brachte ihn zum Zischen, leckte anschließend erneut entschuldigend darüber.

„Na… anscheinend hab nicht nur ich diese Momente vermisst.“, grinste Reita den anderen an, der ihn jetzt mit lustverschleierten Augen entgegenblickte.

„Du weißt nicht wie sehr…“, murmelte der Schwarzhaarige nur, richtete sich nun etwas auf und zog Reita an sich.

Dieser keuchte überrascht auf, als sich eine von Aois schmalen Händen zwischen seine Beine legte und seine wachsende Erregung zu reiben begann.

„Aoi…“, stöhnte er unterdrückt, schloss einen Moment die Augen, sah so nicht das leichte Lächeln auf den engelsgleichen Zügen seines Geliebten.

Der Jüngere führte seine Berührungen fort, während die zweite Hand nun über Reitas Abdomen wanderte, leicht über die Haut kratzte und feine rote Linien zurückließ. Es tat nicht weh, dazu übte er zu wenig Druck aus, doch das war auch nicht seine Absicht. Wie Reita ihn in- und auswendig kannte, so wusste auch Aoi jede Stelle des schlanken Körpers zu verwöhnen.

Auf Reitas gesamten Körper bildete sich eine feine Gänsehaut, hervorgerufen durch die bedachten Berührungen Aois. Er ließ es zu, genoss es.

In seinem Inneren brannte das Feuer der Leidenschaft unaufhörlich und mit jeder Sekunde wurde es größer, heißer, schien seinen gesamten Körper von innen heraus zum glühen zu bringen. Die ersten feinen Schweißperlen bildeten sich an seiner Schläfe, suchten sich einen Weg über seine Wangen zum Hals und plötzlich waren dort zwei Lippen, die sie auffingen und zärtlich wegküssten.

„Ich liebe dich, Reita…“, hauchte Aois lustgetränkte Stimme tief in sein Ohr. „Zeige mir wie sehr du es tust…“

Und Reita würde es tun.
 

***
 

Gomen ne für dieses Ende ><

Aber ich verspreche das das nächste Kapitel bis nächsten Mittwoch erscheinen wird. ICh denke ihr wisst, was es dann beinhaltet und wird demnach sehr kurz werden ^^

Aber ich habe das Kapitel bewusst so enden lassen, einfach auch da mir meine Anfansbitte am HErzen lag

*knuffl*

Hab euch alle lieb!

Goodbye

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Sakitos Past

Dark Angel

Kapitel: 16/?

Autorin: IBUKl

Pairing: Ni~yaxSakito, ReitaxAoi

Genre: Shounen-ai, Romantik, Darkfic etc...

Kommentar: Sooo locker flockig geht es schon weiter ^^ Und ich glaube ich muss nicht viel zu diesem Kapitel sagen, außer, dass der Titel für sich spricht und mir das Schreiben sehr viel Spaß gemacht hat.
 

Aber ich habe dieses Mal auch eine Bitte an euch. Und zwar würde mich brennend interessieren, was ihr denkt wie es mit Dark Angel nun weiter geht. In welche Richtung. Was sind eure Ideen ^^

Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr das in euren Komments mal schreiben würdet.
 

Und einen besonderen Dank an meine Betas Nameless_Ruki und Mi-saki. Ich hab euch irre lieb *kuschel*

Also dann viel Spaß euch allen ^^

Eure Satty
 

Kapitel 15: Sakitos Past
 

Eifrig zogen die Tage dahin und im Nachhinein würde nicht mehr zu sagen sein wie schnell Sonne und Mond sich gewechselt hatten, als der letzte Tag, die letzte Nacht hereinbrach. Schwerfällig legte sich die Dunkelheit wie ein alles verzehrender Schatten über das Licht und vertrieb die Sonnenstrahlen aus den kleinsten Ecken.

Einsam und allein saß eine schlanke Gestalt auf den Überresten des alten Wasserturms. Schien regungslos und wie erstarrt. Es wirkte fast so als verschmelze sie mit den Schatten zu einem, als wäre sie ein Teil des Ganzen. Nichts deutete auf ein Lebenszeichen, auf einen lebenden Organismus, der Essen und Trinken musste wie alle anderen lebenden Geschöpfe dieser Erde auch.

Nur ein Paar weitgeöffneter Augen, ungleich denen eines Menschen, sahen wach und klar in den sterbenden Tag, beobachteten und waren stille Zuschauer des verklingenden Tageslichts.

Sakito wusste nicht, wie lange er schon hier war und wartete. Er wusste auf wen er wartete, doch ob dieser Jemand kommen würde, lag im Ungewissen.

//“Entscheide, was für dich das Richtige ist. Niemand kann dir diese Entscheidung abnehmen.“// Diese Worte hatte er Reita in seinem letzten Brief mitgeteilt. //Ich hoffe für dich, dass du das Richtige tust, Reita.//

Leise seufzte er, schloss für einen Moment die katzengleichen Augen, ließ sich zurücksinken und breitete die Arme aus, blickte nun in den Himmel hinauf, der sich langsam aber sicher auf die Nacht einstellte.

Es sollte eine der seltenen Nächte werden, in denen die dicke Wolkendecke aufbrach und den Blick auf die Sterne preis gab, sie nicht durch dicke Smog- und Abgaswolken verborgen hielt.

Vereinzelt leuchteten die kleinen Lichter am dunklen Firmament auf und zielsicher suchte er nach einem dieser Himmelskörper.
 

***
 

„Schau mal da oben. Siehst du den großen Bären?“

„Ein Bär? Wo?“

„Dort… schau. Diese sieben Sterne.“

„Ich sehe keinen Bären!“

Angestrengt versuchte der kleine Junge den Deutungen seines Mentors zu folgen. Er runzelte die Stirn und immer wieder glitten seine hellen Augen über das dunkle Firmament. Auf einmal spürte er wie seine Hand umschlossen wurde und man sie zu führen begann.

„Man nennt ihn auch den großen Wagen. Sieh da. Diese drei Sterne, genannt Alioth, Mizar und Benetnasch, symbolisieren die Deichsel. Und diese vier dort den Kasten des Wagens. Man nennt sie Megrez, Phekda, Merak und Dubhe.“ Sein Finger wurde durch die Luft geführt und unsichtbar zogen sie eine unsichtbare Linie und nun begann er zu sehen.

„Ah daa… jaa ich seh ihn.“ Die schönen Augen leuchteten und begierig folgte er den Sternen, die sich nun zu einem Bild zu formen begannen.

Voller Neugier und Erstaunen versuchten die Kinderaugen mehr von dieser unbekannten, unerreichbaren Welt zu erfassen, jeden Stern in sich aufzunehmen und zu verstehen.

Nicht eine Sekunde konnte der kleine Junge, der kaum 10 Lebensjahre zählte, den Blick abwenden, suchte immer wieder den Himmel ab und fand neue Lichter.

Ein leises Lachen erklang neben ihn und eine große Hand legte sich auf seinen Kopf, wuschelten durch die braunen Haare.

„Das gefällt dir oder, Sakito?“, brummte eine raue, aber angenehm klingende Stimme. Der Junge wandte nun erstmals den Blick vom Himmelsfirmament ab und richtete ihn auf den Mann neben sich, erfasste das vernarbte Gesicht, welches nun zu einem amüsierten Grinsen verzogen war. Er nickte begeistert.

„Hai! Das ist so unglaublich schön…“, erwiderte der Junge und lächelte leicht. Er hatte diese Sterne schon sehr oft gesehen, doch niemals auch nur versucht mehr hinter ihnen zu sehen, als nur irgendwelche Lichter.

„Magst du eine Geschichte hören?“, fragte der barhäuptige Mann mit einem Mal.

Sakito sah ihn erstaunt an.

„Eine Geschichte? Was für eine?“, fragte er neugierig und erwartungsvoll leuchteten seine Augen auf.

Erneut erklang ein raues Lachen. „Weißt du Sakito. Jeder dieser Sterne und jedes Bild haben eine Geschichte, die davon erzählt, wie sie an den Himmel gekommen sind. Und die Geschichte des großen Bären beginnt vor langer, langer Zeit, mehreren tausend Jahren sogar.“ Die Augen des Kindes wurden groß.

„Tausend Jahre? Das ist wirklich seeeehr viel.“ Das Erstaunen war den kindlichen Gesichtszügen anzusehen und einen Moment versuchte der Junge anhand seiner Finger zu errechnen wie lange eine solche Zeitspanne war. Doch er gab es auf und sah blinzelnd wieder auf.

Ein sanfter Blick trat seinen entgegen. „Ja das ist wirklich eine lange Zeit. Aber möchtest du die Geschichte hören?“

„Ja! Bitte Shark, erzähl sie mir.“ Begeisterung und Freude leuchteten wieder auf.

Der Mann lachte. „Na gut… dann hör gut zu. Vor vielen tausend Jahren und in einem unbekannten Land namens Griechenland gab es einen großen Gott, genannt Zeus, der Blitz und Donner beherrschte. Seine Frau war die wunderschöne Göttin Hera. Zeus jedoch mochte viele und so verliebte er sich in die Nymphe Kallisto. Kallisto erwiderte diese Liebe und gebar einen Sohn, den sie Arkas taufte. Hera aber war eifersüchtig auf die schöne Nymphe und verwandelte sie in einen Bären, der durch die Wälder ziehen musste. Jahre später traf Arkas bei der Jagd auf seine Mutter, ohne sie zu erkennen. Zeus, der immer noch an Kallisto dachte, wollte verhindern, dass Arkas seine eigene Mutter tötete. So verwandelte er auch Arkas in einen Bären und versetze beide an den Himmel. Seit dem erhellen Kallisto in Form des großen Bären und ihr Sohn Arkas als kleiner Bär den Himmel.“

Shark endete und sah erwartungsvoll zu dem Jungen hinab.

Sakito hatte still gelauscht und war noch immer fasziniert von dieser schönen Geschichte. „Das ist wirklich eine schöne Geschichte. Also sind Kallisto und Arkas nun immer vereint.“ Mit einem glücklichen Lächeln streckte er die Arme aus, versuchte die beiden Sternenbilder zu verbinden.
 

***
 

Ein trauriges Lächeln ruhte auf den vollen Lippen, als Sakito sich zurücklegte und erneut in den Himmel blickte. Die Wolkendecke brach immer weiter auf und offenbarte mehr der leuchtenden Lichter, sodass der hübsche Junge nun auch das Bild des kleinen Bären entdeckte.

Kallisto und Arkas… selbst nach so vielen Jahren erinnerte er sich an die Geschichte, die Shark ihm damals erzählt hatte. Es war eine der wenigen Erinnerungen, die er nicht mit Angst, Schmerz oder Leid verband. Eine kurze Zeit des Friedens und Glücks, was seinen naiven Kinderverstand hatte denken lassen, dass sie für immer andauern sollte.

Langsam streckte er nun die Hände in den Himmel, erinnerte sich an das Gefühl von damals zurück und versuchte den Großen Bären zu berühren.

„Was machst du da?“, erklang mit einem Mal eine dunkle Stimme hinter ihm. Sofort schreckte Sakito hoch, hatte die Hand schon an einem Wurfstern und schon flog der spitze Gegenstand mit einem Blitzen durch die Dunkelheit.

Eine blitzschnelle Bewegung und der Fremde hatte das Geschoss abgefangen.

Ein leises Lachen. „Schon gut, ich bins doch nur. Sag bloß ich hab dich erschreckt?“, lachte Ni~ya leise und trat näher heran in das leichte Licht.

Sakito atmete hörbar aus und die Spannung seines Körpers ließ locker.

„Ach du bist es nur.“, kam es über die Lippen des Brünetten, der sich jetzt wieder langsam entspannte. „Ja nur ich. Hast du etwa gedacht es wäre Reita?“ Der Spott lag deutlich in der Stimme des Blonden, der sich jetzt gegen das Geländer lehnte und ebenfalls hoch in den Himmel blickte.

Sakito seufzte. „Die Nacht ist noch nicht vorbei und solange werde ich auch warten.“, meinte er nur stur, wusste inzwischen deutlich wie Ni~ya zu der ganzen Sache stand.

„Klar und solange verbrauchen wir weiter wertvolle Zeit. Der Spürhund wird nicht mehr lange brauchen und er hat Spur aufgenommen.“

„Das sagtest du bereits.“, knurrte der Jüngere jetzt.

„Ist ja auch nur so. Ich meine ich bin nicht scharf dahin zurückzugehen, aber wenn du…“

„Sei einfach ruhig, okay! Natürlich will ich das nicht, aber ich habe versprochen zu warten und das werde ich auch. Die paar Stunden hin und her. Wir haben jetzt eine Woche gewartet, also wird das wohl auch noch möglich sein!“ Sakito klang gereizt und funkelte den Blonden von unten herauf an.

Ni~ya hob nur leicht die Hände, grinste jedoch noch immer spöttisch. „Ist ja schon gut. Warten wir eben…“ Und damit war das Thema erst einmal beendet, worüber Sakito auch sehr froh war.

Es hatte mehr als eine Diskussion in den letzten Tagen gegeben, wo es um dieses Thema gegangen war. Jeder hatte seinen Standpunkt verdeutlicht und damit war es gut.

Es war die letzte Nacht, die letzten Stunden und wenn Reita bis zum Morgengrauen nicht auftauchen würde, dann hatte er seine Entscheidung getroffen.

Sakitos Gedanken begannen wieder zu kreisen, drehten sich um die vergangene Woche, die er zusammen mit Ni~ya verbracht hatte, in dem Versteck, was sie ausgewählt hatten. Ein alter Bunker etwas außerhalb der Stadt.

Wirklich viel hatte sich nicht zwischen ihnen geändert. Noch immer gingen sie vorsichtig miteinander um, redeten nicht sehr viel und noch immer wusste keiner etwas von dem jeweils anderen.

Eine verfahrene Situation, die dem Braunhaarigen des öfteren Kopfzerbrechen bereitete. Er hatte Ni~ya soviel fragen, etwas über sein Leben nach der Flucht erfahren wollen und dennoch hatte er immer geschwiegen. Er hatte mehrmals angesetzt eine seiner Fragen zu stellen, doch noch bevor auch nur ein Ton seinen Mund verlassen konnte jedes Mal wieder abgebrochen.

Und dennoch war er über die Anwesenheit des Blonden erfreut gewesen, hatte sich wieder etwas sicherer gefühlt, als in all den Jahren seiner einsamen Reise. Noch immer spürte er eine innere Verbundenheit zu dem Älteren, selbst wenn ihre Welten inzwischen auseinander gegangen waren und sie sich beide verändert hatten.

Dieses leicht geknüpfte Band ihrer Kindheit würde wohl auf ewig bestehen bleiben.

„Ziemlich selten, dass die Wolkendecke hier aufbricht und man die Sterne so deutlich sehen kann, oder?“

Ni~yas Stimme riss Sakito aus seinen Gedanken und der Jüngere wandte den Kopf zu dem Älteren, sah ihn an, nickte dann leicht. „Hai…“, antwortete er etwas leiser und sah nun auch wieder nach oben. Irgendwie hatte er solch eine Frage von Ni~ya nicht erwartet. Sakito drohte sich erneut in den weiten des Sternenhimmels zu verlieren, als der Blonde jedoch weiter sprach.

„Unendlich weit. Sie verleihen ein Gefühl von Freiheit.“, sprach er und Sakito wusste nicht, ob er es zu sich selbst sagte oder nicht. Dennoch zeugte diese Aussage von einem anderen, bis hierhin noch fast unbekannten Punkt des Blonden. In der ganzen Zeit, die sie nun schon zusammen verbrachten, war Ni~ya stets kalt und fast emotionslos gewesen.

Jetzt jedoch war sein Gesicht entspannt und vollkommen weich, ein Anblick, der Sakitos Herz einen Moment höher schlagen ließ.

Schnell wandte er seinen Blick wieder ab und den Sternen zu, wollte nicht, dass der andere irgendetwas bemerkte.

„Hai diese unendliche Weite ist kaum zu greifen. Ich liebe Sterne…“ Auch Sakito schien langsam einen Teil seiner kalten Maske fallen zu lassen. Zum ersten Mal in wie vielen Jahren? Er wusste es nicht. Doch irgendwie schien irgendwas in der Luft zu liegen, dass sie beide entspannen ließ.

Ni~ya setzte sich nun auch zu dem Jüngeren, zündete sich eine Zigarette an, schwieg jedoch.

Es war eine angenehme Stille, nicht so drückend wie in den letzten Tagen und Wochen. Es war einfach eine ruhige Umgebung und ein zeitloser Augenblick.

Und irgendwann kam eine Frage über Sakitos Lippen, noch ehe er nachdenken konnte.

„Was ist damals mit dir geschehen, nachdem du wieder gefangen genommen wurdest?“ Sakito blickte zu Ni~ya, etwas scheu, weil er nicht wusste wie der Ältere mit dieser Frage umgehen würde.

Ni~ya jedoch blieb ruhig, blies den blaugrauen Dunst in die Luft hinaus und wandte sich dann dem Jungen neben sich zu.

„Ich habe nur darauf gewartet, dass du diese Fragen stellen würdest.“, begann er und winkelte eines seiner Beine an. „Damals als du weggegangen bist und ich verletzt liegen bleiben musste, hatte ich nur den einen Gedanken. Den, dass du in Sicherheit bist, weg von alledem. Und dieser Gedanke hat mich auch beflügelt durchzuhalten. Die Hölle noch einmal zu durchleben. Das erste was passierte, war, dass ich inhaftiert und unendliche Male verhört wurde. Sie fragten mich wo ihr seid, doch ich habe nichts Preis gegeben, da ich es ja selbst nicht wusste. Irgendwann haben sie dann aufgegeben. Danach gingen die Tests wieder los, das Training, eben der ganze Horror. Aber ein Jahr später bekam ich die Gelegenheit zur Flucht und hab sie ergriffen. Durch das Erdbeben gingen einige Explosionen hoch und einige Teile des Labors wurden zerstört. Das war für mich die Gelegenheit zur Flucht. Und der Rest ist einfach eine Reise durchs Land auf der Suche nach euch oder vielleicht auch eher nach dir.“ Ein leichtes Lächeln glitt über die Züge des Älteren und er lachte leise, als sich auf Sakitos Wangen ein kleiner Rotschimmer bildete.

Solche Offenbarungen hatte er niemals erwartet und sie überraschten ihn, ja schockten ihn schon fast. Er fand kaum ein Wort, dass er erwidern konnte und so nickte er nur leicht. Ni~ya selbst grinste weiter. Er hatte so etwas erwartet, hatte er doch bereits von vornherein darauf gewettet, dass sich unter dieser ganzen Maskerade noch immer der kleine Junge von damals verbarg.

„Und wie ist es dir ergangen? Was hast du alles erlebt?“, stellte Ni~ya die Gegenfrage, zog erneut an seiner Zigarette. Sie wirkten wie zwei Freunde, die sich nach einem langen Urlaub oder den Ferien wieder trafen.

Doch für Sakito war dieses Gefühl spätestens jetzt vorbei. Auch wenn er noch leicht lächelte, erreichte dieses Lächeln seine Augen nicht. Natürlich bemerkte Ni~ya es und dachte einen Moment darüber nach, ob es vielleicht die falsche Frage gewesen war.

„Ist alles in Ordnung? Du musst es nicht erzählen, wenn du es nicht möchtest.“, sagte er, doch Sakito schüttelte den Kopf. „Nein ist schon okay.“, sagte er mit einem leichten Grinsen. Es war ja das, worauf er selbst gewartet hatte, eine Möglichkeit mit Ni~ya zu sprechen, sich ihm anzuvertrauen, der einzigen Person, wo er es auch wirklich wollte.

Er hob den Kopf und sah Ni~ya an.

„Möchtest du alles wissen?“, fragte er.

„Wenn du mir alles erzählen willst, werde ich dir gern zuhören.“, lautete die Antwort.

So nickte der Jüngere und begann leise zu erzählen.

„Als du gefangen genommen wurdest hatten sie Hunde auf mich gehetzt. Doch das Einzige was ich davon noch weiß ist, dass ich einen Abhang hinabstürzte und ins Wasser fiel…“
 

***
 

„Wie lange muss er denn noch liegen bleiben, Mama?“

„Bis er aufwacht, Miyako.“

„Aber er schläft doch schon sooo lange.“

„Er war auch sehr krank, Kleines. Da ist das ganz normal.“

Leise und undeutliche Stimmen drangen in die bleierne Schwärze ein, die ihn umgab. Ein kleines Geräusch und etwas Kühles legte sich auf seinen Kopf.

„Mama schau mal… er bewegt sich!“

Langsam begann der kleine Körper sich zu regen. Schmerzen schossen durch seinen Leib, als er versuchte die Augen zu öffnen, jedoch nichts anderes als Dunkelheit um sich herum wahrnahm. Erinnerungen der Flucht schossen auf ihn ein, das Gesicht Ni~yas, den er zurückgelassen hatte und dann kam die Angst.

Wo war er? Hatte Menticore ihn wieder gefangen genommen, ihn zurück in die Hölle geschleift?

Er wollte sich wehren, sich regen, wollte weg von dort wo er war, doch zwei starke, wenngleich warme und sanfte Hände hielten ihn fest.

„Ganz ruhig bleiben.“, sagte eine sanfte Frauenstimme.

Doch Sakito verspürte Angst. Er wusste nicht wo er war.

„Mama, Mama, was macht er…?“ Eine Kinderstimme mischte sich in das Geschehen ein und bei einer weiteren hektischen Bewegung rutschte der kühle Lappen, der bis dahin auf seiner Stirn und den Augen gelegen haben musste, herunter und helles Licht, ausgehend von einer Deckenlampe stach ihm in die empfindlichen Augen.

Ein leises kehliges Geräusch kam über seine Lippen und er presste die Augenlider zusammen, verspannte sich noch mehr unter dem Griff, der ihn hielt.

„Du musst ruhig bleiben, Junge. Du hattest hohes Fieber.“ Wieder diese sanfte Frauenstimme, doch er konnte ihr nicht trauen. Er musste weg, Ni~ya… er musste ihm helfen.

Er wollte sich weiter wehren, doch sein Körper gehorchte ihm nicht mehr. Die verkrampften Muskeln, spannten sich weiter an und er sackte zusammen.

„Wo… wo bin ich…?“, krächzte er hilflos, voller Angst, blieb aber nun liegen und der Griff entfernte sich langsam, wandte sich in ein zartes Streicheln.

Langsam öffnete er erneut die Augen, erkannte nun undeutliche Umrisse einer Wohnung, eines Raumes. Ein Schrank, hölzerne Verkleidung an den Wänden und eine Frau mit dunklen Haaren, die neben dem Bett saß, in dem er liegen musste. Er fühlte den weichen Untergrund.

„Du musst keine Angst haben. Wir tun dir nichts. Du bist bei uns in guten Händen.“ Die Lippen der Frau bewegten sich, also musste ihr diese Stimme gehören.

Eine Bewegung aus dem Augenwinkel erweckte seine Aufmerksamkeit und im nächsten Moment klammerte sich ein kleines Mädchen an die Arme der Frau, wohl ihre Mutter.

Die dunklen Augen des Kindes sahen ihn neugierig aber auch etwas ängstlich an.

„Mama guck mal seine Augen.“ Unsicher deutete das Mädchen auf ihn.

Sakito war verwirrt. Wo war er? Wer war das? Wie war er hierher gekommen? Und vor allem was wollten diese Menschen von ihm?

Der Jahrelang antrainierte und eingeschärfte Verstand sagte ihm: Verschwinde! Oder eliminiere deine Gegner!

Doch er konnte es nicht. Er konnte sich nicht einmal bewegen.

„Sei leise Miyako. Mit nackten Fingern auf andere zeigen ist unhöflich und er ist unser Gast, also sei lieb.“, schimpfte die Frau leise, ehe sie ihre sanften braunen Augen wieder ihm zuwandte. „Wie geht es dir?“, fragte sie.

Doch Sakito antwortete nicht. Misstrauen und Angst beherrschten seinen kleinen Körper.

Die Frau seufzte.

„Du musst nicht reden, wenn du nicht möchtest, aber du solltest dich noch ausruhen und etwas essen. Du hast viele Tage lang geschlafen.“

Geschlafen? Viele Tage? Dabei musste er doch… Ni~ya…

Müde schlossen sich seine Lider wieder. Ihm war heiß und er war müde, so unendlich müde…
 

***
 

Er erinnerte sich an diese Szene als wäre es gestern gewesen. An die wachen, neugierigen Kinderaugen Miyakos und die sanfte Stimme ihrer Mutter Kumiko. „Sie sagten mir, dass sie mich am Flussufer gefunden und mitgenommen hatten. Ich lag wohl etliche Tage im Fieber, weil das kalte Wasser meinen Körper vollkommen entkräftet hatte. Ich blieb einige Monate in ihrer Familie, die mich mit offenen Armen aufnahm und ich fühlte mich auch wohl. Doch ich konnte dort nicht bleiben, denn ich war immer noch zu nahe an Menticore und die Angst war mein ständiger Begleiter. Schließlich kam das große Beben und zerstörte wie auch viele andere Städte und Häuser das kleine Dorf. Und da war mein Entschluss gefasst. Ich wollte ihnen nicht noch mehr zur Last fallen und schlich mich schließlich auf einen alten Transporter, der mich die Küste entlang in den Norden brachte. Ab da kämpfte ich mich zu Fuß weiter durch das Land, immer auf der Hut vor fremden Menschen. Einen Unterschlupf fand ich irgendwann dann in einer Höhle in einem Park, wo ich weitere Monate lebte.“ Es war eine einseitige Geschichte und doch auch begleitet von ständiger Einsamkeit und Vorsicht.

„Die Monate im Hause von Miyako und ihrer Mutter kamen mir bald vor wie ein Traum, denn das Elend, dass das Beben zurückgelassen hatte, wurde immer spürbarer. Selbst ich blieb nicht ganz verschont und musste meinen Unterschlupf aufgeben. So zog ich weiter, ernährte mich von Gräsern oder auch einfachen Früchten, die ich irgendwo fand. Bis mein Weg mich nach Osaka führte…“
 

***
 

Es war eine kalte Winternacht und eisiger Wind blies durch die verlassenen Straßen. Auch hier hatte das Beben verheerende Folgen zurückgelassen. Einige Monate waren vergangen und dennoch blockierten einige Trümmerteile zusammengefallener Häuser die Straßen.

Langsam wagte er sich vor, wusste nicht genau was ihn hier erwarten würde. Es war eine fremde Stadt, fremde Menschen und eine Angst, die ihm noch immer im Nacken saß. Einige Monate hatte er Ruhe gehabt, konnte sich sicher fühlen, doch das alles war nur ein Trugbild gewesen. Mehr als ein Jahr war er nun in Freiheit und dennoch hatte er nichts von dem sehen können, was Ni~ya ihm mit so schönen Worten beschrieben hatte. Die grünen Wiesen waren jetzt nicht mehr als dürres, hartes Gestrüpp, gefroren durch die eisige Winterkälte und aufgewühlt durch das schlimme Beben.

Er zog die Decke enger um seinen Leib um sich vor der beißenden Kälte zu schützen. Es war ein harter Winter, das fühlte er instinktiv. Den letzten hatte er noch in der warmen Hütte von Miyako und ihrer Mutter verbracht, doch jetzt stand er auf eigenen Beinen.

Den Unterschlupf, den er selbst für einige Zeit sein Zuhause genannt hatte, hatte er nicht gegen die ganzen Obdachlosen schützen können, die ihn selbst besetzen wollten. Also hatte er nachgegeben und war nun hier gelandet.

Doch das alles war egal. Alles was er brauchte war nun eine sichere Unterkunft für die Nacht, denn hier draußen würde selbst er kaum überleben.

Sakito kämpfte gegen die eisigen Windböen an, verschwand immer wieder in engen Gassen und suchte zwischen den verfallenen Häusern nach einem windgeschützten Winkel.

Sein Körper war von der Reise ausgezerrt und er hatte lange nichts gegessen, doch der junge Organismus war stark und ebenso auch der Wille des Kindes. War er in Menticore selbst noch ängstlich und schüchtern gewesen, hatte er in dem einem Jahr gelernt, dass er damit nicht weiter kam.

Mit verbissenem Gesichtsausdruck zog er weiter durch die Stadt, wich immer wieder anderen Gestalten aus, die er dank seiner Sinne immer etwas früher wahrnahm und schlug dann eine andere Richtung ein. Zuviel Gesindel und Diebespack war um diese Tageszeit unterwegs und sahen in einem Kind wie ihm eine leichte Beute.

Übergriffe solcher Art hatte er schon kennen gelernt, doch immer war es ihm gelungen einer ernsten Situation rechtzeitig zu entkommen.

Doch auch jetzt schien es so, als wolle man ihm einer Prüfung unterziehen, denn als er wieder an einer Ecke abbog, stand er sich plötzlich einer Gruppe von etwa 5 Männern gegenüber, die sich um eine brennende Tonne versammelt hatten.

Er hatte sie durch den Wind nicht hören können und doch war es zum Umkehren zu spät, denn einer der Männer wurde auf ihn aufmerksam.

Sofort stieß er seine Kameraden, allesamt in lumpige Fetzen gekleidet an und deutete auf ihn.

Sofort wandten sich die Männer ihm zu und breites Grinsen zierte die ausgezehrten Gesichter.

„Na was haben wir denn da für ein zartes Täubchen…“, brummte ein bulliger Kerl und kam auf ihn zu. Sakito wich keinen Schritt zurück, sondern starrte die Gruppe an, die sich jetzt alle auf ihn zu bewegten. Die dunklen Augen der Männer funkelten unheilbringend. Es war nicht selten, dass in diesen Zeiten, wo das Essen mehr als knapp war und die Kälte jede Vernunft raubte, auch Fälle von Kannibalismus vorkamen. Sakito hatte es mit eignen Augen gesehen. Leichen, angenagt von Ratten, aber auch Menschen lagen in Straßengräben und waren der starken Witterung ausgesetzt. Ein Bild des Grauens.

Hunger, Kälte und Elend ließ aus den Menschen wilde Bestien werden, Monster die sich einander nicht mehr achteten.

Die Männergruppe hatte ihn umrundet und zog einen engen Kreis um den kleinen Kinderleib.

Sakito verharrte ruhig, ließ die Männer auf sich zukommen, in deren Augen er nur ein Stück Freiwild zu sein schien. Die Decke hing immer noch über seinen Schultern, doch seine Sinne waren angespannt, ebenso die Muskeln unter der Haut.

„Greif ihn dir, Maru!“, rief mit einem Mal einer der Kerle und der Typ, der links hinter ihm stand setzte sich in Bewegung. Doch Sakito sah die Bewegung schnell und wich geschickt aus. Die Decke wie ein Schutzwall eng um sich gezogen, tauchte er unter dem angedeuteten Schlag durch, sprang hoch und trat mit voller Wucht gegen den Rücken des Mannes, der daraufhin ins Straucheln geriet.

Schnell waren nun auch die anderen Männer zur Stelle. Unkoordiniert griffen sie an, versuchten Sakito zu packen, doch stets war er schneller als sie. Sein ganzer Körper war auf solche Situationen ausgerichtet und trainiert worden und die feinen Sinne taten ihr übriges.

Bald schon wurden die Männer zunehmend aggressiver, brüllten ihn mit wüsten Beschimpfungen an, doch Sakito traf es nicht. Er achtete nicht darauf, sondern konzentrierte sich vollkommen darauf auszuweichen und anzugreifen.

Der Erste lag bald am Boden, dann der Zweite und es blieben noch drei.

Ihm war warm geworden. Das Blut und Adrenalin wärmte seine Muskeln. Der kleine Körper, längst nicht voller Kraft war schnell und wendig und seine Tritte und Schläge waren präzise und stark.

Bald schon schien es den übrigen drei Gesellen zu blöd zu werden und sie zückten ihre Messer, griffen nun mit den abgestumpften Klingen an, die jedoch noch immer in der Lage waren Fleisch zu spalten.

Einen Schlag wehrte er ab, der nächste verletzte ihn leicht am Oberarm, doch schon traf wieder ein Tritt seinerseits ins Schwarze, genau gegen den Kehlkopf von einem der Männer, der daraufhin gurgelnd zu Boden ging.

Wild und unausgeglichen, nicht einsehen wollend, dass sie gegen den Jungen keine Chance hatten, griffen die anderen beiden mit noch härterer Wut an, doch auch das brachte ihnen nichts.

Sie hatten sich einfach den Falschen ausgesucht.

Bald schon stand nur noch einer auf den Beinen, während die anderen sich windend oder bewusstlos um den Kampfplatz herum verstreut lagen.

Und endlich schien der Kerl ein Einsehen zu haben.

Er warf das Messer auf den Boden und wich ängstlich, fast schon panisch vor dem Jungen zurück. „Du… bist nicht normal!“, schrie er, starrte bleich in die goldenen Katzenaugen, die kalt blieben. „Monster!“, rief er und stolperte weiter zurück, über eine am Boden liegende Dose, verlor das Gleichgewicht und fiel. Sakito vollkommen emotionslos, aufgeheizt durch den Kampf, setzte langsame Schritte nach vorn. Seine Augen glänzten in dem Licht, welches die brennende Tonne abwarf animalisch, kaum mehr menschlich.

Panik breitete sich auf dem Gesicht des Mannes aus, der versuchte aufzustehen, es jedoch kaum schaffte. „Komm nicht näher! Bleib weg von mir, Monster!“, kreischte er und doch blieb Sakito unbekümmert.

Er war nicht mehr er selbst, sondern hatte dem Tierwesen das Kommando überlassen. Seine Hände, die die Decke noch immer umklammert hatten, hatten sich in den rauen Stoff gekrallt. Sein Opfer war auserkoren.

Dieses wand sich an der Wand in seinem Rücken und schrie immer mehr um Hilfe.

Seelenruhig kam Sakito näher, bis er schließlich genau vor dem Mann stand.

Unmenschlich schnell packte er zu, umfasste die Kehle des Mannes und zog den Leib nach oben, drückte ihn gegen die Wand.

Blutdurst hatte ihn befallen, wie immer wenn er dem Tier den Vorrang ließ. Seine Finger zogen sich krallenartig um den Hals zusammen. Der Mann gurgelte und wimmerte, schlug seine Hände in die dünnen Handgelenke des Braunhaarigen.

Doch Sakito war stärker.

Es hätte nicht mehr viel gefehlt und er hätte den Mann erwürgt, als jedoch mit einem Mal Stimmen laut wurden. Er drehte den Kopf, bemerkte Schatten, die sich näherten.

Die Rufe des Mannes schienen andere angelockt zu haben.

Sakito wandte sich wieder seinem Opfer zu, sah ihm noch einmal in die Augen, die voller Panik und Angst gefüllt waren und sein Durst war befriedigt.

Ein schneller Schlag auf die Schlagader und der Mann verdrehte die Augen nach innen und sackte zusammen.

Sakito ließ ihn los, straffte die Decke wieder und drehte sich dann um.

„Was ist denn hier passiert?“, rief einer der ankommenden Männer. Es waren vier an der Zahl. Dunkel gekleidet und mit Messern und Pistolen bewaffnet.

Helle Augen, von einer Farbe, die Sakito nicht zuordnen konnte, überblickte das Kampffeld.

„Das ist doch der Ort an dem Takuma und seine Gang sich aufhallten.“, sagte ein anderer Mann und trat vor. Noch hatten sie Sakito nicht bemerkt, der sich schnell in den Schatten der brennenden Tonne geduckt hatte und von der aus er das Geschehen verfolgte.

Die Männer traten an die Bewusstlosen heran, berührten sie mit den Fußspitzen um zu testen ob sie noch lebten. „Leben tun sie alle noch. Doch was ist passiert und wer hat um Hilfe geschrien?“ Ratlosigkeit stand in den fremden Gesichtern geschrieben.

Sie packten die Messer wieder weg, nur einer behielt einen kleinen altmodischen Revolver in der Hand.

Es ging keine Bedrohung von diesen Männern aus, das spürte Sakito instinktiv und trotzdem hatte er seine gesamte Aufmerksamkeit auf das Geschehen vor sich gerichtet, sodass er nicht bemerkte, wie sich ihm von hinten jemand näherte.

Als sich mit einem Mal jedoch eine große Hand auf seine Schulter legte, zuckte er zusammen, sprang auf und die brennende Tonne kippte um.

Brennende Glut verstreute sich auf dem eisigen Boden, während die Tonne mit lautem Scheppern über den Asphalt rollte und an einer Hauswand schließlich liegen blieb.

Sofort richteten sich die Augen der Männer auf den Jungen, die Messer wieder alle in Alarmbereitschaft gezückt.

Sakito jedoch starrte in zwei eisblaue Augen, war im Moment noch vollkommen erstarrt vor Überraschung und Schock.

„Shark! Wer ist das?!“, riefen die anderen Männer, sahen auf das bizarre Bild, das sich ihnen bot.

Das vernarbte Gesicht, welches Sakito zugewandt war, grinste spöttisch und mit einer Art undefinierbarer Faszination. Die große Hand, die auf Sakitos Schulter ruhte, war stark und hielt ihn fest.

„Das ist der Junge, der hier mal tüchtig aufgeräumt hat.“, grinste der Mann mit dem Namen Shark nun und blickte auf zu seinen Kameraden.

Diese stutzten. „Was? Dieser Junge soll alle 5 überwältigt haben?“ Unglauben sprach aus den Gesichtern.

Doch der Narbenmann nickte. „Sehr wohl. Ich hab das Schauspiel beobachtet und bin fasziniert von der Kampfkunst dieses Burschen.“ Er klopfte Sakito auf die schmalen Schultern und schob ihn etwas nach vorne.

Der Junge wollte sich wehren, doch er kam gegen diesen Griff nicht an. Er wand sich leicht, war verwirrt. Was sollte das alles hier?

Noch immer schienen die Männer ungläubig, ehe einer lachte. „Guter Witz, Kumpel. Diese halbe Portion hat die lahmgelegt, denen ein Teil unseres Clans unterlegen war? Niemals.“ „Glaub es oder glaub es nicht, Minase. Ich weiß, was ich gesehen habe.“ Freudig funkelten die hellen Augen ihm entgegen.

Sakito war verwirrt, zutiefst verwirrt. Was wollten diese Kerle? Warum griffen sie nicht an und warum griff er sie nicht an?

„Sag mein Junge wie heißt du?“, fragte Shark nun an ihn gewandt und noch ehe der Junge wusste, was er tat, sagte er. „Sakito.“

Ein leises Lachen und der Griff lockerte sich, wandte sich in ein sanftes Klopfen. „Sehr schön Sakito. Also was ist. Ich denke du wirst Hunger haben und ein Plätzchen zum Schlafen suchen, oder? Du bist herzlich eingeladen uns zu begleiten.“ Und ehe er noch etwas sagen konnte, wurde er in den Schwitzkasten genommen und mitgezerrt.
 

***
 

Sakito lächelte, als er seine Erzählung abbrach und Ni~ya ansah, der jedoch fragend dreinblickte. „Wer waren diese Leute?“, fragte der Blonde, empfand er es doch als recht seltsam, dass Sakito sich damals nicht gewehrt hatte.

„Das waren Mitglieder der DevilSharks, einer Straßengruppe in Osaka, die es sich nach dem Beben zur Aufgabe gemacht hatte, Ordnung in der Stadt zu halten. Sie alle hatten bei dem Erdbeben ihre Familien verloren und sich zusammengeschlossen. Shark war so etwas wie ihr Anführer und hat mich schließlich in die Gruppe aufgenommen. Er sagte mir später, dass ich Ähnlichkeit mit seinem verstorbenen Sohn habe, der in demselben Alter gewesen ist. Er wurde für mich so etwas wie ein Vater, selbst wenn man sich das kaum vorstellen kann. Er ist bis heute auch der einzige Außenstehende, dem ich von meiner Vergangenheit erzählt habe.“ Einen Moment verharrte Sakito in Schweigen, dachte an die gemeinsame Zeit mit der Gruppe zurück, die ihn mit offenen Armen aufgenommen hatte und an Sharks sanftes Lächeln.

„Ich durfte bei der Gruppe bleiben, wurde in sie integriert und hatte wirklich das Gefühl ich hätte ein Zuhause gefunden. Es war annähernd so wie bei Miyako und ihrer Mutter, doch auch bei Sharks Gruppe hatte ich das Gefühl etwas würde fehlen. Ich wusste nie genau was es war.“ Eine kurze Pause.

„Na ja jedenfalls brachte Shark mir das Diebeshandwerk bei und erkannte schnell, dass ich durch meine besonderen Fähigkeiten ein großes Talent darin hatte. Wir stahlen jedoch nur um zu leben, nahmen von den Reichen und verkauften viele Dinge auf dem Schwarzmarkt. Regelmäßig gaben wir auch anderen Gruppen von unserer Beute etwas ab. Ich weiß nicht genau, in gewisser Weise erinnerte Shark mich ständig an dich. Auch er erzählte mich nachts Geschichten von anderen Welten, Mythen, Legenden. Und auch viel über die Sterne.“ Er sah nach oben in den Sternenhimmel, ehe sein Blick zu Ni~ya glitt, der leicht lächelte.

„Er muss ein gebildeter Mann gewesen sein, wenn er soviel weiß. Das, was ich dir damals erzählt habe, waren mehr alte Erinnerungen und vielleicht auch ein wenig Fantasie, doch du hast dich jedes Mal so gefreut.“ Er drehte seinen Kopf leicht und lächelte Sakito offen an. Sakito blinzelte leicht, ehe auch er lächelte. Es war das Lächeln, welches Ni~ya ihm auch damals immer geschenkt hatte. Ein Lächeln voller Zärtlichkeit und Wärme.

„Ja das war er. Es war eine schöne Zeit, die ich bei ihnen verbringen konnte. Sie waren meine Familie gewesen.“

„Aber was ist passiert, dass du in der Vergangenheit sprichst?“

Sakitos Gesicht verdunkelte sich und er ballte leicht die Hände zur Faust. Ni~ya bemerkte die Verkrampfung sofort und wurde noch aufmerksamer.

„Nun ja… die DevilSharks waren eine starke Gruppe und hatte viele Mitglieder. Und sie waren der Polizei ein Dorn im Auge. Immer wieder entgingen sie ihren Fallen und Angriffen. Na ja aber irgendwann schien auch die Regierung sie nicht mehr dulden zu wollen. Und dann… kamen sie. Soldaten und die Spezialeinheit von Menticore… in der Nacht in der ich wohl am Schwächsten war…“
 

***
 

Ausgelassen war die Stimmung in dieser Nacht. Es wurde gefeiert, gelacht und getrunken. Ein weiterer Meisterschlag war ihnen gelungen. Dank des Jungen, den sie aufgenommen hatten, war ihnen ein Coup gelungen, durch den sie nun für lange Zeit ausgesorgt haben mussten.

Wein und andere Köstlichkeiten flossen in Mengen. Alles Diebesgut, welches streng gebunkert worden war.

Alle Mitglieder der DevilSharks hatten sich zusammen gefunden und stießen immer wieder auf Sakito an, der eher ruhig daneben saß und sich nur widerwillig so feiern ließ. Doch keiner achtete wirklich auf ihn. Sie waren viel mehr mit sich selbst beschäftigt. Es war laut in dem alten Herrenhaus, zu laut für das feine Gespür des Jungen.

Einzig allein Shark schien es zu bemerken, denn er riss sich von einem Gespräch los und kam zu seinem Schützling.

„Hey Sakito… was ist los? Magst du nicht ein wenig mit uns feiern? Immerhin haben wir dir das hier alles zu verdanken.“ Er lächelte und wieder wirkte das narbige Gesicht dadurch entstellt. Aber der warme Funken, der in die hellen Augen sprang, war herzlich. Sakito schüttelte den Kopf.

„Nein ich mag nicht. Mir ist nicht danach zu Mute.“, meinte er ruhig.

„Es ist zu laut für dich, oder? Willst du vielleicht ein bisschen an die frische Luft?“

„Nein, nein. Feier du ruhig. Ich leg mich ein bisschen hin.“

Sharks Augenbrauen wanderten in die Höhe. Er stellte den Becher, welchen er in der Hand gehalten hatte auf ein altes Regal und setzte sich neben den Jungen auf das alte Sofa. „Ist mit dir alles okay? Wann hast du das letzte Mal Tryptophan genommen?“, fragte er ernst.

Sakito stöhnte. „Vor drei Tagen.“, meinte er monoton.

„Also vor dem ganzen Stress! Sakito! Du weißt, dass du das brauchst!“ Sharks Stimme wurde ernster und auch schärfer. Der 12-Jährige überdrehte die Augen.

„Ja, ja ich weiß.“, murrte der Junge.

„Dann halte dich auch dran. Los jetzt. Du holst dir deine Injektion. Vorher will ich dich hier nicht mehr sehen! Abmarsch!“

Murrend stand Sakito auf. Trotz war in den Katzenaugen zu sehen, doch er gehorchte. Shark blieb zurück und sah dem Jungen kopfschüttelnd nach.

Sakito selbst machte sich auf den Weg zu seinem Schlafgemach, dass weiter in dem hinteren Teil des Gebäudes lag. Er war froh darüber, denn der Lärm und die ausgelassene Stimmung waren nicht ganz sein Fall. Nicht heute.

Er wusste nicht, was mit ihm los war. Doch ein komisches Gefühl beschlich ihn schon den ganzen Tag. Es war eine Art innerer Unruhe, die er jedoch kaum greifen konnte.

Leise schloss er die Tür hinter sich und blickte sich in dem kleinen Raum um, den er nun seit fast zwei Jahren sein Eigen nannte. Ein schmales Bett mit einer abgelegenen Matratze, ein kleiner Schrank und eine Kommode. Mehr passte nicht in den Raum, dessen Tapeten sich schon langsam abzuschälen begannen und der grau und trist war. Und dennoch fühlte er sich hier wohl.

Er setzte sich auf das Bett und öffnete die oberste Schublade der Kommode, suchte nach einer verpackten Spritze und einem kleinen Röhrchen mit Tryptophan, nahm beides zur Hand und sah es in dem dämmrigen Licht der kleinen Laterne an, die er entzündet hatte und die ihm als Lichtquelle diente.

Lange betrachtete er die beiden Gegenstände und seufzte. Er wollte dieses Mittel nicht nehmen, doch ohne es würde er sterben, dass hatte er schon in Menticore gelernt. Er hatte damals nie gewusst, was ihm immer gespritzt worden war, doch draußen auf seiner Flucht hatte er es schnell lernen müssen.

Damals noch bei Miyako und ihrer Mutter hatte der Arzt dieses Mittel bei ihm verwendet und als er nach seiner Krankheit wieder einen epileptischen Anfall bekommen hatte, war klar gewesen, dass er dieses Mittel regelmäßig nehmen musste. Zu Zeiten vor dem Beben war es nicht schwer gewesen das Mittel aufzutreiben, doch danach war es zur reinsten Problematik geworden.

Aber auch jetzt, seit er bei den DevilSharks lebte, war es einfach geworden. Der Tribe verfügte über genügend Kontakte und finanzielle Mittel, ihm die notwendige Medizin in ausreichenden Mengen zu besorgen.

Ja seit zwei Jahren hatte er so etwas wie ein Zuhause gefunden und er fühlte sich wohl hier, sah in Shark schon eine Art Vaterersatz. Auch wenn er nie wirklich kennen gelernt hatte, was ein Vater war, so wusste er doch, sollte er so sein wie der Clanführer.

Sakito schüttelte leicht den Kopf und zog die Spritze auf. Was sollten diese nichtssagenden Gedanken? Er setzte sich an den Kopf des Bettgestells und injizierte sich geübt das Mittel in die Venen.

Dann klappte er die Augenlider zu und spürte fast sofort die berauschende und beruhigende Wirkung, die ihn wie immer für einige Minuten in eine Art Rauschzustand und Trance abdriften ließ.

Seinen Körper würde es stabilisieren und vielleicht auch dieses komische Gefühl vertreiben.

Er wusste nicht wie viel Zeit vergangen war und ob er in einen leichten Dämmerschlaf verfallen war, doch als sich eine große Hand auf seinen Kopf legte und diesen leicht tätschelte, wachte er ruckartig auf. Sofort schlug er nach der Hand und starrte mit erschreckten Augen in Sharks lächelndes Gesicht.

„Keine Bange ich bin’s nur. Wollte nur mal sehen wo du bleibst, weil du nicht wiedergekommen bist.“, sagte der Mann ruhig.

Sakito hatte sich sofort wieder entspannt und nickte leicht. „Ich bin nur ein wenig weggetreten, aber du hattest recht. Es tut mir leid.“, murmelte er und senkte leicht den Kopf. Shark lachte jedoch nur rau und wuschelte durch den brünetten Schopf.

„Ist doch kein Problem, Kleiner. Aber vielleicht war es wirklich etwas viel für dich da unten. Du bist eben nicht der Typ für so was.“ Warm strahlten die hellblauen Augen ihm entgegen. „Geht’s dir denn jetzt besser?“

„Ja schon… das Mittel wirkt wie immer.“, meinte der Transgeno nur knapp und rieb sich kurz über die Augen.

„Das ist gut. Sakito es ist wichtig, dass du es regelmäßig nimmst, aber das weißt du ja. Ich will dir keine Standpauken halten, aber in dem Punkt bin ich hart.“

„Weiß ich doch ‚Papa’!“ Er verzog das Gesicht zu einem Grinsen.

Shark lachte. „Nana werd nich frech, Bengelchen. Aber irgendwie klingt das gar nicht so verkehrt, wenn du Papa sagst.“ Einen Moment schien Wehmut in den hellen Augen aufzutauchen, doch der Funke war schnell wieder verschwunden. Er strubbelte noch einmal durch die Haare, die Lieblingsgeste seinerseits.

„Mach mal ein bisschen Platz für den alten Herrn. So ist das doch viel zu eng.“, meinte er plötzlich und Sakito sah ihn fragend an.

„Solltest du nicht unten bei den anderen sein. Ich meine… sie feiern und du bist ihr Boss und…“

„Ach ich glaube die kommen auch ganz gut ohne mich aus.“, winkte Shark ab und unterbrach den Jungen damit mitten in seiner Aussage. „Außerdem ist es doch die Pflicht eines jeden ‚Vaters’ sich um seinen Sohn zu kümmern oder?“ Schalk und Jungenhaftigkeit blitzten auf.

Sakito schüttelte nur den Kopf, rutschte dann aber zur Seite. „Okay und was will mein lieber Papa dann von mir?“ Auch er grinste spöttisch zu Shark auf, der den Jungen einen Moment beobachtete.

Zwölf Jahre zählte er jetzt und trotzdem schien nichts kindliches mehr in diesen unglaublichen Augen zu sein. Nein ernst und streng wie die eines Erwachsenen blickten sie in die Welt, lachten nur selten. Und wie so oft stellte sich Shark die Frage, was Sakito alles erlebt hatte, dass er in diesem jungen Alter schon so verschlossen und ernsthaft war. Ja selbst damals schon, als er ihn das erste Mal gesehen hatte, diese schmächtige kleine Gestalt, die es mit links schaffte fünf ausgewachsene Männer niederzustrecken. Ja schon damals hatte er ein großes Interesse an dem Jungen gefunden, was im Laufe der Wochen und Monate schließlich ganz allmählich von Bewunderung, zu Mitgefühl und dann zu väterlicher Liebe übergegangen war.

„Ich mag gern mehr über dich wissen, Sohnemann.“, setzte er das Spielchen fort. Auf diese Art und Weise war er schon immer an den verschlossenen Jungen herangekommen, der jetzt überrascht und fragend aufsah.

„Mehr über mich wissen? In welchem Sinne?“

„Na eben alles. Was war bevor du hergekommen bist, wo du aufgewachsen bist, wer deine Eltern sind und so was…“, begann Shark präzise das zu hinterfragen, was Sakito ihm bis heute wehrhaft verschwiegen hatte.

Auch jetzt wieder wurden die Züge des Brünetten hart und ernst und er sah stur auf die Matratze.

Shark sah sich wieder einer Niederlage gegenüber, als Sakito weiterhin schwieg, wollte schon ein anderes Thema anschlagen, als doch leise Worte über die Lippen des Jungen kamen.

„Ich hatte noch nie Eltern. Keinen Vater, keine Mutter. Ich weiß nichts von ihnen…“, begann er, ruhig, fast kalt.

Shark war überrascht, ja schon fast erschrocken, wie gleichgültig diese Aussagen über die Lippen des Kindes kamen, denn nichts anderes war Sakito mit seinen 12 Jahren in seinen Augen. Ein Kind, was elterliche Zuwendung ebenso brauchte, wie Essen und Trinken. Doch er schwieg, hörte weiter zu.

Sakito wusste nicht, was ihn dazu trieb sich zu öffnen, so plötzlich ohne Vorbereitung, doch das waren wohl solch seltene Momente, in denen Herz und Verstand gegeneinander arbeiteten.

„Aufgewachsen bin ich einem Laborkomplex, wo ich vom Kleinkindalter an auf Kämpfen, Töten und Funktionieren trainiert wurde. Bis zu meinem neunten Lebensjahr habe ich keine Sonne und ganz selten mal einen Funken Himmel gesehen, sondern immer nur Neonlicht, Dunkelheit und stickige Luft. Dann bin ich mit einigen anderen abgehauen und habe seit dem meinen Weg so gesucht.“, fasste er seine gesamte Geschichte in wenigen Sätzen zusammen und auch wenn diese Worte ebenso kalt gesprochen waren, lösten sie doch in ihm selbst etwas anderes aus. Tatsächlich spürte er ein leichtes Zittern, besonders als Ni~yas Gesicht wieder vor ihm auftauchte, wie er ihn angeschrien hatte zu verschwinden, wenigstens sich zu retten.

Sharks sonst so gefasste Miene war nun erschrocken. Wie sollte er auch damit umgehen, hätte er doch so etwas niemals erwartet.

Lange vermochte er nichts zu sagen, sondern schwieg, während Sakito selbst in seine Gedanken vertieft war.

Und schließlich waren es keine Worte, die über die Lippen des Mannes kamen, sondern eine Umarmung, die Sakito fest umschloss, der unerwartet zusammenzuckte.

Doch seine Fassade schien zu bröckeln. Ewig war er stark, ewig war er kalt und doch im Inneren seines Herzens nur ein Kind. Er weinte nicht, aber er erwiderte die Umarmung als Zeichen, dass er es annahm, lehnte sich gegen den starken Körper des Mannes neben ihm.

Es wurde ein langes Gespräch, welches folgte, indem Sakito sich vollkommen öffnete, von den Experimenten, seinem Leidensweg und auch seinem tierischen Ich erzählte, welches er seit damals nicht mehr hatte erscheinen lassen.

Und still hörte Shark zu, hatte jedoch schwer damit zu kämpfen, das Ganze zu verarbeiten.

Doch in dieser Nacht wurde das Band noch fester, noch enger und vielleicht fand Sakito wirklich das, was er nie gehabt hatte. Einen Vater.
 

***
 

Traurig sah Sakito in den Himmel hinauf, als er sich an diese Szene erinnerte, die sich so sehr in sein Herz gebrannt hatte und welches nun wieder bittere Tränen verlor.

Ja er hatte seinen Vater gefunden und ihn geliebt.

Ni~ya war die plötzliche Unterbrechung nicht entgangen und still beobachtete er den Jüngeren neben sich, der wieder einmal weich und verletzlich wirkte.

Er wollte etwas sagen, doch da sprach Sakito weiter.

„Gestört worden wir, als Schreie und Tumult laut wurden…“
 

***
 

Sakito hatte sein Gesicht gegen Sharks Schulter gelehnt, schwieg. Er war ausgelaugt, müde vom Reden und doch innerlich aufgewühlt und aufgeregt.

Shark strich dabei immer wieder über den Rücken des Jungen, ließ ihm einfach die Zeit, die er brauchte.

Für sie beide war es eine Bürde, die sie zu tragen hatten. Sakito alles erneut zu durchleben und Shark alles aufzunehmen und zu verarbeiten.

Und doch fand die Zweisamkeit ein jähes Ende, als Schreie und laute Rufe zu ihnen durchdrangen.

Alarmiert fuhren beide auseinander.

Shark war schnell auf den Beinen. „Sakito bleib hier! Ich gehe nachschauen, was passiert ist!“, sagte er streng und stürmte aus dem Zimmer.

Sakito selbst blieb noch erstarrt und verwirrt sitzen, musste das Neue erst erfassen und durchdringen lassen.

Doch dann drangen Schüsse dumpf zu ihm vor und das war der Moment an dem er sich nicht länger halten konnte. Durch das Tryptophan gestärkt, schwang er seine Beine locker über den Bettrand und sprang auf.

Schnell war er in den engen Korridor gestürmt und schon wurde der Tumult lauter. Schreie, wilde Rufe und auch hin und wieder Schüsse waren deutlich zu hören.

Sofort war der Junge in Alarmbereitschaft. Die emotionale Schwäche, die ihn vor ein paar Minuten noch fast gelähmt hatte, war nun verschwunden und stattdessen seine Sinne geschärft und ausgefahren.

Vorsichtig tastete er sich vor, schlich von Schatten zu Schatten an der Wand entlang, bis er die schmale Treppe erreichte, die nach unten führte. Mit jedem Schritt wurden die Geräusche lauter und jetzt waren auch das Klirren von Klingen und Kampfesgeschrei dabei.

Es wurde gekämpft!

Er biss die Zähne zusammen und seine Augen wurden schmaler, als er die Treppe langsam nach unten huschte, seine Ohren auf die gesamte Umgebung gerichtet.

Er wich geschickt aus, als mit einem Mal ein Körper auf die Treppe prallte, die Augen aufgerissen, nach hinten verdreht und den Mund seltsam verzogen.

Es war nicht die erste Leiche, die Sakito in seinem jungen Leben zu Gesicht bekam, bei weitem nicht und doch spürte er einen kurzen Stich im Herzen, als er in dieser hier Minase erkannte.

Doch er musste weiter.

Das Kampfesgetümmel war jetzt allgegenwärtig und er sah die Schatten hin und her springen. Im verzerrten Licht der brennenden Öllampen erkannte er das Chaos nun mehr als deutlich. Tische waren umgestoßen worden, Stühle lagen zerbrochen am Boden, ebenso die ganzen zersprungenen Flaschen, die vorhin noch ordentlich auf den Tischen gestanden haben, ebenso das Essen, dass die Frauen ihrer Gemeinschaft mit viel Mühe zubereitet hatten. Doch grausam waren die leblosen Körper und abgetrennten Körperteile, die sich in das Schaubild einfügten.

Er hatte nicht lange Zeit alles, was er sah, zu bearbeiten, denn schon flogen Schüsse durch die Luft.

Mit einer Sprungrolle brachte er sich aus der Bahn der tödlichen Geschosse, verschwand schnell hinter einem umgestürzten Tisch. Er presste sich an die Tischplatte und versuchte seinen jagenden Puls zu verlangsamen. Seine Hand presste sich auf seine Brust, wo das Herz im wilden Takt schlug, doch seine Ohren und Augen blieben scharf wie ein gespannter Bogen. Aus dem Lärm kristallisierten sich bald einzelne Stimmen heraus, Stimmen von Freunden, aber auch Fremden, die mit einem anderen Dialekt immer wieder Rufe ausstießen. Einem Dialekt den er nur zu gut kannte.

Er schüttelte den Kopf. Nein… er durfte sich nicht Hirngespinsten hingeben, sondern musste aufpassen, auf der Hut sein.

Er drehte sich, wagte es nun über den Tisch zu blicken, erkannte nun mehr. Soldatenuniformen, scharfe Schusswaffen, die immer wieder zum Einsatz kamen und einen weiteren Leib zerfetzten, ein weiteres Leben in wenigen Sekunden auslöschten. Doch darauf konzentrierte er sich nicht. Er suchte einen Augenblick zum Angreifen, der sich ihm schnell bot.

Einer der Feinde stand nun mit dem Rücken zu ihm, legte erneut das Gewehr an, zielte auf eine kämpfende Person, doch die Schüsse würden sich nicht lösen!

Sakito sprang aus seinem Versteck hervor, die Augen scharf verengt, die Pupillen katzengleich zusammengezogen und die Finger wie Krallen gekrümmt. Er prallte genau auf den Rücken des Fremden, der von der Wucht des Sprunges überrascht aufschrie und dann zu Boden kippte, Sakito noch immer auf den Rücken.

Schnell hatten seine Finger geübt den Kopf umfasst und es kostete ihn wenig Mühe den Hals herumzudrehen. Ein hässliches Knacken und der Körper erschlaffte.

Aber er kümmerte sich nicht darum, sondern zog dem Toten das Gewehr aus den Händen und legte es selbst an.

Seine Augen erfassten die fremden Uniformen und nur wenige Salven brauchte es und drei weitere Tote gingen zu Boden. Doch durch diesen Angriff hatte Sakito seinen Vorteil verspielt, denn jetzt wurden die fremden Soldaten auf ihn aufmerksam.

„Schnappt euch das Kind!“, brüllte einer und einige legten ihre Waffen an, schossen auf ihn, doch Sakito wich fast spielerisch aus.

Geschockt starrten seine Gegner ihn an. Sakito triumphierte, doch wahrscheinlich zu schnell. Sein Bein verhedderte sich in einem losen Seil und er fiel. Sofort fielen weitere Schüsse, die dieses Mal ihr Ziel auch trafen.

Sakito schrie auf, als eine Kugel sich in seine Schulter und eine andere in sein Bein grub und er zitternd zusammensank.

„Das war’s! Bring’s zu ende!“, rief wieder einer und ein Soldat näherte sich, ein gezücktes Messer in der Hand. Sakito sah ihn kommen und doch würde er noch lange nicht aufgeben. Seinen Körper in trügerischer Haltung geduckt und die Augen scheinbar vor Schmerz verzehrt, wartete er ab.

Doch sein Schlag sollte nicht zur Tat kommen, denn ein gewaltiger Schatten tauchte vor ihm auf, warf sich gegen den Soldaten und schlitzte diesem mit einer einzigen Bewegung die Kehle auf.

Sakito war überrascht, richtete sich auf, auch wenn ein brennender Schmerz durch Bein und Schulter jagte.

„Shark…“, brachte er hervor, als er seinen Ziehvater erkannte, der ihn nur mit verkniffener Miene hochzog.

„Ich hab dir gesagt, du sollst oben bleiben, Gott Verdammter!“, grollte der Gruppenführer und deutlich sprach der Zorn, aber auch Angst und Sorge aus seiner Stimme.

„Aber ich muss doch…“

„Nichts musst du! Du bist ein Kind! Los verschwinde und versteck dich!“, wurde er wirsch unterbrochen.

Sakito wollte noch etwas sagen, als jedoch ein Ruck durch den großen Körper ging und Shark das Gesicht verzog.

Die starken Arme konnten den Jungen nicht mehr halten und er knickte leicht ein.

Sakito blickte erschrocken über die Schulter des Mannes, starrte in das grinsende Gesicht eines jungen Mannes, der eine Automatikpistole in der Hand hielt. Feingeschnittene Züge, intelligente Augen, umrahmt von braunem Haar.

„Was für ein rührendes Bild. Vater und Sohn im Tode glücklich vereint.“

Sakito riss die Augen auf, als sich der Lauf der Waffe auf ihn richtete.

Das sollte es sein… sein Ende?

Doch die Schlacht war noch nicht geschlagen. Leben kam wieder in den starken Körper Sharks, der sich mit einem Mal aufrichtete, Sakito von sich stieß und sich umdrehte.

Das Bild sollte sich auf ewig in Sakitos Gedächtnis brennen.

Wie ein Riese baute sich die Gestalt seines Ziehvaters vor ihm auf, drehte sich um und brüllte. Der Fremde schien ebenso überrascht wie der Braunhaarige, doch schnell hatte der sich wieder gefangen, richtete die Waffe auf den großen Mann und drückte ab.

Blut spritze auf Sakitos Gesicht, als die Kugeln sich in Sharks Leib bohrten, einige ihn durchschlugen, doch immer weiter lief der Mann, sank nicht ein.

Seine großen Hände legten sich um den Hals des Fremden, der erschrocken die Luft ausstieß.

Doch dann schien der Moment vorbei.

Sakito hörte nur den Knall.

Mit einem Mal verschwand alle Kraft aus dem starken Leib, der Druck ließ nach, die Hände sanken nach unten und Shark brach zusammen, begrub den Fremden unter sich.

Es schien ein Moment in dem alles aussetzte. Er hörte nur das Rauschen seines eigenen Blutes in seinen Ohren und seine Glieder sackten ab.

Shark war tot, regte sich nicht mehr.

Ein kleines Loch zwischen den Augen, zeugte von dem was passiert war. Ein einziger Schuss, sauber und präzise…

Sakitos leere Augen sahen noch einmal in das Gesicht des Mörders. Eine vermummte, ebenfalls junge Gestalt und Augen, die der Hölle selbst entsprungen zu sein schienen. Mordlust, reine Mordlust strahlte aus ihnen, kein Erbarmen, keine Regung.

Einen Moment sahen sie sich an, dann wandte sich der Fremde mit einem Grinsen ab.

Er zog den Fremden unter dem Leib des Toten hervor, zog nur noch einmal die Waffe und schoss auf eine der Öllampen.

Sakito erkannte noch den Löwen, durchstoßen von einem M.

Der Rest versank in einem alles verzehrenden Flammenmeer.
 

***
 

Stille…

Nur das Rauschen einer leichten Windbö, die die beiden Gestalten umwirbelte. Mehr war nicht zu hören.

Sie beide schwiegen, Sakito verbittert in die Bilder seiner Vergangenheit gefangen, Ni~ya nicht wissend was er sagen sollte. Es waren bittere Verluste, dass konnte sich der Blonde vorstellen und wieder einmal geraut von dem Ort, den sie alle hinter sich geglaubt hatten.

Vorsichtig streckte er den Arm nach dem Jüngeren aus, umfasste die schmalen Schultern und zog Sakito enger an sich. Er wusste selbst nicht genau, warum er das machte, was ihn dazu verleitete und doch hatte er ein Gefühl, dass es genau das Richtige war.

Sakito, der sich im ersten Moment noch verspannt hatte, sah nun zu Ni~ya auf, verwirrt, verunsichert und mit der Frage in den Augen, warum?

Ni~ya antwortete nicht, sondern lächelte nur milde.

Es vergingen weitere Minuten, die sie schwiegen, in denen Sakito sich selbst noch unsicher etwas mehr an Ni~ya lehnte, seinen Kopf auf die Schulter des blonden Transgeno legte.

„Keiner hat überlebt. Sie alle sind gestorben, entweder vorher erschossen oder durch die Flammen. Ich selbst konnte mich nur retten, weil ich durch ein Fenster sprang…“, murmelte er leise und die Trauer, die aus seiner Stimme sprach, war echt.

„Immer wieder nehmen sie uns das, was uns wichtig ist.“, erwiderte Ni~ya nur ruhig darauf und stieß leicht die Luft durch die Nasenflügel nach außen.

Sakito nickte nur leicht.

Diese Nähe zu dem Anderen und die leichte Umarmung gaben ihm Ruhe und auch etwas Kraft zurück.

„Hai und ich hasse sie dafür! So unendlich sehr!“ Seine Stimme wurde tiefer und als Ni~ya den Blick zu dem Kleineren wandte, erkannte er das sich die Gesichtszüge des Jüngeren wieder verhärtet hatten. Die hellen Augen starrten in die Dunkelheit und er hatte eine Faust geballt.

„Schwerverletzt fand ich etwas Hilfe bei einem anderen Tribe, den ich aber schnell wieder verließ. Nach diesem Vorfall schwor ich mir, mich nie wieder länger als nötig aufzuhalten. Die anderen suchten das Haus noch einmal auf, aber es war bis auf die Grundmauern niedergebrannt und von den Leichen waren nicht mehr als nur noch die Knochen und Asche übrig. Wir trugen sie ohne Überreste zu Grabe und da schwor ich bittere Rache. Kaum war ich genesen machte ich mich auf den Weg. Nie wieder sollten sie mir wehtun, nie wieder sollten sie anderen etwas antun und der Wille sich zu rächen wurde immer stärker.“ Er wurde leiser und endete schließlich, fügte aber nach kurzen Schweigen noch etwas hinzu. „Aber auch die Sehnsucht nach dir…“

Ni~ya blinzelte überrascht, ehe er lächelte. Er strich mit einem kurzen Zögern über Sakitos weiches Haar und drückte dessen Kopf an sich. „Du bist so stark geworden…“, murmelte er, sagte aber nicht mehr.

Sakito war ebenfalls ruhig und schloss die Augen, ließ sich einen Moment fallen. Es war alles so unreal, so unwirklich und doch ein bitterer Scherz des Schicksals.

Er saß hier mit Ni~ya, Arm in Arm und dennoch war sein Herz schwer von den leidvollen Erinnerungen. Shark…

Sakito blinzelte um die kleine Träne zurückzudrängen, die im Begriff war in ihm aufzusteigen. Er beschloss mit seiner Geschichte fortzufahren.

„Ich reiste einige Zeit einfach so umher um den Kopf frei zu kriegen und um in Ruhe zu trauern. Doch in dieser Zeit wurde auch mein Entschluss immer stärker und schließlich beschloss ich nach Menticore zurückgehen…“

Ni~ya riss die Augen auf. „Du hast WAS?!“, stieß er aus.

Sakito zuckte zusammen, rückte etwas weg.

„Ich hatte beschlossen zu Menticore zurückzukehren, um dich zu befreien.“, beendete er den Satz bei dem Ni~ya ihn unterbrochen hatte.

Dem klappte der Kiefer wieder zu. „Du… wolltest mich befreien? Alleine?“ Die Überraschung, die in seiner Stimme mitklang, war wahr. Sakito nickte.

„Hai. Ganz alleine…“ Er lächelte ihn unsicher an. „Und ich habe es auch versucht, auch wenn ich vor Angst gebebt habe, war mein Wille stärker…“
 

***
 

Dunkel und unheilbringend ragte das Gebäude vor ihm auf, dessen Anblick allein genügte um ihn tausend Tode sterben zu lassen.

Und dennoch war sein Wille stark, stärker als seine Angst.

Die Nacht war hereingebrochen und er lag verdeckt von Büschen auf einer Anhöhe. Wie lange wusste er nicht, aber es mussten Stunden sein, in denen er nichts weiter tat, als zu beobachten.

Seit zwei Jahren war er nun vollkommen allein unterwegs und allein drei Monate hatte es gebraucht, sich wirklich durchzuringen diesen Schritt zu tun. Für jeden normalen Menschen war es klar, dass solch ein Unterfangen wahnsinnig war. Allein dieser Gedanke war zum Scheitern verurteilt und dennoch war Sakitos Verzweiflung groß genug, es zu versuchen.

Er wollte Ni~ya da raus holen! Er sollte nicht länger leiden. Er sollte frei sein wie er und dann… dann würde er nicht mehr allein sein.

Er hatte lange mit dem Verlust des Clans und besonders mit dem von Shark, den er jetzt wirklich als seinen Vater ansah, zu kämpfen gehabt. Lange hatte er getrauert und Rache geschworen und dieser Gedanke war übermächtig geworden, hatte jeden Tag seinen Kopf bestimmt, seinen Weg geleitet. Sehnsucht, Trauer und Hass zusammen hatten ihn wahnsinnig werden lassen.

Und jetzt war er hier.

Zurück an dem Ort, der für ihn die wahre Hölle auf Erden darstellte. Und wenn er ehrlich war, schlotterten seine Knie wie Espenlaub.

Doch er kniff die Augen zusammen und schüttelte den Kopf. Was sollte das? Er war soweit gekommen, hatte soviel auf sich genommen, nur um jetzt schlappzumachen?

Nein! Definitiv nein!

Er hatte in den letzten Wochen viel gearbeitet, wobei sich das, was er bei Shark und seinen Leuten gelernt hatte, sehr ausgezahlt hatte. Er hatte Erkundungen eingeholt, unauffällig und sehr langsam, war das Gelände nachts immer wieder abgegangen und hatte sich schließlich bis hierher vorgewagt. Der hohe Zaun, den sie damals überwunden hatten, lag nur wenige hundert Fuß vor ihm. Und darum patrouillierten unaufhörlich Wächter mit den Hunden. Ein krampfhafter Anblick. Solche Hunde, scharf gemacht und abgerichtet zu töten, waren ihnen damals auf den Hals geschickt worden, doch dieses Mal war er vorbereitet. Er hatte seinen ganzen Körper unter der dunklen, engen Kleidung mit einem Mittel eingerieben, was den Geruchssinn der Hunde in die Irre führte und er somit unbemerkt blieb, solange er sich entgegengesetzt dem Wind bewegte. Auch das hatte er ausgekundschaftet, doch jetzt war es an der Zeit diese Mühen zu belohnen.

Er atmete noch einmal tief durch und setzte sich dann die Maske über das Gesicht. Von ihm war nichts zu sehen, außer den Augen, die er brauchte um in dieser Dunkelheit gut sehen zu können.

Schließlich war der Augenblick gekommen. Sakito wusste automatisch, entweder jetzt oder nie und lief los. Der Wind hatte aufgefrischt und wie vorbereitet, bewegte er sich entgegengesetzt.

Es war ein leichtes zwei Wachen und die Hunde auszuschalten. Er besiegte sie mit ihren eigenen Waffen. Ob nun zwei Leichen mehr oder weniger würde keinen interessieren, immerhin wussten diese Menschen genau, was sich hinter diesen Mauern und unter der Erde abspielte.

Er griff nach der Kleidung und warf sie sich über. Natürlich war sie viel zu groß, doch in der Dunkelheit würde das nicht auffallen. Er hatte sorgfältig beobachtet, hatte Gang und Sprache analysiert und setzte beides jetzt um.

Er bewegte sich um das Gelände und betrachtete es aus der Nähe, scannte jede Kamera, die er erblickte und speicherte sie in seinem Kopf ab. Als sich jedoch andere Wachen näherten, musste er diese Tarnung aufgeben.

Zwei gezielte Schläge gegen den Kopf und auch diese Wachen waren ausgeknockt. Die Hunde schlicht und einfach bewusstlos geschlagen. Es blieben noch vier Wachen, die immer um das Außengelände patrouillierten. Ihm blieb also etwas Zeit, bis die anderen auftauchten.

Also musste er jetzt zuschlagen. Er warf die Klamotten ab und sprang den Zaun nach oben. Er überwand ihn leicht, passte den Moment genau ab, als die Kamera in die andere Richtung wanderte und flitzte über den leichten Hang nach unten, presste sich dort eng an die Wand. Er verließ sich ganz auf seine Sinne, lauschte auf jeden Schritt und jede Person, die er wahrnehmen konnte. In der Nähe spürte er einen leichten Luftzug.

Der Luftschacht!

Vorsichtig schlich er sich an das Gitter, öffnete es schnell und zog sich hoch, verschwand in dem engen Schacht. Hier kam ihm seine schmale Gestalt zu Gute, denn so konnte er ohne Probleme den Schacht entlang kriechen und sich so ganz leicht Zugriff zu den Laboren verschaffen. Das war einfacher, als er es vermutet hatte, aber die Probleme würden da drin kommen.

Er wusste nicht wo Ni~ya war, wie es heute hier aussah und wie er vorgehen sollte. Doch er machte jetzt keinen Rückzieher, nein! Er würde das durchstehen. Oh ja!

Er schob sich weiter durch die engen Gänge, horchte einfach auf seine Sinne und vertraute auf sich selbst.

Irgendwann hörte er Stimmen, die leise sprachen. Er hörte nicht hin, er wollte nichts mit den Grausamkeiten hier zu tun haben. Er wollte nur Ni~ya hier raus holen und dann verschwinden.

Schließlich wagte er sich aus seinem Versteck, in einem fensterlosen, endlos langen Korridor, lugte er erst nach den Kameras, die er auch sofort entdeckte. Wie sollte er an denen vorbei kommen?

Er musste es einfach riskieren.

Der Junge sprang aus dem Schacht und lief immer so, dass er den Kameras ausweichen konnte den Gang entlang. Irgendwann kamen Türen, doch diese führten nur zu irgendwelchen Laboren. Er musste aber nach unten, dort wo die Zellen waren, in denen die Kids gefangen gehalten worden.

Ein Schauer nach dem anderen lief seinen Rücken hinab, als er die Kälte spürte, die von einigen Kammern ausging und dieses Neonlicht. Es weckte die alten Erinnerungen und doch musste er klar im Kopf bleiben um das hier durchzustehen. Wenn man ihn entdecken würde, wäre es das Aus.

Er schaffte es bis in die unteren Ebenen, fand sogar einige Zellen, doch nie sah er das Gesicht, was er so vermisste. Nach dem er sich so sehr sehnte.

Er suchte weiter und war so fixiert, dass er einen Fehler beging. Seine Sinne, die alle nur auf das Eine ausgerichtet waren, achteten zu wenig auf ihre Umgebung und so kam es, dass er mit jemandem zusammen stieß. Einem Wissenschaftler, wie er sofort an den weißen Kittel erkannte.

Das blonde Haar und Akten wirbelten umher, als der Wissenschaftler unterdrückt aufstöhnte und sich dann zu Boden setzte. Sakito jedoch brach in Panik aus.

„Hey was… HEY!“ Das Rufen schallte durch die Gänge, als Sakito längst zurückhastete. Gott wie dumm war er gewesen… wie dumm! Wie sollte er Ni~ya nur hier finden? Wer wusste ob der andere überhaupt noch hier war?

Ni~ya hatte ihm die Freiheit geschenkt, zum Preis für seine eigene und er war so dumm und brach hier ein! Er riskierte das Kostbarste, was ihm je geschenkt worden war.

Inzwischen gingen auch die Sirenen los und rotes Licht erfüllte die Gänge.

Sakito fluchte. Er musste zurück in den Lüftungsschacht, nur so hatte er eine Chance zu entkommen.

Doch wieder schien die Probe zu kommen. Einige Sicherheitsleute streiften seinen Weg. Und waren sofort Feuerbereit. Doch Sakito war schneller. Bevor sie ihre Gewehre geladen hatten, war er zwischen ihnen und hatte zwei ausgeknockt. Dem dritten schlug er die Faust ins Gesicht und dem Vierten knallte er die eigne Waffe in den Nacken. Dann rannte er weiter. Er musste hier raus, ehe die Hunde seine Spur aufgenommen hatten, denn dann konnte er gleich aufgeben. Die Kameras waren ihm egal, denn die hatten ihn längst erfasst. Er wollte nur einen Zugang zum Luftschacht und das möglichst bevor neue Hindernisse auftauchten.

Und endlich! Er riss den Deckel herunter. Die Muttern und Schrauben flogen durch die Gegend und prallten an den Wänden ab. Doch da war Sakito schon längst darin verschwunden. Schneller als vorher, krabbelte er durch die Gänge suchte einen Ausweg und er wusste genau, dass ihn die Solarsensoren und die Infrarotschnittstellen bereits gescannt hatten. Man wusste, wo er rauskommen würde, noch ehe er es selbst wusste.

Doch das war ihm egal.

Er wurde immer schneller, nahm immer mehr Abzweigungen. Er legte nur Wert darauf, dass es nach oben ging.

Und irgendwann spürte er den frischen Luftzug, hörte auch die Stimmen, die versammelt waren.

„Macht euch bereit Leute! Er kommt gleich raus!“, raunte jemand und er hörte wie die Gewehre geladen wurden. Er musste handeln, sofort.

Sakito bündelte seine Kräfte und stieß sich nach vorn. Das Metall gab nach und mit voller Wucht prallte er genau in die Sicherheitsleute hinein. Das Gitter traf einen mitten ins Gesicht und löste Tumult und Verwirrung aus. Sakito nutzte das aus um weiter zu laufen. Und schon hörte er das Hundegebell.

Der ganze Außenbereich war ebenso in Sirenen und Alarm getaucht, doch es war egal. Es war auch egal, dass er sich an dem Drahtgitterzaun kleine Verletzungen riss.

Die Bluthunde würden ihn sowieso wittern. So oder so!

Er hatte nur eine Chance zu entkommen, wenn er schneller war und es zum Fluss schaffte. Den Weg hatte er mehrfach abgelaufen und sich tief eingeprägt. Es waren knapp drei Kilometer.

Wenn er es schaffte und in die Fluten sprang, ehe die Hunde ihn hatten, war er gerettet!
 

***
 

Sie beide waren bei der Erzählung angespannt. Sakito, sowie Ni~ya. Dieser hatte sogar die Hände leicht zu Fäusten geballt.

Sakito war unsicher, als er nach der Hand des Älteren griff.

„Ich habe es geschafft zu fliehen.“, meinte er leise und senkte den Blick. Ni~ya schwieg. Seine Miene war hart, verkniffen und er erwiderte den schüchternen Händedruck nicht.

Doch dann ganz unvermittelt, sah er Sakito an. „Ja du hast es geschafft. Aber zu was für einen Preis. Du hast alles riskiert, Sakito! Das war dumm, mehr als dumm, von dir.“, sagte er ein wenig aufgebracht, doch immer noch mit ruhiger Stimme.

Sakito nickte. „Ich weiß… und dennoch. Ich wollte dich da raus holen. Woher sollte ich wissen, dass du schon draußen warst?“, meinte er selbst jedoch viel leiser.

„Es hätte schiefgehen können, Sakito. Das ist es, was mich aufregt. Wie du selbst gesagt hast, habe ich damals meine Freiheit geopfert um dir deine zu schenken. Was bringt es dann also, wenn du selbst wieder zu der Hölle zurückkehrst?“ Ni~ya sah dem Jüngeren genau in die Augen.

„Du… du hast ja recht. Es war dumm von mir. Es waren Kinderträume denen ich nachgelaufen bin. Auch danach. Ich wollte nicht aufgeben. Der Glaube, dich da drin zu finden war so übermenschlich stark. Ich weiß doch selbst, dass diese Ansichten dumm sind und dennoch haben sie mich all die Jahre weitergetrieben, immer nach vorne, immer weiter. Ich habe die anderen gesucht, mehr als drei Jahre lang und Reita habe ich schließlich gefunden.“ Der Rest waren knappe Worte, knappe Wiedergaben seiner Reise, die ihn überall hingeführt hat, an jeden Ort dieses Landes.

Dunkel blickten seine Augen in den sternenklaren Himmel. Er hatte geendet mit seinen Worten und dennoch schien sein Herz so unendlich schwer.

Die Schmerzen der Erinnerungen, aber auch die guten Gefühle, alles hatte sich vermengt und gerade mit den letzten Gedanken an seine endlos lange Reise war er der Erschöpfung nahe.

Niemals vorher hatte er jemanden seine Geschichte erzählt oder auch nur ansatzweise Gefühle gezeigt. Erst einmal hatte er dies bei Shark gewagt und wie immer in seinem Leben hatte er Schmerz erfahren.

Langsam stand er nun auf, lehnte sich an das Geländer, welches den alten Wasserturm umgab, krallte sich fest.

Auch Ni~ya stand auf und blickte in die goldgelben Augen, in dessen dunklen Tiefen sich die Lichter der Sterne spiegelten. Auch er wandte nun den Blick in den Himmel.

„Eine traurige Geschichte und dennoch hat all dieses Leid dich auch stärker werden lassen. Du bist gereift Sakito.“, meinte er. „Und ich bin wirklich mehr als überrascht, dass du das alles auf dich genommen hast, nur um mir zu helfen.“ Ein ehrliches Lächeln ruhte nun auf Ni~yas Lippen.

Sakito erwiderte es gekünstelt. „Na ja. Im Endeffekt waren es Kinderträume denen ich nachgelaufen bin, Erinnerungen, Erzählungen, deine Erzählungen.“ Ohne das Sakito es sehen konnte, begann Ni~ya zu lächeln. Er trat näher an die Person heran, die so stark und erhaben wirkte und doch im tiefsten Inneren nur ein Kind war, das nach seinen Träumen suchte. Seine Arme legten sich um Sakitos schmale Schultern, zogen ihn an seinen Körper. „Ist es nicht das, was diese Freiheit ausmacht? Die Suche nach den Erfüllungen unserer Träume?“, raunte er ihm leise ins Ohr. Sakito blinzelte, drehte Ni~ya seinen Kopf zu, begegnete dem Blick der dunklen Augen und schreckte leicht zurück. Sie waren ihm so nah wie niemals zuvor und der Ausdruck in ihnen nahm ihn gefangen. Wärme, Verständnis… dies strahlte ihm entgegen.

Sakito wusste nicht was er tat, doch seine Lider senkten sich und langsam kamen sie sich näher. Es war nur eine kurze Berührung, kaum mehr als ein Windhauch als ihre Lippen sich zu einem verschmolzen. Eine Einheit, nicht mehr allein sein… konnte dieser Traum für ihn wahr werden?

Complicated Connections

Dark Angel

Kapitel: 16/?

Autorin: IBUKl

Pairing: Ni~yaxSakito, ReitaxAoi

Genre: Shounen-ai, Romantik, Darkfic etc...

Kommentar: Und schon geht’s weiter. Ich möchte auch dieses Mal nicht wirklich viel sagen, außer das ich mich sehr über eure Comments und eure Ideen für den weiteren Verlauf sehr gefreut habe. Und wieder einmal vielen Dank an meine tolle Beta und mein kleines Stimmchen Ruki *euch knuddl*

Und da die liebe Misaki den 200 Kommi geschrieben hat, bekommt sie bald eine kleine Überraschung. Hoffe das du dich dann freuen wirst, Süsse. ^^

Also dann viel Spaß euch allen ^^

Eure Satty
 

Kapitel 16: Complicated Connections
 

Das milde Licht der funkelnden Sterne und des Sichelmondes leuchteten ihm den Weg durch die Nacht. Seine Schritte waren schwer und träge, hatten nichts von der sonstigen Stärke und Leichtigkeit.

Noch überflutete der gewebte Teppich der Nacht den Himmel und noch herrschte überall Stille in den Häusern, doch schon in wenigen Stunden würde alles wieder zum Leben erwachen. Das rege Treiben der Stadtbewohner, die hart arbeiteten um zu überleben.

Einzig einige Wochen sollte es her sein, dass auch er noch einer von ihnen gewesen war. Einer wie jeder andere, der hart schuftete, aber lachen konnte. Einer, der glücklich war.

Doch all das, sein ganzes Leben, welches er sich so mühselig aufgebaut hatte, war zerstört worden, zerstört durch die Hand derer, die er verabscheute und hasste.

Und doch ließ er den letzten Rest seines alten Lebens, den zentralen Punkt dieser kleinen idyllischen Welt, die oft hart aber ebenso schön gewesen war, aus freien Stücken zurück.

Nur um das Leben seines Geliebten zu retten, brach er sich selbst in tausend Stücke und er wusste, dass auch Aoi schrecklich leiden würde.

Das war es wohl, was das Schicksal für sie vorgesehen hatte.

Reita seufzte leise, zog die Riemen des Rucksacks enger zusammen und richtete den Blick wieder nach vorn. Er durfte sich nicht umdrehen, durfte nicht zurück sehen, denn dann würde sein Entschluss ins Wanken geraten. Und doch war es das Richtige.

Nur wenige hundert Meter zurück lag das Glück und doch hatte er ihm den Rücken zugedreht.

Jetzt musste er den Weg wieder allein beschreiten, allein und einsam.

Er streckte seine Hand etwas, die noch immer angeschlagen war. Sonst ging es ihm gut. Saga selbst, der ihn noch einmal am Abend untersucht hatte, hatte es gesagt. Es war auch das letzte Gespräch gewesen, welches er mit dem Gleichaltrigen geführt hatte.
 

***
 

Langsam fielen die Bandagen zu Boden, als Saga sie aufschnürte. Sie waren allein in dem kleinen Zimmer, welches Saga als Behandlungsraum diente.

„Streck mal deine Arme und spann den Rücken an.“, sagte der Dunkelblonde ruhig und Reita kam dem nach. Kritisch musterte Saga die Wunden, die mit einer dicken Schorfschicht überzogen waren, jedoch nicht aufbrachen. Er nickte, strich mit seinen Fingern noch einmal die Wundränder entlang, die jetzt sauber mit dem verletzten Gewebe verbunden waren und nur noch ein wenig rot. Sein geübter Blick erkannte die gesunde neue Haut, die sich bereits zu bilden begonnen hatte. Auch tastete er die langen Schnitte und Stichwunden ab, spürte wie die Schorfkruste etwas nachgab.

„Okay… lockerlassen.“, sagte er dann und griff nach dem kleinen Skalpell, ritzte die Kruste etwas ein und sofort trat eine rote, dünne Flüssigkeit hervor. Der Dunkelblonde wischte etwas von dem Wundwasser mit der Fingerkuppe auf, rieb es aneinander und leckte es dann ab, nickte dann für sich selbst.

„Super! Keine Eiterbestandteile mehr vorhanden. Das heißt, dass einem gesunden Heilungsprozess gar nichts mehr im Wege steht. Selbst die tiefen Stellen heilen sauber von innen heraus und neue Haut hat sich schon unter dem Schorf gebildet.“, teilte er seinem Patienten schließlich die Diagnose mit.

Reita verstand nicht alles, nickte nur. „Das heißt also, es wird alles so wie vorher?“, fragte der Blondschwarzhaarige und drehte den Kopf zu dem Gleichaltrigen.

Saga nickte. „Genau. In nur wenigen Tagen, höchstens eine Woche wird kaum noch etwas zu sehen sein. Einige kleine Narben werden bleiben, doch sonst.“ Er lächelte leicht.

Reita war erleichtert. Dann konnte er ohne Probleme gehen.

Saga strich eine Kräutertinktur auf die Wunden und legte dann neue, saubere Verbände an.

„Auch die Verbände wirst du nur noch zwei Tage tragen müssen.“, meinte Saga noch, als er die Büchse mit der Salbe und die anderen Verbände in einem Kasten verstaute und diesen schloss.

Der Angesprochene nickte, zog sich sein Shirt wieder über und lächelte leicht. „Danke Saga, für alles, was du für mich getan hast.“, sagte er ehrlich und strich sich dann durch die Haare.

Der Dunkelblonde lächelte nur. „Dafür musst du dich nicht bedanken. Das war doch selbstverständlich. Ich hab mit meinen Mitteln das getan, was ich tun konnte.“, entgegnete er und setzte sich dann auf. „Das Einzige, was wohl wirklich noch dauern wird, ist deine Hand. Der Knochen ist gesplittert und es dauert mitunter Monate bis das vollkommen abgeheilt ist.“

Er setzte sich wieder auf den Hocker und umfasste Reitas verletztes Handgelenk. Der Blondschwarzhaarige verzog keine Miene, sondern reichte sie ihm freiwillig entgegen. Das der Heilungsprozess hier solange dauern würde war ärgerlich, aber nicht zu ändern.

Saga wickelte auch hier den leichten Verband ab und zog die Salbendose heran, die Reita die Nase rümpfen ließ.

Er hasste dieses Zeug! Und doch musste er sich eingestehen, dass die Schmerzen viel besser geworden waren, seit Saga ihn damit behandelte, selbst wenn diese Tinktur bis zum Himmel stank.

Der Dunkelblonde untersuchte nun auch die Hand etwas im Licht, sah wieder die feinen Punkte unter der Haut. Wieder war die Haut warm und leicht gereizt, doch das Gesamtbild sah wesentlich besser aus als noch vor einer Woche.

Er öffnete die Dose und trug die Salbe wieder dünn auf die geröteten Stellen auf, legte dann den Verband wieder an, drückte Reita die Dose in die Hand.

„Hier, die gebe ich dir mit. Behandle deine Hand zweimal am Tag damit, dann dürften die Schmerzen schon bald weichen.“ Saga sprach ernst, während Reitas Gesichtszüge entgleisten.

„Was, aber?! Woher…?“

Saga grinste nur leicht und tippte gegen Reitas Kinn, damit er den Mund wieder zuklappte. „Nun schau nicht so. Ich bin nicht ganz so dumm, wie ich vielleicht aussehe und ja ich weiß, dass du heute Nacht gehen willst.“, meinte er lässig, packte noch ein paar Bandagen in eine Box.

Reita war sichtlich schockiert. Woher konnte Saga das wissen? Er hatte niemanden von seinem Entschluss erzählt, hatte nicht ein Wort darüber verloren. Hatte etwa…?

„Hat Sakito dir das erzählt?“, grollte er leise.

Saga jedoch schüttelte nur den Kopf. „Nein. Er hat nichts gesagt. Mit keiner Silbe hat er etwas erzählt. Aber ich bin nicht dumm, Reita. Diese täglichen Treffen und Botschaften, die er mir übermittelt hat. Er ist niemals selbst hierher gekommen, also liegt der Verdacht nahe, dass irgendetwas im Busch ist, was auch mit Aois Entführung zu tun hat. Ihr beide seid in Gefahr und wollt nun gehen, bevor wieder etwas passiert. Und das es heute das letzte Treffen war, war mir bewusst, dass es heute Nacht losgehen soll. So schwer ist das nicht zu verstehen.“, endete er schließlich und sammelte nebenher noch einige andere kleinere Sachen zusammen.

Reita dagegen, musste diese Worte erst einmal auf sich wirken lassen. Er presste die Lippen zusammen. Es war nicht gut, dass Saga von seinem Vorhaben wusste, gar nicht gut.

„Weiß einer von den anderen etwas?“, fragte er.

Saga sah auf, schüttelte erneut den Kopf. „Nein niemand und ich werde es keinem erzählen. Nur meine Frage ist die, ob du uns wirklich verlassen wirst? Besonders Aoi… er…“

„Ich habe mir das Ganze mehr als gut überlegt!“, fuhr Reita dazwischen. Er wollte sich nicht von Saga ins Gewissen reden lassen. Er hatte seinen Entschluss gefasst.

Sagas Blick war mitleidig und er seufzte. „Ich will dir nicht dazwischen reden. Ich wollte nur wissen, ob du dir vollkommen sicher bist.“

Reita wandte den Blick ab. „Glaube mir. Ich habe gründlich darüber nachgedacht und ich werde gehen. Heute Nacht. Und Aoi soll nichts davon wissen. Er würde es nicht zulassen.“

„Verständlich oder? Nach dem was ihr durchgemacht habt. Aber ich werde deinen Wunsch respektieren und schweigen. Nur das hier möchte ich dir gerne mit auf den Weg geben.“ Der Dunkelblonde lächelte leicht und reichte Reita ein kleines Paket, welches Verbandsmaterial und Wundsalben für die Rückenverletzungen enthielt.

Der Blondschwarzhaarige nahm es entgegen. „Ich danke dir und auch den anderen für alles. Es fällt mir wirklich nicht leicht, denn ich liebe Aoi sehr. Aber so ist es das Beste. Für ihn und auch für euch. Passt auf ihn und Ruka auf.“ Es waren schwere Worte, die wehtaten und doch verstand Saga sie genau. „Mach dir keine Sorgen. Um die beiden werden wir uns kümmern. Ich wünsche dir selbst aber alles Gute und pass auf dich auf.“ Es folgte eine kurze Umarmung.
 

***
 

Dieses Gespräch war das letzte mit Saga gewesen. Danach hatte er den Dunkelblonden nur noch beim Essen gesehen, ehe er sich selbst mit Aoi zurückgezogen hatte.

Aber das gehörte nun der Vergangenheit an.

Sein Griff um die Riemen wurde härter, ebenso sein Blick. Es brachte nichts zu Trauern. Er würde diese schöne Zeit und die lieblichen Erinnerungen tief in seinem Herz verschließen.

Reitas Schritte nahmen nun zu und immer größer wurde die Entfernung zu Aoi und den anderen und mit jedem Schritt verschloss sich Reitas Inneres mehr und mehr.

Und schließlich tauchte der Schatten des alten Wasserturms vor ihm auf. Dunkel und imposant erhob sich das alte Gebäude in den Himmel und dort oben würden Sakito und auch Ni~ya warten.

Reitas Augen wurden etwas dunkler. Ni~ya… noch immer konnte er den Zufall nicht ganz verstehen. Aber dem würde er nachgehen. Ab jetzt hatte er ja genug Zeit dazu.

Der Blondschwarzhaarige blickte noch einmal an dem Gebäude nach oben und rang sich dann dazu durch es endlich zu erklimmen.

Schwer wurde der Aufstieg für ihn nicht, da er über die außen gelegene Treppe leicht nach oben kam. Jetzt hoffte er, dass Sakito auch hier war.

Reita hangelte sich das klapprige Gerüst nach oben, verzog ab und an die Miene, als es in seinen Schultern unangenehm zog. Er musste sich noch schonen und wahrscheinlich war es falsch, was er hier tat, doch das war im Moment egal.

Der Blondschwarze war nur froh, als er endlich oben ankam, das Rondell, welches den alten Turm noch umspannte, langsam herumwanderte um schließlich auf der kleinen Plattform zu landen. Das bisschen Licht, welches Mond und Sterne spendeten, reichte aus um zu sehen und so entdeckte er schnell die beiden Personen, die am Rande standen, eng umschlungen.

Seine Augen verengten sich etwas, denn er hatte nicht damit gerechnet seine künftigen Weggefährten in so einer Haltung vorzufinden, zumal die beiden ihn immer noch nicht wahrzunehmen schienen.

Er ließ den schweren Rucksack geräuschvoll zu Boden sinken und in dem Moment stoben Ni~ya und Sakito auseinander, blickten sich alarmiert um. Reita grinste nur höhnisch.

„Wie nett… ich hoffe ich störe nicht. Nächstes Mal klopfte ich an, wenn ich eine Tür sehe.“, brachte er hervor und näherte sich den beiden anderen. „Ist ja toll zu sehen, wie aufmerksam ihr auf eure Umwelt achtet!“

Es war unverkennbar bei was er die beiden gerade gestört hatte.

Seine Augen erkannten den leichten Film auf Sakitos Lippen, die leicht geröteten Wangen sofort und wie der Jüngere den Blick kurz abwandte, sich anscheinend sammelte, ehe er ihn wieder auf Reita richtete. Reita suchte nun jedoch den Blick zu Ni~ya, der die Arme vor der Brust verschränkt hatte.

Kühl trafen sich ihre Blicke.

„Ni~ya…“, brachte Reita mit einem leichten Knurren über die Lippen.

„Reita…“ Ein Grinsen bei dem Anderen.

Die Augen des blondschwarzhaarigen Transgeno huschten über die schmale Gestalt des Gleichaltrigen. Ein komisches Gefühl ihn nach so langer Zeit wiederzusehen und Reita konnte nicht behaupten, dass es ein angenehmes Gefühl war, welches ihn erfüllte. Die Spannung schien in der Luft zu knistern und beide Parteien wussten nicht recht wie sie mit dem Anderen umgehen sollten.

Sakito hatte das Schauspiel aufmerksam beobachtet, nachdem die Überraschung endlich gewichen war. Auch er spürte die leichte Spannung, trat schließlich vor. „Ich bin froh, dass du doch gekommen bist, auch wenn es keine leichte Entscheidung gewesen war.“, meinte er schließlich vorsichtig, lenkte somit Reitas Aufmerksamkeit wieder auf sich.

Der Ältere verzog die Lippen etwas. „Wenn ich keine andere Wahl gehabt hätte, wäre ich nicht gekommen.“, lautete die kühle Antwort.

Sakito seufzte leicht. Reita dagegen wandte sich wieder ab. „Lasst uns verschwinden, schließlich scheint es ja dringend zu sein!“ Der Spott lag tief in seiner Stimme. Er drehte ab und griff wieder nach dem Rucksack.

Ni~ya und Sakito sahen sich kurz an, blickten dann jedoch sofort wieder weg. Von der ruhigen Atmosphäre der vergangenen Stunden schien nichts mehr vorhanden zu sein. Auch sie griffen schließlich nach ihren Utensilien und machten sich auf den Weg den Wasserturm und auch Kyoto zu verlassen. Ab jetzt würde ein anderer Weg sie leiten.

In der Ferne begann bereits das Morgengrauen.
 

***
 

Zwei dunkle Opale funkelten in den beginnenden Tag, beobachteten aufmerksam wie die Feuerkugel sich am Horizont emporhob, doch die Schönheit dieses Naturschauspiels sahen sie nicht. Kalt und düster wurden sie von den leichten Strahlen erfasst, zeigten keine weitere Regung.

Zwei behandschuhte Hände krallten sich stattdessen leicht in den rauen Untergrund, als er sich abstützte und von der leichten Metallebene sprang.

Ein weiterer Tag der erfolglosen Suche. Er hatte es bereits schnell begriffen, dass sie ihre Ziele hier nicht mehr finden würden. Zwei Wochen zog Tag um Tag dahin ohne auch nur ein Anzeichen auf den Verbleib von den Gesuchten.

Aber diese hatten sowieso die Stadt bereits verlassen oder ein sehr gutes Versteck gefunden. Intelligent genug waren sie dazu. Das hatte er ja gesehen und dennoch drückte die Niederlage schwer auf seinem Gemüt. So knapp waren sie am Ziel gewesen und doch hatten sie versagt!

Schwer legte sich eine Hand an seinen Hals, wo noch immer ein Verband die Wunden überdeckte, die Sakito ihm gerissen hatte. Zwar waren sie auf dem besten Weg zu verheilen, aber Narben würden auf ewig bleiben. Noch jetzt fühlte er wie die schlanken Finger sich durch das Gewebe gebohrt hatten und um ein Haar hätten sie ihm die Stimmbänder zerfetzt. Sprechen konnte er noch immer nicht richtig, aber die schnelle Versorgung hatte dazu geführt, dass keine großen Schäden bleiben würden.

Er stampfte leicht aus und seine Augen verengten sich. Wut und Hass! Nichts anderes erfüllte sein Inneres. Wut versagt zu haben und Hass auf den Fremdling, der es gewagt hatte sich einzumischen. Natürlich war Ni~ya ihm nicht fremd, doch bis er ihn erkannt hatte, hatte es doch gedauert.

Schritte, die sich im Hintergrund näherten, ihn jedoch nicht weiter interessierten, bis eine Stimme zu sprechen begann. „Karyu? Ich soll ausrichten, dass der Kommandant dich zu sprechen wünscht und die Operation vorerst abgesagt wurde.“

Der Braunhaarige nickte nur und schon entfernten sich die Schritte wieder.

Er hatte es sowieso erwartet. Das was sie hier veranstalteten war pure Zeitverschwendung. Sie würden sie nicht finden, nicht hier.

Zweimal war es so knapp gewesen, zweimal hatten sie schon die Chance gehabt #443 zu fangen. Doch beim ersten Mal hatten sie es nicht gewusst. Ja, ja… Zufälle sollte es im Leben geben.

Schließlich wandte Karyu sich vollkommen von dem Sonnenaufgang ab und trat den Rückzug an. Warum der Kommandant mit ihm reden wollte, war ihm zwar nicht ganz bewusst, denn alle Informationen, die wichtig sein könnten, hatten sie erst am letzten Abend besprochen.

Noch erinnerte er sich an den Tag als ihm mitgeteilt worden war, dass sein langjähriger Kamerad von Niikura persönlich aufgrund seines Versagens gerichtet worden war. Er war überrascht gewesen, doch keinesfalls geschockt. Karyu hatte erwartet, dass Tsukasa dieses Schicksal treffen würde und wahrscheinlich war es das Beste so gewesen. Die moderne Technik hätte die fehlende Hand zwar schnell ersetzen können, doch der Grad des Versagens war einfach zu hoch gewesen. Und die Strafe die auf Versagen stand war nun einmal der Tod. Daran konnte niemand etwas ändern. Trauer und Schmerz hatte er nicht empfunden, vielleicht eine kleine Prise Bedauern aber nicht mehr. Sie hatten sich lange gekannt, doch Freundschaft oder dergleichen fühlte er für niemanden, absolut niemanden.

Es gab in ihrer Welt so etwas nicht und Gefühle machten nur schwach, wie man bestens an #668 gesehen hatte. Ob der die Verletzungen überlebt hatte, wusste er nicht, aber es war unwahrscheinlich, wenn er nicht schnelle Hilfe gefunden hatte.

Egal… um ihn ging es nicht mehr. Irgendwann würde man vielleicht noch einmal ein Team losschicken und Kyoto akribisch absuchen lassen oder, was wahrscheinlicher war, ein Bild des Transgeno an die örtliche Behörde senden und mitteilen, dass diese Person umgehend bei Sichtung zu eliminieren sei. Wegen was auch immer… in solchen Fällen war Menticore durchaus sehr kreativ.

Er schüttelte leicht den Kopf und betrat den Stützpunkt ihrer Einsatzgruppe. Die meisten Soldaten machten sich bereits abmarschfertig, packten ihre wenigen Utensilien zusammen und beachteten ihn nicht, ebenso wie er.

Karyu hatte sich freiwillig angeschlossen um bei der Suche zu helfen, als der Helikopter gelandet war um sie abzuholen. Zero und Hizumi waren mitgeflogen, denn sowohl Zero als auch Tsukasa waren zu schwer verletzt gewesen und Hizumi selbst war von Hakuei zurückbeordert worden um Rede und Antwort zu stehen.

Der Braunhaarige war vorort erst noch einmal versorgt worden, ehe er mit den Soldaten in die Stadt gekommen war. Mit Kommandant Sugizo war er sich dann schnell einig gewesen. Auch ihn kannte er jahrelang.

Sugizo hatte den Status des Ausbilders in der Trainingsanlage inne, trainierte die Experimente und sonderte die Schwachen aus. So war es klar gewesen, dass er für diesen Auftrag geschickt worden war.

Karyu stoppte vor dem Raum in dem Sugizo sein Büro eingerichtet hatte und hörte die energische Stimme des Ausbilders. Er telefonierte.

Nichts desto trotz klopfte er an und trat ein, bekam nur eine wirsche Handgeste entgegen, die ihm sagte er sollte sich setzen. So kam er ihr stillschweigend nach und setzte sich auf einen der beiden Stühle und wartete.

„Wir kommen sofort zurück. Das sage ich jetzt zum hundertsten Mal!“ … „Ja…“ … „Ja… bis dann!“ Ein leises Klacken als aufgelegt wurde.

Sugizo schnaubte einmal und ließ sich in den Bürosessel fallen, schnappte sich eine Zigarre und zündete sie sich an.

Weitere Minuten verstrichen in denen nur das leise Paffen der Zigarre zu hören war und eine dichte Dunstwolke erfüllte den kleinen Raum, ehe Sugizo sich endlich zu erinnern schien, dass jemand anwesend war.

Der dunkelhaarige Mann starrte Karyu an und verzog keine Miene. „Wir wurden zurückbeordert. Allerdings wurde mir der Auftrag erteilt, dich mit einer kleinen Gruppe besonderer Soldaten hier zu lassen. Ihr sollt nun die Stadt verlassen und euch an die Fersen der Ziele heften.“, sagte er kalt, jedoch mit einem Knurren in der Stimme.

Karyu blinzelte leicht. „Und woher sollen wir wissen, welche Richtung sie eingeschlagen haben?“, fragte er rau und etwas undeutlich. Er spürte deutlich wie seine Stimmbänder gegen die noch offenen Innenwände vibrierten.

Sugizo schnaubte nur. „Woher soll ich das bitte wissen?! Mach dir einen Kopf. Du bist immerhin der Spezialbeauftragte.“, meinte er trocken und äscherte in den gläsernen Aschenbecher.

Karyu schwieg. Na was für wunderbare Neuigkeiten! „Wie viele Männer werden mir zugeteilt.“

„Fünf. Die auch bereits informiert sind und sich auf den neuen Auftrag vorbereiten. Du wirst der Anführer sein. Die Ausrüstung liegt bereit. Mach dich sofort auf den Weg! Mehr gibt es nicht zu sagen.“ Eine weitere wedelnde Handbewegung und das Gespräch war beendet.

Karyu konnte gehen.

Der Braunhaarige erhob sich mit mürrischer Miene und verließ den Raum. Was für ein super Auftrag! Sollte er also wieder die Marionette spielen. So groß wie das Gebiet um die alte Kaiserstadt war, gab es unzählige Wege, die #443 und #389 genommen haben konnten! Zumal er nicht einmal wusste, wie viel Vorsprung sie hatten!
 

***
 

Leises Vogelgezwitscher begleitete sie auf ihrem Weg durch den morgendlichen Zedernwald. Ebenso fielen einige Sonnenstrahlen durch die dichten Baumwipfel und warfen bunte Lichtflecke auf den Waldboden.

Es herrschte Schweigen in der kleinen Gruppe. Während Reita und Ni~ya vorneweg liefen, hatte Sakito sich etwas nach hinten abfallen lassen um nachzudenken.

Seit nunmehr drei Tagen waren sie unterwegs, hatten Kyoto mit den ersten Sonnenstrahlen verlassen und sich nordwestlich in Richtung der Wälder auf den Weg ins Ungewisse gemacht. Wohin sie gingen und was ihr Ziel war, wussten sie nicht und doch stand fest, dass die erste Etappe vorerst darin lag möglichst weit weg von dem Ort der letzten Wochen zu kommen. Das war aus den wenigen Gesprächen rausgekommen, die sie geführt hatten.

Sakito blickte einen Moment auf die Rücken seiner beiden Weggefährten.

Noch immer lag die Spannung in der Luft, die vom ersten Augenblick von Ni~yas und Reitas Aufeinandertreffen geherrscht hatte. Die beiden sprachen so gut wie gar nicht miteinander, ignorierten sich zumeist und wenn wurde in einem eiskalten Ton miteinander kommuniziert. Und er, Sakito, stand zwischen den Fronten.

Der Blick des Brünetten fokussierte sich auf Reitas Rücken. Der Blondschwarzhaarige hatte sich bereits wieder vollkommen hinter einer schwarzen Maske aus Kälte und Emotionslosigkeit zurückgezogen. Immer wenn er sprach blieben seine Augen hart. Keine brennenden Gefühle mehr, keine Leidenschaft. Es schien, als hätte Reita all das bei Aoi zurückgelassen. Ein trauriger Anblick, der Sakito innerlich traf, den er nach außen hin aber nie zeigte. Vielleicht hätte er wirklich zurückbleiben sollen, denn den Preis, den er für Aois Schutz bezahlt hatte, war hoch gewesen, sehr hoch.

Sein Blick wandte sich Ni~ya zu.

Der Blonde schien ebenfalls kälter geworden zu sein, seit Reita bei ihnen war, wenn nicht sogar vorsichtiger. Von der engen Verbindung, die eine Nacht zwischen ihnen geherrscht hatte, war nicht noch einmal etwas zu spüren gewesen. So nah waren sie sich seither nicht wieder gekommen, etwas, dass Sakito bedauerte.

Aber jetzt wusste er zumindest, dass dort irgendwo unter der kalten Schale noch ein warmer Kern schlummern musste und unbewusst leckte er sich leicht über die Lippen. Der Kuss… ja er war kurz gewesen, eigentlich kaum spürbar und doch hatte er jahrelang versteckte Gefühle wieder nach oben getrieben.

„Wenn du weiter so vor dich hinträumst, kommen wir heute nicht mehr weit, Sakito!“, schallte auf einmal eine scharfe Stimme von vorn durch den Wald.

Der Brünette zuckte zusammen und merkte erst jetzt, dass Reita und Ni~ya bereits einen doch größeren Vorsprung hatten, jetzt stehen geblieben waren und sich zu ihm umgedreht hatten. Er selbst musste ebenfalls stehen geblieben sein.

„Sorry kommt nicht noch mal vor.“, rief er nach vorn zu Reita, der sich nur mit einem Murren umdrehte. Sakito straffte das Bündel ihrer Schlafstätten, die er auf dem Rücken getragen hatte und setzte sich wieder in Bewegung, beeilte sich wenigstens zu Ni~ya aufzuschließen, der mit undurchdringlicher Miene auf ihn gewartet hatte.

„Worüber hast du nachgedacht?“, fragte der Blonde, blickte jedoch nicht zu ihm.

„Ach nichts Besonderes.“, antwortete Sakito, wagte einen Seitenblick zu dem Größeren, welcher nun leicht grinste.

„Du bist nach wie vor ein schlechter Lügner. Soll ich dir sagen woran du gedacht hast? An das schlechte Verhältnis von Reita und mir.“, beantwortete er sogleich die selbst gestellte Frage und drehte nun den Kopf um Sakito genau in die Augen zu sehen.

Dieser blickte schnell ertappt nach vorn. „Ja… ja du hast ja recht.“, meinte er geschlagen, spürte dann wie Ni~ya ihm kurz durch die Haare wuschelte. Überrascht guckte Sakito nach oben. So eine Geste war komplett untypisch für den Blonden, der leise lachte.

„Verschreckt wie ein kleines Häschen. So kennt man dich ja gar nicht, Sakito!“, neckte Ni~ya den Kleineren. „Du solltest dir nicht so viele Gedanken machen über solche Dinge. Es ist klar, dass wir beide Zeit brauchen um mit dieser neuen Situation umzugehen. Wir haben uns neun Jahre nicht gesehen und schon damals waren wir nicht die besten Freunde. Und du solltest nicht vergessen, dass er gerade erst sein bisheriges Leben hinter sich gelassen hat. Also lass uns einfach etwas Zeit.“ Ein sanftes Lächeln folgte diesen Worten und auch Sakito lächelte zögerlich und nickte.

Ni~ya hatte Recht. Es würde eben Zeit brauchen bis sie einander kennen lernen würden und vielleicht auch vertrauen.

„Gut dann lass uns jetzt etwas schneller laufen. Noch sind wir zu nahe an der Gefahr. Und ich denke, dass sie inzwischen auch einen Trupp ausgesandt haben, der wie wir die Stadt verlassen hat.“

Und schon zogen sie ihr Tempo an und hatten Reita schnell eingeholt.

Dessen geschulte Ohren hatten natürlich das leise Gespräch belauscht, doch zu Erkennen gab er es nicht. Er war skeptisch der ganzen Situation gegenüber, wenngleich er längst Sakitos Gedanken erahnt hatte. Es war ihm einfach anzusehen. Auch die Nähe zu dem Blonden, die er unbewusst zu suchen schien, war offensichtlich, jedenfalls für ihn. Er versuchte es zu ignorieren, denn es weckte nur schmerzliche Erinnerungen, mit denen der Blondschwarze noch viel zu kämpfen hatte. Oft ertappte er sich bei den schweigenden Märschen, wie er an Aoi dachte, sich fragte, wie es dem Schwarzhaarigen ging und wie er die Trennung verkraftete. Sicherlich würde er es nicht verstehen.

Immer wieder glitt seine Hand zu seinem Hals und tastete nach der Haarsträhne, fühlte sie und spürte für sich selbst ein wenig Linderung.

Er wagte erneut einen kleinen Blick zurück, sah wie Sakito und Ni~ya nun selbst schweigend nebeneinander herliefen und sich auf den Weg konzentrierten, aber wieder eine gewisse Nähe zwischen ihnen spürbar war.

Einen Moment blieb sein Blick auf Ni~ya ruhen, ehe er wieder nach vorne sah. Er wusste nicht, was er von dem Blonden halten sollte. Es stimmte, dass von Anfang an ein komisches Gefühl dagewesen war, Misstrauen, Skepsis und das war auch jetzt noch so. Er konnte nicht in die Gedanken des Gleichaltrigen eindringen, konnte nichts auf diesem Gesicht lesen. Ni~ya war vollkommen unantastbar, gab nichts von seinem Inneren preis. Und das waren Dinge, die ihm selbst schnell misstrauisch machten.

Aber wahrscheinlich würden sie wirklich einfach Zeit brauchen um sich kennenzulernen und einander zu vertrauen.

Für die nächsten Stunden jedoch, schob er alle Gedanken beiseite.
 

***
 

Die Nacht hatte Einzug gehalten und nur die nächtlichen Geräusche des Waldes und das leise Knistern des Lagerfeuers durchzogen die Stille.

Ihre Schlafstätten waren ausgebreitet und über dem Feuer ragten zwei Hasenspieße. Ni~ya hatte die beiden Langohren gefangen und nun waren sie ihr Abendessen. Der Blonde selbst war gerade zum nahegelegenen Fluss gegangen um neues Wasser zu holen.

Somit waren Reita und Sakito vorerst alleine.

Was vielleicht auch nicht so verkehrt war, denn der Jüngere hatte die Pflege der Wunden übernommen und auch jetzt saßen die beiden Weggefährten beieinander und Sakito wechselte Reitas Verbände, der im Schneidersitz auf seiner Bastmatte saß.

„Sieht noch besser aus als gestern.“, sagte Sakito, als er die Binden festzog. Er versorgte sie so, wie Reita es ihm gesagt hatte. Auch die Salbe wurde aufgetragen.

Reita nahm die Worte selbst schweigend zur Kenntnis. Was sollte er auch groß dazu sagen. Er war nur froh, dass Sakito diese Aufgabe übernahm, denn er selbst kam ja schlecht an die Wunden am Rücken, die ihn immer weniger beeinträchtigten.

Stille herrschte zwischen ihnen, während Sakito die Verbände anlegte und festzog und dann wieder alles in der Box verstaute, die Saga ihm mit auf den Weg gegeben hatte.

Schließlich aber war es Reita, der sie brach.

„Ich habe euer Gespräch heute Morgen gehört. Und ich teile Ni~yas Meinung, dass wir einfach Zeit brauchen uns warm zu laufen.“, meinte er monoton und zog sich sein Shirt wieder über.

Der Hochsommer klang langsam aus und dennoch waren die Tage von hohen Temperaturen bestimmt, lediglich die Nächte wurden nun zunehmend kühler.

Sakito horchte auf. Einen Moment musste er überlegen, dann nickte er. „Ich weiß. Ich will ja auch zu nichts drängen. Das ist eine Sache zwischen euch.“, meinte er und packte die Box in Reitas Rucksack.

„Eine Sache zwischen uns, richtig und was ist zwischen euch?“

„Hö? Wie meinst du das?“ Fragend sah Sakito den Älteren an.

Reita grinste. „So wie ich es sage. Ich muss doch wohl nicht damit anfangen, bei was ich euch gestört habe, oder? Und diese Nähe, die du ständig zu ihm suchst, ist doch offensichtlich.“ Er wickelte nun den Verband von seinem Handgelenk um auch das einzureiben.

Sakito verschlug es vorerst die Sprache. Aus den Augenwinkeln sah Reita wie der Kleinere leicht rot wurde. „Ich… ähm… weiß nicht was genau du damit andeuten willst!“, brachte er schließlich doch hervor. Reita lachte erneut. „Soso… aber das du rot wirst hat auch nichts zu bedeuten oder?“ Irgendwie machte es Spaß den Anderen aufzuziehen. Doch da Sakito augenscheinlich selbst nicht genau wusste, was er fühlte, beschloss Reita es vorerst sein zu lassen. „Schon gut. Du musst nichts weiter sagen. Werd dir selbst erst einmal sicher.“ Zielsicher griff Reita nun nach der Dose und trug die strenge Salbe auf das wunde Handgelenk.

Der Brünette, froh das Reita dieses Thema vorerst übersprungen hatte, sah ihm aufmerksam zu, rümpfte aber selbst leicht die Nase.

„Was ist das für ein Zeug?“, fragte er. „Eine Salbe die den Schmerz lindert. Ich kann den Geruch auch nicht leiden. Aber es hilft.“, erwiderte Reita ohne aufzuschauen und legte noch mal den Verband an. Dann bewegte er seine Finger etwas, streckte die Glieder und zog sie wieder zusammen.

„Hat Ni~ya eigentlich mal erwähnt, wie er dich gefunden hat?“ Ganz beiläufig kam diese Frage über Reitas Lippen.

„Nein… und bisher habe ich ihn auch nicht gefragt.“, gab Sakito ehrlich zur Antwort.

„Hmm… ein komischer Zufall, oder? Das Ni~ya genau in dem Moment auftaucht, in dem der Strick so eng um deinen Hals lag?“ Fragend sah Reita Sakito an, dessen Augen sich etwas verengten. „Was willst du damit sagen?“, fragte er lauernd.

„Na ja ich find es eben komisch. Ich meine jahrelang hast du ihn gesucht und mich sogar noch gefragt, ob ich dir helfe ihn aus Menticore rauszuholen. Und eben gerade in dem Augenblick, wo du in der Falle saßt, taucht er auf.“ Reita schien nicht wirklich zu bemerken, in welche Gebiete er sich hier vorwagte. Er wollte noch etwas sagen, doch wirsch wurde er von dem Brünetten unterbrochen.

„Willst du damit etwa andeuten, dass er ein falsches Spiel spielt?!“, fauchte Sakito aufgebracht. „Du hast selbst gesagt ich saß in der Falle! Und wäre Ni~ya nicht aufgetaucht, würde ich heute nicht hier sitzen! Ehrlich gesagt ist es mir egal, wie er mich gefunden hat. Ich verdanke ihm meine Freiheit und das ist wichtig!“, fuhr er auf.

Reita hatte die Augenbrauen angezogen und sah den Jüngeren überrascht an. Mit so einem Ausbruch hatte er nicht gerechnet. Aber schien dies doch seinen Verdacht zu bestätigen.

Beschwichtigend hob er die Hände. „Ist ja gut. Ich sag schon nichts mehr.“, sagte er.

„Warum nicht? Ich finde deine Ansichten durchaus interessant.“

Erschrocken fuhren sowohl Sakito, als auch Reita herum, entdeckten so den Blonden, der lässig und mit vor der Brust verschränkten Armen an einem Baumstamm lehnte und ruhig auf die Beiden herab blickte.

„Ni~ya? Seit wann…?“, begann Sakito, wurde aber von dem Älteren unterbrochen.

„Lange genug um verstanden zu haben, wie Reita von mir denkt.“ Kalte Augen trafen auf den Blondschwarzhaarigen, der den Blick jedoch ebenso kalt erwiderte. „Also sprich ruhig weiter, Reita. Was denkst du von mir? Leg die Karten auf den Tisch.“

Reita schnaubte leicht, stand dann ebenfalls auf, um Ni~ya in die Augen sehen zu können. „Eigentlich denke ich nicht so viel. Ich frage mich nur, wie ich Sakito schon sagte, dass es doch ein recht komischer Zufall ist, dass du damals genau in dem Augenblick aufgetaucht bist und ihn gerettet hast, wo es doch fast schon ausweglos war?“ Herausfordernd blickte der Blondschwarzhaarige dem Blonden entgegen, welcher nun leicht grinste.

„Ah verstehe.“ Ni~ya stieß sich von dem Baumstamm ab und legte die neugefüllten Wasserflaschen ans Feuer, drehte in aller Seelenruhe die Spieße, ehe er sich wieder dem Gleichaltrigen zuwandte. „Du denkst also, dass ich euch etwas vorspiele und im Auftrag Menticores agiere?“, fasste er schlichtweg das zusammen, was Reita durch den Kopf gegangen war.

Dieser jedoch schüttelte den Kopf. „Das hast du gesagt. Haben wir denn Grund zur Annahme, dass es so ist?“ Sofort schienen die Temperaturen um sie herum um ein Vielfaches zu sinken.

Sakito betrachtete die Kontrahenten nervös. Sein Blick glitt immer wieder zwischen Ni~ya und Reita hin und her. „Reita, lass das bitte!“, zischte er.

„Nein lass ihn Sakito. Diese Fragen sind vielleicht berechtigt. Für jemanden, der so denken möchte.“ Der letzte Satz war kalt gewesen, kälter als Eis und dennoch sprach Ni~ya weiter, ehe Reita die Chance bekam selbst den Mund aufzumachen.

Ein Lächeln schlich sich auf Ni~yas Züge, höhnend und doch milde. „Und dennoch bin ich der Meinung, dass es das Beste für die Gruppe wäre, wenn ich dieses Geheimnis einfach lüfte. Ihr wollte also wissen, wie ich Sakito damals gefunden habe? Nun ganz so spektakulär ist es nun wirklich nicht, eigentlich war es wirklich nur ein Zufall.“ Er drehte sich weg und ließ sich vor dem Feuer im Schneidersitz nieder, griff nach einem der Spieße und begann das Fleisch des Hasen abzurupfen und in die Schalen zu füllen, die sie zum Essen nutzten.

Reita und Sakito sahen sich an, entschieden sich dann ebenfalls dazu sich ans Feuer zu setzen.

„Sakito habe ich bereits erzählt, dass ich damals durch das Beben, was die Anlage schwer beschädigt hat, die erneute Chance hatte zu fliehen und ich habe sie genutzt. Seit dem bin ich wie ihr auf der Flucht und habe mal länger oder mal kürzer bei verschiedenen Leuten Unterschlupf gefunden. Doch nach einigen Jahren habe ich mich ebenfalls auf die Suche nach euch, speziell Sakito gemacht und bin irgendwann in Kyoto gelandet. Das ihr euch ebenfalls zu dem Zeitpunkt in der Stadt aufgehalten habt, war Zufall oder vielleicht auch Schicksal. Kommt drauf an, wie man es betrachten mag.

Jedenfalls hatte ich beschlossen einige Zeit in der Stadt zu bleiben, euch zu suchen und meine Vorräte aufzufrischen. Und irgendwann bin ich dann auf eine Spur gestoßen. Eine Spur, die mir unangenehm war, nämlich auf die von DeltaI. Ich kannte sie noch von damals und wusste auch, was ihre Aufträge waren. Und dass sie in Kyoto waren, fand ich merkwürdig. Ich beobachtete sie unbemerkt und bekam dann auch schnell mit, dass sie wegen euch hier waren. So heftete ich mich an ihre Fersen…“
 

***
 

Mit einigem Abstand war er den dunklen Gestalten gefolgt, hatte sie zwischenzeitlich sogar aus den Augen verloren. Doch seinen Sinnen war es zu verdanken gewesen, dass er sie schnell wiedergefunden hatte.

Und dort stand er nun. Versteckt in den Wipfeln einer alten Zeder. Nur einige Dutzend Meter von ihm entfernt, erhob sich die Silhouette eines alten Tempelgebäudes.

Zero und Karyu hatten vor dem Eingang Posten bezogen und Tsukasa hatte sich irgendwo im Wald versteckt, während Hizumi und der unbekannte Schwarzhaarige in das Innere des Gebäudes verschwunden waren.

Ni~ya hatte sich extra so platziert, dass er entgegengesetzt zum Wind stand und die anderen nicht die Chance hatten seine Präsenz wahrzunehmen. Auch war die Entfernung dazu zu groß.

Seit zwei Tagen beobachtete er die Gruppe unbemerkt, wusste, dass sie ihn zu Sakito bringen würden. Was Hizumi jedoch genau vor hatte, wusste er nicht und welche Rolle dieser Unbekannte bei dem Ganzen spielte, ebenfalls. Soviel hatte er nicht in Erfahrung bringen können, doch er hatte oft genug Sakitos Kennnummer vernommen, um sich zumindest in diesem Punkt sicher zu sein.

Es vergingen einige Minuten, in denen er nur beobachtete und sich kaum regte, denn die Gefahr, dass er entdeckt werden könnte, war groß.

Und auch selbst die nächste halbe Stunde regte sich nicht viel, bis sich zumindest Zero und Karyu regten und im Wald verschwanden.

Auch er beschloss zur Vorsicht seinen Standort zu wechseln und sich etwas weiter zurückziehen und abzuwarten.

Und kaum hatte er das getan, schien endlich etwas zu passieren. Das künstliche Rufen eines Käuzchens schallte durch die Nacht und kurz darauf trat auch Hizumi mit dem Fremden im Arm aus dem Haus. Nur schemenhaft konnte er die Gestalten erkennen, aber deutlich hören, was nun abging.

Immer wieder rief Hizumi etwas durch den Wald und von weiter weg hörte er leise Kampfgeräusche. Doch die Situation schien sich zu ändern, als mit einem Mal ein dritter Schatten durch die Bäume brach und von seinem Ort aus, erkannte Ni~ya diese Person als Reita. Es wurde hitzig gekämpft und selbst von weiter weg wurden Kampfgeräusche laut.

Ni~ya beobachtete ruhig weiter, sah zu wie Hizumi und Reita sich bekriegten, doch er griff nicht ein. Irgendwann dann konnte der Unbekannte fliehen und Reita und Hizumi standen sich allein gegenüber.

Es war ein spannender Fight und beide kassierten Verletzungen ein und in dem Moment als es vorbei zu sein schien, sah Ni~ya den letzten Schatten aus dem Wald springen und den Angriff, den Hizumi hatte ausführen wollen, abblocken.

Schnell hatte er Sakito erkannt. Diese Aura war einfach unverwechselbar. Und ab nun hielt er sich bereit einzuschalten. Reita verschwand nach einem Wortgefecht im Wald und Sakito stand sich Hizumi gegenüber. Beide schienen verletzt und doch war Sakito dem Schwarzhaarigen überlegen.

Der Rest ging sehr schnell. Karyu tauchte auf, schleuderte Sakito zu Boden und ab da waren die Bewegungen des Jungen immer schwerer und weniger geworden.

Und nun saß er da an dem Baum gepinnt, die Hände von Karyu festgehalten und Hizumi ausgeliefert. Noch eine Weile sah er sich das Schauspiel an, bis es ihm zuviel wurde.

Die drei schienen so beschäftigt zu sein, dass sie nicht merkten, wie Ni~ya ihnen immer näher kam und als die Schussweite ausreichte, zog er seine Halbautomatik und setzte einen gezielten Schuss.
 

***
 

„Danach ging alles ganz einfach. Hizumi und Karyu waren nicht bewaffnet und hatten keine Chance. Und bevor die Frage kommt, wieso ich sie nicht erschossen habe, ist einfach die, dass Sakito mir im Moment wichtiger war. Denn du hattest ja dann dein Bewusstsein verloren. Meine erste Priorität lag darin, dich da wegzuschaffen. Und das habe ich dann getan. Fertig das war’s.“, endete Ni~ya schließlich.

Er sah nicht auf, sondern reichte erst Sakito und dann Reita ihre Schüsseln mit dem Fleisch. Diese nahmen sie schweigend entgegen. Beide mussten das Erzählte erst einmal verdauen.

Und Reita fand als Erstes seine Sprache wieder. „Also hast du die ganze Zeit zugesehen und den Kampf beobachtet?!“, fragte er, knurrte schon fast und rührte das Fleisch nicht an.

Ni~ya sah ihn an. „Ja habe ich. Und jetzt willst du bestimmt wissen, warum ich nicht eingegriffen habe, oder?“ Er sah Reita an, der gerade den Mund öffnen wollte, fuhr aber fort, noch ehe der Kleinere einen Ton herbringen konnte. „Ganz einfach. Ich wusste nicht wirklich Bescheid um was es ging. Im Nachhinein ist es mir natürlich klar. Aber ich wollte abwarten, was passiert…“ „…und riskieren, dass sie uns töten oder nach Menticore zurückschaffen?!“, fiel Reita ihm ins Wort. Seine Hände hatte er zu Fäusten geballt und seine Miene war verzerrt.

Ni~ya sah ihn nur abschätzend an, schüttelte dann den Kopf. „Es ist glaube ich egal, was ich erzähle. Du würdest es sowieso nicht verstehen!“ Abschätzend blickte er Reita an, der kurz vorm Explodieren stand. Wütend schmiss er die Schüssel mit dem Hasenfleisch von seinem Schoß. „So! Ich würde es nicht verstehen! Gut, dann ist es besser, wenn ich vielleicht für immer verschwinde. Denn ich scheine nicht zu verstehen, wenn es an der Zeit ist anderen zu helfen!“ Damit stand er auf und verschwand im Wald, ohne sich noch einmal umzusehen.

„Reita!“ Sakito wollte ihm nach, doch ehe der Brünette aufspringen konnte, griff Ni~ya nach seinem Oberarm und zog ihn zurück. „Lass ihn. Er muss sich jetzt abreagieren. Er kommt wieder…“, sagte der Blonde.

Sakito ließ sich zurückfallen, doch auf seinem Gesicht spielten sich Ärger und auch Besorgnis wieder. Er drehte sich zu dem Älteren. „Warum musstest du so etwas sagen, dass er es nicht verstehen wird?! Zumal ich mich dasselbe frage!“, fuhr er den Älteren an, der jedoch nur milde lächelte.

„Ganz einfach. Weil wir grundverschieden sind. Ich konnte damals nicht eingreifen. Ich wollte abwarten und ich war unsicher. Ich wusste einfach nicht, was genau da unten vor sich ging. Sicher hätte ich mich todesmutig in den Kampf stürzen können, doch das bin einfach nicht ich. Reita war emotional hoch erregt. Er hatte Angst und Sorge und heute kommt eben die Wut hinzu. Vielleicht wäre es anders gewesen, wenn ich eingegriffen hätte, aber versuch wenigstens ein wenig nachzuvollziehen, wie die ganze Sache auch auf mich gewirkt hat.“ Er sah Sakito an und wieder war da diese leichte Sanftheit in den dunklen Augen.

Sakito seufzte und senkte den Blick. „Sicher will ich es verstehen und ich verdanke dir auch meine Freiheit und vielleicht mein Leben. Zum zweiten Mal… aber ich kann auch Reita verstehen. Ich meine, wenn du dabei gewesen wärst, hätten wir DeltaI viel eher in die Flucht geschlagen und es wäre nicht zu solch schweren Verletzungen gekommen.“

„Das verstehe ich. Nur ich selbst war damals verunsichert. Und es ging auch alles furchtbar schnell. Aber ich denke es bringt wenig es zu versuchen euch zu erklären. Es ist furchtbar kompliziert.“ Ni~ya fuhr sich durch die blonden Haare und aß dann ein wenig von dem zarten Hasenfleisch.

Auch Sakito aß, sagte erst einmal nichts mehr dazu. In ihm tobte selbst ein Konflikt, der zwischen Dankbarkeit zu Ni~ya und Verstehen zu Reita schwankte. Er verstand beide Seiten. Reita war einfach schrecklich emotional auf die Ereignisse dieser Nacht zu sprechen, hatte schwere Verletzungen erlitten und Ängste durchgestanden, die sie vielleicht wenig nachvollziehen konnten, immerhin war es auch um das Leben seines Freundes gegangen. Ni~ya dagegen war Beobachter gewesen, der zwischen Eingreifen und Abwarten geschwankt hatte. Doch Sakito bedeutete es persönlich eine Menge, dass Ni~ya letztendlich doch eingegriffen hatte um ihn zu retten.

„Wir sollten Reita einfach Zeit geben nachzudenken und später werde ich selbst noch einmal mit ihm reden, mich auch für meine Worte entschuldigen, okay? Nur hör auf dir deinen Kopf darüber zu zerbrechen.“ Kurz legte Ni~ya einen Arm um Sakitos Schultern und zog ihn zu sich heran, schenkte ihm einen Augenblick der Nähe und Geborgenheit, die der Jüngere dankend annahm.

Wenig später machte Sakito sich dann daran das benutzte Geschirr abzuwaschen. Er hatte Reita die Hälfte seines Essens aufgehoben, selbst wenn das Fleisch dann schon kalt sein würde, wusste er, dass der Ältere doch Hunger haben musste.

Und irgendwann kehrte Reita auch zurück. Seine Miene blieb zwar versteinert und kalt, doch als Ni~ya ihn um ein Gespräch bat, ließ er sich darauf ein.

Und als die beiden dann zurückkehrten waren beide gelöster. Sakito schlief in dieser Nacht mit einem leichten Lächeln auf den Lippen.

Project Alpha

Titel: Dark Angel

Kapitel: 18/?

Autorin: IBUKl

Pairing: Ni~yaxSakito

Genre: Shounen-ai, Romantik, Darkfic etc...

Kommentar:

So meine lieben Leserlein

Nach langer Pause endlich mal wieder ein neues Kapitel. Es tut mir wie immer wahnsinnig leid, dass ich wieder so lange gebraucht habe ;__;

Eigentlich war es noch länger, aber ich habe das Kapitel getrennt weil es einfach besser passte. Aber ich bin mit dem neuen Teil schon ziemlich weit und daher wird es in einigen Tagen ebenfalls on gehen. ^^

Ich bedanke mich bei allen lieben Kommischreibern, die mich immer wieder antreiben. ^^

Und auf euren Wunsch habe ich auch Aoi miteinbezogen, was eigentlich nicht geplant war.

Jetzt viel Spaß beim Lesen <3

Eure Satty/IBUKl
 

Kapitel 17: Project Alpha
 

Leises Gemurmel erfüllte den, durch das kalte Licht der Neonröhren, hell erleuchteten Raum. Und ebenso kalt wie das Licht war auch die Atmosphäre. Weiße, sterile Wände, grauer Boden und einige Plastikstühle, die die kleine Empore bestückten. Normalerweise war dieser Raum verlassen, einsam und verwaist. Doch heute war ausnahmslos jeder Stuhl besetzt und ganz vorn in der ersten Reihe saß ein Mann mittleren Alters, der Körper bekleidet mit einem teuren schwarzen Jackett. Die Haltung zeigte Dominanz, das Gesicht eine Maske aus Eis. Dunkle Augen sahen emotionslos und kalt durch die dicken Scheiben, die eine ganze Front des Raumes für sich beanspruchten. Ruhig und gelassen wirkte Kaoru Niikura an diesem Tag, zeigte wie immer eine Präsenz die andere in seiner Umgebung einschüchterte. Da machten auch die Regierungsvertreter in ihren teuren Armanianzügen keine Ausnahme, die sich heute hier eingefunden hatten, um einem ganz besonderes Ereignis beizuwohnen, etwas, auf das sowohl sie, als auch Menticore selbst Jahre gewartet hatten.

„Nun denn, Niikura-san. Ich bin äußerst gespannt, ob ihre Arbeit heute endlich die Früchte trägt, die Sie uns seit Monaten versprechen.“, sprach ihn ein jemand von der Seite an. Kaoru machte sich nicht einmal die Mühe den Kopf zu drehen und den anderen anzusehen. „Ihre Erwartungen werden nicht enttäuscht werden, Kobayashi-san. Und Sie wissen selbst, dass Forschung ihre Zeit braucht um zu reifen. Die Anforderungen an die Experimente sind sehr hoch und nicht viele schaffen es durch die Testphasen.“, sagte er kühl, unbeteiligt.

Kobayashi Nobutaka, seines Zeichens rechte Hand des Premiers, knirschte nur leicht mit den Zähnen und richtete auch seinen Blick wieder geradeaus durch die Scheiben.

Er wusste, warum er den Umgang mit Niikura mied, denn dieser Mann war ihm unheimlich. Dennoch war es seine Pflicht hier zu sein, verschlangen die Experimente, die verdeckt vor der Zivilbevölkerung in den Untergrundlaborarien der Menticore Corp. durchgeführt wurden, doch hohe Gelder.

„Das mag sein. Aber der Glückstag scheint genaht. Sie selbst haben ja geschworen, dass der Chip endlich ausgereift ist.“, versuchte er die doch recht einseitige Konversation aufrechtzuerhalten.

„Er geht in die Testphase. Ich habe weder etwas geschworen, noch etwas versprochen. Ob er gezielte Wirkung zeigt hängt von der Operation und des Modells ab, das wir erwählt haben.“, erwiderte Kaoru nur weiterhin gelassen und eiskalt.

Er beobachtete die herumlaufenden Wissenschaftler in ihren weißen Kitteln, wie sie alles vorbereiteten, immer wieder ihre Nasen in Aufzeichnungen und Klemmbretter hefteten und einige Assistenten die letzten Vorbereitungen für die Operation trafen.

Sein Blick selbst war auf Hakuei fokussiert, der dort unten die letzten Worte mit seinem Forschungsleiter wechselte.

„In letzter Zeit gab es ja doch einige unschöne Gerüchte um ihr Projekt herum, Niikura-san.“, brachte Kobayashi nun etwas gereizter hervor. Er war es nicht gewohnt mit solcher Ignoranz behandelt zu werden.

Kaoru blieb dennoch ruhig. „Seien Sie versichert, dass alles in geregelten Bahnen läuft und sie sich keine Sorgen machen brauchen.“

„So? Und wie kam es dann, dass ihre Leute vermehrt in Kyoto gesichtet worden. Sie verheimlichen doch nicht etwa etwas vor mir?“ Die Frage war so gefährlich wie ihr Inhalt, doch Kaoru ließ es kalt. Der Vorsitzende der Menticore Corp. hatte sich bisher durch nichts aus der Ruhe bringen lassen und das würde sich auch nicht ändern. Aber jetzt wandte er erstmals seinen Blick von dem Fenster ab und sah Kobayashi kühl an.

„Ich sagte Ihnen eben bereits, dass es nichts gibt, worüber sie sich Sorgen müssten. In Kyoto wurde lediglich eine Prüfung vollzogen. Es war auch alles mit dem Premier abgesprochen. Fragen Sie ihn selbst, wenn Sie ihn das nächste Mal sehen, Herr Minister.“

Kobayashi wurde rot und setzte zu einer heftigen Antwort an, als eine Stimme durch den Lautsprecher an der Wand erklang.

„Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit. Wir sind bereit. Das Experiment wird in Kürze beginnen.“

Schlagartig kehrte Ruhe ein und alle ließen sich auf ihren Plätzen nieder und richteten ihre Blicke gebannt auf die Glasscheiben, die den Blick in den Operationssaal ermöglichten.

Kaorus Blick wurde nun ernster, konzentrierter.

Im Operationssaal selbst war auch Hakuei aufs Äußerste konzentriert und angespannt. Er selbst würde den Eingriff durchführen und das verlangte höchste Konzentration und Präzision, zumal sie das ganze nur unter örtlicher Betäubung durchführen würden, keinesfalls unter Vollnarkose.

Er gab den Wachmännern das Handzeichen jetzt den Jungen zu holen. Zwei Wissenschaftler würden sie begleiten.

Die Anspannung war deutlich in der Luft zu spüren. Es wurde nur leise geredet. Assistenten und Wissenschaftler gingen immer wieder leise für sich die Aufgaben durch, die ihnen erteilt worden waren.

Auch Shinya wirkte etwas unruhig und nervös. Er überprüfte immer wieder die letzten Werte, gab sie an Hakuei weiter, der sie nochmals verglich.

Hakuei tupfte sich mit einem Tuch den Schweiß von der Stirn. Er war aufgeregt. Heute… ja heute war endlich der große Tag gekommen! Die Sternstunde oder der Niedergang. All das würde von der folgenden Operation abhängen.

Noch einmal ließ er die letzten Wochen Revue passieren. Nach den ärgerlichen Vorkommnissen um DeltaI herum, die ihm einiges an Nerven gekostet hatte, nicht zuletzt die Eliminierung von #42. Aber dann hatte sich alles schlagartig geändert.

Er erinnerte sich genau an den Abend, als Shinya vollkommen außer sich und aufgeregt in sein Büro geplatzt war und verkündet hatte, dass die Entwicklung des Nervenchips endlich abgeschlossen war. Euphorie war ausgebrochen und umgehend Kaoru benachrichtigt.

Zudem schien auch die Entwicklung von Aki enorme Fortschritte zu machen, der nach seinem Ausbruch damals unter ständiger Beobachtung stand und auch die Strafe, die Hakuei sich für ihn ausgedacht hatte, hatte ihre Wirkung nicht verfehlt. Der Junge hatte sich seinem Schicksal gefügt und ohne weiteres Auflehnen alle Tests über sich ergehen lassen und sie mit Bestergebnissen abgeschlossen.

Und nun war es endlich soweit. Chip und Versuchsperson befanden sich auf einem einheitlichen Level und der Nervenchip konnte implantiert werden. In den letzten Tagen hatte Hakuei es selbst übernommen Aki zu überwachen und war bei allen letzten Testphasen persönlich anwesend gewesen, hatte alle Werte gemessen und selbst dafür gesorgt was der Junge zu essen bekam. Körperlich auf Höchstform und im Wesen ruhig hatte Aki letztendlich das Stadium erreicht, welches sie für den Eingriff brauchten und die Operation konnte durchgeführt werden. Der Junge selbst hatte die letzten Tage in Ruhe und Abgeschiedenheit in einer Gummizelle verbracht und war nur für die tägliche Fitness aus dieser geholt worden. Von dem, was ihm heute blühte, ahnte er jedoch nichts.

Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als sich das Tor schließlich öffnete und die vier schwer bewaffneten Wachmänner den Raum wieder betraten. In ihrer Mitte, die Hände mit eisernen Handschellen auf den Rücken gefesselt und nur mit einem weißen Nachthemd bekleidet, lief Aki. Die einst so aufmüpfigen Augen waren stumpf geworden, hatten ihren Glanz verloren und auch das Gesicht des Braunhaarigen wirkte eingefallen.

Hakuei wusste genau woran das lag, trug der Junge doch die Erinnerungen seines Niedergangs auf dem Körper. Kurz nahm Hakuei das kleine Funkgerät zur Hand.

„Objekt X5-444 eingetroffen. Beginne nun mit den Vorbereitungen.“

Er legte das Gerät beiseite und ging zu Aki hinüber, der immer noch wie ein Hochsicherheitsgefangener bewacht wurde.

Mit einem leichten Lächeln trat Hakuei an den Jungen heran, deutete den Wachmännern die Waffen zu senken. Diese taten es und zogen sich zurück, würden jedoch in Bereitschaft bleiben.

„Hallo Aki. Wie geht es dir?“, fragte Hakuei ruhig und achtete genau auf die Regungen des Braunhaarigen. Dieser hob nur kurz den Kopf und zuckte mit den Schultern. Er sprach wenig, aber das war unwichtig. Dennoch erwartete Hakuei jetzt eine richtige Antwort. „Antworte mir!“, fragte er rauer. „Gut.“, lautete die einsilbige Antwort.

Zufrieden nickte der Forschungsleiter. „Du weißt warum du hier bist?“

Die Handschellen klirrten kurz, als Aki die Schultern zuckte. „Wieder eines der Experimente, nehme ich an.“, murmelte der Junge teilnahmslos, fast schon gleichgültig.

„Richtig. Aber heute ist es ein besonders wichtiges Experiment und ich erwarte von dir, dass du dich ruhig und fügsam verhältst. In den letzten Wochen hat es ja auch wunderbar geklappt, ansonsten…“ Zum Ende hin wurde Hakueis Stimme bedrohlicher und Aki sah ihn an, musste sich beherrschen nicht etwas zurückzuzucken. „…sonst weiß ich, was passiert.“, wisperte der Junge knurrig. Die letzte Lektion war einprägsam genug gewesen.

„Braver Junge.“, grinste Hakuei. „Dann nehme ich dir jetzt die Handschellen ab und du legst dich artig auf den Tisch. Bauchlage, Arme und Beine auseinander wie wir es geübt haben, verstanden?“

„Ja.“

Hakuei winkte den Wachmann zu sich und wies ihn an Aki die Handschellen abzunehmen. Dieser tat es wortlos und zog sich wieder zurück.

Ruhig, aber mit anmutenden Bewegungen ging der Junge zu dem OP-Tisch und legte sich nieder. Die Arme hob er über den Kopf und die Beine spreizte er leicht. Er fühlte sich unwohl, nervös. Er spürte deutlich die angespannte Stimmung und die vielen Menschen, die anwesend waren, machten ihn unruhig. Ihn beschlich ein ungutes Gefühl, welches sich noch verstärkte, als schwere Lederriemen sich um seine Handgelenke und Knöchel legten und festgezogen wurden. Auch sein Rumpf wurde fixiert. Er war vollkommen bewegungsunfähig und auch sein Kopf lag gerade auf der Liege, war in ein Loch gedrückt und so fixiert, dass er nicht sehen konnte, was mit ihm geschehen würde. Er kannte vollkommene Dunkelheit, Enge und Angst. Doch das hier war anders. Es war bedrohlich und das ungute Gefühl in seinem Bauch wuchs an, setzte sich wie ein Geschwür in seinem Inneren fest. Und er spürte die zahlreichen Blicke, die sich auf seinen Körper bohrten.

Er schloss die Augen. Er musste nur ruhig bleiben und auch diesen Test über sich ergehen lassen, dann würde man ihn wieder in ruhe lassen. Das war alles was er wollte, Ruhe.

„Gut? Alles bereit? Ist er ordentlich fixiert?“, hörte Aki Hakueis Stimme von links. „Jawohl Sir. Alles erledigt.“, antwortete einer der Wissenschaftler.

„Sehr gut. Dann können wir anfangen.“ Hakuei nickte einem der Assistenten zu, der ihm schließlich einen Rasierer reichte, mit dem der Forschungsleiter Aki nun die Nackenhaare abrasierte. Sogleich kam die Tätovierung zum Vorschein, die jedes der Experimente besaß. Einen Strichcode mit ihrer Nummer, die sie immer wieder identifizieren würde.

Lächelnd strich Hakuei kurz über den Stichcode und spürte dabei deutlich, wie Aki sich anspannte. Ja dieser Bereich war äußerst empfindlich.

Auch ließ er seinen Blick kurz über den entblößten Rücken wandern, sah deutlich die halb verheilten Striemen und Risse, die teilweise noch durch ein Pflaster verbunden waren. Auch über die schmale Wirbelsäule ließ er einen Finger streichen, was ein erneutes Zusammenzucken Akis zur Folge hatte. Grinsend nahm Hakuei das zur Kenntnis. Er wusste ganz genau, dass sein Häschen dort empfindlich war, sensibel.

„Desinfektionsmittel!“, forderte er mit einem Mal und sogleich wurde ihm sowohl die Flasche als auch ein Tuch gereicht, mit dem er die Stelle des Eingriffs gründlich reinigte. Anschließend zog er sich die OP-Handschuhe an und ließ sich von einem Assistenten den Mundschutz aufsetzen. Alles war akribisch desinfiziert und jetzt wo die Operation beginnen würde, wurden auch Wände aus Plexiglas hochgefahren, die den OP-Bereich von der Außenanlage abschirmen würde. Jetzt waren nur noch eine Handvoll Leute hier.

„Spritze.“ Knappe Befehle erleichterten den Ablauf, der reibungslos verlaufen musste.

„Das wird jetzt pieksen. Sieh zu, dass du entspannt bleibst.“, sagte Hakuei schroff zu Aki und testete kurz die Spritze gegen das Licht. Die Dosis sollte locker für den Eingriff reichen. Schmerzen würde es trotzdem, dem war er sich bewusst. Wie hoch allerdings das Level war, wusste er nicht zu sagen.

Hochkonzentriert setzte er schließlich die Spritze an, welche auch sofort die Haut durchbrach und in die Nervenbahnen gedrückt wurde. Aki zuckte nicht einmal. Das Betäubungsmittel wurde injiziert und der einzelne Blutstropfen, der sich bildete sofort mit einem Tuch abgewischt.

Jetzt mussten sie einige Minuten warten, bis die Wirkung entfaltet war.

Totenstille herrschte um ihn herum und Aki sah stur auf den strukturlosen Boden. Der Stich war nicht schlimm gewesen und dennoch jagte ein Schauer nach dem anderen durch seinen schmalen Körper. Er fragte sich, was das werden sollte. Was sie dieses Mal mit ihm vorhatten und warum gerade sein Nacken?

Einige Minuten vergingen, ohne dass etwas geschah, doch spürte der hochsensible Junge genau, wie sein Nacken taub wurde und auch die Hals- und Schultermuskeln ihre Spannung verloren. Dagegen klopfte sein Herz wild gegen seinen Brustkorb.

„Gut das dürfte jetzt genug sein. Skalpell!“ Jetzt würde es ernst werden. Ab jetzt musste er mit höchster Konzentration arbeiten.

Ganz vorsichtig warf Hakuei einen Blick auf die EKG-Anzeige und bemerkte, dass Aki ziemlich unruhig sein musste. Seine Herzfrequenz war hoch, doch er würde das überstehen.

So beugte er sich nach vorne und setzte den ersten kleinen Schnitt, genau zwischen die Striche des Tattoos. Er musste sehr vorsichtig vorgehen, denn viel Spielraum hatte er hier an dieser Körperstelle nicht.

Sofort trat Blut aus dem feinen Schnitt, welches sofort weggetupft wurde. Er ließ sich die kleine Kamera reichen und führte diese unter die Haut, spürte sofort wie das Piepen anschwoll. „Beruhig dich Aki!“, knurrte er konzentriert.

Aber der Junge wurde nur unruhiger. Das hier war so anders und er spürte instinktiv, dass ihm Gefahr drohte. Große Gefahr!

Er kniff die Augen zusammen und versuchte seine Hände leicht zu bewegen. Doch er war so fest fixiert, dass nicht eine Bewegung möglich war.

Hakuei nahm darauf jetzt keine Rücksicht. Er führte die kleine Kamera tiefer unter die Haut und mit einem Knopfdruck auf eine kleine Fernbedienung, fuhr die kleine Kamera kleine Messerchen aus und begann sich durch Akis Körper zu schneiden.

Konzentriert verfolgte Hakuei den kleinen Kameraroboter. Sie mussten die schmale Stelle zwischen Muskulatur und Wirbelsäule finden und dann in das Muskelgewebe eindringen um den Mikrochip genau in die Nervenbahnen zu setzten und damit zu vernetzen. Unzählige Male hatten sie das in Computersimulationen und an anderen Objekten geübt. Der kleinste Fehler konnte Aki das Leben kosten und das durfte nicht passieren. Wenn der Junge ihnen unter den Händen wegstarb war es das Aus!

Ganz langsam lenkte Hakuei den Roboter durch das enge Gewebe und suchte nach der Stelle, die sie brauchten. Unter den Knochen hindurch, begann schließlich der Weg durch die starke Muskulatur und dann endlich hatten sie die Nerven gefunden.

„Spülen!“, knurrte Hakuei und sofort machte sich Shinya daran die Wunde auszuspülen. Wasser und Blut trat aus und die Sicht wurde wieder klarer.

Die Nervenbahnen lagen offen vor ihnen und bald hatte Hakuei den Knotenpunkt gefunden, an dem sie den Chip anbringen würden.

Aki spürte keinen Schmerz, aber Unruhe und er hörte das kleine Hightechgerät in seinem Körper. Was hatten sie vor? Was war das Ziel dieses Eingriffs?

„Shinya! Der Chip! Schnell!“, durchschnitt Hakueis hastige Stimme die Stille und sofort machte sich der blonde Wissenschaftler daran das hochempfindliche Gerät aus der Vakuumglocke zu entfernen. Der Chip war kleiner als ein Fingernagel und so konzipiert, dass wenn er erst einmal an der richtigen Stelle saß, sich automatisch an die Nerven klemmen und mit diesen verwachsen würde.

Der Chip wurde mit einer Pinzette ergriffen und Hakuei gereicht, für den nun der schwierigste Teil der Operation anbrach. Einer der Assistenten tupfte ihm den Schweiß von der Stirn, als er sich nach vorn beugte, die Brille enger auf sein Auge drückte und nun vielfach vergrößert die Einschnittstelle vor sich sah. Es war Schwerstarbeit den Chip durch den Schnitt unter die Knochen und durch die Muskulatur zu manövrieren und ihn dann an das Nervenbündel zu setzen.

Es dauerte unendlich lange und Akis Unruhe, die durch den schnellen Herzschlag angezeigt wurde, machte es nicht einfacher. Der Junge spürte natürlich, dass da etwas geschah, was nicht geschehen sollte. Sein Wille war vor Wochen gebrochen wurden, ihm deutlich klar gemacht, was er war und zu was er geboren worden war, aber das?

Eine unbändige Angst, wie er sie noch nie zuvor gespürt hatte, erfasste seinen Körper und Panik drohte ihn zu übermannen. Die Unbeweglichkeit, das offene Liegen wie auf einem Präsentierteller. Sein Puls begann zu rasen.

„Professor! Professor!“, rief einer der Assistenten auf einmal alarmiert. Doch Hakuei konnte nicht reagieren. Nur noch ein kleines Stück, ein letztes Bisschen und er hatte es geschafft.

Nur noch wenige Millimeter…

„Professor!! Der Junge kollabiert gleich!“, wurde die Stimme nun lauter, aber immer noch hatte Hakuei dafür kein Gehör. Er war vollkommen auf den Chip fixiert. Er bemerkte nicht das Zittern und Beben des Körpers unter ihm, nicht die Unruhe, die um ihn herum auszubrechen drohte. Doch nur noch dieses kleine Stück.

Und endlich! Der Chip fand seinen Platz! Sofort fuhren kleine Nadeln hervor, bohrten sich in die Nerven und setzten sich fest, verkeilten sich.

Und in dem Moment sah Aki nichts mehr.

Ein höllischer Schmerz schoss durch seinen Kopf und ein furchterregender Schrei, der zwischen Fauchen und Schmerz kaum zu unterscheiden war, durchklang den Raum. Hakuei schaffte es gerade noch die Kamera aus der Wunde zu entfernen, als Aki auch schon hochschoss. Die Liederriemen hielten der unbändigen Kraft nicht stand, rissen auseinander und der Körper des Jungen krachte von der Liege genau in den Instrumententisch hinein. Klirren erfüllte den Raum, gemischt mit den lauten Schreien Akis, der sich nun auf dem Boden wand, die Arme wild umher schlagend.

Auch die Wissenschaftler liefen nun wild durcheinander und schrien herum, während Hakuei nach den Wachmännern brüllte. „Stellt ihn ruhig, verdammt! STELLT IHN RUHIG!“

Er selbst war zurückgewichen und sah mit Schock geweiteten Augen auf den sich windenden Jungen, der verzweifelt versuchte an seinen Nacken zu kommen. Doch durch die Betäubung seiner Schultern- und Nackenmuskulatur, die glücklicherweise noch immer anhielt, kam er nicht an das Zentrum seiner ungeheuren Schmerzen heran. Blut, welches aus der Wunde tropfte, flog umher, ebenso einige Haarbüschel, die der Braunhaarige sich in seiner Verzweiflung aus der Kopfhaut riss.

„Verdammt was machen die solange!“, fluchte Hakuei. Er selbst konnte nur hilflos zusehen. Er traute sich an den Jungen nicht heran.

Doch das alles nahm eine Wendung, als endlich einer der Wachmänner heran war und sich mit gezogener Waffe auf den Jungen stürzte.

Aki, vollkommen in seinem Schmerz gefangen, spürte das plötzliche Gewicht und die Drohung und in dem Moment geschah etwas mit ihm, was vorher nie passiert war. Er schrie wieder auf, doch dieses Mal war es ein bedrohliches Fauchen. Er war nicht mehr er selbst. Seine Hände schienen zu Krallen zu werden, seine Pupillen zogen sich eng zusammen und den Mund riss er wild auf. Seine Krallen langten nach dem Mann, der versuchte ihn zu bändigen und seine Zähne gruben sich tief in die Kehle des Wachmannes, der nun selbst am schreien war. Harsch kratzten seine Nägel Gesicht und Hals auf und Blut sudelte über den Boden, spritzte Aki ins Gesicht, der das jedoch nicht einmal registrierte. Es schien nur ein Gedanke in ihm zu sein: Töte! Du musst töten!

Keiner würde im Nachhinein sagen können, woher die unbändige Kraft des Jungen kam, aber seine Muskeln arbeiteten wieder und mit seinem vollen Gewicht warf Aki sich und den Wachmann herum, hockte nun auf ihm, katzengleich, den Rücken zu einem Buckel gezogen und wie in Raserei begann er auf sein Opfer einzuschlagen. Seine Zähne waren tief in die Kehle vergraben und als er sie zurückzog, riss er ein großes Loch in den Hals, während seine Hände den sterbenden Mann bis zur Unkenntlichkeit das Gesicht zerkratzen, sodass nur eine blutige Masse zurückblieb.

Panik war um das Szenario herum ausgebrochen. Die Wissenschaftler stürmten aus dem Raum, während Hakuei selbst nur geschockt an die Wand gepresst stand und das alles beobachtete. Was war nur schief gelaufen? Woher kam diese zügellose Kraft und Blutrünstigkeit?

Er war unfähig zu handeln, doch dafür tat dies ein anderer.

Ein Schuss löste sich in dem Durcheinander und schon brüllte Aki laut auf, riss sich von seinem Opfer los und sah sich um. Es war nicht länger der Junge, der den Körper beherrschte, nein es war eine Bestie!

Die engzusammengezogenen Pupillen, das blutverschmierte Gesicht und dann dieser Ausdruck. Wilder Zorn und Schmerz entstellte die hübschen Züge. Und diese monströsen Augen erfassten nun Hakuei und Aki setzte zu einem Sprung auf den Forschungsleiter an, als erneut ein Schuss durch die Luft knallte und der Junge mit einem Jaulen in der Bewegung zusammenbrach und zu Boden krachte.

„Shinya, schnell!“, erklang eine kalte Stimme und sofort war der blonde Wissenschaftler bei dem Jungen und jagte ihm eine Spritze in den Oberarm. Kurz darauf erschlaffte der Körper und blieb regungslos liegen.

Hakuei, noch immer stock und steif vor Schock, richtete seinen Blick auf den Eingang, blickte dort genau Kaoru entgegen, der die Waffe noch erhoben hielt und sie jetzt ganz langsam und vollkommen in Ruhe wieder in seinem Jackett verschwinden ließ.

Ruhig und fast gelangweilt kam Kaoru nun auf Hakuei zu, sah ihn jedoch nicht an, sondern fokussierte seinen Blick auf die reglose Gestalt Akis.

Zwei Einschusslöcher, aus denen Blut sudelte, machten klar, dass Kaoru sein Ziel genau getroffen hatte. Schulter und Oberschenkel hatte er getroffen.

Kopfschüttelnd ließ Kaoru den Jungen liegen und wandte sich nun Hakuei zu. Seine Miene weiterhin kalt und abweisend.

„Wie oft wollen Sie mich noch enttäuschen, Hakuei?“, fragte er betont ruhig. Hakuei kam nur langsam wieder zur Fassung. Seine Beine zitterten immer noch, als er sich wieder aufrichtete und an der Wand abstützte. „Es… konnte niemand ahnen, dass so etwas passiert.“, brachte er bemüht beherrscht hervor.

„Tja nur leider bin ich es, der ihren Fehler den Regierungsvertretern erklären muss.“ Weiterhin eiskalt waren die Worte, ohne Emotion. „Langsam werde ich böse, Hakuei. So viele Fehler in so kurzer Zeit. Sie erinnern sich doch noch an unser Gespräch, oder?“ Der Forschungsleiter wurde kalkweiß. Er musste nicht antworten.

„Bringen Sie das wieder in Ordnung und retten Sie den Jungen! Ich werde auf Sie zurückkommen.“ Damit wandte Kaoru sich ab und verließ den Operationssaal.

Hakuei blieb zurück. Steif und fassungslos.

Wut schäumte in ihm auf und er ballte die Hände zur Faust!

„Shinya!“, brüllte er und der blonde Wissenschaftler zuckte zusammen. „Hol die anderen zurück! Wir müssen Aki versorgen und dann sperr ihn weg!“, knurrte er und sah wie der Jüngere nickte und davonlief. Hakuei selbst ging mit verkniffener Miene auf den bewusstlosen Jungen zu und drehte ihn mit dem Fuß auf den Rücken.

Jetzt sah er wieder so harmlos aus wie vorher. Die Gesichtszüge schlaff und der Körper reglos. //Was für eine kleine Bestie! Woher kam diese Kraft. Er hätte niemals zu so etwas im Stande sein dürfen! Das war das Tier in ihm…//
 

***
 

„Aoi Vorsicht!“ Saga versuchte noch den anderen festzuhalten, doch da war es schon zu spät. Der Schwarzhaarige stolperte über die Türschwelle und der Wasserkrug, den er in den Händen gehalten hatte, fiel mit einem lauten Klirren zu Boden. Der schwarzhaarige wachte endlich aus seinen Gedanken auf und prallte zurück, sah mit geweiteten Augen auf die Scherben und das Wasser, dass sich jetzt auf dem Boden verteilt hatte.

„Saga… ich… es… tut mir leid…“, brachte er hervor. Vollkommen verwirrt kniete er sich hin und wollte die Scherben mit zittriger Hand einsammeln, als auch schon das nächste Malheur passierte und er sich an einer der scharfen Kanten schnitt.

„Aoi, hey… ganz ruhig.“, murmelte Saga, der sich jetzt zu dem Jüngeren kniete und dessen Hand vorsichtig von den Scherben zurückzog. „Aber die Scherben… ich…“ „Du beruhigst dich jetzt erstmal, ja? Es ist nur ein Tonkrug und die Scherben kann ich nachher schnell zusammenkehren.“ Saga zog den Schwarzhaarigen einfach auf die Beine und zurück in die kleine Küche. Den Schnitt am Finger wuschen sie mit Wasser aus und Saga reichte dem Jüngeren ein Stück Tuch, welches dieser um den Finger wickelte.

„Es tut mir leid Saga…“, seufzte Aoi, als sie kurz darauf an einem der Holztische im Gemeinschaftsraum des Clans saßen. Die Scherben hatte Saga zusammengekehrt und das Wasser würde trocknen.

„Ist doch okay, Aoi. Das war wie gesagt nur ein Tonkrug.“, versuchte der Dunkelblonde den anderen etwas zu bremsen.

„Nein es ist nicht okay. Mir passieren dauernd solche Sachen und das nur, weil…“ Aoi brach und senkte den Blick. Er brauchte den Satz nicht zu beenden. Saga wusste auch so, was er meinte. Vorsichtig tastete der Ältere nach einer der Hände des Kleineren und hielt sie fest. Sein Blick war mitfühlend. „Ich kann mir vorstellen, wie du dich fühlst.“

Aoi zog seine Hand zurück und schnaubend drehte er sich weg. „Nein, das kannst du nicht Saga! Du hast Tora jeden Tag um dich! Und ich…“, antwortete er schroff, wurde aber zum Ende hin leiser. „Er hat mir versprochen, mich nie zu verlassen.“, murmelte er und hielt sich eine Hand vor die Augen, während die andere sich krampfartig auf seine Brust legte.

Saga biss sich leicht auf die Lippen. Vier Wochen war es nun her, dass Reita Aoi und sie alle verlassen hatte und er war der Einzige, der den wahren Grund wusste. Es tat weh den Schwarzhaarigen so leiden zu sehen und doch band sein Versprechen ihn an Reita.

Aoi war kaum mehr er selbst. Noch an dem Morgen nach Reitas Verschwinden war er verstört durch die Räume gelaufen, hatte jeden mehrfach gefragt ob sie den Blondschwarzen gesehen hatten, doch keiner konnte ihm sagen, wo Reita war. Sie alle hatten noch gedacht, dass Reita vielleicht einfach unterwegs war und am Abend zurückkehren würde, doch als die Nacht hereinbrach und schließlich der nächste Tag hatte Aoi begonnen zu begreifen, dass Reita nicht wieder kommen würde. Und seit dem war der Dunkelhaarige nur noch ein Schatten seiner Selbst.

Er aß und trank nur noch wenig, war die meiste Zeit schweigsam und zurückgezogen und redete kaum noch. Zumeist traf man ihn nur tief in Gedanken an. Saga tat es weh, war der Dunkelhaarige doch einer seiner besten Freunde. Und die Verzweiflung, die den Jüngeren immer wieder packte, wenn er sich unbeobachtet fühlte, war herzzerreißend. An Reita hatte er sein Herz und seine Seele gehangen.

„Tut mir leid, Saga. Aber ich glaube ich werde mich etwas zurückziehen. Weißt du wo Ruka hingegangen ist?“ Die Stimme Aois war es dann, die den Dunkelblonden aus den Gedanken riss. „Uhm… ist okay. Und Ruka? Ich glaube der ist im Hinterhof.“, antwortete der Angesprochene. „Hmhm danke… ich geh mal zu ihm. Bis nachher.“ Aoi hob schwach die Hand und stand dann auf. Saga sah ihm nach und seufzte leicht. Der Schwarzhaarige wirkte auch jetzt müde und geschwächt.

Aoi verließ den Raum, spürte aber deutlich Sagas Blick in seinem Rücken. Ihm war durchaus bewusst, dass der Ältere sich Sorgen um ihn machte und er wusste es auch zu schätzen, aber reden tat er mit keinem über den Schmerz, der sein Herz befallen hatte. Er war zutiefst verletzt über Reitas spurloses Verschwinden und trotz der Wut, der Enttäuschung, so konnte er ihn nicht hassen.

Sich müde durch die Haare fahrend verließ Aoi das Gebäude auf der Suche nach Ruka. Der Ältere gab ihm Ruhe und stellte keine Fragen. Er gab Aoi einfach stille Zuwendung und er war der Einzige, der seinen Schmerz auch nur im Ansatz nachvollziehen konnte. Schließlich hatte auch er die Person verloren, die ihm so wichtig gewesen war.

Als Aoi aus dem Hinterausgang trat und somit den kleinen Innenhof vor sich liegen sah, der jetzt in der Mittagssonne licht durchflutet war, erkannte er sogleich die Gestalt, die auf einem Stuhl saß, den Kopf durch eine Stütze leicht geneigt und sich mit geschlossenen Augen die Sonne ins Gesicht schienen ließ.

Ein leichtes Lächeln schlich sich auf Aois Züge, eines der wenigen, die er noch aufbringen konnte. Wenn er Ruka jetzt so sah, erschien es ihm wie ein Wunder. Die Fortschritte, die der Braunhaarige gemacht hatte, waren erstaunlich. Hatte es anfangs noch danach ausgesehen, dass er nicht überleben würde, so war er jetzt fast wieder der Alte.

Nur wenige Tage nachdem Reita gegangen war, war Ruka das erste Mal aufgewacht. Er war schwach gewesen, sehr schwach und war auch nach wenigen Momenten wieder eingeschlafen, aber ab da war er immer öfter zu sich gekommen. Aoi hatte viel Zeit vor dem Bett des Älteren verbracht, sich zuletzt fast komplett um dessen Versorgung gekümmert und ihm viel erzählt. Von den schlimmen Erlebnissen seiner Entführung und ganz besonders von dem Verlust ihrer beiden Freunde Ryoko und Ayumi. Ruka hatte es nur schwer verkraftet, aber wie immer war er stark gewesen, hatte seine Trauer nicht nach außen getragen.

Aoi bewunderte Ruka für diese Stärke. So war es auch nicht verwunderlich gewesen, dass Ruka sein Bett inzwischen auch wieder verlassen konnte. Anfangs waren es nur wenige Schritte gewesen und jetzt konnte er sich schon einige Zeit an der frischen Luft aufhalten, was dem Heilungsprozess seiner Wunde unheimlich gut tat, wie Saga immer wieder betonte. Doch nach wie vor musste Ruka sich schonen. Sein Körper war durch das wochenlange Liegen entkräftet und matt und ob er jemals wieder vollkommen sprechen würde, konnte auch niemand sagen. Bis jetzt gelangen ihm nur kehlige Laute, welche jedoch schon schmerzten. Aber Aoi war unheimlich froh, dass der Ältere überlebt hatte. Er war zu seiner Bezugsperson geworden.

„Ruka? Ich bins…“, sagte der Schwarzhaarige leise, um den anderen nicht zu erschrecken. Ruka öffnete seine Augen und sah den Jüngeren an, lächelte leicht und deutete durch ein Klopfen auf einen Schenkel an, dass er sich doch zu ihm setzen sollte. Die meiste Zeit kommunizierten der Braunhaarige über Gesten und Handzeichen und war stiller Zuhörer, wenn Aoi mit ihm sprach.

„Wie geht es dir heute?“, fragte der Schwarzhaarige, als er sich neben dem anderen auf den Boden gesetzt hatte. Ruka zeigte einen nach oben gestreckten Daumen. Verstehend nickte Aoi. „Das ist schön. Und die Wunde heilt gut?“ Wieder ein Daumen.

Leicht seufzend lehnte der Jüngere von beiden seinen Kopf gegen die Mauer. „Mir ist wieder ein Missgeschick passiert. Ich habe einen Wasserkrug fallen lassen, weil ich zu sehr in Gedanken versunken war.“, begann Aoi schließlich zu erzählen. „Es ist so schwer, Ruka. Ständig muss ich an ihn denken und frage mich, warum er mich einfach verlassen hat. Es tut so weh.“ Traurig senkte Aoi den Blick, sah aber wieder auf, als er spürte, wie Ruka ihm eine Hand auf den Kopf legte. Fragend sah er den Älteren an, begegnete dessen verstehenden Blick.

Kurz streichelte Ruka über den schwarzen Schopf, ehe er zu Stift und Papier griff, welches er ständig bei sich führte und begann etwas aufzuschreiben.

‚Ich weiß genau wie du dich fühlst. Aber ich denke er wollte dich einfach beschützen.’

„Schon, aber die Gefahr war doch vorbei. Er meinte doch, dass Sakito und dieser andere diese Kerle in die Flucht geschlagen haben.“

‚Das mag sein. Aber er wusste nicht, ob sie vielleicht wiederkommen würden. Er dachte, es sei zu gefährlich zu bleiben. Und ganz genau, weil Reita wusste, wie sehr es dich schmerzen würde, hat er es dir nicht erzählt.’

Aoi schwieg eine Weile. Er hatte Ruka alles erzählt, all das, was Reita ihm in der letzten Nacht ihres Zusammenseins berichtet hatte. Er hatte diese Bürde nicht alleine tragen können.

„Aber so tut es doch nur noch mehr weh. Ich… konnte mich nicht einmal verabschieden…“ Der Schwarzhaarige spürte, wie seine Augen zu brennen begannen und einige Tränen sich in ihnen sammelten, die er jedoch versuchte zurückzuhalten.

‚Hättest du es denn gekonnt?’ Ruka sah den Kleineren mitfühlend an, strich noch einmal tröstend über Aois Kopf. Dieser schüttelte den Kopf, zog seine Beine an und legte seine Arme darum. „Nein…“, murmelte und seine Stimme wurde schwer. Er hatte Mühe die Tränen zurückzuhalten, denn jedes Wort, jeder Gedanke an seine große Liebe tat so unendlich weh. Und schließlich kamen sie, fielen in kleinen Tropfen auf das Papier. Leises Schluchzen entkam der Kehle des hübschen Jungen und es war Rukas Hand, die den Kopf des anderen anhob und ihm die Tränen aus dem Gesicht wischte.

Nicht weinen., sagte sein Blick und Ruka nahm Zettel und Stift wieder an sich.

Tränen werden dir helfen den Schmerz zu lindern. Aber verliere dich nicht in deiner Trauer, Aoi. Das würde Reita nicht wollen und ich auch nicht. Du bist nicht allein. Und ich denke, dass Reita genauso leidet wie du. Aber denke daran, dass man sich immer zweimal im Leben sieht, hm? Du wirst ihn wiedersehen. Das weiß ich! Und nun Kopf hoch, Kleiner. Ein aufmunterndes Lächeln begleitete diese Worte und Ruka wuschelte Aoi durch die Haare. Dieser senkte den Kopf. „Ich weiß ja, dass du recht hast. Aber…“ Ein Finger legte sich auf seine Lippen und Aoi schwieg. Er wusste auch ohne das Ruka ihm sagen musste, was er wollte, was er meinte. Er sollte mit den Zweifeln aufhören.

Ein schwaches Lächeln glitt kurz über die traurigen Züge. „Okay… ich werde versuchen in Zukunft nicht mehr so traurig zu sein, denn ich muss daran glauben, dass ich Reita wiedersehe!“ Und ein hoch gestreckter Daumen und ein breites Grinsen waren die Antwort.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (235)
[1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10] [11...20] [21...24]
/ 24

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Yoki_
2010-07-05T00:13:10+00:00 05.07.2010 02:13
hi hi
erstmal großes Lob die Geschichte finde ich echt super,
und es macht spaaß sie zu lesen,freu mich auf den nächsten Kapitel
Von:  -Kazu-
2010-06-17T11:14:39+00:00 17.06.2010 13:14
ich find das total toll geschireben ;_;
und so spanned, ich steh total drauf *___*
saki saki saki saki saki
omg
!!
xD

ich lieb den einfach,niya soll ganz fix kommen |D
Von:  -Kazu-
2010-06-17T08:09:12+00:00 17.06.2010 10:09
ich mag sowas,ich finds süß das saki sich auf die suche macht,
das wird sicher noch ne super niedliche story <3
Von:  -Kazu-
2010-06-17T07:49:32+00:00 17.06.2010 09:49
ich find den anfang total toll :3
sakito ist total süß♥
Von:  suzaku_yume
2010-04-07T11:55:38+00:00 07.04.2010 13:55
Erstmal find ich es nett das du mir bescheid gegeben hast X3
Natürlich hab ich es sofort durchgelesen, aber ich konnte nicht mehr so viel damit anfangen und hab die ganze Geschichte nochmal durchgelesen und es überhaupt nicht bereut. X3
Die Story ist so toll und Aki tut mir einfach nur leid. Als ersatz muss er jetzt hinhalten u.u
Aber zumindest geht es den anderen irgendwie ansatzweise gut, aber auch nicht gerade berauschend.
Ich mag deinen Schreibstil sehr <3
Der ist schön und man kann sich das alles so gut vorstellen.
Hoffentlich geht es bald weiter <3
Bin schon sehr gespannt wie es weiter geht!
Greetz Yuki
Von:  -Hiro
2010-03-24T20:20:44+00:00 24.03.2010 21:20
Soo
jetzt bin ich endlich durch die ganze FF bis hier hin durch und ich muss wirklich sagen, dass mir die Geschichte verdammt gut gefällt!

Ich weiß gar nicht, wie ich so etwas Tolles so lange nicht gefunden habe!

Dein Schreibstil ist richtig richtig toll und die ganze FF ist durchweg spannend *___*

Ich hoffe du schreibst schnell weiter!!

LG
Von:  myfuneral
2010-03-19T17:52:54+00:00 19.03.2010 18:52
ich weiß gar nicht, was ich alles schreiben soll, hab von anfang bis hierher zu dem kapitel gelesen und ...ich bin begeistert<3
normalerweise mag ich so geschichten mit "weltuntergang"-flair und mutierten menschen und sowas nicht soo sonderlich, und ich hätte auch beinah erst gar nicht angefangen zu lesen, dann hab ich aba kurz in den doji reingeschaut und der hat mich irgendwie überzeugt, dass ich wissen wollte wies weitergeht... und dann hab ich die ff gelesen... und konnte nicht mehr aufhören *_*

ernsthaft, das alles ist so gut umgesetzt und diese ganzen labor szenen so ergreifend geschrieben <3
ich hoffe ja immer uns überall auf son megakitschiges happy end, aba ich freu mich immer wenns keins gibt XD
klingt total doof aba wenn immer der held gewinnt isses ja doof und langweilig ><

ich fands so tragisch dass du tsukasa getötet hast ;___; is jetzt nicht böse gemeint das passte auch super und alles, aber der arme .__.
das schürt den hass auf diese organisation gleich viel mehr .__.

ma so ne frage nebenbei... studierst du iwie medizin oder sowas?^^°
das is alles so schön detaiiliert beschrieben x3

und bitte bitte bitte, tu aoi nicht noch mehr an ><
oder so... keine ahnung ich will nicht, dasser noch mehr leidet .__.
ich finds gut, dass ruka wieder wach is^^
ers so lieb x3

haaach ich könt noch ewig weiter schwärmen^^°
aber dann kommst du nicht zum schreiben ;3
ich würd mich unheimlich freuen, wenns bald weitergeht <3

lg
Von: abgemeldet
2010-03-10T19:41:14+00:00 10.03.2010 20:41
ja,gut so, lass aoi zu einem optimisten werden
*smile*
ich freu mich, dass ruka wenigstens wieder ok ist und aoi zur seite steht, er kann froh sein, mit ihm befreudet zu sein ;)

ehrlich gesagt bin ich auch schon gespannt, wann kao endlich hakuei feuert bzw. ob er in seiner wut diesen umbringt

und das mit aki ... super beschrieben, kami-sama sei dank,
dass ich es am tag gelesen habe xD
Von:  cookie-monster-kyo
2010-03-10T18:35:43+00:00 10.03.2010 19:35
du wirst lachen aber ich hab mich erst gestern gefragt wanns weitergeht XDD
den teil mit aki sollte ich nich im dunkeln lesen.. hab (leider) ein sehr gutes bildliches vorstellungsvermögen.. von sowas kann man alpträume bekommen ><
das schadet dem kapi aber nich, es is wieder richtig klasse geworden^^
und ich finds toll das ruka versucht aoi zu helfen <33
freu mich schon aufs nächste kapi *-*
Von:  _-Nick-_
2010-03-10T18:22:17+00:00 10.03.2010 19:22
Uiii endlich ein neues Kapi
ich bin hin und weg
*flausch*
ein tolles spannendes Kapii
okay.. musste mich zwar rein lesen, aber egal
*grins*
Hast du eine Betaleserin?
mir ist aufgefallen dass bei dir ein paar Wörter in den Sätzen fehlen öÖ

naja wollte dich nur mal drauf aufmerksam machen
*knuff*
schreib schnell weiter und lass dir nicht wieder so viel Zeit
*knuff*

haben dich lieb <3
lg Vanna&Nick♥


Zurück