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Mirage

von

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Lost in Neo Tokyo 3

Autor: Tsutsumi

Titel: Mirage (französisch: Trugbild/Fata Morgana)

Teil: 1/7

Disclaimer: Charaktere und Schauplätze gehören nicht mir, sondern Hideaki Anno und Gainax. Ich leihe sie mir nur aus und gebe sie (hoffentlich unbeschädigt) zurück. Außerdem sehe ich für´s FF-Schreiben kein Geld.

Warnung: sappy, leichtes ooc (für den Fall, dass ich es nicht ganz so schaffe, ic zu schreiben, aber ich versuche es)

Kommentar: Dies ist die Anwort auf die Päckchenchallenge "7 Gefühle" von Maddle und Rei17 vom Challenge-Zirkel hier auf Animexx. Ich hoffe, ich kann sie gebührend beantworten.

Pairing: Soryu Asuka Langley x Kensuke Aida
 

Lost in Tokyo 3
 

Das Pochen war so nahe.

Das Tappen ihrer Schuhe mit den dünnen Sohlen auf der Straße. Der vollkommen überhitzte Asphalt dröhnte durch ihre Füße, ihre Beine, direkt ins Innere der Ohren.

An allem hallten Schweiß und das Sirenengeheul wider.

Schwere Atemzüge, das Rascheln ihrer Schuluniform.
 

Der Schweiß klebte an ihren Schläfen; in all der Anstrengung des Dauerlaufs durch die verlassene Stadt hingen Haarsträhnen kreuz und quer über Schultern und Rücken.

Die Tasche schien mit jeden Schritt schwerer zu werden.
 

Shinji, diese Flasche. Dieser Idiot. Dieser absolute Trottel, Blödmann und Debile.

Sie war sich sicher, irgendwer musste ihm in der Zeit, in der er ein kleines Kind gewesen war, im Sommer beim Schwimmen den Kopf zehn Minuten zu lange unter Wasser gehalten haben. Nur so war zu erklären, dass er so ein himmelhochschreiend dummer Kerl war. Sauerstoff. Beziehungsweise der Mangel eben desselbigen.

Shinji musste natürlich vorlaufen während des Alarms, ganz so, als hätte ihn Ayanami mit einem Faden an sich festgezurrt und hinter sich hergeschleift.

Er hatte natürlich wie ein kopfloses Huhn wegrennen und sie hier allein lassen müssen. Wo er doch genau wusste, dass sich hier überhaupt nicht auskannte.
 

Nun, das wusste er wahrscheinlich doch nicht, weil sie ihm das nie zu verstehen gegeben hatte. Aber das war egal. Männer ließen eine Frau nicht einfach alleine; aber das war bei diesem Trampel höchstwahrscheinlich noch nicht angekommen.
 

Atemlos versuchte sie im Laufen mit der einen Hand ihre Schultasche festzuhalten und diese gleichzeitig zu öffnen um an den Notfalllageplan zu kommen, der die Eingänge zum unterirdischen Geosektor markierte. Der Haupteingang, den sie sonst benutzte, war mit einer Straßensperre unbegehbar gemacht worden.
 

Die immer aufs Neue aufjaulende Sirene dröhnte sich in Asukas Ohren ein wie ein Tinnitus. Das Geräusch bereitete ihr sekündliche Adrenalinstöße. Irgendwo in ihrem Hirn hatte sich die Verbindung der Sirene mit der Aktion „Kampf“, dem Begriff „Gefahr“ und dem Subjekt „Evangelion“ festgefressen, sodass es ihr sprichwörtlich in den Fingern juckte und unter den Nägeln brannte.

Doch Japaner schienen sich gar nicht darum zu kümmern, dass Asuka sie rettete. Nein, sie schienen sogar etwas dagegen zu haben. Sonst hätten sie ihren Straßen Namen gegeben.
 

Ratlos rannte das Mädchen ein paar Schritte in die eine, dann in die andere Richtung, den Blick abwechselnd auf den Lageplan und die graue Asphaltbahn geheftet. So leer wie Neo Tokyo 3 gerade war, wirkte es so anders. Die verlassenen Häuser sahen aus wie riesige, graue Gesichter, in deren Fensteraugen sich die Sonne spiegelte. Kein einziges Auto bewegte sich die übergroße Straße entlang, kein Passant, den sie nach dem Weg hätte fragen können, befand sich in Reichweite. Die saßen alle schon längst in den Bunkern und hielten sich die Ohren zu. Asuka fluchte.
 

Warum sah hier alles so gleich aus?

Der Ärger stieg bedächtig, aber stetig in ihr auf, wie ein Grollen aus dem Magen.

Zwischen dem in Folie eingeschweißten Papier mit den Modellhäuschen und Sträßchen und der Wirklichkeit gab es keinerlei Stimmigkeiten.
 

Sie würden Shinji rausschicken müssen, wenn sie nicht kam. Oder Ayanami. Oder, was noch schlimmer wäre: beide. Das Dream Team, welches immerhin von einem anderen Stern kam und dort auch besser hätte bleiben können. Asuka biss die Zähne aufeinander und stapfte irgendeine Straße hinunter. Irgendwo würde sie schließlich ankommen müssen.
 

„Misato, tu endlich was!“

Sie umklammerte das Handy so fest, dass sie das Gefühl hatte, ihr Blut würde nicht mehr bis in die Fingerspitzen vordringen können.

„Ich steh hier inmitten von Häuserschluchten! Nirgendwo Straßennamen! Was denkt ihr Japaner euch eigentlich dabei?“

Der Schweiß klebte ihr selbst zwischen den Fingern, rann ihr die Schläfen und den Hals hinunter.

Sie spurtete im Laufschritt die nächste Straße hinunter, von der sie den Eindruck hatte, sie zu kennen. In der Mittagshitze flirrte die Welt vor den Augen- und war die Luft so heiß, dass Asuka kaum Luft bekam.

„Es ist zu spät!“, hörte sie Misato am anderen Ende sagen. Die Frau klang geschäftig, gehetzt, geradezu überfordert.

„Shinji und Rei werden sich darum kümmern. Aber das Wichtigste für dich ist, dass du in Sicherheit kommst! Such einen Schutzbunker auf, bevor es zu spät ist.“

„Moment mal!“ Asuka blieb abrupt stehen.

„Was soll das heißen! Hol´ mich gefälligst dazu! Ich bin doch kein dummer Zivilist!“

„Asuka!“ , schnaufte Misato und setzte erneut an;

„Asuka, wenn du nicht imstande bist, rechtzeitig herzufinden, kann ich dir auch nicht helfen. Der Feind ist schon so gut wie in der Stadt, es ist viel zu gefährlich, dich noch durch vier Viertel zu lotsen! Geh in einen Schutzbunker, die sind doch immerhin ausgeschildert! Viel Glück.“
 

Das Mädchen stand mitten auf einem weißen Strich in der Mitte der Hauptverkehrsstraße und starrte das Handy in seiner Hand ungläubig an.

Sie hielten sie tatsächlich für unfähig. Dabei war sie doch gar nicht dafür geschaffen, verdammte Bunker zu suchen. Sie war dazu da, Eva zu steuern, den Feind zu pulverisieren, kurzen Prozess zu machen. Und all das zerstreute sich gerade in alle Winde, weil man hierzulande keine Straßennamen benutzte.
 

In ihrer Vorstellung schlug Asuka Shinji beide Augen blau.

Womöglich war das alles noch Absicht gewesen, weil er sich in den verfluchten Mittelpunkt drängen wollte. Der Trottel.

Vielleicht wollte er ja mit Ayanami „Wie schön war das doch bevor Asuka kam“ spielen. Den beiden war doch keinesfalls über den Weg zu trauen.
 

In diesem Moment schien jemand die Sirenen abzudrehen, sodass das Jaulen einem heiseren Pfeifen wich- und schließlich der Stille. Auch wenn der hohe Ton wie eine wahrgewordene Erinnerung noch immer halb in Asukas Ohren hing, sie hätte sich vorher nicht ausmalen können, sich diesen Lärm zurückzuwünschen.

Die totale Stille lähmte sie.
 

Es war, als wäre die Welt gestorben.

Nicht einmal Ratten rannten in den Schatten der Gossen, wie es in den Filmen immer war. Kein Spatz, keine verirrte Katze.

Nur das Nichts von Stadt, wie ein Skelett, umschloss das Mädchen.

Häuser, Wattewolken und der heiße Sonnenschein, der sich in die roten Haare hineinfraß.

Mit fiebernden Augen versuchte Asuka, sich umzusehen, tat drei Schritte vorwärts. Markierungen...Pfeile...Schilder. Irgendwo mussten hier doch diese vermaledeiten Schilder sein! Das hatte doch Misato gesagt.

Ganz hart pumpte ihr Herz aberhunderte von Litern durch den zitternden Körper.

Asuka musste sich krümmen, presste sich die Hände auf die brennenden Ohren und hatte das Gefühl nicht genug Sauerstoff in ihre Lungen saugen zu können. Es war, als würde die Sonne ihr die Luft wegsengen.

Und sie erinnerte sich.

Das nannte man Angst.
 

Eine tiefe, scheinbar unbegründete Angst, die ihr die Sinne nahm und das Leben einfror.

Sie stieß einen verzweifelten Seufzer aus und versuchte, weiter zu laufen, legte eine Hand auf die schmerzende Brust.
 

Dann erschien plötzlich eine Fata Morgana.
 

Zuerst sah er unwirklich aus- wie ein grauer Farbklecks, den jemand in die Weltgeschichte getuscht hatte. In der flirrenden Mittagshitze verschwammen seine Proportionen wie in Wasser. Und doch bewegte er sich, dieser Fleck. Er bewegte sich weg von ihr, schleichend und pirschend.
 

Das holte sie zurück.

Asuka vergaß ihre Erschöpfung und den Sauerstoffmangel, obgleich sie literweise zuviel Luft in ihre Brust gepumpt hatte, sondern begann, einfach loszulaufen. Die Schultasche unter den Arm geklemmt, die weißen Streifen der Straße unter sich zählend und die Erschütterungen ihrer Füße auf dem Asphalt wahrnehmend, sprintete sie vorwärts. Vielleicht kannte sich der da vorne in der Gegend aus. Dann würde sie vielleicht doch noch rechtzeitig ins Hauptquartier kommen, in Eva steigen, kämpfen, den Tag retten und Shinji strangulieren können. Sie öffnete den Mund, doch bekam erst beim dritten Versuch einen spitzen Schrei heraus, um auf sich aufmerksam zu machen.
 

Die Gestalt war stehen geblieben und hatte sich umgedreht. Ihre graugrünliche Hose hob sich nur undeutlich von der Straße ab, sodass es wirkte, als würde dieser Jemand keine Beine haben sondern wie ein Flaschengeist in der Luft schweben. Unsauber hing darüber ein weißes Hemd, halb über der Hose, halb darin steckend. Als Asuka nahe genug war, dass ihr keine falschen Seen mehr die Augenblicke verschwimmen ließen, legte sich in ihr irgendwo ein Schalter um. Und er konnte sich nicht entscheiden zwischen absoluter Verblüffung und zermürbtem Ärger.

„Das ist doch nicht wahr!“
 

Bekanntlich gab es diesen Spruch; „Es kann immer schlimmer kommen.“ Wenn man daran dachte, traf er immer zu, hundertprozentig.

„Asuka.“, entfuhr es dem Gegenüber des Mädchens verblüfft.

„Was machst du denn hier?“
 

Sie wusste nicht warum, aber in diesem Augenblick musste Asuka an den Moment auf Misatos Party zurückdenken, in dem sie sich mit Suzuhara gestritten hatte. Was er gesagt hatte, daran konnte sie sich nicht mehr erinnern. Nur sein kantiges Gesicht mit den tief gezogenen Augenbrauen erschien vor ihrem geistigen Auge.

`Du bist ein Pantoffeltierchen!´, hatte sie gefaucht, um ihm darzulegen, was für ein armselig unterentwickeltes Wesen er darstellte, auch wenn sie nicht sicher gewesen war, ob er überhaupt wusste, was ein Pantoffeltierchen war.

`Shinji ist ein Wasserfloh und Aida ist ein Mitochondrium!´
 

Von allen Idioten auf dieser Welt musste sie ausgerechnet diesen treffen, in einer leergefegten Stadt, im, wie Misato meinte, Angesicht des Todes und am Tiefpunkt ihrer Karriere. Wenn Shinji sich in den Mittelpunkt hantierte, meinten seine bekloppten Freunde wahrscheinlich, sich auch hirnlos herumtreiben zu können.

Vor allem das Mitochondrium.
 

„Wirklich gute Frage, Idiot!“ , versetzte sie ärgerlich,

„Die man lieber dir stellen sollte!“ Hätte sie nicht eine dämliche Schultasche unter ihrem Arm klemmen gehabt, sie hätte die Arme verschränkt.

„Ich bin Eva-Pilot, du nur ein Zivilist!“
 

Der Junge schob sich in nerviger Manier die Brille mit den großen, abgerundeten Gläsern bis zur Nasenwurzel. Zerwühlt standen ihm die Haare beinahe ab, was zeigte, dass er es auch ziemlich eilig gehabt hatte.

„Ja, eben.“ , sagte er und Asuka bemerkte erst jetzt, wie sehr er aus der Puste war.

„Wenn du Eva-Pilotin bist, warum stehst du dann hier oben auf der Straße?“

Er deutete mit dem Finger auf den Asphalt.

Der Moment, in dem sie ihn eingehender musterte und die Videokamera sah.

Dasselbe, abgenutzte Ding, welches er unermüdlich in die Schule schleppte, mit dem er Kriegsschiffe filmte, Militärhubschrauber- sie hatte es ja auf ihrer Reise nach Japan live mitbekommen- Panzer und Eva.

Eva.
 

„Das geht dich gar nichts an!“, herrschte sie Aida an um zu vertuschen, dass sie kein Gegenargument besaß.

„Du Freak bist doch nur hier oben, um uns beim Kämpfen zu behindern!“

„Wen behindere ich denn?“, entgegnete er blitzschnell und drehte in einer ratlosen Geste die Handinnenflächen nach oben.

„Du kämpfst doch gar nicht!“

Nein, es lohnte sich ganz und gar nicht, sich mit irgendeinem von diesen drei Trotteln abzugeben. Weder Shinji, der keine Meinung hatte noch Suzuhara, der keine Manieren hatte noch Aida hier, der nicht einmal menschlich zu sein schien. Wahrscheinlich kam der vom selben Stern wie Ayanami.

„Halt´s Maul!“ Ihre Stimme hallte dröhnend an den toten Hauswänden.

„Verschwinde lieber in ´nem Bunker anstatt mich hier zu belästigen!“

Doch er schüttelte energisch den Kopf;

„Da komme ich doch gerade her. Ich muss Eva sehen!“ Zur Untermalung seiner Aussage hob er die Hand mit der Kamera ein wenig an. Viel hätte nicht mehr gefehlt, und er hätte begonnen, begeistert und mit glitzernden Augen auf und ab zu hüpfen, ein männliches Fangirl, das seinesgleichen suchte.

„Sag mal, bist du blöd?“ Sie hatte nicht gedacht, das zu jemandem anderes als Shinji zu sagen.

„Der Feind ist längst hier! In ein paar Minuten kann hier alles dem Erdboden gleich sein und du kümmerst dich bloß um deine bescheuerte Kamera?“
 

Er musste eine Fata Morgana sein. So wahnsinnig konnte doch überhaupt keiner sein.

Nicht einmal Aida.
 

Er wollte gerade zur Antwort ansetzen- zumindest sah das so aus- doch klappte den Mund wieder zu, ohne ein Wort zu sagen. Ein Beben der Straße und der Häuser ließ ihn schweigen. Als Asuka hochsah, schwankten die Strommasten und ließen die Kabel daran hin und herschwingen wie Kinder es mit Springseilen taten. Ein Alarmsignal.

War das ein ganz normales Erdbeben? Oder warf das Militär in zehn-zwanzig Kilometern schon N2-Bomben ab? Der Gedanke fuhr ihr schockartig durch alle Nerven.
 

„Du hast keine Ahnung, was hier los sein wird!“ , polterte sie und versuchte, sich den Schreck nicht anmerken zu lassen.

„Wenn du dich gerne pulverisieren lassen willst, bleib hier. Aber ich werde jetzt verschwinden!“

Vielleicht würde er ja jetzt endlich sein Gehirn- falls er so etwas in der Form überhaupt besaß- anschmeißen und ihr folgen. Oder, was noch besser wäre, sie aber nie zugegeben hätte, würde mit ihr losgehen und ihr so den Weg zeigen. Sie würde Zeit damit sparen anstatt ständig irgendwelche grünen Notfallpfeile zu verfolgen.
 

Doch Aida bewegte sich nicht. Mit einem fast zweifelnden Blick, der langsam zwischen seiner Kamera und Asuka hin- und herwanderte, stand er wie im Asphalt verwurzelt da und macht keine Anstalten, auch nur eine Entscheidung zu treffen. Asuka entschied für sich im Inneren, dass auch er irgendwann im Leben einmal unter extremem Sauerstoffmangel gelitten haben musste, um so etwas zu werden.
 

Sie tat einen Schritt an dem Jungen vorbei, ihn im Augenwinkel beobachtend; tat einen zweiten und einen dritten und lauschte ob seiner eventuellen Schritte, die den ihren folgen würden. Doch nichts rührte sich außer die Erde zu ihren Füßen, die erneut bedrohlich wackelte.

Und dann fiel ihr Shinji ein. Nein, nicht nur der, sondern auch der Idiot Suzuhara.

Was würden die sagen, wenn Aida wegen seiner Kamera den Löffel abgäbe?

Was würde Misato sagen, würde sie merken, dass eine ihrer Piloten einen Menschen in sein Verderben hatte rennen lassen? Die Frage, ob sie es überhaupt erfahren würde, bestand zwar, dennoch. Asuka biss die Zähne fest zusammen.
 

In dem Moment, in dem von Ferne Propeller von Militärhubschraubern zu hören waren, stieß sie einen lauten, deutschen Fluch aus und drehte sich um.

Die Angst trieb sie voran, das schlechte Gewissen und ein enormer Fluchttrieb, der sich bisher immer ausgeschaltet hatte, wenn sie in Eva gesessen hatte. Die bittere Erfahrung, nur ein Mensch zu sein wie jeder andere, klein und hilflos, zermürbte sie.

„Schluss jetzt!“
 

Wenn der auch nur ein Wort erwähnte..

„Setz dich endlich in Bewegung!“ Das würde er büßen, definitiv. Wenn nicht morgen, dann irgendwann. Dass sie Aida am Handgelenk packte und entschlossen hinter sich herzog- in diesem Augenblick war Asuka froh, dass niemand sie beobachten konnte.

„Hee...“, machte er, ähnlich glotzend wie ein Frosch oder ein unwilliger Hund, wahrscheinlich total überrumpelt von ihrer Aktion. Er stolperte drei-vier Schritte mit Asuka mit, ehe er versuchte, sich ein wenig gegen sie zu stemmen, sich aus ihrem angeekelten Griff zu winden.

„Was tust du denn da?!“

Die Frage war mit derselben, schwachen Intensität gestellt wie sie sinnlos war. Vielmehr empfand Asuka sie als nervige Rebellion gegen ihren Fluchttrieb und gegen das Prinzip, einen unschuldigen Zivilisten zu retten. Eva zu steuern war bei Gott leichter.

Sie fuhr wütend zu ihm herum, funkelte ihn aus aufgerissenen, giftsprühenden Augen an und schrie;

„Dich retten, du verfluchter Taugenichts!“
 

Ihr letztes Wort hallte an den toten Hauswänden wider, echote durch das gesamte Viertel und scheuchte die Stille auf, die wie unsichtbare Krähen über den Strommasten lauerten. Asuka spürte sich nach Luft schnappen, wütend, verärgert, angepisst, vielleicht sogar ein bisschen verzweifelt. Dinge, die sie nicht verstand, machten sie wütend. Und nicht einmal Shinji konnte Aida verstehen.

Der Junge war still geworden. Sein Blick trübte sich mit einem Mal, sodass er nicht schnell genug etwas dagegen unternehmen konnte, dass sie ihm die Kamera entriss und ihm androhte, augenblicklich die sich darin befindliche Speicherdisk zu zerstören, sollte er sich nicht sofort in Bewegung setzen.

Weitere Erdbeben erschütterten die Stadt.
 

Als der Asphalt bebte wie unter der Gewalt einer Elefantenherde, tat sich unweit der beiden der Boden auf und mit der Geschwindigkeit eines Blitzes ragte Eva01 in den Himmel, schwerfällig und gewaltig. Der Koloss begann nur langsam sich zu regen und Asuka wusste in diesem Augenblick, dass sie ihren Kampf gegen Shinji verloren hatte.

Er hatte sie überrundet, zurückgelassen und verhöhnte sie nun auch noch.

Und was tat sie ihm dafür an? Sie rettete seinen Idioten-Freund.
 

Ihre Augenbrauen vor Zorn tief ins Gesicht gezogen, wandte sie sich um und rannte.

Die Schultasche und die Kamera in ihrer Hand schlenkerten an ihren Halteriemen, die Sonne brannte von oben, der heiße Asphalt von unten und zwei Tränen der Wut von innen.

Asuka rannte so schnell sie konnte, dem Luftschutzbunker entgegen, ein Besiegter vom Schlachtfeld ohne gekämpft haben zu dürfen.

Ihr Atem verging schnell in der Hitze; über dem ganzen Zorn bemerkte sie mit einer sanften Verblüffung erst nach einer Weile, dass ihre Schritte nicht allein waren.
 

Sie hielt Kensuke Aida noch immer mit der anderen Hand fest.

Und sein Atem rasselte laut und heimlich in ihren Ohren.

Zwischen ihnen blieb nur Sauerstoff...oder eben der Mangel desselbigen.
 

To be continued...

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Autor: Tsutsumi

Titel: Mirage (französisch: Trugbild/Fata Morgana)

Teil: 2/7

Disclaimer: Charaktere und Schauplätze gehören nicht mir, sondern Hideaki Anno und Gainax. Ich leihe sie mir nur aus und gebe sie (hoffentlich unbeschädigt) zurück. Außerdem sehe ich für´s FF-Schreiben kein Geld.

Warnung: sappy, leichtes ooc (für den Fall, dass ich es nicht ganz so schaffe, ic zu schreiben, aber ich versuche es)

Kommentar: Dies ist die Anwort auf die Päckchenchallenge "7 Gefühle" von Maddle und Rei17 vom Challenge-Zirkel hier auf Animexx. Ich hoffe, ich kann sie gebührend beantworten.

Challenge: "Er kam, sah und verlor"

Pairing: Soryu Asuka Langley x Kensuke Aida
 

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I don't know your thoughts these days

We're strangers in an empty space

I don't understand your heart

It's easier to be apart

-Keane-
 

Das erste, was Shinji sich nach diesem verhängnisvollen Nachmittag gefangen hatte, war Aidas Kamera. Das zweite eine Ohrfeige. Und das dritte ein Kinnhaken.

Asuka wusste hinterher nicht wirklich, ob sie sich erleichtert oder noch wütender fühlen sollte. Shinji, der kleine, um Entschuldigung stammelnde, niederträchtige Kerl. Er behauptete, das alles nicht mit Absicht gemacht zu haben, so lange, bis ihm Tränen in die Augen traten (was aber zweifellos vom Schmerz herrührte).

Das Allerschlimmste daran war; Asuka glaubte ihm. Seine Inkompetenz, seine Dramatik, seine übertriebene Vorsicht rührte sie irgendwo neben der unbändigen Wut, die sie in Versuchung führte, seinen blöden Kopf einfach in die Toilette zu stecken. Was allerdings ausschlaggebender war, war seine erbärmliche Niederlage gegen den Feind. Eva 01 war kopfüber in den verdreckten Ashi-See gestopft worden und Asuka hegte zum ersten Mal Sympathien für diesen unbekannten Feind aus dem Orbit. Die Idee mit der Toilette schien nicht so ganz von dieser Welt zu sein.
 

Misato hatte gewettert. Gegen Shinji, der sich nach seiner erbärmlichen Niederlage mitsamt seiner Kapsel hatte notevakuieren müssen, gegen Rei Ayanami, die nichts weiter ausgerichtet hatte als dem Feind ein paar Narben beizubringen und gegen Kommandant Ikari, der nach diesem Manöver gedroht hatte, sie zurück zum Captain degradieren zu lassen. Nicht dass es Misato etwas ausmachte ob sie Captain oder Major war; aber ihr Stolz war angeknackst und so hielt sie Asuka auch mehr als einmal ein zerknirschtes „Warum um alles in der Welt warst du nur nicht da?!“ vor.
 

All das versöhnte Asuka ein bisschen mit der Welt. Der Feind war in die Berge geflohen und wurde dabei beobachtet, wie er sich regenerierte und dabei bedenklich still verhielt. Drei Tage nach Shinjis erbärmlicher Niederlage war noch immer keine Strategie zur Vernichtung klar.
 

Asuka drückte nur Shinji die Kamera, die sie mit nach Hause geschleppt hatte, wortlos in die Hand und versuchte zu ignorieren, dass er das Gerät betrachtete als wäre es eine tickende Zeitbombe.

„Aber das ist doch...“

Er drehte es in der Hand, schaute es von allen Seiten an und musterte schließlich mit bodenloser Verblüffung Asuka neben sich am Abendbrottisch.

„Wie bist du denn daran gekommen?“

„Connections.“, blaffte sie über ihrem Instant-Curry.

„Wegen dir war ich in diesem behämmerten Bunker!“

Shinji hielt sich mit der freien Hand schmerzlich erinnert das Kinn und beschloss wohl, nicht noch einmal darauf einzugehen. Er sah die etwas heruntergekommene Kamera an, die er wahrscheinlich noch nie zuvor von so nahe betrachtet hatte, stellte sie auf den Tisch und aß, sie bedächtig musternd, weiter.

„Und wie bist du daran gekommen?“, fragte Misato vom anderen Tischende. Sie hielt ihre Wange in eine Hand gestützt, in der freien Hand ihr Bier haltend und hatte einen seltsamen Ausdruck, der mittig zwischen neugierig und gleichgültig anzusiedeln war.
 

Asuka beschloss, sich hierbei ein bisschen Ruhm einzusammeln. Wenn es ihr schon missgönnt gewesen war, den Einsatz mitzumachen, konnte sie doch trotzdem mit ihrem Heldentum als Zivilperson auftreten.

„Ich habe den Idioten gerettet.“, sagte sie und lehnte sich zurück.

„Ihr könnt stolz auf mich sein!“

Misato hob, noch immer mit demselben Ausdruck, eine Augenbraue. Nur Shinji ließ perplex seinen Löffel sinken.

„Du hast Kensuke gerettet?“

Asuka verschränkte die Arme vor der Brust.

„Der ist mitten in der Stadt herumgelatscht.“, erläuterte sie mit abfälligem Ton.

„In dem Sektor, in dem du zehn Minuten später ja dreimal hinfallen musstest. Folglich habe ich verhindert, dass du den Idioten zerquetscht hast.“

Die Rache war süß.

Asuka betrachtete mir einiger Genugtuung, wie Shinji vom Hals bis zu den Wurzeln seiner Haare kalkweiß wurde und dreimal schwer schluckte, obgleich er gar kein Curry mehr im Mund haben konnte.

„Was muss der Trottel denn auch ständig in Kämpfe reinlaufen!“, ereiferte sie sich.

Wenn Shinji sie vor seiner erbärmlichen Niederlage so hatte stehenlassen müssen, konnte sie ihm jetzt ruhig ein wenig Kopfschmerzen bereiten. Fand sie.

„Und zum Dank hat er dir seine Kamera geschenkt?“, nahm Misato, noch immer mit hochgezogener Augenbraue, den Faden wieder auf.
 

An dieser Stelle zögerte Asuka. Um nichts in der Welt wollte sie den beiden davon berichten, wie schwer es gewesen war, Aida vom Fleck zu bekommen. Und die Dinge, die danach geschehen waren, sollten lieber in der feuchten Dunkelheit des miefigen Schutzbunkers bleiben.

„So ähnlich!“, sagte sie hochnäsig und wandte sich wieder ihrem Essen zu.

„Kannst ihm das Teil jedenfalls zurückgeben, Shinji. Was soll ich mit dem Ding?!“
 

Ihre Sticheleien gingen an ihm vorbei.

Shinji schob seinen Teller ein wenig von sich und mit einer Verwunderung, die Asuka sich zuvor nicht recht zugetraut hätte, sah sie zu, wie er ein Tuch holte und die stiefmütterlich behandelte Kamera abwischte.

„Was soll ich sagen...“, murmelte er und betrachtete das Gerät beinahe liebevoll.

„Was würden wir nur ohne dich machen?“
 

Dieser Satz ließ Asuka wie erstarrt in der Dunkelheit der Nacht zurück und während sie eigentlich schlafen sollte, weil der nächste Tag wieder heiß, anstrengend und nervig sein würde, konnte sie nichts anderes tun als sich ruhelos in ihrem Bett und in Gedanken zu wälzen.

Natürlich war Aida Shinjis Kumpel. Sein Freund. Sein Gefährte, sein Kamerad oder wie immer man das auch nennen mochte. Sollte Aida tatsächlich die soziale Kompetenz besitzen, dass Shinji ihm wirklich nachgeweint hätte, wäre ihm etwas passiert – was ja nicht hieß, dass er wirklich hätte sterben müssen-? Und besaß Shinji tatsächlich doch soviel soziale Kompetenz, in Aida wirklich einen Freund sehen zu können?

Shinjis seltsamer Satz ging ihr nicht mehr aus dem Kopf. Nicht der Bedeutung wegen, sondern, weil er es war, der ihn ausgesprochen hatte. Der schüchterne, immer den Kopf einziehende Shinji, der es nicht einmal über sich brachte, Misato zu sagen, dass er es dämlich fand, den Haushaltsplan mittels Schere-Stein-Papier-Spiel auszumachen.

Es war bisher leicht gewesen, ihn als bloßen, idiotischen Soziopathen abzustempeln. Nicht, dass sie ihn von nun an anders sehen würde.
 

In der Dunkelheit eines 3-Uhr-Morgens fand sich Asuka auf dem Flur wieder. Sie wusste nicht, wie sie dahingekommen war, auch konnte sie sich nicht erklären, wann sie aus dem Futon gestiegen und dort hingekommen war. Sie öffnete einfach die Augen und starrte reglos und mit skeptisch heruntergezogenen Augenbrauen die Kamera an, die auf dem Flurschränkchen darauf wartete, zu ihrem Besitzer zurückzukehren. Sie sah den ledernen, ausgeleierten Halteriemen, die schwarze Verkleidung, die silberne Antenne und diese Linse, die mitten in der Finsternis einen Moment lang so aussah, als würde sie sie fixieren. Es steckte ein Stück menschlichen Wesens darin und als Asuka das bemerkte, lief es ihr heißkalt den Nacken herunter. Sie konnte Shinjis erleichtertes Gesicht vom Abend nicht vergessen. Und sie konnte Aida aus dem Bunker nicht vergessen. Diese Momente kehrten unablässig in ihr Gedächtnis zurück und bohrten sich bei jedem Mal tiefer.

Asuka wurde vom Gefühl des aufkommenden Schlafes übermannt, wie ein weicher, schwerer Flaum, der an den Augen und den Gliedern zog.

Fast wie in Trance hob sie die Hand und drückte auf eine Taste, deren weiße, filigrane Aufschrift `Eject´ selbst in der Düsternis zu erkennen war.
 

Am Morgen zwei Tage danach hatte Misato die Angriffsstrategie für den in den Bergen verschollenen Feind ausgearbeitet. Sie saß am Küchentisch, als hätte man sie darauf festgetackert und starrte mit einem sinnlosen, ziellosen Blick an Shinji und Asuka vorbei, als die beiden aufgestanden waren, sich geduscht hatten und zum Frühstück kamen.

Sie trank Kaffee.
 

„Also, zuhören, ihr zwei!“, sagte sie feierlich und rieb sich die kleinen, geröteten Augen.

„Ich habe die Strategie fertig!“

„Hoffentlich ist das nicht wieder irgendwas mit tanzen oder Synchronbewegung oder klassischer Musik!“

Asuka hatte sich gähnend an den Tisch gesetzt und schob Teller und Brotmesser zurecht, die Shinji routiniert auf den Tisch räumte. Er huschte durch die Küche, holte Brot, Toaster, Kaffee, Konfitüre, Wurst aus den Schränken, schon längst daran gewöhnt, dass die Mädchen nie einen Finger krumm machten.
 

„Nicht wirklich.“, sagte Misato und unterdrückte ein gequältes Gähnen.

„Wir haben beschlossen, dass wir diesen Schnickschnack mit Musik nicht mehr brauchen. War eh Kajis blödsinnige Idee!“

Misato fuhr sich durch die Haare und zog einen Flunsch. Der Himmel wusste, ob und worüber sie sich wieder einmal mit dem Erwähnten gestritten hatte.

„Umso besser.“

Asuka goss sich Orangensaft ein.

„Aber die Grundidee behalten wir!“

„Was?“

„Synchronität.“
 

Katsuragi fischte sich eine Scheibe Toast auf ihren Teller, sobald Shinji ihr einen hingestellt hatte. Gerade eben setzte er sich an den Tisch dazu, scheu schweigend. Er schien Asukas unterschwellige Wut im Bauch zu spüren und kratzte darum ganz vorsichtig und leise die Butter auf sein Brot.

„Ihr werdet euch eben wieder so lange miteinander beschäftigen, bis ihr wieder so einen tollen Angriff hinkriegt wie damals.“

Asuka regte sich nicht über ihrem Saft.

Über dem Morgen lag ein Schleier von Nebel- draußen regnete es die sprichwörtlichen Bindfäden und trieb den feuchten Dampf über die Stadt.

Aber das war nicht der vorrangige Grund für die Kopfschmerzen, die das Mädchen in dem Augenblick hinter den Schläfen verspürte.

„Das ist die Strategie?“

Misato hatte dunkle Ringe unter den Augen, als sie sich zurücklehnte und halbherzig in den Toast biss. Eingefallene Wangen hatte sie bekommen; Asuka vermutete als Grund den Mangel an Vitamin A, C und D. In Bier gab es weniger Nährstoffe als die Frau sie bei den ständigen Überstunden brauchte.

Sie legte die Hände in den Schoß und wirkte in allem abschließend.

„Das ist die Strategie.“
 

~~~*~~~
 

Sie wusste, wie unklug es war, sich schon am frühen Morgen einzureden, dass es nicht mehr schlimmer werden konnte. Der Schultag zog sich lang wie alter Kaugummi, gespickt mit Fakten, die sie nicht interessierten und Ereignissen innerhalb der Klasse, die sie nicht einmal peripher tangierten. Das Thema in Mathematik hatte sie schon vor zwei Jahren zu Hause gehabt- und schon dort lächerlich gefunden.

Asuka langweilte sich zu Tode und verbrachte den Unterricht damit, auf Papier Skizzen von Shinji zu zeichnen, wie er mit dem Kopf im Klo steckte.
 

Der Moment, in dem sie dachte, dass der Tag definitiv nicht mehr schlimmer werden könnte, war der Augenblick, nachdem das letzte Läuten den Unterricht beendete.

Und Aida plötzlich gespenstisch neben ihrem Tisch stand.
 

„Ähm...“, machte er und klang ziemlich unsicher. Seine rechte Hand hatte sich zur Unterstützung des nervösen Ausdrucks in sein Hemd gekrallt, jenes Hemd, welches er sich nie in die Hose steckte und ihn noch pennerhafter erscheinen ließ.

Asuka schaute ihn an und hatte im selben Moment die Neigung, ihn mit ihrem Englischbuch zu hauen wie eine lästige Mücke.

„Ähm...du?“, setzte er erneut an und schob sich mit fahriger Geste die Brille bis zur Nasenwurzel.

Asuka knallte das Buch in die Tasche, anschließend die Tasche auf den Tisch und zuallerletzt den Stuhl an den Tisch, so dass Aida genau dreimal zusammenzuckte.

„Verdammt nochmal, was ist denn?!“
 

Der Eindruck, durch und durch von inkompetenten, überforderten Menschen umgeben zu sein, drängte sich Asuka erneut auf. Misatos angeblicher Stein der Weisen vom frühen Morgen ließ ihr keine Ruhe. Wie tief musste Major Katsuragi gesunken sein, dass sie die halbe Nacht nicht schlafen konnte? Für eine Strategie, die sie so schon längst verwendet hatte.

Drängte die Zeit so sehr? War der Engel so gefährlich?

Und nun auch noch Aida- derjenige, bei dem Asuka die Lust, sich erneut mit ihm abzugeben, so wenig verspürte wie sich mit bloßen Hinterteil direkt auf eine öffentliche Toilette zu setzen. Sein Gesicht, sein Ausdruck, seine vorsichtige Zaghaftigkeit, die sie an Shinji erinnerten, rieben gewaltig an ihren Nerven.
 

Es war als würde ein Ruck durch Aida gehen als sie ihn anschrie. Wie ein Wackelkontakt, wie ein Getränkeautomat, gegen den man treten musste, damit er die Cola ausspuckte, zuckte er zusammen und war plötzlich wieder fähig, ganze Sätze zu sprechen.

„Ich wollte nur danke sagen.“, sagte er steif und unbehaglich.

„Für die Kamera.“

„Nichts zu danken.“, entgegnete Asuka herzlos und ließ ihn stehen.

Wozu sich noch weiter mit einem Alien abgeben, welches nur manchmal so rund lief, dass es die menschliche Sprache beherrschte?
 

Sie spazierte ihm förmlich davon, hörte auf dem Gang seinen hektischen Schritt hinter sich. Der Vorfall vor drei Tagen erhob sich in ihrem Gedächtnis mit der Intensität eines Dejà- vu.

Sie erinnerte sich gut, viel zu gut; es wirkte beinahe unheimlich.

Jedes Detail schien bunt schillernd zu leuchten.
 

An der Schultür hatte er sie eingeholt.

„Die Disk!“ , rief er gegen die rauschende Regenfront, als Asuka das Tor aufschob.

„Die Disk fehlt noch!“

Vom Himmel pisste es Hunde und Katzen.

Die Luft war so feucht, dass sie neblig durch die geöffnete Eingangstür hereinquoll, sofort Haare und Klamotten durchdrang und alles so ekelhaft klamm machte, dass Asuka das Gefühl hatte, die Nässe von sich abschütteln zu müssen. Sir griff nach ihrem Schirm und spannte ihn auf, doch im selben Augenblick brachen in ihm knackend drei Speichen durch.
 

„Da war eine Speicherdisk in der Kamera.“, fuhr Aida zögernd fort, als sie ungeduldig versuchte, den Schirm wieder irgendwie zu richten.

„Aber die fehlt. Vielleicht hast du sie versehentlich rausgenommen?“ Er lächelte versöhnlich, als ob er versuchte, sein Gegenüber sanftmütig gestimmt zu halten.

„Warum sollte ich so was Idiotisches tun?!“, versetzte Asuka frustriert, ließ den kaputten Schirm auf den Boden fallen und trat zweimal auf ihn ein.

Es sah nicht so aus, als würde der Regen aufhören. Wie grauschwarze Wattebäusche quälten sich die Wolken am Himmel entlang.

Aida kratzte sich nervös am Kopf;

„Ich...ich weiß nicht. Aber sie ist nicht da.“
 

Asuka ließ den Blick sinken.

Es regnete ein wenig zur Tür herein, Sprühtröpfchen durchnässten den Rock ihrer Schuluniform. Sie schaute müde und genervt auf den Regenschirm, betrachtete ihre Schuhe und dann die ausgelatschten, vom Schmutz ergrauter Sneakers von Aida.

In diesem Augenblick beschloss sie, den Bunker und den verpatzten Angriff von vor ein paar Tagen zu vergessen.

Sie hob die Hand;

„Regenschirm!“
 

Kensuke Aida schien sich an seiner Brille festzuhalten.

„Äh was?“ In diesen Moment sah er wirklich wie ein Streber aus. Asuka sah blinzelnd zur Seite und versuchte ihn sich in einer schlechten, amerikanischen Teeniekomödie vorzustellen. Der Freak mit dem aus der Hose hängenden Hemd, der Brille und dem seltsamen Hobby. Dem man ein „Kick me“-Schild an den Rücken klebte und den die großen, starken Footballspieler in den Papierkorb steckten.

„Gib mir deinen Regenschirm!“, befahl sie erneut.

„Dann kriegst du auch deine dämliche Disk wieder!“ Ihr Arm blieb ausgestreckt.
 

Einen Moment lang schien Aida das Klischee zu erfüllen. Seine Augen spiegelten Verblüffung wider hinter den runden Brillengläsern, der Regen schien sie dunkler zu verfärben. Eine Sekunde lang sah er wirklich aus, als wäre er einer billigen Hollywood-Produktion entsprungen.

„Okay.“, presste er verwirrt heraus und schien im selben Augenblick darüber zu grübeln, was er ohne Schirm anstellen sollte. Suzuhara und Shinji waren längst weg.

Asuka kümmerte es wenig. Sie bekam einen schwarzen Schirm, zog ihn aus und spannte ihn zufrieden auf.

„Morgen kriegst du deine Disk.“, sagte sie in einem gnädigen Tonfall und trat hinaus in den strömenden Regen. Die Tropfen waren groß und hart, klopften auf den Schirm und schlugen in den unzähligen Pfützen große Blasen.

Ohne ein weiteres Wort lief sie los. Trotz des Schirmes regnete es schräg gegen ihre Beine, weichte ihre Schuhe ein, sodass sie quatschende und platschende Geräusche bei jedem Schritt zu machen begann. Kalt war es, zog ihr Gänsehaut über Rücken und Nacken. Ausgerechnet jetzt hatte der olle Schirm seinen Geist aufgeben müssen.

Drei Schritte später harrte Asuka zögernd auf einem Schritt aus. Der Regen rauschte unangenehm in den Ohren, als sie sich langsam noch einmal umwandte und sah, wie Aida die Schultür geschlossen hatte und in eine andere Richtung davonlief. Und obwohl er erst seit einem Augenblick draußen war, klebten ihm Klamotten und Haare klatschnass am Leib.

Idiot, dachte Asuka.

Er war gekommen, er hatte gesehen- und er hatte verloren.
 

~~~*~~~
 

Als sie zu Hause angekommen war, war sie zu dem Schluss gekommen, dass er erbärmlich war.

Männer sollten sich nicht willenlos herumschubsen lassen. Wenn sie etwas mehr hasste als diese Idiotie, die Jungs scheinbar unablässig zu umgeben schien wie eine wabernde Seifenblase, war es mangelndes Durchsetzungsvermögen. Sie konnte das an Shinji messen. Ihn konnte sie schubsen und drangsalieren ohne eine andere Konsequenz als seinen gequälten Blick zu fürchten.

Selbst Suzuhara hatte mehr auf dem Kasten.
 

Sie saß am Schreibtisch und drehte die Disk, die sie in der vergangenen Nacht aus der Kamera genommen hatte, in der Hand. Letztendlich wusste sie nicht mehr warum sie das getan hatte- sie schlafwandelte manchmal, durchlebte ab und an Zwischensequenzen jenseits von Traum und Wachsein und tat bescheuerte Dinge. Sie steckte die Disk irgendwann in ihre Schultasche und versuchte, nicht mehr an Dinge von solch fehlender Wichtigkeit zu denken.
 

To be continued....



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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Von: abgemeldet
2006-09-01T11:35:38+00:00 01.09.2006 13:35
Interessanter Ansatz, wirklich mal was anderes.
Bin mal gespannt was du dir da vorgenommen hast und wie die Story weitergeht. Mach weiter so und lass uns nicht zu lange warten. Auch wenn es wegen der wenigen komis nicht so aussieht, es gibt eine Menge Leute die die NGE-´FF's lesen. Lass sie nicht im regen stehen und setze dein Werk fort.

Cya, Ryousanki


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