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Der helfende Engel

In Zusammenarbeit mit: Mariko999, domo arigato goizamasu, o-nee-san *Knuddel*
von

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Verwechslung mit Folgen

So dies ist nun meine 4. Fanfic hier auf Mexx

Wie immer die Charaktere - außer Lina - gehören nicht mir, sondern Hiromu Arakawa-sama. Schade eigentlich...hätte gerne so einen kleinen Ed ^-^

Ed: WRAAAAAAAAAAAAAAAHHH, wer nennt mich klein???

Autorin: Ups...ich bin dann mal weg, viel Spaß beim Lesen und vergesst die Kommis net! *euch knuddel* *und vor Ed davonläuft*
 

Verwechslung mit Folgen
 

>Wo würde ich sie nur finden?< Ich kniete mich auf den Boden und grübelte. Blickte kurz auf. Meine blonden Haare wehten im Wind. Ich hatte sie zu einem Zopf zusammen geflochten, aber trotzdem lösten sich einige meiner Strähnen aus diesem.

Unwirsch versuchte ich sie wieder in den Zopf zu stecken, aber ohne Erfolg.

"Full Metal!" rief Jemand hinter mir. Erschrocken drehte ich meinen Kopf zum Sprecher um. Vor mir stand ein Mann mit brauner Haut und einer Sonnenbrille. "Endlich finde ich dich, Full Metal!" Er wollte nach mir fassen, aber ich wich ihm geschickt aus.

Langsam erhob ich mich und blickte ihn an. "Wer sind Sie? Warum nennen Sie mich Full Metal? Und überhaupt warum greifen Sie mich an?" Leicht wütend blitzte ich ihn an. Verdutzt schaute mich der Mann mit der großen Narbe auf der Stirn an. "Du bist ja ein Mädchen!"

"Ach, Schnellmerker, was?!" schnaufte ich erbost und richtete meine Kleidung. Unsere Blicke trafen sich. Leichter Schwindel erfasste mich. Ich kniff kurz meine Augen zusammen.

Vorsichtig lächelte ich ihn an. "Rache bringt nur noch mehr Rache mit sich." flüsterte ich leise und traurig. Wie erstarrt stand der Mann da. "Sie dürfen nicht weitermachen, hören Sie!" Ich schüttelte den Kopf um meine Worte zu bekräftigen. "Was versteht schon so ein kleines Mädchen wie du!" er drehte sich um und ging. "Ich mag noch jung sein und vielleicht verstehe ich auch manches nicht, aber Rache bringt uns die Menschen nicht wieder, die wir verloren haben. Es bringt nur noch mehr Unheil...Leid...Schmerz...und Verzweiflung." Meine Stimme wurde leicht brüchig und ich spürte, dass mir die Tränen kamen.

"Es muss für Sie sehr schmerzhaft gewesen sein." Ich hörte, wie er sich wieder näherte. "Ja, das war es!" "Sie dürfen so nicht weitermachen, bitte..." Ich schaute zu ihm auf. Ich sah die Wut, aber auch tiefe Trauer in seinen roten Augen widerspiegeln. Wie in Trance legte ich eine Hand auf seine Wange. Erschrocken wich er zurück.

"Gomen na!" ich ließ meine Hand sinken.

"Wer bist du?" fragte er mich.

Ich grinste. "Mein Name ist Lina. Und Ihrer?" "Ich hab keinen Namen. Du kannst mich nennen, wie du willst." "Ich nenne Sie Allan, einverstanden?!" "Allan..."

"Hab dich gefunden, Ishvarite." Wir drehten uns beide um. Dort standen ein seltsamer dicker Mann und eine wunderschöne Frau.

Aber ehe ich überhaupt etwas denken oder die beiden richtig anschauen konnte, schnappte mich Allan am Handgelenk und rannte mit mir davon. "Du entkommst uns ja doch nicht!" lachte die Frau.
 

Einige Minuten später
 

Ich atmete stoßweiße. Drehte mich im Rennen um. Kein Verfolger weit und breit. "Ich glaube...wir...haben sie...abgehängt!" schnaufte ich. "Unterschätz diese Leute nicht!" gab er mir eine knappe Antwort und zog mich weiter. >Meine Güte, der ist wirklich gut zu Fuß!< grinste ich kurz und konzentrierte mich dann wieder auf den Boden, um nicht irgendwo hängen zu bleiben.

Dann blieb Allan ruckartig stehen. Ich versuchte noch zu bremsen, aber knallte mit voller Wucht in seinen Rücken. "Autsch!" ich rieb mir die Nase und wollte nachsehen, was denn eigentlich der Grund war, weswegen Allan stehen geblieben war. Doch er hielt mich fest hinter seinem Rücken.

"Na, hab ich es nicht gesagt, du entkommst uns nicht!" "Darf ich ihn essen, Lust?" mit bettelnder Stimme kam es fragend aus dem Mund des komischen dicken Kerls von vorhin. Ich schüttelte mich vor Grauen. Gänsehaut floss über meinen Rücken. "Natürlich darfst du, lass keine einzige Haarsträhne von ihm übrig!" antwortete die Frau namens Lust. "Darf ich auch das Mädchen essen?" Ich verzog mein Gesicht vor Ekel. "Lasst das Mädchen aus dem Spiel!" verlangte Allan.

"Mitgefangen...mitgehangen!" lachte Lust. >Verdammt! Ich muss etwas tun!< Ich wandte mich aus Allans Griff und berührte den Boden. Eiszapfen bildeten sich und hielt die beiden Wesen in ihrem eisigen Griff. "Kommen Sie, solange die beiden noch tiefgefroren sind." Nun zerrte ich Allan mit mir. Lust und dieser Dicke würden einige Zeit brauchen um die dicke Eisschicht zu durchdringen. Bis dahin waren wir schon über alle Berge.

Nach einer Weile blieb ich stehen und drehte mich zu ihm um. "Allan, geht es Ihnen gut?" besorgt streckte ich meine Hand aus und berührte seinen Arm. "Warum hast du mich gerettet? Du hättest mich dort lassen können, dann wäre es jetzt zu Ende mit mir." Ich verzog die Augenbrauen nach unten, stemmte meine Fäuste in die Seiten und fauchte ihn an: "Sind Sie verrückt! Nicht mal meinen ärgsten Feind würde ich diesen Typen überlassen, geschweige denn Sie!" Wütend blickte ich ihn an. Zum ersten Mal lächelte er. "Arigato! Aber wir sollten uns vielleicht lieber trennen...ich möchte nicht, das dir was passiert, wenn du bei mir bleibst." Verwundert zog ich eine Augenbraue nach oben. Er strich mir leicht über die Wange. Röte stieg mir ins Gesicht. "Wir sehen uns bestimmt bald wieder", flüsterte er, drehte sich um und verschwand.

"Warten...und weg ist er!" Ich schüttelte den Kopf. "Passen Sie gut auf sich auf." murmelte ich leise vor mich hin und lächelte. >So, und nun muss ich sie finden. Aber wo nur?<

Durch einen Schrei wurde ich aus meinen Gedanken gerissen.
 

So das war das erste Kapitel

Ich hoffe es hat euch Spaß gemacht. Also mir schon ^^

Liebe Grüße

und auf bald

eure Lina-san

Hilfe in der Not

Vielen lieben Dank, dass ihr so zahlreich erschienen seid *sich verbeugt*

und auch ein großes dickes Dankeschön an alle, die diese Fanfic lesen und kommentieren, ihr wisst ja wen ich meine ^^ *zu Hotep, Mondvogel, Rhea-chan und Nee-chan guckt* *sich verbeugt*

Ach ja, noch etwas: Edward-kun leidet an einem Größenkomplex *g*

Ich wünsche euch viel Spaß:
 

Hilfe in der Not
 

Nii-san!!" rief eine kindliche Stimme. Man hörte aus ihr einen großen Schmerz und die Angst um den Bruder.

Meine Füße trugen mich schnell zum Ort des Geschehens. Leise drückte ich einige Blätter aus meiner Sicht.

Dort standen ein kleiner Junge und...eine Ritterrüstung?

Aber für Verwunderung blieb keine Zeit. Der blonde Kleine blutete an Arm und Oberkörper, seine Kleidung war schon völlig zerfetzt. Sein rechter Arm leuchtete metallisch im Licht der untergehenden Sonne auf. Er keuchte heftig. Aber er wehrte die Angriffe seines Gegners nur ab, die so schnell aufeinander folgten, wie Gewehrschüsse. Dieser Gegner war eine Frau...nein...das war keine Frau.

Die ganze Zeit hatte der Blonde die Person entsetzt angesehen. "Kaa-san..." flüsterte er leise. Die Frau grinste und wollte gerade wieder zustechen.

Ich legte eine Hand auf den Boden. Wieder schossen Eiszapfen hervor und hielten dieses Wesen auf. Erstarrt in ihren Bewegungen bis zu den oberen Schultern und sehr verblüfft blickte die Frau umher. Auch der Junge und die Rüstung schauten verwundert. Langsam schritt ich aus der Dunkelheit auf die drei zu.

Der Junge blickte mich verdattert an. "Das bin ja ich...oder fast ich...", murmelte er, verdrehte die Augen und wäre hingefallen, wenn ihn die Rüstung nicht aufgefangen hätte.

Ich lächelte diese an. "Wir sollten von hier verschwinden!" "Hai!" Leicht verwundert zog ich eine Augenbraue hoch. Diese Stimme...sie passte irgendwie nicht zu der großen Erscheinung. "Geh schon mal voraus, Junge." Er nickte.

Kurz blickte ich zurück. Die Frau funkelte mich wütend, fast hasserfüllt an. Wieder kniff ich die Augen zusammen. "Ich werde dein Gesicht nicht vergessen!" fauchte die Frau. "Ich werde mir deines auch merken." Das Wesen lachte. "Ach, wirklich?" kicherte die Frau. Ich schmunzelte. "Ja, wirklich! Ach und noch etwas, das Eis wird langsam schmelzen, also wirst du uns nicht so schnell einholen. Bye bye!" Ich drehte mich um und ging dem Jungen hinterher. Das Wesen wetterte hinter mir her, aber das war mir egal.

Ich hatte die Rüstung eingeholt und suchte nun eine gute Stelle um zu übernachten. Einige Minuten später fanden wir eine. Schnell hatte ich ein provisorisches Lager hergerichtet. Behutsam legte die Rüstung den Blonden darauf. Flink untersuchte ich diesen, zog ein paar Mullbinden und Antiseptikum aus der Jackentasche und verband ihn. Er stöhnte leise auf. "Shh, ganz ruhig, Junge!" beruhigte ich ihn.

"So, fertig!" ich zog meine Jacke aus und legte sie über den Jungen. "Arigato!" flüsterte die Rüstung leise. "Schon gut...ähm...wie heißt du eigentlich?" "Ich? Ich heiße Alphonse Elric." Er verbeugte sich leicht. "Und das", er zeigte auf den Schlafenden "ist mein älterer Bruder Edward." "Ich bin Lina. Freut mich dich kennen zu lernen, Al-chan!" Die Rüstung, oder war es der Junge, wurde vor Verlegenheit rot. "Vielen Dank das Sie uns gerettet haben." Alphonse und ich drehten uns um. Edward saß aufrecht da und grinste. Wieder durchzuckte mich ein Schmerz, aber ich ließ es mir nicht anmerken. "Nicht der Rede wert, Ed-chan!" Er guckte mich verblüfft an und murmelte: "Ed...chan..." "Entschuldige...ich kann dich auch anders nennen." "Nein, nein, schon gut." er winkte freundlich ab. "Du solltest dich aber noch ein wenig schonen, Ed-chan. Die Wunde sieht nicht gut aus." Ich drückte ihn sanft zurück. "Okay okay..." und leiser: "Danke!" "Wofür?" "Ach...ähm...vergessen Sie es einfach..." er wurde verlegen. "Ihr könnt beide ruhig ,du' zu mir sagen." kicherte ich. "Wissen Sie...weißt du, dass du meinem Nii-san sehr ähnlich siehst?" Ich nickte. "Ja. Das hab ich auch schon bemerkt" lächelnd neigte ich den Kopf und zu Ed gewandt. "Ich spotte nie über die Größe anderer Leute." Die Augen der Beiden wurden groß. Tellergroß. "Woher weißt du, wegen was ich mich bedankt habe?" Ich lachte. "Ich habe geraten. Und wie es scheint, sogar richtig." mit leuchtenden grauen Augen blickte ich die Beiden an. "So, aber jetzt wird geschlafen." Schmunzelnd deckte ich Ed wieder zu. Al hatte sich schon gesetzt und schaute zu seinem Bruder hinunter.

"Willst du nicht auch schlafen, Al-chan?" wollte ich wissen. "Ähhh...ja, natürlich..." verlegen strich er sich über den Helm. Ich schluckte einen Kloß hinunter. Fast hätte ich angefangen zu weinen. Zur Tarnung gähnte ich einmal herzhaft und streckte mich. Kuschelte mich an den Baum, an den ich mich gelehnt hatte und schloss die Augen. Nur das Einschlafen gelang nicht.

Eine Weile später öffnete ich ein klein wenig meine Augen. Ed war schon eingeschlafen und grinste im Schlaf, dann wurde das Grinsen zu einer erschreckten und zutiefst verängstigten Grimasse. Ich legte sanft eine Hand auf den Kopf von Ed und streichelte ihn. Sein Gesicht entspannte sich. Al schaute mich an. "Kannst du auch nicht schlafen?" fragte ich leise. Er nickte. "Soll ich dir etwas vorsingen?" Leicht strubbelte ich in Eds Haaren herum. Dieser grummelte leicht. Aber ich spürte, dass er auch wach war. "Gerne!" Al freute sich sichtlich. Ich blickte in den Himmel, schloss die Augen und fing mit leiser Stimme ein Lied an zu singen:
 

~*~*~*

"Wenn du müde bist, und dich ganz klein fühlst,

wenn Tränen in deinen Augen stehen,

werde ich sie trocknen.

Ich bin auf deiner Seite.

Wenn die Zeiten schwer sind

und Freunde nicht auffindbar sind

werde ich mich, wie eine Brücke über das Wasser legen.
 

Wenn du niedergeschlagen und kaputt bist,

wenn du auf der Straße stehst,

wenn die Nacht so dunkel ist,

werde ich dich trösten.

Ich werde dich unterstützen.

Wenn die Dunkelheit kommt

und Schmerz überall ist

werde ich mich, wie eine Brücke über das Wasser legen"

(Johnny Cash)

~*~*~*
 

"Das war sehr schön!" Al war gerührt. "Aber es ist nur ein Lied, Al!" wies ihn sein Bruder zurecht, aber auch er war sichtlich berührt davon. Er räusperte sich leicht und wischte sich hastig die Tränen weg. "Meinst du das wirklich so, wie du es gesungen hast?" wollte der jüngere der Beiden noch wissen.

Ich strich der Rüstung über den Helm und wuschelte über die Haare von Ed. "Ja!" gab ich schlicht zur Antwort.

"Woher sollen wir wissen, dass du uns nicht doch hintergehst?" Ich wusste, er meinte es nicht böse. "Ich mag euch beide, deswegen!" grinste ich. Die beiden guckten sich erst verwundert an, lächelten mich dann an. "Arigato!" riefen sie im Stereo.

"Der Tag bricht bald an, du solltest dich noch ein wenig ausruhen." mit diesen Worten drückte ich Ed wieder auf sein Lager und legte meinen Mantel über ihn. "Wenn ich eine große Schwester hätte, sollte sie so sein wie du!" murmelte Ed leise. Al nickte bestätigend. Ich strich ihm liebevoll über die Wange. "Dann sagt doch einfach ab sofort Nee-chan oder Nee-san zu mir, wenn ihr wollt." "Wirklich?" die Augen der beiden glänzten. "Sicher doch! Ähmm..." Al und Ed schauten mich neugierig an. "Was ist, Nee-san." Al musste dieses Wort gleich ausprobieren. "Ich wollte fragen, ob ich euch eine Weile begleiten darf." Meine Augen waren neugierig, aber auch gleichzeitig hoffnungsvoll auf die Beiden gerichtet. "Was meinst du, Al?" grinsend guckte Ed seinen Bruder an.
 

Nun, die Antwort von Al erfahrt ihr beim nächsten Mal ^o^

Vielen Dank schon mal für eure Kommis, ich schätze sie sehr und euch auch

Schöne Tage wünsche ich euch

eure Lina-san

Auf zum Hauptquartier

Erstmal ein großes Dankeschön an meine Leserinnen, es macht sehr viel Spaß für euch zu schreiben und freu mich immer sehr über eure Kommis *sich ganz dolle freut* Und nun viel Spaß beim Lesen, Lachen und leise Schniefen *gg*:
 

Auf zum Hauptquartier
 

"Da fragst du noch, Nii-san!" leicht entrüstet fegte Al seinen großen Bruder an. Dieser lachte. "Okay, abgemacht. Du kannst uns begleiten!" nickte Ed ernst, aber in seinen Augen sah man, dass er sich wirklich über das Angebot freute.

Ich schmunzelte. "Frechdachs!" und strubbelte wild in Eds Haaren herum. Er kicherte und auch Al war am Prusten. "Nun wird aber wirklich geschlafen!" entschied ich und drückte Ed wieder in die liegende Position. "Ja ja..." grummelte dieser im Scherz. Wenige Minuten später war er auch eingeschlafen. Sein Brustkorb hob und senkte sich. Er drehte sich und knurrte irgendwas, grinste dann und schlief weiter.

Al und ich schauten den schlafenden Full Metal an und kicherten leise vor uns hin.

Ich stand auf. Alle Knochen taten mir weh. Ich rieb mir kurz über die Nase, auch diese spannte ein wenig. >Kein Wunder, bei dem Zusammenstoß< grinsend streckte ich mich der Länge nach und blickte dann zu Al, der gerade vor Ed stand.

Auf einmal legte Jemand seine Arme um meine Schultern und drückte mich an sich. Ich schluckte krampfhaft und wurde stocksteif. >Was geht denn jetzt ab? Kann es sein, dass dieser...< Aber das konnte doch unmöglich sein!

"Edward-kun, sag mal warst du nicht kleiner?" fragt eine Männerstimme. "Wer ist hier KLEIN, HÄÄÄÄ?" fauchte eine Stimme hinter Al. Ed sprang auf und blitzte zornig den Mann hinter mir an. "Edward-kun?" Die Stimme des Mannes war verblüfft. Je länger dieser Typ mich festhielt, umso wütender wurde ich. Ich bemerkte den Blick, mit dem er mich bedachte. Spürte, wie mein Gesicht rot anlief...

"WAS FÄLLT IHNEN DENN EIN!!!" schrie ich, drehte mich gekonnt um die Achse und gab dem Kerl mit dem Schnurrbart eine Ohrfeige, dass es nur so klatschte. Dieser war so baff, dass er das Gleichgewicht verlor und sein Hintern den Boden küsste. Al war fassungslos und überrascht von meiner Schnelligkeit. "Major Armstrong, alles in Ordnung?" er streckte dem Major eine Hand entgegen, die dieser dankend annahm. Ed indessen hatte sich vor Lachen aufs Lager fallen gelassen, auf diesem kicherte und prustete er weiter. Er musste sich unzählige Lachtränen von den Augenwinkeln wischen. Hielt sich den Bauch und lachte weiter.

Major Armstrong schaute ihn vorwurfsvoll an. "Schäm dich, Edward-kun, man lacht nicht über Erwachsene!" wies er ihn zu Recht. Ed guckte ihn kurz an...und kicherte weiter.

>Das ist ja die Höhe...dieser Major Armstrong< grummelte ich. Und das was sie machen, sollte ein Erwachsener bei Fremden auch nicht tun!!" schimpfte ich mit diesem seltsamen Major und funkelte ihn zornig an. Spürte wieder ein beklemmendes Gefühl, dass ich aber sorgsam vor den dreien verstecken konnte.

Major Armstrong blickte mich zutiefst erschüttert an. "Gomen nasai." Er verbeugte sich. "Darf ich mich vorstellen, ich bin Major Alexander Louis Armstrong, der Strong Arm Alchemist." Er warf zur Bekräftigung seines Namens seine obere Uniform ab und präsentierte stolz seine Muskeln. Es sah fast so aus, als ob er glitzern würde, aber vielleicht war es auch eine optische Täuschung.

Ich war sprachlos und guckte ihn nur an. Nach einigen Sekunden fand ich meine Sprache wieder. "Hä hä...ich bin Lina, erfreut Sie kennen zu lernen, Major Armstrong." Meine Augen zuckten zusammen. Ich fühlte mich niedergeschlagen und traurig. "Ist mit dir alles in Ordnung, Nee-san?" ein Handschuh legte sich fragend auf meine Schulter. >Ich muss mich besser unter Kontrolle haben< atmete kurz ein und mein Blick glitt nach oben zu Al. Freundlich und beruhigend legte ich meine Finger auf seine. "Alles in Ordnung, danke, Al-chan." Der Major, der neben Ed stand und ihn an sich drückte, zog eine Augenbraue nach oben. Ed zeterte aus vollem Hals, das der Major gar nicht beachtete. "Ihr habt eine Schwester? Ach, nun versteh ich. Darum sieht sie dir so ähnlich, Edward-kun." Er ließ den Jungen los. Dieser schnitt eine Grimasse, grinste dann und meinte: "Ja und nein!" "Wie soll ich das denn jetzt verstehen?" Fragend kratzte sich Armstrong am Kopf. Al, Ed und ich guckten uns an und kicherten.

Der Major blickte nun ernst auf Ed. "Wie ist das passiert?" er zeigte auf die Verbände. "Die Homunculi..." kam die prompte Antwort. "Aber unsere Nee-san hat uns gerettet. Sie hat Sie mit Eis außer Gefecht gesetzt." rief Al begeistert aus.

"Das war keine Sie...ein Er trifft es schon eher", brummte ich überlegend. "Woher weißt du das, Nee-san?" Ich blicke auf. Erst jetzt bemerkte ich, dass die anderen vor mir standen. Erwartungsvoll+ und neugierig. >Mist, ich hab mich verraten...nun ist guter Rat teuer...aber...< Ich schmunzelte. "Keine Frau würde sich so verhalten, ich bin schließlich auch eine." zwinkerte ich den drei Herrschaften zu. Diese nickten. "Ja, und eine gut gebaute noch dazu", dieses Kommentar kam von Major Armstrong. Die Jungs wurden auf der Stelle rot. Auch ich, aber nicht vor Schüchternheit, sondern vor Wut. Meine Zähne knirschten. Ruckartig drehte ich mich zu Major Armstrong herum und fauchte ihn an: "Falls Sie das noch ein Mal versuchen, sind Sie ein Eis am Stiel!! Ist das KLAR?!" Der Major starrte mich perplex an, das einige Sekunden anhielt. Er trainierte wohl schon, wie es war als Eis zu enden. Ich musste mich zusammenreißen, um nicht laut aufzulachen.

Nun stand er stramm vor mir und salutierte. "Ja, Ma'am!" Ich schnaufte ein wenig wütend und wandte mich um. Aber aus den Augenwinkeln beobachtete ich sie.

Armstrong lehnte sich nach unten zu Ed und flüsterte: "Die kann ja ganz schön wütend werden, was?" Dieser nickte bestätigend. "Sie könnte glatt meinem Meister Konkurrenz machen..."

Leicht schmunzelte ich und ging auf Ed zu. Überrascht blickte er mich an. Vorsichtig betastete ich Eds Wunden. "Tut es noch weh?" leicht drückte ich auf eine der Schnitte. Leise zischte es aus dem Mund des Jungen. Ich zog aus meiner Jackentasche frisches Verbandszeug und das Antiseptikum hervor. Nahm die alten Verbände ab. Ed wurde leicht rot, es war ihm anscheinend ein wenig unangenehm, dass ich ihn so entblätterte. "Ich hab das schon oft gemacht, es braucht dir also nicht peinlich zu sein. Ein guter Freund von mir hat mir das beigebracht." Meine Augen leuchteten liebevoll. Ich schaute mir die Wunden noch an. "Sieht schon besser aus. Dann sollten wir nach dem Verbinden aufbrechen. Am besten du lässt dich tragen."

Seine Wunden hatte ich schnell versorgt. "Für dich ist es noch zu anstrengend..." redete ich weiter. "Du hast nämlich ziemlich viel Blut verloren." Mein Blick legte sich besorgt und ernst auf Ed. Dieser lächelte unter diesem.

"Du erinnerst mich an meine Kaa-san...", wisperte Al. Ed schaute zu seinem Bruder hinüber. Seine Augen waren voller Traurigkeit.

Es tat mir in der Seele weh, sie so zu sehen. Langsam lächelte ich, legte eine Hand auf Als Armschiene und strich Ed über die Haare. Ich schloss die Augen und mit leiser und feiner Stimme fing ich an zu singen:

~*~*~*~*

"Zauberin kam zu mir

und sagte, triff mich heute am Nacht am See.
 

Ich jage dieses Lied ins Weiße.

Durch eine Schneeböe sah ich ein Paradies.

Frieden, keine Lügen.
 

Niedergeschlagene Seele

ruh dich für die Nacht aus.

Liebe ist hier

genau hier unter meinen Flügeln."

(Nightwish)
 

Leise schluchzte es neben mir. Verblüfft guckte ich in das Gesicht von Major Armstrong. Lächelte und schaute zu meinen beiden Brüdern. "Geht es euch ein wenig besser, Al-chan...Ed-chan?" Diese nickten dankbar. "Arigato!" verneigte sich Al. Ich seufzte erleichtert auf. Es schniefte immer noch neben mir. "Das war ja so bewegend!!" Major Armstrong wischte sich einige Tränen von der Wange und wollte mich umarmen. "Vergessen Sie das Eis nicht!" meine Augen wurden zu kleinen Schlitzen. Dieser hob leicht abwehrend die Hände, aber freudig jubilierte er weiter: "Du kannst singen wie ein Engel! So wunderschön, so voller Liebe und es erfreut das Herz."

Ich wurde rot. "Wirklich? Dann bin ich doch noch zu was nutze..." flüsterte ich leise und bedrückt schaute ich in den Himmel. Dieser war grau, so grau wie meine Stimmung. Ich schämte mich beinahe, es ging anderen noch schlechter als mir. Mein Blick wanderte zu den beiden Brüdern hinüber. Dann dachte ich zärtlich an meine Mutter, die ich sehr geliebt hatte. Alles was ich noch von ihr besaß, waren meine Begabungen. >Mutter<

"Warum sagst du so was?" hörte ich die bekümmerte Stimme von Ed. Ihr Klang war sanft, kaum wahrnehmbar. Immer noch waren meine Augen auf den Himmel gerichtet. "Ich konnte meine Mutter nicht retten...ich hab es so sehr gehofft, dass ich ihre Schmerzen mit dem Singen lindern könnte oder auch heilen, aber am Ende ist sie doch gestorben...sie hat mir sehr gern zu gehört..." Überrascht bemerkte ich, wie sich mein Blick verschleierte und sich die Tränen einen Weg nach unten bahnten. "Nee-chan..." Ich spürte wie Ed sich an mich schmiegte und versuchte mich zu trösten. Ich lege meine Arme um ihn. "Ed...chan..." meine Stimme war brüchig und ich verstummte sofort. Ich fühlte mich sichtlich wohl...spürte, wie mein Herz ruhig wurde. Ich war den beiden Brüdern so dankbar...

Ich weiß nicht wie lange wir so da standen, aber ich schob Ed nach einer Weile zart von mir. "Ich danke dir, Ototo-chan Ed...und Ototo-chan Al." Leicht lächelnd wischte ich mir die Tränen von den Wangen. "So Kinderchen, wir sollten...*snief* weiter..." Freundlich lächelte Major Armstrong uns an, verräterisch glitzerte es in seinen Augenwinkeln. Ich blickte zu Al hinüber. Auch dieser schien sehr betroffen zu sein. Ich pustete wütend. "Schluss jetzt mit der Deprimiertheit!" entschied ich, legte meine Arme um Ed, zog ihn leicht am Zopf und lachte. "Nee-chan...", halb im Scherz und halb im Ernst grummelte mich Ed an. Frech grinste ich ihn an. Al kicherte und auch Major Armstrong schmunzelte. "Na bitte, geht doch." Al neigte sich ein wenig hinunter, um seinem Bruder den Aufstieg auf seinem Rücken leichter zu ermöglichen. Ich hatte alle gebrauchten Binden in meiner Jackentasche verstaut. Nun konnte es endlich weiter gehen.

Wir gingen schon eine Weile neben einander her. Ed wurde von Al getragen, ich ging neben ihm. Major Armstrong war voraus. Ich bemerkte, dass er nach einer Weile langsamer ging, bis er auf gleicher Höhe mit uns war. "Wo kommst du her, Lina?" >Na, der ist ja gar nicht neugierig...< seufzte ich auf und grinste freundlich. "Aus Rosenburg. Das ist ein kleines Kaff am Meer. Sehr idyllisch dort." "Hast du außer deiner verstorbenen Mutter noch andere Verwandte?" fragte er mich weiter aus. Ich stockte kurz. "Na ja, eigentlich...nur noch zwei Cousins. Ich bin auf der Suche nach ihnen." >Sollte ich es ihnen sagen?< überlegte ich zaudernd und entschied mich, es ihnen vorläufig nicht zu erzählen. Um noch weiteren Fragen zu entgehen, rannte ich voraus, drehte mich aber noch einmal kurz um. "Wo hin gehen wir eigentlich?" "Zum Hauptquartier der States Alchemists." >Das hätte ich mir auch denken können<
 

Nach einigen Stunden
 

Endlich standen wir vor dem großen Gebäude der States Alchemists. Die Stunden im Zug waren schön gewesen, ich hatte mit Al und Ed Karten gespielt. Major Armstrong war eingeschlafen und schnarchte nach einiger Zeit so laut, als hätte er vor einen ganzen Urwald abzuholzen.

Aber nun endlich waren wir am Ziel angekommen. Leicht neigte ich meinen Kopf zur Seite und grinste. "Ich warte hier!" und zeigte auf die Bank in der Nähe. "Ist gut, wir kommen bald wieder." Ed winkte noch leicht mit der Hand, dann machten sich die drei auf den Weg.

Ich setzte mich und schaute hinauf zu einem Baum, indem sich einige Eichhörnchen um Nüsse stritten. Ich grinste und steckte meine Hände in die Taschen der Jacke. Mein Blick wanderte zum Himmel, das schlechte Wetter verzog sich langsam und machte strahlendem Sonnenschein Platz.

Ich hörte hinter mir zwei Stimmen, die sich unterhielten, aber ich beachtete sie nicht.
 

Wer die wohl sind, die sich da unterhalten?

Und wie geht es wohl weiter?

Das alles erfahrt ihr bei unserem nächsten Chapter. Seid gespannt ^.-

Liebe Grüße

eure Lina

Rettung mit Folgen

Hallo ihr Lieben

erstmal vielen lieben Dank für die Kommis ^-^

Zum zweiten: Zum besseren Verständnis habe ich euch bei der Kurzbeschreibung einige Begriffe erklärt

Wir (Mariko und ich) freuen uns immer ganz dolle drauf!!

Ach bevor ich es vergesse, gebe euch Kleenex hierfür aus, wird nämlich ziemlich traurig...aber nicht nur ^____^ also die Taschentücher gespitzt XD und ab gehts...*lach*

Viel Spaß!!
 

Rettung mit Folgen
 

Langsam stand ich auf und streckte meinen Rücken. Die beiden Männer schienen stehen geblieben zu sein, denn ihre Schritte waren nicht mehr zu hören. Leicht neigte ich meinen Kopf. Dort standen zwei schwarzhaarige Männer in Uniformen. Der eine trug eine Brille und der andere einen langen Mantel. "Ist das nicht unser Hagane-boy dort drüben?" meinte der eine mit dem Mantel. "Scheint so...er ist gewachsen." antwortete ihm der andere. "Das geht doch nicht in 2 Tagen", schüttelte der mit dem Mantel seinen Kopf. >Meinen die mich oder wie?< verwirrt drehte ich meinen Kopf noch einige wenige Zentimeter weiter zur Seite. "Schade, jetzt kann ich ihn ja gar nicht mehr wegen seiner Größe ärgern...Hagane-boy." "Wen wollen Sie ärgern, Colonel?" kam es brodelnd hinter den beiden Männern hervor. Al musste Ed festhalten, sonst wäre er den beiden an den Kragen gegangen. Diese fuhren erschrocken auseinander. "Full Metal?" Der mit der Brille guckte Ed erstaunt an. Dann ruhte sein Blick auf mir. "Aber wer ist das?" Ich verkniff mir das Lachen und drehte mich vollends zu den Männern um. Die Augen der zwei Offiziere weiteten sich vor Überraschung. "Häää? Das ist ja ein Mädchen!" kam die Antwort des Offiziers mit dem Mantel. Der andere rieb sich das Kinn. "Aber sie sieht Edward-kun verblüffend ähnlich." Ich kam ganz heran und legte eine Hand auf Eds Schulter, der sich schon wieder beruhigt hatte. "Wie Zwillinge", nickte der Brillenträger. Der Colonel feixte. "Nun, aber du musst zu geben Maes, dass einer der Zwillinge ein wenig klein geraten ist." Ein Seitenblick zu Ed und ich sah, wie er anfing zu brodeln. Er war kurz vor einem Ausbruch. "Colonel..." zischte er zwischen seinen Zähnen hindurch.

Ich musste mir auf die Lippen beißen, um nicht zu lachen. Langsam fing ich an zu kichern, es steigerte sich bald zu einem lauten Lachen. Ich zwinkerte Ed an und gluckste weiter. "Nee-chaaaaan!!" Eds Blick glühte. "Aaaah!" schrie ich prustend auf und rannte hinter Al. Ed mir hinterher. "Ich bin nicht klein!!" wetterte Ed hinter mir, aber zwischendurch hörte ich auch ihn kichern. Es schien ihm viel Spaß zu machen. Wir rannten noch einige Male um Al herum. Ich blickte auf und genau in die Augen des Colonels. Meine Haltung erstarrte. Ich stöhnte vor Schmerzen auf und die Landschaft verschwamm vor meinen Augen zu einer undurchdringlichen farbigen Masse. "Nee-san!" "Nee-chan!" ich hörte die besorgten Stimmen von Al und Ed. >Ich darf mich nicht gehen lassen!< meine verkrampfte Haltung lockerte sich. Konzentriert atmete ich ein und die Masse wurde wieder zur normalen Landschaft. Freundlich lächelte ich meine beiden Brüder an. "Es ist nichts, keine Sorge." Al schaute mich entrüstet an. "Das nehme ich dir aber nicht ab!!" schrie mich dieser an. "Al-chan..." verblüfft blickte ich ihn an. >Ich kann es ihm nicht erzählen...< jede Faser meines Seins weigerte sich dagegen, es ihm zu sagen. Wie würden er und Ed darauf reagieren? Ich wollte es nicht darauf ankommen lassen. "Al hat Recht, es muss doch etwas sein!" Wütend fuhr ich die beiden an. "Es ist nichts, hört ihr. NICHTS!" Die Tränen stiegen mir in die Augen. Ich wollte nur noch weg...weit weg. Ich rannte an den beiden Offizieren vorbei. Mit einem Ruck wurde ich nach hinten gerissen. Total perplex, aber auch entsetzt blickte ich in die Gesichter der beiden Offiziere. Diese hatten mich festgehalten und sahen mich nun leicht erschrocken an. "Nee-chan?" Ich drehte mich herum. Al und Ed guckten betreten zu Boden. Ich schluckte krampfhaft. Es bereitete mir unendliche Qualen, die beiden so zu sehen. "Ich...ich möchte nicht...darüber reden..." meine Worte klangen ängstlich und bittend zugleich. Schließlich nickte Ed. "Na gut, wie du möchtest. Aber falls du doch mal darüber reden willst, ich hör dir immer gern zu." Erschöpft und dankbar lächelte ich ihn an. Die beiden Colonels hatten mich in der Zwischenzeit losgelassen und ich ging auf meine Brüder zu und nahm sie in den Arm. "Verzeiht mir, dass ich euch angeschrieen habe und...danke!" flüsterte ich leise. Ich ließ sie wieder los und grinste sie erleichtert an.

"Wo wir dieses jetzt geregelt haben, schauen Sie mal!" Verblüfft blickte ich auf das Bild, dass mir der Bebrillte vor die Nase hielt. Ich nahm es sanft aus der Hand des Mannes und strahlte. "Die ist ja zu niedlich!" Das Bild zeigte ein 5jähriges Mädchen auf einem Dreirad, das fröhlich in die Kamera winkte. Ich gab es ihm zurück. "Nicht wahr?!" strahlte er mich an und knutschte das Bild ab. Grinsend frage ich ihn: "Wie heißt ihr Kind denn?" Mit roten Wangen und aufgeregt wie ein kleiner Schuljunge, antwortete er mir: "Ihr Name ist Elysia!" "Das ist ja ein wunderschöner Name!" rief ich entzückt aus. Er grinste breit. "Wollen Sie noch einige mehr sehen?" Fröhlich lächelte ich. "Gerne!" Ich griff schon nach den Bildern, als mich Ed am Arm packte und wegzog. "Später...später, Leutnant Colonel Hughes." war seine unmissverständliche Antwort. Sein Blick war genervt. Ich kicherte.

"Sie ist wirklich ein schnuckeliges Ding, oder nicht, Maes?" hörte ich den Colonel sagen. "Ja, da hast du Recht!" Ein knutschendes Geräusch ertönte. Ärgerlich drehte ich mich um. Zu meiner Überraschung sah ich, dass Colonel Hughes das Bild abgeküsst hatte. >Er muss seine Tochter wirklich sehr lieben< das freute mich.

"Ähm...Maes, ich meinte damit eigentlich das Mädchen da vorne!" seufzte der Colonel auf. Er bemerkte meinen Blick und zwinkerte mir zu.

Ich wandte mich sehr schnell um. >Ich hoffe ja nicht, dass dieser Colonel uns folgt. Bitte nicht...< aber meine Befürchtung wurde zur Wirklichkeit. Innerlich seufzte ich auf. Das konnte ja noch heiter werden.

"Wie heißt du?" fragte er mich mit einem - wie es schien - unwiderstehlichem Lächeln. "Lina. Erfreut Sie kennen zu lernen, Colonel." gab ich mit freundlichem Gesichtausdruck zur Antwort. Er blieb stehen, räusperte sich und mit einer Verbeugung in meine Richtung: "Mein voller Name lautet: Colonel Roy Mustang, der Flame Alchemist. Hööö?" Wir ließen ihn stehen. Er guckte uns verdattert nach. Ich verdrehte die Augen, neigte mich zu Ed hinunter: "Ist der immer so?" Dieser nickte und seufzte genervt auf. Colonel Mustang schloss wieder auf, überholte uns und ging voran.

In seinem Büro angekommen setzte er sich vor seinen Schreibtisch.

Als sich auch die beiden Brüder gesetzt hatten, berichtete Ed was vorgefallen war.

Langsam hockte ich mich in das Polster des Sessels. Unablässig lächelte mich Colonel Mustang an. Aber ich beachtete ihn nicht. In Gedanken war ich ganz woanders. Mit leeren Augen starrte ich aus dem Fenster. >Seelenblick...meinem Vater wurde dieser vererbt. Mir auch...es bedeutet eine große Verantwortung, die Gefühle und die Vergangenheit von anderen Menschen sehen zu können. Ein Fluch...und vielleicht manchmal auch ein Segen< ich schmunzelte in mich hinein, aber gleich darauf wurde ich traurig. >Vater...warum...warum bist du fort gegangen? Konntest du deine Gabe nicht mehr ertragen...nachzuvollziehen wäre es...was diese Menschen hier erlitten haben...< ich schluckte.

Ich schrak aus meinen Gedanken, als es an der Tür klopfte. "Herein!"

Ed hatte seinen Bericht gerade abgeschlossen, wie ich bemerkte. Die Tür wurde geöffnet und herein kam eine hübsche blonde Frau. "Taisa...oh, hallo Alphonse-kun und Edward-kun..." verblüfft zog sie eine Augenbraue nach oben. "Ich wusste nicht, dass ihr beiden eine Schwester habt." Eine leichte Verbeugung andeutend drehte sie sich wieder zu Colonel Mustang herum. Mein Bruder zog mich ein wenig nach unten. "Das ist 1st Leutnant Hawkeye." flüsterte er mir zu. Ich nickte dankend. Leutnant Hawkeye legte einige Dokumente auf den Schreibtisch, winkte kurz und war schon wieder verschwunden. >Sie liebt ihn, das hab ich gesehen...und dieser dämliche Colonel weiß gar nichts davon...typisch Mann!< leicht genervt legte ich eine Hand an meine Stirn.

"Also Colonel, wenn es sonst nichts gibt?" Dieser war in die Dokumente vor ihm vertieft und schüttelte nur kurz den Kopf. "Okay, dann verschwinden wir jetzt!" mit diesen Worten zog uns Ed aus dem Büro des Colonels.

Draußen an den Treppenstufen blieben wir stehen. "So und was machen wir nun?" fragte Al. "Na, ich brauche noch einige Sachen. Frisches Verbandszeug, Antiseptikum und..." kichernd wie ein Kleinkind fuhr ich fort: "Süßigkeiten!" Die beiden Jungs lachten. "Okay, wir gehen dann mal in die Bibliothek. Wir treffen uns in 2 Stunden in dem Park da drüben", grinste Ed und zeigte die Richtung an. Ich nickte und machte mich auf den Weg.
 

2 ½ Stunden später
 

Ed und Al saßen auf einer Bank im Park. Lina war noch nicht aufgetaucht. "Wenn Mädchen shoppen gehen..." stöhnte Ed auf und verschränkte die Arme hinter seinem Kopf. Im gleichen Moment grinste er. Er liebte sie wirklich sehr, seine große Schwester, obwohl er sie doch erst einen Tag kannte. Und einiges lag noch im Dunkeln was Lina betraf, aber vielleicht...irgendwann...

In der Nähe knackte es im Unterholz, so als würde jemand sich einen Weg durch die Büsche bahnen.

"Was ist das, Nii-san?" ein wenig ängstlich blickte sich Al um. Ed zuckte mit den Schultern.

Ein Schatten sprang aus den Büschen und blieb in der Nähe stehen. Ed kannte diese Person. Diese Person...die schuld an Ninas Tod war...die so viele der States Alchemisten auf dem Gewissen hatte...SCAR!!!

Purer Hass funkelte aus den goldenen Augen des Jungen. Scar drehte sich um und bemerkte Al und Ed. "Full Metal...welch ein Zufall! Oder Gottes Fügung!" Die roten Augen blitzen auf. Al wollte sich vor seinen Bruder stellen, dieser drückte ihn wutschnaubend weg. "Misch dich da nicht ein, Al!" schimpfte er und sprang gerade noch rechtzeitig einige Schritte zur Seite, da Scar ihn mit seiner verfluchten Hand angriff. Der blonde Junge klatschte einmal in die Hände, legte seine Linke auf die Rechte und die Automail verwandelte sich in eine scharfe lange Klinge. Damit griff er Scar an. Dieser wich ihm gekonnt aus. "Du bist immer noch zu langsam, Full Metal!" erklang die kalte Stimme des Weißhaarigen. Dies machte den Jungen nur noch wütender. >Ich werde ihn zur Strecke bringen...er wird dafür büßen, was er Nina angetan hat!< Mit einem Schrei ging er auf ihn los und auch Scar rannte dem Jungen entgegen...
 

Die 2 Stunden waren viel zu schnell vorüber gegangen. Mit Schrecken erkannte ich, dass ich mich sogar noch verspätete. Aber wenigstens hatte ich alles bekommen was ich benötigte und gut in meiner Jackentasche verstaut. Lediglich die Tüte mit Süßigkeiten behielt ich in der Hand. Knabberte an einer kandierten Banane herum und ging mit schnellen Schritten dem Park entgegen.

Ich war schon in der Nähe des Treffpunktes, als ich einen Schrei hörte. "Ed...Al!!" ich befürchtete das Schlimmste. Ich ließ die Tüte mit Süßigkeiten fallen und rannte dem Lärm entgegen. Entsetzt erkannte ich, dass Ed mit...Allan kämpfte. Ich musste das verhindern. Ohne Nachzudenken sprang ich zwischen die Kämpfenden.

Ich wollte gerade etwas sagen, als ich einen brennenden Schmerz fühlte. Mit angstgeweiteten und zutiefst erschrockenen Augen starrte ich zuerst die Automail, die sich in meinen Bauch gebohrt hatte, an. Blut trat aus der Wunde und färbte das Metall rötlich. Ein Stoß von hinten katapultierte mich noch tiefer in die Klinge. Ich keuchte auf und spuckte leicht Blut. Der rote Lebenssaft spritzte aus der stärker blutenden Wunde. "Ed..." wisperte ich und sah ihn an. Seine Augen waren vergrößert...gerade war noch der blanke Hass in ihnen gespiegelt gewesen und nun...Qual und die aufkommende Erkenntnis, dass er statt Allan mich verletzt hatte. Ich spürte wie die Klinge herausgezogen wurde. Mein Blut rauschte laut in meinen Ohren, aber ich hörte verschwommene Entsetzensschreie. Mein Blick war noch immer auf Ed gerichtet. Dieser begriff langsam was passiert war, entsetzt blickte er mir in die Augen und zitterte am ganzen Leib. "Was hab ich getan?" war alles was er hervorbrachte. Er drehte sich schnell um und rannte davon.

Vor lauter Schmerzen knickte ich in die Knie. Die Wucht des Falls ließ mich aufstöhnen. Ich fühlte wie das Blut meine Kleidung befeuchtete. Mit einer Hand fasste ich danach. Sie war Rot gefärbt. Mit einem ruhigen und fragenden Blick schaute ich nach oben. "Warum?" flüsterte ich und fiel in ein schwarzes gähnendes Loch.
 

Lina landete in den Armen von Scar. Sanft legte er sie auf den Boden. Was soeben passiert war, erinnerte ihn an seinen Bruder. Auch er hatte sich schützend vor ihn gestellt und war gestorben. Das durfte nicht noch mal passieren! Und außerdem fühlte er sich zum großen Teil dafür verantwortlich, was soeben geschehen war. Denn er hatte das Mädchen ja noch tiefer in die Klinge gerammt.

"Sie muss sofort ins Krankenhaus!" schrie Al panisch. Scar blickte den Jungen kühl an. "Aber wenn wir sie dorthin bringen, könnte sie sterben. Wir dürfen sie nicht bewegen." Verwundert schaute der Junge in die roten Augen ihres Widersachers. Lag diesem Mörder etwas an Lina? "Nee-san müsste neues Verbandsmaterial in ihrer Jacke haben." fiel Al ein. Kurz hob sich eine Augenbraue. >Warum nennt er Lina Nee-san?< aber für solche Fragen blieb keine Zeit. "Was hältst du von einem Waffenstillstand? Ich brauche nämlich deine Hilfe." Al nickte. Eilig durchsuchte Scar die Taschen des Mädchens und wurde fündig. Er zog das Verbandsmaterial heraus und gab es dem Jungen in die Hand. Vorsichtig hob er das Mädchen ein wenig an und zog ihr die Oberbekleidung hoch. Diese stöhnte leicht.

>Sie muss sehr große Schmerzen leiden...das ist meine Schuld< verbittert verzog er sein Gesicht. Ihr Bauch lag frei. Alles war voller Blut und es strömte noch mehr aus der Wunde. Schaudernd wandte er seine Augen ab und blickte zu der Rüstung nach oben.

Ihm blieb fast vor Verblüffung der Mund offen. Der Helm, zu dem er aufschaute war rot angelaufen und mit einer Hand verdeckte sich die Rüstung seine Augen. "Junge, gib mir das Verbandszeug." herrschte Scar ihn an. "Ja...sofort!" Scar nahm sie ihm ab und verband die Wunde notdürftig. "Nee-san..." flüsterte Al. >Bitte halte durch! Nii-san...ich hoffe dir geht es gut!< Unruhig schaute er hinunter zu seiner Schwester. >Sie ist so blass.< Das Blut auf ihrem Körper stand im krassen Gegensatz zu ihrer Hautfarbe. Al schluckte. Diese Szene erinnerte ihn an den Tag damals...er schüttelte den Gedanken ab. Langsam kniete er sich zu Lina hinunter und strich ihr über die Haare. Der Weißhaarige war fertig, zog ihr die Kleidung wieder nach unten und legte das Mädchen zurück auf den Boden. Leise zischte Lina auf.
 

Ich blickte mich um. Viele Gerätschaften lagen auf den Tischen. Vor mir saßen zwei kleine Jungen, die einen Alchemistenkreis auf den Boden gezeichnet hatten. Ich wusste, wer die beiden waren und was sie taten. "Nein! Ihr dürft das nicht tun!!" schrie ich. Aber kein einziger Ton kam aus meiner Kehle. Ich wollte zu ihnen und sie aufhalten. Mit Bestürzung stellte ich fest, dass ich am Boden festklebte. Verzweifelt sah ich mit an, wie die beiden ihre Hände auf den Kreis legten. >Nein...<

Dieser schimmerte golden auf. Alles erstrahlte im hellen Licht, leicht züngelten kleinere Blitze darin. Doch dann veränderte sich das Bild.

Rote gefährliche Blitze zuckten. Eine unheimliche und düstere Atmosphäre erfüllte den Raum. Das gerade noch golden glänzende Licht wurde fast schwarz. Verängstigt blickten sich die Kinder um. Dann schrie Ed auf. Ein qualvoller und entsetzlicher Schrei wich aus seiner Kehle. Sein Bruder rief verängstigt nach ihm und verschwand. Ich wollte vor Grauen die Augen schließen, es gelang mir aber nicht. Hilflos musste ich mit ansehen, wie Ed sein Bein verlor. Wie das Blut aus dieser Wunde lief. "Al...Alphonse!" Er robbte zu einer Rüstung, die in der Nähe auf dem Boden lag. Mit einem Finger malte er mit seinem Blut einen Transmutationskreis hinein. Wieder schrie er entsetzlich auf. >Ed...< verzweifelt blickte ich ihn an. Der Nebel verzog sich langsam. Der Kleine stöhnte schmerzvoll auf. Mit Schrecken erkannte ich, dass nun auch sein rechter Arm verschwunden war. "Kaa-san", presste er hervor. Ich schaute wie er auf die Mitte des Kreises. Die Schleier verschwanden. Das Ding dort...ich erschauerte bis in die Knochen. Seltsamerweise stand ich nun vor Ed. Wie gebannt starrte ich in seine goldenen Augen. Ich zitterte. >Dieser Blick...wie vorhin...< Nun veränderte sich das Szenario. Nur eines blieb. Die Augen von Ed. Qualvoll, gepeinigt und verängstigt. Nur war dieser Blick nicht mehr auf das Ding, sondern auf mich gerichtet. Dann wurde alles schwarz um mich herum.
 

Ich hörte ein leises Stöhnen. Langsam öffnete ich meine Augen und wollte mich aufrichten, wurde aber von Allan wieder auf den Boden gedrückt. "Al-chan...Allan" wisperte ich. Die Bewegung verursachte mir noch mehr Schmerzen. Keuchend legte ich eine Hand auf meinen Bauch. "Nee-san", schrie Al überglücklich. "Du bist aufgewacht...zum Glück!" Leise schluchzte er. Die roten Augen von Allan schimmerten erleichtert auf. "Al...-chan...wo ist ...dein Bruder? Wo ist Ed-chan?" erschöpft hielt ich inne und blickte umher. "Er ist weg", hauchte Al. "Dummer...dummer Junge", ächzte ich auf. Spürte wie sich meine Kleidung mit Schweiß voll saugte. Auch mein Gesicht war nass geschwitzt. "Alphonse...such...such nach Ed-chan. Mir geht es schon ein wenig besser", grinste ich ihn an. Mich durchzuckte wieder ein Schmerz, den ich unterdrückte. "Kümmer dich um deinen Bruder...und sag ihm...er soll sich keine...Vorwürfe machen...ich hätte...hätte mich nicht...aaargh", schmerzerfüllt riss ich einige Halme aus der Erde. "Shhh, ganz ruhig!" Zart legte Allan eine Hand auf meinen Mund. Sanfte Röte stieg in mir auf.
 

Der blonde Junge taumelte, er konnte sich gerade noch auf den Beinen halten. Sein Gesicht war leichenblass. Keuchend rannte er. Ed wusste nicht wohin...aber nur weg...so weit weg wie möglich. Er übersah eine Wurzel und fiel auf die Knie. Schwankend kam er wieder hoch. >Wie ist das nur passiert?< Vor seinen inneren Augen tauchte das Bild von seiner Schwester auf. Blutüberströmt und mit diesem entsetzten Blick...er hatte noch nie einen solchen gesehen...voller Todesangst. Er schluckte krampfhaft. >Mein Hass auf Scar...ich war so verblendet...bin schuld...Nee-chan<

"Nee-chan", wimmerte der Junge. In seinen Augenwinkeln bildeten sich Tränen, die seine Wangen hinunterliefen. Aber er bemerkte es nicht. Wieder fiel er hin. Stöhnend wollte er aufstehen, aber er schaffte es nicht aus eigener Kraft. Weinend und erschöpft blieb er liegen. >Warum...warum mache ich alles falsch? Warum verletze ich die Menschen, die mir so viel bedeuten...< "Warum?" schrie er und hämmerte mit seinen Händen auf den Boden. Mit seinen Tränen benetzte er die Erde unter sich.
 

Was wird nun aus Edward?

Bahnt sich da etwa was zwischen Scar und Lina an?

Was wird noch alles geschehen?

Wann wird die Autorin bloß aufhören, so dumme Fragen zu stellen? *gg*

Also bis zum nächsten Mal

Hab euch lieb

eure Lina-san

Meine Schuld

Vielen lieben Dank an alle Leserinnen...ich red nicht viel drum rum...

Ganz viel Spaß beim Lesen! Anhang: Taschentücher!!! ^^
 

Meine Schuld!
 

"Aber Nee-san...", die Stimme von Al war beunruhigt und ängstlich. Mit liebevollen Augen grinste ich ihn an. "Keine Sorge, Ototo-chan. Geh und such ihn." "Na gut." Zaudernd drehte sich Al um und lief eilig in das Wäldchen. >Ich hoffe, es geht Ed-chan gut. Auch Al macht sich große Sorgen um ihn.< Besorgt blickte ich meinem Bruder nach. Seine Gestalt verschwand im Schatten der Bäume. Dann drehte ich mein Gesicht zu Allan hinüber. Dieser kniete vor mir. Seine Augen blickten trüb hinter den Gläsern hervor. >Er gibt sich die Schuld an dem, was gerade geschehen ist.< "Es war auch nicht Ihre Schuld, Allan!", versuchte ich ihn zu beruhigen. Ich sah seine Trauer. "Hätte ich nur auf dich gehört...", flüsterte er leise. Ich spürte wie ich errötete. Mit fester, leicht vorwurfsvoller Stimme antwortete ich ihm: "Ja, das hätten Sie!" "Es tut mir leid.", seine Stimme klang gequält. Die Schmerzen wurden wieder schlimmer, aber ich beachtete sie nicht, stattdessen legte ich Allan eine Hand auf die Wange. Dieser blickte mich überrascht an.
 

"Nee-chan...", wisperte Ed unter Tränen. Es tat so weh ... so unendlich weh. Sein Herz zersprang fast unter der Last. Dieses Verbrechen konnte er nie wieder gut machen.

Sanft legte sich eine Hand auf die Schulter des Blonden. Mit großen und erschreckten Augen sah Ed auf. Al hatte sich zu seinem älteren Bruder hinuntergebeugt. Der erschreckte Blick wich einem verzweifelten und entsetzten.

"Al...Alphonse! Was hab ich getan?!", schrie er gequält auf und klammerte sich Hilfe suchend an seinen Bruder. Die Tränen, die auf die Rüstung tropften, funkelten in der Sonne wie Diamanten. "Nii-san", zärtlich strich Al seinem Bruder über die Haare. "Sie sagt, du sollst dir keine Vorwürfe machen, hörst du?", aber Ed hörte ihn nicht. Er stöhnte nur leise und wimmerte. Al musste diesen Satz einige Male wiederholen, bis er zu Ed durchgedrungen war. Mit tränennassen Wangen blickte der blonde Junge zu ihm empor. "Sie ist nicht...?", sein Herz wurde für Sekunden leicht, aber schon legte sich ein neuer schwarzer Schatten darüber. >Sie verzeiht mir bestimmt nicht ... was soll ich nur tun?<

"Nein, es geht ihr gut.", die Stimme von Al war erleichtert. "Ich kann nicht wieder zurück ...", flüsterte Ed zum Entsetzen seines Bruders. "Ich kann ihr nicht in die Augen sehen ... nicht jetzt ...", zitternd umschlang der schlanke Junge sich selbst. Al packte die Hand seines Bruders und zog ihn in die Höhe. "Du musst! Komm!" Energisch zog er Ed mit sich.
 

Freundlich lächelte ich Allan an. "Sie sollten lieber gehen, bevor Sie noch jemand entdeckt. Keine Sorge, Al ist bestimmt gleich wieder da." Ich spürte wie mir noch mehr Röte ins Gesicht stieg und ließ die Wange von ihm los. Erstaunt blickte ich in das Gesicht des weißhaarigen Mannes. Dieser schüttelte den Kopf. "Ich kann dich hier nicht allein lassen!" Leise lachte ich auf und verstummte sofort vor Schmerzen. >Ich sollte wohl lieber nicht mehr lachen.<

"Das müssen Sie aber.", entgegnete ich Allan. "Keine Sorge, ich bin hart im Nehmen, so schnell sterbe ich nicht!", und mit leiser tränenerstickter Stimme fügte ich hinzu: "Ich will nicht, dass sie sich wieder mit Ed-chan streiten und gegeneinander kämpfen. Ich will das nicht ..."

Kurz herrschte Stille. "Na gut, ich werde gehen...ich..." Er stand auf und blickte noch einmal auf mich herunter. Lächelnd erwiderte ich seinen Blick. "Arigato." Über alle Maßen verwundert zog er eine Augenbraue nach oben. "Warum bedankst du dich bei mir ... ich bin doch schuld, dass..." Ich knirschte ärgerlich mit den Zähnen und hielt mir demonstrativ die Ohren zu. Ließ meine Arme langsam wieder sinken und legte sie auf meinen Bauch. Das Sprechen fiel mir immer schwerer und ich hatte einen brennenden Durst. "Nein ... ich habe es doch schon gesagt, es ist nicht Ihre Schuld, genauso wenig wie die meines kleinen Bruders ... versprechen Sie mir etwas?" "Das wäre?" Fragend und doch wissend begegnete er meinem Blick. "Hören Sie bitte auf." "Ich ... ich kann nicht, du ... weißt nicht ..." >Ich weiß nur zu gut.<, aber ich entgegnete ihm: "Vielleicht ... nicht ... "

Leise knirschte der Kies unter näher kommenden Schritten. "Verschwinden Sie schon!", ich wedelte leicht mit der Hand. Allan nickte und schnell war in der Dunkelheit verschwunden.

Ich blickte mich leicht um. Eine Gestalt näherte sich.

Es war Leutnant Colonel Hughes. Er war in Gedanken vertieft, schaute soeben auf. Seine Augen weiteten sich und er rannte auf mich zu.

"Mädchen, was ist denn passiert?" "Hallo Colonel!" presste ich zwischen den Lippen hervor. >Ich darf ihm nichts sagen...ich würde Ed nur in Schwierigkeiten bringen.< "Unfall..." Er sah, wie ich schwitzte und immer noch blutete. Blickte sich suchend um. Colonel Hughes entdeckte einen jungen Soldaten, der gerade seine Runde machte. "He, Soldat, ruf schnell einen Krankenwagen!" Dieser guckte Hughes erst kurz an, salutierte und stob davon.

Schmerzerfüllt stöhnte ich auf und schloss dabei die Augen. Ich spürte eine Hand auf meiner Stirn. "He, nicht schlafen! Der Krankenwagen kommt gleich." Leicht tätschelte er mich an der Wange. Langsam öffnete ich wieder meine Augen. Freundlich lächelte er, zog seine Jacke aus und legte sie über mich. "Dass du nicht auskühlst ... am besten erzähle ich dir was, dann geht die Zeit schneller vorbei." Ich lächelte. "Ah, ich weiß. Du willst bestimmt etwas von den beiden Elric-Brüder hören, hab ich recht?"

Ich nickte. Colonel Hughes erzählte mir, wie er Ed und Al kennen gelernt und wie Ed seine Prüfung mit Bravour geschafft hatte. Ich grinste, wurde aber wieder um den Blonden sehr besorgt. >Edward...hoffentlich geht es dir gut< Wir hörten in der Ferne eine Sirene, die sehr schnell näher kam.

Der Krankenwagen stoppte und zwei Sanitäter stiegen aus. Ich nahm die Hand von Colonel Hughes und zog ihn etwas nach unten. "Würden Sie ... Al und Ed ...?" "... benachrichtigen? Mach ich! Die werden hier ja irgendwo sein.", beendete der Colonel meinen Satz. Dankbar drückte ich seine Finger zusammen. Die Sanitäter legten mich vorsichtig auf eine Trage und hoben mich in den Wagen. Einer der beiden nahm die Jacke des Colonels und reichte sie ihm. Dieser nahm sie dankend entgegen.

Leise hörte ich noch die Stimme von Colonel Hughes: "Halte durch!", dann wurde die Tür des Krankenwagens geschlossen.
 

Maes Hughes blickte dem Wagen hinterher. Ihm war dieses Mädchen sympathisch, nicht nur weil sie so liebevoll mit den Elric-Brüdern umging. Er grinste, zog eines der Bilder hervor, auf dem seine kleine Tochter abgebildet war. >Sie hat sich ohne zu murren die Bilder meiner süßen kleinen Elysia angeschaut. Ihre Augen haben richtig gestrahlt.< Er seufzte leise auf und zog seine Jacke wieder an. Nachdenklich blickte er auf einen der Blutflecke. Das Blut des Mädchens. "Was ist nur geschehen?"
 

Die Frau im Dunkeln wandte sich ab. "Ich habe genug gesehen, komm!" Der Mann neben ihr nickte und folgte ihr.
 

Al zog seinen Bruder hinter sich her. Ed wehrte sich. Er wollte seine große Schwester jetzt nicht sehen ... nicht jetzt! Dieser Blick von ihr ... ihn schauderte. Er spürte nicht, wie ihm die Tränen kamen. Er versuchte verzweifelt mit seiner freien Hand die Finger von Al zu öffnen, die ihn so gnadenlos festhielten. Al blickte seinen älteren Bruder an. >Ich verstehe nicht was er hat, Nee-san ist ihm doch gar nicht böse. Sie wollte sogar, dass ich ihn suche. Sie macht sich auch große Sorgen um ihn.< Al blieb stehen und wollte Ed beruhigen: "Nii-san, sie ist dir nicht böse! Nun stell dich doch nicht so an!" Zu seinem Entsetzen erreichte er aber gerade das Gegenteil. Eds goldene Augen wurden groß und füllten sich mit Panik und Angst. Er schrie gequält auf und zerrte heftig an der Hand von Al, schlug auf den Brustpanzer seines Bruders ein, wimmerte und schrie immer wieder auf. "Nii-san ... Nii-san, beruhig dich doch...", sanft strich Al ihm über die blonden Haare. Ed stieß seine Hand von sich und blickte auf. "Ich kann keinen Menschen töten, hörst du, Al! Ich kann das einfach nicht...Ich will nicht mehr als Hund des Militärs arbeiten. Ich kann nicht bleiben ... wenn du ihre Augen gesehen hättest...ICH KANN NICHT!!", schrie Ed gepeinigt auf. Al war für einige Sekunden geschockt. >Ich kann Nii-san ja verstehen. Aber ich wünsche mir doch nur, dass er seine Gliedmaßen zurückbekommt und ich meinen alten Körper.< Er lockerte seinen Griff. Ed nutzte den geschockten Zustand seines Bruders aus und riss sich von ihm los. Schnell wandte er sich um und rannte hastig davon. Al wollte ihn aufhalten, aber es war bereits zu spät. Verärgert über das Verhalten seines Bruders rief er ihm wütend nach: "Nii-san!! Du kannst nicht immer vor deinen Problemen davonlaufen, hörst du?! Du musst dich ihnen stellen ... NII-SAN!!" Doch dieser hörte ihn nicht mehr, da er bereits im Dickicht verschwunden war. Al fühlte sich traurig und leer. Er sorgte sich sehr um seinen Bruder und seine Schwester. "Nee-san!", rief die Rüstung erschrocken aus. >Hoffentlich ist ihr nichts geschehen.< Kurz blickte er noch auf die Stelle, an der sein Bruder verschwunden war. Dann rannte er zurück zu Lina.

Er sah schon von weitem, dass seine Schwester nicht mehr da war und befürchtete das Schlimmste. Nur ein Uniformierter stand auf dem Platz und wartete scheinbar auf Jemanden. Leutnant Colonel Hughes. Dieser lächelte freundlich und begrüßte den aufgeregten und heranstürmenden Jungen. "Oh, Alphonse-kun, da bist du ja! Deine Schwester wurde schon ins Krankenhaus gebracht." Er nannte ihm den Namen des Hospitals. "Alphonse-kun, was ... ?" wollte Maes fragen, aber Al war schon an ihm vorbeigelaufen. "Später, Colonel Hughes. Es tut mir leid!" Hughes klappte den Mund zu, grinste und schüttelte den Kopf. Dann zog er eine Augenbraue nach oben. >Wo ist denn Edward-kun?<, wunderte er sich.
 

Endlich waren wir am Krankenhaus angelangt. >Lange hätte ich es auch nicht mehr ausgehalten. Nicht nur wegen der Schmerzen.< Genervt blickte ich die beiden Sanitäter an. Diese hatten mich fast zur Weißglut gebracht mit ihren Fragen: ,Wie heißt du?' ,Wie alt bist du?' ,Woher kommst du?' ,Wie viel Finger halte ich hoch?' Ich verstand es einerseits, aber andererseits wäre ich ihnen liebend gerne an den Kragen gegangen. Erschöpft lag ich auf der Trage und wurde auf ein Krankenbett gehievt und in einen der Operationssäle geschoben. Der Arzt gab mir eine Beruhigungsspritze, säuberte die Wunde und vernähte sie. "Du hast Glück gehabt, dass nicht noch mehr passiert ist, junge Dame. Einige Zentimeter weiter oben und deine Lunge wäre perforiert." Ich nickte. >Ed-chan, es tut mir sehr leid. Wäre ich doch nicht dazwischen gegangen ... aber so konnte ich verhindern, dass dir etwas passiert ... oder Allan...< Die Spritze machte mich ein wenig schläfrig, so schlummerte ich wenige Augenblicke später ein.
 

Alphonse lief die Treppenstufen des Krankenhauses im Eiltempo nach oben. An der Rezeption fragte er nach seiner Nee-san. Die Schwester, die er ansprach, schaute ihn ziemlich verwundert an. Sie gab ihm aber bereitwillig Auskunft. "Arigato!" Al verbeugte sich kurz und rannte weiter. "He, hier wird nicht gerannt!", rief ihm die Frau hinterher. "Tut mir leid!", er verlangsamte seine Schritte. >Wie es Nee-san wohl geht? Und was soll ich ihr sagen, wenn sie nach Nii-san fragt?< Er schluckte nervös. >Aber ich kann ihr auch nicht die Wahrheit sagen, sie würde sich die größten Sorgen machen.< Mit diesen Gedanken klopfte er an die Tür und öffnete sie.
 

Es klopfte an der Tür. Erschrocken erwachte ich. Im Türrahmen stand Alphonse. Freudestrahlend und glücklich grinste ich ihn an. Vorsichtig setzte ich mich auf. "Al-chan!! Ich bin froh, dass du da bist. Setz dich doch." Ich zeigte auf den Stuhl neben dem Bett. "Wo ist Ed? Geht's ihm gut?" meine Stimme wurde besorgt. Al setzte sich langsam und blickte mich an. "Ihm...ihm geht es gut, keine Sorge!" Die Stimme des Jungen zitterte ein wenig und er wurde rot. Liebevoll lächelte ich Al an. Ich wusste, dass er mich anlog, aber ich verstand es. Er wollte mich beruhigen und mir nicht noch mehr Sorgen bereiten. "Da bin ich ja froh, Al-chan!" leicht streichelte ich seine Finger. "Wie wär's, wollen wir Karten spielen?" schlug ich vor. "Gerne!" Ich wusste instinktiv, dass ich Alphonse nicht auf den Konflikt mit seinem Bruder ansprechen sollte. >Diesen Kampf müssen die beiden Brüder alleine ausfechten< traurig betrachtete ich Al, wie er die Karten mischte.
 

Ein blonder Junge schwankte wie ein Betrunkener auf dem Gehweg. Leise wimmerte er auf. Blass und die Augen rot unterlaufen. Tränenspuren waren stumme Zeugen der letzten Ereignisse, die den Blonden mitgenommen hatten. Er wusste nicht, wohin er ging, aber er wollte schleunigst weg ... weg von allem. Erschöpft ließ er sich gegen einen Baum fallen und senkte das Gesicht. >Was habe ich nur getan ... meine Schuld ...< Er bemerkte nicht, wie sich ihm ein Mann näherte.
 

Maes Hughes war noch eine Weile im Park geblieben, um auf Ed zu warten. Dieser musste schließlich auch erfahren, dass seine Schwester nun im Krankenhaus war. Wie es ihr wohl ging?

Aber der blonde Junge erschien nicht. Der Colonel zuckte nach einer Weile mit den Schultern. Vielleicht war ihm ja Alphonse-kun schon begegnet und dieser hatte ihn informiert. Oder auch nicht. Wo war der Junge? Besorgt machte er sich auf die Suche nach Ed.

Eine Möglichkeit wäre es, Edward im Hauptquartier zu finden. Deswegen machte er sich auf den Weg dorthin.

Er kam gerade um eine Ecke. Vor sich sah er den Blonden an einem Baum lehnen. Erfreut, den Jungen endlich gefunden zu haben, ging er auf ihn zu und legte ihm freundschaftlich eine Hand auf die Schulter. "Hallo Edward-kun, da bist du ja. Ich hab dich schon überall gesucht. Deine Nee-chan ... ." Der Blonde zuckte zusammen und blickte auf. Geschockt über den Anblick des Jungen wich Maes Hughes einen Schritt zurück. >Was ist das für ein Blick? Ich habe so was schon einmal gesehen, aber noch nie bei einem Jungen wie Ed. Was ist nur passiert?< Er streckte eine Hand nach dem Blonden aus und schluckte krampfhaft. "Ed ... was ist passiert? Sag doch was, Junge!", fragte der Schwarzhaarige den Kleinen verstört. Die Augen von Edward waren zu viel für ihn ... dieser gequälte Blick zerriss ihm fast das Herz.

Die Stimme von Ed war kaum zu hören, aber ihr Klang. Gepeinigt und schmerzerfüllt. Zitternd flüsterte der Junge: "Es ist alles meine Schuld! MEINE SCHULD!", schrie er die letzten beiden Wörter vollkommen verzweifelt aus. Dem Colonel stellten sich die Haare zu Berge und Gänsehaut ergoss sich über seine Haut. Maes wollte den Jungen beruhigen, dieser wich ihm aber aus und seine Hand fuhr in seine Tasche. Er nahm einen Gegenstand heraus und warf ihn dem Colonel vor die Füße. Eine silberne Uhr mit einem Drachenemblem - das Zeichen der States Alchemist - lag auf dem Boden. Fassungslos starrte Maes auf die Uhr, dann erhob sich sein Blick wieder. Er sah gerade noch, wie Ed sich umwandte und davonlief. Tränen glitzerten in den Augen. Er wollte Edward noch etwas nachrufen, aber seiner Kehle entwich kein einziger Ton. Maes konnte dem Jungen nur ratlos nachschauen. Kopfschüttelnd hob er den silbernen Gegenstand auf. "Was ist nur passiert?", flüsterte er leise, rieb den Staub von der Uhr und steckte sie ein. "Vielleicht weiß ja Roy etwas.", murmelte der Schwarzhaarige und lief schnurstracks in das Hauptquartier der States Alchemists.

Dort angekommen rannte er fast mit Jean Havoc zusammen. "Holla, Colonel Hughes!", entfuhr es dem großen Blonden mit der Zigarette ärgerlich. "Gomen!", rief Maes aus und war schon an der Tür von Roy Mustang angelangt. Ohne anzuklopfen trat er ein. Colonel Mustang schaute ärgerlich auf. Hughes legte ihm kommentarlos die Uhr von Edward auf die Tischplatte. Der Blick des sitzenden Colonels änderte sich. Besorgnis funkelte aus den fast schwarzen Augen. "Was ist passiert?", fragte Roy seinen besten Freund. Dieser erzählte ihm, was sich in den letzten 2 Stunden zugetragen hatte. Entsetzt hörte Mustang seinem Kollegen und Freund zu.

Als Maes geendet hatte, kratzte sich Colonel Mustang nachdenklich am Kinn. "In welches Krankenhaus wurde das Mädchen gebracht? Wir sollten ihr einen Besuch abstatten. Vielleicht weiß sie mehr." Er nickte seinem Freund Maes zu, nahm seine Jacke vom Kleiderhaken und die beiden machten sich auf ins Krankenhaus.
 

"Ich hab gewonnen!", rief ich vergnügt aus. Aber diese Begeisterung war nur vorgespielt. >Ich mache mir große Sorgen um Ed-chan. Wie es ihm wohl geht?< Ich blickte meinen Bruder an, der in seine Karten starrte. Ich wusste, auch er war besorgt um Ed.

Ein Klopfen an der Tür weckte mich aus meinen Gedanken. "Ja, bitte." Die Tür ging auf. Colonel Mustang und Colonel Hughes kamen herein. Ich lächelte. "Oh, es freut mich Sie zu sehen! Was verschafft uns die Ehre?" Wortlos legte Roy Mustang die Uhr auf mein Bett. War das nicht...? "Nii-sans Uhr?!", rief Al entgeistert aus. "Woher haben Sie die?", besorgt nahm ich den silbernen Gegenstand in die Hand. >Ed...< "Edward-kun hat sie mir gegeben." Ich schaute Colonel Hughes in die Augen. Einen Moment lang fühlte ich einen stechenden Schmerz. >Ed-chan ... du leidest so sehr.< Ich musste mich zusammenreißen, ich durfte nicht weinen. >Ich muss ihn beschützen. Sie dürfen nicht wissen, was passiert ist ...< "Wer hat dich angegriffen? Und warum ist Edward-kun so durcheinander?" Ruhig blickte ich die beiden Colonels an und schüttelte den Kopf. "Es tut mir leid, es ging sehr schnell. Daher weiß ich gar nicht, was wirklich passiert ist. Auch Al nicht!" Dieser schwieg. Ich spürte, wie er nervös wurde und legte ihm daher beruhigend die Hand auf den Arm.

Mustang und Hughes sahen uns leicht misstrauisch an, dann seufzte Mustang auf. "Na gut. Wenn dir noch was einfällt, Mädchen, dann lass es mich oder Maes wissen. Das gleiche gilt für dich, Alphonse-kun." Al und ich nickten. Ich gab die Uhr wieder Colonel Hughes zurück. "Ich wünsche dir eine gute Besserung, Mädchen.", lächelte er. "Arigato!" "Das wünsche ich dir auch!", zwinkerte Colonel Mustang. Ich verdrehte kurz die Augen.

Dann waren die beiden verschwunden.
 

Eine Weile später
 

Al-chan wurde immer zerstreuter und sein Blick glitt immer wieder hinaus zum Fenster. Ich hatte ihn noch nie so beunruhigt gesehen. >Ich sollte ihn nicht von der Suche nach Ed abhalten. Aber ich werde ihm unauffällig folgen. Ich will nicht, dass ihm auch was passiert. Wo bist du nur Ed-chan?<, verzweifelt drückte ich meine Bettdecke. Leicht gähnte ich und streckte mich. Eine Krankenschwester kam herein. "Entschuldigung, die Besuchszeit ist gleich vorbei." "Dankeschön." "Dann sollte ich wohl jetzt besser gehen." Al stand auf und wollte sich schon abwenden. "Sag Ed-chan einen lieben Gruß, ja?!" Er nickte. Ich spürte seine Verlegenheit. "Na, bekomm ich keine Umarmung? Als große Schwester steht mir das doch zu!" Ich breitete meine Arme aus und zog meinen kleinen Bruder an mich. Dieser wurde rot und erwiderte die Liebkosung sehr vorsichtig, aus Angst es könnte mir Schmerzen bereiten. "Nee-san, ruh dich schön aus!" Er löste sich aus der Umarmung und ging. Ich blickte aus dem Fenster und merkte mir, wohin Al sich hinwandte.

Wieder gähnte ich. >Ich werde mich einige Minuten ausruhen und Al-chan dann folgen.< Dann schloss die Augen und versank in einer Traumwelt.
 

~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*
 

Ob Alphonse wohl seinen Bruder findet?

Und wird Edward überhaupt noch mit ihm mitkommen wollen?

Wird Lina noch rechtzeitig wach?

Bis zum nächsten Mal!

Liebe Grüße

eure Lina-san und Mariko

Entführt

Und da bin ich auch schon wieder *grins*

Habe einen der Homunculi in die Charainfo mit eingefügt, der in diesem Chapter seinen großen Auftritt hat, der gute...ähm, eher böse Junge heißt Envy.

Nochmals vielen Dank an alle, die mir Kommis schreiben oder noch schreiben werden, ARIGATO! *sich verbeugt*

Und jetzt viel Vergnügen beim Lesen, ach und noch was: Taschentücher bereit halten!!
 

Entführt
 

Der kleine Junge sank auf die Knie. Der Schweiß lief ihm das Gesicht hinunter und vermischte sich mit den letzten Tränen, die aus seinen Augen kamen. "Meine Schuld..." flüsterte er dumpf und schluckte schwer. Seine Kehle war wie ausgedörrt, aber es war ihm egal. Er schloss kurz die Lider. Vor sich sah er seine Schwester...mit diesem Blick. Entsetzt öffnete er sie wieder.

Leise knackste es, als ob ein Fuß auf einen trockenen Ast trat. Erschrocken sprang Ed auf. Die Beine unter ihm gaben leicht nach, aber das interessierte ihn nicht. Seine Sinne schlugen Alarm. Wer war die Person, die hier herumschlich?

Ein Junge kam auf ihn zu. Ed erkannte ihn: Envy!

Envy grinste Edward bösartig an und strich sich die langen schwarzen Haare nach hinten: "Hey Shorty! Oh, du armes kleines Kerlchen, wie siehst du denn aus?" seine Stimme triefte vor Sarkasmus und er lachte schallend. Aber der blonde Junge reagierte nicht. Zwar blitzte so etwas wie ein wütender Funke in seinen Augen auf, aber dieser verlosch so schnell, wie er gekommen war. Das ärgerte den Schwarzhaarigen.

Aber grinsend fuhr er fort: "Komm, Kleiner! Spielen wir ein Spiel...es heißt Katz und Maus! Und ich bin die Katze!!" Envys Arm verwandelte sich sekundenschnell zu einer Klinge, die sich rasend schnell Eds Oberkörper näherte. Dieser riss geistesgegenwärtig seine Automail nach oben. Leicht tropfte etwas Blut vom Metall und ins Gesicht des blonden Jungen. Fassungslos und zu keiner Regung fähig starrte er auf seinen Arm. Envy war Ed schon ganz nah, doch dann hörten beide eine Stimme aus dem Dunkeln. "He, Envy! Wir brauchen den Jungen lebendig, kapiert?" Aus dem Schatten kam eine schöne Frau mit einem kleinen dicken Begleiter, der leicht sabbernd auf den blonden Jungen glotzte. "Lust?" "Ja, was gibt es, Gluttony?" Die katzenartigen Augen blickten fast neugierig auf den Genannten. Dieser zeigte auf Ed. "Darf ich ihn essen?" schon streckte er seine wulstigen Finger nach diesem aus. Wurde aber von Lust mit einer Kopfnuss gestoppt. "Was hab ich eben gesagt: wir brauchen Full Metal lebend!" fuhr Lust Gluttony an. Dieser rieb sich den schmerzenden Kopf und schniefte. "Ja, Lust-sama." Sie tätschelte ihm den Kopf. "Brav." Der Schwarzhaarige grinste die beiden an. Dann zogen sich seine Augen zu Schlitzen zusammen. "Lass mich doch noch ein wenig Spaß mit ihm haben!" packte den Blonden an den Haaren, zog ihn zu sich her und rammte ihm die Faust ins Gesicht. Die Wucht des Schlages ließ Ed nach hinten taumeln, aber da Envy ihn immer noch an den Haaren festhielt, schrie er vor Schmerzen auf.
 

Al hörte einen Schrei. "Nii-san!" Er musste ihm helfen! So schnell er konnte rannte auf die Stimme zu. Mit Schrecken sah er, wie Envy seinem Bruder schlagen wollte. Blitzartig sprang die Rüstung aus dem Gebüsch und hielt den Schlag des Schwarzhaarigen auf. Fest umklammerte er Envys erhobenen Arm. Dieser blickte ihn erst überrascht und dann hasserfüllt an. Bösartig fing er zu lachen an. "He, was willst du denn, Blechschädel?!" Envy ließ die Haare den Blonden los, dieser fiel schmerzverzerrt auf den Boden. Die nun freie Hand schlug auf die Brustpanzerung, so dass Al das Gleichgewicht verlor und an einen hinter ihm stehenden Baum knallte. Währenddessen war Ed aus seiner kurzen Bewusstlosigkeit erwacht. Entsetzt blickte er auf das Szenario, das sich ihm bot. "Al...phonse!" schrie Ed auf und wandte sich zu ihm hinüber. Diese kurze Drehung nutzte Envy und schlug dem Kleinen in den Nacken. Ed erstarrte in seiner Bewegung, seine Augen wurden matt und er fiel der Länge nach hin. Der schwarzhaarige Junge grinste den Bewusstlosen an. Mit einem Fuß drehte er ihn, nicht gerade sanft, auf den Rücken. Packte ihn dann an Händen und Füßen und warf ihn mit einem Ruck auf seine Schultern. Envy drehte sich zu Lust und Gluttony herum. Er tänzelte und lachte: "Na, wie gefällt euch mein Elric-Pelz? Die neueste Mode! Gerade erst erlegt!" gluckste er. Die Frau grinste ihn an. "Komm jetzt!" Sie verschwanden in der dunklen Nacht und ließen eine entsetzt dreinblickende Rüstung alleine zurück.

Al konnte nur fassungslos zu sehen, wie die Drei seinen Bruder verschleppten. "Nii-san..." flüsterte er traurig. So blieb er einige Minuten sitzen. Leise kam ein schluchzender Ton aus der Kehle des Jungen. Mühsam rappelte er sich auf und schlich den Weg entlang, den er gekommen war.
 

Unruhig wachte ich auf und blinzelte in die Dunkelheit. "Mist!" entfuhr es mir. >Ich bin eingeschlafen, wie konnte mir das nur passieren< Ich hüpfte aus dem Bett. Schwummrig hielt ich mich am Pfosten des Bettes fest. Ein paar Mal atmete ich tief ein, stieß mich vom Bett ab und lief an den Schrank, die Schmerzen ignorierend. Schnell zog ich meine, wie ich erfreut feststellte, sauber gewaschene Kleidung an. Schlich mich an die Tür. Ich hörte keinen einzigen Laut, was aber nicht hieß, dass niemand auf dem Flur war.

Ich entschloss mich daher, einen anderen Weg nach Draußen zu nehmen. Da sich mein Zimmer im Erdgeschoss befand, konnte ich bequem aus dem Fenster steigen. Leise öffnete ich es, schwang meine langen Beine über das Brett und sprang. Ich fühlte plötzlich, dass etwas passiert sein musste. Beunruhigt blickte ich umher und rannte den Weg entlang, den mein Bruder vor wenigen Stunden oder waren es nur Minuten, gegangen war. Das Gefühl verstärkte sich, je näher ich dem Wäldchen vor mir kam. Ich schluckte nervös. Eine große Gestalt löste sich aus der Finsternis und entpuppte sich als: Al!

Meine Augen vergrößerten sich vor Freude. "Al-chan!" rief ich ihm zu und ging ihm entgegen. Ich hörte auf einmal schluchzende Laute. Wie erstarrt blieb ich stehen. Als wäre auch der Himmel traurig und teilte den Schmerz des Jungen, öffneten sich die Schleusen des Himmels und es regnete. Erst sanft und zart. Die wenigen Tropfen landeten auf dem Helm. Es schien fast so als ob die Rüstung weinte. Mit Bestürzung sah ich ihn an. Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. "Al..." flüsterte ich und legte ihm eine Hand auf den Arm. Aber wie in Trance ging er an mir vorbei. Ich spürte etwas Salziges auf meinen Lippen. Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht. Plötzlich prasselte der Regen auf uns herunter. Schnell fasste ich nach der Hand von Al und zog ihn mit mir. Dieser ließ es mit sich geschehen.

Unter dem Dach eines Gartenhäuschens drückte ich Al auf die Treppenstufen hinunter. Leicht wischte ich mir die nassen offenen Haare aus dem Gesicht, setzte mich neben meinen Bruder. "Was ist passiert, Al-chan?" Dieser flüsterte etwas, aber ich verstand es nicht. Ich näherte mich seinem Gesicht. Nun konnte ich verstehen was er vor sich hinmurmelte. "Nii-san...Homunculi...Lust...Gluttony...Envy...Nii-san..." er sprach diese Worte so aus, als würde er eine Zauberformel rezitieren. Mir fiel es schwer zu atmen. Ich fühlte mich als würde mich Jemand mit Eiswasser begießen. Diese Namen kannte ich! Aber was waren Homunculi? "Al, sag schon was passiert ist! Und wer sind die Homunculi?" leicht rüttelte ich an seinem Arm, aber keine Reaktion. "Verdammt, Alphonse Elric, wir müssen deinen Bruder retten! Ohne uns ist er verloren!" schrie ich den Jungen an. Dieser erwachte aus seiner Erstarrtheit und blickte mir verblüfft in die Augen. "Nee-san? NEE-SAN!"
 

Stöhnend erwachte der blonde Junge und rieb sich den pochenden Kopf. Langsam erhob er sich und blickte verblüfft um sich. Er befand sich in einem riesigen Raum. Rechts von ihm standen einige Käfige, die zugedeckt waren.

"Na, ausgeschlafen, Shorty?" kicherte eine Stimme neben ihm. Envy lehnte an einem der Käfige und grinste ihn frech an. Der Blonde schaute ihn nur mit matten Augen an, was den Schwarzhaarigen fast zur Weißglut brachte. Warum reagierte dieser kleine Zwerg nicht? Bevor Envy weiter machen konnte, wurde er von Lust auf die Seite geschoben. "Wir wollen dass du etwas für uns tust, Full Metal." Endlich erwachte Ed aus seiner Lethargie. Seine Augen funkelten misstrauisch auf. "Und das wäre?" "Nur eine Kleinigkeit. Du sollst für uns den Stein der Weisen herstellen. Was wir schon einmal von dir wollten, wenn uns nicht das Militär dazwischengefunkt hätte..." lächelte die Frau und warf gekonnt ihre langen Haare nach hinten.

Hatte Ed das richtig gehört oder spielten ihm seine Sinne einen Streich? Das also war ihr Plan gewesen...Der Junge blickte erst baff, dieser Ausdruck wechselte und Wut stach aus den goldenen Augen hervor. "Niemals!" Er schüttelte energisch den Kopf.

Bösartig lachte Envy, der immer noch neben ihm stand, auf. "Ah! Ich weiß, ich stelle dir mal unsere Versuchskaninchen vor!" gluckste dieser fröhlich, stieß sich von der Stange ab und ging geradewegs auf einen der großen Käfige zu. Er zog das Tuch davon herunter. "Tada!" mit einer Verbeugung zeigte er auf den Inhalt des Käfigs. Dort standen dicht gedrängt Mütter mit ihren Kindern und Alte. Die Angst war ihnen ins Gesicht geschrieben.

Eds Haltung erstarrte. >Das kann doch nicht denen ihr Ernst sein?< Aber seine Befürchtung wurde Wirklichkeit als Envy wieder anfing zu sprechen: "Nun, das sind sie. Sie freuen sich schon alle darauf, für den Stein der Weisen zu sterben, nicht wahr, das tut ihr doch?!" Seine Augen glühten unmenschlich auf und er fing amüsiert an zu Lachen. Panik breitete sich bei den Gefangenen aus. Eine Mutter schrie: "Wenn ihr mich schon tötet, dann lasst wenigstens mein Kind am Leben!" Die Kinder weinten und hielten sich krampfhaft an ihren Müttern fest. Die Gesichter der Alten waren betroffen. Ein kleines Mädchen hing verzweifelt am Hals ihrer Großmutter und wimmerte leise. "Bitte, lasst doch die Kinder wenigstens gehen..." flüsterte die grauhaarige Frau unter Tränen.

Verzweifelt blickte Ed auf dieses grausame Schauspiel. Nein, das durfte doch alles nicht wahr sein! Verstört und entsetzt hielt er sich die Ohren zu und schloss die Augen, um so wenigstens dem Geschrei zu entgehen. Aber zwecklos.

Hass stieg in Ed auf...brennender Hass. >Was bilden sich diese Kreaturen nur ein! Ich mach ihn fertig!< Sein Gesicht schnellte ruckartig nach oben und sein Blick hing wütend an Envy. Dieser grinste. >Na endlich, Zwerg!< Der Blonde sprang urplötzlich auf, rannte auf den Schwarzhaarigen zu und erhob kampfbereit seinen Arm. Gelangweilt stand Envy nur da und gähnte. Aber im letzten Moment drehte er sich und trat dem heranstürmenden Ed mit voller Wucht in den Magen. Dieser keuchte auf. Die Luft wurde ihm buchstäblich aus den Lungen gedrückt. Rückwärts fiel er gegen einen der leeren Käfige und stöhnte. Als er aufschaute, stand Envy schon vor ihm. Seine rabenschwarzen Augen funkelten ihn hohnlachend und gleichzeitig verachtend an. "Ihr Menschen habt viel zu viele Emotionen. Das ist eure große Schwäche. Für mich ist es also ein Leichtes dich aufzuhalten, Winzling!" Seine Hand schnellte vor und krallte sich in Eds Hemd. Mit Leichtigkeit hob Envy den Jungen hoch und schlug ihm genüsslich in Bauch. Zweimal...dreimal. Ein leises Ächzen quälte sich aus dem Mund des Blonden. Seine Umgebung fing an zu flimmern und er spürte wie ihm schlecht wurde. Envys Augen hingen gebannt an Ed. Er freute sich, dass er den Kleinen so quälen konnte. Gerade wollte er noch einmal zuschlagen, als sich eine Hand auf seinen Arm legte. "Wie oft muss ich es dir eigentlich noch sagen, Envy. Wir brauchen ihn lebend!" schüttelte Lust tadelnd ihren hübschen Kopf. "Du verdirbst mir auch immer jeden Spaß, Lust!" schmollend wie ein Kleinkind, ließ der Schwarzhaarige Ed los. Der Blonde fiel mit einem Keuchen zu Boden. Envy grinste ihn an und verpasste ihm nochmals einen Fußtritt. Leise knackte etwas in Eds Metallarm. Aber nur der kleine Junge selbst hörte dieses Geräusch, beachtete es aber nicht. "Als krönender Abschluss." kicherte er. Der Kleine krümmte sich leicht. > Das ist die gerechte Strafe dafür, dass ich Nee-chan verletzt habe...Nee-chan...< kurz sah er die silbergrauen Augen seiner Schwester, die ihn liebevoll anblickten, dann wurde es um den Jungen herum finster. Er fiel in absolute Schwärze.

"Das hast du ja wieder fein hinbekommen, mein Lieber." Lust wirkte belustigt, aber auch leicht wütend. Envy grinste die Frau neben ihm frech an. "Ja, nicht wahr!" kicherte dieser, packte Ed am Arm und zerrte ihn in einen freien Käfig. Dann drehte er sich zu den Gefangenen hinüber, die immer noch wimmerten und wehklagten.

"Ruhe jetzt!" Sein Blick wurde kalt. Erschrocken wichen die Menschen bis in die hintere Ecke des Käfigs hinüber. "Na also, warum denn nicht gleich so."

Unbemerkt näherte sich ein Schatten. "Wie bekommen wir nun den Jungen dazu, dass er uns hilft?" fragend legte sich eine Hand auf Lusts Schulter. "Hallo Greed. Gut das du fragst. Wir könnten jemand Spezielles hierher einladen." Fragend zog sich eine Augenbraue nach oben. "Wen meinst du?" Die hübsche Frau lächelte wissend. "Das Mädchen. Wenn wir sie in unserer Gewalt haben, wird er schon kooperieren." und zeigte auf Ed. Neugierig neigte Envy seinen Kopf und kicherte. "Woher weißt du das so genau?" Lust schaute zu dem schwarzhaarigen Jungen hinüber. "Ich habe sie beobachtet. Ich weiß auch warum, der Kleine sich so seltsam verhält. Er würde alles für dieses Mädchen oder seinen Bruder tun." "Du bist wirklich schlau, Lust!" Greed packte die hübsche Frau und wollte sie an sich ziehen. "Du solltest dir das noch mal gut überlegen!" blitzschnell hatten sich die Fingernägel von Lust verlängert und stachen leicht in die Haut des Mannes. Greed lachte auf. "Okay, ich mache mich dann mal auf den Weg und hole unseren Ehrengast!"
 

"Schon gut, Al-chan!" Ich legte tröstend meine Arme um ihn. Langsam beruhigte sich der Junge. "Wer sind die Homunculi?" flüsterte ich leise. "Sie sind künstlich erschaffene Menschen. Aber ich weiß nicht genau, was sie von Ed wollen. Sie haben schon einmal versucht, Nii-san zu kidnappen, aber im letzten Moment sind wir vom Militär gerettet worden." Seine Stimme wurde leicht brüchig. Sanft strich ich ihm über den Arm und schaute auf.

Der Himmel war noch leicht bewölkt. Einzelne Sterne funkelten am blausamtenen Firmament. Verblüfft schaute mich Al an. "Nee-san, was tust du überhaupt hier? Du gehörst noch ins Bett!" Lächelnd schüttelte ich den Kopf. "Nicht, wenn ihr meine Hilfe braucht! Außerdem ist es jetzt wichtiger das Versteck oder die Basis dieser Homunculi zu finden."

Leicht raschelten die Zweige eines Buschs. War es nur der Wind gewesen oder...

~*~*~*~*

Nun wurde ein wenig von dem Geheimnis um den Stein der Weisen gelüftet...grausam...

Und wer kommt da?

Was wird weiter geschehen?

Bis zum nächsten Chapter wünsche ich euch eine schöne Woche

bis bald eure Lina-san

Du darfst es nicht tun!

Warum das Kapitel so heißt, lasst euch überraschen. ^o^ Viel Vergnügen beim Lesen

Noch vielen Dank an alle Leserinnen, es macht richtig Spaß mit euren Kommis weiter zu schreiben...das heißt für euch... Ô.Ô fleißig Kommis schreiben, biddööööö!! *euch lieb anguckt*
 

Du darfst es nicht tun!
 

"Ah, ihr beiden wollt also unsere Basis sehen?"

"Wer sind Sie?" ich kniff meine Augen zusammen, denn die Sterne am Himmel spendeten kaum Licht.

Leise lachend kam ein hoch gewachsener Mann auf uns zu. Bevor ich nochmals den Mund öffnen konnte, stand Al schützend vor mir. Leicht neigte ich meinen Körper, um ein wenig besser sehen zu können.

Der Mann stoppte. In diesem Moment brachen die Wolken auf und der Mond erhellte die Szene mit seinem kalten Licht.

"Du hast wirklich sehr große Ähnlichkeit mit diesem Full Metal, Mädchen! Ach ja, du wurdest herzlich eingeladen." grinsend näherte er sich uns immer mehr.

"Ich lasse nicht zu das Sie meine Nee-san mitnehmen!" fuhr Al ihn an. Schmunzelnd blickte der Schwarzhaarige meinen Bruder von oben bis unten an. "Wie willst du das verhindern?" mit einer schnellen Bewegung war er an Al-chan vorbei. Ich wollte aufspringen, aber da hatte dieser Kerl mich schon gepackt und seinen Arm um meinen Hals geschlungen. >Verdammt, ich kann nichts tun, ich bin noch viel zu geschwächt< Ich keuchte auf. "Nee-san..." Alphonse ging auf uns zu. "He, du willst doch sicherlich nicht, dass ich deiner Schwester ihr hübsches Genick breche?" Der Druck verstärkte sich.

Mein Bruder blieb stehen und schüttelte den Kopf. "Nein, das will ich nicht." Leise kicherte der Schwarzhaarige. "So ist es recht!" Ich spürte, dass sein Blick auf mir ruhte. "Du bist sehr schön, meine Kleine." flüsterte dieser Kerl mir ins Ohr. Mein Gesicht verzog sich angewidert. Er legte eine Hand auf meine Haare und strich über sie. "So weich..." Leise knirschten meine Zähne. Ich trat ihm kräftig auf den Fuß. Aber nicht die erwartete Reaktion stellte sich ein, sondern er fing an zu kichern. Drehte mich schwungvoll zu sich herum, umklammerte meine Taille und warf mich über seine Schulter. Ich ächzte kurz auf. Ein Schmerz durchzuckte meinen Bauch, aber ich unterdrückte ihn.

"Na, dann wollen wir mal, die anderen warten schon! Du gehst vor uns her, Blechbüchse!" befahl der Mann mit kalter Stimme. "Nennen Sie meinen Bruder nicht Blechbüchse, Sie..." fuhr ich ihn wütend an und zappelte. "Sei schön artig Mädchen!". Eine Hand legte sich auf meinen Hintern. "Was fällt Ihnen denn ein?!" rief ich. >Meine Kräfte sind noch zu schwach...< seufzte ich innerlich auf. Mir blieb nur eine Möglichkeit. Vielleicht war es ja kindisch, aber...

Ich zwickte ihn so gut wie ich konnte. Kichernd klopfte er mir auf den Allerwertesten. "He, du hast ein ganz schönes Temperament!"
 

Einige Minuten später
 

Ich hatte es aufgegeben, mich zu wehren. Auch deswegen, weil meine Wunde schmerzte. Leicht keuchend hing ich wie ein nasser Sandsack über der Schulter des Mannes. Al konnte nur hilflos zusehen. Ich hörte wie sich seine metallene Hand einige Male zur Faust ballte. Spürte seine Sorge.

Dann blieben wir an einer Metalltür stehen. "Klopf an die Tür, Blechkopf!" mit einer befehlenden Kopfbewegung nickte er zu Al. Dieser tat es.

Ich knurrte leise auf. Es ärgerte mich, dass dieser eingebildete Idiot meinen Bruder so abwertend behandelte.

Leise knirschend öffnete sich die Tür. "Hallo Greed. Endlich bist du da, wollte schon nach dir sehen." kicherte es im Inneren.

"Du hättest unseren Ehrengast höchstwahrscheinlich an den Haaren hierher geschleift, mein lieber Envy." lachte Greed schallend. "Aber so ein hübsches Mädchen muss man pfleglicher behandeln." Mit diesen Worten strich er mir über den Hintern. Als Antwort kniff ich ihn noch einmal. "Holla!" lachte dieser nur. Grinsend schubste er Al vor sich in den abgedunkelten Raum.

Endlich wurde ich von diesem Greed abgesetzt. Ich fühlte das ich rot war...rot vor Zorn. Blitzschnell fuhr ich meine Hand aus und sie landete zielgenau im Gesicht des schwarzhaarigen Mannes. Dieser blickte mich sekundenlang verwundert an. Seine Augen funkelten auf, glucksend packte er meinen Arm und stieß mich auf einen Stuhl, der vor mir stand. Ich schaute zu Al hinüber. Dieser saß schon gefesselt auf einem Stuhl und wurde von einem schwarzhaarigen Jungen, der vielleicht nur 3 Jahre älter als Ed war, in Schach gehalten. >Diese Augen kenne ich...< ich erschrak. Auch er blickte mich an und ein breites Grinsen zierte sein Gesicht.

Ich wurde von hinten an den Armen festgehalten und gefesselt. Ich biss vor Schmerzen auf meine Lippen. "Verhaltet euch schön ruhig." hohnlächelnd legte Envy neckisch seinen Kopf zur Seite. >Diese Augen sind so kalt...nur Schreckliches ist in diesem Wesen verborgen< Wie viele Menschen hatte dieser Homunculus wohl schon auf dem Gewissen? Mir lief ein Schauder über den Rücken.

Eine Hand legte sich auf meine Schulter. Ich zuckte zusammen, schräg linste ich nach oben. Neben mir stand Greed, sein Lächeln war schleimig. >Ich würde dir am liebsten den Hals rumdrehen...< meine Augen funkelten wütend auf.
 

Der blonde Junge keuchte auf. Langsam öffneten sich seine Augen. Er hoffte, dass alles was erlebt hatte, nur ein böser Traum war. Aber er wurde eines besseren belehrt. Er biss die Zähne zusammen, hielt sich an der Käfigstange fest und hievte sich hoch. Der Raum drehte sich noch vor ihm, aber nach jedem weiteren Atemzug sah er seine Umgebung klarer und deutlicher.

"Na Full Metal, hast du es dir in der Zwischenzeit überlegt? Hilfst du uns?" Edwards Gesicht schnellte in Richtung der Stimme. Vor ihm stand Lust, die ihn neugierig musterte. Der Blonde schüttelte den Kopf. Fast wäre er umgefallen, so kraftvoll war seine Bewegung.

Lachend öffnete Envy, der gerade neben Lust aufgetaucht war, die Käfigtür. Packte den blonden Jungen an der Automail und zerrte ihn aus seinem Gefängnis. Dann ließ er ihn los. "Willst du es dir nicht noch mal überlegen?" fragte Lust und zupfte an ihren langen Haaren herum. "Nein!" Ed schaute die beiden entschlossen an. >Ich werde ihnen nie und nimmer helfen!<

Lust lachte fröhlich auf. "Wir haben eine kleine Überraschung für dich, Full Metal. Envy!" "Schon dabei!" grinste der Angesprochene, ging zu einem Vorhang und zog ihn beiseite. Der Blonde erstarrte.
 

Vor uns stand: Ed. Mir fiel ein Stein vom Herzen. Aber wie sah er nur aus?! Schürfwunden im Gesicht und blaue Flecke.

"Nii-san!" schrie Al erfreut auf. Dieser schaute uns verwundert an, dann Envy. Seine Stimme war fassungslos: "Was soll das?" Der schwarzhaarige Junge neben ihm war im ersten Moment verblüfft, dann kicherte er: "Nach was sieht es denn deiner Meinung nach aus?"

"Ed-chan...ich bin so froh...", liebevoll lächelte ich ihn an. "Nee-chan...Alphonse..." Ed schluckte schwer. "So und nun Shorty: Wirst du uns nun helfen?" grinste Envy. Die Haltung meines Bruders verkrampfte sich. Ein leichter Schweißfilm bildete sich auf seiner Stirn. Ich spürte seine Unruhe und Nervosität.

Ein schnüffelndes Geräusch wurde hörbar und mein Gesicht schwenkte zu diesem. Da stand dieser seltsame Dicke und schnüffelte wie ein Hund an Al herum. Greed schlich sich an und schlug dem kleinen Homunculus auf den Rücken, dieser ruderte kurz mit den Armen und verlor das Gleichgewicht. Er fiel so ungeschickt auf Alphonse, dass der Helm von der Rüstung hinunterfiel. Mit lautem Dröhnen landete dieser auf dem gekachelten Boden. "Mein Helm!" schrie der stählerne Junge entsetzt.

Über die Blicke der anwesenden Homunculi hätte ich fast gelacht, wenn diese Sache hier nicht so ernst wäre. Diese Wesen glotzten Al-chan an. "Dem fehlt ja der Kopf!" grinste Envy. "Ich erinnere mich...das Blutsiegel im Innern der Rüstung..." lächelte die Schwarzhaarige. Der Dicke stand ganz dicht vor der offenen Rüstung. Meine Augen vergrößerten sich vor Angst. Die lange Zunge des Homunculi erschien zwischen den Lippen.

"NEIN!!" schrie ich auf, schwang mein Bein hoch und rammte es dem Homunculus in den Bauch, stöhnend fiel dieser einige Schritte weit. Leicht ächzend schnaufte ich hörbar auf.

"Na, dann wollen wir doch mal sehen, wo dieses Siegel genau ist." kicherte der Schwarzhaarige.

Ed keuchte erschreckt auf. Envy näherte sich und blickte in das Innere von Al. "Ah, da haben wir es ja..." Seine Finger näherten sich der Seele meines kleinen Bruders. "Nein!" schrie mein blonder Bruder fassungslos.

>Es gibt nur eine Möglichkeit!< blitzschnell riss ich mein Bein wieder hoch und wollte den Jungen treten. Dieser tauchte aber unter mir durch, packte mich an meinen Haaren und riss mich vom Stuhl. Schmerzerfüllt zischte ich leise auf. Ich sah, wie der Arm von Envy sich verwandelte und spürte etwas Kaltes, Scharfes an meinem Hals. Mein Atem wurde schneller und ich schluckte krampfhaft. Eine lange Klinge drückte sich gegen meine Haut.

"Nee-chan!!" schrie Ed auf und machte einen Schritt vorwärts. Aber er kam nicht weit, da er von Lust an der Schulter festgehalten wurde und sie seinen Arm nach hinten drehte. "Shorty, zum letzten Mal! Kooperierst du mit uns oder nicht? Wer soll sterben, sag schon? Deine so ach geliebten Geschwister oder diese Menschen da. Und diesmal wird euch das Militär nicht zur Hilfe eilen..." Envy zeigte mit der freien Hand erst auf Al und mich, dann auf einen Käfig.

In diesem standen Kinder, Mütter und Alte...

Nun verstand ich es. Sie wollten mit Hilfe der Lebensenergie dieser Menschen den Stein der Weisen herstellen. Und dazu brauchten sie die Hilfe von Ed. Es war entsetzlich und grauenvoll! Kalter Schweiß brach auf meinem Körper aus und ich schüttelte mich wie im Fieber. Ich schluckte die Angst hinunter, hoffte...betete, dass man mir nicht ansah, wie mich Panik und Schrecken erfüllten. Ich blickte fest in goldenen Augen meines Bruders. "Du darfst das nicht tun, Ed-chan!" rief ich und zappelte im Griff des schwarzhaarigen Jungen. Mein Blick glitt kurz zu Al. Greed stand neben ihm und legte, wie zufällig, seine Hand in die Nähe des Blutsiegel der Rüstung. Envy kicherte. "So? Er darf das also nicht?" und beugte sich zu mir herunter. "Du siehst diesem Zwerg viel zu ähnlich, am liebsten würde ich dich verletzen...was ich hiermit auch tue!" genüsslich lachend drückte er mir die Klinge tief ins Fleisch. Warm floss mir das Blut hinunter und ins Dekolette. Aber ich beachtete es nicht. "Nee-chan!" rief Ed. Ich schaute hoch und unsere Blicke trafen sich. >Ed-chan...es tut so weh in deinen Augen zu sehen, wie viel Angst du um uns hast und das du alleine die Entscheidung fällen musst, wer am Ende sein Leben lassen muss. Aber liebe sterbe ich, als dass ich zusehen muss, wie diese unschuldigen Menschen fallen<
 

Ed blickte in diese Augen...silbrig und mit großer Angst erfüllt. Die Erinnerung der letzten Stunden kam wieder in ihm hoch. Sein Körper fühlte sich an, als wäre er durch die bitterste Kälte und durch die größte Hitze gewandert. Geschockt vom Anblick seiner Schwester schloss er die Augen.
 

"Nii-san, es ist mir egal, was mit mir passiert! Aber hilf Ihnen nicht!" schrie Al entsetzt und aufgewühlt. >Al-chan...auch er weiß Bescheid was diese Bestien vorhaben.< Meine Augen wurden sanft und eindringlich sprach ich auf Ed ein: "Ja, uns ist es egal! Bitte hör auf uns, Ototo!"
 

Was wird Edward nun tun?

Wird er seine Geschwister oder die Menschen im Käfig opfern?

Wie geht es weiter?

Das werdet ihr im nächsten Chapter erfahren, bis dahin

wünschen euch Mariko und Lina eine schöne Woche und ein tolles Wochenende

Die Entscheidung

So, das nächste Chapter für euch, dass ihr nicht zu lange auf die Antwort von unserem süßen Ed warten müsst:

Vielen Dank für alle Kommis, die gekommen sind oder noch kommen werden...ARIGATO
 

Die Entscheidung
 

Langsam öffnete Ed seine von Trauer umwölkten Augen. Leise fing er an zu sprechen: "Nein, ich kann euch nicht opfern." er schüttelte den Kopf. Seine Stimme war zittrig als er redete und dabei Envy ansah: "Na gut, dieses Mal werde ich euch helfen." Ich spürte wie sein Willen und sein Widerstand gebrochen waren. Es schnitt mir ins Herz, meinen lieben Bruder so zu sehen. "Nii-san..." Al's Stimme war brüchig. >Er hat große Angst um Ed...diese Wesen< Ich blickte wütend auf Envy, der immer noch neben mir saß und die Klinge an meinen Hals hielt. Dieser grinste Ed an.

"Braver Full Metal!" kicherte Lust und tätschelte dem Blonden den Kopf. Der schwarzhaarige Junge zerrte mich auf die Beine und schubste mich grob auf den Stuhl. Leicht keuchend knallte ich auf ihn. Schmerzen schlichen sich ein, doch wiederum unterdrückte ich sie. >Ich muss doch irgendetwas tun können...< meine Lippen bebten und hektisch dachte ich nach. Aber es fiel mir nichts ein. So konnten Al und ich nur tatenlos zusehen, was nun passierte.

Die hübsche Frau ließ Edo los. Dieser blickte kurz auf uns, seine Augen waren mit Tränen gefüllt. Er drehte sich hastig um, nahm Kreide vom Tisch und schritt zu den Menschen an den Käfig.

Die Opfer schauten den herannahenden Jungen furchtsam an. Den Blick auf den Boden gerichtet, zeichnete Edward einen Transmutationskreis darauf, so dass der Käfig nun genau im Mittelpunkt dieses Kreises stand.

"Hör auf, Ed-chan!" schrie ich panisch. "Bitte, nii-san, lass es sein!" rief auch Al. Ich war den Tränen nahe, so nutzlos hatte ich mich noch nie gefühlt. >Was soll ich nur tun?<

Aber der Blonde legte seine Hände auf den Alchemistenkreis, der golden aufglänzte.

Ich blickte zu den Menschen hinüber und wurde von deren Gefühlen überwältigt. Es zerriss mich fast. Todesangst...pure Todesangst stand in den Herzen dieser Opfer geschrieben. Sie wurden von einem leicht roten Schimmer umgeben und schrieen auf. Schmerzerfüllt und panisch.

Ed blickte auf. Seine Augen weiteten sich. Erstarrt und betroffen schaute er die wimmernden Opfer an, die sich vor Schmerzen krümmten. Aber er war nicht fähig ein Glied zu rühren. Die Tränen rannen ihm die Wangen hinunter. Gequält und gepeinigt schrie er auf.

Kurz linste ich forschend zu den Homunculi. Keiner beachtete mich, sie glotzten alle wie gebannt auf das ihnen gebotene Schauspiel. Ihre Gesichter waren entspannt und sie lächelten... Wut kochte in mir hoch. >Ich muss es aufhalten!< Vorsichtig legte ich einen Finger auf das Seil, mit dem ich gebunden worden war und konzentrierte mich. Spürte wie die Eiszapfen das Hanf erstarren ließ und ich es leicht zerstören konnte.

Ich sprang ruckartig hoch und auf meinen blonden Bruder zu. "Ed-chan!" rief ich, griff nach seinen Händen und riss sie hoch. In diesem Moment fühlte ich, wie mir die Energie entzogen wurde, aber es war mir egal. Ich musste es aufhalten! Darum ließ ich ihn nicht los. "Ed..." mein Blick wurde weich, aber ich konnte ein Stöhnen nicht unterdrücken. "Nee-chan...lass mich los! Lass mich sofort los!" hysterisch stieß er mich zur Seite. Keuchend schlitterte ich auf den Boden. Mein Körper schmerzte, meine Sinne schwanden...
 

Entsetzt sah Ed wie seiner Schwester genauso die Energie entzogen wurde, wie diesen Menschen dort. Sie schimmerte leicht rötlich. Leise ächzte sie. >Was soll ich machen?< Panik ergriff den Blonden. Er war in heller Aufregung. >Es gibt nur einen Ausweg! Es ist vielleicht unmöglich, aber ich muss es schaffen!< Sein Blick wurde entschlossen und schnell legte er seine Hände wieder auf den Kreis.

Die Opfer innerhalb keuchten auf und bald, das wussten sie, würden sie sterben, aber dann...

sie fühlten ihre Energie wieder, zwar erst wenig, aber nach und nach immer mehr.

"He, passt auf, Full Metal hat was vor!" rief Greed warnend aus. "Du kleiner Bastard!" schrie Envy wütend und wollte sich auf Edward stürzen. Bevor er einen Schritt nach vorne gehen konnte, löste sich ein Schatten aus dem Hintergrund und stellte sich ihm und den anderen in den Weg. Al hatte sich nämlich inzwischen befreien können, seinen Helm vom Boden aufgehoben und aufgesetzt. Nun stand er wie ein unüberwindbarer Fels vor ihnen. Envy knirschte mit den Zähnen. Greed blickte die Rüstung belustigt an. "Ihr kommt nicht an mir vorbei!" Alphonse breitete seine Arme aus. "Ihr müsst schon gegen mich kämpfen!" "Nichts lieber als das!" zischte der schwarzhaarige Junge. "Und nichts leichter als das." beendete Lust Envys Satz. Aber sie irrten sich. Der Stahlgigant zeigte keinerlei Blöße und parierte alle Schläge mit Leichtigkeit. Die Liebe zu seinen Geschwistern gab ihm die nötige Kraft.

Ed schwitzte und keuchte laut. >Ich muss noch ein wenig durchhalten...< seine Hände zitterten, er spürte sie schon seit einiger Zeit nicht mehr, als wären sie taub.

Seine Augen streiften das blonde Mädchen am Boden. "Nee-chan..." flüsterte er traurig und gleichzeitig liebevoll.

Es würde bald kritisch für ihn werden. Er biss die Zähne aufeinander und ignorierte jeden Schmerz. Sich nur auf eine Sache konzentrierend...die Leben der Menschenopfer und das seiner Schwester zu beschützen. Koste es was es wolle.

Einem Instinkt folgend schaute Al zu seinem Bruder hinüber und erschrak. >Wenn er so weitermacht, wird er sterben...nein, das darf nicht geschehen!< "Nii-san, hör auf! Das ist zu gefährlich!" schrie die Rüstung verängstigt.
 

"Nii-san, hör auf! Das ist zu gefährlich!" hörte ich auf einmal meinen Bruder voller Angst rufen. >Edo!< Meinen zerschundenen Körper nicht beachtend, war ich blitzschnell auf den Beinen. Mit Entsetzen erkannte ich sofort, dass Alphonse berechtigt Angst um Ed hatte. Dieser war blass, schweißgebadet und zitterte wie Espenlaub. Er würde jeden Moment sterben..."ED-CHAN!" schrie ich gepeinigt, Sekunden später stand ich hinter ihm, umarmte ihn und legte meine Finger auf seine Hände. Ein warmes Licht, silbrig glänzend und hell umgab uns. Lächelnd blickte ich auf den Transmutationskreis, der seine goldene Farbe wechselte und nun genau so silbern aufleuchtete wie wir. Leise seufzte ich auf.
 

Der blonde Junge fühlte sich völlig entspannt. So weich und geborgen, wie im Schoß seiner Mutter. Er schloss beruhigt seine Augen. "Mama-san!"

Verblüfft blickte Ed auf das kleine Mädchen, das seiner Mutter entgegen eilte. "Mein Engel!" rief die Frau fröhlich, ihre Augen hatten einen warmen und liebevollen Grauton und erinnerten den Blonden an seine große Schwester. "Nee-chan?" wisperte der Junge fragend. Aber das konnte doch nicht sein. Diese Frau war älter als Lina. Vielleicht...

Das Kind lächelte mit ihren großen silbrigen Augen zu seiner Mutter hinauf. "Na, meine kleine Lina!" lachte die schlanke Frau. >Das ist also nee-chan< Ed kullerten einige Tränen von der Wange und grinsend neigte er seinen Kopf zur Seite. Sie war so niedlich. Dann änderte sich das Bild ein wenig.

Das blonde Mädchen umklammerte ein Bein von...konnte das sein? >Kaa-san!< die goldenen Augen des Jungen wurden groß. Aber woher kannte Lina...?

Sanft legte sich eine Hand der braunhaarigen freundlichen Frau auf den Schopf des kleinen Kindes. Diese grinste und streckte ihr eine Blume entgegen. "Kaa-san..." flüsterte Ed.
 

Envy stand in der Nähe von Greed. "Beschäftige ihn, ich werde mich um den Zwerg kümmern!" Grinsend nickte der große Schwarzhaarige. Greed griff Al direkt an, dieser konnte sich für einige Momente nur auf ihn konzentrieren. Flink war Envy unter der Rüstung durchgerutscht, sein Arm verwandelte sich in eine schlanke Klinge und raste auf Ed und Lina zu. Dann wurde es blendendhell vor seinen Augen und schmerzvoll kniff er sie zu. Er versuchte blind auf die beiden loszugehen, aber etwas hielt ihn auf. Eine Wand? Die Luft vor ihm knisterte bedrohlich. Envy spürte wie winzigkleine Blitze auf seiner Haut zuckten. Er versuchte die Augen zu öffnen, was nicht ganz gelang, aber wenigstens konnte er durch seine Wimpern etwas sehen. Dieser Anblick verblüffte ihn sehr. Dieses blonde Mädchen glänzte unnatürlich silbern. Die ganze Luft um sie herum war durchzogen von einem durchscheinenden Glanz. Er konnte kaum atmen. Aber noch einmal versuchte er zu ihnen durchzudringen. Doch der Schutz oder was immer das war, schleuderte Envy von sich. Der schwarzhaarige Junge fiel einige Schritte weit und blieb halb bewusstlos liegen.

Auch die anderen Homunculi schlossen für eine Sekunde die Augen. Das Licht war zu viel für sie.

Al drehte sich um und blickte fast ehrfürchtig in den Schein. Ihm tat es nicht weh. >Nii-san...nee-san!< Der Schein berührte sein Innerstes und erfüllte ihn mit Kraft.

Nun wandte er sich seinen Gegner wieder zu. Der Kampf war noch nicht beendet!
 

"Wo bin ich hier?" Verwundert stand ein blonder Junge vor einem riesigen Tor. "Ed-chan?" erstaunt zog ich eine Augenbraue nach oben. Ich blickte mich um. >Wo bin ich? Ist das eine Erinnerung von Edo?< Der ganze Raum in dem wir uns befanden, war leer. Nur dieses Tor stand da. Der Blonde berührte es.

Leise quietschend öffnete es sich. Ein riesiges Auge erschien. Es war kalt und emotionslos. Mein Geist füllte sich mit großem Entsetzen und mir stockte der Atem. Angst kroch mir die Beine hinauf und umschlang mich.

Schwarze unheimlich aussehende Tentakel schlichen sich heran und umfassten die Beine des Kleinen. Dieser kreischte erschreckt auf. Er wurde unaufhaltsam in das unheilvolle und bösartige Dunkel gezogen. Das Letzte was ich sah, waren seine goldenen Augen. Vor Todesangst geweitet. Dieser Blick...

Schmerzverzerrt schrie ich auf und hielt meinen Kopf. Es schien fast so, als würde er im nächsten Augenblick platzen.
 

Plötzlich zog etwas an seinen Armen. Die Geborgenheit war verschwunden. Die Hände, die gerade noch warm auf seinen gelegen hatten, waren nicht mehr da. Keuchend öffneten sich seine Augen. Der Transmutationskreis erglänzte wieder im goldenen Licht und entzog ihm seine Kräfte. Er wurde schwach und röchelte laut auf. "Nee-chan..." presste er hervor.
 

Ich sah auf. Angstvoll starrte ich auf meinen blonden Bruder. Wenn ich nicht sofort eingriff, könnte es zu spät sein!

Meine Hände legten sich automatisch auf die von Ed. Zur Bekräftigung flocht ich zusätzlich meine Finger in seine. Ich ließ meine ganze Energie in ihn fließen. Durch das Erlebte und meiner Verletzung wegen, war ich müde und geschwächt, aber es ging hier um meinen Bruder! Das Licht wurde wieder silbrig. Ich brach fast zusammen, aber Ed-chan erging es noch schlimmer. Vor meinen Augen begannen Sterne auf und ab zu tanzen, leichte rötliche Schlieren bildeten sich. Meine Umgebung verschwamm. Ich spürte einen Stoß, der mich auf den Boden katapultierte.

Ich umschlang ihn und legte schützend meinen Oberkörper über den Blonden.

Tief in seinem Herzen spürte Alphonse, dass irgendetwas mit seinem nii-san und Lina passiert war. Unruhig und nur noch parierend wich er den Schlägen der Homunculi aus.

Lusts Augen funkelten wütend auf. >Dieser kleine Metallschädel will uns wohl ärgern!< Blitzartig fuhr ihr Arm nach vorne, ihre Fingernägel verlängerten sich und näherten sich unaufhaltsam der Rüstung als...
 

~*~*~

Was wird nun passieren?

Wird Lust Alphonse umbringen?

Werden Edward und Lina sterben?

Aaaaaaaaah...werdet bloß nicht ungeduldig...wir sehen uns bald wieder!!

Bis dahin wünschen euch Mariko und Lina eine schöne Woche, ein wunderschönes Wochenende und einen tollen 2. Advent

Das Unheil nimmt seinen Lauf

Ein liebes großes Dankeschön an alle meine treuen Leserinnen, was täte ich nur ohne euch *knuddel*

Großes Danke an:

Hotepneith

Mondvogel

RheaSilver

Kuinachan

Dank dank dank ^o^
 

Das Unheil nimmt seinen Lauf
 

...ein lautes Krachen an der Wand zu hören war. Berstend fiel die Mauer zusammen, Staub wirbelte umher. Diese Chance nutzte der Junge, rannte an die Stelle an der sich seine Geschwister befanden. "Nee-san?!" leicht rüttelte er an der schmächtigen Schulter des Mädchens. Doch diese rührte sich nicht. Sie hielt Ed umklammert, beschützte ihn wie eine Löwin ihre Jungen. Er sah ihr an, wie viel Energie sie verbraucht hatte. Sie schwitzte stark und keuchte laut. Dann fiel sein Blick auf seinen blonden Bruder. Erschrocken zog er die Luft ein. "Nii-san...NII-SAN!" dieser hing in Linas Armen wie eine Gliederpuppe. Kein einziger Muskel regte sich unter der weißen Haut. >So blass...wie tot...nein, er darf mich nicht verlassen haben!< Er riss seinen Bruder buchstäblich von Lina. Ängstlich legte sich seine Hand an die Halsader des Älteren. >Wenn ich doch nur deinen Puls fühlen könnte, nii-san< Traurig legte er seinen Kopf an die schweißnasse Stirn des Blonden.
 

Der Staub verflüchtigte sich. Flink erschien Major Armstrong und sprang geduckt in den Raum, hinter ihm Colonel Maes Hughes, den Dolch schon in der Hand verborgen. Greed, der gerade neben dem Loch in der Wand stand, wollte seine Chance nutzen. >Schicke ich eben einen dieser Typen ins Jenseits! Am besten diesen Colonel...dann gerät uns wenigstens einer dieser Dumpfbacken nicht mehr in die Quere< Seine Faust schnellte vor. Aber bevor er sein Ziel treffen konnte, schlug ihm Major Armstrong mit seiner mächtigen Pranke ins Gesicht. Der hoch gewachsene Schwarzhaarige fiel mit einem überraschten Keuchen auf den Boden und riss Lust mit sich.

Maes grinste. "Danke, Major!" er rückte seine Brille zurecht. Armstrong nickte freundlich. Riza Hawkeye und Colonel Roy Mustang kamen auch gerade mit einigen Soldaten herein. Diese stellten sich in Position.

Inzwischen hatten sich Greed und Lust aufgerappelt. "Wir sollten schnell von hier verschwinden!" ein wenig nervös drehte sich die hübsche Schwarzhaarige herum, schnappte Gluttony am Hemd und riss ihn mit sich. Greed knurrte wütend auf, aber er wusste, wann das Spiel vorbei war. Ziemlich schnell wandte er sich um, blickte kurz zu Envy hinüber, der sich den Kopf hielt. "Los, oder willst du hier Wurzeln schlagen?!" grinste der schwarzhaarige Mann den Jungen an. Dieser funkelte den Mann hasserfüllt an, aber nahm wie Greed die Beine in die Hand.

Zwar schossen die Soldaten, aber es war sinnlos. In der Nacht würden sie die Flüchtigen nicht finden. Sie ließen ihre Gewehre sinken.

Ein leises Schluchzen aus einer dunkleren Ecke wurde hörbar. Die Soldaten fuhren herum, ihre Waffen wieder im Anschlag und wollten gerade auf den unbekannten Feind schießen.

"Halt! Das ist doch...Alphonse-kun!" schrie Armstrong entsetzt auf. Die Offiziere sahen sich erschrocken an. First Lieutnant Hawkeye und Major Armstrong waren die ersten, die neben der Rüstung standen. "Nii-san...bitte mach doch die Augen auf!" weinte Al und wiegte Edward wie ein Kleinkind in seinen Armen. Maes und Roy war die Betroffenheit ins Gesicht geschrieben. Was war nur passiert in den letzten 4 Stunden? Vorsichtig legte Riza zwei Finger auf die Hauptschlagader des Jungen. Erleichtert seufzte sie auf. "Er lebt! Aber er braucht schnellstens ärztliche Versorgung. Major, holen Sie den Arzt." "Ja, Ma'am!" kurz klackten die Schuhe aneinander und Armstrong flitzte hinaus. Colonel Hughes zog seine Jacke aus und legte sie Al über die Schultern. Zwar brachte das nichts, aber vielleicht fühlte sich der Junge dadurch etwas geborgener.

Beruhigend legte Maes noch eine Hand auf die Schulter des stählernen Giganten. "Alphonse-kun, ganz ruhig, dein Bruder lebt. Hörst du mich, Junge!" Dieser weinte weiter. Inzwischen war Major Armstrong wieder herein gerannt, im Arm hielt er einen älteren Doktor mit grauen Haaren fest. Als der Doktor abgesetzt wurde, untersuchte er den Blonden sofort. "Wir müssen so schnell wie möglich ins Krankenhaus mit ihm!" diagnostizierte der Arzt. Armstrong legte dem metallenen Jungen freundschaftlich und mitfühlend die schwere Hand auf den Arm. Dieser blickte auf, nun erst hatte er die Personen um sicher herum bemerkt. "Komm Junge, wir bringen deinen Bruder ins Krankenhaus!" Al nickte.

Währenddessen schaute Roy nach Lina, die schweißnass auf dem Boden kniete und zitterte. Er beugte sich zu ihr herunter. Erschrocken sah der Colonel, dass sich auch das Mädchen bis zur totalen Erschöpfung verausgabt hatte. Ihre Augen waren trüb, silbrigdumpf blickten sie ihn an.
 

Schemenhaft erkannte ich eine Person mit schwarzen Haaren vor mir. Wer war es? Greed? >Ich muss Ed schützen< Instinktiv packte ich meinen Gegenüber am Hals. Überrascht schnappte er nach Luft. "Ganz ruhig, Mädchen!" keuchte er. >Diese Stimme...Colonel Mustang?< Meine Hand lockerte sich. Ich stöhnte leise. Ich spürte wie meine Hand von Edo-chan gelöst wurde. Aber ich vertraute dem Colonel und ließ es geschehen. Ich kippte vornüber, flüsterte noch die Namen meiner Brüder und schlief ruhig ein.
 

Urplötzlich griff ihn die Blonde an den Hals. Er konnte nur nach Atem ringen. Sie war trotz ihres jetzigen Zustandes noch so stark? "Ganz ruhig, Mädchen!" konnte er nur röcheln. Es schien fast, als würde sie seiner Stimme lauschen, dann ließ sie ihn so schnell los wie sie ihn angegriffen hatte und ächzte leise auf. "Sie muss die beiden wirklich sehr lieben, dass sie sie sogar trotz ihrer Erschöpfung so schützt!" hörte Roy seinen Freund Maes neben ihm sagen. Armstrong neben ihm nickte und wischte sich verstohlen eine Träne aus den Augenwinkeln. Al blickte zu seiner Schwester hinüber und wurde vor Verlegenheit rot. >Gomen nasai nee-san, das ich nur an nii-san gedacht habe<

Roy Mustang rieb sich den Hals und sein Blick wanderte zu den Händen des blonden Mädchens. Lina hielt immer noch Eds Hand fest, so als würde sie ihm die nötige Kraft zum Überleben geben. Vorsichtig löste er die beiden voneinander. Dadurch fiel die Blonde in seine Arme. Ein wenig verblüfft grinste der Colonel. "Nanu, das passiert mir ja auch nicht oft..." schmunzelte Roy.

Die Augen von Lina schlossen sich langsam. "Ed...Al..." wisperte sie leise. Ihr Atem ging nun regelmäßig und ein leichtes Lächeln huschte über das hübsche, aber blasse Gesicht. Vorsichtig stand der Colonel auf, nahm das Mädchen auf seine Arme und verließ mit den anderen das Lagerhaus. Ed war schon im Krankenwagen, der Arzt und Al saßen neben ihm. "Legen Sie sie da hinüber." wies ihn der Doktor an.

Schnell waren sie im Krankenhaus angekommen, die beiden Verletzten wurden dort versorgt und in weiche Betten gelegt.
 

Einige Stunden später
 

Ich hörte Vögel draußen zwitschern. Langsam und träge öffnete ich meine Augen und blickte mich um. >Das Krankenhaus...Ed-chan. Ich muss nach ihm sehen< Eilig sprang ich aus dem Bett. Der Sprung wurde mit einem Schwindelanfall und Sternen quittiert. Stöhnend knickte ich in die Knie. >Ich darf mich jetzt nicht hängen lassen< Mit zittrigen Beinen stand ich wenige Sekunden später aufrecht da. Vorsichtig, um nicht noch einmal einem Schwindelanfall zu erliegen, schlich ich mich an die Tür. Drückte die Klinke herunter und linste durch den Spalt hinaus. Gerade wollte ich ganz hinaus, als zwei Ärzte um die Ecke bogen. Ich war schon dabei, die Türe vollends zu schließen, als ich das Gespräch der beiden aufschnappte. "Wie geht es denn Ihren Patienten, Chef." fragte ein gutgelaunter junger Arzt seinen älteren Kollegen. Dieser lächelte traurig. "Das Mädchen scheint bald wieder aufzuwachen. Der blonde Junge macht mir Sorgen. Ich habe mein Möglichstes bei ihm getan, aber er rührt sich nicht. Ich befürchte seine Seele wurde verletzt und wenn das der Fall ist, sind selbst mir die Hände gebunden!" seufzte er auf. Sein Kollege nickte. Dann waren sie an meinem Zimmer vorbei. Leise hörte ich das Türschloss einrasten. Lehnte mich grübelnd gegen die Wand >Die beiden haben über Edo und mich geredet, da bin ich mir ganz sicher. Was soll ich nur machen?<

Es klopfte. In panischer Hast hechtete ich das zurück ins Bett und zog kurz eine Grimasse vor Schmerz. "Ja, bitte?!" keuchte ich fast. Die Tür öffnete sich und im Rahmen stand Al. Meine Augen leuchteten auf. "Al-chan! Du bist gesund und munter!" rief ich erfreut aus. "Nee-san..." mit diesem einen Wort drückte Alphonse seine ganze Liebe aus. Grinsend neigte ich meinen Kopf zur Seite und breitete meine Arme aus. Zärtlich drückte ich meinen Bruder an mich, der sich zu mir hinunter geneigt hatte. Leise schluchzte der Junge. "Al-chan..." >Es muss sehr schwer für dich sein. Ich werde alles für dich und Ed tun...ich hab es versprochen!< Bedrückt strich ich Al über den Helm. "Setz dich Alphonse. Ich muss mit dir reden." Verwundert blickte er mich an. "Und worüber?" wollte er wissen und nahm auf dem Stuhl, den ich ihm angeboten hatte, Platz.

Nervös spielte ich mit meinen Haaren, die in der Sonne glänzten. Schaute unruhig zu meinem stählernen Bruder, dann hinaus in den strahlendblauen Himmel. >Was wird Al-chan tun, wenn er es weiß?< Aber ich gab mir einen Ruck. Meine Stimme war leise und ein wenig ängstlich. "Alphonse, ich muss dir etwas sagen. Du weißt doch noch, du hast mich mal gefragt, ob etwas mit mir ist, weil ich einige Male so schmerzverzerrt aussah...?" "Ja, ich erinnere mich." Sanft legte mir mein Bruder eine Hand auf den Arm. "Es...es tut mir leid, das ich dir da nicht die Wahrheit gesagt habe oder konnte." Schuldbewusst sah ich nach unten und zupfte an der Decke herum. "Ich hab schon bemerkt, das dich etwas bedrückt, nee-san...und dass da etwas in dir ist, das mir fremd erscheint." Ich schaute ihn bekümmert an. "Ich habe eine...Begabung...von der ich noch keinem erzählt habe. Man nennt es den Seelenblick." "Seelenblick? Von so was hab ich noch nie gehört. Was ist das?" Ich erklärte es ihm. "Mit diesem bin ich in der Lage, über die Augen der Person, die ich ansehe, ihre Gefühle und ihre Vergangenheit zu sehen...es...es ist wie ein Fluch." Leicht erhob ich mein Gesicht und dachte an die beiden Brüder. Dann lächelte ich Al sonnig an. "Und hin und wieder sogar ein Segen!" >Aber...ich muss mich bei Al-chan entschuldigen!< Ich setzte mich auf die Knie und neigte den Oberkörper nach unten. "Gomen nasai, ototo! Ich habe in deiner und Eds Vergangenheit geschnüffelt, es war wirklich keine Absicht, bestimmt nicht...verzeih mir", meine Stimme wurde immer leiser.

Für einige Sekunden wurde es still im Zimmer. Ich harrte immer noch in dieser Stellung, regte keinen einzigen Muskel. Ich spürte wie die Tränen langsam nach oben stiegen. Eine Berührung meines Bruders ließ mich aufblicken. "Ach, nee-san..." er legte mir eine Hand auf den Schopf. "Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Du kannst schließlich nichts für deine Begabung." Mein Herz wurde federleicht bei der Antwort von Al. >Ich bin so froh...< Stürmisch umarmte ich ihn. "Danke, Al-chan. Ich danke dir!"
 

Er liebte seine Schwester so sehr. Sein nii-san und Lina behandelten ihn wie einen Menschen, der nicht in einer Rüstung gefangen war. >Ob sie das mit nii-san schon weiß?<
 

"Nee-san?" Mein Bruder entzog sich der Umarmung und schaute mich an. Ich nickte und schluckte schwer. "Ja, ich weiß, Edo-chan will nicht aufwachen." Betrübt seufzte der stählerne Junge auf und blickte hinaus. "Ich weiß, was an diesem besagten Tag passiert ist, an dem ihr eure Mutter erwecken wolltet. Aber es ist mehr passiert, als du ahnst." flüsterte ich kummervoll. So erzählte ich ihm, was ich in Eds Erinnerungen sah. Das Tor, das sich geöffnet und den blonden Jungen verschlungen hatte. Ruhig lauschte Al meinem Bericht. Er strich sich kurz über den Helm und nickte. "Ich weiß, dass Nii-san an diesem Tag mehr gesehen hat als ich und dass diese Dinge nicht schön waren." Ich spürte ein beklemmendes Gefühl in der Magengegend, als ich daran zurückdachte. >Er hat so viel leiden müssen...aber ich werde ihn und Al nicht im Stich lassen!< "Nii-san denkt immer erst an andere, dann an sich. Es ist zwar sehr vorbildlich von ihm...aber er begibt sich ständig in Gefahr deswegen. Es betrübt jedes Mal aufs Neue mein Herz." konnte der Junge nur noch stockend wispern.

Ich streichelte Al über stählerne Wange. "Ich glaube Ed will nicht mehr aufwachen." verzweifelt wandte ich mein Gesicht ab. "Es sind so viele schreckliche Dinge in den letzten Stunden passiert, die er nicht verkraftet hat...Ed ist vermutlich zwischen Wirklichkeit und Fiktion gefangen. Er hat Angst, noch mal Jemandem Schmerzen zuzufügen oder in Gefahr zu bringen." Stumm starrten wir auf den Boden und dachten beide an einen kleinen blonden Jungen, der nun alleine mit seiner Angst ausharrte.
 

~*~*~*~*~*~*~*

Tja, was werden Lina und Al tun?

Werden sie dem kleinen Ed helfen können?
 

Wir wünschen euch noch eine schöne Woche, ein tolles Wochenende (hoffentlich mit Schnee und nicht mit Regen XDD) und einen wunderbaren 3. Advent

Eure Mariko und Lina

Reise ins Ungewisse

Hurra, schon das 10. Kapitel *mit luftschlangen wirft und sekt ausschenkt*

Und für die, die keinen Sekt vertragen...*orangensaft ausschenkt* Hehe XDD

Danke für die vielen Kommis *sich verbeugt*

Viel Spaß beim Lesen und anschließendem kommentieren:
 

Reise ins Ungewisse
 

>Ich muss etwas tun. Ich werde ihn da rausholen!<, ich ballte entschlossen eine Hand und nickte. Schmiss die Decke weg und machte einen großen Hüpfer aus dem Bett. Sterne glitzerten vor meinen Augen und ich spürte wie meine Beine nachgaben, aber ich schüttelte dieses Gefühl ab. "Ich werde ihn da rausholen!" Ich wollte schon einen Schritt machen, als sich eine Hand auf meinen Arm legte. Überrascht blickte ich nach oben. "Nee-san...geh nicht! Ich...ich will nicht auch noch dich verlieren...bitte." flehendlich sah mir Al ins Gesicht.

Leicht legte ich meine Stirn an seinen Brustpanzer. Eine Geste, die ihn beruhigen, aber auch stärken sollte. Mein Blick war weich und sanft, als ich meinen Kopf nach oben neigte. "Keine Sorge, Al-chan! Du wirst weder Edo noch mich verlieren, das verspreche ich dir. Vertrau mir." Bevor Alphonse noch etwas erwidern konnte, wandte ich mich ab und stapfte aus dem Zimmer. Leicht grinsend bemerkte ich, wie mein Bruder mir folgte.

Am Zimmer von Ed angekommen, riss ich die Tür auf. Völlig baff blickte mir Major Armstrong entgegen, der vermutlich schon die ganze Zeit bei dem Blonden saß. Ich ging auf ihn zu und schubste ihn frech vom Stuhl. "Darf ich mal? Danke!" war mein Kommentar dazu. Ich zog meine Sitzgelegenheit näher an das Bett. "Aber Mädchen, du gehörst ins Bett." wandte sich der Hüne fürsorglich an mich. "Shhh...ich muss mich konzentrieren!" blaffte ich ihn leicht, aber freundlich an. Dieser verstummte vor Verblüffung.

Vorsichtig und zärtlich strich ich meinem Bruder einige Haarsträhnen aus dem ausgezehrten und angespannten Gesicht. Ich erschrak. >Verzeih...wenn das mit mir nicht passiert wäre...< Meine Augen glitten noch zu Al hinüber, grinsend neigte ich meinen Kopf zur Seite. "Alles wird wieder gut!" Ich atmete tief ein, nahm die Finger von Edo zwischen meine, drückte sanft, aber fest zu und schloss die Augen. Ich nahm für einige Sekunden noch den hellen silbrigen Schein wahr, dann tauchte ich in das Unterbewusstsein meines blonden Bruders ein. Eine Welt voller Zweifel, Angst und Hoffnungslosigkeit...

Das erste was ich aber sah, waren Al und Ed als kleine Kinder. Glücklich und zufrieden strahlten die sonnigen Gesichter der Beiden. Freudig umarmten sie eine hübsche Frau, die sich zu ihnen hinunterbeugte. Fröhlich schmunzelte ich.

Die Szene wechselte. Erschrocken sah ich in das blasse und kranke Gesicht der Frau, die eben noch so glücklich gestrahlt hatte. Die beiden Kinder drückten ängstlich die Hand ihrer Mutter. Dann brach ihr liebender Blick. Leise schluchzten die beiden Jungen auf. Weinend schloss ich die Augen.
 

Langsam öffnete ich sie wieder. Die Vögel zwitscherten, die Luft war angenehm warm und eine leichte Brise kam auf. Vor mir befand sich ein frisches Grab. Weiße Lilien lagen auf dem Gedenkstein. Davor saß ein kleiner blonder Junge, der leise weinte, aber Momente später wurde der Blick entschlossen.

>Dieses Grab kenn ich doch...< Ich schritt auf den Kleinen zu und legte ihm liebevoll eine Hand auf den Kopf. "Hallo, kleiner Ed." Die goldenen Augen sahen ernst zu mir auf. "Hallo du! Woher kennst du meinen Namen?" Einer meiner Augenbrauen zog sich verblüfft in die Höhe. >Warum erkennt er mich nicht?< "Weißt du was?! Ich habe beschlossen meine Kaa-san wiederzuerwecken." lächelte mich der Blonde an.
 

Inzwischen
 

Das blonde Mädchen leuchtete in einem angenehmen warmen, silbrig glänzenden Licht. Alphonse lächelte und setzte sich auf die andere Seite des Bettes. Hektisches Atmen war zu hören. Erstaunt blickte der Junge auf den großen Mann, der neben Lina stand. Fassungslos klappte der Mund des Majors auf und zu. Leichte Panik sah man in den blauen Augen von Armstrong aufblitzen. Schnell stand der Major auf und wollte zur Tür eilen. "Keine Sorge, es ist alles in Ordnung!" beschwichtigte Al den aufgebrachten Mann. Bevor Major Armstrong aber etwas darauf erwidern konnte, wurde an die Tür geklopft. Herein trat Colonel Mustang, freundlich eine Hand hebend und eine Sekunde später blickte er geschockt auf das ihm dargebotene Szenario. Der stählerne Junge wurde nervös. >Was soll ich denn jetzt machen...?<

"Was...", Roy Mustang schluckte. "Was geschieht hier?" beendete er seinen Satz und schaute Al fragend an. "Was ist in den letzten Stunden vorgefallen?" Die Pupillen des schwarzhaarigen Mannes verengten sich. Sein Blick streifte das Mädchen, das nun in diesem fast engelsgleichen Schein dort saß, interessiert. Langsam zog sich Roy einen Stuhl in die Nähe und setzte sich. "Ich höre..." er grinste den Jungen leicht an und nickte ihm aufmunternd zu. Die Rüstung setzte sich wieder, seine Augen hingen wie gebannt an seinen Geschwistern. Dann fing Alphonse an zu erzählen, was in den letzten Stunden geschehen war. Der Major stand neben dem Mädchen und beobachtete sie. Ihr Gesicht war angespannt und blass, wie auch das des blonden Jungen. >Den beiden darf nichts passieren...< seufzte er innerlich auf.
 

"Nein, du darfst das nicht tun, Ed-chan! Komm wieder mit nach Hause! Bitte..." Sanft zog ich den Jungen an mich. "Nein! Nein! Lass mich runter! Lass mich!" Der Kleine strampelte und zappelte in meinen Armen. Zog mich an den Haaren.

Plötzlich spürte ich einen schmerzhaften Ruck und ließ Ed los. In dem Moment als mein Bruder den Boden berührte, veränderte sich die Umgebung rasend schnell. Ich stand in einem Raum. >Nein, das darf doch nicht sein...< Ich schaute mich erschreckt um. Mein Blick blieb starr an zwei Jungen hängen, die einen Alchemistenkreis auf den Boden zeichneten. "Edo...Al...nein! Nein, ihr dürft das nicht tun, hört ihr!" schrie ich verzweifelt. Aber es war zwecklos. Die beiden hörten mich nicht.

Ich fiel vor Entsetzen auf die Knie. "Nein...", flüsterte ich weinend. Mein Herz war fast am Brechen. Sekundenspäter blickte ich fest auf das Geschehen vor mir. "Ich werde euch nicht alleine lassen! Was auch geschieht..."

Die beiden Kinder legten die Hände auf den Kreis. Dieser glänzte golden auf, feine Funken zuckten innerhalb des Kreises auf. Das Bild änderte sich sehr schnell.

Rote Blitze erhellten die unheimliche Atmosphäre. Mein Atem stockte. Al verschwand in einem seltsamen Licht. Ed schrie auf, sein Blick glitt Hilfe suchend in alle Richtungen. Dann stoppten seine goldenen Pupillen und richteten sich auf mich. "Hilf mir! Bitte!" schrie er verängstigt und streckte seine kleine Hand nach mir aus. In Windeseile packte ich ihn und zog ihn fest in meine Arme.

"Wo sind wir hier?" neugierige Augen blickten sich um und blieben an einem Tor hängen. Die Finger des Kleinen berührten es. Langsam gingen die Pforten auf.

Ich schluckte krampfhaft und ein wenig ängstlich.

Ein schwarz umrahmtes Auge starrte uns kalt und emotionslos an. Die bösartigen Tentakel krochen aus den Schatten des Tores hervor und umschlangen die Beine von Edo. Verzweifelt hielt er sich an mir fest. Zärtlich legte ich die Arme um ihn. Dann wurden wir ins Innere gezogen. Ein lauter Schmerzensschrei wurde hörbar. Leise keuchte der Kleine auf. >Ich kann nichts tun...nur eines...< liebevoll drückte ich Ed-chan an mich. Gab ihm meine ganze Liebe zu spüren.

Wir waren wieder zurück in diesem Zimmer, dort wo alles begonnen hatte.

Langsam öffnete der Blonde seine Augen und sein Blick haftete sich an meine Gestalt: "Bist du ein Engel?" vorsichtig fasste er nach meinen Haaren. Mit Tränen im Gesicht lächelte ich ihn zart an. "Wenn du das möchtest, bin ich dein Engel." wisperte ich. Sein Grinsen war warm und weich.

"Al!" er krabbelte aus meiner Umarmung und robbte zu einer Rüstung hinüber, die umgefallen war. Er zeichnete mit seinem Blut einen Transmutationskreis auf die Innenseite des Metalls. Schnell war ich bei ihm und drückte ihn an mich. Ich konnte nur fassungslos zu sehen, wie er seinen Arm verlor. Er schrie vor Schmerzen auf.

Dann wurde alles still.

Erst nach und nach hörte ich fröhliches Vogelgezwitscher und den Wind, der mit dem Gras spielte. Ich schaute auf. Die Sonne stand hell und warm am Firmament.

Vor mir stand auf einem Hügel ein hübsches Haus, davor ein Baum, in voller Blütenpracht.

Am Stamm des Baumes gelehnt saß Jemand. Ich schaute genauer. Rote Jacke, blonde Haare...Ed!

Langsam ging ich auf ihn zu. Doch jäh veränderte sich alles um uns herum. Der Himmel war auf einmal bedeckt, und grelle Blitze zuckten. Dunkle Wolken türmten sich wie eine bösartige Seuche auf dem gesamten Firmament aus. Die Vögel, die gerade noch so schön sangen, verwandelten sich in schwarze unheimlich aussehende Raben, die mit ihren rot leuchtenden Augen böse funkelten und laut krächzten. Das Haus, das einmal so frisch und fröhlich wirkte, brannte lichterloh auf. Auch der Baum hatte seine einstige Schönheit verloren und ragte nun drohend am Horizont. Ich wurde unruhig...mein Körper wollte davon laufen, aber mein Geist und mein Herz waren dagegen. "Ich darf ihn nicht im Stich lassen...hab es versprochen! Ich werde ihn hier nicht alleine lassen!" flüsterte ich und ballte eine Faust. Tief atmete ich ein und machte einen Schritt nach dem anderen auf Ed zu. Die Erde unter mir begann leicht zu beben, Risse zeigten sich auf der Grasnarbe. Die Erschütterung wurde stärker, so als würde der Junge niemanden in seiner Nähe dulden. Aber das würde mich nicht aufhalten! Immer näher kam ich auf den Blonden unter dem Baum zu. Spitzige Dornen rankten sich meine Beine hinauf. Aber ich biss die Zähne zusammen, riss mich von ihnen los und ging weiter. Endlich erreichte ich ihn.

"Ed-chan...?" Ich legte ihm eine Hand auf die linke Schulter. Doch keine Reaktion erfolgte. "Edo-chan...ototo..." ich schüttelte ihn leicht.

Wie in Zeitlupe erhob mein Bruder sein Gesicht. Entsetzt weiteten sich meine Pupillen, mit einem gequälten Keuchen wich ich einige Schritte zurück. Die goldenen Augen, die früher so viel Charme, Liebe und Freundlichkeit versprühten, waren nun stumpf...nein...tot. Dieser Blick, der kein Gefühl oder Leben mehr ausstrahlte, er schmerzte so unendlich und fraß sich tief in meine Seele.

"Was willst du von mir? Warum störst du mich?" Der Klang seiner Stimme...mich fröstelte. Auch aus ihr war jegliches Gefühl verschwunden. Sie war kalt und emotionslos. Ich trat wieder auf ihn zu und kniete mich vor ihm hin.

"Weißt du wer ich bin, Ed-chan?" meine Zunge klebte am Gaumen und ich hatte große Mühe mit dem Sprechen. Er nickte. "Ja, du bist Lina, meine Nee-chan, die ich verletzt habe." Er senkte den Kopf. Kurz sah ich etwas wie Trauer in seinen Augen aufleuchten, doch als er mir wieder ins Gesicht blickte, war es verschwunden.

>Ototo...so sehr leidest du also< es schmerzte mich wirklich unendlich. "Darum bin ich auch hier", schreckte mich die kalte Stimme von Ed hoch. "Ich will nie wieder Jemanden etwas zu leide tun. Wenn ich hier bleibe, muss niemand wegen mir leiden." Er vergrub seinen Kopf zwischen den Knien.

Ich schluckte einen dicken Kloß den Hals hinunter. Dann setzte ich mich ganz nah vor meinen Bruder, legte beide Hände auf seine Schultern und drückte sie sanft.

Überrascht schaute der Blonde hoch. Mit leiser und liebevoller Stimme wisperte ich: "Würde ich etwa hier sein, wenn ich dir böse wegen des dummen Vorfalls wäre? Ich bin doch selber schuld, dass das passiert ist. Ich bin genau in euren Kampf hineingelaufen, wenn ich es nicht getan hätte, wäre vielleicht nichts passiert. Aber ich wollte nicht, dass ihr euch verletzt oder umbringt!" Ungläubig starrten mich diese goldenen Augen an, suchten einen Hinweis in den meinigen, ob ich es ernst meinte. Dann schrie er schmerzerfüllt auf und stieß mich von sich.
 

Diese liebevolle Pupillen...er erinnerte sich daran, dass auch sein jüngerer Bruder solche liebevollen Augen hatte. >Al...es tut mir so leid. Wegen mir ist das alles passiert< Er sah vor sich seinen kleinen Bruder, wie er sich langsam auflöste und seine Stimme, die nach ihm rief...qualvoll und verängstigt.
 

>Habe ich etwas Falsches getan? Ich weiß nicht was ich machen soll...< Ich blickte zu Ed hinüber, der sich immer noch den Kopf hielt und leise wimmerte. "Al...Al...", kam es gepresst aus dem Mund meines Bruders. >Er sieht nur noch die negativen Dinge...er lässt nichts anderes mehr an sich heran< kummervoll biss ich mir auf die Lippen. Die Landschaft veränderte sich zu meinem Erstaunen nun ein wenig. Die Wolken sahen nicht mehr so bedrohlich aus, auch die Raben waren verstummt, als würden sie der Stimme von Ed-chan lauschen. "Verzeih mir, wie konnte ich dir das nur antun..." weinte dieser weiter. Sein Körper zitterte, als wäre er von einem hohen Fieber befallen. Der einstige emotionslose Ton wurde von Trauer und Scham abgelöst. "Al...ich war so versessen darauf, unsere Mutter wiederzuerwecken, dass ich nicht an die Konsequenzen gedacht habe...", Tränen liefen dem Blonden die Wangen hinunter und schluchzend hielt er sich die Hände vor das Gesicht.

>Was soll ich nur tun?< Traurig blickte ich meinen Bruder an. Es tat sehr weh, ihn so leiden zu sehen. "Al...immer sagst du, du willst alles dafür tun, mir meinen Arm und mein Bein wiederzugeben, dabei hat es dich doch viel schlimmer erwischt als mich, du hast deinen ganzen Körper verloren und ich doch nur einen Teil, warum bin ich bloß so dumm gewesen?!" Weinend sah er auf.

Leicht strich ich über die nasse Wange. "Es ist nicht deine Schuld gewesen!" Erstaunen spiegelte sich im Gesicht des Blonden. "Auch nicht die Schuld deines Bruders. Ihr wart Kinder und habt euch nichts sehnlicher gewünscht, dass eure Mutter wieder bei euch ist. Dabei habt ihr etwas Verbotenes getan, etwas das ihr beiden niemals mehr tun würdet. Ihr habt dafür ein großes Opfer gebracht, das euch enger zusammengeschweißt hat...Al braucht dich! Und du willst doch auch, dass er seinen Körper wiederbekommt?" Liebevoll lächelte ich ihn an.

"Ja, das möchte ich. Nichts lieber als das. Ich möchte das Alphonse wieder glücklich ist." Ein schüchternes Grinsen kräuselte sich auf den Lippen des Jungen. Ich spürte, wie die Sonne zaghaft aus den Wolken herauslächelte. Leise zwitscherten einige Vögel.

>Ich bin so froh...kleiner Bruder< Vorsichtig schlang ich die Arme um ihn. Fühlte keinen Widerstand in ihm, stattdessen umarmte er mich auch. Ich schluchzte glücklich auf und drückte ihn fest an mich. "Ed-chan..." Rundherum erblühte auch die Landschaft wieder. Die Sonne kam zwischen den Wolken hervor und wärmte uns.

Auf einmal spürte ich einen brennenden Schmerz. Leise zischte ich gequält auf und hielt mir eine Hand vor den Bauch.

"Nee-chan, was ist..."
 

~*~*~*~*

Tja, was ist nun wieder passiert?

Werden Ed und Lina mit heiler Haut wieder zurückkehren?

Bald kommt die Fortsetzung, also nicht weglaufen *grins*

Wir wünschen euch eine schöne restliche Woche, einen wunderschönen 4. Advent und ein verschneites Wochenende

Liebe Grüße

eure Mariko und Lina

Komm zurück!

Hallo, ich hoffe ihr hattet ein angenehmes Weihnachtsfest, viele Geschenke und ein gutes Essen *gins*

Vielen lieben Dank für die vielen Kommis, freut uns immer wieder aufs Neue!

In der Charakterliste wurde wieder Jemand Neues miteingefügt, das heißt eigentlich ist es gar kein Charakter sondern ein Ring, nämlich Linas Ring (denn bevor jemand fragt und meint, wie kann Lina denn überhaupt ihre Fähigkeiten benutzen ohne einen Alchemiekreis, der wird jetzt gleich wissen, falls er die Beschreibung lesen sollte, warum Lina keinen zusätzlichen Transmutationskreis verwenden muss)

Also genug von meinem Gebabbel, auf gehts...viel Spaß!!!
 

Komm zurück!
 

Besorgt legte Ed eine Hand auf meinen Bauch und zog sie entsetzt zurück. Seine Finger waren rot, langsam tropfte der Lebenssaft von ihnen. >Warum gerade jetzt? Warum musste die Wunde aufbrechen?!< keuchte ich.
 

Inzwischen
 

Das Zimmer leuchtete sanft in einem silbrigen Licht. 3 Augenpaare beobachteten das Schauspiel zwischen Ed und Lina. Als Al mit seinem Bericht zu Ende war, wurde es im Raum still. Aber es war eine angenehme Stille, die keiner der Drei stören wollte.

Die Beiden, die so eng verbunden waren, hatten sich in den letzten Minuten nicht gerührt. Der Schein der sie umgab, war warm und strahlte intensiv.

Auf einmal lächelte der Junge. Sein angespanntes Gesicht glättete sich und seine blasse Haut bekam ein wenig Farbe. Der Stuhl auf dem Alphonse gerade noch saß, fiel scheppernd um, so schnell war der Junge vom ihm gesprungen. Er griff nach der anderen Hand von Ed, liebevoll drückte er sie. "Nii-san!" Aus seiner Stimme hörte man die Erleichterung heraus.

Lina schmunzelte zart und weich. Auch von ihr fiel die Anspannung ab, aber nur für einen winzigen Moment. Dann schrie sie vor Schmerzen auf und presste ihre freie Hand auf den Bauch, aus dem langsam, aber stetig Blut floss. Leise keuchte sie angestrengt auf. Das Nachthemd des Mädchens war größtenteils schon rot gefärbt und das Licht, dass Lina umgeben hatte, wurde blasser und flackerte nur noch leicht.

"Nee-san...die Wunde. Warum?" murmelte Al und sah fassungslos auf seine Schwester.

Die beiden Offiziere stürmten auf das stöhnende Mädchen zu. "Es war zu viel für sie!" Panik brach in den schwarzen Augen des Colonels aus. "Wir müssen sie sofort trennen, sonst stirbt einer der beiden!" Hektisch legte er eine zitternde Hand auf die der Schlafenden. "Nein, tun Sie das nicht!" Eine große Pranke legte sich auf den Arm von Mustang. Erschrocken blickte Roy in die Augen des Majors, der sich unbemerkt neben ihn gestellt hatte. "Wenn Sie das machen, verlieren wir gewiss einen von ihnen." Mit einem Seitenblick schaute er auf den blonden Jungen, dessen Gesicht wieder angespannt und ängstlich wirkte.

"Nii-san...nee-san...bitte verlasst mich nicht!" flehend drückte die Rüstung seinem Bruder die Hand und blickte kummervoll auf die Schlafenden.

Langsam löste Colonel Mustang den Griff von den beiden, wandte sich um und ging hinaus. Im Inneren des Zimmers hörten Alphonse und Armstrong, wie Roy Mustang eine Krankenschwester anwies, den Arzt zu verständigen. Als er wieder hereinkam, stellte er sich vor Edwards Bett. Lange blickte er auf den blassen Jungen hinunter und seufzte leise auf.

>Full Metal...du musst durchhalten und zurückkommen. Wen soll ich denn sonst ärgern, wenn du nicht mehr da bist?<

Die ganze Zeit über beobachtete Major Armstrong den jungen Offizier. >Auch wenn Colonel Mustang Edward-kun ärgert und ihm vielleicht nicht immer den Respekt entgegenbringt, der ihm zusteht, tief in seinem Herzen mag er den Kleinen< Schnell wischte er sich eine kleine Träne aus dem Augenwinkel.
 

Fassungslos und entsetzt blickte Ed auf seine Hände, die blutverschmiert und -verklebt waren. Seine Pupillen weiteten sich vor Angst und Scham. Keuchend saß ich vor ihm und schaute auf. "Es ist nicht deine Schuld, Ed-chan! Hörst du, ototo! Nicht deine Schuld!" Ich rüttelte an seinen Schultern, aber er starrte nur auf seine Finger, die rot wie die Abendsonne glänzten. "Was...was habe ich nur getan?" sein Körper verkrampfte sich. "Was habe ich nur getan?" Verzweifelt stieß er meine Hände von sich, sprang auf und hielt sich gequält den Kopf. "Warum? Warum nur passieren solche Dinge?" weinte er leise. Langsam stand ich auf und stolperte auf ihn zu. "Ed-chan..." Wollte nach meinem Bruder greifen, doch dieser wich mir aus. "Ed..." konnte ich nur traurig stammeln. "Nein...lass mich! Lass mich in Ruhe!" rief er verängstigt, drehte sich um und rannte davon. Aber er kam nicht weit.

Die Erde riss vor seinen Füßen auf, spie Feuerfontänen und Lava ergoss sich auf den Boden. Das Gras fing an zu brennen.

Edwards Haut, auch seine Haare wurden von der Hitze versengt. Panisch schrie der Blonde auf und schützte sein Gesicht mit den Armen.

Wie gelähmt stand ich da. Konnte nichts tun...ängstlich blickte ich um mich. Die Welt um uns herum fiel ins Chaos. Der Himmel war pechschwarz, grelle Blitze erhellten das Firmament. Der Baum stand in Flammen, die sehr bedrohlich auf mich wirkten.

Die Raben hatten wieder die Plätze mit den Vögeln getauscht und stürzten wie ausgehungerte Geier auf mich. Mit einer Hand schützte ich meine Wunde, mit der anderen wehrte ich die ungeheuer großen Bestien ab. "Verdammte Mistviecher!" Ich wich ihnen gekonnt aus. Aber bald erwischten sie mich immer öfters. Mir wurde schwindelig und ich atmete keuchend ein. Fast wäre ich in die Knie gebrochen, aber ich durfte der Schwäche nicht nachgeben. Mein Blick blieb an Edo haften, der reglos auf dem heißen und brennenden Boden lag. Die schwarzen Ungeheuer fielen über diesen her wie Hyänen, verletzten ihn an Armen und Beinen. Das Feuer breitete sich immer mehr aus. Bald würde es meinen Bruder erreichen und verschlingen. >Das darf nicht passieren! Ich muss ihn retten! Auch wenn es mich mein Leben kosten sollte!<
 

Die Wunde des Mädchens war versorgt worden.

Weinend hielt Al die Hand seines Bruders fest. Die Haut des blonden Jungen war aschfahl, fast schon grünlich. Die beiden Offiziere blickten entsetzt auf ihn. "Er stirbt..." flüsterte Major Armstrong. "So was dürfen Sie nicht sagen!" blaffte ihn Roy Mustang wütend an. Bestürzt senkte der Hüne seine Augen. "Gomen nasai!" kam es kleinlaut aus dem Mund des großen Mannes. Beruhigend legte Mustang eine Hand auf den Arm des Majors und seufzte auf.

Dann hoben alle drei die Augen.

Das Licht wurde stärker, kraftvoller und intensiver. Es blendete fast. Linas Gesichtsausdruck war nun entschlossen. Bereit alles auf sich zu nehmen.
 

Erschöpft schleppte ich mich zu ihm. Aber das Feuer fauchte mich wütend und hasserfüllt an. Es wollte sein Opfer nicht mehr hergeben und versperrte mir den Weg zu meinem blonden Bruder. Schnell zog ich meine Jacke aus. Die Raben flogen zwar noch immer auf mich zu und verletzten meine Haut, aber das beachtete ich nicht.

Ich legte mir die Jacke über den Kopf, schloss die Augen und sprang durch die Flammen. Auf der anderen Seite angekommen, wälzte ich mich auf dem erhitzten Boden, um die Feuerzungen, die sich in meine Haut und meine Kleidung fraßen, zu ersticken. Matt blickte ich auf, mit allerletzter Kraft krabbelte ich auf Ed zu. Sanft und behutsam drehte ich ihn auf den Rücken, schützend legte ich leicht meinen Oberkörper über ihn. Die spitzen Schnäbel der Raben spürte ich nicht mehr. Aber sie ließen wenigstens meinen Bruder in Ruhe. Sein Gesicht war schmutzig, rußgeschwärzt und blutete ein wenig.

Meine Augen brannten von den Tränen, die in mir aufstiegen. Sie rannen mir die Wangen hinab und fielen auf Ed. Ich schloss sie müde.
 

Langsam öffnete er seine goldenen Augen. Betroffen sah er in das weinende Antlitz seiner großen Schwester. >Nee-chan...< Sein Herz blutete. Es tat ihm so weh, sie weinen zu sehen.
 

Sanft legte sich eine warme Hand auf meine Wange und wischte die Tränen weg. Verblüfft blickte ich zu Edward hinunter. "Du solltest nicht weinen", flüsterte er mit brüchiger Stimme. "Einem schönen Mädchen, wie dir, steht das nicht. Außerdem macht es mich traurig, dich so zu sehen!" >Träume ich?< Gerade hatte ich noch die unmenschlichen Schreie der schwarzen Ungeheuer gehört, doch nun war alles still.

Mein kleiner Bruder senkte die Hand und drehte sein Gesicht auf die Seite. "Warum hast du dich für das hier geopfert? Hat dich jemand gebeten das zu tun?" flüsterte er gequält.

Verdutzt zog ich eine Augenbraue nach oben. >Glaubt er tatsächlich...?<

"Nein, es hat mich niemand darum gebeten. Ich bin aus freien Stücken hier."

"Wozu?" wisperte er. Seine Stimme hatte etwas ängstliches, als würde er sich vor meiner Antwort fürchten.

"Um dich wieder dorthin zurückzubringen, wo Menschen auf dich warten, die dich lieben!" Zärtlich strich ich ihm über die Wange und lächelte ihn warm an.

Sein Gesicht ruckte in meine Richtung. "Mich...lieben?" fragte er ungläubig.

"Ja, sie warten alle auf dich und machen sich Sorgen um dich. Vor allem Alphonse tut das!" "Al..." sein Blick wurde sehr traurig. "Er macht sich immer Sorgen um mich, komisch was?! Dabei bin ich doch der Ältere von uns beiden, ich sollte mir doch eigentlich Sorgen um ihn machen." Es wurde für einige Momente still zwischen uns. Ein großes Leid spiegelte sich in den Pupillen meines Bruders. "Ob Al mir jemals verzeihen kann? Ob Nina mir verzeihen kann? Oder Mutter? Egal was ich auch anfasse...es geht immer schief und endet damit, dass Jemand, den ich mag, leiden muss."

>Ed...mein kleiner lieber Bruder...< Sein Blick haftete sich an meine silbernen Augen. "Kannst...kannst du mir jemals verzeihen?" der Ton seiner Stimme klang flehendlich, bittend, aber auch ernst.

Ich lächelte ihn liebevoll an und streichelte sanft über seine rußbeschmutzten Haarsträhnen. "Ich weiß nicht, was es zu verzeihen gibt, ototo. Du hast nichts getan, was mich traurig oder ärgerlich gestimmt hat." Leicht schmunzelnd und mit einem sarkastischen Unterton fuhr ich fort: "Das Einzige was mich ein wenig verstimmt hat, ist, dass du dich hier in dieser Welt verkrochen hast und Alphonse und mich allein gelassen hast!" Große verdattert dreinschauende Augen blickten mich an. "Ich...ich habe euch im Stich gelassen? Aber...aber ich dachte, es wäre besser, wenn ich nicht mehr zurückkomme."

"So ein Blödsinn!" entfuhr es mir ärgerlich. "Davonlaufen ist keine Lösung! Damit macht man es nur noch schlimmer...Was wird aus Al, wenn du nicht mehr da bist? Habt ihr euch nicht ein Versprechen gegeben? Ihr versucht alles um am Leben zu bleiben? Damit ihr wieder so werdet wie normale Menschen und ihr eure alten Körper wiederbekommt? So ein Versprechen bricht man nicht!"

Eds ganze Haltung drückte Verwunderung aus. "Woher weißt du das alles? Das wissen doch nur Al und ich!" Leise kicherte ich. "Weißt du das noch immer nicht, Dummerchen?!" Frech grinsend redete ich weiter: "Du, Al-chan und ich haben mehr gemeinsam als du denkst."

"Du hast meine Vergangenheit gesehen und auch die von Al, nicht wahr? Als wir den Stein der Weisen umkehren wollten, da hab ich es für einen Moment gespürt und auch noch etwas anderes. Ich habe Dinge gesehen. Dinge, die in deinem Inneren als Erinnerung schlummern. Deine Mutter, dich...und kaa-san. Du hast unsere Mutter gekannt, nicht?"

Leicht schmunzelte ich und legte meinem Bruder eine Fingerspitze auf die Nase. "Mehr als das...sie war meine Tante. Sie und meine Mutter waren Schwestern. Das heißt, du und Al seid meine..." mein Grinsen wurde breiter.

"Cousins?" kam es völlig ungläubig aus dem Mund von Ed. Ich nickte. "So ist es. Deswegen war ich auf der Suche nach euch und darum bist du und Al mir so unendlich wichtig. Ich würde alles tun, um euch nicht zu verlieren."

"Gomen nasai, nee-chan!" der Blonde hatte die Augen geschlossen.

Sehr erleichtert nahm ich meinen Bruder in die Arme und drückte ihn sanft an mich. "Es ist in Ordnung." Zärtlich wiegte ich ihn wie ein kleines Baby. "Alles ist in Ordnung!" flüsterte ich liebevoll. Ich spürte wie Ed sich entspannte und sich eng an mich kuschelte.

Eine kleine Weile blieben wir so sitzen.

"Es ist Zeit zu gehen, ototo-chan! Bist du bereit?" brach ich das Schweigen zwischen uns.

"Ich habe Angst." Er rückte noch etwas näher an mich heran.

"Wovor?" fragte ich ihn zärtlich und strich über seinen Rücken.

"Vor der Zukunft." kam die Antwort von ihm.

"Deine Zukunft bestimmst nur du, niemand anders, hörst du? Was du aus ihr machst, ist ganz alleine deine Sache. Deswegen brauchst du sie nicht zu fürchten!" Vorsichtig und sanft drückte ich ihn ein wenig weg, um ihm in die Augen zu sehen. "Außerdem bist du ja nicht allein. Al und ich werden immer da sein, das verspreche ich dir!"

Langsam kehrte ein leichtes Grinsen in das Gesicht von Ed zurück. "Danke."

"Wofür?" "Das du an mich...glaubst..." der Körper meines Bruders erschlaffte.

Entsetzt blickte ich auf den Schlafenden. Panisch schüttelte ich ihn an seinem Arm. "Ed?! ED!" ängstlich legte ich eine Hand auf seine Wange.

Auf einmal hörte ich die Vögel zwitschern, der Wind wehte mir angenehm ins Gesicht und die Grillen zirpten. Ich schaute auf. Kleine weiße Wolken schwammen auf dem blauen Himmel wie Boote, die träge von einer Ecke zu anderen wanderten. Am Horizont konnte man hohe Gebirgsketten mit ihren schneeweißen Zipfel erkennen. Die Welt erblühte wieder in frischen Farben. Nur eines blieb unverändert. Das Haus, das abgebrannt war und der morsche Baum. >Aber so ist es in der Realität auch...Nun endlich verstehe ich, warum sich der Kleine nicht mehr rührt< grinste ich. >Er ist zurückgegangen...das sollte ich wohl auch schleunigst tun, sonst mache ich Jemandem wieder grundlos Sorgen.<

Ich umarmte Ed fester und schloss langsam die Augen. Ich spürte, wie ich immer müder wurde. "Danke Mama-san! Ohne dich hätte ich es nicht geschafft!" mit diesen Worten schlief ich ein.
 

~+*+~+*+~

So ein Rätsel wurde nun enthüllt und ihr wisst nun, das die die Drei miteinander verwandt sind *grins* (ja, die einen oder anderen wussten das ja schon *lach*)

Wie geht es nun weiter? Was wird noch alles geschehen?

Lasst euch überraschen, wir wünschen euch allen einen guten Rutsch ins Neue Jahr *knuddel*

Liebe Grüße

eure Mariko und Lina

Brüder

Hallo ihr Lieben

es tut mir wirklich sehr leid, dass ich gerade überhaupt nicht mehr zum Lesen eurer genialen FFs komme, da ich jetzt auf Praktikumssuche bin, hat das gerade Priorität (sorry!)

Vielen lieben Dank für alle Kommis, die ihr mir geschrieben habt oder noch schreiben werdet...ich schätze euch sehr!

Aber das ihr wenigstens nicht zu kurz kommt, gibt es jetzt das 12. Chapter für euch. Viel Spaß damit!
 

Brüder
 

Ein leises Schluchzen neben mir weckte mich und ich öffnete müde die Augen. Erstaunt blickte ich zu Major Armstrong hinüber, der weinend vor mir kniete und abwechselnd zu Ed und mir schaute.

Seine Pupillen vergrößerten sich, als er bemerkte, dass ich wach war. Er strahlte glücklich. "Was...?" bekam ich noch heraus, bevor mich der Major mit erstaunlicher Geschwindigkeit schnappte und mich liebevoll an sich drückte. Nur zu meinem Leidwesen etwas zu fest "Aua!" konnte ich nur zaghaft stöhnen.

Fast wäre er mit mir noch durch das ganze Zimmer getanzt, wenn ihn Colonel Mustang nicht davon abgehalten hätte. "Major, lassen Sie das Mädchen runter." grinste der Schwarzhaarige. Armstrong nickte und setzte mich vorsichtig auf den Stuhl. Ich atmete ein wenig erleichtert aus. >Dieser Mensch hat ja eine Kraft...<

"Gomen nasai, aber mir gehen hin und wieder die Pferde durch..." entschuldigte sich der Hüne bei mir und kratzte sich verlegen am Kopf. "Ist mit dir alles in Ordnung, Mädchen? Wir haben uns große Sorgen gemacht, der Colonel und ich. Natürlich auch Al." Verwundert glitt mein Blick zu Roy Mustang, der mich zwinkernd angrinste. Ich fühlte die Röte auf meinen Wangen und schaute schnell zu meinem stählernen Bruder hinüber. Aber dieser schien ganz woanders zu sein, seine Augen starrten gebannt auf Ed-chan. Ich folgte seinem Blick und lächelte liebevoll auf. Die Anspannung und Verbitterung, die das Gesicht des Blonden vor wenigen Minuten noch beherrscht hatte, waren nun einem Ausdruck vollkommener Zufriedenheit und Ruhe gewichen. Nur die Blässe und die Ringe unter Eds Augen waren letzte Zeugen des inneren Kampfes.

Ich spürte die Hand meines Bruders, die die meinige fest umklammerte, wie aus Angst, ich könnte ihn verlassen. >Mein kleiner lieber Bruder< schmunzelte ich sanft.

"Arigato, nee-san!" leicht erschrocken fuhr ich hoch und blickte in die Augen von Al. Seine Stimme hörte sich brüchig an. Ich fühlte, dass ihm das Wohlergehen seines Bruders sehr am Herzen lag. Darüber freute ich mich sehr.

Langsam schüttelte ich den Kopf. "Du brauchst mir nicht zu danken, für mich..." aber Al-chan unterbrach mich, was eigentlich nicht seine Art war. Verblüfft zog ich eine Augenbraue nach oben. "Doch, das tue ich aber! Das, was du getan hast, hätte nicht jeder getan oder gekonnt! Ich...ich habe bemerkt, wie gefährlich es für dich war, du hättest dabei...dabei sterben können und doch hast du dich dafür entschieden. Das rechne ich dir hoch an und ich werde es niemals vergessen! Ich glaube, nii-san auch nicht..." verlegen strich der stählerne Junge über die Decke seines Bruders, da wir ihn alle anstarrten. Leichte Röte zog sich im Gesicht des Stählernen zusammen.

"So junge Dame!" unterbrach Colonel Mustang die Stille. "Du gehörst auch noch eine Weile ins Bett, denn so ganz gesund siehst du auch noch nicht aus...Major!" Mustang nickte befehlend zu seinem Untergebenen hinüber und öffnete die Tür.

Die Schuhe von Alexander Armstrong klackten laut gegeneinander, als er salutierte.

Der schwarzhaarige Colonel blieb kurz im Rahmen der Türe stehen und wandte sich um. "Hey Blechkamerad!" "Hai?" Al blickte fragend auf. Ich wusste, ihm gefiel es nicht, so genannt zu werden, aber der Colonel schien sich daraus immer einen kleinen Spaß zu machen. "Sag Full Metal, wenn er sich wieder einigermaßen besser fühlt, möchte er sich unverzüglich bei mir im Büro melden. Das gilt auch für dich, junge Frau." Ich stand auf und neigte bejahend den Kopf. >Was will er denn von mir? Ob er weiß, das ich ihn angeschwindelt habe?<

Frech grinsend schaute mich der Colonel noch kurz an, drehte sich um und verschwand. >Was sollte dieser Blick gerade...dieser...< mein Gesicht errötete vor Wut.

"Na, dann..." kam es vom Major. Leicht wandte ich mich in seine Richtung. Er schaute mich von oben bis unten an. Ich folgte seinem Blick und erstarrte. Ich hatte ja nur mein Nachthemd an. Ich spürte noch mehr Röte in mir aufsteigen. >Also deswegen hat mich der Colonel so...< Blitzschnell legte ich den Arm um meine Brust und fauchte Armstrong an: "Könnten Sie bitte aufhören, mich so anzustarren?! So was gehört sich nicht!!" ärgerlich drehte ich mich um.

Aber dann sah ich, wie der Major peinlich berührt auf den Boden starrte. "Entschuldige..." kam es leise von ihm. "Ich hatte nicht beabsichtigt, dich in Verlegenheit zu bringen. Es ist nur so, ich denke, hübsche Frauen sollten angesehen werden, damit sie sich geehrt fühlen. Mehr habe ich dabei nicht im Schilde geführt, das schwöre ich!" Er hob bestätigend die rechte Hand und guckte mich entschuldigend an.

Ich ärgerte mich über mich selber. >Ich habe ihn wieder mal grundlos angefaucht...< Dann kicherte ich leise. "Schon in Ordnung. Wenn ich ein so nettes Kompliment bekomme, kann ich Ihnen ja nicht mehr böse sein." Ich spürte einen leichten Druck an meinen Fingern. Überrascht blickte ich auf meine Hand. Sie war noch immer mit Ed verbunden. Vorsichtig löste ich meine Finger aus der Umklammerung und legte den Arm meines Bruders auf die Decke. Leise stöhnte der Kleine auf.

>Ed-chan vermisst wohl meine warme Hand< grinsend neigte ich mich zu ihm hinunter, streichelte zärtlich über seine Strähnen und gab ihm einen sanften Kuss auf die Stirn. Sein Gesicht bekam einen zufriedenen Ausdruck, ein leichtes Schmunzeln erschien auf seinen Lippen. Mein Blick wandte sich Al zu. Tiefe Röte durchzog seinen Helm. Verlegen und schüchtern drehte er sich blitzschnell dem Fenster zu, in der Hoffnung, dass ihn niemand so sehen würde.

Voller Freude lächelte ich ihn an und neigte meinen Kopf zur Seite. Leise schniefte es neben mir. Ich konnte mir vorstellen, dass Major Armstrong sich die Tränen vom Augenwinkel wegwischte, leicht musste ich darüber schmunzeln. Dieser Mann, so groß er war, so viel Gefühl konnte er auch für andere aufbringen.

Ich strich Ed eine Haarsträhne hinter das Ohr und flüsterte ihm zu: "Ich lass dich jetzt mit deinem Bruder alleine, ototo. Ruh dich schön aus. Und denk dran, du bist nicht allein." Leicht streichelte ich ihm über die Wange, wandte mich um und knallte gegen etwas Großes. Verdutzt blickte ich zu Major Armstrong hoch. "Was zum...?" aber weiter kam ich nicht, denn da hatte mich dieser schon kommentarlos wie eine Puppe auf seine Arme genommen.

"Lassen Sie mich sofort runter! Ich kann alleine laufen!!" wild strampelte ich mit den Beinen herum. Aber es war vergeblich!

>Er ist viel zu stark für mich!< seufzte ich resigniert auf. Trotzdem zappelte ich noch in seinen Armen herum.

"Hör doch auf dich zu wehren, Mädchen. Deine Wunden könnten wieder aufbrechen und dann haben wir das nächste Malheur. Ich werde dich in dein Zimmer bringen und da bleibst du schön im Bett. Ich persönlich überwache das!"

Verwundert stoppte ich meine Bewegungen und schaute ihm verblüfft in die Augen. >Er hat sich sehr große Sorgen um Ed und mich gemacht...deswegen sollte ich wohl aufhören mich zu wehren...<

Leichte Schamesröte färbte meine Wangen. Verlegen wandte ich mein Gesicht ab. "Gomen na. Ich hab mich wohl blöd benommen. Dabei haben Sie es ja nur gut gemeint mit mir." "Na ja, vielleicht haben wir uns beide ja blöd benommen. Ich hätte ja auch was sagen können, bevor ich dich davontrage." grinste er breit.

Major Armstrong drehte sich um und wollte schon die Tür öffnen, als ich ihm kurz andeutete zu warten.

"Al-chan..." der Angesprochene zuckte zusammen und schaute auf. "Mach dir keine Sorgen um ihn. Er ist soweit wieder okay!" grinsend winkte ich ihm zum Abschied. Alphonse hatte mich verstanden und nickte sacht. Ich spürte den Blick von Armstrong. Dieser wunderte sich bestimmt, wieso ich wusste, dass es Ed gut ging. Schweigend verließen wir das Zimmer.
 

Nachdem seine große Schwester auf den Armen von Major Armstrong das Zimmer verlassen hatte, setzte sich der stählerne Junge auf den Stuhl und nahm sanft die Hand seines Bruders in die seine. >Ich wünschte, ich hätte meinen alten Körper wieder. Wie gerne würde ich dir durch meine echte Hand zeigen, das ich hier bin< seine Augen wurden traurig und er blickte auf seine Stahlhand. >So fühlt es sich nur an, als hättest du nur ein Stück lebloses Metall in deiner Hand.<

"Wie gerne würde ich wieder Heißes und Kaltes, Weiches und Hartes spüren, aber am liebsten würde ich dich mit meinen richtigen Augen ansehen. Spüren, wie die Luft, die ich atme, mir den Rachen hinunter streicht. Fühlen, wie der Wind meine Haare zerzaust und zusammen mit dir und Winry über die unendlichen Felder unserer Heimat laufen, so wie wir es als Kinder getan haben. Und dafür müssen wir überleben, nii-san. Wir müssen am Leben bleiben, damit wir diese Dinge wieder zusammen machen können...für uns...Winry und ...auch für nee-san", flüsterte Al leise, doch die letzten zwei Sätze hatte er laut ausgesprochen. Allerdings unbewusst, aber im selben Moment wurde seine Hand sanft und fest gedrückt. Erstaunt blickte er in zwei sehr müde wirkende goldene Augen.

"Gomen nasai, Alphonse, gomen nasai!" wisperte Ed, entschuldigend grinsend.

Diese Worte ließen die Rüstung aus seiner Starre erwachen und eine große Freude und Erleichterung spüren.

"Nii-san...ich bin so froh...NII-SAN!!!" quietschte der Junge und umarmte den Blonden überschwänglich, der sofort anfing in Al's Griff zu zappeln und mit einigen Schmerzensschreien, sich von dem doppelt so großen und schweren Bruder, zu lösen.

Ächzend stöhnte der Blonde auf. "Hey, sei vorsichtig!" und schob Alphonse freundlich, aber bestimmt von sich. Leicht beschämt hielt der stählerne Junge inne und löste sich langsam von seinem Bruder. >Ich bin so froh...danke nee-san...<

Leise kicherte Al, als er seinen Bruder wieder anschaute. Dieser war nach der Knuddelattacke ziemlich zerknautscht, sein Verband am Kopf war verrutscht und eines seiner golddurchwirkten Augen wurde von diesem verdeckt. Er hatte große Ähnlichkeit mit einem jugendlich aussehenden Piraten. Al's Kichern wurde von Ed mit einem großen Grinsen quittiert. Dann lachten sie beide fröhlich. Frei und herzlich.
 

Meine Wangen färbten sich röter als eine Tomate. Jeder, der uns begegnete, schaute uns verwundert an und grinste dann. "Major...lassen Sie mich schon runter?!" quengelte ich. "Erst im Zimmer." war die Antwort.

Ich seufzte auf, aber schmunzelte leicht. >So einen Vater wie ihn hätte ich gerne gehabt...<

Im Zimmer angekommen, legte ich mich schnellstens ins Bett. Armstrong setzte sich neben mich auf den Stuhl. Ich schloss die Augen und versuchte einzuschlafen. Aber es ging beim besten Willen nicht. Ich lugte durch die Wimpern hindurch. Der Major stützte seinen Kopf in den Händen ab und lächelte freundlich auf mich hinunter.

>Er ist ja echt ein netter Kerl, aber es nervt, dass er mich die ganze Zeit anschaut<

"Ähm...und wie soll ich einschlafen, wenn sie mich die ganze Zeit beobachten?" fragend zog ich eine Braue nach oben und setzte mich auf. "Sie sollten lieber nach Hause gehen und sich hinlegen, Sie sind doch bestimmt auch ganz müde, hab' ich nicht Recht? Also husch husch!" mit einer winkenden Handbewegung scheuchte ich ihn aus dem Raum. >Endlich allein!< erschöpft ließ ich mich in die weichen Kissen fallen. "Herrlich!" jauchzte ich. Schläfrig fielen mir die Augen zu und bevor ich in das Land der Träume sank, hörte ich noch das Gelächter meiner beiden Brüder. "Ich bin so...froh..."
 

Doch plötzlich erstarb das Lachen von Ed. Leise zischend hielt er sich die rechte Seite und Schweißperlen glitzerten auf seiner Haut. Sein Gesicht, das noch vor wenigen Augenblicken gestrahlt hatte, glich nun einer schmerzverzerrten Grimasse. Al drückte seinen blonden Bruder sanft in die Kissen zurück. Sorgenvoll schaute der stählerne Junge Edward an. "Du solltest es nicht übertreiben, nii-san. Du bist längst noch nicht fit."

Leicht strich er die Decke seines Bruders glatt. Dabei entdeckte er einen roten Fleck, der sich schnell vergrößerte. Erschrocken blickte Alphonse seinen Bruder an. >Ich muss den Doktor holen!< Sprang auf und wollte zur Türe eilen. Aber er wurde von einer Hand, die ihn festhielt, gestoppt. Als er abwärts schaute, sah ihn der Blonde mit großen flehendlichen Augen an. "Bitte...bitte geh nicht! Lass mich nicht allein!" kam es leise bittend aus dem Mund des blonden Jungen. In den goldglänzenden Pupillen befand sich der gleiche große Schmerz, wie vorher. >Nee-san...sie hat doch gesagt, alles wäre in Ordnung, aber was...was ist passiert, dass er solche Qualen erleidet?<

Al setzte sich in die Hocke und zeigte auf die Wunde, die noch immer blutete.

"Ich gehe nur schnell den Arzt holen. Er soll dir die Wunde neu verbinden. Ich bin sofort wieder da, ich verspreche es! Ich...ich würde doch niemals für immer fortgehen, das weißt du doch?!" beruhigend strich die Rüstung dem Älteren über die Hand.

Vorsichtig, um Ed nicht noch mehr Schmerzen zuzufügen, löste Al sich aus der Umklammerung und wandte sich der Tür zu.

"Versprochen?" wisperte Edward zitternd. Der Stahlgigant spürte die Angst seines nii-sans, die ihn tieftraurig machte. Leicht drehte er seinen Kopf zu seinem liegenden Bruder. "Großes Bruderehrenwort!" Mit diesen Worten ging er hinaus und das Schloss rastete ein.

Langsam schritt er vorwärts. Das Gesicht und die Stimme von Edward gingen ihm nicht mehr aus dem Sinn. >Was ist nur los mit ihm? So kenne ich ihn gar nicht. Das ist nicht mein nii-san, der immer voller Hoffnung in die Zukunft schaut...er ist nur ein Schatten seines Selbst. Vorhin war ich noch so glücklich, ihn so fröhlich zu sehen und dann...wie wenn ihn die Verletzung wieder in die Realität befördert hat. Warum...warum hat er sich so verändert?<

Inzwischen war Al vor dem Ärztezimmer angekommen, klopfte an und öffnete. Im ersten Moment starrten ihn die dort sitzenden Doktoren erschrocken an. Aus der Menge löste sich ein etwas kleinerer, schon älterer Mann, der freundlich lächelnd auf die Rüstung zuging.

Sein Name war Doktor Brown, erinnerte sich der stählerne Junge.

Alphonse, blickte sich kurz um. Er wurde immer noch angegafft und spürte wie sich seine Wangen vor Verlegenheit röteten.

"Na, Alphonse-kun...", leicht klopfte Doktor Brown auf den Brustpanzer der Rüstung. "Warum besuchst du mich? Stimmt was mit deinem Bruder oder dem Mädchen, das ihm so ähnlich sieht, nicht?"

Doktor Matthew Brown erinnerte sich noch, wie er den Junge und das Mädchen dort aufgefunden hatte und sie ins Krankenhaus gefahren waren. Die ganze Zeit hatte er Alphonse beruhigt und er fand es nicht störend mit einer leeren Rüstung zu sprechen. Nein, im Gegenteil, der Junge war ihm vom ersten Moment sehr sympathisch gewesen. Die ganze Zeit, in der sein blonder Bruder schon hier war, war ihm der Junge nicht von der Seite gewichen. Wie ein kleines Hündchen war er Ed gefolgt. Erst bei den Untersuchungen im OP hatte sich Alphonse von Edward trennen müssen.

Während sich die übrigen Ärzte wieder ihrem Dienst zuwandten, neigte sich der stählerne Junge zu Matthew Brown hinunter: "Na ja, ich bin hier, weil die Wunde meines Bruders wieder aufgeplatzt ist. Ich weiß, ich hätte einer Krankenschwester Bescheid sagen sollen, aber da stand ich schon vor dieser Tür und..." Doc Brown blickte den Jungen mit ernsten und ruhigen Augen an. "Du brauchst nicht weiter zu sprechen, ich weiß was du meinst." Die tiefe Bindung der beiden Brüder beeindruckte ihn sehr. So viel Bruderliebe faszinierte und rührte den Arzt, der schon viele Jahre in seinem Beruf tätig war und so etwas noch nie erlebt hatte.

Leise seufzte er auf. >Wenn der Junge schon mal da ist, kann ich mir auch gleich ein Bild von der Situation machen. Das Mädchen und der kleine Blonde scheinen mehr gemeinsam zu haben als nur ihr Erscheinungsbild...auch ihr musste ich die Wunde nochmals neu verbinden...aber dieses Licht, das sie umgab, was war das nur? Vielleicht weiß ja der Junge hier etwas...aber erst mal kümmere ich mich um den Jungen<

"Na komm, Alphonse-kun, leisten wir deinem Bruder ein wenig Gesellschaft." freundlich lächelnd schritt Doktor Brown in die Richtung von Eds Zimmer. Al ging neben ihm her. "Arigato!" wisperte er. "Ach nicht doch...du brauchst dich doch nicht zu bedanken, Alphonse-kun!"
 

Währenddessen lag Ed teilnahmslos im Bett. Das Blut der Wunde suchte sich immer noch einen Weg nach draußen, aber das berührte den Jungen nicht.

>Was ist das, dieses Gefühl...etwas, dass mich nicht mehr loslässt. Ich war so froh, Al neben mir sitzen zu sehen...so erleichtert...warum musste die Wunde aufgehen?< entsetzt schüttelte der Blonde seinen Kopf. >Es tut so weh...so unsagbar weh...tief in mir...aber ich weiß, was ich gesehen habe ist die Wahrheit. Ich kann die Augen nicht davor verschließen. Ich kann nur eines tun: Ich muss es verhindern, koste es was es wolle!<
 

~*~*~*~*~*~*

Tja, wieder ein netter Cliffhanger *grins*

Wie es wohl weitergehen wird? Das werdet ihr bald erfahren...bis dahin eine schöne Woche und wir haben euch lieb!

Liebe Grüße

Lina und Mariko

Der neue Auftrag

Eine neue Woche, ein neues Chapter *grins*

So, in diesem Kapitel geht es nur um die Homunculi, viel Spaß damit

Vielen lieben Dank an alle, die diese FF lesen, ein dickes Danke an Hotepneith *knuddel*
 

Ein neuer Auftrag
 

An einem anderen Ort
 

Derweil hatten sich die Homunculi an einem sicheren Ort versteckt. Greed kontaktierte ihren Anführer, darum waren Lust, Gluttony und Envy allein und warteten auf die Ankunft ihres Bosses.

Der schwarzhaarige Junge ging währenddessen unruhig auf und ab. Ihn stimmte es ganz und gar nicht glücklich, wenn man bei diesem Homunculus überhaupt von solch einer Gefühlsregung sprechen konnte, dem Boss diese Niederlage zu verkünden. Nervös knabberte er an seiner Unterlippe herum. >Er sieht fast wie ein Panther im Käfig aus. Er ist doch sonst immer so cool und unantastbar...< dachte Lust, die auf einer Holzkiste saß, gelangweilt und spielte mit ihren langen Haaren. Neben ihr stand Gluttony, der sich hungrig umsah, ob etwas Essbares in der Nähe war. Er fand zu seinem Bedauern nichts, was seinen Magen ruhig stellen konnte, daher wandte er sich an Lust.

Diese jedoch winkte ab, bevor der kleine Homunculus überhaupt etwas sagen konnte. "Geh mir bloß nicht auf die Nerven damit, Gluttony. Wir haben jetzt ganz andere Sorgen als deinen nicht enden wollenden Hunger!"

Enttäuscht sah der Dicke zu seiner Gefährtin auf. Er mochte sie sehr gerne, nur wenn sie mit ihm schimpfte, betrübte es sein Herz. Andererseits war es immer berechtigt, wenn Lust ihre Stimme gegen ihn erhob. Daher sagte er nichts, da es die hübsche Schwarzhaarige ja nicht böse mit ihm meinte.

Seufzend plumpste Gluttony neben seine Gefährtin auf den Boden und beobachtete, wie Envy immer noch kopflos im Kreis lief. Er roch die Nervosität des Jungen und steckte fragend einen Finger in den Mund. Warum war Envy nur so - fast könnte man sagen - ängstlich?

Auch Lust spürte die Unruhe des Jungen. >Vor keinem hat dieser Kleine Angst, furchtlos stellt er sich jeder noch so kleinen Gefahr, aber kaum ist vom Boss die Rede, schon ist er nur noch ein nervliches Wrack.< Die Schwarzhaarige schüttelte ungläubig den Kopf. Sie konnte es nicht verstehen und wollte es auch lieber nicht.

Ein Klopfen an der Geheimpforte ließ alle auffahren. Envy erschrak regelrecht und wurde ein wenig blass. >Verdammt, warum hab ich nur Angst vor diesem alten Tattergreis?< knirschte er mit den Zähnen. Lust und der dicke Homunculus starrten aufmerksam zur Tür. Sie lauschten: es klopfte einmal, zweimal schnell hintereinander, eine Pause, dann noch zweimal schnell hintereinander. Ihr verabredetes Geheimzeichen.

Die hübsche Schwarzhaarige nickte dem Jungen bestätigend zu. Envy blickte nervös auf den Eingang, machte aber keine Anstalten zu öffnen.

Lust schüttelte verständnislos den Kopf, rutschte elegant von der Kiste und schritt auf die Türe zu.

Diese ging mit einem lauten Knarren auf und zwei Schatten erschienen am hell erleuchten Gang. Envys Pupillen erweiterten sich vor Anspannung. Erstarrt sah er den beiden Neuankömmlingen entgegen. Einer der Schatten löste sich plötzlich aus dem Eingang und es erschien ein ewig grinsender Greed. Feixend tätschelte er die Schulter des Jungen. "Hey, was ist los, Envy? Hast du einen Geist gesehen?" kicherte der schlanke Mann.

Normalerweise hätte der Junge die Hand des anderen weggestoßen, aber er rührte sich keinen einzigen Zentimeter, sondern starrte in die Augen desjenigen, der sich mit Greed hier eingefunden hatte. Eigentlich eher in das eine Auge, denn das andere war unter einer Klappe versteckt. Den Grund dafür kannte Envy nur allzu gut.

Er schluckte krampfhaft einen dicken Kloß hinunter. >Warum hab ich nur solche Angst? Er ist doch nur ein alter Mann!<

"Envy...", beim Klang der Stimme fröstelte es den Jungen schon. Kaum erkennbar zuckte er zusammen. >Hoffentlich hat das niemand von den anderen gesehen...<

Doch er täuschte sich. Lust bemerkte es und hob überrascht eine hübsche Augenbraue. >Ich habe immer angenommen, dass dieser Junge nichts und niemanden fürchtet, aber es scheint, als habe er seinen Meister gefunden...<

Die Hände zu Fäusten geballt, gespannt wie eine Feder, die bei der ersten falschen Bewegung aufsprang, stand Envy vor seinem Boss. Ein leichtes Zittern verriet die nervliche Unruhe des Schwarzhaarigen. Er konnte kaum dem Blick seines Anführers standhalten.

"Envy...hatte ich dir nicht befohlen diesen Jungen, den man Full Metal nennt, hierher zu bringen, damit er für uns den Stein der Weisen kreiert. Doch was hat man mir stattdessen berichtet? Er ist entkommen und damit auch unsere Hoffnung Menschen zu werden...Menschen mit einer Seele. Ich hoffe du bist dir der Konsequenzen bewusst? Diese Personen, die ich euch als Opfer besorgt habe, werden nun plaudern...wie stehe ich dann da? Ich wünsche von dir, dass du das in Ordnung bringst. Bis jetzt wurden sie noch nicht befragt. Liquidiere sie alle...jeden einzelnen von ihnen. So gebe ich dir noch eine Chance dich zu rehabilitieren. Enttäusch mich nicht wieder...", höflich lächelte der Mann vor Envy. Doch sein Auge war eisig wie ein arktischer See.

Der schwarzhaarige Junge schluckte hart. >Er lässt mich noch mal davonkommen? Dafür muss ich nur ein paar minderwertige Subjekte umbringen...nichts leichter als das...< ein kaltes Grinsen breitete sich auf dem Gesicht von Envy aus, er hob langsam den Kopf und begegnete dem Blick seines Anführers, der mit nach hinten verschränkten Armen vor ihm stand.

Die schwarzen Augen des Jungen funkelten vergnügt auf. >Ich werde es dem alten Sprücheklopfer schon zeigen, zu was ich fähig bin< Ein kurzes Nicken bestätigte den Auftrag.

"Und was den Full Metal Jungen angeht, um den werde ich mich persönlich kümmern...irgendwann in nächster Zeit, wenn ihr das nicht hinbekommt."

Die heiße Wut brodelte in Envys Adern und er verzerrte das Gesicht zu einer hasserfüllten Fratze. >Eines Tages, werde ich mich für alle Demütigungen an dir rächen, alter Sack. Dann wirst du vor mir im Staube kriechen und wie ein Hund um dein mickriges Leben winseln. Dann wirst du erfahren, was es heißt gedemütigt zu werden.< Lust beobachtete den Jungen neben sich. Sie spürte, wie er förmlich nach Fassung ringen musste. >Ein falsches Wort von unserem Anführer und Envy vergisst sich...obwohl...der Junge sollte es lieber sein lassen<

Ihr Oberbefehlshaber wandte sich um, es war nun alles gesagt, was den neuen Auftrag anbelangte. Doch kurz bevor er die Türschwelle durchschritt, drehte er sich nochmals um. Sein Blick ging zu dem schwarzhaarigen Jungen hinüber, der verwundert beide Augenbrauen nach oben zog. >Was will er denn jetzt noch?<

"Greed hat mir von einem Mädchen erzählt, die sich bei den beiden Elric Brüdern befunden hätte. Sie soll dem Full Metal Jungen sehr ähnlich gesehen haben. Kannst du mir dazu etwas sagen, Envy?"

Der Angesprochene schaute betreten zur Seite. >Ach, das Mädchen hätte ich fast vergessen. Obwohl es mir irrsinnigen Spaß gemacht hat, sie leiden zu lassen. Wie entsetzt der kleine Wicht ausgesehen hat, als meine Klinge das reine und kostbare Blut dieses Weibes kosten ließ.< Ein sehr zufriedenes Grinsen erfüllte das Gesicht des schwarzhaarigen Jungen, einen Moment später erstarb es aber wieder. >Wenn dieses Leuchten nicht gewesen wäre...verdammtes Weibsstück...mieser kleiner Shorty! Wie ich dich hasse!<

"Ich warte...", die klirrendkalte Stimme des Anführers weckte Envy wieder aus seinen Gedanken.

Warum war denn dieses Mädchen jetzt so wichtig? Lieber würde er sich den kleinen Hagane schnappen und ihn ordentlich verdreschen, denn dieser war auch Schuld an seiner Misere. >Was will denn der Boss jetzt von diesem Weibsstück?<

"Ja, da war ein Mädchen. Und ja, sie hat dem Full Metal Zwerg sehr ähnlich gesehen." kam es gepresst aus dem Mund des Jungen.

"Und das ist alles was du mir berichten kannst?" fragte sein Gegenüber harsch, dem diese kurze Antwort von Envy nicht genügte.

>Dieser alte Mann behandelt mich wie einen dummen Jungen! Dir werde ich es noch heimzahlen, verlass dich darauf!<

"Nun ja, mir würde da noch was einfallen..." mischte sich Greed in das Gespräch ein. Er blickte grinsend zu dem Jungen hinüber, der ihn hasserfüllt anstarrte.

"Ja? Ich höre, Greed...", der schwarzhaarige Mann stellte sich neben Envy, der angeekelt wegsah, auf und begann zu berichten. Er erzählte von dem Versuch des Mädchens und dem Full Metal Jungen den Stein der Weisen umzukehren, dann die seltsame Wandlung des Lichts, welches über dem Transmutationskreis erstrahlte und von dem Bannkreis, der die beiden schützend umgeben und keinen von ihnen durchgelassen hatte. Als Greed nun auch beschrieb, wie Envy vergeblich versucht hatte, zu den Beiden durchzudringen und davongeschleudert wurde, blitzte etwas Metallisches neben dem schwarzhaarigen jungen Mann auf.

Der Junge umschlang mit einem Arm den Oberkörper von Greed. Dessen ruhiges Gesicht spiegelte sich auf der glatten Oberfläche einer riesigen scharfen Klinge, die ihm Envy an den Hals drückte. "Den letzten Satz hättest du gerne weglassen können!" zischte es böse in das Ohr des groß gewachsenen Mannes.

"Na na, mein lieber Envy...wer wird denn gleich ausflippen und auf seine Verbündeten losgehen?" Absichtlich drehte Greed sich so, dass ihn die messerscharfe Klinge am Hals verletzte. "Wenn der Boss Antworten haben will, dann haben wir sie ihm zu geben, jeder von uns", mit einem süffisanten Lächeln neigte er seinen Kopf noch weiter zu Envy hinüber. "Und gerade du müsstest eigentlich wissen, dass mir dieses leichte Kitzeln deiner Klinge rein gar nichts ausmacht." Doch mit diesen kleinen Sticheleien stachelte er den Jungen nur noch mehr an. Unglaublicher Hass funkelte aus den rabenschwarzen Augen von Envy auf und er drückte das Messer mit seiner ganzen Kraft gegen den Hals des anderen Homunculus. Dieser keuchte überrascht auf und fasste reflexartig mit einer Hand an die stark blutende Wunde. Einen Menschen hätte diese Wunde getötet, im schlimmsten Fall sogar den Kopf gekostet.

Die Augen von Envy wurden glühend vor Zorn und er verlor langsam, aber sicher die Kontrolle über sein Handeln.

Plötzlich spürte er, das sich Greeds Körper verspannte und seine Haut hart wie Stein wurde. Es war, als würde sich ein Panzer, noch härter als ein Diamant, über seinen gesamten Körper spannen. Nach dem der Verwandlungsprozess beendet war, riss der schwarzhaarige Mann sich von dem Jungen los. Verblüfft über diese Aktion flog Envy nach hinten, im gleichen Moment fing er sich aber auf und sprang mit einem gewaltigen Satz auf den viel größeren Mann zu.

Lust schüttelte genervt ihren Kopf, so dass ihre schönen langen Haare in ihr Gesicht fielen. >Männer...können die sich nicht einmal benehmen...< seufzte sie und fuhr mit ihren ultrabeweglichen Fingernägel auf die beiden Kontrahenten los, um sie zu trennen. Mit der rechten Seite erwischte sie Envy, der über diese Attacke überrascht aufkeuchte. Mit der linken hielt sie Greed in Schach, der sich erst verärgert umsah. Als er den ,Übeltäter' erkannte, grinste er über das ganze Gesicht und lachte. "Frauen müssen sich auch überall einmischen, sogar in Männerangelegenheiten!" war sein frecher Kommentar. Lust verdrehte genervt die Augen. >Typisch Greed!<

Ihr Blick wanderte zu ihrem Anführer, der immer noch an der Türschwelle im Schatten stand. Dieser nickte in ihre Richtung und die hübsche Schwarzhaarige ließ die beiden Streithähne los. Envy machte sich schon wieder kampfbereit und wollte sich auch in der nächsten Sekunde auf Greed stürzen, wenn die gewichtige Stimme ihres Oberbefehlshabers ihn nicht davon abgehalten hätte.

"Ich glaube, ich sollte mir beim nächsten Mal genauer überlegen, wen ich mit einem so wichtigen Auftrag losschicke. Manch Anwesender...", der eisigkalte Blick streifte den schwarzhaarigen Jungen. Er fuhr fort: "...hier scheint ja nicht einmal in der Lage zu sein, die einfachsten Dinge für mich erledigen zu können."

Mit knirschenden Zähnen und vor Wut blitzenden Augen ließ Envy die Demütigungen über sich ergehen. Aber er schwor sich, diesem alten Tattergreis alle Gemeinheiten mit Zins und Zinseszins heimzuzahlen.

"Ich gebe dir noch diese eine Chance, Envy. Wenn du wieder versagen solltest, war es das letzte Mal, dass du mich enttäuscht hast." Das Auge schaute ihn ruhig an, aber der Junge wusste, sein Anführer meinte es bitterernst. Der Oberbefehlshaber drehte sich um und verschwand in der Dunkelheit.

Lust blickte die beiden Kontrahenten alarmierend an. Diese stellten sich kampfbereit gegenüber auf. Ihre Augen blitzten wütend und die Körper spannten sich.

Greed schien diesmal der Klügere der Streithähne zu sein, denn seine Haltung entspannte sich wieder und mit seinem typischen Grinsen sah er den Jungen versöhnlich an. Diesem war aber ganz und gar nicht nach Lächeln zumute. Mit einer abfälligen Handbewegung wandte er sich von dem hoch gewachsenen Mann ab und sprang leicht wie eine Feder auf den Dachbalken des Hauses. Dort kauerte er sich, den Kopf leicht schief auf den Knien, wie ein geschlagener Hund nieder.

Greed schaute fragend zu Lust hinüber, diese zuckte aber unwissend mit den Schultern. Keiner der Homunculi wusste genau, warum sich Envy dem Chef gegenüber immer so verhielt...und keiner war sich so sicher, ob er es überhaupt wissen wollte
 

~*~*~*~*
 

Was hat wohl der Chef der Homunculi alles noch vor?

Wie geht es wohl Ed im Krankenhaus?

Die Antwort gibt es in den nächsten Kapiteln, also bleibt dran...

ein schönes Wochenende wünschen

Mariko und Lina

Erinnerungen

Vielen lieben Dank an euch alle, ihr seid echt die besten Leserinnen, die sich ein Autor wünschen kann...*euch alle mal lieb knuddelt* So und nun viel Spaß:
 

Erinnerungen
 

Inzwischen
 

Ed lag teilnahmslos in seinem Bett. Trüb blickten seine Augen aus dem Fenster. Das rotgefärbte Licht der Sonne zerfloss auf dem Bettlaken und schien warm in das Gesicht des Jungen. Doch er reagierte nicht darauf. Seine Pupillen nahmen leer und stumpf Anteil am Leben.

Sein Blut färbte das weiße Laken immer mehr. Ein Großteil der oberen Decke war schon blutbefleckt, aber auch das nahm der Blonde nicht wahr.

>Nee-chan hat mich zwar von dort zurückgeholt...dieser grausame Ort, an dem ich alleine war...so alleine...aber etwas unbeschreiblich Schreckliches habe ich von dort mitgebracht...Etwas, das man nicht in Worte fassen kann. Aber ich muss es Jemandem erzählen, wenn nicht, werde ich noch verrückt und gehe zu Grunde. Vielleicht...vielleicht kann ich ja mit nee-chan darüber reden. Aber wo ist sie? Ich habe ihre Anwesenheit...und ihre Wärme noch vor kurzem hier im Raum gespürt...sie muss in einem anderen Zimmer liegen...denn sie hat auch schwere Wunden davongetragen< Er erinnerte sich daran, das die Wunde seiner Schwester wieder aufgebrochen war. "Nee-chan...", flüsterte der Kleine leise und liebevoll. Langsam setzte er sich auf. Ein Knacken in seiner Automail ließ ihn nach unten blicken. Einige Finger hingen lose in den Gelenken, aber der Junge schien unbeeindruckt zu sein. Vorsichtig stand er auf und schritt schwankend zur Tür. Leise öffnete er sie und lugte durch einen Spalt hinaus. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass niemand in der Nähe war, ging er hinaus. Die Tür schloss er leise hinter sich. >Wohin soll ich gehen...rechts oder links?< Er entschied sich für rechts. Leicht wankend stützte er sich an der weißen Wand ab und blickte jedes Mal, wenn er an einer Tür vorbeiging, kurz auf. Aber keiner der Schilder trug den Namen seiner Cousine. Er wollte sich gerade resigniert umdrehen, als sich ihm Stimmen näherten.

Panisch sah er sich um. Nirgends konnte er sich verstecken, rechts und links von ihm waren nur Krankenzimmer, keine Abstellkammer oder Nische um sich zu verstecken. Und zum Davonlaufen war er viel zu schwach. >Was soll ich nur tun? Sie werden gleich hier sein...< Sein Puls raste, sein Atem ging immer schneller, die Gedanken überschlugen sich förmlich. Dann kam ihm der rettende Gedanke. Er schlug die Hände gegeneinander und war verschwunden...keine Sekunde zu spät!

Zwei Krankenschwestern bogen um die Ecke, lachend tratschten sie über das Aussehen des neuen Arztes auf der Station. "Er ist ja so süß und sein Hintern erst...", kicherte die eine. Die andere grinste. Als sie an der Stelle angekommen waren, an der Ed noch vor wenigen Augenblicken gestanden hatte, hielt die eine erstaunt inne und packte ihre Kollegin am Arm. Der blonde Junge schaute die beiden verwundert an und folgte dem Blick der Krankenschwester. Seine Augen weiteten sich erschrocken. Um ihn herum und auf dem Weg hierher bildete sein Blut einige große Flecken.

Auf einmal spürte der Blonde wie er schwach wurde. Seine Alchemistenkräfte forderten ihren Tribut. Mit schmerzverzerrtem Gesicht hielt er sich die rechte Seite, aus der immer noch der Lebenssaft tropfte. >Ich halte das nicht mehr lange aus...< Vor seinen Augen verschwamm langsam alles und blutige Schlieren bildeten sich vor seinem Blickfeld.

Er hoffte, dass die beiden Krankenschwestern schnell genug verschwinden würden, aber leider bestätigte sich dies nicht. Eine der beiden Schwestern rief: "Hol schnell warmes Wasser, damit wir die Blutflecken vom Boden wischen können."

Der kalte Schweiß stand Edo auf der Stirn, seine Beine trugen ihn kaum noch und er spürte wie sein Bewusstsein schwand. "Nein...nein...bitte...geht doch!" flüsterte er keuchend. Seine Beine wurden immer schwächer und drohten einfach wegzuknicken. Schwer atmend lehnte er sich an die Wand des Krankenhausflurs und rutschte langsam in die Knie. >Ich halte das nicht mehr durch...ich schaffe das einfach nicht mehr...< Die Welt um ihn verschwamm in einem grausamen Nebel. Die Geräusche wurden zu einem Furcht erregenden Kreischen, so dass der Junge sich panisch und krampfhaft die Ohren zu hielt.

Sein Körper schrie nach einer wohlverdienten Ruhe, doch der Blonde wehrte sich mit seiner ganzen noch vorhandenen Kraft dagegen.

Er schloss die Augen, konzentrierte sich auf seine Atmung, doch sein Leib verlangte vehement nach Ruhe und versuchte verbissen, diese auch mit Gewalt einzufordern. In Ed tobte ein Kampf, dessen Folgen nicht vorhersehbar waren.

Fast schien es so, als ob sein Körper die Oberhand gewann, aber eine energisch klingende Stimme riss ihn wieder in die Wirklichkeit zurück. Ruckartig öffnete der blonde Junge seine goldenen Augen und sah, wie die beiden Krankenschwestern alarmiert in eine bestimmte Richtung sahen. Er folgte dem Blick der Frauen und erkannte einen Arzt im OP-Kittel, der auf sie zugelaufen kam. Hektisch wedelte dieser mit den Armen herum und rief ständig irgendetwas.

"Ich brauche sofort eure Hilfe! Gerade ist ein Unfallopfer hereingekommen, um den es ziemlich schlecht bestellt ist. Er hat schon den zweiten Herzstillstand und wir sind nur zwei Personen in der Notaufnahme." Die Schwestern rannten ihm entgegen. Nach Luft schnappend, blieb dieser vor ihnen stehen. "Wo sind denn all die anderen?" wollten die beiden wissen. "Alle...alle bei anderen Patienten. Wir haben in der letzten halben Stunde 8 Schwerverletzte hereinbekommen, da muss etwas sehr Schreckliches passiert sein! Alle ringen mit dem Tod!" Der Doktor wandte sich um.

Zutiefst betroffen über diese Nachricht liefen ihm die beiden Krankenschwestern auch schon nach, um ihm zu helfen.

Als die Frauen nicht mehr in Eds Richtung schauten, löste er den Bann und wurde Sekunden später wieder sichtbar. Mit einem stöhnenden Laut knickte er nach vorne und schnappte begierig nach Luft. >Noch eine Sekunde länger...< Er wusste nicht, was geschehen wäre, aber Izumi-san hatte ihn und seinen jüngeren Bruder immer davor gewarnt, DAS anzuwenden. Sich unsichtbar zu machen, gehörte zu den schwersten Dingen, die ein Alchemist beherrschen konnte. Es gehörte eine enorme Menge an Ausdauer und Kraft dazu, sowie Konzentration. >Sie hat uns immer gewarnt, das anzuwenden...damals haben Al und ich es ausprobiert. Dass wir nicht draufgegangen sind, haben wir Izumi-sensei zu verdanken, die rechtzeitig eingegriffen hat. Die Tracht Prügel, die sie uns danach verabreichte, war nicht von schlechten Eltern...< Edwards Gesicht verzog sich zu einem Grinsen, das eher einer verzerrten Grimasse glich.

Langsam und vorsichtig richtete er sich auf. Schwer atmend lehnte er sich an die weißgetünchte Wand des Flures. Er hörte immer noch die Stimme des jungen Arztes, der den Frauen aufgeregt und laut berichtete, was vorgefallen war. >Wahrscheinlich die Aufregung< erschöpft legte der blonde Junge einen Arm auf seine Augen. Doch dann wurde er hellhörig und lauschte dem Gesprochenen. "Nur Frauen, ihre Kinder und alte Menschen sind von diesem Unglück betroffen. Alle sind auf dieselbe Art und Weise zugerichtet worden. Grausam...ich kann mir das nicht erklären! Da scheint wohl ein Irrer Spaß am Töten zu haben. Wirklich sadistisch!" Der Blonde hörte wie die Stimme des Mannes bebte. Ihn selbst berührte dies auch sehr.

Eine der Krankenschwestern antwortete: "Nur Frauen, Kinder und alte Menschen? Das klingt fast so, als ob ein Ritualmörder, der es nur auf einen bestimmten Personenkreis abgesehen hat, sein Unwesen treiben würde. Wie viele habt ihr denn schon verloren?" Kurz herrschte eine bedrückte Stille. Dann flüsterte der Arzt. "Fast...alle..." der Klang seines Tons war tieftraurig und bestürzt. Die beiden Frauen sogen erschrocken die Luft ein. Der Doktor sprach weiter: "Fast...fast alle wichtigen Organe wurden zerfetzt, wir...wir können...kaum etwas für sie tun. Am meisten schmerzt es mich der Kinder wegen." Die Stimmen entfernten sich, nur noch einige Wortfetzen drangen zu Ed vor. "...im Delirium...Junge...schwarzes langes Haar...seltsame Kleidung..."

Diese Worte genügten um den blonden Jungen blass werden zu lassen. Sein Körper rutschte wieder nach unten. Krampfhaft schluckte er den dicken Kloß, der sich in seinem Hals gebildet hatte, hinunter. Sein Körper zitterte unter dem Gehörten. Gelegentliche Schluchzer schüttelten den schwer gepeinigten Leib des Jungen zusätzlich. Er lehnte sich schwer atmend an die Wand und blickte voller Trauer zur Decke.

"Sie...sie hat versucht sie zu retten, und nun..." wimmerte der Kleine. In seinen Augen stand unsagbarer Schmerz geschrieben. Wie viel Leid würden seine Seele und sein Herz noch ertragen müssen?

"...und nun bringt dieser Mistkerl sie alle um!" Der goldene Blick des Jungen verhärtete sich. Wut, Kälte und Gnadenlosigkeit spiegelten sich darin. "Wenn wir uns wieder begegnen, dann bring ich dich um, das schwöre ich, Envy!" knirschte er.

Einige Minuten saß er da, behutsam wieder Kraft schöpfend. Plötzlich fiel es ihm ein, warum er sein Bett verlassen hatte. >Nee-chan...du musst unbedingt wissen, was geschehen ist. Ohne...ohne dich schaff ich es nicht, ihn zu besiegen. Und da ist noch etwas anderes, worüber ich mit dir sprechen muss.< Mühsam versuchte er sich aufzurichten, aber seine Beine fühlten sich an wie Gummi, so dass er gleich wieder auf den Boden rutschte. Tränen schossen dem Jungen in die Augen und liefen ihm die Wangen hinunter. Wütend über sich selbst und seiner Schwäche schlug er mit seiner linken Hand auf den Boden ein, bis die Haut aufscheuerte und zu bluten anfing. "Al...Alphonse...ich will dich nicht verlieren...nicht SO!" schluchzte Ed. "Warum...? Warum muss das alles geschehen?" wimmerte er leise. "Was...was habe ich nur getan, dass mir das alles passiert?" Verzweifelt schlug er die Hände vor das schmerzverzerrte Gesicht. Er sah Dinge in seinen Gedanken, die ihn fast in den Wahnsinn trieben. Er lag auf dem Boden, zusammengerollt wie ein Baby und hielt sich gequält den Kopf.

"Al...Al..." Vor seinem Geiste tauchte die Gestalt seines jüngeren Bruders auf, das Gesicht verzerrt in großer Todesangst. "Nii-san..." erklang die vorwurfsvolle Stimme des dunkelblonden Kindes. "Warum hast du mich im Stich gelassen? Wieso?"

Die Pupillen von Ed weiteten sich vor Entsetzen. Ein qualvoller Laut kam aus seiner Kehle, als sich vor seinem geistigen Auge die schrecklichen Bilder aus der Vergangenheit abspielten. Vor ihm schwebte Alphonse und sah ihn aus kalten, emotionslosen Augen strafend an. Genau wie damals, verlosch nach und nach ein Teil von ihm. "Wieso?" Dieses einzige Wort reichte aus, um Edos Herz schmerzhaft zusammenziehen zu lassen. "Ich...ich habe dich nicht im Stich gelassen. Niemals! Niemals hätte ich gewollt, dass so etwas geschieht!" flüsterte der blonde Junge unter Tränen. Versöhnend streckte er eine Hand nach seinem Bruder aus, aber dieser stieß sie grob beiseite. "Du hast es nicht gewollt?" wütend, fast höhnisch fuhr ihn Alphonse an. "Sieh mich heute an! Ich habe keinen Körper mehr, nur eine leere metallene Hülle...Und was ist mit dir? Du hast lediglich nur deinen Arm und dein Bein verloren und sogar noch einen Ersatz bekommen! Und ich? Was habe ich? Weißt du eigentlich, wie schwer es ist so zu leben?" Teile von Al's Gesicht lösten sich allmählich auf und verschwanden im Nichts.

Wieder streckte der Ältere eine Hand nach seinem Bruder aus, aber diese fuhr durch den Körper des anderen als wäre er nur ein Geist. "AL! Wenn ich die Macht gehabt hätte, dann hätte ich jederzeit dein Schicksal auf mich genommen! Das schwöre ich dir!" Doch die grünen Augen von Alphonse blieben kalt und ohne Gefühl. Sein Geist war nach wie vor unangreifbar. "Lügner!" fuhr ihn der Dunkelblonde an und Edward zuckte unter dieser Stimme zusammen, wie unter einem Peitschenhieb. "Dir ist doch nur dein eigenes Wohl wichtig! Wer sagt mir, dass du mir wirklich meinen Körper wiedergibst, wenn wir unser Ziel erreicht haben?! Vielleicht willst du den Stein der Weisen ja nur für dich allein nutzen. Ich weiß nicht, ob ich dir noch trauen kann! Bist du wirklich mein Bruder?" Mit diesen Worten verschwand auch der Rest des kleinen Jungen mit den grünen Augen.

"Al...phonse! AL!!" schrie der blonde Junge, eine Hand nach seinem kleineren Bruder ausgestreckt.

Sein Blick klärte sich allmählich und er erkannte überrascht, dass er im Krankenhausflur lag. Gerade eben hatte er noch auf dem Boden des Zimmers gelegen, in dem damals alles anfing. In diesem Raum, in dem sie ihre Mutter ins Leben zurückrufen wollten...und sich ihr eigenes Leben für immer verändert hatte.

Zu Tode ermattet fasste Edward an seine schweißnasse Stirn. >Ich glaube, ich werde langsam wahnsinnig!<

Vorsichtig versuchte er sich aufzurichten. Danach lehnte er völlig fertig an der Wand und blickte aus müden Augen zur Decke hinauf. >Was war das nur? Ist es das was Al über mich denkt? Oder ist es das, wovor ich Angst habe, dass er es denken könnte? Verdammt...wenn das so weitergeht, kann ich bald nicht mehr Wirklichkeit von Schein unterscheiden.<

Laute Schreie weckten ihn aus seinen trüben Gedanken und er zuckte leicht zusammen. Er hörte wie Bahren in die Operationssäle geschoben wurden...Bahren auf denen Menschen lagen, die vor Schmerzen schrieen und wimmerten. Sein Magen zog sich krampfhaft zusammen >Envy...was hast du diesen unschuldigen Menschen nur alles angetan...Jeder Mensch hat ein Recht auf sein Leben und du hast es ihnen genommen...verdammter Mistkerl!< wütend funkelten die goldenen Pupillen auf. Die Schreie hörten nicht auf und drangen bis zum Herzen des kleinen Jungen vor, wo sie noch mehr Schaden anrichteten. Mütter riefen nach ihren Kindern, die Kindern nach ihren Müttern. Die Alten wimmerten nur noch klagend. Die Stimme eines kleinen Mädchens verstummte.

Dies war das Grausamste, was passieren konnte, wenn eine der vielen Stimmen auf einmal nicht mehr zu hören war. Ed hielt sich die Ohren zu und klemmte seinen Kopf zwischen die Beine. Seine Wunde komplett vergessend, spürte er einen anderen Schmerz, tief in seinem Herzen. Dieser würde nicht so bald heilen. So saß er nun auf dem Boden und der eigentliche Grund, warum er das Zimmer verlassen hatte, war in Vergessenheit geraten.

Plötzlich rissen ihn laute und hektische Stimmen aus seiner gefrorenen Starre. Sie kamen aus der entgegengesetzten Richtung und genau auf den Jungen zu. Er hörte Schritte von insgesamt 5 oder 6 Leuten. >Was mach ich denn jetzt? Mich noch einmal unsichtbar machen, schaff ich nicht!< panisch sah sich Ed um. Er ignorierte alle seine Schmerzen und stand langsam auf. Schwankend tastete er sich an der Wand entlang bis zur nächsten Tür. Jeden Augenblick konnten die Pfleger und Krankenschwestern um die Ecke biegen, die man vermutlich als Verstärkung für den Notarzt gerufen hatte. Ohne noch lange zu überlegen, griff der blonde Junge nach der nächsten Klinke, drückte sie herunter und schlüpfte keuchend in das Zimmer hinein. Schnell verschloss er die Türe. >Gerettet!< erleichtert atmete er auf. Die Schritte des Personals kamen sekundenspäter an dem Zimmer vorbei und verhallten wenige Momente darauf wieder.

Der Körper des Jungen entspannte sich. >In welchem Raum bin ich hier eigentlich< neugierig drehte er sich um. Seine goldenen Augen weiteten sich vor Überraschung und ihm stockte der Atem. Vor ihm lag seine Cousine, die ruhig und friedlich schlief. Die Sonne beschien warm ihr Gesicht und ihre Haare, es schien fast so, als wäre sie aus purem Gold. Schüchtern näherte sich Ed ihr und setzte sich auf den Stuhl, der vor dem Bett stand. Einige Minuten saß er nur da und beobachtete Lina. Ihre Bettdecke hob und senkte sich, ein leichtes Lächeln kräuselte sich auf ihren weichen Lippen.

>Sie sieht aus wie ein Engel!< liebevoll grinsend neigte er seinen Kopf zur Seite und legte seine linke Hand auf die Bettdecke vor ihm. >Komisch, wenn Mädchen oder Frauen schlafen, sehen sie wie Engel aus...so friedlich und einfach wunderschön. Nein, nicht alle Mädchen< leise seufzte er auf. >Winry...die sieht immer aus wie ein alter griesgrämiger Drachen, vor allem dann, wenn sie mich wieder als Zielscheibe für ihre Werkzeuge benützt und dass nur, weil mir meine Automail kaputtgegangen ist.< leicht legte er seine rechte Hand auf seinen Hinterkopf. >Aber...nein...sie sieht auch sehr schön aus, wenn sie schläft<, leicht schmunzelte der kleine Junge und zu seinem Entsetzen spürte er, wie seine Wangen sich röteten. Betreten sah er aus dem Fenster. Einige Zeit lang blieb sein Blick an der wunderschönen Szenerie des herannahenden Abends hängen. Die goldenen Strahlen der Sonne zauberten einzigartige Farben auf den Vorhof des Krankenhauses. Die bereits verfärbten Herbstblätter an den mächtigen Eichen, welche wie uralte stumme Wächter an der Auffahrt zum Hospital standen, leuchteten durch das Licht noch intensiver und schöner als jemals zuvor. Ein leichtes Schmunzeln huschte über das blasse erschöpfte Gesicht des Blonden und ließ die Schatten aus seinem Inneren für einige Momente verlöschen. Er erinnerte sich an seine Kindheit, die noch unbeschwert gewesen war. >Ich weiß noch, wie ich mit Al und Winry unsere selbst gebastelten Drachen steigen ließ und wie wir ihnen begeistert bei ihrem Tanz mit dem Wind zugesehen haben. Aber am schönsten waren die bunten Blätter...so wunderschön...wie gerne ich diesem Schauspiel zugesehen habe, jahrein...jahraus konnte ich mich nicht satt sehen an den Farben und dem Spiel der Blätter. Ich war immer traurig, wenn der Winter ins Land kam und das Blätterdach der Bäume immer weniger wurde und gänzlich verschwand. Ich stand dann im Schnee und hab geweint...kaa-san hat mich dabei erwischt und ich habe sie gefragt, ob die Bäume gestorben sind. Sie hat mir eine Hand auf die Haare gelegt und den Kopf geschüttelt. ,Keine Sorge, im Frühjahr werden sie dich wieder mit ihren Blüten und den grünen Blättern erfreuen.' Beruhigt bin ich ihr ins Haus gefolgt...doch an einem so schönen Herbsttag, wie heute...an dem der Wind mit den Blättern fangen spielte, verlor ich etwas, das mir wichtiger als mein Leben ist. Seither hasse ich solche Tage...< Sein Lächeln verschwand und die Schatten kehrten wieder. Leicht zitterte er. Plötzlich wurde seine Hand von etwas Warmen und Weichen berührt. Erschrocken sah er zu seinem Arm hinunter und bemerkte verblüfft, dass die Hand seiner Cousine auf der seinen lag. Langsam flocht sie ihre Finger in seine und drückte sie sanft, fast als würde sie ihn beruhigen wollen. "Nee-chan?" fragte er vorsichtig lauschend, aber sie schlief tief und fest, ihr Atem ging ruhig. Nur ihr Lächeln verstärkte sich. Nachdenklich blickte er auf die Finger des Mädchens, das er tief in sein Herz geschlossen hatte. "Schwester...Lina...", begann er leise und stockend. "Ich muss dir...unbedingt etwas sagen, aber...", seine Stimme wurde brüchig und betrübt blickte er in das schlafende Gesicht der jungen Frau. "Aber...aber ich kann es nicht. Ich will nicht, dass du auch...leiden musst! Ich will das nicht! Außerdem...du siehst so friedlich aus, wenn du schläfst...wie ein Engel...ich will das nicht zerstören! Ich möchte genau das für dich erhalten. Ich...ich will nicht, dass dir etwas passiert...nicht schon wieder...ich würde es nicht aushalten..." Langsam fiel die Müdigkeit wie eine leichte Umarmung über ihn. Seine Kraft schwand allmählich und er konnte nur noch mit Mühe die Augen offen halten. Sein Oberkörper rutschte unweigerlich auf das Lager seiner Cousine herab. Er fühlte sich wie eine Bleikugel und ihm wurde nun bewusst, wie er seinen Leib behandelt hatte, der immer noch nicht bei Kräften war. >Ich muss die Konsequenzen meines Handelns auf mich nehmen. Warum bin ich auch so dumm gewesen...< stöhnte er leise auf und sein Kopf legte sich auf seine Arme. Während sein Blick brach, streiften seine goldenen Augen das schlafende Mädchen vor ihm. >Kaa-san hat auch so ausgesehen, wenn sie schlief< Ganz leise hörte er die Stimme seiner Mutter aus weiter Ferne. Die Stimme, die ihm und Al jeden Abend vor dem Schlafengehen ein Lied gesungen hatte. Sein Mund formte stumm dieses Lied, das er so sehr liebte und er nahm es mit ins Traumland.
 

~*~*~*

Ich will nur in deiner Nähe sein

In der Nacht wenn du schläfst

Ich will nur in deiner Nähe sein

Ich bin wach wenn du schläfst
 

Nichts braucht soviel Schutz wie du

In der Dunkelheit der Welt

Sogar Söldner hol ich hinzu

Denn ein dunkles Reich hat uns umstellt

Und nichts braucht soviel Schutz wie du

In der Dunkelheit der Welt

Sogar Söldner hol ich hinzu

Denn ein dunkles Reich hat uns umstellt
 

[Refrain:]

Ich will nur in deiner Nähe sein

In der Nacht wenn du schläfst

Ich will nur in deiner Nähe sein

Ich bin wach wenn du schläfst

Ich will nur in deiner Nähe sein

Wenn du schläfst wenn du gehst

Ich will nur in deiner Nähe sein

...deiner Nähe sein
 

Keiner bringt Licht in den Tag

Der so dunkel ist

Und doch hast du zu leben gewagt

Weil es richtig ist

Doch nichts braucht soviel Schutz wie du

Bitte glaub mir das

Und Engel fleh ich noch hinzu

Ein Heer das nur auf dich aufpasst

~*~*~*
 

>Höre ich da nicht eine vertraute Melodie? Dieses Lied...kenne ich doch, es ist mir so vertraut, aus Kindertagen...oba-san...mama-san< Die Melodie erwärmte mein Herz und erfreute meine Seele. Ich sah das liebevolle Gesicht meiner Tante, die mir abends, wenn sie zu Besuch war, dieses bestimmte Lied vorgesungen hatte. Oder mama-san, die es mir jeden Abend vorgetragen hatte. Ich liebte es...Langsam kehrte ich wieder in die Wirklichkeit zurück. Fühlte die Sonne auf meinem Gesicht, die Strahlen kitzelten mich zärtlich. Ich spürte eine wohltuende Wärme an meiner Hand, lächelnd öffnete ich vorsichtig meine Augen. Ich sah neben mir einen blonden Schopf. Die Haare glänzten golden in der Sonne. Leicht strich ich über sie und schmunzelte. >Ototo, du bist extra hierher gekommen...< langsam erhob ich mich, um ihn besser ansehen zu können. Meine Augen weiteten sich vor Entsetzen. Das was ich da sah..."EDO! Was zum...?!" schrie ich gequält und angstvoll aus.
 

~*~*~*~*~*

Viele grausame Dinge wurden nun offenbar...und ihr werdet bestimmt schon wissen, wer die ganzen Leute auf dem Gewissen hat.

Was wird nun geschehen?

Kommt die Hilfe für Ed zu spät?

Ihr werdet es bald sehen...

Bis dahin wünschen Mariko und ich euch ein schönes Wochenende und eine tolle nächste Woche

Antworten

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Währenddessen gingen Al und Doktor Brown die unendlichen Gänge des Krankenhauses entlang. Die Rüstung ging mit großen ausgreifenden Schritten voran, während der, vom Alter gebeugte Mann, kaum hinterher kam. >Ich kann es verstehen, er möchte so schnell wie möglich zu seinem Bruder< lächelte dieser.

"Sag mal Alphonse...", der Angesprochene blieb stehen und drehte sich fragend zu dem älteren Herrn herum. "Hai?"

"Du bist doch nicht immer....so gewesen, oder?" Der Doktor rückte etwas verlegen an seiner Brille herum, ihm war die Frage natürlich ein wenig unangenehm, aber seine Neugier war stärker. Es dauerte eine geraume Zeit, bis der stählerne Junge antwortete. Al senkte betrübt den Kopf. >Es sind viele unschöne Erinnerungen, die mit meinen jetzigen Aussehen zusammenhängen. Ich weiß nicht, ob ich ihm diese Dinge anvertrauen kann...aber er ist ein netter Mensch...vielleicht...< "Nun ja...", die Rüstung schritt langsam weiter. "Nii-san und ich haben vor einigen Jahren etwas getan, was uns zu dem gemacht hat, was wir heute sind. Wir mussten dafür mit den kostbarsten Dingen bezahlen, die wir hatten." Der Blick des Jungen wurde unsagbar traurig. "Nii-san mit seinem Bein und seinem Arm und ich...ich mit meinem Körper...aber wenn nii-san nicht gewesen wäre...dann...", seine Stimme wurde brüchig, er geriet ins Stocken und blieb stehen. Leicht klopfte ihm der Doktor tröstend auf den Arm. "Ist schon gut, Junge. Wenn du nicht weiter erzählen willst, kann ich das gut verstehen. Nicht alle Erinnerungen sind schön...viele sind mit großen Schmerzen verbunden. Ich möchte nicht, dass jene durch mich wieder an die Oberfläche kommen. Verzeih einem alten törichten Mann!"

>Meint er es ehrlich?< Alphonse blickte Matthew Brown direkt in die Augen. Keinerlei Zweifel oder Lüge stand darin geschrieben, eher Mitgefühl mit dem Schicksal der beiden Brüder und Ehrlichkeit.

"Ihr beiden habt etwas Verbotenes in Richtung Alchemie getan, habe ich Recht? Dein Bruder Edward ist doch ein State Alchemist, nicht wahr?! Er kam mir auch reichlich bekannt vor. Ich erinnere mich noch...vor so ungefähr drei Jahren stand er in der Zeitung als der jüngste Alchemist in der Geschichte des Landes, der seine Aufnahmeprüfung mit Bravour bestanden hatte. Aber...scheinbar habt ihr aus euren Fehlern nicht dazu gelernt, oder?" der Ton des sonst so freundlichen Doktors, wurde streng. Ein Schatten legte sich auf sein Gesicht, als er Al mit seinen braunen Augen fixierte.

"Was...was meinen Sie?" >Was will er denn damit andeuten?< Perplex schaute der Junge auf den Doktor hinunter. "Was ich damit meine? Kannst du dir das nicht denken? Plötzlich werde ich vom Militär gerufen, um ein paar Verletzte zu versorgen und was finde ich da vor?! Einen Jungen und ein Mädchen, der Kleine schwer verletzt, fast dem Tode nahe und die Frau nicht minder betroffen...und dich! Dein Äußeres hat bestimmt auch schon mal bessere Tage gehabt...und etwas um euch herum, was ich mir überhaupt nicht erklären kann." In der bedrückenden Stille nahm der Arzt seine Brille ab und rieb sich müde die Augen.

Die grauen Augenbrauen des Doktors hoben sich fragend. "Alphonse-kun, was ist da passiert? Ich habe diese ganzen Leute gesehen...Frauen, Kinder und alte Leute, alle haben sie deinen Bruder verängstigt und erschreckt angesehen. Dann dieser...wie nennt ihr ihn? Diesen Kreis?"

"Transmutationskreis..." wisperte Al und blickte betreten auf seine Füße.

"Richtig!" Doktor Brown setzte die Brille energisch auf seine Nase zurück und sah ernst zu dem Jungen hinauf. "Dieser Transmutationskreis...was habt ihr da vor gehabt? Was ist da geschehen, was deinem Bruder fast das Leben gekostet hat...seine Wunden waren nicht lebensbedrohlich. Aber es schien mir so, als habe irgendetwas an der Lebensenergie deines Bruders gezerrt und sich davon ernährt. Auch bei dem Mädchen habe ich das festgestellt! Was also ist um Himmels Willen dort geschehen, Alphonse?"

Der stählerne Junge schluckte schwer. "Nii-san...nii-san hat das nicht freiwillig getan...", flüsterte Al mit belegter Stimme. "Er wollte das erst nicht, aber...dann..." Der Mediziner spürte, dass es dem Jungen sehr schwer fiel über diese Sache zu reden, aber er musste es wissen. Dinge geschahen um ihn herum, die er sich nicht erklären konnte, wie zum Beispiel das mit dem Mädchen. Was war das für eine Kraft gewesen...so warm... >Aber erst muss ich wissen, was dort im Lagerhaus geschehen ist!<

"Dann?" versuchte er Alphonse zum Weiterreden zu ermuntern.

"...dann haben sie nii-san nee-san und mich gezeigt und was sie mit uns tun würden, falls er nicht kooperiert mit ihnen." Doktor Brown stutzte etwas.

"Wer ist ,sie'?" wollte er wissen. Gerade schwang im Ton von Al noch Angst und Unsicherheit mit, aber dieser veränderte sich. Der Doktor nahm nur noch Zorn in ihr war. "...Die Homunculi!" er spuckte diesen Namen wie eine gefährliche Krankheit aus. "Homunculi?" >Dieser Name kommt mir sehr bekannt vor...es ist aber schon einige Jährchen her...aber ich erinnere mich noch sehr genau daran. Diese junge Frau, die in Behandlung bei mir war...ein medizinisches Wunder, dass sie überhaupt noch gelebt hat. Sie war ebenfalls Alchemist, wie die beiden Jungs. Bei der Untersuchung habe ich mit Schrecken festgestellt, das ihr einige innere Organe fehlen. Ich habe ihr Fragen gestellt, sowie ich jetzt Alphonse darüber ausfrage. Das Ergebnis war so niederschmetternd und grausig. Sie hat versucht ihr totes Neugeborenes wieder auferstehen zu lassen, obwohl das streng verboten ist...und musste mit ihren inneren Organe büßen, denn in der Alchemie gibt es ein Gesetz: Man muss etwas geben, um etwas zu bekommen...genau das hatte sie getan. Doch es schien ihr Kind war nur eine Fratze dessen, was es einmal zu Lebzeiten war. Sie hatte den Kleinen zurückgegeben an einen Ort, den sie ,Hölle' nannte. Ich habe erfahren, dass sie später darüber recherchiert und herausgefunden hat, dass wenn ein Alchemist versucht, einem bereits Verstorbenen Leben einhaucht, er etwas daraus kreiert, das sich ,Homunculus' nennt. Ein Wesen ohne Seele, ohne die Erinnerung an das vorherige Leben...Moment mal...< Erschrocken weiteten sich die braunen Pupillen des Arztes. >Haben die beiden etwa versucht, Jemanden wieder zu beleben? Das kann doch nicht sein. Aber nur so ist die Situation zu erklären...<

"Du und dein Bruder...habt ihr Jemanden verloren, der euch sehr viel bedeutet hat?" Matthew Browns Stimme war tonlos...eine Spur Trauer schwang in ihr mit. "Es ist doch so, oder nicht?"

"Ja...unsere Mutter. Sie...sie starb als wir noch klein waren." Leise schluchzte der stählerne Junge auf. "Nii-san hat das niemals verwunden...also haben wir..." Al stockte mitten im Satz und blickte unsicher zu Doktor Brown hinunter. >Kann ich es ihm anvertrauen? Ich weiß nicht so recht...< Der Mediziner schaute Alphonse verständnisvoll an und nickte. Der stählerne Junge atmete einmal tief ein und erzählte weiter: "Haben wir versucht, unsere Mutter mit Hilfe der Alchemie zurückzuholen. Wie sie an mir und nii-san sehen, ist es fehlgeschlagen. Aber wenn nii-san nicht gewesen wäre...dann wäre ich jetzt nicht mehr auf dieser Welt. Er hat meine Seele in dieser Rüstung fixiert und musste dafür seinen rechten Arm opfern. Nun sind wir auf der Suche nach einer Möglichkeit unsere Körper wieder herzustellen...ich will, das nii-san wieder seine Gliedmaßen, besonders seinen Arm, den er für mich geopfert hat, zurückbekommt." Der grauhaarige Arzt merkte sehr wohl, dass es Alphonse sehr belastete, was damals geschehen war. Besonders die Sache mit Edward, der seinen Arm für den jüngeren Bruder gegeben hatte. >Nun kann ich auch sehr gut verstehen, warum die beiden so aneinander hängen.< sein Lächeln war sanft und freundlich.

"Mach dir mal keine Sorgen, Alphonse, mein Junge." Leicht tätschelte er den Arm der Rüstung und ging weiter neben ihm her. "Ihr beiden seid zähe Jungs, die nicht so schnell aufgeben. Das schätze ich sehr an euch jungem Gemüse. Ich bin der festen Überzeugung, dass ihr irgendwann eine Lösung finden werdet."

Al fiel ein riesiger Steinbrocken vom Herzen, als er den Doktor so reden hörte. >Er glaubt an uns...selbst ich hatte ja so meine Zweifel, dass wir es jemals schaffen würden. Aber dieser Mann, der nii-san und mich kaum kennt, glaubt fest an uns. Irgendwie fange ich an, ihn zu mögen...< erleichtert seufzte der Junge auf. Doch eine Sekunde später erkannte er, dass er sich zu früh erleichtert gefühlt hatte. Denn Matthew Brown stellte eine Frage, die sein Herz in die Hose rutschen ließ.

"Aber nun berichte, was geschehen ist. Was hat dein Bruder getan? Warum habe ich ihn in solch einem schrecklichen Zustand aufgefunden? Und warum waren diese ganzen Leute an diesem unheimlichen Ort?" Alphonse schluckte nervös. Er hatte bis vor einigen Sekunden noch gehofft, dass der Doktor vor ihm, nicht diese Fragen stellen würde.

"Also...? Ich höre." Mit freundlicher und ruhiger Stimme forderte Matthew Brown ihn auf weiter zu berichten. "Nun ja..." der stählerne Junge druckste erst etwas herum, dann gab er sich einen Ruck. "Die Homunculi haben meinen Bruder entführt, damit er etwas für sie erschafft. Dasselbe ist schon einmal passiert...vor einiger Zeit, da ist uns auch das Militär im letzten Augenblick zur Hilfe geeilt...doch dieses Mal war es schlimmer...viel schlimmer...Sie haben nee-san und mich als Druckmittel eingesetzt und nii-san damit gezwungen, ,es' für sie zu tun, sonst würden sie Lina und mir etwas antun. Irgendwann ist in meinem Bruder dann der Wille gebrochen und er hat sich dazu bereiterklärt, ihnen zu helfen. Nee-san und ich haben versucht ihn davon abzuhalten, aber..." die Stimme des Jungen versagte, als er an die geschockten und verängstigten Gesichter der ,Opfer' dachte, ihre gequälten Schreie hörte und sah wie sie sich in Todesangst wanden. >Und nii-san...wie er dort mit Tränen in den Augen vor dem Käfig saß und langsam seine Hände auf den Transmutationskreis legte...Ach nii-san, du hättest wirklich alle diese Menschen geopfert, damit sie nee-san und mir nichts antun? Wie schon einmal?<

Die Stimme des Doktors ließ ihn hochfahren. "Was ist dann geschehen?" Dem Mediziner war es fast peinlich und er fühlte sich wie ein Unmensch, den Jungen so auszufragen, aber er wollte endlich Antworten. Das Militär hielt zu vieles unter Verschluss, manche Dinge gingen auch Normalsterbliche etwas an.

Al's Stimme ging in ein Flüstern über, der Doktor verstand ihn nur mit einiger Mühe. "Nii-san...nii-san hatte den Prozess des Herstellens begonnen. Die Homunculi wollten, dass er den Stein der Weisen für sie produziert und dafür...braucht man...Menschenleben. Deswegen die ganzen Gefangenen." Den alten Mann verschlug es den Atem, als er das aus dem Munde des stählernen Jungen hörte. >Wie überaus skrupellos. Und das alles nur für einen mickrigen Stein...< "Aber wieso haben sie dafür deinen Bruder entführt...warum nicht einen anderen Alchemisten?" Es hörte sich fast an, als würde der stählerne Junge aus weiter Ferne zu dem älteren Herrn neben ihm reden. "Weil...nur er die Macht hat...er allein..." Ein kalter Schauer überlief den Doktor. Innerlich schüttelte er sich. >Was ist das nur für ein Junge? Warum ist er allein in der Lage, so etwas zu tun?<

Matthew Brown blickte auf, als Alphonse weiter erzählte. "Dann plötzlich konnte sich nee-san befreien und wollte nii-san daran hindern, den Menschen ihre Energie zu entziehen. Aber er hat Lina weggestoßen, da er Angst um sie hatte. Er versuchte dann, die Lebensenergie der ,Opfer' wieder zurückzutransferieren...er wäre fast gestorben, wenn nee-san ihm nicht geholfen und mit ihm zusammen den Prozess umgekehrt hätte...aber auch zu zweit war es ein gefährliches Unterfangen. Doch nee-san war schon sehr geschwächt, deswegen hat sie nii-san auch nicht alles an Energie zurückgeben können...nur so viel, dass er überlebte. Verstehen Sie? Darum waren die beiden so fertig. Das ist der Grund für ihren Zustand...nichts anderes. Ich bedauere, dass es soweit gekommen ist, doch eins zum anderen hat dazu geführt, dass nii-san entführt wurde. Wenn ich nur bei ihm gewesen wäre...vielleicht wäre das alles nicht passiert..." Alphonse hielt inne, zu schmerzhaft und frisch waren die Wunden seines Herzens. Der Doktor neben ihm, blickte ihn traurig an. "Es ist schon in Ordnung...mach dir bitte keine Vorwürfe, Junge!" Doch die Worte des Arztes beruhigten die Rüstung in keinster Weise.

"Es ist in Ordnung? Nichts ist in Ordnung! Mein Bruder ist fast gestorben! Wenn ich früh genug bei ihm gewesen wäre, hätte ich vielleicht noch etwas machen können, dann wäre das alles nicht passiert!" Die metallenen Hände zu Fäusten geballt, stand Alphonse vor dem kleinen, vor Alter gebeugten Mann. Braune freundliche Augen blickten ihn sanft an. "Bringt es deinem Bruder etwas, wenn du jetzt hier stehst und dir Vorwürfe machst? Ich glaube kaum und ich glaube auch nicht, dass er dir irgendwelche Vorwürfe macht. Dinge geschehen nun mal...auch schlimme Dinge. Man kann nur aus ihnen lernen, dass einem so etwas nie wieder passiert. Ich hoffe sehr, dass ihr beiden dazu gelernt habt...Vertraut stärker einander. Und ich möchte nicht, dass du dir die Schuld an allem gibst, was deinem Bruder widerfährt. Für die Dinge die ein Mensch macht, ist er selbst verantwortlich." Dann packte er ihn am Arm und schleifte den verdutzten stählernen Jungen hinter sich her.

"Jetzt sehen wir mal nach deinem Bruder, wir sind ja längst überfällig!" Alphonse war regelrecht sprachlos, so eine gewaltige Rede hatte er vom dem Doktor nicht erwartet. Er war regelrecht überwältigt, aber tief in seinem Herzen wusste er, dass der Arzt richtig lag.
 

"Ed! ED!" sanft rüttelte ich meinen kleinen Cousin an der linken Schulter, doch er rührte sich nicht. Vorsichtig drehte ich ihn um und starrte erschrocken in sein Gesicht. Weiß wie ein Leichentuch zeichnete es sich von meinen Fingern ab. Mein Blick fiel auf die roten Flecken auf meinem Laken. Entsetzt weiteten sich meine Augen. "Das ist doch nicht meines...", flüsterte ich entgeistert. Dann sah ich auf Edwards Hemd. "O Gott! Das ist ja dein Blut, Edo-chan..." Ich schaute kurz auf den Boden. Alles voller Blut... >Wie viel hat er denn verloren...eindeutig zu viel!!<

"Ed-chan..." begann ich zu schreien. "Mach bitte deinen Augen auf! Ich will dich nicht verlieren...nicht auch noch dich!!"
 

~*~*~*~*~*~

Was wird Lina tun?

Wird Ed sterben?

Das und noch mehr erfahrt ihr beim nächsten Chapter

Vielen Dank an euch alle, wir haben euch echt lieb!
 

Liebe Grüße

Mariko und Lina

Blutsbande

Huhu, da bin ich wieder, aber auch nur ganz kurz, dass ihr etwas zum Lesen habt. Das Praktikum ist sehr stressig, also komm ich wohl eine Zeitlang nicht mehr zum Lesen, was mich sehr traurig stimmt *snief*

Aber nun viel Spaß beim Lesen...hehe
 

Blutsbande
 

Ich presste eine Hand auf die Wunde von Ed und drückte ihn sanft an meinen Körper. "Ototo..." wisperte ich leise. Fest konzentrierte ich mich und nach einer Weile flimmerte es vor meinen Augen und es fühlte sich an, als wäre es einige Grade wärmer im Zimmer geworden. Ein helles Licht erstrahlte, erst nur zaghaft, dann immer stärker und intensiver. Es umgab Edo, der nun in meinen Armen lag und mich. Ich gab ihm all meine Kraft, denn ich spürte, dass seine fast auf dem Nullpunkt lag. >Er hat so viel Blut verloren...zu viel! Ich muss sehen, dass sich wenigstens die Wunde schließt, damit er nicht noch mehr Blut verliert. Den Rest überlass ich den Ärzten.< Ich spürte seinen warmen Lebenssaft an meinen Fingern gerinnen, aber ich ekelte mich nicht davor, da es auch mein Blut war, das in seinen Adern floss...das Blut unserer Familie. Vorsichtig drückte ich fester auf die Wunde von Ed. Leise zischte der blonde Junge vor mir auf. Er war nicht bei Bewusstsein, aber er verzog vor Schmerz das Gesicht. "Verzeih mir, ototo...es muss sein. Es ist bald vorbei und dann wirst du dich viel besser fühlen. Das verspreche ich dir." Erleichtert stellte ich fest, dass aus der Wunde immer weniger seines Lebenssaftes entwich. >Gott sei Dank, es ist fast geschafft< Erschöpft blickte ich zu meinem kleinen Cousin hinunter. >Wenn du wüsstest, kleiner Ed, dass ich dich schon kannte, als du mit dieser Welt noch keine Bekanntschaft gemacht hast.< Ich erinnerte mich ganz genau an den Tag...der Tag als oba-san Trisha auf Besuch kam...
 

"Mama-saaan!" Ich rannte schnell die Treppe unseres Hauses hinunter, die letzten Stufen sprang ich und landete mit einem lauten dumpfen Schlag an deren Absatz. Dann sah ich sie..."Oba-san!" kreischte ich fröhlich und hüpfte auf meine Tante zu. "Na, Lina-chan...du bist ja immer noch so eine kleine Springmaus!" lachte die Braunhaarige mich an. "Engelchen, hab ich dir nicht gesagt, du sollst das lassen, irgendwann fällst du noch mal die Treppe hinunter!" unterbrach die tadelnde Stimme meiner Mutter die Wiedersehensfreude. Ihre sonst so grauen liebevollen Augen blickten mich streng an. Aber ich hörte schon nicht mehr darauf, was sie mir sagte, denn ich schaute fasziniert auf den Bauch meiner Tante. "Du hast aber einen dicken Bauch, oba-san!" "Ja, meine Kleine, ich bekomme ja auch ein Baby." liebevoll strich Trisha-san mir die blonden Strähnen aus dem Gesicht. "Ein Baby? Wie ist es denn da reingekommen??" fragend steckte ich einen meiner Finger in den Mund und blickte die beiden Frauen an. Meine Mutter und meine Tante wurden ganz rot. Heute weiß ich warum, aber damals kam mir das sehr merkwürdig vor. >Hab ich etwas Falsches gefragt?< wunderte ich mich. "Was wird es? Ein Junge oder ein Mädchen? Wann kommt es denn da raus? Hast du schon einen Namen für das Kleine?" "Du fragst ja eine ganze Menge..." kicherte meine Tante. "Es wird ein Junge...es wird aber noch 3 Monate dauern, bis der Kleine auf die Welt kommt. Wir nennen ihn Edward. Möchtest du einmal fühlen wie er strampelt?" "Ja!" rief ich vergnügt aus und ganz vorsichtig legte ich meine Hand auf die Wölbung. Ich konnte ganz deutlich spüren, wie Ed sich bewegte. Es war ein wunderbares Gefühl...so grandios, wie dieser kleine Mensch dort im Innern zappelte. Vor lauter Freude gingen die Pferde mit mir durch und ein feines warmes Leuchten erschien und umschloss meine Tante und mich mit seinem hellen Licht...ich spürte Eds Nähe und eine tiefe Geborgenheit.
 

>Da habe ich dich zum ersten Mal gespürt, mein kleiner Cousin< ich grinste in das blasse Gesicht hinunter und wuschelte ihm liebevoll durch seine Haare. Ich blickte auf die Wunde. "Sie blutet nicht mehr, aber du bist noch nicht über dem Berg...den Rest werde ich wohl den Ärzten überlassen...wenn wir gerade von Medizinern sprechen...wo ist nur ein Doktor, wenn man mal einen braucht?!" seufzte ich leise auf.
 

Indes standen der in die Jahre gekommene, graumelierte Doktor und der stählerne Gigant schon fast vor dem Zimmer des blonden Jungen, als wie aus dem Nichts eine ganze Schar Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger auf sie zustürmten. Verwundert zog Matthew Brown die grauen Augenbrauen nach oben und konnte gerade noch zur Seite springen, als die Horde ihn fast über den Haufen rannte. "Gomen nasai!" rief es und die Vordersten waren auch schon nicht mehr zu sehen. >Was geht denn hier vor?< Er stellte sich zwei jungen Ärzten in den Weg, die scharf bremsen mussten, um ihren Chef nicht von den Füßen zu reißen. Hastig sahen die beiden jungen Männer den Alten ungeduldig an. "Was ist hier los? Gibt es irgendwas umsonst, oder warum seid ihr alle aus eurem Feierabend zurückgekommen?" wollte Doktor Brown wissen. Verdutzt und mit gerunzelter Stirn schauten ihn seine Kollegen an. "Was soll das heißen, Chef? Haben Sie es denn noch nicht gehört?" fragte ihn einer der beiden fassungslos. Nun war es an Matthew Brown die Stirn zu runzeln. "Was gehört? Was geht hier überhaupt vor? Kann mir das mal jemand erklären?!" Betretenes Schweigen breitete sich über die beiden Ärzte aus und sie blickten sich an. Der eine antwortete: "Nun ja, vor wenigen Minuten gingen die Pieper von sämtlichen Ärzten und dem ganzen Krankenpersonal. Als wir anriefen, wurde uns von Masseneinweisung schwerstverletzter Personen berichtet, genauer gesagt geht es um Frauen, ihren Kindern und älteren Leuten. Bei manchen wurde die...die Oberschenkelarterie zerfetzt, aber allen sind die wichtigsten Organe zerstört worden. Keiner weiß, wie es geschehen ist, aber scheinbar ist es die Tat von ein und demselben Täter. Mehr wissen wir auch nicht, wir sind nur als Verstärkung gerufen worden, da immer mehr eingeliefert werden. Allerdings besteht für diese Leute kaum Überlebenschance..." der junge Arzt stockte, seine Stimme zitterte. Tröstend legte ihm sein Freund eine Hand auf den Arm und beendete den Satz seines Kollegen: "Mit solch schweren Verletzungen besteht für diese Menschen kaum eine Überlebenschance, aber das müssen wir Ihnen ja nicht erklären. Trotzdem wollen wir alles tun, was wir können, dafür sind wir schließlich Ärzte geworden, nicht wahr?" der Ton des jungen Mannes drückte Entschlossenheit aus. Sein Freund nickte bejahend.

"Recht hast du Junge, Recht hast du!" erwiderte der alte Mann und klopfte dem Jungen vor ihm zustimmend auf die Schulter. "Geht nun und tut für diese armen Leute alles Menschenmögliche."

Alphonse hatte die ganze Zeit fassungslos zugehört. >Frauen...Kinder...alte Menschen...Kann es sein, dass...? Nein...nein...< Die Hände des stählernen Jungen ballten sich zu Fäusten. So stark, dass seine Arme anfingen zu zittern. >Nein, das kann doch nicht sein...nicht diese Menschen! Nee-san hat doch versucht, sie zu retten und nun? Wer räumt nun einen nach dem anderen von ihnen aus dem Weg?< Doch tief in seinem Innern wusste Alphonse schon die Antwort. Wie ein nicht endendes Feuer brannte die Erkenntnis in seinen Gedanken. >Envy!< Dieser Homunculus - Junge, der Ed so sehr gequält und auch seine große Schwester nicht verschonte hatte. Dieser Kerl, der ihnen das Leben zur Hölle machte! >Nii-san, du solltest das, solange es dir noch nicht gut geht, noch nicht erfahren. Das würde dir das Herz brechen...<

Traurig blickte er den Helfern hinterher. >Warum musste das nur geschehen...<

Eine Bewegung neben ihm veranlasste ihn, sich herumzudrehen. "Na komm, Junge, lass uns nach deinem Bruder sehen. Wenn ich ihnen schon nicht helfen kann, dann wenigstens dem kleinen Alchemisten." Der grauhaarige Mann schien um viele Jahre gealtert zu sein, tiefe Furchen gruben sich in seine Stirn. Der fröhliche Ausdruck in seinen braunen Augen war verschwunden, nur noch Trauer, Mitgefühl und ein großer Schmerz spiegelten sich darin. Matthew Browns Lächeln hatte etwas Gezwungenes an sich, als er zu der Rüstung aufblickte. "Na ja...auch wir Ärzte sind nur Menschen. Wenn die Zeit für Jemanden gekommen ist, sind auch uns die Hände gebunden. Doch es betrübt mich jedes Mal aufs Neue, wenn man nichts mehr für einen anderen tun kann. Jedes Mal habe ich das Gefühl, dass ein Teil von mir ebenfalls geht, wenn ich einen Patienten verliere. Meine jungen Kollegen müssen diese Erfahrung erst machen, auch für sie wird es ein schwerer Weg werden. Man lebt ständig mit dem Wissen, das man nicht alle retten kann. Das ist nicht leicht, weißt du?" Doktor Brown atmete einmal tief durch, als er weiter sprach: "Deswegen ist es mir so wichtig für die Überlebenden alles Menschenmögliche zu tun, damit ich an ihnen die Trauer über die Verstorbenen vergesse." Leicht räusperte sich der grauhaarige Mann, Al spürte die Gefühle des Arztes deutlich.

Der stählerne Junge senkte den Kopf, nachdem Doktor Brown ihm soviel über sich selbst anvertraut hatte. Niemals hatte er sich darüber Gedanken gemacht, dass das Personal in einem Krankenhaus so viel mitmachen musste, von der Geburt eines Babys bis über den Tod eines Menschen reichte ihr Spektrum. Fröhliche, aber auch traurige Erlebnisse prägten den Krankenhausalltag...fast so wie das Leben draußen.

Al wäre fast auf die Türe geknallt, wenn er nicht rechtzeitig aufgeblickt hätte. Auf dem Namensschild stand der Name seines älteren Bruders. Euphorisch riss er sie auf und polterte sofort hinein. "Nii-san, da bin ich wieder, zusammen mit dem Doktor! Er wird gerade mal selber, nach deiner Wunde..." Alphonse verstummte mitten im Satz und starrte fassungslos auf das leere Bett vor ihm. Draußen auf dem Krankenhausflur stand Matthew Brown und beäugte nachdenklich den Boden. >Was zum...?<

Im Zimmer begann der stählerne Junge die unvergleichliche Suche nach seinem Bruder. Er kroch unter das Bett und rief nach ihm: "Nii-san...bist du hier?" Einige Staubwolken wirbelte er auf, aber sonst war nichts unter dem Ruhelager. >Vielleicht im Schrank?<. Schnell krabbelte er hervor, sprang auf und riss mit einer ungestümen Bewegung diesen auf. Sein Oberkörper tief im Schrank vergraben, durchwühlte er die Kleidung auf der Suche nach Ed. Enttäuscht schlug er die Türen zu. Überall an dem Jungen hingen nun Kleidungsstücke, er sah fast aus wie ein lebender Kleiderbügel. "Nii-san, wo bist du? Das ist nicht lustig!" Der Doktor erschien am Türrahmen und schaute fassungslos und ein wenig fasziniert zu, wie Alphonse nach Edward suchte. Al indessen stapfte zum Fenster und beugte sich weit über die Brüstung. Er legte die Hände wie einen Trichter vor seinen Mund. "Niii-saaaan!" begann er zu rufen. Verschreckt flogen einige Tauben, die gerade noch vor dem Fenster gesessen hatten, davon und unten im Park fiel vor lauter Schreck ein Pfleger von der Bank. "Nii-san, warum bist du nicht hier?" murmelte der Junge verzweifelt, als sich plötzlich eine Hand auf seinen Rücken legte. Er wandte sich um.

"Ich glaube, ich weiß, wie wir deinen Bruder finden können." Matthew Brown zeigte auf den Boden des Zimmers und führte Al hinaus und auch dort waren überall eingetrocknete Blutpfützen, die immer weiter zu einem unbekanntes Ziel führten. Alphones Mund öffnete sich vor Entsetzen und ein leises Stöhnen entwich seiner Kehle. "Nii-san...Oh nein...NII-SAN!" Sofort stürzte er in Windeseile los, so dass der grauhaarige Doktor große Mühe hatte, ihm zu folgen. >Nii-san...wieso...wieso bist du nicht auf deinem Zimmer geblieben und hast auf mich gewartet? Wo bist du nur hin? Ich habe Angst um dich!< Das getrocknete Blut auf dem Boden im Auge behaltend, lief er weiter. >Nii-san, was ist nur mit dir los? Erst wolltest du mich nicht gehen lassen und nun...bist du von mir gegangen...wo bist du nur, nii-san...<
 

Er hörte eine Stimme. Sie schien meilenweit von ihm entfernt zu sein und so leise...wie eine leichte Brise umschwebte sie ihn. Ihr Ton klang besorgt, immer und immer wieder rief sie seinen Namen...Ed...ototo...Wie gern würde er ihr antworten, doch es war ihm nicht möglich. Tief in seinem Innern fühlte er, wie sein Lebenslicht flackerte, schwächer wurde...immer mehr. Die Flamme seines Lebens drohte, vom nächsten Windhauch ausgelöscht zu werden.

"Ototo...Ed-chan..." >Ich kenne diese Stimme< Ein blasses Bild tauchte vor seinem inneren Auge auf. Blondes längeres Haar, wie das seine, umrahmte ein feines freundliches Gesicht, aus dem ihn fröhliche silberdurchwirkte Augen anfunkelten. >Lina...?< dachte er verwundert. Ihm wurde auf einmal ganz warm ums Herz und er fühlte sich leicht wie eine Feder. >Dieses Gefühl kenne ich...Aber es liegt schon Ewigkeiten zurück...<

Doch dann plötzlich...ein grausamer, feuriger Schmerz fuhr in seine Eingeweide, einem Inferno gleich fühlte sich sein Körper an und durchzuckte seine Glieder. Panik breitete sich in den Gedanken des blonden Jungen aus. >Was geschieht mit mir?< ängstigte er sich. Gequält stöhnte er auf, aber da: "Ototo...", war die Stimme wieder, die beruhigend auf ihn einsprach. Sein Körper entspannte sich allmählich.

Langsam, aber sicher kehrten die Lebensgeister in seinen ausgezehrten Körper zurück und gaben ihm wieder etwas Kraft, soviel Kraft um aus dieser trostlosen Dunkelheit, die ihn umfing, aufzutauchen.
 

Vollkommen erschöpft wischte ich mir den Schweiß von der Stirn und lächelte Ed an. >Vielleicht habe ich ein wenig zu viel Kraft verbraucht, um seine Wunde zu schließen, aber es musste sein...er darf nicht sterben! Mein kleiner Bruder...Wie gerne würde ich mich nun wieder in das weiche Kissen fallen lassen, aber ich kann dich ja schlecht loslassen, nicht wahr? Du würdest mir vom Bett fallen, Kleiner!< leise kicherte ich. Dann blickte ich auf und öffnete schon den Mund, um nach einer Schwester oder einem Arzt zu rufen, als eine Bewegung in meinen Armen mich wieder nach unten schauen ließ. Edwards Körper, der noch vor wenigen Sekunden schlaff in meinen Armen gelegen hatte, spannte sich und die Augenlider des Blonden zuckten. Leise murmelte er etwas, das ich nicht verstand. Liebevoll legte ich eine Hand auf seine Stirn und streichelte ihn. Stumm wartete ich ab, was mir mein Cousin sagen wollte. "Arigato...nee-chan." verwundert hörte ich die verlegene Stimme des Blonden. Verdutzt blickte ich in ein Paar goldene Augen, die in dem dazugehörigen Gesicht unnatürlich wirkten.

Ich schmunzelte ihn an und stockte plötzlich. Dunkle Schatten lagen in seinen golddurchwirkten Pupillen...Schatten, die nach mir griffen. Ich schrie erschrocken auf, als ich drohte in diesem schwarzen Sog zu ertrinken. Ich sah Eds Gesicht, vor Schreck verzerrt, hörte seine besorgte Stimme, aber mein Körper reagierte nicht...Ich war stocksteif und starrte nur in das Antlitz meines Cousins. Ich sah etwas, das einfach nicht sein konnte...nein, nicht sein durfte...Diese grausamen Bilder fraßen sich in mein Herz und meine Seele, immer wieder abrufbar, um mich wieder und wieder zu quälen. >Mein Kopf tut so unendlich weh!< Ich spürte die Tränen, die sich unaufhaltsam einen Weg nach unten suchten. Verschwommen erkannte ich meinen kleinen Cousin vor mir, der hilflos und panisch versuchte, mich zu beruhigen.

Doch auf einmal machte das Bild vor mir einer anderen Szene Platz.

Ich blickte um mich. >Das sieht aus wie eine alte Lagerhalle...wahrscheinlich außerhalb der Stadt< Ich erblickte meine beiden Cousins, die... >Nein, diese Homunculi!< Sie kämpften mit den beiden Jungen...ein Kampf auf Leben und Tod. Ich wollte aufspringen und ihnen helfen, aber mein Leib versagte mir den Dienst. >Warum gerade jetzt...< Mit weit aufgerissen Augen und verkrampften Händen hielt ich mir den Kopf. >Nein, nicht Al! Nicht mein kleiner Bruder!!< Ich sah, wie einer der Homunculi den stählernen Körper angriff und ihn vollkommen zerfetzte. Ed, der neben seinem Bruder stand, schrie entsetzt auf und wollte zu Alphonse eilen. Aber dieser Junge, der mir das Messer an den Hals gelegt hatte, war schneller und...

Panisch schnappte ich nach Luft...>NEIN!< Gepeinigt keuchte ich auf. Der Teil, an dem das Blutsiegel angebracht war, wurde von dem schwarzhaarigen Jungen vollständig zerstört. "Nii-san..." hauchte die Stimme noch ein letztes Mal, bevor sie gänzlich verstummte. Der blonde Junge fiel auf die Knie und nahm behutsam den Helm in die Hände. Heiße Tränen tropften auf diesen. "Al...phonse..." wimmerte er. "Och, du armer Shorty. Hab ich deinen Bruder umgebracht...na willst du dich nicht an mir rächen? Komm schon!" kicherte der Junge mit den rabenschwarzen Augen. Edward blickte nach oben. Aber wie sah sein Gesicht nur aus...vor Hass verzerrt...purer Hass glühte aus den sonst so liebevollen und lachenden Augen. Er stand auf und legte behutsam den Helm auf die Seite...das Letzte, was von Al übrig geblieben war. Mit einem verzweifelten Schrei stürzte sich der blonde Junge in den Kampf. Der andere wich den Schlägen des Kleinen gekonnt aus. Entsetzt sah ich auf die Szene, die vor meinen Augen ablief. Al-chan...zerstört und Ed-chan kopflos kämpfend...>Ich kann nicht hinsehen...ich kann nicht...< mit einem Wimmern verschloss ich meine Augen vor dem grausamen und schrecklichen Szenario. Ein markerschütternder Schrei ließ meinen Kopf ruckartig in die Höhe schnellen. Dieser Laut...meine Hände fingen unwillkürlich an zu zittern. Mein Körper bibberte, als ich in das sterbende Antlitz meines Bruders sah. >Nein...nein, das darf nicht sein...nicht die beiden!! Soll ich denn alles verlieren, was mir lieb und teuer ist? Ich habe doch geschworen sie zu beschützen, auch wenn es mein Leben kosten sollte. Wo bin ich hier nur? Warum kann ich ihnen nicht helfen< mein gequälter Schrei hallte nach.
 

~*~*~*~*

Was hat Lina da wohl gesehen? Nur ein Traum?

Ich freue mich ganz doll auf eure Kommis und bedanke mich jetzt schon mal ganz herzlich bei euch!

Verfluchte Gabe

So, wieder mal Lesefutter für euch ^o^

Vielen Dank für die Kommis!!!

Viel Spaß beim Lesen

PS: Nun werden vielleicht auch einige (oder eine?) Frage beantwortet.
 

17. Verfluchte Gabe
 

"Nee-chan...NEE-CHAN!" besorgte Rufe brachten mich wieder in die Realität zurück. "Lina...Lina! Was ist los? Was ist mit dir?!" Vor mir kniete Ed auf dem Bett und sah mich entgeistert an. "Was...?" Mein Blick wanderte zu seinen Augen. Die Schmerzen wurden wieder stärker und krampfhaft hielt ich mir den Kopf. "Nee-chan...was...was hast du?" Ich spürte eine leichte Berührung, die mir noch mehr Pein zufügte und stieß die Hand meines Cousins grob beiseite. Dieser zuckte erschrocken zusammen und hielt traurig seine Hand.

>Warum...warum habe ich diese Dinge gesehen? Wieso? War das...etwa die Zukunft? Wieso...kennt er sie? Was ist nur mit ihm geschehen?< Fassungslos starrte ich den blonden Jungen vor mir an.
 

Edward verstand nichts mehr. >Was ist nur mit ihr los? Sie sieht aus wie ein verängstigtes Tier, das sich nervös nach einem Fluchtweg umsieht<

"Was war das?" Die Stimme seiner Schwester drückte Furcht, Pein und großes Entsetzen aus. >Was meint sie...?<
 

"Ed-chan...was habe ich da gesehen? Wieso...habe ich das gesehen?" Ich zitterte leicht. Ich blickte in das Gesicht meines kleinen Cousins. Es sah so aus, als würde er erst jetzt verstehen, was ich meinte.
 

Es fiel ihm wie Schuppen von den Augen. >Hat sie etwa...? Weiß sie es? Aber wieso...?<
 

"Nee-chan...", Bestürzung machte sich in Eds Gesicht breit. "Ich wollte es dir sagen, deswegen bin ich...hierher gekommen." Seine Sätze klangen abhackt, als er weiter sprach: "Ich...ich sehe Dinge, Dinge...die noch nicht geschehen sind...schreckliche Dinge, ich bekomme das nicht mehr aus meinem Kopf, immer wieder kehren sie in mein Gehirn zurück und...und...erst ganz verschwommen, undeutlich und dann..." seine Stimme versagte ihren Dienst, als er es mir weiter erklären wollte, sein Atem ging stoßweise und kalter Schweiß brach auf seiner Stirn aus.

Langsam kroch das Gehörte in mein Innerstes vor. >Es muss etwas passiert sein, als ich ihn aus dieser schauderhaften Traumwelt herausgeholt habe. Vorher hat er diese Gabe doch noch nicht gehabt, das wäre mir aufgefallen. Gabe...das ich nicht lache...das ist ein Fluch...Er sieht wie sämtliche Menschen um ihn herum den Tod finden...das ist wahrlich keine Gabe...mein armer kleiner Ed!<

"Nee-chan..." der Ton klang verzweifelt und gequält. "Warum sehe ich das? Ich...ich will das nicht sehen! Mach, das es aufhört!" Verzweifelt schlug er die Fäuste in die Matratze. Heiße Tränen rannen ihm die Wangen hinunter und befeuchteten das Laken unter ihm. >Ach Edo...das ist meine Schuld...<

"Ototo...es tut mir so leid...ich glaube, das ist meine Schuld..." leise schluchzte ich auf, es tat mir sehr weh, ihn so leiden sehen zu müssen. Doch es schien als hätte Ed mich nicht gehört, vielmehr steigerte er sich immer mehr in die Sache hinein, so dass ich mir ernstliche Sorgen um ihn machte. Vollkommen verkrampft saß er da und flüsterte immer wieder dasselbe vor sich hin.

"Nein...nein...ich will nicht...es soll weggehen, weg! Ich will das nicht! Nein...nein...AL!" Schnell kroch ich zu ihm und wollte ihn beruhigend in den Arm nehmen, aber ich hielt entsetzt inne. Mein Cousin versuchte krampfhaft Luft zu holen, doch es ging nicht. Vor lauter Panik begann er zu japsen und zu keuchen, seine Augen waren vor Angst geweitet. Die Lippen verfärbten sich schon bläulich. Ich war sofort bei ihm und klopfte ihm so kräftig ich konnte auf den Rücken.

"Atme Ed! VERDAMMT, ATME!! Du darfst dich da nicht reinsteigern, hörst du?! Beruhige dich!" Aber die Situation wurde nicht besser, nein, sie wurde noch schlimmer. >Ich muss versuchen, ihn zum Atmen zu bringen< Ich drückte meine Hand mit großer Kraft gegen seinen Bauch, so dass er nun atmen musste. Sofort begann er zu husten und ein Schwall Blut ergoss sich auf unsere Kleidung und unsere Hände. "Nee-chan..." keuchte er und fiel bewusstlos in meine Arme. Ich presste ihn an mich und schrie: "Hilfe! Bitte! Doktor! HILFE!!" Ich spürte das Salz an meinen Lippen und kniff die Augen fest zu und schrie weiter um Hilfe. >Bitte Ed...du darfst Al und mich nicht verlassen...<
 

Alphonse rannte wie ein Jagdhund der Blutspur seines großen Bruders hinterher. Sehr weit hinter ihm taumelte der grauhaarige Doktor hustend und nach Luft ringend die Wand entlang. >Für solche Spiele bin ich entschieden zu alt< japste er. "Lauf schon mal voraus, Alphonse. Ich bin gleich bei dir." Dann hielt er plötzlich inne. Ein Schrei erfüllte die Krankenhausflure und hallte im ganzen Haus wider. >Das ist doch der Alchemisten-Junge!< Auch Al stoppte in seinem Lauf, er hatte ganz laut und deutlich Jemanden seinen Namen rufen hören...und dieser Jemand war kein anderer als... >Nii-san!! Aber seine Stimme...< Wenn der Junge einen normalen Körper besessen hätte, wäre ihm nun ein eiskalter Schauer über den Rücken gelaufen. Kurz darauf vernahm er eine zweite Stimme, die ähnliche Gefühle in dem Jungen auslöste. >Das war doch...nee-san! Also ist nii-san bei ihr...< Eilig drehte sich der stählerne Junge zu dem Arzt herum. "Doktor Brown. Kommen Sie schnell! Irgendetwas ist geschehen! Sie werden gebraucht!" Matthew Brown hatte ebenfalls die panische Stimme des Mädchens gehört und stieß sich sofort von der Wand ab, um zu der Rüstung aufzuschließen. Diese war auch schon am Zimmer der jungen Frau angelangt, wo die Blutspur endete. Mit einer schwungvollen Bewegung riss er die Tür auf. "Nii-san, ich habe mir solche Sor..." Mit einem Ruck blieb er erstarrt stehen. Sein Blick blieb entsetzt an dem Bild, das sich ihm bot, hängen. "Nee-san...", aber wie sah sie nur aus. Sie kniete vor dem Bett, das Nachthemd blutverschmiert, die Haare hingen ihr wirr ins Gesicht und sie weinte. Die Tränen tropften auf..."Nii-san..." er lag in den Armen seiner großen Schwester, auch er war voller Blut, genau wie der Fußboden vor und hinter ihm. Seine Augen hingen starr an dem blonden Jungen. Er hatte mehr Ähnlichkeit mit einem Toten, als mit dem aufgeweckten und quirligen Jungen, den er sonst kannte. Eine grausame Erkenntnis erschütterte ihn. Konnte es etwa sein, dass...
 

"Nii-san..." >Alphonse!< "Al...", schluchzte ich gepeinigt auf. "Edo...er...hat...ich...ich...habe...versucht..." weiter kam ich nicht. Weinkrämpfe schüttelten mich. Es war so grausam...leicht wiegte ich Ed hin und her. >Bitte...bitte...<
 

Dem stählernen Jungen zog es sein Herz zusammen. "Nee-san..." langsam ging er auf die beiden zu.
 

Behutsam legte mir Al eine Hand auf die Schulter. Mit dieser Geste spendete er mir so unglaublich viel Trost, aber ich spürte auch, dass er mir Ed aus meinen Armen nahm. Kurz blickte ich hinauf. Er wiegte ihn sanft in seinen Armen.

Schluchzend und wimmernd hielt ich meine Arme an den Körper gepresst. "Ototo...chan", kam es leise aus meinem Mund. >Für Al ist es noch viel schlimmer...ich hätte besser auf Ed aufpassen sollen, dann wäre das nicht passiert...<

Dann hörten wir ein Stolpern. "Kinder, Kinder, was seid ihr heutzutage alle schnell, da kommt man ja kaum..."
 

Ihm versagte mitten im Satz die Stimme, als er den Kopf hob und ins Zimmer blickte. Bestürzt bemerkte er die junge Frau auf dem Bett. Vollkommen aufgelöst saß sie da und weinte bittere Tränen. Bei ihrem Anblick brach ihm fast das Herz. Doch was er dann erblickte, sollte er seinen Lebtag nicht vergessen. Da stand dieser Junge, der eigentlich eine Rüstung war und hielt seinen älteren Bruder fest in seinen Armen, der schlimmer als ein Soldat im Krieg aussah. Alphonse sang leise ein Lied, der Doktor erkannte, dass es ein Wiegenlied war. >Der Kleine wird doch nicht...< Mit drei großen Schritten war er neben dem stählernen Jungen und schnell kontrollierte er den Puls an der Halsschlagader und am Handgelenk des Blonden. Doch da war nichts...nichts! Nicht einmal ein zaghaftes Puckern. Vor Schrecken und Unglauben weiteten sich die Augen des Arztes. >Das kann doch nicht sein!< Noch einmal fühlte er den Puls, dieses Mal länger. Aber wieder nichts. Geschockt ließ er die Hand des Jungen los.
 

Angstvoll schaute ich dem Doktor zu, wie er Ed-chans Puls fühlte. Seine Augen weiteten sich und ich sah darin Entsetzen, Unglauben und Schrecken. >Ed...ist...tot? Nein...das darf nicht sein...< Aber noch einmal kontrollierte der Doktor die Lebenszeichen meines Cousins. Ich faltete die Hände. >Bitte er darf nicht tot sein...bitte...< Ich starrte den Doktor an. Auch Al versuchte die Gedanken des Arztes zu ergründen.

"Ich glaube das nicht...das...kann einfach nicht sein..." flüsterte der Mediziner geschockt. Doch dann ging plötzlich eine Bewegung durch den gerade noch reglosen Körper von Edward. Erschrocken starrten wir alle auf den Blonden. Der Arzt legte ein drittes Mal die Hand auf Hauptschlagader meines Bruders. Einige Sekunden später seufzte er erleichtert auf. "Er...lebt! Er lebt! Er ist nicht tot!" jubelte der grauhaarige Mann. Ich sprang von meinem Bett hoch und hüpfte hinunter und kuschelte mich an Alphonse. "Gott sei Dank! Ich bin so froh!!" leise flossen die Tränen. Es waren Freudentränen. Ich blickte zu Alphonse hinauf. Man sah es ihm nicht an, aber er war der glücklichste kleine Bruder, den man sich vorstellen konnte.
 

>Nii-san, was hätte ich nur ohne dich getan? Ob ich jemals unser Ziel weiter verfolgt hätte? Ohne dich hätte ich die Motivation verloren...denn ich tue das ja auch für dich, nicht nur für mich.< Kurz schaute er zu seiner nee-san hinunter und lächelte. >Sie freut sich wie ein kleines Kind...<
 

"So, wir sollten deinen Bruder schnellstens weiterversorgen, er braucht dringend eine Bluttransfusion. Sonst könnte es die nächsten Stunden wieder schlecht um ihn stehen. Tse, er muss eben so flach geatmet haben, dass ich für einige Minuten keinen Puls mehr gefühlt habe. Hat mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt der Junge, hehe!" >Nicht nur ihnen, Doktor...< leicht wischte ich mir über die nassen Wangen. "Alphonse, bring deinen Bruder zurück ins Zimmer. Ich werde die Wunde dann neu verbinden und eine Krankenschwester benachrichtigen, die die Bluttransfusion vorbereitet."

"Doktor...ähm, ich würde gerne mitkommen. Bitte..." Ich blickte den grauhaarigen Mediziner flehendlich an. Dieser lächelte mich freundlich, aber streng an. "Aber nur unter einer Bedingung." "Und die wäre?" "Du setzt dich ruhig hin und lässt mich alles machen. Denn du siehst bei weitem noch nicht so aus, als könntest du Bäume ausreißen, Mädchen." Das versprach ich ihm allzu gerne, so konnte ich wenigstens in der Nähe meiner Cousins bleiben. Ich folgte den Beiden hinaus auf den Flur. Zwar war ich ziemlich erschöpft, aber was machte das schon.

Auf dem Weg in Eds Zimmer begegnete uns eine Krankenschwester, die vermutlich auch in der Notaufnahme eingesetzt wurde. Auch das hatte ich in den Augen meines Bruders sehen können. Die Menschen, denen wir das Leben gerettet hatten, wurden nun von Envy in grausamster Weise getötet. Leise und kummervoll seufzte ich auf. Der Arzt wies die Schwester an, zwei Beutel mit Blut und das Injektionsbesteck zu bringen. Doch die Antwort der Krankenschwester war mehr als unbefriedigend. "Gomen nasai, Chef. Aber wir haben alle Blutkonserven für die Opfer dieses Massenmörders verbraucht. Diese hatten schwerste Verletzungen...gomen!" Sie verbeugte sich schnell und lief wieder in Richtung Notaufnahme.

Ratlos blickte uns der Arzt an. "Was nun?" fragte er hilflos. "Wo sollen wir so schnell Blutkonserven herbekommen?" "Ich könnte doch...", flüsterte ich leise. "Auf keinen Fall, Mädchen. Du bist doch selbst geschwächt genug! Das kommt gar nicht in Frage!" fuhr mich der grauhaarige Mann an. Schuldbewusst senkte ich meinen Blick. Die Stimme des Mannes wurde freundlicher und sanft. "Das Angebot ehrt dich, aber was nutzt es uns, wenn du dafür stirbst."

Wir gingen in das Zimmer von Ed, dort legte ihn Alphonse behutsam hinein und deckte den Blonden liebevoll zu. Wir setzten uns neben ihn. Müde kuschelte ich mich in das Polster.

Doktor Brown riss die Tür eines Medizinschrankes an der Wand auf und wühlte dort einige Zeit in den Schubladen hin und her, bis er mit einem "Da ist sie ja" eine kleine Glasampulle an die Oberfläche kramte. Er schnappte sich eine Spritze und Kanüle und begann, nachdem er die Ampulle aufgebrochen hatte, die Flüssigkeit mit der Spritze aufzuziehen. Neugierig und mit einem fragenden Ausdruck im Gesicht sahen Al und ich ihm dabei zu.

"Wozu ist das gut?", wollte mein Cousin wissen. "Bekommt mein Bruder das etwa? Braucht er dann keine Bluttransfusion mehr?" Der Arzt lächelte, als er diese Frage hörte.

"Schön wär´s, mein Junge, wenn es so etwas gäbe. Aber leider reicht das hier nicht."

Mit ein paar Schritten war er neben dem Bett des Schlafenden, setzte sich auf die Bettkante und zauberte einen Stauschlauch aus seiner Kitteltasche, den er oberhalb der Ellenbeuge um Edward´s Arm band und ihn festzog.

"Dieses Mittel dient dazu, das Blut von Ed dünner zu machen." Stirnrunzelnd sah ich ihn an.

"Aber warum? Blutet er dann nicht noch mehr?" Die Nadel verschwand teilweise in dem Arm des Jungen. Al zog scharf die Luft ein, als er das sah.

"Nein, aber dieses Mittel ist lebenswichtig. Ed befindet sich in einer Art Schockzustand, hervorgerufen durch den hohen Blutverlust. In solchen Fällen geschieht es, dass das Blut beginnt, sich zu verklumpen. Es wird dick und kann nicht mehr richtig fließen, also beginnen natürlich dadurch die Organe zu versagen, eins nach dem anderen, denn diese werden ja schließlich mit Blut versorgt. Folge dessen ist dann der Tod, wenn nicht vorher etwas unternommen wird. Und da ich vorhin dachte, er wäre schon ..., na ja, jedenfalls haben da bei mir sämtliche Alarmglocken geklingelt und darum habe ich es ihm nun schnell gespritzt. Nicht desto trotz benötigen wir schnellstens das Blut, aber ... woher?", ratlos blickte der Arzt hinunter zu Edward und seufzte schwer auf. Ich spürte seine Bekümmernis. >Es schmerzt ihn sehr, Ed nicht helfen zu können< Mutlos ließ Doktor Brown die Schultern hängen und schaute trübsinnig auf den Boden.

>Ich hab eine Idee< mein Gesicht hellte sich auf. "Was ist denn mit den Leuten vom Militär? Könnten die nicht spenden? Schließlich sind sie alle gesund und in Topform, das sind doch schließlich die besten Vorraussetzungen, nicht wahr?" schlug ich vor und lächelte den Doktor vor mir freundlich an.

Der Kopf des Mediziners ruckte hoch. "Natürlich...warum hab ich nicht selbst daran gedacht...", murmelte er vor sich hin. "Das ist eine wunderbare Idee, Mädchen! Ich werde sofort Kontakt mit dem Colonel aufnehmen. Er wird uns mit Sicherheit helfen!" Ich wurde vor Verlegenheit rot. So viel Lob war ich gar nicht mehr gewöhnt.

Doktor Brown blickte zu Al hinüber. "Sag mal, Alphonse, weißt du zufälligerweise, was für eine Blutgruppe dein Bruder hat? Nur für den Fall, dass einer der Soldaten diese hat." Alphonse schüttelte bedauernd und resigniert mit dem Kopf. >Armer Al...für dich ist es sehr schwer...< Es tat mir weh, auch ihn so traurig zu sehen. >Die beiden müssen so viel leiden...< "Nein, ich weiß es leider nicht, aber ich kenne Jemanden, der es auf jeden Fall weiß. Dürfte ich einmal telefonieren gehen?" "Aber natürlich, Alphonse. Auf dem Flur sind Telefone. Ich werde mich in der Zwischenzeit um die Wunde deines Bruders kümmern. Der stählerne Junge nickte und verschwand schnell aus dem Zimmer.

Vorsichtig knöpfte der Doktor das Hemd von Ed auf und wollte gerade zum Antiseptikum greifen, als...

~*~*~*
 

Ich bin mal wieder fies, ich weiß *lach*

Bleibt schön dran, bis baaald

Eine schöne Woche wünschen euch

Mariko und Lina

A nightmare

Ui, wie der Titel schon sagt, wird es heute ein wenig schaurig! Aber nur keine Angst, kommt ruhig näher, hier wird keiner gebissen (von keinem Vampir oder sont einem Wesen der Dunkelheit *lach*)

Ganz herzlichen Dank an zwei ganz liebe Leserinnen, die da wären

Mondvogel: wir freuen uns immer sehr über deine Kommis, danke danke danke

Hotepneith: auch über deine Kommis freuen wir uns immer sehr, danke danke danke ^o^

Ich hoffe ja, das ich mal wieder zum Lesen komme...ich will ja gar nicht wissen, was ich schon alles verpasst habe *voll rumkreischt* XD

und auch meine anderen lieben Leserinnen, vielen Dank für die vielen lieben Kommis *knutschi*

Und nun viel Spaß und ein wenig Grusel!!! muahahaha!!! XDDD
 

~Kleine Erklärung

o-isha-san - Herr Doktor
 

18. A Nightmare
 

...er einen erstaunten Pfiff ausstieß. "Wie ist das möglich? Die Wunde ist fast wieder zugeheilt, dabei hat er doch noch vor wenigen Minuten heftig daraus geblutet. >Oh nein...jetzt kommt es raus...< mein Mund verzog sich ängstlich.

Doktor Brown runzelte die Stirn und blickte auf den Boden, um seine Meinung des Blutes wegen zu unterstreichen. Die Blutflecke säumten immer noch die Umgebung vor dem Bett. Die Augen des Arztes glitten fragend in meine Richtung. Ich spürte, wie ich ertappt zusammenzuckte. "Kannst du mir vielleicht etwas dazu sagen, junges Fräulein?" Aber statt ihm eine Antwort zu geben, lief ich nur rot an. Stumm schüttelte ich den Kopf. Er drehte sich wieder zu Ed hinüber. >Es ist jetzt nicht die richtige Zeit um über meine Gabe zu reden...<

"Na ja...dann nicht. Vielleicht ein anderes Mal..." Überrascht schaute ich auf den Hinterkopf des grauhaarigen Mannes. >Weiß er irgendetwas?< Aber scheinbar konnte man ihm vertrauen... Dann kräuselten sich meine Lippen zu einem feinen Lächeln. >Er hat mich nicht ausgequetscht...das rechne ich ihm hoch an. Arigato, o-isha-san< Mein Blick ging zu Ed hinüber. >Hoffentlich findet sich ein geeigneter Spender für dich, ototo.< Zart strich ich ihm mit meinem Ärmel über die Stirn. >Er ist ganz nass geschwitzt und so kalt!< Mit meinen Fingerspitzen berührte ich seine Wange. >Kein Wunder, wenn aus einem das Leben herausfließt... Halte bitte durch, Ed-chan< "Hier Mädchen, nicht dass du noch erfrierst." Der Arzt streckte mir eine Decke entgegen, die ich dankend annahm und mich gleich darin wohlig einwickelte.
 

Alphonse lief in der Zwischenzeit den Flur entlang, nach einem Telefon suchend. Erschrocken fiel sein Blick dabei immer wieder auf die eingetrockneten Blutpfützen, die ihn wie unheimliche Schatten auf seinem Weg begleiteten. Das gesamte Pflegepersonal war so mit den vielen eingelieferten Patienten beschäftigt, dass niemand die Zeit fand, das hier zu säubern.

Das alles, was hier geschah, erinnerte ihn zu sehr an die Szenen aus Kriegszeiten. Dutzende Schwerverletzte, die behandelt werden mussten. Verschmutzte Krankenhausflure, um die sich keiner kümmerte, weil das Personal zu sehr mit den Patienten beschäftigt war. Überarbeitet und nervlich schon am Ende...

Nun verstand er auch, warum sein Bruder damals nicht wollte, dass er ebenfalls weiter an der Prüfung zum State Alchemist teilnahm. >Nii-san wollte damit verhindern, dass ich jemals in das Kriegsgeschehen mit hineingezogen werde, denn ein State Alchemist ist verpflichtet in den Krieg zu ziehen, sollte es jemals zu solch einem kommen. Ich müsste Menschen töten auf Geheiß meines Vorgesetzten...unschuldige Menschen...das hätte ich nie über das Herz gebracht! Nie! Ich bin dir sehr dankbar, nii-san, aber du selbst wirst vielleicht einmal in den Krieg ziehen müssen...ich hoffe nicht...<
 

Das Tor...>Warum offenbart es sich erneut vor mir? Warum?< Groß und Furcht einflößend ragte es vor ihm auf. Das Auge, das in den Stein gemeißelt war, blickte ihn drohend an, obwohl kein Leben in diesem war. Unsicher schaute der blonde Junge sich um. Doch niemand war hier...er war ganz allein. >Wer würde auch hier freiwillig herkommen?< Um ihn herum herrschte Totenstille und das unendliche Nichts. Sein Leib zitterte plötzlich und ihn fror jämmerlich. >Ich mag diesen Ort nicht! Hier hat alles angefangen...vielleicht endet es hier auch? Mein Arm, mein Bein und Alphonse Körper sind an diesem Ort geblieben. Eines Tages...wenn es soweit ist, dann werde ich all diese kostbaren Dinge, die Al verloren hat und ich geopfert habe, zurückholen... ich bin davon überzeugt, dass sie nicht für alle Ewigkeit verloren sind.<

Ganz in Gedanken verloren stand Ed da und bemerkte erst nicht, wie sich langsam und lautlos die beiden Flügeltüren des großen Tores öffneten. Raunende Stimmen wurden hörbar, die erst ganz leise und dann immer lauter wurden. Verwundert blickte der Junge auf und sah sich mit Dutzenden Augen konfrontiert, die ihn kalt und emotionslos anstarrten. Erschrocken wich er einige Schritte ins Nichts zurück, doch kleine Händchen, die zu dünnen Ärmchen gehörten, machten seine Flucht unmöglich. Panisch fing der Blonde an, wie wild um sich zu schlagen, um diese tentakelgleichen Arme loszuwerden, doch es war zwecklos. Wie in einem Schraubstock war er gefangen und den furchtbaren Augen schutzlos ausgeliefert, die ihn gnadenlos anstierten. Verzweifelt versuchte er den Blick von diesen vielen Augenpaaren abzuwenden, die versuchten, sich erbarmungslos in sein Herz zu graben. Doch eine bekannte Stimme ließ seinen Körper erstarren.

"Ed, mein lieber Kleiner. Wie schön, dass du mich hier einmal besuchst. Ich habe dich sehr vermisst!" Ein grünes Augenpaar sah ihn liebevoll an, doch dahinter befand sich nur schwarze undurchdringlich wabernde Materie. >Diese Augen...wie lange haben sie mich in meinem Leben begleitet. Sie waren das Erste, was ich am Tag meiner Geburt gesehen habe< Er fühlte, wie sein Herz brach, als die Stimme weiter redete. "Ich...ich bin immer sehr alleine hier und hatte so gehofft, du würdest schon eher kommen. Dein Bruder kommt öfter zu Besuch." >Was?! Al?!< Seine Pupillen erweiterten sich vor Schrecken, als er eine Gestalt neben sich bemerkte. Ihre Erscheinung war durchsichtig, doch Edward konnte allein an ihrer Statur und an ihren Umrissen erkennen, um wen es sich hier handelte.

"Al?" Alle Farbe wich aus dem Gesicht des blonden Jungen, als sich sein jüngerer Bruder neben ihn stellte und versuchte, ihn auf das Tor zuzuschieben.

"Ja...kommt zu mir, meine beiden lieben Söhne. Zusammen werden wir glücklich bis in alle Ewigkeit sein." Zwei schwarze Ärmchen schlängelten sich an den grünen Augen vorbei und griffen ebenfalls nach ihm. Er fühlte tief in sich, dass sein Widerstand immer mehr brach, das irgendetwas von seinem Körper Besitz ergriffen hatte und nun versuchte, seinen Willen zu lähmen.

"Dann bin ich nie wieder von euch getrennt. Oh, was habe ich gelitten in dieser Einöde...nur dein Bruder kam ab und zu einmal vorbei, doch mit ihm kann ich mich nicht unterhalten. Aber jetzt bist du ja da und wir werden dich nie wieder gehen lassen, nicht wahr Al?" Aus den Augenwickeln nahm Ed das stumme Nicken seines Bruders wahr.

Der blonde Junge lehnte sich noch gegen seine lebenden Fesseln auf, doch bei jedem weiteren Versuch, verschwand immer mehr von seiner Gegenwehr, bis es ihm fast egal war, was mit ihm geschah.

Das leuchtende Gold seiner Iris verschwand und machte einem trüben matten Glanz Platz. Schlaff wie eine Stoffpuppe hing er in den immer weiter um ihn windenden Ärmchen, die ihn Stück für Stück näher an das Tor zogen.

>Sollen sie mich doch nehmen...vielleicht ist es besser so für alle...<
 

Ich saß schweigend am Bett und beobachtete den Doktor, wie er sich um die Wunde meines Cousins kümmerte. Ich konnte die schrecklichen Szenen nicht vergessen, die ich in seinen Augen gesehen hatte. >Ed...gomen nasai...wegen mir musst du noch mehr leiden...< Ich wischte schnell die feuchten Spuren von meinen Wangen und linste vorsichtig zu Doktor Brown. >Hoffentlich hat er nichts gesehen...<

Fröstelnd kuschelte ich mich enger in die Decke. >Manchmal hasse ich meine Gabe...Ich wünschte, ich wäre als normaler Mensch auf die Welt gekommen, ohne dies! Es kann sich sowieso niemand diese Gabe erklären. Mama-san sagte immer, ich hätte all das von Vater geerbt. Ich...ich habe ihn niemals kennen gelernt, auch hat mir Mutter kaum etwas über ihn erzählt...auch konnte ich nur ganz wenig in ihrer Erinnerungen lesen und nun ist es zu spät. Gerne hätte ich gewusst, was für eine Person mein Vater ist...warum ist er wohl fort gegangen?<

Eine Stimme unterbrach meinen Gedankengang.

"Hoffentlich kommt Alphonse bald zurück. Der Puls von Edward gefällt mir gar nicht!" Mit einem Seitenblick auf den Blonden, stand Doktor Brown auf. Meine Augen glitten besorgt auf die Gestalt meines kleinen Cousins, der reglos in seinem Bett lag.

Ich spürte sofort, dass etwas nicht stimmte. Schon einmal hatte ich dieses Gefühl gehabt, welches mich jetzt beschlich. Damals...als Mutter im Sterben lag, hatte ich dasselbe empfunden, wie auch jetzt. Das Schwinden der Seele eines Menschen, das langsame Ablösen vom Körper, das Dahingleiten in eine andere Welt, von der es kein Entkommen mehr gab, weil dort die Ewigkeit regierte.
 

>Ah! Ein Telefon!< Gekonnt legte Al eine Vollbremsung hin, die jedes Auto vor Neid erblassen ließ. Flink wählte der stählerne Junge die Nummer mit einem Stift, den er vorhin von Doktor Brown mitgenommen hatte, denn seine Finger waren einfach zu groß für die kleinen Öffnungen der Wählscheibe. Ein Klicken meldete sich am anderen Ende der Leitung. Dann hörte er eine fröhliche Stimme, die ihn sogleich schmunzeln ließ.

"Ja, Hallo?! Rockbell Auto Mail-Service hier, ihr Vierundzwanzig Stunden rund um die Uhr-Dienst!" Allerdings war in der Stimme ein sarkastischer Unterton zu erkennen. Was wohl daran lag, dass Al zu einer etwas späten Stunde anrief.

"Ähmm...Winry?" >Hoffentlich stellt sie keine Fragen...<

"Al? Bist du das? Du rufst aber sehr spät an. Ist was passiert? Sag jetzt nicht, das Ed schon wieder seine Automail zertrümmert hat...wenn ja, kann er sein Testament machen!"

>Oh je, zu spät!< seufzte die Rüstung. >Nicht darauf eingehen, einfach weiter reden...< "Sag mal, Winry. Wie ist gleich noch mal die Blutgruppe von Ed? War das nicht O negativ?" Eine kurze Pause am anderen Ende der Leitung ließ in fast in Panik ausbrechen. >Bitte nicht DIE Frage stellen...<

"Quatsch, er hat AB negativ! Aber Al...warum fragst du das? Ist was mit Ed? Sag jetzt bloß nicht, ihr habt euch wieder in irgendwelche gefährlichen Dinge eingemischt..."

"Äh...hehe...danke Winry! Ich...ich muss jetzt Schluss machen. Hinter mir stehen eine ganze Menge Leute, die auch telefonieren wollen. Bis bald!" Schnell hängte Alphonse den Hörer auf die Gabel, bevor Winry etwas dagegen einwenden konnte. "Puh...geschafft!" seufzte der stählerne Junge erleichtert auf. >Das Letzte was ich will, ist, das sich Winry Sorgen um Nii-san macht.<
 

Doch genau das hatte der Junge mit seiner Telefonaktion geschafft...Winry machte sich große Sorgen.

"Al? AL? Verdammt...MÄNNER!" Wütend knallte das hübsche blonde Mädchen den Hörer auf das Telefon, dass es nur so krachte. "Es ist doch immer dasselbe!" Niemals erzählten die beiden Jungs, was nun wirklich los war.

"Stimmt was nicht?" Die Stimme ihrer Großmutter veranlasste sie, sich herumzudrehen. Winry seufzte auf und ließ ihre Schultern resigniert hängen. "Das war doch einer der beiden Jungs, nicht wahr?" Die alte Frau blickte wissend ihre Enkelin an und paffte an ihrer Pfeife. "Sie haben wieder etwas angestellt, oder? Sich wissentlich in Gefahr gebracht. Sonst würden sie hier nicht anrufen, nicht wahr? Hat unser Ed seine Automail geschrottet?" Ein Grinsen zierte das faltige Gesicht, als diese Sätze aus ihrem Mund schossen. Sie sah hinauf zu Winry und ihre Miene wurde plötzlich ernst. Denn dem Mädchen war alles andere als zum Lachen zu Mute. Sie hielt ein gerahmtes Bild in den Händen, dass sie auf ihrer Werkbank stehen hatte. Um die beiden Freunde aus der Kindheit immer in ihrer Nähe zu haben. Sehnsüchtig strich sie darüber und drückte es dann fest an ihre Brust. "Winry...Schatz, was hast du? Was ist los?" Das blonde Mädchen spürte die Hand ihrer Großmutter auf der ihren. Die Blicke der beiden Frauen begegneten sich. Fragend der eine, traurig der andere.

"Al...er hat nach der Blutgruppe von Ed gefragt...Wieso?" Schockiert riss das blonde Mädchen seine blauen Augen auf. Ihre Hände zitterten und ihr rutschte das Bild heraus. Dieses fiel auf den Boden und das Glas zersprang in tausend Teile.
 

Fassungslos saß ich neben Edo und konnte einfach nicht glauben, was ich sah und fühlte. >Passiert es schon wieder? Wird schon wieder eine geliebte Person von mir gehen? Sind mir schon wieder die Hände gebunden? Gibt es denn nichts, das ich tun kann? Oder doch?< Ich spürte, wie Doktor Brown neben mir immer nervöser wurde. "Wir brauchen das Blut...JETZT! Wenn in der nächsten halben Stunde nichts geschieht, werden seine Organe eins nach dem anderen ihren Dienst aufgeben. Mit zu wenig Blut arbeiten sie nicht richtig!" Verzweifelt hatte sich der Arzt aufgerichtet und schlug verbittert mit der Faust gegen die Wand.

Erschrocken zuckte ich zusammen und griff instinktiv nach Eds Hand, die leblos vor mir auf dem Bett lag.
 

Der Junge näherte sich immer mehr dem Schlund des Tores. Fast hatte es den Blonden verschlungen, als der Blonde plötzlich seine goldenen Augen öffnete. Er fühlte etwas Warmes an seiner linken Hand. >Diese Berührung ist so vertraut!< Sein Blick klärte sich augenblicklich und er sah das Wesen, das ihn gierig mit seinen schwarzen Armen zu sich heranzog, mit ganz anderen Augen. Eine widerlich verzogene Fratze stierte ihn an, ein riesiges stinkendes Maul mit faulen Zähnen gierte nach ihm...und der Blick, den dieses Ding ihm zuwarf...die Augen...

Entsetzt wandte der Kleine seine Pupillen vor diesem Anblick ab. Aus den Höhlen, die einstmals Augen gewesen waren, krochen Würmer und anderes ekelhaftes Getier. Eine Stimme, schlimmer als alles andere, was er jemals gehört hatte, formte Sätze, die ihn erschauern ließ. "Komm zu uns Junge! In deiner Welt will dich niemand haben. Wer trägt die Schuld am Schicksal deines kleinen Bruders? Die Antwort kennst du ja wohl zu Genüge. Also, tu dir selbst einen großen Gefallen und kehre deiner Welt den Rücken zu."

Verzweifelt und in großer Panik versuchte der Blonde sich die Ohren vor der Stimme, die wie ein Donnergrollen in seiner Seele vibrierte, zuzuhalten. Doch die Ärmchen, die sich um ihn wanden, verstärkten ihren Griff. Edward stöhnte gequält auf.

>Nein! Nein...ich will das nicht!< Aber niemand hörte seine stummen Schreie nach Befreiung aus diesem Alptraum. >Al< dachte der Junge zu Tode betrübt. >Soll das hier mein Ende sein?<

"NEIN!" Die Alptraumkreatur hielt erstaunt inne und sah dann den Jungen vor sich strafend an. "Wer war das?! Hast du etwa Jemanden mit hierher gebracht?" Ed blickte das Ding vor sich verwirrt an. >Hat sie das auch gehört? Diese Stimme...ja, ich kenne sie...so vertraut und warm, wie die Berührung an meinem Arm< Eine leichte, aber warme Gänsehaut stieg seinen Rücken hinauf.

"GEH NICHT FORT!!" Da war sie wieder, laut und deutlich! >Diese Stimme ist direkt hinter mir< Die Wärme des Tons ließ ihn wieder ein wenig Kraft schöpfen. Gestärkt wandte er sich im Griff der vielen schwarzen Ärmchen um. Für einen winzigen Moment schaffte er es. In der unendlichen Schwärze des Nichts erblickte er auf einmal ein Augenpaar...silbern glänzend...das er kannte. Es sah ihn flehendlich an und schwamm in Tränen, ehrliche Tränen. Doch dann rissen ihn die Arme wieder herum und eine grauenvoll geifernde Stimme donnerte über seinen Kopf hinweg: "Nein, du gehörst mir! Nur mir allein! Bis in alle Ewigkeit und noch viel weiter! Niemand außer mir wird dich besitzen!"

Aber der Blonde hörte schon nicht mehr auf das Ding, neue Kraft strömte durch sein Herz und er bekam endlich eine Hand frei. Die Alptraumkreatur tobte und wütete. Sie schickte neue unheilvolle Ärmchen aus, um den Jungen zu bändigen und seinen Willen zu lähmen. Doch diese zerfielen vor Ed zu Staub, kaum das sie ihn berührten. Auch die anderen Arme, die in der Nähe waren, lösten sich auf und verschwanden in der Dunkelheit. Edward drehte sich erneut zu den grauen Augen in der unendlichen Ferne herum und streckte seine Hände nach ihnen aus. "Bitte...", wisperte der blonde Junge zitternd. "Hol mich hier raus, ich will nicht hier bleiben..." Fast erleichtert spürte Edo, dass sich die Arme nun zum größten Teil aufgelöst hatten. Die Kreatur hinter ihm kreischte wütend auf und heulte vor Wut, doch sie schien keine Macht mehr über den Kleinen zu besitzen.

Das letzte Ärmchen verblasste und zerfiel zu Asche, die sich im Nichts verlor.

Sofort begann der blonde Junge loszurennen, aber ein Ruck ließ ihn in seiner Bewegung erstarren. Sie hinderte ihn am Fortkommen. Erschrocken blickte er auf sein linkes Bein, an dem sich sein kleiner Bruder festgekrallt hatte. Die grünen Augen glühten giftig und ein böses Grinsen verzerrte das kindliche Gesicht.

"Hehe, nii-san. Willst du mich nicht mitnehmen? Hast mich ja schon einmal allein gelassen, aber noch mal wirst du das nicht tun!" Langsam begann sich Alphonse aufzulösen, Hautschicht für Hautschicht begann vom Körper des Jungen abzufallen, bis hinunter zu den Muskeln, an denen sich der Prozess weiter fortsetzte. Der Blonde stöhnte angewidert auf und versuchte seinen Blick abzuwenden. Doch die Hand, die nur noch aus Sehnen und Knochen bestand, bohrte sich tief in das Fleisch von Ed, so dass dieser vor Schmerzen lauf aufschrie.

"Willst du deinen kleinen Bruder nicht ansehen?" kicherte das Kind widerwärtig. "Das alles, was du hier siehst, besitze ich nicht mehr...keine Knochen...kein Blut. Das habe ich dir zu verdanken! Nur DIR!" Noch fester drückte dieser zu und der Kleine ging vor Schmerzen in die Knie. Entsetzt weiteten sich die goldenen Pupillen des Jungen. An seinem Bein hing nur noch ein Skelett, das auf ihn einredete. Der Blonde spürte, wie die Kraft, die ihn gerade noch durchströmt hatte, immer weniger wurde und im Begriff war ganz zu erlöschen. Tränen traten ihm in die Augen...Tränen der Verzweiflung.

"Ja, wein nur...weine! Gestehe dir endlich ein, dass du etwas Falsches gemacht hast!" geiferte das Skelett. Schluchzend vergrub Ed sein Gesicht in den Händen. Kummervoll schrie er auf: "Ja! Ja, ich habe..." er wurde unterbrochen.

"NII-SAN!!" schrie plötzlich eine Stimme, die dem Blonden sehr vertraut war. Sie klang besorgt und aufgeregt, so wie von...

"AL!" schrie der Kleine auf und bemerkte gleichzeitig, das der Druck an seinem Bein sich immer mehr lockerte. Schnell sprang Edward auf und stieß das Skelett angewidert von sich. Am ganzen Leib zitternd stand er da und sah auf das Tor, das sich langsam und leise vor seinen Augen schloss.

>Danke, Al und nee-chan...wer weiß, was ohne euch noch alles passiert wäre< er schüttelte diese schwarzen Gedanken von sich ab und ohne noch einen Blick auf das dunkle Tor zu richten, wandte er sich um. Er lief eiligen Schrittes in das Ungewisse vor ihm.
 

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Lieber ein Ende mit Schrecken als eine Schrecken ohne Ende...tja, was wird wohl noch so auf Ed, Al und Lina warten? Bald wisst ihr mehr. ^o^

Bis dahin wünschen Mariko und Lina euch ein schönes Wochenende und eine tolle Woche.

Tod und Leben

So meine lieben Leserinnen, es freut mich, dass ihr wieder hier seid und weiter lest. Gomen, dass es jetzt erst wieder Lesefutter gibt. Eine kleine Anmerkung am Rande:

Mariko und ich wissen, dass man Blutgruppe 0 (bei einer Infusion) für alle Blutgruppen, sei es A, B, AB oder 0 verwenden kann. Da es aber spannend bleiben soll, haben wir es ein wenig anders gestaltet, d. h. das bei uns nur die Blutgruppe AB negativ bei der Infusion verwendet werden kann. (die Blutgruppe von Ed) Wir wünschen viel Spaß beim Lesen *knuddel*
 

19. Tod und Leben
 

Zu Tode ermattet ließ ich mich in das weiche Polster des Sessels fallen. Einige Sekunden lang schloss ich müde die Augen, um neue Kraft zu schöpfen. Als ich sie wieder öffnete, sah ich in das ziemlich verblüffte Gesicht eines alten Mannes, dem die Kinnlade heruntergefallen war. >Nachdem, was sich gerade vor seinen Augen offenbart hat, ist das ja kein Wunder!<

Al-chan kniete vor dem Bett seines Bruders und stammelte schon die ganze Zeit nur einen Satz: "Arigato, o-nee-sama, arigato!"

Ich lächelte ihn erschöpft an. Dachte an die erschreckenden Szenen, die sich vor wenigen Minuten hier ereignet hatten:

Deutlich fühlte ich, wie sich die Seele aus dem Körper meines Cousins herauslöste. Auch Doktor Brown war es aufgefallen. Doch ich spürte, dass er es auf eine ganz andere Weise bemerkte. Der Kreislauf des Kleinen brach plötzlich zusammen und er atmete nicht mehr. Die braunen Augen des Arztes weiteten sich entsetzt. Schnell sprang er zu Ed und begann die Wiederbelebungsmaßnahme. Starr vor Schreck beobachtete ich das Szenario vor mir. >Nein...das...das darf nicht sein...< Unstet wanderte mein Blick zu dem Blonden, dann zu Doktor Brown und wieder zurück. Ich fühlte, dass der Druck der kleinen Hand, die ich in meiner hielt, immer schwächer wurde. Schlagartig tauchte ein Bild vor meinem inneren Auge auf. Meine Mutter...die sterbend in ihrem Bett lag.

"Mama-san!! Bitte...bitte ich will dich nicht verlieren. Ich werde meine Kräfte benutzen, dann wirst du bald wieder ganz gesund...bitte mama-san!" Doch Mutter schüttelte nur langsam mit dem Kopf. "Nein, Engelchen! Den Tod kann man nicht besiegen. Für jeden Menschen kommt einmal die Zeit, um Abschied von seinen Lieben zu nehmen...bei manchen später...oder auch eher. Außerdem meine Kleine, du würdest deine eigene Lebenszeit damit sehr verkürzen...und das will ich nicht! Ich...ich...liebe dich..." dann brach ihr warmer Blick...

>Doch hier ist es anders! Hier hält mich niemand zurück. Außerdem ist Ed doch noch so jung, er hat noch das ganze Leben vor sich. Soll er hier und jetzt sterben? NEIN! NIEMALS! Das lass ich einfach nicht zu!< Ich schloss kurz die Augen und konzentrierte meine ganze Energie. Neben mir flüsterte Doktor Brown hoffnungslos: "Es...es hat keinen Sinn! Wir verlieren ihn..." >Das lass ich nicht zu! Tod hin oder her...diesmal werde ich ihm einen Strich durch die Rechnung machen!<

Fest entschlossen legte ich meine rechte Hand auf die Stirn und die linke auf das Herz meines kleinen Cousins. Zu meinem Entsetzen fühlte ich keinen Herzschlag mehr. Mein Kopf ruckte zu dem alten Mann hinüber, dessen Gesicht in den letzten Minuten noch älter wirkte. Traurig schüttelte er den Kopf. "Es ist zu spät, Mädchen...hätten wir das Blut doch nur eher gehabt, dann..."

"NEIN!" schrie ich und verstärkte den Druck in meinen Händen. Ein helles warmes Licht erschien aus meinem Innern und hüllte meinen kleinen Bruder komplett ein. Es schien fast als wäre der Kleine ganz aus Silber. Ich sah, wie Doktor Brown vor Schreck eine Hand vor seine Augen riss und sein Stuhl mit einem lauten Krachen zu Boden fiel.

"GEH NICHT FORT!!" Mit aller Macht konzentrierte ich mich auf Ed-chan...sah plötzlich Bilder, die meinen Geist verwirrten. Aber mein Blick klärte sich langsam, alles war neblig um mich herum. Dann erschien ein Tor vor mir, einfach so aus dem Nichts...und vor dem Tor...

>Ed< panisch weiteten sich meine Pupillen. Mein kleiner Cousin stand vor diesem grauenhaften Portal, festgehalten von unzähligen schwarzen bösartigen Ärmchen, kaum fähig sich zu rühren. Doch für einen kurzen Moment schaffte er es in meine Richtung zu sehen. Ich fühlte, dass ich meine Tränen nun nicht mehr zurückhalten konnte, spürte die Nässe an meinen Wangen, als sich unsere Blicke begegneten. Mit vor Angst weit aufgerissenen Augen sah mich Ed einige Sekundenbruchteile flehend an, als die Arme ihn wieder herumrissen. Eine schrecklich verzerrte, laut dröhnende Stimme ließ mich geschockt zusammenfahren. Vor Ed-chan stand eine Kreatur, die allen Gesetzen der Natur spottete. >So etwas furchtbar Grausames ist mir in meinen schrecklichsten Alpträumen nicht begegnet!< Mich fröstelte unwillkürlich.

Ich sah, wie Ed seine Arme frei bekam und sich mir wieder zuwandte. Hilfe suchend streckte er seine Hände aus und wisperte etwas, das ich aber nicht verstand. Aber seine Augen verrieten mehr als alles andere auf dieser Welt. >Er will aus diesem schrecklichen Gefängnis hinaus, weg von dieser scheußlichen Kreatur. Kämpfe!< ich ballte meine Hand zu einer Faust. >Kämpfe um dein Leben!< Ich beobachtete, wie die schwarzen Ärmchen von Edward abfielen und sich auflösten. Keuchend atmete ich ein. >Meine Kraft lässt nach...<

Ich erhob meinen Blick und schaute in das besorgte Antlitz des Doktors, der abwechselnd in mein und dann in Eds Gesicht sah. Ungläubig hielt er dabei das Handgelenk meines Cousins fest. Leise stammelte er: "Wir...wir haben wieder einen Puls...aber wie...wie ist das möglich? Er war tot..."

>Es ist noch nicht vorbei. Ed-chan hat noch nicht hinausgefunden...irgendetwas ist da noch, dass ihn gefangen hält...aber diesen letzten Kampf muss er selber ausfechten...gomen nasai...mein Kleiner...< erschöpft wischte ich mir über die Stirn. Das Licht in meinem Inneren flackerte noch ganz leicht.

Plötzlich wurde die Tür des Zimmers aufgestoßen und ein freudestrahlender Alphonse kam herein gerannt. "Nee-san! Doktor Brown! Ich weiß jetzt welche Blutgruppe..."
 

Mitten im Satz hielt der stählerne Junge inne und starrte entsetzt auf das Bild vor sich. >Nee-san...dieses Licht...ich kenne es doch...was hat das nur zu bedeuten...nii-san? Er ist doch nicht etwa...das kann doch nicht möglich sein! Wir haben ihn doch gerade gerettet...und jetzt? Nein! NEIN<
 

"NII-SAN!!" brüllte Al-chan panisch auf und rannte zu seinem blonden Bruder und legte eine Stahlhand auf seinen Arm. Ich spürte die Kraft in mir, die noch einmal vollends erwachte. Das Leuchten nahm an Intensität so zu, dass ich die Augen zusammenkneifen musste, während der Arzt neben mir zum zweiten Mal fast vom Stuhl fiel.
 

Und nun stand Doktor Brown sprach- und fassungslos vor mir, sein Mund war weit geöffnet. Ich zog seufzend die warme und weiche Decke fester um mich. Ich stellte mich schon auf die Konfrontation mit dem Mediziner vor mir ein. Doch wider Erwarten, drehte sich der Arzt zu Al hinüber, dieser saß neben seinem Bruder und sah so aus, als würde er den Älteren nie wieder allein lassen wollen. "Alphonse! Die Blutgruppe!" Der Ausruf des alten Mannes weckte den stählernen Jungen aus seinen trüben Gedanken und er sprang sofort auf.

"AB negativ! Es ist AB negativ!" Das Gesicht des Jungen strahlte, er war glücklich dem Doktor dieses mitgeteilt zu haben und voller Erwartung auf eine beruhigende Antwort blickte Al den grauhaarigen Mann an. Doch diese blieb aus. Stattdessen keuchte der Mediziner entsetzt auf und fiel in seinen Stuhl zurück. Verzweifelt vergrub er das Gesicht in den Händen, sein Kopf ruckte hin und her. Beunruhigt blickte ich auf ihn. >Ich kenne mich zwar nicht so gut im großen Fachkreis der Medizin aus...aber ist diese Blutgruppe nicht äußerst selten?< Traurig musterte ich Al vor mir, seine Schultern, die gerade noch vor Freude hochgezogen waren, rutschten immer mehr nach unten. >Mein armer kleiner Cousin...warum nur...<

"AB negativ...", murmelte Doktor Brown neben mir. "Warum nur so eine seltene? Warum nur?"

Mitfühlend legte ich eine Hand auf den Arm des grauhaarigen Mannes. Dieser schaute auf und unsere Blicke trafen sich. >Seine Hoffnung schwindet, Edward jemals wieder lachend auf den Straßen zu sehen...sie schwindet dahin, wie das Leben der Schwerverletzten...< Ich lächelte den Arzt freundlich an, die Tränen stiegen in mir auf und ich wandte meine Augen ab. "Nun...", der Mediziner erhob sich schwerfällig und tätschelte kurz meine Finger. "Ich werde trotzdem das Militär benachrichtigen und sie um Mithilfe bitten, beten wir, dass Jemand unter ihnen ist, der die gleiche Blutgruppe wie Ed hat." Ohne ein weiteres Wort drehte sich der alte Mann um und ging aus dem Zimmer.

Traurig und mitfühlend glitt mein Blick hinter ihm her. >Er versucht wirklich sein Bestes...aber manchmal ist eben auch das Beste nicht gut genug...ach Al...< meine Augen wandten sich meinem stählernen Cousin zu. Dieser starrte auf den blassen Jungen vor ihm, der noch immer leblos in seinem Bett lag.

Ich fühlte, wie mir dieser Anblick der beiden Brüder das Herz brach, aber was konnte ich tun? >Auch mir sind Grenzen gesetzt. Aber warum...warum ist den Beiden nur so ein schweres Los beschienen?< Ich dachte an die Zukunftsvisionen von Ed. Wütend ballten sich meine Hände zu Fäusten. >Keiner meiner Cousins hat es verdient so einen schrecklichen und grausamen Tod zu erleiden! Langsam beschleicht mich das ungute Gefühl, dass die Geisel des Todes über dem Haupt der Brüder schwebt und nur gierig darauf wartet die Jungs mit sich zunehmen...das sind doch keine unglücklichen Zufälle mehr...aber ich lasse es nicht zu, dass sie sterben...<

"Warum passiert das alles?" die Stimme war tief bekümmert und vollkommen von Trauer überschattet. "Wieso? Wieso können wir nicht in Frieden leben, wie andere Menschen auch?" Anklagend sahen die Augen meines Cousins ins Leere.

Es tat mir so unendlich weh, ihn so leiden zu sehen. Leise stand ich auf, spürte, dass die Decke von meinen Schultern rutschte, aber ich beachtete es nicht. Mein Blick war nur auf Al-chan gerichtet und sanft legte ich meine Arme tröstend um ihn. "Warum...", wisperte Alphonse immer leiser werdend und kuschelte sich traurig an mich. Zärtlich legte ich meine Finger auf die stählerne Wange und strich sanft darüber. "Ich weiß es nicht, Al, ich weiß es nicht. Jedem Menschen ist es vorbestimmt einen bestimmten Weg zu gehen. Je nachdem, wie er sich entscheidet, ändert sich auch sein Schicksal. Dein Bruder hat sich dafür entschieden, States Alchemist zu werden, mit allen Gefahren, die dazu gehören. Natürlich können dann solche Dinge, wie diese hier, geschehen. Aber ich werde die Hoffnung nicht aufgeben. Ich...ich werde beten, dass sich ein geeigneter Spender einfinden wird und wenn nicht, dann werde ich halt..." mein Körper fuhr erschrocken nach hinten als Al-chan plötzlich und unerwartet aufsprang.

"Nein! Nein! Das darfst du nicht tun, nee-san! Nii-san würde niemals wollen, dass dir etwas geschieht...dass deine Gesundheit seinetwegen zu Schaden kommt! Das lass ich nicht zu!" Meine Augen wurden groß, als ich zu meinem stählernen Cousin hinaufschaute. Langsam beruhigte sich dieser wieder und kniete sich erneut zu Ed-chan hinunter. Vorsichtig krabbelte ich zu ihm hinüber und setzte mich ebenfalls vor das Bett meines blonden Cousins.

Das Gesicht auf die Hände gestützt, blickte ich zu Edo hinüber, der friedlich schlief. >Hoffentlich sehen wir dich bald wieder aus der Haut fahren, wenn dich Jemand wegen deiner Größe zur Weißglut bringt< meine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, das erschöpft und müde wirkte als ich an die lustigen Szenen dachte. Sorgenvoll legte ich eine Hand auf die stählerne meines Cousins. Dessen Augen suchten gleich meinen Blick. "Teilen wir uns doch die Sorgen um Edo, dann ist das Stechen im Herzen nur halb so schlimm, was meinst du, Al-chan?" Stumm nickte er. Ich spürte seine große Erleichterung und auch seine Dankbarkeit, jetzt nicht allein in dieser Situation zu sein.

"Und danke...danke, dass du dir solche Sorgen um mich machst..." fügte ich lächelnd hinzu und meine Augen wurden weich. Mit Entzücken bemerkte ich, wie sich die Wangen meines stählernen Verwandten rot verfärbten. "Ääähh...jaaaa...ähm...", stotterte Alphonse und kratzte sich verlegen am Helm. Grinsend legte ich den Kopf auf meine verschränkten Arme, die auf dem Bett meines kleinen Cousins ruhten und wartete das Ergebnis des Telefonats ab, dass der Doktor mit dem Militär führte. Auf einmal legte sich sanft eine bleierne Müdigkeit auf meine Glieder. Ich konnte kaum die Augen offen halten, immer wieder fielen sie mir zu. Fast ein wenig erleichtert fiel ich in das Land der Träume. "Al...Ed..." flüsterte ich noch und war eingeschlafen.
 

Im Büro eines gewissen Colonel Roy Mustangs herrschte währenddessen ein immer weiter ansteigendes Chaos. Alle fünf Minuten steckte ständig Jemand den Kopf zur Tür herein und nervte den Schwarzhaarigen mit den neuesten Horrormeldungen. Währenddessen wurde die Tür schon wieder aufgerissen. Mustang seufzte auf. Am Eingang erschien Jean Havoc. Im Mundwinkel eine Zigarette, deren Rauch das Gesicht des Blonden fast vollständig einnebelte. "Colonel, vorhin wurden wieder 4 Opfer gemeldet. Sie waren alle tot." Der Angesprochene nickte. Das Schloss rastete ein.

Colonel Mustang nahm diese Meldungen sehr ernst. Die jetzige Situation war wirklich sehr schlimm. Die Polizei hatte das Militär um Mithilfe bei diesem äußerst schwerwiegenden Fall gebeten. Vor ca. einer Stunde fing es an. Schwerstverletzte Menschen und einige Verstorbene waren aufgefunden worden, alle mit den gleichen Verletzungen. >Seltsamerweise handelt es sich um die Menschen, die gestern von diesen Homunculi gefangen genommen worden sind. Wer weiß, was sie mit diesen anstellen wollten...<

Das Militär hatte am vorigen Tag veranlasst die Gefangenen erstmal nach Hause zu entlassen, da alle einen Schock erlitten hatten. Am schlimmsten betroffen waren die Kinder. >Und nun geschieht so etwas...mir scheint, hier will Jemand das Werk fortsetzen, das er noch nicht vollendet hat.<

Leise hörte er einen Stift auf Papier kratzen und blickte genervt zu seiner Kollegin First Lieutnant Riza Hawkeye auf. Diese schrieb alles in gewohnt kühler Art, was über diesen Fall Neues hereinkam, gewissenhaft in ein Notizbuch.

Der Colonel legte seinen Kopf auf die Arbeitsplatte, die Hände ließ er unter den Tisch fallen und stöhnte leicht auf, in der Hoffnung, ein wenig Mitleid von der hübschen Blondine neben ihm zu erhaschen. "Ich glaube, ich brauche mal wieder Urlaub..." "Wieso? Ihr letzter Urlaub war doch erst vor zwei Jahren." konterte diese geschickt und wandte ihr Gesicht dem Fenster zu, so dass man ihr verschmitztes Grinsen nicht sehen konnte. Draußen wurde es schon dunkel und die Sterne funkelten sacht am dunkelblauen Firmament.

Gequält keuchte der Schwarzhaarige auf. Dann verzog sich seine Miene verärgert, nach wenigen Sekunden grinste er. >Ich kann ihr nicht böse sein, dafür ist sie viel zu hübsch...<

Die Haltung des Colonels straffte sich und sein Gesicht wurde wieder ernst. "Na dann, wo waren wir gleich stehen geblieben?" seine schwarzen Augen streiften den blonden First Lieutnant. "Bei der Arbeit?" ihre rötlichbraunen Pupillen blitzten angriffslustig auf. Mustang wollte schon etwas Bissiges auf ihre Antwort entgegnen, als es hektisch an der Tür klopfte.

Resigniert seufzte der schwarzhaarige Mann auf und wandte sich von seiner Kollegin mit einem leichten Augenverdrehen ab. >Was ist denn jetzt schon wieder los...<

"Ja, was ist denn?!" Die Tür wurde sachte geöffnet und es erschien ein Augenpaar, gestärkt durch eine Brille und schielte vorsichtig in das Büro des Colonels hinein. Der dazugehörige Körper des jungen schwarzhaarigen Mannes schlich langsam herein und salutierte flott vor seinem Vorgesetzten.

"Was gibt es denn, Master Sergeant Fuery?" seufzte Roy Mustang auf. Nervös blickte der Sergeant zu der hübschen Frau hinüber, die ihm aufmunternd zunickte. Es schien, als würde außerhalb dieses Büros schon Jedermann wissen, dass der Colonel schlechte Laune hatte. "Ähh...ich habe ein wichtiges Gespräch für sie in der Leitung. Der...der Chefarzt vom örtlichen Krankenhauses ist am Telefon und wünscht sie zu sprechen. Er sagt, es sei äußerst dringend!"

Eine schwarze fragende Augenbraue schob sich nach oben und der Blick des Colonels bohrte sich in die gegenüberliegende Wand. >Der Chefarzt? Will er mir das gleiche erzählen, was mir die Polizei schon berichtet hat...oder...ist etwas mit dem kleinen Hagane-boy passiert?< seine Miene wurde nun sehr ernst, als er darüber nachdachte. "Sergeant, stellen Sie das Gespräch sofort durch!" forderte er den jungen Mann vor ihm, mit einem Seitenblick zu Riza Hawkeye, die vermutlich das Gleiche dachte wie er, auf. "Ja, Sir!" die Schuhe klackten aneinander und schnell wandte sich Sergeant Fuery um. Das Schloss knackte leicht, als der junge Mann aus dem Zimmer gegangen war.

Eine bedrückende Stimmung legte sich auf die beiden Personen im Raum. Roys Augen starrten unablässig das Telefon vor ihm an und er riss den Hörer ruckartig nach oben, als es klingelte.

Eine bekannte Stimme meldete sich am anderen Ende der Leitung, der Colonel sah deutlich das Gesicht eines grauhaarigen Mannes, Anfang sechzig vor sich. Er galt als Vertrauensarzt des Militärs und wurde oft geholt, wenn einer der Männer des Militärs bei ihren Einsätzen verletzt worden war.

"Was kann ich für Sie tun, Doktor Brown? Macht Ihnen unser Full Metal Alchemist Sorgen?" Riza Hawkeye sah ihren Vorgesetzten verblüfft an. Er hatte zwar eine wirklich direkte Art, aber dass er nun so mit der Tür ins Haus fallen würde...

Man hörte deutlich eine Pause am anderen Apparat. "Ich benötige ihre Männer als Blutspender. Das heißt, wenn sie welche entbehren können." Geschickt umging der Mediziner die gerade gestellte Frage.

"Blutspender?" Colonel Mustangs Stimme drückte Verwunderung aus. "Hat ein so großes Krankenhaus, wie das ihre, nicht genug Blutkonserven auf Lager? Ich dachte, man müsste immer vorbereitet sein..." die Blonde neben ihm nickte zustimmend. "Das ist schon richtig!" verteidigte sich der Arzt. "Jedoch hatten wir heute eine Masseneinlieferung von Schwerverletzten, wie Sie vielleicht schon erfahren haben, für diese Leute sind alle Blutkonserven, die wir noch besaßen, verwendet worden. Leider muss ich dazu noch sagen, dass die Spendebereitschaft in letzter Zeit stark nachgelassen hat, dieser Faktor kommt auch noch hinzu."

Roy lehnte sich in seinem Ledersessel zurück. "Nun gut, das verstehe ich. Aber wozu brauchen Sie jetzt das Blut meiner Leute? Ich habe soeben von der Polizei erfahren, dass keiner der eingelieferten Patienten überlebt hat. Also, können Sie mir das erklären? Mir ist auch klar, dass sie nun wieder Vorräte brauchen, aber das hätte doch dann Zeit, oder nicht?" Leise seufzte es an der anderen Leitung auf und für wenige Minuten, die dem Schwarzhaarigen wie Stunden vorkamen, war es still. "Ich höre schon, ich kann Ihnen nichts vormachen, Colonel. Nun ja, wie sie schon am Anfang bemerkt haben, geht es um den Jungen Edward Elric. Sein Zustand hat sich so lebensbedrohlich verschlechtert, dass er nun dringend eine Bluttransfusion braucht, andernfalls könnte der Fall eines raschen Todes eintreten. Ich will Ihnen nichts mehr vormachen, es ist wirklich sehr ernst! Das Problem bei der Sache ist allerdings die Blutgruppe des Jungen, sie ist äußerst selten..."
 

Hehehe, und schnitt! Nächste Woche kommt mehr, also bleibt dran

Liebe Grüße

eure Mariko und Lina

Dunkle Vergangenheit

Damit ihr eine Kleinigkeit zu Ostern bekommt, stelle ich doch gleich mal das neue Chapter on, viel Spaß und wir wünschen euch FROHE OSTERN!
 

Dunkle Vergangenheit
 

"Welche ist es?" der Colonel musste seine Lippen befeuchten, die wie ausgedörrt schienen und schluckte schwer.

"AB negativ...wenn einer Ihrer Männer diese Blutgruppe besitzt, dann schicken Sie ihn umgehend ins Krankenhaus...ich wäre Ihnen äußerst verbunden." Ein leises Klicken beendete das Gespräch. Nachdenklich faltete der Schwarzhaarige seine Hände, nachdem er den Hörer zurückgelegt hatte. Er fuhr aus seinen trüben Gedanken, als seine Kollegin ihn ansprach: "Mit Edward stimmt etwas nicht, habe ich Recht?" ihr besorgter Blick glitt hinaus in die Finsternis, ihre Hände stützten sich am Fenstersims ab. "Ich habe es mir gleich gedacht, als ich hörte, dass der Doktor am Telefon sei."

"Ja..." erwiderte der Schwarzhaarige im Sessel tonlos. "Aber...aber ich verstehe das nicht! Als ich das Krankenhaus verlassen hatte, da ging es ihm gut." Mit ausdrucksloser Miene starrte er immer noch das Telefon vor seinen Händen an. >Aber wer hätte gedacht, dass der Kleine nun meine Hilfe braucht...< Mit einem schnellen Ruck sprang der junge Colonel aus seinem Ledersessel und ging langsam zur Tür, die er wenige Sekunden anstarrte. Doch kurz bevor er sie öffnete, drehte er sich nochmals zu seiner blonden Kollegin um.

"Ich werde ins Krankenhaus gehen, Sie und Major Armstrong begleiten mich", gab er dies mit einem geheimnisvollen Lächeln an sie weiter. "Denn der Major kann es ja sowieso nicht mehr abwarten zu erfahren, was mit den Elric-Brüdern und der jungen Frau los ist, habe ich nicht Recht?" Schwungvoll riss Colonel Roy Mustang die Türe zum Flur auf und sah sich mit einigen erschrockenen und verdutzten Blicken konfrontiert. Allen voran Major Armstrong, der sich blitzschnell herumdrehte und so tat als würde er den Staub an der Decke begutachten, ein leises Lied vor sich hin pfeifend. Jean Havoc hatte vor lauter Schreck seine Zigarette aus dem offenen Mund fallen gelassen, die nun auf dem Boden fröhlich vor sich hinqualmte. Zwei der Blauröcke, Kain Fuery und Heymans Breda, hatten sich hinter Major Armstrong versteckt gehalten. Doch als dieser sich umwandte, war ihre Deckung aufgeflogen. Verschämt lächelnd sahen die beiden ihren Vorgesetzten an und wie Pferde scharrten sie nervös mit den Stiefelspitzen auf dem Fußboden herum. Der einzige, der in dieser peinlichen Situation noch cool blieb, war Leutnant Colonel Maes Hughes.

"Was soll diese interessante Aktion bedeuten?" fragte Colonel Mustang mit einer hochgezogen Augenbraue die versammelte Mannschaft.

Frech grinste Maes seinen Freund an und legte spielerisch grübelnd einen Finger an den Mund. "Hmmm...Ich denke mal, man nennt es ,an der Türe lauschen'. Ich habe Ihnen gleich davon abgeraten, aber..." Proteste seitens der anderen Männer wurden laut und der Lieutnant Colonel mit den grünen Augen hob lachend die Hände. "Schon gut, schon gut! Es war meine Idee, ich gebe es zu. Als Kain vorhin mit der Nachricht zu uns kam, dass ein Gespräch aus dem Krankenhaus eingegangen sei, haben wir uns natürlich unsere Gedanken gemacht. Also dachten wir, es sei nicht verkehrt mal zu hören, um was es geht. Und da du ja des Öfteren nicht wirklich mit der Sprache herausrückst, haben wir auf die schändliche Art und Weise versucht, etwas zu erfahren." "Ist etwas mit Edward? Oder dem Mädchen?" wollte der groß gewachsene Major wissen.

"Sie werden es gleich erfahren, denn Sie und Hawkeye werden mich zum Krankenhaus begleiten. Wir gehen sofort hin!" Die Miene des Colonels verschloss sich und mehr war aus ihm nun nicht mehr zu erfahren. Der Major schien fast vor Aufregung zu platzen, als er diesen Befehl vernahm. Wie ein junger Hund sprang er um den schwarzhaarigen Colonel und die hübsche Frau herum. Er konnte es kaum erwarten loszugehen. >Hoffentlich geht es den Kindern gut...<

Roy legte seinem langjährigen Freund und Kollegen eine Hand auf die Schulter. "Solange ich weg bin, überlasse ich dir den Laden. Wehe es kommen mir Beschwerden..." und leise fügte er noch hinzu: "Es tut mir leid, wegen mir musst du nun Überstunden machen und kannst nicht bei deiner Familie sein." Leicht zerknirscht blickte Mustang Hughes an. Dieser grinste leicht. "Macht dir deswegen keinen Kopf." Seine Miene wurde plötzlich ernst. "Aber was ist geschehen? Es klingt fast so, als würdest du länger weg bleiben...was ist mit Ed? Doch hoffentlich nichts Ernstes?" Doch Roy wich dem Blick der grünen Augen aus. "Das hoffe ich auch, mein Freund, das hoffe ich auch...", murmelte er, als er an seinem Kollegen vorbei ging.
 

Wie durch eine flauschige Watteschicht fühlte ich, dass ich sanft vom Boden gehoben und vorsichtig in die Polster des alten Sessels gelegt wurde. Die Decke schmiegte sich samtigweich auf meine Haut. >Irgendjemand hat sie wohl aufgehoben...und mich zugedeckt...< Alles in meinem Körper wehrte sich dagegen aufzuwachen, wollte ewig so weiter schlummern, so sehr spürte ich die Müdigkeit in meinen Knochen.

Leise knackte das Schloss der Türe. "Schläft sie?" fragte die Stimme des Arztes. "Hai..."

Als ich Doktor Brown hörte, schlug ich hastig meine Augen auf. "Und?" mein unruhiger Blick glitt zu dem grauhaarigen Mann hinüber. Dieser zog erstaunt seine Augenbrauen in die Höhe, als er bemerkte, dass ich keineswegs schlief. Schwerfällig ließ er sich auf die Knie herab und sah mich ein wenig besorgt an. "Ich dachte, du schläfst, junges Fräulein. Eigentlich dürfte ich als dein behandelnder Arzt gar nicht akzeptieren, dass du dich hier aufhältst, denn du benötigst ebenfalls Ruhe..."

Diese Bemerkung nicht beachtend bohrte ich weiter: "Was ist denn jetzt? Kommt nun Jemand vom Militär, um für Ed-chan Blut zu spenden?"

Der Arzt blickte still hinüber zu Alphonse. Die Sekunden und Minuten, die verstrichen, kamen mir wie Stunden vor. Meine Pupillen starrten den Mediziner ängstlich an. >Diese Pause, die er macht, verheißt nichts Gutes...<

"Man sagte mir, dass man sich unverzüglich darum kümmern würde. Wann nun Jemand eintrifft, weiß ich leider nicht..." Langsam stand der grauhaarige Doktor auf und setzte sich mit einem leisen Seufzer auf das Bett meines blonden Cousins. Ich sah stumm zu Al hinüber. Dieser kniete wieder vor dem Bett seines Bruders.

Ich durchbrach die bedrückende Stille: "Um auf Ihren gut gemeinten Ratschlag zurückzukommen...ich werde solange nicht von seiner Seite weichen, bis ich hundertprozentig davon überzeugt bin, dass er sich außer Lebensgefahr befindet. Man weiß ja nie, was noch alles geschieht. Da halte ich es für besser, bei ihm zu sein, sollte es wieder kritisch werden, damit ich ihm hel..." erschrocken schlug ich eine Hand vor meinen Mund und starrte entgeistert auf den alten Mediziner, der plötzlich große Augen bekam. >Verflixt...jetzt hab ich mich schon wieder verraten...ich habe gesehen, dass er diese Sache schon verdrängt hatte...< krampfhaft schluckte ich einen Kloß hinunter.

Leicht sah ich zu dem Mediziner hinüber, der sich in voller Größe aufrichtete und tief Luft holte.

"Richtig...dass hätte ich ja beinahe vergessen, dich zu fragen." Sein Blick musterte mich ernst. Ich spürte, wie ich immer kleiner in meinem Sessel wurde. >Am liebsten wäre ich jetzt eine Maus...und dann könnte einfach in meinem Loch verschwinden...< aber leider war dem nicht so.

"Was habe ich da vorhin gesehen? Was war das? Edward war klinisch tot...ich habe es selbst festgestellt und du...du hast ihn zurückgeholt, oder nicht?" Er machte eine gewichtige Pause, um das alles zu verstehen. "Das...so etwas geht doch gar nicht! Das...das ist absolut unmöglich. Nicht einmal in der Alchemie, wie Alphonse mir erklärt hat. Um etwas zu bekommen, muss man doch etwas geben...auf diesem Prinzip ist doch die Alchemie aufgebaut. Wie...also...hast du...das gemacht?" Völlig verstört saß Doktor Brown auf dem Bett und raufte sich die Haare. Es tat mir wirklich leid, ihn so vor mir zu sehen. Behutsam legte ich eine Hand auf seinen Arm, um ihn ein wenig zu beruhigen.

"Ich...ich weiß es selbst nicht genau...", beantwortete ich die Frage des Mediziners. "Meine Mutter hat mir erzählt, dass ich diese Fähigkeiten..."

"Fähigkeiten? Etwa noch mehr?" fiel mir Doktor Brown verblüfft ins Wort. Ich lächelte zart, dann wurde mein Blick wieder angespannt. "Ja. Dass, was ich gerade mit Ed getan habe...vor einigen Stunden war ich mir nicht mal hundertprozentig bewusst, dass ich zu so etwas überhaupt fähig bin. Meine Mutter hat mir damals zwar erklärt, dass ich dazu theoretisch in der Lage wäre, aber dass dazu sehr viel Kraft und höchste Konzentration vonnöten sind." Kurz sah ich auf den Boden. >Das ich meine Lebenszeit damit drastisch verkürzt habe, werde ich keinem erzählen...sie würden sich nur große Sorgen um mich machen...<

"Was sind das für andere Fähigkeiten, von denen du gesprochen hast?" Mein Blick wandte sich dem alten Herrn wieder zu. Ich schmunzelte. >Seine Augen verraten mir, dass er der Meinung ist, dass es mir gut tut, einmal mit Jemanden darüber reden zu können...wie Recht er doch hat...< meine silbernen Pupillen starrten wieder auf die Fliesen vor mir.

"Ich...ich kann in die Seelen der Menschen blicken...dort ihre versteckten Ängste sehen...ihre sehnlichsten Wünsche, aber auch ihre dunklen Seiten. Bilder aus der Vergangenheit strömen in solchen Augenblicken an mir vorbei...Deswegen...", meine Pupillen richteten sich weich auf meinen stählernen Cousin. "wusste ich auch gleich über die Elric-Brüder Bescheid...wusste, was ihnen damals widerfahren war und wurde Zeuge des schrecklichen Geschehens." Traurig wandte ich meinen Blick Richtung Fenster hinüber. Draußen war es schon finstere Nacht und einige Sterne leuchteten hell am dunkelblauen Horizont.

"Du wusstest es, Alphonse?" Doktor Brown sah hinüber zu Al-chan, der die ganze Zeit dem Gespräch still gelauscht hatte. "Ja..." hörte ich die wispernde Stimme des Jungen. "Allerdings nicht, dass nee-san...dass sie die Seele bereits Verstorbener zurückholen kann..."

"Und dein Bruder...weiß er es?" Vorsichtig linste ich zu Alphonse hinüber, dessen Blick an seinem Bruder hing. Eds Atemzüge wurden schwächer. >Bitte, ototo, du darfst einfach nicht sterben...< Inzwischen schüttelte mein stählernen Verwandter den Kopf.
 

>Nein< dachte er. >Nii-san weiß nichts darüber, nur das, was er selbst gesehen hat. Aber nee-san hatte noch keine Gelegenheit dazu, ihm etwas zu erzählen. Vielleicht sollte sie es ihm auch nicht sagen...er macht sich sonst nur wieder zu viele Gedanken...<
 

Im selben Augenblick stürmten gerade drei blau gekleidete Personen in das Krankenhaus. Vorne weg ein junger schwarzhaariger Colonel, der ziemlich ernst dreinschaute, hinter ihm eine durchweg nicht zu verachtende blonde Frau, die ihr weich glänzendes Haar hoch gesteckt trug und zu guter Letzt ein Hüne von einem Mann, der gekonnt seine Muskeln spielen ließ, als sie auf die verschreckte Krankenschwester, die am Empfang saß, zu eilten.

Colonel Roy Mustang nickte der jungen Frau mit einem jungenhaften Grinsen zu, diese war wegen dem stürmischen Überfalls etwas blass um die Nase. Dann wandte sich Roy in Richtung Krankenhauseingang, aber bevor er nur einen Schritt gehen konnte, sprang die Krankenschwester mit einem gekonnten Hechtsprung vor ihn.

Sie räusperte sich entschuldigend, als die onyxfarbenen Augen sie fragend anblickten.

"Es tut mir sehr Leid, Sir. Aber Besuchern ist zu dieser Uhrzeit der Zutritt zu den Patienten untersagt. Ich muss Sie bitten wieder zu gehen." Aus ihrem Unterton hörte man heraus, wie unangenehm es ihr war, den Colonel auf diese Vorschrift hinzuweisen. Roy Mustang lächelte die junge Schwester freundlich an und zeigte dann auf seine Begleitung. "Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, Miss. Doktor Brown erwartet uns. Ich habe vor wenigen Minuten mit ihm persönlich gesprochen. Es geht um den jungen Alchemisten, der gestern eingeliefert wurde, er untersteht meinem Befehl." Mit einem fast schelmischen Grinsen drehte er sich zu seinen Begleitern herum und fügte noch hinzu: "Ansonsten lasse ich mich nicht gerne hier sehen, ich hasse Krankenhäuser, gerade des Nachts." Riza Hawkeye zog verwundert die Augenbrauen nach oben. >Er hasst Krankenhäuser? Na ja, ich bin auch nicht gerne hier...aber wer ist schon gerne im Krankenhaus, diese Einrichtung verbindet man meistens mit dem Tod von vielen Menschen...auch mit denen, die einem sehr Nahe stehen...aber das tai-san das Krankenhaus regelrecht hasst? Ist ihm vielleicht etwas geschehen, dass ihn so fühlen lässt?< Fragend schaute sie Major Armstrong an, doch dieser schüttelte nur abwehrend mit dem Kopf. Leise seufzte sie in sich hinein. >Ich kenne ihn noch nicht lange, erst seit zwei Jahren...aber ich würde gerne wissen, was ihn so beunruhigt...würde so gerne mehr über ihn erfahren...< die Stimme der Krankenschwester riss sie aus ihren Gedanken und ihre rotbräunlichen Augen blickten zu ihr hinüber.

"Nun gut, wenn das so ist... Ich wusste gar nicht, dass er noch hier ist. Aber...", sie seufzte erschöpft auf und strich sich mit dem Handrücken über die Stirn, "heute ist eh alles durcheinander." Sie trat einige Schritte zur Seite und wies den Dreien den Weg zu Edwards Zimmer. "Bitte!"

"Dankeschön. Und entschuldigen Sie bitte die Umstände unseretwegen." Sehr rasch gingen sie an der jungen Frau vorbei, in Richtung des angewiesenen Zimmers. Major Armstrong wandte sich noch kurz zu der Krankenschwester um und winkte ihr verschmitzt lächelnd zu. Verwundert sah sie dem Colonel und seinen Untergebenen hinterher. "Das ist heute wirklich ein sehr seltsamer Tag..." flüsterte sie und kratzte sich leicht am Kopf, bevor sie wieder ihrer Beschäftigung nachging.

Flott schritt der junge Colonel voran. >Ich will diese Sache so schnell wie es geht hinter mich bringen.< Unwillkürlich blickte er sich um. >Diese Flure, auch wenn sie breit sind, sie erdrücken mich fast...< Verkrampft schluckte er. Kurz fasste er sich an den Kopf und seine Pupillen weiteten sich. Das Bild vor ihm veränderte sich auf einmal komplett. Ärzte und Krankenschwestern in blutverschmierter Kleidung rannten an ihm vorbei. Aus den Zimmern hörte man die Schreie verletzter Menschen. Roy rann ein eisiger Hauch den Rücken hinab und kalter Schweiß bildete sich auf seiner Haut. Energisch schüttelte der schwarzhaarige Mann mit dem Kopf. >Ich muss diese schrecklichen Erinnerungen verdrängen...ich muss...< aber es war zwecklos.

Plötzlich rannte eine verschwommene Gestalt an ihm vorbei. Er brauchte einen kleinen Moment, um zu realisieren wer diese Person war. "Warte!" schrie er und lief dem Schatten hinterher. Die Welt um ihn herum zerfloss in sämtliche Farben und setzte sich dann wieder neu zusammen. Das Chaos herrschte auf den Krankenhausfluren...schreiende Menschen die auf dem Boden lagen, da es keine freien Betten mehr gab. Immer mehr Verletzte wurden gebracht. Doch Roy achtete nicht auf sie, nur diese eine Person war in diesem Moment wichtig für ihn. Rasch bog er um die Ecke und stoppte abrupt. >Wo ist denn...< Die Gestalt war verschwunden. Dafür hörte er aus dem Zimmer, vor dem er stand, leises Weinen. Langsam öffnete er die Tür. Betroffen blickte er auf die weinende Frau und sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als er sie erkannte. >O-kaa-san...< Wie in Trance betrat er das Zimmer. Auf einer Liege in der Mitte des Raumes lag ein Mann in Militärkleidung. Daneben stand eine hoch gewachsene Frau mit dunklem Haar, die hemmungslos schluchzte. Sie wurde von einem jungen Mann, der Roy sehr ähnlich sah, gestützt. "Bitte kaa-san...weine nicht mehr..." sanft strich der junge Mann beruhigend über den Rücken der Frau. Leicht kniff Mustang die Augen zusammen...er konnte nichts genau erkennen, seine Sicht wurde von einer Sekunde auf die andere einmal besser, dann wieder schlechter. Die schwarzen Pupillen glitten zu der Liege hinüber und schauten den Mann genauer an. Roys Kehle wurde vollständig trocken und das Schlucken fiel ihm schwer. >O-too-san!< Geschockt wich er einige Schritte nach hinten und stieß mit der Frau und dem jungen Mann zusammen. Er wollte gerade zu einer Entschuldigung ansetzen, als er die Augen erschreckt aufriss. >O-kaa-san...o-nii-san! Wieso?< Der Mann löste sich von der Dunkelhaarigen und wankte auf den Colonel zu. Das Gesicht des Bruders verzerrte sich zu einer wütenden Fratze, als er Roy am Kragen packte und ihn schüttelte. Entsetzt weiteten sich die schwarzen Augen des Flame Alchemisten. "Das ist alles deine Schuld, Roy!" schrie sein Bruder ihn fast hasserfüllt an und zeigte auf den Mann, der blutüberströmt und mit anklagenden Augen auf dem Bett lag. "Und all das nur, weil er dich retten wollte! Nur deswegen musste er sterben...nur deswegen", weinend brach der junge Mann zusammen und klammerte sich an die Uniform des Colonels. "Nur wegen dir..." schluchzte er auf. Alle Farbe war aus dem Gesicht von Roy Mustang gewichen, als er in die toten Augen seines Vaters blickte. >Was geht hier nur vor? Was geschieht nur mit mir? Wieso erlebe ich diese Dinge noch einmal? Und wieso wirkt das alles so echt?< leise keuchte er auf.

"Roy...", die Stimme seiner Mutter ließ ihn erschaudern, sie fühlte sich wie ein arktischer See an...so eisig und kalt. Ihn fröstelte unwillkürlich.

Gequält wandte er sich zu seiner Mutter um. Ihre Augen waren vom Weinen gerötet, doch ihr Blick sprach Bände. >Auch sie ist überzeugt von meiner Schuld am Tod unseres Vaters< "Wieso?" Dieses eine Wort genügte um Roys letzte Fassung zu zerstören. "Ich...ich wollte doch nicht, dass so etwas geschieht..." versuchte er vergeblich zu erklären. "Er...er...wollte mich doch nur retten...", verzweifelt starrte er den leblosen Körper seines Vaters an. Tränen bildeten sich plötzlich in seinen Augen, rannen seine Wangen hinunter und benetzten das noch warme Gesicht des Verstorbenen. "Warum...warum...bist du dazwischen gegangen, o-too-san? Ich...ich hätte sterben sollen!" stammelte er. "Ich hätte dort sterben sollen, nicht du..." Doch auf einmal änderte sich sein Gefühlszustand schlagartig. Ein nie gekannter Zorn kochte in seinen Adern über und wütend funkelten seine Onyxaugen auf. Er fasste seinen Vater am Hemdaufschlag und hob ihn halb von der Liege. Hinter sich hörte er den erschreckten Aufschrei seiner Mutter und spürte die Hände seines Bruders an den seinen, die vergeblich versuchten den stählernen Griff von Roy zu lösen. Mustang stieß ihn zur Seite.

"Verdammt, Vater! Wieso hast du dich immer eingemischt?! Ich war alt genug, um in den Krieg zu ziehen!" schrie er den bereits in eine andere Welt eingegangen Körper an, der leblos in der Luft hing. "Niemand hat dich gebeten, mich zu retten...also warum hast du es dann doch getan? Wieso?" Seine Arme begannen zu zittern wie im Fieber, so sehr hatte er sich da hineingesteigert. Er hörte, wie seine Mutter wieder anfing zu weinen. Während sein Bruder noch immer verzweifelt versuchte, ihn von seinem Vater wegzuzerren. "Colonel!! Hören Sie auf damit!" Plötzlich hielt er inne. Irgendetwas stimmte hier nicht. >Warum...warum spricht mein Bruder mich mit Colonel an? Seine Stimme...ist irgendwie nicht mehr dieselbe...und dieses Schluchzen hat keine Ähnlichkeit mit Mutters Weinen. Auch der Körper von o-too-san ist eigenartig...so leicht wie ein Kind< Die toten Augen, die ihn gerade noch erbarmungslos angestarrt hatten, waren verschwunden, ebenso das mit leichten Falten überzogene Gesicht. Stattdessen stierte er entsetzt in das blasse Gesicht eines langhaarigen blonden Jungen, der mit geschlossenen Augen in seinen Händen baumelte.

"Full Metal...?" stammelte er ungläubig und starrte Ed verstört an. Sofort ließ er den Jungen los, der von Al noch rechtzeitig aufgefangen und behutsam auf sein Lager zurückgelegt wurde. Mit vor Schreck aufgerissenen Augen drehte er sich um. Hinter ihm stand Major Armstrong, der seine Hände auf die Schultern des Colonels gelegt hatte, nur für den Fall der Fälle. Der First Lieutnant half dem Doktor auf die Beine, dieser hielt sich leicht schmerzverzerrt seine Stirn, aus der ein wenig Blut tropfte. Auf dem Sessel saß das Mädchen, das dem Full Metal so unglaublich ähnlich sah...
 

Ich spürte den Blick, den mir Colonel Mustang zuwarf. Aber ich vergrub mein Gesicht hinter den Händen. Ich schluckte schwer und fühlte mich sehr betroffen, von dem was ich in den Augen des schwarzhaarigen Mannes gesehen hatte.

"Was...was habe ich getan?" hörte ich ihn aufstöhnen. Ich schaute auf.

Roy Mustang war umgekippt und lag nun auf dem zweiten Bett im Zimmer. Vermutlich hatte der Major ihn aufgefangen und dort abgelegt. Dieser stand beunruhigt vor dem Colonel und runzelte fragend das Gesicht. Riza Hawkeye rannte kurz in das Badezimmer, kam mit einem feuchten Tuch wieder heraus und legte es dem Ohnmächtigen auf die Stirn.
 

Es kam ihm vor, als wären Stunden vergangen...oder waren es sogar Tage? Langsam und vorsichtig versuchte er die Lider aufzuschlagen. Die ganze Zeit hatte eine bekannte Stimme auf ihn eingeredet, aber seine Sinne blockierten und er konnte nicht reagieren, so wie er es wollte. >Was ist nur passiert?<

Colonel Mustang öffnete seine Augen und schaute in das Gesicht von First Lieutnant Hawkeye. Diese blickte ihn besorgt und bekümmert an. Er erinnerte sich wieder an den Jungen. >Wie viel Zeit ist wohl vergangen, während ich ohnmächtig war?< Mit einem schnellen Ruck setzte er sich auf. >Das war wohl eindeutig zu schnell< leise keuchte er auf. Rasende Kopfschmerzen stachen in sein Gehirn und kleine bunte Sternen glitzerten vor seinen Augen. Ein noch nasses Tuch fiel in seinen Schoß. Zwei kräftige Hände wollten den Schwarzhaarigen wieder auf das Lager zurückdrücken, aber er stieß diese beiseite. Der Colonel atmete einige Male kräftig ein und aus, wartete bis der Schleier von seinen Pupillen abfiel. Armstrong sah seinen Vorgesetzten an und wollte schon nach ihm greifen, aber Roy Mustang hob beruhigend den Arm.
 

"Keine Sorge, ich bin wieder klar im Kopf." Entschuldigend schaute uns der Colonel an. Unsere Blicke waren misstrauisch auf ihn gerichtet, nur eine tat dies nicht. Das war First Lieutnant Hawkeye. Ich schmunzelte, konnte regelrecht ihre Zuneigung und Liebe zu ihm fühlen.

"Ich weiß nicht, was über mich gekommen ist...aber ich versichere allen hier, dass alles wieder okay mit mir ist. Es tut mir leid!" Seine Onyxaugen wandten sich an Alphonse und mich. Ein wenig eingeschüchtert saßen wir immer noch an unseren Plätzen.

Ein tiefgehender Schmerz stach in meine Brust, als ich dem Blick des Colonels begegnete. >So viel Leid...< ich seufzte leise und müde auf.

Ich spürte, dass nun diese schwarzen Pupillen auf Edo gerichtet waren, der blass und reglos im Bett lag. Auch ich sah zu meinem blonden Cousin hinüber, seine Decke war blutbefleckt, sowie auch der ganze Boden um uns herum.

Leise keuchte Roy Mustang auf. >Wahrscheinlich erinnert er sich an seinen Vater...< Ich schluckte krampfhaft. Major Armstrong indessen war von seinem Stuhl gesprungen, aber Doktor Brown war schneller und legte dem Colonel beruhigend eine Hand auf die Schulter. "Keine Angst, Colonel. Das, was sich ihnen hier zeigt, ist tatsächlich die Realität, obwohl das eigentlich nicht die Art eines Krankenhauses ist, welches immer sauber und steril sein sollte. Doch wie sie ja wissen, ist das gesamte Personal in Alarmbereitschaft und die Reinigungskräfte kümmern sich gerade um die OP-Säle. Dieser Raum und auch der Flur sind noch nicht gereinigt. Deswegen habe ich sie angerufen, jetzt verstehen sie wahrscheinlich, warum der Junge dringend eine Transfusion benötigt, denn das ist alles sein Blut."

Der Schwarzhaarige nickte stumm und krempelte seinen Hemdsärmel hoch.

"Deswegen bin ich ja auch hier..." erwiderte er schmunzelnd. Verwundert starrten wir ihn an. >Will er tatsächlich...?< meine Augenbraue zog sich nach oben.

"Was...soll das heißen, taisa? Meinen Sie damit etwa, dass Sie...?" Lieutnant Hawkeye blickte ihn fragend an.

"Genau das!" Sein angespanntes Gesicht verzog sich zu einem schelmischen Grinsen, als er in unsere Mienen sah. "Denn ich habe die Blutgruppe, die Sie brauchen, Doktor Brown." Ich spürte wie ein Stein vom Herzen des Doktors fiel und auch ich fühlte mich von einer großen Last befreit. Ein frohes Lächeln zierte meine Lippen. "Nii-san...ich bin so froh!" hörten wir eine Stimme leise schluchzend sagen. >Al-chan...< Ich unterdrückte die Tränen, die sich in meine Augen schlichen.

Kurz glitt meine silbrige Iris zu Major Armstrong, dieser wischte sich gerade die Tränen von den Au-genwinkeln. Mein Schmunzeln wurde noch einige Grade wärmer. "Sie haben die Blutgruppe, die Edward-kun benötigt? Wieso haben sie uns nichts davon gesagt?" fassungslos schauten die rotbraunen Augen von Riza Hawkeye ihren Vorgesetzten an.

Dieser kicherte. "Weil ich es liebe, die Leute zu überraschen." Der grauhaarige Mann räusperte sich. "Nun gut!" unterbrach er das Gespräch und kniete sich vor Eds Bett. "Wir sollten uns nicht länger mit Gesprächen aufhalten. Colonel, wenn ich bitten darf...legen Sie sich hin." "Natürlich." Dann wandte er sich zu stählernen Jungen. "Keine Sorge, Alphonse. Dein Bruder wird schon wieder." "Hai..." erklang die tonlose Stimme von Al. Betroffen schaute ich ihn an. >Mein lieber kleiner Bruder...wenn ich könnte, würde ich alle Sorgen von deiner Seele nehmen...< Ich spürte den fragenden Blick des Colonels auf meiner Haut. Ein trauriges Lächeln legte sich auf meine Lippen, als ich in seine Augen sah. >Er fragt sich, was hier passiert ist...<

Der Doktor drückte der hübschen Blonden einen Plastikbeutel in die Hand, in dem eine durchsichtige Flüssigkeit schwamm. Ein Antigerinnungsmittel wie es schien, das verhindern sollte, dass das Blut beim Hineinlaufen gerann. "Würden Sie den Beutel immer wieder schwenken. So kann das Blut sich mit dem Mittel gut vermischen." Der First Lieutnant nickte. Sie setzte sich neben ihren Vorgesetzten und ihr Gesicht blieb sorgenvoll auf ihn gerichtet.

Leicht verzog Colonel Mustang seine Miene. Doc Brown hatte ihm die Nadel in die Armbeuge gestochen. "So, ich werde erst mal einen halben Liter von ihnen nehmen und sehen, wie es dem Jungen dann geht. In ca. zehn Minuten ist der Beutel voll, Lieutenant. Achten sie darauf." Die Beiden nickten.

"Was ist wenn es nicht reicht?" wurde eine kummervolle kindliche Stimme hörbar. Mit traurigen Augen blickte Alphonse von seinem Bruder auf. >Ach...Al...< eine Träne kullerte meine Wange hinunter, ich wischte sie schnell und hastig weg. >Aus der Schule wusste ich noch, das jeder Mensch nur einen halben Liter Blut spenden darf...Männer alle zwei Monate und Frauen alle drei. Nicht öfter...Eigentlich müsste nach der Spende des Colonels Schluss sein, aber...ich glaube nicht, dass das Blut reichen wird...Ed...du hast so viel von deinem Lebenssaft verloren, das kann man nicht mit einem halben Liter wettmachen...<

"Dann werde ich wieder einen halben Liter spenden!" Alle Augen sahen den schwarzhaarigen Mann im Bett verblüfft an. Er hatte sich, gestützt von seinen Kissen, ein wenig aufgerichtet. >Hat er das jetzt wirklich ernst gemeint?< meine Augenbraue schnellte nach oben.

"Aber...das...das..." die Pupillen des Arztes weiteten sich entsetzt. "Auf meine Verantwortung, Doc. Tun Sie es, wenn es nötig ist." verlangte Roy Mustang. Die Onyxaugen des Colonels richteten sich fast sanft auf den Blonden...und glitten zurück zu dem grauhaarigen Mann. "Ich bin für die Konsequenzen verantwortlich, nicht Sie!"

Bewundernd schaute ich den Schwarzhaarigen an. Meine Augen leuchteten hell auf. Ein leichtes Schmunzeln stahl sich auf meine Lippen. >Das hätte ich nie von ihm gedacht. Als ich ihm das erste Mal begegnet bin, habe ich ihn für einen durchtriebenen Frauenhelden und Sprücheklopfer gehalten...aber ich muss meine Meinung ändern...ob es wohl an seiner Vergangenheit liegt?<
 

So, wer hätte gedacht, dass unser Taisa so eine gute Seele hat *grins*

Wie geht es wohl weiter? Bleibt dabei...

Liebe Grüße

eure Mariko und Lina

Banges Warten

So, kommen wir gleich zu FF...viel Spaß!!

Ach ja, ich freue mich, eine neue Leserin begrüßen zu dürfen...Nero_Steffka_Zuki...*knuddel*

Vielen lieben Dank an alle eure Kommis, hab euch ganz dolle lieb...aber jetzt lest... XD Anhang: Taschentücher!!!!
 

Banges Warten
 

"Der Beutel ist voll!" meldete sich Lieutnant Hawkeye von der Seite ihres Vorgesetzten. Der Arzt kam heran und klemmte den Schlauch, der in den Beutel führte, flink ab. Dann schloss er das Ventil am Beutel, damit kein Tropfen des teuren Lebenssafts abhanden kam und zog den Schlauch heraus.

Danach krempelte der Doktor den linken Ärmel von Ed nach oben und suchte eine Vene in dessen Arm er die Nadel einstechen konnte. An der Nadel war ein fingerdicker Schlauch angebracht, an dem der Beutel angeschlossen wurde. Anschließend hängte Doktor Brown diesen an den Infusionsständer und regelte am Ventil die Tropfgeschwindigkeit.

"So." Der Mediziner wischte sich den Schweiß von der Stirn. "Jetzt können wir nur noch abwarten..." Er wandte sich Colonel Mustang zu und wollte schon die Nadel entfernen, als der Schwarzhaarige ihn bittend und zugleich bestimmt anschaute. "Bitte...warten Sie doch erst mal ab, wie es ihm gleich geht..."

"Sie meinen das wirklich ernst, wie? Sie wissen aber auch, dass das nicht gerade gut für Ihre Gesundheit ist, sollte es tatsächlich dazu kommen." Mit heruntergeschlagenen Augenlidern nickte der Colonel und seufzte leise auf. "Ich bin es ihm schuldig...darum..." seine Pupillen glitten kurz zu Ed hinüber.

Die Blicke der Anwesenden wandten sich verwundert dem Schwarzhaarigen zu. Ich lächelte traurig. Ich wusste was er meinte.

Lieutnant Riza Hawkeye sah Roy Mustang fragend an. Dieser schüttelte nur mit dem Kopf, als wäre es ihm unangenehm darüber zu sprechen.

"Nun gut", seufzend unterbrach Doktor Brown das bedrückte Schweigen. "Ich werde die Nadel erst noch an Ort und Stelle lassen, aber ich warne sie ein letztes Mal. Ich kann für nichts garantieren, sollten sie sich für weitere Blutspenden entschließen, wenn es dem Jungen noch nicht besser geht." Langsam lehnte sich der junge Colonel in die Kissen zurück, nachdem er die gut gemeinte Warnung des Arztes vernommen hatte und nickte ihm zustimmend zu. "Ich bin mir darüber bewusst. Machen sie sich bitte keine Sorgen, was die Folgen meiner Entscheidung betrifft. Hier sind genug Zeugen anwesend, die bestätigen können, dass ich ihnen meine mündliche Einwilligung gegeben habe."

"Aber taisa..." Der Ausdruck der rötlichbraunen Augen wurde sekündlich besorgter um den Mann, den sie liebte und sehr verehrte. Ihr Blick ging zu Ed hinüber, der noch immer leichenblass in seinem Bett lag. >Ihr ist bewusst, dass das Blut des Colonels nicht reichen wird...Das Schicksal ist so hart zu den beiden Jungs...da hat sie recht...hart, unglaublich hart...< meine Augen waren traurig auf meine Cousins gerichtet.

Alphonse starrte auf den Beutel mit Blut. >Jeder Tropfen bedeutet eine weitere kleine Hoffnung, dass Ed überlebt.< Müde schloss ich kurz die Augen.
 

>Wie gerne würde ich selbst spenden...Verdammt! Nii-san hat damals für mich seinen Arm gegeben und ich ... ich kann ihm gar nichts geben.<
 

Ich blickte wieder auf. Leise drang ein gequälter Laut aus der Brust von Alphonse. Plötzlich stand er auf und verließ resigniert das Zimmer, das Schloss der Türe knackte leise.

Schnell sprang ich auf und wollte meinem Cousin hinterher. "Al...was...", aber ich spürte eine Hand an meinem Arm. Ich wandte mich um und sah, dass Doktor Brown mich festhielt. "Wieso?" fragend schaute ich den alten Mediziner an. Die braunen Augen blickten betrübt und er schüttelte leicht den Kopf. "Es gibt Momente, da möchte man allein mit seinen Sorgen sein, auch wenn es schwer fällt, sich damit auseinander zu setzen. Lass ihm ein paar Minuten." Mit einem enttäuschten Gesicht ging ich zurück zum Sessel und ließ mich in das weiche Polster sinken. >Ach Al, wie gerne würde ich dich trösten...in den Arm nehmen, dir sagen, dass du nicht alleine mit deinen Sorgen bist und das ich für dich da bin...aber Doktor Brown hat Recht...auch ich habe schon solche Momente gehabt, in denen ich ganz für mich alleine sein wollte und keine Menschen um mich herum ertragen konnte< Meine Miene wurde noch trauriger, ganz leise lachte ich verbittert auf. >Bei mama-sans Tod war es ähnlich...ich konnte die ewige Trösterei nicht mehr ausstehen und habe mich in mein Zimmer eingeschlossen und dort für mich alleine geweint...Wahrscheinlich ergeht es Al gerade ebenso, er kann es bestimmt nicht mehr ertragen, wie es seinem Bruder immer schlechter geht...oder vielleicht will er nicht zeigen, wie sehr er leidet. Bei Jungs ist das ja noch viel schlimmer, oft schlucken sie ihren Kummer nur herunter und verdrängen ihn in die hinterste Ecke ihres Herzens, dort wo dieser Schmerz noch viel mehr Schaden anrichten kann.< Seufzend zog ich meine Decke ganz nach oben und rieb über meine trockenen Augen. Ich konnte mich kaum noch auf etwas konzentrieren, mein Kopf dröhnte. Meine Glieder waren bleischwer. Immer wieder fielen mir die Lider zu. Aber schlafen wollte ich nicht. >Ich werde solange wach bleiben, bis Ed außer Lebensgefahr ist...<

Die belastende Stille war zum Greifen nah. Sie umschloss uns, machte uns nervös und angespannt. Kurz glitten meine silbernen Augen zu Major Armstrong hinüber. Dieser saß auf dem Stuhl neben Eds Bett und döste vor sich hin. Meine Lippen verzogen sich zu einem sanften Lächeln. Langsam und träge stand ich auf, streckte kurz meine Glieder und wandte mich dem Schrank zu. Holte eine Decke hervor, breitete sie über dem Hünen aus und setzte mich wieder in den Sessel. Müde gähnte ich leise.

Die drei Anwesenden waren schweigend meinen Bewegungen gefolgt. Nun wandten sich zwei Augenpaare wieder Ed zu. Der Arzt lief unruhig hin und her. Lieutnant Hawkeye saß auf der Kante von Mustangs Bett und hielt ihre Hände wie zu einem Gebet gefaltet. Der Blick des Schwarzhaarigen starrte die ganze Zeit auf Edward, nur kurz glitt er zu dem Beutel, der neben dem Bett aufgehängt war.

Meine Pupillen weiteten sich, als ich seine Gedanken las. >Ihm ist klar, dass das wenige Blut, das er gespendet hat, nicht ausreichen wird...< leise drang ein schluchzender Laut aus meiner Kehle.
 

>Hagane-boy dein Gesicht hat mehr Ähnlichkeit mit einem Toten als mit einem lebenden Menschen< Roys Körper erschauderte und Kälte machte sich in ihm breit. Das Gesicht seines verstorbenen Vaters schob sich schleichend in seine Gedanken. Er schloss schnell und fest die Augen, versuchte diese Erinnerungen für immer aus seinem Herzen zu verdrängen.

Ein Schatten fiel auf sein Gesicht und verwundert öffnete er die Pupillen. Vor ihm stand Doktor Brown, der ihm den Rücken zuwandte. Mustang hörte wie der Schlauch abgeklemmt wurde und aus dem Beutel gezogen wurde.
 

Ängstlich sah ich dem Arzt bei seiner Arbeit zu. Mein Herz klopfte wie wild. Mein Hals wurde staubtrocken und das Atmen fiel mir von Sekunde zu Sekunde immer schwerer. >Bitte...bitte nicht...< Einige Minuten vergingen, in denen Doktor Brown Ed untersuchte. Nervös knabberte ich an meiner Lippe herum. Wir sahen dem Mediziner schweigend zu, wie er meinem blonden Cousin das Hemd zuknöpfte und sich an uns wandte. Leicht keuchte ich auf. >Dieser Blick sagt alles...nein...es darf nicht sein...bitte lieber Gott...<

"Es...es tut mir leid...aber so hat er keine Chance...er ist viel zu schwach."

Ein lauter Schrei entfuhr mir und entsetzt sprang ich auf. "Bitte Doktor...ich...ich fühle mich schon wieder topfit...ich werde spenden...ich bitte Sie...ich flehe Sie an...lassen Sie mich spenden..." mein Umfeld verschwamm, ich spürte die Tränen an meinen Wangen. "Nein!" sehr bestimmt hörte sich die Stimme des Arztes an. Ich schluchzte auf. Auf einmal spürte ich Arme, die mich sanft an einen Körper drückten. Die Hände strichen beruhigend über meinen Rücken. Hemmungslos weinte ich. >Bitte nimm mir nicht meinen kleinen Cousin...mir ist egal was mit mir geschieht, aber nicht ihn...< Weinend drückte ich mich in den Stoff einer Jacke.
 

Draußen vor der Türe hielt ein stählerner Junge gespannt den Atem an, obwohl die Antwort schon auf der Hand lag. Leise drang die bedrückte Stimme des Arztes zu ihm hinaus. "Es...es tut mir leid...aber so hat er keine Chance...er ist viel zu schwach." Darauf folgend hörte die Rüstung einen entsetzten und verzweifelten Aufschrei, der aus einer weiblichen Kehle drang. >War das nicht nee-san?< bekümmert starrten seine Augen das Holz der Türe an. Weinend versuchte Lina den Arzt davon zu überzeugen, dass sie sich fit genug fühlte um zu spenden, doch dieser lehnte vehement ab. "Nein!" hörte der Junge ihn sagen. >Ach, nee-san...< leicht strich die stählerne Hand über die weißgekalkte Wand des Krankenhausflurs. >Du und nii-san seid euch so ähnlich, denkt immer zuerst an andere als an euch selbst. Aber...aber ich will euch nicht beide verlieren. Nii-san... niemals hätte ich gedacht, dass einmal solch ein Tag kommen würde, an dem ich Angst haben muss, dass du für immer gehst...an einen Ort, zu dem ich dir nicht folgen kann. Und ich...ich kann...nichts für dich tun. Nur herumsitzen kann ich und abwarten, was geschieht. Aber das will ich nicht! Ich kann es nicht mehr ertragen, dich dort so liegen zu sehen, so still und bleich.< leise drang ein Schluchzer aus dem Helm und sein Körper fing an zu beben. Langsam ließ er sich auf die Knie sinken und starrte auf das eingetrocknete Blut seines Bruders. Einer seiner Finger berührte wie zufällig das kostbare Elixier des Lebens. In Gedanken versunken hielt er ihn vor das Gesicht und betrachtete den roten Fleck.

>Nii-sans Blut...seine Kraft< Gedankenverloren strich seine Stahlhand über den Nacken, an dem im Innern das Blutsiegel seines Bruders ruhte, verborgen und gut geschützt gegen Feinde. Denn wer immer das Geheimnis herausfand, dem war es ein Leichtes den Stählernen zu töten. Ein Schauder ging durch das Herz von Alphonse, als er an die lange Zunge und die Hände dachte, die sich seinem Siegel, das ihn mit seinem älteren Bruder verband, gefährlich nahe gekommen waren. >Für mein Weiterleben hat nii-san etwas sehr Wertvolles geopfert...manchmal frage ich mich, ob ich in der gleichen Situation so etwas für ihn getan hätte?< Schamesröte stieg in Al auf. >Ich darf darüber nicht nachdenken...nii-san hat mit Sicherheit keine Sekunde gezögert, um mich zu retten! Und ich? Ich sitze hier und bin zu feige, ihm zu helfen, dabei könnte ich es...<

Wütend donnerte er die Faust in den gekachelten Boden, so dass es gefährlich knirschte. Den Boden zierte nun ein Spinnennetzmuster. >Ups!< Verlegen schaute er sich das Missgeschick zu seinen Füßen an. Aber schnell war das Malheur vergessen, denn laute und aufgeregte Stimmen in Eds Zimmer wurden hörbar.

"Wenn das Mädchen nicht spenden darf, dann lassen Sie mich doch!" hörte er den Colonel wütend rufen. "Ich sagte ihnen doch bereits, dass ihnen keine Unannehmlichkeiten entstehen, sollte irgendetwas mit mir geschehen!"
 

Mein Körper bebte und die Tränen hörten nicht auf zu versiegen. >Mein kleiner Cousin...warum du...warum nicht ich...dann wäre es mir leichter...< ein gequältes Geräusch kam aus meiner Brust. Die Hände, die mir beruhigend über den Rücken strichen, gaben mir Trost...aber ich spürte auch in ihnen keine Hoffnung auf Genesung des Jungen. Ich klammerte mich an die Jacke. >Ich kann nichts tun...nichts...gomen nasai Ed...gomen nasai oba-san...<
 

Der Colonel betrachtete das Mädchen in den Armen von Major Armstrong. Sie schluchzte und zitterte am ganzen Körper. Er bedauerte Lina und auch Alphonse von ganzem Herzen. Dann fühlte er, wie die Wut wieder in sein Blut stieg. Fast wäre er vom Bett gesprungen, blieb aber sitzen. "Wenn das Mädchen nicht spenden darf, dann lassen Sie mich doch!" fuhr er den alten Mediziner an. "Ich sagte ihnen doch bereits, dass ihnen keine Unannehmlichkeiten entstehen, sollte irgendetwas mit mir geschehen!" seine Onyxaugen funkelten grimmig auf.
 

Im Zimmer war es für einige Momente still. Nur das Schluchzen von seiner nee-san war im Raum zu hören. Ein zurückhaltendes Räuspern ließ ihn wieder aufhorchen.
 

"Das kann ich keinesfalls verantworten!" der Tonfall des Doktors war nun nicht mehr freundlich oder gütig, sondern hart und bestimmt. Er wies den Colonel auf die lebensgefährlichen Risiken seines Vorhabens hin.

"Ich bin Arzt und kein Henker, ich will Leben erhalten und nicht nehmen." wollte ihm Doc Brown klar machen. Doch Roy Mustang schnaubte wütend. "Wenn sie Leben erhalten wollen, dann lassen Sie mich dem Jungen helfen! So verurteilen Sie ihn zum Tode!" Leise seufzte der alte Mediziner auf. "Sie verstehen nicht, Colonel! Auch wenn sie jetzt erneut einen halben Liter Blut spenden, wird das bei weitem nicht genügen, um ihm das Leben zu retten, nötig wären mindestens zwei Liter gewesen und diese zwei Liter können selbst Sie dem Jungen nicht geben, denn dann wären Sie das nächste Problem, das wir hätten!" fuhr der Mediziner den jungen Colonel, der ihn mindestens um 3 Köpfe überragte, an.
 

Meine Seele schnürte sich bei diesen Worten zusammen. >2 Liter Blut...< "Nein...nein...oh bitte Gott...nein..." rief ich stockend aus. "Ed...nein..." mein Herz zersprang in tausend kleine Scherben.
 

Major Armstrong schaute auf den blonden Scheitel der jungen Frau hinunter. Sie zitterte wie Espenlaub. Der Hüne hatte sich noch nie so hilflos gefühlt, wie in diesem Augenblick. >Ich kann nichts tun...< seine blauen Augen wurden traurig.
 

Die beiden Männer blickten auf das Mädchen. "Ed...nein..." die Stimme war gebrochen...tödliche Trauer schwang in diesem rufenden Ton mit.

Der Zorn des Colonels war ebenso schnell verraucht, wie er ausgebrochen war. Seine Arme fielen hilflos nach unten. Auch der Doktor fühlte sich elend. Großes Leid spiegelte sich in seinen Augen, als er die junge Frau weinend in den Armen des Majors sah.

Mit einem bekümmerten Seufzer ließ sich Colonel Mustang neben seine Kollegin Riza Hawkeye auf das Bett fallen. >Es darf doch nicht so enden...bitte...< seine Hände legte er auf die Augen. Es schmerzte ihn sehr, dem Jungen nicht helfen zu können. Vorsichtig legte sich eine warme Hand auf seine Finger. Er blickte auf und sah in die rotbraunen Pupillen von Riza Hawkeye. Ihr Gesicht war bekümmert. Roy Mustang versuchte sich an einem Lächeln, aber es misslang ihm. Leise stöhnte er auf. Ein kurzer stechender Schmerz ließ ihn nach oben sehen. In der einen Hand hielt der Doktor die Nadel, mit der anderen drückte er einen Tupfer auf den Arm des Colonels.

"Es...es tut mir leid!" flüsternd erklang die Stimme des alten Mannes. Er fühlte sich wie um Jahre gealtert. "Ich schäme mich dafür, alle in dem Glauben gelassen zu haben, dass nur eine Bluttransfusion das Leben des Jungen hätte retten können, aber ich war so versessen darauf, ihm zu helfen, dass ich die Prinzipien meiner Lehre vergessen habe. Mach den Angehörigen oder Freunden deiner Patienten keine falschen Hoffnungen, sondern sage ihnen stets die Wahrheit, auch wenn diese oft schmerzhaft ist. Die Wahrheit ist...ich weiß nicht, wie ich ihm noch helfen kann." er legte eine Hand auf seine Stirn. Er war den Tränen sehr nahe, konnte sie kaum noch zurückhalten, so sehr schmerzte ihn das ganze Geschehen. Leise weinte das Mädchen weiter...sie war nicht zu beruhigen.
 

Draußen im Flur krampfte sich Al's Herz zusammen, als diese bittere Erkenntnis über das Schicksal seines Bruders seine Gedanken und Gefühle durcheinander wirbelte. Seine Schwester weinte bitterlich, er konnte sie hören. Es bereitete seinem Herzen so viel Schmerz. Voller Verzweiflung ballte er seine Hände zu Fäusten. > Ich will nicht, dass er für immer geht. nii-san ..., wenn es nicht anders geht, dann...werde ich es tun...ich werde dir helfen...koste es, was es wolle!<
 

Oh, ein guter Cliffhanger *lach*

Was hat Alphonse nun vor? Wird Edward sterben?

Das alles erfahrt ihr im nächsten spannenden und nervenzerfetztenden Chapter, also bleibt dran

Liebe Grüße

eure Mariko und Lina

Das Opfer für Ed

Hiermit möchte ich mich ganz herzlich für alle Kommis von euch bedanken *im Hintergrund ein fast wütendes Grummeln hört* Hähähä...ich meinte natürlich WIR möchten uns ganz herzlich für alle eure Kommis bedanken *sich verneigt* *und ihre nee-san entschuldigend angrinst* Viel Spaß beim Lesen
 

Das Opfer für Ed
 

>Nun ist es an mir zu zeigen, was mir mein nii-san bedeutet: nämlich ALLES!< Seine Stahlhand legte sich auf die Türklinke und drückte sie sacht hinunter. >Ich hoffe nur, du findest es nie heraus, nii-san. Du würdest es mir niemals verzeihen, was ich nun vorhabe, aber es geht nicht anders.< Mit einem schnellen Ruck riss er die Türe auf und blickte in 4 verdutzte Augenpaare. Ein wenig verunsichert schaute Alphonse die Menschen an, sein Gesicht rötete sich ein wenig. Seine nee-san schluchzte immer noch herzzerreißend und klammerte sich an die Uniform des Majors. Alexander Armstrong versuchte sie zu beruhigen, aber vergeblich. Seine blauen Pupillen blickten den Jungen in der Rüstung traurig an.
 

>Ed…Alphonse…gomen nasai…< weinte ich in den Stoff. Ich spürte die Hände, die mich beruhigen wollten, es aber nicht schafften. Mein Körper war stocksteif. >So darf es einfach nicht enden…< meine Finger krallten sich immer tiefer in die Kleidung meines Trösters. Die Tränen brannten in meinen trockenen Augen, aber unaufhörlich strömte das Nass weiter aus ihnen.
 

Colonel Mustang und First Lieutnant Hawkeye saßen auf dem Bett, das genau neben dem von Ed stand, ihre Haltung drückte tiefe Bekümmernis, Erschöpfung und Niedergeschlagenheit aus. >Die beiden Jungen tun mir so leid, es schmerzt mich sehr…< seufzte Riza auf und wischte sich flink eine kleine Träne von der Wange und schluckte krampfhaft.

Der Doktor zog gerade die Nadel aus Edwards Arm und drehte sich danach um. Sein Blick fiel auf Alphonse, die Sorgenfalten auf seinem Gesicht, die schon tief genug waren, gruben sich noch tiefer in die Haut und seine Augen waren vor Trauer getrübt. „Ach, Alphonse ... ich ... es tut mir leid, dass ich dich in falschem Glauben gelassen habe, aber ... Alphonse?“ Der alte Mediziner zog eine graue Augenbraue nach oben, als der Stahlgigant wie ein Zug durchs Zimmer pflügte und sich neben dem Bett seines Bruders niederließ.

„Was…“, Doktor Brown wollte schon zur einer Frage ansetzen, aber Alphonse hob nur abwehrend eine Hand und legte dann einen Finger an seinen Mund. Vorsichtig, um seinen Bruder nicht zu verletzen, öffnete er das Hemd des Blonden.

Er schob das Kleidungsstück zur Seite. Eds Oberkörper lag nun frei. Der stählerne Junge berührte mit seinem Finger sanft die Haut seines Bruders und malte flink über dem unregelmäßig schlagenden Herzen Linien und Kreise darauf.

Niemand konnte so recht erkennen, was der Junge dort mit seinem Bruder vorhatte. Doch plötzlich erhaschte der alte Mann einen Blick auf das Geschehen zwischen den beiden Jungen. „Ist…ist das etwa ein Transmutationskreis?“ fragte der Mediziner nichts Böses ahnend. Der stählerne Junge schreckte hoch und sah sofort zu den Anwesenden im Raum, die sich entsetzt anstarrten.
 

„Ist…ist das etwa ein Transmutationskreis?“ hörte ich die fragende Stimme des Doktors. >Was…was hat er da gerade gesagt…< ich realisierte das Geschehen noch nicht so ganz. Die soeben ausgesprochenen Wörter drangen nur sehr langsam in meine Sinne. Mein Kopf drehte sich wie in Zeitlupe zu meinem Cousin hinüber. Dieser schreckte hoch und blickte sich panisch um.
 

Alphonse schaute kurz zu seiner nee-san, die ihn mit ihren silbergrauen Augen seltsam anblickte. Sie schien noch nicht richtig begriffen zu haben, was der Junge tun wollte. >Wenn sie es wüsste, würde sie mich bestimmt davon abhalten.< Seine Pupillen erfassten eine Bewegung, die vom Colonel ausging. Dieser näherte sich dem Jungen. Die Haltung des stählernen Giganten wurde entschlossen. >Ich habe nichts zu verlieren…nur dich, nii-san…ich werde dich zurückholen, das verspreche ich dir!< Er schloss die Augen und dachte konzentriert an das, was in seinem Leben das Wichtigste für ihn war. Mit einem Mal durchströmte ihn eine wundervolle Wärme, die erfüllt von Licht und Leben war, tanzend und schillernd in seinem Geist. Sekunden später wandelte sich das funkelnde, in tausend Farben glitzernde Licht in schwärzeste Dunkelheit, die keine Wärme beinhaltete…nur Kälte…grausame Kälte, die seine Sinne umnebelten.
 

Der junge Colonel sprang entsetzt auf, als er realisierte was der Junge in der Rüstung plante. Ein grelles Licht glühte auf, das ihm fast die Sinne zu betäuben drohte und seine Haare beängstigend ansengte. Er prallte zurück. Leicht hielt er sich die Hand vor Augen, um aus zusammengekniffenen Lidern erkennen zu können, dass die beiden Brüder in einem Licht, das heller als die Sonne strahlte, aufleuchteten. Neben sich hörte er die verzweifelten Schreie des Mädchens, die nun auch verstanden hatte, was Alphonse da tat. Sie zappelte im Griff des Majors und versuchte verzweifelt von ihm wegzukommen.
 

Meine Pupillen weiteten sich vor Entsetzen und Grauen. >Nein…ALPHONSE< schrie ich in Gedanken. >HÖR AUF!< Ich wollte zu ihm rennen, aber irgendetwas hielt mich am Arm fest. Mein Blick ging kurz zu der Person, dem diese Hand gehörte. „Major Armstrong, lassen Sie mich los!“ fuhr ich ihn grob an. Dieser schüttelte nur mit dem Kopf. Seine Finger umschlossen fest und unerbittlich mein Handgelenk. Ich zappelte und tobte im Griff des großen Mannes. Aber vergeblich. >Was Al da vor hat wird sein ganzes Leben und auch das von Ed für immer verändern…warum nur…warum?...< weinend presste ich wieder mein Gesicht in die warme Jacke des Majors. Meine Finger verkrallten sich im Stoff. >Warum müssen nur die beiden Jungen solch ein Schicksal erleiden…< warme Hände strichen mir liebevoll über den Rücken.
 

Seine Augen blickten traurig auf das Mädchen, das sich an ihn klammerte. Leise schluchzte sie und ihre Schultern bebten, dann sah er zu dem blonden Jungen hinüber. Major Armstrongs Gesichtszüge verrieten keine Gefühlsregung und doch tobte ein Kampf in seinem Herzen. Trauer, Niedergeschlagenheit vermischt mit Hilflosigkeit. Sein Blick glitt zu Colonel Mustang, der ebenso fassungslos und mit entsetzten Pupillen auf das Schauspiel vor ihm starrte. Er war unfähig einzugreifen. Seine Haltung hatte etwas Hilfloses und Bedrückendes an sich.

Ebenso wirkte der First Lieutnant. Die blonde Frau saß reglos auf dem anderen Bett, eine einzelne funkelnde Träne lief langsam ihre blasse Wange hinunter, die jedoch völlig unbemerkt blieb. Das Schicksal der Jungen rührte sie bis in die tiefsten Tiefen ihrer Seele. >Die Beiden würden ihr Leben für den anderen geben, doch sie werden auch die Konsequenzen ihres Tuns tragen müssen. In der Alchemie bekommt man nichts geschenkt, alles hat seinen Preis. Für das, was Alphonse-kun da macht, wird er etwas opfern müssen.< Keiner der Anwesenden wusste, was es sein würde.
 

Doktor Brown blickte ebenso fassungslos, doch fasziniert auf den hellen Lichtschein vor ihm. Noch nie hatte sich die Kunst der Alchemie in solch großem Ausmaß vor seinen Augen gezeigt. Bei dem Mädchen war das Licht angenehm gewesen, aber bei Alphonse war es in den letzten Sekunden fast unerträglich heiß und grell geworden. Mit wachsender Besorgnis und Schrecken wurde dem Arzt bewusst, dass der stählerne Junge für seine tiefe Bruderliebe etwas hergeben musste. >Aber was wird das sein? Einen Körper besitzt er nicht mehr…es bleibt nicht mehr viel übrig. Sein Herz? Seine Seele? Bitte Gott, keine dieser beiden wertvollen Dinge< Der Mediziner hoffte dies inständig, denn er hatte Al schon in sein Herz geschlossen.
 

Von einem Augenblick zum anderen waren Alphonse und Edward ein Körper und eine Seele. Zu einer Einheit verschmolzen, die die Gefühle und Erinnerungen des anderen teilten. Der Junge in der stählernen Rüstung fühlte sich frei und ungebunden wie ein Vogel. Erinnerungen aus längst vergessenen Tagen schwebten als kleine flauschige Wolken an ihm vorüber…schöne und auch weniger schöne Erlebnisse aus Kindertagen. Dann plötzlich wurden die weißen Schäfchenwolken düster und grau und verschmolzen ineinander zu einer dicken schwarzen Masse. Diese schmiegte sich wie ein böser Schatten an Alphonse. Der stählerne Junge sah auf einmal Dinge, an die er sich nicht erinnerte…Dinge, die nur seinem blonden Bruder vorbehalten waren.

Er wurde an den Tag zurückversetzt, an dem er und sein Nii-san den schlimmsten Alptraum ihres jungen Lebens durchlebt hatten. Alphonse fühlte, dass er nun nicht mehr in seinem eigenen Körper steckte, sondern in dem seines Bruders. Voller Entsetzen und Panik blickte er durch Edwards Augen und sah was sich damals zugetragen hatte, nachdem er von dem grauenvollen unsagbaren Nichts gepackt und verschlungen worden war. >Das Letzte woran ich mich erinnern kann, sind nii-sans goldene Augen, die mich panisch und verängstigt angeschaut haben< kalte Schauer krochen in sein Herz und erfüllten es mit purer Angst.

Dieses Mal ging aber die Geschichte für Alphonse weiter. Geschockt wurde er Zeuge der Geschehnisse, die sich nach seinem Verschwinden zutrugen. Durch die Augen seines Bruders sah er alles so deutlich vor sich…

Sein Blick…oder war es Eds Blick…senkte sich nach unten. Alles war rot gefärbt…überall…Al starrte auf den blutigen Beinstumpf. Ein lauter Schrei ließ das Haus erzittern. >Ich halte das nicht aus…NEIN< Alphonse wurde fast wahnsinnig vor Schmerzen und Angst, grausam umklammerte sie sein Herz und presste es immer mehr zusammen. Dann hörte der stählerne Junge ein metallisches Scheppern, als würde Stahl zu Boden fallen. Vor ihm lag eine Ritterrüstung, die er nur allzu gut kannte. Seine Augen weiteten sich panisch. Sein älterer Bruder robbte hastig und keuchend auf die Rüstung zu. Er berührte seinen blutigen Stumpf um seine Finger mit Blut zu benetzen und malte ein Siegel in die Innenseite des Metallriesen hinein. Anschließend zeichnete der Blonde flink je einen Transmutationskreis auf seine beiden Arme und auf sein Herz.

Al wollte gequält aufschreien, aber kein Laut kam aus seinen metallischen Lippen und sein Hals fühlte sich wie ausgedörrt an. >Bitte tu das nicht, nii-san! Ich will nicht, dass du wegen mir leiden musst!< schluchzte er gepeinigt auf. Der stählerne Junge spürte, wie seinem Bruder die Tränen über die weißen Wangen perlten, weinend bat dieser: „Bitte, gib mir meinen kleinen Bruder zurück, ich…ich habe nur ihn…bitte, nimm meine Arme oder mein Herz, das ist mir egal, aber bitte…bitte gib ihn mir zurück!“ >Nein< rief Alphonse. Ein blendendheller Lichtschein nahm ihm für Sekunden die Sicht und dann…sein Herz setzte für einen Moment die Tätigkeit aus… er sah sich selbst als eine durchsichtige und verschwommene Erscheinung vor einem unheimlichen großen Tor, dass nur Kälte und Schrecken in sich barg. In dessen Mitte war ein großes emotionsloses Auge, das ihn zu verschlingen drohte. Er hörte Edward schreien und sah, wie eine Hand seines nii-sans nach der Gestalt griff und sie zurück ins Leben zerren wollte. Doch plötzlich wanden sich kleine schwarze Ärmchen und bösartige schwarze Kreaturen um den rechten Arm des Blonden und knabberten am jungen Fleisch des Kindes. Alphonse fühlte den Schmerz, den sein Bruder erlitt, ein rabenschwarzer grausamer Schatten legte sich über sein Herz und begann sich erbarmungslos in seinem Innern auszuweiten. Das Letzte, was der Stählerne noch wahrnahm, war die verschwommene Lichtgestalt, die sich verzweifelt und mit voller Inbrunst an dem linken Arm des blonden Jungen festklammerte. Dann wurde alles um ihn in schwärzeste Dunkelheit getaucht.
 

>Was ist das?< Er fühlte auf seiner Haut eine wohlige Wärme, die weiche wohltuende Schauer auf ihr hinterließen. Etwas gab ihm Kraft, die Kraft weiter zu leben. Noch vor wenigen Augenblicken war sein getrübter Geist mehr und mehr in die andere Welt hinüber geglitten, als seine Sinne eine Helligkeit wahrnahm…wie ein Licht, das ihm den Weg zurück in das Leben wies und ihm vertraut erschien. >Alphonse?< flüsterte er fragend. Aber die Antwort kannte er bereits. Edward spürte wie in jede noch so kleine Zelle seine Energie zurückfloss. Bilder schwebten in seinem Geiste wie Seifenblasen um ihn herum. Er sah auf ihrer Oberfläche Erlebnisse aus Kindertagen, schillernd und bunt leuchteten sie auf. Doch es stimmte etwas nicht. >Das sind doch nicht meine Erinnerungen…sind…sind das deine Al?< Einige der Blasen platzten und aus ihnen kam ein grau schimmernder Rauch hervor, der sich um den Jungen schlang und ihn grausam würgte. Grauenvolle verzerrte Bilder schossen erbarmungslos in sein Gehirn, die sich dort für alle Zeiten speicherten und verankerten. Keuchend und verzweifelt versuchte er sich davon zu lösen, doch er war diesem Wahnsinn vollkommen hilflos ausgeliefert. Geschockt nahm er die Erinnerungsfetzen seines jüngeren Bruders wahr. >Was ist das? Das bin ja ich, leblos und blass. Nee-san…sie weint…wegen mir? Der Colonel, First Lieutnant Hawkeye…Major Armstrong und Doktor Brown. Aber warum schauen alle so besorgt auf meinen Körper? Was ist hier los? Was ist mit mir geschehen?<

Eine bedrückende Angst kroch seine Kehle hinauf und drückte seinen Hals zusätzlich zusammen. Er bekam kaum noch Luft und japste panisch auf.

Die Kraft, welche noch eben wie ein wärmender Strom durch seine Adern pulsiert war, drohte zu versiegen. Jemand zerrte an der Kraft in seinem Innern…Jemand, den er kannte. >AL!< rief er in die bedrückende Stille hinein. > Hör auf! Ich ... ich halte das nicht länger durch! AL…< Die wohltuende Wärme war erloschen, dafür brannte sie nun als Inferno in seinem Körper und fraß sich durch seine Venen. Sein Herz drohte in tausend kleine Splitter zu zerspringen. Er fühlte eine große schwere Hand darauf, durch die allerdings kein einziges Leben mehr floss. >Was tust du?< keuchte der Blonde auf. Noch einmal versuchte Edward sich gegen diese Kraft aufzustemmen, jedoch ohne Erfolg. Das, was er dagegen aufzubringen versuchte, bekam er mit doppelter Stärke zurück. >A…l…< schon schwanden ihm die Sinne, die Umgebung verlor seine Schärfe und Klarheit.

>Bitte…< Bevor sich die alles verzehrende Dunkelheit endgültig wie ein Leichentuch über ihn legte, sah er etwas, das ihn panisch aufschreien ließ…eine Hand…eine metallene Hand…am Zeigefinger klebte Blut…und dann… >NEIN, AL!<
 

Ist dass das Ende unserer Geschichte? (Mariko: Möcht ich aber bezweifeln! Lina: Psssschhht, du musst ja nicht alles verraten...! Mariko: Ups...hehehe)

Wir wünschen euch einen schönen ersten Mai und eine tolle kommende Woche, bis dahin *knutschi*

Liebe Grüße

Mariko und Lina

Ich will euch nicht verlieren!

Ich will euch nicht verlieren!!
 

Langsam lösten sich meine Finger von der Jacke des Majors und ich schaute dankbar in die blauen Augen des Hünen. „Arigato…“ wisperte ich leise mit tränenerstickter Stimme. Ein liebevolles, aber trauriges Lächeln kräuselte sich auf den Lippen des Mannes und er wuschelte mir tröstend durch die Haare. >Vor einigen Tagen hätte ich ihn noch dafür aufs Übelste angeschrieen oder gleich in Eis verwandelt, aber nun kenne ich ihn besser und vertraue ihm.< Müde schmunzelte ich zurück.

Doch der zutiefst erschrockene Ausdruck in Major Armstrongs Gesicht ließ mich erstarren, ebenso das ängstliche Aufkeuchen der Anderen. „Was…“ fragend blickte ich den Hünen vor mir an. Plötzlich fühlte ich einen eisigkalten Stich in meinem Herzen. >Was war das?< Instinktiv wusste ich, dass etwas nicht stimmte. >AL…ED!< ich fuhr blitzschnell herum und schrie entsetzt auf. Mein Hals schnürte sich zu. Das hellblaue Licht, welches noch vor wenigen Augenblicken die beiden Jungen umgeben hatte, war einem grellroten gewichen. Die roten Blitze zischten leise. Mein Körper zitterte leicht, eine mulmige Kälte schlich sich in mein Herz. >Das hier ist fast genauso wie bei den Homunculi…<

Die bösartigen Blitze zuckten aus Al’s Händen und entluden sich in Ed, dessen Leib zuckte immer wieder unter ihnen auf. Mein stählerner Verwandter rührte sich nicht mehr, reglos hing sein Körper über dem seines Bruders. Nur seine Hände…sie hatten ein Eigenleben entwickelt und drückten immer fester auf die Brust von Edward.

>Oh nein! Ich habe es geahnt! Die Kraft, die meinem kleinen Cousin gerade noch geholfen hat, saugt ihn vollständig aus! Das darf nicht passieren, ich muss ihm helfen!< „Al-chan…nein!“ schrie ich entsetzt auf und rannte zu ihm. Meine Hand berührte ihn, aber sein Körper stieß mich ab und ich fiel mit einem verzweifelten Keuchen zu Boden. Kurz kniff ich meine Lider zu, da mir ein schrecklicher Schmerz durch das Rückgrat fuhr. Als ich nach oben sah, schaute mich die besorgte blaue Iris des Majors an. Mit einem sanften Ruck half er mir auf die Beine. „Wir müssen etwas tun! Sonst bringen die beiden sich noch gegenseitig um!“ rief ich verängstigt aus. Blutige Schleier verwischten meine Sicht, verschwommen erkannte ich Colonel Mustang. Er versuchte ebenfalls zu meinem Bruder hindurch zu kommen, aber das Ergebnis war niederschmetternd.

Mit einem lauten Aufschrei wurde er zurückgeschleudert und landete krachend auf dem Bett. Seine Kollegin Lieutnant Hawkeye wurde von ihm mitgerissen und beide fielen mit voller Wucht rücklings an die Wand.

Ich hörte die Stimme des Majors, der aufseufzend und bekümmert murmelte: „Es ist hoffnungslos, die Macht, die sich hier zusammenballt, ist für jeden von uns lebensgefährlich. Keiner von uns kann sie aufhalten, nur sie sich selbst.“ Geschockt drehte ich mein Gesicht zu dem Hünen. Verzweifelt versuchte ich die Tränen zu unterdrücken. >Wie soll das funktionieren? Al reagiert nicht mehr und Ed…wenn ich nichts mache, werden die beiden sterben…aber das werde ich nicht zulassen!< Entschlossen klärte sich mein Blick. >Ich werde ihnen helfen und es wird schon irgendwie klappen.< Ich machte mir über meine Entscheidung keinerlei Gedanken.

Langsam näherte ich mich meinen beiden Cousins. Schritt für Schritt kam ich dem bösartigen Licht entgegen. Ein wenig Angst stieg in mir hoch, aber diese war schnell unterdrückt.

Als der Major realisierte was ich tat, war es schon zu spät für ihn irgendetwas dagegen zu unternehmen. Schon hüllten mich die grellroten Blitze ein und leckten begierig über meine Haut, so dass ich unwillkürlich zusammenzuckte. Ich fühlte, wie sie mir die Energie aus meinem Körper rissen und sich immer mehr von ihr einverleibten. Ein klein wenig unsicher blickte ich zurück und in die blauen Augen von Armstrong. Er streckte eine Hand nach mir aus, so als ob er mich zurückziehen wollte. Ein liebevolles Lächeln glitt über meine Züge und leicht schüttelte ich den Kopf. Dann wandte ich mich wieder meiner Aufgabe zu. >Keine Angst…ich werde euch helfen!<
 

Als das Mädchen die Wand aus Funken berührt hatte und hindurch gegangen war, fing das Chaos erst so richtig an. Die Blitze zuckten stärker und ein dunkler unheimlicher Wind frischte auf. Der mächtiger wurde, je mehr Kraft er einzog. Die Möbel um die Personen herum wackelten wie bei einem Erdbeben. Kleinere Gegenstände wurden von einer starken Böe erfasst und wirbelten im Zimmer umher und Major Armstrong musste ihnen ausweichen, wollte er nicht getroffen werden. Colonel Mustang und First Lieutnant Hawkeye hatten sich hinter dem Bett, das nach der Bruchlandung von Mustang umgekippt war, verschanzt. Alexander Armstrong griff nach der Hand des alten Mannes und zog ihn hinter sich. Die Vorhänge im Raum wirbelten wild durcheinander, die Fensterscheiben klirrten gefährlich auf und zersprangen mit lautem Knirschen, blieben aber an Ort und Stelle.
 

Je näher ich dem Bett vor mir kam, umso heftiger schlugen die Blitze zu. Jeder Schlag brannte auf meiner Haut wie Feuer. Wie Peitschenhiebe fühlte es sich an und ich spürte wie sie mich an Händen, Armen und Gesicht verletzten. Meine Kleidung bekam an einigen Stellen Risse, aber ich beachtete es nicht. Ein bösartiges kleines Lachen war in der erhitzten Luft zu hören. Es knisterte und fauchte um mich herum. Von weit weg flüsterte eine Stimme, die ich kaum verstand: „Mädchen…komm…raus, das…zu gefährlich!“ >Nein, ich werde nicht ohne die Beiden hier weggehen…koste es, was es wolle!< Mein Blick wurde fest, ich würde mich nicht von meinem Ziel ablenken lassen. Von Niemandem!
 

Geschockt blickte der junge Colonel auf die Blonde, die sich dem Bett immer mehr näherte. Die Blitze schlugen tiefe Wunden in ihre Haut. „Mädchen, komm da raus, das ist viel zu gefährlich!“ schrie er laut und besorgt. Doch diese reagierte nicht. Fassungslos starrten vier Augenpaare auf das Szenario vor ihnen. >Verdammt!< wütend ballte Roy Mustang die Hände. >Das Schicksal der beiden Jungen liegt nun in deinen Händen, Mädchen…< schnell duckte er sich vor einigen heranfliegenden Gegenständen.
 

Das Leben meiner beiden Cousins hing an einem seidenen Faden, ich fühlte wie ihre Kraft dahinschwand…ihr Leben raste an mir vorbei, wie ein Zug der aus dem heimatlichen Bahnhof hinausfuhr und nie wieder zurückkehrte.

„Edo! Al!“ schrie ich verzweifelt ihre Namen, aber zu meinem Entsetzen reagierten sie nicht. Ich spürte wie die Tränen in meinem Innern unaufhaltsam nach oben stiegen, als ich hilflos zusah, wie Ed gequält aufschrie und sich immer wieder gegen den Druck von Al’s Händen aufbäumte. >Warum nur? Warum gerade diese beiden…< Mühsam schob ich mich weiter, aber brach in die Knie. „Mädchen!“ war ein verängstigter Ton zu hören, der aber von einem leisen Kichern, das grausam und abartig klang, übertönt wurde. Diese zischelte an meinem Ohr. ‚Lass es doch sein, du wirst ihnen doch nicht helfen können’. >Nein! Ich werde sie nie im Stich lassen…< Stöhnend raffte ich meine Kräfte zusammen und drückte mich vom Boden ab. Wackelig stand ich wieder auf den Beinen und schleppte mich weiter.
 

Die Menschen außerhalb der Blitze sahen hilflos zu, wie die junge Frau im Innern taumelte und zusammenknickte. Major Armstrong wollte ihr zu Hilfe eilen, doch er kam nicht gegen die Mauer aus Funken an. „Mädchen!“ schrie er verängstigt aus. Zur Verwunderung der Beteiligten raffte sich Lina auf und torkelte weiter in Richtung von Eds Bett. Doktor Brown faltete die Hände. >Bitte Gott, lass alles gut ausgehen…<
 

Jeder einzelne Schritt wurde zur Qual. Ich keuchte unter der körperlichen Belastung auf, jede noch so kleine Faser meines Körpers schrie nach Ruhe, aber meine Seele und mein Herz gaben nicht auf. >Es liegt mir viel an den beiden Jungen, sie sind meine ganze Familie und ich werde sie retten!< Endlich hatte ich das Bett erreicht und völlig erschöpft sank ich vor diesem nieder. Müde hob ich den Kopf, mein Gehirn war leer, ausgesaugt und auf meine Augen legte sich ein blutiger Schleier. >Die Blitze haben wirklich ganze Arbeit geleistet…ich…ich darf aber nicht aufgeben…< mein Blick klärte sich und ich starrte entgeistert auf die Menschen, die mir so wichtig waren. Ein qualvoller Laut entrang sich meiner Brust, als ich sah, was geschehen war. Durch die enormen Kräfte, die die beiden unbewusst entfacht hatten, waren sie nun im Begriff, sich gegenseitig zu zerstören. Die Rüstung meines stählernen Cousins war an einigen Stellen schon aufgerissen und begann beängstigend zu bröckeln, feiner Metallstaub lag überall am Boden. „AL!“ Das Mal, das Alphonse seinem Bruder auf seine Brust gemalt hatte, brannte sich in die Haut des Blonden. Blutstropfen fielen auf den Boden und färbten ihn rot. „ED!“ voller Entsetzen blickte ich in die goldenen Augen meines kleinen Cousins, die in Todesangst und Furcht an die Decke starrten. Ich war der Verzweiflung nahe. >Lieber Gott hilf mir!< flehte ich stumm. >Wenn ich eingreife, kann ich ihr Leben genauso gefährden, also darf ich nichts Unüberlegtes tun…es gibt nur eine Möglichkeit, auch wenn ich allen Anwesenden Rede und Antwort stehen muss…aber etwas anderes kann meine Cousins nicht retten!< Mit einem gequälten Keuchen raffte ich meine noch letzten verbliebenen Kräfte zusammen und kämpfte gegen die Flut von Blitzen an. ‚Ergib dich endlich deinem Schicksal und der beiden Jungen…du kannst ihnen doch nicht helfen’ wisperte eine kalte Stimme, die meinen Geist betäuben wollte. Leise knurrte ich wütend auf. >Das würde dir so passen, ich gebe nicht auf…NIEMALS!<

Ich legte meine Hände erst sachte und dann immer stärker auf die von Al. Ich konzentrierte mich fest auf meine Aufgabe. Ein starkes silbernes Licht kam aus meinem Inneren und umgab mich wie eine schützende Panzerung. Ein Aufschrei kam aus dem Gewirr, es schien so als wäre das Wesen wütend auf mich. >Es will unbedingt verhindern, dass ich den beiden Brüdern helfe.<

Kurz sah ich in das Chaos hinein…die grellroten Blitze hatten sich zu einem Gewaltigen zusammengefügt und wollten das silbrige feine Licht auslöschen.
 

Die grellrote Helligkeit veränderte sich auf einmal. In ihrem Innern funkelte ein silberner Schein hervor, der allmählich an Größe gewann und die bösartige Aura immer mehr verschlang. Die Gegenstände, die gerade noch im Zimmer herumgeschwirrt waren, fielen mit einem leisen dumpfen Schlag auf den Boden. Auch das Beben ließ nach. Aufseufzend starrten die 4 Personen im Raum zu dem Bett von Edward.
 

Der Blitz kam mir bedrohlich nahe, schon wollte er sich in meine Brust bohren, aber ich gab nicht auf. Das warme Licht wurde stärker. „Ed…Al…hört auf euch zu bekämpfen, ich bitte euch…“ flüsterte ich leise unter Tränen. Der Blitz heulte bedrohlich und hasserfüllt auf. Er versuchte durch meine Panzerung zu kommen, doch er schaffte es nicht und prallte davon ab, denn das sanfte Licht schützte mich. Lächelnd sah ich zu meinem blonden Cousin hinunter, dessen Gesicht entspannte sich langsam und seine Augen fielen mit einem erleichterten Seufzer zu.

Mit einem letzten sterbenden Aufschrei schmolz der Blitz wie Eis in der Sonne und verschwand. Der Schein in meinem Innern legte sich.

Al begann sich nun zu regen. Verblüfft blickte er auf mich. „Nee-san?“ kam es verwundert aus seiner Kehle. Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Meine Hand fuhr nach oben. Ein metallenes Klatschen war zu hören.

Die Menschen, die gerade noch hilflos auf das Treiben gesehen hatten, zuckten unter dem Geräusch zusammen.

Mein stählerner Verwandter hielt sich fassungslos seine eiserne Wange, sah erst mich an und starrte dann schuldbewusst auf den Boden. Mein Körper zitterte vor Wut und Erschöpfung, laut puckerte das Blut in meiner schmerzenden Hand, aber das war mir in diesem Moment völlig egal. >Wie hat er nur so unüberlegt handeln können? …Was…was hat er sich dabei gedacht?< Meine silberne Iris funkelte wütend auf. Zornig fuhr ich meinen Cousin an: „Tu so etwas nie wieder, hörst du? Du...du hättest dabei sterben können!“ Alphonse fuhr bei meiner Stimme heftig zusammen. Ich blickte seitlich zu Ed und fuhr fort: „Was, wenn du ihm nicht hättest helfen können? Wenn ich nicht hier gewesen wäre? Dann hätte ich euch beide verloren, Al! Verdammt!“ Meine Lippen fingen an zu zittern, leise kam ein schluchzender Ton aus meiner Brust. Ich spürte, wie die Tränen aus meinen Augen schossen und um Fassung ringend schlug ich mit meiner unverletzten Hand auf die Matratze des Bettes ein. „Ich will euch doch nicht verlieren, verstehst du? Ich…ich habe schon zu viele Menschen in meinem Leben verloren, die mir etwas bedeuteten und nun...wärt auch ihr Zwei fast von mir gegangen...ich will nicht mehr allein sein ...“, die letzten Worte gingen in einem lauten Weinen unter, das aus meiner Kehle drang. Ich kniete mich an das Bett von Ed und krallte mich in dessen Decke hinein. Lautlos perlten die Tränen von meinen Wangen und tropften wie kleine Kristalle hinunter auf das Lager. Traurig und fest kniff ich meine Augen zu. >Ich bin so müde, meine Kraft ist vollkommen aufgebraucht…mein Körper ist so bleiern und taub…< Ich fühlte mich einfach fix und fertig.

Auf einmal legte sich etwas Kaltes, Hartes auf meine Hand. Tot und doch voller Leben. „Gomen nasai, nee-san…“, flüsterte eine mir wohlbekannte Stimme. Überrascht blickte ich nach oben und direkt in Al’s liebevolle Augen.

Jetzt erst wurde mir bewusst, was ich soeben getan hatte. >Ich hab ihn geschlagen, das…so etwas hab ich noch nie getan…Al…< Schweigend betrachtete ich meine blau angelaufene Hand, in der das Blut immer lauter rauschte. Betreten stierte ich auf den Boden und schluckte kurz, bevor ich zu einer Antwort ansetzte.

„Nein, Al. Mir tut es leid. Ich...ich wollte dich nicht...“, meine Stimme geriet sehr ins Stocken und ich musste die nächste Tränenflut unterdrücken. „Ei-...eigentlich müsste ich stolz auf dich sein...was ich auch bin, aber...versprich mir, so etwas nie...nie wieder zu tun. Ich hatte solche Angst um dich und Ed...weil ich euch so lieb hab...“, schluchzend hielt ich mir meine unverletzte Hand vor den Mund und sah flehendlich zu meinem stählernen Cousin auf.
 

Er blickte ihr in die silbergrauen Augen, die von Schmerz und Pein verschleiert waren. Es versetzte ihm einen Stich ins Herz. Langsam kniete er sich zu seiner Schwester hinunter.
 

„Ach, nee-san…“ eine Stahlhand legte sich auf meine Wange und wischte zärtlich und vorsichtig die Tränen von ihr. Um dann weiter nach oben zu wandern und mir durch die blonden verzausten Haare zu wuscheln. Ein wenig erinnerte mich diese Geste an meine Mutter, sie hatte mich auch immer so getröstet, wenn ich wieder einmal geweint hatte.

„Ich wollte dich nicht erschrecken, aber nii-san ist das Wichtigste im Leben, das ich habe. Deswegen...deswegen würde ich alles tun, um ihm zu helfen...auch wenn ich mein Leben dafür geben müsste.“ >Ich weiß, dass er es ernst meint, aber soweit werde ich es nicht kommen lassen…solange ich noch am Leben bin, werde ich es zu verhindern wissen, dass die Beiden sterben<

In Gedanken versunken starrte ich auf meine geschwollene Hand, die unglaublich schmerzte. „Gomen…“, flüsterte ich leise. „Ich hab dich geschlagen…“ meine graue Iris blickte ihn traurig an. Aber Al schüttelte hektisch den Kopf. „Nein, nein, nee-san. Ich glaube, dir hat es mehr wehgetan als mir. Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich...ich kann gut verstehen, warum du es getan hast.“ Mein tränenfeuchtes Gesicht verzog sich zu einem leicht verschmitzten Lächeln. Ich beugte mich über Edwards Bett und strich liebevoll mit den Fingern über die eiserne Wange von Alphonse. Verwundert blickte er mich an, sein Gesicht wurde langsam rot. Mein Lächeln wurde zu einem frechen jugendlichen Grinsen. Leicht stupste ich die Nase meines Stahlcousin an. „Ich werde solange bei dir bleiben, bis Ed aufwacht, okay?“ meine Beine waren weich wie Butter und ich setzte mich schnell wieder hin. Mein Leib schrie nach einer Ruhepause, die ich ihm aber noch nicht geben wollte, nicht bevor Edo wieder bei Bewusstsein war. Aber wie lange ich noch durchhalten würde, wusste ich beim besten Willen nicht.

„Arigato, o-nee-sama…“, kam es von dem stählernen Jungen schüchtern. Sanft umschloss Al mit seiner linken Stahlhand die rechte seines Bruders und hielt mir seine rechte Hand hin. Meine Augenbrauen hoben sich fragend und zart legte ich meine schmalen Finger auf die kühle von Alphonse. Mit einem leichten Nicken in Richtung des Blonden gab er mir zu verstehen, dass ich Eds andere Hand in meine nehmen sollte. Einen kleinen Moment saßen wir so da, still und ruhig. Ich nahm die Kraft der beiden Brüder in mir auf, die in mein Inneres hinein floss, gab sie aber gleichzeitig auch ihnen wieder zurück. Leise summte ich ein Lied vor mich hin.
 

Gerührt hatte Lieutnant Riza Hawkeye alles verfolgt, ein liebreizendes Lächeln schmiegte sich an ihre Lippen und ließ sie rein und wunderschön erscheinen. Das blieb einem nicht verborgen. Verdattert blickte Colonel Mustang auf seine Kollegin. Sein Mund klappte auf und der Unterkiefer fiel fast aus dem Gelenk. Sein Blick haftete sich an die Schönheit neben ihm, aus unerfindlichen Gründen konnte er seine Augen nicht von ihr lassen.
 

Der Hüne wischte sich unbemerkt einige Tränen von den Augenwinkeln, dann fiel sein Blick auf seinen Vorgesetzten. Über dessen vertrottelten Ausdruck musste er schmunzeln und biss sich verzweifelt auf die Lippen, um nicht laut aufzulachen. Ein leises Prusten hörte man hinter seiner großen Pranke. Ein erleichtertes Seufzen neben ihm, ließ ihn herumfahren. Doktor Brown hatte sich erschöpft auf einen der Stühle fallen gelassen. Langsam wischte er sich den Schweiß von der Stirn und lehnte sich gelassen und beruhigt zurück. „Danke…“, wisperte der grauhaarige Mann. „Danke.“
 

Ein wenig besorgt stellte ich fest, dass Edward unruhig wurde und seine Stirn feucht glänzte. Sein Körper wandte sich zittrig hin und her, sein Gesicht drückte große Schmerzen aus. Rasch löste ich meine Hand aus seiner und legte sie zart und sanft auf seine Wange, strich ihm die blonden Strähnen von der erhitzten Stirn. Leise und beruhigend summte ich weiter. Dann begann ich meinem Lied Worte zu verleihen…Worte, die meinen stählernen Cousin verwundert aufblicken ließ und mich verblüfft anstarrte. Unwillkürlich schmunzelte ich leicht auf. >Er weiß noch rein gar nichts von meiner Vergangenheit und über meine Verbindung zu ihm und Ed<

Während ich weiter sang, tauchte das liebevolle und sanfte Gesicht meiner Mutter in meinem Geiste auf. Sie lächelte mir zu und nickte. Mein Kopf neigte sich ein wenig nach unten, um ihr anzudeuten, dass ich sie verstanden hatte.

Wieder konzentrierte ich mich und zart leuchtete das Licht in meinem Innern wieder auf.
 

Riza Hawkeye zuckte zusammen, als sie den samtenen Glanz auf dem Mädchen sah. „Was…was ist denn?“ fragte Roy Mustang, der bis dahin fasziniert in die rotbraunen Augen seiner Kollegin geblickt hatte. Stumm zeigte der Finger des First Lieutnant auf das Leuchten, das den Körper der jungen Frau umgab. Sanft schmiegte es sich an sie und ließ sie in einem unnatürlichen Licht erstrahlen. Die Augen des schwarzhaarigen Mannes wurden kuchentellergroß und sein Mund öffnete sich sperrangelweit. >Zwar habe ich das schon einmal gesehen, aber…dieses Licht ist anders, vollkommen anders als das von Alphonse< Es barg absolut keine negativen Schwingungen, so rein wie die Seele eines Neugeborenen. Leicht und zart legte sich eine wohltuende Wärme auf die Sinne des jungen Colonels und berührte sanft sein Herz, wie einer Liebkosung gleich. Alle Dinge, die ihm noch vor wenigen Sekunden schlaflose Nächte bereitet hätten, waren auf einmal verschwunden. Weggewischt, als wären sie nicht existent.

Leise seufzte Roy Mustang auf. Sein Blick wurde leicht verschwommen, am liebsten wäre er immer in so einem Zustand himmlischen Glücks.
 

Riza Hawkeye blickte ihren Vorgesetzten verblüfft an. >So hab ich ihn ja noch nie erlebt. Aber irgendwie gefällt er mir so…er sieht richtig süß aus, wenn er so leicht vertrottelt vor sich hinlächelt.< Ein freches Grinsen, das schnell hinter einer Hand versteckt wurde, legte sich auf die Züge der hübschen Blonden.

Major Armstrong liefen erneut die Tränen von seinen Wangen, als er dem Gesang der jungen Frau in diesem warmen Schein zuhörte. Etwas ungeschickt fingerte er ein großes Taschentuch aus seiner Uniform hervor und schnäuzte geräuschvoll hinein. Der ältere Herr auf dem Stuhl neben ihm, schmunzelte unwillkürlich auf. Dann warf er einen Blick auf die Szene vor ihm. Seine Stirn legte sich in Falten. >Hoffentlich verbraucht das Mädchen nicht zu viel von seiner Energie…<
 

Alleine ging er auf einsamen leeren und Nebel verhangenen Pfaden entlang. Leises Vogelgezwitscher und das milde Rauschen des Windes, der sich in den Bäumen verfing, wurde in der Ferne hörbar. Ängstlich wischte er die Nebelschwaden vor seinen Augen weg und erkannte dahinter eine wunderschöne Blumenwiese, auf der unzählige Blüten ihre Pracht zum Himmel empor streckten. Vor ihm stand ein Haus, das sanft von der Nachmittagssonne beschienen wurde. >Ich kenne dieses Haus…in ihm bin ich geboren worden, dort habe ich gelebt…und meine Vergangenheit begraben…< leise seufzte er auf. >Dieses Haus existiert nur noch in meinen Erinnerungen, aber…aber Moment Mal…das sind nicht meine oder nii-sans…wer…?< Verblüfft blieb er einige Schritte vor der Pforte seiner Heimstätte stehen, da sich plötzlich die Tür öffnete.
 

Tja, an der spannendsten Stelle hört das Chapter auf...hehehe, Taktik *evilgrins* Wer da wohl kommt? Hmmm...wird erst beim nächsten Mal verraten...*grins* Bis dahin schönes Rätselraten, ein wundervolles Wochenende wünschen euch Mariko und Lina

Too-san, warum?

So, da wäre auch schon das nächste Chapter von FMA, tja, ich lade es heute schon hoch, da meiner einer Besuch von nee-chan Mariko bekommt *juupppiiiehh*
 

Wir möchten euch alle herzlich danken, für die vielen lieben Kommis, die ihr uns geschrieben habt...also DANKE!!!
 

Too-san, warum?
 

Ein kleines Mädchen kam heraus und auf ihren Armen trug sie ein Baby mit leicht blondem Flaum auf dem Kopf. Der Winzling riss seine Augen weit auf und blickte interessiert in der Welt umher, seine goldene Iris glänzte in der Sonne und leuchtete mit ihr um die Wette.

Alphonse erstarrte. >Ist das etwa…?< „Nii-san…“, flüsterte der Junge in der Rüstung ungläubig. >Kein anderer als nii-san besitzt diese goldenen Augen…also muss er es sein…<

Fröhlich und ausgelassen brabbelte der kleine Junge auf den Armen des Mädchens und sabberte sie sofort voll, was die Kleine zu einem belustigten und übermütigen Kichern veranlasste. „Engelchen…Engelchen flieg!“ rief sie aus und wirbelte den Kleinen herum. Dieser quietschte freudig auf. Das blonde Mädchen drückte die Wange des Babys sanft an ihre. „Daisuki da, Ed-chan!“

>Ed-chan…?< Verwundert schaute der Stählerne auf das blonde Kind. Sie schloss kurz die Augen und blickte dann hinauf zum blauen Horizont. Ihre silberfarbene Iris glitzerte freundlich und sanft.

>Das kann doch nicht sein…nee-san?< Der Koloss konnte es fast nicht glauben und starrte mit offenem Mund das Mädchen vor sich an. Der Wind spielte mit einigen gold funkelnden Strähnen der kleinen Lina und strich zart über ihr glückliches Gesicht.

Grinsend stupste das Mädchen die Nase von Baby Ed an, der leicht das Schielen anfing. Leise lachte sie auf. Sie kitzelte ihn ein wenig, so dass der Kleine aufquiekte. „Du bist so süß, Ed-chan! Ich hätte gerne so einen Bruder wie dich! Huii!!“ schnell drehte sich Lina um die eigene Achse und plumpste dann in das weiche saftiggrüne Frühlingsgras. Zärtlich legte sie Ed an ihre Schulter und streichelte ihm sanft über den Rücken. Sofort wurde der Kleine ruhiger, kuschelte sich eng an die Blonde und krallte seine winzigen Finger in den Stoff ihres blauen Kleides. Leise flüsterte das Mädchen: „Daisuki da…“, und gab dem Baby einen kleinen Schmatz auf die Stirn. Glucksend drückte Ed seinen Kopf an die Halsbeuge der Kleinen.

Al wurde ganz warm und leicht ums Herz, als er die beiden beobachtete. >Alles ist so friedlich, so wunderschön<

Dann öffnete sich die Türe noch weiter und heraus kamen zwei junge hübsche braunhaarige Frauen, die sich verblüffend ähnelten. Die eine der beiden Frauen eilte sofort zu Lina hinüber. Über ihrem Arm lag eine weiche Decke. Die Frau legte dem Mädchen liebevoll eine Hand auf die blonden Haare. „Na, Engelchen, du magst Ed wohl sehr?“ Eifrig nickte die Kleine. „Mama-san, ich will auch einen so süßen Bruder haben!“ Die grauen Augen der jungen Frau wurden kurz tieftraurig, dann lächelte sie das Kind vor sich an. „Mein Liebling…“ flüsterte sie nur und kraulte Lina den Nacken. Diese lachte warm und blickte liebevoll zu der Braunhaarigen auf. „Mama-san!“ lachte sie fröhlich.

Die andere junge Frau, die einen leicht gewölbten Bauch unter ihrem Kleid verbarg, sah lächelnd zu und näherte sich ihnen. „Trisha-chan, sind die beiden nicht herzallerliebst?“ schmunzelte die Frau neben Lina. Die Sonne beschien das Gesicht der einen mit dem Namen Trisha.

Alphonse Augen weiteten sich. >Kaa-san!< Leicht geschockt stolperte der eiserne Junge einige Schritte nach hinten und prallte auf einen Zaun, der sich aber seltsamerweise in Rauch auflöste und Sekunden später wieder zusammensetzte. Al’s Blick heftete sich an das Antlitz seiner Mutter.

„Ja, Lina-chan und Ed scheinen sich sehr gut zu verstehen.“ Als Baby Ed die Stimme seiner Mutter hörte, quäkte er auf und seine kleinen Ärmchen streckten sich ihr entgegen. Das kleine Mädchen grinste. „Schon gut, Ed-chan.“ kicherte sie und streckte Trisha den Jungen vorsichtig entgegen. „Danke, Lina-chan!“ die junge Frau zwinkerte der Kleinen zu und nahm Ed zärtlich in die Arme. „Na, mein Sonnenschein!“ die großen goldenen Augen des Babys blickten fasziniert in das liebevolle Gesicht seiner Mutter. Zart strich sie Edward über die Wange. Dieser lächelte versonnen und Augenblicke später war er am Daumen nuckelnd eingeschlafen.

Das Mädchen neben ihr schmunzelte und legte sanft eine Hand auf den Bauch der Frau. Auf einmal quiekte sie leise auf und kicherte. „Ich habe dein Baby gespürt!“ kreischte sie fröhlich auf und bekam rote Wangen vor lauter Freude. Die beiden jungen Frauen lachten. Die Mutter von Lina breitete die Decke auf dem satten Grün aus und die Drei setzten sich darauf. Das blonde Mädchen schmiegte sich sogleich an ihre Mutter, diese lächelte und legte einen Arm um die Schulter der Kleinen.

>Kaa-san und diese Frau…sie sehen sich so ähnlich. Kann es sein…< aber bevor er seinen Gedanken weiterverfolgen konnte, kam ein junger hoch gewachsener Mann mit langen blonden Haaren heran. Langsam näherte er sich den Frauen und begrüßte sie. „Hallo, die Damen!“ schmunzelte er freundlich. „Komm setz dich doch, Nat.“ luden ihn die beiden jungen Frauen ein. „Gerne!“ grinste er spitzbübisch und setzte sich zu Trisha und dem Kleinen. Sanft strich er der jungen Frau über den Rücken und blickte mit warmen Augen auf das Kind in ihren Armen. „Na, du kleiner Wonneproppen!“ wisperte der Mann und strich dem Baby zärtlich über den Kopf. Einige der Strähnen aus der Mähne des jungen Mannes fielen heraus und legten sich frech vor seine freundlichen Pupillen. Als er sie aus dem Gesicht wischte, rutschte ihm prompt die Brille ein wenig von der Nase. Herzlich lachend sahen die zwei Frauen und das Kind ihm zu. Grinsend rückte Hohenheim seine Brille wieder zurecht und sah in Alphonses Richtung.

Und diesem fiel es wie Schuppen von den Augen. Dieser Mann dort war…

„Too-san!“ rutschte es dem Stahlgiganten heraus und im gleichen Moment hielt er sich erschrocken den Mund zu, denn seine Stimme hallte über die grün bewachsene Ebene, so dass jeder ihn hören konnte. Die jungen Frauen und das kleine Mädchen sahen erstaunt auf, nur der Mann blickte ihn stumm und ruhig an. Al streckte verzweifelt eine Hand nach ihm aus, während sein Gegenüber es ihm gleichtat. „Alphonse…“, flüsterte Hohenheim. Doch plötzlich begann die Welt um den Stählernen herum zu verschwimmen, ein grauer, aber warmer Nebel waberte schleichend näher und hüllte die Umgebung langsam ein. Er hörte wie sein Vater entsetzt aufschrie, ihn zu erreichen versuchte. Die Menschen und die Landschaft neben ihm lösten sich langsam auf und das Bild brach in tausend schillernden Farben, um funkelnd wie Sterne auf den Boden zu fallen und in buntem Rauch zu verschwinden. Langsam senkte sich der warme Nebel über die Sinne des stählernen Jungen.

Einen hatte der Nebel jedoch dort zurückgelassen. Gar nicht weit weg vom Haus entfernt stand eine kleinere Gestalt hinter einem großen Baum versteckt und beobachtete die Szene dort unten. Traurig senkte sich der blonde Schopf und einzelne Strähnen, die vom Wind herumgewirbelt wurden, fielen der Person ins Gesicht. Sehnsüchtig starrten die goldenen Augen auf die beiden Frauen, das Kind und den Mann. „Oba-san!“ hüpfte das hübsche kleine Mädchen herum und schlang ihre Arme um den Hals ihrer Tante. Linas Mutter lächelte freundlich auf. Der blonde Mann wuschelte der Kleinen fröhlich durch die Haare und Trisha schmunzelte liebevoll ihre Familie an.

Aber Eds Blick haftete sich an seine Mutter, die das kleine Baby nun spielerisch hochwarf und wieder auffing. Der Wind trug dem Blonden das quiekende Lachen des Kindes heran. Bei diesem Anblick stiegen ihm die Tränen in die Augen und eine einzelne Träne rann wie eine Perle seine Wange hinunter. >Kaa-san … warum musstest du so früh gehen? Warum hat man dich uns weggenommen?< Nachdenklich und kummervoll musterte der blonde Junge seinen metallenen Arm, dessen Faust er verzweifelt geballt hielt. Sein Blick schwenkte wieder hinunter zu den Personen, die ihm so vertraut waren und doch irgendwie fremd. Die goldenen Pupillen blieben an dem jungen Mann hängen, der gerade vergeblich versuchte seine langen Haare zu bändigen. Mit einer eleganten Handbewegung streifte er sich die Strähnen hinter die Ohren, was Ed ihm unbewusst nachmachte. Entsetzt hielt der blonde Junge in seiner Bewegung inne und starrte den Mann für einige Sekunden sprachlos an. Langsam verschwanden die letzten Nebelschwaden vor seinen goldenen Augen und er erkannte die Wahrheit.

>Too-san…du?< Er spürte wie unbändiger Zorn seinen Hals hinaufstieg und seine Hände fingen unwillkürlich zu zittern an. Seine Lippen pressten sich fest zusammen und seine Augen beobachteten jede Geste des blonden Mannes. Dieser lachte das Baby fröhlich an und kitzelte es leicht, so dass der Kleine kurz aufquiekte.

>Den Jungen, den er da so anlacht und ihn kitzelt, das bin ICH! Wieso…wieso hast du uns verlassen, too-san? Gerade, als wir dich am nötigsten brauchten, als kaa-san dich am nötigsten brauchte.< Widerwillig spürte Edward heiße Tränen in sich aufsteigen, die seine Wangen benetzten. Diese wischte schnell er davon.

>Du bist schuld an ihrem Tod. Wegen dir ist sie gestorben, wegen dir…< Kurz stockte der Blonde und schluckte heftig den dicken Kloß in seinem Hals hinunter. > Wegen dir ist aus Al und mir DAS hier geworden.< Stumm betrachtete er nochmals seinen metallenen Arm und seine Gedanken waren bei Alphonse. >Al…<

„Glaubst du etwa, dass ich das jemals bezweckt habe, was dir und deinem jüngeren Bruder widerfahren ist?“ erschrocken fuhr er bei dieser Stimme zusammen. Er zitterte am ganzen Körper, sah langsam auf und erstarrte in seinen Bewegungen. Das wundervoll unschuldige Blau des Frühlingshimmels wurde zu einem beängstigenden, alles verschlingenden Grau. Das laue Lüftchen verwandelte sich in einen fauchenden Sturm, der die Blüten von den Stängeln abbrach und unbarmherzig durch die Luft wirbelte.

Im Mittelpunkt dieses Chaos standen sich zwei Menschen gegenüber, die sich jahrelang nicht gesehen hatten und sich nun so nah waren, wie nie zuvor in ihrem Leben. Der blonde Junge wich dem stechenden und alles durchdringenden Blick seines Vaters aus. Er fühlte sich nackt und bloß unter diesen goldenen Augen, die seinen so ähnlich waren und doch anders. >Es scheint fast, als würde er mir in meine Seele und mein Herz blicken…< er fühlte, wie eine Gänsehaut seinen Rücken hinunterrieselte. Aufheulend riss der Wind an seinen langen goldglänzenden Haaren und vor Schreck starrte der Junge auf den Rest seiner Familie. >Ich selbst…kaa-san…nee-chan…oba-san…die Zeit ist für sie stehen geblieben, reglos und still harren sie in ihrer letzten ausgeführten Tätigkeit, als wäre nichts geschehen. Nur too-san und ich…< verbittert funkelten Eds Pupillen auf. „Warum?“ Dieses eine Wort hallte anklagend über die weite Ebene seiner Heimat und es schien, als würde es sich an einer unsichtbaren Mauer brechen und wieder zurückkehren. Sein Vater senkte grübelnd den Kopf, bevor er zu einer Antwort ansetzte. Es dauerte eine geraume Zeit, bis die Worte aus seinem Munde kamen. >Den wirklichen Grund werde ich meinem Sohn nicht nennen, das hieße sich selbst zu verraten<

Stumm stand Edward vor ihm, seine Augen brannten in dem Wind, vergeblich wischte er sich die goldenen Strähnen aus dem Gesicht. Der Sturm wurde von Sekunde zu Sekunde stärker. Der blonde Junge hatte Mühe, nicht von ihm davon geweht zu werden und krallte sich in die Rinde des neben ihm stehenden Baumes.

„Du fragst nach dem Warum..., ich befürchte, die Wahrheit würde alles, woran du jemals geglaubt hast, zerstören. Deswegen...kann ich es dir nicht sagen, auch, wenn ich es wollte. Ich...“ „Lügner!“ schrie ihn Edward zornig an, dessen Stimme wegen des An- und Abschwellen des Windes kaum zu verstehen war. „Du kannst es mir nicht sagen, weil du es selbst nicht einmal weißt! Du hast Mutter, Al und mich allein gelassen, obwohl du wusstest, dass es ihr das Herz brechen würde! Anfangs haben wir oft nach dir gefragt, aber als wir merkten, dass es sie nur noch unglücklicher machte, haben wir es sein lassen! Wieso hast du dich niemals gemeldet?! Wieso nicht?“ er wurde immer leiser, bis nur noch ein raues und bitteres Flüstern zu hören war. „Nur ein kleiner Brief...nur das...und sie würde vielleicht noch leben...weil du sie damit glücklich gemacht hättest...mehr nicht...“

Betretene Stille senkte sich zwischen Vater und Sohn. Hohenheim drehte sich zur Seite. Er schaute hinab zu seiner kleinen Familie, sein Blick war traurig und sehnsüchtig auf sie gerichtet. Doch Sekunden später wurden die goldenen Augen wieder undurchdringlich und hart. Seine Gestalt wandte sich wieder seinem blonden Sohn zu. „Ich habe euch nicht freiwillig verlassen, doch wenn ich es nicht getan hätte, wäre mein und auch euer Leben in Gefahr gewesen, deswegen musste ich es tun. Mehr kann ich dir nicht sagen. Es wäre vielleicht auch besser gewesen, ich hätte deine Mutter niemals kennen gelernt...es tut mir leid.“ Leicht schüttelte er bedauernd den Kopf, drehte sich wortlos um und wollte verschwinden, doch die völlig verzweifelte Stimme seines Sohnes ließ ihn zusammenzucken. „Nein, das ist nicht wahr! Mutter hat dich geliebt! Sie war glücklich und sie wäre es auch weiterhin gewesen, wir wären es weiterhin gewesen, wenn…wenn du uns nicht verlassen hättest! Al und ich hätten niemals versucht, Mutter wieder zu erwecken und...und...“ atemlos hielt Ed inne und wischte sich die aufkommenden Tränen aus den Augen. „Und...wir würden nun als glückliche Familie zusammenleben, du, Mutter, Al und ich. Aber...Mutter ist tot, Al’s Körper verschwunden und du...bist fort. Ich habe dich einmal bewundert, zu dir aufgesehen, ja, ich habe dich sogar...geliebt“, fahrig fuhr sich der Junge durch seine Haare und schluckte verkrampft. „So, wie Kinder ihre Eltern lieben, aber dann...bist du gegangen und ich habe angefangen, dich zu hassen.“

Rücksichtslos drückte der kalte Wind den kleinen Jungen immer mehr an den Stamm des Baumes. Edward fühlte, wie seine Hand müder wurde und kaum noch die Kraft besaß sich festzuhalten. Der Sturm würde ihn bald mit sich nehmen. Überall umher fauchte und wütete der Wind, fraß alles, was ihm vor das Maul trat. Es war, als würde diese Welt bald zusammenbrechen und sich im Nichts auflösen.

„Ich verstehe deine Gefühle...und ich kann dir auch nicht böse sein, dass du mir gegenüber so empfindest, aber vielleicht wirst du eines Tages, wenn du die Wahrheit über mich herausgefunden hast, auch mich verstehen.“ murmelte Hohenheim und sein Blick glitt prüfend umher. Seine Stirn legte sich in Falten. Während Ed große Mühe hatte, sich dem Sturm entgegen zu stellen und sich auf den Beinen zu halten, stand sein Vater unbeeindruckt wie ein Fels in der Brandung vor ihm, nicht einmal dessen blonde Haare wirbelten im Sturm auf und ab.

„Du solltest gehen“, wandte sich der Ältere besorgt an seinen Sohn. „Diese Erinnerung beginnt zu verblassen und jeder, der sich hier länger aufhält als erlaubt, läuft Gefahr, mit ihr zu verschwinden.“ „Aber…“, wollte Ed widersprechen, doch als er ein wenig seitlich blickte, sah er mit Entsetzen wie der Sturm sich an den Erinnerung weiter voll gefressen hatte, nur noch einige wenige heile Flecke waren vorhanden. Auch der Platz an dem seine Familie saß, wurde langsam Farbe um Farbe vom Wind davongetragen. Angstvoll streckte er eine Hand nach ihnen aus, wollte sie vor Unheil bewahren, aber der wirbelnde Sturm nahm sie einfach mit sich, verschlang die Personen unbarmherzig. Edwards Blick wandte sich Hilfe suchend seinem Vater zu, doch der schien noch immer unbeeindruckt, während um ihn herum die Landschaft verschwand.

„Geh, Junge. Jemand wartet auf dich, Jemand, der dich mehr als alles andere braucht.“ Ein fast liebevolles Lächeln huschte über die aristokratischen Züge des Älteren, bevor er sich umwandte und sich im Nichts auflöste.

„Warte! VATER!“ schrie Ed ihm fassungslos hinterher. Doch der Sturm fauchte grimmig auf und verwirbelte die Worte des Jungen, bevor sie gehört wurden. Den Arm immer noch nach seinem Vater ausgestreckt stand er da, versuchte das eben Geschehene zu verstehen. >Was hat too-san gemeint? Ich soll schleunigst hier verschwinden, sonst würde ich mich, wie die Erinnerungen hier auflösen? Aber wie? Wo soll ich denn hin? Sobald ich den Baumstamm loslasse, werde ich in Stücke gerissen…oder Schlimmeres…< Verzweifelt klammerte er sich an den Stamm, verängstigt sah er zu, wie der Sturm sich ihm näherte und das Maul schon weit aufgerissen hatte, um ihn zu verschlingen. Wie Puzzleteile lösten sich die letzten Reste der schönen Erinnerung.
 

Tja, wird Ed nun verschlungen? Oder wird er noch rechtzeitig gerettet?

Hmmm, warten wir es mal ab, bis zum nächsten Mal

Liebe Grüße

eure Mariko und Lina (schönes Wochenende euch allen)

...eure Cousine bin

Hallo liebe Fans und Leserinnen! Die Sadisten...ähm, ich meinte die Schreiberinnen dieser phänomenalen und genialen FF (stinkt's hier etwa? *lach*) sind zurück und bringen euch gleich das nächste Chapter...

Viel Spaß damit!
 

…eure Cousine bin
 

Auf einmal hörte er von weiter Ferne eine leise Stimme, die ein Lied sang. Er fühlte sich plötzlich gewärmt, geborgen und getragen von dem Gesang. Überraschend war für ihn, dass er das Lied kannte…ein altes Lied aus längst vergangenen Kindertagen. Langsam lösten sich die Finger von der Rinde, vertrauend auf die Melodie und er wurde nicht enttäuscht. Überrascht stellte er fest, dass er nicht, wie die anderen Dinge hier vom Sturm aufgesogen wurde, sondern er spürte, wie er von warmen Armen festgehalten wurde, die ihn sanft und liebevoll auf eine weiße flauschigweiche Feder setzten. Lautlos glitt Ed, getragen von dem weichen Flaum, der wunderschönen und hellen Stimme entgegen. Die Landschaft verschwand komplett, so dass er sich nur noch in einem dunklen Raum bewegte, der aber keinesfalls kalt oder bedrückend wirkte, sondern auf seine Weise schön. Warme Winde wirbelten um ihn herum und spielten mit seinen Haaren. Der Junge hatte das Gefühl, als würde die Brise ihn sanft streicheln. Dann blickte Ed auf. Viele bunt schillernde Seifenblasen flogen um ihn herum. Zart zerplatzten sie bei Berührung und beruhigten seinen Körper. Neugierig neigte sich Edward ein wenig nach vorne, um einen Blick auf das Innere der Blasen zu erhaschen. Doch sie verschwammen ständig und setzten sich wieder neu zusammen. Lächelnd berührte der Blonde mit einem Finger eine Blase, die fast kichernd zerplatzte. Sanft legte sich eine bleierne Müdigkeit auf seine Sinne, sein Körper versank in der flauschigen daunenweichen Feder, die ihn schützend umgab, je näher er seinem Ziel kam. Bevor er sich dem wohligen Gefühl hingab, glaubte er, seine Mutter an seinem Krankenbett zu sehen, sie strich ihm liebevoll durchs Haar und sang das alte Lied aus Kindertagen.
 

„Ich will nur in deiner Nähe sein

In der Nacht wenn du schläfst

Ich will nur in deiner Nähe sein

Ich bin wach, wenn du schläfst“
 

„Kaa-san…“, flüsterte er zufrieden und ein angenehm beruhigender Schauer kribbelte seinen Körper hinab. Er schloss seine goldenen Augen und glitt eine warme Dunkelheit hinab, die ihn sanft in ihre Flügel bettete.
 

Das Leuchten um mich herum wurde langsam schwächer, bis es ganz verebbte. Ich fühlte wie meine Umgebung bedrohlich schwankte und wackelte. Meine langen Finger krallten sich fest in die Decke von Edward. Mein Körper verkrampfte sich. Ich unterdrückte ein Stöhnen, das aus meiner Kehle entweichen wollte.

„Nee-san…“, die Stimme meines stählernen Cousins klang seltsam verzerrt, irgendwie anders, nicht wie sie sein sollte. >Oder liegt es an mir?< Mein Kopf dröhnte und bunte kleine Sterne schillerten vor meinen Augen hin und her. Erschöpft wandte ich Alphonse mein Gesicht zu und rang mir ein leicht gequältes Lächeln ab.

„Nee-san…, woher…woher kennst du dieses Lied?“ fragte er mich verwundert und sein Blick, den er mir zuwarf, drückte pure Verblüffung aus. Grinsend zwinkerte ich ihm geheimnisvoll zu, bevor ich mich ein wenig aufrichtete. „Meine Mutter hat es mir immer vorgesungen, so wie ihre jüngere Schwester es auch ihren beiden Söhnen jeden Abend vor dem Schlafengehen vorgetragen hat.“ Neugierig schmunzelnd wartete ich die Reaktion von Al ab, der mich immer noch sehr verdattert anstarrte. Ich lachte leise und sanft auf. Um mich herum hörte ich das erstaunte Raunen der anderen Anwesenden. „Soll das etwa heißen, dass deine Mutter und unsere Mutter...? Dass du unsere...?“ Alphonse war einfach zu geplättet, als dass er seine Vermutung laut aussprechen konnte. Ich biss die Zähne fest zusammen und stand langsam und bedächtig auf, um zu meinem stählernen Cousin zu gehen. Leicht wankte ich und jeder Schritt schmerzte mich unendlich. Mein Körper brannte, als wäre ein Feuer in meinen Adern ausgebrochen. Es kostete meine letzte noch verbleibende Kraft. >Aber das ist nun egal. Die Hauptsache ist doch, das alles wieder in Ordnung ist…na ja, vorerst zumindest.< Sanft legte ich Alphonse eine warme Hand auf seine Schulter und lächelte ihn liebevoll an. „Ja, eure Mutter und die meine waren Schwestern, so dass ich eure...“, der Boden unter mir schwankte. Ich fühlte mich wie in einer Schiffsschaukel, spürte nur noch wie meine Beine unter meinem Gewicht nachgaben und der Boden beängstigend schnell näher kam. Dann wurde alles pechschwarz um mich.
 

Mit einem erschrockenen Aufschrei wollte Alphonse die junge Frau noch halten, doch Major Armstrong war schneller. Geschickt fing er Lina auf und bettete sie sanft in seine großen starken Arme. Die ganze Zeit über war ihm schon aufgefallen, wie unsicher das Mädchen auf den Beinen gestanden hatte und mehrmals kurz vor dem Zusammenbrechen war. Deswegen hatte er sich ihr unbemerkt von hinten genähert, um im Notfall bei ihr zu sein.

„Nee-san…was?“ hörte der Major neben sich die beunruhigte und verängstigte Stimme des metallenen Jungen. „Ist alles in Ordnung mit ihr?“ erkundigte sich nun auch der Colonel, der zusammen mit dem First Lieutnant erschrocken vom Bett aufgesprungen war. Schnell, aber präzise untersuchte Doktor Brown besorgt das Mädchen. Prüfte den Puls, um danach erleichtert aufzuseufzen. „Keine Sorge“, gab er Entwarnung. „Ich glaube, das war alles etwas zuviel für sie, der Körper holt sich irgendwann gewaltsam seine Ruhepause, wenn man sie ihm nicht gönnt und genau das ist hier eingetreten. Major, würden Sie wohl bitte so nett sein und sie auf ihr Zimmer bringen?“ Alexander Armstrong nickte dem Arzt zustimmend zu und wollte sich gerade zur Tür begeben, als etwas in seinen Armen zu zappeln begann und eine schläfrig müde Stimme sich meldete.
 

Ich spürte, wie ich anfing herumzuzappeln. „…ich eure Cousine bin.“ Leise grummelte ich auf und öffnete erschöpft die Lider. Verdutzt und mit riesigen Augen erkannte ich, dass ich in den Armen von Armstrong lag. „Heyyyy! Was soll das?! Wohin bringen Sie mich! Lassen Sie mich runter!“ Ich strampelte hilflos wie ein Fisch an der Angel. Aber genau wie dieser heftig und nicht aufgebend. Der Major hatte große Mühe, mich festzuhalten. Fast wäre er noch mit mir umgekippt. „Lassen Sie mich sofort runter! Mir geht’s wieder gut! Ich will nicht ins Bett, nicht bevor…“

Neben und hinter mir fingen die übrigen Personen an zu lachen. Befreiend und herzhaft.

Leicht beschämt senkte ich meinen Blick und eine samtene Röte stieg in meine Wangen. >Ich verhalte mich ja wie ein störrisches Kind…<

Meine Pupillen wandten sich sehnsüchtig in Richtung meines kleinen Cousins, der ruhig atmend im Bett lag. Die Sonne wünschte uns einen schönen Morgen und ließ alles in einem sanften Goldton erstrahlen. Einige Strahlen erhellten das blasse Gesicht von Ed, das nun nicht mehr so erschreckend leblos aussah. >Zu gerne würde ich bei ihm bleiben, bis er die Augen aufschlägt, mit Alphonse über seinen Schlaf wachen…aber Doktor Brown wird es mir höchstwahrscheinlich nicht erlauben, nicht nachdem, was alles geschehen ist.< Kurz linste ich durch meine blonden Strähnen zu Colonel Mustang hinüber. Es wurde mir schmerzlich bewusst, dass ich mich einer Unterredung mit ihm nicht entziehen konnte, sobald es mir besser ging. >In seinen Augen brennen tausend Fragen, die er natürlich beantwortet haben will…Aber jetzt ist kein geeigneter Zeitpunkt für so etwas…und es ist nun auch nicht wichtig!<

Zaghaft und schüchtern öffnete ich meinen Mund. „Kann ich nicht…?“ meine silbernen Augen schauten den alten Mediziner bittend an. Dieser untersuchte gerade Edward und wandte sich mit einem zufriedenen Seufzer zu mir herum. Seine sonst so sanften Pupillen wurden sofort ernst und er schüttelte den Kopf. „Nein!“ dieses eine Wort ließ keine Widerrede zu. „Mädchen, du brauchst dringend Ruhe!“ Enttäuscht verzog ich meine Lippen und blickte leicht missmutig auf den Boden.

Ich spürte eine warme Hand, die sich unter mein Kinn legte und es ein wenig anhob. Überrascht sah ich in die Onyxaugen des Colonels, der mich keck anlächelte.

„Keine Sorge, wir werden dir Bescheid geben, wenn er aufwacht. Ich denke, Al wird es dich auch sofort wissen lassen, wenn es soweit ist.“ Mit einem schrägen Seitenblick auf Alphonse, der peinlich berührt anfing rot zu werden, redete Mustang weiter: „Für dich ist es nun wichtig, wieder auf die Beine zu kommen. Wie willst du deinen Cousins sonst beistehen, sollte es gefährlich für sie werden?“ Mit einem ernsten Blick schaute er mich an. Ich wusste sofort was nun kam…

„Außerdem hast du mir noch einiges zu beantworten, sobald es dir besser geht.“

>Ich wusste es…das kann ja noch heiter werden…< Mit leicht zerknirschter Miene blickte ich in das Gesicht des Colonels und seufzte leise. Dann wandte ich mich an meinen stählernen Cousin. „Al...ist das okay, wenn du...?“ fragend richteten sich meine silbernen Augen auf ihn, der immer noch am Bett seines Bruders kniete, wie ein stählerner Wächter, dessen einziges Ziel und Bestreben darin lag, das Wertvollste für ihn zu beschützen. Liebevoll lächelte ich ihn an. Seine kindliche Stimme drang aus der Rüstung, als er antwortete. Jedes Mal wenn ich diese hörte, musste ich schmunzeln. >Sie passt so gar nicht zu seinem Aussehen…aber sie erheitert mich doch immer wieder aufs Neue.<

„Natürlich, nee-san. Geh und ruh dich aus. Nii-san bringt mich sonst um, wenn er hört, dass es dir nicht gut geht und herausfindet, dass ich dir keine Ruhe gegönnt habe.“ Ein leiser glucksender Laut kam aus meiner Brust. Alphonse grinste.

Dann zwinkerte ich meinem Cousin zu.

Ich fühlte mich plötzlich angenehm schwer und kuschelte mich unbewusst an den warmen Körper, der mich hielt. Kurz sah ich nach oben und erkannte verwundert, wie der Major rot anlief. Leicht schmunzelte ich noch, schloss die Augen und glitt sanft ins Traumland.
 

„Ähm, ja...ich geh dann mal...“, verlegen stakste Armstrong mit dem Mädchen auf dem Armen zu Türe, die ihm Doktor Brown freundlicherweise öffnete. Draußen blickte er sich orientierungslos um. >Hier sieht alles so gleich aus!< seufzte er leise. Ein feines Murmeln aus seinen Armen, ließ ihn nach unten blicken. Ein Lächeln huschte über die breiten Züge des Hünen. >Sie ist endlich eingeschlafen< Ein sanftes Schmunzeln lag auf den roten Lippen des Mädchens und einige widerspenstige blonde Strähnen lagen über den geschlossenen Lidern. >Sie sieht fast wie ein kleiner Engel aus.< Bei diesem Anblick wurde ihm ganz warm ums Herz. Es erinnerte ihn an Etwas…dass schon sehr weit zurücklag, aber das er nie in seinem Leben vergessen würde.
 

Ich öffnete langsam und schwer die Lider. >Wo bin ich?< Mein benommener und verschwommener Blick glitt nach oben, dort sah ich in zwei hellblaue freundliche Augen. Meine Pupillen weiteten sich ein wenig. >Diese Augen…too-san hat auch…<

„Too-san?“
 

Sanft drückte er die junge Frau an sich und stolzierte in Richtung ihres Zimmers. „Too-san?“ Erschrocken blieb er stehen. Dann blickte Major Armstrong hinunter und begegnete den trüben silbergrauen Augen des Mädchens, die sich sichtlich Mühe gaben offen zu bleiben. Seine Miene wurde ganz weich und zärtlich. Liebevoll wuschelte er Lina durch die offenen Haare. „Shh, schlaf schön weiter, Mädchen!“ flüsterte er und strich ihr behutsam über die Wange. Mit einem erschöpften Lächeln erwiderte die junge Frau seine Antwort. Leise nuschelte sie noch etwas, bevor sie ihre müden Lider schloss und wieder eingeschlafen war. Traurig starrte der Hüne in das weiche Antlitz des Mädchens, langsam perlte eine winzige Träne von seiner Wange und tropfte sanft in das Gesicht der jungen Frau. Diese kicherte zart im Schlaf auf. Auch wenn jeder, der neben dem Major gestanden hätte, die Worte Linas nicht verstand, der groß gewachsene Mann hatte es. ‚Domo arigato, o-too-san’, waren ihre Worte gewesen, die sie an ihn richtete. Leise öffnete er die Türe zu ihrem Zimmer und legte sie behutsam ins Bett. Ungewollt zog sich sein Herz zusammen, als er die Decke glatt strich und sie ansah. Das alles überziehende Gold der nun vollends aufgegangen Sonne tauchte das Zimmer in einen wundervollen Glanz und ließ alles erstrahlen. Nachdenklich schritt der Hüne ans Fenster und blickte hinaus in den blassblauen Horizont. >Jeden Abend nimmt die Sonne das Leben von der Erde, um ihr am darauf folgenden Morgen ein neues zu schenken. So wie du, Mädchen. Auch du hast den Brüdern ein neues Leben geschenkt, doch was ist der Preis dafür? Die Sonne bezahlt das mit ihrer Energie, die jedes Mal ein wenig dadurch schrumpft, doch was ist dein Opfer?<
 

An einem anderen Ort
 

Das junge blonde Mädchen zerrte gedankenlos einige Kleidungsstücke aus ihrem Schrank und warf sie in den daneben stehenden Koffer. Dieser war schon bis zum oberen Rand mit Kleidung voll gestopft. Ihre Gedanken glitten immer wieder zu zwei Jungen zurück, die der Grund ihrer Sorgen waren. >Edo…Al…<

Leicht zuckte Winry zusammen, als sie die Stimme ihrer Großmutter vernahm, die schon seit geraumer Zeit hinter ihr stand und sie bei ihrem verzweifelten Versuch beobachtete. „Winry…Schatz, lass mich dir doch helfen…“, die kleine Frau mit der Pfeife zwischen den Lippen, drückte sich an der Blonden vorbei und nahm einige Kleidungsstücke heraus, faltete diese sorgfältig und legte sie auf das Bett. Sanft strich sie diese noch glatt. Dann wählte sie mit einem prüfenden Blick die Sachen, die ihr wichtig erschienen und sortierte sie wieder in den Koffer hinein. Mit einem lauten Klacken verschloss sie diesen und schaute zufrieden in das Gesicht ihrer Enkelin. „Arigato, o-baa-chan.“ leicht verlegen grinste Winry ihre Großmutter an und wischte sich verstohlen einige Tränen weg.

„So, wenn du den Acht Uhr Zug noch erwischen willst, solltest du dich beeilen“, bemerkte Pinako Rockbell mit einem flüchtigen Seitenblick auf die Uhr. Die blauen Augen des Mädchens weiteten sich, als sie bemerkte, wie wenig Zeit ihr noch bis zur Abfahrt des Zuges blieb. „Auch das noch, jetzt muss ich mich aber sputen!“ Denn hier in Rizenbuhl, dem Heimatdorf von Alphonse, Edward und Winry fuhr nicht jede Stunde ein Zug in die Hauptstadt und bis zum nächsten wollte sie bestimmt nicht warten, denn dann würde sie erst in den späten Abendstunden bei den beiden Jungen sein. In aller Eile riss sie ihre Jacke vom Haken, schnappte sich ihren Koffer und rannte in großer Hast zur Türe. Bevor sie aber hinauslief, blickte sie noch zu ihrer Großmutter hinauf, die am oberen Treppenabsatz stand und zu ihr hinab sah. „Nochmals danke, o-baa-chan! Ich werde dich anrufen, sobald ich mehr weiß! Mach’s gut!“ hektisch winkte Winry ihr noch zu, bevor sie sich schnell umwandte und in Richtung Bahnhof davoneilte. Kopfschüttelnd sah ihr die alte Frau hinterher. Mit nach hinten verschränkten Armen ging sie langsam die Stufen hinab, dann zur Tür hinaus und beobachtete, wie der lange Zopf ihrer Enkelin hinter den grünen Hügeln von Rizenbuhl verschwand. Ein leises Seufzen ließ sie nach unten sehen. Den, der schwarze Hund der Familie Rockbell, schaute sie freundlich an und winselte leise. Sanft legte sie dem großen Tier neben ihr eine Hand auf den Kopf und tätschelte ihn, ihr Blick glitt wieder Richtung Bahnhof. „Grüß die Jungs von mir und sag ihnen, sie sollen nicht soviel Blödsinn anstellen“, schmunzelte Pinako Rockbell und in Begleitung von Den ging sie ins Haus zurück.
 

Nun, meine üblichen (dummen?) Fragen am Schluss.

Wird Ed bald aufwachen? Wird er dann ganz gesund sein? Oder haben die Schreiberinnen (Sadisten *nick nick*) wieder irgendwas in petto?

Bis dahin ein schönes Wochenende, eine gute Woche und bis bald

eure Mariko und Lina

Warten auf Eds Erwachen

So, nun mal wieder etwas Lustiges, könnt ihr bestimmt mal wieder vertragen, ne? *grins* Also viel Spaß!

Ach ja...vielen lieben DANK DANK an alle, die so fleißig lesen und kommentieren, was wäre diese FF ohne euch...aber nun genug geschleimt *lach*...

Ach noch was, ich mache mal kurz Werbung für meine neue FF, die bald on kommt...Herr der Ringe Fanfiction, die den schönen Namen 'Taramalwen' trägt (man was für ein toller Name für eine FF *lach*)
 

Warten auf Eds Erwachen
 

Ein nervenzerreißendes Geräusch ließ mich vor Schreck hochfahren. „Was…?“ schlaftrunken öffnete ich todmüde die Augen und sah mich nach dem Verursacher dieses ohrenbetäubenden Lärms um. Mit riesigen Augen sah ich Major Armstrong neben mir an, der hier ganze Wälder mit seinem Schnarchen absägte. Vor lauter Verblüffung wäre ich fast aus dem Bett gefallen, hätte ich mich nicht an der Matratze festgekrallt. Der Hüne lag mehr auf seinem Holzstuhl, als das er saß und lächelte sanft wie ein kleines Kind. Sein Gesicht war ganz entspannt, während er diese Geräusche von sich gab, die mich fast in den Wahnsinn trieben.

Ungewollt lachte ich laut und fröhlich auf. Schlug mir aber schnell eine Hand auf den Mund, aus Angst, der Mann vor mir könnte aufwachen. Doch er grunzte nur kurz auf, kratzte sich am Bauch und schnarchte dann munter weiter, zerstörte im Schlaf die restlichen Wälder. Fest hielt ich mir die Hand auf den Mund, mit der anderen den Bauch, der vom Lachen schmerzte. Ab und zu entwich meiner Brust leise glucksendes Gekicher. Mein Blick wandte sich dem Fenster zu. Ich kniff kurz die Lider zu. Die Sonne kitzelte und wärmte mich gleichzeitig. Ein strahlendblauer Himmel lächelte freundlich und mild. >Es ist schon Morgen! Wie lange hab ich wohl geschlafen? Ob Edo schon aufgewacht ist…?< Hektisch warf ich die Decke zur Seite. Als ich mich nur nach vorne neigte wollte, um die Schuhe vor meinem Ruhelager zu holen, wurde es mir schwummerig, blutige Schlieren tanzten vor meinem Gesichtsfeld auf und ab. Schnell legte ich mich kurz in die Kissen zurück und atmete tief ein. Dann versuchte ich es erneut, aber mit dem gleichen Ergebnis wie das vorherige Mal. Aber nun ließ ich mich nicht beirren und krallte mir die Schuhe und den Morgenmantel, den ich schnell anzog. Mit den Pantoffeln in der Hand huschte ich auf Zehenspitzen zur Tür, um sie mit einem leisen Klicken zu öffnen. >Bitte, lass ihn jetzt nicht aufwachen…< flehte ich innerlich.

Aufatmend stand ich schon fast im Flur, als mich die Stimme des Majors zusammenzucken ließ. >Nein…!!< Mit zusammengekniffenen Augen und mit der Haltung eines geprügelten Hundes wandte ich mich langsam um. Wartete auf die Standpauke, die nun unweigerlich nach missglücktem Ausbrechen erfolgen musste. Aber nichts dergleichen geschah. Vorsichtig linste ich durch die Wimpern hindurch. Verblüfft öffnete ich meine Augen ganz. Mein Blick war fast dämlich zu nennen, als ich sprachlos auf den sitzenden Mann sah.

Dieser rezitierte…Kochrezepte! Mir verschlug es vor Überraschung fast den Atem. Plötzlich bebte mein Körper und ich versuchte krampfhaft das Glucksen zu unterdrücken, das mir aus der Kehle entweichen wollte. Der Major erläuterte gerade das Zubereiten eines Apfelkuchens. Ganz besonders amüsierte es mich, wie er leise anfing zu schmatzen, als würde er diesen gerade essen.

Ich schüttelte lächelnd den Kopf. >Major Armstrong, Sie sind schon ein Original. Schlafen Sie gut!< Leise und vorsichtig schloss ich die Tür, um ihn nicht doch noch zu wecken. Ich bewegte mich lautlos und abstützend an der Wand entlang. Ich musste oft Pausen einlegen, da mir immer wieder schwindelig wurde. Die Sterne tanzten vor meinen Augen ein Ringelrein. Kurz schloss ich sie und konzentrierte mich auf meinen Weg. >Auch wenn es mir nicht gut geht, ich will doch da sein, wenn Ed-chan aufwacht…< Entschlossen ging ich weiter. >Hoffentlich sind Colonel Mustang, First Lieutnant Hawkeye und Doktor Brown nicht im Zimmer…sonst darf ich mir wirklich noch eine Standpauke anhören…Ah, da ist es ja!< Leise lauschend legte ich ein Ohr auf die weiß gestrichene Tür. Eine Weile harrte ich in dieser Stellung aus. >Scheint keiner der anderen da zu sein. Okay, ich riskier es!< Ganz langsam drückte ich die Klinke hinunter und linste mit einem silbernen Auge ins Zimmer. Ein liebevolles und warmes Lächeln breitete sich auf meinen Lippen aus. Mein stählerner Cousin hielt die Hand des Älteren, der noch immer selig schlummerte, sanft in seiner. Mit der anderen Stahlhand zupfte er die Bettdecke zurecht. Sein Gesicht blickte unverwandt in das blasse Antlitz seines blonden Bruders, der leise etwas vor sich hinmurmelte. Ein paar Mal zuckte Eds Körper im Schlaf auf, um danach wieder ruhig in den Laken zu liegen. >Er muss ihn wirklich sehr lieben< mein Lächeln wurde noch eine Spur sanfter. >Und ich werde dafür sorgen, dass dieses Band zwischen ihnen niemals zerstört wird.< Vorsichtig, um jeden Lärm zu vermeiden, schob ich die Türe weiter auf, um durch den größeren Spalt in den Raum zu schlüpfen. Gerade als ich mich hereindrängte, knallte die Türe an einen Stuhl, den Jemand klugerweise dort hin gestellt hatte. Laut polternd fiel dieser auf den Boden und ließ Al erschrocken herumfahren. Mein Gesicht färbte sich ein wenig ins Rötliche und ich grinste meinen Cousin entschuldigend an, eine Hand erhoben, die ihm kess zuwinkte. Schnell griff ich nach dem Stuhl, stellte ihn aber vorsichtshalber neben die Türe. >Damit nicht noch Jemand über ihn stolpert…<

„Nee-san!“ Alphonse blickte mich ziemlich verdattert an.
 

>Sollte nee-san nicht im Bett liegen und sich erstmal ausruhen? Wieso ist sie denn plötzlich hier?< „Wa-… warum bist du hierher gekommen, nee-san? Ist irgendetwas passiert?“ flüsterte der stählerne Junge leise, da er befürchtete der Colonel, der First Lieutnant oder Doktor Brown könnten ihn hören. Aber das blonde Mädchen grinste ihn nur beruhigend an, bedeutete ihm, dass alles in Ordnung sei, zwinkerte ihm fröhlich zu und setzte sich an die andere Seite des Bettes.
 

Mit einem erleichterten Seufzen drapierte ich meine Arme auf die weiche Matratze meines kleinen Cousins. Mit einem sanften Lächeln schaute ich ihn an, dann wandte sich mein Blick ebenso liebevoll zu meinem stählernen Bruder. Dieser musterte mich immer noch fragend. Freundlich grinsend sah ich ihn an. „Ich habe dir doch versprochen, dass ich solange bei dir bleibe, bis Edo aufgewacht ist, weißt du noch, ototo? Deswegen bin ich zurückgekommen. Außerdem kann ich in meinem Zimmer keine Ruhe mehr finden, denn der Major stellt mit seiner Schnarcherei eine so erhebliche Lärmbelästigung dar, dass nur Jemand, der hochgradig schwerhörig ist, dort noch schlafen kann“, mein Lachen war fast ein wenig zu laut, erschrocken legte ich meine Finger auf den Mund und schielte vorsichtig zur Tür. Auch Alphonse lugte unwillkürlich zu dieser hin. Als nichts geschah, entspannten wir uns wieder.

Der stählerne Junge kicherte. Wahrscheinlich konnte er sich gut vorstellen, was mir vor wenigen Augenblicken widerfahren war.

„Hehe, okay. Aber geht es dir denn auch wirklich besser? Du siehst noch ziemlich blass aus, nee-san.“ Ich winkte leichtfertig ab. „Ach kein Problem, mir geht’s bes…“ >Hui! Ich glaube, es sollte mal Jemand das Karussell abstellen!<

Mein Blick verschwamm und machte der Dunkelheit Platz, die mich für wenige Sekunden gefangen hielt. Ich spürte, wie sich zwei stählerne Arme sanft um mich schlangen und mich behutsam in das Polster des alten Sessels hineinlegten.
 

Vorsichtig bettete Alphonse seine Schwester in die weichen Kissen des Sessels, die diesen komplett ausfüllten und musterte die blonde Frau besorgt. >Von einem Augenblick zum anderen ist nee-san kalkweiß geworden und fast nach hinten gefallen, wenn ich sie nicht im allerletzten Moment aufgefangen hätte.< Bei dem Gedanken, dass seine Schwester extra wegen ihm und seinem Bruder das Bett verlassen hatte, wurde ihm unwohl in seinem Herzen. >Zuviel hat sie schon auf sich genommen, zuviel geopfert für mich und nii-san.< Sein Blick begegnete den müden silberdurchwirkten Augen seiner nee-san. Mühsam versuchte sie sich aufzurichten, zischte aber schmerzvoll auf, als sich ihre Wunde am Bauch meldete. Krampfhaft krallte sich die junge Frau in die Kissen, Alphonse hörte sie schwer ein und aus atmen.

Schuldgefühle krochen dem eisernen Jungen den Hals hinauf. Leicht und schleichend klammerten sie sich an ihm fest und breiteten sich aus. >Das Letzte, was ich will, ist, dass es meiner nee-san schlecht geht.< Liebevoll legte er ihr eine Stahlhand auf die weißen Finger und ging langsam vor ihr in die Knie.
 

„Nee-san…sag mir die Wahrheit…der Grund deines Zustandes…das hat mit nii-san und mir zu tun, nicht wahr?“ Zerknirscht sah ich kurz zu Alphonse, dann aber auf die Seite, um seinem Blick auszuweichen. >Es war nur eine Frage der Zeit, bis er das herausfindet. Denn auf den Kopf gefallen ist Al-chan ganz gewiss nicht. Aber wie soll ich das erklären? Was klingt plausibel genug, um ihm keine Sorgen zu bereiten…ich weiß ja nicht mal selber, wie ich all diese Dinge bewerkstelligt habe…geschweige denn, was sie noch alles mit sich ziehen werden.< Seufzend lehnte ich meinen schweren und müden Kopf an das Rückenpolster des Sessels. >Sicher, eine Erklärung bin ich ihm schuldig, ihm und Ed-chan…< Ich holte tief Luft und wollte gerade den Mund aufmachen, als sich die Türe langsam öffnete. Vor lauter Schreck verschlossen sich meine Lippen augenblicklich und pressten sich fest zusammen.

Angstvoll weiteten sich meine Pupillen. >Oh nein, bitte nicht…<

Herein kam ein kleiner Mann mit graumelierten, ungekämmten Haaren, nichts ahnend was ihn gleich erwartete. In der einen Hand hielt er ein Klemmbrett, von dem er mit einer schwungvollen Geste den Stift riss, während seine braunen Augen, die reichlich übermüdet wirkten, über eine Brille mit dicken Gläsern sein Umfeld musterten. Sein Blick blieb an mir hängen. Unschuldig lächelte ich ihn an und winkte leicht mit einer Hand. >Jetzt kommt das Donnerwetter…< Doktor Browns Pupillen wurden vor Unglauben groß und hellwach. Wie ein aufgescheuchtes Suppenhuhn, das dem Kochtopf entkommen will, sprang er fast zwei Schritte weit nach hinten und starrte mich leicht tadelnd an. Nervös blickte ich den älteren Herrn an, aber eigentlich war ich mir keiner Schuld bewusst, denn ich hatte doch Alphonse versprochen hier zu sein, wenn Edward aufwachte.

Mein stählerner Cousin stand zwischen mir und dem Mediziner, der mit fast übertrieben ruhiger Miene seinen Arztkittel glatt strich. Al’s Augen ruckten ängstlich hin und her. >Al-chan hat wohl mehr Angst vor einer Standpauke als ich< Beunruhigt schluckte ich einen Kloß meinem Hals hinunter.

Aber die erwartete Standpauke blieb aus. Mit überrascht hochgezogenen Augenbrauen verfolgte ich, wie Doktor Brown grinsend den Kopf schüttelte, sich den Stuhl mit einem lauten Seufzer heranzog und sich schmunzelnd auf diesen fallen ließ.

„Das ist einfach unglaublich“, stellte er fest und fuhr sich mit den Fingern durch sein schütteres Haar. „Du bist die erste Patientin in meiner langen Laufbahn als Arzt, die sich meinen strikten Anweisungen einfach widersetzt. Und das auch noch wissentlich und vorsätzlich. Aber...aus irgendeinem Grund kann ich dir einfach nicht böse sein, so sehr ich es auch versuche.“ Nach diesen Worten lachte er meinen Bruder und mich fröhlich an. Ich konnte spüren, dass es sich um ein befreiendes, ehrliches und von Herzen kommendes Lachen handelte. >Genau wie für Alphonse und mich, waren auch für ihn die letzten Stunden alles andere als schön. Seine Kollegen haben Dutzende von Patienten verloren, so viel, wie an keinem anderen Tag. In seinem Krankenhaus hat der Ausnahmezustand geherrscht und ihm wäre fast sein Patient unter den Händen weggestorben. Daher gönne ich ihm dieses Lachen aus tiefster Seele.< Ich grinste den alten Mann verschmitzt an. Auch Al schmunzelte erleichtert auf.

„Aber eines musst du mir versprechen“, unterbrach Doktor Brown die aufgelockerte Stimmung. Aufmerksam schaute ich ihn an und nickte fragend. „Sobald dein Cousin aufgewacht ist, möchte ich dich nicht mehr hier sehen, verstanden?“ „Wird erledigt, sobald Edo aufwacht, bin ich weg!“ grinsend neigte ich meinen Kopf zur Seite. Meine Augen wandten sich meinem blonden Cousin zu, der noch immer unter seiner Decke schlummerte. >Eigentlich hätte er schon längst wieder zu sich kommen müssen.< Ich wurde besorgt um ihn. >Na ja, sein Körper hat viel durch gemacht, er braucht wahrscheinlich noch einige Zeit um sich vollständig zu regenerieren.< mit diesen Gedanken beruhigte ich mich ein wenig. „Ich wollte…“ etwas verwirrt sah ich umher. >Wo ist denn Doktor Brown hin?< Irritiert begegnete ich dem Blick von Alphonse, der meine Miene gleich richtig deutete.

„Doktor Brown ist schon wieder gegangen, allerdings nicht, ohne mir noch ausdrückliche Anweisungen zu gegeben, darauf zu achten, dass du dann auch wirklich wieder auf dein Zimmer gehst und dich ausruhst.“ Als ich nicht sofort etwas darauf erwiderte, hakte er nach.

„Nee-san ... hörst du mir überhaupt zu? Du scheinst mit deinen Gedanken vollkommen woanders zu sein.“
 

„Was?“ leicht erschrocken zuckte die junge Frau zusammen, als Al sie darauf aufmerksam machte. Mit betrübter Miene musterte der Stahlgigant das Mädchen mit den blonden Haaren, die in der Vormittagssonne golden glänzten. Jedoch brachte das warme Licht noch einige Dinge mehr zum Vorschein. Das weiche Gesicht seiner nee-san war blass und die leicht rötlichen Wangen eingefallen, unter ihren silberfarbenen Augen hatten sich dunkle Schatten gebildet, als wäre sie um Jahre gealtert. Leicht erschöpft wischte Lina einige widerspenstige Strähnen aus ihrem Antlitz und klemmte diese hinter das Ohr.

Ihn ließ das unbestimmte Gefühl nicht los, dass das mit den Dingen zusammenhing, die geschehen waren. >Beim ersten Mal, als sie nii-san geholfen hat, als wir von den Homunculi gefangen genommen wurden. Dann, als nii-san fast gestorben wäre…dieses mächtige und kraftvolle Licht, das nee-san und ihn umgeben hat. So etwas hab ich noch nie gesehen, geschweige denn, gespürt. Und dann vor einigen Stunden…wäre nee-san nicht gewesen…< er schüttelte sich und mochte gar nicht daran denken, was alles seinem Bruder und ihm hätte passieren können. >Wieder ist dieses Licht aus ihrem Körper hervorgetreten, wieder war ich Zeuge dieser unglaublichen Macht, die von nee-san ausgeht. Aber wie ist so was möglich? Noch nie bin ich einem Alchemisten begegnet, der über solche Kräfte verfügte. Nii-san ist ja schon eine Ausnahme unter ihnen, aber auch seine Kraft hat Grenzen<

Den Jungen beschlich die schreckliche Befürchtung, dass das Geheimnis ihrer unglaublichen Macht mit etwas Furchtbaren verbunden war. Einem Opfer, das seine nee-san dafür bringen musste. >Etwas, dass sie mir bestimmt nicht so ohne weiteres erzählen wird<, resigniert und traurig ließ Alphonse die Schultern hängen. Sein Blick glitt zu seinem blonden Bruder hinüber, vor dessen Bett er sich wieder hinkniete.
 

Ich spürte, wie Al-chan über etwas grübelte, das mich betraf. Nervös knabberte ich an meiner Unterlippe. >Er muss mittlerweile begriffen haben, dass das was ich für ihn und Edo getan habe, für einen normalen Alchemisten komplett unmöglich ist, ohne etwas dafür herzugeben. Doch ich bin nicht wie jeder andere, mir sind solche Dinge möglich. Allerdings muss auch ich etwas Wertvolles opfern…doch um welches Opfer es sich handelt, kann ich meinen Cousins niemals anvertrauen…ich würde es nicht über das Herz bringen, ihnen davon zu erzählen. Wenn sie eines Tages erfahren, dass ich nicht mehr lange zu leben habe und auch noch aus dem Grund, weil ich ihnen geholfen habe…nein, darüber darf ich gar nicht nachdenken, was dann geschieht.<

Inständig hoffte ich, dass mein stählerner Cousin mich nicht danach fragte. >Ich weiß nicht, was ich ihm für eine Antwort geben soll und anlügen will ich ihn wiederum auch nicht…was soll ich also tun…Also bitte, Alphonse, bitte frag nicht danach…BITTE! Doch er ist ja nicht der Einzige, der sich Gedanken darüber macht. Alle, die vorhin im Zimmer waren, haben es mitbekommen, sind Zeugen der Ereignisse geworden…ihnen muss ich auch allen Rede und Antwort stehen…allen voran Colonel Mustang, davor kann ich mich leider nicht drücken…wie gerne ich es auch täte< Ich stöhnte genervt auf. Langsam blickten meine Pupillen auf den Körper meines blonden Bruders. >Doch am meisten ängstigt mich der Moment, in dem mein kleiner Cousin die Augen aufschlägt. Natürlich freue ich mich wahnsinnig wenn er aufwacht, aber andererseits hab ich auch ein kleines bisschen Angst davor. Ihm wird es am wenigsten verborgen geblieben sein, was ich getan habe…< leise seufzte ich müde auf.

„Du, nee-san?“ Die Stimme von Alphonse ließ mich blitzschnell herumfahren. Kalter Schweiß bildete sich auf meiner Haut und ich fühlte, wie es meinem Rücken eiskalt hinauf und heiß wie die Glut hinunter fuhr. >Al-chan, du kannst mich alles…alles fragen, was du willst, aber nicht DAS!< flehte ich ihn gedanklich an.

Ich drückte meine Nervosität schnell die Kehle hinunter, fast hätte ich mich an ihr verschluckt. Hustend und nach Luft schnappend nickte ich dem stählernen Jungen auffordernd zu, doch weiter zu reden. Ein klein wenig beunruhigt blickte Al mich an, neigte dann den Kopf und flüsterte:

„Als ich versucht habe, nii-san zu helfen, da ist etwas passiert ... ich habe Dinge gesehen, Dinge, die nicht ich erlebt habe...Erinnerungen...von nii-san und…dir. Ich habe mit erlebt, was in jener Nacht, als wir unsere kaa-san wiedererwecken wollten, alles geschehen ist, nachdem sich mein Körper aufgelöst hat.“ Stumm blickte er niedergeschlagen auf seinen älteren Bruder, vorsichtig strich er ihm über seinen metallenen Arm. Zur gleichen Zeit atmete ich erleichtert auf. >Puh! Es gibt also noch etwas anderes, über das mein Bruder sich Gedanken macht…aber es macht mich sehr traurig…Die Sache von damals, lässt ihm keine Ruhe, wie auch Ed plagen ihn Schuldgefühle…aber das braucht er nicht…er und Edo nicht…sie waren doch noch Kinder…<

„Ich habe den Schmerz gefühlt, den nii-san empfunden hat, ich habe die Worte gehört, die er gesprochen hat...dass er alles dafür geben würde, mich zu retten...sogar sein Herz hätte er dafür geopfert.“ Langsam sah er auf und fixierte mich mit einem traurigen Blick. >Diese Augen…diese Trauer in ihnen…< Es versetzte mir viele feine schmerzvolle Stiche ins Herz, mein Umfeld verschwamm, aber ich unterdrückte es.

„Ich bin dankbar dafür, was er getan hat, dass er für mich seinen Arm geopfert hat, damit ich weiterleben kann, aber wenn ich ehrlich bin...hätte ich noch einmal die Wahl gehabt, ich hätte mich...für…den Tod entschieden.“ Entsetzt schrie ich auf, sprang vom Sessel und eilte zu meinem Cousin. Dieser wandte kummervoll sein Antlitz von mir ab, nachdem er meine Reaktion bemerkte. Zu Tode betrübt ließ ich mich neben ihm nieder. Zart nahm ich Al’s Hand in die meine und drückte sie sanft, doch er vermied es noch immer, mich anzusehen. „Al-chan! So etwas darfst du nicht sagen, hörst du?! Dein Bruder hat dich zurückgeholt, weil er dich über alles liebt! Deswegen hat er auch etwas Wertvolles dafür geopfert, um dich zu retten! Du hast doch seine Worte vernommen, oder nicht?! Du bist das Einzige, was ihm noch geblieben bist, das, was ihm am wichtigsten auf dieser Welt ist! Deswegen ...“ ich lehnte mein Gesicht an seine Schulter und die Tränen tropften auf das Metall und perlten unbarmherzig auf den Boden. Leise schluchzte ich und krallte meine Finger fest um Alphonse Stahlhand. >Ich kann nicht fassen, was er da sagt. Die beiden brauchen einander…wie die Erde die Sonne braucht…keiner kann ohne den anderen existieren. Al ist für Ed die Familie, die er so sehr vermisst.<

Plötzlich spürte ich etwas Kaltes an meiner Wange, die sanft über sie strich. Mein verschleierter Blick ruckte erschrocken hoch. Alphonse hatte eine Träne mit seinem Finger aufgefangen, die in der Morgensonne wie ein schillernder Diamant glitzerte.

„Bitte...nicht weinen, nee-san. Ich wollte dich damit nicht traurig machen, aber...manchmal denke ich wirklich darüber nach, ob es so nicht besser gewesen wäre, wenn ich...wenn er mich da gelassen hätte, wo ich in jener Nacht hingerissen wurde.“ „Aber, AL…“, flink legte sich ein Stahlfinger auf meine Lippen, der meinen lautstarken Einwand stoppte. Seine Pupillen leuchteten sanft auf und er schüttelte den Kopf. „Ich weiß, dass er es nicht hätte verwinden können, wäre ich damals tatsächlich gestorben, aber ihm wäre eine Menge erspart geblieben. Als ich nach der Seelentransmutation in dieser Rüstung erwachte und ihn sah, dachte ich, dass er das nicht überlebt. Die ganze Zeit über hatte ich schreckliche Angst um ihn, dachte, dass ich ihn verlieren würde. Aber nii-san hat einen eisernen Willen, er gibt nicht so schnell auf, wie ich immer wieder erlebt habe, so auch hier nicht. Aber was dann danach noch alles folgte...wie er sich dann für die Automail entschieden hat...es…es tut mir jedes Mal selbst in der Seele weh, wenn ich an die Schreie von damals denke, wie er versucht hat, die Schmerzen wegzustecken. Verstehst du, nee-san? Ich hätte mir nur für ihn gewünscht, dass sein Leben anders verlaufen wäre, ohne all diese schrecklichen Dinge, die er erlebt hat und durchleiden musste.“

Schniefend wischte ich mir die letzten Tränen von den Wangen. >Sicher, ich kann seine Ansichten verstehen, aber andererseits…VERDAMMT!< Ich ballte eine Faust und schlug sie mit voller Wucht in die Matratze, das diese laut aufquietschte. Kurz funkelte ich meinen stählernen Cousin wütend an. Alphonse erschrak sehr heftig unter meinem Gefühlsausbruch, seine Haltung glich dem einer verängstigten kleinen Katze.

>Warum haben sie das auch tun müssen? Warum hat sie niemand aufgehalten…am liebsten würde ich ihnen jetzt beiden den Hintern versohlen…aber sie haben schon mehr als genug gelitten…<

„Nee-san...bist du…bist du nun wütend auf mich?“ flüsterte er fast ängstlich und ziemlich zerknirscht sah mich Al nach meiner Matratzen-hau-Aktion an. „Nein...äh, ja...nein…ach, ich weiß auch nicht so richtig“, ächzte ich leise auf und massierte mir die pochende Stirn. >Mir ist immer noch schwindelig, hoffentlich hört das jetzt bald auf…< Mein silberner Blick glitt zu Alphonse und leicht strich ich ihm über die Wange. „Aber ich möchte, dass du so etwas wie von vorhin nie wieder sagst, geschweige denn denkst! Du bist wichtig und unverzichtbar auf dieser Welt, Alphonse, denk immer daran. Egal, was Edo für dich durchleiden musste, er hat es für dich getan, denn schließlich habt ihr beide euch ein Ziel gesetzt und es ist nicht unmöglich, was ihr damit erreichen wollt. Deswegen ist es auch wichtig, dass du das Leben gewählt hast und nicht den Tod!“

Betreten sah Alphonse auf den Boden, drückte verlegen die Zeigefingerspitzen zusammen. >Ich habe wohl genau dass erreicht, was ich wollte< leicht grinste ich den Jungen vor mir an.

Eine ganze Weile herrschte eine bedrückende Stille, wir hörten nur das Atmen meines kleinen blonden Bruders.

„Kaa-san…kaa-san hat nie erzählt, dass sie eine Schwester hatte…und noch eine, die ihr so ähnlich sah…“, mein Kopf ruckte bei der kindlichen Stimme von Al blitzartig in die Höhe. Gequält stöhnte ich auf und hielt mir schmerzverzerrt den Kopf. Kleine bunte Sterne hüpften vor meinen Augen herum. >Verdammt, wenn ich nicht aufpasse, werde ich gleich wieder einen Filmriss bekommen. Nein…nein…allmählich bekomme ich Übung in solchen Dingen…< seufzte ich leicht genervt auf und massierte mir kräftig die Schläfen.

Blickte auf. Ich sah alles durch einen rötlichen Schleier. Wie mein stählerner Cousin auf mich zu eilte und sich vor mir auf die Knie sinken ließ. Ich blinzelte mit den Augen, in der Hoffnung die Nebel vor ihnen wegzubekommen, aber vergeblich. Währenddessen redete Alphonse auf mich ein. Das Komische an der Sache war, dass ich ihn nicht verstand, für mich bewegte er nur die Lippen, aber kein Ton war zu hören. >Was…wie…ich versteh nichts…Mist!< Das Rot wurde immer mehr zu einem schwarzen Schleier, der meine Sinne schwächen wollte. >Entweder ich gebe mich jetzt der Dunkelheit…dieser einladenden Dunkelheit hin, oder ich bleibe in dieser schwindelerregenden, kopfschmerzzufügenden Welt, die mich anscheinend sehr lieb hat. Die Frage ist nicht schwer zu beantworten…Hallo Kopfschmerzen, hier habt ihr mich!< begrüßte ich diese im Stillen. Im nächsten Moment spürte ich zwei Hände, die mich an den Schultern packten.

„Ahh, Al! Hör auf…mich…zu schütteln! Mir wird sonst schlecht…“, bat ich meinen stählernen Cousin, der vor lauter Panik an meinen Schultern rüttelte und schüttelte, als wäre ich eine geschlossene Türe oder ein Milchshake. Leicht würgte ich.

Schnell ließ er mich los. „Ich hab nur gedacht...du hast die Augen so verdreht…ich dachte, du kippst wieder um“, entschuldigte sich Alphonse kleinlaut. Die Schleier hatten sich gelegt und ich sah wieder normal. Leicht schmunzelte ich, sanft legte ich meinem Gegenüber die warmen Finger auf seine kalte eiserne Wange. Verblüfft blickte er mich an, sein Gesicht wurde leicht rosa angehaucht.

„Ich mache dir doch auch keinen Vorwurf, ich wollte nur verhindern, dass hier gleich jemand wischen musst, weißt du?“ lachte ich ihn keck an, zwinkerte fröhlich und lehnte mich dann an das Bett meines blonden Cousins. Ich streckte meine langen Beine aus, wandte mein Gesicht liebevoll Al zu und kam zu seiner Feststellung zurück.

„Du hast sie gesehen, nicht wahr?“ „Hai.“ nickte er. Lächelnd sahen meine silbergrauen Augen ihn warm an. „Dieser Tag war ein ganz besonders schöner in meinem Leben. Einige Monate später waren es leider nur noch Erinnerungen…“

„Warum, nee-san?“ mein Blick begegnete einem fragenden Augenpaar. Leise seufzte ich sehnsuchtsvoll auf. >Mama-san…oba-san…oji-san<

„Einige Wochen, nein ich glaube, es waren sogar Monate, bevor meine Mutter und ich Rizenbuhl verließen. An einem besonders schönen Wintertag habe ich alle das letzte Mal zusammen gesehen. Ed-chan, Trisha“, ich kicherte, „ Al-chan und...“

„…Too-san!“ Seine Stimme klang eigenartig, so als hätte er dieses Wort heute zum ersten Mal ausgesprochen. Unwillkürlich runzelte sich meine Stirn nachdenklich. >Ich weiß, dass oba-san…also die Mutter der Beiden gestorben ist, aber was wohl aus oji-san geworden ist? Darüber habe ich mir keinerlei Gedanken gemacht. Am Tonfall von Alphonse ist ersichtlich, dass etwas vorgefallen sein muss, was Onkel Nathan und die Jungs betrifft.<

„Ähm, Al...wer hat sich eigentlich nach dem Tod eurer Mutter um euch gekümmert? Was war mit eurem Vater? Ist er nicht für euch da gewesen?“ fragte ich sehr vorsichtig, denn ich wollte nicht in einem Fettnäpfchen landen, was doch manchmal vorkam.

„Too-san...er hat uns verlassen, kurz nachdem ich geboren wurde. Ich habe ihn nie richtig kennen gelernt...Auntie hat uns aufgezogen, sie ist die Großmutter unserer Freundin Winry.“ Seine Stimme hatte einen bitteren Unterton. Tröstend reckte ich meine Hand zu ihm hinüber und strich ihm sanft über die Stahlfinger. „Kaa-san sagte, es wäre wegen des Krieges gewesen und wenn dieser vorbei wäre, dann würde er zu uns zurückkommen. Aber er kam nicht, die ganzen Jahre nicht…nicht einmal ein Brief.“ Traurig senkte der stählerne Junge seinen Kopf. Mitfühlend blickte ich ihn an, streichelte zart über seine Hand und flocht seine Finger zwischen meine. >Ich verstehe meinen kleinen Cousin gut…es erinnert mich sehr an meinen Vater, den ich auch nie kennen gelernt habe.<

„Ich wünsche mir heute noch, dass er irgendwann doch noch zu uns zurückkehrt, schließlich wird er nicht vergessen haben, wo sein Heim war. Zu gerne würde ich ihn kennen lernen, weißt du, nee-san, ich kenne ihn nur von Fotos. Nii-san hatte mehr von ihm, aber...“, plötzlich hielt er inne und drückte nervös unsere Finger zusammen, fast ein wenig zu fest, aber es störte mich nicht. Ich blickte zu ihm auf. Seine Miene verriet, dass er nicht so recht wusste, wie er weiterreden sollte.

„Aber…?“ munterte ich ihn zum Sprechen auf und lächelte ihn liebevoll an.

„Nii-san...will ihn...nie wiedersehen.” flüsterte Alphonse fast unhörbar. Verwundert hoben sich meine Augenbrauen. „Warum denn nicht?“ >Das versteh ich nicht…Warum denkt Al-chan so und sein Bruder anders?< Alarmierend ruckte Al’s Kopf in Richtung Edo hinüber, er wollte wohl sicher gehen, dass der Ältere schlief. >Ob er wohl Angst hat, das Ed-chan das nun Mitgeteilte hört?<

„Er hasst too-san…“, hörte ich die bekümmerte Stimme des Stahlgiganten. „Er hat ihm nie verziehen und er wird es auch nie tun. Nii-san macht unseren Vater für den Tod von kaa-san verantwortlich. Er sagt, sie sei an gebrochenem Herzen gestorben.“ Fassungslos starrte ich Al an. Konnte nicht glauben, was mein Hirn da verarbeitete. >Die ganze Zeit habe ich angenommen, oba-san wäre an einem schweren Leiden wie mama-san gestorben…an etwas, das sich nicht aufhalten lässt…nicht heilbar ist. Oftmals ist es eben besser mit einer Illusion zu leben, als die Wahrheit zu kennen…denn diese stößt einem immer wieder bitter auf. Aber dass die beiden so unterschiedlich für ihren Vater empfinden, wundert mich doch sehr. Natürlich haben die beiden Brüder unterschiedliche Charakterzüge und ein anderes Wesen, was uns ja erst zu Individuen macht…aber trotzdem…ich dachte, sie würden beide das Gleiche für ihren too-san empfinden< Aber aus irgendeinem Grund schien Edo den Tod seiner Mutter nicht so gut verkraftet zu haben, wie sein jüngerer Bruder. >Sicher war oder ist es für Kinder in diesem jungen Alter alles andere als leicht, auch noch die Mutter zu verlieren, wenn schon der Vater nicht mehr bei seiner Familie ist.< Irgendwie konnte ich Ed-chan auch verstehen…>Darum also ist oba-san gestorben…<, auch ich war manchmal wütend auf meinen Vater…aber ihn aus tiefster Seele zu hassen? >Was, wenn euer too-san nicht mehr zu euch zurückkehren kann? Wenn er selber krank geworden ist? Oder es ihm nicht möglich ist, zu euch zu kommen? Was immer auch der Grund für sein Fernbleiben ist, Al-chan will ihn unbedingt sehen…er wird seinem Vater verzeihen< das spürte ich tief in meinem Herzen. Lächelnd neigte ich den Kopf zur Seite und sah in Alphonses Augen. >Er ist so ganz anders als unser Kleiner…er hört den Menschen zu, vertraut ihnen und sieht in allen einen guten Kern, mögen sie noch so schlecht sein.<

Leise kicherte ich. Verwirrt starrte Alphonse in meine Richtung. „Nee-san?“ „Es ist nichts, kleiner Bruder.“ liebevoll grinste ich an. Mein Blick wandte sich Edo zu. >Sie sind wirklich wie Tag und Nacht. Der eine ruhig und besonnen, der andere ungeduldig und aufbrausend…aber trotz ihrer Unterschiede, ergänzen sie sich in allen Situation perfekt. Gegensätze ziehen sich also doch an.<

„Sag ihm aber bitte nicht, dass ich es dir verraten habe, ja, nee-san?“ Alphonses Stimme riss mich aus meinen Gedankengängen. Trotz der wärmenden Sonnenstrahlen, die mich umschmeichelten, fror ich unangenehm…eine Gänsehaut machte sich auf meiner blassen Haut breit. Schnell steckte ich meine Hand in die Ärmel des angenehm kuscheligen Frotteemorgenmantels und grinste meinen stählernen Cousin frech an. „Kein Problem, Al-chan, ich sage nichts. Meine Lippen sind versiegelt. Ich haue doch nicht meinen Cousin in die Pfanne. Dann haben wir halt ein kleines Geheimnis vor Ed.“ Keck zwinkerte ich ihm zu und drückte sanft seine Finger zusammen. >Scheinbar ist es keine gute Idee, Hohenheim-san ins Gespräch zu bringen, wenn Ed anwesend ist. Es ist gut, dass mich Alphonse vorgewarnt hat…sonst wäre ich vermutlich noch in ein großes…seeehr großes Fettnäpfchen getreten.< Müde streckte ich meine Arme in die Höhe und gähnte dem Vormittag herzhaft und kräftig entgegen. Reckte mich ausgiebig wie eine Katze nach dem Mittagsschlaf und schüttelte dann wie ein nasser Hund meinen Kopf, dass die Haare nur so herumflogen und ich wie ein alter Wischmopp ohne Stiel aussah. So guckte ich zu Al hinüber, der schnell eine Hand vor den Mund hielt, leise anfing zu prusten und dann laut kicherte. Frech streckte ich ihm die Zunge heraus und begann ebenfalls zu lachen. >Ich habe vollkommen vergessen, wie gut es doch tut ausgiebig zu lachen und zu scherzen.< Als wir uns einigermaßen beruhigt hatten, seufzten wir nacheinander erleichtert auf. >Es fühlt sich so an, als wäre uns eine Zentnerlast vom Herzen genommen worden< Die einkehrende Stille ließen wir auf uns wirken…sie war keinesfalls bedrückend, sondern angenehm und beruhigend.

Ich beobachtete, wie die Sonne langsam am Horizont höher stieg und sich der Innenhof des Krankenhauses stetig füllte. Die Besucher kamen und gingen, es wirkte wie ein steter Fluss, der kein Ende nahm. >Sie genießen die letzten warmen Sonnenstrahlen des Jahres.< Die Vögel zwitscherten ihre schönsten Melodien, lächelnd beobachtete ich eine alte Dame im Rollstuhl, die mit voller Hingabe die kleinen Piepmätze fütterte. Ein liebevolles Schmunzeln kräuselte ihre Lippen und ließ sie gleich ein paar Jahre jünger erscheinen. >Wenn diese vielen Dinge nicht geschehen wäre, würde ich glatt behaupten, hier ist der Himmel auf Erden.< Ich fühlte mich, trotz der aufsteigenden Kälte in mir, wohl und geborgen. Ein gutes Gefühl, dass ich schon lange nicht mehr gehabt hatte. >Endlich habe ich die Menschen gefunden, die mir am wichtigsten sind…meine Familie< einige Tränen kullerten meine Wangen hinunter und benetzten meine blasse Haut. >Auch wenn meine Familie nicht aus vielen Mitgliedern besteht, so sind mir die Beiden das Liebste und Teuerste auf dieser Welt, das ich habe.< ich wandte mich um und blickte auf den Blonden hinunter, legte mein Kinn auf die Hände und grinste zärtlich. >Ed trägt sein Haar genau wie sein Vater< kicherte ich verschmitzt. Meine Augen wandten sich Alphonse zu. >Er hat viel von seiner Mutter…ihre freundliche, zurückhaltende und warmherzige Art, ebenso einen Teil ihres Aussehens. Die großen offenen und sanften Augen sind das Erbe von Trisha-san, seine Mimik ist der ihren sehr ähnlich…< Schlapp fingerte ich nach einem Kissen, das auf dem wunderbar weichen Sessel lag. Sehnsüchtig guckte ich diesen an, war aber zu müde, um noch ein Glied meiner Füße zu bewegen. Ich drapierte das Kissen unter mein Kinn, das sich weich und flaumig an mein Gesicht schmiegte. Halb versank ich in ihm. Schläfrig blickte ich nochmals zu meinem stählernen Cousin hinüber, dieser rührte sich nicht und gab keinen Laut mehr. >Er döst wohl schon. Auch wenn ihm in diesem Zustand keine richtige Ruhe vergönnt ist, er braucht doch hin und wieder mal eine Entspannungsphase, in dem er neue Kraft tankt.< Die Müdigkeit umarmte mich zärtlich und wohlige Schauer prickelten über meine Haut. Immer schwerer fiel es mir, die Augen offen zu halten. >Ich darf nicht einschlafen…muss wach bleiben< Leicht kniff ich in meine Wange. „Autsch!“ ich strich mir über die schmerzende Backe. Dann legte ich meine Hand auf die meines schlafenden blonden Bruders und umklammerte sie. Die Schleier des Schlafes wurden dichter und ich konnte mich kaum noch wehren. Mein Körper verlangte nach Ruhe, die ich ihm wohl geben musste. „Aber noch nicht jetzt…noch…nicht…“

Die Geräusche wurden leiser, wie in Watte gepackt hörten sie sich an. Das Letzte das ich noch deutlich wahrnahm, war die Wärme des Kissens. Sanft schlossen sich meine Lider und ich fiel in Morpheus Arme.
 

Von einem Augenblick zum anderen wurde es im Krankenhauszimmer ruhig und still. Nur ein leises Summen war zu hören.
 

Was mag wohl dieses Summen bedeuten? Und wird Ed nun bald aufwachen? Was wird noch passieren? *grins* Ja, ich und meine gemeinen Fragen *evillaugh*

Ich wünsche euch noch ein schönes Wochenende, habt viel Spaß in der neuen Woche

Liebe Grüße

eure Mariko und Lina

Während du schliefst...

Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen...
 

Während du schliefst…
 

Eine kleine Fliege brummte einsam durch den kalten weißen Raum und blieb zunächst auf einem großen Metallberg sitzen. Einige Male summte sie und putzte sich die Flügel. Enttäuscht darüber, dass es bei diesem Wesen nichts Interessantes gab, flog sie weiter, um sich ein neues Ziel zu suchen.

Einige Irrflüge später ließ sie sich auf der weichen Haut einer jungen Frau nieder und fuhr augenblicklich ihre Tastorgane aus, um das wohlschmeckende Salz der Hautoberfläche aufzunehmen. „Blödes Mistviech!“ grummelte es aus dem Mund des Mädchens und eine Hand mit langen Fingern näherte sich dem kleinen Insekt, das erschrocken aufflog, um nicht als Brei zu enden. Ein wenig angeschlagen beschloss sie auf der kleinen Nase eines blonden Jungen ihre Pause einzulegen, um ein wenig Kraft zu schöpfen. Sie landete darauf und tippelte ein wenig umher. Die Nasenspitze zuckte und ruckte. Plötzlich legte sich ein Schatten über das Geschöpf und eilig musste es flüchten, um nicht wirklich noch als Fliegenmus zu enden. Das Objekt der Gefahr landete mit einem lauten Platschen auf der Nase, dort wo vor wenigen Sekunden die kleine Fliege gesessen war.

Mit einem protestierenden „Aua!“ öffnete der kleine Blonde seine goldenen Augen und suchte den Übeltäter, der aus den eigenen Reihen kam. Dieser lag ruhig und unschuldig auf der Decke des Bettes.

Müde blinzelnd rieb sich Ed die Augen aus und gähnte dem Vormittag herzhaft entgegen. Im nächsten Moment wurde ihm aber schmerzlich bewusst, wo er sich befand und was in den letzten Stunden passiert war. Mit einem schnellen Ruck fuhr er hoch und keuchte schmerzerfüllt auf. Er hielt sich kurz die Seite, die wie Feuer brannte. Vorsichtig schob er das Krankenhaushemd hoch und erstarrte. >Die Wunde, die mir dieser verdammte Envy netterweise zugefügt hat, ist ja bereits vernarbt…wie…aber…aua…sie schmerzt, als wäre sie erst einige Stunden alt…ist sie das nicht auch?!< Völlig verwirrt hielt sich der Junge den brummenden Kopf, viele Bilder schwirrten in seinen Gedanken herum…Bilder, die er nur schwer einordnen konnte.

Ganz irritiert ließ er die Hände wieder zurück auf die Matratze fallen, wobei seine Linke etwas Warmes und Weiches streifte. Erschrocken zog er sie wieder nach oben und blickte auf einen blond glänzenden Schopf hinunter. Das Gesicht lag halb verdeckt in einem viel zu großen Kissen. Leise grummelte die junge Frau etwas und grinste fröhlich auf.

„Nee-chan…“, flüsterte Ed überrascht und legte sanft seine Finger auf die blonden weichen Haare seiner Cousine. „Edo…“, murmelte Lina zart, aber sie schlief tief und fest. Ein Lächeln stahl sich auf die Lippen des Jungen.

Ein leises metallisches Kratzen ließ ihn herumfahren und verblüfft starrte er auf seinen stählernen Bruder, der sich ein wenig, um eine bequemere Position einzunehmen, gedreht hatte. Man sah auf den metallenen Lippen ein kleines Lächeln, ruhig döste der Koloss weiter. Ein feines „Nii-san“, hörte Edward. Unwillkürlich musste der Blonde zärtlich grinsen, das ein wenig Farbe in die blassen Züge des Jungen trieb und blickte seine Geschwister liebevoll an.

„…Alphonse…seid ihr etwa beide die ganze Zeit über hier gewesen?“ >Zu gerne würde ich mit ihnen reden, so viel fragen, aber...nee-chan sieht so müde aus und auch Al…wahrscheinlich haben die beiden kaum oder gar nicht geschlafen. Nein, ich werde sie nicht wecken, wir haben ja noch genügend Zeit, um zu reden.<

So beschloss der Junge auch noch einige Stunden zu schlafen, um seinem erschöpften Körper noch ein wenig Ruhe zu gönnen. Plötzlich stach ein brennender und tobender Schmerz in seine Brust. Ed krümmte sich, leise keuchte er auf und krallte seine Finger in das Hemd. >Was ist das nur für ein Schmerz?< Mit einem schnellen Ruck öffnete er es und starrte geschockt auf seine Brust. In seiner hellen Haut prangte ein hineingebranntes Zeichen. „Ein Blutsiegel!“ flüsterte der blonde Junge fassungslos. Er spürte in seinem Körper eine fremde Kraft, die ihm zusätzlich Energie schenkte. Oder genauer gesagt, die Kraft eines ihm nahe stehenden Verwandten. Näher als jeder andere.

„Al…“, ungläubig starrte er den stählernen Giganten vor seinem Bett an. Er konnte einfach nicht fassen, was dieser getan hatte. „Warum, Al?“ wisperte er kummervoll und spürte, wie sich seine Augen mit Tränen füllten. >Warum ist das geschehen? Was hat ihn zu so einer Tat getrieben?< Angestrengt konzentrierte er sich auf die Ereignisse und Bilder in seinem Hirn, aber sie waren zu verwirrend. Er konnte nichts damit anfangen. Leise seufzend legte er seine Automail auf seine Stirn.

Auf einmal berührten weiche warme Finger seine linke Hand und drückten diese sanft. Erstaunt hoben sich Eds Augenbrauen, er blickte auf das Mädchen, das zart und verträumt auflächelte. Ihn durchlief eine angenehme und wohltuende Wärme, die ihm Geborgenheit und Sicherheit gab. Sofort entspannte sich sein Körper und er erwiderte den sanften Händedruck. Leise kicherte die junge Frau. Langsam, um seine nee-san nicht zu wecken, zog er seine Finger unter der Hand hervor, strich der Blonden liebevoll einige Strähnen aus dem Gesicht, die die Nase der jungen Frau kitzelten und sie unwillkürlich Fratzen schneiden ließen. Als er ihre Stirn durch Zufall berührte, wurde es schlagartig kalt um ihn. Seine Haut fing Feuer und brannte heiß, als tausend feine Nadelstiche aus eisigen Kristallen seinen Körper gleichzeitig durchbohrten. Er schrie gequält auf und wandte sich Hilfe suchend seinen Geschwistern zu, aber der stählerne Riese und die junge Frau reagierten nicht. Es schien, als wäre die Zeit eingefroren und nur für den Blonden selber lief sie weiter, unbarmherzig…rücksichtslos. Erschrocken stellte er fest, dass seine Finger mit der Stirn seiner Cousine verschmolzen schienen. Angst kroch in ihm hoch, die sich in seinem Innern ausbreitete und größer wurde, ihn fast verschlang. >Was geschieht hier nur?< Panisch glitten seine goldenen Augen im Raum umher, aber was sollte er tun? >Ich möchte nee-chan nicht verletzen, indem ich mich gewaltsam von ihr löse…< Grausame Kopfschmerzen überfielen ihn und er hielt sich krampfhaft mit der Automail die pochende Schläfe. Die verwirrenden Bilder, die vor wenigen Augenblicken noch wild in seinem Inneren herumgewirbelt waren, ordneten sich langsam, wie von Geisterhand und bekamen nun einen Sinn. Entsetzt und mit Tränen in den Augen verfolgte er, was geschehen war, als sein Geist nicht mehr Herr seines Körpers gewesen war. Edward sah, wie Lina verzweifelt versuchte, seine langsam entschwebende Seele in seinem Leib zu binden. Er fühlte ihre Angst, ihre Pein, ihre Trauer, ihre Panik und ihren Wunsch, ihn nicht zu verlieren. Aber noch etwas anderes spürte er. Das warme Leuchten, ihre Kraft…ihre Lebensenergie wurde schwächer, als würde eine Kerze flackern, die von einem eisigen Windstoß erfasst und gegen den Tod ankämpfte. Dann hörte er Al’s panische Schreie, jedes einzelne Wort seines Bruders versetzten ihm nie heilende Schnitte in seine Seele. Verzweifelt versuchte er, diese Bilder von sich abzuschirmen, sie aus seinem Inneren zu verbannen. Verbissen wehrte er sich gegen die Wucht dieser auf ihn einströmenden Erinnerungen, die ihn überfluteten wie eine riesige Welle die Küste. Doch es war vergebens, solange er mit dem Geist seiner Cousine verschmolzen war, gab es keine Möglichkeit für ihn zu entrinnen. Plötzlich verschwamm alles vor seinen Augen und setzte sich neu zusammen. Seine goldenen Pupillen weiteten sich vor Angst und Panik, als er seinen Bruder dabei beobachtete, wie er ihm das Hemd aufknöpfte und etwas auf seine linke Brust zeichnete. Entschlossen legte Alphonse die stählernen Hände auf den Körper und drückte sanft zu.

„Nein…Al…“, wimmerte Edward kummervoll und stöhnte traurig auf. Er fühlte tief in seinem Herzen, die Hilflosigkeit seines jüngeren Bruders, den innigen Wunsch, ihm zu helfen und ihm Kraft zu geben. Jedoch spürte er auch die Erkenntnis, dass der stählerne Junge etwas opfern musste, das er wahrscheinlich nie wieder zurückerhalten würde. >Al hat es nicht unüberlegt getan, er wusste, was passieren würde…ihr Beiden habt so viel für mich getan und so…viele Verluste hinnehmen müssen< Es schmerzte ihn sehr, er konnte dies nie wieder gut machen.

>Wieso bin ich nur fort gelaufen?< klagte er sich selbst an. >Wäre ich geblieben, hätte ich mich nicht als Freiwild für die Homunculi präsentiert und vielleicht…wäre dann alles anders gelaufen.<

Mit entsetzt geweitetem Blick stellte er mit einem Mal fest, dass sich der Energiefluss zwischen ihm und seinem Bruder drastisch veränderte. Hatte er erst noch die Kraft von Alphonse widerstandslos akzeptiert, begann sich nun sein Körper dagegen zu wehren. So prallten die ungezügelten Kräfte der beiden Jungen aufeinander und begannen sich gegenseitig zu zerstören, die lebenserhaltenden Lebensenergien des anderen abzusaugen. Auch das helle angenehm wirkende Licht, welches aus den Fingern des Stahlgiganten ausströmte, hatte sich erschreckend verändert – es war nun von einer arktischen Kälte, schwarz und furchteinflößend. Die dunkelroten Blitze zuckten bedrohlich durch den Raum, ein wütender Wind fegte im Zimmer und ließ Gegenstände in der Luft herumwirbeln. Plötzlich bemerkte er, dass sich noch andere Personen im Krankenzimmer aufhielten. Angestrengt starrte er auf diese, aber immer wenn er dachte, er würde die Gesichter erkennen, verformte sich deren Antlitz zu furchtbaren und alptraumhaften Schemen.

Dann vernahm er einen markerschütternden Schrei aus einer weiblichen Kehle, der ihm einen eisigen Schauer nach dem anderen über den Rücken jagte. Seine Cousine hatte sich von einer Person gelöst und versuchte nun zu den beiden Jungen zu gelangen. Als sie durch den Schutzwall gedrungen war, zuckten die Blitze nervös und begierig über die Haut von Lina, schlugen Löcher in ihre Kleidung und hinterließen blutige Striemen auf der blassen Haut. Doch sie ließ sich nicht beeindrucken, mutig und entschlossen kämpfte sie sich voran, ohne darüber nachzudenken, was mit ihr geschah. Die Schuldgefühle in Edward wuchsen derweil ins Unendliche. >Zuviel ist in den letzten Stunden passiert, dass ich nicht mehr rückgängig machen kann, zu viele Menschen sind meinetwegen gestorben.<

Wenn er an die ganzen unschuldigen Frauen, Kinder und Greise dachte, schnürte es ihm seinen Hals zu und ein bitterer Geschmack legte sich auf seine Zunge. Und all das nur, weil… >Verdammt! Warum musste auch ausgerechnet Scar auftauchen? Wenn er nicht gewesen wäre, dann…< Kraftlos ließ er die Schultern hängen und leise schluchzend schüttelte er den Kopf. >Nein.<, dachte er verzweifelt. >Ich kann ihm nicht die Schuld daran geben. Es war meine eigene Verbohrtheit, die das alles hier angerichtet hat. Genau wie damals mit Mutter… Ach Al, es tut mir so leid.< Traurig senkte er den Kopf, so dass ihm die blonden Strähnen ins Gesicht fielen und seine kummervollen goldenen Augen verdeckten, die in Tränen schwammen. Leise und unschuldig glitzernd fielen diese auf die Zudecke, die er krampfhaft mit der Automail festhielt.

Er wollte nicht sehen, was noch alles geschah, doch widerstrebend hob er seine golddurchwirkte Iris und erstarrte. Sein Blick war von dem Geschehen gefesselt. Seine große Schwester hatte es geschafft, sich erfolgreich gegen die Blitze zu Wehr zu setzen und kniete nun vor seinem Bett. Ganz sanft legte sie ihre schmalen langen Finger auf die Stahlhände von Al und ließ ihrer unglaublichen Kraft freien Lauf. Edward spürte zu seinem großen Entsetzen, dass sich Linas Lebensenergie verringerte, wie ein warmer heller Schein, der immer kleiner wurde. >Nee-chan…< Aber sie schaffte es, den negativen Energiefluss abzulenken, ihn zum Erlöschen zu bringen und somit ihn und Alphonse zu retten. Sein Blick glitt zu seinem jüngeren Bruder und mit angstverzerrtem Gesicht bemerkte er die Risse in der Rüstung, einige haarfein, fast nicht zu erkennen, andere wiederum groß. Feiner Metallstaub rieselte auf den Boden.

Er spürte kaum, wie sich seine Finger wie Wachs von der Stirn seiner Cousine lösten und sein tauber Arm ohne einen Laut auf die Decke fiel. Wortlos ließ er sich zurück in die weichen Kissen fallen und kuschelte sich weinend hinein, tröstend umschmeichelten ihn diese und liebkosten seine Wangen. Schluchzend schloss er die Augen. Wenige Minuten später war alles ruhig und still in dem sonnendurchfluteten Zimmer des Krankenhauses.
 

Ich saß mit Colonel Mustang in einem hübschen kleinen Restaurant auf der Terrasse. Die Nacht war hereingebrochen, rötliche Schleier lösten sich am Firmament auf und machten der Dunkelheit Platz. Die Grillen zirpten vergnügt und die Leuchtkäfer im Gras funkelten wie die Sterne am Himmel. >Moment Mal, war ich nicht gerade bei Ed und Al im Krankenhaus?< Eine blonde Augenbraue hob sich fragend in die Höhe. Vor mir saß der Colonel in seiner Uniform. Er grinste mich keck an und nahm meine Hand sanft in seine. Etwas rot im Gesicht wandte ich mich verlegen ein wenig seitlich zu einem Sänger hinüber und erstarrte. >Major Armstrong? Bin ich nun verrückt geworden?< Der Klavierspieler war kein geringerer als… >Lieutnant Colonel Hughes???< …dieser saß am Klavier, ein Bild seiner Tochter im Notenständer und nach jeder Note, die er spielte, küsste er das Bild der Kleinen ab. Der Saxophonspieler entpuppte sich als… >ALLAN?!< Sehr konzentriert blies er in sein Instrument, seine roten Augen blickten ruhig und ernst. Ich wäre fast vom Stuhl gefallen, wenn mich nicht der schwarzhaarige Colonel an der Hand festgehalten hätte. Allan und Hughes spielten, der Major öffnete den Mund und…nein, er sang nicht, er schnarchte. Das auch noch so laut, dass die Decke wackelte und drohte einzustürzen. >Ahh, wo bin ich hier nur hingeraten? Hilfe! Ich will hier weg!< Nur das konnte ich nicht, mein Körper war wie gelähmt. Mein Blick ging wieder zu Colonel Mustang hinüber. Dieser kam mir immer näher und…
 

Mit einem erschrockenen Keuchen erwachte ich. >Da schläft man mal für einigen Minuten ein und wird von einem grausamen Alptraum heimgesucht…furchterregend! Aber es ist ja nun vorbei…< Unstet wanderte mein silberner Blick zu meinem blonden Cousin hinüber, der noch immer schlief. Ich setzte mich auf und strich Ed zärtlich einige goldglänzenden Strähnen aus der Stirn. >Seine Haare sind ja ganz nass…warum?< Sanft legte ich meine Finger auf seine Wangen, die seltsamerweise heiß und gerötet waren. >Hat er Fieber? Ach, Blödsinn!< schüttelte ich leicht den Kopf, jedoch legte ich zu meiner eigenen Beruhigung die andere Hand auf Edwards Stirn. >Auch heiß…seltsam. Bevor ich dummerweise eingeschlafen bin, war mit dem Kleinen doch noch alles in Ordnung< Sein Gesicht war verzerrt, als würde er Schmerzen erleiden. Mein unruhiger Blick wurde nun sehr besorgt. „Was ist nur vorgefallen, als ich geschlafen habe?“ murmelte ich ganz leise. Seine Kissen waren total zerknüllt, vorsichtig zog ich an den Kissenspitzen und glättete es sorgfältig. >Aber das ist ja ganz nass…nass von Tränen?<
 

Armer kleiner Edo, er hat nun erkannt, was seine Cousine für ihn und Al geopfert hat...Was wird wohl noch alles passieren?

Bis dahin wünschen wir euch eine schöne Woche

Liebe Grüße

Mariko und Lina

Winrys neue Bekanntschaft

Jetzt hab ich euch genug zappeln lassen (war keine Absicht, gomen!) Auch ein neuer Charakter hat sich dazu gesellt, auch als Charakterinfo verfügbar *grins* Viel Spaß beim Lesen wünschen die Autorinnen XD
 

Winrys neue Bekanntschaft
 

Wie ein wütender Stier, der ein rotes Tuch vor sich sieht, preschte ein junges blondes Mädchen mit aufgeregt wippendem Zopf durch die Menge der vielen Menschen, die sich um den Acht Uhr Zug nach Central City versammelt hatten. In der Hand hielt sie einen riesigen Koffer, der nicht nur schwer aussah, sondern es auch war. Keuchend steuerte sie auf einen der Waggons zu, um eine der geöffneten Türen zu erreichen und in den Zug zu steigen. Doch wie üblich, war jeder sich selbst der Nächste. Die Leute schoben und drückten sie dahin, dann dorthin, dass ihr fast ein wenig schlecht wurde, vom ewigen Hin und Her. Langsam kam in ihr die Befürchtung hoch, dass sie es vielleicht nicht mehr rechtzeitig schaffen würde in den Zug einzusteigen. Sie fühlte, wie langsam die Tränen ihre Kehle hinauf schlichen und ihre blauen Augen befeuchteten. >Ich will doch nur so schnell, wie irgend möglich zu Edo und Al. Den Beiden ist bestimmt irgendwas Schlimmes passiert, da bin ich mir ganz sicher.< Auf einmal wurde sie geschubst. Ein recht beleibter, sehr schwitzender Mann mit Zigarre im Mundwinkel drückte sich schamlos an ihr vorbei und schob das schlanke Mädchen grob zur Seite. „Mach mal Platz!“ schnaubte der Dicke. Mit einem lauten, fast heiseren Aufschrei verlor Winry das Gleichgewicht, stolperte rückwärts und wie in Zeitlupe fiel sie. Eine ältere Dame, die hinter Winry stand, schützte ihren zerbrechlichen Körper ängstlich mit den Armen. Fünf feingliedrige braungebrannte Finger fuhren auf einmal vor und fassten das Handgelenk der Blonden. Mit einem schnellen, aber sanften Ruck hielten diese ihren drohenden Sturz auf. Neugierig, wie nun mal Frauen sind, wandte sich Winry zu ihrem Retter – oder Retterin? – herum und blickte in ein Paar golden funkelnde Augen, die sie ohne jede Gefühlsregung anschauten.

„Holla, manche Leute sind wirklich ganz schön unfreundlich, nicht wahr?“ vernahm sie die angenehm weiche Stimme ihres Retters, dessen Ton so laut war, dass ihn alle Anwesenden vernehmen konnten. Einige brummten ihn freundlich zustimmend an, andere wieder drehten sich schnell zu dem jungen Mann um und drohten wütend mit den Fäusten. Die sie aber wenige Sekunden später bereits wieder sinken ließen, da der goldäugige Mann sie ärgerlich fixierte. Winry betrachtete ihren Retter eingehend, schaute ihn bewundernd an. >Er ist etwas älter als ich, mindestens 2 Köpfe größer und er hat eine erstaunliche Art und Weise mit anderen Menschen umzugehen…und seine Augen erinnern mich ein wenig an Edo…< leicht röteten sich ihre Wangen, als sie an den blonden Jungen dachte.

„Und jetzt machen Sie doch bitte alle einmal Platz, damit die junge Dame unbeschadet einsteigen kann.“ Und tatsächlich! Die Leute machten bereitwillig Platz, eine schmale Gasse entstand vor der zutiefst verblüfften Winry. Ihr fielen fast vor Unglauben die blauen Augen aus dem Kopf und wie festgewachsen stand sie da. Sanft und gleichzeitig auffordernd legte sich eine warme Hand auf ihre schmale Schulter.

„Na, kommen Sie. Sie wollten doch in diesen Zug, oder nicht?“ Freundlich grinsend zwinkerte er ihr zu. Einige blaue Strähnen seines unbändigen Haares fielen ihm frech ins Gesicht. Das blonde Mädchen verlor sich in den unglaublichen goldenen Augen des Mannes, die denen von Ed so ähnlich waren und doch fehlten den Pupillen ihres Retters das liebevolle Charisma eines besagten jungen Blonden…sie schienen gefühllos, starr und ohne jeden Ausdruck zu sein. Erstaunt über diese Entdeckung kräuselte sich die hübsche zarte Stirn von Winry. Als hätte er ihren Blick auf seinem Antlitz bemerkt, legte sich eine starre Maske auf sein ebenmäßiges Gesicht und ließ ihn für wenige Sekunden wie tot wirken. Behutsam fasste er nach dem Koffer der Blonden und schob das Mädchen samt ihrem Gepäck sanft die drei Stufen hinauf, die in den Zug führten. Anschließend verschwand er in der Menge der Menschen, ohne noch ein Wort an das Mädchen gerichtet zu haben.

Kaum war der junge Mann nicht mehr zu sehen, wurden aus den gerade noch freundlichen Menschen wieder eine wild gewordene Büffelherde, die ihren Nächsten schubsten, wegdrängelten oder auf den anderen schimpften. Winry stand noch dort, wo sie der Mann freundlicherweise hinbefördert hatte und konnte immer noch nicht glauben, was sich gerade vor ihren Augen abgespielt hatte. >Er hat auf mich einen sehr netten und charmanten Eindruck gemacht…< Geistesabwesend stand sie da und bemerkte nicht, wie die Leute eifrig in den Wagon stiegen, sich an ihr vorbeidrückten, um noch einen Sitzplatz zu ergattern. >Ich hab mich nicht einmal bei ihm bedanken können!< fiel ihr erschreckt ein und sie wurde ein wenig Rot vor Scham. >Winry! Bleib auf dem Teppich! Er ist viel älter als du!< rief sie sich gedanklich zur Ordnung. >Und außerdem ist da noch Jemand, der mir sehr viel bedeutet und um den ich mir Sorgen mache. Ich muss so schnell, wie möglich zu ihm…<

Auf einmal ging ein starker Ruck durch den Zug und das blonde Mädchen wäre fast ein zweites Mal gefallen, aber die Wand hinter ihr hielt sie auf, an der sie sich dankbar festhielt. Erst jetzt fiel Winry auf, dass die Abteile rappelvoll waren. >Dabei bin ich doch rechtzeitig eingestiegen und hätte jetzt eigentlich einen Sitzplatz…durch ihn.< Wieder erinnerte sie sich an den golddurchwirkten Blick des jungen Mannes, der dem von Ed glich. >Aber während Edos Augen vor Leben sprühen, wirken seine fast leblos…ohne jede Gefühle…<

Plötzlich riss eine Horde junger Leute Winry aus ihren Gedanken und ehe sie sich versah, wurde sie von ihnen mitgerissen und musste zusehen, dass sie ihren Koffer fest in der Hand behielt. Sich mit Händen und Füßen gegen die Masse wehrend, verschwand sie halb in dem Menschenauflauf, nur hin und wieder wurde ihr Kopf und die Hände sichtbar, fluchend und schimpfend versuchte sie diesem Strom zu entkommen.

Irgendwann schaffte sie es doch, sich von ihnen zu lösen, indem sie sich am nächsten Haltegriff festkrallte. Als der Pulk weitergegangen war, seufzte sie erleichtert auf, ordnete ihre Kleidung und strich ihre blond glänzenden Haare, die nach diesem Erlebnis in allen Himmelsrichtungen abstanden, glatt. Dann glitten ihre blauen Augen im Abteil umher, in der Hoffnung, vielleicht doch noch einen Sitzplatz zu finden, aber diese Hoffnung zerplatzte wie eine Seifenblase. Nur…

resigniert stellte das blonde Mädchen fest, dass der einzige Sitzplatz neben einem seltsamen Typen, der sie schleimig angrinste und zu sich winkte, frei war. Sie schüttelte freundlich, aber bestimmt den Kopf. Zu ihrem Entsetzen jedoch, stand der Mann auf und machte Anstalten, ihren Koffer zu nehmen, um sie zu sich zu locken. Unsicher blickte sich die Blonde um. >Was soll ich nur tun? Bitte…kann mir denn keiner helfen?!< Als wäre ihr lautloser Hilferuf gehört worden, stellte sich plötzlich ein Schatten zwischen Winry und den Mann.

„Entschuldigen Sie bitte, Sir, aber die Lady ist mit mir hier“, eine schmale braungebrannte Hand griff nach ihrem Gepäck und hob dieses mit einer Leichtigkeit nach oben, als wäre im besagten Koffer nur Federn. „Wenn Sie gestatten, entführe ich sie Ihnen nun.“ Winry glaubte zu träumen. Da war er wieder, der junge Mann von vorhin! Freundlich lächelnd streckte er ihr seine andere Hand entgegen. „Na, kommen Sie. Ich beiße nicht. Da hinten ist ein Abteil, ich habe es reserviert. Da ist auch noch ein Platz für Sie frei.“ Zögerlich griff sie nach seinen Fingern. Seine Haut war eiskalt, als würde kein Leben mehr in ihnen herrschen. Aus einem unerklärlichen Grund fröstelte das Mädchen.
 

Sorgenvoll hielt ich zärtlich die Hand meines kleinen Cousins fest und überlegte, was geschehen sein könnte. Leise knackte es, mein silberner Blick ging nach oben zu meinem stählernen Bruder. Dieser war gerade aus seinem Dämmerzustand aufgewacht und räkelte sich ein wenig. Ich verschwieg ihm aus gutem Grunde, was ich vorhin bei Edo bemerkt hatte. Meine Augen wandten sich wieder meinem schlafenden Bruder zu. >Es reicht, wenn sich einer von uns Gedanken darüber macht…ist der Kleine etwa vorhin aufgewacht, als Al-chan und ich geschlafen haben?< Wenn ja, was war dann nur geschehen? Es schien, dass er geweint und sich sehr aufgeregt hatte. Aus welchem Grund, sollte er sonst so glühendheiße Wangen und nasse Haarsträhnen haben?

>Bitte lieber Gott, lass ihn sich nicht mehr an die letzten Stunden erinnern…bitte…< schickte ich innerlich einen Stoßseufzer zum Himmel. Als ich so gedankenverloren da saß und ihm sanft über seine Wange strich, spürte ich auf einmal, wie meine Finger von etwas Feuchtem berührt wurden. Erschrocken sah ich auf und stellte fest, wie dem Blonden eine funkelnde Träne nach der anderen über das gerötete Gesicht kullerte.

„Edo…“, flüsterte ich bestürzt, Alphonse war blitzschnell aufgesprungen und stand nun fragend neben mir. „Nii-san…was…?“ Da schlug Edward seine goldenen Augen auf, die, wie ich fassungslos feststellte, in noch mehr Tränen schwammen. Er warf sich mit einem lauten bekümmerten Schluchzer in meine Arme. Liebevoll drückte ich ihn an mich, spürte, wie mir der Anblick meines weinenden Cousins die Kehle zuschnürte und sich die Tränen unaufhaltsam einen Weg nach oben suchten. Sein schmaler Körper, der sich fest an mich schmiegte, zitterte wie Espenlaub und glühte wie in einem hohen Fieber, als ich ihm beruhigend und sanft über den Rücken strich.

„Shhh…es wird alles wieder gut“, wisperte ich ihm leise ins Ohr. >Schäm dich in Grund und Boden, Lina…was bist du nur für eine Lügnerin! Du weißt doch selber ganz genau, dass das nicht der Wahrheit entspricht…< schalt ich mich im gleichen Moment selber. Aber was sollte ich sonst zu ihm sagen? Ich neigte meinen Kopf ein wenig zur Seite und schaute zu Al hinüber, der von mehreren Gefühlen gleichzeitig überwältigt wurde. Erleichterung, Freude…aber auch Erschrecken über das, was sich gerade vor seinen Augen abspielte. Tief in seiner kindlich freundlichen Seele neckten sich diese Gefühle und wollten sich gegenseitig übertrumpfen. Vorsichtig legte er eine Stahlhand auf den Rücken des Älteren und seine Pupillen erweiterten sich ein wenig vor Entsetzen. Sein älterer Bruder schien so zerbrechlich wie feines Porzellan.

„Nii-san…ich bin so froh“, wisperte der stählerne Junge, erfreut darüber, das sein nii-san aufgewacht war. Ich spürte, wie Ed sich langsam von mir wegdrückte und den Kopf hob. Mit von Weinen geröteten Augen sah er seinen jüngeren Bruder an, wischte sich mit der linken Hand ungelenk und hektisch die Tränen von den Wangen.

„Al…“, krächzte der Blonde und hustete kurz. Einen Moment sahen die goldenen Augen in die rötlich glänzenden. Dann fiel der Bann, der zwischen den Beiden geherrscht hatte und der Stahlgigant hob den kleinen blonden Jungen hoch, drückte ihn liebevoll an sich, so dass Edward fast die Luft abgeschnürt wurde. Alphonse kreischte vergnügt: „Nii-san…NII-SAN!“ und tänzelte vor lauter Freude im Zimmer herum, drückte seinen Bruder immer fester an sich. Mit strahlendem Blick beobachtete ich dieses Spektakel und musste herzlich lachen, als Ed mit Schimpfen begann.

„Auaaa, AL! Du zerdrückst mich ja! Pass gefälligst auf!“ schäumte der Junge wütend, aber sein stählerner Bruder schien dies nicht zu hören und schmiegte sich noch fester an Edward. Führte seinen ulkig aussehenden Tanz weiter fort, im Arm seinen zeternden Bruder, der ihm nicht ernst gemeinte Morddrohungen an den Kopf warf. Ich fiel vor Lachen auf den Boden und hielt mir kichernd den Bauch.
 

Draußen auf dem Flur begann Doktor Matthew Brown mit seiner vormittäglichen Visite. Hinter ihm standen eine Gruppe Assistenzärzte, die nervös und angespannt wirkten. Sie zupften ständig an ihren blütenweißen Kitteln herum.

Doc Brown wollte bei seinem jungen Patienten, dem kleinen Alchemisten beginnen, um den er sich noch immer Sorgen machte. Er legte gerade eine Hand auf die Türklinke, um das Zimmer zu betreten, als er erstaunt innehielt. Aus dem Raum vor ihm erklangen merkwürdige Geräusche. Das freudige metallische Quieken einer Rüstung, das laute wütende Gekreische eines Jungen und das sanfte überschäumende Lachen einer jungen Frau. Über die Lippen des alten Mediziners glitt ein freundlich warmes Lächeln. Vorsichtig berührte einer der jungen Ärzte die Schulter des Chefarztes. „Sollten wir nicht lieber nachsehen, was du drinnen vor sich geht?“ die Stimme klang besorgt.

Matthew Brown drehte sich um, blickte seinen Kollegen mit einem jungenhaften Grinsen, das sein Gesicht gleich um viele Jahre jünger wirken ließ, an und schüttelte den Kopf. „Nein“, antwortete er schmunzelnd. „Ich glaube, es ist alles in bester Ordnung. Lassen wir sie allein.“ So setzte er seinen Rundgang fort, im Schlepptau einige verdutzt dreinblickende Assistenzärzte, die ihren Chef wohl nie verstehen würden.
 

Der blauhaarige Mann schnaufte kurz und heftig. „Mein Gott, ist der schwer. Was haben Sie da hineingepackt? Ganze Gebirge?“ charmant grinsend wandte er sich nach dieser nicht ganz ernst gemeinten Frage seiner jungen attraktiven Begleitung zu und zwinkerte schelmisch. Er wuchtete den nicht gerade kleinen Koffer mit einem eleganten Schwung in das freie Gepäcknetz seines Abteils. Winry fühlte zu ihrem Entsetzen, wie ihre Wangen wieder rot glühten, als sie seinem goldenen Blick begegnete. >Warum werde ich jetzt auf einmal rot…nein…< beschämt sah die junge Blonde auf den Boden und erwiderte nichts darauf.

Eine hellblaue Augenbraue zog sich fragend nach oben. „Was ist denn los? Ist Ihnen meine Gegenwart unangenehm? Oder gibt es einen anderen Grund, weswegen Sie sich noch nicht gesetzt haben?“ Die Stimme des jungen Mannes weckte sie aus ihren Gedanken, verwirrt schaute sie ihn an und bemerkte jetzt erst, dass sie immer noch stand. „Oh!“ entfuhr es ihr und ihre blauen Augen wanderten zu seinem honigfarbenen Blick. Seine Lippen zierte ein freundliches Lächeln, wies ihr mit einer schlanken Hand einen Platz zu und wartete wie ein Gentleman, bis sich Winry gesetzt hatte.

„Man lässt eine Lady zuerst Platz nehmen, bevor man es sich selbst bequem macht“, erklärte er mit einem charmanten Grinsen und legte lässig seine langen Beine übereinander. „Mit wem habe ich denn die Ehre, wenn ich fragen darf?“ er wippte mit einer geschmeidigen Bewegung nach vorne und ließ seine Füße, die in weichen Lederstiefeln steckten, auf den Boden plumpsen.

„Äh…ich…bin Winry“, kam es zögerlich aus dem Mund des jungen Mädchens, während sie krampfhaft, aber erfolglos versuchte, dem golddurchwirkten Glanz dieser Augen zu entrinnen. >Diese Augen…< sie seufzte sehnsuchtsvoll auf, aber im nächsten Moment schlug sie sich mit einer schnellen Handgeste auf die Lippen, als sie den etwas verstört musternden Blick des jungen Mannes begegnete. „Stimmt irgendetwas nicht mit Ihnen? Geht es Ihnen auch wirklich gut?“ sanft berührte seine braune Hand ihre schmalen Finger, besorgt sahen seine goldene Iris sie an. Das Mädchen vor ihm wurde schlagartig rot und ihre blauen Augen weiteten sich vor Schreck.

Einige Sekunden blickten sich die Beiden schweigsam an, dann sprang Winry mit wild rudernden Armen so abrupt hoch, dass ihr Gastgeber, um nicht eine ihrer Hände ins Gesicht zu bekommen, sich flink nach hinten neigte, dafür aber an der Rückenlehne hart den Kopf stieß. Ein schmerzerfülltes Zischen ließ das blonde Mädchen ihre Schamesröte vergessen. Mit leicht zerknirschter Miene beugte sie sich zu ihm hinunter.

„Ich…das wollte ich nicht, ehrlich.“ flüsterte Winry entschuldigend. Kopfschüttelnd und mit einer leichten Bewegung den Hinterkopf reibend, setzte er sich wieder richtig hin. „Nein“, beteuerte das Mädchen, „es tut mir wirklich leid. Sie waren so nett zu mir und ich danke Ihnen das auf solch eine Art und Weise.“ Reuevoll klappte sie die Augenlider nieder und senkte ihr Gesicht gen Boden. Ein leises, dann immer lauter werdendes Lachen ließ sie verblüfft aufblicken. Ihr Gegenüber kicherte schallend, aber seine goldenen Augen spiegelten seine Gefühle nicht wider. Oder war es nur Einbildung? >Nun, wenigstens tut ihm die Beule nicht mehr weh, wenn er schon wieder so guter Laune ist…< Ein klein wenig aufgemuntert, wollte sie gerade in sein Lachen mit einfallen, als sie stirnrunzelnd innehielt. >Ich habe schon viele Menschen lachen gehört, aber sein Lachen kann ich mit keinem anderen vergleichen. Leider im negativen Sinne…es klingt regelrecht hohl, ernst gemeint, aber vollkommen leer. Man kann den Charakter eines Menschen an seinem Lachen erkennen.< Sie liebte es, wenn Alphonse oder Edward lachten, so frei, natürlich, kindlich, unschuldig und liebevoll. Aber bei dem jungen Mann vor ihr, da war nichts, rein gar nichts, was sie zum Mitlachen aufmunterte. Betrübt fiel sie in den Sitz, lehnte sich traurig in die Polsterung und blickte hinaus auf die wundervoll grüne Landschaft, mit ihren bunten Wäldern und den plätschernden Bächen, die sich vor ihr erstreckte. >Al…Edo…hoffentlich bin ich bald bei euch…und wehe, es geht euch beiden nicht gut…< seufzte sie leise und kummervoll auf.

Ihm war ihr plötzlicher Gefühlsumschwung sofort aufgefallen. Er kicherte kurz, bis es in ein gekünsteltes Husten fiel und er sich nur noch leicht räusperte. Seine honiggoldenen Augen wandten sich auch dem Fenster zu. Einige Minuten hörte man nur das Klappern der Räder, das Quietschen der Polster, das Atmen der beiden jungen Menschen und das leise Gerede der übrigen Mitreisenden.

Sanft ergriff er das Wort. Winry, die nicht darauf gefasst war, zuckte regelrecht zusammen. „Ach übrigens…mein Name ist Joshua, entschuldigen Sie, dass ich mich jetzt erst vorstelle“, mit einer überaus galanten Verbeugung streckte er ihr seine braungebrannte Hand entgegen. Nervös blickte sie ihn an und nach einigen Sekunden des Zögerns legte sie ihre Finger in seine kalte Hand. „Freut mich wirklich, Sie kennen zu lernen, Winry. Wenn Sie möchten, dürfen Sie mich auch Josh nennen.“ Sein Händedruck war fest, aber angenehm. Aber Joshua schüttelte Winrys Hand so kräftig, dass das junge Mädchen in ihrem Sitz auf und ab wippte und die Haare nur so umher flogen. Als er sie losließ, schaukelte die Federung noch einige Sekunden nach und Winry fühlte sich wie in einer Schiffsschaukel versetzt.

„Die Freude ist ganz auf meiner Seite“, war ihre schüchterne Antwort und ihr Blick glitt danach aus dem Fenster hinaus. Gedankenverloren betrachtete sie die Bäume, mit ihren wunderschön gefärbten Blättern und die goldgelben Felder, die an ihr vorbeihuschten. Weiter weg konnte sie eine Pferdeherde erkennen, die zusammen auf einer saftiggrünen Weide standen und sich den Bauch vollschlugen. Einige hoben neugierig den Kopf und zuckten interessiert mit den langen Ohren, als der Zug an ihnen vorbeirauschte.

„Warum haben Sie mir eigentlich geholfen?“ widerstrebend wandte sie sich von dem schönen Ausblick ab und beäugte den jungen Mann mit dem blauen Haar. Ihre anfängliche Schüchternheit und das leichte Misstrauen gegen ihn, waren nun wie weggeblasen. Neugierig hob sie eine blonde Augenbraue und neigte ein wenig den Kopf. Er schmunzelte verlegen und wuselte sich schnell durch sein Haar, das ihm nun unbändig in die Stirn klatschte. Joshua pustete die Strähnen nach oben, doch diese verweigerten ihren Gehorsam und fielen frech in die vorherige Position zurück. Sehr geschickt und leicht angenervt fingerte er die glänzenden Strähnen nach hinten. „Weil ich es nun mal nicht leiden kann, wenn man ein Mädchen so behandelt.“ Ein charmantes Lächeln stahl sich auf seine Lippen, dann verschränkte er langsam die Arme vor seinen schlanken Oberkörper.

Winry bemerkte erst jetzt, dass Josh ein ähnliches Oberteil wie Ed trug, nur während das ihres Freundes schwarz war, trug der Blauhaarige es in einem warmen burgunderrot. Ihre Augen wanderten weiter nach unten, blieben an einigen Silber glänzenden Wurfsternen, die locker an seinem Gürtel befestigt waren, haften. Diese blitzten in der Sonne auf und klimperten leise ihre Kampfmelodie, wenn sich der junge Mann bewegte. Seine aufmerksamen Pupillen folgten ihrem musternden Blick und mit seinen langen Finger klopfte er halb schmunzelnd, halb ernst auf die funkelnden Wurfgeschosse. „Na ja“, erklärte er. „Wenn man so wie ich ständig alleine unterwegs ist, sollte man vorbereitet sein, finden Sie nicht?“ Das junge Mädchen runzelte stark die Stirn. >Ich halte nichts von Gewalt! Okay, wenn man mal davon absieht, dass ich Edo jedes Mal eine mit meinen Werkzeugen eins überziehe, aber das ist auch nur eine Bestrafung, wenn er mal wieder die teure Automail zerstört<, entschuldigte sie schnell ihr Verhalten und bekam funkelnde Augen, als sie an Eds metallene Prothesen dachte. Dann glitt ein weiches Schmunzeln über ihren fein geschwungenen Mund. >Wie er immer tobt und ausflippt, wenn ich ihn damit traktiere…< leicht zuckte Winry zusammen, als der junge Mann unbeirrt weiterredete: „Nicht jeder Mensch besitzt nur Freunde, manche wägen sich leider in der Gewissheit, dass es Leute um sie herum gibt, die ihnen etwas Böses wollen. Deswegen trage ich diese drei Ladys mit mir herum. Sie sind nicht so plump wie Feuerwaffen, aber trotzdem absolut tödlich.“ Das Gesicht des Mädchens wurde auf einmal blass, erschrocken weiteten sich ihre blauen Pupillen. Sofort winkte Joshua beruhigend ab. „Keine Sorge, ich bin kein Kopfgeldjäger oder so etwas.“ Mit einem sehr ernsten Unterton und den Blick finster auf den schmutzigen Boden gerichtet, fuhr er fort: „Ich handle in eigenem Auftrag.“ Nachdenklich betrachtete sie den blauhaarigen Mann vor sich und allerlei Fragen schossen ihr durch den Kopf. >Was meint er damit, dass er in eigenem Auftrag handelt? Geht es etwa darum, Rache an Jemandem zu nehmen? Und ja, warum?< Sie fühlte sich nun etwas unbehaglich in ihrer Haut und rutschte ein wenig nervös im Sitz hin und her.

„Aber genug von mir erzählt“, sein Antlitz war wieder geglättet und nichts deutete daraufhin, dass er noch vor wenigen Sekunden ein finsteres Gesicht gezogen hatte. „Was führt Sie nach Central City, der Stadt des Militärs?“ So, wie er das letzte Wort aussprach, schien er nicht viel dafür übrig zu haben.

>Ich muss aufpassen, was ich sage…ich kenne ihn ja auch kaum…fast gar nicht.< „Alte Freunde besuchen“, erwiderte sie schlicht, ein leichtes Lächeln huschte über ihre zarten Züge und sie tat so, als würden ihre Augen fasziniert nach draußen blicken.

„Alte Freunde besuchen…“, wiederholte Joshua. Eine blonde Augenbraue zog sich nach oben. >Irre ich mich oder klingt seine Stimme wirklich ein wenig sehnsüchtig?<
 

Scheint ja alles irgendwie gut ausgegangen zu sein, nicht wahr? Aber wird das so bleiben? Na, guckt mich nicht so an...hehehe...bald wisst ihr mehr

Wir wünschen euch ein erholsames Wochenende und einen tollen Start in die Woche

Ihre Opfer und die Verluste

So meine Lieben, da ich nun eine Woche nicht da bin (Urlaub, juchhheissa! Den verbring ich bei nee-san Mariko [doppeljuchhheissa!] XDD) lade ich zwei Chapter hoch, das 29. und das 30. Chapter, wünsche euch viel Spaß und vergesst nicht vor lauter Lesen das Kommi schreiben *lach* *zwinker* Ich wünsche euch viel Spaß die nächsten Tage, möge die Macht mit euch sein! *starwarsfan* Hehehe...
 

Ihre Opfer und die Verluste
 

Nach dem mein Bauch sich vom Lachen ein wenig entkrampft hatte, grinste ich den beiden Jungen zu und wollte leise aus dem Zimmer verschwinden. „Nee-chan…“, flüsterte leise eine wispernde Stimme. Verwundert wandte ich mich um. „Edo?“ liebevoll schmunzelnd näherte ich mich meinen Cousins. Sanft legte ich dem Blonden eine Hand auf die Wange und gab ihm schnell einen Kuss auf die Stirn. Sein Gesicht errötete. Alphonse kicherte. Aber auch er kam nicht zu kurz. Zart zog ich ihn ein wenig zu mir herunter und küsste ihn auf die Wange. Sein Helm verfärbte sich in ein purpurnes Rot.

„Bis später, ihr Beiden.“ zwinkerte ich ihnen noch fröhlich zu und lief geschwind aus dem Zimmer. Ich hatte Doktor Brown ein Versprechen gegeben, das ich nun auch einlösen würde. >Auch wenn es mir ehrlich gesagt sehr schwer fällt, Edo und Al-chan allein zu lassen…<

Vorsichtig und bedächtig, aber schnell erreichte ich mein Zimmer. Geräuschlos öffnete ich die Türe. Major Armstrong saß immer noch so da, wie ich ihn vor einiger Zeit verlassen hatte und schmatzte leise vor sich hin. Mein Mund verzog sich zu einem vergnügten Lächeln. >Das Schmatzen kann ich noch verkraften, so lange er nicht wieder das Schnarchen anfängt…< leise kichernd zog ich den Morgenmantel aus und hängte ihn an seinen Haken. Sehr flink schlüpfte ich aus den Pantoffeln, die ebenfalls an Ort und Stelle ihren angestammten Platz einnahmen. >Es muss der Eindruck entstehen, dass ich nie den Raum verlassen habe.< Mit einem Satz hüpfte ich in die weiche Matratze, die einige stöhnende Laute von sich gab. Blitzschnell zog ich die Decke bis zur Nasenspitze nach oben. Mein Körper entspannte sich langsam und ich fühlte, wie mich eine bleierne Müdigkeit überfiel, die sich angenehm sanft auf meine erschöpften Sinne legte. Meine Glieder wurden unendlich schwer und ich glaubte schon die ersten Traumbilder zu sehen. Das Letzte, das ich noch vernahm, war das Grunzen des Majors, wie er sich von seinem Back- und Kochstudio, aber auch vom Frevel des Wälderabholzens verabschiedete. Mein Umfeld verschwamm, eine wohltuende Dunkelheit umarmte mich zärtlich. >Ich hoffe nicht, das Ed sich noch an die letzten Stunden erinnert. Bitte…nicht…< waren meine letzten Gedanken.
 

Nur einige Zimmer weiter lag eine bedrückend kalte Stimmung im Raum. Eine klirrende Kälte, die fast mit Händen greifbar war. Die Sonnenstrahlen funkelten durch das Fenster herein, ließen die Risse in den Scheiben aufblitzen und bunt schillernde Muster tanzten auf der Wand, aber auch sie konnten die arktische Stille zwischen den Brüdern nicht erwärmen.

Nachdem ihre Cousine sich von ihnen verabschiedet und den Raum verlassen hatte, saßen die Beiden schweigsam da, jeder in seinen eigenen Gedanken versunken. Der Kleinere der Jungen lag steif und stumm auf seinem Bett, die Decke über die Beine ausgebreitet. >Warum Al…warum…< der blonde Junge ballte verzweifelt seine Faust, so fest, dass seine Fingernägel sich in weiche Haut bohrten und die Schnitte leicht anfingen zu bluten. Aber Edward beachtete es nicht. >Alphonse…Lina…<

Währenddessen saß Alphonse auf dem Stuhl, der neben dem Bett stand. Leicht nervös ruckte er auf diesem herum. Die metallenen Hände gefaltet, die er immer wieder fest zusammendrückte, so dass die Beschläge leicht aufwimmerten. Sein unruhig verängstigter Blick richtete sich hin und wieder auf seinen blonden Bruder, der aber keine Miene verzog und nur stur an die Decke starrte. >Gomen nasai, nii-san. Aber ich wollte dich doch nicht verlieren…ich weiß, an was du gerade denkst, aber bitte…bitte frag nicht…bitte< schickte er ein stummes Gebet zum Himmel. Aber leider wurde es nicht erhört. Aus den Augenwinkeln heraus sah der stählerne Junge, wie der Ältere sich aufsetzte und langsam das Hemd hinaufzog. Seine Pupillen waren kummervoll auf Al gerichtet. Der honiggoldene Blick war von Pein, Qual und Trauer verschleiert. Erschrocken weiteten sich die rötlichen Augen des Stahlgiganten, als er in die seines Bruders blickte. Dieser zeigte mit blassen zittrigen Fingern auf das Blutsiegel, das über seinem Herzen prangte.

„Al…das warst du…hab ich recht?“ Eds Stimme war gebrochen und zeugte von der Qual, die in ihm wohnte. Das stumme Nicken seines jüngeren Bruders ließ ihn vor inneren Schmerzen zusammenzucken. „Warum …?“ krächzte der Blonde, dieses eine Wort schaffte es aus der zusammengepressten Kehle, in der nun das Leid regierte. Der Junge schluckte einen dicken Kloß hinunter und flüsterte noch einmal: „Warum?“ einige Tränen benetzten das verzerrte Gesicht.

Aber der stählerne Koloss gab keine Antwort, schweigend sah er auf den blitzblank geputzten Boden. >Was soll ich ihm denn sagen…< Der Jüngere seufzte innerlich auf.

„Das…das war unverantwortlich, Al, da hätte sonst was passieren können“, fuhr der Blonde in einem lauten, vorwurfsvollen Ton fort. Eine glühende Wut durchlief seine Adern und richtete sich auf seinen jüngeren Bruder. >Wie konnte er nur so handeln, hat er nicht die Konsequenzen bedacht?!< „Sieh mal deine Rüstung an, du hättest dabei draufgehen können! Und Lina…nee-chan…“, er konnte nur hilflos mit den Schultern zucken. Al’s Kopf fuhr blitzschnell nach oben. „Nee-san?“ >Weiß nii-san etwa, was nee-san für ihn getan hat?<

Die Blicke der beiden begegneten sich und Alphonse war der Erste, der seine Augen von denen des Älteren abwandte.

„Ich habe gesehen, was geschehen ist…alles.“ Leicht zuckte der Stählerne unter der traurigen Stimme seines Bruders zusammen. „Als ihr Zwei geschlafen habt, da bin ich wach geworden und dann…ist irgendetwas passiert. Jedenfalls konnte ich mit eigenen Augen verfolgen, was sich hier abgespielt hat. Als Lina mich zurückgeholt hat bis zu dem Moment, als du und ich…uns fast gegenseitig ausgelöscht haben.“ Alphonse hatte deutlich das leise Zögern in der Stimme seines älteren Bruders wahrgenommen. Aber sein Blick war immer noch stur und ängstlich auf den Boden gerichtet. Er schwieg traurig, denn ihm fiel es sehr schwer, über das Geschehen zu reden.

„Das Schlimme ist…Lina hat etwas dafür geopfert, um dich und mich zu retten.“ Augenblicklich ruckte der Kopf des Stahlgiganten in Richtung seines Bruders auf.

>Was???< Voller Entsetzen starrte er Edward an. >Das kann doch nicht sein…das würde ja bedeuten, dass…<

„Mir war so, als würde das Licht, welches ihr Leben aufrechterhält, anfangen zu flackern. Verstehst du, Al? Deswegen geht es ihr so schlecht.“ Die Stimme wurde leiser und zitterte. Vor lauter Schuldgefühle legte er die linke Hand auf die erschöpften Augen, die Tränen auf seinen geröteten Wangen glitzerten im Schein der Sonne.

>Das habe ich nicht gewusst, dass du deine Lebensenergie geopfert hast…nee-san…< ein inneres Schluchzen quälte sich aus der metallenen Brust des Jüngeren.

Leise wisperte Edward weiter und schlug hilflos auf die Matratze: „Verdammt! Das ist alles meine Schuld! Wäre ich bei euch geblieben, dann wäre …“ ein kreischendes Geräusch, als würde ein Mensch vor Schmerzen aufheulen, ließ den Blonden erstaunt aufblicken. Alphonse schlich zur Tür, seine Haltung drückte große Bekümmertheit aus, die stählernen Schultern hingen traurig herunter.

„Al? Was…was hast du?“ Der stählerne Junge stand wortlos vor der Tür, schon eine Hand auf der Klinke. Edward warf mit einem schnellen Ruck die Decke zur Seite und wollte zu seinem Bruder eilen. Dieser wandte sich langsam um, als er bemerkte, das der Ältere Anstalten machte zu ihm zu kommen.

„Nein, nii-san“, der Gigant schüttelte kaum merklich mit dem Kopf, seine Stimme war völlig emotionslos, wie die eines Automaten. „Du musst noch liegen bleiben, bis du wieder ganz gesund bist. Ich gehe nur ein wenig raus an die frische Luft.“

Völlig verständnislos weiteten sich die goldenen Augen des kleinen Jungen, als sein Bruder schnell den Türgriff hinunterdrückte, hinaushuschte und die Tür mit einem Knacken einrasten ließ.

„Al…phonse…AL!“ schrie ihm Edward hinterher. Verzweifelt schlug sich der Stählerne die Hände auf die Ohren. Laut polterten seine Schritte auf dem kalten Flur.

Ed saß noch immer auf seinem Bett, wie vor den Kopf gestoßen sahen die honiggolden Augen die Türe an, aus der gerade sein Bruder geflüchtet war.

Langsam krabbelte ein ungutes Gefühl seine Kehle hinauf und hielt sich erfolgreich dort fest. >Kann es sein, dass Al nichts von Linas Opfer weiß? Oh…nein!< Die ganze Zeit hatte er angenommen, dass sein jüngerer Bruder über das große Opfer ihrer blonden Cousine Bescheid wusste. Schließlich war er selbst doch lange ohne Bewusstsein gewesen. >Allerdings, wenn Alphonse darüber informiert gewesen wäre, hätte er es verhindert, dass nee-chan ihre Energie opfert, auch wenn es für mich war. Was habe ich da nur wieder angerichtet…< seufzte er betrübt und strich sich sanft über das Mal. Seine Ohren nahmen das Geräusch metallener Füße wahr, die sich schnell vom Zimmer entfernten. Ruckartig hüpfte der blonde Junge aus dem Bett, flitzte an die Türe, riss sie mit einem heftigen Schwung auf, so dass er fast die Klinke in der Hand hielt und lief keuchend nach draußen.

Sein jüngerer Bruder war schon fast am Ende des Flurs angekommen, als ihn eine wohlbekannte, aber aufgeregte Stimme aufhielt. Ihr Ton war entschuldigend, ein wenig Scham schwang in ihr mit. „Al! Es tut mir leid! Ich wusste nicht, dass du es nicht weißt! Bitte … komm wieder zurück!“ Der Stählerne wandte sich zu dem Älteren um. Blass und mit nackten Füßen stand Edward im Flur. Seine goldenen Augen blickten flehentlich zu ihm auf. Die beiden Jungen sahen sich schweigend an, langsam machte Ed einen kleinen Schritt auf Alphonse zu. „Al…bitte…“ Aber der stählerne Koloss drehte sich schnell um und rannte hinaus zu den bunten altehrwürdigen Bäumen, die ihn leise rauschend willkommen hießen. Unter deren blättrigen Schutz konnte er sich verstecken und über das Geschehene nachdenken.

Mit entsetzt geweiteten Pupillen starrte Ed seinem jüngeren Bruder hinterher, als dieser kopflos vor ihm davoneilte und ohne ein Wort ins Freie stob.

„AL! Warte! Komm zurück!“ seine erschöpften Beine liefen los, aber nach einigen Schritten wurden sie so weich wie Butter, die seinen – wie es dem Jungen schien – bleischweren Leib nicht mehr tragen konnten und unter ihm zusammenbrachen. Die Wucht des Aufpralls hallte an den Wänden wieder. Schmerzverzerrt hielt sich Ed seine Seite, die Wunde brannte unbarmherzig und stach wie tausend glühende Messer in seinen ermatteten Körper ein. Zu blutigen Schlieren verschwamm seine Umgebung, vergeblich versuchte er die netzartige rot gefärbte Übelkeit aus seinem Inneren zu verscheuchen, die seinen Geist gefangen hielt. Ein leiser gequälter Schrei entrang sich seiner Brust, aber ihm war bewusst, dass sein Bruder ihn nicht hören konnte. >Al…entschuldige bitte…ich weiß, du wolltest mir nur helfen…auch Lina wollte das nur…aber…beide habt ihr etwas Wichtiges dafür verloren…was ihr niemals wieder zurückerlangen werdet…< waren seine letzten entschuldigenden Gedanken, die in seinem Herzen umherwirbelten, wie die rot und gelb leuchtenden Blätter im Park, die Fangen mit dem Wind spielten. Langsam schlossen sich die trüben Augen des Jungen, bevor er in eine abgrundtiefe Dunkelheit versank, gegen diese er sich noch einige Minuten wehrte und mit allen seinen noch zur Verfügung stehenden Kräften ankämpfte.

So fanden ihn auch zwei Pfleger, die während ihres vormittäglichen Rundganges auf die Schreie aufmerksam geworden waren. „Was ist mit ihm?“ fragte der Kleinere, der seine roten Haare zu einem Zopf gebunden hatte und dessen neckisch besorgte grüne Augen aufblitzten, als sein Kollege sich zu dem Blonden hinunterbeugte. Sanft drehte der muskulöse breitschultrige Mann mit der Glatze den schmalen Jungenkörper herum und fühlte den Puls von Edward. „Keine Sorge, er scheint nur vor Erschöpfung zusammengebrochen zu sein.“ Vorsichtig schlang er die massigen Arme um den Jungen und hob ihn wie eine Feder hoch. Langsam stand er auf und wandte sich dem Zimmer des Blonden zu, als sich Ed in seinen Armen bewegte. Die Lider des Kleinen flatterten, lautlos bewegten sich die trockenen und rauen Lippen. Die braunen Augen des Mannes hafteten sich beunruhigt auf diesen Anblick und er neigte sich zu dem Alchemisten hinunter. Er musste sich ziemlich anstrengen, um die Worte von Edward zu verstehen, die leise aus dem Mund hervor krochen.

„Al…er ist weg…“ keuchte er und die golden trüb glänzenden Augen fielen erschöpft zu, der Leib des Jungen sackte in sich zusammen. Verwirrte mahagonibraune Iris traf grüne lebhafte. Kurz schilderte der groß gewachsene Pfleger seinem kleineren Kollegen und Freund, was der junge Alchemist geflüstert hatte. „Was meint er damit? Wer ist Al? Weißt du das zufällig, Ian?“ „Na ja, soweit ich weiß, ist das sein Bruder“, erklärte der Rothaarige, mit dem Namen Ian, die Sachlage. „Du hast doch bestimmt von den beiden gehört, der Kleine wurde gestern zusammen mit einer jungen Frau eingeliefert, die Zwei sehen sich so ähnlich, dass ich zuerst annahm, sie wären Geschwister. Das Mädchen ist wirklich ein hübsches Ding“, er grinste keck und öffnete mit einer schnellen Bewegung seinem glatzköpfigen Freund die Tür des Krankenzimmers. Mit ein paar gekonnt schnellen Handstrichen glättete er das Laken des Bettes und schlug die Decke zurück. „So fertig, du kannst ihn reinlegen, Will.“ Behutsam bettete der Angesprochene den kleinen Jungen hinein und deckte ihn gut zu. Die beiden blickten noch einmal auf den Alchemisten, der nun ruhig und friedlich schlief. „Lassen wir ihn allein… aber wir sollten Doktor Brown gleich Bericht erstatten“, meinte der grünäugige Mann zu seinem Kollegen. „Jupp!“

Leise verließen die Pfleger den Raum, ihre Schritte klackten leise auf dem sauber geputzten Flurboden, der unendlich erschien. „Weißt du noch mehr von den Dreien?“ spielerisch stupste der Größere seinen Kollegen in die Rippen. Ian keuchte erschrocken auf und guckte seinen Freund vorwurfsvoll an. Die Blicke der Beiden verhakten sich ineinander, ein kleines bisschen schuldbewusst rieb sich der Größere seinen breiten Nacken. Ein leichtes Schmunzeln legte sich auf die Lippen des Kleineren. Dann lachten die Männer fröhlich auf. Sie waren schon lange Kollegen, auch die besten Freunde, seit sie denken konnten. Langsam gingen sie weiter. „Sein Bruder ist dieser große Typ in der Rüstung“, erzählte Ian. „Aber manche sagen, dass niemand da drin steckt. Die beiden Brüder und auch die junge Frau sollen Alchemisten sein. Irgendetwas ist gestern mit ihnen geschehen, was auch in Verbindung mit den vielen Schwerstverletzten stehen soll, von denen keiner überlebt hat.“ Interessiert nickend lauschte Will dem Kleineren.

„Hallo Ian. Hallo Will.“ Zwei gut aussehende Schwestern gingen kichernd an den beiden Männern vorbei und winkten. Grinsend verbeugten sich die Angesprochenen. Dann nahm Ian das Gespräch wieder auf. „Einige haben mir davon berichtet, dass der Junge mit diesen eigenartigen Prothesen keinerlei Überlebenschancen hatte. Nachdem er das erste Mal behandelt wurde, sah es gar nicht so schlecht aus, aber dann hat er ziemlich viel Blut verloren und wie du ja weißt, haben wir alle Konserven für die eingelieferten Opfer benötigt.“ Grübelnd kratzte sich der Rothaarige am Kopf, so dass sich einige Strähnen aus dem Zopf befreiten und sich frech über seine meeresgrünen Augen legten. Was der Mann aber keineswegs als störend empfand. Im Gegenteil, er zupfte nachdenklich an ihnen herum. „Ich habe keine Ahnung, was dann passiert ist, aber aus irgendeinem Grund hat er doch überlebt. Viele sprechen von einem Wunder, andere sagen, es hätte was mit der jungen Alchemistin zu tun. Aber egal, was sich da nun genau zugetragen hat, ich denke, das Wichtigste ist, dass in der letzten Nacht wenigstens einem das Leben gerettet werden konnte. Noch nie haben wir in einer Nacht so viele Patienten verloren. Noch nie…“
 

Mit schwer hängendem Kopf stand eine in der Sonne blitzende Rüstung bei den zahlreichen, vom Herbst gefärbten Bäumen und lehnte ächzend eine Stahlhand an den mächtigen Stamm. Seine Gedanken hingen den Worten seines älteren Bruders nach. ‚>Lina hat etwas dafür geopfert, um dich und mich zu retten.<’ „Nee-san…“, >Das kann doch einfach nicht sein, nicht schon wieder…nee-san…< fassungslos starrte er auf die braune Rinde, bis ihm die Wut wie flüssiges Silber durch sein Innerstes floss. >Warum musste das passieren…< Leise schluchzend schlug er mit voller Wucht in den mächtigen Baum vor ihm ein, so dass dieser anfing leise zu zittern, bis in die himmelaufragende Spitze. Stumm vor Schreck ließ er seine rot und gelb gefärbten Blätter hundertfaltig, sanft und sachte auf den Jungen herabregnen, so, als würde er ihn damit trösten wollen. Aber dem Stählernen war es jetzt ganz und gar nicht nach Tröstung. Trotzig fegte er die wunderschönen Naturgebilde von sich, die lautlos zu ihren Brüdern und Schwestern fielen, die ein bunt gefärbtes Muster auf dem grünen Rasen bildeten. Alphonse betrachtete es betrübt. >Nii-san und ich haben früher oft…<

Entsetzt weiteten sich die Pupillen und mit einem metallischen Klacken fiel ihm fast der Kiefer zu Boden. >Ja, was haben nii-san und ich eigentlich immer getan?< Entsetzt über die Erkenntnis, das er nichts mehr von seiner schönen Kindheit wusste, krallte er sich betroffen am Baum fest. Eine klirrende Kälte erfasste sein jugendliches Herz und ließ es fast erstarren. Unwillkürlich rieb er sich mit den Stahlhänden über die Arme. >Ich kann mich…mich nicht mehr erinnern…< Von einer Sekunde auf die andere war ihm sein Gedanke an die Vergangenheit, bis auf wenige Erinnerungen, komplett entschwunden, einfach so, unbarmherzig fortgeweht, wie der langsam aufkommende kühle Wind es nun mit den Blättern tat, die einen lustigen Tanz vor seiner Nase aufführten.

>War es das, was nii-san gemeint hat? Das dies geschieht? War es das, was ich für meine Hilfsbereitschaft habe opfern müssen? Meine wertvollen Erinnerungen an meine Kindheit? All die schönen Jahre, die ich zusammen mit nii-san, Winry und kaa-san erlebt habe…<

Sie waren fast alle entschwunden, im Nichts aufgelöst…aber für den Älteren geopfert, als Beweis der brüderlichen und aufrichtigen Liebe.

An die negativen Dinge seines jungen Lebens erinnerte sich der stählerne Junge sofort wieder, sie hatten sich in seinem Inneren tief verankert…regelrecht festgekrallt. Vor ihnen gab es kein Entkommen. Er erinnerte sich an den Tod von Winrys Eltern, die Trauer des blonden Mädchens, als sie diese Nachricht hörte. Die schreckliche Nacht, in der er und sein Bruder ihre Mutter zurück ins Leben holen wollten… >Warum haben diese Erinnerungen mich nicht verlassen?< Kummervoll rutschte er langsam den rauen Stamm hinunter. Mit einem metallischen Klirren sank sein Kopf auf die Knie, ein leises Weinen erklang aus der Brust des Jungen.
 

Unruhig drehte sich das blonde Mädchen im Bett herum. „Al-chan…“, brummte es wispernd aus der Decke, die Arme legte sie um das Kissen und schmiegte es fest an sich.
 

„Al-chan…“, überrascht blickte Alphonse auf. >Habe ich da nicht gerade nee-sans Stimme gehört?< Das hübsche Gesicht seiner Cousine erschien plötzlich vor ihm, liebevoll grinsend und fröhlich zwinkernd. „Nee-san…“, >wenn du nicht da gewesen wärst, wer weiß, was mit nii-san und mir geschehen wäre. Aber…aber dein Opfer war noch um einiges größer als das meinige… ohne zu zögern hast du deine Lebenskraft für nii-san und mich hergegeben.< Langsam fuhr seine Hand an die stählerne Stirn, voller Verzweifelung krallten sich seine Finger an diese, leise und jämmerlich quietschte das Metall auf. >Bestimmt hat sie diese Kraft auch in dem Moment gebraucht, als das Leben von nii-san auf Messers Schneide gestanden hat.< Al wurde erst in diesem Moment vollends bewusst, wie oft seine ältere Cousine von ihrer geheimnisvollen Kraft Gebrauch gemacht hatte, seit sie sich kannten.

>Wie viel ihrer Lebenszeit hat sie schon geopfert?< Der stählerne Riese konnte immer noch nicht fassen, was die junge Frau getan hatte und das alles nur…

>Nein, ich habe doch ebenso gehandelt. Ich würde es jederzeit wieder für nii-san tun, um ihn vor dem Tod zu bewahren. Schließlich hat er auch alles für mich riskiert, meine Seele vor dem alles verschlingenden Nichts gerettet, so dass ich nun bei ihm sein kann. Er soll es als eine Wiedergutmachung ansehen…ja, genau…< eifrig lächelnd nickte der eiserne Junge, bis einige Augenblicke später die Miene leicht zerknirscht wirkte. >Ich hoffe nicht, dass nii-san erfährt, was ich verloren habe…er würde mich höchstwahrscheinlich umbringen…und nee-san auch…< seufzte er traurig auf.
 

Ein lautes Grunzen aus einer männlichen Kehle zerstörte die angenehm warme Atmosphäre des Zimmers und ließ einige Fliegen, die sehnsuchtsvoll an der glänzenden Scheibe des Fensters klebten und voller Fernweh in die Freiheit blickten, erschrocken davon summen.

Mit einem breiten herzhaften Gähnen streckte sich der Hüne in dem für ihn viel zu kleinen Stuhl und lehnte sich zu weit nach hinten. Der Stuhl wackelte bedenklich und mit einem ächzenden Laut kippte er um. Der Major war auf diese Aktion nicht vorbereitet und mit einem schrillen Gekreische, das eher typisch für ein weibliches Wesen war, krachte er kopfüber auf die Fliesen. Sterne glitzerten vor seinen blauen Augen, aber nach wenigen Sekunden sah er seine Umgebung wieder glasklar. Verwirrt blinzelte er umher, bis ihm mit einem Male einfiel, dass er sich ja noch im Krankenzimmer des Mädchens aufhielt. Blitzschnell sprang er auf, richtete flink seine blaue Uniform und stellte den recht lädierten Stuhl, dessen eines Bein gebrochen war, leise an seinen Platz zurück. >Na, auf den darf sich auch keiner mehr drauf setzen.< leicht verlegen kratzte er sich den Nacken. Dann wandten sich seine hellblauen Augen forschend und neugierig dem Bett zu, in dem die junge Frau friedlich vor sich hinschlummerte. Die Sonne beschien das Antlitz von Lina und ließ sie in einem engelsgleichen Licht erstrahlen.

Fürsorglich strich der große Mann die Decke glatt, ein sanftes Lächeln legte sich auf seine Lippen, als er sie beim Schlafen beobachtete.

Sie hatte das Kissen in den Armen und kicherte leise auf, als eine flaumigweiche Feder sie an der Nase kitzelte. Ihre sonst so blassen Wangen waren sanft gerötet.

„Tschi!“ nieste sie, ihre Nase zuckte noch kurz, dann drehte sich leise grummelnd auf den Rücken. Eine Zeit lang stand er nur stumm da und blickte wie gebannt auf die junge Frau. Langsam neigte sich der Hüne hinab und zeichnete sanft die Linien ihres ebenmäßig weichen Gesichtes ab. „O-too-san…“, flüsterte die Blonde und ein melancholisches Schmunzeln lag auf den roten Lippen. „O-too-san…“, funkelnde Tränen glitzerten in den Augenwinkeln des Mädchens auf.

Schmerzverzerrt hielt sich Armstrong bei diesem Anblick die Brust, fast schien es ihm, als würde Jemand sein Herz herausreißen. Der Major erblickte Bilder vor sich, längst vergangene…die er nie wieder sehen wollte. Aber er konnte sich ihnen nicht entziehen.

Er sah vor sich ein kleines blondes Mädchen, die sterbend in einem Krankenhausbett lag und leise flüsternd nach ihm rief…’o-too-san…daisuki!’

Dann eine wunderschöne schwarzhaarige zierliche Frau, es hatte den Anschein, als würde sie nur schlafen. Ein trauriges Lächeln umspielte ihre kühlen Lippen, denn in Wirklichkeit war sie tot, vor Kummer gestorben…weil ihr das Liebste auf dieser Welt, ihr Kind, aus dem Leben gerissen worden war.

Gequält fuhr seine Hand zur Stirn, die nass vor kaltem Schweiß war. Sein Atem ging stoßweise, mit einem keuchenden Laut griff er in die Seitentasche, um ein Taschentuch hervorzuholen, wischte sich über die nassen Hände und die Stirn. >Wieso erinnere ich mich jetzt daran? Jahrelang haben mich diese Erinnerungen in Ruhe gelassen, mich nicht Nacht für Nacht gepeinigt…Ich muss hier raus! Weg von ihr…von diesem schönen Anblick< Zitternd steckte er das feuchte Taschentuch in die Seitentasche zurück, nach Luft schnappend eilte er an die Tür, um sie zu öffnen, doch seine glitschigen Finger glitten an der Klinke ab. Panisch versuchte er es noch einmal, fest griff er zu und riss sie mit Schwung auf. Als er die Tür leise geschlossen hatte, seufzte er fast erleichtert auf. Der Alp in seinem Herzen ließ ihn wieder aus seinen Klauen. Sein Herzschlag normalisierte sich.

Draußen auf dem Flur herrschte reges Treiben. Weißgekleidete Schwestern gingen ihrer Arbeit nach, einige fuhren mit einem Essenswagen, aus dem es verführerisch duftete, von Zimmer zu Zimmer und verteilten das Mittagsmahl. Lachend und scherzend fuhr eine junge Brünette einen Greis im Rollstuhl nach draußen. Der alte Mann lächelte die Frau liebevoll an. >Vermutlich seine Tochter< der Blick des Majors war schwermütig auf die Beiden gerichtet.

Tratschend lief eine kleine Gruppe Pfleger an dem Hünen vorbei, ein anderer weißgekleideter Helfer stützte eine alte Dame, die vorsichtig wenige Schritte mit ihrem Krückstock herumtippelte. „Danke, mein Junge!“ klopfte sie ihm sanft auf die Wange, dieser errötete leicht.

Zwei Ärzte schlenderten vorbei und begrüßten alle mit einem freudigen „Hallo!“

Keine Spur mehr von dem erschreckenden Chaos, das in der Nacht geherrscht hatte. Fast bekam man den Eindruck, es hätte nie statt gefunden.

>Wie schnell doch die Menschen vergessen können…< Innerlich erschöpft rieb er sich die Augen aus und überlegte, was er nun tun sollte. Dann fiel ihm urplötzlich sein anderer Schützling ein. >Ich sollte mal sehen, wie es Edward geht…diese jungen Leute machen einem auch nichts anderes als Sorgen< seufzte er nachdenklich auf und machte sich auf den Weg zu dem kleinen Full Metal Alchemisten.
 

Der kleine Blonde war in einen unruhigen Schlaf gefallen. Leise murmelnd warf er sich herum, keuchte einige Male quälend auf. Wirre Bilder, die seine Seele bis ins tiefste Innerste verängstigten, schossen durch seine alptraumhaften Gedanken und zeigten ihm immer dieselben Bilder…den Tod seines kleinen Bruders und noch etwas anderes, das er aber nicht einordnen konnte. Das ihn fast so quälte, wie den grausamen Tod von Alphonse. Mit einem lauten Schrei auf seinen rauen Lippen schrak er hoch, zitternd wischte er sich den kalten Schweiß von der Stirn. Seine goldenen Augen ruckten unruhig und verwirrt herum. Völlig ausgelaugt ließ er sich zurück in die flaumigfederweichen Kissen sinken, aber einen Moment später fuhr er blitzschnell in die Höhe

„Al!“ sein Geist war wieder hellwach, mit einem großen Sprung hüpfte der Junge aus dem weichen Bett und rannte an die Tür. Bevor er die Klinke herunterdrückte, besann er sich jedoch anders. Draußen auf dem Flur herrschte um diese Zeit reges, geschäftiges Treiben und es würde sofort auffallen, wenn er sich jetzt auf die Suche nach Alphonse begab. Seufzend glitt seine Hand vom metallenen Türgriff und sein honigfarbener Blick schweifte ratlos im Zimmer umher. Sein erschöpfter Körper lehnte sich automatisch an die Wand hinter ihm, grübelnd kratzte er sich mit der rechten Hand das Kinn. >Wie kann ich ungesehen hier weg? Unsichtbar machen? Nein, das fällt weg, ich will mir die Radieschen nicht von unten anschauen, dann wäre das Opfer von Alphonse und Lina völlig nutzlos gewesen…nein, es muss doch noch eine andere Möglichkeit geben…< Seine Beine wurden müde, langsam knickten seine Füße ein und er rutschte an der Wand entlang nach unten. Mit einem leisen Plumpser setzte er sich auf seinen Allerwertesten. Seine golddurchwirkten Pupillen wanderten rastlos hin und her, angestrengt suchten sie nach einer Lösung.
 

Die junge Frau warf sich unruhig auf die Seite, drückte das Kissen so fest an ihre Brust, dass einige Federn aus der Füllung heraus gepresst wurden und sich auf dem Bett verteilten. Sanft strich sie über das flauschige Kopfkissen und flüsterte leise einen Namen.
 

Etwas angenehm Warmes berührte seinen Arm und streichelte ihm beruhigend über die blasse Haut. „Nee-chan?“ Verwundert schaute Edward auf, sein Blick wandte sich in Richtung Bett und er erinnerte sich plötzlich an das Bild, welches sich ihm beim Aufwachen geboten hatte. Ein sanftes Lächeln glitt über die ausgezehrten Züge des Jungen und die düsteren Schatten unter seinen güldenen Augen verschwanden für wenige Sekunden. >Die beiden haben sich scheinbar kaum eine Pause gegönnt, um bei mir zu sein…danke Al…Lina…<

Sein Herz war erfüllt von Ruhe und Liebe, als er an diese Begebenheit zurück dachte. >Es ist so schön zu wissen, dass es solche Menschen gibt, die einem Nähe und Geborgenheit geben. Für einen da sind, wenn man sie am nötigsten braucht. Nur das die Beiden so viel für mich geopfert haben…< Eine schwarze Wolke beschattete seine warmen Gedanken und brachte eine unsagbare Kälte mit sich, die den Jungen unwillkürlich frösteln ließ. Es machte ihm sehr schwer zu schaffen, dass die zwei liebsten Personen in seinem Leben solch ein Opfer nur für ihn gebracht hatten. Alphonse glänzende Rüstung erschien vor ihm, mit den unzähligen Rissen…kleinere und auch große. Dadurch entstanden, weil der Stählerne nicht wollte, dass sein großer Bruder sterben musste. >Was habe ich nur getan?< langsam kullerte eine einsame Träne, die funkelnd in der Mittagssonne glänzte, von seiner weißen Wange.

Fröhlich zwitschernd und sanft gurrend landete ein kleines Vogelpaar auf dem Sims des einzigen Fensters, deren Glas die wärmende Sonne einfing und in das Zimmer schickte. Die kleinen Piepmätze schreckten den Jungen aus seinen grübelnden Gedanken auf.

Neckend hüpften die beiden Kleinen auf und ab, zupften sich gegenseitig zärtlich am sanft glänzenden Gefieder und schnäbelten leicht, so dass sich auf Edwards Gesicht eine zarte Röte schlich. „Fast könnte man meinen, es ist Frühling“, murmelte der Blonde und beobachtete interessiert das Treiben auf der Fensterbank. Dann kuschelte sich das Vogelpärchen zusammen, eng rückten sie aneinander, damit sie die Wärme des jeweils anderen genießen konnten. Ganz langsam krabbelte der Junge auf allen Vieren ans Fenster und lugte vorsichtig hinaus, um die beiden Verliebten nicht zu verschrecken. Leise zwitscherte das Männchen seiner Gattin etwas vor. Diese schloss scheinbar verzückt die winzigen braunen Augen und steckte ihren Schnabel in das Federkleid des Partners.

Grinsend legte Edward seinen Kopf auf die Hände und schaute dem liebevollen Schauspiel zu. >Die haben es leicht. Da kommt einfach ein anderer Flattermann geflogen, sie verstehen sich sofort und fliegen zusammen davon. Wenn das immer so einfach wäre…< Ein grelles Glitzern erregte seine Aufmerksamkeit und sein golddurchwirkter Blick wandte sich von den Turtelnden ab. Hinter den Bäumen versteckt, stand ein metallener Riese, der fast mit den Silber glänzenden Stämmen der großen Naturgiganten verschmolzen schien, die sich um ihn herum auftürmten wie stumme Wächter der Gegenwart. Ein satter rotgelber Teppich aus Blättern bedeckte die Schultern seines jüngeren Bruders, die er schlaff und traurig hängen ließ. Ohne nachzudenken wollte Ed schon das Fenster aufreißen, als er von einigen aufgeregt lauten Stimmen von seinem Tun abgehalten wurde. Die eine kam ihm verdächtig bekannt vor. >Das ist doch eindeutig der Major…oh nein! Was soll ich denn jetzt machen?<, wie ein Tier auf der Flucht sah sich der junge Blonde im Zimmer um. Er wollte zu seinem stählernen Bruder hinaus, mit ihm über die ganze verzwickte Sache reden. Aber das konnte er dann völlig vergessen, wenn sich der groß gewachsene Major einmischte. Nun, es blieb ihm zunächst keine andere Wahl, als zur Tarnung wieder ins Bett zu gehen, damit keiner Verdacht schöpfte. Flink wandte er seinen schmalen Körper um, aber im nächsten Augenblick verschwamm alles vor ihm, jegliches Gefühl verpuffte aus seinem Leib, laut wie Turbinen dröhnten seine Ohren und der sauber glänzende Boden kam rasendschnell auf ihn zu. Mit einem gequälten Keuchen schlug er hart mit der Stirn auf die Fliesen. Eine berauschend wirkende Dunkelheit überschwemmte seinen matten Körper und machte ihn für einige wenige Momente völlig bewegungsunfähig. Einzig die Stimme des blau uniformierten Hünen rüttelte ihn wach und er öffnete langsam die Augen. Verwirrt über seinen erneuten Zusammenbruch, schüttelte er bedächtig den Kopf, um nicht gleich wieder in eine dunkle Bewusstlosigkeit zu fallen. Blinzelnd versuchte er die Nebelwand zu durchdringen, was ihm nach wenigen Sekunden gelang. Hinter seiner Stirn pochte das Blut rasant in seinen Venen und leise zischend fasste er mit der linken Hand an die schmerzende Stelle. Erschreckt zog er seine Finger von seiner Stirn, da eine warme Nässe seinen Kopf benetzte. Angeekelt starrte er auf seine Hand, die voller Blut war. Der rote Lebenssaft tropfte leicht glänzend, wie die Abendsonne, von seinen weißen Fingern. Ein wenig unsicher wischte er die warme dicke Flüssigkeit an seinem Krankenhaushemd ab, das nun nicht mehr so frisch und sauber wirkte. Mit einem langen Atemzug füllte er seine Lungen und robbte langsam auf das Bett zu, zog sich schwer atmend an einem der Pfosten nach oben und sank mit einem zutiefst erleichterten Seufzer in die weichen Kissen. Müde schloss er die Augen, um neue Kraft zu schöpfen. Obwohl er allmählich nicht mehr wusste, woher er diese noch herbekommen sollte. Unwillkürlich legte er seine Automail auf die linke Brust. Er spürte, wie sein Herz nervös und unstet unter dem Metall klopfte. Kalter Schweiß bildete sich auf seiner weißen Haut, lief schimmernd an ihr herunter und tropfte langsam auf das weiche Bett. Ein wenig von dem Salz geriet in die frisch blutende Wunde, die nun anfing scheußlich zu brennen. Aber Edward beachtete es nicht, er dachte nur an das Blutmal. An die fremde Kraft, die im Inneren dieses Mals pulsierte und die er nicht in Anspruch nehmen wollte. >Sie ist nicht meine und wird es auch nie werden! Aber was hat Al dafür opfern müssen? Was nur?< hing er seinen trüben Gedanken nach und blickte starr an die Decke, an der sich eine kleine Spinne sachte abseilte. Er schaute ihr traurig zu, wandte dann sein Gesicht ab und schloss bekümmert die Augen.

Die Stimmen vor seinem Zimmer wurden immer lauter und energischer. Ein wenig verwundert öffnete er seine goldenen Pupillen wieder. >Das sind doch die beiden Pfleger, die mich ins Bett zurückgebracht haben…was geht denn da draußen eigentlich vor?< Sein Gesicht drehte sich langsam Richtung Türe, angestrengt lauschte er der Konversation der Männer auf dem Flur.

„Wieso darf ich den Jungen nicht sehen? Ist etwa schon wieder etwas passiert? Aus welchem Grund wollen Sie mir nichts sagen?“ auf der blassen Haut des Majors prangten rote Flecken vor Aufregung. Mit blitzenden blauen Augen und einer recht verstimmten Laune starrte er die beiden Pfleger an, die seiner Aufforderung nicht nachkamen. Der große bullige Will stand mit einem ausdruckslosen Gesicht und wie ein unverrückbarer Fels vor der Zimmertüre. Seine fleischigen Hände in die massigen Hüften gestemmt, so dass die Muskeln seiner Arme hervortraten.

Der rothaarige junge Pfleger sah den Uniformierten freundlich an und mit einer beschwichtigenden Handbewegung erklärte er die Situation. „Wir haben strikte Anweisungen von Doktor Brown bekommen, zunächst niemanden in das Zimmer des Jungen zu lassen. Er benötigt dringend Ruhe und jede weitere Aufregung könnte ihm nur schaden. Wir bitten Sie um Verständnis, was das betrifft. Es ist nur zu seinem Besten, bitte verstehen Sie doch.“ Doch der Hüne verstand nicht, zumindest wollte er es nicht verstehen. Sein wütender Blick streifte Ian, der sich von einem Moment auf den anderen in seiner Haut nicht mehr sehr wohl fühlte. Seine Miene wurde leicht zerknirscht und verlegen kratzte er sich in der rot glänzenden Mähne, die sogleich in alle Richtungen abstand.

„Aber…ich will ihn doch nur kurz sehen, mich nur davon überzeugen, dass es ihm soweit gut geht.“ Aber die Bitte von Armstrong stieß bei den beiden Pflegern auf taube Ohren. Will stellte sich noch dichter an die Türe und lehnte sich demonstrativ dagegen. Mit seinen mahagonifarbenen Augen starrte der bullige Mann sein Gegenüber an, die Gesten zeigten dem Uniformierten, dass hier kein Durchkommen war.

„Bitte, Sir“, bat Ian, seine meeresgrüne Iris war auf den Major gerichtet, „wenn Ihnen etwas an dem Jungen liegt, dann tun Sie es für ihn und gehen Sie wieder, bitte.“ Ernst waren die blauen Augen des Majors auf die beiden Männer gerichtet, dann wandte er sich resigniert herum und leise grummelnd stapfte er dem Ausgang entgegen.

Ian und Will seufzten erleichtert auf, ihre nervösen Körper entspannten sich.
 

Oh oh, die armen Pfleger. XDDD Tja, was wird weitergeschehen, im nächsten Chapter werdet ihr es erfahren...das müsste eigentlich auch schon on sein... Viel Spaß damit

Was hast du geopfert?

Und schon geht es weiter...
 

Was hast du geopfert?
 

Edward im Zimmer hatte den Atem angehalten, hörte dem aufgeregten Gespräch und dessen Ende fassungslos zu. >Was ist hier nur los, dass niemand mehr zu mir darf? Und warum ist Major Armstrong so besorgt um mich? Weiß er etwas, was ich nicht weiß?< Ganz langsam glitt der metallene Arm des Jungen auf die weiche Decke und verkrampfte sich in dieser. Die Stille im Raum war bedrückend ruhig, man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Langsam entfernten sich die polternden Schritte des uniformierten Riesen. Eds goldenen Augen starrten mitleidig auf die Tür. Ihm tat der groß gewachsene Mann ein wenig leid. >Er ist zwar manchmal echt nervig mit seiner Fürsorge und seiner dauernden Anhänglichkeit…aber…er ist einer der nettesten Menschen überhaupt. Ich schätze ihn sehr.< Das blasse Gesicht in Richtung Fenster gewandt, blickte der Blonde nachdenklich hinaus. Ihm war es sehr unangenehm, dass sich alle um ihn sorgten. >Jetzt auch noch der Major…fehlt nur noch das sich der Colonel um mich Sorgen macht...< ein freches Grinsen huschte über sein erschöpftes Antlitz, die golddurchwirkten Pupillen blitzten erheiternd auf. „Aber bis der das macht, muss schon der Mond auf die Erde fallen…und mir direkt auf den Kopf“, kicherte der Junge. Ein stetes leises Klopfen gegen Glas schreckte ihn aus seiner guten Laune. Sein Körper ruckte automatisch nach oben, bunte Sterne glitzerten kurz vor seinen Augen, die er erfolgreich wegblinzelte. Seine Stirn runzelte sich, leise mit den Zähnen knirschend keuchte er auf, als sich die frische Wunde schmerzhaft meldete. Als sein goldener Blick wieder Richtung Fenster ging, weiteten sich die Pupillen ungläubig. Die beiden kleinen Piepmätze auf dem Sims schlugen aufgeregt mit den Flügeln und pickten gegen die Scheibe, so als würden sie ihm etwas sagen wollen. >Komisch, dass die beiden Kleinen noch da sind und nicht davon fliegen.< Langsam und bedächtig setzte er sich und stand mit weichen Knien vom Bett auf. Sofort musste er sich wieder setzen, da seine Füße sich wie Wackelpudding anfühlten. Ein Mal tief durchatmend reckte er sich in die Höhe und stakste langsam zum Fenster, eine Hand stützte sich an der Wand entlang ab. An diesem angekommen, schaute er nochmals überrascht seine gefiederten Freunde an, die lauthals piepsten und ihn mit ihren braunen intelligenten Augen ansahen. Sein unruhig wirkender Blick wandte sich dem glitzernden Etwas zu, das noch immer gut versteckt zwischen den wunderschönen farbigen Blättern saß. Er kniff die Lippen kummervoll zusammen. >Ich Idiot!< leicht klatschte er die Automail gegen seine Wange. >Hätte ich doch den Mund gehalten was den Gesundheitszustand von nee-chan und meine Vermutung betrifft…ich bin echt ein Trottel! Alphonse macht sich sicher deswegen schreckliche Vorwürfe. Ich muss unbedingt mit ihm reden und zwar jetzt sofort!< Entschlossen packte er den Griff des Fensters und riss es mit einem kräftigen Ruck auf. Die Flattermänner sahen ihn noch einige Sekunden verständnisvoll an, zwitscherten ihm Mut zu und stoben flügelschlagend davon. Gerade schwang er sein Bein hinaus, als ein stapfender und grummelnder Laut hörbar wurde. Erschrocken weiteten sich die honigfarbenen Pupillen von Edward und mit einem Keuchen zog er blitzschnell sein Körperteil in die sichere Umgebung zurück. Keine Sekunde zu früh, denn Major Armstrong raste an seinem Zimmer vorbei, seine Augen funkelten wütend. Nach seiner Haltung zu urteilen war er immer noch nicht über die verständnislose Behandlung der beiden Pfleger hinweg und reagierte sich nun an der frischen Luft ab. Der blonde Junge drückte sich ängstlich an die Wand, vorsichtig lugte er seitlich hinaus und hoffte, dass ihn der Hüne nicht bei seiner Aktion gesehen hatte.

Eds Muskeln entspannten sich langsam, als er sah, dass der Strong Arm Alchemist von einer Silber glänzenden Bewegung vor sich abgelenkt wurde und abrupt stehen blieb. Seine schweren Schritte lenkte er in Richtung des stählernen Riesen.

Der Blonde seufzte erleichtert und sackte müde in die Knie. Aber interessiert blickte er dem Uniformierten nach.
 

Alphonses Kopf ruckte alarmiert nach oben, als er ein Geräusch von brechenden Zweigen und das lokomotivhafte Schnauben eines großen Mannes zwischen den Bäumen hörte. Resigniert sank sein Kinn wieder auf die Knie, so dass es leise schepperte. Der groß gewachsene Major war auf dem direkten Weg zu ihm, aber der stählerne Junge hätte eigentlich gerne ein wenig Zeit für sich gehabt. Ein seufzender und zutiefst deprimierter Laut kam aus seiner metallenen Kehle. >Ich schätze Major Armstrong sehr, aber gerade ist mir nicht nach Nähe anderer…<

Der Strong Arm Alchemist kämpfte sich durch die Unmengen von Blättern, Äste und Zweigen. Einige schlugen ihm frech ins Gesicht und erbost wie der Hüne gerade war, mussten die Äste es mit ihrem Leben bezahlen. Unzählige, vom Regen feucht gewordene Naturgebilde klebten an der Uniform des Hünen, einige gelblich glänzende saßen keck auf dem Kopf des Mannes. Kurz schüttelte sich der Major, wischte sich die ärgerlichen Blätter von der Stirn und stapfte dann schnurstracks auf die Baumgruppe zu, in der er das silbrige Leuchten gesehen hatte. In der Mitte der leise rauschenden Bäume stand einsam eine weiß gestrichene Bank mit filigranen Mustern, die aber vom Regen schon ein wenig verschmutzt wirkte. Als er sich der Bank näherte, verhakte sich das Bein des Hünen an einem metallenen Fuß und er hätte fast mit einem lauten Quieken Mutter Erde geküsst, wenn nicht Alphonse aufgestanden wäre. Die Rüstung hielt ihn im letzten Augenblick fest, aber wegen seines ungeschickten Stolperns knallte der Strong Arm Alchemist an das Harnisch des stählernen Jungen. „Aua!“ mit einem schmerzvollen Keuchen rieb sich der Major die platt gedrückte Nase. „Gomen nasai, Major Armstrong…das…das wollte ich natürlich nicht!“ Er hatte sich zwar nicht unbedingt Gesellschaft gewünscht, aber sie nun so zu vergraulen oder gar zu verschrecken wollte er wiederum auch nicht. Entschuldigend fegte er dem Hünen die letzten Blätter vom Revers, dankend klopfte Alexander Armstrong dem Jungen auf den metallenen Arm. „Schon gut, ist ja nichts Schlimmes passiert, Alphonse-kun. Und es ist doch nicht deine Schuld, wenn ich so blindlings in der Gegend herumlaufe…“, grinste der Mann mit dem Schnauzbart freundlich. „Aber sag mal, Junge, was machst du hier ganz alleine?“

„Ich…ich musste mal ein wenig allein sein, wollte Zeit haben zum Nachdenken, wissen Sie. Nicht, dass ich Sie jetzt verscheuchen will, aber…“, das Zögern in der Stimme des stählernen Jungen ließ Major Armstrong erstaunt aufsehen. Etwas stimmte doch nicht!

Alphonse bemerkte den besorgten Blick des Erwachsenen und drehte sich rasch um, mit trauriger Mimik starrte er hinauf zu den rot-gelb gefärbten Blättern, die zart im Wind auf und ab tanzten. Eine warme verständnisvolle Pranke legte sich sanft auf die Schulter der Rüstung und diese zuckte heftig zusammen. „Das kann ich gut verstehen. Schließlich ist eine ganze Menge passiert, gerade die letzte Nacht. Das kann man nicht einfach so wegstecken, als sei nichts geschehen.“ Leise Tritte über morsche Blätter verrieten dem Jungen, dass der Ältere sich von ihm entfernte. Danach ertönte ein hölzernes Quietschen, so als würde sich eine schwere Person auf eine Bank setzen, die von der Last fast zusammenbrach. Der metallene Riese wandte sich um und schaute auf den Major, der sich erschöpft seufzend zurückgelehnt hatte und in die Wolken starrte. Mit einem trägen Ruck legte der Hüne seine Arme auf die Oberschenkel und starrte den Jungen an. Ein leichtes Lächeln erschien auf dem breiten Gesicht des Uniformierten. „Dein Bruder hat ein riesiges Glück gehabt, dass es eure Cousine gibt. Keiner von uns hätte ihn mit unseren herkömmlichen Kräften retten können. Aber sie…“, nachdenklich kratzte sich Armstrong an Kinn und zwirbelte seinen blonden Schnurrbart, der sich nach dieser Tortur wieder brav in seine Endstellung legte.

„Es ist mir noch immer vollkommen schleierhaft, wie sie das angestellt hat.“ Brummte der Mann vor sich hin, sein fragender Ausdruck haftete sich an das Gesicht des Stählernen. Krampfhaft versuchte Alphonse nicht rot zu werden und schüttelte schnell den Kopf.

Misstrauisch zog sich eine blonde Augenbraue in die Höhe. >Dieses Kopfschütteln war zu rasch für meinen Geschmack…< Aber er wollte nicht weiter in die Gefühlswelt des Jungen eindringen, deswegen wechselte er schnell das Thema. „Nun, wie geht es deinem Bruder denn? Was macht unser Full Metal?“ schmunzelte der uniformierte Riese, seine Augen funkelten amüsiert als er Al anblickte, der noch immer einen naturbelassenen Mantel aus wunderschön gefärbtem Laub auf den Schultern und dem Kopf trug. Ein weiteres Zögern seines Gegenübers ließ den Major erneut Verdacht schöpfen. >Alphonse-kun verschweigt mir etwas…das rieche ich!<

„Ihm…geht es gut. Er ist vorhin endlich aufgewacht“, war der knappe Kommentar des Giganten, der sich doch mehr als jeder andere über diese Nachricht freuen und Purzelbäume vor Vergnügen schlagen sollte. Doch seine Stimme klang tonlos, stählern kratzend wie ein Automat. >Warum freue ich mich nicht mehr darüber das nii-san endlich aufgewacht ist? Was ist nur mit mir los?< Der bohrende Gedanke, das Wichtigste für ihn und Lina auf dieser Welt fast zu verlieren, machte ihm sehr schwer zu schaffen. >Nee-san…was hast du nur getan? Was habe ich getan?< Schuldbewusst stierte er die vielen Risse in seiner metallisch glänzenden, von der Sonne beleuchteten Rüstung an…seinem Körper…und strich gedankenverloren mit den Fingern darüber.

Im Gesicht von Alexander Armstrong zeichneten sich tiefe Sorgenfalten ab, seine blauen Augen waren fürsorglich, aber zugleich besorgt auf den Stählernen gerichtet. Tief in seiner großen und liebevollen Seele bewunderte er die beiden Jungen, hegte großen Respekt ihnen gegenüber, wie er es nur für Gleichaltrige hatte. Er liebte sie als wären es seine eigenen Söhne, sein eigen Fleisch und Blut. Ihm ging ihr Schicksal sehr nahe, darum schmerzte es ihn sehr, Alphonse so traurig zu sehen. >Bitte Gott, mach das sie bald ihr Ziel erreichen und danach sorgenfrei leben können.<

Aber bis dahin war es noch ein beschwerlicher Weg mit vielen Niederlagen und Enttäuschungen. Nun, ein sanfter Lichtschimmer leuchtete am Horizont, ein blonder Engel, der schützend seine Flügel über die beiden Jungen ausbreitete, ihnen Wärme und Geborgenheit schenkte. Er mochte diese junge Frau, die sich so aufopferungsvoll um ihre Cousins sorgte. Sie erinnerte ihn ein wenig an Edward, der in dieser Hinsicht wie Lina war. Liebevoll lächelnd, immer für ihre Familie da, wenn sie Hilfe benötigten.

Behäbig stand der große Mann von der Bank auf, die leise dankend stöhnte, als sie von ihrer schweren Last befreit wurde. Langsamen Schrittes ging der Uniformierte an Alphonse und den großen stummen Zeugen ihres Gespräches vorbei, die leise ihre herbstlichen Geschenke herabregnen ließen.

„Ich werde mal nach Edward sehen“, schlug er, mit einem schnellen Blick zu dem Stählernen gewandt vor, „vielleicht lässt man mich ja doch zu ihm, aus irgendeinem Grund hat man mir vorhin den Zugang zu seinem Zimmer verwehrt.“ Ein aufmunterndes Lächeln lag auf den Zügen des Majors. „Möchtest du mich nicht vielleicht begleiten? Du bist schließlich sein Bruder, möglich, dass ich ihn mit dir zusammen besuchen darf.“ Das Gesicht des Älteren verzerrte sich ein wenig, als er die verneinende Geste des Kindes sah. Das erhärtete den Verdacht des Hünen nur noch mehr… >Zwischen den Beiden muss etwas vorgefallen sein. Weiß Edward-kun etwa was in den letzten Stunden vorgefallen ist? Zu wünschen ist es ihm gewiss nicht.< Selbst ihm war diese letzte nervenaufreibende Nacht an die seelische Substanz gegangen. Wie schlimm musste es dann den Jungen und auch dem Mädchen ergangen sein.
 

Nur eine einzelne blonde hochstehende Strähne war am Fenster zu sehen, als der Major an besagtem Fenster vorbeirauschte und in Richtung Haupteingang verschwand, um dem jungen Alchemisten einen Krankenbesuch abzustatten. Nach wenigen Sekunden waren die schweren Schritte des Uniformierten verklungen und Edward riskierte einen vorsichtigen Blick über die Fensterbank. Sein jüngerer Bruder stand einsam und verlassen da, so wie ihn Alexander Armstrong zurückgelassen hatte.

Der Blick war stumpf auf den Boden gerichtet, die Hände waren zu Fäusten geballt. Eds Gesicht zog sich schmerzhaft zusammen. Es tat ihm weh, Alphonse so zu sehen. Langsam erhob sich der Helm und starrte in das bunte Blätterdach. Ein einsames Blatt fiel direkt in sein Gesicht und glitt sanft von seiner Wange, so als ob es von einem Engel gelenkt wurde, der ihn liebkoste.

Kurz entschlossen raffte sich der Blonde auf, schwang sein Automail - Bein über den Sims und wollte gerade seinen Körper hinterherschwingen, als er stampfendes Trampeln hörte, das sich seinem Zimmer näherte. So schnell er nur konnte rutschte er über die Brüstung ins Freie, verlor den Halt und fiel mit einem leisen Keuchen in ein Nest voller Brennnesseln. Die feinen Härchen der Pflanzen hängten sich wie Enterhaken an seine Haut und verbrannten sie. Fluchend und wild gestikulierend befreite er sich von dem lästigen Kraut und zog sich an der Wand entlang nach oben. Mit wackeligen Beinen, die weich waren wie Pudding, stand er da und blickte verschämt zu seinem Bruder hinüber. Dieser hatte noch gar nicht bemerkt, dass der Ältere ihn beobachtete. Langsam machte sein rechtes Bein einen Schritt nach vorne, die Sonne wärmte schon seine Fußspitzen und kitzelte sie, als er erschreckt zusammenfuhr, da die Tür seinen Zimmers mit einem lauten schwungvollen Krachen geöffnet wurde. Edwards Leib erstarrte, er duckte sich sofort und presste sich an die cremefarbene Wand.

„Edward! Wie geht …?“ der Satz blieb dem großen Mann buchstäblich im Halse stecken, denn das Bett vor ihm war leer…die Decke zerknüllt, das Kissen auf dem Boden.

Der blonde Junge unter dem Fenster lauschte mit laut klopfendem Herz dem Treiben oberhalb des Fensters, unwillkürlich drückte er sich so fest wie er nur konnte an die Wand. Er hörte, wie der Major die Matratze nach oben hievte, die ein leichtes Wimmern von sich gab und mit einem kreischenden Laut wieder in ihre Endposition fiel. Dann wurden die Schranktüren hektisch aufgerissen und leises Geklirr ließ vermuten, dass der Hüne Eds Kleidung nach ihm durchsuchte. Ein lautes Tappen auf Steinboden zeigte an, dass der Hüne ziellos im Zimmer herumwanderte. „Edward! Junge! Wo bist du? Komm raus! Fürs Versteckenspielen bist du doch schon viel zu alt!“ die Stimme des Majors hatte einen leicht besorgten Unterton.

>Ich bin wohl eher nicht zu alt zum Versteckspielen< ein leichtes amüsiertes Lächeln lag auf den Lippen eines jungen Blonden, der sich immer noch unter dem Fenster versteckte. Auf einmal horchte er auf.

„Ich hoffe der Junge kommt bald wieder auf die Beine…“, die angenehm weiche Stimme des rothaarigen Pflegers war auf dem Flur des Krankenhauses zu hören. „Jupp!“ brummte sein Kollege.

Auch ein anderer hatte die beiden Pfleger wahrgenommen. Der Major raste auf sie zu, wie ein Jagdhund der seiner Beute auflauerte und nun seine Chance nutzte, um sein Opfer zu erledigen. „Hey! Ihr beide!“ Die Augen der Angesprochenen starrten verdutzt auf den uniformierten, sehr wütenden Mann, der fast am Explodieren war.

Mit einem breiten belustigten Grinsen verfolgte Edward das Gespräch der Männer auf dem Krankenhausflur, er verstand jedes Wort, da Armstrong sehr laut seine Meinung kundtat.

„Ich habe gedacht, ihr Zwei solltet hier aufpassen! Wo seid ihr gewesen?“ Der kleinere der Pfleger zuckte kurz unter der wütenden Äußerung zusammen. Sein Gesicht war ein wenig zerknirscht. Der andere zog nur überrascht eine Augenbraue nach oben. „Wir wollten uns nur einen Kaffee besorgen…“ und streckte dem Alchemisten seinen dampfenden Becher entgegen, aus dem es gut nach Bohnen duftete. Aber der uniformierte Hüne ließ sich von dem Kaffeeduft, der ihm in die Nase stieg und angenehm umschmeichelte, nicht beirren und starrte die Pfleger zornig an. Ian nickte freundlich und beruhigend. „Was ist los, Sir? Ist…ist was mit dem Jungen?“ seine grünen Augen weiteten sich entsetzt, als er dem Blick seines Gegenübers begegnete. Nun konnte er die Aufregung des Majors irgendwie verstehen… >Ich selbst habe einen kleinen Bruder, der mir genauso viel bedeutet, wie diesem Mann der Junge.< Mit diesen Gedanken drückte er seinem Freund seine Tasse in die Hand, der ihm ein wenig fassungslos nachstierte, rannte an Alexander Armstrong vorbei und stürmte in das Zimmer des Jungen, auf den sie eigentlich hätten Acht geben sollten. Als Ian das offen stehende Fenster und das leere Bett sah, taumelte er einige Schritte zurück und knallte gegen seinen Kollegen Will, der sprachlos in den leeren Raum starrte. Der Rothaarige öffnete den Mund, aber es kam nur ein leichtes Krächzen aus seiner Kehle.

„Wie…wie ist das möglich? Als wir ihn wieder hierher brachten, wäre er kaum in der Lage gewesen, danach aufzustehen und zu verschwinden. Er ist doch nicht etwa…aus dem Fenster?“ redete Will für seinen Kollegen, der sich immer noch total geschockt an dem Ärmel seines besten Freundes festkrallte. Ungläubig blickten die zwei Pfleger auf die hochgeschobene Scheibe und die leise raschelnden Vorhänge, die sich im Wind vorsichtig bewegten.

Endlich fand der rothaarige Mann seine Sprache wieder. „Das…das kann ich nicht glauben. Er…seine derzeitige Verfassung würde das gar nicht zulassen.“ Mit weit ausgreifenden Schritten trat Major Armstrong ans Fenster und blickte hinaus, seine Finger drückten sich fest in den Holzrahmen. „Wenn sie wüssten, zu was der Kleine alles fähig ist…Egal, wir sollten ihn schnell finden, bevor noch etwas geschieht.“ Mit diesen Worten lehnte sich der Hüne weit aus dem Fenster hinaus. Seine Pupillen fixierten den eisernen Jungen, der noch immer stumm zur leuchtend bunten Baumkrone sah und leise aufseufzte. „Al!“ der so Angesprochene zuckte zusammen und blinzelte kurz mit den Augen, so als wäre er aus einem tiefen Schlaf erwacht. Alphonse ruckte herum, neugierig guckte er den Major an, der ihm zuwinkte. Plötzlich weiteten sich die Pupillen der Rüstung erschreckt. Genau unter dem Fenster hockte sein älterer Bruder, grinste und winkte ihm keck mit der Automail, aber im gleichen Moment bedeutete er ihm mit allerlei komischen Gesten, bei der er sich fast einen Knoten in die Arme machte, dass Al den Aufenthaltsort von Ed den Männern nicht verraten sollte. Der Stählerne neigte leicht seinen Helm, um seinem Bruder anzudeuten, dass er verstanden hatte. Edwards Lächeln schien erleichtert, liebevoll zwinkerte er seinem Bruder zu.

Alphonse wusste, das der Ältere mit ihm reden wollte und dabei würde der Major nur stören. >Aber trotzdem, warum zum Kuckuck ist er nicht im Bett geblieben…<, aber seine fast wütenden Gedanken verpufften bei dem besorgten Ton des Hünen. „Dein Bruder ist verschwunden! Scheinbar ist er durch das Fenster nach draußen geklettert! Ich werde gleich, nachdem ich Doktor Brown informiert habe, nach draußen kommen, um ihn zu suchen! Du hilfst mir doch mit Sicherheit dabei, oder?“ Den Jungen schmerzte es, den uniformierten Freund anzulügen, aber um seinem Bruder einen großen Dienst zu erweisen, würde er alles tun. „Nii-san ist verschwunden?“ man hätte fast den Eindruck gewinnen können, das Alphonse schon jahrelang zum Theater ging und auf der Bühne einer der besten Schauspieler war. Sein Ton war perfekt einstudiert, ungläubig erweiterten sich auch seine rötlich glänzenden Pupillen. Anerkennend nickte ihm Edward zu und klatschte lautlos Beifall. „Aber…wie das denn?“ die Furcht in der Stimme des Stählernen war halb gespielt und halb ernstlich.

„Das wissen wir auch noch nicht! Die Pfleger meinen, dafür ginge es ihm eigentlich viel zu schlecht!“, nach dieser beunruhigten Nachricht fing sich der blonde Junge einen sehr fürsorglichen Blick seines stählernen Bruders ein, doch Ed verdrehte nur sichtlich genervt die goldenen Augen. Leicht zuckte er mit den schmalen Schultern. „Ich werde solange hier bleiben!“ beschwichtigte Alphonse den aufgeregten Mann. „Vielleicht ist er ja hier irgendwo!“ eine Hand über der rötlichen Iris blickte Al herum.

„Gut! Ich bin in ein paar Minuten bei dir!“ Armstrongs Kopf verschwand vom Fenster, die beiden Jungs hörten einige Sekunden später wie die Türe leise geschlossen wurde.

Der Rothaarige nickte dem Uniformierten zu. „Wir helfen auch bei der Suche…es tut mir sehr leid…“, Ian sah Alexander Armstrong geknickt an, auch Will schlug die Augen traurig nieder. Der Major legte freundlich einen Arm auf die Schulter des jungen Mannes. „Sie wussten schließlich nicht, was der Junge alles ausheckt…wir sollten mit der Suche anfangen.“ Die zwei Pfleger salutierten und schwärmten aus.
 

„Nii-san…was machst du hier?“ fuhr die Rüstung mit einem leicht wütenden Unterton den Blonden an. Verlegen kratzte sich Edward mit der Automail durch sein schon ziemlich verwuscheltes Haar, in dem noch ein paar Brennnesselblätter hingen. Schuldbewusst sah Ed auf den Boden, zarte Schamesröte lag auf seinen Wangen. Vorsichtig krallten sich Edwards Finger in das spröde Mauerwerk und zogen seinen ermatteten Körper nach oben. Leise keuchte er auf, zittrig schwankte er auf den Jüngeren zu. „Nii-san!“ Der stählerne Gigant machte einen schnellen Schritt auf ihn zu, um ihm zu helfen, doch der Kleine winkte freundlich lächelnd ab. Eds Haut glänzte schweißnass. „Ich…wollte mit dir reden. Alleine.“

Stumm blickte er sich um, die Luft roch angenehm nach Regen, die Blätter tanzten im lauen Wind und die kleinen Eichhörnchen, die wie Saphire im Schein der Sonne glänzten, schnatterten in den Ästen. >Es ist so friedlich und schön hier…kein Wunder, dass sich Al hierher zurückgezogen hat um einen freien Kopf zu bekommen. Einige Sonnenstrahlen lugten durch das intakte Dach der riesigen Bäume hindurch und hinterließen auf dem grünen Rasen ein helles Farbenspiel, einige Vögel zwitscherten ihre schönsten Melodien. Eine leichte Brise strich durch die Strähnen des blonden Jungen, zog sanft an ihnen, so dass sie unbändig vor die goldenen Augen fielen und streichelte sanft über sein feucht geschwitztes Gesicht.

>Friedlich und still. Das genaue Gegenteil von dem, was zurzeit in meinem Inneren herrscht< dachte er tief betrübt. Langsam atmete er die frische würzige Luft des Baumharzes ein. Seine Stimme klang ein wenig belegt als er fortfuhr: „Es…tut mir leid, was ich gesagt habe, Al. Ich weiß…du wolltest mir nur helfen, aber…“, plötzlich überschlug sich der Ton, rasendschnell kamen die Worte aus Eds Mund hervor geschossen. „Was ist es, Al? Was hast du dafür gegeben? Sag es mir!“

Alphonse wurde es Angst und Bange bei dieser Frage, sein Herz setzte für wenige Sekunden die Tätigkeit aus, Panik erfüllte die jugendliche Seele des Stählernen. Krampfhaft schluckte er einen dicken Kloß den Hals hinab. >Was soll ich denn jetzt machen? Ihn anlügen? Ausweichen? Oder ihm die Wahrheit erzählen, so wie ein Mann?< Purer Schmerz zog seine Eingeweide zusammen, als er seinen Bruder ansah, der diesen qualvollen Blick in den golddurchwirkten Augen hatte. Sollte er ihm wirklich noch mehr Leid zufügen, wenn er ihm jetzt die ganze Wahrheit offenbarte? Wie viel Pein würde sein Herz noch tragen können, bevor es von der schweren Last völlig zusammenbrach? Aber andererseits…wie lange konnte er dieses schreckliche Geheimnis noch vor seinem Bruder verbergen?

„Bitte, Al…“, unterbrach der Blonde mit fast bettelndem Ton die kummervollen Gedanken des Giganten. „Ich muss es wissen. Was ist es gewesen?“

Die Gefühle des stählernen Jungen sprangen Purzelbäume und Saltos, überschlugen sich wirr durcheinander, als er angestrengt überlegte, was er seinem Bruder sagen sollte. Der laue Wind wurde unangenehm kühl und strich wimmernd durch die Risse der Rüstung, so als würde eine junge Frau über das große Leid der beiden Kinder weinen. Der kleine Junge fröstelte in seinem viel zu dünnen Krankenhaushemd und schlug die Arme um seinen schlanken Körper, um sich zu wärmen.

„Es sind…meine Erinnerungen…an meine Kindheit…all die schönen Dinge sind verschwunden…nur die schlimmen sind geblieben“, flüsterte er tonlos und starrte in die goldenen Augen seines blonden Bruders, die sich entsetzt erweiterten. Ungläubig stöhnte er auf, taumelte schwankend auf den Stählernen zu und wäre fast gefallen, wenn sein Körper sich nicht automatisch zusammengerissen hätte. In seine Glieder fuhr ein nervöses Zittern, in seinem qualvollen Blick sammelten sich funkelnde Tränen, die leise seine geröteten Wangen hinunterkullerten und sanft den grünen Boden benetzten. „Deine…Erinnerungen? Du…weißt nichts mehr? Von damals? Es…ist alles weg? Als wäre nie etwas davon geschehen?“ Traurig stammelte er diese Worte, ein gepeinigtes Keuchen entfuhr seiner Brust als er das lautlose Nicken des Jüngeren sah.

„Wieso? Wieso hast du das bloß getan, Al?!“ schrie Edward auf einmal zornig auf, so dass Alphonse erschreckt zusammen zuckte. Die Antwort des eisernen Jungen kam wispernd über seine stählernen Lippen. „Weil ich dich nicht verlieren wollte, nii-san, genauso wenig, wie du mich damals verlieren wolltest. Auch du hast etwas Kostbares dafür geopfert, deswegen habe ich mich auch lange schuldig gefühlt, dass du meinetwegen leiden musstest. Darum habe ich es getan. Mir war egal, was mit mir dabei geschieht. Ich wollte doch nur meinen Bruder wiederhaben, ihn wieder lachen sehen und schimpfen hören. Mehr nicht.“ verlegen scharrte ein glänzender Metallfuß im gut duftenden Gras, einige kleinere Insekten wurden dadurch aufgescheucht und huschten schnell davon. Sein rötlicher Blick war auf den Boden gerichtet, traurig beobachtete er die kleinen Tiere. >Am liebsten würde ich jetzt auch flüchten…<

„Oh, Al…“, die zittrige Stimme von Ed ließ den Koloss hochfahren, sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen als er in das verzerrte Gesicht seines Bruders blickte. Die Wangen waren nass von den Tränen, die Pupillen voller Pein. Eine Hand nach Alphonse ausgestreckt, unsicher zitternd tappte der Junge auf den Giganten zu, schwammig wankten die Beine unter dem Leib hin und her. Kurz entschlossen sprang Al seinem Bruder entgegen, um ihm zu helfen.

Edward fühlte sich ziemlich mies, nachdem, was ihm der Jüngere gebeichtet hatte. Er konnte gut verstehen, wie der andere sich fühlte und durchmachte. Sein Herzschlag setzte für eine Sekunde aus, voller innerer Schmerzen verschleierte sich der Blick des Blonden. Er wollte auf seinen Bruder zugehen, ihn trösten und ihm beistehen, aber voller Schrecken bemerkte er, dass seine Kräfte schwanden. Panisch versuchte er schneller vom Fleck zu kommen, aber seine Beine schwankten unter seinem Gewicht und knickten in Zeitlupe unter ihm weg. Keuchend verkrampfte sich seine Haltung, Hilfe suchend streckte er eine Hand nach Al aus. Bevor dieser sie ergreifen konnte, fiel der Blonde mit offenem Mund, aus dem nur ein qualvoller Laut hervorkam in tiefe grauenvolle Dunkelheit, die ihn mit ihren langen Klauen umklammerte. Wie eine Gliederpuppe, die von keinen Fäden mehr gehalten wurde, stürzte der Kleine in einen Laubhaufen, der seinen Fall sanft abfing und versank halb in ihm.

„Nii-san!“ schrie Alphonse bestürzt auf, als er sah wie sein Bruder leichenblass wurde, panikartig nach ihm greifen wollte und mit einem erstickten, todtraurigen Ächzen vornüber in einen großen Haufen mit Blättern fiel. Blitzartig fuhren die metallenen Arme des Giganten in die Naturgebilde und holten vorsichtig den schlaffen Körper des Jungen hervor. Achtsam drehte er den Älteren herum, wischte ihm zart über die weißen Wangen um den gröbsten Schmutz wegzubekommen und sah erschreckt auf eine kleinere, aber noch immer leicht blutende Wunde auf der schweißnassen Stirn Edwards. Seine Haare waren schon verklebt vom Lebenssaft und glänzten rötlich in der immer dunkler werdenden Sonne auf. Die Wolken verschluckten den größten Teil des wärmenden Gestirns, der kühle Wind blies immer stärker und fuhr wütend über den Leib des blonden Jungen.

Alphonse wandte seinen metallenen Körper vor Edward, um ihn vor den Böen zu schützen. Sorgenvoll betrachtete er das Gesicht seines Bruders, dunkle Schatten lagen unter den geschlossenen Lidern, das Antlitz eingefallen und erschöpft. Flink bettete die Rüstung den Kleinen in seine starke Arme und zupfte ihm die restlichen Blätter aus den goldenen Strähnen. Der Blonde zitterte, leise perlte der Schweiß von seiner Stirn. Sanft stand der metallene Junge auf, um seinem Bruder so wenig Schmerzen wie nur möglich zu bereiten.

„AL!“ Der so Angesprochene hätte seinen blonden Bruder fast wieder in den Laubhaufen fallengelassen, aber seine Reflexe beruhigten sich rasendschnell, er zuckte nur kurz zusammen. Wandte sich dann zu Major Armstrong herum, der sich weit aus dem Fenster lehnte und ihm hektisch zuwinkte. „Ich komme jetzt rau-…sss…“, mit sperrangelweitem Mund starrte der Hüne den stählernen Giganten an, der in seinen Arme Edward zärtlich hielt. Dieser lag darin wie eine kaputtgegangene Puppe, das Haar offen und blutbefleckt.

„Ed…ward!“ ohne lange Nachzudenken stieß sich der groß gewachsene Mann an der Fensterbank ab, raste pfeilschnell aus dem Krankenzimmer in Richtung Haupteingang. Dort walzte er fast den Chefarzt Doktor Brown um, der nichtsahnend um die Ecke spazierte.

„He Major Armstrong, hier wird nicht gerannt!“ zeterte der alte Mann dem Strong Arm Alchemisten hinterher, als er sich vom Schreck erholt hatte. Doch dieser beachtete den Verweis des Arztes nicht. Im Gegenteil, sein Tempo nahm noch zu, so dass man fast den Eindruck gewinnen konnte, er würde eine brennende Spur hinter sich lassen. Er schlitterte die letzten Meter auf dem sanft gebohnerten Boden auf die Türe zu, riss sie mit einem riesigen Schwung auf und fiel fast die Treppe hinab, aber konnte sich noch rechtzeitig auffangen.

Die Blätter auf den Boden wurden von den starken Böen herumgewirbelt, als der Hüne keuchend bei dem metallenen Koloss ankam. Entsetzt starrte er auf das Bild, das sich ihm bot.

Die Schleusen des Himmels öffneten sich sanft und kleine Wassertropfen benetzten die heiße Haut des blassen Jungen, der vor inneren Qualen leise aufstöhnte. Geborgen lag er in den starken Armen seines Bruders. Leise tröpfelte das Wasser auf den Helm der Rüstung, es schien fast so, als würde der Stählerne um den Schmerz, den der Ältere erleiden musste, weinen. Sorgsam betrachtete der Jüngere seinen Bruder, strich ihm zart die kalten Tropfen von den Wangen. Der Regen plätscherte immer stärker vom giftschwarzen Himmel, die großen Tropfen knallten laut gegen das Metall. Dumpfes Grollen wurde in der Ferne hörbar, ein paar Blitze zuckten am Horizont auf, die die Umgebung in grelles Licht tauchte.
 

Tja, immer wenn es am schönsten oder eher gesagt am heftigsten wird, mach ich einen Cliffhanger, böse Lina, so was macht man doch nicht *evilgrins* Ich hoffe es hat euch wie immer Spaß gemacht und ihr bleibt weiter am Lesen und Kommentieren. Ich bedanke mich jetzt schon recht herzlich bei euch, Vielen lieben DANK!

Die Liebe und die Schuld, die ich im Herzen trage

dai-joobu? = alles in Ordnung?

O-negai da kara = Bitte!
 

Die Liebe und die Schuld, die ich im Herzen trage
 

Die blonde Frau zitterte auf einmal und wand sich vor Schmerz. „Ototo…“, flüsterte sie leise und gepeinigt, dann entspannte sich ihr schmaler Körper wieder.
 

Mit entsetzt geweitetem hellblauem Blick starrte der Hüne in das Antlitz des kleinen Jungen. Blut klebte an seinen Haaren und ein roter Faden geronnen Lebenssafts rann von der Stirn bis hinunter an den Hals, in der es sich mit der weißen Kleidung vereinigte. Am meisten ängstigte ihn jedoch das Gesicht des Full Metal Alchemisten, reinste Qual lag in seinem jugendlichen Ausdruck…eine Qual, die nicht einmal bei einer Ohnmacht verschwand. Leise keuchte der Blonde in den Armen seines jüngeren Bruders auf. Sachte nahm der groß gewachsene Mann den blassen nass geschwitzten Körper aus den Händen der Stahlrüstung. Vorsichtig wandte er sich um und schritt auf den überdachten Haupteingang des Krankenhauses zu. Alphonse folgte ihm stumm und mit hängenden Schultern. Gerade wollte der Stählerne die Türe öffnen, als sich zwei Personen in blauen Uniformen näherten. „Hallo Major. Hallo Alphonse-kun.“ erschallte die freundlich warme Stimme des First Lieutnant. Die beiden Angesprochenen drehten sich langsam um.

Winkend kamen ihnen Riza Hawkeye und hinter ihr Colonel Roy Mustang entgegen. Die aber nach einigen Schritten wie angewurzelt stehen blieben, als sie den Blonden in den Armen des Majors erblickten. Fragend starrte der Flame Alchemist seine Kollegin an, diese zuckte aber nur ratlos mit den Schultern. Sie näherten sich langsam dem Hünen und der Rüstung, die ihren Bruder nicht aus den Augen ließ. Flink salutierte Alexander Armstrong mit der rechten Hand - er balancierte den blonden Jungen sehr sicher im linken Arm - als sein Vorgesetzter vor ihm stand. Riza und Roy grüßten ebenfalls, dann wandten sich die rotbraunen Augen der jungen Frau besorgt auf den ausgelaugten Leib Edwards und musterten ebenfalls den stählernen Jungen mit großer Anteilnahme. Kurz glitt ihr Blick in die nähere Umgebung. „Das Mädchen schläft noch…“, murmelte der Strong Arm Alchemist leise. Der First Lieutnant nickte ein wenig erleichtert.

„Major, was ist geschehen? Mir wurde berichtet, unserem Full Metal ginge es bereits besser. Doktor Brown persönlich hat es mir mitgeteilt. Lieutenant Hawkeye und ich waren auf dem Weg hierher, um ihn zu besuchen und jetzt…sehe ich das. Hat sich irgendetwas zugetragen, von dem der Doktor noch nichts wusste?“

Fragend musterten die onyxfarbenen Pupillen den Major, der leise aufseufzend die Lider niederschlug und zu der leise weinenden Metallrüstung blickte. „Nii-san…“, schluchzte das metallene Kind auf. Lautlos wie eine Raubkatze auf Samtpfoten war Riza Hawkeye zu dem Strong Arm Alchemisten herangetreten und legte dem hustenden Jungen eine Hand auf die schweißnasse Wange. Plötzlich zuckten ihre feinen langen Finger zurück, als hätte sie sich diese an einem glühenden Ofen verbrannt und sie zog ihre sanfte Stirn kraus. Verblüfft zog der Colonel seine schwarzen Augenbrauen nach oben. Die gekräuselte Stirn der jungen Frau erinnerte an die schaumigweichen Kronen der Wellen des Meeres, die das ruhige Wasser aufwühlten und stürmisch darüber hinweg glitten. In großer Unruhe strichen ihre makellosen Finger über die schwitzende Haut des kleinen Alchemisten.

„Seine Haut brennt wie ein unruhiges Feuer“, murmelte Riza fast geistesabwesend, als sich ihre Hand von dem Jungen löste. Erschrocken ruckten sämtliche Köpfe in ihre Richtung. „Nii-san…“, flüsterte Alphonse kummervoll auf. „Wa-…was?“ Entfuhr es dem Major entsetzt aus seiner Kehle. Nun erst bemerkte er mit sorgenvollem Gesicht, wie Edward in seinen Armen unruhig und hektisch atmete, sein zerbrechlich wirkender Körper glühte wie ein Vulkan, der kurz vor der Eruption stand. Der groß gewachsene Mann spürte diese unangenehme Hitze durch seine dicke Kleidung hindurch. „Aber…aber vor ein paar Minuten…“, fassungslos haftete sich der hellblaue Blick an seinen Vorgesetzten. Dessen Gesicht verdüsterte sich wie der Himmel, aus dem es in unregelmäßigen Abständen aufblitzte und wütend grollte.

„Der Körper des Jungen ist zu schwach, um sich dagegen zu wehren“, erklärte die Blonde den grübelnden Männern und ihre Augen blickten immer noch beunruhigt auf den keuchenden Alchemisten. „Hier draußen ist es windig, nass und kalt und sehen Sie doch mal. Er ist barfuss und nur mit diesem dünnen Stoff bekleidet. Kein Wunder, dass das passieren musste.“ Die Männer nickten ihr bestätigend zu.

Währenddessen zog Roy Mustang seine Jacke aus, legte sie sanft über den Körper des Jungen, steckte sie fest, dass sie sich wärmend an Edward schmiegte und der eiskalte Wind ihn nicht mehr stören konnte.

Al stand still wie eine Statue neben dem Hünen und konnte nicht fassen, was er gerade von der jungen Frau gehört hatte.

„Nii-san…“, flüsterte er wispernd. >Warum geschieht das? Wieso ist schon wieder das Leben von nii-san in Gefahr?< Es erschien ihm fast, als würde eine dunkle Macht nach dem Leben seines Bruders greifen und ihn für alle Zeit mit in die finstere Schwärze reißen wollen. >Das darf nicht geschehen…nicht schon wieder! Wenn ich doch nur etwas tun könnte…<, aber er war fest davon überzeugt, dass sein Bruder dies verhindern würde, mit allen Kräften, die er in sich hatte. Hilflos ballte der stählerne Junge die Hände zu Fäusten, so dass seine Arme zu zittern begannen.

Auf einmal legten sich weiche warme Finger mitfühlend auf seine breite Schulter. Niedergeschlagen wandte sich seine Gestalt zu der hübschen Uniformierten um. Sein Blick war in ihren rotbraunen Augen versunken, die ihn fürsorglich ansahen. Ein liebevolles Lächeln schmiegte sich auf die roten Lippen des First Lieutnants und ließ sie in einem wunderschönen Licht erstrahlen.

„Mach dir nicht zu viele Sorgen, Alphonse-kun. Ich bin mir sicher, dass es deinem Bruder bald wieder besser gehen wird, also, lass den Kopf nicht hängen.“ Sie mochte die beiden Brüder und es tat ihr in der Seele weh, dass der Jüngere sich nun so um den Älteren ängstigen musste.

„Lasst ihn uns hineinbringen, hier draußen ist nicht der richtige Ort für jemanden, der krank ist“, unterbrach der Strong Arm Alchemist ungeduldig das Gespräch und drehte sich schon zum Krankenhauseingang. Riza Hawkeye ging schnellen Schrittes vor dem Major her und öffnete die Türen. Denn diese stellten für den großen Uniformierten ein ziemliches Hindernis dar, da er den kleinen schwer atmenden Jungen hielt. An seine Fersen heftete sich der frierende Colonel, der bibbernd seine Arme um seinen Körper schlang und nun der Wärme wegen langsam auflächelte. „Es geht doch nichts über beheizte Flure!“ grinste er seinem Lieutnant zu. Die Blonde blickte den Schwarzhaarigen nur etwas schräg an, schwieg aber. Sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er sich hinter der lächelnden Fassade genauso viel Sorgen um den Kleinen machte, wie alle anderen auch.

Hinter den Leuten vom Militär schritt Alphonse, leise schepperten seine Schritte auf dem Boden, hallten traurig durch die Gänge. Betrübt ließ er die Schultern hängen, als er den Dreien hinterher ging. Er hoffte, dass das Fieber nur eine böse Laune der Natur war und so schnell verschwinden würde, wie es gekommen war. Denn wenn…

>Nee-san…wenn sie das herausfindet, dann…dann wird sie…nein! Das darf ich nicht zu lassen! Niemand soll für jemand anders sein Leben opfern. Nii-san und ich würden nicht mehr glücklich werden, wenn nee-san etwas geschieht.<

Entschlossen glühten seine Augen auf. Er würde auf seinen Bruder Acht geben, so lange dieser nicht selbst die Lage beobachten konnte. >Ich werde nicht zu lassen, das nee-san noch mal ihre Kräfte verwendet…ich werde es einfach nicht zu lassen!<

Ein bedrohliches, sich langsam näherndes Grummeln erfüllte plötzlich das Gebäude. Ließ das Glas der Fenster und der Eingangstüre erschreckend laut erzittern. Das wütende Unwetter näherte sich mit rasender Geschwindigkeit der Stadt. Blendendhelle Blitze zuckten am rabenschwarzen Firmament auf. Die Strahlen der Lampen flackerten ein paar Mal, bis sich die Notstromaggregate eingeschaltet hatten und das Licht konstant hielt.

Erschrocken zuckte der stählerne Junge auf und rieb sich unwillkürlich die Hände an den Armen, wenn er einen menschlichen Leib besessen hätte, würde ihm nun jedes Haar zu Berge stehen. Sein Blick wandte sich nach draußen. Es war fast so, als würde die Natur seine Gefühlswelt und auch den Zustand seines Bruders widerspiegeln: düster, hoffnungslos und äußerst bedrohlich.
 

Laut donnerte es auf. „Mama-san!“ leise schluchzte ich auf und vergrub mich in der weichen Bärendecke, die ich so sehr liebte. Eine warme liebevolle Hand strich mir über den Rücken. „Mama-san!“ laut weinend kuschelte ich mein Gesicht in ihren Schoß. „Hab keine Angst, Engelchen, ich bin doch da…ich bin doch da!“ beruhigte sie mich wispernd. Langsam entspannte sich mein Körper. „Ob Edo und sein kleiner Bruder auch Angst haben?“ flüsterte ich neugierig. „Vermutlich…aber sie haben ihre Mutter, die sie beschützt, so wie ich dich beschütze, mein Schatz...Engelchen?“, ihre sanften Augen sahen auf mich herunter. „Hai, Mama-san…?“ „Wenn du deine Cousins wieder siehst…dann beschütze sie und gib gut auf sie Acht…versprichst du mir das?“ Ich nickte. „Ja, das werde ich machen. Ich hab sie so doll lieb und werde sie, wenn es sein muss, sogar mit meinem Leben schützen.“ Mutter lachte warm auf. „Das weiß ich mein Schatz…danke…“ „…außerdem sind wir es oba-san schuldig, nicht wahr? Sie hat uns nicht im Stich gelassen, als wir Hilfe brauchten und da werden wir sie auch nicht alleine lassen, wenn sie oder die Kleinen uns benötigen.“ Mama lächelte und neigte ihren Kopf. „Ja, du hast recht…“
 

Ein wütender Donner rollte über den Himmel und ein sengendheißer Blitz erhellte das Zimmer, in dem ich gerade ein wenig erschrocken erwacht war. Müde rieb ich mir die schläfrigen Augen aus und kratzte mir leicht über die Wange. >Warum hab ich diesen Traum gehabt…?<

Draußen war es stockfinster und das Firmament war schwarz, nur die blendenden Blitze erleuchteten die Umgebung. Eine unheilvolle Atmosphäre…

Stöhnend schnappte ich nach der Uhr, die neben meinem Bett leise tickte. „Wie viel Uhr haben wir es denn…16 Uhr…und schon so dunkel? Ich schlaf noch ’ne Runde.“ Mein Blick glitt kurz umher. „Major Armstrong ist auch nicht da…ach, darum ist es so ruhig…“, noch immer leicht erschöpft fiel ich zurück in die Kissen, die mich warm und weich willkommen hießen. Ich kuschelte mich sanft an den Wecker und murmelte die Uhrzeit vor mich hin. „16 Uhr…16…16? Ach du…“, wie von der Tarantel gestochen fuhr ich hoch. „So spät schon! Ich hab ja den halben Tag verschlafen…“

Als der nächste Blitz unangekündigt vom Himmel fuhr und sich mit dem zornigen Donnergrollen vermischte, fielen mir meine Cousins wieder siedendheiß ein. >Wie es ihnen wohl geht? Wahrscheinlich haben sie sich eine Menge zu erzählen.< Ich unterdrückte ein Kichern. „Oder sie streiten sich…oder hecken wieder irgendeine Dummheit aus, die ich wieder ausbaden darf. Ach, was tut man nicht alles als große Schwester“, leise lachend streckte ich mich. Warf die Decke auf die Seite, schlüpfte in die warmen Pantoffeln, die an meinem Bett lagen und stand mit einem genüsslichen Grummeln auf. Ich hatte schon seit langem nicht mehr so gut geschlafen. Reckte mich noch einmal zur Decke hinauf, gähnte laut und herzhaft.

Plötzlich erschien ein Bild von Edo und Al vor mir. Ein seltsames Gefühl kroch meinen Körper hinauf und machte mich nervös. Ich musste unbedingt zu ihnen, mich vergewissern, dass es ihnen gut ging.

>Sicher, ich liebe die beiden wie richtige Brüder…aber ich genieße auch das jetzige Alleinsein. Warum fühle ich mich dann so eigenartig unruhig?< Diese beklemmende innere Regung ließ mich einfach nicht mehr los. Grübelnd krallte ich mir den molligweichen Morgenmantel und zog ihn fröstelnd an. Geschickt schlüpfte ich in die Ärmel. Nun erst bemerkte ich, dass eine seltsame Kühle im Zimmer herrschte, die mich leicht aufzittern ließ. Seit die Sonne nicht mehr am Firmament regierte, war die Umgebung in Kälte getaucht und alles Leben war aus der Nähe geflüchtet, um einen sicheren Unterschlupf vor der nahenden Gefahr zu erreichen.

Laut brummte die Heizung vor mir auf und schreckte mich aus meinen rastlosen Gedanken. Zaghaft fasste ich nach dem fauchenden metallglänzenden Ungetüm. „Das dauert noch ein Weilchen bis es hier drin warm ist“, wisperte ich vor mich hin.

Zögerlich drehte ich mich zur Tür, meine Füße bewegten sich automatisch auf sie zu und meine lauwarmen Finger berührten die metallene Klinke. Eine unglaubliche Kälte floss durch meine Venen, als ich meine Hand auf diese legte. Mit einer unglaublichen Schnelligkeit zuckte ich vor ihr zurück. Meine silbernen Augen sahen sich unsicher um, ängstlich schluckte ich einen dicken Kloß den Hals hinunter. Die dauernden Blitze erhellten das Zimmer, tauchten es in ein unwirkliches Licht und ließ meinen Schatten verzerrt auf dem Boden auftanzen.

Plötzlich fühlte ich kein Bedürfnis mehr die Beiden zu sehen. Die Angst wurde größer und fraß sich tief in mein Herz. Ich wich schlotternd einige Schritte von der Türe weg und wollte eine Hand auf den Stuhl des Majors legen, aber zu spät erkannte ich, das da gar keine Sitzgelegenheit mehr war. Nach hinten stolpernd fing ich meinen geschockten Körper geschickt auf. >Was ist nur mit mir los…so kenn ich mich gar nicht…sei kein Angsthase, Lina!< schalt ich mich wütend und meine Hand klatschte leicht auf meine Wange. Widerstrebend tappte ich langsam auf den Eingang zu, legte - neugierig geworden – ein Ohr an das gestrichene Holz und lauschte mit angehaltenem Atem.

Schwere angespannte Schritte hallten über den Flur. Langsam, aber achtsam schien sich der Körper des Mannes voran zu bewegen. Meinem trainierten Gehör entgingen die fast lautlosen, katzenartigen Tritte zweier anderer Personen nicht. Dieser schleichende Gang war einer Raubkatze, die auf Beutefang aus war, nicht unähnlich.

Leicht schmunzelte ich auf. Die Erkenntnis flog sanft wie ein Blatt vom warmen Sommerwind getragen auf. Ich wusste nun, wer dort auf dem Krankenhausflur herumspazierte. >Armer Edo!< kicherte ich und meine Stimmung hob sich wieder ein wenig. >Scheinbar will ihm nun die ganze Kompanie einen Besuch abstatten. Armes Kerlchen…< Meine unbestimmbare Angst war für einige Sekunden von der Situation die Ed gleich erleben würde, weggefegt.

Plötzlich erklangen metallisch scheppernde Schritte, rhythmisch klackten sie im Takt meines Herzens, das sich fassungslos zusammenzog. Ich kannte diesen Klang nur allzu gut. Aber was tat er hier draußen?

>Al?! Wieso bist du nicht bei deinem Bruder im Zimmer? Hast du zwischenzeitlich das Krankenhaus verlassen und bist nun zurückgekehrt? Hab ich was verschlafen?< Diese Fragen krallten sich in mein Unterbewusstsein und nervös lief ich im Zimmer auf und ab, ich fühlte mich wie ein Panther im engen Käfig. >Aber warum mache ich mir darum Sorgen? Al-chan kann doch hingehen, wo es ihm beliebt…er ist doch an nichts gebunden und ein freier Mensch.<

Lautlos seufzend stand ich vor dem Stuhl und ließ mich mit einem leisen Plumpser auf die Sitzfläche fallen. Einen Moment später fand ich mich mit erstauntem Gesicht auf dem Boden wieder. „Autsch!“ kam es aus meinem ungläubigen Mund. In meiner Hand hielt ich das zerborstene Stuhlbein, das ich verdattert anglotzte. Ich drückte mich geschmeidig nach oben und strich meine durcheinander geratene Kleidung glatt >Muss ich jetzt etwa eine Diät anfangen? Oder haben sich da ein paar hungrige Holzwürmer an dem Stuhl satt gefressen?<

Das lauter werdende Klacken metallener Füße zog meine Seele zusammen und ruckartig wandte ich mich diesem Geräusch zu.

Erneut legten sich Zweifel und Angst auf meinen Körper, einem dunklen Geschwür gleich, das sich einmal im Körper verbreitete, immer mehr wuchs und aus deren Klauen man sich nicht mehr befreien konnte. Langsam und zitternd legte ich meine schweißnassen Finger widerwillig auf die blanke Metallklinke. Nervös starrte ich auf das glänzende Metall und konnte in den hell aufleuchtenden Blitzen mein verzerrtes Spiegelbild auf ihm erkennen. Unruhig drückte ich die Klinke herunter, mit einem leisen kreischenden Klicken, das für mich wie das Geschrei eines Sterbenden klang und mich bis ins Mark erschauern ließ, öffnete ich die Tür einen Spalt breit. Mit zusammengekniffenen Augen, da auf dem sauber gewischten Flur grelles Licht herrschte und in meinem Zimmer Dunkelheit, spähte ich hinaus.

Die Vermutung, die ich die ganze Zeit gehegt hatte, bestätigte sich. Da waren mein schnarchender Wächter Major Armstrong, sein Vorgesetzter Colonel Mustang, der kein Blatt vor den Mund nahm und sein hübsches blondes Anhängsel First Lieutnant Hawkeye. Einige Schritte weiter hinter ihnen bemerkte ich das Aufblitzen eines Stahlhelms, der weit über den drei Uniformierten aufragte. „Al…“, kam es zwischen meinen trockenen Lippen hervor.

Ein eigenartiges Gefühl machte sich in meiner Magengegend breit, ein dumpfes Brodeln, das sich in quälender Langsamkeit meine Kehle hinaufstieg. Diese Empfindung erinnerte mich an Momente, an denen ich Klassenarbeiten zurückbekommen hatte, die nicht gerade gut ausgefallen waren. Aber jetzt war es tausend Mal schlimmer. Mein Herz bummerte wie wild und vibrierte bis hinauf zum Hals, als sich die Gruppe näherte. Kalter Schweiß bildete sich auf meinem Rücken, perlte mein Rückgrat hinunter und ließ das Nachthemd unangenehm daran festkleben. Auf einmal glitt meine feuchte Hand vom Türgriff und schwang mit einem schnellen Ruck auf. Dummerweise ging die Tür nicht nach innen, sondern nach außen auf und knallte mit lautem Gepolter an etwas, das hinter ihr verborgen war. Ein erschreckter Aufschrei ertönte.

Schuldbewusst steckte ich meinen Kopf hinaus, langsam folgte mein leicht zitternder Leib. Die Tür war an einen Essenswagen gestoßen, den eine hübsche Krankenschwester gerade an meinem Zimmer vorbeifahren wollte. „Domo sumimasen!“ verbeugte ich mich artig, grinste sie entschuldigend an und kratzte mir verlegen den Nacken. Sie warf mir einen nicht wirklich ernst gemeinten vorwurfsvollen Blick zu.

Mit einem freundlichen zuvorkommenden Lächeln rückte sie die Teller zurecht. Schnell und geschickt stellte ich die Gläser und Tassen, die der heftigen Begegnung wegen umgefallen waren, wieder auf. Dankbar schmunzelte sie mich an, wenige Sekunden später stierte sie wie erstarrt an mir vorbei, auf ein Ziel, das weit hinter mir lag. Zögerlich wandte ich mich um. Ich wusste was mich erwartete, doch trotz allem war jeder Muskel meines Körpers zum Zerreißen gespannt.
 

Als der Major bemerkte, wer dort mit dem Essenswagen zusammengestoßen war, wich alle Farbe aus seinem schon blassen Gesicht. >Das Mädchen?! Was macht sie bloß hier…oh nein, sie darf ihren Cousin nicht sehen!< So rasch, wie er konnte, drückte er den Jungen noch fester in seine Arme und versuchte mit den großen Händen zu verbergen, was er hielt.
 

Verunsichert und mit abgehackten Gesten starrte ich alle unruhig an. >Wahrscheinlich wird mich Colonel Mustang gleich mit einem witzigen Spruch auf den Lippen zurück ins Zimmer bugsieren<, aber nichts dergleichen geschah. Ich knabberte beunruhigt an meiner Unterlippe. Sie standen wie angewurzelt vor mir und tauschten nervöse Blicke untereinander aus. Ein eiskaltes Gefühl rann meinen Rücken hinunter.

Die blauen Augen des Majors erinnerten mich an ein gehetztes Tier, das nach einem Fluchtweg Ausschau hielt. Verwirrung machte sich in mir breit.

„Dai-joobu?“ fragte ich mit einem leichten, fast besorgten Lächeln und näherte mich dem groß gewachsenen Mann. Dieser wich entsetzt einige Schritte zurück.

Verdattert zog ich meine Augenbrauen nach oben. >Hab ich was Falsches gesagt?< Nun erst bemerkte ich, dass der Hüne etwas in den Händen trug, das er verbissen an seine muskulöse Brust drückte. Es sah so aus wie eine der Jacken, die die Männer vom Militär trugen. Meine silbernen Pupillen blickten reihum die drei Uniformierten an, bis mein Blick an Colonel Mustang haften blieb. >Das ist die Jacke des Colonels…aber warum hat er sie ausgezogen?< grübelte ich und starrte weiterhin den Schwarzhaarigen an.

Seltsamerweise verdüsterte sich sein Gesichtsausdruck und beunruhigt glitt sein Onyxauge zu seiner Kollegin hinüber, die erst ihren Vorgesetzten und dann mich besorgt ansah. Sie schluckte schwer und rieb sich nervös die Hände.

>Was ist hier nur los?< aus meiner ganzen Haltung spürte ich die Beängstigung, die ich erfolglos zu unterdrücken versuchte. Meine Pupillen wanderten wieder in Richtung der Jacke, die der Hüne in den Armen trug.
 

Aus einigen Metern Entfernung beobachtete der stählerne Gigant die sich vor ihm abspielende Situation. Er war erschrocken stehen geblieben, als er seine hübsche Cousine aus ihrem Zimmer kommen gesehen hatte. Alexander Armstrong legte schnell eine große Pranke vor das Gesicht des kleinen blonden Jungen. >Er will verhindern, dass nee-san erfährt, was geschehen ist.< Zu Tode betrübt senkte er den metallenen Kopf. >Denn wenn sie es wirklich erfährt, wird sie ihre geheimen Kräfte wieder einsetzen. Sie wird ihm dadurch helfen, aber auch einen großen Teil ihrer Lebensenergie verlieren. Genau das muss ich verhindern…scheinbar denken das auch Major Armstrong, Colonel Mustang und Lieutnant Hawkeye. Ich will meine nee-san nicht verlieren…<
 

Wie gebannt sah ich auf die blaue Jacke des Colonels, irgendetwas schien unter dem weichen Stoff verborgen zu sein. Auf meinen fragenden Ausdruck in den silbernen Augen bekam ich von den Dreien keine Antwort. >Was ist hier nur los…?< unwillkürlich zitterte ich auf, bannte diese aufkommende Empfindung tief in mein Herz und versiegelte sie dort. Aber das widerwärtige Gefühl erschlich sich einen anderen Weg hinaus, legte sich wie ekelhafter Schleim auf meine Haut, strich meine Rippen hinauf, an denen es sich quälend langsam einen Weg in meine Kehle bahnte und diese mit Vergnügen lähmte. Mein Mund öffnete sich, aber kein einziger Ton kam zwischen meinen Lippen hervor. Nur ein leises Krächzen stahl sich heraus, das einzig und allein von meinen Ohren wahrgenommen wurde.

Dieses ganze Spektakel war mehr als grotesk zu nennen. Da standen die drei Personen vor mir, wortlos und keine einzige Miene verziehend. Sie schienen zu erwarten, dass ich ohne zu fragen in mein Zimmer zurückging, aber darauf konnten sie lange warten.

Erneut klappte ich den Mund auf, um diese eine Frage zu stellen, hoffend, dass sie mir nicht buchstäblich im Halse stecken bleiben würde. Schon wollte ich ansetzen, als ich überrascht einen hellhäutigen und schmalen Arm unter dem Stoff hervorlugen sah, der langsam auftauchte und dann schlaff herunterbaumelte.

Pures Entsetzen ließ mich aufkeuchen, meine Hand fuhr an die Brust und krallte sich verzweifelt in den Stoff, so dass er leise aufknirschte. >Das darf doch nicht wahr sein…< meine Lippen bebten, Tränen stiegen in mir auf und ich fühlte mich wie unter eisiges Wasser gedrückt. Nach Luft schnappend starrte ich fassungslos diesen Jungenarm an. War es das, was ich vermutete?
 

Erschrocken blickte der muskulöse Mann auf das verwirrte Mädchen. Gerade lag auf ihrem schönen Gesicht nur ein fragender Ausdruck, aber nun…reine Panik, erfüllt mit schierer Angst. Dieser Anblick erschütterte ihn bis ins tiefste Mark. >Warum sieht sie so aus?< Seine Augen folgten ihrem entsetzten Blick und nun wusste auch er den Grund ihres Verhaltens. Seine Hand fuhr hinunter zu dem Arm des Jungen, viel zu spät erkannte er, dass es ein Fehler von ihm gewesen war.
 

Wie in Zeitlupe glitt die Hand des Majors nach unten. Ein stöhnender Laut quälte sich zwischen meinen Lippen hervor. Meine schreckliche Ahnung wurde zur Gewissheit. Dieses schweißnasse Gesicht gehörte…

„Edo…ED-CHAN!“ ohne es selbst zu merken, bewegten sich meine Beine blitzschnell auf meinen kleinen Cousin zu, der leise in den Armen des Hünen aufkeuchte. Meine Hände legten sich auf die Stirn des Blonden, streichelten ihm sanft die nassen Strähnen vom Antlitz. Ohne nachzudenken konzentrierte ich kurz meine Alchemistenkräfte, meine Finger bedeckte eine Eisschicht, die sich leise zischend auf der heißen Haut auflöste. Kurz seufzte der Kleine erleichtert auf, aber sekundenspäter war dieser schmerzvolle todtraurige Ausdruck auf seinen Zügen wieder zu sehen. >Warum…ist es meine Schuld, Edo? Und woher hast du die Wunde an der Stirn?<

Das Blut in meinen Adern kochte vor Zorn auf. Wütend ruckte mein Kopf nach oben und wild glühten meine Pupillen. Leicht strich meine Hand über die Wange von Ed, das kühlende Eis auf ihr knackte unter der Hitze auf. Eine brennende Glut, die meinem Inneren glich und kurz vor dem Explodieren war.

Mit der rechten Hand ballte ich eine Faust. Nur mit Mühe konnte ich die Wut beherrschen, aus zusammengebissenen Zähnen blaffte ich die Uniformierten an: „Was…was ist hier geschehen?“ Das Chaos in meiner Seele wurde riesengroß und legte sich, einem klebrigen Honig gleich, über meine Sinne. >Wieso liegt Edo nicht im Bett, in dem ich ihn zurückgelassen habe? Warum ist seine Haut so heiß wie ein beheizter Kohleofen? Diese Wunde…sicher, er hat bei dem Kampf mit den Homunculi auch eine davongetragen, aber diese ist doch erst eine Stunde oder noch weniger alt.< Laut knirschten meine Zähne auf.

Der Major und First Lieutnant Hawkeye wichen meiner Frage aus, nur der schwarzhaarige Colonel hielt meinem vorwurfsvoll zornigen Blick stand.

„Geh bitte zurück auf dein Zimmer“, mit fester Stimme, die keine Widerworte duldete kam er auf mich zu. Verständnislos sah ich den Mann mit den fein geschnittenen Gesichtszügen an. >Was geht hier nur vor?< Hilfe suchend wandte ich mich Major Armstrong zu, dieser wich meinem bittenden Blick mit einem gequälten Gesichtsausdruck aus und drückte den Kleinen fest an sich. Mein irritierter Geist versuchte die Dinge, die hier vor sich gingen, zu verstehen, aber es funktionierte nicht. „Wa-…was…wieso?“ fauchte ich Roy Mustang an. Ich verbarg meine wahren ängstlichen Gefühle hinter einer wütenden Maske. War es meine Schuld, dass es Ed so schlecht ging? Es hatte den Anschein, als würde mein Herz ‚ja’ schreien. >Es ist meine Schuld…ich hätte besser auf ihn Acht geben müssen, so wie ich es mama-san versprochen hab und auch meiner oba-san…<

Eine Hand, die in Handschuhen steckte, kam auf mich zu. Panthergleich und geschickt wich ich dem Mann aus und sprang geschmeidig einige Schritte zur Seite. „Was ist mit ihm? Was ist passiert? Warum sagt mir hier niemand etwas?“
 

Aus Linas Stimme hörte man die große Angst um ihren blonden Cousin. First Lieutnant Riza Hawkeye schnürte es den Hals zu, als sie in die Augen der Jüngeren sah. Panik, Unglauben, aber auch Schuld. Gab sie sich etwa die Schuld an dem Unfall? Warum?

Aber es schien besser, wenn das Mädchen nicht wusste, was in den letzten Minuten vorgefallen war. Auch der Colonel und Major Armstrong dachten gewiss so.
 

Colonel Mustang zog es sein Herz zusammen, als er die junge Frau nun so verwirrt vor sich sah. Aber er musste sie ins Zimmer bringen. Sie durfte, solange es Ed nicht gut ging, nicht erfahren was passiert war.
 

Ich starrte in das gequälte Gesicht meines kleinen Bruders. >Ich hab nicht auf dich aufgepasst, so wie ich es versprochen hab…gomen nasai!< „Gomen na, Edo…Al!“ flüsterte ich wispernd, die Tränen verschleierten meine Sicht, völlig durcheinander wich ich einen Schritt zurück und knallte mit dem Rücken gegen die Wand. Mir wurde schwindelig, meine kalte Hand legte ich stöhnend auf meine Stirn.
 

Fassungslos blickte der Hüne auf die junge Frau, einige Tränen bahnten sich einen Weg seine Wangen hinab. Er fühlte sich schuldig an der Situation, in die sie nun hineingeraten waren. >Sie liebt ihren kleinen Cousin wirklich sehr. Aber warum entschuldigt sie sich?<
 

Warum entschuldigte sie sich bei ihm und seinem älteren Bruder? Sie hatte ihnen doch das Leben gerettet. „Nee-san…“, quetschte er aus tränenerstickter Kehle hervor. Es tat ihm weh, seine große Schwester in diesem Zustand zu sehen. >Aber was soll ich machen? Ich will nii-san und sie nicht verlieren. Ich hab beide lieb. Das Beste ist jetzt, wenn sie ins Zimmer geht und sich keine Sorgen macht.<
 

Grob packte eine behandschuhte Hand meinen erstarrten Arm und schien auf meine Gegenwehr zu warten. Doch mein ganzes Sein war nicht mehr in der Lage, sich gegen den Colonel aufzulehnen. Schluchzend ließ ich es zu. Ich spürte wie er mich stütze, fühlte seine warmen Finger an meiner Schulter. Durch einen dichten Tränenschleier konnte ich sehen, wie ich mich der weiß gestrichenen Tür näherte. Kurz glitt mein Blick zu Al hinüber. Nur undeutlich erkannte ich seine Gestalt. „Gomen na, Alphonse…gomen…Edo“, lächelte ich ihn und den Kleinen, der von Armstrong sicher gehalten wurde, melancholisch an. Die Tür öffnete sich und verschluckte uns in seinem dunklen Rachen.

Sanft führte mich Roy Mustang an mein Bett, drückte mich behutsam an den Schultern hinunter auf die weiche Matratze, auf die ich mich weinend setzte. Ich spürte die Nässe an meinen Wangen, die mich unweigerlich weiter schluchzen ließ. Die Tränen rannen wie heiße Asche hinunter und benetzten meinen Hals. Die schrecklichen Momente der letzten Stunden erfüllten mein Innerstes und erstickten mich fast. Wie ein kleines Kind fühlte ich mich, dem sein liebstes Spielzeug weggenommen wurde. Fast schien es so, als würden die Tränen, die ich der Schuld wegen hatte, allen Kummer herausschreien.
 

Ich wachte schlaftrunken auf. Mama-san saß neben mir, ihre Lider waren geschlossen und ein liebevolles Lächeln kräuselte sich auf ihren weichen Lippen. Das Gewitter hatte sich verzogen, fröhlich zirpten die ersten Grillen in diesem Jahr. Der Mond stand in voller Pracht am dunkelblauen Samt des Firmaments. Langsam krabbelte ich aus meinem Bett, krallte mir meine Kuschelkatze und tappte auf nackten Füßen hinüber in das Zimmer, das oba-san gehörte. Vorsichtig öffnete ich die Türe, schlich mich hinein und mit leisen Bewegungen, die einem Kätzchen ähnelten, näherte ich mich der Wiege von Ed-chan. Neugierig blickte ich hinein. Sofort lächelte ich das süße Bild vor mir an.

Der Blonde hielt eine weiche Plüschsonne in seinen kleinen Patschehändchen und kicherte im Schlaf. Sanft streichelte ich ihm über die Pausbacken.

Schläfrig glitten die goldenen Augen auf und strahlten mich freudig an. Leises Glucksen erschallte.

Ich grinste ihn liebevoll an. Zart nahm ich seine Fingerchen in meine Hand. „Hiermit gebe ich dir mein Versprechen: Wenn wir uns in der Zukunft wieder sehen, werde ich auf dich und deinen kleinen Bruder gut acht geben und euch immer beschützen, so wahr ich Lina heiße!“ schmunzelte ich und zwinkerte den Kleinen fröhlich an. Dann spürte ich die Tränen auf meinen Wangen. „Ich werde dich vermissen, wenn wir vielleicht einmal gehen müssen, kleiner Bruder. Dich und Al-chan“, schluchzte ich und bekam einen Schluckauf.

Zärtlich legte sich eine große warme Hand auf meinen Kopf. Erschrocken fuhr ich zusammen und starrte nach oben. Sofort entspannte sich mein Körper wieder. „Oji-san!“ Er lächelte mich freundlich an, strich sich die Haarsträhnen hinter die Ohren und wuschelte mir durch die Haare. „Ich bin sehr froh, dass sie dich als große Schwester haben, mein Schatz…aber jetzt ab ins Bett, sonst macht sich deine Mama Sorgen um dich.“ „Hai! Oji-san, wir haben euch so viel zu verdanken…danke…ich hab dich lieb!“, ich kuschelte mich kurz an das Bein des blonden Mannes und huschte auf mein Zimmer.
 

„Es tut mir Leid, Mädchen. Aber es ist besser, wenn du nicht alles weißt“, weckte mich die warme Stimme des Colonels aus meinen Kindheitserinnerungen, dem Schwur, den ich geleistet und nun gebrochen hatte. Mit feuchten Augen sah ich auf und fragte mich, wie zuvor, was der Schwarzhaarige damit meinte. Gleichzeitig wusste ich jedoch ganz genau, dass ich aus ihm keine weiteren Angaben herauskitzeln konnte, denn er wandte sich schon zum Gehen um.

Schwer enttäuscht ließ ich meinen Kopf auf meine linke Hand fallen, mit der rechten fuhr ich mir gedankenverloren durch mein langes Haar. Es schmerzte mich mehr als alles andere auf der Welt, wenn einer meiner beiden Brüder leiden musste. So gerne würde ich alle Pein der Beiden auf meine Schultern laden und ihnen eine angenehme und schöne Zukunft bereiten. Aber das grausame Schicksal wollte es anders…aber ich würde es nicht zulassen, auf keinen Fall!

Ein Klicken, das von der Türe kam, veranlasste mich verdutzt aufzublicken. Verblüfft bemerkte ich, dass der Colonel vor dem Eingang noch innehielt und sich langsam zu mir umwandte. Ein weiches Lächeln verscheuchte die Härte in seinem Gesicht, doch die Schatten in seinen Zügen blieben allerdings hartnäckig in ihnen und verschwanden nicht. Besorgnis spiegelte sich in seinen schwarzen Augen. Kurz erhaschte ich einen Blick in diese und keuchte erschrocken auf. Er machte sich genauso viel Sorgen um Edward. Es freute mich, dass er meinen Cousin so mochte…>Edo hat viele Freunde, auf die er sich verlassen kann<, ein kleines liebevolles Schmunzeln kräuselte meine Lippen.

„Mach dir nicht zu viele Sorgen um unseren Full Metal. Der wird schon wieder. Du weißt doch, Unkraut vergeht nicht.“ Mit einem jungenhaften Grinsen drehte er sich zum Gehen um, aber in seinem Ton schwang ein Zittern mit. >Er versucht sich selbst Mut zu machen…< „O-negai da kara! Taisa, Sie dürfen nicht aufhören, an ihn zu glauben…und das er bald wieder auf den Beinen ist…“, wisperte ich leise.
 

Er drehte seinen Kopf zurück. Seine Augen blieben an der jungen Frau hängen, die auf dem Bett saß und ihn aus ihrer silbernen Iris ansah. Aus ihrem Blick war Besorgnis, Mitgefühl und Sorge herauszulesen. Sie wandte ihr hübsches Gesicht ab. Ein warmes Gefühl stieg in ihm auf. Dankbar schmunzelte er. „Arigato…“, kam es noch aus seinem Mund, dann schloss er die Türe.
 

Nun muss der arme Ed schon wieder leiden...tja, die bösen Autorinnen...XDD

Mariko und ich wünschen euch noch eine gute Woche und habt schöne Ferien

Bis bald

Ende aller Hoffnung?

Nach dem Totalcrash meines geliebten *ihn böse anguck* Computers XD ist alles wieder im Lot...na ja, wenn man mal von der kaputten Grafikkarte und der toten Festplatte absieht *lach*. Aber keine Angst, meine FFs sind alle heile, was das Wichtigste ist, ne?! XD

Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen

Vielen lieben Dank an

Mondvogel: Dankööööö mein süßes Vögelchen ~.^

Stiller_Tod: Auch dir Dankeschööön *knuff*

Hotepneith: Domo arigato *verbeug*

Ein ganz liebes Danke an Mariko, meine nee-san...Arigato sensei-nee-san ohne dich wäre diese FF nicht so riesig...XDDD *grins*
 

Ende aller Hoffnung?
 

Nachdem seine Schritte und die der anderen langsam auf dem Krankenhausflur verhallt waren, warf ich mich mit einem überlauten Schluchzer und mit tränenüberströmtem Gesicht in die warmen flauschigen Kissen, die mich liebevoll umschmeichelten. Das Grollen des Gewitters schien nicht zu enden, wie ein Tornado umkreiste es die Stadt und wollte diese in ihrem Schlund versenken. Wütend fuhren die Blitze in den Boden und laut donnernd bäumten sich die Naturgewalten auf. Das Glas der Scheibe zitterte leicht unter dem Lärm auf und vibrierte gefährlich. Ich setzte mich auf und tapste erschöpft zum Sessel, der so stand, dass ich in den Sturm, der draußen mit den Menschen sein Unwesen trieb, beobachten konnte. Der große Baum vor meinem Fenster bog sich unter dem Wind bis fast an den Boden, unheimlich knackte seine Rinde. Sein schönes Herbstkleid hatte er schon einbüßen müssen, nur seine kahlen Äste wirbelten in den unendlichen und bösartigen Böen auf. Die Blätter lagen, teils vom Regen zerstört oder pitschnass, am Boden und wurden von den dicken Tropfen noch weiter zerschlagen.

>Genauso wie die Naturgewalten die Blätter der Bäume vernichten, so versucht auch das Schicksal mir meine Cousins zu nehmen…aber das lasse ich nicht zu…Niemals!< Weiter heftete sich mein Blick hinaus in die düstere Finsternis, aus dem alles Leben für eine gewisse Zeit verschwunden war. „Wie es wohl Allan geht? Ob er ein warmes Plätzchen gefunden hat? Ich hoffe es…“, seufzte ich leicht besorgt auf. >Ich mag ihn, auch wenn er viele Leben vernichtet, so ist er doch ein guter Mensch…er hat sich schließlich um mich gekümmert…< ich fühlte, wie mir eine warme Röte in die Wangen stieg, als ich an die Begegnung zurückdachte. „Ich muss ihn unbedingt um etwas bitten, wenn ich ihn das nächste Mal sehe…also bitte…Allan…“, die Hände zum Gebet gefaltet, schaute ich in den Sturm.

Was tat ich denn hier? „Ich mache mir Sorgen, was denn sonst!“ grummelte ich mit mir selbst und lachte kurz auf. Dann wurde mein Haltung ernst. „Bitte lieber Gott, nimm mir bitte keinen meiner Cousins weg…und beschütze auch Allan…Amen!“

Müde schweifte mein Blick zum Bett, danach zur Tür. >Ich muss den richtigen Moment abwarten, um aus diesem Zimmer zu verschwinden und meinem Bruder helfen. Mir ist egal, was mit mir geschieht, aber ich will nicht schon wieder Jemanden verlieren, der mir so viel wert ist! Auch wenn ich Gott um Hilfe gebeten habe, ich muss selbst etwas tun…ich kann hier nicht sitzen und Däumchen drehen!<
 

Die ständig wiederkehrenden aufzuckenden Blitze erleuchteten das Gesicht des Jungen, das in dem raschen Lichtwechsel wie eine Totenmaske erschien. Die nass geschwitzten blonden Strähnen klebten an dem schmalen blassen Antlitz. Leise hustete der Kleine in den Armen des Hünen. Alphonse drückte sich ganz dicht an die Wand, um den Major, der seine Last von der Jacke befreit hatte, vorbeizulassen und den keuchenden Jungen ins Bett zu stecken. Der Strong Arm Alchemist fummelte nun an dem Kabel einer kleinen Tischlampe herum. Wütend zischte er einige Wörter aus seinem Schimpftiraden-Repertoire, als eine kleine Flamme neben ihm auftauchte und den Raum ein wenig erhellte. „Darf ich Ihnen helfen, Major?!“ grinste der Colonel neben ihm auf. „Danke!“ nickte der hoch gewachsene Mann und fand Sekunden später den Schalter. Ein warmer Schein erfüllte die angespannte Atmosphäre und verdrängte sie in die hintersten Winkel des Zimmers und verwischte die unangenehme Blässe des fiebernden Full Metal Alchemisten.

Besorgt kniete sich die blonde junge Frau zu dem Kleinen hinunter und legte sanft prüfend ihre Finger auf seine nasse Stirn. Ein zischender Laut kam zwischen ihren hübschen Lippen hervor, langsam entfernte sie ihre Hand von Eds Haut.

Vorsichtig berührte der Colonel sie an der Schulter. Riza Hawkeye blickte auf. „Wir sollten schleunigst Doktor Brown benachrichtigen. Fieber ist zwar eine normale Abwehrreaktion des Körpers, aber...“, sie hielt kurz inne und ihre Augen schweiften zu dem stählernen Jungen hinüber, der sehr genau den Blick auf sich bemerkt hatte. Leise, fast wispernd, fuhr sie in Richtung ihres Vorgesetzten fort: „Ich bin zwar kein Arzt, aber eines ist ganz sicher. Wenn er keine medizinische Hilfe bekommt, überlebt er das nicht. Es scheint so, als läge sein Immunsystem komplett brach, deswegen das Fieber, als er draußen war.“ Obwohl First Lieutnant diese Worte fast lautlos aussprach, verstand Alphonse jedes einzelne. Die Umgebung vor seinen rötlich glänzenden Augen verschwamm und drehte sich um sich selber. Mit einem zutiefst bekümmerten Ton knickte der metallene Gigant in die Knie und rutschte vollends auf den kalten Boden. Tieftraurige Laute entrangen sich seiner Brust. „Nii-san…nan-de…“, weinte das metallene Kind und hielt sich schluchzend die Hände vor die Augen. >Wieso gerade nii-san? Was hat er getan, dass er mich verlassen soll?< Er würde nun zu gerne seine große Bekümmernis herausweinen. Ihm war grauenvoll und elend zumute. Da lag sein älterer Bruder, schweißnass und krank, vielleicht musste er sogar sterben und er konnte ihm nicht helfen. Dieser Gedanke schmerzte ihn bis in das tiefste Innere seiner kindlichen Seele „Nii-san…“, kam aus seinem schluchzenden Mund. Plötzlich spürte er Arme, die ihn liebevoll umschlangen und sanfte Hände, die beruhigend über seine kalte metallene Haut strichen. Erschrocken öffnete Al seine Augen und schaute verblüfft den blonden Haarschopf des First Lieutnant an, der an seiner breiten Schulter lehnte.

Major Armstrong und Colonel Mustang starrten das Szenario mit verwunderten Mienen an. Oder mit anderen Worten, sie guckten dumm aus der Wäsche.

Auf dem Antlitz des Hünen bildete sich sogleich ein warmes Lächeln, welches die entstandenen Sorgenfalten ein wenig milderte. Der schwarzhaarige Mann neben ihm grinste über das ganze Gesicht, als er auf den stählernen Wangen des Silber glänzenden Giganten eine scheue Röte aufsteigen sah. Diese rührte von der innigen Umarmung her, die ihm die attraktive Blonde angedeihen ließ. Nach einigen Sekunden der beruhigenden Stille drückte Riza den Jungen sanft ein wenig von sich und schmunzelte ihn aufmunternd an. „Es tut mir leid, was ich da gesagt habe, Al. Die Wahrheit ist oft grausam und eigentlich will sie auch niemand wirklich hören. Und doch müssen wir ihr oft ins Gesicht sehen, wie auch nun hier. Wir können nur hoffen, dass Ed stark genug ist, um dies hier durchzustehen, denn dieses Mal wird sich keiner mit Hilfe der Alchemie einmischen. Du hast selbst erlebt, wie gefährlich das ist und wir möchten nicht, dass noch jemandem etwas geschieht. Aber wir vertrauen dir, deswegen sollst du hier in seinem Zimmer bleiben und auf ihn Acht geben, solange er selbst dazu nicht in der Lage ist.“

Wissend erwähnte sie nicht den Namen seiner Cousine, die sich schon mehr als genug Sorgen um den Kleinen machte. Aber warum diese Schuldgefühle? Leicht schüttelte sie den Kopf. Es gab nun andere Dinge, die weit wichtiger waren.

Kurz wandte sich der Stählerne zu der Wand, die in Richtung des Zimmers seiner Schwester ging. Alphonse wusste, dass sie um jeden Preis versuchen würde, seinem blonden Bruder zu helfen. >Aber dieses Mal bin ich wachsam und sie wird es nicht noch einmal schaffen…denn ich will sie genauso wenig verlieren wie nii-san.<
 

Ein kräftiger Ruck, der durch das ganze Abteil fuhr, riss Winry aus ihrem beunruhigten Schlaf. Ihr Oberkörper neigte sich gefährlich nach vorne, aber plötzlich lagen zwei warme Hände auf ihren Schultern, die sie sanft nach hinten in den Sitz zurückdrückten und sie losließen. Müde glitten ihre blauen Augen auf und sie blinzelte ein paar Mal die Erschöpfung aus ihnen. Langsam besann sie sich darauf, weswegen sie eigentlich hierher gekommen war. Sie musste wissen, wie es Al und Edo ging. Darum war sie hier.

„Na, gut geschlafen?“ eine amüsiert weiche Stimme weckte sie vollends. Ihr Gesicht ruckte in Richtung des Sprechers. Da saß Er! Josh. Freundlich grinsend sah der Blauhaarige sie mit seinen honiggoldenen Augen an, diese musterten Winry interessiert von oben bis unten. Sie spürte eine warme Röte, die in ihre Wangen aufstieg. >Goldene Augen…so wie Edo! Ich muss hier schleunigst raus.< Mit einem sehr nervösen Blick bemerkte sie, wie die anderen Fahrgäste sich ungeduldig aus den Abteilen drängten und ohne auf den Nächsten zu achten, schubsten und stießen. Unruhig hüpfte sie von ihrer Sitzgelegenheit und streckte sich lang, um an ihren schweren Koffer im Gepäcknetz zu kommen. Als ihre Finger den Griff des Ungetüms berührten, legte sich im gleichen Moment eine kalte Hand auf ihre. Erschrocken weiteten sich die meerblauen sanften Augen des Mädchens, hektisch zog sie ihre langen Finger unter der schmalen braungebrannten Hand des jungen Mannes hervor. Leichte Schauder liefen ihr kühl das Rückgrat hinunter, nachdem sie einander berührt hatten.

Die ebenmäßig männlichen Züge seines, von hellblauen Strähnen umrahmtem Gesicht verzogen sich ein wenig, als er bemerkte, wie unangenehm die Berührung für das junge Mädchen gewesen sein musste. Dunkle Schatten legten sich auf seine golddurchwirkte Iris, die nun noch mehr den Anschein von leblosen Murmeln erweckten. Mit einem leisen Seufzer plumpste er elegant auf den Sitz zurück. Die Leute, die sich am Abteil vorbeidrängten, beobachtete er mit scheinbar aufmerksamen Blicken. Seine braungebrannten Finger kratzten sich kurz verlegen am Hinterkopf. Winrys helle Augen musterten den jungen Mann einen Moment lang, bevor sie sich wieder dem Koffer zuwandte und sich verbissen an ihm festhielt.

„Es tut mir wirklich Leid, wenn ich Ihnen eben etwas zu nahe getreten bin. Eigentlich wollte ich Sie nur darauf hinweisen, noch zu warten. Es dauert, bis dieser ganze Pulk dort vor unserem Abteil ausgestiegen ist. Außerdem wollen Sie doch diesen schweren Koffer nicht wirklich ganz alleine von dort oben herabholen, oder?“ Erstaunt zog sich eine hübsche blonde Augenbraue nach oben, ihre warmen Finger ließen langsam den lederbezogenen Griff des braunen Gepäckstücks los.

Seine Stimme hatte wieder diesen unheimlichen monotonen Klang angenommen, so dass ihr sämtliche Haare zu Berge stiegen und sie sich unwillkürlich die Hände an den Armen rieb, um dieses Gefühl zu unterdrücken. Entschuldigend sah er ihr in das Gesicht, aber in seinen Augen konnte sie keinerlei Empfindungen herauslesen. Da war absolut nichts, was etwas über ihn verriet. >Die Züge seines Antlitzes erinnern mich an eine kahle leblose Wüste, in der es nicht als den wehenden heißen Wind, den endlosen singenden Sand und den, in allen Ecken, lauernden Tod gibt. Alles an ihm ist irgendwie falsch und doch ist er äußerlich ein ganz normaler Mann, mit einem überdurchschnittlich guten Aussehen. Er wird bestimmt jedes Frauenherz, das in Liebe zu ihm entbrannt ist, zum Schmelzen bringen. Außer das meine…< Doch Winry tat ihr freundlicher Begleiter irgendwie leid, irgendetwas stimmte mit ihm nicht, das sagte ihr ihre weibliche Intuition. Auch er schien sich dessen bewusst zu sein.

Ein kleines Lächeln erschien auf ihren weichen roten Lippen. „Sie brauchen sich für nichts zu entschuldigen. Ich bin sehr dankbar für die Hilfe, die Sie mir entgegen gebracht haben. Ich habe es nur sehr eilig, zu meinen Freunden zu kommen, verstehen Sie?“ Abermals wollte das junge Mädchen den Griff des Koffers packen, aber er war schneller. Grinsend zwinkerte er ihr zu. „Natürlich kann ich das verstehen. Freunde sind das höchste Gut, was ein Mensch auf dieser Welt besitzen kann. Nur werden auch Sie verstehen, dass ich einem zarten jungen Wesen, wie sie eines sind, nicht erlauben werde, so einen schweren Koffer zu tragen.“ Sanft schob er das verdutzte Mädchen ein Stück zur Seite, um sich Platz zu schaffen. Dann schlossen sich die starken Hände des Blauhaarigen um die Halterung des riesigen Gepäckes und mit einem gewaltigen Ruck, der seine Muskeln an den Oberarmen hervortreten ließ, zog er dieses aus dem Netz. Bewundernd starrte Winry ihn an. Es gefiel ihr, dass er ihr so behilflich war. Mit einem leisen Keuchen stellte er das Monster von einem Koffer auf den Boden. Ein paar Mal atmete er tief durch und knetete sich rasch die Hände, in die sich das Muster des Griffes tief eingedrückt hatte. Leicht wischte er sich noch über die hohe Stirn, auf der die blauen Strähnen feucht klebten.

Das junge Mädchen war so von der freundlichen Geste ihres neuen Bekannten beeindruckt, dass sie gar nicht realisierte, dass sie ihm immer noch eine Antwort schuldig war. „Wa-was…?“ stotterte sie unbeholfen und mit leichtem Schrecken bemerkte sie, wie sie zum x-Mal an diesem Tag puterrot wurde. Ein überaus charmantes Lächeln legte sich auf seinen Mund, als er ihre sanfte Röte auf den bestimmt samtigweichen Wangen betrachtete.

„Ich fragte, ob sich da nun wirklich Steine in Ihrem Koffer befinden oder ob Sie, wie es sich ja für viele Frauen auf Reisen gehört, Ihren ganzen Kleiderschrank mitgenommen haben?“, mit einem schelmischen Grinsen tippte er auf Winrys so genannten Kleiderschrank. „Äh…“, fast gegen ihren Willen musste sie auflachen. Warm und voller Leben war ihr sanftes Lachen. „Nein, nein, ich bin Automail-Mechanikerin, in dem Koffer sind hauptsächlich meine Werkzeuge und einige Ersatzteile.“ >Die ich hoffentlich nicht benutzen muss…< dachte sie mit einem seitlichen Blick aus dem Fenster und runzelte ihre zarte Stirn. Der Himmel war pechschwarz und kündete Böses an. Grellzuckende Zungen, die nur aus Gluthitze bestanden, fuhren gen Boden und der Donner grollte wie eine wütende Bestie über das Land. Die Menschen auf dem Bahnsteig flüchteten vor dem nahenden Unwetter in das Bahnhofsgebäude. Einige hielten krampfhaft ihre Hüte fest oder schlugen die Krägen ihrer Mäntel hoch, um wenigstens ein wenig geschützt von dem eisigen Wind zu sein, der durch jede Ritze seine klägliche Melodie spielte. Schon plätscherten die ersten Regentropfen auf die dünne Scheibe und klatschten mit lautem, fast zornigem Ton dagegen, es hörte sich an, als würden gefährliche Wurfgeschosse gegen das Glas schlagen. Unwillkürlich zuckte das Mädchen zusammen.

„Eine Automail-Mechanikerin?“ hörte sie die sehr verdutzte Stimme von Joshua, ihr Blick wurde von dem Untergangsszenario, das draußen herrschte, abgelenkt und wandte sich dem jungen Mann zu. „Sagen Sie nicht, dass einer Ihrer Freunde ein treuer Kunde Ihrerseits ist.“ Das leise und tiefe Seufzen aus ihrer Kehle, bestätigte seine Vermutung. Kurz nickte sie. „Doch, genauso ist es. Leider geht er damit immer sehr rücksichtslos um, aber na ja, wahrscheinlich denkt er, dass er als States Alchemist genug Geld verdient, um sich immer wieder Neue leisten zu können.“ Ein hektisches Husten, das sehr aufgeregt klang, ließ Winry zusammenfahren. Als sie in sein ungläubiges Gesicht blickte, die goldenen Augen vor Überraschung geweitet, hätte sie sich am liebsten selbst geohrfeigt. >Warum kann ich nicht einmal meinen Mund halten? Ich kenne ihn kaum und plaudere so einfach alles aus!<

„Ihr Freund ist ein States Alchemist?! Mit Automail?! Doch nicht etwa der Full Metal Alchemist?!“ Seine Pupillen schienen fast überzuquellen, mit offenem Mund wartete er darauf, dass das Mädchen fortfuhr. Als sie jedoch zögerte, entschuldigte er sich rasch für seinen Gefühlsausbruch und grinste sie zerknirscht an.

„Tu-...tut mir leid. Ich...äh...na ja, ich hätte nicht gedacht, dass Sie ihn kennen. Er ist ja schon eine kleine Berühmtheit. Und keine Angst, ich will ihm nichts Böses, ich weiß, er hat viele Feinde, aber ich gehöre sicher nicht dazu“, er machte zusätzlich eine abwehrende Geste, um ihr damit noch einmal zu zeigen, dass er es tatsächlich ehrlich meinte.

Ein wenig misstrauisch starrte sie ihm offen ins Antlitz und es dauerte eine ganze Weile, bis sie ihm eine Antwort auf seine Fragen gab. Denn scheinbar war sie immer noch nicht ganz überzeugt davon, dass sie ihm ganz ohne weiteres vertrauen konnte. „Ja, ich kenne ihn und seinen jüngeren Bruder, wir...“, enthusiastisch überschäumend unterbrach sie der junge Blauhaarige. „Dessen Seele in einer Rüstung gefangen ist?“ Er klebte an ihren Lippen wie ein kleines Kind an den Süßigkeiten. Neugierig starrte er sie mit offenem Mund an, begierig auf die Dinge, die sie zu erzählen hatte. Bei dem kleinen wütenden Stirnrunzeln ihrerseits, neigte er die Lider zu Boden und entschuldigte sich daraufhin bei ihr. „Gomen nasai, ich wollte nicht…“ „Nun hören Sie doch endlich damit auf, sich ständig zu entschuldigen!“ Der junge Mann zuckte heftig zusammen, als Winry ihn fast ein wenig zornig anfuhr. Ihre Augen blitzten ihn fröhlich, leicht frech an, als sie weiterredete: „Und wie wäre es, wenn wir mit dieser förmlichen Anrede mal aufhören?“ Verdattert riss Joshua seine honiggoldenen Augen auf und völlig durcheinander stotterte er: „O-...okay, Winry-chan, ähm, daran muss ich mich erst gewöhnen“, verlegen kratzte er sich durch die blauen Haare, die sofort die Situation nutzten um in alle Richtungen abzustehen. Dabei bot der junge Mann solch einen lustigen Anblick, dass Winry glucksend zu lachen begann und sich die Lachtränchen von den Augenwinkeln wischen musste.

>Zu gerne würde ich mich mit ihr freuen, über alles so fröhlich und befreit lachen…aber das werde ich nie wieder können…dieses kostbare Gut wird nie mehr wieder das Meinige werden.< starr blickte er zur Seite, seine honigfarbenen Augen verengten sich, als er in die tosende Nacht hinaussah. >Schwarz wie meine Seele…<

Instinktiv spürte Winry, das etwas nicht stimmte und verstummte augenblicklich. „Ich muss schnellstens zu meinen Freunden, Josh.“ Der besorgte Unterton in ihrer Stimme war nicht zu überhören. Beunruhigt und nervös spielte sie mit ihren langen blonden Strähnen. Langsam erhob sie sich aus ihrem roten ledernen Sitz und packte entschlossen nach der Halterung des Koffers.

„Sie...äh, ich meine, du hörst dich so an, als sei ihnen etwas geschehen. Ist dem so oder ist es nur ein ungutes Gefühl, welches dich nicht mehr loslässt?“ Sanft schob er das junge Mädchen vor sich her bis zum Ausgang. Bevor sie ihren Fuß auf den ersten Tritt stellte, wandte sich Winry zu Joshua um. Ihre blauen Augen musterten den jungen Mann ernst. „Es...ist nur ein dummes Gefühl, aber bis jetzt hat es mich noch nie getäuscht. Al..., das ist der Jüngere der beiden, er rief mich gestern sehr spät abends an und fragte nach der Blutgruppe seines Bruders. Ist das nicht eigenartig?“ leicht grübelnd fuhr sie sich über ihr kleines Kinn.

Seine Pupillen erweiterten sich überrascht, als er das aus dem Munde der Blonden hörte. Betroffen wandte sich sein braungebranntes Gesicht zur Seite und leicht senkte er die Lider über seine golden durchwirkten Augen. >Kann es etwa sein? Soll ich es ihr sagen? Winry macht sich doch schon genug Sorgen, da will ich ihr nicht noch mehr machen. Kann ich das wirklich verantworten?< Zart legte sich eine weiche und sehr warme Hand auf seine kalten Finger. Eine Wärme, die er schon seit langem nicht mehr gefühlt hatte. „Josh, was ist los? Du...du bist auf einmal so blass geworden. Geht es dir nicht gut?“ Bevor er zu einer Antwort ansetzten konnte, wurde er von den Leuten, die nach draußen drängten, gestoßen und fiel direkt in Winrys Arme. Verblüfft starrte Josh sie an, dann fuhren die Beiden blitzschnell auseinander und linsten sich kurz mit rot angehauchten Wangen an.

Winrys hellblau unschuldig leuchtenden Augen wurden ernst und besorgt. „Josh?“ >Lange ist es her, dass mich Jemand mit solch einem Blick angesehen hat…zu lange…< seufzte er innerlich. Seine Finger umschlossen die Hand des Mädchens fester und er zog sie flink hinter sich her. Die rotbraun gemauerten Treppen hinab, hinaus auf den fast leergefegten Bahnsteig. Wirbelnd flogen einige Zeitungsblätter in den kalten Böen umher. Der eisige Wind machte auch vor den beiden jungen Menschen nicht halt, zerrte garstig an ihrer Kleidung und den Haaren, so dass Winry und Joshua unangenehm fröstelten. Sekunden schnell waren sie bis auf die Knochen durchnässt. Hektisch sah sich der junge Mann nach einem trockenen Plätzchen um. Doch das Bahnhofsgebäude war zum Bersten voll, nicht einmal eine Maus würde da hineinpassen. Also blieb ihnen nur noch das Vordach, das sie vor dem Regen notdürftig schützte und vielleicht auch vor dem heftig wütenden Sturm. Eilig riss der Blauhaarige die Blonde mit sich, krallte sich den Koffer, der ihm fast den Arm aus dem Gelenk riss als er ihn hochhievte. Keuchend und schnaubend schlüpften sie unter den Schutz, drückten sich eng an die kalten Steine.

„Doch Steine…“, wollte er vom Thema ablenken, doch da kannte er Winry schlecht. Sie unterbrach ihn sofort und ihre weiche melodische Stimme klang, nach wie vor, sehr besorgt. „Josh, was hast du? Als ich dir eben von diesem seltsamen Telefonanruf erzählt habe, da...ich kann es nicht beschreiben, aber...du weißt doch irgendetwas, habe ich recht?“ Unruhig wich er ihrem blauen Blick aus. Sanft berührten Finger seine, vom Regen nass und kühl gewordene, Wange. Erstaunt erweiteten sich seine honigfarbenen Pupillen, hart schluckte er einen dicken Kloß seinen Hals hinunter und langsam legte er seine Hand auf die ihre. Eine leicht bedrückende Stille legte sich auf die Beiden, nur unterbrochen vom grell pfeifenden Wind, hell aufleuchtenden Blitzen und dem grollenden Donner. Die hellblauen und goldenen Augen, die sich einige Momente lang ansahen, wurden von den unaufhörlich zuckenden Zungen beleuchtet, ein geheimnisvoller Glanz lag in ihnen. Zart drückte Joshua die samtigweichen Finger des Mädchens von seiner Haut. Flüsternd begann er zu sprechen, Winry musste sich sehr anstrengen, um ihn überhaupt zu verstehen. „Mein...Onkel ist Arzt im Krankenhaus von Central City. Gestern Abend rief ich ihn an, um zu fragen, wie es ihm geht. Natürlich erzählt er als Arzt auch mal gerne davon, was so in seinem Krankenhaus passiert. Gestern Abend war scheinbar dort die Hölle los. Dutzende Schwerstverletzte wurden eingeliefert, keiner hat auch nur eine halbe Stunde überlebt. Bis auf zwei.“ Unwillkürlich fing die Hand der Blonden zu zittern an, ihr Körper bebte, nicht nur wegen der äußeren Kälte. Freundschaftlich tröstend drückte er ihre zarten Finger, er wollte ihr nicht noch mehr Ängste bereiten, aber sie hatte ein Recht darauf zu wissen, was geschehen war.

„Eine Frau und ein Junge, erzählte mir mein Onkel. Sie seien anders als die anderen gewesen. Vor allem der Junge. Sein rechter Arm und sein linkes Bein sollen aus Metall-Prothesen gewesen sein.“ Ihr Leib zuckte heftig zusammen, als sie dies hörte. In Windeseile zog sie ihre Hand aus der seinen und wollte schon losrennen, doch die starken Finger des jungen Mannes hielten sie eisern fest und zogen sie an seine Brust. Verbissen sträubte sie sich gegen diese fast brüderliche Geste, bis ihr Geist, ihr Herz und ihre Seele vor Angst und Pein betäubt wurden. „Edo…was ist mit ihm?“, flüsterte sie wispernd unter Tränen. Liebevoll streichelte er sanft über ihre weichen, doch vom Wind verwuschelten Haare. Seine Stimme klang melancholisch als er weiter berichtete. „Einige Stunden später hat es dann jedoch einen Zwischenfall gegeben. Ich weiß nicht, was geschehen ist, aber...“, er stockte, hilflos sah er zu dem jungen Mädchen hinunter, in diese von Trauer überschatteten Augen, die ihn ängstlich anstarrten.

„Aber…?“ ihre Lippen zitterten. „Er...er lag im Sterben! Es tut mir leid, Winry, warum muss gerade ich dir so etwas sagen?!“ Er schlang seine Arme fester um sie und drückte sie mit einem tröstenden Laut an sich. Ihr Körper erstarrte zur Salzsäule. Weinend krallte sie sich an Joshs Hemd, fühlte den feinen Stoff zwischen den Fingern und doch war ihr ganzer Leib wie betäubt.

„Edo…Edo…“, dieser Name wurde vom Wind davon getragen, aber vom zornigen Sturm in Stücke gerissen, wie von einer hungrigen Bestie. Lautlos perlten die von Pein erfüllten Tränen ihre samtenen Wangen hinab. Sein Antlitz tauchte vor ihrem Geist auf. Frech grinsend und mit lachend zwinkerndem Auge. Seine goldenen Strähnen umspielten sein übermütiges Gesicht. Mit fröhlichem Gelächter drehte er sich um, winkte ihr mit der Automail zu und tobte mit Den über die weiten blühenden Felder Rizenbuhls. Hinterdrein Al, der spielerisch mit seinem älteren Bruder kämpfte… >Soll das für immer vorbei sein? Und Alphonse…All die Hoffnung auf ein normales Leben wären zerstört, von einer Sekunde auf die andere. Er hätte das verloren, was er am meisten liebt…seinen Bruder.< Schluchzend vergrub sie ihr, vom Weinen gerötetes Gesicht im weichen Stoff.

Leise seufzte der blauhaarige Mann kummervoll auf, nahm seinen Umhang ab und drapierte ihn auf die schmalen bebenden Schultern des Mädchens. Seine Hand glitt sanft über ihren schlanken Rücken. >Wie kann ich sie nur trösten? Es gibt in solchen Momenten einfach keine richtigen Worte dafür. Egal, was ich auch immer sage, es hat keine Bedeutung…sie könnten nichts an der Situation ändern.<

Ein kurzer heftiger Schmerz an seiner linken Wange schreckte ihn aus seinen hilflosen Gedanken auf. Ein kleiner Zweig mit spitz zulaufenden Auswüchsen lag vor seinen Füßen. Ein harmlos wirkender Ast und doch tropfte dunkelrotes Blut von seiner braunen Rinde, das sich sofort mit dem dreckigen Wasser vermischte und sich den Abfluss hinabschlängelte. Geistesgegenwärtig fuhren seine Finger über seine schmerzende Wange, er fühlte etwas warm Pulsierendes an ihnen. Klebrig nass befeuchtete es die Fingerspitzen.

Winry spürte die Anspannung seiner Muskeln, hob langsam den Kopf und keuchte entsetzt auf, als sie das feine Rinnsal auf seiner Haut sah. Das Blut glänzte gemächlich rot seine Wange hinunter in seine Halsbeuge und vereinte sich dort mit dem weinroten Oberteil. „Blut…Josh…wie?“ ihr Atem stockte.

Erschrocken sah er, wie sich ihre Pupillen vor Unglauben erweiterten und sie mit erhoben bebender Hand auf etwas hinter ihm zeigte. Das Heulen des Windes hatte sich bösartig verändert. Das waren keine spielenden und neckenden Böen mehr, sondern ein blutrünstiges Monster, das die Menschen zerfleischen wollte. Dumpf grollend wirbelte der Luftstoß durch die Äste der Bäume, die nun ganz ihres Herbstkleides beraubt waren. Ohne Rücksicht riss die wütende Bestie namens Sturm die Zweige ab und schleuderte sie als gefährliche Wurfgeschosse durch die blitzgeladene Luft. Mit einem grimmigen Jaulen schickte er seine tollwütig gewordene Armee zwei Menschen, die schutzlos den Angriffen ausgeliefert waren, entgegen.

Mit einem lauten entsetzten Schrei schleuderte Joshua Winry herum und presste sie an die Wand des Bahnhofsgebäudes. Eng drückte er sich an sie, die Arme mit den Ellenbogen schützend vor ihr Gesicht und an die Steine gestützt. Kalt strich sein überlauter Atem an ihrer Wange entlang und ließ sie angstvoll erschauern. Furchtsam suchten ihre Augen seinen goldenen Blick. Sie hoffte darin etwas zu erkennen, das sie miteinander teilen konnten. Aber sie konnte nichts finden. Keine Furcht, kein Zweifel, sie nicht beschützen zu können. Nur tiefste und wilde Entschlossenheit flammte in den honigfarbenen Pupillen auf, wie ein alles verschlingendes Feuer, das aber freundlich wärmend zugleich war. Dieselbe Entschlossenheit, die sie an Ed so geliebt und bewundert hatte. Vor Verzweiflung schloss sie ihre Lider, die Wimpern schmiegten sich sanft an ihre, vom Wind gerötete, Haut. >Ich kann nicht glauben, dass du nicht mehr da bist, ich kann es einfach nicht glauben. Aber...warum sollte er mich anlügen?<

Ein kurzes heftiges Zucken durchlief seinen Körper und ein qualvoller Laut presste sich aus seinem Mund, den er nur mit Mühe unterdrücken konnte. Sofort riss Winry die Augen auf und musterte Joshua mit unruhig besorgtem Blick. Er biss die Zähne zusammen, leise knirschten diese auf. Die Lider hatte er vor Schmerzen zusammengekniffen. Schweißperlen rannen von seiner Stirn, fielen auf den Boden und verschwanden auf Nimmerwiedersehen im stetigen Fluss der Regentropfen. Die Hände waren zu Fäusten geballt.

Ohne auf sein Wohlergehen zu achten, beschützte der Blauhaarige seine Begleiterin, benutzte seinen Körper als Schutzschild um sie dadurch vor den heftigen Angriffen zu schützen. Denn nicht nur kleine Zweige brach der tobende bösartige Sturm ab, sondern auch dicke Äste, die mit großer Wut durch die Luft gewirbelt wurden.

Verbissen versuchte sie ihn davon abzuhalten sich als schützende Mauer vor sie zu stellen, drückte mit aller Kraft gegen seine Brust, aber vergeblich. Stumm schüttelte er den Kopf, lächelte ihr aufmunternd zu, als sich im gleichen Moment seine goldenen Pupillen erweiterten und er mit einem erstickten Keuchen fast in die Knie brach. Denn ein größerer Ast war mit lautem Krachen gegen seinen Rücken geprallt. Er biss sich fest auf die Lippen, um seinen Schmerzenschrei wiederum zu unterdrücken und merkte dabei nicht, wie seine Unterlippe anfing zu bluten. Sein Umfeld verschwamm, eine schwarze samtigweiche Dunkelheit legte sich auf seine Glieder und seine Seele, die ihn zu sich lockte und ihn verführerisch umschmeichelte. Unaufhörlich rauschte sein Blut in den Ohren, als riefe es ihm zu, er solle aufgeben und nicht mehr gegen die Schwärze ankämpfen. Aber er durfte doch nicht verlieren. >Ich muss dieses Mädchen beschützen, koste es was es wolle!<

Tränen schossen Winry in die Augen, als er anfing bedrohlich hin und her zu schwanken. Joshua spürte keinen Schmerz mehr, sein Körper war wie betäubt. Erschöpft blickte er das junge Mädchen an, seine Lippen murmelten lautlos ein Wort, dass Winry als ‚Verzeih’ interpretierte. Müde schlossen sich seine Lider und mit einem Ächzen fiel er in die ausgestreckten Arme der Blonden. Aber bevor er in die angenehm warme Finsternis hinüberwanderte, kreiste das Antlitz eines jungen Mädchens in seinen Gedanken herum. Honig glänzend funkelten ihre Augen, so wie die seinen. Aber im Gegensatz zu seinen blauen Haaren, die hellblau waren, wie der Sommerhimmel, der sich über die Erde spannte, war ihr Haar so golden und warm schimmernd, wie die Sonne an einem wunderschönen Frühlingstag.

>Schwester, verzeih mir! Ich habe schon wieder versagt…< mit einem bitteren Lächeln versank er ganz in die Dunkelheit, die ihn mit ihren schwarzen Flügeln willkommen hieß.

Schluchzend sank Winry mit ihrer schweren Last in die Knie, sein Kopf sackte auf ihre bebende Brust. Schützend schlang sie die Arme um seinen Körper, ihre Hände strichen sanft über den gebeutelten Rücken des jungen Mannes. Sie erschrak, als sie etwas klebrig leicht Pulsierendes zwischen den Fingern fühlte. Unaufhörlich rollten die glitzernden Tränen ihre nassen, schon leicht beschmutzten Wangen hinab. Langsam legte sie ihren Kopf auf den seinen und schloss mit einem zutiefst traurigen Laut die Augen. >Edo…wie gerne hätte ich dich auch so in deinen letzten Stunden in meinen Armen gehalten. Ich…ich konnte mich nicht einmal von dir verabschieden…< Ein heranfliegender, mit spitzen Dornen übersäter Zweig schürfte ihr die Handfläche blutig, aber sie beachtete den Schmerz kaum.
 

Tja, wieder ein mal ein guter Cliffhanger...was wird aus Ed? Werden Winry und Josh dies alles überleben? Was werden sich die Autorinnen noch für Gemeinheiten ausdenken? *lach*

Mehr gibts im nächsten Chapter, also bleibt dran...bis dahin ein schönes Wochenende und tolle Ferien. Tja, diesen Luxus hätte ich auch noch mal gerne *grins*

Liebe Grüße

Lina

Angst um einen geliebten Menschen

Angst um einen geliebten Menschen
 

Plötzlich war Winry alles egal, ihr eigenes Schicksal hatte nach der Todesnachricht von Ed an Bedeutung verloren. Eine undurchdringliche Finsternis legte sich auf ihre Seele, liebkoste sie und umschlang sie mit weichem Griff. Aber es war eine bösartige Dunkelheit, die dem Toben des Sturms glich mit seinen unzähligen feurigen Zungen, die sich dem aufgeweichten Erdboden näherten und tiefe eiternde Wunden in die feuchte Erde rissen. Unbarmherzig schlugen ihr die Regentropfen ins Gesicht, die so fest waren, dass sie auf der Haut brannten. Der wütende Wind trieb das glitzernde Nass fast senkrecht durch die Luft. Neben den gefährlich herumwirbelnden Ästen und Zweigen bildete das sonst so erfrischend kühle Nass eine ebenfalls ansteigende Gefahr. Die blonden durchgeweichten Haare klebten sich an die Wangen des Mädchens, als sie langsam den Kopf hob. Ihr trüber Blick schweifte umher. Plötzlich klärte er sich und ihre Augen blieben starr an einer roten Telefonzelle haften, die in der Nähe undeutlich und verwischt zu erkennen war.

Das Gespräch, das sie am vorherigen Abend mit Alphonse geführt hatte, rückte in den Vordergrund. >Al hat kein bisschen besorgt geklungen, nur aufgeregt und ein wenig zurückhaltend, so wie immer eben. Hätte Edo zu diesem Zeitpunkt schon im Sterben gelegen, hätte ich es sofort an Al’s Stimme gehört!< Ein Schimmer Hoffnung glomm in den azurblauen weichen Augen Winrys auf. >Kann es möglich sein? Lebt Ed vielleicht doch noch? Sonst hätte man o-baa-chan und mich sofort informiert, wenn es etwas Ernstes wäre…andererseits…< sie seufzte gequält auf, ihre Schultern ließ sie ermattet hängen. >Josh wird mich doch nicht belogen haben, oder?< Forschend neigte sie ihr Antlitz hinunter und ihr hellblauer sanfter Blick schweifte über seine feinen Züge, einige Tropfen hingen wie funkelnde Sterne in seinen weichen langen Haarsträhnen, die frech über seine geschlossenen Lider fielen.

Unwillkürlich lächelte das blonde Mädchen auf, als sie ihm diese zart aus dem Gesicht strich. Aus einem ihr unerfindlichen Grund hatte dieser junge Mann sehr viel Ähnlichkeit mit einem kleinen blonden Jungen, der ihr sehr am Herzen lag. >Nein, dieser überaus nette und zuvorkommende junge Mann würde mich niemals belügen, das steht für mich fest!< grübelnd rieb sie sich über die weichen Lippen. >Hat er vielleicht die falschen Informationen erhalten? Ist das möglich? Aber…warum sollte sein Onkel ihm die Unwahrheit erzählen?< Irgendetwas stimmte doch da nicht und sie würde den Grund dafür schon herausfinden.

Entschlossen griff sie Joshua unter die Achseln, zerrte ihn ächzend und stöhnend hinter ihren verwaisten Koffer, der dem Sturm kämpferisch die Stirn bot. So war der blauhaarige Mann durch ihr Gepäckstück vor den wütenden Angriffen der Äste und Zweige ausreichend geschützt. Der Koffer war schwer genug, selbst diesen, an Stärke noch zunehmende Orkanböen, mutig zu trotzen. Ein klein wenig unsanft ließ sie den – für sie – schweren Körper des bewusstlosen Blauhaarigen direkt in eine kalte, leicht bräunlich gefärbte Pfütze gleiten. Kurz gluckerten sanft einige Blasen in dem Wasser und zerplatzten mit leisem Plitschen. Dann fuhr Josh erschrocken prustend auf, hustete das kühle Nass aus seinem nun feuchten Mund und blickte verwirrt in das schöne Antlitz des hübschen blonden Mädchens, das sich über ihn gebeugt hatte.

„Wa-…was…wieso…liege ich auf dem Boden?“ Fröstelnd setzte er sich schwungvoll auf, mit einem leisen Zischen, das zwischen seinen Lippen hervorkam, rettete er auch seinen völlig durchweichten Hemdsärmel vor dem unheimlich aussehenden Nass. Als er seinen Oberkörper ganz aufrichten wollte, zog sich blitzartig ein höllischer Schmerz durch sein Rückgrat. Rötliche Schleier legten sich auf seine Augen. Der rote Nebel formte sich zu Bildern, die ihm die Momente der letzten paar Minuten ins Gedächtnis riefen. Kurz schloss er seine golden durchwirkten Augen, atmete tief ein und aus, seine Glieder entspannten sich langsam. Als er die Pupillen wieder öffnete und die ihren suchte, bemerkte er eine große Entschlossenheit in dem tiefen und unendlichen Blau. Eine innere Stärke flammte aus diesem Blick hervor, eines warmen Scheins einer Kerze gleich, die die Dunkelheit mit seinem sanften Licht erhellte. Suchend schweiften ihre glänzenden Augen die Straßenabzweigungen ab, hoffend einen bekannten Namen auf den Schildern lesen zu können. Aber wegen des ununterbrochenen Regens verwischten die Wegweiser im grauen Licht bis zur Unkenntlichkeit.

„Winry…“, wisperte er beunruhigt. „Was hast du vor?“ Keuchend quälte er sich auf seine wackeligen Beine, die sich unter ihm anfühlten wie Wackelpudding und starrte das Mädchen prüfend an. Die Entschlossenheit in ihren Augen wurde stärker, sanft lächelte Winry den Blauhaarigen an. „Ich werde ihn suchen gehen. Er ist nicht tot, Josh, ich weiß, dass er es nicht ist“, die Zuversicht und der Glauben, der aus ihrer zarten Stimme kam, ließen ihn fast selbst an der Nachricht seines Onkels zweifeln.

„Danke für deine Hilfe und alles. Ich weiß das sehr zu schätzen, was du für mich getan hast, aber...ich muss jetzt gehen. Ich hoffe, du kannst mich verstehen.“ In Windeseile wandte sich die Blonde um, schockiert bemerkte Joshua einige Tränen in ihren wunderschönen und strahlenden Augen. Leise plätscherten ihre schnellen Schritte über das feuchte Nass, als sie sich von ihm entfernte. Fast schmerzhaft zog es ihm sein Herz zusammen. >Nein, das kann ich absolut nicht verstehen!< schrie eine melancholische Stimme in seinem Inneren auf.

„Winry!“ schrie er aus Leibeskräften gegen den Sturm an. „Winry! Bleib stehen! Bei dem Wetter ist das viel zu gefähr...aaaaaaahh!“ Eiligen Schrittes wollte er dem Mädchen hinter her, sie aufhalten, damit ihr nichts geschah. Doch war wohl Winrys Koffer anderer Meinung, denn dieser stand dem jungen Mann frech im Weg. Die Füße in den weichen Stiefeln knallten gegen das harte Leder und mit einem heiseren Schrei flog er buchstäblich mitsamt der braunledernen Bestie in eine noch größere Pfütze, die daraufhin über den Beiden als kalte Wasserfontäne zusammenschlug. Nass wie ein begossener Pudel blickte er der davonlaufenden Winry hinterher, die nur noch schemenhaft in dem undurchdringlichen Regen zu sehen war. Sanft wippte der Pferdeschwanz auf und ab. Seufzend kratzte sich der junge Mann durch das schon dreckstarrende Haar. Wenn er jetzt einen Spiegel dabei gehabt hätte, würde er sich selbst wahrscheinlich nicht mal mehr wieder erkennen, denn in seinem Gesicht gab es kein Eckchen mehr, welches nicht schwarz und dreckig war. Nur die goldenen Augen glänzten sauber aus seinem Antlitz hervor und funkelten in dem Licht der vielen Blitze verdattert auf, da ihn der schnelle Abgang Winrys mehr als nur verwunderte. Triefend vor Nässe rappelte sich der Mann mit den blauen Haaren, die nun eher die Farbe von feuchter frischer Erde besaß, langsam in die Höhe. In Gedanken immer noch bei dem Mädchen, wischte er sich mit dem schlammbeschmierten Ärmel über die aufgeschlagene Nase, die eine kleine unfreiwillige Verabredung mit dem asphaltierten Boden genossen hatte.

>Weiber<, resigniert mit den Schultern zuckend setzte er sich auf das Kofferungetüm, schüttelte leicht genervt seinen Kopf, so dass der Dreck in alle Richtungen geschleudert wurde. >Ich werde sie wohl nie verstehen!< Den Kopf auf die schmutzigen Hände abstützend, ließ er sich vom laut prasselnden Regen das Haupt waschen, leicht glänzten auch schon die blauen Strähnen aus dem Dreck hervor. Unbeschwert lächelnd dachte er an die sehr reizende Begegnung mit diesem schönen blondhaarigen Wesen. >Dieser Junge mit den Automails ist wirklich ein Glückspilz. Hoffentlich weiß er das auch zu schätzen.< Gedankenverloren rollte er den Kopf auf die linke Hand, die rechte plumpste mit einem leisen knautschigen Geräusch auf das Leder des Gepäckstücks. Mit einer nach oben gezogenen Augenbraue grübelte er kurz über etwas nach und stierte seine Sitzgelegenheit angestrengt an.

>Moment Mal, was zum…< wie von einer Tarantel gestochen hüpfte der schmale, aber muskulöse Körper des jungen Mannes hoch, landete sanft und sehr elegant neben dem Gepäckstück. >Der Koffer!<

„Winry!“ schrie er nochmals gegen den heftig wütenden Sturm an. „DU HAST DEINEN…Koffer vergessen…“, die letzten beiden Worte redete er mehr zu sich selbst als zu dem blonden Mädchen, die höchstwahrscheinlich schon über alle Berge, nein, eher hinter allen Straßenverzweigungen verschwunden war.

Ein wenig hilflos sah er sich um, doch weit und breit war nirgends eine Menschenseele zu erblicken. Diese hatten sich vermutlich schon in ihren Häusern verbarrikadiert, den Schutz genießend und sich an ihren Ofen wärmend.

>Nur ich Trottel renne hier draußen noch herum<, schoss es ihm durch den Kopf und verdrehte leicht angenervt die Augen. Mit hängenden müden Schultern schlich er träge vom Bahngleis, drehte sich jedoch an dem eisernen, mit dicken Dornen bewehrten Tor, das in die dunkle Innenstadt führte, herum. Mit seiner goldenen Iris betrachtete er eingehend den einsamen Koffer des Mädchens, der allein im tobenden und fauchenden Sturm stand und diesem trotzig die mutige Stirn bot. Widerstrebend seufzend und sich mit der Hand in den Haaren kratzend wandte er sich langsam um, kehrte mit samtweichen eleganten Schritten zu seinem stummen ledernen Gefährten zurück.

„Na ja“, begann er das einseitige Gespräch mit dem knarzenden Gepäckstück und legte sanft eine braungebrannte Hand auf das Rindsleder. „Wenn sie zum Krankenhaus läuft, werde ich sie ja theoretisch wieder sehen. Also kann ich dich auch gleich dorthin mitnehmen, denn ich denke, dass du dort noch gebraucht wirst, nicht wahr?!“ Leise lachend umfasste er die Halterung des Koffers und mit darauf folgendem keuchendem Atem hob er ihn hoch, ächzend ging er fast in die Knie, als das lederne Monster ihm fast den Arm auskugelte. „Wie hat sie dich nur tragen können…hmmm?!“ Aber der Koffer gab ihm leider keinerlei Auskunft, er knarzte nur leise vor sich hin. Ungläubig schüttelte er wegen dem Gewicht des Gepäckstücks das hübsche Haupt und machte sich nun wirklich auf den Weg zum Ausgang. Das Gebiet rund um den Bahnhof glich einem Katastrophengebiet. Noch immer knickte der tollwütige Sturm Äste und Zweige um, die vom Wind mit dem größten Vergnügen herumgewirbelt wurden und schickten sich zum Angriff gegen den jungen Mann. Doch das störte den Blauhaarigen nicht. Gekonnt und mit Reflexen einer Katze fegte er die Wurfgeschosse des Orkans mühelos beiseite, bevor sie überhaupt in seine unmittelbare Nähe kamen. Eine noch nie da gewesene Härte glühte aus seinen honiggoldenen Augen hervor, seine ebenmäßigen Züge verfinsterten sich, als er durch das Tor trat und die finstere Stadt vor sich betrachtete. „Nun hast du mich wieder, Central City, Stadt der verlorenen Seelen.“
 

Die Tränen, die ihr von den zarten Wangen tropften, vermischten sich unaufhaltsam mit dem eiskalten Regen, der sie unwillkürlich frösteln ließ. Ihre klamme Kleidung klebte fest an ihrem schlanken Körper, die unangenehme Kälte schlich sich langsam in ihre Glieder. Bibbernd schlang sie ihre Arme vor den Oberkörper. Keuchend und nach Luft ringend blieb sie stehen, lehnte sich an einen Pfosten, der sich als Schild entpuppte. Sie blickte zu dem Wegweiser an ihrer Seite hinauf, kniff die Augen ein wenig zusammen um den Namen darauf entziffern zu können, aber die Sicht war wegen des unaufhörlichen Regens so verschwommen, dass sie nichts erkennen konnte. Panisch sah sich das Mädchen um, vielleicht war hier etwas, an das sie sich erinnerte. Ein Gebäude oder ein Wahrzeichen, das sie noch vom letzten Besuch her kannte, aber da war nichts…rein gar nichts!

Resigniert aufseufzend lehnte sich an die nasse Wand eines alten abgebröckelten Hauses. Winrys hellblauer, trauriger Blick wandte sich in die bösartige Schwärze des Himmels. Die giftiggrauen Wolken hingen sehr tief über der Stadt, so dass die höchsten Gebäude in ihnen verschwanden. Plötzlich fuhr ein grell leuchtender Blitz in die Kirchturmspitze. Der rollende Donner grummelte bitterböse durch die Luft. Krachend purzelten die Dachschindeln vom Dach herunter und knallten mit lautem Getöse auf den Boden, genau vor Winry. Die Schindeln zerbrachen in tausend Stücke. Mit einem erschreckten Laut und einem ängstlichen Sprung nach hinten, wich das Mädchen in einen kleinen Vorhof aus.

Zwei aufmerksame Augen, die beim nächsten Blitz leuchtendrot auffunkelten, musterten Winry skeptisch und kalt, als sie sich zitternd wieder hinauswagte. Unsicher presste sich die Blonde an die eiskalte Wand und rieb sich mit den Händen ihre Arme warm, oder sie versuchte es zumindest. >Was bin ich doch für eine dumme Pute…< schalt sie sich und klopfte sich mit eiskalten Fingern auf die Stirn. „Wieso bin ich nur alleine losgelaufen?“ stöhnte sie erschöpft und strich sich die klitschnassen Strähnen aus der Stirn. „Ich weiß doch nicht einmal, wo das Krankenhaus ist, geschweige denn, wie es dann weitergeht, sollte ich tatsächlich dort ankommen.“ Sie würgte einen unangenehm dicken Kloß ihren trockenen Hals hinunter. Eine überwältigende Traurigkeit schwemmte über ihr Herz und ertränkte es fast. Ein Bild legte sich vor ihren inneren Blick. Ein kleiner blonder Junge, der sie bittend und Hilfe suchend mit seinen gold schimmernden Augen ansah. Flehendlich reckte sich ihr der schmächtige, aber muskulöse Körper des Blonden entgegen. Dann verblasste das Bild, so schnell wie es gekommen war. Schluchzend hielt sie sich die Hände vor die tränenüberströmten Augen und rutschte langsam weinend das spröde Mauerwerk hinunter auf den kalten feuchten Straßenbelag. Wütend fauchte der Wind durch ihr blondes glänzendes Haar, das sie mit einem blauen Band zusammenhielt. Die eisigkalten Böen zerrten an diesem und rissen es dem jungen Mädchen aus den Haaren, so dass ihre Strähnen samtweich und federleicht, wie ein großer Vogel, der nun die Freiheit genoss über ihre feuchten roten Wangen streichelten. Fast schien es so, als würde es ihr Trost spenden wollen.

Leise schluchzend winkelte das Mädchen die schlanken Beine an und umschlang sie mit den heftig bibbernden Armen. Erst ein lautes knirschendes, zerberstendes Geräusch ließ ihren Kopf nach oben rucken. Mit einem angstvollen Blick erstarrte sie augenblicklich. Der erzürnte Sturm hatte einen riesiggroßen Ast, von der Dicke eines Elefantenbeins, vom unruhig aufbäumenden Stamm getrennt. Dieser würde nun genau auf Winry stürzen. Mit der furchtbaren Erkenntnis, nicht mehr rechtzeitig fliehen zu können, riss sie mit einem klagenden Laut die Arme nach oben, schützend vor ihr Gesicht. Mit einer unglaublichen Schnelligkeit krachte der riesige Ast auf sie zu und wollte sie unter seinem Gewicht zermalmen.
 

Nicht weit von dieser unglaublich erschütterten Begebenheit entfernt, schreckte ein blonder Junge schwer fiebrig, schweiß gebadet und laut schreiend vor Panik auf. Die stählerne Gestalt, die die ganze Zeit fürsorglich die Hand des Blonden gehalten hatte und den nassen kalten Umschlag auf seiner Stirn jede Minute wechselte, zuckte erschrocken auf und starrte entsetzt seinen Bruder an. Der feuchte Lappen fiel auf die schon sehr nass geschwitzte Decke. „Nii-san!“ erschrocken weiteten sich die Augen des Jüngeren, seine Stimme zitterte hörbar. Seine Stahlhand wollte sich auf die Wange des Älteren legen und ihn sanft beruhigen, als er zu seinem großen Entsetzen einen Namen aus dem trockenen Mund Edwards hörte. Er flüsterte ihn ganz leise und alle seine Muskeln im schlanken Körper spannten sich in höchster Anstrengung. „Winry…“, wisperte er zu Tode geängstigt. Seine goldenen Augen, die steif und trüb auf die Wand vor ihm starrten, waren weit aufgerissen. Doch schien es, als würde er durch die Mauer hindurch sehen, einen Punkt betrachtend, den Alphonse nicht erkennen konnte.
 

Plötzlich schoss der linke Arm des blonden Jungen nach oben, öffnete und schloss sich sehr schnell, als wolle er Jemanden beschützen, vor Unheil bewahren und von einer Gefahrenquelle wegziehen. Leise keuchend flüsterte er immer wieder den Namen, seine gequälte Stimme wurde immer lauter, bis er nur dieses eine Wort hinausschrie. Voller Panik und schierer Todesangst hallten die Schreie durch das karg eingerichtete Zimmer, brachen sich an den Wänden und schlichen sich durch alle Ritzen hinaus in den dunklen Flur des Krankenhauses.

Die verängstigten Rufe des Älteren drangen tief in die Seele des Jüngeren ein, umschlangen sie und legten sich als dunkle Wolke auf diese. Schluchzend hielt sich Al den Kopf und wimmerte leise auf. Es tat ihm unglaublich in der kindlichen Seele weh, was sein Bruder für Qualen und Schrecken durchstehen musste. „Nii-san…nii-san, was ist mit dir? Nee-san…“, weinte der Stählerne und starrte Hilfe suchend auf die Wand, das dem Zimmer seiner Schwester zugewandt war. >Aber sie darf nicht kommen, wenn sie ihre Kräfte benutzt…nein…< Sein gepeinigter Blick glitt wieder zurück zu dem schreienden Körper seines Bruders.
 

„Nee-san…“ Ich schreckte von meinen schläfrigen Gedanken auf. Der Sturm wütete wie zuvor und zerstörte die Natur mit seinem harten, erbarmungslosen Wesen. Meine gerade noch müden, doch nun hellwachen Augen ruckten in die Richtung Eds Zimmer, als ich die Schreie hörte. Kalte Schauer strichen mir den schweißnassen Rücken hinunter. Zitternd hüpfte ich vom Sessel, schritt blitzschnell zur Tür. Legte gerade eine bebende Hand auf die Klinke, als hektische klackende Schritte draußen ertönten, die mich erschrocken erstarren ließen. >Ob das wohl der Colonel und seine Mannschaft ist?< Verängstigt näherte ich mich daher der Wand. Sanft legte ich eine kalte Hand auf die Tapete. „Al-chan…Ed-chan…was ist nur los…“, panisch krallte ich meine Nägel in die Mauer, als ich wieder die Rufe hörte. „Verdammt, was ist nur los…VERDAMMT!“ schrie ich wütend und voller Pein auf. Schlug meine rechte Hand brutal in die Wand, das es kurz aufknirschte und der feine Putz sich löste. Betroffen schaute ich mir die Bescherung an, aber jetzt war nicht die Zeit, um sich über dieses Missgeschick Gedanken zu machen, sondern darum, ob etwas mit meinem Bruder war. „Gott…bitte, warum kann ich ihm nicht helfen…warum nicht auch dieses Mal?“ Tränen verschleierten meinen Blick und mit einem lauten kummervollen Schluchzer rutschte ich auf den kalten Boden. Ein wenig Blut von meinen Fingern tropfte auf die sauber geputzten Kacheln.
 

Draußen auf dem Flur näherten sich rasche und laute Schritte dem Zimmer von Edward. Zur gleichen Zeit zerplatzte mit heftigem Knirschen die Glühbirne der kleinen Nachtischlampe neben Eds Bett. Verängstigt schreckte Alphonse von seinem Stuhl auf. „Nii-san…“, schluchzte das stählerne Kind auf und versuchte hektisch etwas zu erkennen, doch es war zu dunkel im Raum.

Einen Moment später wurde die Türe heftig aufgerissen, die mit donnerndem Getöse an die Wand knallte. Ein funkensprühender Blitz fuhr plötzlich vom Himmel herab und mit einem fauchenden Geräusch zischte er in einen der Bäume, der einen ächzenden Todeslaut von sich gab. Das grelle Licht erhellte den Rahmen des Eingangs, in dem zwei Personen mit schussbereiten Pistolen standen.

Al vernahm entsetzt das Klicken eines gespannten Revolverhahns. Eine sonst angenehm weiche, doch nun harte Stimme zerriss die Geräuschkulisse des zornigen Sturms, der noch immer durch die Stadt tobte. „Waffen fallen lassen und mit erhobenen Händen herauskommen! Dann passiert Ihnen nichts!“ „Lieutnant Hawkeye!“ schniefte es verschreckt aus einer Ecke des dunklen Zimmers, der Ton war sehr kindlich und leicht metallisch. „Alphonse? Ist alles in Ordnung bei euch beiden? Wir haben deinen Bruder laut schreien hören.“ Eiligen Schrittes betrat die hübsche Blonde den Raum, ihre funkelnden Augen hatten sich schon an die herrschende Finsternis gewöhnt und sahen sich prüfend um. Hinter ihr stand der schwarzhaarige Colonel. Er trug in der einen Hand eine Kerze, die andere hielt einen Silber gebeizten Revolver, der nun wieder gesichert wurde und in der Uniformtasche verschwand. Stumm näherte er sich dem kleinen Tisch und stellte wortlos die Kerze darauf und entzündete sie rasch mit einem leisen Schnipsen. Die Flamme labte sich wie ein Verdurstender an dem Docht der Kerze und beleuchtete fröhlich wärmend die bedrückte Atmosphäre. Die beiden Erwachsenen und der stählerne Junge brauchten einige Sekunden um sich an die Helligkeit zu gewöhnen. Mit einem keuchenden Laut weiteten sich die rötlichbraunen Pupillen der attraktiven Blonden, als sie auf die kleinere Gestalt eines Jungen starrte, die nahe des Fensters saß und eine blasse Hand vorgestreckt hatte, um eine imaginäre Person zu ergreifen.

„Edward!“ Mit einem panthergleichen geschmeidigen Sprung war sie an Eds Seite und ergriff ihn sanft an den Schultern. Der Kleine starrte ausdruckslos und mit trüben Augen an die Wand, sein schweißnasser Arm zitterte vor Anstrengung, aber immer noch öffnete er die Finger und schloss sie wieder. Seine trockenen Lippen bebten, seine panischen Schreie waren zu einem leisen Flüstern verklungen, wispernd drang der Namen eines Mädchens, die seinem Herzen sehr nahe stand, aus seinem ausgedörrten Mund. Angstvoll strich ihm die junge Frau die nassen Strähnen aus dem schwitzigen Gesicht. Ihr rötlichbrauner Blick wandte sich dem Stählernen zu, der aber zuckte nur sehr hilflos mit den metallenen Schultern.

Auf einmal entspannten sich die Armmuskeln des kleinen Jungen, mit einem erleichterten Seufzer schloss er erschöpft die Augenlider. Ein letztes Wort kam wie eine leichte Sommerbrise zwischen den trockenen, rissigen Lippen des Blonden hervor. Riza hatte den Eindruck, dass er sich bei Jemandem bedanken würde. Von einer Sekunde auf die andere erschlafften die restlichen Glieder des Kleinen und er fiel, wie ein frisch abgeschlagener Baum, dem Bett entgegen. Mit der Agilität einer geschmeidigen Katze griff die junge Frau blitzschnell nach ihm und hielt somit den Sturz ab. Im selben Augenblick waren zwar die beiden männlichen Personen im Raum hinzugesprungen, aber sie wären trotz allem zu spät bei Ed gewesen. Sanft und liebevoll wie eine Mutter bettete die attraktive Blonde den heißen Körper des Jungen in die weichen, aber nassen Kissen. Sorgenvoll blickte sie auf die Decke, die bereits wie die Polster nass und klamm war. >Er ist vollkommen durchgeschwitzt. Armer Ed!<

Colonel Mustang runzelte beunruhigt die Stirn und strich sich in Gedanken über die leichten schwarzen Bartstoppeln, die sein Gesicht bedeckten. >Der Tag war echt hektisch…erst das mit Full Metal, dann das mit dem Mädchen…und nun wieder der Kleine.< Dann ruckten die Onyxaugen zu dem stählernen Giganten hinüber. „Alphonse, was ist hier passiert? Wieso hat der kleine Full Metal wie am Spieß geschrieen?“ neugierig leuchteten die schwarzen Pupillen auf. Der metallene Junge stand erstarrt wie eine Salzsäule neben dem Ruhelager seines Bruders und blickte sorgenvoll zu diesem hinunter. Es dauerte eine ganze Weile, bis er zu einer Antwort ansetzte. Ich…ich…weiß es nicht genau. Er hat…immer wieder dasselbe geschrieen“, stammelte er schluchzend, leise schniefend zog er die Nase hoch. „Und das wäre?“, eine leichte Wut packte den jungen Mann in der Uniform, seine Blicke waren wie tausend eisige Messer, als er den Jungen streng musterte. Alphonse zuckte bei diesem Anblick heftig zusammen. Einen dicken Kloß den Hals hinunterwürgend, flüsterte er: „Winry…er hat immer wieder ihren Namen gerufen…nichts anderes.“ Erstaunen durchfuhr das Antlitz des schwarzhaarigen Mannes, eine Augenbraue glitt ungläubig in die Höhe.

„Winry?“ mischte sich nun auch die junge Frau ein, die immer noch beruhigend die Wange des Blonden streichelte. „Ist das nicht dieses Mädchen, mit dem du und Ed aufgewachsen seid?“ wissbegierig wandte sich der sanfte Blick des First Lieutnant dem metallenen Koloss zu. Dieser nickte schüchtern, ein kleiner Schimmer Rot bedeckte die Wangen des Jungen. „J-ja, so ist es.“

„Hmm, eigenartig…“, bemerkte Mustang mit einer gewissen Beunruhigung. „Wieso hat er ihren Namen geschrieen? Hat er vielleicht schlecht geträumt?“ „Das ist doch jetzt wirklich nicht wichtig“, warf Riza fast ein wenig wütend ein und legte dem kleinen Jungen das kalte feuchte Tuch zurück auf die nass geschwitzte Stirn. Edward warf sich keuchend vom vulkanisch heißen Fieber, das in seinen Adern wütete, hin und her. Die Kühle schien ihm nicht wirklich zu helfen. „Wir sollten lieber einen der Ärzte verständigen, sein Fieber scheint weiter gestiegen zu sein. Ich verlasse dieses Zimmer jedenfalls nicht, bevor jemand etwas dagegen unternommen hat. Ist Doktor Brown noch hier? Taisa…?“

Der Angesprochene reagierte nicht, er starrte nur sehnsüchtig auf die hübsche Frau und den leise hustenden Hagane. >Sie pflegt ihn mit solch großer Hingabe…irgendwie würde ich jetzt gerne mit Full Metal tauschen…< Melancholisch seufzend kratzte er sich den Hinterkopf, die Haarsträhnen räkelten sich in verschiedene Richtungen, aber glitten nach wenigen Sekunden wieder brav zurück. Der Colonel plumpste schwer auf den einsamen Stuhl, der bisher nur nutzlos im Raum gestanden hatte.

„COLONEL!“ Erschrocken fuhr der Schwarzhaarige wie eine Rakete von seiner Sitzgelegenheit auf, vor lauter Verblüffung setzte er sich im gleichen Moment wieder. Aber er verfehlte den Stuhl um wenige Zentimeter, so dass er sich, nicht gerade elegant, mit einer Hand auffangen konnte. Blitzschnell sprang er auf und räusperte sich kurz und ziemlich verlegen. Er unterdrückte die Röte, die sich seiner Wangen bemächtigen wollte. „Taisa…“, die ausdrucksstarke Stimme seiner attraktiven Kollegin hallte durch das Krankenzimmer. Hawkeye kniete noch immer vor Edwards Bett, tupfte ihm das fiebrige Gesicht ab und beruhigte zur gleichen Zeit liebevoll Alphonse, der neben ihr verzweifelt zu schluchzen begann.

„Wa-…was ist denn, Hawkeye? Warum schreien Sie denn so?“ Er bemühte sich verzweifelt, seinen theaterreifen Abgang ein wenig zu vertuschen und blickte die junge Frau fragend an. Seine Augen waren so groß wie Autoscheinwerfer.

Riza Hawkeye starrte ihn verständnislos an, seufzte leicht genervt auf und schüttelte echauffiert den Kopf. Zerknirscht sah der Colonel seine Untergebene an. >Sie ist ganz schön wütend, aber wirklich süß…und sie macht sich sehr große Sorgen um den Jungen…<

„Wissen Sie, ob Doktor Brown noch hier ist? Er weiß doch über den Jungen Bescheid.“ Die warme Stimme klang verängstigt und leicht gehetzt. Die schönen Gesichtszüge der Blonden lagen im Dunkeln, die der Schein der flackernden Kerze warf. Aber auch ohne seinen First Lieutnant anzublicken, wusste der Schwarzhaarige, was in Riza Hawkeye vorging und was sie empfand. Auch er war in größter Besorgnis um den kleinen Jungen. „Er ist vor einer Stunde nach Hause zu seiner Frau gefahren. Er sagte mir, dass er zum Abend hin noch Besuch von einem Verwandten bekäme und ihn wenigstens empfangen wollte“, musste der junge Mann die Blonde enttäuschen, sein Augen waren traurig auf den Kleinen gerichtet. Aber sein Antlitz hellte sich ein wenig auf. „Aber er wies mich darauf hin, sollte es Komplikationen geben, ihn sofort zu benachrichtigen. Ich werde mich gleich auf die Suche nach einem Telefon machen.“ Mit diesen Worten wandte er sich sofort um und schritt geschmeidig zur Tür. Bevor er die Klinke herunterdrücken konnte, wurde er plötzlich noch von seiner Kollegin zurückgehalten. „Der Arme…er ist schon fast vierundzwanzig Stunden auf den Beinen gewesen und nun klingeln wir ihn aus seinem wohlverdienten Feierabend.“ Mit erschöpfter Miene sah sie ihren Vorgesetzten an. Sie hatte kaum einen erholsamen Schlaf gefunden, nachdem sie das Krankenhaus in der vorherigen Nacht verlassen hatte.

Ihre Gedanken waren immer wieder zu den beiden Elric-Brüdern gewandert, als sie sich völlig übernächtigt im Bett herumwälzte. Ein schnüffelndes und leise winselndes Geräusch ließ sie erschreckt zur Seite blicken. Nass legte sich die feuchte Hundeschnauze ihres kleinen Black Hayate liebevoll an ihre Wange, warm leckte seine raue Zunge über ihr Antlitz, als er ihre innere Unruhe spürte. Der schwarze Welpe wollte seine Herrin mit dieser Geste beruhigen und aufmuntern.

Traurig sah die junge Frau zu Boden, als der uniformierte Mann sie mit nachdenklich gerunzelter Stirn anblickte. „Soll das etwa heißen, ich soll ihn nicht anrufen? Oder was wollen Sie mir damit sagen?“

Bei diesen Worten ruckte der hübsche Kopf von Riza missverstanden in die Höhe. „Nein, nein, ich meinte nur damit, dass...ach, egal.“ Rasch winkte sie mit den überaus zarten langen Fingern ab. „Es wäre schön, wenn Sie ihn anrufen könnten, taisa. Ich werde hier bei den Jungs bleiben.“ Zart strich sie dem stählernen Jungen über die kalte eiserne Wange und drückte seinen Kopf sanft an ihre Schulter. Dankbar kuschelte sich Alphonse an die zierliche Frau und schluchzte kummervoll in ihren Armen. Leise summte Riza ein fröhliches Kinderlied, das ihre eigene Mutter sehr gerne gesungen hatte.

Ein entspanntes Lächeln glitt über die Lippen des schwarzhaarigen Mannes, als er diese liebevolle Szene betrachtete. >Sie wünscht sich mit Sicherheit auch mal Kinder, wenn sie den passenden Mann dazu gefunden hat<, seine Augen wurden voller Sehnsucht weich, grinsend schüttelte er den Kopf und verließ vorsichtig wie auf leisen Samtpfoten den Raum.
 

Eine Katastrophe folgt der nächsten...was wird aus Ed? Und Winry? Tja, das gibt es beim nächsten Mal, also dran bleiben *grins*

Eine schöne Woche wünschen euch

Mariko und Lina

Eine schicksalhafte Begegnung

Konnichi wa minna san! Endlich geht es weiter...und es kommt auch mal wieder ein alter Bekannter *zu ihm guckt* hehehe, also viel Spaß
 

Eine schicksalhafte Begegnung
 

Mit fest zusammengebissenen Zähnen, die leise aufknirschten und angehaltenem Atem wartete sie auf den endgültigen Schlag, der sie für immer auf grausame Art aus dieser Welt erlösen würde. Die endlosen Sekunden verstrichen, doch nichts dergleichen geschah. Kurz nachdem der dicke Ast kreischend vom Stamm getrennt worden war, hatte das Mädchen mit nichts anderem gerechnet, dass dies das Letzte in ihrem Leben war, das sie noch sehen würde. Aus schierer Todesangst schlug sie schnell die zitternden Hände vor das Gesicht, um nichts mehr von dem tödlichen Schlag wahrnehmen zu müssen. Doch auf einmal sah sie durch die geschlossenen Lider ein blendendhelles Licht. Erschrocken öffnete sie ohne eigenen Willen die Augen. Der Ast, der auf sie zusauste, wurde von einem feuerroten Schein in zwei säuberliche Teile getrennt.

Die Silhouette eines hoch gewachsenen Mannes wurde sichtbar, der mit einer unglaublichen Geschwindigkeit die restlichen gefährlichen Holzsplitter aus der Schussbahn bugsierte, die dem vor Angst bibbernden Mädchen doch noch das Ende bereiten konnten. Zögerlich nahm die Blonde die schweißnassen, aber eisigkalten Hände von ihren erschreckt geweiteten Pupillen. Verdattert starrte sie den muskulösen Mann an, der elegant und geschmeidig wie ein lautloser Panther nach dem Zerteilen des Holzes vor ihren Füßen landete. Finster glitzerten die roten Augen, die Winry an einen See voller Blut erinnerten. Gefährlich funkelten seine Pupillen in den nervös zuckenden Blitzen auf, wie die Augen einer gefährlichen Bestie. Feindselig riss der tobende, raue Wind an seiner orangefarbenen Jacke und den auffälligen hellen Haaren. Verängstigt und furchtbar zitternd drückte sich das blonde Mädchen an die bröckelige Wand des fast eingefallenen Hauses. Sie musterte ihren mysteriösen Retter, der sie mit einer kühlen Arroganz anblickte, nervös und misstrauisch. >Wieso bin ich nicht bei Josh geblieben?<, schoss es ihr panisch durch den Kopf. >Als Mus bin ich Edo keine große Hilfe mehr.< Zutiefst erschrocken zuckte sie zusammen, als sich ihr eine braune Hand näherte, von dessen langen Fingern die Regentropfen wie funkelnde Tränen herunter rannen.
 

Scar war ein wenig verblüfft gewesen, hier eine andere Person zu treffen. Alle anderen waren in ihren Häusern verschwunden, um sich wie die Ratten in ihren Höhlen vor der Gefahr zu verstecken. >Was tut die Kleine hier? Sie sollte nicht hier sein!< Ihre Haare schimmerten in den wütend aufblitzenden Zungen golden auf. Sie hatte blonde Haare, wie…

kurz tauchte das Bild einer goldblonden, silberäugigen jungen Frau in seinen Gedanken auf, die ihn freundlich und ohne Scheu angesehen hatte, ein freches, aber schmerzerfülltes Grinsen auf den schön geschwungenen Lippen…
 

„Bist du verletzt, Mädchen?“ grummelte Winry eine tiefe dunkle Stimme entgegen. Vor Erstaunen weiteten sich die ozeanblauen Augen der Blonden. >Er macht sich also Sorgen um mich. Ich dachte schon, er wäre ein Straßenräuber oder so etwas in der Art…< Aber andererseits hatte dieser braunhäutige Mann sie von dem sicheren Tod gerettet. >Sollte er die Absicht gehegt haben, mich auszurauben, hätte er ja auch warten können, bis ich von diesem riesigen Ast zu Geschnetzeltem verarbeitet werde.< Vollkommen in ihren Gedanken versunken, übersah sie komplett seine braune Hand mit den geschmeidigen Fingern, die sich ihr hilfreich entgegenstreckten. Ein wenig säuerlich zog er eine Augenbraue nach oben und seufzte genervt auf, als das Mädchen sich immer noch nicht rührte und gedankenverloren durch ihn hindurch sah.

Der leise Seufzer des vor ihr stehenden Mannes brachte Winry ruckartig wieder in die Wirklichkeit zurück. „Oh,…äh nein, ich bin okay. Wirklich!“ Übertrieben lachend winkte sich schnell ab und versuchte krampfhaft gefasst zu wirken, das ihr aber absolut nicht gelang. Ihre Lache wirkte starr und aufgesetzt, der Ton schrill, wie der des ewig aufjaulenden Windes, der an den Ecken vorbei pfiff. Ihr hübsches Gesicht verzog sich zu einer grausigen blassen Maske, das den braunhäutigen Mann zu einem verständlichen Stirnrunzeln veranlasste.

Seine flinken und blitzschnellen Finger griffen nach dem Handgelenk des Mädchens und zogen sie mit einem eleganten Schwung auf die Beine. Erschrocken schrie Winry hysterisch auf. >Was…was hat er denn mit mir vor?<

Der Braunhäutige zuckte empört einige Schritte zurück und verzog zornig die Augenbrauen nach unten. >Meine Güte, das Gekreische hält man ja nicht aus!< seine Pupillen funkelten wütend auf und mit einer raschen Bewegung legte er die Hände auf seine empfindlichen Ohren, die nach dem schrillen Laut der Kleinen klingelten. „Tust du mir bitte den einen Gefallen und hörst auf zu kreischen? Ich will dir nichts Böses. Hätte ich es gewollt, wärst du schon dreimal tot und begraben“, fuhr der junge Mann das hübsche Mädchen zähneknirschend an.

Vollkommen verdattert verstummte Winry, ihr Mund stand weit offen, es hatte fast den Anschein, als würde das Mädchen ein Scheunentor als Mundeingang besitzen und starrte verblüfft den finster dreinblickenden Ishvarite an.

Die jetzige Situation kam der Blonden mehr als grotesk vor, wenn nicht schon sehr peinlich. Unangenehm berührt wich Winry dem böse stechenden Blick, der Silber schmelzen konnte, aus und spielte verlegen mit ihren golden glänzenden Haaren, die ihr nass in die Stirn fielen. Ihre Wangen röteten sich. Eine Augenbraue des Mannes glitt ein wenig ungeduldig in die Höhe. >Ich muss ihr wohl eine Erklärung hierfür geben…auch das noch.< Leise grummelnd blickte er zu der Blonden hinunter. „Mhhhm, na ja, weißt du, ich habe nur gedacht, wenn du da noch länger auf dem kalten nassen Boden rum sitzt, holt die Kälte nach, was der Ast gerade verpatzt hat“, rechtfertigend wandte sich sein Kopf mit den weißen Haaren ruckartig dem sauber zweigeteilten Ast zu. Aber als er sich dem jungen Mädchen wieder zudrehte und in ihr zutiefst geschocktes Antlitz sah, versuchte er schnell seine schlecht formulierte Rechtfertigung zu korrigieren. „Äh…also was ich damit meinte, war, dass...“, ärgerlich knirschten seine Zähne, wütend schüttelte er sein Haupt. Geschmeidig wandte er sich heftig um. „Ach, vergiss es. Ich verschwinde. Schließlich bin ich nicht aus meinem Loch gekrochen, um unzähligen hilfebedürftigen Mädchen die Haut zu retten.“ Bei diesen Worten flammte die rote Iris unheimlich auf, als gehörten sie einer Höllenkreatur. Grummelnd schritt der braunhäutige Mann schmiegsam in den Innenhof des fast eingefallenen Hauses, das ihm als Nachtlager diente.

„Halt! Warten Sie!“ Die hohe Stimme des Mädchens ließ ihn sehr genervt die Augen verdrehen. Ein gereiztes Schnauben erklang. >Was will sie denn jetzt noch…<

„Was ist denn noch?“ knurrte er die Blonde unwirsch an, drehte sein Gesicht halb zu Winry hinüber und erstarrte erstaunt, als er den traurigen Blick in ihren himmelblauen Augen sah. >Was ist denn nun los mit der Kleinen? Ist vielleicht was passiert, was sie dazu veranlasst hat, hier draußen bei dem wütenden Sturm zu sein?<

„Ich…ich habe mich gefragt, ob Sie...na ja, wegen dem roten Licht...ob Sie... ein...ein…“, druckste sie stotternd herum, zutiefst verlegen brach sie ab und spielte erneut ziemlich nervös an ihren Haarsträhnen herum. „Was denn?“ erwiderte er forsch. >Wenn ich etwas hasse, dann sind das Frauen, die nicht sofort zur Sache kommen…< eine unterdrückte Wut glitzerte in den blutigen Augen.

„Ob Sie ein Alchemist sind…“, sprudelte es wie eine Quelle aus dem hübschen, aber kratzigen Mund des Mädchens nach der groben Aufforderung des genervt dreinblickenden Mannes. Vorsichtig hob sie langsam den Kopf, neugierig auf seine Reaktion und erstarrte verblüfft. Ein dunkler Schatten huschte über das grimmige, männliche Gesicht, die Lippen waren noch mehr als üblich nach unten verzogen und die braunen Hände zu Fäusten geballt. Jeglicher Mut, der im Herzen des jungen Mädchens gewesen war, verpuffte wie eine Rauchwolke, die vom Wind davongetragen wurde. Verkrampft schluckte sie einen dicken Kloß den Hals hinunter. >Hab ich was Falsches gesagt?< nervös knetete sie ihre feingliedrigen Finger.

Ein brennender Hass flammte im Herzen des Ishvariten auf. „Sie dürfen nicht weitermachen, hören Sie?!“ flüsterte eine weiche, warme Stimme eindringlich in seiner Seele, in der leichte Besorgnis mitschwang. Langsam ebbten die hässlichen Gefühle in ihm ab, lautlos atmete er aus und setzte zu einer Erklärung an. „Nein, ich bin kein Alchemist, da muss ich dich enttäuschen.“ Zu seiner großen Verwunderung bemerkte er, wie das blonde Mädchen nach seinen Worten enttäuscht die Schultern hängen ließ. Verblüfft zog er die Augenbrauen nach oben.

Mit einem gemurmelten „Trotzdem vielen Dank“, wandte sich Winry zögerlich um.

„Wieso fragst du mich so etwas? Suchst du Jemanden?“, leichte Neugierde flackerte als kleiner Schein in den rötlich glänzenden Augen auf, die aber sofort erlosch. Freudestrahlend leuchtete das regennasse und schmutzige Gesicht des jungen Mädchens auf. Dankbarkeit umspielte ihre sanften Lippen. Eifrig nickte sie, so dass ihre Haare leicht mitwippten. „Ja, ich bin auf der Suche nach einem State Alchemist.“ Das kurze gefährliche Aufblitzen seiner tiefroten Iris, die den Eindruck einer mordlüsternen Kreatur erweckten, blieb unbemerkt. Enthusiastisch plapperte sie weiter: „Er ist noch relativ jung, eigentlich der Jüngste unter ihnen. Um ganz genau zu sein, genauso alt wie ich. Edward Elric ist sein Name, beim Militär nennt man ihn den Full Metal Alchemist. Kennen Sie ihn vielleicht doch?“ Pure Hoffnung schimmerte in den meeresblauen Augen Winrys auf, erwartungsvoll wandte sich ihr Blick ihrem Gegenüber zu. Mit dem Geschick eines listigen Fuchses wich er den ozeanfarbenen Augen aus, es schien als würde der junge Ishvarite interessiert und vollkommen in sich versunken auf den Kirchturm, den der heftige Blitz getroffen hatte, hinaufstarren. „Nein, tut mir Leid, Mädchen. Habe noch nie etwas von ihm gehört.“ Zäh wie klebriger Bienenhonig glitten diese Worte über seine Lippen. >Wieso fällt mir das Lügen auf einmal so schwer?< Das tief betrübte Gesicht der Kleinen, die fast noch ein Kind war, hielt ihn erneut vom Gehen ab. Bevor er es selbst registrierte, öffnete sich sein Mund und die nächste Frage flutschte heraus. „Warum suchst du ihn?“

Ärgerlich grummelte er auf. >Was tue ich hier eigentlich? Sorgentante für ein mir völlig fremdes Mädchen spielen?< Langsam wunderte er sich wirklich über sich selbst. Aber warum ging er nicht ganz einfach weg? Etwas in seinem Innern hielt ihn davon ab…eine samtigweiche leichte Wärme stieg in ihm auf, die aber nicht bis zur Oberfläche drang. Diese Kleine ähnelte ein wenig der Silberäugigen. „Man hat mir erzählt, dass er nach einem Zwischenfall hier im Krankenhaus an seinen Verletzungen gestorben sei“, wisperte die Blonde in einem sonderbaren Tonfall, der todtraurig klang. Unverständlicherweise kroch eine beklemmende Kälte in Scars Sinne und ließ ihn unwillkürlich frösteln. Leise Schluchzer entrangen sich der rauen Kehle des Mädchens und einige Tränen kullerten die rot geweinten Wangen hinunter, als sie nach Fassung rang. „Aber ich kann das nicht glauben, deswegen habe ich mich auf die Suche nach ihm gemacht. Allerdings...kann ich mich nicht mehr daran erinnern, in welcher Richtung das Krankenhaus liegt“, gab sie ganz kleinlaut zu und sah den braunhäutigen Mann voller Erwartung an.

Doch dieser machte sich gerade über ganz andere Dinge Gedanken. >Full Metal, du wirst es doch nicht gewagt haben, dich so klammheimlich von dieser Welt zu stehlen, oder?< leicht blitzten die grimmigen Augen des Mannes auf. Ohne dass er es selbst bemerkte, massierte er sich die plötzlich pochenden Schläfen. >Hoffentlich geht es der Kleinen gut, sie war doch mit dem Jungen zusammen unterwegs.< Wieder erschien das Bild des silberäugigen Mädchens. Das letzte Mal hatte er sie gesehen, als sie schwer verletzt in seinen Armen lag. >Sie wird am Boden zerstört sein, wenn er wirklich tot ist<, schoss es ihm blitzartig durch den Kopf. Er wusste zwar nicht warum, aber zwischen den beiden Brüdern und der jungen Frau bestand eine besondere Verbindung, ein Band, das tief miteinander verknüpft war. Aber warum? Das konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen.

Und doch hatte er ihr das stumme Versprechen gegeben, den beiden Brüdern nichts zu tun, wenn sie wieder aufeinander treffen würden.

>Wenn man es aus einem anderen Blickwinkel betrachtet, kann ich mir überhaupt nicht mehr erklären, warum ich eigentlich den Jungen umbringen will…< Was hatte ein kleiner Junge, auch wenn er zu diesem Zeitpunkt schon States Alchemist war, mit dem Ishbal-Krieg zu tun? Er war kaum den Kinderschuhen entwachsen und er, Scar, wollte ihn an einer Sache zu Rechenschaft ziehen, die schon lange zurücklag. Trotzdem war er mehr als beeindruckt von dem kleinen Jungen gewesen, keine Spur von Angst leuchtete in den goldbraunen Augen auf, als er, den alle Scar nannten, seine todesbringende Hand auf das Haupt des Blonden gelegt hatte. >Der Kleine hat mich sogar ermutigt, ihn umzubringen, als Revanche für den Tod meines o-nii-sans. Entweder ist der Junge total verrückt und lebensmüde oder außerordentlich mutig< Plötzlich wurde die bedrückende Dunkelheit von dem Licht eines Scheinwerfers gebrochen und blendete den braunhäutigen Mann. Kurz schloss er seine rötlichfarbenen Augen. Das Auto, dem die grellen Lichter gehörten, machte einige Meter weit eine laute Vollbremsung, so dass die Reifen jämmerlich aufquietschten.

Scar beschloss schleunigst das Weite zu suchen, er wollte sich nun ungern mit den Männern des Militärs anlegen, denn er hatte mit einem kurzen Blick auf den bebrillten Fahrer dessen blaue Uniform gesehen. Flink wandte sich der Ishvarite zum Gehen um und sprang gelenkig auf das niedere Vordach des eingefallenen Hauses. Erstaunt weitete sich die wunderschöne blaue Iris des jungen Mädchens. >Warum hat er es denn plötzlich so eilig? Als ich vorhin von Ed gesprochen habe, veränderte sich sein grimmiger Gesichtsausdruck in einen sehr besorgten. Kennt er Edo doch und will es mir nur nicht verraten…?< Aber auch wenn es ihr sehr sonderbar vorkam, der junge Ishvarite hatte ihr das Leben gerettet.

„Bitte…“, flüsterte Winry, „warten Sie noch einen Augenblick.“ Die Haltung des Mannes wurde steif, mit einem wütenden, säuerlichen und kaum wahrnehmbaren gehetzten Ausdruck in der rot glitzernden Iris stierte er das unten stehende Mädchen an. Schüchtern wandte sich das Gesicht der Blonden zunächst zur Seite, als sie von dem stechenden Blick, der ihr wie tausend Messer auf der Haut brannte, regelrecht aufgespießt wurde. „Ich...habe mich noch gar nicht dafür bedankt, was Sie für mich getan haben, also deswegen...vielen Dank.“ mit einer leicht angedeuteten Verbeugung verneigte sich Winry. Mit einem deutlichen Stirnrunzeln bedachte Scar die Blonde. Eigentlich verwunderte ihn nichts mehr, aber das…

Das junge Mädchen sah zu dem Ishvariten auf, ihr schien es fast so, als würde dieser ewig grimmig dreinblickende Mensch eine Winzigkeit lächeln. Sofort erhellte sich Winrys trauriges Antlitz und glänzte unter der braunen Kruste freundlich auf. „Mädchen wie du, sollten in solch einem Sturm gar nicht auf der Straße sein“, war der einzige Kommentar des Mannes zum endgültigen Abschied, bevor er sich flink umwandte, lautlos und geschwind wie ein schlaues Wiesel in der alles zerfressenden Finsternis verschwand.

Nachdenklich starrte sie in die Dunkelheit und knetete frierend ihre nasskalten Finger. „Ja...da haben Sie mehr als nur recht...“, wisperte sie gegen den laut aufheulenden Wind. „Aber ich habe es für Jemanden getan, der mir sehr viel bedeutet. Würden Sie dasselbe nicht auch für solch eine Person tun?“ Der wütend aufbrausende Orkan verschlang ihre seufzenden Worte, so dass sie das Geheimnis von Winry blieben. Plötzlich fühlte sie die wiederkehrende eisige Kälte in ihren Gliedern und fröstelnd schüttelte sie ihren Körper, der von den prasselnden Regentropfen noch mehr durchweicht wurde. Auch ihre schon nassen Haare hingen schlapp wie zerstörte Blumen in ihr hübsches, aber verschmutztes Antlitz. Schutzsuchend und bibbernd schlüpfte sie eilig in den nächsten Häusereingang. Vollkommen das Auto vergessend, dass vor einigen Momenten mit lautstarken Bremsen wenige Meter vor ihr gehalten hatte.
 

Mit einem leisen Knacken schloss der Schwarzhaarige die Autotür, seine gelenkige Hand fuhr in die Tasche seiner Uniform und holte einen grauen Gegenstand aus ihr heraus. Der Gegenstand entpuppte sich als Taschenlampe. Die Umgebung sorgfältig musternd, ging er auf das frierende nasse Mädchen zu und schaltete die kleine Taschenlampe an.
 

„Winry-chan? Bist du das, Kleine?“ erschreckt fuhr die Angesprochene zusammen und blickte mehr als erstaunt auf den schwarzhaarigen Mann, der sich ihr näherte. Die Stimme kam ihr sehr bekannt vor. >Kann das…?<

Wild fuchtelte der Näherkommende mit dem leuchtenden Gegenstand herum und schien ihr ungewollt in die Augen. Leicht geblendet und mit einem zischelnden Geräusch kniff sie die Pupillen zusammen. „Gomen!“ murmelte der Uniformierte eine leise Entschuldigung und senkte gleichzeitig die Lampe. Indessen fielen von Winry alle Zweifel ab, die sie noch vor wenigen Sekunden hegte, denn sie wusste nun, wer vor ihr stand.

„Hughes-san!“ Nie hatte sie sich so gefreut, ein bekanntes Gesicht zu sehen. >Endlich Jemand, der mir sagen kann, was mit Ed geschehen ist. Und ich habe wirklich eine Menge Fragen…<
 

Lautlos wie eine Katze schlich ich den unbelebten Korridor entlang, immer im Schatten der Dunkelheit bleibend. Meine Augen waren die Finsternis, die von den hellen Blitzen über der Stadt unterbrochen wurde, schon gewöhnt. Zu meinem großen Glück waren alle Patienten in ihre Zimmer geschickt worden, denn angesichts des Stromausfalls funktionierten nur noch die lebenserhaltenden Geräte in diesem Gebäude und deswegen hatte man strikte Order erteilt, keinen der Patienten auf den unbeleuchteten Flur zu lassen. Ein leichtes Schmunzeln legte sich auf meine Lippen. >Na ja, außer mir halten sich natürlich alle an die Anordnung< ein leises Kichern rutschte mir aus dem Mund, bevor ich wohlwissend eine Hand vor diesen hielt. Mit den Fingern der anderen Hand tastete ich mich an der Wand entlang auf mein Ziel zu. Immer wieder blieb ich ruhig horchend stehen, mein Blick huschte aufmerksam über den leeren Korridor. Ich wollte sicher gehen, dass nicht Jemand von Krankenhauspersonal sich hierher verirrte, aber beruhigenderweise war ich noch niemandem begegnet.

Mit unruhig schlagenden Herzen pirschte ich mich weiter, blieb hier und da kurz stehen, presste mich plötzlich vorsorglich in eine schmale Nische, als ich glaubte, vor mir leise Tritte wahrgenommen zu haben. >Ich muss unbedingt wissen, wie es Ed-chan geht…es sind schon Stunden vergangen und ich weiß immer noch nicht, wie sein Gesundheitszustand ist. Warum sagen sie mir nichts?< Diese Frage hatte mich die ganze Zeit gequält, bis ich es nicht mehr in meinem Zimmer aushielt. Ich wollte mich selber davon überzeugen, dass es meinem kleinen Cousin gut ging und ich mir keine Sorgen mehr machen bräuchte. >Aber wenn es notwendig wird, werde ich sogar…< Sehr erschrocken zuckte ich heftig zusammen. Ich bemerkte zu meiner Bestürzung, dass ich mir die Schritte nicht nur eingebildet hatte, sondern diese waren real. >Sie sind doch nicht meiner kindlichen Phantasie entsprungen…< mit überlaut klopfendem Herz drückte ich mich noch enger in die Nische. Nervös presste ich meine feuchte Hand auf mein wild puckerndes Herz. Es schien fast so, als würde mein Herzschlag im Umkreis von 5 Kilometer zu hören sein. Ich hoffte inständig, dass die alles verschluckende Finsternis auch meinen Körper in seinen Rachen aufnahm, damit niemand meine Anwesenheit bemerkte. Sehr darum bemüht, nicht laut und hektisch zu atmen, hörte ich, wie die samtenen, fast lautlosen Schritte näher kamen.

Auf einmal, als ich schon dachte, die Person würde an meinem Versteck vorbeigehen, verebbte das leise Geräusch klackender Schuhe auf dem glänzenden und gewienerten Boden. Einige Momente der Stille kehrten ein, bis ich es nicht mehr aushielt und mich langsam und vorsichtig ein wenig aus dem Schatten vortastete. Zu meiner puren Überraschung erblickte ich die schemenhafte Silhouette eines hoch gewachsenen Mannes, der in der Dunkelheit scheinbar nach etwas suchte. Mit einem Male wurde seine Gestalt von einem hellen Schein umgeben. Sein Schatten waberte unheimlich auf dem Boden und ließ das Ganze wie eine Szene in einem Gruselschloss wirken. Eine leichte Gänsehaut kribbelte meinen Rücken hinab. Bei genauerer Betrachtung sah ich, dass das Licht seinen Ursprung in der Handfläche des Mannes zu haben schien. Als er sich ein wenig weiter zu mir umdrehte, erkannte ich, dass auf seiner Handinnenfläche eine kleine rote Flamme unruhig züngelte. Durch den leichten Luftzug flackerte sie nervös auf und ab. Sie spiegelte sich geheimnisvoll in seinen schwarzen Augen, die aufmerksam aufblitzten, als sie ihre Umgebung betrachteten.

>Ist das nicht der Colonel? Aber was macht er hier noch? Das kann nichts Gutes bedeuten!< Durch die aufsteigende Hitze der Flamme bewegte sich sein Haar gespenstisch. Das verlieh Colonel Mustang ein fast gruseliges Aussehen. Mit einem unterdrückten Keuchen drückte ich mich schnell wieder in die Nische zurück. >Wenn der Colonel da ist, heißt das, dass First Lieutnant Hawkeye und Major Armstrong auch hier sein müssen…echt klasse…jetzt kann ich mein Vorhaben in Eds Zimmer zu schleichen endgültig knicken.< seufzte ich lautlos und resigniert auf. Enttäuscht wartete ich nun darauf, dass ich leise zurück in mein Zimmer gehen konnte, ohne dass der schwarzhaarige Mann etwas davon mitbekam.

Nach einigen Minuten, in dem ich ihn leise rascheln hörte, schien er das, wonach er gesucht hatte, endlich gefunden zu haben, denn die fast lautlosen klickenden Tritte entfernten sich ein kleines Stück. Aber was der Flame Alchemist genau machte, blieb meinen äußerst empfindlichen Ohren leider verborgen, da ein laut grollender Donner alle anderen Geräusche übertönte. Erst als seine überaus markante Stimme über den leer gefegten Flur erschallte und ich nach wenigen Sekunden des Verblüffens erkannte, dass er keine Selbstgespräche führte, sondern telefonierte. Ich hielt mit angehaltenem Atem inne und lauschte überaus neugierig dem Gespräch.

Lass ihn nicht sterben!

Ja, das Chapter ließ lange auf sich warten, gomen nasai, aber nun viel Spaß!
 

Lass ihn nicht sterben!
 

An einem ganz anderen Ort in Central City klingelte in einer wunderschön eingerichteten Wohnung mit vielen seltenen und erlesenen Lampen, die den Wohnraum angenehm warm beleuchteten, das Telefon. Eine schon etwas ältere, aber sehr freundlich aussehende Dame schreckte von ihrer spannenden Lektüre auf und blickte den laut schellenden Störfaktor mit einem bemitleidenden Seufzer an. >Ich kann mir schon denken, mit wem der Anrufer sprechen möchte…< Zögerlich griff ihre feingliedrige Hand nach dem Hörer.
 

„Ja? Mrs. Brown hier am Apparat. Wen möchten Sie sprechen?“ erklang am anderen Ende der Leitung eine weiche warme Frauenstimme, begleitet von misstönenden metallischen Knackgeräuschen, die in den empfindlichen Ohren des Colonels schmerzten. Das schwere Gewitter, das sich über der Stadt fast heimisch fühlte, verursachte diese Störungen, da konnte man wohl nichts dagegen machen.
 

„Hier ist Colonel Roy Mustang. Entschuldigen Sie die Störung, aber ist Doktor Brown vielleicht zu sprechen? Ich weiß, er ist bereits im Feierabend, aber es ist wirklich sehr dringend“, hörte ich den Flame Alchemisten seine dringende Bitte äußern. Sehr beunruhigt legte ich sanft eine Hand an die Ecke der Wand und lugte vorsichtig hervor. So konnte ich das Gespräch des Colonels besser verfolgen. Mit unruhigem Blick starrte ich auf den Rücken des schwarzhaarigen Mannes, der nun auch wieder seine blaue Jacke angezogen hatte. In seiner linken behandschuhten Hand lag fest umschlungen der dunkle Telefonhörer. >Wieso um alles in der Welt ruft er jetzt noch Doktor Brown an? Hier laufen doch so viele Ärzte herum, warum gerade…< mir stockte erschrocken der Atem. >Könnte es sein, dass mein kleiner Bruder…< Nein, daran durfte ich nicht einmal denken. Hoffnungsvoll klammerte ich mich an den Gedanken, dass er wieder gesund und munter war. >Bestimmt ruft der Colonel den netten Doktor wegen etwas anderem an…< Den faustdicken Kloß, der sich in meinem Hals gebildet hatte, beachtete ich nicht. Gespannt lauschte ich weiter.
 

„Warten Sie bitte einen Augenblick, ich werde ihn holen gehen.“ Roy registrierte wie der Hörer beiseite gelegt wurde und sich die Person am anderen Ende entfernte. Der Schwarzhaarige wartete geduldig.

Aber irgendwie war ihm fast ein wenig unangenehm zumute. So als würde er beobachtet werden. >Das bilde ich mir bestimmt nur ein.< Konzentriert stierte er das Telefon an. >Na ja, so begeistert hat die gute Frau ja nicht geklungen<, grinste er gequält auf. >Jetzt spiele ich also den Buhmann in dieser Geschichte, der ihren Mann aus der warmen Stube zerrt.< Mit einem leisen Seufzen wuschelte er sich mit der rechten Hand durch die schwarzen Haare.
 

„Matthew? Schatz?“ Die warme helle Stimme von Mrs. Brown hallte angenehm durch den großzügig angelegten Salon, in dem allerlei kleine, wie große Schätze der Familie Brown standen. Souvenirs aus fernen Ländern, Auszeichnungen für die hochgeschätzte Arbeit Doktor Browns im Medizinwesen und unter anderem auch ein uralter Flügel, der auf Hochglanz poliert und reich verzierte Ornamente an den Außenseiten trug. Auf der dazugehörigen Bank saß der graumelierte Arzt, der in Zeiten der Ruhe gerne einmal die eine oder andere Melodie auf dem prachtvollen Flügel spielte, wie auch jetzt gerade. Mit geschlossenen Augen saß er entspannt da und lauschte dem beruhigenden Klang der Klaviersaiten, die seine nicht nur in der Medizin geschickten langen Finger auslöste. Sanft berührte er die weißen und schwarzen Tasten des Instruments, das ihm seine freundliche Geste mit einer melancholisch schönen Weise aus dankbarem Herzen erwiderte. Die fast wehmütig angehauchte Melodie ließ die hübsche Frau im Türrahmen auflächeln. Sie hörte ihrem Mann sehr gerne beim Spielen zu. Ein liebevolles Schmunzeln glitt über ihre weichen Lippen.

Matthew Brown war so vertieft in die Musik, dass er seine Frau noch nicht bemerkt hatte. Erst als sich eine warme, ihm vertraut anfühlende Hand auf seine Schulter legte, zuckte er ein wenig zusammen und öffnete seine Lider.

„Lidia, meine Liebe.“ Ein warmes Lächeln erleuchtete das von Falten umrahmte Gesicht, das aber Sekunden später wieder erlosch, als er dem besorgten Blick seiner Frau begegnete. „Ist etwas geschehen?“ „Das weiß ich noch nicht“, erwiderte sie wahrheitsgetreu und zuckte leicht mit den Schultern. „Ein Colonel Mustang ist am Telefon und bat darum, dich zu sprechen. Er wies extra darauf hin, dass es dringend sei.“ Ein traurig klingendes Seufzen durchbrach die kurze Ruhe zwischen den Beiden und ließ die ältere Frau erahnen, dass der Anruf nichts Gutes bedeutete. Mit einem leicht neugierigen Blick betrachtete sie ihren Mann und wartete geduldig auf seine Erklärung. Eine beunruhigend kalte Stille breitete sich in dem sonst angenehm warm wirkenden Haus aus und unwillkürlich fröstelte sie auf. Das bedrohliche Grollen des wütenden Donners erzitterte an den Wänden. Unheimlich wackelten die schönen Gemälde an diesen auf. Lidia ging langsam in die Hocke vor ihrem Mann und legte ihm zärtlich ihre kühl gewordenen Hände auf die warmen Knie.

„Was hast du, Matthew?“ Ihre Stimme klang sehr sorgenvoll. „Wer ist dieser Colonel? Warum ruft er an? Was will er von dir?“ Es dauerte eine geraume Zeit bis der Arzt seinen Mund öffnete. Seine Augen waren bekümmert, eine brennende Sorge lag in den braunen Pupillen und die Wangen waren eingefallener als sonst. Die hübsche Frau erschrak, mit sanftem grausilbernem Blick bedachte sie ihn und mitfühlend streichelte sie ihm über das Gesicht. Er lächelte sie dankbar an und küsste sie liebevoll auf die zarten Finger.

„Erinnerst du dich an den Jungen, von dem ich dir vorhin erzählt habe?“ Sie nickte hastig. „Dieser Colonel ist sein Vorgesetzter, der Kleine ist trotz seines jungen Alters schon ein States Alchemist, musst du wissen.“ Erstaunt lauschte sie den Worten ihres Gegenübers. „Wenn der Colonel mich anruft, kann das nur eins bedeuten. Dem Jungen geht es wieder schlechter.“ Langsam erhob er sich vom Klavierhocker und blickte hinaus in die drohende Finsternis, die immer wieder von heftig züngelnden Blitzen unterbrochen wurde. Eigentlich war es abends und die Dunkelheit würde sich normalerweise erst langsam über dem Horizont ausbreiten. Matthew Brown konnte sich nicht erinnern, schon einmal so ein schweres und lang andauerndes Gewitter erlebt zu haben.

„Dir scheint viel an dem Jungen zu liegen, oder?“ Ein sehr liebevolles Lächeln umspielte die samtweichen Lippen der älteren Frau. Ein wenig steif erhob sie sich. Das Ehepaar hatte keine eigenen Kinder. Lidia war als junge Frau sehr krank gewesen und jeder ihr bekannter Arzt, einschließlich ihres Mannes, hatte ihr von einer Schwangerschaft abgeraten. Zu groß wären die Komplikationen gewesen, es hätte böse für Mutter und Kind enden können. „Ja.“ nickte er sacht, wandte sich zu seiner Frau um und strich ihr mit einer sanften Geste die grauen Strähnen aus dem fast faltenlosen Gesicht. Ihre Augen strahlten eine unglaubliche Wärme aus und liebevoll liebkoste sie die Hand ihres Gatten. „Weißt du, er ist unserem Neffen nicht so unähnlich.“ Verwundert zog Lidia eine zarte Augenbraue nach oben. >Was meint er denn damit?< „Die Beiden verbindet dasselbe Schicksal“, kam es tonlos über die Lippen des alten Mannes. Das gewaltige dämonenhafte Krachen des nächsten Donners zerriss die ruhige Atmosphäre der behaglichen Stube. Erschrocken fuhr ihre weiche Hand auf den Mund. „Du meinst doch nicht etwa, dass…? Hat er auch…?“ Sie konnte ihre Gedanken nicht weiter aussprechen und fühlte wie sich ihre Nackenhaare vor blankem Entsetzen aufstellten. Das zaghafte Neigen von Matthews Kopf reichte ihr als Antwort. „Was…was hat er verloren?“ wollte sie wissen. „Sie…“, verbesserte Doktor Brown seine Frau. „Sie?“ verwundert sah Lidia ihn an.

„Er hat noch einen jüngeren Bruder. Sie beide haben es getan. Edward, so heißt der Ältere, mein Patient, hat zunächst ein Bein geopfert. Um seinen jüngeren Bruder zurückzuholen, dem der ganze Körper genommen wurde, opferte er anschließend einen Arm. Die Seele von Alphonse, das ist sein Bruder, steckt in einer großen metallenen Rüstung. Aber trotz allem hört man keine Klagen der beiden. Sie haben ihr Schicksal akzeptiert, sind aber auf der Suche nach einer Lösung. Beide tragen die Hoffnung im Herzen, ihre normalen Körper irgendwann wieder zurückzuerlangen.“

Der älteren Dame fuhr ein kalter Schauer über den Rücken, als sie all dies von ihrem Mann erfuhr. >Die beiden Jungs tun mir leid…sehr leid…sicher haben sie das für eine sehr geliebte Person getan, die ihnen sehr am Herzen lag.< Wie Kinder nun mal sind, hatten die Beiden die Konsequenzen ihres Handelns nicht bedacht und waren unwissend gewesen und so konnte sie keinerlei Schuld bei den Jungs sehen, die dieses Unglück schwer getroffen hatte. Andererseits war die Strafe schon hart genug für die Beiden ausgefallen. Ihr Neffe hingegen war dabei kein kleines Kind mehr gewesen, eigentlich fast ein erwachsener junger Mann, sich den nachfolgenden Wirkungen vollkommen bewusst. Doch auch er hatte seine Lektion gelernt, wenngleich diese Strafe noch härter und skrupelloser ausgefallen war als die der Brüder. Tief betrübt ließ sie sich sanft in den alten, aber sehr bequemen und mit vielen kleinen Kissen bestückten Ohrensessel gleiten, der neben dem Kamin stand. Ein fröhlich wärmendes Feuer brannte in diesem. Plötzlich fuhr sie wie von der Tarantel gestochen von ihrer bequemen Sitzgelegenheit auf, starrte ihren Mann entgeistert an, der sie fragend mit hochgezogener Augenbraue musterte. „Oh mein Gott, Matthew! Das Telefon! Der arme Colonel wird mit Sicherheit schon vor Ungeduld aufgelegt haben!“ Wie ein aufgescheuchtes Huhn rannte sie so schnell, wie ihre Beine sie trugen, in den Flur. Verfolgt von ihrem Gatten, der sie mit einem liebevollen und amüsierten Lächeln betrachtete. Wie sehr er sie doch liebte…
 

Der Colonel stand wie bestellt und nicht abgeholt vor dem Telefon in dem leeren unbelebten Flur und spielte ungeduldig mit den Fingern einen flotten Marsch. Ein wenig ungehalten seufzte er auf. Auf einmal knackte es laut in der Leitung und eine zutiefst zerknirschte, weibliche Stimme meldete sich: „Ha-Hallo? Sind Sie noch dran? Es tut mir furchtbar leid, es hat etwas länger gedauert, aber mein Mann ist nun hier. Einen kleinen Moment bitte.“ Erleichtert vernahm er, dass der Hörer an den Arzt weitergereicht wurde.

„Doktor Brown hier, guten Abend, Colonel. Bitte entschuldigen Sie, dass ich Sie so lange habe warten lassen. Was gibt es?“
 

Lautlos riss ich den Mund müde auf. Fröstelnd, da ich meine Pantoffeln im Zimmer gelassen hatte, rieb ich mir die Zehen am Nachthemd warm. >Was dauert denn da solange?< Fast hätte ich übermüdet aufgestöhnt, konnte mir aber noch schnell die Hand über die Lippen legen. Eine kleine Bewegung ließ mich abrupt aus meiner Schläfrigkeit erwachen. Die Haltung des Colonels straffte sich Sekunden später und leise aufhorchend zog ich meine Augenbrauen neugierig nach oben. >Endlich ist der Doktor am Apparat…aber bitte lieber Gott, bitte nichts Ernstes…< flehte ich im Stillen.

„Sie können sich wahrscheinlich schon denken, weswegen ich anrufe. Es geht um unseren Full Metal“, kam der Schwarzhaarige gleich auf den Punkt. Meine Pupillen weiteten sich vor Entsetzen und Angst. Mein Herz wummerte so laut durch meinen angespannten Körper, dass ich Panik bekam, der Uniformierte könnte es hören. Schweiß brach auf meiner kalten Haut aus, schnell wischte ich mir die Finger an meinem Morgenrock trocken.
 

„Was ist mit ihm? Ist das Fieber etwa gestiegen?“ wollte der Mediziner wissen. Einen beunruhigten Unterton konnte man aus seiner Stimme entnehmen, da er die Antwort des Colonels schon richtig vermutete. „Ja, leider. Und zwar so hoch, dass wir uns dazu gezwungen sahen, Sie zu benachrichtigen. Glauben Sie mir, ansonsten hätte ich Sie nicht aus ihrem Feierabend geklingelt. Aber schließlich hatten Sie uns ja angeboten, Sie sofort verständigen zu dürfen, sollte sich an seinem Zustand etwas so verschlechtern, dass er lebensbedrohlich wird. Und da Sie der Arzt des Militärs sind, dachte ich, dass ich lieber Sie konsultiere, bevor ich einen Kollegen Ihrerseits hinzuziehe.“
 

Ich spürte wie mir fast die Beine unter dem Körper wegknickten, als die Worte des schwarzhaarigen Mannes in meinen benebelten Sinnen ein Echo ausstrahlten. Leise und wimmernd aufschluchzend rutschte ich die Wand entlang auf den eisigkalten Boden. Ich vergrub weinend mein nasses Gesicht in den kühlen Händen. Die Wunde an der Hand ziepte kurz auf, aber das beachtete ich nicht. Meine Knie zog ich bis zum Kinn an. Ich fühlte mich wie ein kleines Häufchen Elend. Die Tränen des Leids suchten sich unaufhaltsam einen Weg aus meinem Inneren, ein Zittern ging durch meinen Körper. Die große Sorge um meinen kleinen Bruder ließ mich unwillkürlich stark frösteln, dass meine Zähne leicht aufeinander schlugen. >Edo…< langsam wischte ich mir die Nässe von den Wangen, aber ich konnte die immer währende Flut nicht stoppen. >Wieso nur…wieso Ed…< ich krallte meine Hände verzweifelt in meine Haare, biss mir auf die Lippen, um meine schluchzenden Töne und das Klappern meiner Zähne zu unterdrücken. >Warum geht es dir schlechter? Ist dein erschöpfter Körper der Grund dafür? Wieso darf ich dir nicht helfen?< Alles verschwamm vor meinen Augen, ich fühlte mich auf einmal so leer. Die Schuld nagte an mir, wie eine Ratte an einem toten stinkenden Leib. Diese Fragen quälten mich, unbewusst stöhnte ich gepeinigt auf und hielt mir vor Schmerzen den bleischweren Kopf. >Kann es sein, das Jemand von meinen Geheimnis weiß und mich deswegen nicht zu meinen Cousins lässt? Bitte nicht…< ruckte kurz mein Gesicht nach oben, aber Momente später legte ich es wieder erschöpft auf meine Knie.
 

Ein leises Stöhnen, das unendlich gequält klang, hörte er aus einer finsteren Ecke. Misstrauisch schob sich eine Augenbraue nach oben. >Hab ich mir das jetzt auch eingebildet?< Die Stimme des Doktors weckte ihn aus seinen argwöhnischen Gedanken. „Colonel, es war richtig, dass sie mich angerufen haben. Ich werde mich sofort auf den Weg machen. Es dauert nicht lange.“ Das Herz des Schwarzhaarigen wurde angenehm leicht, als er die Worte von Matthew Brown vernahm. „Vielen Dank, Doktor Brown. Wir erwarten Sie. Auf Wiederhören.“ Mit einer sehr flinken Bewegung hängte er den Hörer, der ein fast ohrenbetäubendes Knacken von sich gab, an den Apparat zurück. Geschmeidig wandte sich der groß gewachsene Colonel zum Gehen um, als wieder ein Geräusch an seine empfindlichen Ohren drang. Leises Schniefen und unterdrückte Atemgeräusche ließen ihn seine Stirn bedauernd runzeln. Langsam und sachte näherte er sich der Nische, die das Licht seiner Flamme und die zuckenden Blitze nicht erleuchteten. Traurig starrte er in die Dunkelheit. Er konnte sich vorstellen, wer da im Dunkeln weinte. Ein klein wenig schmerzte es ihn, das Mädchen in ihrer Angst allein zu lassen. >Aber sie kann an dem Zustand ihres Cousins nichts ändern…auch wenn sie es wüsste…<
 

Ich erschrak auf das Heftigste, als Colonel Mustang neben meinem Versteck stehen blieb. Ich bemühte mich sehr, meinen Atem zu unterdrücken oder wenigstens ganz langsam und abgehackt zu atmen, damit mich der schwarzhaarige Mann nicht entdeckte. Aber zu spät bemerkte ich, dass sich ein leises Schniefen aus meiner Kehle drängte. Die Worte des Telefonats, dessen ungewollter Zuhörer ich geworden war, hatten mich bis ins Mark erschüttert. Leise klackende Schritte entfernten sich langsam von der Nische. Mein Leib entspannte sich sofort und ein leises erleichtertes Aufseufzen entwich meinen trockenen Lippen. Aber sofort schnürte sich alles in mir fest zusammen, als die markante Stimme des Colonels über die endlosen leeren Flure hallte. „Ob du es nun weißt oder nicht, ändern kannst du nichts daran.“ Mein Kopf fuhr ruckartig nach oben, meine Augen funkelten trotzig, fast wütend auf. >Wir werden ja noch sehen…<
 

Matthew Brown warf sich sehr geschickt seinen dunklen Mantel über, der sich weich und warm an den Körper des alten Mannes schmiegte. Er schlüpfte in die langen gefütterten Ärmel. Währenddessen rief seine Frau den Fahrer Jack an, der den Doktor bei Notfällen oder auch wenn es einmal nur schnell gehen sollte, abholte. Jack und Matthew waren schon sehr lange die besten Freunde. Der freundlich stille Fahrer war vor Jahren beim Militär gewesen, aber da er den Tod vieler seiner Kollegen und Freunde im Ishbal-Krieg nicht verwunden hatte, war er aus dem Dienst ausgetreten und verdingte sich nun als Chauffeur sein tägliches Brot.

Indessen schlug der Arzt vorsorglich den Kragen des Mantels hoch, als er nach draußen in den gewaltigen Sturm blickte, der die Landschaft verwüstete. Plötzlich klopfte es fast polternd an der Haustüre. >Nanu…< verwundert hob sich eine graue Augenbraue des alten Mediziners. >Jack ist aber schnell da!<

Eilig öffnete er die Türe und blickte mehr als nur verblüfft in ein vor Schmutz starrendes, zu einem schelmischen Grinsen verzogenes junges Gesicht. „Hallo, lieber Onkel. Entschuldige, dass ich hier gerade so reinplatze. Scheint so, als müsstest noch einmal weg“, begann das dreckige Ding zu sprechen und zwinkerte frech mit den honiggoldenen Augen. Einige Sekunden lang glotzte der alte Mann mit weit offenem Mund sein Gegenüber verdattert an. Dann fiel es ihm wie Dachplatten von den braunen Pupillen. „Josh! Junge!“ rief der Mediziner begeistert aus und nahm den dreckigen, ganz durchweichten jungen Mann, der sein einziger Neffe war, liebevoll in die Arme. Der Blauhaarige erwiderte diese innige Umarmung; nach einigen Augenblicken der Wiedersehensfreude drückte der Ältere den Jüngeren sanft von sich, um ihn zu betrachten.

„Du siehst ja furchtbar aus! Ich dachte, du führst ein ganz normales Leben, aber du siehst eher so aus, als kämest du frisch vom Schlachtfeld. Was ist dir denn widerfahren? Ich hoffe nichts Ernstes…“, wollte der Grauhaarige wissen. Freundschaftlich legte er eine Hand auf die schmale Schulter des Jungen.

„Oh weh…“, ein überaus verschmitztes, geradezu charmantes, aber starres Lächeln ließ seine weißen Zähne in seinem braunen Gesicht wie funkelnde Perlen aufglänzen. „Ich glaube, wenn ich das jetzt alles erzähle, halte ich dich gewiss stundenlang auf.“ Ein prüfender Blick auf die Kleidung, besonders auf den Mantel seines Onkels bestätigte seinen aufkommenden Verdacht. „Wie es scheint, braucht man dich im Krankenhaus, habe ich Recht?“ Keck stupste sein Zeigefinger auf das aus der Manteltasche heraushängende Stethoskop, welches bei der kleinsten Bewegung fröhlich hin und her baumelte. „Was…oh.“ Geschmeidig fuhren die geschickten Finger des Doktors über das metallisch blitzende Hilfsgerät und steckten es behutsam in die Tasche des dick gefütterten Mantels. „Du scheinst mich manchmal besser zu kennen, als ich mich selbst, mein Junge.“

Der alte Mann klopfte dem Blauhaarigen vertraut auf die Schulter und grinste ihn freundlich an. Dann strich seine Hand über die Tasche, in der das Gerät gut aufgehoben lag. Schon immer hatte er sein eigenes Stethoskop dabei, er besaß es schon seit Ewigkeiten, war ihm ein treuer Begleiter und Glücksbringer geworden in den langen Jahren in denen er als Arzt tätig war. „Ja, ja, du hast leider Recht, ich muss noch einmal hin.“ Besorgt zog er die schon faltige Stirn kraus und seufzte leise auf. „Erinnerst du dich noch an unser Telefonat vom Vortag?“ Nach dem aufmerksamen Kopfnicken seines Neffen fuhr er mit seinem Bericht fort: „Mit dem Jungen ging es durch ein erstaunliches Ereignis, welches du mir als Alchemist vielleicht am besten erklären kannst, doch tatsächlich bergauf.“

Josh atmete völlig erleichtert aus, als er diese Worte von seinem Onkel hörte. >Winry-chan hätte es zu Tode betrübt, wenn meine Version der Geschichte gestimmt hätte…< Doch er spürte, dass der Ältere noch nicht ganz fertig war mit erzählen. „Heute Mittag allerdings verschlechterte sich sein Zustand erneut. Ein eigenartiges Fieber beutelt nun seinen ohnehin schon geschwächten Körper. Und eben erhielt ich einen Anruf aus dem Krankenhaus, dass es ziemlich schlecht um ihn stünde.“ Voll Sorge seufzte der Grauhaarige nochmals auf und zog sich sehr bekümmert die schwarz glänzenden Handschuhe über. Sein brauner Blick blieb an dem holzgetäfelten Fensterrahmen der schweren Eichentür haften. Von draußen schlugen die Regentropfen wie starke Wurfgeschosse gegen die dicke Türe und die doppelt verglaste Scheibe. Der bösartige Wind drückte wie eine wilde tollwütige Bestie gegen die feste Pforte, so dass die Angeln gequält aufquietschten, als er sich durch die Ritzen drängte. Große Besorgnis legte sich auf sein schon sorgenvolles Gesicht und konzentriert starrte er in die furchteinflößende Dunkelheit hinaus. Verwirrt schob er seinen Mantel am Arm ein wenig nach oben, um nach der Uhrzeit zu sehen. >Sieben Uhr abends…Eine Dämmerung hat heute nicht statt gefunden< stellte er nervös fest. Über seine Stirn glitt wieder ein besorgtes Runzeln, es sah aus wie die Wellen der aufgepeitschten See. Mit den Gedanken vollkommen woanders, bemerkte Doktor Brown nicht, wie der junge Blauhaarige sein Antlitz zur Seite wandte und mit einem Male ein todernster Blick in den leblosen Augen auffunkelte. >Du darfst nicht sterben, Junge!< dachte er ein wenig bekümmert und ballte seine braungebrannten Fäuste so stark zusammen, das die blauen Adern auf der Haut sichtbar hervortraten. >Da gibt es ein Mädchen, was scheinbar sehr an dir hängt, also, lass sie nicht allein, hörst du? Kämpfe!<

Das etwas ungeduldige Hupen eines heranfahrenden Autos ließ die Beiden aus ihren trübseligen Gedanken aufschrecken. „Nun ja...“, Matthew Brown nahm seinen ausgebeulten Ausgehhut von der Ablage, zog ihn tief ins Gesicht und lächelte den jungen Mann väterlich an. „Dann werde ich mal gehen. Sag deiner Tante, dass sie nicht mit dem Abendbrot auf mich warten soll. Und was dich betrifft...“, grinsend zog er seine Nase hoch und hielt sie sich umgehend zu. Schmunzelnd zwinkerte er seinem Neffen frech zu, „nimm ein Bad, während ich weg bin.“ Das völlig teilnahmslose Nicken des Blauhaarigen machte ihn stutzig, als er langsam auf die Eingangspforte zu ging und eine Hand auf den metallenen Griff legte. Sein Fuß stellte sich auf die erste Stufe des Hauses. Der Wind drückte ihn fast zurück in sein Heim.

„Lass ihn nicht sterben, Onkel“, wisperte eine leere, aber dennoch traurige Stimme bittend an das Ohr des alten Mannes. Verblüfft drehte sich der Arzt in die Richtung des Sprechers und begegnete dem leblosen Blick seines blauhaarigen Neffen, dessen honiggold schimmernde Iris bei jedem Blitz, der züngelnd vom Himmel fuhr, unheimlich aufleuchteten. >Goldene Augen…sie ähneln in grotesker Art und Weise denen des Kleinen sehr und doch sind sie völlig verschieden…wie Tag und Nacht.< Während aus den Pupillen des Blonden der Schalk förmlich heraussprang, wie eine elegante Gazelle, wirkten hingegen die Augen seines Neffen so leer, wie der knurrende Magen des alten Mediziners. Leise aufstöhnend strich er über sein knurrendes Organ. Ein großes Erstaunen schmiegte sich auf die aristokratischen Züge von Matthew und er hielt sofort inne. „Wa-was meinst du damit?“, wollte er verdattert von seinem Neffen wissen, doch im selben Augenblick ertönte die Stimme von Jack in seinem Rücken. „He Matthew!“ Die Aufforderung des schwarzhaarigen, graumelierten Fahrers duldete keinen weiteren Aufschub. Hin und her gerissen wanderten die braunen Augen des Doktors zu seinem Freund, danach wieder zu Josh und zurück. Der Junge stand im warmen Flur und lächelte den Älteren geheimnisvoll an. Das Wasser in seinem ehemals burgunderroten Oberteil und den hellbraunen übrigen Kleidungsstücken tropfte gemächlich auf den sauber geputzten Boden und hinterließ einen großen dunkel gefärbten Teich. >Das wird unsere Putzfrau wirklich sehr erfreuen<, belustigt schmunzelte der Grauhaarige fast unwillkürlich auf. Dann nach wenigen Sekunden atmete er enttäuscht aus. „Nun gut. Wir sprechen uns später, mein Junge.“ Leicht mit der Hand winkend ging er vorsichtig die glitschigen, vom Regen nass gewordenen Stufen hinab und eilte auf das Auto zu. Dessen Fahrer hatte den Motor schon angelassen. Schnell schlug der Mediziner die glänzende Autotür zu, denn das Wasser vom Himmel schien ihm hartnäckigerweise ins Innere des Wagens folgen zu wollen. Verschwommen erkannte er die leichten Umrisse seines Neffen an der Eingangstüre des Hauses. Dieser winkte langsam mit der braungebrannten schmalen Hand. Ein seltsames Gefühl beschlich den alten Mann, als er den Blauhaarigen so da stehen sah. Fast hätte er seinen Freund gebeten, nicht loszufahren, aber Momente später erinnerte er sich wieder an den kleinen kranken Jungen, für den er seinen Feierabend opferte.

„Ich möchte nur, dass du das tust, was in deiner Macht steht, Onkel, mehr nicht“, raunte eine leise Stimme durch die Dunkelheit, als der Wagen mit quietschenden Reifen anfuhr.
 

Kommt Doktor Brown noch rechtzeitig? Was wird Lina unternehmen? Wird Ed sterben? Al:Wann werden die Autorinnen aufhören uns zu quälen? TT___TT Autorinnen: Muhahahaha...niemals, Alphonse Elric... Al: UAAAAAH!!

Hehehe, bleibt dran, bis bald,

eure lieben Autorinnen Mariko999 und Lina-san wünschen euch ein schönes Wochenende!

Die schrecklichen Auswirkungen des Orkans

Da ich am Wochenende nicht da sein werde und auch mein Computer nicht vorhanden ist (hehe, Lina-san bekommt einen niegelnagelneuen Puter ^^), werde ich nicht viel um den heißen Brei reden...ready...steady...GOOOO!
 

Die schrecklichen Auswirkungen des Orkans
 

Ein dunkler Schatten erschien neben der Gestalt des schlanken jungen Mannes an der holzgetäfelten Tür und ein zutiefst erschrockenes Aufkeuchen wurde hörbar. Frech über das ganze Gesicht grinsend drehte sich Josh um und blickte schmunzelnd in das hübsche, aber leichenblasse, fast faltenlose Antlitz seiner Tante. Ihre Augen blitzten silbrig wütend auf und mit einer schnellen Bewegung schnappte sie sich den nichtsahnenden Metall besetzten Spazierstock ihres Ehemanns und fuchtelte mit diesem vor der Nase des Blauhaarigen herum.

„Mach dich auf was gefasst, Freundchen! Ich kann damit umgehen!“ Die Stahlspitze des Stocks war nun noch Millimeter von der Nasenspitze des jungen Mannes entfernt. Die Wangen der Frau färbten sich rötlich und ihre Pupillen funkelten angriffslustig wie nie zuvor. Dieser Anblick schien gefährlich, aber der Blauhaarige wusste, seine Tante war viel zu lieb und nett, als dass sie Jemandem nur ein Haar krümmen würde. Joshua konnte sich ein leises Lachen nicht verkneifen.

„Aber, aber, liebes Tantchen. Begrüßt man neuerdings so die lang entschwundenen Verwandten?“ Er schaufelte sich ein wenig den Dreck vom Gesicht und brach fast in ein schallendes Gelächter aus, da ihn seine Tante wie das achte Weltwunder begaffte. Die grauen Augen waren so groß wie Kuchenteller und ihr Mund war sperrangelweit offen. „Jo…Josh!“ kam es sehr verwirrt und stotternd zwischen den weichen Lippen hervor. Langsam ließ sie den überaus kräftigen Knüppel ihres Mannes sinken. Aus dem schlammbesudelten Antlitz des jungen Mannes funkelten ihr zwei honiggoldene Augen entgegen, die mehr Ähnlichkeit mit braun glänzenden Murmeln hatten, wie sie jedes Mal schaudernd bemerkte. Aus diesen Augen leuchtete nicht das kleinste Fünkchen Leben.

Sekunden später wandelte sich ihr nun leicht verdutzter Anblick in ein warmes weiches, fast mütterlich liebevolles Lächeln. Ihre grausilbernen Augen maßen den blauhaarigen Mann mit prüfendem Blick. „Was ist mit dir passiert? Du hast dich doch nicht wieder auf irgendetwas eingelassen, oder?“ Das mütterliche Schmunzeln wich einer gestrengen Miene, sie stemmte keck die Fäuste in die Hüften, ihre Pupillen verzogen sich zu kleinen Schlitzen, aus denen sie ihren Neffen anblitzte. Aber diese Ernsthaftigkeit war nicht nur gespielt. Als er noch vor einigen Jahren hier bei ihnen gewohnt hatte, war sie oft vor lauter Sorge um ihn fast umgekommen und so glaubte sie, dass hinter seinem Aussehen wieder etwas steckte, dass sie und ihren Mann auf keinen Fall erfreuen würde. Schließlich war Joshua der einzige überlebende Nachkomme ihrer verstorbenen jüngeren Schwester und deren ebenfalls dahingeschiedenen Ehemannes. Mit einem großen Schrecken im Herzen dachte sie an die Begebenheit zurück, als man ihr den hübschen blauhaarigen, aber völlig verstört wirkenden Jungen in ihre Obhut gegeben hatte. >Wie lange hat es gedauert, bis wir die Wahrheit über ihn herausgefunden hatten?< Viele Nächte lang hatte sie sich in den Schlaf geweint, war zu Tode betrübt über das grausame Schicksal des jungen Mannes. Sie betete zu Gott, er möge mit ihm Erbarmen zeigen, aber tief in ihrem Inneren wusste sie, dass Niemand den Zustand von Joshua ändern konnte. Mit einem kalten Schauder schüttelte sie die unerfreulichen Erinnerungen aus ihrem Gedächtnis und ging mit liebevoll ausgebreiteten Armen auf ihren Neffen zu, der aussah, als wäre er einem 100jährigen Moor entsprungen und auch so roch. Bevor sie ihn aber warm in die Arme schloss, verschwanden ihre aufkeimenden mütterlichen Gefühle im Nichts, als sie an das gute Kleid dachte, das sich zart und galant an ihre Haut schmiegte. Mit einem sehr verlegenen Räuspern legte sie ihm zärtlich eine Hand auf die schmutzige Wange und streichelte sie freundlich. Wobei sie danach leicht angeekelt auf ihre beschmutzten Finger sah. Ein kleines Grinsen stahl sich auf Joshs Lippen, als er das heimlich beobachtete.

„Ahem, nun, willkommen zu Hause, mein Lieber. Aber jetzt erlaube mir noch einmal meine Frage: Wieso siehst du so aus, als hättest du dich im Schlamm gesuhlt?“ „Oh“, entfuhr es dem jungen Mann schwärmerisch, verzückt zog er die hellblauen Augenbrauen nach oben, als seine Gedanken zu dem blonden hübschen Mädchen schweiften. „Das ist eine lange Geschichte, Tantchen.“ Ein einladendes Grinsen erschien auf ihrem angenehm weichen Gesicht und sie zog Joshua mit spitzen Fingern an seiner Kleidung zum Treppenabsatz. „Und ich habe viel Zeit. Denk daran, dein Onkel ist eben zur Arbeit gerufen worden, so passt es mir ausgezeichnet, dass du mir ein wenig die Zeit vertreibst, indem du mir von deinen neuesten Abenteuern erzählst, Aber zuvor“, sie lachte wie ein aufgewecktes junges Schulmädchen. „Solltest du auf jeden Fall ein Bad nehmen, sonst bringt Matthew mich um, wenn ich dich so auf unseren Sesseln Platz nehmen lasse.“

Ein Lachen entrang sich seinen sanften Lippen, das unnatürlich hohl und schaurig klang, einem bösen Geist gleich. Ein kühler kribbeliger Schauer, wie das Gefühl eines tastenden Beines einer haarigen Spinne, überlief ihre Haut und eine starke Gänsehaut wurde sichtbar. Doch sie ließ sich nichts gegenüber ihrem Neffen anmerken.

Sein Antlitz wurde für Bruchteile einer Sekunde starr wie eine Maske. Behände sprang er die Stufen hinauf, immer zwei auf einmal nehmend. Oben auf dem warmen gemütlichen Flur hielt er inne, kniete sich hin und lugte vorsichtig durch das Geländer hindurch zu seiner Tante. Er beobachtete die grauhaarige Frau fast traurig, da sie sich verstohlen eine kleine Träne aus dem Augenwinkel wischte. Gedankenverloren seufzte sie leise auf.

>Sie hat es noch immer nicht verwunden, die Sache von damals. Und ich bin schuld daran, dass jedes Mal, wenn ich zu Besuch komme, alte Wunden wieder aufbrechen.<
 

Beunruhigt starrte der grauhaarige Mediziner aus dem Fenster hinaus auf die Straßen, die von unzähligen toten Blättern überhäuft waren. Die meisten von ihnen waren von dicken Regentropfen zerschlagen und wirbelten aufgeregt im wütenden tosenden Sturm und flogen mit einem leisen Klatschen gegen die Fensterscheiben, an denen sie sich vergeblich festzukrallen versuchten und langsam abrutschten. Matthew Brown spürte die nervöse Anspannung seines Freundes und Fahrers, der nun stärker auf das Gaspedal drückte und ständig völlig unsicher zum pechschwarzen Horizont sah. Eine beklemmende angespannte Stimmung herrschte zwischen den jahrelangen Freunden, die sich sonst über alles unterhalten konnten, viel scherzten und lachten. Aber heute war es vollkommen anders. Doktor Brown war es ganz und gar nicht zum Lachen zumute. Er wusste nicht, was ihn in seinem Krankenhaus erwartete. Er machte sich nur riesige Sorgen um den kleinen Full Metal, dessen Fieber wohl beängstigend hoch war. Jack blickte ihn aus dem Rückspiegel beunruhigt an. Er hoffte, seinen besten Freund gesund und heil ins Hospital zu bringen. Denn angesichts des tobenden, fast tollwütigen Sturmes, der wie ein Finger Gottes drohend über der Stadt schwebte, war das bis jetzt nicht so sicher.

Grübelnd runzelte der alte Mediziner die Stirn. Was hatte sein Neffe mit seinen Worten gemeint?

Joshua kannte den kleinen Jungen doch gar nicht und doch machte er sich um sein Wohlergehen Sorgen? Und seit wann war das bei ihm möglich? Gedankenverloren schüttelte der alte Mann den Kopf und kratzte sich überlegend am Kinn. >Die letzten Tage waren wirklich höchst eigenartig.< seufzte er erschöpft auf. Nicht dass er in seinen dreißig Dienstjahren niemals etwas Seltsames erlebt hätte, aber die letzten Tage überstiegen alles da gewesene.

>Diese Elric-Brüder, die Seele des Jüngeren in einer Rüstung gebannt, zwei Gliedmaßen des Älteren bestehen ganz aus Metall…<, ganz in seinen Gedanken versunken wandte sich sein mahagonifarbener Blick hinaus in die wütende Natur. >So etwas habe ich noch nie gesehen, geschweige denn gehört. Die unglaubliche Macht der beiden Jungen…< Diese Alchemie, die ihm selbst unheimlich war und dieser nicht unbedingt wohlwollend gegenüberstand, gerade wegen den Geschehnissen mit seinem Neffen. >Aber diese blonde junge Frau…<, mit erstaunt hochgezogenen Augenbrauen beobachtete er einen weißhaarigen, braunhäutigen Mann, der geschmeidig und flink über die Dächer der Stadt sprang. Verwirrt verzog er das Gesicht, nahm seine Brille ab und massierte sich die Schläfen. >Was zu wenig Schlaf alles anrichten kann…aber wo war ich stehen geblieben…? Ach ja, bei der jungen Frau, die sich später als Cousine der Brüder herausgestellt hat. Ihre Kräfte scheinen noch weit über die von Al und Ed hinauszugehen.< Er erinnerte sich noch gut an den furchtbaren Moment, als sich Edwards Seele von seinem erschöpften Körper getrennt hatte.

>Aber diesem Mädchen ist es gelungen, ihm wieder Leben einzuhauchen. So etwas habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht erlebt. Wenn wir als Ärzte diese Macht besäßen, dem Tod ein Schnippchen zu schlagen…< Ein leichtes Grauen schlich sich in das Herz des alten Mannes und ließ es erzittern, als er an die getöteten Menschen dachte, die von diesem geistesgestörten Psychopaten ermordet worden waren. Genau an demselben Abend hatte er den kleinen Jungen und die blonde Frau kennen gelernt, die schwer verletzt ins Krankenhaus eingeliefert wurden. In den Beiden pulsierte warm der Lebenssaft, aber keiner der anderen hatte das Massaker überlebt. Sanft spiegelte sich das Gesicht des Arztes im Glas des Autofensters. Zutiefst traurig starrten ihn seine braunen Pupillen an. Zart und langsam strich eine kleine Träne fast tröstend die eingefallene Wange des Mediziners hinunter. Er sah noch die geschockten Gesichter seiner jungen Kollegen, die viele Stunden danach immer noch die Qual aus ihren Augen funkelte. Lange nach dem sie die gebrochenen Pupillen der tödlich getroffenen Kinder, Frauen und Greise geschlossen hatten, schwankten viele der jungen Ärzte, die nervlich einem Wrack glichen, die Flure des Krankenhauses entlang. Die Leichen waren dem Beerdigungsinstitut übergeben worden.

Ein lautes, kreischendes Geräusch von quietschenden Reifen rissen den Doktor aus seinen unglücklichen Gedanken. Erschrocken starrte er auf die Rückenlehne des vorderen Sitzes, auf die er sich in Bruchteilen von Sekunden rasend schnell zu bewegte. Sein Kopf rammte mit einem dumpfen Knall den Vordersitz, er fühlte es warm und pulsierend aus seiner Nase bluten. Ein betäubendes Brummen breitete sich in seinem Kopf aus. Leise und wie in Watte gepackt hörte er eine sehr besorgte Stimme an seinem Ohr. „Matthew? Ist mir dir alles in Ordnung?“ Sanft packten ihn zwei Hände an den nach vorn gebeugten Schultern und schüttelten sie vorsichtig. Langsam öffnete der grauhaarige Arzt die braunen Augen, Sterne tanzten vor seinem Umfeld und spielten mit ihm ihren wirren Schabernack. Er blinzelte ein paar Mal, bis sich sein Blick geklärt hatte und sah in das leichenblasse und sehr besorgte Gesicht seines besten Freundes. Jack zitterte wie Espenlaub, als er die stark blutende Nase des Doktors erblickte. Schnell fingerte er ein blütenweißes Taschentuch aus seiner Jacke und drückte es dem Mediziner in die Hand. Matthew Brown grinste seinen Kumpel freundschaftlich an, wischte sich sorgfältig den Lebenssaft von der Haut. Das abklingende Grummeln verstärkte sich wieder und stöhnend hielt sich Doktor Brown den schmerzenden Schädel. „Was…was ist denn passiert?“ wisperte er fragend und starrte Jack musternd an. >Vor wenigen Minuten sind wir doch noch durch die leergefegten Straßen gefahren, ohne etwas Böses zu ahnen…und nun?< „Wieso hast du abrupt gebremst?“ Die unruhigen und noch sehr verschreckt wirkenden blau-violetten Augen des Fahrers wandten sich der Straße zu. Auf dieser lag niedergestreckt vom wild tosenden Sturm ein mächtiger Baum, der die Größe eines Leuchtturms besaß. Anklagend streckte er seine langen Wurzeln gen rabenschwarzen Himmel, aufwimmernd knackten die hölzernen Arme des Todgeweihten. Unter ihm begraben lagen einige Straßenlaternen, deren Licht zuckend aufflackerte und tödlich verwundet erlosch. Der Arzt riss vor ungläubigem Entsetzen die braunen Augen weit auf. Wenn Jack den Wagen nicht geistesgegenwärtig gebremst hätte, wären sie nun auch unter dem Stamm begraben. Sein Antlitz war zu einer weißen, angstverzerrten Maske verzogen. Mit eiskaltem Schaudern packte er die Hand seines Freundes und drückte sie fest und dankbar. Er stammelte leise: „Um Gottes willen, Jack, ein Hoch auf deine guten Reflexe. Dir haben wir es zu verdanken, dass wir noch leben.“

Mit leicht roten Wangen rieb sich der Schwarzhaarige verlegen die Nase und grinste seinen langjährigen Freund für seine Anerkennung freudig an. Kurz sah er den Arzt noch besorgt an und rutschte wieder auf den Vordersitz. „Aber was nun, Matt? Diese Straße ist durch den Baum unpassierbar geworden, hier ist kein Durchkommen mehr. Ich kann höchstens wieder ein Stück zurückfahren und den längeren Weg nehmen.“ Überlegend kratzte sich der Braunäugige am Kinn. Sein Blick glitt zu dem leuchtturmgroßen Baum hinüber. Ihnen blieb keine andere Wahl, sie mussten den längeren Weg in Kauf nehmen. Es würde sowieso bis zum nächsten Morgen dauern, bis der mächtige Stamm von der Straße geräumt wurde. >Es ist schon lebensgefährlich genug mit dem kleinen Wagen herumzufahren…< mit grimmig entschlossener Miene nickte der grauhaarige Arzt. „Gut, wir werden den längeren Weg nehmen!“ Denn er wusste ja nicht, wie es dem kleinen Full Metal ging. Ob er noch lebte…oder…>Nein, an das darf ich nicht denken…< Jack nickte nur, warf den Rückwärtsgang ein, so dass die Reifen erbärmlich aufkreischten, wirbelte wie ein Artist um die eigene Autoachse. Riss den Schaltknüppel in den ersten Gang. Mit erstaunten Gesicht und sperrangelweit geöffnetem Mund beobachtete der Mediziner seinen Freund bei seiner Aktion. Panisch krallte er seine Finger in den Sitz und an den Griff der Autotüre.

Sein bester Freund wusste, wenn Matt zu solch einer späten Stunde oder auch bei so einem fürchterlichen Sauwetter in die Klinik musste, ging es um Leben und Tod. >Ich will nicht unbedingt schuld sein, wenn am Ende der Tod siegt…< mit einer beachtlichen Geschwindigkeit, die eine Gazelle im schnellen Lauf erblassen lassen würde, fuhr der Fahrer schnurstracks ihrem Ziel entgegen.
 

Nervös knetete das junge Mädchen mit den langen blonden Haaren ihre Finger. Molligweich in eine warme Decke gehüllt, saß sie auf dem Rücksitz des Autos, dessen Besitzer sie buchstäblich aus dem Sturm gefischt hatte. Maes Hughes verweilte auf dem Fahrersitz, seine langen Finger lagen geschmeidig auf dem Lenkrad. Tief schweigend stierte er immer wieder in den Spiegel, in dem er Winry, die nass und frierend in die Decke gekuschelt war, sehen konnte. Aber sein grüner Blick heftete sich meistens hinaus auf die Straße, bis auf das Äußerste konzentriert lenkte er den Wagen vorsichtig durch den wild tobenden Sturm, der das Gefährt heftig durchschüttelte.

Anfänglich fragte er sich im Stillen, warum die Kleine hier war und sich auch noch bei diesem heftigen Unwetter draußen herumtrieb. Doch der Grund war ihm nach wenigen Sekunden siedendheiß eingefallen. Er hoffte inständig, dass sie nicht jetzt gerade darüber sprechen wollte und deswegen ergriff er als erstes das Wort.

Ihr Gesicht ruckte hoch, als sie vernahm, wie der Lieutnant Colonel tief Luft holte. Zunächst verlor sie jeglichen Mut, den sie in den wenigen Momenten gesammelt hatte, um ihm die Frage zu stellen, die in ihrem Herzen wie ein glühendes Feuer brannte. „Wer war der Mann bei dir, der das Weite gesucht hat, als ich aus dem Wagen gestiegen bin?“ Seine neugierige Iris lag wissbegierig auf ihrer leicht beschmutzten Haut. Sanft presste Winry erleichtert den Atem aus ihren Lungen. >Ich hab schon befürchtet, dass er nach dem Grund meines Kommens fragt, um mir anschließend eine saftige Standpauke zu halten, da ich kopflos abgereist bin und mich dann noch solch einer Gefahr ausgesetzt habe…<

„Nun ja…wenn ich ehrlich sein soll…“, verlegen strich sich das Mädchen einige goldglänzende Strähnen aus der Stirn. „Ja, das solltest du allerdings!“ fuhr der Schwarzhaarige sie wutschnaubend an. Ziemlich geschockt zuckte die Blonde zusammen, als der Mann sie so derbe unterbrach. >Was hat Hughes-san denn so plötzlich?<

„Wer war dieser Typ? Hat er dich bedroht?“ fast zornig, doch sehr besorgt wanden sich Fragen aus dem zusammengepressten Mund des Mannes, derweil starrten seine grünen Augen wieder in den Regen hinaus. Mit leichtem Entsetzen fühlte sie, wie ihr die Feuchtigkeit in die Pupillen stieg; mit hilflosem Ringen versuchte sie, diese wegzublinzeln, aber ohne jeden Erfolg. Schon perlten die ersten Tränen lautlos über ihre samtweichen, aber heißen Wangen. „Ich…nein, hat er nicht. Ich…ich…“, ihre Stimme brach wie feinstes Porzellan, das auf den Boden fiel und dort in tausend Teile zersprang. Leise schluchzend barg sie ihr nasses Gesicht in den schmutzigen Händen. Einige der Dreckspuren verteilten sich auf der weichen Stirn des Mädchens. Bitterlich weinte sie stockend und quälend langsam kam der Atem durch ihre trockenen Lippen. Mit einer großen Bestürzung fuhr der schwarzhaarige Mann zusammen, sein überaus sorgenvoller Blick wandte sich ein wenig zu ihr herum. Es schmerzte ihn unendlich, sie so völlig aufgelöst auf dem Rücksitz zusammengesunken und leise schniefend zu sehen. >Ich hab doch mit meiner Standpauke nicht so etwas beabsichtigt.< Die Schuld an den vergossenen Tränen der jungen Blonden wollte sich tief in seine Seele graben, doch er verhinderte es damit, indem er hart in seinen Gedanken blieb.

>Was sie getan hat, war sehr dumm von ihr. Sich bei solch einem furchtbaren und gefährlichen Sturm alleine draußen rumzutreiben, ist schon ein Grund, echt wütend auf die Kleine zu sein. Ich mag das Mädchen sehr gerne und Elysia vergöttert Winry-chan und betrachtet sie als ihre große Schwester.< Traurig aufseufzend drehte er sich wieder seines Weges zu. Entsetzt weiteten sich seine Pupillen und ein erschrockener Schrei löste sich aus seiner staubtrockenen Kehle.

So unachtsam er in den letzten Sekunden gewesen war, bemerkte er nicht, wie eine der uralten, riesigen Eichen, die schon viele Jahrzehnte die Menschen mit ihrem Blätterspiel erfreut hatte, mit einem ächzenden Todeslaut gegen den mächtigen Orkan verlor. Bedrohlich wankte sie in Richtung Straße hinüber, genau dort, wo das Auto gerade entlangfuhr. Mit einem aufkreischenden, fast menschenähnlichen sterbenden Schluchzen trennte sich der mächtige Stamm mitsamt den Wurzeln aus der schwarzen Mutter Erde, von der er sich schon seit vielen Jahrhunderten ernährt hatte und fiel mit einem lauten Getöse auf die, vom Regen nass glänzende, Straße. Mit zusammengebissenen Zähnen, die leise aufknirschten, riss Maes sofort das Lenkrad herum und drückte das Bremspedal bis zum Anschlag durch, so dass der Wagen mit quietschenden Reifen neben dem riesigen Baum zum Stehen kam. Ein vor Todesangst kreischender Laut, der in seinem Rücken erschallte, ließ seine Ohren aufklingeln und fast taub werden.

Aus den Augenwinkeln beobachtete der Schwarzhaarige wie ein Auto auf der anderen Seite genauso wie er versuchte mit aller Kraft zu bremsen, das gelang dem Fahrer glücklicherweise auch. Kurz aufstöhnend legte der Lieutnant Colonel die Stirn auf das Steuerrad, um seine durcheinander purzelnden Empfindungen zu ordnen. Das Kreischen, das einer Banshee glich, wurde indes nicht leiser. Bestürzt wandte sich der Mann ängstlich und mit zugehaltenen Ohren zu dem Mädchen um. Er versuchte vergeblich mit seiner lauten Stimme das grelle Schreien und das tobende Schrillen des Orkans zu übertönen. „Winry! WINRY! Bitte, hör um Gottes willen auf zu schreien! Es ist alles okay, hörst du?!“ Aber entweder konnte oder wollte die junge Blonde nicht hören, die Todesangst fesselte ihre Sinne und machte sie für alle äußeren Entscheidungen praktisch unempfindlich. Nur ein Gedanke loderte hell wie eine riesige Flamme in ihr, der vermeintliche Tod ihres Freundes, von dem sie glaubte, ihn schon verloren zu haben.

Sie schrie sich immer mehr in Rage, ihr Gesicht lief, zum Entsetzen des schwarzhaarigen Colonels, puterrot an. Ihr schmaler Körper zitterte heftiger als Espenlaub und vor lauter Panik biss die Blonde sich mehrmals in die Zunge, aus der leicht der Lebenssaft quoll. Mit einer wahnsinnigen Schnelligkeit, die sich Maes selbst nicht zugetraut hätte, sprang er aus dem Wagen, riss geschwind die hintere Türe des Autos auf und packte sanft die zusammengefallenen Schultern der Kleinen. Diese bebten unter den Handflächen des Colonels wie ein frisch aufgebrochener Vulkan, der sich tobend durch die Erde grub. „Winry-chan, hör doch, es ist alles gut, alles ist gut…“, beruhigte er sie zart und strich ihr behutsam eine goldene Haarsträhne aus dem schweißnassen Antlitz. Aber es half nichts. Die großen Augen des Mädchens starrten vor schrecklicher Panik auf den uniformierten Mann und ihre Pupillen schrumpften auf die Größe von Stecknadelköpfe. Aus ihrem sonst so lebhaften und verschmitzt lächelnden Gesicht war jegliche sonnige Lebendigkeit geschmolzen, ihre Haut war so blass und pergamentartig wie die eines Leichnams.

Ihr schon nicht mehr menschlich zu nennende Gekreische wurde noch einige Oktaven höher, es übertraf selbst den bösartigen Ton des Orkans. >Es bleibt mir nichts anderes übrig, als…< Schnell ruckte seine Hand ein wenig nach oben und schlug dem Mädchen fest, aber nicht zu stark, auf die schon purpurrot angelaufene Wange. Der schrille Schrei verebbte auf einmal, die plötzliche Stille legte sich wohltuend auf die Sinne des Lieutnant Colonels. Nur ein leises Krächzen schlich sich über die trockenen und aufgeplatzten Lippen der jungen Blonden, zitternd krallten sich ihre Finger in den Stoff der Uniform. Das Stöhnen verlor sich in dem aufheulenden Sturm, der draußen noch immer heftig tobte. Mit entsetzt geweiteten Pupillen stierte sie den Mann an, der sie verständnisvoll anlächelte. >Ihr scheint sehr viel widerfahren zu sein in dieser kurzen Zeit, bevor ich sie so triefend nass in mein Auto gesteckt habe. Eigentlich ist sie ja nicht so leicht aus der Fassung zu bringen…oder liegt es an…?<

Die verzweifelt klingende Stimme des blonden Mädchens brachte ihn in die Wirklichkeit zurück. „Edo…, was ist mit Edo?“, der schluchzende Ton verursachte ihm eine unruhige Gänsehaut. Denn sie stellte genau die Frage, die der Mann des Militärs so fürchtete. >Woher zum Kuckuck weiß sie…< Mit erschrocken hochgezogenen Augenbrauen sah der Colonel Winry für wenige Sekunden stumm an. Sein Körper wandte sich langsam von ihr ab und stieg wieder auf der Fahrerseite des Wagens ein, bei allen seinen Bewegungen wurde er von der Blonden mit tränenschwimmender Iris beobachtet. Lautlos aufseufzend fuhren seine geschmeidigen Finger durch das feucht glänzende Haar, das des Sturmes wegen nass geworden war. Sein Leib lehnte sich schweratmend gegen den alten Fahrersitz, der leise protestierend aufkeuchte. Seine meergrünen Augen wanderten ohne Hast zu dem Innenspiegel, indem er das hübsche, aber nun verschmutzte Mädchen genau sehen konnte. Trotzig glühte die himmelblaue Iris der Blonden auf, sie hatte wohl die Ohrfeige des schwarzhaarigen Mannes schon überwunden. Denn sie sah ihn mit einer Sturheit an, die dem verbohrtesten Maulesel die Zornesröte in das Antlitz getrieben hätte und die ihn bei einer Frau schon immer sehr verwunderte.

„Was…was soll mit ihm sein?“ kam diese Gegenfrage sehr zögerlich hervor, er wusste sofort und instinktiv, dass er sich nun in die stacheligsten Nesseln, die es nur gab, gesetzt hatte.

Ein scharf zischender Laut entwich ihrer rauen Kehle. >Das ist ja echt die Höhe!< leicht wütend zuckte das Augenlid des jungen Mädchen, sie ruckte mit dem Oberkörper flink nach vorne. Ihre langen Finger krallten sich wie Adlerklauen in das Kopfpolster und sie versuchte ihn mit ihren blauen Augen stechend anzublitzen. Aber es gelang ihr nicht, da der Colonel immer wieder gekonnt sein Haupt von ihr wegdrehte. „Spielen Sie nicht den Dummen, Hughes-san. Sie wissen genau, was ich meine!“, entfuhr es dem Mädchen zornig und keck drückte sie ihm den schmalen Finger in die Seite, so dass er erschrocken und leicht grummelnd zusammenzuckte. Er sah sich nun leider mit der Tatsache konfrontiert, der jungen Blonden direkt in die funkelnden Pupillen zu blicken. „Das war nicht wirklich fair“, maulte der Schwarzhaarige Winry mit nach unten geneigten Mundwinkeln patzig an, aber seine grünen Augen starrten an ihr vorbei in die wütenden Fluten, die sich über dem Auto ergossen. „Es ist aber auch nicht wirklich fair, mir etwas Wichtiges zu verschweigen“, konterte das hübsche Mädchen sehr geschickt und sah ihn herausfordernd grinsend an. Aber auch der Lieutnant Colonel war ganz und gar nicht auf den Mund gefallen. Er setzte auf ihre Antwort sofort eine erneute Gegenfrage, die ihn vielleicht noch aus der misslichen Lage befreien konnte.

„Was weißt du? Wieso kommst du auf den Gedanken, dass mit unserem kleinen Full Metal etwas nicht stimmt?“ Ein klein wenig wütend funkelten die wunderschöne ozeanblaue Iris auf, als der Uniformierte nicht gleich anbiss. Winry zog die hübsche Stirn kraus und verschränkte verärgert die Arme vor der Brust. „Wenn ich Ihnen den Grund nenne, sagen Sie mir dann auch die Wahrheit?“ Vor Erstaunen erweiterten sich die Pupillen des schwarzhaarigen Mannes. >Egal, was ich tue, jedes Mal treibt sie mich aufs Neue in die Enge…< Leicht genervt aufseufzend winkte er sie mit der Hand neben ihm, auf dem Beifahrersitz Platz zu nehmen. Mit einem zarten, sehr triumphierenden Lächeln drückte sie die Türe des Wagens auf, trat in den klirrend kalten Regen, in dem sie Sekunden später wieder völlig durchnässt wurde. Mit feuchten und glitschigen Händen versuchte sie, die Beifahrertür des Autos zu öffnen. Sie rutschte nur leider an der Klinke ab, so dass sie laut fluchend mit dem Fuß aufstampfte, als die Türe sich immer noch nicht öffnete. Zornig grummelnd fuhr sie weiter mit ihrer Schimpftirade fort, da sie das leicht amüsierte Grinsen des Schwarzhaarigen bemerkt hatte. „Nun helfen Sie mir doch wenigstens!“ grollte sie und klopfte heftig an die Fensterscheibe. Nach einem kurzen Moment des Zögerns, dass das junge Mädchen noch mehr in Rage brachte und ihr Blut kochend heiß durch ihre Adern rinnen ließ, lehnte er sich träge zur Beifahrertür hinüber. Er betätigte die Sicherung, die leise klickend aufschnappte. Mit einem verärgerten, nahezu beleidigten Laut plumpste die hübsche Blonde in das angenehm weiche Lederpolster und schüttelte genervt ihre weichen Haare wie ein kleiner Hund. Die zarten, kristallklaren Regentropfen verteilten sich überall im Auto, sogar auf der Brille eines gewissen und äußerst verblüfft dreinblickenden Leutnant Colonels. Dieser rupfte sich, nicht gerade freundlich fluchend, das Gestell von der Nase und betastete seine Uniform nach einem Taschentuch. Dass er nach anfänglich vergeblicher Suche, einigen Malen Hinunterfallens der Brille und mit gleich so vielen schmerzhaften Begegnungen mit dem Lenkrad, das er sich donnernd an den Hinterkopf stieß, endlich gefunden hatte. Das Mädchen beobachtete ihn dabei grinsend vor Schadenfreude.

Endlich konnte der wütend brodelnde Mann das Nasenfahrrad von der Nässe säubern.
 

Tja, wie geht es wohl dem kleinen Blonden? Edo: Wer hat mich hier Drei-käse-hoch genannt, häääää???? Lina: Eh, Edo-chan, du bist doch seeeehr krank und liegst fast im Sterben, ne? Edo: Ja, und? Lina: Dann ab ins Bett mit dir!!!!

Also bis zum nächsten Mal

Wir wünschen euch eine schöne Woche und ein wundervolles Wochenende!

Das steigende Fieber

Tja, wohl schon lange nichts mehr hochgeladen...gomen nasai *sich verbeug*

Viel Spaß!
 

Das steigende Fieber
 

Leicht ungehalten brummend setzte er sich die Brille wieder auf die Nase zurück, nachdem er einen letzten prüfenden Blick durch die Gläser geworfen hatte. Winry griff währenddessen zu der molligweichen Decke, die im hinteren Teil des Wagens lag und kuschelte sich schnell in die wärmenden Daunenfluten. „Und?“ Der miesepetrige Blick des schwarzhaarigen Mannes glitt säuerlich zu dem hübschen Mädchen hinüber. „Warum bist du hier?“ Das sanfte, aber freche Grinsen auf den samtweichen Lippen der Kleinen erlosch augenblicklich, als Maes Hughes sie erneut danach fragte. Ihm blieb dies natürlich nicht verborgen, schon gar nicht, als sie schnell den Kopf zur Seite drehte und mit traurigen Augen in den prasselnden Dauerregen starrte, der wie Tränen des Leids die Fenster hinuntertropfte. Große Besorgnis strahlte das angenehme Gesicht des Lieutnant Colonels aus, als er das junge Mädchen beobachtete. >Mir ist vollkommen bewusst, warum sie so Hals über Kopf hierher gereist ist. Es gibt nur einen einzigen Grund, für den sie ihre Großmutter allein zurücklässt: Die Elric-Brüder, ihre beiden Freunde aus Kindertagen, von denen ihr scheinbar der Ältere ganz besonders am Herzen liegt…<

Einige Male hatte der Schwarzhaarige die beiden amüsiert beobachtet, als sich Winry und Ed unwillkürlich zu Nahe gekommen waren. Sanfte Röte war ihnen in die Wangen gestiegen und sehr schüchtern hatten sie sich von einander abgewendet. >Diese Röte sagt mehr als tausend Worte< schmunzelte der Colonel warm. >Aber hat sie erfahren, was in den letzten Stunden geschehen ist?< Die Sorge kehrte wieder in die sanften Augen des Mannes zurück. Ihm selbst war nur die Nachricht von Roy zuteil geworden, dass Ed sich auf dem Weg der Besserung befände. Aus diesem Grunde war sein Freund mit der hübschen First Lieutnant ins Krankenhaus gefahren, um den blonden Jungen zu besuchen. >Deswegen hat Roy mich nochmals darum gebeten, wie am Abend zuvor, ihn zu vertreten.< Was der Grünäugige auch ohne Weiteres getan hatte.

„Al hat gestern Abend zu Hause angerufen“, unterbrach die schniefende Stimme des jungen Mädchens seine Gedankengänge. Der Ton war zittrig, keine Spur von der vorherigen Selbstsicherheit war mehr vorhanden. Verwundert zog Lieutnant Colonel Hughes die Stirn kraus, als er von dem Anruf des jüngeren Bruders erfuhr. Abwartend ließ er sie weiter berichten. „Er fragte mich nach der Blutgruppe von Edo; ich war total müde, hatte schon geschlafen, aus dem Grund habe ich nicht sofort reagiert. Als mir auffiel, dass da etwas nicht stimmte, hatte er schon wieder den Hörer eingehängt.“ Langsam wandte sie ihm das Gesicht zu. Bestürzt weiteten sich seine Pupillen, als er die kleinen glitzernden Tränchen in ihren Augenwinkeln auffunkeln sah und die sich unaufhörlich einen Weg nach unten bahnten.

„Was ist da geschehen, Hughes-san? Ich verstehe das nicht.“ Schluchzend wischte sie sich schnell mit dem schon sehr klammen Jackenärmel die Feuchtigkeit von den rot geweinten Wangen. Aber der stetige Fluss ließ sich nicht aufhalten, immer wieder tropften neue Tränen das Gesicht der hübschen Kleinen hinunter. Schnell huschten die geschmeidigen Finger des jungen Mannes in die Uniformjacke und zogen ein sauberes Taschentuch hervor, die er der jungen Blonden sanft in die Hand drückte. „Arigato!“ schniefte sie und tupfte sich die Nässe vom Antlitz. Mit tränenerstickter Stimme fuhr sie nach wenigen Sekunden fort: „Und im Zug treffe ich auf einen jungen Mann, der mir am Bahnsteig erzählt, dass sein Onkel hier im Krankenhaus arbeitet und einen Jungen mit Metallprothesen als Patienten hat, der gestern Abend im Sterben lag. Was soll ich davon halten? Was soll ich jetzt glauben?“ Ein lauter Schluchzer erklang aus der Brust von Winry, unterbrochen von leisem Hicksen, dass vom vielen Weinen kam. Sein Herz zog sich schmerzhaft bei diesem Anblick zusammen und ein dicker, festsitzender Kloß bildete sich in seinem Hals, den er nur mit viel Mühe hinunterschlucken konnte. Es kostete ihn sehr viel Mühe, die Kleine nicht sanft an sich zu drücken und ihr beruhigend über den Rücken zu streichen, wie er es immer mit seiner kleinen süßen Tochter tat, wenn sie traurig war.

Die seltsame Nachricht, die er von Winry erfuhr, erschütterte ihn zutiefst, aber er konnte sich nicht vorstellen, dass das dem kleinen Full Metal widerfahren war. Denn schließlich hatte Roy sich doch mit eigenen Augen davon überzeugt, dass sich der Junge auf dem Weg der Besserung befand. Allerdings war sein bester Freund noch nicht aus dem Hospital zurückgekehrt, was Maes mit wachsender Unruhe und Besorgnis erfüllte. Sanft legte er eine warme Hand auf die schmale Schulter des Mädchens. >Lieber würde ich sie jetzt nach Hause fahren, ihr ein paar trockene Sachen geben und an den wärmenden Kamin setzen. Aber leider ist die Hauptstraße durch den Baumriesen versperrt und der andere Weg führt komplett um Central City herum.< Genau auf dieser Strecke gab es noch Dutzende dieser riesigen Bäume, die das kleine Auto mühelos zerquetschen konnten. >Das Risiko, von einem dieser Giganten bis zur Unkenntlichkeit zermalmt zu werden, vermeide ich lieber.<

Tief in seinen Gedanken versunken, dachte er an den kleinen blonden Jungen, der seit seiner Aufnahme bei den States Alchemist Full Metal genannt wurde. Hughes machte sich große Sorgen um Edward. Er hatte ihn von der ersten Begegnung an ins Herz geschlossen. Doch er wurde das dumme Gefühl nicht los, dass Edward-kun die Bilder seiner süßen Elysia-chan nicht sonderlich interessierten. Aber eine hatten die Fotos seiner Tochter regelrecht entzückt. >Eds weiblicher Zwilling< grinste der Schwarzhaarige. >Wie es wohl den Dreien geht…<

„Hughes-san, bitte, Sie wissen doch irgendetwas. Ich habe Ihnen jetzt alles gesagt, was ich weiß.“ Kurz erschrak der Lieutnant Colonel, als er durch die schluchzende Stimme Winrys aus seinen Erinnerungen gerissen wurde. Riesige ozeanblaue Augen sahen ihn mit großem Flehen an, eine ihrer zarten Hände war hinauf an seine Schulter gewandert und drückte sie fest. „Bitte, was ist geschehen? Haben Al und Ed sich wieder in etwas Gefährliches eingemischt? Wenn ja, dann versohle ich beiden den Hintern!“ Ein gequältes schiefes Lächeln verzog das hübsche und weiche Gesicht des jungen Mädchens. Die Tränen der Sorge und der Bekümmernis suchten sich einen Weg zu ihren blauen Augen, schlichen sich heimlich immer weiter zu ihnen hinauf. Aber Winry widerstand dem Gefühl, ihnen freien Lauf zu lassen. Stattdessen kämpfte sie tapfer gegen die nasse Flut an, die ihren Körper heimsuchte. Sorgenfalten gruben sich tief in die Haut des Schwarzhaarigen, seine grüne Iris verdunkelte sich voller Kummer, als er das Mädchen vor sich betrachtete. >So viel Seelenschmerz für ein Kind…< Würde seine Tochter auch einmal so viele Tränen weinen müssen? Er betete und hoffte, dass es nie soweit kommen musste.

Er wollte verhindern, dass Winry zu viel über den blonden Jungen nachdachte, aber wie es schien, ließ sie ihm keine andere Wahl. Leise seufzte er auf und kratzte sich bekümmert über die Haare, so dass die kurzen Strähnen einige Sekunden in alle Richtungen abstanden. >Sie wird zerbrechen, wenn sie es nicht weiß…und das will ich nicht!< Er begann zögerlich über die Ereignisse zu erzählen, die sich vor wenigen Stunden ereignet hatten. „Vorgestern haben wir einen Tipp bekommen, dass in einer Lagerhalle eine junge Frau, ein große Rüstung und ein blonder Junge gefangen gehalten wurden.“ Die Pupillen des blonden Mädchens erweiterten sich vor Entsetzen. Sie öffnete schon den Mund, um etwas zu erwidern, aber schnell legte Maes einen Finger auf ihre Lippen und schüttelte sanft sein Haupt. Geistig erschöpft und fröstelnd lehnte sich Winry wieder in den Sitz zurück und lauschte dem Bericht des Lieutnant Colonels.

„Natürlich waren das Ed und Al, wer die junge Frau war, weiß ich jedoch noch nicht. Als wir die Halle stürmten, griffen uns sofort die Entführer an - es waren die Homunculi, welche die Jungs entführt hatten, wie schon einmal.“ Mit großer Angst dachte Winry an den Tag zurück, als die beiden Jungs das erste Mal von den Homunculi gefangen genommen worden waren. >Ich erinnere mich genau, was diese Wesen von Edo verlangt haben und wie sie ihn mit dem Leben von Al erpressten.< Mit einem zögerlichen Blick hatte ihr der blonde Junge diese Dinge erzählt, als ihr aufgefallen war, das mit den beiden Brüdern etwas nicht stimmte. Ed war der Annahme gewesen, dass es daran lag, dass er der großen Chance, den Körper seines kleinen Bruders zurückzuholen, nicht nachgekommen war. Der einzige Haken und der Grund dafür, dass er das Gewollte nicht erfüllt hatte, waren die vielen Menschen, die dadurch ihr Leben verloren hätten. >Ist es dieses Mal genau so abgelaufen? Haben diese Homunculi erneut versucht, Ed mit dem Leben und der Seele von Al zu erpressen? Die Beiden haben nach dem Vorfall sehr verstört auf mich gewirkt. Ist ja kein Wunder, bei dem nervlichen Druck, unter dem sie standen. Aber wer zum Kuckuck ist diese junge Frau in ihrer Begleitung gewesen…<

Nachdenklich wanderten die Pupillen des schwarzhaarigen Uniformierten zu dem tödlich getroffenen Giganten, der sein Leben gegen den wutbrausenden Sturm verloren hatte. Wie gierig bleckende Zungen rissen die kalten Böen die Zweige und Äste des toten Baumes hinfort, als wären es nur feine Streichhölzer. Leicht wie Federn wirbelten sie davon, hinein in die undurchdringliche Finsternis der Nacht.

>Fast so, als ob ein menschliches Leben genommen wird<, schoss es ihm wie ein Blitz durch den Kopf. >Wenn einer fehlt, zerfällt unter den übrig gebliebenen Freunden irgendwann das Band, welches alle zusammenhält.<

Aus den Augenwinkeln heraus beobachtete er das junge blonde Mädchen, ihre Augen schimmerten tränenfeucht. >Wie oft hat sie wohl schon die letzten Stunden geweint?< Alles in seinem Innern sträubte sich, ihr noch weitere Dinge der letzten zwei Tage zu offenbaren. Maes hatte durch seinen Beruf schon viel Leid gesehen. Am meisten betroffen machte es ihn, wenn Kinder oder Jugendliche unter den Opfern waren. Jedes Mal brach ein kleines Stück seiner Seele und starb mit ihnen. Seit der Geburt seiner kleinen Elysia-chan war es sogar noch schlimmer geworden. Es gab keinen einzigen Tag, seit seine Kleine das Licht der Welt erblickt hatte, an dem er nicht daran dachte, seinen Militärdienst zu quittieren und mit etwas weniger Gefährlichem seinen Lebensunterhalt zu verdienen.

Seine Stimme klang brüchig wie feines zerbrochenes Glas, als seine aufgewühlten Gedanken zu den letzten Stunden und Tagen zurückwanderte. Leise fuhr er mit seinem Bericht fort. „Wir..., das heißt Mustang, Hawkeye, Armstrong und ich, fanden Edward bewusstlos in den Armen dieser jungen Frau liegen, die zusammen mit den Jungs entführt wurde. Beide waren verletzt, aber scheinbar nicht in Lebensgefahr.“ Kurz wandte er sich Winry zu. Unwillkürlich verzogen sich seine Lippen zu einem frechen Grinsen, als er die Mimik der Kleinen sah, aber wegen der ernsten Lage verkniff er sich dies. Die hauchzarte Pfirsichfarbe auf ihren Wangen verwandelte sich in ein aggressives Rot, die samtigen Lippen pressten sich zu einem harten Strich zusammen und wütend starrte sie zu Boden. Doch von einem Moment auf den anderen verwandelte sich die kochende, brodelnde Eifersucht gegenüber der jungen Frau in eine sorgenvolle Bekümmertheit um den gleichaltrigen Jungen. >Zu gerne hätte ich ihn beschützt…zu gerne wäre ich bei ihm gewesen. Ich möchte aber nur zu gerne wissen, wer diese Frau ist…< Hätte Winry gewusst, das Ed es hasste, wenn sie sich um ihn Sorgen machte, sie würde ihn mit einem Blick aus riesigen und verblüfft dreinschauenden Augen bedenken.

„Danke, jetzt geht es mir ein wenig besser. Nun, da ich weiß, dass Edo zwar verletzt ist, sich aber in Sicherheit und wohl auch in guten Händen befindet, ist mir gleich wieder viel leichter ums Herz.“ Ein herzerwärmendes Lächeln umspielte den Mund des Mädchens, als sie den Mann neben sich dankbar anstrahlte. Eine zarte Wolke schlechten Gewissens türmte sich im Herzen des schwarzhaarigen Uniformierten auf, da er der Blonden nicht die volle Wahrheit erzählt hatte. Deswegen wich er ihrem wieder glücklich und fast sorgenfreiem Gesicht gekonnt aus. Aber dies blieb nicht unbemerkt. Sofort kroch ein finsterer Schatten über ihr fröhlich glänzendes Antlitz und die Freude verschwand wie die rote Abendsonne am blassblauen Horizont. „Ist...irgendetwas, Hughes-san? Sie sehen so...traurig aus.“ Mitfühlend legte sich eine zarte Mädchenhand auf seine. Ein wenig erschrocken zuckte er zusammen und begegnete langsam ihren besorgten blauen Augen. Sofort fühlte sich Lieutnant Colonel Hughes noch schlechter, als er es ohne hin schon tat. „N-nein“, wich er gekonnt aus. Erschöpft nahm er die Brille von der Nase und massierte seine puckernden Schläfen. „Ich bin nur etwas müde und überarbeitet. Es war eine anstrengende Woche, weißt du?“ Sanft lächelnd setzte er sein Nasenfahrrad wieder auf. „O-okay“, erwiderte sie prompt und neigte sich ermüdet in die Lehne zurück, aber sie spürte tief in ihrem Innern, dass der Mann ihr etwas verschwieg.

Laut brummte der Motor auf, als der Wagen gestartet wurde. Der an- und abschwellende brausende Ton des Windes zerstörte das Geräusch des Autos, das sich mühsam durch den Regen kämpfte. Vorsichtig lenkte Maes Hughes das Vehikel zurück und wendete auf der total menschenleeren Straße. Die Häuser ringsum glichen einer Geisterstadt, in der sich nur noch der Tod heimisch fühlte.

„Ich fahre zurück zum Hauptquartier“, erklärte der junge Lieutnant Colonel zu dem blonden Mädchen gewandt. „Dort habe ich zwar nichts zum Umziehen für dich“, sein bedauernder Blick glitt kurz über die durchweichte und sehr beschmutzte Kleidung Winrys, „aber du kannst sie auf jeden Fall über der Heizung trocknen. Etwas Essbares werde ich wohl auch noch für dich auftreiben; du hast doch mit Sicherheit ziemlichen Hunger, oder?“ Zu seinem Helfer dieser Worte zählte der knurrende Magen der hübschen Blonden, der sich prompt meldete. Leise und erleichtert atmete Maes auf, denn er hatte insgeheim gehofft, dass er sie vom Thema ablenken konnte. >Danke Magen< schmunzelte der Schwarzhaarige.

Leicht beschämt hielt sich das junge Mädchen den knurrenden Magen und nickte mit rötlichen Wangen. „Ja, etwas zu Essen könnte ich jetzt wirklich vertragen. Ich habe heute Morgen das Letzte zu mir genommen, das macht sich nun ziemlich stark bemerkbar.“, seufzte sie hungrig. „Na, dann sind wir uns ja einig“, bemerkte der groß gewachsene Mann leicht grinsend, während er versuchte, das Auto sicher und heil durch das Regentreiben zu manövrieren. Immer wieder schleuderte der bösartig heulende Wind wie wild Äste und Zweige auf den Asphalt der Straße, die laut krachend unter oder gegen den Wagen donnerten, das einem fast Angst und Bange wurde. Aber all das ignorierte der Grünäugige und konzentrierte sich mit allen Sinnen auf seinen Weg. Er drückte sogar noch ein wenig stärker auf das Gaspedal, um schneller am Ziel, dem Hauptquartier der State Alchemist, anzukommen. „Fahren Sie mich morgen zum Krankenhaus, damit ich Edo besuchen kann?“ Ein brennender Stich von tausend feinen Nadeln durchbohrte sein Herz, als er diese Bitte von der hübschen Kleinen hörte. „Natürlich mache ich das, Winry-chan“, nickte der Uniformierte und lächelte sie freundlich, aber mit starren Lippen, an. Das sie glücklicherweise nicht bemerkte, da ihr Gesicht der Dunkelheit, die draußen herrschte, zugewandt war. >Wenn der Kleine dann noch lebt ...<, im Stillen schickte Lieutnant Colonel Hughes ein Stoßgebet zum Himmel und starrte angespannt in die Finsternis. Absichtlich hatte der schwarzhaarige Mann Winry verschwiegen, was sich an jenem Nachmittag wirklich zugetragen hatte. Als er und seine Kollegen die Halle stürmten und er das fast noch kindlich erscheinende, doch zu seinem großen Schrecken, totenblasse Gesicht des Jungen sah, waren ihm eisigkalte Schauer über den Rücken gelaufen. Das Leben schien aus dem schmalen Körper gewichen zu sein, schlaff wie eine übergroße Puppe lag er in den liebevollen Armen der jungen Frau, die ihn vor dem nahenden Tod bewahrt hatte. Edwards jüngerer stählerner Bruder war fast umgekommen vor Sorge um den Älteren. Maes hörte noch immer die weinerliche und tief bekümmerte Stimme des Jungen, die verängstigt nach dem Blonden rief.

Der Uniformierte hoffte inständig, dass Roy und Riza bald wieder zurückkamen, denn langsam breitete sich die Sorge um den Jungen wie ein schleichendes Gift im Körper und in den Sinnen des Lieutnant Colonels aus. >Du musst bei uns bleiben, Kleiner<, fuhr es durch seine aufgewühlten Gedanken, während die Blitze das Innere des Wagens geisterhaft beleuchteten und verzerrte Schatten ihren geheimnisvollen Tanz aufführten. >Winry und dein Bruder haben schon zuviel in ihrem Leben verloren, wenn du auch noch gehst, verlieren sie das, was sie am meisten lieben.<
 

Mit sehr nachdenklicher Miene, einem trägen und bedauernden Kopfschütteln drückte Roy Mustang geräuschlos die Klinke der Zimmertüre auf. Aus dem warmen Raum von Edward hörte man leise die sanfte Stimme des First Lieutnants, die tröstend mit Alphonse redete. Die hübsche Blonde drehte ihr Gesicht zu ihrem Vorgesetzten, als er gerade hereinkam. Langsam stand sie auf und schritt auf ihn zu, aus ihrer Mimik sprach der große Kummer, den sie um den Kleinen hatte. Das schöne, weiche Gesicht der attraktiven Frau war so weiß, wie das Laken des blonden Jungen. Ihre sonst so angrifflustig funkelnden Augen schienen ihren frechen Glanz verloren zu haben und schimmerten nur noch trüb in dem warmen Licht der kleinen flackernden Kerze. „Wird Doktor Brown kommen?“ fragte sie wispernd ihren Vorgesetzten, als sie vor ihm stand. „Ja, er wird so schnell wie eben möglich hier sein, hat er mir versichert“, antwortete der Colonel in der gleichen Lautstärke wie die junge Frau, seine Iris war dem stählernen Jungen zugewandt, der neben seinem Bruder am Bett saß und kummervoll dessen schweißnasse Hand streichelte.

„Wie geht es ihm?“ besorgt strichen die Pupillen über den bibbernden und leise keuchenden Körper des kleinen Alchemisten. Schweiß rann die Stirn des Blonden hinunter, die Augenlider zuckten immer wieder zusammen, der Leib verkrampfte sich und sein Atem kam rasselnd über seine blutleeren Lippen.

Ein leises und kummervolles Aufseufzen ließ seinen Blick zu Riza herumfahren. Die hübsche Stirn war in Falten gelegt und mit vor sich verschränkten Armen schüttelte sie bedauernd den Kopf. „Nicht gut. Sein Körper ist viel zu schwach, um dem Fieber, welches in ihm wütet, standzuhalten. Wenn nicht schleunigst etwas geschieht, dann...“, traurig wandte sie ihre rotbraunen Augen ab, als sie das kummervolle Aufschluchzen der stählernen Rüstung vernahm. Schnell drehte sie sich um und ging rasch zu dem metallenen Kind, das den Lappen auf der Stirn seines Bruders frisch gewechselt hatte. Der kühlen Feuchtigkeit des Tuches wegen, glitt ein leises Seufzen aus dem ausgedörrten Mund des Full Metals.

Mitfühlend liebkoste der First Lieutnant den Rücken des stählernen Kolosses und strich gleichzeitig sanft über die Wange des kleinen Blonden. Sie erschrak zutiefst, als sie feststellte, dass die Haut, trotz der Hitze, die in seinem kleinen Körper tobte wie ein tollwütiger Hund, er sich kalt und klamm anfühlte, wie eine vergessene Kleidung, die in der Nacht draußen gelegen hatte. Ein keuchendes, rasches Rasseln, das einer Klapperschlange glich, entrang sich seiner Kehle, während sich sein Brustkorb unregelmäßig hob und senkte. Seine Lungen flehten den lebensnotwendigen Sauerstoff herbei, jeden kostbaren Zug des lebensspendenden Stoffes. Eiskalter Schweiß klebte auf dem Körper des Jungen, der langsam in das schon feucht geschwitzte Kissen rann. Die rotbraunen Augen der hübschen jungen Frau verengten sich vor Sorge. Nervös zog sie den Ärmel ihrer Uniform etwas nach oben, um auf die kleine Armbanduhr, die ihr ihre Mutter zu ihrem 25. Geburtstag geschenkt hatte, zu blicken. Zehn Minuten waren schon seit dem Weggang und der Wiederkehr ihres taisa vergangen. Zehn endlose Minuten und mit jeder weiter verstrichenen Sekunde sah es immer bedrohlicher für den klein gewachsenen Jungen aus. Keuchend hustete Edward und sein Leib zuckte verspannt qualvoll zusammen.

Voller Pein und Angst dachte Riza Hawkeye zurück an ihren liebevollen Vater, der an solch einem Fieber verstorben war. >Herzbeutelentzündung haben die Ärzte hinterher den Grund für den schnellen Tod von o-too-san genannt. Sein Herz hat einfach so aufgehört zu schlagen, als das Fieber tagelang in seinem ausgezehrten Körper wütete…o-too-san…< Zu gering waren die Risiken der Krankheit eingeschätzt worden, schließlich litt der sonst so kräftig und munter wirkende Mann, nur an ‚erhöhter Temperatur’, die bald abklingen würde. Ein kummervolles, wisperndes Seufzen stahl sich fast lautlos über die samtweichen Lippen der Blonden, als ihre Gedanken zu ihrem Vater abschweiften. Wie liebevoll er doch immer gewesen war, dankbar war sie für jede Sekunde, die sie mit ihm verbringen hatte können. Sanft und immer ein klein wenig neckend war er gewesen, für jeden Spaß konnte man ihn begeistern, fröhlich und freundlich zu Jedermann. Ein liebevoller Vater und Ehemann. Für Riza lebte er in ihren Gedanken weiter, aber er hatte eigentlich nicht sterben müssen, wenn die damaligen Ärzte ein wenig schneller gehandelt hätten. Seitdem misstraute sie allen Medizinern. Nein, einem vertraute sie völlig. Dem alten liebenswerten Doktor Brown, dieser Mann schien sein Fach mehr als nur gut zu verstehen. Er hatte ein wenig Ähnlichkeit mit ihrem o-too-san, den sie jeden Tag vermisste. Seine Nähe und die Geborgenheit, die er ihr immer gegeben hatte, den Mut weiterzumachen. Traurig starrte sie zu dem kleinen Jungen hinunter, dessen Tuch auf der Stirn staubtrocken wie der feurigheiße Wüstenwind war. Schnell und behutsam griff sie danach, tauchte es in das eisigkalte Wasser, wrang es vorsichtig aus und legte es behutsam auf Eds Haut. Es hatte fast den Anschein, als würde es leise aufzischen, der Junge bemerkte von der angenehmen Kühle aber nichts. Er hustete nur leise. Sanft, fast mütterlich streichelte sie seine kochende Wange und strich ihm zart die nass geschwitzten Strähnen aus dem Antlitz.

Plötzlich wurde der kleine Alchemist vollkommen unruhig, verstört wand sich dessen kleiner zierlicher Körper im Bett hin und her. Der feuchte Lappen fiel auf die verschwitzte Matratze, der einen großen nassen Fleck hinterließ, wie eine große dicke Träne, die von einem kummervollen Wesen geweint worden war. „Ganz ruhig Edo…“, flüsterte die junge Uniformierte leise und nahm die schmale Hand des Kleinen liebevoll in ihre. Unverständliche Worte zischten kaum hörbar über den staubtrockenen Mund des Full Metal Alchemist. Angstvoll, wie es der attraktiven Frau vorkam, krallte er sich erschöpft in ihre Finger, ein grausames Zittern durchfuhr seinen geschwächten Leib.

„NII-SAN!!“ von machtvoller Panik erfüllt, starrte der metallene Junge auf den Älteren, dessen Haut so eine glühende Hitze ausstrahlte, wie der Asphalt in den höchsten Sommergraden. Zur Hilflosigkeit verdammt, wanderten die roten Augen des stählernen Riesen zu den zwei Erwachsenen hinüber.

Der Rücken des Colonels lehnte an der weißgekalkten Wand, die Arme hatte er vor dem muskulösen und schlanken Oberkörper verschränkt. Sehnsüchtig lugte er zu der attraktiven Blonden, die mit ihren zärtlichen Gesten jedes Männerherz dahinschmelzen ließ. Sekunden später gewahrte er den Blick des Kolosses, der ihn Beistand bittend ansah, auch das mit dem blonden Jungen etwas ganz und gar nicht stimmte. Wie ein Chamäleon streifte er die verträumte Miene aus seinem Gesicht und machte einem ernsten und besorgten Gesichtsausdruck Platz. Wie das Meer in stürmischer Nacht kräuselte sich die Stirn des schwarzhaarigen Mannes besorgt und seine Iris begegnete den angstvoll verzogenen Pupillen Rizas, die immer noch die Hand des Kindes festhielt. Seine Seele wurde von den Gefühlen der hübschen Frau sehr bewegt, kleine kummervolle Schauer rieselten seine Haut hinauf und wieder hinunter. Ein nie gekanntes Gefühl schnürte seine Sinne zusammen, ließen ihn fast taumeln. Er verspürte einen übermächtigen Drang, die junge Frau an sich zudrücken und ihre Sorgen von ihrem Herzen zu nehmen. Diese Wärme, die er tief in sich fühlte, brachte ihn vollkommen durcheinander. Trotz alledem hastete er sofort an ihre Seite und erschrak zutiefst, als er den bedrohlichen Zustand Edwards bemerkte. Dessen Atem ging so flach und stockend, als läge eine Zentnerlast auf seiner schmalen Brust, die ihn fast in eine tödliche Bewusstlosigkeit hinüberwandern ließ. Rasselnde Laute entstiegen seiner gequälten Brust. Die Lungen zersprangen fast, als sie den Sauerstoff, so tief wie sie nur konnten, einsaugten. Gepeinigte Töne, wie das jammernde Heulen eines einsamen Wolfes, kamen wispernd über die Lippen des fiebernden Jungen. Er versuchte krampfhaft Worte zu formen, doch seine trockene Zunge war durch das Fieber so stark angeschwollen, dass niemand verstehen konnte, was er ihnen sagen wollte. Nur ein Einziger im Raum wusste, was der todkranke Junge äußerte und deutete dessen erschöpfte Aufregung richtig. Alphonses Augen weiteten sich verängstigt, erschrocken wich er einige Schritte in die Dunkelheit des Zimmers zurück, die metallene Hand fuhr bebend zu dem ungläubig geöffneten Mund hinauf. Seine Pupillen starrten die aufgerissenen Lippen des Älteren fassungslos an. Die lautlosen Worte formten immer wieder dasselbe: Winry!

Eine Katastrophe folgt der nächsten

Vielen Dank für die Kommis, ich möchte noch jemand neues begrüßen, herzlich willkommen AlchemistEdward *freu freu* *hüstel* ich hoffe mal, das ich alle Wörter mit 'klein' bei Edo ausgemerzt habe...

viel Spaß!!
 

Eine Katastrophe folgt der nächsten
 

Das Wasser einer Pfütze schoss fontänenartig in die Höhe, als der dunkle Wagen des Doktors vor dem Krankenhaus mit kreischenden Bremsen anhielt. Das schmiedeeiserne Tor des Hospitals wirkte unheimlich und grausig, als die Blitze im Himmel die Szenerie mit ihrem hellen Licht beleuchteten. Teuflisch sprangen die Schatten der Pforte umher, kichernd als wären sie aus der Hölle hervorgekrochen. Es schien fast so, als wäre dies nicht mehr der Ort, an dem Menschen das Leben gerettet wurde, sondern die tiefste Hölle.

Flink und schnell sprang der alte Mann aus dem Wagen, hinaus auf den Kiesweg, der zum Krankenhauseingang führte. Solch eine Schnelligkeit hätte ihm wohl keiner mehr zugetraut. Jack, Fahrer und bester Freund von Matthew Brown, kurbelte das Fenster herunter. Er blickte dem alten, freundlichen Mann leicht lächelnd hinterher. „Er hat mir nicht einmal gesagt, ob ich warten oder wieder fahren soll“, murmelte er leise in seinen Gedanken versunken. „Scheint wirklich ziemlich dringend zu sein, wenn er dies sogar vergisst.“ Mit einem leicht erschöpft wirkenden Seufzer startete er das Auto erneut und lenkte es gemächlich in Richtung der Krankentransportwagen. Er parkte gleich neben einer der Garagen und stieg schließlich aus. Kurz reckte er sich, so dass seine kalt gewordenen Knochen beschwerend aufknackten. >Ich werde auch nicht jünger…<, grinste er belustigt vor sich hin und massierte sich die Schulter. Sein Blick wandte sich der Cafeteria zu, aus deren Fenster die warme Atmosphäre zu ihm drang. >Gehe ich halt solange dort hinein, er wird schon wissen, wo er mich findet, wenn nicht hier.< Seine prüfenden Augen sahen zum Himmel empor. Die düsteren, giftigschwarzen Wolken hingen so tief, als würden sie in den nächsten Momenten die ganze Stadt mit Haut und Haar verschlingen, mit allem was darin verborgen war. >Bei so einem Wetter schickt man ja nicht einmal seinen Hund vor die Tür<, dachte er frierend. Fröstelnd legte sich eine kühle Gänsehaut auf seinen Körper, unwillkürlich schüttelte er sich die Kälte aus dem Herzen und schritt eiligst auf den Hintereingang des Hospitals zu, um sich ein warmes und gemütliches Plätzchen zu sichern.
 

Fast ein wenig entrüstet knirschten die kleinen Kiesel auf, als die schweren Schritte des Doktors über sie hinwegfegten. Flink und mit einer Hand seinen Hut festhaltend, der immer wieder die Frechheit besaß und desertieren wollte, eilte Matthew Brown dem Eingang entgegen. Es regnete unaufhörlich weiter, die eisigkalten Tropfen benetzten die schon klamme Kleidung des alten Mannes. Die Wangen des Grauhaarigen waren von der Eile rot gefärbt, die kalte Nässe ließ sie noch ein wenig röter werden. Der bissig heulende Wind riss wie ein verhungertes Tier an dem Mantel des Doktors, so dass es aussah, als wäre der alte Mann eine zu groß geratene Fledermaus, die ihre starken Flügel zum Flug ausbreitete. Unruhig schweiften die Pupillen des Braunäugigen links und rechts an seinem Wege umher. Die mächtigen, uralten Eichen die säuberlich aufgereiht neben dem Kies standen, wiegten sich wie kleine verspielte Grashalme in dem mächtig tosenden Orkan, die Böen pfiffen die unheimliche Musik dazu. Bedrohlich neigten sich die Baumkronen bis fast an den Erdboden, der bedrohliche Punkt, an denen sie mit einem lauten ächzenden Knirschen brechen konnten, war bald erreicht. Das immer geräuschvollere Stöhnen der Naturgiganten lösten in eine verständliche Nervosität in dem, vom Alter gebeugten, Körper des Arztes aus. >Eine Bekanntschaft mit diesen Giganten hat mir gereicht, es muss nicht unbedingt eine weitere folgen!< Das jaulende Aufheulen einer Krankenwagensirene ließ ihn ruckartig zusammenzucken; zwei Einsatzwagen verließen mit hoher Geschwindigkeit und mit aufgeregt blinkenden Blaulichtern die Auffahrt der Hospitalgaragen. Einen winzigen Moment starrte er ihnen geistesabwesend hinterher. Scheinbar würde es für die Ärzte, die die heutige Nachtschicht übernommen hatten, kein ruhiger Einsatz werden.

>Jack…dich hab ich total vergessen...ich wollte dir doch noch sagen, dass du auf mich warten kannst.< fiel ihm plötzlich siedendheiß sein Freund ein. Abrupt fuhr er herum und drehte seinen Kopf zu dem Fahrzeug hinüber, das aber nicht mehr am besagten Platz stand.

Ein lautes, haarsträubendes Quietschen und gequältes Knacken über ihm, ließ ihn seinen besten Freund und dessen Verbleib sofort vergessen. So schnell, wie noch nie in seinem Leben, nahm er seine Beine in die Hand und rannte zügig auf die Stufen des großen Vordereingangs zu. Mit einer aufkeimenden Panik, die sich in seinem Herzen bis zur Unkenntlichkeit ausdehnte, nahm er die Erschütterung unter seinen Schuhsohlen wahr, dass bis zu seiner verängstigten Seele hinaufvibrierte. Der riesige Ast, der gerade noch unerschütterlich am Stamm verweilt hatte, prallte mit ungeheuerlichem, ohrenbetäubendem Getöse auf den aufgeweichten Boden auf. Alle Nackenhaare stellten sich bei Matthew Brown in die Höhe, als er die feinen Zweige des abgestorbenen Astes auf seinem Rücken spürte und die wirbelnden Blätter, die um seinen Körper strichen. Mit einem nahezu olympiareifen Sprung hechtete er auf die erste Staffel der Treppe zu und flitzte, ohne sich nochmals umzublicken, hinauf zum Eingang. Keuchend und nach Atem ringend hielt er sich am Türgriff fest und riskierte einen sehr vorsichtigen Blick über die Schulter, als sich sein Leib soweit beruhigt hatte. Er erstarrte in seinen Bewegungen und seine Augen weiteten sich vor purer Furcht. Denn nicht nur ein toter Ast, der sein Leben gegen den Sturm verlor, säumte den, gerade noch freien, Weg. Nein, gleich mehrere lagen verstreut auf den Boden, die grauen Kiesel lagen wild durcheinander im aufgewühlten Schlamm, der noch vor wenigen Stunden ein sehr gepflegter Rasen gewesen war. Schnell würgte er den dicken Kloß hinunter, der sich in seiner rauen Kehle festsetzte und drückte mit letzter Kraft die Schwingtür auf, in den warmen Flur, der ihn freundlich willkommen hieß.
 

„Und Sie sind sich sicher, dass ich über Nacht hier bleiben kann?“, hörte der schwarzhaarige, hoch gewachsene Lieutnant Colonel hinter sich die zweifelnde, leise Stimme des jungen Mädchens, die unbeholfen aus dem Wagen kletterte und seinen Rücken unruhig anstarrte. Der Uniformierte stieg langsam die Treppe zum Hauptquartier der States Alchemist nach oben. Auf einer Stufe stehen bleibend, drehte er sich gewandt um und lächelte Winry so unbeschwert an, wie er nur konnte. Allerdings verfehlte dies komplett seine Wirkung, angesichts des tobsüchtigen Sturms und der Situation, in der sie sich augenblicklich befanden. Dem Mädchen liefen fröstelnde Schauer nach dem anderen über den nasskalten Rücken, als sie Maes Hughes betrachtete. Die weißen, makellosen Zähne blitzten in der herrschenden Finsternis fast gruselig auf, sein dunkelblauer Umhang wehte in den eiskalten Böen, wie der Mantel eines Vampirs, der sie in sein unheimliches Schloss entführen wollte, um dort ihr süßes Blut zu seinem Eigen zu machen.

>Ach, Winry, jetzt werde mal nicht albern, deine Fantasie spielt dir schon wieder Streiche<, seufzte sie kurz müde auf, als sie zunächst auf der ersten Stufe nervös stehen blieb und nach oben sah. In ihrem sanften, blauen Blick lag ein fragender Ausdruck. „Da mach dir mal keine Sorgen, kleine Winry-chan!“, lachte der Uniformierte fröhlich auf. Fast zu fröhlich erschien dem Mädchen das Lachen des hoch gewachsenen Lieutnant Colonels. Ihr Misstrauen, doch nicht alles von der Wahrheit über das Schicksal der beiden Brüder erfahren zu haben, wuchs beständig in dem Herzen des jungen Mädchens, seit sie den umgestürzten Giganten hinter sich gelassen hatten. Mit einer sehr unglücklich verzogenen Miene folgte sie Maes Hughes hinauf in das imposante Gebäude der States Alchemists. Ihre vorangegangen Besuche kamen ihr wieder sehr deutlich in den Sinn. Leise, wie auf Katzenpfoten schlichen sich die schrecklichen Bilder in ihr Gedächtnis und krallten sich darin fest, denn nicht immer war sie aus erfreulichen Gründen hierher gekommen. Mehrmals hatten ihre Besuche in mittelschweren Katastrophen geendet oder sie mehr als nur traurig gestimmt, wenn sie sich doch eher auf das Wiedersehen mit den Brüdern freute. Sie erinnerte sich noch gut an das erste Mal, als sie unangekündigt in Central City erschienen war. >Damals hat mich ein psychopatischer Fleischermeister gekidnappt, der, wie man später herausfand, für die vielen übel zugerichteten Frauenleichen verantwortlich gewesen war, die man in den versteckten und einsamen Gassen der Stadt gefunden hat. Edo war mir gefolgt und hat mich angekettet in einer Lagerhalle gefunden, inmitten von aufgehängten Schweinehälften.< Beide waren noch sehr glimpflich davongekommen, da im letzten Moment das Militär eingetroffen war und den geistesgestörten Mann in Gewahrsam genommen hatte. Aber Ed war nicht ganz so heil aus dieser Geschichte herausgekommen wie Winry, seine schon sehr verwundete Seele wurde durch dieses Erlebnis noch verletzbarer. Dieser Verrückte hatte ihm große Schmerzen zugefügt, körperliche wie auch seelische. Der nun zum Glück in Sicherheitsverwahrung verweilende Geistesgestörte hatte den Blonden niedergeschlagen und seine Automail am Arm abgenommen. Nachdem der irre Fleischermeister Ed einige Zeit auf grausame Weise gequält und gedemütigt hatte, war er auf das junge Mädchen mit einem großen Messer zugegangen, um sie vor seinen Augen qualvoll hinzurichten. Ein eisigkalter Schauer lief über die weiche Haut von Winry, als sie schaudernd an diese Bilder zurückdachte.

>Und das andere Mal…<, tiefe Betrübnis legte sich wie ein finsterer Schleier auf die Sinne des jungen Mädchens und bekümmert schüttelte sie den Kopf. Die kleinen Tröpfchen in ihren Haaren glitzerten wie fein geschliffene Diamanten, als sie in alle Richtungen auseinanderstoben. Die kummervollen Augen wandten sich gen Himmel, in denen die Blitze wie grausam gierige Zungen über das Firmament leckten.

>An das andere Mal möchte ich mich gar nicht erinnern. Es ähnelt zu sehr den Geschehnissen, die mir Hughes-san offenbart hat. Hier und da hat er Dinge ausgelassen, um mich, wie es scheint, nicht zu sehr zu beunruhigen.< Mit einem tiefen Seufzer und hängenden Schultern betrat sie hinter dem freundlichen Schwarzhaarigen das Innere des architektonisch bemerkenswerten Gebäudes, dessen hohes Dach von gigantischen Säulen gestützt wurde. Mit einem leicht freudigen Lächeln begrüßte sie die wohltuende Wärme, die sie liebevoll umarmte. Die dunklen Schatten, die eben noch ihr Gesicht beherrscht hatten, verschwanden wie die Finsternis, wenn die rote Morgensonne am Firmament ihre Reise begann. Auf ihre samtweichen Wangen huschte eine zarte Röte, die immer leuchtender wurde. Besorgt betrachtete der junge Mann das hübsche Mädchen. >Na, hoffentlich hat sie sich da draußen in der Feuchtigkeit und Kälte nicht den Tod geholt<, quittierte er im Stillen seine Beobachtungen. Als Antwort zu seinen Gedanken nieste Winry herzhaft in die vorgehaltene Hand und schniefte erbärmlich. „Ich hab’s mir doch gleich gedacht“, rief ihr schwarzhaariger Begleiter aus, schlug die Hände über dem Kopf zusammen und schüttelte diesen bekümmert. „Jetzt aber husch, husch in mein Büro. Ich sehe mal nach, ob ich ein paar Handtücher oder Decken auftreiben kann, dann kannst du deine Kleidung zum Trocknen aufhängen, denn scheinbar bist du ja irgendwie ohne Koffer gereist, oder?“ Mit großen, meeresgrünen Augen lugte er fast spitzbübisch, wie ein kleiner Junge, über seine Brillengläser, die wegen der Wärme beschlagen waren. „Der Koffer…der…Koffer…“, murmelte das hübsche Mädchen gedankenverloren, grübelnd kaute sie auf ihrer zarten Unterlippe. Einen Moment begegneten sich die Blicke der Beiden, sie sah ihn genauso wissbegierig an, wie auch er sie anstarrte. Dann weiteten sich die ozeanblauen Augen entsetzt und mit einem entnervten Stöhnen schlug sie sich die Hand auf die Stirn. „Der Koffer!“ schrie sie leicht panisch auf. „Oh nein, den habe ich am Bahnhof stehen lassen!“ Sie wandte sich wie ein Wirbelwind um die eigene Achse und wollte den Weg, den sie gerade erst gekommen waren, schnurstracks zurückgehen. Als ein leichter Ruck an ihrem Kragen sie davon abhielt. Hughes Hand hatte nach ihrer Kleidung gegriffen und sie somit aufgehalten. Sanft legte er seine großen Hände auf ihre schmalen, zierlichen Schultern und schmunzelte sie beruhigend an. „Dein Koffer ist heute Abend, denke ich, wohl eher zweitrangig, oder nicht?“ „Aber…!“, begehrte sie mit heiserer Stimme auf. „da ist unter anderem auch noch mein Werkzeug drin. Was, wenn Edos Automail mal wieder reparierbedürftig ist?“ Verständnislos schüttelte der Grünäugige sein schwarzes Haar, fast genervt seufzend strich er es wieder einigermaßen glatt, da es nach allen Seiten abstand. >Ich habe vollkommen vergessen, was Winry-chan für eine kleine Werkzeugfanatikerin ist.< Generell kannte er diese vollkommen hysterische Reaktion eher von Frauen, die um ihre schöne Kleidung besorgt waren und nicht um ihren Schraubenzieher oder ähnliches. „Sagtest du nicht, ein junger Mann sei bei dir gewesen? Was, wenn er den Koffer an sich genommen hat und nun versucht, dich zu finden? Du hast mir doch berichtet, er sei sehr besorgt um dich gewesen, nicht wahr?“ ein jungenhaftes, keckes Grinsen zierte den Mund des Mannes, das Winry ein wenig Hoffnung schenkte. „Josh…“, wisperte sie leise. „Natürlich, ich habe ihn allein mit dem Koffer zurückgelassen.“ Ruhelos schwirrten ihre blau leuchtenden Augen wie kleine Glühwürmchen umher. „Oh je!“ peinlich berührt kratzte sie sich am Hinterkopf, ihre Miene drückte Zerknirschtheit aus. „Was muss er nur von mir gedacht haben, als ich einfach so Hals über Kopf davongelaufen bin?“ Neben ihr gluckste es auf einmal fröhlich auf, das sich immer mehr zu einem lauten herzhaften Lachen steigerte, als sie ihm mit rotem Gesicht die Geschichte erzählte. Mit großer Wahrscheinlichkeit hatte das sehr hübsche Mädchen mit den glänzenden ozeanblauen Augen dem ihm unbekannten jungen Mann ungewollt gehörig den Kopf verdreht. Die prustende Reaktion des Lieutnant Colonels pumpte noch mehr Blut in die Wangen Winrys, so dass ihre weiche Haut mehr einer vollreifen Tomate, denn einem zarten Pfirsich glich. Beschämt wandte sie das Gesicht ab. Ihre Gedanken schweiften zu dem charmanten, überaus netten Blauhaarigen, der sie so liebevoll und aufopferungsvoll beschützt hatte. Aufgeregt puckerte ihr Herz, als sie seinen muskulösen Körper vor sich sah. >Ob es ihm wohl gut geht, nach all den Attacken der Äste und Zweige, die er einstecken musste?< Sie erinnerte sich noch sehr gut an den Moment, wie sie ihm in die golddurchwirkte Iris geblickt hatte, als er sich als menschliches Schild vor sie stellte und sie vor den Wurfgeschossen der Bäume beschützte. >Angst habe ich erwartet, oder tiefe Entschlossenheit in seinen Augen, aber…da ist nichts gewesen, absolutes Nichts.< Keinerlei Empfindungen blitzten aus den schwarzen Pupillen des Blauhaarigen hervor, nur das alles regierende und ewig verdrängende Nichts entdeckte sie dort, dass seine sonst, bestimmt herzlichen und warmen Augen wie tot erscheinen ließ. Innig gefühlsbetonte, honiggoldene Iris, wie von…

Ein liebevolles, freches Lachen hallte an ihrem Ohr, das ihre Seele erwärmte, wie das gemütlich knisternde Feuer in einem großen Kamin. Goldblonde Haare, die zu einem Zopf zusammengeflochten waren, erschienen vor ihrem Geist. Die blonden Strähnen wehten in der kleeduftenden Brise ihrer schönen Heimat keck in das Gesicht eines hübschen Jungen, der, auch wenn er kleiner als Josh war, doch keineswegs unansehnlich, wenn nicht so gar recht anziehend auf Winry wirkte. Frech grinsend stand er auf einem kleinen Hügel, ihr die Seite zugekehrt. Die Hände im Nacken verschränkt und mit einem munteren Augenblitzen verfolgten die glänzenden Pupillen das Wasser des Flusses, der sich durch die saftiggrünen Wiesen, wie eine silberne Schlange auf Entdeckungsreise, hindurchwand. Mit einem Male wandte er sich zu ihr um, ein leichtes, nahezu sanftes Lächeln umspielte die Lippen von Edward. Eine hübsche Röte schlich sich in die Wangen des Blonden, als Winry zurücklächelte. Seine schönen, natürlichen Augen funkelten wie lupenreine Edelsteine in der warmen Mittagssonne. Mit einem kleinen Jauchzer rannte er den grünbewachsenen Hügel hinab. Diese Augen, golddurchwirkt wie die des jungen Mannes, dem sie begegnet war und doch, wie anders, erschienen sie ihr. Edos Iris war erfüllt von einer großen Lebendigkeit. Trauer und Wut, Hoffnung, Freude und Sorglosigkeit sprühte aus diesen Augen, die sie so sehr liebte. In denen sie hoffnungslos, aber mit großer Zuneigung versank. Diesem Jungen gehörten ihr Herz, ihre aufrichtige Liebe und ihr unerschütterliches Vertrauen.

„Edo…“, wisperte sie leise und bekümmert, ihr Herz presste sich vor Besorgnis zusammen. Lieutnant Colonel Hughes wischte sich währenddessen die kleinen Lachtränen von den Wangen, als er sich das verdatterte Gesicht des jungen Mannes vorstellte. „Entschuldige, Winry. Es tut mir Leid“, bemerkte er sanft, als er sah, wie das Mädchen neben ihm leicht abwesend wirkte. >Ich kann mir schon vorstellen, an wen sie gerade denkt.<

Auf Winrys Schultern legten sich zart, lange männliche Finger, die sie sanft in Richtung Bürotür schoben, dass sie aber kaum wahrnahm. Auf einen kleinen Wink von Hughes-san wollte sie gerade die Türe öffnen. „Yo, Maes!“ erklang hinter ihnen eine fröhliche, doch gemütlich wirkende Stimme, die sie zwang, sich herumzudrehen. Das leicht vernebelt wirkende Gesicht, konnte man nur undeutlich hinter den Dunstwolken der Zigarette erkennen. Eine Hand hielt sich Winry vor den hustenden Mund, die andere wedelte den dicken, grauen Qualm davon, der ihre Sicht behinderte. Nach wenigen Sekunden erkannte sie einen blonden, groß gewachsenen Mann vor sich, der sich als grinsender Jean Havoc entpuppte und wie konnte es anders sein, eine lustig vor sich hinqualmende Zigarette zwischen den weichen Lippen stecken hatte. „Havoc-san!“, stellte das hübsche Mädchen nicht gerade erstaunt fest, wusste sie doch, das er der einzige Kettenraucher der Abteilung war. Einige kleine Dunstwolken quollen aus dem leicht geöffneten Mund des Second Lieutnant hervor und schwirrten wie verirrte graue Schäfchen in der warmen Luft umher.

„Maes, alter Junge, wen hast du denn da mitgebracht?“ neugierig schoben sich die blonden Augenbrauen des Mannes in die Höhe und er zeigte interessiert auf Winry, deren Pupillen sich verdattert erweiterten. >Kennt Havoc-san mich etwa nicht mehr? Oder sehe ich in der klitschnassen, nicht gerade ausgehfreudigen Kleidung wirklich so ganz anders aus als sonst?<

Verblüfft stierten die grünen Augen des Schwarzhaarigen den Blonden an. Dann schüttelte Hughes leicht grinsend den Kopf. „Wieso fragst du mich so etwas?“ beantwortete der Lieutnant Colonel schmunzelnd die Frage des Kollegen mit einer Gegenfrage. „Das ist doch Winry, Alphonses und Edwards Freundin.“ Die Reaktion des jungen blonden Mannes, mit der ewig brennenden Zigarette, fiel auf die kurze und knappe Antwort von Maes Hughes sehr viel anders aus, als erwartet. Von einer Sekunde auf die nächste wurde die Haut des Second Lieutnants leichenblass, seine Augen wurden riesig wie Scheinwerfer, sein Mund öffnete und schloss sich wieder, wie bei einem goldglänzenden Fisch, der gierig nach Luft schnappte, dass ihm ein lustiges, fast dümmliches Aussehen verlieh. Aber aus einem nicht erkennenswerten Grund, blieb der nun etwas traurig wirkende Glimmstengel an den Lippen des blonden Mannes kleben, als wäre er schon an seinem zweiten Zuhause festgewachsen.

„Du…du…du…“, waren die einzigen Worte, die aus dem Munde des Second Lieutnant hervorkrochen, zu mehr war sein verwirrter Geist nicht fähig bei dem Anblick und des unerwarteten Auftauchens des jungen Mädchens. Mit einer hochgezogenen Augenbraue starrte Winry den Blonden an, leicht wedelte sie, mit einer noch leicht feuchten Hand, ihm vor den Pupillen umher, aber der Mann schien es gar nicht wahrzunehmen. >Hab ich ihm was getan oder warum verhält sich Havoc-san so seltsam bei meinem Erscheinen?<

Sich das fröhliche Lachen verkneifend, glitzerten die meeresgrünen Augen des Schwarzhaarigen keck auf. „Ja, ja, Jean, alter Junge, ich wünsch Dir auch einen schönen Abend“, erwiderte der Lieutnant Colonel frech grinsend auf die wirre Bemerkung seines Kollegen und Freundes. Er schob sanft den zitternden Zeigefinger, der immer noch auf das junge Mädchen zeigte, von Jean Havoc ein wenig auf die Seite. Leicht prustend öffnete er mit der anderen Hand die Tür zu seinem Büro, die leise klickend aufschwang. Aus dem Raum kam ihnen die mollige Wärme freudig entgegen und liebkoste ihre Körper, so dass sich Winrys Körper unwillkürlich entspannte. Einen letzten schnellen Blick auf den noch immer überaus verstörten jungen Kettenraucher werfend, wurde Winry von dem schwarzhaarigen Uniformierten väterlich ins Zimmer geschoben.

Das leise, fast unhörbare Klacken der sich schließenden Türe vor seinen himmelblauen Augen, trennte ihn nun von dem blonden hübschen Mädchen und seinem bebrillten, schwarzhaarigen Vorgesetzten. >Weiß die Kleine was geschehen ist? Wieso ist sie hier?< Viele Fragen setzten sich wie ein großer Turm zusammen, der aber sekundenschnell wieder niederbrannte, da er wohl auf diese, sich selbst gestellten Fragen, keine überzeugende Antworten bekommen würde. Resigniert seufzte er tief aus und kratzte sich mit der linken Hand die Haare, die entsetzt über dieses forsche Eindringen, nach allen Seiten abstanden. >Ist Maes überhaupt auf dem Laufenden, was den Stand der Dinge angeht?< Das Telefonat, das er soeben noch mit Colonel Roy Mustang geführt hatte, schwirrte wie eine kleine dicke Hummel in seinen leicht verwirrten Gedanken umher. Generell vermied es der Second Lieutnant seinem Vorgesetzten und gutem Freund nachzutelefonieren, aber dies war ein schwerwiegender Fall gewesen, da der Fuhrer ausdrücklich nach Roy verlangt hatte. So sah sich Jean gezwungen, im Krankenhaus nachzufragen, wann sich der Colonel wieder im Hauptquartier einfinden würde. Was er dann allerdings am Telefon erfahren hatte, war alles andere als erfreulich gewesen. Nichtsahnend, wie er von dem schwarzhaarigen Colonel erfuhr, waren er und der First Lieutnant ins Hospital gefahren, um Edward, den kleinen Full Metal Alchemisten einen kurzen Besuch abzustatten. Jedoch hatten sie den Jungen nicht gesund und wieder genesen vorgefunden, sondern der Zustand des Blonden hatte sich soweit verschlechtert, dass die Beiden sich ernste Sorgen um ihn machten. Nun warteten Roy Mustang und die hübsche Uniformierte auf das Eintreffen des Chefarztes, denn eher, so sagte Roy ihm ausdrücklich, würde er das Krankenhaus nicht verlassen. Also hatte sich Havoc eine vortreffliche Ausrede für den Fuhrer einfallen lassen, der vor wenigen Momenten, ohne anzuklopfen und leicht ungehalten in das Büro gestiefelt war. Vortrefflich ausgeklügelt, wie er selbst fand, berichtete er King Bradley, das man im Krankenhaus ein Untersuchungskomitee einberief, um das unerklärte Abschlachten der erst vorgestern entführten Opfer nachzukommen und Colonel Mustang vertrat in dieser Sitzung das Militär. Seltsamerweise hatte der Fuhrer diese kleine List des Second Lieutnant ohne Fragerei geschluckt. Leicht lächelnd wünschte der gutmütige Chef des Militärs ihm einen schönen Abend und ging wieder seine Wege.

Als er jetzt so darüber nachdachte, merkte der leicht verwirrte blonde Second Lieutnant gar nicht, dass er immer noch wie eine Statue aus hellem Stein gemeißelt mit ausgestrecktem Zeigefinger vor der Türe Maes Hughes stand. Das samtene Licht an der Decke warf just im gleichen Moment zwei unterschiedlich große Schatten, der eine etwas größer und recht umfangreich, der andere schmal und kleiner, die sich rasch dem jungen Mann mit dem offenen Mund näherten.

„Hey Jean!“ erklang eine dunkle Stimme hinter ihm, die ihm eine große Hand auf die Schulter legte. „Hat dich hier jemand festgeklebt und vergessen, oder wieso siehst du so zum Schießen aus?“ Belustigung erklang im Unterton mit, als sich ein roter Schopf in das Blickfeld des groß Gewachsenen schob und ihn zwei funkelnde, kleine Augen lachend aus einem grobschlächtigen Gesicht anblitzten. Wie aus einem Traum erwacht, ruckte das Antlitz des Kettenrauchers ein wenig zu dem Sprecher hinunter. Nun kam ihm erst wieder in den Sinn, was oder genauer gesagt wer da gerade soeben hinter der Tür des Lieutnant Colonels verschwunden war.

„Da...da...da...“, klappte der scheunentorgroße Mund des Größeren auf und zu, nichts weiter kam gegenüber dem einen Kopf kleineren Mann daraus hervor. Hinter dem Rothaarigen schob sich schüchtern ein etwas zierlicher junger Mann nach vorne, lugte vorsichtig und mit einer Hand die große Brille wieder auf die Nase schiebend, zu dem vor Schreck scheinbar eingefrorenen Second Lieutnant hinüber.

Eine schwarze Augenbraue des Sergeant zog sich etwas verwundert nach oben, ein wenig verblüfft, fast sorgenvoll kratzte er sich an den schwarzen friedlich aussehenden, wie es der ganze Junge war, Haaren. „Wa-was hat er denn, Breda? Wieso ist er so seltsam?“ wollte er besorgt wissen, immer noch hinter dem bulligen Mann namens Heymans Breda versteckt. „Ich hab keine Ahnung, Kain, aber...“, grinsend wandte sich der Rothaarige wieder seinem Kollegen zu, der noch immer stocksteif vor ihm stand, mit offenem Mund und starren Augen. Mit einem fast feixenden Lachen nahm er dem Blonden seinen überalles geliebten Glimmstengel weg. „Vielleicht solltest du mit dem Rauchen aufhören, Jean. Wie es scheint, sind davon sämtliche Sicherungen bei dir durchgebrannt.“
 

Am ganzen Leib zitternd und bis ins Mark fröstelnd saß ich auf dem eiskalten Boden vor meinem Bett. Mit einem starren Blick stierte ich die weiße Wand vor mir an, die Tränen liefen wie kleine flüssige Edelsteine von meinen Wangen, ich spürte wie sie mein Hemd benetzten, aber es war mir egal. In meinen trauervollen Gedanken lief immer wieder das Gespräch zwischen den beiden Männern ab, jedes Wort brannte sich wie ein glühendes Eisen in meine Sinne. Aber ich wollte nicht wahrhaben, nicht glauben, was ich vernommen hatte. >Als ich ihn und Al verlassen habe, ging es meinem blonden Cousin doch noch gut. Ich war so unendlich glücklich, die beiden so strahlen zu sehen…und nun…Was ist nur geschehen, dass es Edo so schlecht geht? Was ist passiert, dass ich nicht verhindern konnte? Wieso darf ich nicht in seine Nähe und ihm helfen…so gerne würde ich es tun, nur damit Al und er wieder lachen können und wie normale Jungs sich am Leben erfreuen können…Es kann doch nicht sein, dass ich hier sitze und nichts für Edo tun kann…<

Der tiefe Schmerz in meiner Seele

Tada, es kann weiter gehen, viel Spaß!! Vielen lieben Dank für die Kommis! *sich verbeugt* Ich entschuldige mich schon im Vorfeld für alle Wörter mit 'klein' die mit Edo in Verbindung gebracht werden können ^^
 

Der tiefe Schmerz in meiner Seele
 

Voller Zorn und großer Verzweiflung, die sich in meinem wunden Herzen wie eine giftige Kloake ausdehnte, schlug ich die geballte Faust in den wehrlosen Boden ein, bis meine Hand vor Schmerzen pochte. Gedankenverloren und mit leerem Blick starrte ich auf meine blutenden Fingerknöchel. Der rote Lebenssaft tröpfelte schrittweise von meinen Fingern, so als wäre die Zeit langsamer gedreht worden. Die kleinen Blutstropfen besprenkelten die weißen Fliesen, wo sie unschöne Spuren hinterließen. Es schien mir, als würden sie fast ein Bild formen, das einem frechen Jungen mit langen Haaren ähnelte. Mit großen Schrecken in der Seele erinnerte ich mich wieder an den gestrigen Abend, an dem ich in diesem Zimmer meinen blonden Cousin in den Armen gehalten hatte. Das ganze Zimmer war blutig gefärbt gewesen, unsere Nachthemden rochen nach dem kupferschmeckenden Stoff, die über und über mit diesem beklebt waren. Mein Bett und auch der Boden waren bedeckt gewesen mit dem Saft des Lebens, der aus dem schmalen Körper meines Bruders geflossen war. Und nun…alles war sauber gewischt von den Reinigungskräften, die grausigen Kennzeichen des Abends völlig aus diesem Zimmer gewichen, aber nicht das Gefühl der Angst und Beklemmung. Sowie das Unheil, das wie ein feuriges Damoklesschwert über meinem Zimmer lag, in dem ich seit zwei Tagen lebte. Plötzlich fühlte ich mich nicht mehr wohl in diesem Raum, wie eine eisige Klaue presste die Furcht meine Eingeweide zusammen, der tollwütige Sturm, der draußen immer noch sein Unwesen mit den Menschen trieb, verstärkte zusätzlich mein Bangen. Ein leises Kichern erklang ringsum in den weiß gestrichenen Wänden, wie mit tausend Augen stierten sie mich unheilverheißend an. Das Empfinden, diesen emotionslosen Pupillen schutzlos und nackt ausgeliefert zu sein, machte mich fast irre. Unheimliche Schatten tanzten um mich herum, ausgelöst durch die unzähligen Blitze, die vom bitterbösen schwarzen Himmel zuckten. Sie raunten mir mit allerlei Zungen Dinge in die Ohren, die hinterhältig zischelnd ausgesprochen wurden. Mit einem gequälten Kopfschütteln verscheuchte ich diese Dinge, aber vermutlich nur für kurze Zeit, dann würden sie wieder kommen.

Die hell leuchtende Kerze, die auf dem kleinen Nachtkästchen neben meinem Bett stand, flackerte seit den letzten Momenten nervös auf, so, als wollte sie mir sagen, dass das Nachfolgende noch viel Schreckliches für meine Brüder und mich bereithielt. Das eigentlich friedliche und wärmedurchflutete Zimmer hatte sich für mich in einen Ort des Todes und einer übermächtigen Traurigkeit verwandelt. Trostsuchend wandte ich mich im Raum um, dann entdeckte ich die flauschigweiche Decke, die ich auf den Schoß nahm und sie wie ein kleines Baby an meine Brust drückte, in dem mein verängstigtes Herz aufgeregt hämmerte. Liebevoll kuschelte ich mich an sie und erinnerte mich kurz an die Schmusestunden mit Ed und Al, wie schön es mit den beiden Jungs gewesen war…manchmal wünschte ich mir diese Zeit der Unschuld und des kindlichen Unwissens zurück.

Auf einmal kehrten wieder die schrecklichen Dinge in mein Gehirn zurück und verdrängten die Wärme, die Liebe und die Hoffnung aus meinen Sinnen und Empfindungen. Verbissen zwang ich mich, diese Bilder, die geprägt von Tod, Qual und Grausamkeiten waren, zu verbannen. Aber sie waren zu tief in mein gepeinigtes Herz gebrannt, als dass ich sie jemals verdrängen könnte. >Wie gerne würde ich sie hinter mir lassen, so gerne…aber ich werde diese Dinge, die mein Leben auf solche Weise bestimmt haben, nie vergessen können< wimmerte ich leise auf. Niemals würde ich vergessen können. Vor innerer Qual ballte ich wütend die Hände zu Fäusten, so dass meine erschöpften Arme zu zittern begannen. Ich lachte kurz bitter auf. „Das ist mein Fluch, meine Begabung…die mir auferlegt ist“, ob sie meinen Mitmenschen Schaden zufügen oder ihnen helfen konnte, wusste ich nicht. Ich wusste nur eines ganz gewiss, ich hatte nicht darum gebeten diese Gabe zu erhalten. Ich hasste es so sehr ungefragt und unerlaubt in die Erinnerungen und Taten der Menschen um mich herum einzudringen. Im Geheimen teilte ich mit ihnen ihre Erlebnisse, die Freude und das Lachen, aber mehr noch, was mich seelisch fast auffraß, die Trauer und den Schmerz, der in ihren Herzen ruhte. Ich konnte nicht sagen, wie viel meine Seele von diesen Dingen noch ertragen konnte. Wenn ich auch nach außen hin so wirkte, als könne mich nichts und niemand erschüttern, so sah es doch in mir selbst vollkommen anders aus. Im Innern verfluchte ich meinen Vater für das, was er mir mit dieser Gabe angetan hatte. Meine übermüdeten Gedanken schweiften zu Edo hinüber, leise fröstelte es mich. Die Angst, diejenigen zu verlieren, die mir alles bedeuteten, die ich von ganzem Herzen und von ganzer Seele so liebte, war allgegenwärtig geworden. Diese Furcht drängte sich immer mehr und mehr in den Vordergrund, ließ alles andere winzigklein erscheinen oder ganz verschwinden. Ich würde alles tun, um meine beiden Cousins zu beschützen, wenn es nötig werden würde, sogar mit meinem Leben. „Nichts und Niemand kann mich davon abhalten oder es verhindern!“ Dessen war ich mir felsenfest sicher.

Hektisches Sohlengeklapper auf dem gebohnerten Boden des Krankenhausflures ließ mich aufsehen. Mein Herz bummerte wild wie ein ungestümer Hengst in meinem Inneren. Meine kummervollen Gedanken, die mich vor wenigen Sekunden noch niederdrückten, zerfielen zu einem kleinen Aschehaufen, der vom sachten Wind davongetragen wurde und im Nichts verschwand. In Windeseile warf ich die warme Decke von meinem Körper und sprang flink auf. Ein leiser Schmerz durchzuckte meinen Bauch, zischend schnappte ich nach Luft. Sanft legte ich meine kalte Hand auf die Stelle, an der mich Edo’s Automail durchbohrt hatte. Wieder sah ich die angsterfüllten und gequälten goldenen Augen vor mir. Ein noch weit aus schlimmerer Schmerz durchzuckte meine Brust, zerschnitt mein schon verwundetes Herz, viele Male, so dass ich vor Pein aufkeuchte. Heiße Tränen, die ich schon nicht mehr zählte, brannten auf meinen Wangen, wie spitze Nadeln stachen sie in jede einzelne Pore. >Wahrscheinlich wird nach diesem schicksalhaften Moment nichts mehr so werden, wie noch vor wenigen Stunden vor meinem Wiedersehen mit meinen beiden Cousins.< Fast unbeschwerte, warme und weiche Momente, die mir in diesem Augenblick so unendlich kostbar erschienen, wie die beiden Brüder selbst. >Was würde ich nur alles darum geben, wenn alles wieder so werden würde wie früher.< Ein blonder lachender Junge mit frechem, fast schelmischen Grinsen erschien in meinem Inneren, der mich mit fröhlichen, goldenen Augen ansah. „Edo…“, wisperte ich leise und besorgt. Plötzlich drängte sich ein anderes Bild in mein Herz. Mein Cousin in einer großen Blutlache, funkelnde Tränen glitzerten auf seinen blassen und toten Wangen, daneben lag der Helm seines Bruders, das Einzige was von diesem übrig geblieben war.

Diese Erinnerungen wischte ich so schnell beiseite, wie die stürmischen Böen die flaumigweichen Samen des Löwenzahns mit sich rissen und die kleinen sorglosen Fallschirmchen in die Unendlichkeit des Himmels getrieben wurden.

Schnell huschte ich an die weiß gestrichene Tür und presste mein Ohr fest an das Holz, so dass mein Hörorgan schmerzte. In das Geräusch der näher kommenden Schritte mischte sich noch ein anderes hinzu. Stimmen. Angestrengt spitzte ich meine Ohren, um herauszufinden, wem diese gehörten. Die eine erkannte ich zweifelsohne als die des Doktors. Ein ganzes felsiges Gebirge fiel mir vom Herzen, er war nun hier und würde meinem Bruder helfen. Und die andere? Sie hörte sich jünger, markanter an und eine leichte Spur von Besorgnis und Aufregung mischte sich als leiser Unterton hinein, ließ die Stimme gehetzt und sehr nervös wirken. Verwundert zog ich eine meiner blonden Augenbrauen nach oben. >Ist das nicht…Colonel Mustang?< Er war es und wie es schien, war er dem Doktor entgegengeeilt, um ihn in Empfang zu nehmen. Oder sollte es noch einen ganz anderen Grund geben, aus dem er das Zimmer meines blonden Cousins verlassen hatte und scheinbar nervös wie eine aufgeregte Klapperschlange, den Gang entlanglief um nach dem Mann zu sehen, der schon ungeduldig von allen erwartet wurde. Doch nicht etwa, weil…? Mich durchfuhr ein schrecklicher Gedanke wie ein blendendheller und sengendheißer Blitz, der alles, auf das er traf, auslöschte. War Edo…

Ein unangenehmes Ziehen und ein dumpfes, niederstreckendes Gefühl machten sich in meiner Magengrube breit, krallten sich mit ihren grässlichen Klauen in die Magenwände. Kalter Angstschweiß bildete sich auf meiner dunkel umwölkten Stirn, leise perlte er die Schläfen hinab und in den Ausschnitt meines Nachthemds. Meine Wangen waren vermutlich genauso kreideweiß, wie die Wände, die mich, wie es mir schien, grauenvoll und gehässig angrinsten. Mich überfiel der unglaubliche Drang, die Türe vor mir blitzschnell aufzureißen, um nach meinem überaus frechen Bruder zu sehen, ob es ihm gut ging oder…

>Nein, ich darf nicht so denken, er lebt…ich bin mir ganz sicher…< >Bist du dir da wirklich ganz sicher?< hohnlachte kalt eine kleine, wispernde Stimme, die ich sofort aus meinem trüben Kopf schüttelte. Ich musste zu Edo und doch wusste ich, dass die Anwesenden es keinesfalls zu lassen würden, dass ich meinem Cousin helfen konnte. Innerlich tief zerrissen, tippelte ich von einem Bein zum anderen, meine Zähne knabberten an der feinen Haut meiner Lippen herum. Ein angsterfüllter Schrei hatte mich, bevor ich die dunklen Gänge des Krankenhausflurs durchstreifte, aus dem leichten Schlaf gerissen. >Oder war es die Stimme von Al?< Doch ich war zu schlaftrunken gewesen, um richtig herauszufinden, von wem es stammte. Natürlich hatte ich Angst gehabt, ob es wohl Ed gewesen sein könnte, aber diesen Gedanken verbannte ich tief in meiner schon verwundeten Seele und verfolgte diese nicht weiter. Doch langsam, aber sicher schlichen sich die verbannten, unheimlichen Erinnerungen wieder in meine Sinne, die mich mit schwarzen Stimmen quälten. „Solange ich nicht weiß, was geschehen ist, brauche ich mir auch keine Sorgen zu machen…“, wisperte ich leise. >Ach ja, Lina, wirklich? Wenn Ed sterben sollte, wer trägt dann die Schuld? Du hättest ihn ja fast schon einmal…< kicherte es emotionslos auf. >Halt endlich deinen Mund, Ed geht es gut und…<

Die hektisch gesprochenen Wörter aus den Mündern der beiden Männer ließen mich aufhorchen. Mein Geist erzitterte, als ich ihnen aufmerksam lauschte. „Wie geht es dem Jungen, Colonel?“ Die Stimme von Doktor Brown bebte, wie ein Schiff auf hoher See, dass unruhig in den Wellen auf- und abschwankte. Ich fragte mich, warum. >Ist ihm hierher auf dem Weg etwas geschehen?<

Es dauerte einen Moment, der mir wie eine halbe Ewigkeit vorkam, bis der Colonel zu sprechen anfing. Sämtliche Alarmsirenen klingelten in meinem Kopf, die dröhnend in meinem Gehirn widerhallten. „Ich…er…, mein Gott, sie wissen gar nicht, wie froh ich bin, dass sie hier sind“, pure Erleichterung schwang im gehetzten Ton des Schwarzhaarigen mit, gleichzeitig wich er gekonnt der Frage des Mediziners aus. Meine Pupillen erweiterten sich vor Angst und Panik. >Was? Wieso?< schoss es mir wie ein gefährlicher und unaufhaltsamer Torpedo durch den Schädel. >Was sagt er da?< ich spürte, wie meine Hände sich gequält zu Fäusten ballten. Mein Herz pochte noch wilder als eine Horde Mustang, die frei über die Prärie galoppierten. Die Furcht schnürte meine Kehle mit ihren mächtigen Pranken zusammen, so dass ich fast an der Trockenheit erstickte, die meinen Hals befiel. Mühsam unterdrückte ich den kitzelnden Husten und presste mein Ohr so fest, wie ich nur konnte, an das Holz.

„Kommen sie bitte schnell mit, Doktor! Irgendetwas ist mit ihm geschehen, seitdem geht es ihm immer schlechter!“ Ich kannte den Colonel erst wenige Tage, aber ich hatte ihn mehr als einen Mann eingeschätzt, der durch alle Situationen und Begebenheiten, auch wenn sie noch so ausweglos erschienen, mit kühlem Kopf und einem unbändigen Willen hindurchging. Aber diese Situation schien keineswegs dazuzugehören. In seiner sonst so ruhigen Stimme schwangen nun eine riesige Angst und eine nicht minder große Panik mit, die in mir dasselbe auslöste, was sein Denken und Handeln schon beherrschte. Ohne ein Wort schien der Grauhaarige dem Colonel zu folgen, denn ich vernahm nicht den geringsten Kommentar seinerseits auf die gehetzte Antwort des Jüngeren. Das Einzige, was ich vernahm, waren die davoneilenden Schritte der Männer, die in den unendlichen Weiten des Flures verhallten.

Wie in Trance wandte ich mich um, fiel schwer gegen die Türe und ließ mich langsam an ihr herabgleiten. Das alte Holz knirschte wimmernd unter meiner Last. Wie gern würde ich es ihr gleichtun. Den unbändigen Schmerz, der nun mein Herz ganz beherrschte und über das unfaire Schicksal meiner beiden Cousins genauso jammern und wehklagen. Gerne würde ich alles aus meiner angstzerfressenen Seele herausschreien, aber ich brachte nur ein klägliches Wimmern zustande, dass mehr einer armen jammervollen Kreatur glich, die man fortgejagt oder ausgesetzt hatte. Leise schluchzend verbarg ich mein Gesicht in den Händen, die salzigen Tränen auf meinen Wangen, die lautlos hinunterperlten, brannten an meinen Fingern. Es schien fast, als würde das Blut wie ein schriller Schrei in meinen Venen aufkreischen, aber dieser unbedeutende Schmerz war meine allergeringste Sorge. Ein Feuer, heißer als die tiefste Hölle, durchloderte meine Sinne und meine zerschundene Seele. Die bittere Erfahrung, einem Menschen, der mir so nahestand und den ich von Herzen liebte wie Ed und auch Al…diesen geliebten Personen nicht helfen zu können, fraß mich fast gänzlich auf. Ich kam mir wie eine Rabenmutter vor, die ihr Kind in einem kalten Wintertag, bloß und nackt im Schnee aussetzte. Geballte und alleszerfressende Wut spülte die Sorge, Traurigkeit und Angst hinfort, wie der gewaltige Regen des tobenden Sturmes, der die Stadt noch immer in seinen bösartigen Klauen hielt und mit großem Hass seine Finger weiter zudrückte. Mit einem schnellen Ruck und wild glühenden Augen sprang ich vom kalten Boden auf. Ich fasste einen grausigen Entschluss, der mich später mehr reute, als alles andere auf dieser Welt. Aber ich hatte nur diesen einen besonderen Wunsch in meinem Leben, der in meinem Herzen glühte wie ein immerwährendes Feuer, meine Brüder wieder lachend über die Wiesen streifen zu sehen, tollend wie kleine Jungen, die sie ja eigentlich noch waren. Unbekümmert und ohne Sorgen sollten sie die Tage genießen, die ihnen ihr Leben noch bereithielt. Dafür würde ich alles tun, alles in Kauf nehmen, für meine jüngeren Cousins, die ich so sehr liebte, dass mir fast das Herz zerbrach, wenn die beiden Brüder bekümmert waren.

Mit geballten Fäusten starrte ich in die Nacht, die nun so traurig enden sollte, es aber nicht durfte. Die zornig, vom Himmel herunterfauchenden elektrischen Zungen erhellten mein weißes Gesicht mit den funkelnden Tränen. Meine silberne Iris funkelte erbost, als ich über die Sturheit des Militärs nachdachte. >Ich werde es tun, keiner wird mich davon abhalten...niemand wird mich stoppen können. Denn schließlich ist es mein Leben, mein Eigen, über das nur ich allein verfüge und bestimmen kann.< So lag meine Zukunft auch in meinen Händen, die ich mir so zurecht bog, wie ich es für richtig erachtete. Denn das mein blonder Cousin durch meine Unfähigkeit starb, passte mir kein bisschen.
 

Mit großer Bestürzung blieb der alte Mediziner an der Türschwelle von Eds Zimmer stehen, als er den völlig ausgemergelten jungen Körper des schmalen Blonden sah. Hustenanfälle schüttelten den bewusstlosen Leib des Jungen. Schweiß glänzte auf der Haut, die vom Kerzenschein unnatürlich aufschimmerte. Ein jammervolles Wehklagen ertönte neben dem Bett des Full Metal Alchemisten. Sein stählerner Bruder kniete daneben und hielt die kraftlose, fiebrig nasse Hand des Älteren. Am Fenster, das immer wieder von den grellen Blitzen erleuchtet wurde, stand die blonde, hübsche Frau, die ständige Begleiterin von Colonel Mustang. Sie rieb sich sehr verstohlen eine glitzernde Träne von den rosigen Wangen. Blitzschnell wandte sie ihren rotbraunen Blick ab, als sich ihre Augen mit denen des Doktors trafen.

Neben Matthew Brown stand immer noch sein schwarzhaariges Empfangskomitee, mit seiner onyxfarbenen Iris starrte er den Doktor wissbegierig und auch neugierig an, was eigentlich kaum seine Art war. Doch das Schicksal des blonden Kindes ging dem jungen Mann sehr nahe. Er hoffte sehr, dass es Edward schnell wieder besser ging, aber da der Mediziner nun endlich da war, konnte doch kaum etwas schief gehen, oder?! Er wartete äußerlich ruhig, in seinem Inneren jedoch so nervös, als hätte er Hummeln im Hintern, auf die Reaktion des Grauhaarigen.

Irgendwie machten den Mediziner diese Erwartungshaltung der jungen Erwachsenen und die ganze Situation äußerst wütend. >Denken die Beiden wirklich ich könnte den Jungen mit einem einzigen Wink meiner Hand wieder gesund machen?!< Ohne ein weiteres Wort stapfte er an die Lagerstätte des kranken Blonden, bedeutete dem stählernen Kind ein wenig zur Seite zu treten, das dieser sofort tat. Der grauhaarige Arzt maß ruhig und äußerst nachdenklich den Puls von Edward. Ewige Sekunden verstrichen, in denen nur die rasselnden Atemgeräusche, die wie das unheilvolle Geklapper einer giftigen Schlange in der Kehle des Kranken vibrierte, zu hören waren. Unwillkürlich erhoben sich die feinen Härchen der Anwesenden in die Höhe, eisigkalte Schauer kitzelten die Haut und ließen einen fast die Zähne klappern.

Sorgenvoll verengten sich die Pupillen des Mediziners zu kleinen Schlitzen, die nun fast eine gewisse Ähnlichkeit zu Augen einer Katzenmutter hatten, die sich kummervoll um ihr Kleines sorgte. Sanft bettete er die kalte Hand des jungen Alchemisten, der mehr den Tod in sich barg als das Leben, auf das klamme und nass geschwitzte Bett zurück. Aber kein einziger Laut kam über die zusammengepressten Lippen von Matthew Brown, kein Wort wie es dem Patienten ging oder wenigstens ein Seufzen, an dem man erkannte, ob es Ed nun schlechter oder besser ging…nichts.

Etwas umständlich fingerte der alte Mann sein Stethoskop aus der feuchten Manteltasche. Öffnete aber dafür sehr geschickt und flink wie ein schlankes Wiesel die Knöpfe am Hemd des Hagane. Die Kleidung wirkte unangenehm nass und durchgeweicht, so als würde der Junge in einem Meer aus Salz schwimmen. Voller Beunruhigung kräuselten sich die Falten auf der Stirn des Doktors, die den Anblick einer sturmaufgewühlten Gischt vermittelten. Vorsichtig und zart setzte er das kühle Metall auf die schweißperlende Haut, die salzigen Tropfen fielen lautlos in die Matratze, die feucht wie ein voll gesogener Schwamm war. Die Gummistöpsel des Abhörgerätes hatte Matthew Brown sich bereits in die Ohren gesteckt. Ein lautes und sehr erschrockenes Zischen entwich der trockenen Kehle des Arztes, mit einem schnellen Ruck wandte er sich vom Bett ab, schob mit einem forschen, fast starren Blick den nun sehr verdutzt dreinschauenden Colonel zur Seite, als wäre er eine Daunenfeder. Geschwind öffneten die Finger von Matthew die Türe des Zimmers, einige Male sah er sich suchend um. „Schwester Miranda?!“ rief er, als er auf dem Flur niemanden vorfand. Sofort öffnete sich eine Tür im Gang und eine hübsche Krankenschwester mit langen schwarzen Haaren, die sie kunstvoll hochgesteckt hatte, glänzten im Licht fast bläulich, wie der samtene Nachthimmel. Ihre klugen fliederfarbenen Augen nickten ihrem Chef fragend zu. Sofort winkte der alte Mann die hübsche junge Frau zu sich, die sich ein wenig zu dem Chefarzt hinunterbeugen musste, um Matthew Brown zu verstehen, der ihr etwas ins Ohr flüsterte. „Machen Sie bitte sofort eine Infusion mit 250 mg Kortison fertig und bringen sie diese in das Zimmer hier. Danach gebe ich Ihnen weitere Instruktionen.“ „Hai!“ neigte Schwester Miranda ihr schönes Haupt. Schon wollte sie sich umdrehen, um die Arzneimittel zu holen, als sie den Älteren nochmals fragend ansah. „Der Junge?“ Besorgnis überschattete die weiche Iris der jungen Frau. Ein sorgenvolles Brummen aus den zusammengepressten Lippen bestätigte ihren Verdacht. Seine Augen trafen die ihren und seine braune Iris sprach Bände. Schmerz, Leid und Trauer um den Alchemisten verdunkelten die Gesichtszüge des Mediziners. „Ich werde es so schnell vorbereiten, wie ich kann“, beruhigte die Schwarzhaarige den alten Mann, legte ihm rasch eine zarte Hand auf seinen Arm und verschwand dann flink wie eine geschmeidige Katze in einem der angrenzenden Räume. Miranda Pearl, kaum 20 Jahre alt, arbeitete noch nicht lange im Central City Hospital, aber sie war eine sehr gute Menschenkennerin. Oft hatte sie dem freundlichen Chefarzt assistiert oder bei den Operationen geholfen; jedes Mal, wenn es um kleine Kinder oder noch sehr junge Menschen ging, so wie auch hier bei dem blonden Fullmetal, konnte sie das große Leid und den tiefen Schmerz in den braunen, sanften Augen ihres Vorgesetzten erkennen. Die Emotionen, die die Kinder durchlitten, waren in diesen Momenten auch die seinen. Leicht grübelte sie vor sich hin. Eine kleine, weiche Strähne kitzelte frech den Nacken der schönen Schwarzhaarigen, die unwillkürlich nach dieser griff und sie auf ihren Finger drehte. >Ich kenne ihn noch nicht lange, darum weiß ich nicht, warum er so mit den Kleinen mitfühlt. Die meisten Ärzte, denen ich begegnet bin oder unter denen ich gearbeitet habe, gerade die Älteren, haben jegliches Gefühl für ihre Patienten verloren.< Abgestumpft, wie ein gefällter Baum, dessen Saft schon längst vertrocknet war, gingen sie ihrer Arbeit nach, nahmen kaum Notiz an dem Schicksal der Menschen und ihren Angehörigen. Für diese Männer in Weiß war dieses immer wiederkehrende Leid, die unzähligen Krankheiten oder die schweren Verletzungen ihrer Patienten zum spröden Alltag geworden. Der Bezug zu den Kranken bestand für sie nicht mehr, diese waren nur noch Nummern auf den Karteikarten, die es galt, abzuarbeiten. >Nicht so wie bei dem alten Herrn, er hört seinen Patienten aufmerksam zu, jedes Wehwehchen wird mit einem freundlichen, aufmunternden und tröstlichen Lächeln beantwortet. Er gibt immer hilfreiche Tipps, muntert die Kleinen auf, wenn die Eltern nicht da sind und wenn er die Zeit aufbringt, spielt er sogar mit ihnen. Er spendet den Hinterbliebenen, denen geliebte Personen von deren Seite gerissen werden, den Trost, den sie benötigen. Er weiß immer genau, was er sagen muss, um sie zu beruhigen und den Schmerz, die ihre Herzen verdunkeln, hinfortzunehmen. Er macht seinen Kollegen Mut, bei den schwierigen Operationen, aber auch wenn sie Kummer und Sorgen haben.< Noch nie hatte sie einen Arzt kennen gelernt, der so viel Herzlichkeit und Güte ausstrahlte, wie Matthew Brown. Doch sie spürte genauso, dass dieser liebenswerte Mediziner Jemanden zum Reden brauchte, der ihm zuhörte, denn sie fühlte, dass etwas Finsteres auf seiner warmen Seele lastete, die drohte, ihn zu verschlingen.

All das ging Miranda durch ihren hübschen Kopf, als sie das Mittel für den Jungen aufzog und vorsichtig in die Flasche mit Kochsalzlösung spritzte. Ihre schönen, zugleich sanften Augen, die Ähnlichkeit mit einem berauschend duftenden Lavendelmeer hatten, wurden auf einmal todtraurig. >Wenn der blonde Junge stirbt, dann wird, da bin ich mir sehr sicher, auch ein Teil meines Chefs sterben und das darf nicht geschehen, keines von beiden.<
 

Sehr hilflos starrte der junge Colonel seine bildhübsche blonde Begleiterin an, als Doktor Brown einem Wirbelwind gleich aus dem Zimmer gestürmt war. Er wurde das dumpfe, fast widerhallende rumorende Gefühl nicht los, dass der grauhaarige Mediziner leicht ungehalten und verstimmt war. Aber warum das so war, konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen. >Ich habe ihn doch rechtzeitig benachrichtigt, oder etwa doch nicht?< Sein onyxfarbener Blick wandte sich dem blonden Jungen zu, der schweißgebadet nervös hin- und herzuckte. Leise hustete Edward und sein Körper verkrampfte sich bei jeder Hustenattacke immer mehr. Ein seltsamer Duft umwehte die nähere Umgebung, penetrant süßlich überdeckte er sogar den Geruch der Desinfektionsmittel, der einem bei jedem Besuch im Krankenhaus umflatterte. Er kannte diesen Geschmack, der sich wie ekelhafter Schleim in jede Faser seiner Haut einschlich…der Duft des Todes, den er so oft schon in der Nase gehabt hatte und nie wieder riechen wollte. Quälend langsam erschlich sich eine missgestaltete, wabernde Übelkeit seinen rauen Hals hinauf und krallte sich mit einer nervenden Hartnäckigkeit in diesem fest. Er spürte, wie seine Beine leicht unter ihm nachgaben und er bedrohlich zu schwanken begann. Mit einer panthergleichen Schnelligkeit legte er seine Hände auf die Lehne des Stuhls, der glücklicherweise vor ihm stand. Bunte Schlieren umwebten seinen Geist, so dass er nur farbige Schleier vor seinen Pupillen erkennen konnte. Auf seine Stirn legte sich ein feuchter Schimmer, der glänzend seine Schläfen hinunterrann. Grauenvolle Bilder schossen durch seine Seele, Dinge, die er schon so lange in seinem Inneren verdrängt hatte. Schreie wurden an seinem Gehörgang vernehmbar. Kreischende Todesschreie, entsetztes Wehklagen, leises fiebriges Stöhnen und die letzten Atemzüge seiner Kameraden, die im Krieg gefallen waren. Sie lagen tot oder nur noch wimmernd auf den Pritschen des Feldlazaretts, einige ganz mit Decken verhüllt, der Geruch des rasch dahineilenden Todes mit seiner geschärften Sense war allgegenwärtig. >Für wie viele meiner Kameraden habe ich das Grab ausgehoben? Wie viele habe ich bitterlich betrauert? Wie viele tröstlich gemeinte Briefe habe ich in dieser Zeit ihren Angehörigen geschrieben, um ihnen vom Tod ihrer geliebten Verwandten zu berichten? Viel zu viele sind in den Tagen dieses völlig nutzlosen Krieges gestorben und nach einer Weile habe ich aufgehört zu zählen.< Nach geraumer Zeit wurden die Toten für ihn nur noch Nummern, sein Gehirn speicherte die schrecklichen Informationen nicht mehr, als Selbstschutz für seinen angeschlagenen Geist.

Plötzlich fühlte er eine sanfte, zarte Hand an seiner Brust, die ihn fast liebevoll auf den schlichten Holzstuhl drückte. Ganz langsam klärte sich sein verschwommener Blick, die Farben setzten sich wieder zu einem wirklichen Bild zusammen und verdrängten die schattenhaften, vergangenen Grauenhaftigkeiten. Verwirrt zwinkerte er die nebelartigen Schleier vor seinen Augen weg und erkannte die Umrisse einer hübschen Frau, die ganz in einer blauen Uniform gekleidet war. Diese musterte ihn besorgt mit einem scheuen rotbraunen Blick, der Ähnlichkeit mit den Augen eines sanften Rehs hatten. „Lieutenant Hawkeye, was …?“, er legte seine behandschuhten Finger auf die Stirn und kopfschüttelnd ließ er die Momente seiner blutigen Vergangenheit Revue passieren. >Wie kann es sein, dass mich das immer noch so mitnimmt? Es ist doch schon lange her und doch…< leicht würgte er, der süßliche Duft des Todes stieg wieder auf und versuchte seine Sinne zu beherrschen.

„Sie…Sie sind eben furchtbar blass geworden, da…da…“, leicht beschämt und mit zart geröteten Wangen wandte sich ihr nervös aussehendes Gesicht ab. Eine fast beunruhigend wirkende Stille breitete sich zwischen den beiden Erwachsenen aus. Mit großem Interesse starrte der Schwarzhaarige seine blonde Begleiterin an, ihre Wangen glühten wie ein gesund aussehender, rotbäckiger Apfel. Sie gab sich die größte Mühe, dies nicht zu zeigen, aber ohne Erfolg. Die Venen pumpte immer mehr von dem roten Lebenssaft in ihr Antlitz. „Also…ähm…“, nervös drückte sie ihre Zeigefinger gegeneinander, während sie versuchte, die passenden Worte zu sagen. Sie schluckte unruhig einen Kloß die Kehle hinunter. „Ich…ich wollte nicht…ich habe gedacht …“, zutiefst beschämt ließ sie ihr hübsches Haupt sinken, als aus ihrem zarten Mund nur einige abgehackte Sätze kamen.

Leicht schmunzelnd und mit liebevoll wirkenden Augen stand der junge Colonel von seiner Sitzgelegenheit auf, legte der Blondine eine warme Hand auf die schmale Schulter. Kurz zuckte diese zusammen und blickte erstaunt auf, als sie das markant geschnittene Gesicht ihres Vorgesetzten neben sich bemerkte. „Danke“, flüsterte die angenehm klingende Stimme des Mannes an ihrem Ohr, sein Atem strich zart über ihre Ohrmuschel, so dass ihr unwillkürlich ein Schauer über den Rücken lief. Ein Gefühl, dass sie noch nie so gespürt hatte, durchdrang ihre Seele, erhitzte sie und spülte die Sorgen davon. Roy Mustang nickte ihr verständnisvoll zu.

Ein überaus liebreizendes, weiches Lächeln umspielte die roten Lippen, die wie zarte Rosenblätter wirkten. Sie wandte sich schüchtern von dem schwarzhaarigen Mann ab, ihre Hand mit den langen, grazilen Fingern spielte mit der Zudecke des fiebrigen Jungen.

Vollkommen perplex und mit einem erstaunt wirkenden Blick beobachtete Alphonse das zaghafte Liebesgeturtel der beiden Erwachsenen, deren Zuneigung hauchzarte Knospen sprießen ließ. Allerdings war dies nicht der richtige Zeitpunkt und Ort für so etwas, befand der metallene Junge, leicht schüttelte er den Kopf. Ein leises Stöhnen ließ seinen Kopf nach unten rucken, aufmerksam betrachtete er seinen älteren Bruder, der keuchend und auffällig nach Luft schnappend, wie ein so eben gefangener Fisch, umherzuckte. Sorgsam wie eine Mutter, bedacht dem blonden Bruder nicht noch mehr Schmerzen zuzufügen, legte Al das frisch ausgewrungene Tuch behutsam auf die gequält gekräuselte Stirn, die Haut wirkte ungewöhnlich grau und leblos. Eine marmorne Hand drückte die blutende Seele des Jüngeren zusammen, als er bemerkte, wie sich der Körper von Edward mehr und mehr verkrampfte. Die Lungen nahmen den so wertvollen und lebenswichtigen Sauerstoff nicht mehr richtig auf, panisch krallten sich die Finger des älteren Jungen in die Decke, der verzweifelt versuchte, Luft zu holen. Die qualvollen Japser wurden lauter, der Oberkörper des Alchemisten wollte sich heben, aber etwas verhinderte die freie Atmung. Immer flacher wurde der Atem des zierlichen Blonden, der Sauerstoff konnte kaum zu den Lungen hindurchdringen und sie mit der nötigen Kraft versorgen, die er zum Leben brauchte.

„Nii-san!“ wimmerte der stählerne Gigant furchtsam auf. Mit einer großen Hilflosigkeit umschlangen seine metallenen Arme liebevoll die zerbrechliche Gestalt seines älteren Bruders. Es schien so, als würde er Edward aus den schwarzen Klauen des Todes entreißen wollen, die sich schon gierig dem Hagane entgegengestreckt hatten und über seine nass geschwitzte Haut strichen. Jäh erwachten die beiden Erwachsenen, die sich sehr verträumt in die Augen sahen, aus ihren warmen Gedanken auf und eilten mit entsetzt geweiteten Pupillen an das Krankenlager des Blonden, dessen erschöpfter Körper um sein Leben kämpfte, das an einem seidenen Faden hing. Riza ergriff unwillkürlich die heiße Hand des Jungen, der keuchend nach Luft rang und versuchte ihn ein wenig zu beruhigen. Zärtlich wie eine ältere Schwester strich sie ihm die nassen Strähnen von der Stirn, die eine unnatürliche Hitze ausstrahlte. Sie erschrak bis tief in ihre Seele, die bitterlich aufschluchzte bei dem Anblick des fiebernden Jungen. Glänzende Tränen schimmerten in den schönen Augen der Blonden auf, als sie ihren Vorgesetzten hektisch und mit nervösem Blick ansah. Dessen Pupillen flogen voller Angst zwischen der hübschen Uniformierten und dem jungen Alchemisten hin und her. Mit ungläubig verengten Pupillen, die die Größe von kleinen Stecknadelköpfen hatten, erkannte er die grausame Wahrheit in der rotbraunen Iris von Riza Hawkeye. Der freundliche, aber durchaus stürmische Junge lag in den letzten Atemzügen und würde sterben. >Nein, das darf einfach nicht geschehen!<

„Hagane! Mach keinen Quatsch, Kleiner! Hörst du!“, schrie der Colonel panisch den Leib des Jüngeren an, seine starken Hände umschlossen mit einer ansteigenden Kraft die schmalen, fast zierlich erscheinenden Schultern von Edward. Der Schädel mit den feucht verklebten, blonden Haaren stieß fast an das Gestell am Kopfende des Bettes, als der Schwarzhaarige den Bewusstlosen wie ein Spielzeug schüttelte.

„Nein!“, schrie der stählerne Gigant gequält auf, ein leises Schluchzen unterdrückend. Mit einer Schnelligkeit, die Niemand dem metallenen Koloss zugetraut hätte, riss er den Körper des älteren Bruders zart an sich. Er strich Ed liebevoll und mit einem stark ausgeprägten Beschützerinstinkt über den Rücken. „Sie tun ihm ja weh!“ anklagend starrten die roten Augen Alphonses Roy Mustang an. Der rasselnde Atem des älteren Jungen hallte unheimlich und beängstigend wie ein Donnergrollen an der Metallbrust der Rüstung. Als wäre auch der Himmel auf den jungen Uniformierten wegen seiner Grobheit wütend, krachte ein hell glänzender Blitz in einen der alten wunderschönen Naturwesen. Die Wände des Krankenhauses erzitterten ängstlich unter dem böse klingenden Laut. Der uralte Baum fiel mit einem tödlich gehauchten Ächzen in die riesigen Schlammpfützen, die einst der gepflegte Rasen des Hospitals gewesen war. Der Dreck, den der Fall des Baumes aufwirbelte, klatschte wie dickflüssiges Blut schmatzend an die Fensterscheiben und tropfte dort langsam herunter.

In ihren Bewegungen erstarrt wie Stein, stierten die menschlichen Lebewesen entsetzt zum Fenster. Einige feine Zweige kratzten leise über das Glas, leise flüsternd quietschten sie über den Rahmen des Holzes. Dieses Geräusch ließ alle Haare der Anwesenden zu Berge stehen. Wäre der Naturgigant nur einige Millimeter größer gewesen, was wäre wohl noch Schlimmeres geschehen? Vermutlich hätte er das Zimmer des Fullmetal Alchemist, ihn selbst und die dort Anwesenden mit in den Tod gerissen.

Ein wehklagendes, keuchendes Stöhnen wurde hörbar, welches die Drei zusammenzucken ließ. Die Finger des Colonels lagen immer noch wie unbarmherzige Schraubstöcke an den Schultergelenken des Jungen, der vor quälenden Schmerzen das blasse Gesicht verzog. Liebevoll und sanft strichen die Hände der jungen Frau über die ihres Vorgesetzten und öffneten behutsam den festen Griff des Schwarzhaarigen, der sie mit einem entgeisterten, starren Blick musterte. Aber die schraubstockartige Umklammerung des Mannes erfüllte den Körper des Fullmetals mit Pein. Als Colonel Roy Mustang seine Hände vom Leib des Jungen löste, fiel dieser mit einem qualvollen Wispern in die Arme des Stahlgiganten zurück, der ihn sehr behutsam auffing. Die rote Iris funkelte den jungen Mann misstrauisch an, während First Lieutnant Hawkeye die Arme ihres Vorgesetzten mit sanftem Druck hinunterpresste, der schuldbewusst zu Boden starrte. >Ich wollte Edward nicht wehtun<, aber die Panik hatte sich in seinem Denken ausgebreitet, wie eine wild gewordene Kreatur gewütet und dem Kleinen noch mehr Schmerzen zugefügt.

„Gomen na!“ murmelte er verlegen, seine schwarzen Augen wandten sich nervös von der roten Iris der Ritterrüstung ab, die ihn unverwandt und mit unverhohlenem Misstrauen anstarrte. First Lieutnant Hawkeye half Alphonse den keuchenden, fast leblosen Jungen wieder sanft in die Kissen zu betten. Sie blinzelte schnell die nach oben drängenden Tränen weg, die sich leise schleichend in ihren Augenwinkeln eingenistet hatten. Es tat ihr so weh, so unendlich weh, die beiden Jungen so zu sehen, der Jüngere hilflos an dem Bett des Älteren, der vielleicht nicht mehr lange lebte. >Bitte, Gott, nimm ihn uns nicht weg…Alphonse braucht ihn…nein, die Beiden brauchen einander…Bitte…< flüsterte sie stumm ein leises Gebet, hoffend, dass es ihr erfüllt wurde.

Plötzlich ging die Türe mit einem leisen, aber dennoch schnellen Schwung auf und der grauhaarige Doktor erschien mit raumgreifenden Schritten im Zimmer. Mit sehr ernsten Augen und einer hochgradigen Zielstrebigkeit steuerte er auf das Bett des kranken Alchemisten zu, so dass die junge Blondine flink, mit weichen Bewegungen wie eine Katze aufsprang und dem Arzt sofort Platz machte, um ihm genügend Spielraum zu lassen. Mit einer verwundert hochgezogenen Augenbraue erblickte sie den todernsten Gesichtsausdruck des alten Mannes, der sich fast zornig verzog. Mit einer dicken Wutfalte auf der Stirn und finster auffunkelnder Iris näherte er sich immer mehr dem Krankenlager. „Taisa…“, wollte Riza ihren Vorgesetzten höflich darauf hinweisen, dem Mediziner einen Freiraum zu lassen, als der greise Mann den jungen Schwarzhaarigen grob beiseite stieß. Ein sehr überraschtes Keuchen drang aus der erschrockenen Kehle des Colonels, als er fast gegen den Stuhl, auf dem er noch vor wenigen Minuten gesessen hatte, prallte und ihn umstieß. Mit lautem Gepolter knallte die Sitzgelegenheit um, das alte Holz knarzte empört auf.

Voller Unglauben starrte die hübsche Uniformierte den alten Arzt an, vor lauter Sprachlosigkeit fiel ihr die Kinnlade herunter, nur ein betroffener Laut rutschte aus dem geöffneten Mund. Doktor Brown hatte den starken und gesunden, jungen Mann so ohne weiteres zur Seite gefegt, als wäre ihr Vorgesetzter nur eine weiche Daunenfeder oder ein zerbrechliches Blatt, bei dem es kaum der Mühe bedurfte, sie wegzufegen. >Solch eine Kraft habe ich dem ehrenwerten Doktor gar nicht zugetraut.< Roy Mustang hatte sich inzwischen wieder einigermaßen gefangen, seine schwarzen Augen funkelten entrüstet, als der Arzt an ihm vorbeigerauscht war und ihn fast in seine Einzelteile zerlegt hatte.

„Was erlauben Sie…?“ begann er seinen aufbrausenden Protest gegen den groben Ausrutscher des älteren Herrn. Aber dieser ignorierte den fassungslosen Colonel mit voller Absicht, während er den Hemdsärmel des Hagane-Jungen hochkrempelte. Doch als der grauhaarige Mediziner seine Arbeit beendete, wandte sich sein Gesicht ruckartig dem Colonel zu. Diesem verschlug es sofort die Sprache, sein Hals wurde auf einmal trocken wie eine brennende Wüste, in die sich kein Mensch freiwillig hineinverirrte. >Ich habe schon viele Menschen wütend und aufgebracht gesehen…ich erinnere mich…o-too-san< kein einziges Mal hatte der hoch gewachsene junge Mann Furcht oder Angst verspürt, wenn ihn diese Menschen ansahen…bis zum heutigen Tage. In den schwarzen Pupillen von Matthew Brown loderte ein heißes Fegefeuer, der tiefsten Hölle gleich. Das zornige Glimmen erinnerte den Colonel an seinen eigenen Vater, wenn dieser ihn für eine Sache zur Rechenschaft zog und ihm das eine oder andere Mal den Hintern versohlte. Unsicher ruckte die onyxfarbene Iris rasch hin und her, immer den Blick von Doktor Brown abgewandt, da er den stechenden und drohenden Augen des Älteren nicht mehr standhalten konnte. Sehr tief durchatmend drehte sich der alte Mann wieder dem schwerkranken Jungen zu, der leise keuchend in seinem unruhigen Schlaf zusammenzuckte. Geschickt fingerten seine langen geschmeidigen Finger aus seinem Kittel, den er sich vor wenigen Minuten übergeworfen hatte, einen Stauschlauch hervor und band den linken Arm des Blonden sorgsam ab. Völlig erleichtert darüber, dass Doktor Brown scheinbar seinen Ärger herunterschluckte, atmete Mustang geräuschvoll aus, lehnte sich leicht beruhigt an die Wand und wartete die weiteren Dinge ab.

„Wieso haben Sie mich nicht eher gerufen?“ erschall Sekunden später die dunkle Stimme des sonst so freundlichen Mediziners, der die letzten Minuten ziemlich wütend auf die beiden Uniformierten war, ruhig und dennoch mit einem zornigen Unterton, der den Schwarzhaarigen nervös schlucken ließ. Unwillkürlich stieß er sich mit einem sachten Ruck von der weiß gestrichenen Wand ab. Seine fragenden Pupillen wandten sich seinem Lieutnant zu, die aber mehr mit dem blonden Jungen und seinem jüngeren Bruder beschäftigt war. Sanft strich Riza Hawkeye der Rüstung über die bebende Schulter, da das stählerne Kind leise aufschluchzte und stierte den blonden Alchemisten bekümmert an.

„Was...was meinen Sie mit...eher?“ seine Stirn legte sich in viele Falten, sie kräuselte sich wie die meterhohen Dünen einer unendlichen Wüste und mit einer großen Unruhe im Herzen beobachtete der uniformierte Mann das Bemühen des Älteren, eine gut gefüllte Vene im Arm des Fullmetal zu finden. „Als ich es für notwendig hielt, habe ich Sie benachrichtigt, meiner Meinung nach war das früh genug“, war der knappe Kommentar des attraktiven Schwarzhaarigen.

Mit einer rasenden Geschwindigkeit, die eine Gazelle vor Neid erblassen ließ, drehte sich der grauhaarige Mediziner blitzschnell um die eigene Achse, packte den Uniformkragen des völlig verdutzten Flame Alchemisten und rammte ihn an die Wand, die leise und verbittert unter dem Gewicht aufknackte. „Verdammt, Colonel! Der Junge liegt im Sterben! Glauben Sie jetzt etwa immer noch, dass ihr Anruf früh genug war?“ zischte es aus dem Mund des alten Mannes mit einer Bitterkeit, die Einen zum Weinen brachte, nämlich den kleinen Jungen, dessen Körper ganz aus Stahl war, nur sein Herz und seine Seele fühlten den Schmerz, der sich in ihnen ausbreitete, wie ein kleiner leuchtender Funke, der, wenn man nicht aufpasste, zu einem riesigen Feuer werden konnte.

Entsetzt nach diesen Worten von Doktor Brown starrte der junge schwarzhaarige Mann, der blass wurde wie ein Toter, zu dem blonden Alchemisten hinüber, dessen trockene, spröde Lippen sich schon leicht bläulich verfärbten. Seine onyxfarbenen Pupillen weiteten sich angstvoll um den Jungen, der vielleicht schon seine letzten Atemzüge in diesem Leben tat.

Der gequälte Aufschrei des stählernen Kolosses ließ die drei Erwachsenen kurz zusammenzucken. Mit Tränen in den rotbraunen Augen versuchte Riza Hawkeye Alphonse zu beruhigen, der nach der grausamen Mitteilung des Arztes aufgesprungen war und wie Espenlaub zitterte. Mit ängstlicher Iris starrte er seinen älteren Bruder an. >Bitte, o-nii-san, du darfst mich nicht verlassen…bitte nicht…< Al war völlig verzweifelt und mit seinen geistigen Kräften am Ende. >Wie oft habe ich schon in den letzten Stunden um das Leben meines nii-sans gebangt? Wie oft habe ich schon erleichtert aufgeatmet, da alles überstanden war? Nur um mir jetzt anhören zu müssen, das für nii-san keine einzige Hoffnung mehr besteht?< Mit einem zutiefst kummervollen Laut sackte die Rüstung haltlos in die Knie, so dass seine Gelenke jämmerlich aufquietschten, als würden sie den Schmerz ihres metallenen Trägers teilen. Zu gerne würde der stählerne Junge das grausige Schicksal seines blonden Bruders beweinen, um die zentnergroße Last von seinem gebeugten Herzen zu nehmen, aber er konnte es nicht. Er wusste nicht einmal mehr, wie sich nasse Tränen auf den warmen Wangen anfühlten.

Zögerlich löste der grauhaarige Doktor die Hände vom Uniformkragen des Colonels, so dass dieser, immer noch zu fassungslos um nur ein Glied zu rühren, an der Wand hinuntersackte, da sein Leib ihn nicht mehr tragen konnte. Mit traurig hinunter geschlagenen Lidern und einem bekümmerten, schweren Seufzen blickte der weißgekleidete Mann zu Alphonse hinüber, der sich leise schluchzend an der jungen Blondine festhielt, die ihm sanft über die Schulter strich. Sie sah ihren Vorgesetzten schweigend, fast entsetzt an, der gerade aufstand und wortlos seine zerknitterte Uniform ordnete. „Entschuldige bitte, mein Junge, dass ich so ausfallend geworden bin und du es so erfahren musstest“, kam es leise zwischen den Lippen des Arztes hervor, der die Rüstung direkt ansprach, die kaum die Augen von dem Körper des älteren Jungen abwandte. „Aber ich will versuchen, was ich kann. Vielleicht ist es noch nicht ganz zu spät.“

Ein leises, metallisches Klirren, das scheinbar vom Flur kam, wurde hörbar. Alle Köpfe der Anwesenden ruckten gleichzeitig zur Tür, an der die Schwester mit den blauschwarzen Haaren stand, die in einer Hand den Infusionsständer mit sich führte, an dem die Flasche mit der Arznei hing. „Gomen…“, wisperte sie leise. Sie war Zeuge dessen geworden, was sich soeben in diesem Zimmer abgespielt hatte und man sah deutlich, wie unangenehm ihr dies war. Ihre Wangen waren leicht gerötet und nervös zupfte sie an ihren langen, sanft glänzenden Haarsträhnen herum. Doch ihr Chef tat so, als wäre nichts von Belang geschehen und schenkte ihr ein freundliches Lächeln. Mit einer Hand winkte er die schüchterne, junge Frau in den Raum herein, der nur sehr spärlich von der kleinen Kerze beleuchtet wurde. „Kommen Sie herein, Mädchen, wir warten schon alle auf sie. Schauen Sie nicht so erschreckt, es ist ja nichts passiert.“ „Hai…“, nickte sie unruhig, aber Sekunden später straffte sich ihre Haltung, sicher und ruhig ging sie auf die linke Seite des Bettes zu. Dort stellte sie den Infusionsständer ab. Immer noch war sie blass um die Nase herum. >Doktor Brown hat leicht reden…< seufzte sie innerlich auf. Vor wenigen Minuten hatte ihr Chef den hochrangigen Offizier an die Wand gedrückt, als wäre dieser nur eine kleine Fliege, die man mit einer Hand zerdrücken konnte. Dem alten Herrn, den sie niemals anders als freundlich oder zuvorkommend sah, mit warmen braunen Augen und einem fröhlichen Lächeln auf den Lippen, das alle Sorgen wegwischte, hätte sie sich nie vorstellen können, einmal abgesehen von seinem Gesundheitszustand, dass er nun so wütend werden konnte. >Was auch immer zwischen den Beiden vorgefallen ist, sicher hat Doktor Brown einen triftigen Grund, den Offizier anzugreifen. Er würde so etwas nie grundlos tun…<

Schweigend wanderten die weichen, lavendelfarbenen Augen über den weizenblonden Alchemisten, der keuchend Luft holte. Ihre warme Iris weitete sich erschrocken. Zutiefst entsetzt starrte sie den blassen Jungen vor sich an, der hustend röchelte. >Ich kenne ihn…vor einigen Jahren habe ich ihn doch auf der Titelseite der News gesehen, als bisher jüngster Alchemist hat er die Prüfung mit Bravour bestanden.< Frech und mit schelmischen golddurchwirkten Augen hatte er sie aus dem Blatt angegrinst. >Da war er erst Zwölf Jahre alt.<

>Und…es ist noch keine drei Monate her, da sind mir der Junge und die Rüstung zur Hilfe geeilt, als ein Dieb mir meine Tasche mit meinen Habseligkeiten stehlen wollte.< Sie hatte den Kleinen freundlich umarmt, ihm als Dank einen leichten Schmatz auf die Stirn gehaucht und mit einem entzückten, leisen Kichern seine warme Röte bemerkt, die sich auf seinen Wangen breit machte. Und nun lag ihr Retter hier im Krankenhaus, nur noch ein Schatten seiner selbst, fast leblos und blassblau erschien seine Haut, wie die eines Toten. Die noch leicht kindlich wirkenden Wangen waren eingefallen, rasselnde Atemgeräusche, die immer schwächer wirkten, drangen aus seiner Kehle. Seine golden glänzende Mähne war stumpf und nass geschwitzt, sie klebte in seinem Gesicht.

Ihre überaus weichen und liebevollen Augen wandten sich dem stählernen Koloss zu, der mit seiner metallenen Hand sanft über den Arm des Blonden strich, zärtlich seine Finger mit denen des Alchemisten verflocht und leise über das Schicksal des Jungen schluchzte. Vor lauter Erstaunen weiteten sich die Pupillen der jungen Frau. >Ist es dieser Rüstung wirklich möglich, Schmerz und Leid, wie ein Mensch zu empfinden?<

Woher sollte Miranda auch wissen, dass sehr gut versteckt in dieser kalten, metallenen Schale ein weiches und liebevolles Herz steckte, die Seele eines warmherzigen Kindes, dass nun befürchten musste, seinen älteren Bruder für immer zu verlieren, das Einzige was er noch er in dieser Welt besaß.

Ganz in Gedanken versunken hörte die hübsche Krankenschwester die Worte ihres Chefs, die ruhig und sachlich seinen Mund verließen. Sie nickte und erledigte ihre Aufgaben präzise, fast mechanisch, dennoch waren ihre Erinnerung weit weg. Ihre ältere Schwester, damals im gleichen Alter wie der blonde Junge und ihre geliebte Mutter, hatten genauso unter einem Fieber gelitten, wie nun der Alchemist. Ihre nee-san hatte die glühende und alles verzehrende Krankheit überstanden, ihre Mutter war gestorben, sie hatte keine Kraft mehr gehabt weiter für ihre Kinder zu kämpfen. Seit damals war ihre ältere Schwester nicht mehr dieselbe, die fröhlich und lachend durchs Leben schritt, sondern nur noch eine blasse Kopie ihrer Selbst. Sie kränkelte öfters, litt hin und wieder an Fieberschüben. Aber sie wollte nicht zum Arzt, sie hasste die Männer in Weiß, die, wie ihre Schwester Amanda immer behauptete, Schuld am Tod ihrer Mutter waren. Amanda war strikt dagegen gewesen, dass Miranda Krankenschwester werden wollte, gerade um solche Menschen, die krank und leidend waren, zu helfen. Nach einer Weile hatte die Jüngere schließlich ihren Dickkopf durchgesetzt. Die Ältere hatte warm gelächelt, sie liebevoll in den Arm genommen und sie auf die Stirn geküsst. ‚Ich weiß, du wirst dein Bestes geben, meine kleine Schwester’ hatte sie gesagt und sie leicht angezwinkert.

„Entfernen Sie bitte den Schutz von der Kanüle, Schwester, und reichen Sie mir diese“, bat er die junge, schwarzhaarige Frau, die auf ihn wirkte, als wäre sie nicht ganz bei der Sache. Aber trotz allem machte sie keinen einzigen Fehler, man spürte regelrecht wie sie alle ihre Aufgaben mit großer Hingabe erledigte. Stirnrunzelnd betrachtete er die Krankenschwester. Sie starrte wie hypnotisiert auf den älteren Jungen, der bleich in den Kissen lag. >Kennt sie Edward etwa?< Sich weiter voll auf die Arbeit konzentrierend schüttelte er den Kopf und machte sich daran, eine geeignete Vene zu finden, die er für die lebensrettende, die über das weitere Schicksal des Jungen bestimmende Infusion benötigte. „Ich hoffe, dass dieses Medikament sein Fieber senkt, auch wenn dieses schon sehr hoch ist“, sprach Matthew Brown ruhig weiter, sich nun direkt an den Colonel wendend, der sich mit einer schuldbewussten Miene einige Meter zurück in das Halbdunkel verzogen hatte.

„Soll ich Ihnen erklären, warum ich eben so wütend auf Sie gewesen bin, Colonel Mustang?“, kam der Arzt ohne Umschweife zur Sache. Leicht mit einer Augenbraue in der Höhe, blickte der Angesprochene fragend in Richtung des Mediziners. Seine Hände, die er verlegen in die Taschen gesteckt hatte, zog er nun wieder hervor.

„Es ist mir unerklärlich, warum Sie nicht bereits einen meiner Kollegen zu Rate gezogen haben. Fieber ist kein Zustand, den nur ein Chefarzt, wie ich es einer bin, behandeln kann. Jeder der jungen Doktoren hätte Ihnen das Gleiche gesagt und genauso gehandelt, wie ich es jetzt tue“, erklärte der freundliche, alte Herr mit einer stoischen Ruhe, die einen schier erstaunte, während er mit einem Pflaster, das er auf den Arm des hustenden Jungen drückte, die Kanüle befestigte. Danach betätigte er das Rädchen für die Laufgeschwindigkeit der Flüssigkeit, die sofort langsam, Tropfen für Tropfen, in den Blutkreislauf des Blonden eindrang. Als er dies erledigt hatte, drehte er sich mit einem geschmeidigen Ruck um, betrachtete fast kühl den Flame Alchemisten, der sich unter dem stechenden Blick wand wie ein Aal und seine schwarzen Augen von denen des Doktors abwandte. „Hätten Sie von Anfang an richtig gehandelt und schneller reagiert, dann müsste ich Ihnen allen jetzt nicht erzählen, dass es für Edward fast zu spät ist.“ Nachdem er diesen einen Satz ausgesprochen hatte, wurde es für Sekunden totenstill im Zimmer. Bis auf das leise Schluchzen des stählernen Kindes, das sich auf einmal in ein lautes Weinen verwandelte, das herzzerreißend und voller Klage war. Mit brüderlicher Hingabe strich er dem Älteren sanft die klatschnassen, golddumpfen Haarsträhnen aus dem erhitzten Gesicht, die ihm bei jeder Bewegung wieder in die Stirn fielen.

Matthew Brown verzog traurig und kummervoll sein Leid durchfurchtes Antlitz, es schmerzte ihn sehr, Alphonse so leiden sehen zu müssen, aber er hielt es für richtig, hier und jetzt seinen Unmut über die Sache kundzutun. „Ist das Fieber...ich meine, hat das Fieber sein Herz angegriffen?“ unterbrach die hübsche Blondine besorgt den Mediziner. „Entschuldigen Sie meine dumme Frage, aber ich verstehe nicht viel von Medizin, aber bei meinem Vater ist es damals so gewesen“, erklärte sie beinahe schüchtern und knetete verlegen ihre weichen Finger, die wegen der Nervosität, die in ihrem Inneren herrschte, wie eine dunkle Glut, leicht feucht wurden.

Währenddessen blickte der grauhaarige Mediziner auf die leise tickende Uhr, die an der Wand hing und schätzte genau die Zeit ab, wie lange die lebensrettende Infusion benötigen würde. „Ich habe es schneller gestellt als üblich, Schwester Miranda, in einer Stunde müsste die Flasche leer sein. Bereiten Sie dann bitte noch mal dasselbe vor, nur zur Vorsicht, denn ich glaube nicht, dass dies ausreicht“, wandte sich sein Augenmerk an die schwarzhaarige, junge Frau, die den Blonden besorgt ansah, aber leicht, um anzudeuten, dass sie verstanden hatte, mit dem Kopf nickte. „Hai!“, wisperte ihre angenehm klingende Stimme, sanft wie ein kleiner murmelnder Bach im Frühling. Matthew lächelte warm. „Arigato.“ schlug er die Augenlider dankbar nieder, bevor die Krankenschwester das Zimmer verließ.

Leise seufzte der alte Herr bekümmert auf, drehte sich dann zu dem First Lieutnant herum und musterte sie mit ruhigen, braunen Augen. „Entschuldigen Sie bitte, Lieutenant, dass ich nicht gleich ihre Frage beantwortet habe“, Riza winkte sofort ab und gab mit einem Kopfschütteln zu verstehen, dass es ihr nichts ausmachte, zu warten. „Nun, sein Herz wurde durch das Fieber nicht in Mitleidenschaft gezogen. Ich nehme an, ihr Vater hat einen grippalen Infekt verschleppt, in Einzelfällen erleiden manche Menschen einen derben Rückfall. Das aufkommende Fieber kann dann tatsächlich den Herzmuskel schwächen, ohne Behandlung führt dies irgendwann zum Tode.“ Ein finsterer Schatten verdunkelte die schönen, leuchtenden rotbraunen Augen der hübschen Frau, als der Arzt ihr diese Dinge genau geschildert hatte. Leicht glitt ihr Geist in die Vergangenheit, zu ihrem Vater, den sie mehr als alles geliebt hatte.

Riza konnte sich noch gut daran erinnern, dass ihr Vater an einer äußerst schweren Erkältung gelitten hatte, aber nichts destotrotz fleißig für seine Familie und ihren Unterhalt weiter arbeitete. „Du solltest dich ausruhen, mein Lieber…“, hörte die Blondine die tadelnde Stimme ihrer Mutter, die ihrem Ehemann mit einer warmherzigen Art über die Schulter strich. „Ach, ist doch nur eine kleine Verkühlung, die ist schnell auskuriert!“, lachte der überaus attraktive und freundliche Mann seine kleine Frau an, schmiegte seine Stirn an ihre, wuschelte seiner Tochter über die zerzausten Haare und zwinkerte ihr fröhlich zu. Keiner konnte den arbeitsamen Mann von seiner Arbeit, die er von Herzen liebte, genauso wie seine Familie, abhalten. Einige Wochen später, als es ihm scheinbar besser ging und er gerade draußen die Pferde striegelte, packte er sich röchelnd an sein Herz und brach ohnmächtig zusammen. „Papa!“ wimmerte die junge Frau herzzerreißend, sie hatte ihm geholfen, da sie gerade Ferien von ihrer Ausbildung hatte. Durch den Lärm aufgeschreckt, war ihre Mutter hinausgeeilt, hatte sich zu ihrem Mann hingekniet und mit Schrecken erkannt, dass kein Fünkchen Leben mehr in dem Körper ihres geliebten Ehemanns war. Schluchzend hatten sich die beiden Frauen aneinander festgehalten, bis ein benachbarter Freund den Arzt gerufen hatte, der, wie ihre Mutter, nur noch den endgültigen Tod des freundlichen Mannes feststellen konnte.

Gerne hätte Riza ihrem Vater, der keine Söhne hatte, bewiesen, was alles in ihr steckte und dass auch eine Frau ihren Mann im Militär stehen konnte, doch das hatte er niemals erlebt. >Du bist viel zu früh von uns gegangen, o-too-san< Traurig fuhr sich die Uniformierte über die müden Augen, die aber vor leichtem Schreck hellwach wurden, als die warme Stimme des alten Mediziners an ihr Ohr drang. „Wenn Sie alle in der Schule richtig aufgepasst haben, dann müssten Sie eigentlich wissen, was geschieht, wenn die Körpertemperatur des Menschen ins Lebensbedrohliche steigt.“ Er hielt einen Moment inne, sah in die Gesichter der Anwesenden, doch keiner gab ihm eine Antwort darauf. Mit einem sehr erschöpft klingenden Seufzen kratzte er sich kurz durch sein schütteres Haar, einige Strähnen legten sich müde über seine braunen Augen. Leise fuhr der Grauhaarige fort: „Die roten Blutkörperchen beginnen, sich zu verklumpen. Natürlich kann aus diesem Grunde das Blut nicht mehr ungehindert durch die Gefäße fließen. Folge dessen sind oft Herzversagen, Hirnschäden oder auch Schäden des zentralen Nervensystems.“ Entsetzt nach dieser Erklärung sogen alle heftig die Luft ein, das leise Wimmern des stählernen Kindes wurde stockend und quälend, als würde ein unbekannte Kraft seine metallene Kehle unbarmherzig zudrücken. Der onyxfarbene Blick des blau uniformierten Colonels wandte sich dem blonden Jungen zu, aus der Iris stahl sich eine nie da gewesene Bitterkeit, die seinen ganzen Körper durchzog. Die Zukunft von Edward war ungewiss, durch sein Verschulden würde vielleicht dieser fröhliche Bursche, der sich jedes Mal über ihn ärgerte, sterben…aber hatte er nicht einem Freund versprochen, auf die Beiden aufzupassen. >Habe ich nun mein Wort gebrochen?< Vor seinem inneren Auge wurde ein Mann mit blondem, langem Haar sichtbar, der ihn milde mit goldener Iris betrachtete. Sein aristokratisch wirkendes Gesicht wurde für einige Sekunden traurig, bevor das Bild vollkommen verwischte und der grausamen Wirklichkeit Platz machte.

Riza Hawkeye hatte sich vor lauter Entsetzen die feine Hand auf die roten Lippen geschlagen, nachdem die Worte des Arztes ihre ungläubigen Sinne erreichten. Sie liebte die beiden Jungen sehr, wie Brüder, die sie nie gehabt hatte. Es schmerzte sie bis in die tiefste Seele, dass nun der Ältere der Beiden sterben oder nie rückgängig zu machende Schäden davon tragen könnte. >Edward…Alphonse< auf leisen Samtpfoten schlichen die Tränen heran und standen schon kurz davor, die Festung zu erobern und ihre salzigen Fluten über die weichen Wangen streichen zu lassen. Aber Riza wollte jetzt nicht weinen, sie wollte stark sein, für Alphonse, der sie nun mehr als alles andere brauchte. Liebevoll und mitfühlend beugte sie sich zu dem stählernen Gigant hinunter, der, wie wenn ein eisigkalter Sturm durch seine Seele fegte, zitterte und sich mit gebrochenem Herzen an die Hand seines älteren Bruders klammerte. Die junge Frau streichelte tröstend über Al’s metallenes Bein, sie wollte ihm zeigen, dass er nicht allein mit seiner Qual war.

„Wir können jetzt nur noch warten und hoffen, dass Edward stark genug ist, um auch diesem hier stand zu halten; die kommende Nacht wird über sein ungewisses Schicksal entscheiden“, wie durch eine dicke Schneeschicht hörte Alphonse den Doktor dieses sagen. Alles was den Mund des Chefarztes danach verließ, schien an einer undurchdringlichen, dicken und finsteren Mauer abzuprallen, die der Junge um sich herum aufgebaut hatte. Schwarze Wolken schmiegten sich sanft, aber hartnäckig an die Sinne des Kindes, erfreuten sich an seiner aufsteigenden Wut und lockten noch mehr von diesem Gefühl aus dem Stählernen. Einige Satzbrocken des Mediziners huschten an seinem Ohr vorbei, wie kleine flinke Mäuse eilten sie durch das Gehirn von Al. „Ich bitte Sie nun zu gehen, jeglicher Kontakt mit anderen Menschen könnte dem angegriffenen Immunsystem schaden, da sie potentielle Krankheitsüberträger sein können. Das Mittel, das nun durch den Körper von Edward fließt, senkt zwar das hohe Fieber, aber es stärkt leider nicht sein System, dass bei jeder noch so kleinen Berührung ausfallen kann.“

Die Wörter flogen an dem stählernen Jungen vorbei, wie Blätter im Herbst, die leise von den Bäumen stürzten und vom kalten Wind davon gewirbelt wurden. Eine nie gekannte Wut, angefacht von den leise kichernden, grauschwarzen Wolken, die seine Sinne benebelten, durchdrang seinen Geist und sein Herz, ließ ihn blind werden für andere Gefühlsregungen. Finstere Fratzen mit rot glühenden, höllischen Augen, die gefährlichen Bestien glichen, hüllten die Freundlichkeit und Barmherzigkeit, die sonst das gute Herz des Jungen beherrschte, gänzlich ein und erstickten sie. Eine unverheißungsvolle Düsternis und Bitterkeit kam, wie ein Dieb aus finsterer Nacht, zu dem Koloss und richtete in seinem kindlichen Gemüt einen unverstellbaren Schäden an, tiefe Wunden rissen diese inneren Regungen und hinterließen einen nicht mehr gutzumachenden Schaden. Die leuchtendroten Augen des metallenen Jungen flackerten wild und zornig in der Dunkelheit auf, wanderten langsam an die Stelle des Beines, an dem die zarte Hand mit den feingliedrigen Fingern der blonden Frau lag. Ganz tief in seiner Seele wusste Alphonse nur zu gut, das Riza das nur tat, weil sie ihn und seinen nii-san mochte, doch die tollwütige Wut, die in seinem Inneren pulsierte, wie Lava in einem Vulkan, der bald ausbrach, loderte sie wie eine helle Flamme auf und verschlang alles was ihren Weg kreuzte.

Grob packte er die warme Hand des First Lieutnant und stieß die verblüffte und fragend dreinschaue Blondine rücksichtslos von sich. Mit einem heiseren Schrei, der mehr erschrocken als entsetzt klang, fiel sie nach hinten und stieß sich den Kopf seitlich an dem kleinen Tisch, auf dem das Flämmchen der Kerze nun unruhig zitterte und fast erlosch, wie vielleicht das Leben des kleinen Alchemisten. Aufgrund der Erschütterung tropfte heißes Wachs auf den Nachttisch und besprenkelte auch die weichen Haare der jungen Frau damit. Sehr schockiert und leicht zittrig kam Riza Hawkeye langsam wieder auf die Beine, die sich unter ihrem Gewicht wie Wackelpudding anfühlten. Sie spürte an ihrer Schläfe eine warme Flüssigkeit, die unaufhaltsam nach unten wanderte, in den Kragen ihrer Uniform. Doch das interessierte die blonde Frau nicht, sie starrte mit schreckgeweiteten Pupillen auf die metallene Hand von Alphonse, die immer noch drohend erhoben war.

„Riza!“ entfuhr es dem Colonel entsetzt, als er das soeben Geschehene fassungslos und ungläubig mit ansah. Einige Sekunden später lag seine schwarze Iris auf der blutenden Wunde der jungen Frau, Angst erfüllte sein Herz und Besorgnis umspülte seine Seele, wie die seichten Wellen den weißen Strand. Schon wollte er zu ihr eilen, als sich ein Arm gleich einer Eisenbahnschranke vor seinen Körper schob und ihn somit aufhielt. Mit verdutzt hochgezogenen Augenbrauen blickte der Schwarzhaarige an sich herab. Der alte Mann hatte sich wie eine undurchdringliche Mauer vor ihn gestellt, so dass er nicht zu seiner Untergebenen eilen konnte. Schon blitzten die charismatischen Augen des jungen Mannes auf, sein Mund öffnete sich schon, um den Grauhaarigen zurechtzuweisen, auch wenn das hieße, sich erneuten Ärger einzuhandeln. Aber als Roy Mustang in die tiefbraune Iris des Doktors starrte, die ernst dreinblickten, hielt er erstaunt inne. „Warten Sie, Colonel“, bat der Ältere den Jüngeren leise um Geduld. „Sehen wir erst, was geschieht.“ „Was?“, entfuhr es dem uniformierten Mann zornig und etwas zu laut, bevor er sich mit einem unruhigen Räuspern ein wenig zurücknahm. „Soll ich etwa tatenlos zusehen, wie er Hawkeye zermalmt? Er scheint verrückt geworden zu sein!“ Eine nie gekannte Besorgnis zerfraß sein Herz, biss große Stücke aus seiner Seele, als er die Blonde ansah, die vollkommen verängstigt auf dem Boden kauerte, da ihre Beine sie nicht mehr tragen konnten. Ihre Hände hielt sie schützend vor ihr zartes Gesicht, das kummervoll verzerrt war.

Der Doktor runzelte die Stirn, die leichte Wellen wie die Dünen des heißen, staubigen Sandes schlug und betrachtete den schwarzhaarigen Uniformierten, der sich nur sehr schwer zurückhalten ließ. Innerlich schmunzelte der Braunäugige warm auf, scheinbar empfand der Colonel mehr als nur kameradschaftliche Zuneigung zu seinem First Lieutnant, auch wenn er es selber noch nicht begriffen hatte. >Tja, Liebe kann wirklich blind machen< dachte er aufseufzend und lehnte sich mit all seiner Kraft, die sein kleiner, vom Alter gebeugter Körper hergab gegen den hoch gewachsenen, muskulös gebauten Mann, der nun mit Händen und Füßen versuchte, sich an dem Älteren vorbeizudrängeln.
 

Riza legte eine Hand auf die Platzwunde und strich vorsichtig darüber. Warm und feucht klebte es an ihren Händen, eine Wunde die äußerlich, aber vielleicht innerlich nie heilen würde. Immer noch starrten ihre sonst so schön glänzenden, doch seit den letzten Minuten trübe gewordenen Augen das stählerne Kind an. Zutiefst geschockt verengten sich die schmerzerfüllten Pupillen der jungen Frau.

„Al-...Alphonse...“, kam es wispernd über ihre zitternden, aufgesprungenen Lippen, doch der Angesprochene hielt sich nur leise wehklagend den metallenen Kopf und taumelte wie ein Betrunkener haltlos durchs Zimmer. Die grellen elektrischen Zungen leckten zum Boden hinab und ließen ihn erbeben. Das Licht, dass von ihnen ausging, brach sich gleißend an der Rüstung, kleine Funkenreflexe spiegelten sich an den weißen Wänden wider.

„Warum?“ wimmerte der stählerne Koloss keuchend auf. „Wieso? Wieso geschieht das alles?“ Halt suchend griff seine Stahlhand nach dem kleinen Nachtisch, der durch das Gewicht des Jungen erbärmlich aufquietschte. Vor diesem hölzernen Gegenstand kniete First Lieutnant Hawkeye, die sehr unsicher zu der schluchzenden Kreatur hinaufblickte und seinem rot lodernden Augen, die sie an eine abscheuliche Bestie erinnerte, begegnete. Ein eiskalter Schauer, der sie an ein Bad in einem arktischen See erinnerte, kitzelte ihr Rückgrat und machte es fast taub.

„Wieso, Lieutenant? Wieso musste es soweit kommen?“ Sein weich kindlicher Ton klang anklagend, wie grollender Donner, der nach einer heftigen Blitzattacke seine wütende Stimme erhob. Sie zitterte, wie ein Blatt, das von einer tollwütigen Böe erfasst und von ihrem gemeinen Spiel herumgewirbelt wurde.

Stumm erwiderte Riza den Blick des metallenen Jungen und langsam senkte sich ihr Haupt gen Boden. Die Schuld, die auf ihren Schultern lag, lastete zentnerschwer darauf. „Warum muss er so leiden, warum?“ Seine metallisch klingende Stimme wurde hart wie Granit. Die blonde Frau zuckte heftig zusammen, als die liebevolle Naivität aus seinem Ton verschwunden war.

Alphonse spürte wie ihn der Anblick der jungen Frau nur noch zorniger machte. Ihr Schweigen ließ die heiß brodelnde Wut in seinem Herzen noch weiter aufsteigen, bis sie wie eine feurige Fontäne über den Rand sprudelte und die Oberfläche mit glühender Lava eindeckte und mit ihr gänzlich verschmolz. Ungehalten und vor Wut zitternd packte der Stählerne nach einem der Beine des kleinen Tisches. Bebend knackte das Holz unter dem Griff, dass es sich fast so anhörte, als würde ein sterbender Mensch aufschreien. Im hohen Bogen warf die metallene Kreatur den Tisch auf die Seite. Die helle Flamme der beinahe heruntergebrannten Kerze, die sich gerade von dem letzten Stoß beruhigt hatte, wurde ihres kurzen Lebens beraubt und zischend, leise wehklagend verstarb sie. Ein sehr erschrockener Aufschrei erschallte. Mit einem Male war es stockfinster in dem Zimmer, nur die ebenso zornigen, wie gefährlichen Blitze am Firmament erleuchten im Sekundentakt den Raum und warfen unheimliche Schatten an die Wand, die unruhig im Takt des Donners aufzitterten und wie lebende Puppen im Raum umherhuschten. Alarmiert verspannte sich die ganze Muskulatur des Schwarzhaarigen, seine scharfen Pupillen verengten sich zu Schlitzen, als er die schluchzenden Laute des stählernen Jungen vernahm, der im Halbdunkel mit voller Wucht gegen den Kleiderschrank stieß und an dem bedauernswerten hölzernen Geschöpf eine riesige Delle hinterließ. Das blasse und verweinte Gesicht der blonden Frau, das in den elektrischen Zungen gespenstisch erhellt wurde, zuckte schmerzverzerrt auf. Roy wusste nicht, ob es wegen der körperlichen oder der inneren Qual war, die in der leidenden Seele von Riza herrschte. Aber eines wusste er ganz gewiss, diese Frau würde er mit seinem Leben beschützen, koste es was es wolle! Der grauhaarige Mann, der vor ihm stand und den Arm des Colonels festhielt, merkte wohl die Unruhe in seinem Herzen, denn die schon betagten Muskeln spannten sich noch mehr und mit einer bemerkenswerten Kraft hielten sie den Jüngeren an Ort und Stelle. „Lassen Sie den Jungen, lassen Sie uns hören, was er zu sagen hat, ich bitte Sie, Colonel“, raunte die warme Stimme des Älteren in das Ohr des schwarzhaarigen Uniformierten. Verstört starrte Mustang in die braunen Augen des freundlichen Arztes, der ruhig nickte. Diese Geste beruhigte ein wenig das Herz des aufgebrachten Uniformierten und seine Glieder entspannten sich leicht. >Was meint Doktor Brown damit? Was soll Alphonse zu sagen haben? Was ist überhaupt mit ihm los?< Diese Fragen und ähnliche schossen durch den Geist des Schwarzhaarigen. Doch die Antworten bekam er nicht präsentiert, eine beunruhigende Stille herrschte in seinen aufgewühlten Sinnen. >Das Einzige, was für mich nun wichtig ist, ist die Sicherheit von Riza!<

Die junge Frau kniete immer noch vor dem zertrümmerten Tisch, ihr weiches Antlitz war von Betroffenheit gezeichnet, die Wangen überströmt von glitzernden Tränen, die unaufhaltsam ihren Hals herunter rannen. Ihre rotbraune Iris sah den schluchzenden Koloss an, der voller Pein auf den antiken Kleiderschrank einhämmerte, bis dieser mit einem wimmernden Wehklagen zersplitterte. Die kleinen und großen Holzstücke klackten leise auf den Boden und zerbrachen mit einem hauchzarten Knirschen unter den Füßen des metallenen Giganten.

Hawkeyes Seele zerbrach fast an dem Anblick von Alphonse, der so unendlich verzweifelt und ohne jegliche Hoffnung in seinem Herzen war. Jeder Schluchzer des Kindes schnitt tief in ihr Herz und hinterließ eine blutende, tiefe Wunde.

„Al-kun..., bitte, es tut mir so leid, was geschehen ist, könnte ich es rückgängig machen, ich würde es, das musst du mir glauben, hörst...“, sofort wurde sie von dem metallenen Jungen zornig unterbrochen, der sie mit starren und fast emotionslosen Augen anblickte. „Halten Sie den Mund!“ schrie er verzweifelt und grub seine Faust noch tiefer in das morsche Holz des alten Schrankes, der mit einem leisen Keuchen sein Leben hingab und für immer verstummte. Die kleinen Splitter klatschten leise wie feiner Sprühregen auf den Boden und einige trafen die Gestalt der hübschen Blondine mit ihren spitzen Kanten, die sie glücklicherweise nicht verletzten. Sie wagte nicht ein Glied zu rühren, vielleicht aus Angst oder weil sie ihre Kräfte sammeln wollte. Der Atem des stählernen Jungen ging zischend und laut wie eine tobende Höllenbestie, die sich durch sein Innerstes durchfraß. Langsam zog er seine metallene Hand aus dem Holz, das ohne einen Laut von sich zu geben zu Boden tröpfelte, wie Blut aus einem verletzten Körper. Alphonse Statur baute sich bedrohlich über der jungen Frau auf, die, ohne nur mit der Wimper zu zucken, den Koloss anblickte. Ihre sanften Augen waren klar und ohne Furcht in die rote Iris den Jüngeren gerichtet, der sie voller Wut, Pein und Qual anstarrte. „Reden! Das ist alles, was ihr Erwachsenen könnt!“, drang seine zornverzerrte Stimme an ihr Ohr, die sie trafen wie glühend heiße Nadeln. „Warum haben Sie nicht gehandelt? Wieso hat keiner von ihnen eher Hilfe geholt? Ging es ihm dazu etwa nicht schlecht genug? Oder liegt es daran, Colonel“, mit diesen wuterfüllten Worten wandte er sich leicht zu dem Flame Alchemisten hinüber und starrte mit böse funkelnden Augen in seine onyxfarbenen Pupillen. „…dass Sie meinen Bruder nicht wirklich leiden können und es Ihnen eh nicht viel bedeutet, ob er am Leben ist oder stirbt?“ Tief getroffen, als würde ihm Jemand einen giftigen Dolch ins Herz treiben, zuckte der Schwarzhaarige zusammen und krümmte sich fast wie ein tödlich getroffenes Tier, in dem eine scharfe Pfeilspitze steckte, nachdem er die grausam verletzenden Dinge aus dem stählernen Mund des Kindes hörte. Fassungslos und zu keiner Bewegung fähig stierte er Alphonse an. Langsam klappten seine fein geschwungenen Lippen auseinander, aber kein einziger Ton entwich diesem, die Worte, die er sagen wollte, blieben wie trockene Kekskrümel in seinem rauen Hals stecken. „Darauf wissen Sie keine Antwort, wie ich sehe, taisa“, triumphierend leuchteten die roten Augen fast irrsinnig auf, leichte Schauer kitzelten wie ein forschendes Bein einer Spinne den Rücken des hübsch gewachsenen Uniformierten hinunter. „Anfangs, als Sie meinen Bruder und mich kennen lernten, war er für sie hochinteressant, nicht wahr?“, konfrontierte der Stahlgigant den Colonel mit der längst vergessenen Vergangenheit, die immer noch wie ein schweres, blutverschmiertes Beil über allem schwebte und doch frisch, fast lebhaft war, als wäre dies erst vor wenigen Tagen geschehen. „Ein Zehnjähriger, dessen alchemistische Kraft sich problemlos mit der eines Erwachsenen messen konnte, das war für sie doch die Entdeckung schlechthin. Und auch noch ein Sohn Hohenheims. Diesen Jungen mussten Sie für sich gewinnen, das stand außer Frage, hab ich nicht recht, Colonel?“ Die Stimme des stählernen Jungen war eisiger als die kältesten Nordwinde, die im Winter über das klirrende Land fegten und alles Leben in einem Zug auslöschen konnten. Ungerührt sprach Alphonse weiter, sachgemäß ignorierte er die völlig fassungslosen Blicke der beiden Uniformierten. Der einzige, der in dieser Sache noch einigermaßen gefasst wirkte, war der grauhaarige, immer freundlich wirkende Herr. Er war nicht überrascht, das aus dem stählernen Mund des Kindes zu hören, zu viel hatte Alphonse gelitten um nun noch ruhig zu bleiben.

Selbst der kreischende, tobsüchtige Sturm hielt seinen Atem an, als wäre er gespannt, was Al noch zu sagen hatte, denn auf einmal wurde es still, nur ganz leise wisperten die kalten Böen um das Gebäude herum und entlockten jeder Mauerritze ein Wehklagen, das einen an eine weinende Maid erinnerte, die um ihren Liebsten trauerte. „Und mein lieber Bruder ließ sich auch noch auf das Militär ein, in der Hoffnung, dort an weitere Informationen zu kommen, was unser Schicksal betraf. O-baa-san warnte ihn eindringlich, erklärte ihm, was es bedeuten würde, ein States Alchemist zu sein, doch er ließ sich von seinem Plan nicht abbringen. Ihm war nur eins wichtig; er wollte dafür sorgen, dass ich meinen Körper zurückerlangte, seine verlorenen Gliedmaßen waren für ihn zweitrangig. Er fühlte sich schuldig an meiner Situation und wollte alles wieder gutmachen. Ich habe ihn nur aus einem Grund begleitet und zwar, weil ich mich um ihn sorgte. Ich wollte an seiner Seite sein, ihn beschützen, wenn er in Not oder Bedrängnis war, dabei bin ich doch eigentlich der Jüngere von uns Beiden und nicht er. Trotz allem gerät er ständig in Schwierigkeiten, während ich versuche, ihnen aus dem Weg zu gehen.“ Kurz verstummte das kalte Rauschen in Alphonses Stimme, das wie ein kalter Novembertag erklang und die Leute unwillkürlich erschaudern ließ. Liebevoll lagen die rot glänzenden Augen, die einem See voller süßer Himbeeren glich, auf dem Körper des Älteren, der erschöpft im Schlaf zusammenzuckte. Im Sekundentakt glitzerte leise die lebensspendende Flüssigkeit durch die roten Venen des kleinen Alchemisten, jeder Tropfen war etwas Besonderes, denn durch sie würde Edward wieder gesund werden, der nun nicht mehr dem lebhaften, quirligen Jungen glich, mit dem Alphonse über die Wiesen von Rizenbuhl gestreift war, mit ihm gelacht und gestritten hatte. „Wir beide sind eins, er und ich. Nach dem Tod unserer Mutter haben wir uns geschworen, dass der eine den anderen niemals verlässt, egal, was geschieht. Doch jetzt...“, der ruhige, aber verzweifelte Ton wurde todtraurig, als würden die Sorgen der ganzen Welt auf den Schultern des Stählernen lasten, an denen er immer mehr und mehr zerbrach. Sein weicher, dennoch gequälter Blick wandte sich seinem Bruder zu, „…scheint es, als wollte mir etwas meinen nii-san nehmen, ihn mir entreißen, für immer und ewig.“ Eine gehaltvolle Pause entstand, die Stille, die einen bis zum Boden drückte, machte das Atmen unerträglich. Plötzlich starrte der stählerne Junge auf den Flame Alchemisten, fast hasserfüllt funkelten die roten Augen, die nun das Aussehen einer wilden Bestie hatten. Hell wie die Feuerbrünste der Hölle leuchtete die Iris des wütenden Kindes und machte das Gefühl der Beklemmung, das in dem jungen Schwarzhaarigen herrschte, noch um einiges tiefgehender. „Warum sind Sie damals in unser Leben getreten, Colonel? Konnten Sie uns nicht in Frieden lassen? Wissen Sie eigentlich, was Sie meinem Bruder alles damit angetan haben, nachdem er Ihrem Ruf gefolgt ist? Er war noch ein Kind, so wie ich auch noch eines bin, als er die Prüfung bestanden hat. Die Dinge, die er in der kurzen Zeit gesehen hat, der Tod der kleinen Nina, der Psychoterror durch die Homunculi, sind Sie da wirklich der Meinung, dass man all das einer so jungen Seele zumuten kann?!“ Seine Hände zu Fäusten geballt, die Arme zitternd wie Espenlaub, wartete er auf eine Antwort von Colonel Mustang, aber diese blieb aus. Kein noch so leiser Laut kam über die Lippen des jungen Mannes, zwar öffnete er den Mund, aber was sollte er dem Kind denn sagen?

Das leise Lachen des metallenen Jungen klang mehr als verbittert, schleichend kam das böswillige Gift aus seinem stählernen Käfig hervor und überzog den Raum mit seinem gefährlichen Atem. „Immer noch sprachlos, Colonel? Ist schon eigenartig, dass sie so etwas aus der Fassung bringt, nicht war?! Dabei dachte ich, Sie seien ein Mann ohne Herz. Laufen blind durch die Gegend und merken nicht einmal, dass Lieutenant Hawke...“ „Hör auf, Alphonse, ich bitte dich…hör auf…“, unterbrach ihn die traurig zerrissene Stimme der hübschen jungen Frau, deren goldblonde Haare ihr wirr ins Gesicht fielen, Tränenspuren vermischten sich mit dem roten Lebenssaft und drangen unaufhaltsam in den schon feucht gewordenen Kragen der Uniform, der sich langsam rot färbte. Erschöpft richtete sie sich halbwegs auf und wischte flink ihre rot glänzendenTränen von den Wangen. Der Rüstung verschlug es fast die Sprache, als er dem todtraurigen Blick Rizas begegnete. Eine leichte Reue packte sein verwundetes Herz, diese wurde aber von der allesverzehrenden Wut erneut unterdrückt und langsam erstickt. Schluchzend rang die Blonde um Fassung, immer wieder rannen unzählige kleine Tränchen von ihren samtigweichen Wangen, die sich vom Weinen rötlich verfärbten. Ihre Stimme zitterte hörbar, wie ein kleines Blatt, dass dem böswilligen Wind schutzlos ausgeliefert war und im nächsten Augenblick zerstückelt werden könnte. Sie versuchte, den kochend heißen Zorn, der sich in das Denken und Handeln von Alphonse hineingefressen hatte, zu lindern. Ihre Stimme war unsagbar sanft und eine wärmende Güte lag in ihrem Ton. „Al-chan, hör mir zu, bitte!“ flüsterte sie flehend, als sie bemerkte, wie die zornesglühenden Augen des Kindes noch furchteinflößender wurden. „Niemand von uns hat deinem Bruder jemals etwas Böses gewollt, am wenigsten der Colonel. Genauso wie ihr Zwei hat auch er sich nichts Sehnlicheres gewünscht, als dass ihr eines Tages euer Ziel erreicht. Was glaubst du, warum er euch immer in die entlegensten Regionen geschickt hat und euch mit den eigenartigsten Aufträgen bestückt hat? Damit ihr so viele Informationen wie nur möglich über den Stein der Weisen sammeln könnt. Und dass es nun so schlecht um ihn steht, das hat sich keiner von uns gewünscht, im Gegenteil. Sicher, wir hätten eher einen Arzt informieren sollen, da gebe ich Doktor Brown vollkommen Recht und mir“, ihr rotbraunen Blick wandte sich ihrem Vorgesetzten zu, der sie leicht nickend betrachtete. Sie korrigierte sich schnell und redete hastig weiter. „…uns trifft da, denke ich, auch die volle Schuld, aber glaubst du, Al, dein Bruder hätte es gewollt, dass wir uns alle jetzt hier halb zerfleischen? Ich glaube kaum. Wollen wir uns nicht wieder vertragen?“ Zögerlich, leicht ängstlich reichte sie ihm ihre weiche Hand, die vom Blut und den Tränen verschmiert war. Aufgrund dessen nahm sie sie wieder zurück, suchte in ihrer Tasche nach einem Tuch, mit dem sie sich die Verunreinigungen abwischte. Danach reichte sie ihm mit einem zarten, äußerst liebevollen Lächeln, dass aber nicht so sicher wirkte, wie man es von ihr kannte, erneut ihre warme Hand entgegen, in der Hoffnung, dass Alphonse sie friedlich annehmen würde. Doch damit kam sie bei ihm an die falsche Adresse oder anders gesagt, sie hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht, der sie nun noch feindseliger anstarrte, als er es ohnehin schon tat. Mit einem äußerst wütenden Fauchen, wie von einer böswilligen Katze, schlug der metallene Junge den Arm der hübschen Frau beiseite und wandte sich, ohne ein weiteres Kommentar abzugeben, Richtung Türe. Schon legte sich die stählerne Hand auf den Türknauf und drückte ihn bereits herunter, als sich etwas auf seinen Arm legte, ihn fest packte und zurückhielt. Der lodernde Unmut gegen alles und jeden erfüllte seine Seele bis zum Rand, die letzten Tropfen, die das Fass zum Überlaufen brachten, plätscherten mit fröhlichem Glucksen hinein. Mit einem bestialischen Knurren, das seiner stählernen Kehle entwich, drehte er sich ruckartig um. „Lassen Sie mich gefälligst in…“, seine Bewegungen erstarrten, als er ungläubig in die onyxfarbenen Augen des Colonels stierte, der sich mit aller Kraft an ihm festklammerte. Roy Mustang hing an ihm wie der Hund am Knochen, der ihn keinesfalls freigeben wollte. In seinen schwarzen Pupillen loderte ein Feuer, das dem des Jungen gleich kam. Selbstsicher, aber auch beängstigend brannte es lichterloh und so hell, so dass man unwillkürlich die Lider zukneifen musste, um nicht geblendet zu werden. Doch während es bei Alphonse von geblendeter Wut und Zorn genährt wurde, kam es bei Roy tief aus seinem Herzen, das nun frei von Angst und Furcht war, doch ein leiser Hauch seines Gewissens nagte wie eine kleine Maus an einer verbotenen Frucht an ihm, die ihn ein wenig verletzbar machte. Al hatte es doch tatsächlich geschafft, dass er sich für alles Geschehene verantwortlich fühlte, es schmerzte ihn unsäglich und ein bitterer Nachgeschmack klebte an seinem trockenen Gaumen. >Sicher wäre den Beiden nicht so viel Unschönes geschehen, hätte ich damals das unheimlich intensive Licht, welches die Helligkeit der Sonne überstieg, ignoriert, als es sich durch jede noch so kleine Ritze und Winkel des Hauses der beiden Brüder hinausstahl, um in die Freiheit hinaus entlassen zu werden. Doch beide Söhne von Hohenheim zu finden, die auch noch die Rekonstruktion eines menschlichen Wesens überlebt haben, war einfach zu faszinierend für mich, als die Jungs ihrem einfachen Schicksal, auf dem Land aufzuwachsen, zu überlassen. Ich wollte Zeugen dessen sein, wie sie an Erfahrungen wachsen, ob das herausragende Talent und das fast vollkommene Wissen ihres Vaters in ihren Adern fließt oder ob sie dem gar nicht entsprechen.< Vielleicht klang all das ein wenig überheblich und selbstsüchtig, doch würde dass nicht auch ein liebevoller Vater von seinen Kindern denken? >Nathan wäre sicher sehr stolz auf seine beiden Söhne, wenn er erlebt hätte, wie die beiden aus all diesen aussichtslosen Situationen herauskommen, sich mutig der Gefahr stellen und sich tapfer ihren Weg zu ihrem gesteckten Ziel bahnen.<

Seine Gedanken verflüchtigten sich aus diesem bedrückend wirkenden Raum und wanderten hinüber zu einem freundlichen Mann mit aristokratisch feinen Gesichtszügen, der ihn mit lächelnden, fast väterlichen Augen ansah. Ein Mann, der wegen des Krieges seine Familie hatte verlassen müssen; wie es schien, für immer und ewig. Ein schmerzender Stich verletzte seine traurige Seele.

Nach Beendigung der erbitterten Kämpfe gehörte der gutherzige Mann mit den langen blonden Haaren zu den Opfern, die Mutter Natur nie wieder freigeben würde. Von dieser Zeit an, galt Nathaniel Hohenheim als verschollen. Niemand hatte jemals wieder von dem aristokratischen Mann mit den goldenen Augen gehört, geschweige denn gesehen. Für das Militär war sein spurloses Verschwinden ein herber Verlust gewesen…nein, nicht nur für das Militär, auch für seine Familie und Freunde.

Hohenheim-san galt als einer der talentiertesten Alchemisten, die die Welt je hervorgebracht hatte. Durch seinen beispiellosen Einsatz von Mut, Wagnis und Taktik war es auf Seiten des Militärs zu wenigen Verlusten gekommen. >Dank Nathan stehe ich hier in diesem Zimmer, ohne ihn wäre ich nicht mehr am Leben…< Denn es war der bebrillte, freundliche Mann gewesen, der ihn kilometerweit durch die lebensfeindliche Wüste geschleppt hatte, bis zum nächsten Lager, in dem sie vor Erschöpfung zusammengebrochen waren. >Nat und ich waren die einzigen unserer Einheit, die den hinterhältigen Überfall überlebt haben und wir haben uns unterstützend den Weg durch den unendlich weiten und singenden Sand gebahnt.< Nachdem es dem schwarzhaarigen, jungen Mann besser ging, hatte er seinem Freund und Weggefährten versprochen, das Gleiche für ihn zu tun, wenn es einmal dazu kommen sollte. Der bernsteinfarbene Blick lag warm und gütig auf dem Haupt des Schwarzhaarigen. „Nein, aber ich habe eine Bitte an dich, Roy.“ „Alles was du möchtest, Nat. Ich würde alles tun.“ Grinsend nickte der Ältere. Seine golden durchwirkte Iris wandte sich von dem jungen Mann ab und starrte gedankenverloren hinaus in die heiße, glühende Sonne, die ohne Erbarmen auf die Menschen hernieder brannte. „Es geht um meine Söhne.“ „Hai?“ Ein wenig verwirrt blinzelte Roy Mustang seinen blonden Freund an. „Ich verlange nur eines von dir und das ist mir wichtiger als mein eigenes Leben. Wirf ein wachsames Auge auf meine Jungs; sie brauchen jemanden, der ihnen den richtigen Pfad beleuchtet. Und vielleicht…“, Nathaniel schüttelte den Kopf. „Sie wird selbst auf sich aufpassen können…“ „Was…?“ „Vielleicht lernst du sie eines Tages kennen, dann weißt du, was ich damit meine…, aber willst du mir diese Bitte erfüllen?“ „Von Herzen gern!“ Diese Worte klangen noch immer glasklar an die Ohren des Colonels, als wären sie erst gestern ausgesprochen worden. Diese Bitte hatte ihn zwar sehr verwirrt, doch er fragte nicht, da Hohenheim immer wusste, was er sagte oder tat.

Let me go

Alle Worte mit 'klein', die sich auf Edo beziehen, wurden umschrieben oder ganz getilgt XD

Neu: Charainfo über Jean Havoc ^^
 

Let me go
 

Nach diesem Gespräch hatten sich ihre Wege getrennt, leider für immer. Hohenheim und er wurden verschiedenen Bataillons zugeteilt. Keiner wusste oder hörte etwas vom anderen. Erst einige Tage nach dem Krieg hatte sich Roy über den Verbleib seines Kampfgefährten bei seinem Hauptquartier erkundigt. Mit Schrecken hatte er von seinen Vorgesetzten erfahren, dass Hohenheim, der Deep Light Alchemist, nach einer verheerenden Explosion, bei der es viele Tote zu beklagen gab, spurlos verschwunden blieb. Unter den bis zur Unkenntlichkeit verbrannten Leichen hatte man keinen gefunden, der nur im Entferntesten nach ihm aussah. Nur anhand ihrer Habseligkeiten, die nicht den Flammen anheim gefallen waren, hatte man die unglücklichen Seelen identifizieren können, die dem verheerenden Feuer nicht entkommen waren. Glücklicherweise war der blonde, langhaarige Mann nicht unter den Opfern gewesen, aber dennoch war und blieb sein Schicksal ungewiss, das Roy Mustang eine lange Zeit beschäftigte, gerade was seine letzten Worte, die nur für ihn bestimmt waren, anging. >Aber wen hat Nat gemeint mit ‚Sie’?<

Und nun spukte in den zornigheißen aufwallenden Gedanken des metallenen Jungen, an dessen Arm er sich verzweifelt und mit aller Kraft festklammerte, eine vollkommen verdrehte Darstellung der Tatsachen, die Roy Mustang unbedingt richtig stellen musste.

„Alphonse-kun…“, quetschte sich der Schwarzhaarige röchelnd aus seiner geschundenen Lunge, die von der Rüstung fast zerdrückt wurde, da der Angesprochene den Colonel unsanft an die Wand donnerte. Mit finsterglühenden roten Augen starrte Al ihn wütend an, da er keine Anstalten gemacht hatte, ihn ungehindert gehen zu lassen. Ein entsetzter Aufschrei erklang hinter dem stählernen Rücken des Kindes, die Hand mit den feingliedrigen Fingern lag bereits auf dem Revolver, der ruhig im Holster ruhte. Am ganzen Leib zitternd stierte Riza Hawkeye auf das Szenario, das sich ihren fassungslosen Blicken bot. Sie konnte nicht glauben, dass Al, der immer liebevoll und herzensgut war, solche Dinge tat. War das überhaupt noch der kleine Alphonse oder hatten ihn die jetzigen Umstände so verbittert? Eine kleine Stimme in ihrem aufgewühlten Inneren flüsterte ihr leise ein ‚Ja’ zu. >Alphonse…bitte hör auf< schrie sie lautlos. Der grauhaarige Doktor, der neben ihr stand, war vor Schreck einige Schritte zurückgegangen, als sich der stählerne Koloss gleich einer riesigen und tonnenschweren Lokomotive, die alles zermalmte, mit dem Colonel an ihm vorbeischob. Alphonse schien über sein Denken und Handeln keinerlei Kontrolle mehr zu haben, der Zorn und die Sorge um seinen geliebten Bruder beherrschte sein ganzes Sein. Schon wollten der alte Mediziner und die Blonde in das Geschehen eingreifen, um den Flame Alchemisten vor weiterem Schaden zu bewahren, als der Schwarzhaarige sie mit einer raschen Handbewegung zurückwies. Aus dicken Tropfen rann ihm der Schweiß über die Schläfen, als er versuchte, sich aus der festen Umklammerung der Rüstung zu befreien. Dieses Vorhaben gab er aber so schnell wieder auf, wie er es begonnen hatte, da er fühlte, wie sich das Metall tief in seinen Hals drückte und blutige Schrammen hinterließ. „Bleibt, wo ihr seid. Ich regele das selbst“, kam es röchelnd aus der schweratmenden Lunge des Colonels. Sein ganzer Körper verkrampfte sich vor Anspannung, als er bemerkte, wie sich First Lieutnant Hawkeye und Doktor Brown erneut näherten, um ihm zur Hilfe zu kommen.

Mit äußerst besorgten Mienen verharrten die beiden Angesprochenen still auf der Stelle und wechselten gegenseitig nervöse Blicke. Aber was sollten sie tun, da Colonel Mustang es selber regeln wollte? Langsam kamen sogar dem grauhaarigen Arzt Zweifel, ob es gut gewesen war, die Rüstung gewähren zu lassen und ihren aufgestauten Kummer mitzuteilen. Er hatte wissen wollen, was den Stählernen tief in seiner verwundeten Seele bewegte. >Ich habe es für richtig gehalten, dass all das einmal an die Oberfläche kommt, damit er seinen zornigen Unmut gegenüber allen zeigen kann, aber dass nun alles außer Kontrolle gerät…< damit hatte der freundliche, alte Herr wirklich nicht gerechnet. Doch der schwarzhaarige Mann wollte nicht, dass sich er und die blonde Uniformierte in diese Sache einmischten. So konnten sie nur schweigend abwarten und hoffen, dass nicht noch viel Schlimmeres passierte. „Was wollen Sie regeln, taisa?“ Die verbitterte Stimme des metallenen Kindes zitterte vor Wut und Zorn, kalt drang sie aus dem stählernen Körper, klirrend wie das Eis im tiefsten Winter, das die Adern erfrieren ließ und den Leib zum Erstarren brachte. Mit festen, unnachgiebigen Augen fixierte der Flame Alchemist das Antlitz des stählernen Jungen. Im Gegensatz zu dem Koloss, der ihn noch immer an die Wand drückte, sah er klein, zierlich und sehr zerbrechlich aus, doch die Angst um seine sanfte Begleiterin und das anfängliche Bedenken, der Stählerne sei verrückt geworden, waren aus seinem Herzen geschmolzen. >Ich kann dem Jungen beim besten Willen keinerlei Vorwürfe machen, nicht einmal für die Verletzung von Riza.< Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit fühlte er, was in einem anderen Menschen vorging, welche qualvolle Pein dieser in seinem verletzten Herzen trug und das spürte er mehr als ihm lieb war. Der niemals endende Kummer, der das kindliche Gemüt von Alphonse belastete und die zerfressende Sorge um den älteren Bruder, dessen ungewisses Schicksal nun in den Händen der Ärzte lag, die schmerzvolle Enttäuschung über die wahrscheinlich zu späte Hilfe, die grenzenlose Wut über die Unfähigkeit anderer, all das ergoss sich wie eine verpestete Krankheit, die vielleicht niemals heilen würde, über die sorglose Seele des Flame Alchemisten, der wie eine übergroße Stoffpuppe in den stählernen Händen, die sich wie feingeschliffene Klingen in seine Haut drückten, des Jungen hing.

Dieser hob leicht überrascht die breiten Schultern ein wenig an, die verblüfft wirkenden Pupillen weiteten sich, als er die veränderte Mimik im Gesicht des Älteren bemerkte. Sofort nutzte Roy Mustang die Aufmerksamkeit des Jüngeren der Brüder aus, um ihn sanft, aber bestimmt wieder auf seinen Platz zu führen.

„Al, ich weiß, was in dir vorgeht“, seine Stimme war warm, fest und mit einer sanften Güte, mit der er auf den Jungen einredete, so dass Alphonse gar keine Gelegenheit hatte, dazwischen zu reden, da er sofort eine Erklärung nachschob. „Du bist enttäuscht, wütend auf alles und jeden, ganz besonders auf Lieutenant Hawkeye und mich, weil du uns dafür verantwortlich siehst, dass dein Bruder sogar sterben könnte.“ Er machte eine kurze, aber sehr wirkungsvolle Pause, die Worte, die Alphonse vernahm, verwunderte ihn über alle Maßen. „Und ich gebe dir recht mit dem, was du sagst und denkst.“ Langsam neigte er den Kopf auf und ab, um seine Aussage zu bekräftigen. Überraschung machte sich im Denken des Jungen breit, wie weißer, unschuldiger Schnee dämpfte er die anderen Gefühle. Vorsichtig lockerte er den Griff vom Hals des Colonels, der dankbar stöhnend aufatmete. Wenige Sekunden später erhitzte sich die Wut und, mehr noch, die Verzweiflung von Alphonse aufs Neue. „Wollen Sie damit sagen, Sie wüssten, wie ich mich nun fühle?“, die klare Stimme des stählernen Koloss war bitter, gebrochen wie feinstes Porzellan, eine nie gekannte Trauer schwang in ihr mit, die die Anwesenden zu Tränen rührte. „Wollen Sie mir das wirklich weismachen?“

Mit zutiefst entsetztem Blick starrte die blonde Frau auf die beiden unwillkürlichen Kontrahenten, ihre Augen schweiften nervös hin und her. >Taisa hat wirklich sein Bestes gegeben, um Alphonse wieder ein wenig milder zu stimmen, ihn von seiner Wut und seiner unendlichen Traurigkeit zu erlösen…< Doch die letzten Stunden waren zu viel für das liebevolle, gutherzige Herz des Jüngeren gewesen, die Angst und Pein, seinen geliebten Bruder zu verlieren, hatten ihn rasend und wild gemacht. Mehrmals, in sehr kurzen Abständen, war das Leben von Edward auf Messers Schneide gestanden, einmal war sein Herz-Kreislauf-System komplett ausgefallen, das andere Mal lag er fast verblutet in den Armen des Stählernen, der ihn leise weinend beschützend an sich gedrückt hatte. Wie lange würde das Gemüt eines Jungen von vierzehn Jahren diesen schrecklichen Dingen standhalten können, wenn gerade der eine Mensch, mit dem man sein ganzes Leben verbracht hatte, ihn verehrte, liebte und mehr als nur die Gene verband, unter den Händen wegstarb?

Sie wusste sehr genau, dass der eine den anderen vor jeder Gefahr, sogar mit dem eigenen Leben, beschützen würde. Es war nicht vorauszusehen, ob er die Entschuldigungen, die ihr Vorgesetzter vorbrachte, akzeptieren würde, höchstwahrscheinlich nicht, denn Alphonses rote Augen funkelten noch immer mit einer Wut, die einen Menschen verzehren konnte. Aber Riza hütete sich davor, ihrem Colonel etwas davon zu sagen oder ihn zu belehren. Denn eines wusste sie genau, Männer hassten es bevormundet zu werden, am meisten von Frauen.

Betrübnis erfüllte ihr Herz, wie dunkle Schleier vernebelten sie ihre Seele, als sie sah, dass sich Roy Mustang nur immer mehr in Schwierigkeiten brachte, in dem er auf den stählernen Jungen einredete. Tränen des Leids, der Hoffnungslosigkeit und der Trauer um die Bande ihrer Freundschaft schwammen in der schönen rotbraunen Iris, als sie über die rabenschwarze Atmosphäre schweiften. In dem viel zu großen Bett lag laut keuchend Edward, unruhig flackerte das Fieber in seinen Venen, tobte und wütete mit machtvoller, zerstörerischer Kraft, die den Blonden zerfraß. Ganz alleine musste er gegen die Heerscharen des schwarzen Todes kämpfen, nicht einmal die Liebe seines Bruders und seiner Cousine konnten ihm dabei helfen. Ihr Blick glitt zu Doktor Matthew Brown, der weiß gekleidete Stellvertreter Gottes, der über Tod und Leben entschied und ein junger Uniformierter, der von einem metallenen Koloss, der die Seele eines Vierzehnjährigen in sich trug, in Schach gehalten wurde. >Und ich mittendrin…Oh Gott, hilf!<

Wie stumme Zeugen der Unterwelt klackerten die langen, feinen Zweige eines nahe stehenden Baumes an das Glas, quietschend kratzten sie darüber. Das Donnergrollen vertiefte sich, wie bei einer verhungerten Bestie, die nun endlich Fleisch witterte. Der Wind kreischte mit wehklagender Stimme, heulte mit einem weinerlichem Geräusch über die Straßen, knickte die mächtigsten Bäume um, die tödlich getroffen mit einem unbeschreiblichen Ton in die aufgewühlte Erde fielen. Der Sturm schlug wie wuterfüllte Wellen bis an den Rand der Stadt, um nur mit fast doppelter Stärke hämisch an den Ursprungsort zurückzukehren.

„Sie werden niemals erfahren, was in mir vorgeht, Colonel, denn die Welt, in der mein Bruder und ich leben, bleibt einem Erwachsenen wie Ihnen für immer verschlossen.“ Langsam öffneten sich die Hände von Alphonse, so dass der Schwarzhaarige mit einem erleichterten Seufzen erschöpft an der Wand entlang nach unten rutschte. Ein leises Klicken ließ ihn sofort ruckartig aufspringen, als er mit Schrecken sah, wie der Stählerne nach der Türe griff und gerade dabei war, sie zu öffnen. „Al…bitte…“, versuchte er ihn aufzuhalten, ihn davon zu überzeugen, von was auch immer, aber dass er nicht davonging. Die rote Iris starrte ihn kurz an, die zerbrochen war, wie das Glas im Fenster. Nach wenigen Augenblicken schüttelte das metallene Kind bestimmend den Kopf, wandte sich seinem Bruder zu, der sich schwer atmend heftig gegen den kalten Tod wehrte. Ein Schluchzen rang sich aus der stählernen Kehle von Al. „Wenn er stirbt, dann ist mein Leben sinnlos. Auch wenn ich meine nee-san noch habe, ohne nii-san bin ich nur noch ein Schatten, der auf der Welt wandelt, weil mein Herz schlägt. Doch meine Seele ist dann bei meinem Bruder, denn ohne ihn ist mein Leben nicht mehr lebenswert, dann sind alle Hoffnungen, die ich in mir trage, zunichte gemacht. Ich kann nicht mit ansehen, wie er dort liegt. Es tut mir zu sehr weh. Deswegen lassen Sie mich bitte, wenn Sie mich verstehen. Denn dann sollten Sie auch das verstehen. Bitte…“, Alphonse brach ab, wimmernd ballte er die Hände zu Fäusten.

Eine unheimliche Stille, die bedrückend und mit einer ängstlichen Trauer vermischt war, schwebte wie ein böswilliger Schatten über den Häuptern der Menschen, die, genauso wie der Sturm draußen, den Atem anhielten. Die junge Frau, deren goldenen Haare bei jedem giftig leckenden Blitz wie ein Sonnenstrahl auffunkelten, wischte sich mit einem Ärmel ihrer Uniform über die nassen Wangen, um die Tränen, die sich ungefragt über diese schlichen, abzutrocknen. Doch die Flut konnte nicht eingedämmt werden, immer mehr kam zum Vorschein. Leise weinend sah sie Alphonse an, dessen trauervoll verzogenes Gesicht immer noch auf dem Antlitz seines Bruders verweilte. Auch der Doktor war tief ergriffen über die ehrliche Aussage des Jungen, kurz drehte sich die Gestalt von Alphonse ihm zu. Ein verständnisvolles Lächeln lag auf den Zügen des alten Mannes, nickend gab er ihm zu verstehen, dass er ihn gehen ließ. Der Stählerne drückte flink die Klinke hinab und verließ eilig das Zimmer, in dem nun nur noch Krankheit und Trauer herrschte.

„Aber…“, protestierte der Colonel und wollte dem Jungen hinterher, ihn aufhalten, als er eine warme Hand auf seinem Arm spürte, die ihn festhielt. Roys Kopf drehte sich fassungslos zu dem Mediziner hinab, warme, ruhige Augen trafen seinen Blick, bestimmend schüttelte der alte Mann sein graues Haupt, so dass sein schütter gewordenes Haar leicht durcheinander gewirbelt wurde. „Lassen Sie ihn gehen“, bat er mit leiser Stimme den jungen Colonel. „Ja, aber…“, begehrte dieser unwillkürlich. Leichte Unsicherheit flackerte in seinen Onyxaugen auf. „Sind Sie sich sicher? In seinem Zustand?“ Tiefe Besorgnis um die Rüstung machte sich in ihm breit. >Mir ist nicht wohl dabei, Alphonse alleine zu lassen…<

„Es ist schon in Ordnung.“ Beruhigte ihn der Arzt, das sanfte Lächeln erhellte die Schatten in dem alten Gesicht. Väterlich klopfte er dem Jüngeren freundlich auf die Schulter, der ihn leicht verwundert musterte. „Er wird nichts Dummes anstellen, solange...“, er verstummte und eine gehaltvolle Pause entstand. Riza und Roy konnten sich augenblicklich denken, was der Mediziner zum Ausdruck bringen wollte, sie bemerkten, wie seine samtigbraunen Augen den Blonden im Bett unverwandt betrachteten. „... solange Edward noch am Leben ist.“ Wie auf Stichwort, fuhr eine gleißendhelle Zunge gen Boden. Ein heftiger darauf folgender Donner zürnte mit einer unglaublichen Kraft, die den Boden unter ihren Füßen erzittern ließ. Die Flasche im Halter klirrte leise an den metallenen Ständer und eine schwache Stimme, die sich im Grollen der Naturgewalten verlor, wisperte leise einen Namen. „Al…ototo…“
 

Ein gequälter Schrei, der mir sämtliche Nackenhaare auf meiner kalten, fröstelnden Haut aufstellte, hallte an meine feinen Ohren. Dadurch aufgeschreckt flogen einige laut krächzende, nachtschwarze Krähen in den wuterfüllten Himmel, die vor einigen Augenblicken noch Schutz in den Bäumen gesucht hatten.

Erschrocken wandte ich mich ruckartig vom Fenster ab, an dem ich schon seit geraumer Zeit stand, meine Ellenbogen auf dem Sims abgestützt, hoffend darauf, dass alles gut ausging. Die Dunkelheit dort draußen, sowie in meinem Inneren beherrschte mein ganzes Sein, verschlang mich unbarmherzig. Zitternd und angsterfüllt knetete ich nun meine Finger, die eiskalt wie der klirrende Tod waren. Mein gepeinigter Blick glitt über die kleine Nachttischlampe, die neben dem Bett stand und unruhig flackerte, als wäre sie in den letzten Zügen ihres Lebens angekommen. >Wer hat da wohl geschrieen? Es hat nach einer Frau geklungen, ganz in der Nähe…< „Was ist da geschehen?“, wisperte ich nervös und knabberte total unruhig an meinen Fingernägel, die sonst sehr gepflegt waren, herum. Das war eigentlich gar nicht meine Art, aber es waren zu viele schlimme Dinge in den letzten Stunden geschehen, die mein seltsames Verhalten wohl mehr als alles andere rechtfertigten. Lauschend horchte ich auf, unwillkürlich näherte ich mich der Türe, mein Schatten begleitete mich wie eine unheilvolle Kreatur, hoffend mich gänzlich mit seinen gefährlichen Klauen zu zerreißen. Ich schüttelte diese schwarzen Gedanken von mir ab. Wichtiger war nun, von wo der Schrei hergekommen war. Mit einer Beklemmung, die mein Herz vollständig erschütterte, starrte ich auf die Wand, die in die Richtung von Edos Zimmer wies. Der Ruf war erschreckend nah erklungen, viel zu nah, genauer gesagt aus diesem Stockwerk. Nein, sogar aus diesem Flur… >Kann es sein? Ed?< Meine Pupillen schrumpften vor lauter Pein auf Stecknadelkopfgröße. Hatte Jemand im Zimmer meines temperamentvollen Cousins geschrieen, der schon seit Stunden mit dem grausamen Tod kämpfte und vielleicht gerade jetzt verlor? „Nein, nein, das darf nicht geschehen, nicht jetzt, nicht hier…ich will dich nicht verlieren…“, weinte ich leise, aber Momente später hämmerte ich mir vor lauter Wut die Fäuste auf die Schädeldecke. >Nein! Er lebt, er lebt!!< Ich schüttelte entrüstet über mich und meine grausamen Gedankenspiele den Kopf, versuchte diese Erinnerungen so tief wie es nur ging in meinen Sinnen zu vergraben. „Er darf nicht sterben…nicht so…ich werde das zu verhindern wissen, auch wenn ich meine letzte Kraft verbrauche, aber ich lasse Ed und Al nie im Stich!“ Verbissen versuchte ich mir einzubilden, dass der gequälte Ruf nichts zu bedeuten hatte, dass Jemand nur eine kleine Maus gesehen und sich erschreckt hatte. Aber ich wusste mit einer großen Beunruhigung in meiner Seele, dass dies der äußerst bitteren Wahrheit entsprach, dass mein blonder Bruder vielleicht doch die letzten Atemzüge seines kurzen Lebens schmeckte. Die schwarzen, hässlich kichernden Schatten kehrten zurück, lachten und freuten sich über meine wachsende Angst, die tiefe Wunden in meinem Inneren riss.

Besorgt sprang ich auf die Beine, die sich wie Wackelpudding anfühlten. Mit einem wütenden Krächzen, dass sich nach einer zornigen Katze anhörte, schüttelte ich meinen gesamten Körper, um die kichernden Stimmen loszuwerden. Verstört wanderte ich in dem kleinen Raum auf und ab, mein hektischer Gang warf zerstückelt aussehende, geisterhafte Schatten an die Wand, die mir wieder gehässig lachend folgten, sie liebten es anscheinend mich immer grausamer zu quälen.

Das Schließen einer Türe unweit meines Zimmers ließ mich ruckartig innehalten von dem ewigen und nutzlosen Hin- und Her. Ich hielt meinen Atem an, mein Blut raste in hohem Tempo durch meine Adern, kochend heiß vor Angst durchspülte es mein Gehirn, denn die darauf folgenden Schritte auf dem Flurboden erkannte ich. Metallisch klackten sie im Rhythmus meines tobenden Herzens, das fast zu Platzen schien. Eine riesige Welle voll Besorgnis und Kummer überspülte meinen Geist, der sich unweigerlich verkrampfte.

>War das wirklich gerade Al? Warum hat er seinen Bruder allein gelassen?< Immer mehr kam mir der schrecklichste Verdacht auf, den ich seit langem tief in mir verbarg. >Ist es etwas Schlimmes geschehen, das, was ich nie wollte…Ist Ed tot?< „Alles deine Schuld…alles ist deine Schuld, du hast ihn auf dem Gewissen…“, lachten die schwarzen Stimmen und streichelten mich sanft. „Du hast deinen lieben Bruder auf dem Gewissen, auch damals schon hättest du ihn…“ >NEIN!< voller Wut zerraufte ich meine Haare, schüttelte wild meinen Kopf. Schon rannte ich an die Türe, um sie aufzureißen, nach meinem kranken Cousin zu sehen und ihm nötigenfalls zu helfen, sein Leben zu retten und ihn zu schützen. Aber ich wusste, die Aktion würde mir nichts bringen, der Colonel, First Lieutnant Hawkeye und auch Doktor Brown würden mich davon abhalten. Der alte Mann mit den gutmütigen braunen Augen wusste als einziger der Erwachsenen über mein Geheimnis Bescheid, er würde mit allen Mitteln zu verhindern wissen, dass ich Edward helfen konnte. „Was soll ich nur tun?“, meine Finger kratzten über das Holz, das leise wimmernd aufheulte. >Soll ich alles ignorieren und so tun, als wäre nichts geschehen? Däumchen drehen und warten, bis Ed vielleicht von selbst gesund wird? NEIN, das KANN ich NICHT! Und ich WERDE es auch NICHT!< „Ich werde alles für euch Beide tun, einfach alles!“ wisperte ich lautlos, meine Augen leuchteten mit einer Entschlossenheit auf, die alle anderen Gefühle auslöschte. „Ich hätte dich schon einmal fast verloren, ein zweites Mal passiert mir das nicht!“ Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als die Brüder zusammen lachen zu sehen, wie sie sich zusammen über den neuen Sonnenaufgang freuten, auch über die Tollpatschigkeit des anderen lächelten und ihn unterstützten. Es tat mir sehr weh, Edo und Al-chan so zu sehen. Al war am Boden zerstört, dass fühlte ich tief in meiner Seele. Und Ed…nie hatte ich eine Person kennen gelernt, die binnen so wenigen Stunden dem Tod so oft in die Augen gesehen hatte. Ich mochte mir nicht einmal in meinen schlimmsten Alpträumen ausdenken, wie lange es dauern würde, bis mein blonder Cousin wieder soweit genesen war, dass er wenigstens einige Schritte laufen konnte. Auch unter Einsatz der Schulmedizin würde es Wochen, wenn nicht sogar Monate dauern, bis er ganz gesund war.

Ein lebenslustiger Mensch wie Ed, der gerne seine Zeit draußen verbrachte unter freiem Himmel, würde daran zerbrechen. Verwelken wie eine zarte Blume, der die Luft zum Atmen fehlte, das Licht um zu wachsen und das erfrischende Nass um den Durst zu stillen. Bis nur noch eine leere Hülle blieb, ohne Seele und ohne Leben. >Das kann ich einfach nicht zulassen!< Zu allem entschlossen packte ich die kühle Klinke und drückte sie mit Inbrunst nach unten. Seltsamerweise tat dies gleichzeitig Jemand auf der anderen Seite.
 

Wer Lina da wohl besucht?

Wird Ed es schaffen, sich endlich aus den Klauen der sadistischen Autorinnen zu befreien? XD

Wird Al bald von seiner Pein erlöst?
 

Tja, warten wir es mal ab...bis bald

eure Lina und auch Mariko999

Die Begegnung mit Ian und Will

Ich entschuldige mich tausendmal fürs lange Warten ^^

An alle meine Leser (AlchemistEdward, Hotepneith, Mondvogel, Aku...und auch KenYasha, die leider nicht mehr zum Lesen kommt *snief*) ein riesig großes Dankeschön für die süßen Kommis ^____^

Heute wird es wieder ein wenig lustiger *grins*, aber auch seeehr traurig *snüff* also hier werden gleich mal Taschentücher verteilt ^^

PS: Alle Worte die mit klein in Verbindung mit Ed gebracht werden können, bitte durchstreichen *lach*
 

Hajimete o-me ni kakarimasu ~ Es freut mich sehr, Sie kennen zu lernen

Yoshi ~ Gut, in Ordnung

Itadaki masu ~ Guten Appetit

Tenshi ~ Engel
 

Die Begegnung mit Ian und Will
 

Verwundert zog ich die Augenbrauen nach oben, ging elegant einen Schritt zur Seite und lugte äußerst neugierig durch den geöffneten Spalt. Meine Iris begegnete zwei verblüfft glotzenden Augenpaaren, die mich sehr interessiert von oben bis unten musterten. Sprachlos, mit leicht geöffnetem Mund starrte ich sie an; es waren zwei Männer, die vor mir standen und anscheinend nach mir sehen wollten. Um ganz genau zu sein, handelte es um Krankenpfleger, wie ich unschwer an der weißen Kleidung ausmachen konnte. Doch irgendwie schienen die Zwei ihre Münder zu Hause vergessen zu haben, denn kein Wort des Grußes oder der Erklärung, was genau sie von mir wollten, kam über ihre Lippen. Die grasgrünen und mahagonifarbenen Augen klebten förmlich an meinem Körper, den sie um jeden Millimeter inspizierten. Ihre Gesichter waren rot glühend bis zu den Ohren.

>Moment Mal, habe ich etwa nur…?<

Ganz langsam wandte sich mein Blick von den beiden beglückt seufzenden Männern ab und glitt über meinen Körper. Meine Pupillen weiteten sich vor Schrecken, denn ich bemerkte erst jetzt, dass ich nur mein dünnes Nachthemd trug. >Ich habe in der Aufregung total vergessen, meinen Morgenmantel anzuziehen…< Äußerst peinlich berührt verschränkte ich sofort meine Arme vor der Brust und räusperte mich geräuschvoll. Meine silbernen Augen blitzten Wut zuckend auf. Der Größere der Beiden, ein Glatzkopf mit sanften, braunen Augen, schreckte augenblicklich zusammen und stierte leicht verlegen, mit roten Wangen, höflich zur Seite. Ganz anders sein Kollege, dieser guckte immer noch mit einem schwärmenden Blick auf meine Rundungen, die sich unter dem Nachthemd gut abzeichneten. Ein niedliches Lächeln lag auf den Lippen des Kleineren, die grüne Iris leuchtete entzückt. Mit einem sehr genervt wirkenden, strengen Blick und leicht wütend gerollten Augen knuffte der Glatzköpfige dem Rothaarigen mit dem mächtigen Ellenbogen gehaltvoll in die Rippen. Mehr aus verblüfftem Schreck, denn aus Schmerzen, quietschte der Jüngere wie ein kleines Ferkel auf. Unwillkürlich kräuselten sich meine Lippen zu einem frech grinsenden Schmunzeln, als der gerade noch glasige, verträumte Blick brach und einem wütenden Funkeln Platz machte. „Aua! Sag mal, Will, bist du verrückt geworden? Das hat wehgetan!“ fuhr der rothaarige, gut aussehende Pfleger seinen Kumpel unwillig an, seine Haare sträubten sich wie das Fell einer zornigen Katze, die ihren Feind anfauchte und ihn mit ihren scharfen Krallen angriff. Seine Hand ruckte aber eher nach seiner geschrammten Rippe, denn nach seinem Freund. Leicht massierte er sich die schmerzende Stelle, seine blitzenden Pupillen lagen derweil wieder auf der Gestalt des Älteren, der ihn nun mit einem ernsten, dennoch fast frechen Blick bedachte. „Das war nicht gerade höflich von uns, was wir da getan haben, Ian“, unterbrach der Glatzköpfige seinen grünäugigen Kollegen ziemlich nüchtern und ruhig, aber mit einem schelmischen Grinsen klopfte er ihm auf die schmächtige Schulter und meinte leicht hin: „Außerdem, mein lieber Freund, kreischst du wie ’ne Frau.“

„Ach ja? Tue ich das? Lieber wie ’ne Frau kreischen, als aussehen wie ein menschlicher Affe“, ereiferte sich Ian und seine Haare stellten sich erneut auf, wie bei einem kampfbereiten Hahn, der mutig genug war, sich gegen den Suppentopf zur Wehr zu setzen. Aber der Großgewachsene bedachte den Rothaarigen nur mit einem freundlichen Lächeln, er ließ sich gar nicht auf die Beleidigungen, die sein Freund so wütend ausspuckte, ein. Der Mann namens Ian erinnerte mich leicht an Edo, wenn diesem, genau wie dem Rothaarigen, der Kragen platzte.

Der Kleinere der Beiden hatte wohl immer noch nicht genug Dampf abgelassen, denn er fuhr wütend mit seiner Schimpftirade fort. Seufzend und leicht genervt den Kopf schüttelnd stupste der Braunäugige seinen zeternden Freund sanft an. „He, Ian…“, und zeigte daraufhin in meine Richtung. „Unterbrich mich nicht!“ wütete der Grünäugige und seine Pupillen blitzten erbost auf. „Ian…“, versuchte es der gutmütige Pfleger nochmals den Kleingewachsenen zu beruhigen, er wirkte dabei schon recht ungeduldig. Aber wieder hörte der Jüngere nicht auf ihn, bis der sonst, bestimmt recht freundliche Mann mit seinen Händen den anderen packte, dessen Finger sich wie Rohrzangen um Kopf des Schmäleren klemmten und ihn mit einer sachten Drehung in meine Richtung wandte. Sofort erlosch das wütende Glitzern in den lebhaften Smaragdaugen, als er mich registrierte. Frech hob ich eine Hand zum Gruß, sekundenschnell verdeckte ich mit dieser aber sogleich wieder meine Brust, die sonst fast ungeschützt den Blicken der Beiden ausgesetzt war. Es hatte den Anschein, als wäre ich aus der Erinnerung des Rothaarigen während des Streites mit seinem Kollegen getilgt worden, umso verlegener war die grasfarbene Iris nun auf mich gerichtet. Seine braungebrannten Wangen wurden vor Ratlosigkeit purpurrot, das sich sanft auf seinem Gesicht ausweitete. „Oh…“, flutschte es sehr befangen über seine Lippen, seine schmalen Finger spielten nervös mit dem weißen Saum seines T-shirts und kneteten es unwillkürlich. „Ich…also…“, begann er stockend und stierte kurz Hilfe suchend zu Will hinüber, der die Augenbrauen zu Bestätigung hochzog. Die Pupillen des Kleineren wandten sich wieder mir zu. „…das heißt, wir wollten dir hier nicht solch eine unschöne Szene machen. Es tut uns leid. Entschuldige.“, sein Haupt neigte sich wie ein geprügelter Hund nach unten, sein Blick war demütig auf den Boden gerichtet. „Schon gut.“, erwiderte ich verständnisvoll und schmunzelte leicht.

Der rothaarige Kopf ruckte wieder nach oben, sein schüchternes Grinsen erhellte die Wangen und leuchtenden Augen Ians. Er hatte Ähnlichkeit mit einem zu groß geratenen Jungen, der es aber faustdick hinter den Ohren zu haben schien. Will und Ian waren mir auf Anhieb sehr sympathisch, aber was ihr Anliegen bezüglich meiner Wenigkeit betraf, war ich immer noch so schlau wie am Anfang.

Ein sanftes Lächeln kräuselte meine weichen Lippen, das fast ein wenig schüchtern war. Leicht das Haupt neigend musterte ich die beiden liebenswerten Spaßvögel, währenddessen spielten die Zehen meiner nackten, kalten Füße mit dem, auf Hochglanz, polierten Flurboden. Meine schlanke Gestalt spiegelte sich sogar auf diesem.

Ein höchst zufriedenes Atmen war aus den Kehlen der Pfleger zu hören, das leicht depperte Grinsen erkämpfte sich einen Weg in ihre Gesichter und blieb daran haften wie ein nasses Blatt am Fensterglas. Eine sanfte Röte wärmte ihre Wangen und die glänzenden, schmachtenden Pupillen lagen wieder auf meinen Rundungen.

Mit größter Mühe verkniff ich mir das Lachen, kichernd hielt ich mir eine Hand über den Mund, nicht darauf achtend, dass nun mein Oberkörper wieder fast ungeschützt war. Schmunzelnd betrachtete ich die Pfleger. Es war doch typisch… >Männer!< Ich schüttelte genervt mein Haupt, so dass meine langen, blonden Haare, die ich wie mein goldhaariger Cousin nun offen trug, wie ein freier Vogel um mich schwirrte und sanft seine Schwingen an meine Wangen streichen ließ. „Hach…“, entfuhr es dem Rothaarigen und seinem Kollegen verträumt seufzend, mit einem schwärmenden Lächeln legten sie ihre Köpfe schief, sie sahen aus wie kleine Hundewelpen, die ihre Umgebung zum ersten Mal mit eigenen Augen musterten.

>Nun reicht es aber wirklich!< Meine blitzende silberfarbene Iris züngelte heftig auf, wütend glitzerte sie die Männer angriffslustig an, doch die beiden Pfleger schienen mit ihren Gedanken in einer ganz anderen Welt abgetaucht zu sein. Irgendwie erinnerte mich das ein wenig an meinen o-nii-san, der manchmal auch so aussah, wenn er mich betrachtete. Obwohl er wirklich kein unanständiger Kerl war. Nicolas war ein fröhlicher, braunhaariger junger Mann von 27 Jahren. Verrückt, liebevoll und er hatte ein wenig den Charme meines Onkels, den ich von Herzen liebte. Seine grünen Augen, die denen des Pflegers nicht unähnlich waren, leuchteten freundlich in meinen Erinnerungen, ein schelmisches Lächeln erstrahlte auf dem Mund, dadurch wurden seine Lachgrübchen jedes Mal sichtbar. Grinsend dachte ich daran, wie o-baa-chan ihm dabei gerne in die Wange kniff und er dann schreiend vor ihr davonlief. Aber nun war nicht die Zeit, sich an solche Dinge zu erinnern.

„Und?“ begann ich teils zornig, teils belustigt. Will und Ian zuckten plötzlich zusammen, als hätten sie sich völlig unvorbereitet mit ihren Hintern auf den stacheligen Rücken eines Igels gesetzt. „Darf ich jetzt mal erfahren, was Sie von mir möchten?“ Keck hatte ich meine Hände in die Hüften gestemmt, mit einem auffordernden Blick tippelte ich leicht ungehalten mit dem Fuß auf dem Boden herum. „Ah…uhm…“, kam es verlegen aus den Mündern der Pfleger, beunruhigt starrten sie sich an. Ian, der Rothaarige mit den lebhaften Augen, fuhr sich nervös durch die glänzenden Haare, die nun fast blass aussahen im Gegensatz zu seiner leuchtenden Gesichtsfarbe. Der stämmige Will mit seiner dunkelbraunen, ruhig wirkenden Iris fasste sich als erstes, flink kam er einen Schritt auf mich zu, nahm meine kühle Hand in seine.
 

Die Blonde vor ihnen starrte sie mit einem silbernen, herausfordernden Blick an. Unwillkürlich erinnerte Will sich an seine kleine Schwester, die sich in den meisten Fällen genau so verhielt wie die hübsche, junge Frau vor ihnen. Erika hatte das gleiche Temperament, doch sie war leicht behindert. Sie war seit ihrer Geburt taub, was ihrer Fröhlichkeit aber keinen Abbruch tat. Im Gegenteil, freundlich und liebevoll ging sie mit den Menschen um, denen sie begegnete. „O-nii-san, daisuki!“ rief sie ihm immer zu, wenn er zur Arbeit ging. Doch wenn seiner Kleinen etwas gegen den Strich ging, konnte sie ganz schön stur sein und sich gebärden wie eine Löwin. „O-nii-san!“ fuhr sie ihn dann wütend an, ihre grausilbernen Augen blitzten dann zornig auf. Ihre Iris glitzerte mit einem frechen Schimmer, der ihn jedes Mal schmunzeln ließ. Irgendwie hatten die beiden Mädchen vieles gemein und er mochte diese Blonde gerne, auch wenn er sie noch gar nicht kannte.
 

„Ich hoffe, du kannst uns unser schreckliches Benehmen noch einmal verzeihen. Normalerweise sind wir nicht so, aber normalerweise bekommt man auch so eine hübsche Frau nicht jeden Tag vor die Nase gesetzt.“ Seine Lippen verzogen sich zu einem schelmischen, weichen Grinsen, als er Zeuge dessen wurde, wie meine Haut sich vor Verlegenheit rötlich färbte, schüchtern griff ich mir eine meiner Strähnen, die sich frech auf meine Nase gesellte und sie leicht kitzelte. Es war ein sehr nett gemeintes Kompliment, aber ich konnte mit solchen Freundlichkeiten nicht so recht umgehen. Vielleicht lag es daran, dass viele Männer, denen ich begegnet war, nur auf Äußerlichkeiten Wert legten, aber nicht den gesamten Menschen sahen. Meistens hatte mich mein o-nii-san vor solchen Typen beschützt, obwohl ich diese Hilfe gar nicht brauchte. „Danke…“, grummelte ich leise nuschelnd, während ich vor innerer Anspannung leicht mit den Füßen auf und ab wippte. „Ich bin übrigens Will Howland und der Feuerrote hier, das ist Ian McKenzie“, ob er nun die rote Haarfarbe seines Kollegen meinte oder dessen glühende Gesichtsfarbe, konnte ich nur erraten. Es freute mich, dass sie sich nun endlich manierlich vorstellten.

Ian funkelte unterdessen Will zornig an, weil dieser ihm diesen Scherznamen verpasst hatte. Wütend wie ein stürmisches, aufwirbelndes Gewitter wetterte der kleine Schmächtige. Fröhlich kichernd hielt ich eine Hand vor meinen Mund und eine auf meinen schmerzenden Bauch, der unangenehm anfing zu ziepen. Währenddessen schlich der Rothaarige um seinen Kollegen und bellte ihn an, wie ein kleiner Welpe einen riesigen Schäferhund ankläffte. Frech grinsend schaute ich dem lustigen Schauspiel noch einige Augenblicke zu. „Ich bin Lina Inshore, hajimete o-me ni kakarimasu.“ unterbrach ich das wirklich amüsante Streitgespräch und verbeugte mich freundlich. Ich war den beiden fröhlichen, jungen Männern äußerst dankbar, denn es war so, als hätten sie mir die Sorgen um Edo von meiner wunden Seele ein wenig abgenommen. Natürlich dachte ich noch mit Kummer an meinen Bruder, wie es ihm ging und ob er überleben würde, aber durch die naive, humorvolle Art hatten mir die beiden Pfleger meine Lebensfreude zurückgeschenkt.

Als Ian und Will meine kichernde Stimme hörten, hielten sie sofort inne und starrten auf den Boden, wie zwei Hunde, die gerade etwas angestellt hatten und nun von ihrem Herrn ausgeschimpft wurden. Schon wollten sie sich erneut entschuldigen, als ich eine Hand hob und lachend abwinkte. „Schon gut, schon gut!“ unterbrach ich die Pfleger, die schon zu einem gestammelten „Es tut uns leid!“ ansetzten. Grinsend betrachtete ich die Spaßvögel, die nicht ahnten, dass ihre lustigen Kabbeleien mich auf fröhliche Gedanken brachten. >Es würde mir gerade noch fehlen, dass sie sich Sorgen um mich machen, sollten sie den Grund dafür erfahren.< „Was mich nun allerdings mal interessieren würde“, einer meiner blonden Augenbrauen ruckte nach oben, meine Augen blitzten sie hell und gutmütig an. „…wäre, was Sie eigentlich hier vor meiner Tür zu suchen hatten? Ist…ist…irgendetwas passiert?“ Mit diesem kurzen Satz war meine Heiterkeit aus meinem Herzen gewichen, wie eine düstere Wolke, die sich vor die Sonne schob und sie verdunkelte. >Wieso hab ich so was jetzt gesagt?< Vor Kummer ballte ich meine zarten Hände zu Fäusten. Prompt erschien das blasse, schmale Gesicht meines Cousins, der mich Hilfe flehend ansah. Hilfe, die ich ihm nicht geben konnte…aber wer sonst konnte Ed-chan helfen…ich musste doch…hatte versprochen…
 

Das freche und überaus vergnügte Lächeln der hübschen Blonden verblasste von einer Sekunde auf die andere. Ein wunderschönes Lachen, dass Ian und Will so sehr verzückt hatte, wurde auf einmal von schwarzen, unheilvollen Schatten verdrängt. Trauer, Sorge und Pein lagen auf den weichen, zarten Linien der jungen Frau und verschluckte damit alle Fröhlichkeit und jegliche Lebensfreude. Leicht schwammen die silbernen, sanftmütigen Augen des Mädchens in Tränen. Der Glatzkopf schnappte sich mit einer großen Pranke seinen klein gewachsenen Freund, so dass dieser unter dem Griff des Größeren anfing wie eine frisch gefangene Forelle zu zappeln. Will zeigte auf die attraktive Blondine, die seit ein paar Momenten eigenartig abwesend wirkte. Sie hatte die weichen Mädchenhände zu Fäusten geballt, die Knöchel der Finger stachen weiß hervor. Stirnrunzelnd stierte Ian zu seinem Kollegen hinauf. „Was ist denn mit ihr?“ wisperte er leise. „Ich weiß nicht…“, lautete die fast lautlose Antwort seines glatzköpfigen Freundes, zur Bestätigung zuckte er noch kurz ratlos mit den Schultern. Was die Blonde wohl beschäftigte?
 

„Entschuldige, Lina, so heißt du doch, oder?“ riss mich völlig unvorbereitet die weiche Stimme des vor mir stehenden glatzköpfigen Mannes aus meinen nebelverhangenen und trübseligen Gedanken. „Wa-was…?“ stotterte ich verwundert, denn ich hatte vollkommen vergessen, dass die beiden Pfleger vor mir standen und ich ziemlich luftig angezogen war. Wie Regenwolken, die die Schönheit der Sonne verhüllten, schüttelte ich die schrecklichen Erinnerungen aus meiner Seele, die sie unangenehm niederdrückte. „Geht es dir nicht gut?“ erkundigte sich der Größere bei mir und seine sanften Augen lagen fürsorglich auf meinem Gesicht. „Du siehst so blass aus.“ Schon kam er näher, doch ich schüttelte, so rasch ich konnte, meinen Kopf, so dass mein Gehirn beunruhigend im Innern Purzelbäume sprang und ich einen Drehwurm bekam. „Nein, nein, es…es ist alles in Ordnung.“ strahlte ich freundlich. Dass ich mich damit selbst belog, wollte ich mir nicht eingestehen. Und es machte auch die Situation kein bisschen besser. Kurz kniff ich die Augen zusammen, um das Karussell, das fröhlich in meinem Kopf tobte, abzustellen.

„Na ja…Ich…äh, ich…ich hab nur schon seit Stunden nichts mehr gegessen“, erklärte ich Ian und Will schnell meine seltsame Reaktion, das diese vollkommen aus der Luft gegriffen war, musste ja keiner der Beiden erfahren. Als ob mein Körper mir zur Hilfe eilen wollte, gurgelte mein Magen hungrig auf und brummte laut nach Essbarem. Vor Verlegenheit wurde ich rot bis in die Haarspitzen.

Die beiden Männer grinsten sich belustigt an. „Oh, dem wissen wir Abhilfe zu schaffen“, schmunzelte Ian und schüttelte kurz elegant seine leuchtend roten Haare aus der Stirn. Er trat einen kleinen Schritt zur Seite und zauberte einen Essenswagen hervor. Ich hatte mich sowieso schon die ganze Zeit gewundert, warum es hier, auf dem kühlen Flur, so köstlich nach Speisen duftete. Unwillkürlich wurde mein gerade noch trockener Mund speichelnass, ich fühlte mich fast wie ein undichter Wasserhahn. „Essen?“ ich starrte die beiden Männer verzückt an, als wären sie Weihnachtsmänner, die mit einem dicken, vollen Sack vor dem Kamin standen und gleich ihre Geschenke verteilten. Ian grinste vor Vergnügen, langsam legte er seine Hand auf das Tuch, das die Speisen verdeckte und zog es bedächtig fort. Darunter kamen die köstlichsten Leckereien zum Vorschein, die ich jemals gesehen hatte. Meine silbernen Augen schienen vor Begeisterung zu glänzen, wie der Stern an Weihnachten, der hoch oben in der Krone der Tanne saß und alle Kinder mit seiner Pracht und Fröhlichkeit ansteckte. Will und sein rothaariger Kollege begannen schelmisch zu lächeln, als meine Blicke gleichermaßen hungrig und freudig über das Essen glitt.

„Warte…“, stoppte mich der Hüne mit warmherziger brauner Iris, die mich ein wenig an Pfefferkuchen erinnerte. >Oh man, ich denke auch wirklich nur ans Futtern…< seufzte ich leise. „Ich schiebe den Wagen in dein Zimmer, dort kannst du dann in Ruhe nehmen, was du magst, okay?“ Ich nickte heftig, so dass mir fast der Kopf vom Rumpf fiel. „Autsch…“, quetschte ich wispernd aus. Aber ich beachtete den kleinen Schmerz im Nacken nicht, viel mehr begutachtete ich die leckeren Speisen, die der groß gewachsene Mann in mein Zimmer fuhr und dort abstellte. >Wie lange habe ich schon nichts mehr gegessen…< überlegte ich rasch. Seit vorgestern…vorgestern…Ich kniff blitzschnell die Augenlider zusammen, um die erschrockenen Gesichter der Menschen, die geopfert werden sollten aus meinem Gedächtnis zu streichen. Aber es erschien immer deutlicher, mein jüngerer Bruder bewusstlos in meinen Armen, schlaff wie eine Holzpuppe, als wäre er tot. Die entsetzlichen Einblicke in seine Gefühlswelt, in der ich ebenfalls fast verschluckt worden war. Das unendlich viele Blut, das aus seinem schmächtigen Körper geschossen war, uns mit dem klebrigen Saft rot färbte. Alphonses banges Hoffen, das sein Bruder bald wieder gesund wurde…all diese Dinge von den letzten zwei Tagen fraßen sich wie ein schwarzes, böswilliges Geschwür durch meine Adern, labten sich an meiner Angst, die von Stunde zu Stunde größer wurde.

Mit vollkommen leeren Augen, die nur Sorge und Leid spiegelten, betrachtete ich die sanft duftenden Speisen, die prächtig aufgetürmt vor mir standen. Wunderbar köstliche Kartoffeln, die bestimmt auf der Zunge zergingen wie Butter. Das frische, bunte und herrlich duftende Gemüse, das mich mit seinem farbenfrohen Leuchten anlächelte, ein Gedicht für jeden Gaumen. Daneben lagen saftig und wohlriechend einige große Fleischstücke, die Haut glänzend und zart wie die eines kleinen Babys. Verfeinert mit einer cremefarbenen Soße, die nach allerlei Kräutern duftete. In einer hübsch verzierten Glasschale konnte ich Schokoladenpudding sehen, der eine dicke Haube aus Sahne auf dem Kopf hatte. Eigentlich sollte mich dieser Anblick bis zur höchsten Verzückung erfreuen, mir das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen, doch ich fühlte mich mit einem Male wie eine gemeine Verräterin, die ihr eigen Fleisch und Blut im Stich ließ und der nur das eigene Wohl am Herzen lag. Während mein blonder Cousin um sein junges Leben kämpfte, es vielleicht bald verlieren würde, stand ich hier und schlug mir den Bauch mit Essen voll. >Verräterin…< flüsterte eine wispernde, hocherfreute Stimme, die ich aber schnell unterdrückte.

Ich kam mir reichlich geschmacklos vor. Ein leiser Ekel vor mir selbst überkam mich. Daher verneinte ich mit bestimmender Miene, als der Rothaarige mir gerade eine ordentliche Portion der mitgebrachten Speisen auftun wollte. „Nein…nein, danke…ich…ich habe doch keinen Hunger…“, flüsterte ich leise, mit einer Spur Traurigkeit in der Stimme.

Mit sorgenvollem Ausdruck im Gesicht ließ Ian die Kelle sinken, von der hilflos einige Erbsen, die kugelrund und dick waren, schwerfällig in die Schale plumpsten. „A-aber, ich dachte…du musst doch etwas essen. Schließlich willst du doch wieder gesund werden, oder nicht?“ Der kleine Pfleger drehte sich zu dem Hünen herum, dieser nickte zustimmend mit dem kahlen Haupt.

>Gesund werden? Ich? Aber…ich bin doch schon soweit wieder okay.< Ein schmerzhaftes Ziehen in der Bauchgegend ließ mich kurz zusammenzucken. Dies zerschlug meine Hoffnung darauf, dass ich schon völlig gesund war. Leise seufzte ich kummervoll auf. Nicht mein eigenes Schicksal machte mir so viel zu schaffen, nein, das von Ed und Al nagte hundertfach, wenn nicht gar tausendfach stärker an meiner Seele, die vor Pein qualvoll aufstöhnte. >Edo…Al-chan…< Eine warme, mitfühlende Hand legte sich fürsorglich auf meine schmale Schulter. Verdattert ruckte mein Kopf herum und blickte in die überaus sanften, braunen Augen des riesigen weißgekleideten Mannes. Einige Erinnerungsfetzen aus seiner Vergangenheit zogen an mir vorbei. Kinder, an deren Bett er verweilte, die kleinen Hände, die sich ängstlich, dann beruhigt an ihm festhielten. Leise schlossen sie die Kinderaugen und schliefen für immer ein. Seine Stimme unterbrach meine Gedanken, die unwillkürlich zu Edo und Al geglitten waren. „Hör mal…“, versuchte er mich mit einer Engelsgeduld, die mich an meine Mutter erinnerte, umzustimmen. „…um wieder zu Kräften zu kommen, musst du etwas essen. Du tust dir absolut keinen Gefallen damit, wenn du jetzt hungerst. Egal, was dir widerfahren ist, du solltest dir an keiner dieser Dinge die Schuld geben und dich nun so damit bestrafen.“ Er wusste doch nicht…

Langsam wanderte mein leicht hungriger Blick über die Leckereien, deren Duft mir in die Nase stieg. Sie rochen so köstlich…und ich war mir bewusst, das Will und Ian Recht hatten, aber wie sollte ich die Dinge, die mit meinen Cousins, besonders mit Ed geschehen war, beiseite schieben? Um mich nur für einige Minuten meines eigenen Wohlergehens zu erfreuen? Aber ich würde meinen Brüdern genauso wenig eine Hilfe sein, wenn ich hier zu einem Hungerhaken schrumpfen würde und verhungerte…Also was sollte ich tun? Der knurrende Hund in meinem Magen machte mir die Entscheidung einfach…Peinlich berührt strich ich kurz über das laut gurgelnde und schimpfende Organ, das sich aufführte, als wäre es ein Drachen, der Gelüste auf blonde Jungfrauen hatte. Langsam schmiegte sich ein kleines Lächeln auf meine Lippen, das sich zu einem frechen Grinsen steigerte. „Yoshi!“ >Ich muss ganz schnell gesund werden, um Ed und Al eine noch größere Hilfe zu sein.< Kurz entschlossen tauchte ich die Kelle in die Kartoffeln und häufte mir den Teller voll, so dass ein kleiner Hügel, besser gesagt ein riesiges Gebirge mit den gelben Erdäpfeln entstand, der nun gleich einen Regenguss voll frischer, duftender Soße erhielt. Danach hagelte es Erbsen und Karotten, die sich völlig durcheinander über die Kartoffeln verteilte und zwischen den essbaren Felsen geriet. Kichernd machte ich mich über diese Landschaft her. „Itadaki masu!“ rief ich vergnügt und schaufelte die Köstlichkeiten in mich hinein. Wenn ich mir nun einen Spiegel vor das Gesicht gehalten hätte, wäre mir die Ähnlichkeit zu einem dicken, verfressenen Hamster bestimmt gleich aufgefallen. Denn meine Backen waren voll mit dem leckeren Essen.

Schmunzelnd betrachteten die beiden Pfleger meinen Hunger, der nun endlich gestillt wurde. „Na also, es geht doch!“ lächelte der Hüne väterlich und seine braunen, gütigen Augen glitzerten erfreut. Ian boxte ihn leicht in die Seite. „Findest du nicht auch, sie sieht niedlich aus, wenn sie so isst?“ schmunzelte der Rothaarige, schwärmerisch grinsend strich er sich über die Haare, die nun wild durcheinander gerieten und leise knisterten. Der riesige Mann nickte. Irgendwie war sie wirklich ein besonders sympathisches Mädchen…er wusste nicht warum, aber er empfand es so.
 

„Na na, nicht so hastig, Eile mit Weile“, beschwichtigte mich der glatzköpfige Riese mit einem sanften Lächeln, der einige Sekunden später fröhlich lachend in mein Gesicht sah, dass blitzschnell hoch geruckt war und so rund und voll war, wie der Mond am schwarzsamtenen Firmament. „Es ist genug von allem da und es ist ganz für dich allein.“ >Für mich alleine? Aber warum…?< Schon öffnete ich meinen vollbeladenen Mund, um diese Frage zu stellen, doch das köstliche Essen machte mir einen dicken Strich durch die Rechnung. Denn es blieb mir buchstäblich im Halse stecken. Augenblicklich fing ich an zu husten, um mich von dem lästigen Klumpen zu befreien, aber es schien als habe das Essen Hände mit unverwüstlichen Krallen bekommen, die sich mit aller Kraft in meiner Speiseröhre festhakten. Momente später lief ich wie eine rote Tomate an und schnappte vergeblich nach dem überaus kostbaren Sauerstoff. Tränen traten mir in die Augen, alles verschwamm vor meinem Blickfeld und ich wusste schon gar nicht mehr, wo ich die Luft zum Atmen hernehmen sollte.

Blitzschnell war ich aufgesprungen. Panisch schlug ich mir auf das Brustbein, hoffend der Kloß würde nun endlich nach unten rutschen, aber vergeblich. Erst ein sanfter, aber sehr kräftiger, gekonnter Griff der mit ruhigem Druck auf meinen Oberkörper ausgeführt wurde, befreite mich schließlich von dem unangenehmen Brei, der sich quälend lange in meinem Rachen aufgehalten hatte. Mit leisem Platschen schlug das zerkaute Essen auf dem Boden auf. Laut aufatmend fuhr sich Ian durch das flammendrote Haar, grinsend zwinkerte er seinem Kollegen und Freund zu, der hinter mir stand und langsam seine Arme von mir löste. Zu Tode erschöpft fiel ich auf den Stuhl zurück, sog den wertvollen Sauerstoff tief in meine Lungen und lehnte mich ziemlich fertig an die Lehne, die sich quietschend über ihre Last beschwerte. Ich blickte müde nach oben in die Augen des bulligen Pflegers und lächelte.

„Alles wieder okay?“ Seine nussbraune Iris musterte mich sehr besorgt, aber mit einem tadelnden Funken in den Pupillen. Ich nickte hastig, so dass der Stuhl unangenehm aufknarrte. Das rügende Funkeln vergrößerte sich noch um einige Grade, als der Hüne weiterredete: „Ich hatte eigentlich angenommen, eine junge Frau in deinem Alter weiß darüber Bescheid, dass man mit vollem Mund nicht sprechen sollte.“

Kichernd schlug sich Ian sofort eine Hand vor den Mund, um nicht sofort laut loszulachen, als er mein doch sehr ungläubig verzogenes Gesicht ansah, das langsam wütende Wellen schlug. Zornig sprühten meine silbernen Augen Blitze, als Will diesen einen Satz zum Besten gegeben, beziehungsweise vom Stapel gelassen hatte. Diese Worte würde man eher an ein kleines Kind richten, das fortwährend mit vollem Mund sprach. Was sich erstens nicht gehörte und zweitens, wie ich an mir getestet hatte, auch sehr gefährlich werden konnte. Einige Augenblicke schweifte mein Geist ab und blickte in glasklare, blau schillernde Augen, die mich frech und voller Liebe ansahen. Kindlich, naive Augen, aus denen Freude und Fröhlichkeit sprühte. Ich hoffte inständig, dass es meiner Kleinen gut ging und sie sich keine allzu großen Sorgen um mich machte. „Mama-san“, hatte sie gewispert und mich beunruhigt angesehen, „du kommst doch wieder, nicht wahr? Du lässt mich nicht alleine?“ Ich hatte mich zu ihr hinuntergekniet, sie zärtlich in die Armen genommen und leise geflüstert: „Natürlich komme ich wieder…Ich hab dich doch lieb, mein kleiner Schatz!“ Sanft küsste ich sie auf beide Wangen. Darauf strahlte das Mädchen, ihre hübschen blauen Augen funkelten vor Freude und Glück. „Ich hoffe, du findest deine Cousins ganz schnell und bringst sie mit…“, lachend hatte sie mir zugewinkt, als ich in den Zug stieg. „Werde ich. Sie sind doch auch deine Onkel oder deine großen Brüder…“, grinste ich keck und hob den Arm, um mich von ihr und meiner o-baa-chan zu verabschieden. „Sei vorsichtig, mein Kind…“, hauchte die warme Stimme der alten Dame, die ich schon fast vierzehn Jahre meine Großmutter nannte.

Dann zuckte mein Geist zurück in die Gegenwart, so schnell wie er in der Vergangenheit gelandet war. Ich starrte den glatzköpfigen Mann vor mir ein wenig wütend an, Funken blitzten aus meiner silbernen Iris. „Vielen Dank, das ist mir auch bekannt, dass man so etwas lieber unterlassen sollte“, antwortete ich leicht giftig auf seine nicht allzu ernst gemeinte Unterweisung. Mit großer Erleichterung rieb ich mir den Hals, der sich nun so rau anfühlte wie ein altes Reibeisen oder die vertrockneten Blätter im Herbst, die bei der leisesten Berührung sofort zerbröselten. Warm schmunzelnd blickte ich in die sanfte Iris des glatzköpfigen Riesen. „Domo arigato!“ mit einer leichten Verbeugung grinste ich frech in seine Richtung, ich war ihm äußerst dankbar für meine Rettung. Manchmal fragte ich mich wirklich sehr ernsthaft, ob ich wirklich schon eine junge Frau war oder noch das kleine Mädchen von früher, dass unbändig und wild durch die Wiesen getobt war.

Irgendwie ähnelte mein ganzer Charakter und mein Tun sehr dem Edos, aufbrausend und ungestüm ging oft eine ganze Herde Pferde mit ihm durch, fast wie ein kleiner Tornado, der fröhlich und ohne sich lange an einem Ort aufzuhalten durch die saftigen Felder strich und die goldenen Ähren zum Singen brachte. Der sich einige Male an einem dicken, großen Felsen stieß, sich aber sofort wieder aufrappelte, als wäre nichts weiter geschehen.

In ihm lebte der gleiche fröhliche und unbändige Geist, der auch mein Leben bestimmte und immer bestimmen würde. Ich erinnerte mich noch an einen wunderschönen, doch schon leicht kühlen Herbsttag vor fast 15 Jahren. Es war einer der letzten Tage, in denen ich unbeschwert und glücklich mit meinen Cousins verbrachte, an dem keine dunkle Wolke unser Beisammensein trübte, nur der Sonnenschein schenkte uns sein strahlendes Lächeln.

Wir – das waren Edo, oba-san, der kleine Al und ich – saßen draußen auf der Veranda, der leicht kühle Wind strich über unsere Haut und wirbelte unsere Haare umher, man schmeckte schon den Winter in seinem Atem, der von den nahen Bergen kam. Kurz blickte ich zu ihnen auf. Ihre Gipfel zierten schon das Weiß des Schnees, der glitzernd wie ein riesiger Diamant auf uns herabsah. Leicht fröstelnd, aber auch um meinem kleinen Ed, der fröhlich zappelnd auf meinem Schoß saß, vor dem Wind zu schützen, schmiegte ich mich eng an ihn. Begeistert spielte er mit meinen blonden Haarsträhnen, die verlockend um sein Gesicht strichen und ihn keck kitzelten. Liebevoll lächelnd beobachtete Trisha-san uns, die den kleinen Al gerade fütterte. Leise schmatzende Laute waren zu hören, als der Dunkelblonde an der Flasche saugte. Ich musste kichern, es klang so niedlich, wenn Alphonse so eifrig trank. Leicht zupfte Jemand an meinen Strähnen. Verwundert blickte ich hinab und sah in zwei goldene Augen, die sich leicht eifersüchtig verzogen hatten. „Nee-chan…“, murrte es aus dem kleinen Mund. Ich strich ihm sanft über die Hand und gab ihm einen zarten Kuss auf die Stirn. Die Wangen erröteten sekundenschnell. „Ed-chan…“, grinste ich ihn frech an und zwinkerte ihm zu. Einige Momente schloss ich meine Augen, hörte die Geräusche um uns herum. Das leise Knarren des Schaukelstuhls von oba-san, der rhythmisch wie ein stummes Wiegenlied auf und ab wippte. Der sanfte Wind, der sich in den kleinen Ritzen verfing und eine leise, klagende Melodie spielte. Die Spatzen, die sich in unserer Nähe aufhielten, zwitscherten fröhlich und hüpften leise über das Holz. Ich sah zu Ed, der begeistert an einem Brotkanten herumkaute, den seine Mutter ihm gegeben hatte. Leider war das Stück ein wenig zu groß für Eds kleinen Mund, so dass die meisten Krümel herunterfielen und den Spatzen so als Mahlzeit diente. Edo sah ihnen erstaunt zu, seine güldene Iris blitzte vor Freude und Wonne hell auf, als die winzigen Piepmätze immer mutiger wurden und sogar fast an meine Füße hüpften, um die leckeren Brotkrümel aufzupicken. „Sugoi!“ schrie der kleine Wirbelwind vor lauter Jubel und begeistert klatschte er die kleinen Hände zusammen. Dieses laute, aber nicht böswillige Geräusch verschreckte die braun gefiederten Wesen, die aufgeregt piepsten und verängstigt davon flogen. Das Gesicht meines süßen Cousins verzog sich zu einer traurigen Miene, sein Mund zu einer schuldbewussten Schnute, als seine neuen Freunde so einfach das Weite suchten. „Weg…bin schuld…“, schniefte das Häufchen Elend in meinen Armen. „Edo...du bist nicht schuld, die Vögel sind frei lebende Wesen, sie sind misstrauisch gegenüber uns Menschen.“ Liebevoll umschlang ich den Körper des Blonden und drückte ihn sanft an mich. Ganz langsam rutschte ich vom Stuhl, aber immer noch hielt ich den Jungen in meinem Schoß fest umschlungen. Auch das weiche Kissen, auf dem ich die ganze Zeit gesessen hatte, wurde mit in die Tiefe gerissen. Mein jüngerer Bruder musterte mich seltsam. „Nee-chan…?“ „Psst!“ Ich legte einen Finger auf meinen Mund, um ihm anzudeuten, still zu sein. Er nickte, seine golddurchwirkten Augen verrieten ungeheure Neugier. Vorsichtig riss ich ein kleines Stück des Brotes ab, zerkrümelte es leicht und hielt meine Hand ganz still auf dem Holzboden. Das verschmitzte Lächeln meiner Tante bemerkte ich kaum, so sehr war ich in meiner Aufgabe vertieft. Eine Weile geschah nichts und Edo wurde schon zappelig, aber ganz zart streichelte ich ihm über den Arm, summte leise eine Melodie, die so sanft war, wie der Wind, der durch die Vorhänge an den Fenstern vorüberstrich. Staunend guckte mich der kleine Bursche an, aber seine Unruhe verging, wie die Wolken am Himmel nach einem Regenguss. Unbemerkt von Edward und mir kam leise einer der mutigen Vögel, leise tappten seine kleinen, gelenkigen Füße näher. Misstrauisch linste er meine Hand an, die noch ein wenig einschüchternd und doch so verlockend für ihn aussah mit den vielen Krümeln. Langsam wandte ich mein Antlitz ihm zu, auch Edo hatte ihn bemerkt, denn seine Augen leuchteten wie die Sonne am blassblauen Firmament. Ganz leise, fast lautlos summte ich das Lied weiter, es schien, als würde es dem Braungefiederten gefallen, zwitschernd flog er auf meine Hand, pickte sachte die Krümel, aber immer noch beäugten seine kleinen, braunsamtigen klugen Augen den Blonden und mich, denn er würde bei jeder noch so geringsten Bewegung sofort wieder Reißaus nehmen. Einige seiner Freunde folgten nach einiger Zeit seinem Beispiel und bald hatte ich die ganze Hand voll mit den fröhlich piepsenden Vögeln, die sich zeternd um die größten Brocken stritten. Voller Bewunderung guckte mich mein Cousin an, dann wieder auf die Piepmätze und zurück. Ich grinste freundlich zurück. Irgendwann waren alle Krümel aufgeputzt und leise ihren Dank fiepend flog der Schwarm auf. „Sugoi…“, wisperte Edo-chan, als die Geflügelten weg waren. Seine Pupillen wurden groß, als er mich betrachtete. „Tenshi…“ voller Ehrfurcht griff er in meine Haare. Die Strahlen der Sonne, die gerade durch die Bäume lugte, verfingen sich in meinen Strähnen, die nun golden glänzten. Dann kräuselte sich seine überaus weiche Stirn zu einem angestrengten Grübeln. Er zog die weichen Haare, die er nun in der linken Hand hielt, zu sich herunter. Mit den Fingern der anderen Hand betrachtete er seine blonden Strähnen, die sanft in der noch warmen Sonne leuchteten. „Gleich…“, brummte er wispernd. Ein sehr fröhliches Grinsen zierte sein Gesicht, das ihn überaus spitzbübisch wirken ließ und seine Wangen erglänzten in einem frischen Ton. Glucksend zog er heftig an meinen Haaren, nicht wissend, dass es mir ein wenig wehtat. Ein leiser zischender Laut entfuhr meiner Kehle, als ich mein Gesicht nach vorne beugte. „Edo-chan…“, ertönte die weiche, warme und doch tadelnde Stimme von oba-san Trisha, die ihren schönen Kopf ernst schüttelte. Die Iris des Kleinen glänzten wie zwei wundervolle Opale, die gerade geschliffen worden waren. „Gleich!“ kicherte er aufgeregt und hüpfte auf meinem Schoß umher, wie ein niedlicher, lebendig gewordener Gummiball. Mit Feuereifer verglich er immer wieder unsere Haare, die in der Mittagssonne überirdisch leuchteten, als wären es kleine, neu erschaffene Planeten, die glühendheiß ihre Bahnen zogen. Vorsichtig und zart legte ich meine Hand auf seine Finger und öffnete sie langsam, so dass die gefangene Haarsträhne wieder frei war und diese sofort nutzte um mit dem Wind haschen zu spielen. Verwundert betrachteten mich die rabenschwarzen Pupillen meines Cousins, eine blonde Braue verzog sich erstaunt nach oben. „Aua…“, wisperte ich leise in sein Ohr und kniff meine silbergrauen Augen einmal fest zu. „Aua…au…a…“, wiederholte er das Wort flüsternd, er ließ die Haare sofort los und tröstend umarmte er mich liebevoll. „Nee-chan…gomen nasai…“, seine treue, samtig goldbraune Iris sah zu mir hinauf, bittend und zugleich ängstlich. „Schon gut, mein kleiner Ed-chan, ist nichts weiter passiert. Daisuki…“, ich wuschelte zärtlich durch sein kurzes, strohblondes Haar, das meinem so sehr ähnelte…fast als wären wir Geschwister und nicht nur Cousin und Cousine. „Hab dich lieb, Sester…“, brummelte er wispernd in meine Kleidung, kuschelte sich eng an mich und ganz langsam schlief er ein, die Wärme unserer Körper war angenehm und beruhigend, so dass er nicht mehr länger die Augen offen halten konnte. Schwesterlich schmunzelnd streichelte ich seine warmen Hände, die sich in mein Kleid vergraben hatten. Fast lautlos sang ich ihm ein Lied, das meine Mutter manchmal vor sich hinträllerte, wenn sie sich unbeobachtet fühlte.
 

„Wer weiß schon, was der Morgen bringt

in einer Welt, in der wenige Herzen überleben

alles was ich weiß, ist der Weg, den ich fühle,

wenn er richtig ist, halte ich diesen am leben.
 

Die Straße, auf der wir gehen, ist lang und die Berge versperren unseren Weg

aber jeden Tag erklimmen wir einen Schritt mehr, unserem Ziel entgegen
 

Liebe erhebt uns in die Lüfte, dorthin, wo die Adler rufen,

auf dem Gipfel des Berges

Liebe erhebt uns in die Lüfte, weit weg von der Welt,

wir wissen, dort oben weht ein frischer Wind…“
 

(freie Übersetzung von ‚Up where we belong’ von Joe Cocker und Jennifer Warnes)
 

„Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man glauben, du und Edo seid Geschwister, Lina-chan…“, bemerkte eine äußerst sanfte Stimme neben mir, die mich sehr an Honig erinnerte. Mein überraschter Blick ruckte nach oben in ihr warmes, weiches Gesicht, das so viel Liebe ausstrahlte und alle Sorgen vergessen ließ. Trisha-san war aufgestanden und in ihren Armen trug sie Al, der leise plappernd fasziniert in das Antlitz seiner Mutter sah. Sie kniete sich vor uns hin. „Al-chan…“, wisperte ich leise. Verblüfft guckten mich die sanften blauen Augen, die schon einen leichten Stich ins grünliche hatten, des kleinen Babys an, glucksende Laute kamen aus der Kinderkehle und die kleinen Knubbelfinger streckten sich mir entgegen. Zärtlich strich ich über seine Haut. Ich fühlte so viel Liebe für die beiden Kleinen, das es mir fast das Herz zerspringen ließ. „Daisuki, Al-chan…“, ich spürte die salzigen Tränen auf meinen Wangen. Erstaunt wurden die Pupillen des kleinen Burschen groß und das winzige Patschehändchen legte sich warm auf meine Haut. Mitfühlend strich er mir ganz zart darüber. Kichernd legte ich meine Hand, die wirklich riesige Ausmaße im Gegensatz zu den Fingern von Alphonse hatten, auf seine, nahm sie dann vorsichtig und gab ihr einen kleinen Kuss darauf. „Arigato, Al-chan…“ Das kleine Gesicht wurde rot, beschämt lutschte er am Daumen, aber die hübschen Augen blickten immer wieder zu mir hinüber. Seine Mutter lachte, kuschelte zärtlich mit ihm, bis er halb am Einschlafen war. Dann kraulte sie Ed am Nacken, der friedlich schlummernd auf meinem Schoß eingeschlafen war. Ein kleines, engelhaftes Lächeln war die Antwort. „Kaa-san…nee-chan…“, brabbelte er fast lautlos, rollte sich wie ein kleiner Hund zusammen und schnarchte leise. Kichernd beobachteten wir die beiden Kleinen. „Ich werde alles für euch tun, meine kleinen Brüder…alles…“, dies war mein fester Entschluss und unverrückbar. „Ich bin sehr froh darüber, dass die Beiden eine so liebe Schwester haben…“, die langen Finger von oba-san legten sich sanft auf mein Haupt. „Weißt du, diese Ähnlichkeit habt ihr euren Vätern zu verdanken.“
 

Bis zum nächsten Mal ^^ Ein schönes Wochenende wünschen euch Mariko und Lina

Ahnungen werden zu Gewissheit

Ich rede nicht lange um den heißen Brei rum, viel Spaß beim Lesen

PS: Ich hoffe mal, das ich das Wort 'klein' überall gelöscht habe, ich kann aber nichts dafür wenn Ian oder Will etwas sagen, was manch anwesende Person nicht leiden mag *lach*

Vielen Dank an AlchemistEdward, Hotep und Serena m(_ _)m
 

abuna garu ~ Angst haben, sich ängstigen
 

Ahnungen werden zur Gewissheit
 

Voller Neugierde und mit größtem Interesse blickte ich in ihre grünen Augen, die weich waren, so sanft, wie die einer friedlichen weißen Taube. Damals hatte ich noch keinerlei Ahnung, was meine Tante mit diesen Worten gemeint hatte, erst später, viel später wurden mir die Zusammenhänge zwischen nat-oji-san und meinem too-san gewahr. Was mich mehr schmerzen sollte, als fast alles andere. Dass mein Vater…

Ich hatte damals keinerlei Erinnerungen an ihn, nur Bilder, die meine Mutter heimlich unter dem Kopfkissen liegen hatte, verrieten mir, wie er aussah. Ein sehr gut aussehender, aristokratisch wirkender Mann. Langes blondes Haar, wie das meines Onkels, fiel ihm als goldener Zopf auf den Rücken. Markante Gesichtszüge ließen jede Frau in Schwärmerei verfallen, seine breiten Schultern luden geradezu zum Anlehnen ein. Auf wenigen Bildern lachte er sogar, dass einem vor Entzücken fast schwindelig wurde. Mutter musste ihn sehr geliebt haben, wurde mir schmerzlich bewusst. Doch beim letzten Bild erstarrte ich unwillkürlich, mein Vater blickte mich mit blauen Augen an, eisige Saphire, die mir das Blut gefrieren ließen. Mit einem lauten entsetzten Schrei warf ich die Fotografien auf den Boden. Weinend rannte ich zu meiner Mutter und krallte mich mit einem jammervollen Schluchzen an ihr Kleid. „Mein Engelchen, was ist denn?“ sorgenvoll verzog sich ihre schöne silbergraue Iris, die meiner so ähnlich war. „Mama-san…abuna garu…“, wisperte ich völlig aufgelöst. Verwundert versteifte sich meine Mutter einige Sekunden, bevor sie mich liebevoll in ihre Arme nahm. „Du brauchst keine Angst haben, mein kleiner Engel, ich bin ja da.“ Diese Augen…diese furchtbaren, emotionslosen Augen…so kalt und blau, wie ein eisiger, gefrorener See im tiefsten Winter…sie hatten mich schon einmal so angesehen. Sie näherten sich aus der Finsternis meiner Wiege, freudestrahlend hatte ich sie angelächelt, um im nächsten Moment Schreckliches zu spüren, grausame Schmerzen, die mein ganzes Leben veränderten. >Nie wieder…nie wieder will ich in diese Augen sehen…<

„...der Kleine soll jetzt wohl künstlich ernährt werden, hat Miranda mir vorhin erzählt, wegen seinem Fieber“, hörte ich eine bekannte Stimme an meinem Ohr, die die Erinnerungen, die tief in mir verborgen waren, wie regenbogenfarbene Seifenblasen zerplatzen ließ. Mit einer blitzschnellen Drehung ruckte mein Kopf in Richtung Ian, nun zerfiel auch der Rest meiner fast sorglosen und schönen Kindheit wie ein Kartenhaus. Ich fühlte wie mein Atem schneller ging, der rote Lebenssaft pulsierte wie ein gewaltiger Orkan in meinem Adern und meine Angst klopfte erfreut erneut an meine Herzenstür. Meine peinerfüllten Pupillen erweiterten sich, als ich dem Bericht des rothaarigen Pflegers lauschte, der leise mit seinem Kollegen und Freund tuschelte. Sie bemerkten gar nicht, wie ich ihrem Gespräch zuhörte, da sie wohl dachten, ich wäre noch mit den Unmengen von Kartoffeln und dem frischen Gemüse beschäftigt. Sprachen sie wirklich von…Ed-chan? Haltlos fielen mir unwillkürlich die wohlgerundeten Erbsen von der Gabel, die ich gerade in meinen offenen Mund schieben wollte. Die Worte erschütterten mich zutiefst, meine Seele verkrampfte sich, so dass ich kaum noch einen klaren Gedanken fassen konnte. „Lieber Bruder…“, flüsterte ich lautlos. Denn ich wusste, mit dem ‚Kleinen’ war nur mein blonder Cousin gemeint.

„We…-wen meint ihr damit?“ mit klopfendem Herzen stellte ich ihnen diese Frage, doch meine nervöse Stimme zitterte unkontrolliert, wie ein Erdbeben, dass das Land zerstörte und die Menschen unter sich begrub. Etwas tief in meinem Inneren weigerte sich entschieden dagegen, es könnte sich wirklich um meinen blonden Cousin handeln, über den der Rothaarige sprach. >Bitte nicht…bitte…<

Die beiden Pfleger sahen verwundert von ihrem leisen Gespräch auf, sie hatten wohl nicht damit gerechnet, belauscht zu werden. Will öffnete gerade den Mund, um mir eine Antwort zu geben, aber der Kleinere der Beiden plapperte schon munter drauflos. Denken gehörte wohl nicht ganz zu seinen Stärken, aber es war mir gerade recht. So würde ich nun endlich erfahren, was mit Edward war.

„Na ja, der Kleine halt, von Zimmer 160, du bist doch mit ihm eingeliefert worden. Er hat diese komischen Metallprothesen, keine Ahnung, wie man diese Dinger nennt. Hab ich noch nie gesehen“, redete er wie ein Wasserfall, wahrheitsgemäß und ohne sich um seinen riesigen Kollegen zu kümmern, der ihm mit einigen Gesten zu verstehen geben wollte, darauf zu achten, was er gerade von sich gab. „Die nennt man Automail…“, quetschte ich aus meiner staubtrockenen Kehle, doch die Beiden hatten nichts gehört. Mein Blut pochte wie ein aufgeregtes Füllen in meinen Adern, das hinaus in die Freiheit wollte. Fühlte wie meine Haut weiß wurde, wie ein frisch gewaschenes Leinentuch. Ich presste die Lippen aufeinander, so dass sie nur noch eine blutleere Linie bildeten. >Ich muss mich zusammenreißen…< ich konzentrierte meine Atmung, so wie ich es von Onkel Nat beigebracht bekommen hatte. Sofort wurde ich für einige Momente ruhiger, doch das änderte sich schlagartig, als Ian weiterquasselte: „Er hat dieselben goldblonden Haare wie du“, war der Stein der das Ganze zum Rollen brachte. Meine Muskulatur verspannte sich augenblicklich, nur mit Mühe und hoher Konzentration konnte ich meine ruhige Miene beibehalten. Doch meine gepeinigte Seele schrie jämmerlich auf, wie ein verwundetes Tier, das man zum Sterben allein gelassen hatte.

„Was...was ist mit ihm?“ meine Zunge fühlte sich pelzig und rau an, als wäre seit Tagen kein Tropfen Wasser mit ihr in Berührung gekommen. Ich versuchte so ruhig und nüchtern zu klingen, als wäre Edward kein Teil meiner Familie und ich mich nur so um das Wohlergehen eines anderen Patienten kümmerte. Doch das stetige Zittern meiner Hand konnte ich nicht verbergen, verbissen krallte ich meine Finger fest zusammen, so dass die Knöchel weiß hervorstachen. Lange würde ich meine Gefühle nicht mehr zurückhalten können, ich spürte bereits, wie sich ein dicker Kloß in meinem trockenen Hals bildete, der das Atmen immer schwerer machte. Die Tränen näherten sich unaufhaltsam meinen Augen, doch noch konnte ich sie wegblinzeln. Zu allem Überfluss war da noch der Hüne von Pfleger, der anscheinend ein leises Misstrauen mir gegenüber gefasst hatte. Die sonst so viel Güte und Liebe ausstrahlenden, mahagonifarbenen Augen ruhten schwer auf meinem Haupt, die Pupillen verengten sich düster. Aber ich blickte stur zu dem rothaarigen, jungen Mann hinüber, der noch immer ruhig vor sich hinplapperte und nichts von alldem Unheil bemerkte, das er vielleicht gleich anrichten würde. Wenigstens bekam ich endlich Antworten auf meine solange schon gestellten Fragen. Aber wollte ich diese überhaupt erfahren? War es nicht vielleicht besser…

Doch die erwartete Information wurde mir so heiß serviert wie das Essen vor meiner Nase.

„Nun ja, Miranda, das ist eine der Krankenschwestern, hat mir erzählt, dass der Kleine wegen seines lebensgefährlich hohen Fiebers Infusionen bekommt, doch da er zudem eine Menge an Flüssigkeit verloren hat, will ihm dies der Doc durch künstliche Ernährung zurückführen, sonst kann es passieren, dass es durch drohende Austrocknung zu Komplikationen kommt. Miranda muss nun jede halbe Stunde nach ihm sehen und Bescheid geben, sollte sich etwas an seinem Zustand ändern. Also, wenn ihr mich fragt“, ich spürte, wie es mir bei jedem weiteren Wort die Luftröhre enger schnürte, mein Puls beschleunigte sich, wie ein wild gewordener Hengst wütete es und preschte voran, immer weiter zu meinem erschreckend laut klopfenden Herzen, das sich anfühlte, als würde es gleich platzen. Meine Beine waren weich wie klebriger Gummi in der Hitze des schwülen Sommers. Rote Schlieren tanzten vor meinen verängstigt verzogenen Pupillen auf und ab. >Edo…<

Ian richtete seine grasgrünen Iris auf seinen Freund, der ihn mit einem warnenden und zugleich fast wütenden Blick bedachte. Die Stimme des Kleineren redete weiter, ohne Unterlass und ohne Rücksicht. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Körper des Jungen das noch lange mitmacht.“ Leise seufzte der rothaarige Pfleger kummervoll auf. „Ich habe gehört, die Leute vom Militär haben keinen der Ärzte hier im Krankenhaus benachrichtigt, als es ihm schlechter ging. Nein, sie haben sich scheinbar nur auf die Künste Doktor Browns verlassen und den angerufen, damit er hierher kam. Wie dumm“, äußerte er sich über das Fehlverhalten dieser uniformierten Menschen. „Hätten sie eher reagiert...“, wisperte der Jüngere der beiden Pfleger. Flink wandte ich mich dem Fenster zu, stierte hinaus in die schwarze Nacht, in der noch immer unheimlich die giftigen Blitze herabgingen und wie hungrige Wölfe nach ihren Opfer bIeckten. Ich fühlte, wie sich die heißen Tränen eine Bahn brachen und stetig wie der Fluss meine Wangen hinunterperlten. Schnell wischte ich sie weg, aber es half nichts. Mit größter Mühe unterdrückte ich ein krächzendes Keuchen.
 

Ein besorgter Schatten huschte über die noch leicht kindlichen Züge des rothaarigen Mannes, traurig seufzend strich er seine feurigen Haare nach hinten, die sich aber sofort wieder vor seine smaragdgrünen Augen legten. Die Sommersprossen, die das Gesicht beherrschten, wurden fast blass, als er einen Augenblick lang an seinen kleinen Bruder dachte, der auch im selben Alter wie der blonde State Alchemist war. Der Blonde war nun ganz allein in diesem trostlosen, dunklen Zimmer, kämpfte gegen den alles nehmenden Tod, der in seinem Körper pulsierte und vielleicht heute Nacht ein weiteres Opfer für sich beanspruchen konnte. Der junge Pfleger spürte eine unsagbare Wut in seinen Adern aufsteigen, wie heißes Magma, das aus der Erde brach und das blühende Land mit seinem tödlichen Atem begrub. Sein Zorn entlud sich ohne die geringste Vorwarnung, wobei der kleine Tisch, an dem er gerade saß, als leidendes Opfer herhalten musste. Will, der nur seinen besten Freund mit traurigen, braunen Augen betrachtete, zuckte heftig zusammen, als die Faust des Rothaarigen mit kraftvoller Wucht auf den Metalltisch schlug.

„Verdammt!“, sprudelte es hasserfüllt aus dem Mund des Kleineren. „Diese Narren! Hätten sie sich nicht nur so auf den Doc versteift, dann würde der Kleine vielleicht überleben!“ Seine rot glänzenden Haare sprühten Funken, als wäre er ein lebendiges Feuer, das die Dummheit der Menschen vertilgen wollte. Zu sehr erinnerte ihn der blonde Alchemist an seinen eigenen Bruder, der gerade vermutlich bei ihrer Mutter saß und dem Sturm, der in dieser unheilvolle Nacht herrschte, fasziniert beobachtete. Ian wusste nicht mit Gewissheit zu sagen, zu was er fähig wäre, würde er jetzt in der eisernen Haut des Metallkameraden stecken.

Wütend ballte er seine schmalen Hände zu Fäusten, leise knirschten seine Zähne, als er seine Kiefer vor Zorn zusammendrückte.
 

In der nun herrschenden Stille wurde ein wisperndes, kummervolles Keuchen hörbar. Gepresste Laute, die zischend aus dem Mund einer jungen Frau kamen, die mit aller Macht versuchte, ihre aufkommenden Gefühle zu unterdrücken. Kleine Kristalle tropften auf den steinernen Fenstersims, an dem sie stand. Sie glitzerten wie winzige Diamanten, die von dem Leid des Mädchens erzählten. Die weichen Finger krallten sich in ihre Haut, die schon anfing zu bluten, so fest ballte Lina ihre Hände. Die lachenden, sanften Augen waren geschlossen und nicht enden wollende Tränen kullerten von den schönen, doch sehr blassen Wangen. Entsetzt starrten die beiden Pfleger die attraktive Blonde an, die gequält und kummervoll aufschluchzte.
 

Die letzten Worte des rothaarigen Pflegers waren die grausamsten die ich jemals vernommen hatte. >Ed wird sterben? Nein…das darf doch nicht sein…< nach Luft ringend versuchte ich meinen Körper zu beherrschen, aber es gelang mir nicht mehr. Schluchzend und am ganzen Leib zitternd brach der Kummer aus meinem Inneren, der meine Sinne überschwemmte und drohte sie zu verschlingen. Mit verschleierten, grauen Augen starrte ich zu der Wand hinüber, als könnte ich dadurch das Unheil von meinen Cousins abwenden.
 

Mit einem schmerzvollen Stich im Herzen beobachteten Ian und Will das hübsche Mädchen, wie sich ihre sonst so weiche, aber nun leere, vor Kummer dunkel gewordene silberne Iris zu der Wand richtete, in dem das Zimmer des kleinen Full Metals lag. Die Hände von Lina hatten sich in ihr Nachthemd verkrallt, krächzende, vor Qual verkümmerte Laute kamen über die schwungvollen, sanften Lippen. Dann hörten die Pfleger ein Wort, dass ihnen die Haare zu Berge stellten. Wispernd und völlig verängstigt flüsterte sie es. „Edo…“
 

Wie ein nicht enden wollender, grollender Strom perlte der giftig rauschende Regen über die Metallhaut des seltsamen Wesens, das wie ein außer Kontrolle geratener Panzer durch die schlammbeschmutzte Landschaft pflügte und alles mit sich riss, was ihm im Weg stand. Kahl gewordene Büsche, kleine Bäumchen, die leise jammernd aus ihrem Heimatboden herauskatapultiert wurden und sogar Teile einer Parkbank mussten unter dem zornerfüllten, unüberlegten Wüten des Stählernen weichen. Leise Schluchzer quetschten sich aus dem metallenen Mund, als er weinend über die aufgeschwemmte Erde rannte.

Erst der riesige, mächtige Stamm einer jahrhundertealten Eiche setzte dem jähzornigen, leichtsinnigen Toben ein jähes Ende. Mit voller Wucht knallte der stählerne Körper des Jungen auf die Rinde, so dass sein Leib und auch der Baum jämmerlich aufkreischten, als würde ihr letztes Stündlein schlagen. Das merkte Alphonse aber gar nicht. Laut schluchzend wie ein kleines Kind rutschte er an dem glitschig nassen Stamm hinab auf den aufgeweichten Erdboden. Seine Hände gruben sich wie kleine Schaufelbagger in den sonst so gepflegten und gehegten Rasen, der nur noch das Aussehen eines Schlachtfeldes hatte und rissen die letzten verbliebenen Grashalme aus diesem. Anklagende, rot glühende Augen starrten empor zum Himmel, der wohl nie wieder aufhören wollte, seine machtvollen Schleusen zu schließen. Voller Hass schickten die schwarzen Wolken ihre grell leuchtenden, tödlichen Wurfgeschosse gen Boden, die sich gefährlich nahe des Jungen mit voller Kraft entluden und mit lautem bedrohlichem Zischen in den Erdboden gruben.

„WARUM?!“ schrie Alphonse mit einer endlosen Traurigkeit die düsteren Wolken an. Wieso willst Du ihn mir nehmen?! Was hat er getan, dass er soviel leiden muss?! Ist es, weil wir DAS getan haben?! Dann bestrafe auch mich, denn ohne ihn will und kann ich nicht weiterleben!“ Mit ausgebreiteten Armen schloss er kurz müde die Augen, hoffend auf seine Erlösung, die ihm aber nicht gewährt wurde. Wie das Kichern einer gehässigen Person pfiff der eiskalte Wind durch die Wipfel der Bäume, hohnlachend plätscherten die dicken Regentropfen auf die Stahlhaut des metallenen Jungen und die hell leuchtenden Blitze leckten hungrig nach ihm. Seinen aufgestauten Ärger, Kummer und Pein hinausschreiend schlug er unbarmherzig in den Dreck, der meterweit spritzte und leise gurgelnd an seinen Händen kleben blieb.

„Wieso?“ wisperte er leise, die Trauer überschwemmte seine Gefühle. Wenn er doch nur einen menschlichen Körper besitzen würde, dann könnte er wenigstens weinen, aber auch das blieb ihm verwehrt. So konnte er nur die Tropfen, die wie Tränen auf den Boden fielen, betrübt beobachten, wie sie eins mit dem matschigen Schlamm wurden, wenn der Regen den Boden berührte. Eins, so wie die Menschen, die eines Tages dieser Welt ihren Abschiedsgruß darbrachten und wieder zu Erde wurden. >Wird auch nii-san bald in der kalten Erde liegen? Alleine, ohne mich, blass und leblos dem natürlichen Zerfall ausgesetzt, in einem kahlen Sarg. Weit weg von mir und Winry…Ich will nicht, dass du gehst, ich hab dich doch lieb, nii-san.< „Nii-san!“ schluchzte Alphonse hemmungslos die hinunterperlenden Regentropfen an und krallte seine stählernen Finger in den schlammigen Untergrund, so dass dieser unheimlich aufgluckerte und mit einem schmatzenden Laut auseinander floss. „Bitte…“, seine kummervolle Iris wandte sich dem Zimmer seines Bruders zu. „Bitte, nii-san, lass mich nicht alleine.“, rief er dem bewusstlosen Geist des Älteren zu.
 

„Al-chan…“, wimmerte es lautlos aus dem weichen Mund der jungen Frau, die mit dem Rücken zum Fenster stand. Die Tränen perlten unaufhörlich über die blassen Wangen, die sich langsam vom Weinen röteten. „Al…“, murmelte sie beschwörend, mit einem zarten, feinen Unterton, der tröstend zugleich wirkte.
 

„Al-chan…“, flüsterte es liebevoll in seinen Sinnen. Plötzlich erschien das hübsche, weiche Gesicht seiner Cousine und erwärmte seine dunkel gewordene Seele. Es schien fast, als wäre die attraktive Blondine neben ihm und würde tröstend ihre Arme um ihn legen. „Nee-san.“, schniefte der metallene Junge. Ein Bild tauchte in seinem Inneren auf, Linas blonde Strähnen fielen ihr keck ins Antlitz, verträumt, vielleicht ein wenig gedankenverloren strich sie ihre Haare zurück und lächelte ihn fröhlich und frech an. Sie ähnelte so sehr seinem älteren Bruder, dass es ihm unendlich schwer fiel, ihr liebliches Gesicht vor seinem inneren Auge zu vertreiben.

„Ach, nee-san…“, wimmerte er haltlos und klammerte sich an die samtweiche Erinnerung seiner Cousine. „Wenn du nur wüsstest…“, wisperte es schluchzend aus der Kehle von Alphonse, aber Momente später funkelte seine rote Iris in den gleißenden Blitzen bedrohlich auf. „Nein“, murmelte er tonlos, „gut, dass du nichts weißt.“ Starr lag sein geschärfter Blick auf dem von Lichterschein erwärmten Fenster seiner nee-san. Ihre blonden Haare schimmerten weich durch das Glas, denn sie stand mit dem Rücken zu der nun bebenden Rüstung. „Du würdest nur versuchen, ihm zu helfen...ich will nicht, das du dies tust, genauso wenig, wie er das will. Ich möchte nicht noch einen Menschen, der mir nahe steht, leiden sehen.“

Er hoffte inbrünstig, dass ihre Schwester über den Zustand seines Bruders nicht Bescheid wusste.

Wäre ihm bewusst gewesen, dass Lina schon davon wusste, er würde sofort und schnurstracks ins Zimmer von Ed laufen, um dafür Sorge zu tragen, dass nicht einmal die hübsche junge Frau zu seinem nii-san zu nahe kam. Denn wenn sie…nein, er durfte gar nicht daran denken. Seine dunklen Gedanken wurden von grellem Scheinwerferlicht unterbrochen, welches im schlickigen Morast unheimlich aufleuchtete. Es schien fast als wären grausame Wesen zum Leben erwacht. Ein wenig ängstlich schüttelte der Stählerne diese Dinge von sich. Alphonses Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt, daher sah er den schwarzen Wagen, der gerade auf der Krankenhauszufahrt vorgefahren war, sehr deutlich. Der Regen fiel als glitzernde Diamanten auf das Wagendach und perlte davon ab. Einige Sekunden beobachtete das metallene Kind das Autoinnere, aber nichts rührte sich. Das leise, leicht quietschende Zufallen einer Eingangstüre stach aus der tobenden Sturmkulisse hervor, wie das jämmerliche, hilfesuchende Schreien einer kleinen Katze zwischen riesigen Hunden, die es auf das arme Tier abgesehen hatten. Abrupt wanderten die rotglühenden Augen des Jungen zum Ursprungsquell. Schemenhaft kennzeichneten sich zwei Gestalten von der Finsternis ab, die eilig das Krankenhaus verließen. Ein paar Mal wandte die Kleinere der Beiden ihren Blick sorgenvoll zurück, beeillte sich aber anschließend zur Anderen aufzuschließen.

Wie die Wassertropfen mit einem reißenden Fluss verschmolzen, so wurden die beiden Schatten eins mit dem dunklen Wagen, der mit seinen dicken Reifen die Nässe auf den Straßen beiderseitig verdrängte. Fast geschmeidig wie ein onyxfarbener Panther verschwand das Auto ohne einen Laut durch den immer dichter werdenden Regenvorhang, der prasselnd auf die Rüstung hämmerte. Die himbeerfarbene Iris des Metallenen blickte ihnen nachdenklich hinterher, bis er das Gefährt nicht mehr erspähen konnte.

Dann drehte sich sein Kopf kummervoll dem Zimmer seines geliebten Bruders zu, an dessen Fenster eine Kerze leicht anfing zu flackern und bald im Begriff war zu sterben. Würde Ed wirklich von ihm gehen und ihn alleine lassen? Alphonse hatte diesen Ort fürchten gelernt, mehr als einmal. Es war dort nur Schreckliches passiert, das schwarze Unheil fühlte sich hier heimisch. Es war ein Ort, an dem er seinen blonden Bruder seinem Schicksal überlassen hatte. Niemand durfte zu dem goldblonden Alchemisten, aus diesem Grunde hatte man auch Colonel Roy Mustang und First Lieutnant Riza Hawkeye nach Hause geschickt, denn sie konnten nichts für den Jungen tun, war die Äußerung des alten Doktors mit den sanften Augen. Nur er selbst und die hübsche Krankenschwester durften zu Edward, aber nur mit Mundschutz und Handschuhen. Und Al, da er keinen keimbeladenen Körper besaß, nur diese kalte, eiserne Hülle.

Die leuchtenden roten Augen starrten ergrimmt in die finstere Nacht hinauf, in denen unzählige grelle Blitze hernieder gingen und mit ohrenbetäubendem Krachen in die Erdkruste tauchten. Der Donner war so laut, dass er in den Ohren des stählernen Jungen unangenehm dröhnte.

Noch nie hatte sich Al so sehr danach gesehnt, wieder in einem menschlichen Körper zu stecken wie heute. Seine Muskeln und Sehnen zu spüren, wie sein Herz beunruhigt klopfte, seine Tränen auf den Wangen zu fühlen, wenn er traurig war oder wie die Umarmung einer liebenden Person seine Haut wärmte. In den letzten Stunden war ihm sein Stahlgefängnis mehr als nur einmal bitter aufgestoßen. >Was war ich denn nur für eine Hilfe für nii-san…< Er wusste genau, dass in ihren Körpern das gleiche Blut floss, wie gerne hätte er einen Teil davon seinem älteren Bruder geopfert, so wie Ed damals für ihn aus Liebe gegeben hatte. Einen Moment lang erinnerte er sich an die furchtbare Begebenheit, als er aufgewacht war in diesem Stahlkäfig und mit angstvollem Blick seinen schlimm blutenden Bruder hinüber zu Winry’s o-baa-san getragen hatte. Sein stählerner Leib war über und über mit Edwards Blut besudelt gewesen. Der Ältere hatte wie eine leblose Puppe in den Armen von Alphonse gewirkt. Ein blutverschmierter Leib, der kaum noch die nötige Kraft enthielt. In diesen Sekunden der grausamen Angst und dunkler Panik bemerkte er wie kostbar doch ein Leben war, aber auch wie zerbrechlich, wie feinstes Glas, das bei jedem unbedachten Tun mehr und mehr zersplitterte. Nach dem zerschlagenen Wunsch, ihre Mutter dem Todesreich zu entreißen, hatte sich die Rüstung nur an eines geklammert: das Überleben des einzigen Bruders. Und nun saß das metallene Kind wieder hier und schickte diese Bitte gen Himmel. Ein anderer Gedanke überschwemmte die Seele von Alphonse. Wie seine Schwester in diesem angenehmen Licht getaucht war und die Seele von seinem nii-san wieder ins Leben zurückgerufen hatte. Er war ihr mehr als dankbar gewesen, aber in diesem Augenblick merkte er, dass sie wie Ed war, der alles für seine kleine Familie, bestehend aus Alphonse, Winry und o-baa-san, tat. Alles. >Ach nee-san…ich will aber nicht, dass du dein Leben verlierst, genauso wie nii-san es auch nicht darf…keiner von euch beiden darf mich verlassen…bitte…<

Wieder öffneten sich die alten Wunden, die so schmerzhaft waren für Edward und für ihn. Mit wachsendem Schrecken stand er zitternd neben seinem Bruder am Grab ihrer Mutter. Seitdem diese ihre weichen, sanften und doch so traurigen Augen zum letzten Mal geschlossen hatte, war Edward still gewesen, hatte kein einziges Wort mit seinem kleinen Bruder gesprochen, nicht einmal eine Träne vergossen. Nachdem alle Leute gegangen waren, standen die Beiden allein am Grabstein ihrer Mutter, die weißen Lilien darauf bewegten sich sachte mit jedem Atemzug des Windes, warm liebkoste er die Gesichter der Kinder. Doch fröstelte es Alphonse, er wollte nach Hause…aber wo war nun ihr Zuhause?

„Al…ich werde Mutter wieder zurückholen! Ich verspreche es dir!“ Die Stimme des Älteren klang nicht mehr wie die eines zehnjährigen Jungen, sondern alt, fast verbittert und sehr ernst. Mit einem fest entschlossenen Glitzern in den Pupillen, nicht mehr das unschuldige Leuchten eines Kindes, blickte er den Jüngeren an.

Dieses so einschneidende, schmerzvolle Erlebnis hatte den Blonden auf seinen schwarzen, schrecklichen Schwingen mit sich davongetragen. Das fröhliche, unbeschwerte Kind von einst gab es nicht mehr, dass mit seinem kleineren Bruder schöne und friedvolle Zeiten verbracht hatte.

„Und was hat es uns eingebracht?“ wisperte die stählerne Stimme durch die kalte, sturmdurchzogene Nacht. Der klirrende Wind mit seinen mächtigen Böen jammerte wie eine Todesmaid, die das Ableben einer Person vorhersagen konnte. Tief in seiner verletzlichen Seele zitterte der eiserne Junge auf, die alten Erinnerungen rissen blutende Fetzen aus seiner Seele. Er erinnerte sich an das Antlitz des Wesens, das sie erweckt hatten. Nicht in das liebevolle und sanfte Gesicht ihrer Mutter hatten sie geblickt, nein, das war kein lebendiges Wesen, sondern eine alptraumhafte Fratze, schrecklich verzogene Körpergliedmaßen reckten sich in die Höhe und stöhnende Geräusche fuhren aus dem ekligen Mund. Alphonse hätte in dieser Nacht am liebsten bitterlich geweint, aber er konnte nicht…nie mehr…

Diese unheimliche Nacht hatte ihnen nur Leid beschert. Die Opfer der beiden Kinder waren sehr groß gewesen. >Aber andererseits…<, die Rüstung legte den Kopf ein wenig schief, um einen blassrosa Regenwurm, der gerade aus seinem Loch kroch, besser betrachten zu können. Dieser reckte sein Haupt nach oben und zuckte leicht herum, als würde er nach etwas Essbarem schnüffeln. Er war wohl der Einzige, der sich über diesen Regenguss freute. Auf Al’s metallene Lippen schmiegte sich ein kleines Lächeln. >Wären wir wohl jemals auf die Menschen getroffen, dessen Wege unsere kreuzten nach diesem Unglück?< All die Leute vom Militär, unter denen sie wirkliche Freunde und wichtige Vertraute gewonnen hatten. Lieutnant Colonel Maes Hughes. Alphonse schmunzelte unwillkürlich, als er an die vielen Bilder der Tochter des liebenswürdigen, schwarzhaarigen Mannes dachte und wie Hughes-san jeden Tag Edward von neuem zu Weißglut brachte, wenn er diese hervorkramte. Aber wenn es darauf ankam, konnte man sich auf den bebrillten Colonel hunderprozentig verlassen. Major Alexander Louis Armstrong. Mit seiner großen Fürsorge machte er seinem nii-san und ihm manchmal das Leben sehr schwer, doch der metallene Junge wusste auch, dass der riesige Mann es nur gut mit ihnen meinte, es hin und wieder aber sichtlich zu weit trieb. Lieutnant Maria Ross. Sie hatte seinem nii-san ordentlich die Leviten gelesen, als er sich zusammen mit ihm kopflos in ihr erstes Abenteuer mit den grausamen Homunculi gestürzt hatten. Anschließend behauptete Edward, dass doch gar nichts passiert wäre, aber sie waren gerade noch so dem Tode von der Schippe gesprungen, wenn nicht rechtzeitig das Militär gekommen wäre. Lieutnant Ross, sonst immer eine gutmütige und liebenswerte Frau hatte dem Blonden eine gehörige Ohrfeige gegeben, aus Sorge um die beiden Kinder.

>Ja<, dachte Alphonse und starrte sinnierend in den pechschwarzen Himmel. >seitdem sind uns viele Menschen begegnet, oft in Zusammenhang mit Aufträgen, die nii-san nach dem Eintritt ins Militär hat erledigen müssen.< Begegnungen mit guten, sowie schlechten Menschen. Einigen konnten sie aus ihren Notlagen helfen, anderen wiederum nicht. Bedrückt wandten sich die flackernden roten Augen auf den Boden, der einem blutigen Schlachtfeld glich. Seine betrübten Gedanken glitten zu Nina, einem süßen Mädchen, dass Edward und er während der Ausbildung kennen gelernt hatten. Fröhlich und munter wie ein junges Füllen war sie herumgehüpft, hatte sich gefreut als der Blonde ihr seine Alchemiekünste zeigte. Vor Freude quietschend hatte sie auf dem Rücken der Rüstung gesessen und die Welt von Oben betrachtet. Strahlend glänzten die blauen Augen, als sie sich ganz fest am Kopf von Al festhielt. Aber diesem liebenswerten Geschöpf war es nicht vergönnt gewesen, jemals in die Schule zu gehen, irgendwann den ersten, schüchternen Kuss von einem Jungen zu empfangen oder ihr eigenes kleines Neugeborenes in den Armen zu wiegen.

„Der eigene Vater“, murmelte die traurige Stimme des Stählernen. Ninas Vater, ein Mann, dem Edward und er vertraut hatten, hatte das Leben seiner eigenen Tochter auf dem Gewissen. Er hatte sie zu einer Kreatur gemacht, die keinem Menschen und keinem Tier mehr glich…dieser Mann hatte Gott mit dem einzigartigen Leben eines ihm nahen Blutsverwandten gespielt …und Nina von Grund auf zerstört. All das ging über das geistige Verständnis des metallenen Jungen hinaus. „Wie kann man nur…“, seufzte es völlig aufgelöst aus der Kehle von Alphonse.

Ein ohrenbetäubendes Krachen erzitterte, dass auf der schlammigen Erde noch spürbar war und ließ das eiserne Kind von seinen trüben Gedanken auffahren. Nicht weit von seinem Versteck entfernt lag nun der halb verschmorte Stamm einer uralten Eiche, deren Todeskampf damit endete, dass der aufgeweichte Erdboden meterweit wegspritzte. Angeekelt wischte sich der metallene Junge den braunen Schmutz aus den feuerglühenden Augen. Allmählich war sich Al gar nicht mehr so sicher, ob es wirklich eine gute Idee seinerseits gewesen war, sich hierher zu verkriechen. Sein kummervoller Blick wandte sich sehr zögerlich dem Zimmer zu, das nur schwach beleuchtet war. Die Kerze war neu entzündet worden, jedoch tanzte das kleine Licht in der Dunkelheit hin und her, als würde es nicht den Mut haben, weiter zu existieren. Oder war noch Jemand in Eds Raum? Den man nicht sehen, aber umso besser spüren konnte, der eiskalte Hauch, der alles Leben auslöschte…der grausame Tod, der die Hinterbliebenen in ein Gefühlschaos stürzte und sie alleine in ihrem Schicksal zurückließ.

Nackte Angst kroch in das Herz des Stählernen, wie die überaus langen und feinen Gliedmaßen einer Spinne, die ihr Opfer mit Leichtigkeit umfasste, um es zu verschlingen, so wurde auch die Seele von Alphonse umschlungen. Die Besorgnis um den einen Menschen, mit dem ihn mehr verband als nur die Blutsverwandtschaft, schwebte in schwindelerregende Höhen.

Das blutjunge Leben von Edward hing an einem feinen, seidenen Faden oder genauer gesagt an einem dünnen durchsichtigen Schlauch, durch den die lebenserhaltende Flüssigkeit tröpfelte. Stetig wie der silberne Fluss pulsierte das Mittel durch die roten Adern des Blonden, in die Al seine ganze Hoffnung legte. Es war scheinbar die einzige Möglichkeit, seinen kranken Bruder genesen zu lassen. „Bitte stirb nicht, nii-san…“, würgte der stählerne Junge einen dicken Kloß seinen Hals hinunter, der sich in sekundenschnelle gebildet hatte. Falls Ed es überhaupt schaffte…

Erbost über ihre schwarzen Gedanken schüttelte die Rüstung ihren Kopf und knurrte leise. Er durfte so nicht denken. „Ja, ein Erwachsener würde mir wohl bestätigen, dass es Grund zum Zweifeln gibt, dass er doch sterben könnte mit seinem geschwächten Herzen, aber ich will das nicht…nicht mein nii-san!“ wisperte er leise und betrachtete noch immer den kleinen Wurm, der sich über die schwarze Erde schlängelte. >Ich muss zu nii-san…der Doktor hat gesagt, ich solle bei ihm bleiben und auf ihn acht geben. Was tue ich dann eigentlich hier?!< Mit einem blitzschnellen Ruck wuchtete er seinen metallenen Körper in die Höhe und näherte sich geschwind dem Eingang des Krankenhauses. Eine leise, einschmeichelnde Stimme ganz nah an seinem Ohr ließ ihn zur Salzsäule erstarren. „Alphonse Elric, wer hat es denn soweit kommen lassen, mhm?“ das böse Lachen schrillte grell in seinen Gehörgängen, so dass er unwillkürlich die Hände auf die Ohren drückte. „Wer wollte denn unbedingt den Helden spielen und hat nicht nachgedacht, hä?“ Leichte Panik stieg in das Herz des metallenen Jungen. Seine angsterfüllten Augen wandten sich in der grauenhaften Finsternis hin und her, als er könnte jeden Moment seinen Widersacher im Dunkeln ausfindig machen. „We-wer bist du?“ diese Worte gingen im Toben des Sturmes unter, aber zeitgleich wusste Alphonse, dass keiner hier bei ihm war und er daher auch keine Antwort auf seine Frage erhalten würde. „Du weißt, warum er halb tot in den Kissen liegt, du weißt, wer dafür verantwortlich ist…du weißt es…“, summte es vergnügt in seinem Kopf, einem lustigen Wiegenlied gleich, dass er einmal gehört hatte. „Nein…nein…“, wimmerte Al hilflos wie ein verlorenes Kind. Der erschöpfte Körper seines Bruders schob sich vor die traurige Kulisse des zerstörten Gartens. Mit einem qualvollen Laut kippte er haltlos in den Laubhaufen, doch seine golden durchwirkte Iris sah den Jüngeren verbittert an. >Wieso ototo…wieso hast du das getan? Warum?< Mit einem verzweifelten Keuchen schlossen sich die müden Augen des Blonden.

Heiser schluchzte die Rüstung voller Pein. Er fühlte sich immer mehr wie ein kleines Kind, das im Regen allein zurückgelassen wurde. Eigentlich war er ja noch ein Kind und wiederum nicht. In ein paar Jahren war er erwachsen, aber nun in diesem einen Augenblick fühlte er sich wie eine jammervolle Kreatur ohne Heimat, ohne Familie und ohne Freunde. Ein Lebewesen, das von Selbstvorwürfen zerfressen war, seine Seele glich einem verrotteten Körper, der von den Würmern angenagt wurde. Die gehässigen und doch so weichen Stimmen verhöhnten ihn. Ließen den Jungen schrumpfen wie einen alten Mann, der gramgebeugt über diese Erde ging. Es dauerte nicht lange und eine schwere metallene Hand krachte mit einer gewaltigen Kraft gegen den unschuldigen Stamm einer alten Eiche, deren Holz zu allen Seiten splitterte.

„LASS MICH IN RUHE!!“ brüllte seine grollende Stimme gegen den klirrend kalten Wind an. „Lass mich und geh fort! Ich wollte das doch alles nicht!!!“ Doch es lachte nur spöttisch in seinem Herzen, schnurrend wie eine rollige Katze fuhr es fort: „Du wirst ihn auf dem Gewissen haben, Alphonse Elric, du. Deinen eigenen Bruder…Mama ist nicht da, um es zu richten, nein, nein, ist sie nicht. Und Schwesterchen wird auch nicht helfen.“ Kichernd wie ein kleines Kind tanzte die Stimme in seinem Inneren.

„VERSCHWINDE!“ schrie der Junge verzweifelt und schlug mit den Armen wild in der Luft herum. Hätte ihn in diesem Moment Jemand gesehen, er hätte ernsthaft angenommen, Al wäre vollständig der Verstand abhanden gekommen. Der schieren Mutlosigkeit nahe, war der metallene Junge kurz davor, sich den Helm abzureißen und ihn irgendwo weit weg zu werfen. Doch er wusste, dass dies absolut nichts helfen würde, das aus seinen Gedanken zu verjagen, was ihn so unendlich quälte.

„Du weißt, wer…du weißt, wer…“, gängelte ihn das zarte Stimmchen, lachte ihn leise aus und kicherte mit einem hasserfüllten Unterton. „Hör auf, ich bitte dich, hör auf…“, wisperte es gequält aus Alphonses Mund. Doch es war noch nicht zu Ende. „M.Ö.R.D.E.R!“ buchstabierte die Stimme mit juchzenden Glucksen und lachte frohlockend. „AAAHHH!“ der metallisch gellende Schrei brach sich an den übrig gebliebenen Bäumen und wehte als Echo über den gesamten Krankenhaushof. Er ließ den böse fauchenden Sturm irgendwie dagegen als mildes Lüftchen wirken. Einige kleine Spatzen, die Unterschlupf in den Ästen der Bäume gesucht hatten, piepsten vor Angst und stoben vor Schreck in alle Richtungen davon.

Alphonse sank mit einem Wimmern in den aufgeweichten Boden, seine Knie versanken im Schlamm, der sich weich an die stählernen Gliedmaßen des Jungen legte. Ausdruckslos starrte seine rot leuchtende Iris zu dem kleinen Fenster, auf dessen Brett eine leuchtende Kerze stand. Das Flämmchen zischte nervös und flackerte unruhig, als würde es um seine Existenz bangen.

Zwischen weißen, nass geschwitzten Kissen erklang ein sehr schwacher Laut. Aufgesprungene, trockene Lippen formten ein Wort, funkelnd glitzerten die Tränen auf seinen eingefallenen, glühenden Wangen. Goldene Augen blickten kummervoll auf die bewegungslose Rüstung, die scheinbar wegen des donnernden herabprasselnden Regens in die Knie gesunken war. „Alphonse…“
 

Na, habt ihr auch schön mitgefiebert? Dann bleibt dran, bald kommt das nächste Chapter, das noch mehr heillose Chaos in sich birgt, als dieses hier *muahahaha*

He, huch, wo kommen die denn her? Nein, hilfe...*von den Männern in den weißen Kitteln abgeführt wird...* Ähm, ich hoffe mal, ich bekomme bald Ausgang, dann kommt das nächste Chapter...

(Kleiner...Scherz...XDDD)

Ich wünsche euch eine schöne Woche und habt viel Spaß, bei allem was ihr auch tut ^^

Der Alptraum in des Menschen Herz

Vielen lieben Dank für die süßen Kommis *freuZ* Diesmal wurden alle 'kleins' und 'chibis' gelöscht XDDD...*zu Ian und Will guckt* sogar die mussten sich einer Zensur unterziehen XDD
 

Übersetzungen:

Doshite ~ warum

Osorenai ~ keine Angst haben
 

Der Alptraum in des Menschen Herz
 

Mit tief entsetzten Blicken starrten die beiden weißgekleideten Pfleger auf die junge Frau, die immer wieder vergeblich versuchte ihre Tränen von den Wangen zu trocknen. Aber die Tropfen, die dem warmen und reinen Sommerregen glichen, perlten leise auf die geballten Hände der Blonden. Wispernde Schluchzer drängten sich zwischen den Lippen hervor, die sie mühsam zusammengepresst hielt. Ian und Will sahen, dass sie versuchte, sich zusammenzunehmen, doch es war nur eine Frage der Zeit, bis sie vollends ihren Kummer herausweinen würde.
 

Das soeben Gehörte summte wie eine lästige, sehr aggressive Wespe durch meine betäubten Sinne und meinen wild pochenden Kopf. Als hätte sich dieses nervende Insekt in meinem Gehirn verirrt. Die Worte des Rothaarigen fraßen sich riesige, kreisrunde Löcher in meine Seele, als wären es Parasiten, die sich an ihrem Wirt sättigten. Die Tränenflut konnte ich nicht mehr aufhalten, wie kleine flinke Wiesel suchten sie sich einen Weg über meine Wangen. Immer mehr drückte die schwere Last auf meine Schultern, an der ich fast zerbrach, an der grausamen Wahrheit, die sich vielleicht noch in dieser Nacht erfüllen würde. >Warum gerade Edo…warum?< Die ganze Zeit über hatte ich in meinem tiefsten Inneren geahnt, dass irgendetwas nicht stimmte, hatte mir die größten Gedanken über den Gesundheitszustand meines lieben Cousins gemacht, doch jedes Mal waren mir die Worte des Colonels eingefallen, die eine warme Hoffnung in mir weckten. „Unkraut vergeht nicht“, hatte er gesagt und mich freundlich, fast mitfühlend betrachtet. An diesem Satz war vielleicht etwas Wahres dran, aber wenn man Unkrautvernichter auf sie goss, waren auch die stärksten und widerstandsfähigsten Pflanzen dem Tod geweiht.

>Und nun? Soll etwa der Mann, der mir lächelnd versichert hat, dass alles wieder gut wird, für den lebensbedrohlichen Zustand meines temperamentvollen Cousins verantwortlich sein?< Ich konnte es kaum glauben, doch der zornige Gefühlsausbruch des rothaarigen Pflegers war alles andere als gespielt gewesen. >Kann es wirklich sein, dass Colonel Mustang und First Lieutnant Hawkeye erst viel zu spät einen Arzt zu Rate gezogen haben, trotz des hohen Fiebers von Edo? Und wieso haben sie Doktor Brown nur zu Rate gezogen? Warum nicht einen der anwesenden Ärzte? Die Beiden wissen doch, dass der Körper von Edward schon geschwächt war. Selbst wenn es nur ein kleines Fieber wäre, muss man sofort und ohne Umschweife einen der Mediziner konsultieren. Aber leider ist dies nicht eingetreten…< Ich schwor mir, wenn ich den Colonel das nächste Mal begegnete, konnte er auf eine eisige Unterredung hoffen. Unwillkürlich zischte es leise an meiner Hand.

Doch die Wut, die meine Adern wie ein glühendheißer Feuerbrand durchzog, wurde sofort wieder gelöscht. Eine tiefe Verwirrung machte sich in meiner Seele breit. >Was soll ich nur tun, ich muss meinem Bruder doch helfen…< Einen Moment lang fühlte ich nichts, nicht einmal die warme große Hand, die sich fast brüderlich auf meine Schulter geschmiegt hatte. Leicht erschrocken wandte ich mein Antlitz dem riesigen Pfleger zu, dessen mahagonifarbene Iris sich mitfühlend an meine heftete. Weinend blinzelte ich ihn kummervoll an, doch das salzige Wasser überflutete immer noch meinen emotionalen Damm. Will stand neben mir und blickte mich mit sorgenvoller Miene tröstend an, aber auch Schuldbewusstsein spiegelte sich in seinem gemütlichen Gesicht. Er seufzte schwer und begann zu erklären.

„Es...tut uns Leid, Kleine. Wir“, seine braunen Augen, die nun sanft wie ein Reh waren, streiften den Rothaarigen, der peinlich berührt weg sah, „wussten nichts davon, dass du den Jungen näher kennst.“ Er hustete kurz, um sich Zeit zu verschaffen, die passenden Worte zu finden. „Das Einzige, was uns aufgefallen ist, war, dass ihr Zwei euch sehr ähnlich seht, fast wie Bruder und Schwester.“

Gedankenverloren, sehr vorsichtig streifte sein Finger meine Wange und fing somit eine glitzernde Träne auf, die von den Schmerzen zeugten, die in meinem Inneren vibrierten. Wie aus unendlich weiter Ferne klang seine ruhige Stimme an mein Ohr, als er weitersprach.

„Wären wir darüber informiert gewesen, dass dir der Junge nahe steht, wir hätten versucht, dir die Situation schonender zu erklären.“

„Was auch nichts geändert hätte“, warf Ian patzig, wie ein störrisches Kind ein. Wofür er sich aber gleich einen wütenden Blick seines glatzköpfigen Freundes einhandelte, der ihn kopfschüttelnd anstarrte. „Ist doch so!“, brummte der Feuerrote und wandte sich mit einem trotzigen Gesichtsausdruck zum Fenster.
 

>Schlimmer als ein Kleinkind<, dachte Will seufzend und lächelte die junge Blonde entschuldigend an. Doch andererseits konnte er seinen rothaarigen Freund mit den vielen Sommersprossen verstehen. Er selbst war genauso wenig mit dem einverstanden, was das unverantwortliche Verhalten des Militärs anging. Aber er wusste tief in seinem Herzen, dass nicht nur diese Tatsache das Blut Ians zum Kochen brachte, nein, denn noch etwas im tiefsten Inneren des Rothaarigen hegte einen zornigen Groll gegen die Soldaten in Blau. Vor Jahren hatte Ians Vater durch einen überkorrekten und schießwütigen Lieutnant einen schmerzhaften und vorzeitigen Tod erlitten. Das alles nur, weil er einem Deserteur so ähnlich sah, der einige Menschen auf dem Gewissen hatte. Sein junger Kollege und Freund traute den Blauröcken nur so weit, wie er spucken konnte und das war wirklich nicht besonders weit.

Ians Hände krallten sie wie die blitzenden Fangzähne eines riesigen Löwen in seine blütenweiße Hose, die sich mit einem ärgerlichen, empörten Reißen bei ihm bemerkbar machte, als das klagende Weinen des Mädchens nicht abebbte. Die braunen Augen des Älteren wandten sich warnend zu dem Rothaarigen, der vor Wut zitternd da stand und dem Schluchzen der jungen Blonden lauschte. Will bedeutete dem Jüngeren, ruhig zu bleiben und sich nicht aufzuregen. Mit einem hektischen Kopfnicken zeigte er auf Lina, deren ganzer Körper von Weinkrämpfen geschüttelt wurde. Die meeresgrünen Augen züngelten erregt vor Ärger auf, seine Zeit zu schweigen war nun vorbei, endgültig. Mit einem schnellen Ruck schnellte er wutentbrannt auf, so dass der Stuhl mit einem heftig polternden Laut nach hinten flog und auf den Boden knallte. Die attraktive Blonde und der Glatzköpfige zuckten vor Schrecken zusammen und erstarrten in ihren Bewegungen, nur die Tränen perlten lautlos von den Wangen der jungen Frau und befeuchteten ihr Nachthemd.

Die bebende Stimme des rothaarigen jungen Mannes grollte wie der Donner eines furchtbaren Gewitters, das das Land in schwülen Sommernächten heimsuchte und zu verschlingen drohte.

„Verdammt, ich bin es jetzt allmählich leid! Ständig werden sie in Schutz genommen, niemals zur Rechenschaft gezogen, egal, was sie tun! Sie nehmen Leben und müssen sich nicht einmal dafür entschuldigen!“ Mit einem gewaltigen Krachen grub sich seine schmale Faust in die Wand neben ihm, an der sofort eine nicht übersehbare Delle sichtbar wurde. Schmerzverzerrt schüttelte Ian seine puckernde Hand, an der sich schon sichtbar die ersten Spuren des Schlages abzeichneten. Will eilte flink zu ihm, um seinen überaus wütenden Freund zu beruhigen, doch der war noch lange nicht fertig mit dem Proteststurm gegen das Militär.
 

Zutiefst entsetzt heftete sich mein silberner Blick auf die Auseinandersetzung der beiden Freunde, dessen soeben heftig ausdiskutierte Unterredung beinahe in ein handfestes Gerangel ausartete. Völlig fassungslos saß ich auf meinem Stuhl und wusste nicht, was ich tun sollte. >Die Beiden scheinen doch die besten Freunde zu sein und nun schlagen sie sich fast die Köpfe ein…< Die zornfunkelnden Augen des Rothaarigen blitzten meine verwirrte Iris an, als sich unsere Blicke zufällig trafen. In diesem winzigen Moment schien es mir, als wäre die Zeit für immer stehen geblieben. Mein Herz pochte vor innerer Qual und es fühlte sich so an, als würde es im nächsten Augenblick seine Tätigkeit für immer aufgeben.

Grelle, angsterfüllte Hilfeschreie erfüllten den kühlen Raum…Moment…den Raum? Nein, das war nicht mehr mein Zimmer, sondern ein leergefegter Straßenzug, in dem der Wind eisigkalt durch die Ritzen zog und sein jammerndes Heulen die Nacht erfüllte. >Leer? Nein, da i-…ist Blut?!< Hier war alles voll mit dem Lebenssaft eines Wesens, das wohl qualvoll gelitten hatte. Ich hob den Kopf ein wenig und sah einen schlanken Mann auf dem Boden liegen, seine feurigen Haare waren verklebt mit der kupferschmeckenden Flüssigkeit. Sein Gesicht lag im Staub, es schien als wäre er nach vorne gefallen, denn sein Antlitz verbarg sich vor meinen Augen.

Gleich daneben stand ein Soldat in einer blauen Uniform, wie sie die State Alchemisten trugen. In seiner schmalen Hand lag ein Revolver, der immer noch schussbereit auf einen kleinen Jungen mit rot leuchtenden Haaren gerichtet war, dessen Strähnen wie kleine Flämmchen aufglühten. Das Kind saß weinend neben dem Erschossenen und seine grasgrüne Iris züngelte hasserfüllt in Richtung des nun verrückt vor sich hin kichernden Lieutnant Colonel. Vollkommen verblüfft starrte ich den Jungen an, der mir mehr als bekannt vorkam. >Ist das etwa…?<

„SEAN!“ riss mich eine leicht gehetzte Stimme aus meinen trüben Gedanken, die ich sehr gut kannte. Klackernde Geräusche, wie von schnell heranlaufenden Schuhsohlen, näherten sich flink unserem Standort, schluchzend wandte sich das kleine Kind hilfesuchend um. Ich musste mich nicht umdrehen, um herauszufinden, wer da auf uns zugeeilt kam. Wie ein blasser, durchsichtiger Geist schwebte ich über den Boden, ein schemenhafter Schatten, der den Erdboden nicht berühren musste, um voranzuschreiten. Dies alles war wirklich neu für mich. Natürlich war ich jedes Mal stummer Zeuge der vergangenen Ereignisse anderer Menschen gewesen, aber noch nie hatte ich mich so frei in ihren Erinnerungen bewegen können, niemals war ich in der Lage gewesen, selbst feinste Gerüche wahrzunehmen. Die Kälte des frühen Morgens kroch langsam meine klamme Kleidung hinauf und hinterließ einen eisigen Schauer auf meiner Haut. Ich roch das baldig eintrocknende Blut des Mannes, der vor meinen Füßen lag, als wäre es wirklich da. Von weiter weg wurde Hundegebell hörbar, das nervtötend an meine Ohren klang, wie ein heulender Orkan, der nach Lebendigem gierte, um es zu verschlingen. Die Hunde waren wohl durch den lauten Knall der Pistole des Mannes aufgeschreckt worden.

Dieser Lieutnant…lange braune Haare fielen als Zopf den geschmeidigen Rücken des Mannes hinunter, seltsam glänzende, goldene Augen stierten den Jungen und seinen näher kommenden Verwandten entgegen, so als wäre der Blauberockte gänzlich dem Wahn verfallen. Kichernd spielte dieser Verrückte mit der geladenen Schusswaffe umher, so dass ich die Alchemistenkreise auf seinen Händen erkennen konnte. Zutiefst erschrocken starrte ich ihn an, auch er hatte, wie Roy Mustang oder Alexander Armstrong diese Hilfsmittel, um seine Kraft zu verwenden. Unheilvoll und widerlich grinsend begegnete sein starrer, böser Blick dem des Ankommenden. Langsam wandte ich mich um, mit ungläubiger Miene betrachtete ich den Jungen, der bald zu einem Mann heranwachsen würde, seine feuerroten Haaren glühten wie eine nicht zu löschende Glut, seine grasgrüne Iris funkelte vor Wut, Hass und Trauer, Angst um den Jüngeren brach sich aus den schönen Augen.

Fassungslos und über alle Maßen verängstigt über die unvorstellbare Erkenntnis, die meine Gabe betraf, die ich eher als Fluch definierte, bemerkte ich nicht, was um mich herum alles geschah. Erst ein erneuter lauter Schuss, der sich wie das Donnern einer riesigen Kanonenkugel anhörte, weckte mich abrupt aus meinen Gedanken. Geschockt starrte ich auf den älteren Jungen, der sich verkrampft, doch stolz und ohne Angst seinen blutenden Arm hielt. Ein Junge, der bald erwachsen sein würde, aber seit diesen wenigen Sekunden war er wohl schneller gealtert, als ihm selber lieb war.

Währenddessen tränkte sein Blut das weiße Leinenhemd, das er an seinem Leib trug. Ein heiserer Laut, wie der eines verletzten Wolfes, drang aus meinem tiefsten Inneren hervor, als ich gewahr wurde, wer der Rothaarige vor mir war. Ich hatte es nicht wahrhaben wollen, doch auch wenn er hier etwas jünger aussah, so erkannte ich ihn sofort. „Ian!“ rau und verkratzt wie kaputtes Spielzeug rutschte dieses eine Wort über meine trockenen Lippen.

Dieser torkelte keuchend vor Schmerz, doch auch voller Wut in seiner Seele zu dem erschossenen Mann hinüber, immer den verrückt vor sich hinkichernden Lieutnant Colonel im Auge behaltend. Schwer atmend kniete sich der Ältere der beiden Brüder hinunter zu dem Toten, sofort krallte sich die kleine Hand des Kindes an ihn, wie an einen rettenden Anker, der dem kleinen Schiffchen im Sturm den nötigen Halt gab.

„Nii-san“, schluchzte das rothaarige Kind erbarmungswürdig. „Nii-san, doshite?“ Sanft streichelte Ian das Haupt seines Bruders, der sich wimmernd an dem Saum des Hemdes klammerte. „osorenai, ototo! Ich bin doch hier…“ beruhigte er flüsternd den wehklagenden Jungen, mit der anderen Hand packte er sanft, sehr vorsichtig die Schulter des toten Mannes und zog ihn zärtlich ein wenig zu sich herum. Sofort lösten sich seine Finger vom Körper des Toten, als er einen kurzen Blick auf das Antlitz des Ermordeten warf. Ein leises Schmatzen wurde hörbar, als das blutgefärbte Gesicht des Mannes auf den Boden auftraf, das allen beiden Jungen ein Zittern durch die Glieder ging. Der Ältere war bemüht, nicht sofort zu erbrechen, fest drückte er eine Hand auf seinen Mund, seine Gesichtszüge waren aschfahl, das Kind neben ihm hatte sich fest an seinen Bruder geschmiegt und weinte lautlos.

Schockiert und voller Hass auf den Mann, der dies große Unglück über die einst fröhlichen Kinder gebracht hatte, blitzte ich ihn kochendheiß an, der nun wieder anfing heiser zu lachen, als wäre dies hier das größte Amüsement aller Zeiten.

Aber auch mein Magen rebellierte, ich spürte, wie das Essen, das ich gerade zu mir genommen hatte, einen Weg hinaus suchte.

„Too-san…“, kam es keuchend und mühevoll, wie zwischen den Lippen eines alten Mannes hervor. Ian biss die Zähne zusammen, es kostete ihn eine Menge Kraft, dieses eine Wort zu sagen. Vorsichtig nahm er seine Jacke, die er nur lässig auf die Schulter gelegt hatte, herunter und bedeckte damit den tödlich getroffenen Kopf seines Vaters. Sanft schloss er seine starken Arme um seinen kleineren Bruder, der immer noch vor Schock zitterte, wie Espenlaub in einem zu starken Wind. „Too-san…nii-san…nande…“, wimmerte es schluchzend aus dem kindlichen Mund, so dass ich vor Wut, mehr aus Hass dem uniformierten an den Kragen gegangen wäre und ihn eine Portion Eis schmecken lassen wollte. Aber so stand ich nur betäubt neben den beiden Jungen, kämpfte mit meiner immer mehr aufkeimenden Übelkeit und der Erkenntnis, dass ich nichts, aber auch nichts tun konnte. Fest krallten sich meine langen Finger, wie Adlerklauen in meinen rebellierenden Magen, der mich beutelte. Ich hoffte inständig, mich nicht hier übergeben zu müssen.

Auf einmal öffnete sich der Mund des Soldaten, unterbrochen von einem niederträchtigen Kichern, so dass meine feinen Härchen im Nacken zu Berge standen. „Hehe, ihr Zwei scheint die Söhne des Verräters zu sein, wie praktisch, dann erledige ich doch gleich alle auf einen Streich“, lachte es kalt, wie Fleisch zerschneidendes Eisen, zwischen dem schmallippigen Mund hervor. Ein Schaudern glitt durch meine Glieder, das sich in meinem ganzen Körper ausbreitete und ich kaum noch gerade stehen konnte, so sehr fühlten sich meine Beine wie Wackelpudding an.

Ein grauenhaftes Lächeln, das mehr einem Monster als einem Menschen glich, legte sich auf die Züge des Blaurockes, der seine funkelnde Schusswaffe auf das Herz des Älteren richtete. Dieser starrte ihm todesmutig entgegen, keinerlei Angst glänzte in der grasgrünen Iris auf, die mich sehr an die Wiesen von Risembuhl erinnerten. Aber je mehr Ian sah, wie der Verrückte den Abzug seiner Waffe mehr und mehr betätigte, umso blasser wurde er und die nackte Angst leuchtete immer heller aus seinen Augen hervor. Sein Atem ging nur noch stoßweise, fast stockte er.

Aber sein ungebrochener Stolz hielt ihn davon ab, zu fliehen. Liebevoll umschlangen seine Arme den kleineren Bruder, der nun geschützt und geborgen an seinem Körper lag und dem Herzschlag des Älteren lauschte.

>Verdammt!< knurrte ich zornentbrannt. >Männer!< Mutig und beherzt warf ich mich mit einem leisen, wütenden Schrei auf den Soldaten, aber im selben Moment zerstob meine Hand wie tausend winzige Eiskristalle, als ich den Revolver des Uniformierten nach unten drücken wollte. Mit bitterer Erkenntnis wurde ich daran erinnert, dass ich nur Besucher dieser Vergangenheit war, die ich weder verhindern, noch ändern konnte. Die Enttäuschung war mir ins Gesicht geschrieben, die sich kurzzeitig in meine Züge eingrub, als wäre es ein Maulwurf, der die Erde durchfraß. Die Wut glühte in meinen silbernen Augen, dass ich hier rein gar nichts ausrichten konnte. Lautlos krachte mein Körper an die nahe liegende Hauswand, sofort löste er sich in feuchten Nebel auf, der Ähnlichkeit mit dem Hochnebel im Winter hatte. Panisch vor lauter Angst, hoffte ich, dass ich mich schnellstens wieder zu einem normalen Menschen zusammensetzte, als ich einen weiteren Schuss vernahm, der im Schein der düsterkalten Nacht widerhallte. Der Tod näherte sich auf leisen Sohlen…

Das leise, traurige Weinen des kleinen Jungen wurde um einige Grade höher und schrillte durch die Nacht, wie eine unglückliche Banshee. Der ältere Bruder fiel mit einem heiseren Keuchen auf den Lippen und einem erstaunten Blick in Richtung des Lieutnant Colonels nach hinten. Die Finger waren auf die Wunde an der Schulter gepresst, doch sprudelte der Lebenssaft aus seinem jungen Körper, als wäre er ein munterer Springbrunnen, der fröhlich vor sich hinplätscherte. Das Licht in seinen aufgeweckten, sanften Augen erlosch mehr und mehr, wie eine verängstigte Pferdeschar, die ihr Heil in der Flucht suchte.

Ein fassungsloser Schrei entsprang meinem wüstentrockenen Mund, als ich dies alles miterleben musste und nur zu sehen konnte. >Ich kann nichts tun…<

Ich stand nur da und starrte auf das Kind, das seinen Bruder wieder umarmt hatte. Das Weinen zerriss mir fast die Brust und meine Seele zersprang in abertausend kleine Bruchstücke, die mich mehr und mehr verletzten.

Mit zitternden, bebenden Knien schritt ich zu den Beiden, aber irgendetwas hinderte mich am Weiterkommen. Hände, kalt und grausam, wie der Tod, der auf leisen Schwingen dahereilte und seine Opfer mit sich nahm, sie krallten sich unbarmherzig in mein Fleisch, zerrten mich immer weiter fort…

Vor Wut und panischer Angst schlug ich nach diesen Händen, doch sie ließen sich nicht abschütteln. „Ich will ihnen doch nur helfen!“ machte ich dem Wesen klar, doch wollte es mich nicht verstehen oder konnte es das nicht? Die Hände packten mich mit aller Kraft, doch sie waren nicht mehr kalt, sondern eine gewisse Wärme entstieg ihnen. „Du…kannst…nicht…helfen“, hauchte es mir zart ins Ohr, wie eine Sommerbrise, die den Körper erfrischte, doch kühl umflatterte es meinen Geist, der unter der Pein auffröstelte. Verzweifelt, aber wissend, nichts verändern zu können, versuchte ich ein letztes Mal diesen Fingern zu entkommen.

Ein leises Kichern schreckte mich auf, der Teufel in Soldatenuniform hob spielerisch leicht seine Waffe, um auch dem kleinen Jungen, der sich ängstlich weinend am Hals seines Bruder festhielt, die letzten Sekunden zu bereiten. „NEIN!!“ schrie ich gepeinigt, aber ich hörte keinen Ton aus meiner Kehle kommen. Meine Sicht verschwamm mehr und mehr, die schwarze Finsternis umschlang mich zärtlich. Zwischen den Schwaden der Dunkelheit konnte ich noch schemenhaft einige Umrisse erkennen, leise Stimmen, die merklich lauter wurden, näherten sich unserem Aufenthalt.

>Bitte…bitte schnell…< betete ich, hoffend auf Hilfe für Sean. Das Letzte, was ich vernahm, war ein greller Schuss. Ich fühlte, wie mein Körper taub wurde von der eisigen Kälte, die mein Herz ergriffen hatte. Der Schmerz fraß sich durch meine Seele hindurch und ließ eine schmerzende Bitterkeit zurück, die mich alle Pein hinausschreien ließ. „NEIN! NEEEIN!“
 

Böser Cliffhanger...XDDD...bis bald, schöne Woche wünschen Mariko und Lina

Bittersweet Childhoodmemories (Teil 1)

So endlich mal wieder etwas zum Lesen für alle Tragikfreunde XDD

Diese Zeilen sind übrigens von Natascha, meiner Lieblingsmittäterin, Leidensgenossin in der anderen FMA-FF und nee-san geschrieben worden.

Ich danke ihr herzlich und wünsche euch nun viel Spaß beim Lesen
 

Bittersweet Childhoodmemories (Teil 1)
 

„NEIN!“, gellte es aus meiner Kehle, ich schlug die Fäuste auf den Boden, dass es nur so knallte und wunderte mich gleichzeitig, dass ich es hörte und auch noch spürte. Verdutzt hielt ich inne und besah mir meine Hände, dessen Haut beiderseitig an den Knöcheln aufgeplatzt war. Blutige Spuren besudelten die rein weißen Fliesen des Zimmers, das seit fast zwei Tagen mein neues Zuhause war. Langsam hob ich den Kopf und sah direkt in die Gesichter von Ian und Will; beide hatten sich am Hemdaufschlag gepackt, doch seit meinem markerschütterten Schrei waren sie mitten in der Bewegung erstarrt und blickten mich bestürzt an. Vergessen war ihr Streit, vergessen die Worte Ians, beide stürzten zu mir hinunter und musterten mich besorgt.

„Mädchen! Um Gottes willen, was ist denn geschehen?“, hörte ich die Stimme des bulligen Pflegers direkt neben meinem Ohr, doch sie klang so unendlich weit weg. Ich starrte noch immer ungläubig meine blutenden Hände an; sie pochten genauso schmerzhaft wie mein Herz, welches wie ein ungebändigtes Fohlen gegen die Brustwand schlug. Zitternd bemerkte ich, wie Ians grasgrüne Augen auf meinem Haupte ruhten, doch ich wagte nicht aufzusehen; zu sehr hatten mich die Erinnerungsfetzen, die tief in seiner Seele verborgen waren, erschüttert. Weinend kniff ich die Augen zusammen, so stark, dass es wehtat. Ich wollte nichts mehr sehen, nicht mehr stummer Zeuge von Ereignissen werden, an denen ich nichts ändern konnte. Die Vergangenheit lag hinter uns, das Geschehene war geschehen. Im Stillen verfluchte ich meinen Vater für diese Gabe, die er mir hinterlassen hatte; ich hatte nicht darum gebeten, sie zu erlangen. Langsam begann ich mich davor zu fürchten, den Menschen in die Augen zu blicken; ich wollte nicht zu einem Teil ihrer vergangenen Erlebnisse werden.

>Wenn ich wenigstens an den schönen Dingen teilhaben dürfte<, dachte ich traurig, >doch immer sind es die schrecklichsten und düstersten Stunden, die ich mit ihnen durchleben muss.<

„Verzeih mir“, wisperte eine männliche Stimme plötzlich neben mir, ehrliche Aufrichtigkeit schwang in ihr. Vorsichtig hob ich den Kopf, wandte allerdings meinen Blick zunächst erschrocken ab, als meine grauen Augen den grünen Ians begegneten. Doch als er nach meinem Handgelenk griff, zwang mich etwas, ihn anzusehen und dort sah ich nicht das, was ich befürchtet hatte. Ein Schatten gleich einer dunklen Wolke lag auf seinen sommersprossigen Wangen, die mich so sehr an einen kleinen frechen Jungen erinnerten als an einen erwachsenen Mann; seine sonst so angriffslustig leuchtenden Augen schimmerten trüb wie das verdreckte Wasser einer Kloake; Traurigkeit und Schuldbewusstsein lag in ihnen, was mich ebenfalls leiden ließ. Gab er sich etwa die Schuld an meinem Zustand?

„Ich wollte das alles nicht, es hat mich nur so furchtbar wütend gemacht“, fuhr er leise fort. „Miranda sagte, es hätte ihr fast das Herz gebrochen, als sie den Jungen gesehen hat. Und der große Blechkamerad ist fortgelaufen, er hat den Anblick wohl nicht mehr ertragen können.“

Seine Worte brachen sofort meine Sprachbarriere, wobei sich Ian gleich wieder einen wütenden Blick seines Freundes einfangen musste.

„Was? Was hat er getan?“ Ian war wohl genauso verdutzt darüber, dass ich plötzlich etwas von mir gab, denn im ersten Moment glotzte er mich nur mit offenem Mund an, bevor er auf meine Frage eine Antwort gab.

„Äh, oh … ach so, ähm, er ist weggelaufen, er sagte, dass sein Leben ohne das seines Bruders sinnlos wäre.“ Sofort schlug er sich auf den Mund und fing sich eine schmerzhafte Kopfnuss des Glatzköpfigen ein, nachdem diese Worte über seine Lippen gewandert waren.

„Ian, du ungehobelter Klotz! Ein wenig mehr Einfühlvermögen wäre jetzt wirklich angebrachter“, fuhr ihn Will ärgerlich an und hielt die junge Frau an den Schultern fest, da sie bedrohlich zu schwanken begann.

„Aber … sie hat doch gefragt! Ich wollte doch nur …“, verteidigte sich der Rothaarige beleidigt, hielt aber sofort inne, als er die kleinen, im fahlen Licht schimmernden Tränchen sah, die wie flinke Wiesel die zarten Wangen der jungen Frau hinunterliefen.

„Ich wollte doch niemanden damit verletzen“, grummelte er schuldbewusst und zog den Kopf wie ein geprügelter Hund ein, der zuvor den Befehl seines Herrn missachtet hatte.

„Dann pass beim nächsten Mal auf, was du sagst“, zischte Will wütend. „Und sitz da nicht so herum, sondern hilf mir mal.“
 

Wie aus einem endlosen Traum heraus fühlte ich, wie mich an jeder Seite zwei starke Arme anhoben und mich auf mein Bett beförderten. Unaufhaltsam liefen meine Tränen wie das geschmolzene Eis eines Flusses in meinen Hemdaufschlag hinein und benetzten dort meine Haut. Ich mochte mir gar nicht ausmalen, wie schlimm es tatsächlich um meinen Cousin stand. Edo an der Schwelle des Todes, Al weggelaufen, weil er den Anblick seines kranken Bruders nicht mehr ertragen konnte. Wie gerne würde ich bei ihnen sein, würde Edos Leid und Al´s Schmerz auf mich nehmen, um sie wieder fröhlich zu sehen. Ich wollte die beiden lachenden und frechen Jungs wiederhaben, die mich selbst immer aufgeheitert hatten.

Etwas Weiches fuhr plötzlich über meine Wangen und wischte liebevoll die unzähligen Tränen hinfort, die auf meiner trockenen Haut brannten wie kleine Nadelstiche. Als sich die undurchsichtigen Schleier vor meinen Augen langsam lichteten, erkannte ich Will, der vor mir kniete; in der Linken ein Taschentuch, dass scheinbar schon so nass war, dass man es bald auswringen konnte. Seine warmen braunen Augen strahlten, als er bemerkte, dass ich mich wohl etwas beruhigt hatte. Neben ihm saß verkehrt herum auf einem der schlichten Holzstühle Ian; seine Arme ruhten lässig auf der Lehne. Als sich unsere Blicke trafen, suchten seine wiesengrünen Augen sofort das Weite vor den meinen; wie ein scheues Kind vergrub er sein Gesicht zwischen seinen Armen und lugte vorsichtig ein wenig aus seinem Versteck hervor. Unwillkürlich musste ich grinsen, was allerdings zu einer kleinen Grimasse verkam, da sich einige Schluchzer ihren Weg nach oben aus meiner Kehle suchten. Seine Pupillen verengten sich sofort besorgt, so dass sein Gesicht vollkommen hinter seinen Armen verschwand; nur seine flammendroten, durcheinander verwuschelten Haare waren noch zu sehen. Will bedachte ihn mit einem resignierten Kopfschütteln: ein erschöpftes Seufzen fuhr über seine Lippen, als er seinen jungen Freund betrachtete.

„Sei ihm nicht böse“, wandte er sich mit einem Male an mich. Verwundert sah ich ihn an. Warum sollte ich ihm denn böse sein? Dann fiel mir wieder alles ein. Natürlich, er konnte ja nicht wissen, dass ich den Grund für das ungestüme Verhalten seines Kollegen kannte. Schnell schüttelte ich den Kopf.

„Nein, bin ich auch nicht“, krächzte es aus meinem Halse, worauf sofort ein Paar grünfunkelnde Augen aus ihrem Exil hervorgekrochen kamen und mich dankbar musterten. „Schließlich hat er es ja nicht böse gemeint, oder?“ Ein sanftes Lächeln kräuselte sich auf meinen Lippen, welches eine nicht zu übersehende Röte auf die braungebrannten Wangen des Mannes zauberte.

„Nein, hat er auch nicht“, nuschelte seine leise Stimme in die Ärmel seines Pullovers hinein. Grinsend verpasste Will ihm einen gut gemeinten Schlag auf den Rücken, wobei der ziemlich wackelig aussehende Holzstuhl bedrohlich zu schwanken begann, was zur Folge hatte, dass Ian vor Schreck die Arme hochriss und sich an der Lehne festklammerte wie an der Reling eines sinkenden Schiffes, um nicht hinunterzufallen.

„He! Was sollte das denn?!“, schrie er seinen großen Freund aufgebracht an. „Soll ich mir vielleicht alle Knochen brechen, damit ich in den Genuss komme, mich von dir pflegen zu lassen oder was?!“ Seine feuerroten Haare stellten sich erneut wie der Kamm eines Kampfhahnes auf, der sich jeden Augenblick auf seinen Kontrahenten stürzen wollte.

„Schön, dich mal wieder zu sehen, alter Freund“, feixte Will und grinste übers ganze Gesicht, als er seinen zeternden Kollegen beobachtete, der wie ein Rohrspatz zu schimpfen begann.

Auch ich konnte mir ein heiteres Lachen nicht verkneifen; es sah aber auch einfach zu ulkig aus, wie der junge Mann sich auf seinem Stuhl gebärdete und dieser immer bedrohlicher zu quietschen und knacken begann. Ich bemerkte Wills Blick, der auf meiner Seite ruhte und sah ihn an; wir schienen beiden dasselbe zu denken und wollten einen Warnruf ausstoßen, als der Stuhl unter Ians Wutanfall polternd zusammenbrach und sich der temperamentvolle Rothaarige schneller auf dem Boden wiederfand, als ihm lieb war. Zerknirscht suchte er sich einen Weg aus dem gesplitterten Holz heraus und rieb sich schmerzerfüllt sein Hinterteil, auf das er mit voller Wucht gekracht war. Mit einem sich mühsam verkneifenden Lachen hielt ihm sein älterer Kollege freundschaftlich die Hand hin, an der er sich Ian nach einigen Sekunden des Schmollens dankbar hochzog.

„Du solltest vorsichtiger sein, mein junger Freund. Nicht alle Dinge sind so, wie sie scheinen“, maßregelte ihn Will schon fast väterlich und klopfte ihm sorgsam die Holzspäne vom Rücken. Peinlich berührt schob Ian die Hand seines Kollegen beiseite und lehnte sich ein wenig trotzig dreinblickend an die Wand, welche ihm doch sicherer erschien als ein weiterer Stuhl.

Ein vergnügtes Kichern stahl sich von meinen Lippen, als in sein Gesicht sah; die Wangen noch immer rot glühend, wanderte sein wütend funkelnder Blick rastlos im Raum umher und blieb irgendwann an etwas so uninteressantem wie dem alten Kleiderschrank hängen, der hinter der Tür stand.

„Du kennst den Jungen von Zimmer 160 besser, als du zugeben würdest, hab ich nicht recht?“ Der fröhliche Laut blieb mir qualvoll im Halse stecken, als ich diese Frage aus dem Munde des älteren Mannes vernahm. Betreten senkte ich den Kopf.

„So wie es scheint, habe ich wohl recht“, seufzte Will traurig und legte seine warme Hand auf die meine.

„Was ist der Kleine für dich? Ein Freund? Oder mehr als das? Verzeih, dass ich dich dies so offen heraus frage, aber ich denke, wenn Ian und ich es wissen, können wir dir vielleicht helfen, mehr herauszufinden.“
 

Will musste sich eingestehen, dass dies zwar eine kleine Notlüge war, die sich einfach so in seine Gedanken geschlichen hatte, aber er wollte endlich wissen, was hinter dem Ganzen steckte. Seit diese junge Frau und der kleine Blonde eingeliefert worden waren, stand teilweise die ganze Stadt und auch das Krankenhaus Kopf und keiner konnte ihm weiß machen, dass diese Beiden nichts damit zu tun hatten, obwohl auch sie nur als unschuldige Opfer aus dieser Tragödie hervorgingen. Der Kleine tat ihm leid, mehrmals war er nun schon fast in das endgültige Reich des Todes hinabgeglitten, mehrmals hatte man ihn von dort wieder hinfort gerissen, wie lange und wie oft hielt das ein Körper in seinem Alter durch? Will hasste die Momente, wenn die Ärzte die kleinen und unschuldigen Körper aus den OP-Räumen schoben, wie Ware standen sie dann mit einem kalten weißen Tuch abgedeckt auf dem Flur und warteten auf ihre letzten Begleiter, bevor sie in das dunkle Reich unterhalb der Erde hinabgelassen wurden. Dies waren die düsteren Stunden seines Berufes, den er sonst so sehr liebte.

Oft hatte er schon tagelang neben so einem kleinen Wurm gesessen und dessen Hand gehalten, bis diese seinen sanften Druck nicht mehr erwidert hatte. Deswegen wurde er oft von Doktor Brown gerufen, wenn es mit einem der kleinen Patienten zu Ende ging; er nahm den Kindern auf liebevolle Art und Weise die Angst vorm Sterben, etwas, was für die Kleinen hilfreich und wichtig war. So schliefen sie stets in Frieden und ohne Furcht langsam ein, um dort, wo ihre Seelen hingelangten, ein besseres Leben zu führen, als sie dies hier getan hatten. Ian konnte damit nicht umgehen. Jedes Mal, wenn Will ihn an so etwas hatte heranführen wollen, war sein junger Freund fortgelaufen. Sein Kollege hatte, was das betraf, zuviel durchgemacht, um sich neben ein sterbendes Kind setzen zu können. An manchen Tagen verfluchte selbst Will diesen Soldaten vom Militär, der die Seele seines Freundes so sehr zerrüttet hatte. Ein Rascheln ließ den großgewachsenen Pfleger verwundert aufsehen. Die junge Frau war aufgestanden und an Ian, der sie ebenfalls interessiert musterte, vorbeigegangen. Schnurstracks hielt sie auf die Türe zu. Alarmiert wollte Will gerade aufspringen, auch Ian hatte sich aus seiner lässigen Haltung gelöst und sah seinen Kollegen aus großen Augen an, als Lina lediglich ihre Jacke vom Haken nahm und in der Innentasche nach etwas suchte.
 

Nach einer Weile stießen meine Finger auf etwas. Erleichtert atmete ich auf; für ein paar Sekunden hatte ich angenommen, dass ich es den zwei letzten turbulenten Tagen für immer verloren hatte. Neugierig warf ich einen flüchtigen Blick auf meinen Fund und drückte ihn lächelnd an mich wie einen kostbaren Schatz.
 

Fragend kniff Will die Augen zusammen und tauschte leicht verwirrte Blicke mit seinem jungen Freund, der genauso ratlos wie sein Kollege die Schritte der Blondhaarigen verfolgte. Irgendetwas hielt sie in der Hand; er konnte nicht erkennen, worum es sich dabei handelte, aber es schien von enormer Wichtigkeit zu sein; wie ein kleines Baby hielt sie ihn schützend an ihrer Brust. Zögernd ging sie wieder zu ihrem Bett zurück, sah Ian auffordernd in die Augen, woraufhin er sich mit einem Ruck von der Wand abstieß und ihr folgte. Kraftlos ließ sie sich auf dem Bett nieder, blickte den beiden Männern ernst ins Gesicht und gab dann endlich frei, was sie noch vor wenigen Augenblicken gut verborgen hielt.

Es war ein Foto. Stirnrunzelnd nahm Will die eingefangene Szene entgegen, Ian rutschte näher an seinen älteren Freund heran, um zu erkennen, was es zeigte. Die Ecken des Bildes hatten die Jahre in der Jackentasche nicht ganz unbeschadet überstanden, leicht eingerissen und verknickt machten sie den Eindruck von traurig herunterhängenden Eselsohren. Auch die Farbe schien wie ein zu oft gewaschenes Kleidungsstück langsam zu verblassen, was dem Bild jedoch nichts von seiner Aussagekraft nahm.

Doch all das bemerkten die Begutachter des Bildes kein bisschen, es waren eher die Menschen auf diesem Foto, welche ihren Blick an diesen kleinen Fetzen mit Farbe bedrucktem Papier fesselte. Mit vor Verblüffung heruntergefallener Kinnlade und Augen größer als Kuchenteller starrten die beiden Männer das Foto ungläubig an; immer wieder hoben sie den Kopf, musterten Lina eingehend und vertieften sich dann wieder in die Fotografie.
 

„Aber das … das sind …“, brach Ian schließlich stotternd das Schweigen. „Das Mädchen hier … das … das … bist … doch du“, brachte er schließlich leise hervor. Stumm nickte ich und fühlte, wie sich erneut Tränen in meinen Augenwinkeln wie in einem Staudamm sammelten.
 

„Und die Jungs …“, bemerkte Will tonlos, den starren Blick immer noch auf das Bild gerichtet. „Das sind die Elric-Brüder, nicht wahr?“ Er sah der jungen Frau dabei nicht ins Gesicht und doch konnte er ihr leichtes Kopfnicken regelrecht spüren. Ein eisigkalter Schauer lief seinen Rücken hinunter. Zwei vergnügt funkelnde honiggoldene Augen blickten ihn an, ein Händchen freudig dem Fotografen entgegengestreckt und wild am Zappeln bereitete es dem trotz allem zufrieden dreinschauenden Mädchen im Hintergrund sichtlich Mühe, den kleinen fröhlich lachenden Jungen, der mit der anderen Hand den Fuß seines Bruders vor der Kamera präsentierte, sicher auf dem Schoss zu halten. Den Kleinsten im Bunde interessierte das alles herzlich wenig; mit einem etwas skeptischen Blick zufrieden am Daumen nuckelnd begutachtete er lieber das lange goldblonde Haar des Mädchens, in dessen Arm er lag und hatte sich auch schon eine verlockend leuchtende Strähne gepackt, was man an dem leicht gequälten Ausdruck der Kleinen unschwer erkennen konnte. Eigentlich ein wunderschönes Bild aus unbeschwerten Kindertagen wie Ian und Will befanden; eine leichte Sehnsucht gleich einem glimmenden Scheit im fast erloschenen Kaminfeuer flammte in ihren Herzen auf und ließ ein warmes Lächeln auf ihren Lippen erscheinen. Auf diesem Bild, gerade in diesem kostbaren Augenblick war für die Drei die Welt, in der sie lebten, noch in Ordnung gewesen, nichts hätte diesen Moment zerstören, diesen Frieden trüben können, nichts hätte das unsichtbare Band, welches das Schicksal zwischen ihnen geknüpft hatte, zerreißen können.

Und doch hatte sich das Unheil zwischen sie gedrängt, wie eine kleine Maus begann es an dem schon spröde gewordenen Band zu knabbern, versuchte es hartnäckig, sie für immer auseinander zu reißen.

Wortlos gab Will das Bild zurück in die kalt gewordenen Hände der jungen Frau, die Frage nach dem Zusammenhang zwischen den beiden Jungen und ihr stand ihm mehr als auffällig ins Gesicht geschrieben, doch es dauerte eine Weile, bis die Worte der Erklärung den Mund der Blondhaarigen verließen, die gedankenverloren die eingefangene Szene der Vergangenheit betrachtete.
 

Meine Stimme hörte sich unnatürlich laut und eigenartig schwer an, als ich mich dafür entschied, dass ich den beiden Pflegern eine Antwort schuldig war, um sie somit nicht länger im Dunkeln tappen zu lassen; ich, die sonst so misstrauisch gegenüber allem und jedem war, offenbarte sich zwei Männern, die ich eben erst vor einer halben Stunden kennen gelernt hatte.

„Edo … und Al, sie sind … meine Cousins“, hörte ich mich wie eine Maschine daherreden.

Ich fühlte regelrecht, wie die ungläubigen Blicke der Pfleger mich wie Pfeile durchbohrten, ich wagte kaum aufzusehen, aus Angst, weiteres erklären zu müssen. Doch keiner der Beiden sagte ein Wort; eine beängstigende Stille, die nur von dem drohenden Wüten des Orkans unterbrochen wurde, breitete sich unter uns aus, die mir mehr zusetzte als die befürchteten Fragen, die man mir hätte stellen können. Meine zitternden Finger krallten sich fester um das Foto; sehnsüchtig betrachtete ich es und streichelte sanft die leicht geröteten Kindergesichter der kleinen Jungs, von denen mich einer frech angrinste. Mir schien fast so, als könnte ich die frische Luft, die mir an jenem Tage, an dem das Bild aufgenommen wurde, um die Nase gestreift war, fühlen, ja sogar riechen. Es war der Duft des Schnees, die langsam näherkommenden Kälte des Winters, der vor der Tür stand und um Einlass bat, der an diesem Tage meine Nase laufen ließ und die Bäckchen meiner kleinen Cousins rot färbte. Plötzlich vernahm ich die lachende Stimme meines Onkels, der mit einem großen Fotoapparat vor dem Haus stand und mit einer Hand ständig am Wedeln war.

„Edward, hör auf zu zappeln! Lina, mein Schatz, pass auf, Alphonse rutscht dir gleich vom Bein hinunter!“ Kopfschüttelnd, aber mit einem warmen Lächeln auf den Lippen kam er auf mich und die Jungs zu, von denen der Ältere scheinbar nur Blödsinn im Kopf zu haben schien.

Edo klatschte vor Begeisterung in die Hände, als sein Vater die Veranda betrat, während Al vollkommen unbeeindruckt von der ganzen Sache, die hier um ihn herum geschah, an seinem Daumen nuckelte. Liebevoll nahm mein Onkel seinen Ältesten auf den Arm, der sich sofort an seinen Vater drückte und glucksend nach dessen Brille griff, die danach nicht mehr so gerade auf der Nase saß wie noch vor wenigen Minuten. Grinsend setzte er den Kleinen wieder zurück auf mein Bein und versuchte, in die goldblonden Haare seines Sohnes wieder etwas Ordnung zu bringen, was sich allerdings als sinnlos erweisen sollte, da diese eh machten, was sie wollten und zu allen Seiten hin abstanden. Resigniert seufzend gab er dies irgendwann auf, strubbelte Edo lachend durch das widerspenstige Haar und kniete sich plötzlich, bevor er wieder den Weg zu seinem Fotoapparat einschlug, vor uns auf dem klammen Verandaboden nieder. Den Zeigefinger ausgestreckt stupste er den kleinen Jungen damit an der Nase an, so dass dieser vergnügt begann zu kichern. Dann wurde sein aristokratisch geschnittenes Gesicht ein wenig ernst, was seinen Sohn verwundert dreinblicken ließ.

„Edward, mein Kleiner, sei schön brav und halt gleich still, wenn Papa ein Bild von euch machen will. Es soll doch ein Geschenk für Lina sein und sie wäre doch sehr traurig, wenn es nichts wird, hab ich recht, mein Schatz?“ Seine warmen Augen wanderten zu mir hinüber und ließen mich ein wenig rot werden. Ich mochte ihn sehr gerne, oft hatte ich mir gewünscht, er wäre auch mein Vater, aber jedes Mal, wenn dieser Wunsch stark in meinem Herzen wurde, fühlte ich mich schuldig gegenüber meines wirklichen Vaters. Ein kleines Patschehändchen strich über meine kalte rosige Wange und riss mich somit aus meinen schwermütigen Gedanken.

„Geschenk“, wiederholte Edo fröhlich, seine goldenen Augen funkelten mich begeistert an und er begann zustimmend in Richtung seines Vaters zu nicken.

Al gähnte herzhaft, als mein Onkel ihn in die Luft hob, ihn schien der ganze Rummel um unser Foto absolut nicht zu interessieren, was man einem Kind, welches erst seit einem halben Jahr die Welt um sich herum erkundete, aber auch nicht übel nehmen konnte. Neckisch kitzelte der stolze Vater seinem Jüngsten den Bauch, was diesem einige gurgelnde Lacher entlockte und zufrieden aussehen ließ, als ihn mir mein Onkel wieder in die Arme drückte. So hielt ich nun mit einem Arm meinen schon den nächsten Streich ausheckenden Cousin fest, während sein kleiner Bruder sicher und geborgen in meinem anderen lag und mich mit so großen Augen betrachtete, als hätte er mich an diesem Tage zum ersten Mal bemerkt. Frech schnitt ich ihm einige Grimassen, was ihn vor Freude aufglucksen ließ. Als ich ihn ihm danach einen dicken Kuss auf die Wange drückte, begann er verschämt an seinem Fuß zu nuckeln.

„Auch, auch!“, quengelte plötzlich eine helle Kinderstimme vor mir. Ich musste lachen, als ich bemerkte, dass Edo beleidigt aus der Wäsche guckte, nachdem ich seinem jüngeren Bruder einen Kuss auf die Wange gehaucht hatte. Kopfschüttelnd beugte ich mich zu ihm hinunter, stets vorsorglich darauf bedacht, den kleinen Al nicht fallen zu lassen und gab ihm ebenfalls einen Schmatzer auf die kalte Wange. Kichernd sah er mich an und streckte seinem Bruder doch tatsächlich die Zunge raus, der jedoch so sehr in die Anatomie seiner kleinen Knubbelzehen vertieft war, dass er nichts dergleichen mitbekam. Ein entrüsteter Aufschrei erklang mit einem Male von der Wiese vor dem Haus. Einem kleinen Mädchen mit weizenblonden Haaren, welches vom Arm ihrer Mutter aus bei unserer Aktion zusah, traten nach meinem Kuss auf Edos Wange dicke Tränen in die Augen.

Sofort den Blick von uns abwendend, nachdem ich verwundert in ihre Richtung sah, drückte sie ihr nassgeweintes Gesicht rasch in die Bluse ihrer Mutter, die kopfschüttelnd ihre Tochter musterte und ihr beruhigend den Rücken tätschelte.

„Aber, aber, Winry, meine Kleine, was ist denn mit dir los? Warum weinst du denn?“, wollte die junge Frau von dem Kind wissen, welches anschließend schluchzend auf den goldäugigen Jungen, der verträumt mit einer meiner Haarsträhnen spielte, zeigte. Amüsiert beobachtete ich das Mädchen, welches ich als Spielkameradin von meinem Cousin kannte; es schien fast so, als wäre sie tatsächlich eifersüchtig auf mich. Kichernd strich ich Edo über das hell glänzende Haar, was sie noch mehr verärgerte. Brüllend begann sie auf dem Arm ihrer Mutter zu strampeln, die überhaupt nicht wusste, wie ihr geschah und zu schimpfen begann.

„Winry! Jetzt reicht es aber! Du kannst jetzt nicht mit Edward spielen! Du musst dich schon solange gedulden, bis das Foto gemacht wurde!“ Die Augen genervt verdrehend sah sie zu meinem Onkel hinüber, der mich augenzwinkernd angrinste; er hatte wahrscheinlich genau wie ich längst begriffen, warum die Kleine sich so verhielt und es amüsierte ihn ebenso wie mich. Neben ihm standen meine Mutter, meine Tante und Winrys Vater, alle Drei angeregt in ein Gespräch vertieft, welches scheinbar vor Langeweile entstanden war, denn die Aufnahme dieses Bildes schien länger zu dauern als geplant, so langsam begann ich auch zu frösteln, denn der Wind, der spielerisch an unseren Haaren zerrte, brachte bereits den kühlen Duft von baldigem Schnee mit sich. Wärmesuchend drückte ich meine beiden Cousins fester an mich; auch ihre kleinen Körper zitterten leicht in der feuchten Herbstluft.

„Schatz! Die Kinder frieren!“, hörte ich mit einem Male meine Tante meinen Onkel auf uns aufmerksam machen. „Beeil dich mit dem Bild, sonst haben wir in ein paar Tagen drei Schnupfnasen im Bett liegen!“ Zustimmend hob ihr Mann den Daumen und gab mir somit zu verstehen, dass wir nun still halten sollten. Schon verschwand sein Gesicht hinter dem riesigen Fotoapparat, an dem er noch ein paar Feineinstellungen vorgenommen hatte. Rasch setzte ich mich aufrecht hin, hielt die beiden kleinen Racker fest und hoffte, dass sie keinen Unfug anstellten, als ich erneut meine Tante rufen hörte.

„Warum können wir nicht im kommenden Frühling ein Bild von den Kindern machen? Dann ist es doch viel schöner. So sehen sie doch halb erfroren darauf aus.“ Doch mein Onkel antwortete nicht darauf, damals dachte ich, es läge daran, weil er zu konzentriert bei der Sache war. Doch spätestens eine Woche danach kannte ich den eiligen Grund für dieses Foto. Denn genau sieben Tage später zählte dieser Ort, an dem wir so glücklich gewesen waren, nicht mehr zu meinem Zuhause. Über Nacht waren meine Mutter und ich aus dem Haus, in dem ich meine unbeschwerte Kindheit verbracht hatte, geflohen. Mein Onkel musste davon gewusst haben; am Abend vor unserem Verschwinden hatte ich das Foto vor unserer Tür gefunden. Seitdem begleitete es mich überall hin, in diesem Bild lag all das, was ich liebte, was ich beschützen wollte.

Ein übermütiges Quietschen ließ mich alarmiert nach unten sehen; Edo hatte sich in einem Moment der Unachtsamkeit meinerseits den Fuß seines jüngeren Bruders geschnappt und hielt diesen mit einem breiten Lachen genau in die Kamera. Entsetzt, da ich ja wusste, dass mein Onkel jeden Moment den Auslöser betätigen würde, versuchte ich noch, die Situation zu retten, was mir allerdings misslingen sollte.

„Und lächeln!“, hörte ich ihn noch rufen, bevor ich das laute Klicken vernahm. Vollkommen unvorbereitet sah ich hoch, alles, was mir da noch gelang, war ein relativ verunglücktes Grinsen, welches eher einer Werbung für Zahnpasta ähnelte, während Edo gerade in den Genuss gelangte, doch mal zu probieren, ob man die Zehen von kleinen Brüdern auch essen konnte und seinen Mund aufriss. Al seinerseits sah nur die für ein kleines Baby doch erschreckend groß erscheinenden Zähne seines doch sonst so lieben Bruders und verzog bereits panisch das Gesicht zu einem kümmerlichen Geschrei. Der dann erscheinende Blitz blendete uns alle Drei; grimmig drein guckend blinzelte ich die Sterne vor meinen Augen weg: Edo sprang bereits mit einem vergnügten Gluckser von meinem Schoß und flitzte auf das kleine Mädchen zu, welches sich scheinbar wieder beruhigt hatte. Ganz ein kleiner Gentleman drückte er ihr, fein von mir gelernt, ebenfalls einen dicken Kuss auf die Wange, woraufhin Winry erst knallrot um die Nase wurde, um danach erneut in Tränen auszubrechen. Die Erwachsenen begannen allesamt zu lachen, nachdem sie diese zu niedliche Szene beobachtet hatten, während Edward mit einem riesigen Fragezeichen über dem Kopf und Daumen lutschend vor seiner kleinen Freundin stand und nicht wusste, warum diese denn nun traurig über seine doch nett gemeinte Geste war.

Kichernd malte ich mir aus, was die Zwei doch später für ein hübsches Paar abgeben würden; allerdings konnte ich mir ebenfalls bereits jetzt denken, wer von den Beiden in Zukunft die Hosen anhaben würde. Zufrieden wiegte ich den kleinen Al in meinen Armen und stellte mir meinen Zukünftigen vor, groß musste er sein und mutig, aber auch nett und fürsorglich. Ein bisschen wie mein Onkel vielleicht, der meiner Tante gerade einen liebevollen Kuss auf die Stirn drückte. Sanft lächelnd nahm sie ihren Großen bei der Hand, der vergeblich versuchte, seine blonde Freundin zu trösten, die, nachdem er nun mit seiner Mutter mitging, noch lauter zu heulen begann. Plötzlich liefen dem Jungen auch große dicke Tränchen über das durch die Kälte gerötete Gesicht, schluchzend lief er mit unsicheren Schrittchen neben Trisha her, die durch das leise Schniefen ihres Sohnes innehielt und sich mit besorgter Miene vor ihm auf die Knie niederließ.

Bittersweet Childhoodmemories (Teil 2)

Bittersweet Childhoodmemories (Teil 2)
 

„Mein kleiner Schatz, was ist denn mit dir? Warum bist du denn so traurig?“ Sorgsam wischte sie ihm die Tränchen mit einem großen blütenweißen Taschentuch von den Wangen und strich ihm die goldblonden Strähnen aus dem Gesicht.

„Winry traurig. Will nicht, dass Winry weint. Muss sonst auch weinen. Mag das nicht“, schniefte er kaum hörbar durch das Taschentuch, mit dem ihm seine Mutter den Schnupfen unter der Nase wegwischte, der sich durch die kalten Temperaturen seinen Weg gebahnt hatte. Erstaunen zeichnete sich auf dem hübschen Gesicht der jungen Frau ab. Sie hatte schon mehrmals erlebt, dass kleine Kinder oft in das Geweine eines anderen Kindes aus Unsicherheit mit einfielen und hatte angenommen, dass dies auch bei ihrem Sohn zutraf, schließlich war er erst ein Jahr und ein halbes alt, da geschah so etwas noch des Öfteren, aber diese Antwort hatte sie von einem Kind seines Alters nicht erwartet.

„Winry weint, weil sie müde ist. Sie wird sich schon gleich wieder beruhigen, mach dir da keine Sorgen, mein Junge“, versuchte sie den Goldäugigen mit ihrer Antwort zu überzeugen, doch der Kleine blickte seine Freundin mit einem so unerschütterlichen Wissen an, dass seine Mutter unwillkürlich zu frösteln begann. Ohne ein weiteres Wort hob sie Edward hoch und drückte ihn so fest an sich, als wolle sie ihn vor dem bedrohlichen Wissen eines Erwachsenen beschützen. Schweigend legte der Junge seinen Kopf an ihre Schulter und begann gedankenverloren mit dem Haar seiner Mutter zu spielen, in dem er es immer wieder auf einen Finger aufdrehte.

„Mama lieb. Will nicht, dass du gehst“, nuschelte der Kleine noch in den weichen Stoff ihrer Strickjacke, bevor ihm vor Müdigkeit die Augen zufielen und er in einen unruhigen Schlaf fiel. Trisha wusste hinterher nicht mehr warum, aber plötzlich überkam sie eine unbändige Angst um ihre beiden Jungs. Ein letztes kleines verlorenes Tränchen aus den Augenwinkeln ihres Sohnes benetzte ihren Hals; eisige Schauer liefen ihren Rücken hinunter wie ein vom ewigen Eis befreiter Wasserfall, der sich ungehemmt seinen Weg ins Tal suchte.

Beschützend legte sie ihre warme Hand an den Kopf des Kleinen und strich ihm vorsichtig durchs Haar, welches den unvergleichlichen Duft eines Kindes trug; süß und unschuldig wehte er in ihre Nase, so dass sie ihr Gesicht an die weichen goldblonden Strähnen drückte, welche der mit einem Male an Kraft zugenommene Wind wie die am Boden liegenden, langsam zerfallenden Blätter wild durcheinanderwirbelte. Ihre Angst wurde stärker, als sie ihren kleinen Sohn im Schlaf beängstigende Worte flüstern hörte; sie wusste, dass ihre Kinder „anders“ waren, schon allein durch ihren Vater, aber sie sollten so normal wie möglich aufwachsen. Wenn sie sich dafür entscheiden sollten, die Kunst der Alchemie, welche in ihren Adern floss, zu perfektionieren, so würde ihnen ihr Vater als guter Lehrer zur Seite stehen, denn sie kannte auch die Schattenseiten dieser geheimnisvollen Kraft. Ihre ältere Schwester und ihre kleine Nichte Lina hatten dies am eigenen Leibe zu spüren bekommen.

Sie erinnerte sich noch zu gut an die Nacht, als Kathryn weinend vor ihrer Tür gestanden hatte, im Arm ihre kleine Tochter haltend. Selbst Trisha, die ja, was Alchemie betraf, keinerlei Erfahrung hatte, hatte gespürt, dass mit dem Mädchen etwas nicht stimmte. Lange war ihre Schwester in dieser Nacht bei ihr gewesen, hatte von den beängstigenden Ausfällen ihres Mannes berichtet, bevor dieser auf Nimmerwiedersehen verschwunden war. Besorgt hatte Trisha schon vor einiger Zeit festgestellt, dass sich ihr Schwager auf seltsame Art und Weise seit der Geburt seiner Tochter verändert hatte, aber das es soweit kommen sollte, dass er Frau und Kind einfach sitzen ließ, um für immer das Weite zu suchen, damit hatte sie niemals gerechnet. Ihr eigener Mann hatte sich anschließend lange mit ihrer älteren Schwester unterhalten, um herauszubekommen, was genau geschehen war.

Das Ergebnis dieses Gespräches hatte sie zutiefst geschockt. Tiberius, ihr Schwager, hatte ihrer kleinen Nichte etwas Grausames vermacht, bevor er sich von den Pflichten seiner Familie gegenüber auf unbestimmte Zeit hin entbunden hatte. Etwas, das seinen Geist vernebelt und vergiftet und ihm jegliches Gefühl für Liebe geraubt hatte. Kathy fürchtete sich nun berechtigt davor, dass es ihrer Tochter eines Tages genauso ergehen könnte wie einst ihrem Mann, doch Nathaniel, ihr Schwager unterrichtete die kleine Lina seitdem in der Kunst der Alchemie und lehrte sie, mit dieser Gabe, die schon bald ihr weiteres Leben bestimmen sollte, umzugehen. Doch diese Gabe forderte auch ihre Opfer; sie verbaten dem kleinen Mädchen den Umgang mit Fremden, zu groß war die Angst vor den Folgen. Erst, wenn sie alt genug war, um zu begreifen, würde sie die ersten Schritte hinaus in die Welt wagen dürfen.

Kathryn wünschte sich Ed und Al an die Seite Linas, ihr war wohler dabei, wenn ihre Kleine mit den Jungs aufwuchs und sie auch später noch regelmäßigen Kontakt zu den Brüdern hielt, da auch sie der Alchemie mächtig waren und ihr im Falle eines Falles mit Rat und Tat zur Seite stehen konnten. Nathaniel hatte versprochen, seine Söhne darin zu unterrichten, wie sie ihrer Cousine helfen konnten, sollte mal das eintreten, woran keiner zu denken wagte. Doch Trisha verfolgte seit jener Nacht unruhig, wie auch ihr Mann sich seitdem begann zu verändern. Oft verzog er sich bis weit in den nächsten Morgen hinein in sein Arbeitszimmer, schloss die Tür hinter sich ab und studierte geheimnisvolle Bücher. Auch trug er seitdem eine Brille, was sie sehr verwirrte. Als sie ihn einmal darauf angesprochen hatte, hatte er es mit dem Spruch überspielt, dass man ja nicht jünger würde und dies nun ebenfalls auf die Augen eine Auswirkung hatte.

Aber die junge Frau wusste, dass ihr Mann nicht unter einem Augenleiden, wie zum Beispiel Kurzsichtigkeit litt, denn wenn sie allein waren oder eher gesagt, wenn ihre kleine Nichte nicht in ihrer Nähe war, nahm er die Brille von der Nase und war wieder ganz der Alte. Trisha vermied es, ihn weiterhin darauf anzusprechen, sie liebte diese kostbaren Momente untereinander, genau wie jetzt diesen hier. Sie befürchtete, dass dieses übereilte Foto der Kinder aus einem Grund gemacht wurde, der ihr kein bisschen gefallen würde, sollte sie ihn jemals erfahren.

Eine warme, sich vertraut anfühlende Hand ruhte plötzlich auf ihrer Schulter, rasch drehte sie den Kopf zur Seite und blickte in die sanften Augen ihres Mannes, die sie so sehr liebte. Doch diese verengten sich mit einem Male sorgenvoll zu kleinen Schlitzen, als er erst seiner Frau und anschließend seinem kleinen Sohn ins Gesicht sah. Prüfend legte er seine große Hand auf die Stirn des Jungen, runzelte nachdenklich die Stirn und strich ihm anschließend über die nun vor Hitze geröteten Wangen. Trisha verfolgte sein Tun alarmiert; erst jetzt wurde ihr bewusst, wie heiß sich der kleine Körper ihres Sohnes anfühlte, feuchte Haarsträhnen klebten in seiner Stirn, von der kleine eiskalte Schweißperlen tropften.

>Er ist doch nicht etwa krank?<, schoss es ihr durch den Kopf, doch die Jacke ihres Mannes, die sich wärmend über den Körper des Jungen ausbreitete, bestätigte ihre Befürchtung.

„Bring ihn rein, Trisha, aber so, dass Lina nichts davon mitbekommt. Sie soll nicht wissen, dass er Fieber hat“, wisperte Nathaniel leise ins Ohr. „Ich hole Al, bevor er sich auch noch verkühlt.“ Die Jacke fester um ihren Sohn zurrend ging Trisha so unauffällig wie möglich zum Haus, verabschiedete sich noch von den Rockbells, dessen kleine Tochter sich wieder beruhigt hatte und mit ihrem Vater scherzte und winkte ihre ältere Schwester heran. Kathy kam ihr lächelnd entgegen, wuselte ihrem goldblonden Neffen durchs Haar und drückte ihrer jüngeren Schwester, die einen ganzen Kopf kleiner als sie war, einen Kuss auf die Stirn.

„Das wird mit Sicherheit ein wunderschönes Foto, meinst du nicht auch, Trisha? Die Drei sahen wirklich zu goldig aus.“ Das stumme Nicken ihrer Schwester ließ sie verwundert die Stirn kraus ziehen.

„Was hast du denn? Stimmt was nicht?“ Trisha nickte wortlos und hielt Kathy ihren kleinen Sohn entgegen, erst jetzt bemerkte die Ältere, dass der Junge vor Fieber glühte. Sofort warf sie einen raschen Blick hinüber zu ihrer Tochter, die gerade den kleinen Al an ihren Onkel weitergab.

„Komm, Trisha, schnell ins Haus. Ich helfe dir gerade, die beiden Jungs ins Bett zu bringen“, sagte sie und schob ihre Schwester schnell vor sich her, vorsichtig darauf bedacht, nicht die Aufmerksamkeit ihrer Tochter auf sich zu ziehen.

Trisha wusste, was geschah, sollte Lina erfahren, dass ihr Sohn krank war und genau das galt es, zu verhindern, auch wenn die Kleine es nur gut meinte. Rasch betrat sie zusammen mit ihrer Schwester die Veranda; sie fühlte die fragenden Blicke des Mädchens auf ihrem Rücken, bevor sie die angenehme Wärme des Hauses empfing und hoffte, dass sie keinen Verdacht schöpfte. Draußen hörte sie Kathryns gutmütige Stimme, die ihrem Schwager dessen jüngsten Sohn behutsam abnahm.

„So, Nathan, ich kümmere mich um meinen kleinen Neffen, bring du meine Tochter nach Hause, ich komme gleich nach.“ Augenzwinkernd verabschiedete sie sich von ihm und folgte ihrer jüngeren Schwester ins Haus, die dort schon ungeduldig auf sie wartete.

„Es ist alles in Ordnung, Trisha“, beruhigte sie diese sofort und gab den Blick auf den kleinen Jungen frei. „Mit Al scheint nichts zu sein, er schläft ganz ruhig“, bedachte sie ihren Neffen mit einem kurzen Nicken. Ein erleichtertes Seufzen ließ sie zur Seite sehen und sie lächelte ihre Schwester liebevoll an, als diese dem kleinen Alphonse einen Kuss auf die Wange drückte, wobei sich ein zufriedenes Gurgeln über dessen Lippen stahl.

„Nun sollten wir aber unser kleines Sorgenkind hier ins Bett bringen“, erinnerte sie ihre Schwester an den kranken Jungen, der matt in ihren Armen hing und leise vor sich hin hustete. Rasch huschten die beiden Frauen die Treppe hinauf zum ersten Stockwerk, packten Al in seine Wiege und Ed in sein kleines Kinderbett. Tiefe Sorgenfalten gruben sich in die Stirn der jungen Mutter, als sie ihren Ältesten betrachtete; unruhig warf er sich hin und her, während unverständliche Worte seinen trockenen Mund verließen. Mitfühlend legte Kathy eine Hand auf die schmale Schulter Trishas und strich ihr über den Rücken.

„Ich komme gleich noch einmal vorbei und sehe nach ihm, sobald ich Lina erklärt habe, was geschehen ist“, versprach sie, was ihre Schwester verwundert aufsehen ließ. „Sie ist nicht dumm, sie wird längst begriffen haben, dass etwas nicht stimmt, schließlich hat sich ihre Tante ja nicht einmal von ihr verabschiedet“, erklärte Kathy mit einem Grinsen auf den Lippen. „Mach dir keine Gedanken um Edo, er hat sich draußen nur etwas verkühlt, als er nach dem Foto herumgetobt ist. Schließlich trug er keine Jacke dabei. Und was meine Tochter betrifft“, sie schaute nachdenklich aus dem Fenster, „solange der Junge krank ist, werde ich sie nicht hierher lassen, dann wird auch nichts geschehen.“

Mit diesen Worten verließ Kathy das Zimmer der Brüder; das Knirschen des Holzes, was ihre Schritte auf der Treppe erzeugte, schienen das kommende Unheil, welches schon längst über den Köpfen der Familie schwebte, einzuläuten. Besorgt legte Trisha ihre kühle Hand auf die heiße Stirn ihres Sohnes und sah hinaus zum Fenster; auf dem kleinen Weg vor dem Haus erkannte sie ihre Schwester und deren Tochter, die sich plötzlich umsah. Für einen kurzen Moment schienen sich ihre Blicke zu treffen, Lina hob kurz ihre Hand, um zu winken, ließ diese dann aber wieder sinken.

„Mach dir nicht zu viele Sorgen, meine Liebe.“ Die ruhige Stimme ihres Mannes ließ sie vor Schreck zusammenzucken, sie hatte ihn gar nicht die Treppe heraufkommen hören. Draußen rüttelte der frische Herbstwind an den Fensterläden; Trisha fröstelte plötzlich. Sie fühlte sich sanft an den Schultern gepackt und gegen seine breite Brust gedrückt. Mit einem dankbaren Seufzen drückte sie sich an ihn; eine wohlige Wärme durchflutete ihren Körper. Wenn er bei ihr war, fühlte sie sich geborgen und beschützt. Er berührte liebevoll mit seinen Lippen die ihren, ein aufgeregtes Kribbeln durchlief ihre Gliedmaßen und sie gab sich vollkommen ihren Gefühlen zu ihm hin, bis ein leises Stöhnen neben ihnen ihre gefühlvollen Gesten unterbrach. Sofort fuhr sie auf und drückte ihren Mann forsch von sich weg, beugte sich hinunter zu ihrem kleinen Sohn und strich diesem beruhigend durch das nassgeschwitzte Haar. Die warme Hand ihres Mannes legte sich auf die ihre, die neben dem kleinen fiebernden Körper des Jungen ruhte. Sie spürte seinen Atem an ihrer Wange, als er versuchte, ihr die wachsenden Sorgen um das gemeinsame Kind zu nehmen.

„Trisha, er wird schon wieder. Deine Schwester wird sich seiner annehmen, du weißt doch, dass sie einige Semester Medizin studiert hat. Es ist nur ein harmloses Fieber, du wirst schon sehen, in ein paar Tagen tollt er wieder draußen auf der Wiese umher und ärgert seinen kleinen Bruder.“ Sanft zog er sie vom Bett weg, doch sie beharrte darauf, bei ihrem Sohn zu bleiben und Nathaniel wusste, dass es vorerst keine Möglichkeit gab, sie dazu bewegen, sich auch ein wenig Ruhe zu gönnen, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte.

Nachdenklich kratzte er sich am Hinterkopf; er konnte sie ja verstehen, Mütter machten sich ständig Sorgen, wenn es um das Wohl ihres Nachwuchses ging. Zähneknirschend gestand er sich ein, dass er, was das betraf, auch keinen Deut besser war, doch er zeigte dies nur ungern. Leise schlich er sich hinaus, drehte aber noch einmal um, als er bereits auf dem Flur stand und steckte verlegen den Kopf ins Zimmer hinein.

„Ähem“, hüstelte er mit vorgehaltener Hand, um auf sich aufmerksam zu machen, doch Trishas Blick wandte sich nicht von dem Kleinen ab. „Soll ich dir vielleicht ein wenig kaltes Wasser und ein Tuch bringen, bis Kathy wieder hier ist?“ Ihr liebevolles und dankbares Lächeln sagte mehr als tausend Worte, als sie sich umdrehte und ihn ansah.

Als ihr Mann verschwunden war, nahm Trisha vorsichtig ihren kleinen Sohn samt Decke aus dem Bettchen und legte sich ihn auf ihren Schoß. Leise ein Lied summend wiegte sie ihn sanft hin und her; sein Körper glühte wie bereits heruntergebrannte Holzscheite in einem Kamin, was ihm einen keinesfalls ruhigen Schlaf bescherte, doch der enge Hautkontakt zu seiner Mutter und die weiche Stimme, die dem Gesang eines Engels nahe kam, ließen seine zuckenden Glieder langsam erschlaffen.

Fürsorglich legte sie ihn wieder zurück in sein Bett, wobei sie erschreckt feststellte, dass das Laken über seiner Matratze schon ganz nass war, auch seine Kleidung war bis auf die Haut durchgeweicht, so sehr schien er unter dem in ihm wütenden Fieber zu leiden. Rasch stand sie an dem kleinen Kinderschrank, um einen frischen Schlafanzug und ein neues Laken aus der Schublade zu ziehen, als eine bekannte Stimme sie alarmiert herumfahren ließ.

„Deine Sorge um ihn ist berechtigt, kleine Schwester“, bestätigte Kathy ihre schlimmsten Befürchtungen. Verwirrt sah Trisha sich um, warum hatte sie nichts vom Kommen ihrer Schwester bemerkt? Mit kundigen Händen und sachlichem Blick untersuchte sie ihren kleinen Neffen eingehend und seufzte tief, nachdem sie mit Hilfe seiner Mutter das Laken und seine Kleidung gewechselt hatte

„Das ist kein normales Fieber, welches ihn ereilt hat“, erklärte sie Trisha kurz und knapp. „Es ist zu kurzfristig ausgebrochen und wütet gleich mit voller Wucht wie ein außer Kontrolle geratener Waldbrand in seinem Körper. Wir dürfen ihn nicht aus den Augen lassen, es muss rund um die Uhr jemand bei ihm sein, damit wir sein Fieber senken können und das möglichst rasch, sein Körper hat noch nicht die Kraft, um gegen so etwas allein zu bestehen.“ Trisha fühlte, wie ihr die Tränen in die Augen schossen, die Angst, welche seit diesem Nachmittag ihr Herz in Besitz genommen hatte, wuchs ins Unendliche. Sofort nahm Kathy ihre jüngere Schwester in den Arm.

„Weine nicht, der kleine Edo wird seine Mama nicht so schnell verlassen, dafür werde ich schon sorgen. Und nun leg dich ein wenig hin, ich werde zunächst bei ihm bleiben, danach wird dein Mann mit mir meinen Platz tauschen.“

„Aber was ist mit Lina?“, wollte Trisha von ihrer Schwester wissen. „Sie ist doch ganz allein zu Haus und überhaupt ... hast du ihr etwas erzählt? Ich meine, dass Edward ...?“ Ein eifriges Kopfschütteln Kathryns ließ sie erleichtert aufatmen, doch ihre Schwester meinte damit etwas ganz anderes.

„Ich habe ihr nichts gesagt, das ist richtig, allerdings brauchte ich ihr auch nichts zu sagen, da sie bereits alles durch einen kurzen Blick in meine Augen wusste.“ Entsetzt weiteten sich die Augen der Jüngeren, als Kathy sie fast grob an den Schultern packte.

„Egal, was passiert, du darfst meine Tochter nicht in die Nähe deines Sohnes lassen, solange er krank ist. Sie würde versuchen, ihm zu helfen und das will ich nicht. Ich weiß nicht, was dann geschieht, sie kann damit noch nicht richtig umgehen und sie soll es auch nicht. Sollte sie es doch tun, verschenkt sie jedes Mal kostbare Zeit ihres eigenen Lebens, aber das ist ihr egal, sofern sie nur den Menschen helfen kann, die sie liebt. Verstehst du, Trisha? Sie darf es nicht! Genau wie du deinen Sohn nicht verlieren möchtest, will ich nicht meine Tochter verlieren.“ Nun traten auch Kathryn Tränen in die Augen, die lautlos ihre Wangen benetzten; zu frisch waren noch die Wunden, die ihr Mann ihr hinterlassen hatte. Und so lagen sich die beiden Frauen schluchzend in den Armen, beide sich gegenseitig tröstend, während Nathaniel schweigend auf dem Flur hinter der halb geschlossenen Tür stand und den Mann, der seine Schwägerin und seine Nichte hatte sitzen lassen, lautlos verfluchte.

Bittersweet Childhoodmemories (Teil 3)

Bittersweet Childhoodmemories (Teil 3)
 

Ich wusste noch ganz genau, dass dieser Tag, an dem das Foto entstanden war, nicht so geendet hatte, wie ich es mir gewünscht hatte. Nachdem mich meine Mutter frühzeitig ins Bett gesteckt hatte, ohne einen Ton zu sagen, was aber auch keineswegs nötig gewesen wäre, da ich eh schon alles wusste, war ich zu ihr auf den Arm gekrabbelt, um ihr dies zu beichten. Sie hatte sich nicht sonderlich überrascht gezeigt, was das betraf und sich anschließend sofort wieder auf den Weg zu meiner Tante gemacht.

So saß ich nun auf meinem kleinen Bett und dachte über all das nach, was sie mir einmal über meine Gabe erklärt hatte. Ich besaß sie, durfte sie aber nicht anwenden. Damals als kleines Kind hatte ich nicht verstanden, was das bedeuten sollte; warum besaß man etwas und konnte nichts damit anfangen? Als Edo an diesem geheimnisvollen Fieber erkrankte, nahm ich mir fest vor, an ihm meine Gabe zu testen. Mir war egal, was mit mir dabei geschah, ich wollte meine Tante nicht traurig sehen, ich wollte nicht, dass sie sich die ganze Zeit um ihren Sohn Sorgen machen musste, ich wollte meinen Cousin nicht bleich und krank in seinem Bettchen liegen sehen. So fasste ich an diesem stürmischen und ungemütlichen Abend einen endgültigen Entschluss; ich hatte ja nicht ahnen können, wie mein kleines geplantes Vorhaben, meinem Cousin zu helfen, in einer mittelschweren Katastrophe enden würde.

Geduldig wartete ich ab, bis der Vollmond, der bei Einbruch der Dunkelheit langsam im Osten aufgegangen war, senkrecht über unserem Haus stand. Flink zog ich mir eine Jacke über mein Nachthemd, schlüpfte in meine vom Vortag dreckigen Gummistiefel und verließ unser Haus. Mutter war noch nicht wieder zurückgekehrt, so dass niemand bemerkte, dass ich unerlaubt verschwand. Sollte sie es merken, mochte ich nicht an die Folgen denken, mein Hinterteil begann schon bei dem Gedanken daran zu schmerzen.

Flink wie ein kleines Wiesel huschte ich über den steinigen Weg, der mich zum Haus meiner beiden Cousins führen sollte. Der gemütlich am Himmel stehende Mond diente mir als Laterne; ich freute mich, dass sich die grauen Wolken endlich verzogen hatten, denn sonst wäre ich blind wie ein Maulwurf umhergelaufen. Eine Lampe hätte mich sofort verraten, hätte ich diese benutzt, denn vom Haus der Jungs aus konnte man das ganze Tal überblicken, da es gleich einem Schloss auf einer Anhöhe stand. Leicht geduckt lief ich zur Veranda hinüber; wo meine Cousins und ich noch vor wenigen Stunden gut gelaunt gesessen hatten, fegte nun der kalte Wind über das tote Holz und trieb die letzten vertrockneten Blätter der langsam verblassenden Herbsttage träge vor sich her

Der alte Schaukelstuhl meiner Tante wippte wie von Geisterhand bewegt leicht hin und her; die knirschenden Geräusche des alten Möbelstückes jagten mir plötzlich eisige Schauer über den Rücken. Es schien fast so, als hätte der Tag die Wärme und Herzlichkeit, die an diesem Ort lebte, mit sich fortgenommen, als die Nacht ihren Einzug über dieses Land gehalten hatte. Bedrohlich, gleich einem riesigen finsteren Schatten, ragte das Haus meiner Verwandten vor mir auf, hinter keinem der Fenster sah ich ein Licht brennen. Für mich wirkte es in diesem Moment wie eine mächtige leere Hülle, zu dessen Teil ich werden sollte. Schon setzte ich einen Fuß auf die hölzerne Stufe der Veranda, als mit einem Male ein ohrenbetäubender Schrei direkt neben meinem Ohr die beängstigende Stille der Nacht zerriss.

Etwas Spitzes krallte sich in mein Haar und ließ mich vor Angst aufschreien; sofort schlug ich mit den Händen nach diesem unbekannten Angreifer und stieß auf ein überraschend weiches Hindernis. Zähneknirschend biss ich mir auf die Zunge, als an einer meiner Hände aus heiterem Himmel ein stechender Schmerz explodierte, denn es waren keine zwanzig Sekunden nach meinem ersten Schrei vergangen, da bewegten sich schon verdächtig die Vorhänge an einem der Fenster und ein müdes Augenpaar starrte suchend hinaus in die vom Mond erhellte Nacht. Fluchend, und ich war erstaunt, über welches ausgedehnte Schimpfwörterrepertoire ich verfügte, warf ich mich samt meinem noch immer auf mir wütenden Angreifer auf den harten Boden.

Keinen Mucks gebend wünschte ich mir nichts sehnlicher, als dass sich das unbekannte Ding auf meinem Rücken ebenso verhielt, doch es kreischte aufgebracht in den für mein Ohr unangenehmsten Tönen herum und zerrte so sehr an meinem langen Haar, dass ich mich beherrschen musste, nicht in sein Geschrei mit ein zufallen. Doch irgendwann fand auch meine Geduld und Beherrschbarkeit ihr Ende. Mit einem wütenden Zischen fuhr ich mit der Hand in mein Haar, ertastete etwas Hartes und versuchte, dies von meinen sich darum geschlungenen Strähnen zu befreien. Das Ding, was halb an meinem Kopf und halb auf meinem Rücken hing, begann wie ein durchgedrehter Stier zu toben, ständig hackte es nach meiner Hand, doch ich ließ mich nicht beirren und versuchte weiterhin, es und mich selbst aus dieser misslichen Lage zu befreien, denn mittlerweile spürte ich, dass es mich vor lauter Angst und Panik verletzte und nicht, weil es einen Groll gegen mich hegte.

Ein paar meiner lang gezüchteten Strähnen musste ich opfern, damit das Geschöpf seinen Weg in die Nacht fortsetzen konnte; ich verzog schmerzvoll das Gesicht, als ich sie mir teilweise in Büscheln ausriss. Dann war es mit einem Male geschafft; ein Ruck ging durch meinen Körper und das Gewicht, welches an mir wie eine vollreife Frucht gehangen hatte, war plötzlich verschwunden. Ich hörte das beinahe lautlose Schwingen mächtiger Flügel und rollte mich auf dem Boden herum, um zu sehen, mit wem ich das Vergnügen hatte. Große wachsame Augen sahen mich von dem Baum, der direkt neben dem Haus meiner Verwandten stand, an. Am liebsten hätte ich laut losgelacht, als ich die Eule betrachtete, die ihr zerzaustes Federkleid kräftig durchschüttelte und es dann sorgfältig Feder für Feder zu ordnen begann. Als sich unsere Blicke trafen legte sie leicht den Kopf schief und fiepste leise, als wolle sie sich bei mir dafür entschuldigen, dass sie mir wehgetan hatte.

Traurig blickten ihre goldenen Augen zu mir herab. Goldene Augen ... sie erinnerten mich an jemanden ... an jemanden, den ich geschworen hatte, zu beschützen, komme, was wolle. Mit einem Ruck war ich wieder auf den Beinen und fuhr erschrocken zu dem Fenster herum, aus dem vor wenigen Augenblicken ein Augenpaar suchend umhergeschweift war, doch der Platz war leer, niemand stand mehr dort. Erleichtert aufatmend und meine Kleidung zurechtrückend; ich musste wirklich seltsam anzusehen sein, weißes Nachthemd, knallrote Gummistiefel und eine tiefblaue, mir viel zu große Windjacke; stapfte ich entschlossen zur Veranda, stieg die Stufen hinauf und hatte mir scheinbar gar keine Gedanken darüber gemacht, wie ich ungesehen ins Haus kam. Ich war aber auch ein Dummerchen! Wie sollte ich an drei Erwachsenen, die mir in aller Hinsicht weit voraus waren, vorbeikommen?

Angestrengt dachte ich nach, so, wie ich jetzt war, würde ich ein leichtes Opfer für die wachsamen Augen der Drei werden. Allerdings nicht, wenn ich ... . Ein grimmiges Lächeln huschte über meine Lippen; es gab eine Möglichkeit, nur war diese nicht gerade die Einfachste, aber ich musste es riskieren, wollte ich dem kleinen Jungen helfen. Hoffnungsvoll kramte ich in der Seitentasche meiner Jacke und nach einigen Sekunden ertasteten meine Finger tatsächlich das, wonach ich suchte. Dankbar atmete ich auf, als ich das kleine Kreidestück in der Hand hielt, welches im fahlen Mondlicht bedrohlich leuchtete. Suchend sah ich mich nach dem geeigneten Ort für mein Vorhaben um und entdeckte schnell eine glatte Fläche auf dem Boden der Veranda. Zögerlich ließ ich mich auf die Knie hinunter; wie mit einem lauen Lüftchen kamen mit einem Male die Zweifel in mir hoch, dass dies auch das Richtige war, was ich vorhatte. Noch nie hatte ich es versucht, nur in der Theorie geübt.

Aber ich musste es tun, es war der einzige Weg, um möglichst unentdeckt an ihnen vorbei zu kommen. Konzentriert führte meine Hand die Kreide über den feuchten Holzboden; eine geheimnisvolle Zeichnung entstand vor mir. Jedes Mal faszinierte mich die Kunst des Transmutationskreises aufs Neue, sie alle waren auf ihre Art und Weise einzigartig. Je nachdem, wie man sie zeichnete und anordnete, um sie anschließend mit seinen Kräften zu vereinen, geschahen Dinge, die ich mir nie hätte träumen lassen. Die Kunst der Alchemie hatte mir die Tür zu einer neuen Welt geöffnet, eine Welt, wie ich sie mir vorstellte. Wenn mir zu diesem Zeitpunkt Jemand erzählt hätte, dass dieser naive Kinderglaube fast ein Menschenleben ausradiert hätte, ich hätte ihn mit Sicherheit nicht ernst genommen. So spielte ich mit dieser Kraft, als wäre sie ein Teddybär und nicht etwas ungeheuer Mächtiges und Gefährliches, vor dem man Respekt haben sollte wie vor nichts anderem.

Ein helles, blau-weiß leuchtendes Licht erwachte mit einem Male zum Leben zwischen meinen schmalen Fingern und hüllte mich wie ein schützender Kokon aus reiner Energie ein. Wie ein Fluss aus purem Leben durchströmte mich die geheimnisvolle Kraft, an die mein ungewisses Schicksal gebunden war. Ein Gefühl der Überlegenheit überkam mich, als ich spürte, wie mein Körper bereits zu schrumpfen begann; meine Arme und Beine wurden kürzer, mein Gesicht veränderte sich, alles Menschliche daraus verschwand, bis ... ja, bis ich nicht mehr das kleine Mädchen mit dem langen goldblonden Haar war. Zufrieden betrachtete ich mit meinen neuen nachtscharfen Augen die niedlichen Pfötchen, die geschmeidig über den Boden schwebten, als seien sie Vogelfedern. Mein dichtes Fell schützte mich vor dem schneidenden Wind, dem ich in dieser Gestalt noch hilfloser gegenüberstand. Meine Nachtbekanntschaft musterte mich äußerst misstrauisch von ihrem sicheren Zufluchtsort auf dem Baum; scheinbar konnte sie sich nicht entscheiden, ob sie mir in diesem Körper noch über den Weg trauen konnte. Mir allerdings gefiel er; ich war flink und äußerst wendig, als ich ihn spielerisch austestete. Die Luft roch anders, viel würziger und abenteuerlicher; meine Augen waren scharf wie die eines Falken, der jedes einzelne Haar seines Opfers aus der Luft zählen konnte, bevor er hinabstieß, um es zu erlegen.

Übermütig sprang ich auf der Veranda herum und hätte dabei fast vergessen, weswegen mich mein Weg hierher geführt hatte. Mit wild umher zuckenden Ohren suchte ich nach einem Eingang in das Haus und fand diesen in Form einer Katzenklappe, welche in eine Hintertür eingelassen war. Katzenklappe? Ich überlegte kurz. Ach ja, mein Onkel und meine Tante hatten bis vor kurzem einen alten dicken Kater gepflegt, der ihnen vor einem Jahr zugelaufen war. Das arme Tier hatte sich in den letzten Tagen vor seinem Tod kaum noch bewegen können; vorher war er immer vergnügt durch sein eigenes Türchen ein und ausgegangen.

Keiner hatte bis jetzt daran gedacht, die Katzenklappe wieder auszubauen, was ich jedoch in diesem Moment nicht als schlecht befand. Mit einem gekonnten Sprung setzte ich hindurch und fand mich sofort auf dem warmen Flur des Hauses wieder. Von der Wärme angenehm überrascht streckte ich mich genussvoll und versuchte mich zu orientieren. Von hier unten sah alles so anders aus. Wie riesige, unbezwingbare Berge türmten sich Regale und Schränke vor mir auf, die Uhr an der Wand tickte dreifach so laut wie ich es als Mensch kannte. Meine kleinen Fellöhrchen legten sich empfindlich berührt an meinen Kopf an; ich musste mich erst an die ungewohnte Umstellung gewöhnen; als Mensch war doch alles ein wenig anders

Ein bekannter Duft kroch plötzlich in meine rosige Nase; ich sog ihn prüfend ein. >Kaffee!<, durchschoss es mich sofort. Nun gut, ich wusste nun, dass sich Jemand in der Küche aufhielt. Gespannt spitzte ich meine Ohren, um heraus zu finden, um wen es sich handelte und machte einige vorsichtige Schritte in die Richtung des Zimmers, in dem ich meine Leute vermutete. Ein Schnarchen erfüllte mit einem Male den Flur, auf dem ich entlang schlich; es klang nach einem riesigen alten Bär, der seinen Winterschlaf hielt und sich von nichts und niemandem stören ließ. Hätte ich es gekonnt, ich hätte laut losgekichert, aber so entrang sich meiner Kehle nur ein kläglicher Laut, der kein bisschen vergnügt klang.

Alarmiert schlug ich mir die Pfote auf die Schnauze, als ich die Erschütterung des Fußbodens unter mir spürte und auch die klackenden Schritte vernahm, die direkt auf mich zukamen. Ich versuchte noch hinter einen Schrank zu kriechen, als ich den großen Schatten bemerkte, der sich auf dem Boden des Flures niederschlug, doch so klein war ich wiederum auch nicht und so drückte ich mich, so gut ich konnte, in eine dunkle Nische neben den Schrank und wartete mit klopfendem Herzen ab.

„Ist da jemand? Hallo?“ Meine Mutter stand direkt neben mir in der Tür und starrte in das Halbdunkel hinaus. Eine Zeitlang verweilte sie dort mit umherschweifendem Blick und angehaltenem Atem, bis sie resigniert den Kopf schüttelte und sich von dem mysteriösen Geräusch, von dem sie hundertprozentig überzeugt war, es gehört zu haben, abwandte.

„Komisch“, hörte ich sie noch murmeln. „Ich war mir sicher, dass da etwas gewesen ist.“

Lautlos atmete ich auf; erleichtert lösten sich meine zur Anspannung versteiften Muskeln. Das war mehr als knapp gewesen. Ich war zwar nun nicht mehr ich, das hieß, doch, mein Ich war geblieben, nur mein Aussehen hatte sich geändert, aber woher sollte ich wissen, dass sie mich nicht doch erkannte? Schließlich war sie meine Mutter und Mütter erkannten ihre Kinder unter Tausend anderen. Und meine Mutter würde mich auch erkennen, wenn ihre Tochter die Form eines anderen Wesens angenommen hatte.

So durften sich unsere Wege auf keinen Fall kreuzen, solange ich nicht wieder ein Mensch war. Vorsichtig nach allen Seiten lugend wagte ich mich aus der beschützenden Dunkelheit der Nische hervor und tippelte zögerlich auf die Stelle des Bodens hinzu, auf den ein heller warmer Lichtkegel direkt aus dem beleuchteten Zimmer fiel. Allen Mut, den ich besaß, zusammennehmend, duckte ich mich, um jeden Moment an der Küche vorbei zu flitzen, als ein lautes Niesen mich erschrocken zusammenfahren ließ. Vor Schreck taumelte ich ein paar Schritte weiter und blieb direkt auf der vom Licht beschienenen Stelle des Flures stehen. Panisch spürte ich, wie mich zwei Augen ungläubig anstarrten und eine Stimme besorgt fragte: „Schatz, hast du dich etwa da draußen erkältet? Ich habe doch gleich gesagt, dass das keine gute Idee mit dem Foto war.“ Gequält verzog ich das Gesicht, als mir die Allergie meines Onkels einfiel; wie konnte ich das nur vergessen?

„Nein, Schwesterherz“, hörte ich meine Mutter sagen, die mich noch immer erstaunt und gleichzeitig ein wenig misstrauisch musterte. „Dein Mann ist nicht erkältet. Schau mal, was hier Kleines auf dem Flur steht.“ Das Knarzen eines Stuhles ließ in mir sämtliche Alarmglocken erklingen; hektisch sah ich mich nach einer Fluchtmöglichkeit um, doch aus irgendeinem mir unerfindlichen Grund rannte ich nicht fort, sondern bliebt wie angewurzelt stehen.

„Och, die ist ja noch winzig“, bemerkte meine Tante entzückt über meine Größe, was mich fast vor Wut überkochen ließ. Okay, ich war wirklich nicht groß, für mein Alter eigentlich noch recht klein, aber was hatte Größe schon zu bedeuten? Zornig rang ich mir ein Fauchen ab, was die beiden Frauen vorsichtig zurückweichen ließ. So, damit wäre das geklärt; zufrieden und etwas überlegen sah ich sie triumphierend an.

Aber Moment mal, ich war doch gar kein Mensch und somit war ich wirklich klein; beschämt senkte sich mein Kopf gen Boden. Wie dumm von mir, aber was meine Größe anging, verstand ich nun mal keinen Spaß.

„Ist sie krank? Sie sieht mit einem Male so traurig aus“, riss mich die Stimme meiner Tante aus meinen Gedanken.

„Keine Ahnung. Vielleicht ist sie ja deswegen hier herein gekommen, um Hilfe bei uns Menschen zu suchen“, entgegnete ihre Schwester nachdenklich. Ich sah die Beiden vollkommen perplex an. Mütter! Hoffentlich steckten die mich jetzt nicht auch noch in ein Bett und pflegten mich vermeintlich Kranke gesund.

Unsicher wich ich ein paar Schritte zurück, als Trisha langsam und gebückt aus der Küche trat; in der einen Hand hielt sie ein kleines rohes Stück Fleisch, mit dem sie mich wohl ködern wollte, die andere näherte sich vorsichtig meinem Kopf. Was sollte ich nun machen? Wenn ich weglief, würden sie mir folgen und Zuschauer konnte ich bei meinem Vorhaben nun wirklich nicht gebrauchen. Was also tun? Mein kleiner Körper begann zu zittern, als ich spürte, wie sich mein Hinterteil schon an die Wand drückte. An ein Entkommen war somit zunächst nicht zu denken; links von mir lag die Treppe, rechts von mir ein großer Schrank. Und vor mir meine Tante, die mit diesem ekligen Stück Fleisch vor meiner Nase hin- und herwedelte. Mir blieb also nur eines übrig, damit sie mich in Ruhe ließen, denn die Zeit wurde langsam knapp. Ich musste wohl oder übel meine Rolle spielen.
 

Das plötzliche langgezogene Miauen des kleinen Kätzchens ließ Trisha sich fast vor Schreck auf den Hosenboden setzen; die ganze Zeit über hatte das winzige Wesen außer dem Fauchen keinen Ton von sich gegeben. Jetzt richtete sich der Schwanz, der die ganze Zeit über eher wie eine zuckende Peitsche agiert hatte, freudig in die Höhe und das kleine Ding kam ihr mit einem kehligen Schnurren zutraulich entgegen.

Weiches Fell drückte sich anschmiegsam gegen ihre Hand; ein Lächeln hellte das vor Sorge um ihren kleinen Sohn eingefallene Gesicht auf, als sich das Kätzchen an ihren Beinen rieb. Liebevoll schlang sie ihre Hände um den kleinen Körper und hob ihn hoch.
 

Mir wurde fast übel, als meine Tante mich mit einem schnellen Ruck vom Boden in luftige Höhen beförderte; ich hatte Fahrstühle noch nie besonders gern gemocht bzw. benutzt und dieser hier kam mir vor wie die neueste Turboversion, die es hoffentlich niemals geben würde. Aber wenigstens hielt sie mich sanft und behutsam im Arm, während sie mich in die Küche trug. In die Küche? Nein, nein! Ich musste doch die Treppe hinauf, in das Zimmer meiner Cousins, zu Edo! Er brauchte meine Hilfe! Ich wiederum brauchte keine. Unruhig begann ich in den Armen meiner Tante zu zappeln; sie blieb verblüfft stehen und sah zu mir hinab. Ich stieß ein klägliches Maunzen aus, um ihr zu signalisieren, dass ich wieder heruntergelassen werden wollte, doch sie deutete dies falsch und drückte mich nur noch fester an sich.

Mein Zappeln wurde stärker, mit aller Kraft, die mir als dieses Wesen auferlegt wurde, versuchte ich mich zu befreien, doch dann geschah das, was ich auf keinen Fall bezweckt hatte. Unbewusst fuhr ich meine winzigen, jedoch messerscharfen Krallen aus und verletzte sie damit versehentlich am Unterarm. Ein unterdrückter Schrei perlte über ihre Lippen, als meine Krallen über ihre weiche, ungeschützte Haut fuhren. Erschrocken trafen sich unsere Blicke; schuldbewusst sah ich sie an und leckte ihr, mein schlechtes Gewissen beruhigend, über die blutende Wunde. Ich wusste hinterher nicht mehr, warum sich mit einem Male ihre Arme öffneten und den Weg nach unten freigaben. Alles, woran ich mich noch mit Schrecken erinnern konnte, waren ihre vor Entsetzen zusammengezogenen Pupillen, die mich sogar heute oft bis in meine Träume verfolgten. Wie in Zeitlupe fiel ich zu Boden, über mir ihre Augen, die gleich zwei bedrohlich leuchtender Sterne über meinem Antlitz schwebten. Noch bevor ich mit allen Vieren gleichzeitig sicher aufkam, schossen mir tausend Dinge durch den Kopf. Hatte sie etwas bemerkt? Wusste sie etwa, dass sie gerade eben ihre Nichte auf dem Arm gehalten hatte? Mir war dummerweise entgangen, dass keine einzige Katze auf dieser Welt mit grausilbernen Augen existierte.

„Trisha? Was ist mit dir?“ Meine Mutter trat von hinten an ihre Schwester heran, da diese steif wie eine Statue im Zimmer stand und auf mich herabstarrte. Schnell verkroch ich mich unter dem Tisch, direkten Augenkontakt mit meiner Mutter vermeidend. Es reichte ja schon, wenn einer Verdacht schöpfte, es mussten nicht noch mehr dazu kommen. Vielleicht würden sie mich in den kommenden Augenblicken vergessen, damit ich endlich das ausführen konnte, weswegen ich gekommen war.

„Oh, hat sie dich vor Angst gekratzt?“, hörte ich meine Mutter fragen, als sie den Arm ihrer Schwester sah. Lächelnd und den Kopf schüttelnd band sie ihr Taschentuch um die kleine Wunde und strich meiner Tante liebevoll durchs Haar. „Du hast sie auch ein wenig zu fest gedrückt, kleine Katzen sind noch sehr scheu und ängstlich, sie hat sich nur gewehrt.“

>Richtig, kaa-san, mit Absicht würde ich so etwas nie tun.<

„J-ja, du hast wohl recht“, äußerte sich Trisha nach einigen Sekunden des Schweigens auf die Aussage ihrer älteren Schwester. „Aber weißt du, was verrückt ist?“

>Nein, nein, denk nicht mal dran!<

„Für einen Moment dachte ich, ich sehe der kleinen Lina in die Augen.“

>Verdammt, jetzt ist alles aus.<

„Was?“ Ein schallendes Lachen wogte über meinen Kopf hinweg wie die schäumende Gischt über scharfkantige Klippen. Ein Lachen, das ich so sehr liebte.

„Lina liegt zu Hause in ihrem Bett und schläft. Sie weiß, was ihr blüht, sollte sie hierher kommen. Und außerdem, Lina ist ein Mensch und keine Katze.“ Sie seufzte sorgenvoll. „Und ich glaube, kleine Schwester, du solltest dich ein paar Stunden aufs Ohr legen, du brauchst deine Kraft, um dich um deine beiden Kleinen zu kümmern.“

Meine Tante schnaubte wütend; ihr Finger zeigte direkt auf mich, als sie sich verteidigte.

„Ich will damit ja auch nicht sagen, dass es sich bei der kleinen Katze um Lina handelt, ich meinte ja auch nur, dass dieses Tierchen dieselben Augen wie deine Tochter hat. Deswegen habe ich sie auch fallen gelassen, weil ich mit so etwas nicht gerechnet habe.“

„Ja, aber ich sagte dir ja gerade, meine Tochter liegt in ihrem Bett und schläft tief und fest. Also, keine weitere Diskussion mehr.“

>Wenn du wüsstest ...<

„Ich weiß, ich hab ja auch nur gemeint ... ach egal.“ Wütend stapfte meine Tante mit dem Fuß auf den Boden und verschränkte leicht beleidigt die Arme vor der Brust.

>Erwachsene. Benehmen sich wie kleine Kinder und rügen einen, wenn man sich genauso benimmt wie sie.<

Leicht amüsiert beobachtete ich von meinem vermeintlich sicheren Versteck aus die beiden Streithähne und bemerkte gar nicht, wie sich mir ein großer Schatten aus dem Hinterhalt näherte. Erst als mit einem Male Finger mein Fell berührten, das sich sofort vor Schreck sträubte, fuhr ich herum und sah die riesige Hand, die meinen erstarrten Körper umfasste und mich unter dem Tisch hervorzog. Goldene Augen betrachteten mich neugierig hinter kleinen Brillengläsern, die immer wieder von der Nase rutschten, aber jedes Mal von der anderen Hand hinauf geschoben wurden. Vergeblich versuchte ich, seinem stechenden Blick auszuweichen, was mir jedoch nicht gelang. Das warme Gold seiner Augen erinnerte mich zu sehr an seinen kleinen Sohn, der oben in seinem Bettchen lag und gegen das Fieber ankämpfte, was erbarmungslos in seinem viel zu schwachen Körper wütete.
 

Nathaniel betrachtete das kleine Wesen in seiner Hand eingehend; es war ein ganz besonders schönes Exemplar eines Kätzchens musste er zugeben, auch wenn er diese possierlichen Tierchen nicht unbedingt mochte, lösten sie doch bei jeder Begegnung in seiner Nase ein unangenehmes Kribbeln und Jucken bis hin zu störenden Niesreizen aus. Ihr Fell schimmerte im fahlen Licht der Kerzen, die seine Frau angezündet hatte, wie golden gereifter Weizen auf den Feldern im Sommer, doch was ihn am meisten faszinierte, waren ihre Augen. Silbergrau schimmerten sie ihn an; sie erinnerten ihn an die unzähligen Sterne, die Nacht für Nacht am unendlichen Firmament standen und wie die Augen Gottes beschützend auf sie herabsahen.

Das genaue Gegenteil seiner Augen, die eher warm und mild wie das Licht der Sonne waren. Wie die seines kleinen Sohnes ... . Betrübt wandte er den Kopf zur Seite. Er wusste, dass er seine Kinder nicht für die Ewigkeit beschützen konnte; dieses kostbare Geschenk, solange an ihrer Seite zu verweilen, bis sie soweit waren, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen, würde ihm verwehrt bleiben. Das war sein Schicksal. Wie gerne würde er Zeuge dessen werden, wie seine Jungs heranwuchsen, sich zum ersten Mal verliebten, zu jungen Männern wurden, um dann ebenfalls Väter zu sein. Liebevoll kraulte er dem kleinen Ding in seiner Hand den Kopf, welches ihn zu seinem eigenen Erstaunten verblüfft anstarrte.

Misstrauisch runzelte er die Stirn, denn aus den Augen dieses Geschöpfes sprach eine Intelligenz und ein Wissen, welches sich niemals dort befinden dürfte. Er kannte diesen Blick, diese Augen, er hatte sie schon einmal gesehen. Wenn er doch nur wüsste, an wen sie ihn erinnerten. Bilder schossen durch seinen Kopf, Menschen, die er kannte, tauchten vor seinem geistigen Auge auf, bis hin zu einer kleinen Gestalt mit weizenblonden Haaren, die denen seines älteren Sohnes so sehr ähnelten.

>Das kann doch nicht sein, das ist doch ... .< Seine Gedanken wirbelten wild wie ein Sturm umher, das war doch einfach nicht möglich. Schon wollte er seinen dringenden Verdacht überprüfen, als ein altbekanntes lästiges Gefühl seine Nase hinaufkroch.
 

Mit wachsendem Schrecken hatte ich den entsetzen Gesichtsausdruck meines Onkels bemerkt und betete stumm zu Gott, dass er nicht herausfinden würde, wer ich wirklich war, als er mit einem Male die goldenen Augen zusammenkniff, seine Nase rümpfte und einen lauten Nieser ausstieß, der dieses Haus fast in seine Einzelteile zerlegt hätte. Seine große Hand, die mich vor wenigen Augenblicken noch fest und sicher gehalten hatte, öffnete sich plötzlich reflexartig und gab mich frei. Sicher landete ich auf meinen vier Pfoten und war wie der Blitz aus dem Zimmer verschwunden, nachdem ich durch die schlanken Beine meiner Mutter und ihrer jüngeren Schwester gerast war, die versucht hatten, nach mir zu greifen.

Ernst schaute er die beiden Frauen an. „Sie ist nicht dumm. Sie wird nichts Unüberlegtes tun“, sagte er fast mehr zu sich selbst, um sich zu beruhigen, als zu den Schwestern, die sich zweifelnde Blicke zuwarfen. Sie kannten das kleine Mädchen nur zu gut, sie wussten, dass sie überall und Jedem helfen würde, selbst wenn ihr eigenes Leben dabei in Gefahr geriete. Doch ihr Gegenüber mit dem langen blonden Zopf im Nacken, das sich müde die Brille von der Nase nahm, um sich die Augen zu reiben, vertraute dem Kind und so blieben sie bei ihm, unternahmen nichts und warteten ab.
 

Die leichte Holztür knarrte ein wenig, als mein schlanker Körper sie berührte, so dass ich leicht verschreckt durch das unerwartete Geräusch zur Seite sprang, gegen die offene Schranktür knallte, die ich nicht bemerkt hatte und hart auf die Seite plumpste. Mehr benommen vor Schreck als vor Schmerzen rappelte ich mich auf; helles Mondlicht fiel durch das große Fenster auf mein seidenes Fell und ließ es wie die aufgehende Sonne am Horizont leuchten. Meine silbernen Augen schweiften neugierig umher; zwei Bettchen standen gleich einem niemals zu bezwingendem Berg direkt neben dem Fenster, aus einem erklang ein zufriedenes gleichmäßiges Schnarchen, was mich innerlich kichern ließ. Mit einem Satz befand ich mich auf dem wunderschön gefertigten Holzrand der kleinen Kinderwiege; trotz meines geringen Gewichtes begann das Ruhelager meines Cousins sanft hin und her zu schaukeln. Entspannt steckte der Kleine seinen Daumen in den Mund, während sich seine winzigen Lippen zu einem Lächeln verzogen.

Fürsorglich strich ich ihm mit meiner Pfote durch das verwuschelte dunkelblonde Haar, welches sein kleines Köpfchen wie ein sanfter Flaum bedeckte, vorsichtig darauf bedacht, dass meine Krallen an Ort und Stelle blieben, denn ich wusste nicht, wie ich einen tiefen blutigen Kratzer im Gesicht des Jüngeren der beiden Brüder erklären sollte. Mein feuchtes Näschen berührte liebevoll die kleine Stupsnase Alphonses, der im Schlaf zu kichern begann. Verzückt musterte ich den Jungen, der sich wie eine winzige Fliege, die mir ihren Fühlern das Gesicht säuberte, mit seinen Patschehändchen die Nase rieb. Ein gequältes Atemgeräusch neben mir ließ mich unwillkürlich herumfahren.

Meine durch die Dunkelheit geweiteten Pupillen zogen sich schmerzerfüllt zusammen, als ich das fahl im Mondlicht schimmernde Gesichtchen bemerkte, auf dem sich vermehrt kleine Schweißtropfen gebildet hatten, die von den überhitzten Wangen abperlten, um in das ohnehin klatschnasse Hemd zu laufen, welches klamm am Körper des Jungen klebte, der sich unruhig zwischen seinen Kuscheltieren hin und her warf. Mit einem überhasteten Sprung war ich bei ihm; meine Pfoten berührten die weggestrampelte Decke, die einsam und verloren am Fußende des Bettes lag.

Meine kleinen, aber durchaus nicht zu unterschätzenden Zähne schnappten sich einen Zipfel der weißen Decke und zogen sie vorsichtig, um meinen Cousin nicht zu wecken, bis über seine Brust, die sich hektisch hob und senkte. Besorgt sah ich ihn an; seine Augenlider fest zusammengepresst lag er da, seine Haare, mit dem der Wind sonst so fröhlich spielte, klebten leblos und nass in seinem blassen Gesicht, die kleinen Ärmchen schlugen immer wieder unruhig an die Gitterstäbe seines Bettchens, so dass sich dadurch schon besorgniserregende Spuren an seinen Händen in Form von blutunterlaufenden Flecken gebildet hatten. Nun wünschte ich mir nichts sehnlicher, als dass ich mich schnellstens wieder in das Mädchen zurückverwandelte, welches die Brüder kannten.

Traurig musterte ich den Kleinen, als ich mich neben seiner schmalen Schulter niederließ und meinen Kopf auf seine Brust legte. Langsam beruhigte sich sein Atem; ich wusste nicht, ob ich der Grund dafür war oder etwas anderes. Ein gleichmäßiges Schnurren entwich meiner Kehle, als plötzlich seine Hand meinen weichen Rücken berührte und diesen liebevoll streichelte. Sie war eiskalt, so dass ich mit einem Male unter seiner Berührung erschauerte.

„Katze ...“, murmelte er heiser und hob angestrengt seine ihm viel zu schweren Augenlider in die Höhe. Die sonst vor Lebenslust funkelnden honigfarbenen Augen Edos schimmerten im fahlen Mondlicht trübe wie das verdreckte Wasser eines Morastes, in dem der Tod lauerte. Seine aufgesprungenen Lippen verzogen sich zu einem glücklichen Lächeln, als seine Hand immer wieder durch mein samtenes Fell fuhr. Freudig, dass ihn meine Erscheinung glücklich machte, rieb ich mein Köpfchen an seinem Kinn.

„Lieb ... wie Lina ...“, flüsterte er, bevor ihm vor lauter Erschöpfung die Lider zufielen und seine Hand mit einem Male zentnerschwer auf mir wog. Mühsam befreite ich mich von der überraschenden Last, die auf meinem Rücken lag und, nachdem ich mich zur Seite gerollt hatte, schlaff auf das feuchte Laken des Bettchens plumpste. Vollkommen überrascht ließ ich seine soeben gesprochenen Worte revue passieren; ich konnte kaum glauben, was er da von sich gegeben hatte. Spürte er etwa, dass mein Selbst in dem kleinen Katzenkörper verweilte und ihm helfen wollte? Nervös strich ich auf dem Bett hin und her, langsam sollte ich mich doch wieder zurückverwandeln.

Gehörten die zehn Minuten, die ich mir gesetzt hatte, nicht schon längst der Vergangenheit an? Gehetzt sah ich zum Fenster, der Mond stand schon tiefer, als ich es auf meinem Weg hierher in Erinnerung hatte. Wie spät mochte es bereits sein? Unruhig spitzte ich meine kleinen Fellöhrchen; kam da etwa Jemand die Treppe hinauf? Prompt sprang ich vom Bettchen zurück auf den Fußboden und trippelte zur Tür, huschte durch den Spalt hindurch, um meinen Kopf zwischen das hölzerne Geländer zu stecken, doch ich sah weder Jemanden die Stufen betreten, noch hörte ich irgendein verdächtiges Geräusch. Einen Herzschlag lang verharrte ich so, bis plötzlich eine unheimliche Erschütterung der Länge nach durch meinen geschmeidigen Körper lief. Benommen torkelte ich zurück in das Zimmer meiner Cousins, während sich mir langsam aber sicher offenbarte, was in mir vorging. Der Prozess der Rückverwandlung setzte endlich ein, welcher jedoch schmerzhafter und quälender war, als ich es mir jemals vorgestellt hatte.

Keuchend warf ich mich in die Ecke des Raumes; die Haut meiner Vorder- und Hinterbeine spannte so sehr, dass ich dachte, sie würde jeden Moment bersten wie ein Ballon, in den zuviel Luft geblasen wurde. Dann vernahmen meine Ohren ein widerliches Reißen; ich schrie vor Schmerz auf, als meine Gliedmaßen wieder mit denen eines Menschen die Rollen tauschten. In meinem Kopf puckerte und dröhnte alles wie in einem vollgestopften Bienenstock, die Haare an meinem Körper gingen zurück, bis nur noch die natürliche menschliche Behaarung zurückblieb. Die Geräusche um mich herum wurden gedämpfter, mein Sehvermögen in der Dunkelheit um einiges schlechter. Gepeinigt wartete ich mit geschlossenen Augen auf den Abschluss meiner Verwandlung, dass diese so langsam und schmerzvoll vor sich ging, hatte mir mein Onkel verschwiegen, ob wissentlich oder unwissentlich würde ich wahrscheinlich niemals erfahren. Oder lag es an meiner Unerfahrenheit im Bereich der Alchemie? Mein Wissen umspannte noch nicht einmal ein Viertel des mir unbekannten Universums. Kurz vor Vollendung des Prozesses nahm ich mir fest vor, diese Gabe zu perfektionieren; ich wollte mich in Zukunft binnen Sekunden in ein Tier und wieder zurück in einen Menschen verwandeln. Dann plötzlich, so schnell, wie er über mich gekommen war, hatte sich der grausame Schmerz in meinem Körper wieder von dannen gestohlen.

Taumelnd kam ich auf die Beine, welche durch die für mich nun ungewohnte Fortbewegungsweise ständig unter meinem mir scheinbar viel zu schweren Körper wegknickten. Hätte mich Jemand dabei beobachtet, er hätte mich für ein Kind gehalten, das in dieser Nacht seine ersten Schritte im Leben machte. Mit den Armen das Gleichgewicht haltend stolperte ich auf das Bett meines kleinen blonden Cousins zu, dessen rasselnde, zunehmend ungleichmäßige Atemgeräusche in mir eine Angst um ihn auslösten, die ich noch niemals zuvor verspürt hatte. Meine kalten Hände wanderten auf seine glühende Stirn; unwillkürlich bildeten sich an meinen Fingerspitzen bläulichweiße Eiskristalle, die jedoch unter den unmenschlich hohen Temperaturen, die im Körper des Jungen wüteten wie ein Gewitter, sofort verdampften. Seine Lider zittern unruhig, als er die angenehme Kälte, welche von mir ausging, für einen Augenblick spürte.

Behutsam strich ich ihm die schweißnassen Haare aus der Stirn; eine Hand verweilte dort, während sich die andere auf seine Brust legte, unter der sein kleines Herz gleich einem jungen Vogel wild flatterte. Nervös schloss ich die Augen und atmete mehrmals tief durch; ich wusste, dass es jetzt kein Zurück mehr gab. Mein Wille, das Fieber von ihm zu nehmen, wuchs mit jeder Sekunde, denn nur mein Wille, den ich eisern verstärkte, würde die Kraft, ihm zu helfen, auslösen. Eine angenehme Wärme überspülte meinen Geist, stetig wie ein Fluss suchte sie sich ihren Weg durch meine Adern, hinunter zu meinen Händen. Ein kalter, aber angenehmer Wind wogte gleich den Wellen des unendlichen Ozeans durch das Zimmer; ich fühlte, wie er flüsternd durch meine Haare strich und mir Worte in die Ohren hauchte, die mich schaudern ließen.

Jahrhundertealtes Wissen überflutete meine Gedanken; Bilder, die mich zutiefst verwirrten, stürzten auf mich ein wie sintflutartige Regenfälle, die niemals enden wollten. Um den lebenswichtigen Kontakt zu Edo nicht abreißen zu lassen, sperrte ich all diese neu erhaltenden Eindrücke in eine winzige Ecke meines Geistes und konzentrierte mich erneut auf das Wesentliche. Und dann ... fühlte ich es. Erst zögerlich und schüchtern, dann immer fordernder und rücksichtsloser.

Und dann ... fühlte ich es. Erst zögerlich und schüchtern, dann immer fordernder und rücksichtsloser. Eine fremde, mir zutiefst unheimliche und furchteinflößende Macht fesselte mich an den wehrlosen Körper meines Cousins, der leblos in seinem Bettchen lag. Vor lauter Angst öffnete ich die Augen und erstarrte. Ein gleißendes blendendes Licht, umgeben von Wärme und Geborgenheit, hüllte uns vollkommen ein; weiße, durchsichtige Schlieren streichelten meine schmalen Schultern und schwirrten wie sorglose Schmetterlinge im nun hell erleuchteten Zimmer umher. Vorsichtig strichen sie über Edos glühende Wangen, der unter den eigentlich zaghaften Berührungen der fremdartigen Erscheinungen gequält zusammenzuckte. Besorgt wollte ich die Verbindung abbrechen; Zweifel kamen ihn mir auf, ob dies wirklich das Richtige war, was ich tat, doch meine Hände schienen mit der brennend heißend Haut meines Cousins verwachsen zu sein.

Panisch versuchte ich mich loszureißen, doch es war zwecklos. Edo und ich schienen wie eine Person miteinander verbunden, aber ich gab nicht auf. Mühevoll zwang ich mich zur Ruhe, konzentrierte mich auf mein Vorhaben, unsere Körper voneinander zu trennen, als ich plötzlich wütende zischende Geräusche um mich herum vernahm. Verwirrt wandte ich den Kopf zur Seite; nur mit Mühe gelang es mir, einen erschrockenen Schrei zu unterdrücken. Die einst unschuldigen weißen Schlieren umschwirrten wie kleine verirrte Blitze meinen Körper; ihre Erscheinung hatte sich in ein tiefes aggressives Rot verfärbt. Widerliche Fratzen starrten mich aus den durchsichtigen Schlieren an, winzigkleine Stacheln schienen aus ihnen zu wachsen, die wild umherpeitschten und nach meinen ungeschützten Wangen schlugen. Angstvoll wich ich ihnen aus, doch ohne meine Hände als Waffe und Schutz war ich so gut wie wehrlos; genauso gut hätte ich mich einem tausend Mann starken Heer ohne jegliche Ausrüstung entgegen werfen können.

Als sei dies alles nicht schon schlimm genug für den unangetasteten Geist einer Zehnjährigen, spürte ich plötzlich, wie die nun vollkommen außer Kontrolle geratene Macht sich ungefragt meiner bemächtigte und den stetigen Fluss meines Lebens gleich wütenden Stromschnellen in den kleinen Körper des schlafenden blonden Jungen gleiten ließ. Ein schmerzerfülltes Stöhnen ließ mich an den Rand der Verzweiflung gleiten; entsetzt starrte ich meinen Cousin an, der sich gepeinigt unter dem ihm eigentlich heilenden Kraftfluss aufbäumte.

Ängstliches Weinen erklang mit einem Male direkt neben mir aus der liebevoll gefertigten Kinderwiege; verzweifelt ruckte mein Kopf herum. Al´s kleine, zu Fäusten geballten Hände ragten fast anklagend gen Himmel; spürte er die fremden bedrohlichen Mächte, die begannen, meine Seele und die seines Bruders zu zerstören?

Tränen benetzten meine durch das Licht hell erleuchteten Wangen; lautlos tropften sie auf das verkrampfte Gesicht des blonden Jungen, der mit weit aufgerissenen Augen um sein Leben zu kämpfen schien. Trübe spiegelte sich in ihnen der Mond, der schweigend vom Himmelszelt aus zusah. Das helle goldene Leuchten seiner Iris schien mit jeder Sekunde schwächer zu werden, etwas vertrieb die lebenswichtige Energie aus dem Körper des Kleinen und ich wusste, dass dieses Etwas ich war. Weinend versuchte ich, meine Hände von seiner Stirn und seiner Brust zu lösen, doch es gelang mir noch immer nicht, im Gegenteil; sie begannen zu brennen, als würden gierige Flammen an ihr lecken. Die Haut an meinen Fingern platzte mit einem widerlichen Zischen auf, so dass ich mir vor lauter Schmerzen auf die Zunge biss, um nicht sofort laut loszuschreien.

Auf den Stellen, an denen meine Hände ruhten, bildeten sich kleine hässliche rosige Brandblasen, die wie glühende Lavaseen zu pulsieren begannen. Vor lauter Pein begann Edo zu schreien, die Brandblasen platzten mit einem schmatzenden Glucksen auf und hinterließen eitrige Wunden an der unschuldigen Haut meines Cousins. Mit allen Schrecken der Welt erfüllt hörte ich, wie im unteren Stockwerk ein Stuhl eiligst umgeworfen wurde und sich hastige Schritte der Treppe näherten. Was dann geschah, würde ich mein Leben lang niemals mehr vergessen. Hinter einem Schleier aus Tränen der Verzweiflung erkannte ich eine kleine schmächtige Hand, die sich den meinen näherte; goldene Augen blickten traurig zu mir empor, Augen, in denen eine Entschlossenheit ruhte, die mich zutiefst ängstigte.

Bittersweet Childhoodmemories (Teil 4)

Bittersweet Childhoodmemories (Teil 4)
 

„Gomen, nee-san ...“, flüsterte er schwach, als seine kurzen Fingerchen meine Handrücken berührten; seine Lider schlossen sich langsam, während seine goldene Iris dahinter verschwand wie die untergehende Sonne am Horizont. Zu spät begriff ich, was er vorhatte, zu spät, um etwas dagegen unternehmen zu können. Meine Pupillen zogen sich erschrocken zusammen, als ich die unglaubliche Macht spürte, die aus seinem Körper zu sprießen begann und sich ihren Weg zu meinen Fingerspitzen suchte. Gleich einer Bombe mit einer schier unmöglichen Sprengkraft entlud sie sich direkt unter meinen Handflächen und schleuderte mich mit einem entsetzten Schrei auf den Lippen quer durch den Raum.

Noch bevor ich mit voller Wucht gegen die Wand geschleudert wurde, erschien ein kalkweißes Gesicht unter dem Türrahmen. Unstet wanderten die Pupillen meines Onkels im Raum umher, bis sich unsere Blicke kreuzten. Ungläubig starrte er mich an, Enttäuschung lag in den goldenen Augen, die denen seines Sohnes so ähnlich waren, etwas, was mich mehr traf, als alles andere. Glaubte ich zumindest in diesem Moment. Der schmerzhafte Zusammenstoß mit der harten Holzwand raubte mir für einen Augenblick fast gnädig die Sinne; schon begrüßten mich die schwarzen Schwingen der Bewusstlosigkeit, als mich aufgeregte Stimmen zurück in die Wirklichkeit begleiteten.

„Nathaniel, er regt sich nicht mehr! Dein Sohn ... er atmet nicht!“ Blutige Schleier lichteten sich vor meinen Augen, ich sah meine Mutter, wie sie am Bett Edos stand und den Jungen in ihren Armen hielt. Seine Arme und Beine hingen schlaff hinunter, der kleine Kopf rollte von einer Schulter auf die andere, als meine Mutter ihn angsterfüllt zu schütteln begann. Was hatte sie da gesagt? Zitternd richtete ich mich halbwegs auf. Er atmete nicht mehr? Nein, nein, NEIN! Verzweifelt vergrub ich mein nassgeweintes Gesicht in meinen Händen, Schluchzer schüttelten meinen gepeinigten Körper. Er hatte gewusst, was er tat, er hatte gewusst, was mit ihm geschieht, aber woher? Wie konnte ein so kleiner Junge solch ein Wissen in sich verbergen?

Jemand fasste mich plötzlich am Handgelenk, riss mich halb in die Höhe und drückte so fest zu, dass ich vor Schmerz aufkeuchte.

„Was hast du getan?“ Die Stimme meiner Mutter zitterte vor Entsetzen über das, was sich vor ihren Augen offenbart hatte. Ihre Schwester Trisha kniete weinend auf dem Boden, in den Armen hielt sie den kleinen Alphonse, der sich die Seele aus dem Leib schrie.

„Was hast du getan?“, wiederholte meine Mutter ihre Frage, auf die ich keine Antwort wusste, denn mir selbst war nicht einmal klar, was geschehen war.

„Ach, Lina ... verdammt! Wieso nur?“ Kathryn Elric stand kurz davor, ihrer Tochter eine gehörige Ohrfeige für ihre Ungehorsamkeit und Dummheit zu verpassen, als sie den gequälten Ausdruck in den silbernen Augen des Kindes bemerkte. Tränchen liefen lautlos die blassen Wangen des Mädchens hinunter, ihr Mund öffnete sich ständig und schloss sich wieder, doch kein Ton kam über die aufgebissenen Lippen ihres kleinen Lieblings. Starr lag ihr Blick auf dem blonden Jungen, der wie tot in den Armen seines Vaters hing und kein Lebenszeichen von sich gab.

Kathryn wusste nur zu gut, wie sehr Lina die beiden Brüder liebte, sie sah sie schon fast als ihre eigenen an, da sie selbst keine Geschwister hatte. Sie wusste, dass ihre Tochter alles tun würde, um den beiden zu helfen, sollten sie in Not geraten. Aber dass dieser Fall nun tatsächlich eingetreten war - sie schüttelte gedankenverloren den Kopf - damit hatte sie niemals gerechnet.

„Edo ... warum nur?“, krochen mit einem Male brüchige Worte über die blutigen Lippen ihrer Tochter. „Ich wollte dir doch nur helfen ... .“ Am ganzen Körper zitternd fiel sie in die ausgebreiteten Arme ihrer Mutter, die nicht mehr mit ansehen konnte, wie sehr sich ihr Kind mit dem Gedanken quälte, dem, was ihr am Wichtigsten auf der Welt war, Schaden zugefügt zu haben.
 

Weinend klammerte ich mich an der Bluse meiner Mutter fest; ich hätte es ihr nicht verübeln können, wenn sie mich für das, was ich angerichtet hatte, gerügt hätte, doch sie hatte mich nur traurig angesehen und in die Arme geschlossen. Mit weit aufgerissenen Augen starrte ich zu meinem Onkel hinüber, der seinem kleinen Sohn versuchte, kostbares Leben einzuhauchen, doch er allein schien nicht die Kraft dafür aufbringen zu können. Trotz seiner sofort eingeleiteten Bemühungen regte sich kein Muskel in dem reglosen Körper, kein lebensrettender Atemhauch kam über die blauverfärbten Lippen des Blonden, dessen Geist langsam aus meinen Sinnen schwand wie der goldene Herbst, der bald dem kalten, unbarmherzigen Winter weichen sollte. Ich fühlte mich, als säße ich in einem Alptraum fest, aus dem es kein Entrinnen gab; das Wehklagen meiner Tante, die um das grausame Schicksal ihres Ältesten weinte, zerriss mein Herz wie ein Fetzen Papier in abertausend kleine Stücke. Als wäre ich nur ein stummer unbeteiligter Zuschauer fühlte ich, wie meine Mutter mich sanft beiseite schob, um ihrer jüngeren Schwester beizustehen, die den schreienden Al an sich drückte und bittere Tränen vergoss.

Schweigend legte sie wie eine beschützende Vogelmutter die Arme um sie und wiegte meine Tante wie ein Baby beruhigend hin und her. Die Stimme meines Onkels klang unendlich weit entfernt, als er seine Schwägerin um Hilfe bat, seinen Sohn den blutigen Klauen des Todes zu entreißen, die ihn in die dunkle Ewigkeit mit hinabreißen wollten. Schluchzend und mich an dem herausgefallenen Teddybären Edos festklammernd, verfolgte ich, wie die Zwei versuchten, seinen Geist, der sich immer weiter von der Wirklichkeit entfernte, erneut an ihn zu binden, doch all ihre Kenntnisse, was die Medizin betraf, brachten meinen Cousin nicht zurück ins Leben.

Entsetzt fiel mein Blick auf die blutbesudelten Hände meines Onkels; befleckt mit dem Blut seines eigenen Kindes versuchte er, das kleine Herz wieder zum Schlagen zu bringen, welches einfach aufgehört hatte, seiner Aufgabe nachzugehen. Tränen funkelten in den Augenwinkeln des hochgewachsenen Mannes, der mit jedem festen Druck auf den Brustkorb des Jungen noch mehr der rosigen Brandblasen aufriss, sie sich sofort schmatzend auf seinen Fingern entleerten. Gequält hielt ich mir die Ohren zu; ich wollte und konnte all dies nicht mehr hören, geschweige denn mit ansehen. Langsam aber sicher kroch in mir die grausame Erkenntnis wie die ansteigende Flut eines Flusses hoch, dass all diese Dinge nicht geschehen wären, hätte ich einmal in meinem Leben auf meine Mutter gehört.

Im Nachhinein schwirrten tausend Fragen durch meinen schmerzenden Kopf, gleich einer nervtötenden Schar von sirrenden Mücken stießen sie überall an und hinterließen tiefe Wunden in meiner Seele; leise Stimmen flüsterten gehässige Anschuldigungen in mein Ohr, die mir alle Haare an den Armen hochstellten. Niemals hatte ich so etwas beabsichtigt, niemals so etwas gewünscht. Als läge ein dickes unsichtbares Tuch über meinen Sinnen, so drangen die nervösen Stimmen meiner Angehörigen zu mir vor. Meine Seele schien selbst nicht mehr an Ort und Stelle zu sein; ich fühlte mich wie ein abgestorbenes Etwas, wie eine leere Hülle, der man alles entzogen hatte, was jemals bedeutsam gewesen war.

Und dennoch fühlte ich für einen Augenblick mit wachsendem Entsetzen, wie die junge unschuldige Seele des kleinen Jungen, der reglos auf dem kalten harten Holzboden des sonst so fröhlichen Kinderzimmers lag, wie ein Blatt, welches sich mit letzter Kraft an seinem kahlen Ast festgehalten hatte, seinem leblosen Körper entrissen wurde und gleich einem Engel zum Fenster schwebte, das durch den untergehenden Mond in vollem Lichte stand.

„Wir verlieren ihn“, hörte ich die erschöpfte Stimme meiner Mutter sagen, die nach Atem ringend den Kopf ihres Neffen hielt, dessen Gesicht die Farbe eines verregneten Herbsttages angenommen hatte.

„Nein“, widersprach ihr Schwager, der noch immer hoffnungsvoll seiner Aufgabe nachging und die junge Frau aufforderte, dasselbe zu tun. „Nein, ich gebe ihn nicht auf, jetzt nicht und auch in Zukunft nicht. Und wenn dies das Letzte ist, was ich tue, so werde ich nicht zulassen, dass eine fremde Macht mir meinen Sohn raubt.“

Keuchend wischte sich meine Mutter den Schweiß von der Stirn und schüttelte traurig den Kopf.

„Nathan“, begann sie vorsichtig, während sie ihrem schwindenden Neffen liebevoll die nassen Haarsträhnen aus der Stirn strich, „es hat keinen Sinn mehr. Lass uns alle nicht noch mehr leiden, als wir es ohnehin schon tun“, bemerkte sie mit einem kummervollen Blick in Richtung ihrer Schwester, die mit leeren Augen an der Wand saß und noch immer ihren Jüngeren an sich gepresst hielt.

„Er hat es nicht geschafft, Nat, er ist von uns gegangen. Und du weißt selbst, dass es euch in der Alchemie verboten ist, die Toten zurückzuholen. Deswegen lass ihm seinen Frieden“, versuchte sie ihn, zur Vernunft zu bringen, indem sie ihn dabei langsam vom Körper seines kleinen Sohnes wegschob. Als er seine blutbesudelten Hände vom Herz seines Sohnes entfernte, schien es ihm, als glitte dieses fröhliche, aber kurze Leben wie Wasser durch seine Finger. Eine einzelne Träne tropfte auf den noch warmen Leib des Kindes, welchem er noch vor gar nicht langer Zeit die Welt zu Füßen gelegt hatte. Eine zierliche, aber dennoch kräftige Hand legte sich auf seine breite Schulter; Kathryn sah ihm mit festem Blick ins Gesicht.

„Geh zu Trisha, sie braucht dich jetzt mehr denn je. Was meine Tochter und mich betrifft, es ist wohl besser, wir verschwinden aus eurem Leben, denn das, was geschehen ist, können wir nie wieder gut machen.“

Ein entsetzter schriller Schrei ließ die Beiden erschrocken herumfahren; Kathys Tochter stand plötzlich mit wackeligen Beinen auf, den Teddybären Edos fest umklammert, streckte sie ihren schlanken Arm aus, als wolle sie nach Jemandem greifen, diesen festhalten und nie wieder loslassen.

„Geh nicht!“, flehte ihre glockenhelle Stimme. Ihr Gesicht verzerrte sich vor Anstrengung, mit wachsender Besorgnis bemerkten die Erwachsenen, wie sich die zarten, noch nicht voll ausgebildeten Muskeln des Mädchens fast bis zum Zerreißen spannten, als hielte sie etwas in ihren zierlichen Fingern.

„Verlass mich nicht!“ Ihre Knie begannen zu zittern, Schweißperlen tropften von ihrer Stirn hinab auf den nackten Holzfußboden.

„EDO!“

Ich spürte, wie die Verbindung abriss, spürte die ungläubigen Blicke meiner Verwandten. Alles hinter mich lassend, kniff ich die Augen zusammen. Der Schmerz, der meine Glieder hinaufschoss, als ich mit voller Wucht auf den Boden knallte, was nichts gegen den, der meine Seele wie ein Höllenfeuer verbrannte. Heiße Tränen rannen meine Wangen hinab, ich hatte versagt. Der letzte Versuch, ihn in dieser Welt zu halten, war fehlgeschlagen. Weinend schmiegte ich mich an das weiche Fell des Bären, er roch so gut nach dem kleinen Jungen, den ich für immer in mein Herz geschlossen hatte.

Ich wagte es nicht, die Lider zu heben, ich wollte nicht das leere Ding ansehen, was einmal mein Cousin gewesen war, als plötzlich etwas Warmes sanft meine Wangen berührte. Verwirrt schlug ich die Augen auf und blinzelte geblendet. Meine Pupillen weiteten sich vor lauter Erstaunen, als ich der hellen Lichterscheinung direkt vor meinem Kopf gewahr wurde. Ein paar durchsichtige Schlieren lösten sich von dem ganzen und strichen mir mit unglaublicher Zärtlichkeit durchs Gesicht, sie fühlten sich angenehm warm und eigenartig vertraut an.

„Danke“, flüsterte eine leise Stimme an mein Ohr, eine Stimme, die ich kannte und von der ich gefürchtet hatte, sie nie wieder zu hören. Leicht wie eine Feder schwebte das helle Licht, aus dem ein unschuldiges Kinderlachen erklang, auf den leblosen Körper meines Cousins zu. Mit einem Kichern ließ es sich auf deren Brust nieder, kitzelte dem Kleinen an der Nase und war mit einer gleißenden goldenen Lichtexplosion verschwunden. Vollkommen erschöpft, aber auch zutiefst erleichtert sank ich in die Knie und krachte gegen die Wand, den Teddybären noch immer fest an mich gedrückt.

Mit großen Augen hatte Kathryn verfolgt, wie ihre Tochter etwas, was sie selbst nicht hatte wahrnehmen können, mit einer Verbissenheit und Sturheit festhielt, die schlichtweg zu beneiden war. Ungläubig hatten sie alle den anstrengenden Kampf verfolgt, den das Mädchen hatte austragen müssen, keiner von ihnen wusste, was geschehen war, doch nun saß sie mit einem zufriedenen Lächeln und am Ende ihrer Kräfte auf dem Hosenboden und sah erwartungsvoll den kleinen Jungen an, dessen Kopf sich Kathryn in ihren Schoß gebettet hatte. Nathaniel hielt die Hand seines Sohnes umklammert, welche auf dessen Brust ruhte, als er plötzlich eine leichte Bewegung unterhalb seiner Handfläche wahrnahm.

Es war nur eine leichte Erschütterung, vergleichbar mit dem Donner, der bei Gewitter über das Land rollte, aber für den bebrillten Mann reichte dies allemal aus, dass die Hoffnung wie im Frühling blühende Blumen in ihm aufkeimte. Sofort legte er seine Hand direkt auf das kleine Herz und wartete. Verwundert bemerkte Kathy die Unruhe ihres Schwagers und sah ihn fragend an, als sich seine Lippen zu einem freudigen Lächeln verzogen. Schon wollte sie ihn darauf ansprechen, als sie fühlte, wie sich der Kopf ihres Neffen leicht bewegte und der Junge einen tiefen Atemzug nahm. Goldene Augen blinzelten sie verängstigt an, ein Wimmern, das sich schnell zu einem jämmerlichen Weinen steigerte, war für sie das schönste Geräusch, welches sie jemals vernommen hatte.

Mit einem dankbaren Lachen schloss sie den Kleinen überglücklich in die Arme, der gar nicht wusste, wie ihm geschah und dies mit einem protestierenden Gekreische quittierte. Tanzend wirbelte sie mit dem Jungen im Arm zu ihrer jüngeren Schwester hinüber und hielt ihr das zappelnde Bündel vergnügt entgegen. Trisha derweil konnte ihr Glück kaum fassen, als sich ihr vermeintlich toter Sohn quietschfidel vor ihren Augen präsentierte. Zaghaft legte sie ihren Jüngeren, der nun wieder die Ruhe selbst war, in die Arme ihrer älteren Schwester. Für einen Augenblick kreuzten sich dabei die Blicke der Brüder und der Kleinere von ihnen legte zufrieden prustend seine winzige Patschehand auf die Stirn des Älteren, zuckte aber wimmernd zurück, als er das leider noch immer im Körper seines Bruders lodernde Feuer fühlte.

Besorgt legte sich die Stirn der jungen Mutter in Falten, denn auch ihr war nicht entgangen, dass ihr Großer noch lange nicht wieder genesen war, da er sich in ihren Armen anfühlte wie glühende Asche. Tränen der Erleichterung liefen ihr über das hübsche Gesicht, als sie ihn dankbar an ihre Brust drückte und ihm dabei beruhigend über den schmalen Rücken strich. Sofort beruhigte sich der kleine Junge wieder und kuschelte sich müde an die Schulter seiner Mutter, die ihm einen dicken Kuss auf die heiße Wange drückte. Eine große starke Hand legte sich von hinten um die junge Frau und ihr Kind, Nathaniel war an die beiden herangetreten; auch auf seinem Gesicht spiegelte sich unendliche Erleichterung und Freude, aber ebenso leichte Wut und Enttäuschung wieder, die dem blondhaarigen Mädchen, welches noch immer erschöpft auf dem Fußboden saß, galten.

Seufzend bemerkte Kathryn, die neben ihrer Schwester mit dem bereits schnarchendem Al im Arm stand, die alarmierenden Fältchen, die sich wie tiefe Furchen um die sonst so gutmütig dreinblickenden Augen ihres Schwagers legten. Nichts Gutes ahnend wusste sie, dass das letzte Wort hiermit noch nicht gesprochen war. Der blondhaarige Mann war nun mal der Lehrer ihrer Tochter und somit auch derjenige, der das Recht hatte, sie zurechtzuweisen, sollte sie gegen eine Regel der Alchemie verstoßen haben. Aus diesem Grunde hielt Kathryn sich wissentlich, wenn auch nur schwer, mit den auf ihrer Zunge brennenden Rügen, die sie eigentlich an ihr Mädchen richten wollte, zurück. In diesem Fall musste ihr Schwager die erzieherischen Maßnahmen übernehmen und sie vertraute ihm, was das betraf, wie keinem anderen Menschen.

Vorsichtig bettete die junge Frau ihren kleinen Neffen zurück auf seine weiche Matratze, auf der schon seine kuscheligen Freunde voller Erwartung auf den kleinen dunkelblonden Wuschelkopf warteten. Glucksende Geräusche im Schlaf ausstoßend krallte sich der Kleine einen braunen Hasen, der direkt neben seinem Kopfkissen verweilte und sabberte ihn zufrieden voll. Lächelnd strich ihm seine Tante dabei über die vom Schlaf geröteten Wangen, die wie zwei gesunde rote Äpfel leuchteten und wandte sich von der kunstvoll gefertigten Wiege ab. Ein Erinnerungsfetzen tauchte vor ihrem inneren Auge auf, als sie ihre Schwester und ihren Schwager dabei betrachtete, wie rührend sie sich um den kleinen Ed kümmerten, der sich noch immer etwas eingeschüchtert durch die vorangegangenen Geschehnisse an den schützenden Körper seiner Mutter drückte. Das sanfte Lächeln des großgewachsenen blondhaarigen Mannes erinnerte sie zu sehr an das ihres verschollenen Liebsten. Wie oft hatte er damals mit demselben Ausdruck im Gesicht in die Wiege seiner neu geborenen Tochter geschaut, wie oft das kleine zarte Köpfchen des Babys gestreichelt, welches ihm da mehr bedeutet hatte als alles andere, wie oft hatte er sie in den Arm geschlossen und beteuert, dass sie und das Kind das Wunderschönste wären, was ihm jemals widerfahren war. Die dunklen Schatten auf ihrem Antlitz verbergend, welche die Erinnerungen mit sich brachten, sah sie zu ihrer am Boden sitzenden Tochter; die Züge des Mädchens wirkten eingefallen vor lauter Erschöpfung und doch kräuselten sich ihre Lippen zu einem zufriedenen Lächeln, als sie, genau wie ihre Mutter, das überglückliche Paar mit ihrem Sohn betrachtete.

Stirnrunzelnd bemerkte Kathy, wie nervös sich der kleine Junge jedoch verhielt; wie ein verängstigtes Tier huschten seine Pupillen misstrauisch im Raum umher, jedes Mal, wenn seine hastigen Blicke das Haupt ihrer Tochter streiften, lief ein unruhiges Zucken durch seinen schmächtigen Körper und er krallte seine verkrampften Finger in die Bluse ihrer Schwester, deren Aufmerksamkeit es auch nicht entgangen war, dass mit ihm etwas nicht zu stimmen schien. Mitfühlend flüsterte sie ihm beruhigende Worte ins Ohr, presste ihn dicht an sich, so dass das hektische Pulsieren seines kleinen Herzens ihre feinen Härchen auf der Haut sanft erschütterte. Nathaniels sorgenvoller und gleichzeitig gestrenger Blick verriet Kathryn, dass ihr Schwager ebenso wie sie selbst wusste, warum der Junge so durcheinander und verunsichert erschien. Seine honiggoldenen warmen Augen schienen direkt bis auf den Grund der Seele des Kindes zu sehen und das, was sich ihm dort offenbarte, erschütterte selbst die mächtigen Festungsmauern seines überaus an Schicksalsschläge gewöhntes Gemüt.

Wie hungrige Tiere umschwirrten die dunklen, direkt aus der alles verschlingenden Finsternis kommenden Schatten des Todes noch immer gierig das Herz seines Sohnes, welches sie noch vor wenigen Augenblicken als ihre Beute auserkoren hatten. Doch er spürte, wie sie langsam schwächer wurden und ihren Willen, alles Lebende zu zerstören, verloren. Mit jeder Sekunde wurde ihre Struktur durchsichtiger, ihre Macht, die Seele vom Leib zu trennen, schwand mit jedem kräftigem Atemzug des Kindes, welches aus der Welt hinter der diesen entkommen war. Aber wie grausam musste es für den unschuldigen Geist eines so jungen Wesens sein, dem Lichte entrissen zu werden, um zurück in die Finsternis zu fallen, der man durch das vorzeitige Ableben entronnen war? Das Haupt nachdenklich senkend dachte Nathaniel an die erstaunlichen Berichte der Menschen, die dasselbe erlebt hatten wie sein Sohn.

Ohne Vorwarnung aus dem Leben gerissen hatten Ärzte das seltene Wunder vollbracht, dass die bereits Verstorbenen nach wenigen Minuten des Bangens und Hoffens wieder die Augen aufschlugen. Dank ihrer medizinischen Wundergeräte konnte man dem Tod ein Schnippchen schlagen, doch dies galt natürlich nicht für jeden, dessen Herz aus dem Takt geraten war. Nicht jedem war es vergönnt, dem Reich der Toten zu entfliehen, um seine zweite Chance für das Leben zu nutzen. Die, die es geschafft hatten, spaltete das Erlebte in zwei Lager. Die eine Hälfte, welche das geschenkte Glück dankbar annahm, um daraus das Beste zu machen und die andere Hälfte. Schaudernd dachte Nathan an das, was ein Soldat ihm während seiner Jahre im Krieg darüber erzählt hatte. Verzweifelt hatten die Ärzte um sein Überleben gekämpft, als er drohte, durch eine Schussverletzung zu verbluten.

Nachdem sein Herz den Dienst versagt hatte, war er in einem schimmernden, vertrauliche Wärme ausstrahlendem Licht versunken. Nachdem er sich wenig später getraut hatte, die Augen zu öffnen, war er in einer Welt aufgewacht, in der es keine bösen und negativen Gedanken mehr gab, keine Kriege, kein Unrecht, keine Armut, kein Neid, Missgunst oder Hunger herrschten hier. Von Freude erfüllt war er über die immergrünen Felder dieser Welt gewandelt, um zu entdecken, dass dies ein Ort vollkommender Ruhe und Friedfertigkeit war. Schnell hatte sich ihm offenbart, dass er nicht der Einzige war, der hier verweilte. Alle hier sahen glücklich aus, niemand verströmte das Gefühl von Trauer oder Wut. Schon hatte er im Stillen Gott für dessen gütige Gnade, die man ihm zuteil hatte werden lassen, gedankt, als sich plötzlich der Boden unter ihm auftat und ihn mit sich in die Dunkelheit riss. Einige Zeit lang war er durch die Finsternis geschwebt, wie lange, konnte er nicht mehr beschreiben. Dort herrschte keine Zeit, dort war man nur von einem alles verschlingenden Nichts umgeben, was einen wahnsinnig werden ließ, um so länger man dort verweilte.

Irgendwann, unendlich viele Sekunden später, hatte er in die verschwitzten Gesichter der Ärzte gesehen, die sich mit blutbefleckten Handschuhen über seinen geschundenen Körper gebeugt hatten; seine Ohren waren mit einem Male wieder erfüllt von den gequälten Schreien der Verletzten, welche von den umherfliegenden Kugeln der Feinde durchsiebt wurden.

„Glaub mir, Nat“, hatte sein Kampfgefährte ihm damals anvertraut, „hätte ich die Wahl gehabt, ich wäre dort geblieben. Der Ort, an dem ich später wieder erwacht bin, war schlimmer, als ich mir die Hölle jemals erträumt habe.“

Diese Worte hallten wie ein nie endendes Echo durch seinen Kopf, als Nathaniel gedankenverloren seinen Sohn musterte, dessen Augen wieder diesen fiebrigen Glanz angenommen hatten. Hatte er womöglich dasselbe erlebt wie damals dieser Soldat? Hatte auch er sich entschieden, dort zu bleiben und nicht zurückzukehren? Was hatte er dort gesehen? Seufzend schob er Trisha langsam zum Bett des Kleinen, um ihn dort zur Ruhe zu legen. Er bezweifelte, dass solch ein einschneidendes und grausames Erlebnis jemals aus dem Gedächtnis seines Sohnes getilgt wurde und hoffte, dass seine unschuldige Seele keinen ernsthaften Schaden genommen hatte. Man sagte zwar, dass Kinder in diesem Alter schnell vergessen würden, doch was, wenn dies durch etwas Ähnliches wieder an die verletzliche Oberfläche geriet?
 

Die furchtbar verlockende Müdigkeit umschlang mit ihren wolkenweichen Armen geradezu hartnäckig meinen total ausgelaugten Körper, doch ich wehrte mich mit aller Kraft, die noch in mir verblieben war, gegen sie. Mit wachsender Nervosität hatte ich die misstrauischen Blicke der Erwachsenen untereinander bemerkt, die, und da war ich mir mehr als alles sicher, hundertprozentig mir galten. Ich wusste, dass mein Vorhaben, Edo zu helfen, das schlimmste Verbrechen war, was ich mir gegenüber meiner Mutter, meiner Tante und meinem Onkel geleistet hatte. Nicht nur, dass ich das unerschütterliche Vertrauen der Person ausgenutzt hatte, die ich über alles liebte, nein, durch meine Schuld hatte ich zwei Menschen fast das Kostbarste entrissen, was man besitzen konnte. Mir war bewusst, dass ich so etwas nie wieder gut machen konnte, ebenfalls konnte ich mir auch denken, dass man mich so einfach nicht davonkommen lassen würde und ich sehnte mich keinesfalls nach dem einschlägigen Gespräch, was diesem Ereignis sicher nachfolgen würde.

Zwei Paar Füße, die an mir vorübergingen, ließen mich müde aufblicken. Meine im Licht des langsam untergehenden Erdtrabanten leuchtenden Augen trafen die Edos, dessen Kopf schlaff an der Schulter seiner Mutter ruhte. Über seiner goldenen Iris, dessen Farbe mich jedes Mal an die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne erinnerte, schwamm ein trüber Schein, der es mir verwehrte, hinter seinen Geist zu blicken, um herauszufinden, was ihm widerfahren war. Umso erschütterter reagierte ich, als sich sein fiebriger Blick klärte und mir das offenbarte, was mich mehr ängstigte als mein eigener Tod.

Vorwurf lag in seinen Augen, der mich jahrelang in meinen ruhelosen Träumen verfolgen sollte, Vorwurf, dass ich einen Teil meines Lebens für das seine geopfert hatte, um, jung und ahnungslos wie ich war, an meinem Vorhaben zu scheitern, Vorwurf, dass ich nicht jenen vertraut hatte, die sich seiner Krankheit hatten annehmen wollen, Vorwurf, dass ich fast das helle Licht, welches in seinem Körper brannte, für immer ausgelöscht hatte, aber auch Dankbarkeit. Erstaunt blinzelte ich ihn an, als sich sein Gesicht zu einem frechen Grinsen verzog und er mir keck zuzwinkerte. Stumm formte sein Mund das Wort „Danke“, bevor sein Kopf, der plötzlich Tonnen zu wiegen schien, zurück auf die vertraute Schulter seiner Mutter sank. Ganz langsam, als wollten sie mich für die Unendlichkeit anschauen, fielen seine Augen zu, bis seine Lider ihm den Blick auf mich untersagten.

Erleichtert lächelnd, dass er mir mein eigentlich unentschuldbares Vergehen verziehen hatte, strich ich mir mein zerzaustes Haar aus der Stirn. Als ich meine Hände wieder sinken ließ, fühlte ich plötzlich eine metallene Kälte an meiner Brust. Beschützend legte sich meine Handfläche an die Stelle meines Nachthemdes, unter dem sich das einzige, was mich an meinen verschwundenen Vater erinnerte, befand.

In diesem von ihm zurückgelassenen Gegenstand verbargen sich geheime Kräfte, die ich dem Menschen zu verdanken hatte, der uns so überstürzt in jener Nacht vor vielen Jahren verlassen hatte. Ganz in Gedanken versunken strichen meine Finger über die feinen Runen, die den silberglänzenden Ring, welcher an einer feingliedrigen Kette um meinen Hals baumelte, zierten. Jedes dieser Zeichen hatte seine eigene Bedeutung und Macht, welche man in der Kunst der Alchemie einsetzte. Die uralten Gravierungen, die den Großteil des Ringes einnahmen, wurden im Mittelpunkt des einzigartigen Kleinods durch einen Transmutationskreis ergänzt, der das Zeichnen eines solchen Kreises ersetzen sollte, denn ursprünglich stellten diese das unabkömmliche Hilfsmittel für einen Alchemisten dar. Ohne sie nutzte einem das ganze Wissen und Können rein gar nichts, sie waren der Schlüssel, die Antwort.

Doch wie ich durch meinen Onkel erfahren hatte, gab es auch Alchemisten, die ohne das Zeichnen eines Transmutationskreises auskamen. Einer davon war ich. Der Ring ersetzte das, was ich benötigte, aber mein Onkel schlug in dem Fall alles, was ich bis jetzt gehört und erlebt hatte. Durch das einfache Zusammenschlagen beider Handflächen konzentrierte er seine Kraft und gab sie mit einem Schlag frei. Natürlich war ich neugierig gewesen, wie so etwas funktionierte, doch was dieses Thema betraf, hüllte er sich in tiefstes Schweigen. Ich würde eines Tages von selbst verstehen, war sein knapper Kommentar dazu gewesen, womit ich mich keineswegs zufrieden gegeben hatte. Unzählige Bücher hatten seitdem, als ich ihn dabei beobachtet hatte, unter meinen unzähmbaren Wissensdurst leiden müssen, doch nichts dergleichen war darüber in ihnen verzeichnet gewesen, was ich mit großer Enttäuschung feststellen musste. Zu gerne würde ich dieselbe Fähigkeit wie mein Onkel besitzen; hätte ich jedoch einen Blick hinter den Vorhang der Wahrheit werfen können, ich wäre niemals auf den Gedanken gekommen, diesen Wunsch zu äußern.

Jemand legte plötzlich seine Hand auf meinen Schopf, was mich verschreckt aufsehen ließ. Mit einem leicht besorgten Ausdruck in ihrem vor Müdigkeit eingefallen Gesicht beugte sich meine Mutter zu mir herab und drückte mir einen warmen Kuss auf die Stirn. Sie sah so aus, wie ich mich fühlte, denn ich wusste, was mir noch bevorstand. So leicht würde ich mich nicht aus der Affäre ziehen können, nachdem, was ich angerichtet hatte. Beschämt senkte ich den Blick und stierte die dunklen Holzdielen an, auf denen ich schon die ganze Zeit über saß und wünschte mir in diesem Moment nichts sehnlicheres, als mit ihnen den Platz zu tauschen, als ich mit einem Male einen kühlen Finger an meinem zierlichen Kinn spürte und die Lider hochschlug. Die grauen Augen der Person, die mir dieses Leben geschenkt hatte, waren das Einzige in deren Gesicht, welches ich so sehr liebte, was noch vor Lebendigkeit strahlte. Mitfühlend strich ich mit meiner verbrannten Hand über ihre vor Erschöpfung und Erschrecken blass gewordenen Wangen, bis sie diese mit ihrer sanft umschloss und ich innehielt. Sorgenvoll verengten sich ihre hübschen Augen, als sie meine Hände näher betrachtete, dessen Zustand ich vollkommen hinter mir gelassen hatte.

„Wenn du die Unterredung mit deinem Onkel beendet hast“, sie nickte kurz in seine Richtung, doch er stand mit dem Rücken zu ihr an der Wiege seines Sohnes, „dann kommst du rasch nach Hause, damit ich mir das näher ansehen und verbinden kann, in Ordnung?“

Ich verzog gequält das Gesicht, obwohl mir bewusst gewesen war, dass so etwas eh auf mich zugekommen wäre, antwortete aber mit einem knappen „Ja“ und erhob mich schwerfällig wie eine alte Frau vom Boden. Was dann geschah, bestürzte alle Anwesenden scheinbar mehr als mich selbst. Meine Beine knickten unter meinem Körper weg, als schienen sie vergessen zu haben, was ihre Aufgabe war; gleichzeitig begann alles um mich herum irrsinnig schnell zu rotieren, als wäre ich als hilflose Zutat in einem Mixer gefangen. Ich versuchte noch etwas zu sagen, um meine Verwandten zu beruhigen, doch alles, was meinem Munde entrann, war nur ein leiser kümmerlicher Laut. Mein Sichtfeld verschwamm vollkommen vor meinen Augen, die ich benommen verdrehte, das letzte; was ich sah, war meine Mutter, die verschreckt versuchte, ihre Tochter vor einem Sturz auf den harten Boden zu bewahren.

Gerade hatte er seinen Sohn behutsam zudecken wollen, als Nathaniel durch einen kläglichen Schrei aufgeschreckt wurde und er mit einer blitzschnellen Bewegung herumwirbelte. Das, was sich ihm dann vor seinen weit aufgerissenen Augen offenbarte, hatte er zwar schon befürchtet, sich aber gewünscht, dass es nicht eintreten möge. Mit einem flinken Satz, der einem Geparden alt neben ihm aussehen ließ, war er neben seiner Schwägerin und ließ das Mädchen behutsam in seine Arme sinken. Kathy sah ihn ängstlich an, sie schien zu ahnen, was mit ihrer Tochter geschehen war, sprach es aber aus Furcht nicht aus.

„Keine Sorge“, versuchte er sie zu beruhigen, „ich werde dafür sorgen, dass dies das einzige und letzte Mal war. Sie sollte es allein aus Rücksicht auf sich selbst nie wieder versuchen.“

Seine Finger tasteten nach der im schwächer werdenden Mondlicht funkelnden Kette; vorsichtig nahm er seiner Nichte das letzte Überbleibsel ihres Vaters ab und überreichte dieses samt dem daran baumelnden Ring, den er misstrauisch beäugte, seiner Schwägerin. Stirnrunzelnd starrte sie ihn an, als er sie mit stummen Blicken dazu aufforderte, das aus der Nähe geheimnisvoll wirkende Schmuckstück an sich zu nehmen. Etwas widerwillig schloss sie ihre Hand, in die er den Ring hatte hineingleiten lassen; das feine Stück Silber fühlte sich kalt und fremd auf ihrer Haut an, nahezu abstoßend wirkte es auf sie, so dass sie nur knapp der Versuchung widerstand, es angeekelt von sich zu schleudern. Schnell ließ sie den Ring in ihrer Hosentasche verschwinden und atmete erleichtert auf, nachdem ihre Finger sich von ihm gelöst hatten.

„Egal, wie sehr sie während der nächsten Tage bittet und bettelt, sorge dafür, dass sie ihn nicht wieder an sich nimmt“, bat er seine Schwägerin, die zustimmend nickte. „Sie ist noch nicht bereit dafür, sich nicht darüber bewusst, was hinter dem Ring ihres Vaters für eine enorme Macht steckt.“ Er machte eine gehaltvolle Pause und betrachtete seine Nichte traurig, bevor er leise weitersprach. „Ein Jahr vor dem Verschwinden von Tiberius hat er mir das Geheimnis seines Kleinods anvertraut; er war schon damals nicht mehr ganz bei Sinnen, aber ich habe es am eigenen Leib zu spüren bekommen, welche Boshaftigkeit und Schwärze in diesem kleinen Ding steckt. Wir sollten es solange von Lina fernhalten, bis sie ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten soweit ausgebaut hat, damit sie ihn beherrschen kann und nicht er sie. Nur ihr ist er vorbehalten, da sie das Blut deines Mannes in sich trägt; niemand anders wird ihn ohne Qual oder Missempfinden berühren können. Deswegen halte ihn versteckt, bewahre ihn gut und sorge dafür, dass sie ihn nicht vor ihrem sechzehnten Geburtstag bekommt. Dann sollte sie die Reife und Stärke in sich tragen, ihm ihren Willen aufzuzwingen. Das, was sich uns heute Nacht gezeigt hat, war nicht der Wunsch deiner Tochter, sondern die Verschlagenheit des Ringes; dein Kind war nur sein willenloses Werkzeug, um seine düsteren Pläne in die Tat umzusetzen.“

Lächelnd streichelte er seiner Nichte über den Kopf und sah Kathy geheimnisvoll an.

„Jedoch hat sie heute einiges an Stärke bewiesen, denn noch niemals haben mich die Atemgeräusche meines älteren Sohnes dankbarer gestimmt als hier und jetzt.“ Behutsam übergab er seiner Schwägerin das bewusstlose Kind und trat zu seiner Frau hinüber, die zustimmend nickend an der Wiege des kranken, aber lebenden Jungen stand.

„Wir tragen Lina nichts nach, nee-san, es ist mir wichtig, dass du das weißt“, hauchte sie ihrer Schwester entgegen und lehnte sich verliebt an ihren Mann, der ihre Geste fürsorglich erwiderte und seinen starken Arm um sie legte, um sie an sich zu drücken.

„Danke“, war im ersten Moment alles, was Kathy hervorbrachte, erleichtert seufzte sie, nachdem ihre kleine Schwester ihr das unüberlegte Verhalten Linas verziehen hatte. „Ich hatte schon befürchtet, ihr würdet uns nach dieser Sache mit Schimpf und Schande davonjagen und wenn ich ehrlich sein soll, ich hätte euch dies nicht einmal verübeln können. Doch für Lina“, in ihren Augen glomm ein kummervoller Schmerz auf, „wäre dies die schlimmste Strafe gewesen, die man ihr hätte antun können, schon allein wegen der Jungs.“

Die Stimme meiner Mutter war es, die mich aus den Tiefen der bilderlosen Welt zurückholte, in der ich allein und verloren gewandelt war. Leise, gleich einem Flüstern drang ihre vertraute Stimme an mein Ohr und geleitete mich zurück an jenen Ort, den ich mein Zuhause nannte. Zögerlich und langsam gewannen auch die anderen Geräusche meiner Umgebung wieder an Leben; das Knirschen der Holzdielen, die in ständiger Bewegung zu sein schienen, das Atmen der anwesenden Personen, das Rascheln der Blätter, welche der nun aufkommende Wind spielerisch vor sich hertrieb, das Kreischen des Nachtvogels, der sich auf den Weg zurück zu seinem Versteck machte, um dort das erneute Ende des kommenden Tages abzuwarten. Verstört öffnete ich meine Augen, blinzelte die störenden Lichtpunkte weg, die keck vor meinem Antlitz herumtanzten, um mich zu ärgern und versuchte angestrengt, mich aufzurichten, doch es gelang mir zu meiner eigenen Verblüffung nicht allein.

Eine Hand schob behutsam meinen Oberkörper nach vorn, während die andere einen meiner Arme umfasste und sanft daran zog, um mich in eine halbwegs bequeme Sitzstellung zu zwingen. Noch immer vermochte ich kein Wort zu sagen, ich konnte kaum glauben, was hier vor sich ging. Mein Körper fühlte sich an wie ein schwerer Stein, der immer weiter zu sinken schien und kein Ende fand. Dieses eigenartige Gefühl ließ eine leichte Panik in mir aufsteigen; hilflos stierte ich meine Mutter an, die mich mitfühlend betrachtete und nach einigen Augenblicken meinem vollkommen ahnungslosen Blick traurig auswich. Mein Onkel war es, der die auftreibende Angst in mir zurückdrängte. Seine warmen Hände legten sich auf meine eiskalten Finger, als er mir mit seiner angenehmen und ruhigen Stimme die Furcht vor dem nahm, was mit mir geschah.

„Atme tief durch, Lina, forsche nach deinen Kraftreserven und setz sie frei, aber langsam“, ermahnte er mich, als ich damit begann, hektisch in mir rumzurühren und dabei bemerkte, dass alles seine Zeit benötigte, um zu reifen. Mich ganz auf meine Aufgabe konzentrierend, schloss ich die Augen und sofort beruhigte sich meine Atmung wieder. Ich fühlte erleichtert, wie ganz sachte und zögerlich wieder die Kraft in meine erschöpften Muskeln und Sehnen zurückfloss; es tat zwar aus einem mir unerklärlichen Grund unglaublich weh, als ich begann, vorsichtig meine Arme und Beine zu bewegen, aber gleichzeitig fühlte es sich wunderbar an, als sei ihnen ein neues Leben geschenkt worden.

„Ja, so ist es gut, das machst du prima, Kleine“, hörte ich die aufmunternde Stimme meines Onkels dicht neben mir, vorsichtig zog er seine Hände wieder zurück, als ich die Augen aufschlug. Als ich ihn ansah, verschwand der eben noch gütige Ausdruck auf seinem beinahe aristokratisch geschnittenen Gesicht und machte einer Härte Platz, die mich unwillkürlich zusammenschrecken ließ. Meine Hand suchte schützend die meiner Mutter und umklammerte diese verschüchtert, doch die Frau, die mir so nahe stand wie keine andere, befreite sich aus meinem Griff und schob mich in Richtung meines Onkels, der mir seine große Hand, die mir nun eher wie die drohende Pranke eines hungrigen Löwen vorkam, entgegenstreckte.

Zögernd starrte ich ihn an; seine goldenen Augen, deren Farbe mich nun ebenfalls an eines der mächtigsten Raubtiere dieser Welt erinnerte, funkelten warm und milde in meine Richtung. Die Angst hinunterschluckend legte ich nach mehreren von meiner Mutter gezischelten „Nun geh schon, mein Schatz“, meine Hand in die seine. Mit einem kraftvollen Ruck zog er mich zu sich hoch und wollte mich schon aus dem Zimmer schieben, als ich abrupt stehen blieb und sehnsüchtig zu den Betten meiner kleinen Cousins schielte. Die ernste Miene meines Onkels verzog sich zu einem milden Lächeln, als er dies bemerkte.

„Na, dann geh. Aber beeil dich, sie brauchen beide ihren Schlaf“, erfüllte er mir mit diesen knappen Worten meinen unausgesprochenen Wunsch. Eilig taumelte ich, noch immer etwas unsicher auf den Beinen, auf die kleine Wiege des friedlich schlafenden Kindes zu und linste neugierig hinein. Al schien sich wieder beruhigt zu haben; er lag leise schnarchend mit seinem etwas unglücklich dreinschauenden Hasen im Arm auf einem geblümten Kissen und grunzte hin und wieder zufrieden wie ein kleines Ferkel vor sich hin. Belustigt durch seine ulkigen Geräusche, die er im Schlaf von sich gab, musste ich leise kichern. Meine schlanken Finger fuhren liebevoll durch sein babyfeines dunkelblondes Haar, welches sich weich und zart an meine Haut schmiegte. Einige Augenblicke verharrte ich so, in vollkommenes Glück getaucht meinen Cousin beim Schlafen beobachtend.

Erst das auffordernde Räuspern meines Onkels, der an der Tür stand und auf mich wartete, machte mich darauf aufmerksam, dass etwas vor mir lag, welches keinen allzu langen Aufschub duldete. Widerwillig löste ich mich von der Holzwiege Al´s und wankte hinüber zu dem Bettchen des Jungen, mit dessen Leben ich heute Nacht unüberlegt gespielt hatte wie mit einer Puppe. Eine nie gekannte Furcht überfiel plötzlich mein gepeinigtes Herz und quetschte es zusammen, als sei es ein lebloses Gummispielzeug. Das Gesicht schmerzhaft verzogen verlangsamte sich mein Gang, der Weg zu dem im schwächer werdenden Mondlicht stehenden Bettchen kam mir mit einem Male unendlich lang vor. Mehrmals hastig ein- und ausatmend erkannte ich nach einer Weile, dass es nicht die Angst war, welche mit allen Mitteln versuchte, mein kindliches Gemüt zu beherrschen, sondern unsagbare Schuld, die wie ein eifriges, an einer Nuss nagendes Eichhörnchen an meinem Gewissen knabberte.

Die schrecklichen Szenen, welche sich vor gar nicht allzu langer Zeit hier vor meinen Augen abgespielt hatten, krochen langsam und schleichend aus ihren Verstecken hervor, um mir erneut zu zeigen, wie dumm und unerfahren ich doch noch auf diesem Gebiet war.

Die Haut des älteren der Brüder leuchtete unnatürlich grau in den letzten Strahlen, die der Mond auf sein blasses Haupt sandte, so dass sich meine Miene angesichts dessen qualvoll verzog. Wie sehr hatte ich mir gewünscht, ihm mit meinen alchemistischen Kräften zu helfen, wie hätte ich wissen können, dass dieser Versuch genau das Gegenteil von dem, was ich beabsichtigt hatte, zu Tage führen würde. Mit Schrecken hatte ich festgestellt, dass etwas anderes an meine Stelle getreten war und mit meinem hilflosen Körper Dinge angerichtet hatte, an die ich nicht mal im Traum denken würde. Edo musste in dem Moment gespürt haben, dass etwas nicht stimmte; er hatte mit aller Macht versucht, dagegen anzukämpfen und mir alles, was sein kleiner geschwächter Körper hergab, entgegengeschleudert

>Eigentlich unglaublich<, dachte ich, als mir klar wurde, dass seine Kräfte in jenem Moment meine bei weitem in den Schatten gestellt hatten. Wie war das nur möglich? Er war noch nicht mal ganz zwei Jahre alt und schon zu so etwas fähig? Meine Gedanken verflüchtigten sich wie der Nebel in den frühen Morgenstunden, als sich meine Hand auf seine Stirn legte, die sich wie ein Stück glühende Kohle anfühlte. Traurig betrachtete ich seine fahle Haut, auf der ein schimmernder, nass glänzender Schein lag. Er stellte ganz und gar das Gegenteil zu seinem kleinen Bruder dar, der gesund und zufrieden in seiner Wiege schlummerte.

Die Gesichtszüge des Älteren lagen verkrampft und angespannt auf seinem jungen Antlitz, seine Hände klammerten sich wie die eines Schiffbrüchigen, der einsam und hilflos an seinem Stück Treibholz in der stürmischen See trieb, an der Bettdecke fest, auf der sich viele bunte kleine Pferde ein eifriges Wettrennen lieferten. Der Kampf, den sein Körper sich gegen das hartnäckige Fieber lieferte, schien noch lange nicht vorüber zu sein. Mitleidig spreizte ich die Finger auf seiner glühenden Stirn und wollte das Inferno, welches unbarmherzig gleich dem niemals endenden Feuer der Hölle in ihm tobte, eindämmen, doch das vertraute kalte Prickeln an meinen Fingerspitzen blieb zu meiner eigenen Verblüffung plötzlich aus.

Noch einmal versuchte ich es, doch nichts geschah; im Gegenteil, meine Hände begannen langsam zu schwitzen, umso länger sie auf der Stirn des kranken Jungen verweilten, dessen gequälte Atemzüge in mir mehr Pein hervorriefen, als meiner geschundenen Seele gut tat. Nervös tasteten meine Finger nach dem Ring an meiner Brust, doch sie griffen zu meinem Entsetzen ins Leere. Da war nichts mehr außer meiner kalten Haut unter dem Nachthemd, über die meine Hände wie suchende Spürhunde schlichen und nicht das fanden, auf was sie angesetzt waren. Verwirrt drehte ich mich um und begegnete dem schon leicht ungehaltenen Blick meines Onkels, der auf das beruhigende Wispern meiner Tante hin tief durchatmete.

„Wo ist ...“, begann ich ärgerlich, doch der hochgewachsene blondhaarige Mann fiel mir sofort ins Wort.

„Das tut jetzt nichts zur Sache, Kind. Komm.“ Seine Stimme klang kühl, beinahe gefühllos, als er mich erneut aufforderte, mit ihm zu gehen.

„Aber ...“, begehrte ich entrüstet auf und fing mir dafür von meiner Mutter einen warnenden Blick ein.

„Später“, war die ganze Erklärung, die mein Lehrer mir gegenüber verlauten ließ. Schon öffnete er die Tür, während ich schlecht gelaunt vom Bett meines Cousins wegtrat und wies mir den Weg nach draußen. Meine Mutter lächelte mir aufmunternd zu, als ich ihr ins Gesicht sah, doch ich wandte trotzig den Blick ab und stapfte ihrem Schwager missmutig hinterher.
 

~*~

Fortsetzung folgt...



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Von:  chrono87
2008-10-23T17:53:29+00:00 23.10.2008 19:53
erst mal danke fürs bescheid sagen, hab mich sehr darüber gefreut.
das kapitel ist dir wirklich super gelungen.
so packend, dass man gar nicht mehr aufhören möchte zu lesen.

ich bin schon sehr gespannt, wie es jetzt weiter geht.
kann es kaum erwarten.
lg chrono87
Von: abgemeldet
2008-05-18T07:59:52+00:00 18.05.2008 09:59
huhu^^
sorry dass ic hsooo lange kein kommi mehr hinterlassen habe, wisst ja gibt viel zu tun hier -_-. jedenfalls hab ich grade die fehlenden kapis nachgeholt, und siehe da, sie sind allesamt erste klasse ;)

liebe grüße
euer Akudroll
Von:  chrono87
2008-05-16T18:36:57+00:00 16.05.2008 20:36
das kapitel ist ja super.
ich freue mich schon auf die fortsetzung
hoffentlich schaffst du es bald, eine fortsetzung zu schreiben

lg chrono87
Von:  ArmitageHux
2008-02-19T20:40:36+00:00 19.02.2008 21:40
*reinreeeeeeeeeeeeeeeeeeennt*
ERSTEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEE >O<

Jipppieh! *vor freude wein*
Endlich!
Endlich ist das neue Kappi dieser FF da ;_;
Ich habe so seeehnsüchtig darauf gewartet Q.Q

und dazu war es teilweise echt süß >.<
Ich küsse winry auf die wange >//////////////<
*KYAAAAA* Cute!

Aaaaber!
ich erwarte das ihr beide weiter macht, klar?
*streng guckt*
Wenn nicht dann....
*peitsche rausholt*
*fg*
Genau! Dann werde ich euch mit dieser Peitsche...
fesseln V.V

sfx: DOOOING!

Egaal =D Supi! und weiter so

gezeichnet: Fullmetal Alchemist, edo^^

Von:  ArmitageHux
2007-09-25T18:43:10+00:00 25.09.2007 20:43
Heeeeeeey....
Ich weiß ich hab ewwiiiiiiiiiiiiiiiiiiiig auf mich warten lassen für den Kommi. Aber woher soll ich wissen das du nicht mehr weiterschreibst? Q.Q

ich war als ich das Kappi gelesen hab, nicht in der stimmung zum kommentieren...Und danach hatte ich das i-wie vergessn.
I-wann is mir aufgefallen das du keine neuen Kappis mehr on gestellt hast -.- UNfair!!!

Ich vermisse deinen Sadismus T.T WÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄH!
schreib weiter! Stell weiter on!
Ich schwöre ich werde nie nie nie nie mehr vergessn zu kommentieren ;__________;

Gezeichnet, Edo-chan (<<<groß)
Von:  Mondvogel
2007-05-11T15:47:10+00:00 11.05.2007 17:47
NEIIIIIIN!
*heul*
Wuaaa! Was ist denn hier los? Da sterben ja alle wie die Fliegen! Und Lina kann nichts dagegen tun!
*noch mehr heult*
Muss unbedingt wissen wie es nun weitergeht. Neben all diesem Schrecken ^.~ gefallen mir immer wieder die Metaphern, die ihr einbaut z.B. das mit dem Unkraut.

>Ein leises Schmatzen wurde hörbar, als das blutgefärbte Gesicht des Mannes auf den Boden auftraf, <
Uhhh. Und ich hege immer die Gewohnheit mir alles ganz bildlich vorzustellen, was ich lese... Mit Geräuschen, Farben und allem drum herum. -.-

Ich warte jetzt schon auf das nächste Kapitel! Also, bis dann!
Bye und liebe Grüße an euch fleißige Autorinnen.
Von:  Mondvogel
2007-05-11T15:36:10+00:00 11.05.2007 17:36
Sooooo... Also erstens: Ja, ich existiere noch. Zweitens: Nein, ich habe mir meine Arme nicht gebrochen und kann immer noch auf die Tastatur hauen. Drittens: Ja, ich hab lange kein Kommentar mehr hinterlassen. Und vierstens: JA ES TUT MIR LEID!
Wirklich und ganz ehrlich. Ich hab schon ein furchtbar schlechtes Gewissen deswegen. *duck*
Aber jetzt bin ich ja da und mache mich aucg gleich mal ran meinen Senf dazuzugeben: Jetzt muss mir nicht nur Ed leid tun sondern auch noch Al. Was soll jetzt diese Stimme in seinem Kopf? Als ob der ärmste nicht schon genug um Eds Leben bangen muss.
Irre ich mich oder wird die Situation immer schlimmer? Wo soll das noch hinführen? Oder besser gesagt: Wie wollt ihr diese verzwickte Situation wieder geradebiegen.
Tja, so viele Fragen. Da lese ich lieber mal weiter...
Von: abgemeldet
2007-05-10T13:08:09+00:00 10.05.2007 15:08
Du bist böse
sehr sehr böse



und das find ich so gut an dir ;)
schreib bitte bitte schell weiter =)
total spannend =)
das war kimbly, nicht wahr?
aber der ist ja auch irre
bitte poste bald wieder =) dann hinterlass ich dir wieder ein kommi, du genie =)
ne, ihr genies ;)
also
cucu
Sere
Von: abgemeldet
2007-05-03T12:27:30+00:00 03.05.2007 14:27
!
!!
!!!
!!!!
!!!!!


...

*sniff*
*heul*
*losheul und das haus unter wasser setzt*
Wie könnt ihr nur? wie nur? ihr sadisten ihr ihr ihr seid genial !
*verbeug*
meine großen vorbilder ^^

jetzt macht sich al auch noch vorwürfe aber edward lebt noch ;)
macht schnell weiter ihr beiden =)
ich warte auf das nächst kaiptel
also
cucu
Sere
Von:  ArmitageHux
2007-05-02T18:45:19+00:00 02.05.2007 20:45
YEAAAAAAAAAAAAAAAH!
ERSTE ERSTE ERSTE!

Also erstens:
WARUM KLEIN VERDAMMT?! O.<
Edo ist nciht klein! Grmpf! U.U********

zweitens:
Ihr habt es tatsächlich geschafft die Situation noch viel schlimmer für die anderen zu machen. jetzt macht sich Al auch noch Vorwürfe....So sadistisch, So gemein, so traurig <.< >.> so....GENIAL *____* *
I Love Sadisten T-shirt anhat*

Drittens:
SCHREIBT WEITER! Looooooooooos........>.<
*auf den Knien zu euch gerutscht kommt*
*lächz* *lächz* Brauche.....Kapitel....

Eure Edo-chan (<<<<<<<<RIESIG!)


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