Einsamkeit
39. Zorro Einsamkeit
Nami's Forderungen und Bedingungen sind erwartungsgemäß hoch ausgefallen, was meine Freilassung anbelangt. Ihr primärer Wunsch? Geld, was sonst. Als Kopfgeldjäger soll ich für sie arbeiten, jedoch bin ich mir nicht sicher, ob das alles ist. Aber im Moment habe ich andere Probleme, obwohl echte Schwierigkeiten meiner Meinung nach anders aussehen. Zwar ist es lange her, daß ich als Kopfgeldjäger tätig war, zudem nur zeitweise, dennoch kenne ich die Regeln, die ungeschrieben gelten, für jeden, der diesen Job ausübt.
Aber hier läuft das ein bißchen anders. Nami hat sich ihr eigenes kleines Reich aufgebaut, das in Form von zwei großen Schiffen über die Grand Line segelt. Da wäre zum einen die Orange Star, ihr Schiff auf dem sie lebt, an ihren Karten arbeitet und ihren Affären nachgeht. Die Besatzung besteht aus zehn Männern, kampferprobt und loyal, so wie sie es gern hat. Dann das zweite Schiff, die Black Eagle, wie sie den alten ausrangierten Marinekreuzer getauft hat. Dort leben ihre Handlanger, größtenteils ehemalige Kopfgeldjäger und Söldner, deren Lieblingsbeschäftigung es ist, ihrer Chefin beim Sonnenbad zuzusehen. Der reinste Chaotenhaufen.
Heute allerdings, haben sie sich aus einem anderen Grund an Deck versammelt, gilt es doch den Neuen, folglich mich, auf seine Tauglichkeit zu prüfen und nach Möglichkeit in der Rangordnung weit unten zu halten. Dort wo ich herkomme, hätte man von einem Straßenkampf gesprochen. Die Waffen? Der eigene Körper und keine Regeln! So stehe ich nun auf den verdrecken Schiffsplanken der Black Eagle und warte auf den nächsten Angriff. Keine Ahnung, wie lange das schon so geht, aber sicher ist, daß die wirklich starken Gegner erst noch kommen werden.
Also halte ich mich zurück. Es hat keinen Sinn wie der Teufel loszulegen, jedem dieser Typen nach Möglichkeit die Zähne einzuschlagen, denn morgen werde ich diesen Kerlen wieder gegenüberstehen, denn ich werde wohl oder übel für ein Weilchen auf diesem Schiff leben. Da ist es von Vorteil, wenn nicht jeder schlecht von mir denkt. Aber besiegen werde ich sie dennoch, schließlich soll mich niemand für einen Schwächling halten. Ich kämpfe mit den Fäusten, teile ein paar harte Schläge aus, mehr nicht. Es kann von Nutzen sein, wenn ich nicht alle Trümpfe ausspielen muß. Man sollte von seinen Fähigkeiten nur das nötigste zeigen, um den Überraschungseffekt stets auf der eigenen Seite zu haben. Sanji und ich haben viel gemeinsam trainiert, auf dem Weg Freunde zu werden. Er zeigte mir meine Beine gezielter einzusetzen, härter zuzutreten, während ich ihm beibrachte seine Kraft besser einzuteilen und seinem Instinkt mehr zu vertrauen.
Der Kampf ist vorbei und wie ich es mir selbst versprochen habe, bin ich als Sieger daraus hervorgegangen. Ein paar leichte Schrammen, mehr konnten sie mir nicht zufügen. Nach der wohlverdienten Dusche bin ich zurück an Deck und seitdem liege ich hier, starre in den Himmel, sehe ihn aber dennoch nicht. Keine glitzernden Sterne, kein fahles Mondlicht, nur Leere. Meine Gedanken sind weit weg, auf einem anderen Schiff, auf dem die beste Crew der Welt beheimatet ist. Ich vermisse sie! Aber anstatt bei ihnen zu sein, kann ich nichts weiter tun als hier die Zeit totzuschlagen, hoffen, daß es das Schicksal nicht noch schlechter mit mir meint. Was habe ich nur falsch gemacht? Als ich ein Mitglied der Strohhutbande wurde, schien mein Leben endlich besser zu werden. Ich hatte neue Freunde gewonnen, erzielte Fortschritte bei meinem Training, verliebte mich und plötzlich wendete sich das Blatt. Nami wurde mir gegenüber sehr seltsam oder eher den anderen gegenüber und benutzte mich für ihre Spielchen. Mir war nie aufgefallen, wie verletzend sie gegenüber Robin gewesen sein mußte, aber im Nachhinein erinnere ich mich an Momente, die für sie alles andere als leicht gewesen sein mußten. Und jetzt? Ich Esel habe so lange dafür gebraucht, um auf mein Herz zu hören, zu erkennen, wie aufrichtig Robin's Gefühle für mich sind, dabei gab sie mir eigentlich nie einen wirklichen Grund an ihnen zu zweifeln. Hätte Vivi uns nach Alabasta eingeladen, wenn sie gewußt hätte, wie ich für Robin empfinde? Vielleicht wären wir einfach weitergesegelt, dem Abenteuer entgegen, ohne Sorgen. Wer hätte denn dann auch auf meine Robin schießen sollen? Wenn ich diesen Mistkerl in die Finger bekomme wird er sich wünschen, nie diesen Fehler begangen zu haben!
"Hier steckst du also." Was will die denn? "Erwartungsgemäß hast du sie alle besiegt, meinen Glückwunsch." Ich antworte nicht, läuft mir doch sonst die Galle über. Nami kommt näher, setzt sich neben mich auf den Holzboden, aber ich würdige sie keines Blickes. Im Gegenteil, ein wenig drehe ich den Kopf in die entgegengesetzte Richtung, will ich doch einfach nur allein sein. Allein mit meiner Einsamkeit.
"Du redest wohl nicht mehr mit mir, wie? Aber das brauchst du auch nicht." Ich spüre, wie sie mir das Hemd aufknöpft, Stück für Stück, aber ich halte ihre Hand fest, schließlich bereitet allein der Gedanke mir Übelkeit, daß sie mich anfassen könnte. "Denk daran, die Zeit ist noch nicht um." Am liebsten würde ich ihr den Hals umdrehen! Ich lasse sie los, kann ich doch sonst nichts tun außer abzuwarten, bis die acht Tage vorbei sind und Robin ihre Medizin vollständig erhalten hat.
"Ein starker Mann, der vor nicht mal einer Stunde einem ganzen Pulk von Männern den Garaus bereitete, bezwungen von einer schwachen Frau. Ironie, findest du nicht?" Wieder widmet sie sich meinem Hemd, öffnet es ganz, wobei sie ihre Finger über meinen entblößten Oberkörper wandern läßt, so wie sie es früher oft getan hat. Doch jetzt berührt es mich nicht, schenkt mir keine Gänsehaut, kein Verlangen nach mehr, nicht einmal ein müdes Lächeln. Eher im Gegenteil. Meine Seele weint, wie sie es lange nicht getan hat, begleitet vom schmerzenden Rhythmus meines Herzens. Die Gedanken in meinem Kopf sind bei meinem Sohn, meinen Freunden und meiner Liebe. Nicht einmal das metallene Geräusch meiner Gürtelschnalle oder gar das Surren des Reißverschlusses meiner Hose können mich zu einer Bewegung veranlassen. Zu gelähmt bin ich doch von der Wahl des Schicksals, mir diese Bürde aufzuladen, der Spielball einer macht- und geldbesessenen Frau zu sein.
"Kannst du dir vorstellen, wie sehr du mir gefehlt hast?" Ausdruckslos sehe ich sie an, betrachte ihre Augen, deren Farbe sie Diego vererbt hat, doch zum Glück trägt er eine andere Seele in sich. "Wir haben oft zusammen bei den Orangenbäumen gelegen, nachts, wenn die anderen schliefen. Du hast deinen Arm um mich gelegt, dein Atem kitzelte meinen Hals und wir genossen unsere Stunden zu Zweit. Das habe ich wohl am meisten vermißt. Du nicht auch?" Ein merkwürdiges Lächeln ziert ihr Gesicht, als sie ihren Kopf auf meinen Brustkorb legt. "Endlich gehörst du wieder mir und ich werde dich für nichts in der Welt gehen lassen, geschweige denn mit jemandem teilen. Es wird wieder so sein wie früher, bevor du dich von mir entfernt hast."
"Soweit ich weiß bist du gegangen, nicht ich." "Was blieb mir anderes übrig, nachdem du nur noch Augen für den Kleinen hattest. Ich war dir doch egal." "Egal? Du hast ja keine Ahnung. Ich war unglaublich stolz auf dich, daß du mir einen so süßen Sohn geschenkt hast, daß wir eine richtige Familie sein konnten. Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich dich dafür geliebt habe. Als der Kampf gegen Falkenauge vorbei war, ich halb tot in meiner eigenen Blutlache lag, da freute ich mich nicht so sehr über meinen Sieg, sondern mehr über die Aussicht, dich und Diego wiederzusehen. Die Zeit nachdem du gegangen warst war sehr schwer für mich, aber wenn ich damals gewußt hätte, daß du mich mit Sanji betrogen hattest, wäre es mir um einiges leichter gefallen dich zu vergessen. Du siehst, wenn hier jemand unsere Beziehung zerstört hat, dann warst du es."
"Und wenn schon, wichtig ist doch nur, daß du wieder bei mir bist, wenn auch nicht ganz freiwillig. Aber deine Loyalität gegenüber deinen Freunden läßt dir keine andere Wahl oder tust du das nur um sicher zu stellen, daß dein Betthäschen wieder gesund wird?" "Wenn das eine Anspielung auf Robin sein soll, kann ich nicht darüber lachen." "Was heißt hier Anspielung? Meinst du ich weiß nicht, daß du scharf auf sie bist? Doch bevor sie dich ins Bett kriegt oder diese Tashigi, bringe ich dich lieber um. Allein wenn ich daran denke, wie du und Robin...wie du sie verliebt ansiehst, sie begehrst, während für mich nur die Einsamkeit bleibt, könnte ich durchdrehen! Am liebsten würde ich dich dafür töten, mit meinen eigenen Händen! Und doch kann ich es nicht, bin ich einfach noch zu abhängig von dir. Eine Welt ohne dich, wäre wie das Meer ohne Wasser. Trotzdem kann ich dir nicht verzeihen, daß du mit Robin...daß du ihr deine Liebe geschenkt hast. Dafür wirst du büßen, hier an meiner Seite, jeden Tag. Aber auf der anderen Seite werde ich dir eine Welt zeigen, die du bis jetzt nicht kanntest, so daß du nie wieder von mir weg möchtest."
-Kapitelende-
Nicht schlagen, ja?