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Nigredo

Der Schatten des Lebens
von

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Ein teuflischer Plan

„Hättest du die Güte, von mir runterzusteigen?“ Kyo gab sich schroff, um sich seine Erleichterung und Überraschung nicht anmerken zu lassen. Es war ihm auf einmal peinlich, dass er hysterische Tränen über Kazukis vermeintliches Ableben vergossen hatte. Dieser wälzte sich schwer von Kyo herunter und klopfte sich in einem vergeblichen Versuch den Staub von den Hosenbeinen. Kyo ließ den Brieföffner geistesabwesend im Schaft seiner Schnürstiefel verschwinden.

Keine Sekunde zu früh, denn aus den Halbschatten warf sich eine Gestalt auf ihn, als er soeben aufstehen wollte. Kyo fühlte eine Klinge an seinem Hals und gefror mitten in der Bewegung. Sein Widersacher zwang seinen Kopf, indem er ihm an den Haaren zerrte und dannseine Hand auf Kyos Mund und Kinn drückte, in den Nacken, eine Hand zog ihn grob am Arm in die Höhe. Hibikis Gesicht erschien zu seiner Rechten ganz nah an seinem Ohr. Hibiki war es auch, der das Armee-Messer an sich genommen hatte, welches hide aus Kazukis Rücken gezogen hatte. Dieses Messer hielt er jetzt an die gespannte Haut über Kyos Halsschlagader gepresst und Kyo wagte kaum, zu atmen. Er spürte, wie die Klinge in sein Fleisch biss. Einige Bluttropfen sprangen hervor, als das Metall seine Haut einritzte. Kyo hätte schwer geschluckt, hätte er es gekonnt.

„Okay, die Party ist vorbei! Komm schon, mein dunkler Racheengel, wirf deine Waffe weg oder dein Schützling vermisst gleich seine Birne!“ Hibikis Gesicht wurde von einem fürchterlichen Grinsen beinahe gespalten. Schwarzer Speichel troff ihm über die Lippen und das Kinn hinab, seine Augen blickten irre - sie sahen aus wie gesplittertes Eis.

„Lass ... lass mich bloß in Ruhe, du ...Wichser!“ keuchte Kyo, woraufhin ihm der Dämon heißen Atem ins Ohr lachte.

„Gefällt mir, wenn du so vulgär redest, mein Süßer!“ zischte er verführerisch, wobei Kyo da Gefühl hatte, ihm würden sich die Nackenhärchen sträuben. Hibiki – Makkuro – hob den Arm, den er um Kyos Kinn gelegt hatte, etwas an und schlug ihn dann wohlüberlegt ins Gesicht. Nur eine kleine mahnende Ohrfeige zur Strafe, damit Kyo nicht vergaß, wer jetzt am längeren Hebel saß.

hide hob beschwichtigend die Hände mit den Handfläche nach oben. Sein Schwert war ihm entglitten und zum ersten mal sah er unsicher und angstvoll aus. Er hatte nie menschlicher gewirkt und Kyo gab es einen Stich, als er in hides erschüttertes Gesicht blickte. Alle Kraft schien den schwarzgekleideten Wiederkehrer verlassen zu haben.

„Lass ihn gehen, du willst nur mich. Ich werde keinen Widerstand leisten, aber wenn du ihm etwas antust, reiße ich dir dein verdammtes schwarzes Herz heraus!“ unterdrückte ohnmächtige Wut ließ seine Stimme beben.

„Ich glaube kaum, dass du in der Position bist, hier Bedingungen zu stellen.“

Hibiki schien einen Augenblick nachzudenken.

„Du ergibst dich mir freiwillig? Was sollte mich daran hindern, euch beide zu behalten? Wenn ich erst deinen überirdischen Körper übernommen habe, entschließe ich mich vielleicht doch noch, deinen törichten Freund zu töten – durch deine Hand!“ sein sardonisches Grinsen drehte Kyo den Magen um, obwohl er es hinter seinem Rücken nur erahnen konnte.

„Mein Plan ist perfekt! Sobald ich deinen übernatürlichen Körper in meinem Besitz habe, kann ich in deiner Gestalt durch das Himmelstor gelangen. Und dann, dann werde ich meine Armee der Untoten aus dem Zwischenreich Nigredo zu mir rufen. Dieser Tag wird die Engel fallen sehen, die Schlacht wird den Himmel rot färben und ich werde triumphieren. Ich werde auf eine Thron aus Blut sitzen in meiner ganz privaten Hölle – und ich werde mit deinem Mund lachen!“ Makkuro ließ Hibikis Körper erneut durch einen Lachanfall erschüttern, als handele es sich um einen genialen Scherz.
 

„Du verfluchter Hurensohn!“ hide wollte sich auf Hibiki – oder vielmehr Makkuro Yokubo - stürzen und sein völlig überraschender Ausbruch hätte dessen Zombie-Armee fast überrumpelt. Schneller als man es diesen Unholden zugetraut hätte, fingen sie hide ab und hielten ihn zu mehreren fest umklammert. hide blickte wild um sich, er war außer sich vor Angst und Zorn, wie ihn Kyo noch nie zuvor erlebt hatte.

Kazuki konnte ihnen nicht helfen, er wurde wie ein Paket an Händen und Füßen verschnürt und achtlos in eine Ecke geworfen. Er war ein Abtrünniger, mit dem man sich später noch befassen konnte.

„Dein Körper wird mir den Weg n den Himmel öffnen. Und wenn ich erst dort bin, hole ich meine Dämonen zu mir. Wir werden den Hort der Engel überfluten wie eine schwarze Woge. Und dann.... werde ich mächtiger sein als Satan... mächtiger als... Gott!“

„Komm her und dann mach ich dich kalt!“ hides Sanftmut war wie weggeblasen. Makkuro bog den Hals in den Nacken und lachte irre.

Doch noch ehe er zu einer Erwiderung ansetzen konnte, brach urplötzlich ein gewaltiger Lärm aus den Lautsprecherboxen zu beiden Seiten der Bühne. Ohrenbetäubende Beats ließen das Holz der Plattform vibrieren, zugleich zerhackte ein Stroboskoplicht all ihre Bewegungen in einzelne Standbilder.

Oben in der Kanzel der Diskjockeys konnte man hektische Bewegungen erkennen, und ein angstvolles weißes Gesicht mit rieseigen schwarzen Augenlöchern wie bei einem Schreckgespenst lugte durch die Glasscheibe nach unten. Es war Sharaku, der Sänger von Metronome. Anstatt mit den anderen Gästen Hals über Kopf zu fliehen, hatte er sich bei den Plattentellern verkrochen. Dass das nicht sehr klug von ihm war, dürfte ihm in jenem Moment klar geworden sein, als er mit seinem ungeschickten Hintern den Schalter betätigte, der die Anlage hochfahren ließ.

Für Kyo war es genau die Ablenkung, die er brauchte.

Blitzschnell tauchte er unter Hibikis gelockertem Griff hinweg, zog den Brieföffner aus seinem Stiefelschaft und stieß ihn in einer einzigen, fließenden Drehung bis zum Heft in Hibikis Brust.

In grenzenloser Überraschung glotzte Hibiki auf den Dolchgriff hinab, der zwischen seinen Rippen herausragte. Seine Hände fuhren kraftlos zum Dolch und umklammerten ihn. Dann begann er zu husten, ein dünner Blutfaden drang ihm über die Lippen.

Seine Augen hefteten sich auf Kyos Gesicht. Es waren wieder Hibikis eigene, braune Augen. Makkuro verließ ihn als eine Wolke schwarzen Rauches und stieg zur Decke empor. In der Minute seines Todes war sein Geist wieder frei. Er schaute Kyo halb flehentlich, halb erstaunt an und fragte nur:

„Warum... hast du das... getan?“

Dann knickten ihm die Knie ein und er sank langsam zu Boden. Kyos schreckensbleiches Gesicht war verzerrt vor Leid.

„Tut mir so leid...“ murmelte er tonlos.

„Bitte, verzeih mir... du musst mir vergeben, ich wollte dir nichts tun...sag es...“ doch es kam keine Antwort.

Sharaku unterdessen hatte andere Sorgen. Die Meute brauchte nicht lange, um ihn dort oben zu entdecken. Während ein Teil noch unschlüssig auf ihren sterbenden Meister blickte, strömte der andere Teil bereits unaufhaltsam wie eine dunkle Woge der Verderbnis zur schmalen Treppe der Kanzel. Die Musik erstarb.

Sharuku stieß eine kurzen Schrei aus, dann flog ein Drehstuhl durch die Glasscheibe nach Draußen. Einen Augenblick darauf warf sich auch der Sänger durch den Splitterregen und landete so hart auf der Tanzfläche, dass es ihm die Besinnung raubte.

Hibiki war nicht tot, aber er lag im Sterben. Jeder mühsame Atemzug glich einem Röcheln, etwas gurgelte in seiner Kehle. Kyo hatte den Kopf der tödlich Verwundeten auf seinen Schoß gebettet. Langsam breitete sich Nässe um das Heft des Dolches aus.

Hide hatte sein Schwert zurück und hieb auf die Angreifer ein. Geronnenes Blut rann an der Klinge hinab, ihr Stahl hieb jeden in Stücke, der so unvorsichtig war, in hides Reichweite zu kommen. Mühelos als sei er ein Daunenkissen, schulterte sich hide den größeren Sharaku und begann den Rückzug zu dem am Boden kauernden Kyo. Noch hielt er die Untoten in Schach, aber es war nur eine Frage der Zeit, bevor sie alle eingekesselt sein würden.

Makkuro wütete und kreischte, aber als formloser Geist war er machtlos. ER begann bereits, sich aufzulösen und verschwand schließlich ganz.

Entmutigt durch das Verschwinden ihres Meisters ließen die Zombies von ihren gefangenen ab. Wie Schatten verschwanden sie in die finsteren Löcher, aus denen sie gekrochen kamen.

hides irrte durch den Saal, bis er Kazuki erblickte. Dieser hatte sich allein befreien können und war gerade in einen verbitterten Zweikampf mit dem besessenen Bandkollegen von Hibiki verwickelt. Kenka hielt Hibikis Messer auf Kazuki gerichtet.

„Ich werde die elendes, totes Fleisch aufschlitzen, das hätte ich schon längst tun sollen!“ knurrte er. Doch in nächsten Moment veränderten sich seine Augen, sie nahmen ihre gewöhnliche braune Farbe an, als sich der Dämon aus Kenka verflüchtigte, nachdem seines Meisters Macht gebrochen war. Kenka schaute verständnislos um sich. Er erinnerte sich an gar nichts.

Anstatt sich an ihm zu rächen begnügte sich Kazuki damit, ihn mit einem Kinnhaken ins Land der Träume zu schicken.

„Das ist dafür, dass du mich die ganze Zeit drangsaliert hast!“ knurrte er.

Hide sah ihn fragend an, woraufhin Kazuki mit den Schultern zuckte.

„Hey, das ist MEIN Art von Schlafzauber! So sparen wir uns wenigstens eine Erklärung.“

Hide grinste. Eine immer lauter werdende schluchzende Stimme riss seine Aufmerksamkeit herum auf Kyo.

Er hatte sich über den am Boden liegenden Hibiki gebeugt und begann, den reglosen leib immer heftiger zu schütten. Zuerst flüsterte er Worte, dann schrie er ihm ins Gesicht.

„Wach auf! Du kannst nicht tot sein, steh auf!“ er versetzte Hibiki eine Ohrfeige.

„Ich bin kein Mörder, als wach endlich auf!“ Kyo wurde hysterisch, er begann, Hibikis Brust mit der Faust zu bearbeiten.

Hide ließ sich neben ihm auf die Knie und legte ihm behutsam die Hand auf den Arm.

„Er ist tot, Kyo. Du musst ihn loslassen.“

Kyo weinte lautlos, seine Schminke lief in Strömen über seine Wangen.

„Nnnein...“ schluchzte er.

Hide umarmte ihn und küsste Kyo auf den Scheitel. Kyos Haarquasten strichen an seinem Gesicht entlang wie streichelnde, ganz weiche Pinsel.

Kazuki kam hinzu und setzte sich stumm auf die andere Seite. Er nahm Hibikis Leichnam in die Arme und bettete ihn angelehnt an eine Lautsprecherbox. Es sah aus, als schliefe er, abgesehen von dem Dolch in seiner Brust.

Hide trat an den toten Körper und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Er küsste Hibiki auf jedes Aug und auf den Mund, ein Hauch von einer Berührung. Dann zog er mit einem beherzten Ruck die Klinge heraus und warf sie fort.

Als Kyos tränen allmählich versiegten, führte hide ihn und Kazuki zum Notausgang.

„Ihr zwei müsst Sharaku tragen, während ich voraus gehe, um zu sehen, ob wir angegriffen werden.“

„Kommt gar nicht in Frage, wir nehmen ihn NICHT mit! Hörst du? Ich trage den schweren Kerl ganz bestimmt nicht mit mir rum!“ Kazuki protestierte empört, er hatte zur Bekräftigung die Arme über der Brust verkreuzt.



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