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Nigredo

Der Schatten des Lebens
von

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Seelenfänger

Seelenfänger
 

Der alte Friedhof lag nun wieder still und verlassen, nichts deutete darauf hin, dass ein fleischgewordener Alptraum eben noch eines seiner Geschöpfe aus der kalten Erde zu sich rief. Nur einige zerknüllte Geldscheine waren Spielbälle des Windes und trieben über eine, leeren Grab in trägen Wirbeln umher.

Kazuki hatte das Geld nicht genommen, er hatte ohnehin keine Verwendung dafür. Carrion hatte ihn damit nur verhöhnt, er war durchaus noch klaren Verstandes genug, um zu erkennen was er geworden war. Als ob er in eines dieser 24-Stunden-Geschäfte auf den Boulevards gehen könnte, um sich einzukleiden wie jeder andere normale Mensch! Im Geiste malte er sich die Szene aus, in der er fragen würde: "Entschuldigen Sie, ist die Konfektionsgröße für Totgewicht eine andere? Ich fürchte, ich füllte zu Lebzeiten meine Kleider vorteilhafter..". und die Verkäufer würden schreiend das Weite suchen. We are the living dead, we are transcendent, diese Textzeilen spukten in seinem Kopf herum, obwohl er sich an sonst nichts aus dem Lied erinnern konnte. Es passte einfach so gut, genau das war er! Ein wandelnder Leichnam, nichts weiter.

Abermals unterdrückte er einen Anfall irren Gelächters. Blutserum quoll ihm über die Lippen und klatschte auf die Erde zu seinen Füßen. Dann setzte er sich langsam in Bewegung, seinem anvisierten Ziel entgegen, was hatte er für eine Wahl? Seine von nasser Erde verkrusteten Finger hielten einen kleinen Gegenstand umklammert, aus dem eine dünne Melodie einsam über den Friedhof wehte, eine Musik, die kein menschliches Ohr an diesem Ort vernahm, und den Toten war es gleichgültig.
 

Mühsam stapfte Kazuki in die Stadt, er hinkte und schlotterte, obwohl er keine Kälte mehr empfinden konnte. Unterwegs tauschte er seine Lumpen gegen ein einfaches schwarzes Hemd und die Jeans eines Glücklosen, der zu später Stunde den entlegenen Weg nach Hause nahm. Der unfreiwillige Spender sah sein Unglück nicht einmal kommen, als der Wiedergänger sich lautlos aus den Schatten löste und den Mann hinterrücks anfiel. Sein Lied, welches er soeben noch so insbrünstig gelallt hatte, erstarb dem Mann auf den Lippen als kalte Hände seinen Hals packten und ihn zu Boden rissen. Noch bevor der Unglückliche sich von seiner Überraschung erholen konnte und schreien konnte, hatte Kazuki ihm bereits seine Zähne in die Kehle gesenkt und riss ein großes Stück Fleisch heraus. Mit der rechten Hand riss er den Kopf seines Opfers an den Haaren in den Nacken und vollendete sein werk. Das alles geschah blitzschnell. Eine Blutfontäne schoss aus dem halsstumpf und ergoss sich über Kazukis Hände. Er wischte sich mit triefenden Händen über den grinsenden Mund und leckte seine Finger ab. Dann entkleidete er die Leiche.
 

hide führte Kyo durch die dunklen Gassen, weitab vom nächtlichen Getümmel der Großstadt, die niemals schlief.

Es war still zwischen diesen Häuserzeilen, die Menschen hier schliefen längst und träumten ihre kleinen Träume, um die sie Kyo heftig beneidete. Familien wohnten hier, anständige Leute, wie seine Mutter sie nennen würde. Über die feuerleiter stiegen sie auf das Flachdach eines Wohnkomplexes und bezogen Stellung hinter der Brüstung.

"Was sollen wir hier, in Gottes Namen? Sag mir doch endlich, was wir suchen!"

allmählich verlor Kyo die Geduld, die Kälte kroch ihm unter die leichte Jacke und das Kapuzenshirt. Ratlos fuhr er sich mit der hand durch die wie elektrisiert hochstehenden Haare und nestelte eine Zigarette aus einer zerdrückten Packung.

Er hatte schon geraume Zeit vergessen, eigentlich Raucher zu sein und sog gierig an dem Glimmstengel. hide musterte ihn schweigend und wandte sich dann wieder dem gegenüberliegenden Gebäude zu.

Er flüsterte:

"Ich habe dir bereits erzählt, dass es in Nigredo Kreaturen gibt, die Seelen jagen."

"Ich erinnere mich. Was wollten diese Dinger von dir, du sagtest, sie verfolgten dich."

Zwischen den Augenbrauen des schmächtigen jungen Mannes bildete sich eine steile Falte.

"Auch deine Seele kann noch einen Tod sterben, der Seelentod bedeutet die völlige Auslöschung. Diese Wesen leben von diesem Tod, sie saugen die Seelen auf; es sind die eigentlichen Raubtiere im Haifischbecken namens Nigredo." Hide machte eine bedeutungsvolle pause, bevor er noch leiser weitersprach.

"Es gibt aber noch andere, die Seelenfänger. Sie können die Grenzen von Diesseits und Jenseits überqueren und streifen nachts umher, um Beute zu machen. Sie holen sich die Seelen von einsamen, verzweifelten, todessehnsüchtigen und willensschwachen Menschen. Sie locken sie nachts aus ihren Wohnungen und entreissen ihnen ihre lebendige Seele. Sie stopfen sie in ihren scheußlichen Sack und bringen sie ihrem Herrn. Manchmal rauben sie auch Babies ihre Seelen aus ihren Wiegen, weil sie schwach sind, und die Seelenfänger sind im Grunde feige - plötzlicher Kindstod heißt das dann." hide blickte Kyo grimmig an.

"Weißt du, manche Menschenglauben, dass man erst bei der Geburt eine Seele bekommt, die Zeit braucht, um sich in dem Fleisch festzusetzen, hineinzuwachsen. Darum ist es so einfach..." hides Stimme verebbte und Kyo war dankbar, dass sich hides Augen wieder dem Gebäude gegenüber zuwandten. Im Grunde hörte Kyo nur mit einem Ohr zu, das alles war zu verwirrend, zuviel auf einmal. Er war vollauf damit beschäftigt, seine eigenen Gefühle und konfusen Gedanken unter Kontrolle zu kriegen. Alles, was er dachte, war immer wieder nur: er ist hier, er ist zurückgekommen! Ich bräuchte nur meine Hand nach ihm ausstrecken und ihn berühren, so real...doch Kyo wagte es nicht, er könnte es nicht ertragen, doch nur wieder einer Illusion aufgesessen zu sein.

Lange warteten sie auf dem Dach. Kyo fror entsetzlich, aber hide schien die Kälte überhaupt nicht zu spüren und er machte nicht den Eindruck, als bemerke er wie der schmächtige junge Mann neben ihm zitterte. Kyo traute sich natürlich nicht, ein Wort darüber zu verlieren, solche Schwächen gestattete er sich nur selten. Also harrte er aus, zog sich die Kapuze tief ins Gesicht und rieb sich unauffällig die Hände und schlich auf und ab.

Gerade wollte er hide mit bebenden Lippen den Vorschlag machen, lieber ein andermal herzukommen, als dieser ihn vorn am Sweatshirt packte und ihn zu sichauf die Knie zwang.

"W-was..."

"Sei still", raunte hide, "Siehst du sie?"

Kyo folgte dem Blick des toten Gitarristen, und kniff im Versuch schärfer zu sehen die Augen zusammen. Gegenüber am Haus, huschten dunkle vermummte Gestalten die Feuerleiter hoch. Sie waren von Kutten verhüllt und trugen fleckige Leinensäcke auf den Schultern. Drei zählte Kyo.

Auf einem Balkon eine Etage unterhalb ihrer eigenen Position bezogen die Seelenfänger Stellung. Eine bleiche Kralle streckte sich aus einem fadenscheinigen Ärmel und kratzte über das Fensterglas. Hören konnte Kyo freilich nichts, aber sah die unmittelbare Wirkung. Die Terrassentür öffnete sich wie von Geisterhand, jemand musste sie von Innen geöffnet haben ohne Licht zu machen. Jemand, den sie angelockt hatten, ließ diese Wesen ein...

"Was geht da drüben vor? Was passiert denn jetzt?" wollte Kyo wissen. Er starrte noch immer auf die Stelle des Balkons, wo dir drei unheimlichen Kreaturen durch die Tür gehuscht waren.

"Die Seelenfänger werden vom Tod angelockt, weißt du", hides Flüstern klang jetzt bitter als er fortfuhr, "sie können oder dürfen ihre Opfer nicht selbst töten, aber sie können sie dazu treiben, gewissermaßen. Und sie ernähren sich vom physischen Tod derjenigen, deren Seele sie in ihren Sack stecken, um sie ihrem Herrn zu bringen."

"Soll das heißen, sie sind Aasfresser?" in was für eine absurde Situation bin ich da nur hineingeraten, dachte Kyo, bestimmt träume ich das alles nur und liege zu Hause in meinem Bett. Ein sehr intensiver Traum allerdings.

"Nein, sie saugen das Sterben in sich auf als wäre es Energie, die freigesetzt wird wie bei einer kleinen Supernova."

Wie aufs Stichwort öffnete sich die Tür zum Balkon gegenüber. Der Vollmond spendete genügend Licht die Szene zu erhellen. Ein Mädchen in einem leuchtend weißen Nachthemd schlüpfte durch die Tür und die drei Gestalten folgten ihr wie Schatten. Sie drängten sich um die junge Frau, die wie in Trance auf das Geländer kletterte und offenbar im Begriff war, sich in die Tiefe zu stürzen. Sie verharrte noch und hielt sich an der Mauerkante fest. Ihr langes schwarzes Haar verdeckte ihr Gesicht und wehte im Wind wie eine Fahne. Geschäftig scharwenzelten die Kutten um ihre schlanke Gestalt ohne sie zu berühren. Es war, als flüsterten sie ihr etwas zu, immer wieder hoben sich ihre Kapuzen an ihr Ohr.

Kyo verfolgte die Szene gebannt, hide sah grimmig aus als erwartete er einen bestimmten, bekannten Verlauf.

Jetzt richtete sich das Mädchen im Nachthemd auf, gleich würde sie loslassen und viel Stockwerke weiter unten auf dem nassen Asphalt aufschlagen.

Kyo stockte der Atem, in seiner Aufregung vergaß er alle Heimlichkeit und richtete sich auf. Er konnte nicht ohnmächtig dem zusehen, das sich da abspielte.

Aus voller Kehle brüllte er:

"Aufhören! Laßt sie zufrieden!" womit er die Gesellschaft auf dem Balkon und hide neben sich gleichermaßen überraschte.

Die Seelenfänger erstarrten in ihren Bewegungen und ihre Blicke schossen zu den auf dem Dach des gegenüber liegenden Gebäudes befindlichen Personen.

Man konnte ein aufgeregtes hohes Kreischen und Zischen vernehmen, als sich die Gestalten wie der Wind aufmachten und die Feuerleiter hinabeilten, schnell wie schwarze Vögel, die sich auf ihre Beute herabstießen. Sie ließen die einsame Frauengestalt zurück, die wie eine Schlafwandlerin regungslos am Geländer verharrte und weiter in die Tiefe blickte.

"Also, ein Versteck ist das hier jetzt jedenfalls keines mehr! Großartig!" hide war mehr genervt als verärgert.

"Was sollte ich denn machen, ich kann doch nicht einfach zugucken. Warum hast du mir das sonst überhaupt gezeigt?" verteidigte sich Kyo.

"Wir müssen hier schnellstens verduften, Kleiner, das könnte ungemütlich werden..."

Schon wurden Geräusche laut, als sich die Kapuzenträger die Feuerleiter des Gebäudes hochdrängten. Sie stießen wütende Pfeif- und Zischlaute aus.

"W-Was machen wir denn jetzt?" Kyo wandte sich nach seinem alten freund um, doch der war schon zur Tür, die ins Treppenhaus führte, gelaufen. Geräuschlos brach hide den Riegel auf und schubste Kyo unsanft ins Innere.

"Du verschwindest hier, aber schnell! Ich komme morgen bei Anbruch der Dunkelheit zu dir. Und jetzt geh!" das letzte, was Kyo sah, war hides angespanntes Gesicht, dann knallte dieser die Tür heftig zu. Die Klinke rammte Kyo und er fiel rücklings in die Dunkelheit.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  JohnnyMcAciD
2005-08-21T01:10:54+00:00 21.08.2005 03:10
Also ich finds die storx echt goil! Du hast des super in Worte gefasst und die Story is auch gut ausgetüftelt *großes lob*
Aber vielleicht sollte ich ned imma mittn inna Nacht FF´s lesen dann würd ich au bessere Kommis schreibseln.. Nee aba echt Hut ab und großes lob mach weiter so ich will endlich wissn wies weider geht *pat pat*

ChaosDevil13
Von: abgemeldet
2005-08-09T14:01:03+00:00 09.08.2005 16:01
GEIL GEIL GEIL; MACH SCHNELL WEITER!!!! yale, das ist super spannend und schön!
erinnerte mich sofort an meinen all-time fave the crow gemischt mit einer spur gods army! sehr genial, beide filme sowie thematik! toller schreibstil, also, weiter!
11 alles liebe dat doll


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