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The Tiger and the Wolf

von

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Im Büro des Rektors, oder warum es gut ist, ein Werwolf zu sein

Das Klassenzimmer hatte sich bereits zur nächsten Stunde gefüllt, bis auf zwei Plätze: Luke und Boyd. Ersteres war verwunderlich und ein frischgeduschter Scott machte sich ehrlich gesagt ein wenig Sorgen. Diese Sorgen wichen Nervosität, als der junge Alpha über Lautsprecher ins Büro des Rektors gerufen wurde. Das konnte nichts Gutes bedeuten. Unter den teilweise verwirrten, teilweise besorgten Blicken (letztere gehörten vor allem Allison, Isaac und Stiles), machte sich Scott auf den Weg.
 

Die Flure waren menschenleer. Der Werwolf konnte zwar, bedingt durch seine übernatürlichen Sinne, genügend hören, das Geräusch von Kreide auf Tafeln, Hefte, welche aufgeschlagen wurden, genauso wie Stimmen, Geflüster, Gemurmel und auch Stiles´ Worte, er solle auf sich aufpassen, und sich bemerkbar machen, wenn etwas schiefginge, doch das alles beruhigte ihn nicht sonderlich. Er fühlte sich alleine, hatte keine Ahnung was Gerard mit ihm vorhatte und wo Luke steckte. Was, wenn ihm etwas passiert war? Warum machte er sich überhaupt darum Gedanken? Wieso hatte er ihn geküsst? Warum hatte Luke gelogen? Diese Fragen wichen jenem Moment der Anspannung, als er vor Gerards Bürotür angelangt war und seine Finger den Türgriff umschlossen. Er klopfte und hörte dann ein vertrautes „Komm rein.“ Scott zog die Augenbrauen zusammen und trat dann ein.
 

Luke lehnt am Pult des Rektors, die Arme vor der Brust in einem schwarzen Hoodie verschränkt, seine Beine in den dunklen Jeans überneinandergelegt, die sich an die grau-schwarzen Sneaker mit der weißen Sohle schmiegten. Von seinem Großvater fehlte jedwede Spur. Seine grau-grünen Augen ruhten auf Scott, einen schwer zu deutenden Gesichtsausdruck aufgesetzt.
 

„Mach die Tür zu“, forderte er ihn auf.
 

War das eine Falle? Lauerten hier irgendwo Jäger auf Scott? Würde Luke so weit gehen? Konnte er das überhaupt? War er in Gerards Machenschaften eingeweiht? Der junge Alpha lauschte einen Moment, konnte aber keine ungewöhnlichen Laute vernehmen, daher entschloss er sich, der Aufforderung nachzukommen. Kaum, dass das passiert war, nickte Luke in Richtung eines der Stühle, in dem Scott schon viel zu oft Platz hatte nehmen müssen.
 

„Was ist hier los?“, fragte der Werwolf, als er sich hinsetzte.
 

„Du hast eine Freistunde“, erklärte ihm der Brite. „Grandpa kommt erst gegen 10:30, das heißt, wir sind alleine.“ Luke wippte mit den Fußspitzen unruhig vor und zurück, den Blick nach wie vor auf Scott geheftet. In seinen Augen spiegelte sich eine Mischung aus Neugierde, Wärme, aber auch Besorgnis wider. Für einen kurzen Moment blitzte der verletzliche Junge von vorhin durch, der sich förmlich in die Arme des Werwolfs gekuschelt hatte, bevor er wieder hinter einer Maske aus Ernst und Zurückhaltung verschwand.
 

„Wenn es um den Kuss von eben geht…“, fing Scott an, wurde aber sogleich unterbrochen.
 

„Tut es, ja“, bestätigte ihm Luke nickend. „Bevor du etwas sagst, Scott, möchte ich etwas wissen, okay?“ Luke schob die Unterlippe nach vorne und kaute einen Moment darauf herum, bevor er tief durchatmete und seine Haltung ein wenig straffte, noch immer am Schreibtisch des Rektors lehnend. „War das eine einmalige Sache?“
 

Der junge Alpha blinzelte perplex. Er hatte mit vielem gerechnet, dass ihn sein Gegenüber nun anschreien würde, ähnlich wie Stiles, oder verlangen, dass er sich entschuldigte, ihm seine Grenzen aufzeigte, wahrscheinlich sogar einen Anwalt wegen sexueller Belästigung an den Hals hetzen würde, doch nicht damit.
 

„Ich… was?“, fragte Scott völlig überrumpelt.
 

Luke verdrehte die Augen und sein Herzschlag beschleunigte sich. Sein Gesichtsausdruck glich erschreckend dem von Kate, als sie ihn damals fast mit der Eisenhutpatrone erwischt hatte. An dieses Verhör konnte sich der Werwolf noch gut erinnern.
 

„Ich will wissen, ob das eine einmalige Sache war, Scott.“ Der Stimme des Briten schwang dabei ein Hauch von Unsicherheit mit, die er jedoch gut zu verbergen wusste.
 

Das war eine Frage, die er ihm beim besten Willen nicht beantworten konnte. War es das gewesen? Wollte er ihn noch einmal küssen? Beim Gedanken daran durchströmte Scott ein angenehmes Kribbeln. Die Vorstellung, Luke in seinen Armen zu halten, ihre Lippen erneut aufeinanderzulegen, wie er ihm durch die Haare strich und sich sein Klassenkollege an ihn schmiegte, ließen ihn zusammenzucken. Er starrte auf seine Knie und dachte angestrengt nach. Sein Herz, seine Gefühle und auch der Wunsch, dass Stiles´ Vermutung wahr sein könnte, sprachen sich für ein Nein aus, dass es eben keine einmalige Sache war, doch sein Verstand riet ihm davon ab. Der Werwolf wusste nicht, inwieweit Luke im Bilde war und ob nicht auch das zu einem von Gerards durchtriebenen Plänen gehörte.
 

„Ich hoffe nämlich nicht“, durchbrach Luke die unangenehme Stille und ließ Scott dabei überrascht aufsehen. Die Züge des Briten wurden weicher, sanfter und ihnen hing ein Schimmer von Verliebtheit oder Verknalltheit an, je nachdem, wie man sie auslegen mochte. Alles, was vorhin noch an Kate erinnerte, war in jenem Augenblick ausgelöscht. „Wenn ich ehrlich sein soll…“, fing er an und seine Stimme wurde dabei immer leiser, während er an seinen Fingerspitzen herumzunesteln begann und sein Herzschlag sich dabei noch mehr beschleunigte, „hoffe ich, dass du mich genau jetzt noch einmal küssen möchtest.“
 

In Scott zog sich alles zusammen, sobald er realisiert hatte, was Luke da gerade gesagt hatte. Sein Gehirn schrie danach, diesem Wunsch nicht nachkommen zu wollen, dass es eine Falle sein konnte, eines von Gerards kranken Spielen, doch dann erinnerte er sich an Stiles´ Worte, dass Luke verletzlich gewirkt hatte. Das tat er in diesem Moment auch. Entgegen aller Regeln der Vernunft, stand der Werwolf auf und machte einen Schritt auf den Briten zu, der nun aufsah. Bevor er auch nur reagieren konnte, wurde dieser erneut geküsst, ganz sanft und behutsam. Es fühlte sich gut an und Scott wusste, dass es Luke genauso ging, auch ohne das erleichterte Seufzen, welches seiner Kehle dabei entsprang. Ja, Scott wollte ihn küssen! Er wollte noch einmal diese langen, schlanken Finger auf seiner Brust spüren, wie sie sich in seinem Shirt festkrallten, den schneller werdenden Herzschlag hören, diese weichen Lippen schmecken – sein ganzer Körper verzehrte sich danach. Und seinem Wunsch wurde auch Folge geleistet.
 

Luke beugte sich im Kuss nach vorne, legte seine Finger an Scotts Wangen und strich daran entlang, hielt sie behutsam fest, während er ihn näher an sich heranzog. Dabei verlagerte er seinen Position ein wenig, sodass er auf der Tischplatte saß, ohne dabei den Lippenkontakt zu unterbrechen.
 

Die Hände des Alphas glitten, wie von selbst, am Rücken des Briten entlang und ruhten dort im unteren Drittel, diesen noch ein wenig mehr zu sich ziehend. Mit jeder Sekunde, die dieser innige Moment andauerte, brannten Lukes Wangen ein wenig mehr, glühten förmlich. Sogar die Zahnspange war nicht im Weg, wie er vorhin noch befürchtet hatte. Für Scott schien es gerade nichts zu geben, außer den Jungen in seinen Armen, der sich an ihn drückte, als würde er sich fürchten, ihn sonst zu verlieren.
 

Luke löste seine Lippen, widerwillig wirkend, von Scott und lächelte dabei. Sein warmer Atem war auf der Haut des Werwolfs spürbar und ließ einen Schauer über dessen Rücken jagen. „Ich glaube, ich weiß, wie mein Nektar und mein Ambrosia schmecken würden, wäre ich auch in Camp Half Blood“, hauchte ihm der Brite zu.
 

„Was?“, gluckste Scott leise. „Wovon sprichst du?“
 

„Dass ich noch nie so etwas Wunderbares probiert habe wie deine Lippen“, gab sein Gegenüber leicht verlegen zu. „Ambrosia und Nektar heilen die Wunden der Halbgötter und haben dabei den Geschmack der Lieblingsspeise und des Lieblingsgetränks des jeweiligen Anwenders. Vorher dachte ich, dass es Jonathans Kakao wäre, den er mir jeden Morgen zubereitet, und dazu Grantapfelmus.“ Lukes Lächeln wurde ein wenig breiter. „Stimmt gar nicht – es würde den Geschmack deiner Lippen haben.“
 

Bevor Scott etwas erwidern konnte, wurde er wieder geküsst. Er überließ seinem Körper das Handeln und blendete seine Gedanken komplett aus. Gerade in diesem einen Moment gab es nur Luke und ihn. Keine Fragen ob dessen Geburtstags, der Geburtsurkunde, ob er etwas von Gerard wusste, nichts; der Werwolf konzentrierte sich auf seine Sinneseindrücke, die ihn zu überwältigen drohten.
 

Lukes rechte Hand ruhte inzwischen auf seinem Hinterkopf, während er die Beine soweit auseinanderbewegt hatte, dass der Alpha näher zu ihm heranrücken konnte. Aus dem unschuldigen Kuss wurde ein zweiter, dann ein dritter. Jede einzelne Berührung glich einem kleinen Stromstoß, der ihn durchzuckte.
 

Sie kosteten jeden Kuss voll aus und lösten sich nur, um ein wenig Luft zu holen. Das Spiel begann von Neuem. Luke strich mit seinen Lippen an Scotts rechter Wange entlang, über das Muttermal an seinem Kinn und an seinen Hals, der nun liebkost wurde. Jeder einzelne Kuss brannte auf seiner Haut. Er konnte einen leisen Laut nicht unterdrücken, vor allem, als sich Lukes freie Hand unter sein Shirt schob.
 

„Besser als der Kakao mit Ziegenmilch, Sahnehäubchen und einem Schuss Karamell“, drang es an sein Ohr. „Besser als das erste Mal mit dem Mercedes auf dreihundert zu beschleunigen“, kam es, nach einem längeren Lippenkontakt mit Scotts Hals. „Besser als mein erster Pokalsieg.“ Damit zog Luke den Kopf ein wenig nach hinten und starrte ihm verträumt entgegen.
 

„Das waren Komplimente, oder?“, fragte Scott leise glucksend.
 

„Natürlich“, bestätigte ihm Luke hastig. „Jedes einzelne.“ Dabei löste er sich von ihm, nur um dann nach einer seiner Hände zu greifen und ihre Finger miteinander zu verweben. Entgegen der Erwartung des Werwolfs, blieb der Reflex, die Hand zurückzuziehen, aus. Stattdessen strich er automatisch mit dem Daumen über den Handrücken seines Gegenübers.
 

„Scott, ich… also ich bin nicht sonderlich gut in den Dingen und ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie man das anstellt, aber… würdest du vielleicht mit mir Essen gehen? Ich meine, nicht mittels des Gutscheins, also weil ich dir etwas schulde, sondern, weil…“ Der Brite stammelte verlegen herum und schlug dabei die Augen beschämt nieder und das ließ ihn furchtbar süß wirken.
 

„Ja, würde ich gerne“, nahm Scott sanft die Antwort vorweg. „Sehr sogar.“
 

„Sicher? Ich meine, du musst nicht, aus Mitleid heraus oder so.“ Luke sah vorsichtig auf und räusperte sich betreten.
 

„Nicht aus Mitleid heraus“, korrigierte ihn der Werwolf und strich ihm dabei durchs Haar. „Irgendwie mag ich dich und du mich wohl auch, oder?“
 

„Scheint so, hm?“, grinste sein Gegenüber mit einem Mal und fuhr dabei an Scotts Hals entlang. „Das wird ein ziemlicher Knutschfleck werden.“
 

„Ah verdammt“, schnaubte Scott und rubbelte mit dem Handrücken darüber. „Ich komme von einem Gespräch mit dem Direktor so zurück, toll.“ Er wollte sich gerade ärgern, da wurde ihm bewusst, dass der Knutschfleck wahrscheinlich in wenigen Augenblicken verschwunden sein würde. Sich das Tattoo stechen und es sichtbar auf seiner Haut bleiben zu lassen, war mit höllischen Schmerzen verbunden gewesen. Wahrscheinlich funktionierte das bei einem Knutschfleck ähnlich. Zumindest darum musste er sich keine Sorgen machen, auch wenn er damit Luke gegenüber verdächtig wirken würde.
 

„Mh, vielleicht hast du es ja für eine Freistunde getan?“, meinte der Brite frech und erntete dafür von Scott einen dezent genervten Blick. „Lust auf Chinesisch? Morgen? Nach dem Orientierungslauf?“
 

Der Alpha überlegte kurz. Was war schon dabei, wenn er mit dem Jungen, der offensichtlich auf ihn stand, ausging? Es war ja nicht so, dass es ihm nicht ähnlich erging. Das wäre zwar das erste Date mit einem Jungen, doch was sprach dagegen? In Lukes Nähe fühlte er sich leichter, unbeschwerter und auch lockerer. Er hatte sich auch gerade nicht verwandelt und so konnte er ein Auge auf ihn haben.
 

„Einverstanden, aber nur, wenn wir beim örtlichen Chinesen essen und ich anständiges Besteck bekomme.“
 

Luke stimmte lachend zu und stahl sich noch einmal einen flüchtigen Kuss, ehe er vom Tisch rutschte und sich räusperte. „Du hast noch ungefähr zehn Minuten Unterricht. Ich tauche nach der Pause wieder auf, mit der Begründung, Grandpa hätte uns beide wegen einer etwaigen Fußballmannschaft so lange benötigt.“
 

Bei der Erwähnung Gerards kippte die gute Stimmung für Scott ein wenig. „Fällt das nicht auf? Ich meine, wenn er doch noch nicht da ist? Woher hast du überhaupt die Schlüssel?“
 

„Ich habe einen Zweitschlüssel anfertigen lassen, falls etwas bei Grandpa sein sollte. Ihn zu missbrauchen ist zwar nicht ganz legitim, aber wo kein Kläger, da kein Richter. Außerdem kann er ja noch etwas zu erledigen gehabt haben. Lass das meine Sorge sein.“ Luke ging damit zur Tür, öffnete sie einen Spalt breit und lugte nach draußen. „Tu mir nur einen Gefallen und erzähle Grandpa nichts davon, ja? Ich habe sowieso ein schlechtes Gewissen.“
 

„Klar“, versicherte ihm Scott und legte den Kopf ein wenig schief.
 

„Ich glaube, die Luft ist rein. Bis später!“ Damit bugsierte Luke Scott vor die Tür, nicht ohne ihm noch einmal flüchtig über die Finger seiner rechten Hand zu streichen. Der Werwolf machte sich auf den Weg in seine Klasse zurück, nicht ohne einen kleinen Abstecher in die Jungentoilette, um sich zu vergewissern, dass der Knutschfleck tatsächlich verschwunden war.
 

Ein äußerst seltsamer Tag, wenn er ehrlich sein sollte. Er mochte Luke, das war ihm nun bewusst und dem Briten schien es ebenfalls so zu gehen. Sie hatten morgen so etwas wie ein Date und gerade eben im Büro des Rektors geknutscht. Das glaubte ihm niemand. Der verliebte Ausdruck in Lukes Gesicht hatte sich in seine Gedanken gebrannt und ließ ihn lächeln, als er in die Klasse zurückkehrte, wo man ihn anstarrte, als hätte ihn ein Bus gestreift. Stiles, Isaac und Allison warfen ihm einen fragenden Blick zu, den er nur mit einer flüchtigen Geste seiner Hand abtat. Die restlichen Minuten starrte der junge Werwolf auf den leeren Platz, an dem Luke normalerweise saß. Ja, er war verknallt, eindeutig und das in den Enkel des Mannes, der ihn wahrscheinlich töten wollte. Stiles würde darin ein Muster erkennen, ganz sicher. Innerlich seufzend machte der Alpha sich bereit, mit Fragen gelöchert zu werden. Eine nette Mittagspause stand ihm bevor.



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