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Sailor Moon Lost Age

Geschichte vergangener Zeiten
von

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Sailor Moon Lost Age 02 - Die Weihe einer Priesterin

Buch 1: Eve
 

Kapitel 2 - Die Weihe einer Priesterin
 

Eve sog die kühle Abendluft ein und beobachtete, wie die letzten Strahlen der Sonne, die gläsernen Berge von Avalon feurig rot färbten. Wie viele Jahre war es jetzt schon her, dass sie und ihre Freundinnen auf der heiligen Insel ihre Ausbildung als Sailor Senshi und zukünftige Königin aufgenommen hatten, fragte sie sich. Gemeinsam mit den anderen trat sie aus dem kleinen Tempel, der die Tore zu den Heiligen Reichen bewahrte. Der Tempel lag inmitten eines gewaltigen Steinkreises. Er war zwar bei weitem nicht so groß wie der in Sinus Iridium auf dem Mond, aber auf Avalon waren alle Dinge etwas einfacher. Außerdem mussten die Tempel nicht bewacht werden, wie es auf dem Mond der Fall war. Doch wie sie vor kurzem selbst festgestellt hatte, nützte nicht einmal das.

Ihre Gedanken wanderten zurück zu dem Zeitpunkt, als sie das Tor von Sinus Iridium durchschritten hatten und in dem Tunnel aus Licht zwischen den Welten wanderten. Die Abgesandte des Bösen, die sich selbst Chaos nannte, hatte sie angegriffen und Eve eine höchst beunruhigende Prophezeiung mit auf den Weg gegeben. Eve schauderte, als sie an die kalte Stimme des bösen Wesens zurückdachte. "Eine Erbin Deines Blutes wird den Untergang des Mondreichs einläuten." Sie zwang sich, die Gedanken beiseite zu schieben und sich auf die Zeremonie vorzubereiten, die vor ihr lag. Neben ihr standen ihr Mann und ihre Freundinnen, die Königinnen der Planetenreiche, und beobachteten staunend den Sonnenuntergang auf Avalon.
 

Eine Bewegung am Rande des Steinkreises weckte ihre Aufmerksamkeit. Auf dem Pfad, der in eines der kleinen Wäldchen führte, entdeckten sie eine Prozession von 12 Gestalten, die sich auf sie zu bewegten. Alle trugen die weiten, weißen Gewänder von Priesterinnen und bewegten sich mit einer nahezu vollkommenen Anmut. Eve dachte fieberhaft nach, woher sie die 12 kannte. Die Prozession kam vor ihnen zum Stehen und die Sprecherin der Gruppe trat vor und lüftete die weite Kapuze ihres Gewandes. Mit dieser Bewegung entblößte sie damit lange, spitze Ohren und plötzlich wusste Eve, woher sie sie kannte.

"Cancer", rief sie glücklich und fiel der Priesterin in die Arme.

"Kleine Eve", sagte die Angesprochene mit weicher Stimme. "Wie groß Du geworden bist, seit wir uns das letzte Mal sahen." Sie blickte in die Runde der Königinnen und lächelte sanft. "Wie groß ihr alle geworden seid, meine Kinder." Auch die anderen Priesterinnen traten vor und lüfteten die weiten Kapuzen. Eve lachte und erkannte in ihnen ihre alten Lehrerinnen; die Gefährten der Hohepriesterin von Avalon. Sie entstammten dem alten Volk, dass auf der Erde lebte, ehe die Menschenkinder dort auftauchten. Diese 12 waren die mächtigsten ihrer Rasse und trugen die Macht der Sternbilder in sich, die schon seit Urzeiten ihre Bahnen um die Erde zogen.

"Die Hohepriesterin erwartet Euch bereits mit Ungeduld, junge Majestäten", erklärte Pisces ihnen. Sie war groß und schlank und hatte ihre langen, goldblonden Haare zu Zöpfen geflochten. "Wir hatten einige Unannehmlichkeiten auf unserer Reise", erklärte Eve ihnen. Sie wollte mit der genauen Schilderung ihrer Reise noch warten, bis sie ihrer Tante, der Hohepriesterin, gegenüberstand. "Also machen wir uns auf den Weg", beschloss Cancer, zog wieder die weite Kapuze über den Kopf und wandte sich wieder dem Weg zu. Die restlichen Zodiacs folgten ihr und den Schluss der Prozession bildeten Eve, ihr Mann und die anderen Königinnen.
 

Schweigend folgten sie den Priesterinnen durch die sanften Hügel von Avalon. Keiner von ihnen sagte ein Wort, denn alle genossen die friedliche Aura der Insel und wollten diese innere Ruhe nicht durch Geplapper stören. Das Glühen im Westen verblasste langsam und die ersten Sterne zeigten sich am Firmament. In wenigen Stunden würde die Zeremonie beginnen. Eve hakte sich bei ihrem Mann ein und ließ sich von ihm stützen. Sie nutzte die verbleibende Zeit, um sich die Insel genau anzusehen. Wieviel Zeit war vergangen, seit sie das letzte Mal hier gewesen war? Ihr kam es wie eine kleine Ewigkeit vor, dabei waren es erst drei Jahre gewesen, seit sie ihre Ausbildung als Sailor Senshi abgeschlossen hatte. Die Sonne schickte ihre letzten Strahlen über die gläsernen Gipfel der wenigen Berge, die die Insel im Westen vom Wasser trennten. Sie hatte dieses Schauspiel zwar schon oft beobachtet, doch sein Zauber hielt sie immer noch gefangen. Ohne dass sie es bemerkt hatte, war Cancer zu ihr getreten. "Wunderschön, nicht wahr?" Eve nickte stumm und wandte ihren Blick Cancer zu. Die zeitlosen, blauen Augen der Elfe strahlten wie das Wasser, das ihr Element war. "Kennst Du noch die Geschichte, die ich dir einmal über diese Berge erzählt habe?" Eve nickte und versuchte sich an die alten Legenden zu erinnern, denen sie früher so gern gelauscht hatte. Sie besagten, dass in diesen Bergen verborgen vier Tempel stünden, in dem Vier Heilige Schätze verwahrt wurden. Vor ewigen Zeiten wurden diese für den Tag verborgen, an dem sie ihren Zauber enthüllen und das Böse für immer besiegen würden. "Glaubst Du, dass diese Legenden wahr sind?" fragte Eve ihre alte Lehrerin. "Ich könnte momentan wirklich etwas Aufmunterung gebrauchen." Cancer legte ihr den schlanken Arm um die Schulter. "Ich weiß" sagte sie nur. "Ich spüre, das dich etwas bis tief in Deine Seele erschüttert hat. Aber laß Dir eines gesagt sein", flüsterte sie ihr leise zu. "Ich weiß, dass die Legenden wahr sind." Eve lächelte ihr dankbar zu und legte ihren Kopf für einen Moment an die Schulter der Freundin.
 

In diesem Moment öffnete sich die Bäume, die den Weg säumten, vor ihnen und gaben den Blick auf das Herz Avalons frei. Am Fuße eines großen Berges befand sich die Heiligste Stätte der Priesterschaft des Lichts. Ein gewaltiger Tempel aus irisierenden Kristallstrukturen überstrahlte die Umgebung mit dem Licht, das sich in den Säulen brach. Eve erkannte gleich, das dieser Bau nicht irdischer Natur sein konnte. Sie kannte die Konstruktion vom großen Tempel aus Sinus Iridium, dem dieser hier nachempfunden war. Um den Tempel herum sammelten sich die bescheidenen Häuser der Priesterschaft, die in schlichtem Weiß gehalten waren. Als Eve sich umblickte, erkannte sie die vielen weiß gewandeten Gestalten, die sich um den Tempel versammelt hatten. Unter all dem Weiß sah sie auch das Aufblitzen von Blau und Schwarz. "Atlantische Priester", dachte sie sich.
 

"Ich glaube, Du wirst erwartet", flüsterte Cancer ihr zu. Nun erblickte auch Eve die große Gestalt, die der Gruppe auf dem Pfad entgegen kam. "Vater", flüsterte sie aufgeregt. So schnell es ihr Zustand erlaubte, lief sie ihm entgegen. Als sie ihn im Gegenlicht der Sonne sah, verstand sie langsam, warum ihr Vater all die Jahre von den Bewohnern von Avalon als der "große Drache" bezeichnet wurde. Auch wenn er inzwischen silbernes Haar hatte, war er immer noch eine imposante Erscheinung. Sie warf sich in seine Arme und küsste ihn sanft auf die Wange. "Ich habe Dich vermisst, mein Kind" lachte er. "Und wie ich sehe, machst Du mich bald zum Großvater", bemerkte er, nachdem er sie kurz gemustert hatte. Eve lächelte. Für diese Erkenntnis bedurfte es wirklich nicht der Gabe des zweiten Gesichts. Plötzlich bemerkte sie hinter ihrem Vater noch eine weitere Gestalt. "Oh", sagte ihr Vater kurz. "Hier ist noch jemand, der dir Hallo sagen möchte." Die weißgekleidete Gestalt trat lautlos zu ihnen. "Sei gegrüßt, Eve, meine Kleine." Ein Lächeln breitete sich auf Eves Gesicht aus. "Tante Isarma", rief sie und drückte die Schwester ihres Vaters an sich. Sie strich sanft über die kobaltblauen Haare ihrer Tante, in denen sich inzwischen auch silberne Strähnen wiederfanden. Wie schon so oft fiel ihr auf, das sie vor Isarma wesentlich weniger Angst hatte, als vor Felicity, der Hohepriesterin. Auch wenn Isarma nach Felicity die ranghöchste Priesterin auf der Insel war, hatte sie nicht diese ehrfurchtgebietende Aura um sich.
 

Gemeinsam setzte die Gruppe das letzte Stück des Weges bis zum Großen Tempel fort. Die weißgewandeten Priester bildeten eine Gasse, damit die Herrscher des Sonnensystems an ihr bestimmtes Ziel gelangen konnten. Schon von weitem erkannte Eve die hochgewachsene Gestalt der Hohepriesterin des Lichts, ihrer Tante Felicity. Gemeinsam mit ihrer Tochter Infinity stand sie auf der obersten Stufe der Treppe, die in den Tempel führte. Wie alle aus der Familie hatten sie ihre rubinroten bzw. blonden Haare zu zwei Zöpfen gebunden, die fast bis auf den Boden fielen. Mit einem mulmigen Gefühl trat Eve vor ihre Tante und ihre Cousine. Sie verbeugte sich leicht, denn auch wenn sie nicht gerade tiefe Liebe zu ihrer Tante empfand, so wollte sie ihr zumindest den Respekt entgegenbringen, den sie verdiente. Mit einer gewissen Befriedigung sah sie, dass auch ihre Tante sich vor ihr verneigte. Und das durchaus zurecht, wie Eve fand. Immerhin war sie die Königin des Mondes und erwählte Herrscherin der Heiligen Allianz. "Sei gegrüßt, Tante", sagte Eve leise. Sie faltete die Hände vor der Brust und führte sie zu dem Punkt ihrer Stirn, an dem das Symbol des Mondes schimmerte. Felicity und Infinity erwiderten den Gruß. Ein sanftes Lächeln huschte über das ansonsten strenge Gesicht ihrer Tante. "Eve, mein Kind", sagte sie. "Wie schön, dass ihr es doch noch geschafft habt." Etwas unsicher wandte Eve den Blick ab. "Es gibt einen Grund dafür, Tante", begann sie. "Ich würde ihn dir gerne unter vier Augen mitteilen." Die Augen ihrer Cousine wirkten besorgt, doch das Gesicht ihrer Tante wirkte nun wieder streng wie immer. "Das hat Zeit bis nach der Zeremonie", beschloss sie. "Lasst uns nun beginnen. Das Sternbild des Orion, dem großen Krieger des Lichts, erhebt sich am Horizont. Die Zeremonie muss beginnen, bevor er den Zenit seiner Laufbahn erreicht hat. Der Geist des Lichtes schwindet in mir und er muß weiter gereicht werden."

Mit diesen Worten drehte sie sich um und bedeutete den anderen, ihr in den Tempel zu folgen. Infinity wartete auf Eve und schloss sie zur Begrüßung vorsichtig in die Arme. Eve seufzte und erwiderte den Gruß. Seit sie denken konnte, stand Infinity immer im Schatten ihrer Mutter und es war ihr von Geburt an vorbestimmt, als Priesterin im Tempel des Lichts zu dienen. Eve nahm ihre Cousine bei der Hand und ging gemeinsam mit ihr und ihren Freundinnen in den Tempel.
 

Die große Halle wurde ausschließlich für Zeremonien und in Ausnahmefällen auch für Versammlungen, die die gesamte Priesterschaft betrafen, verwendet. Über den säulengesäumten Wänden wölbte sich eine gigantische Glaskuppel, die den Blick auf den Nachthimmel freigab. Auf ihr waren alle Sterne und Konstellationen mit kleinen Kristallsplittern eingezeichnet. Auch das Sternbild von Orion, dem großen Kämpfer, erstrahlte dort. Auf sein Erscheinen warteten in dieser Nacht alle Menschen auf Avalon. Eve hatte sich schon früher gefragt, warum gerade diese Nacht so absolut notwendig für das Ritual war. Immerhin handelte es sich um die längste Nacht des Jahres. Gerade dieser Zeitpunkt war in ihren Augen für ein Ritual des Lichts denkbar ungeeignet. Doch ihre Tante sowie ihre Mutter hatten sie wiederholt darauf hingewiesen, dass sich nur in der vollkommenen Dunkelheit das Licht zeigen könne. Als hätten diese Gedanken Klarheit in ihren Kopf gebracht, wandte sich Eve wieder der Halle der Zeremonie zu.
 

Am Boden der kreisrunden Halle waren viele Kreise eingezeichnet, die eine stilisierte, vereinfachte Form des Sonnensystems darstellten. In der Mitte der Halle befand sich ein großer vielstrahliger, vielfarbiger Stern aufgezeichnet, der das Licht darstellen sollte. Der äußerste Kreis war in 12 gleichmäßige Segmente unterteilt, die den Repräsentanten des großen Zodiac vorbehalten waren. Lautlos glitten die 12 Hohen Elfen an den Freundinnen vorbei und nahmen ihren Platz an den 12 Punkten ein und schlossen damit den ersten Kreis. Eve war sich ziemlich sicher, dass ihre früheren Lehrerinnen bestimmt schon viele solcher Zeremonien mitgemacht hatten. Sie hingegen war bis jetzt nur auf ihrer eigenen Krönungszeremonie ein mehr oder weniger aktives Mitglied bei so etwas gewesen. Aber soviel hatte sie doch behalten: Ihre Freundinnen und sie mussten nacheinander die Kreise in der Mitte von innen nach außen füllen. Anschließend würde man die drei Priesterinnen in die Mitte des Kreises geführt, die man für würdig genug hielt, die neue Hohepriesterin zu werden. Am Rande ihres Blickfeldes registrierte Eve ihren Vater und seine Schwester Isarma, die der Zeremonie vom Eingang des Tempels her beiwohnten.
 

Irgendwo im Tempel wurde ein Gong geschlagen, der den Beginn der Zeremonie einläutete. Aurora machte den Beginn und nahm ihren Platz auf dem Kreis ein, der dem Stern am nächsten war. Ihr folgten Belisama, Eilan und Anara, die sich ebenfalls auf den Symbolen ihrer Heimatplaneten platzierten. Nun waren Eve, Arkon und Kybele an der Reihe. Wegen der fast identische Umlaufbahnen gab es für den Mond und Lilith einen gemeinsamen Kreis. Gespannt sah Eve zu der Kuppel hinauf und beobachtete, wie sich das Sternbild des Orion langsam über den Nachthimmel schob. Es würde nicht mehr lange dauern, bis sich der Krieger in der Mitte der Kuppel befand und das Ritual beginnen würde. Eve spürte nur noch am Rande, wie ihre Freundinnen ihre Plätze hinter ihr einnahmen und ebenso gebannt zum Himmel starrten, wie sie selbst. Der silberne Klang des Gongs ertönte ein zweites Mal. Nun betrat Felicity den Raum, gefolgt von den drei Novizinnen, von denen eine die neue Hohepriesterin sein würde. Die drei waren in Farben ihres Heimatplaneten gehüllt und hatten ihr Gesicht durch eine dünnen Schleier verborgen, was eigentlich nur der Tradition diente, da eigentlich jeder von ihnen wusste, wer hinter den Schleiern steckte. Weiß für die Sonne, Gold für die Erde und Silber für den Mond. Als sie an ihr vorübergingen, erkannte Eve die blassblonden Haare ihrer Cousine, die unter dem silbernen Gewand hervorlugten. "Viel Glück, Infinity", flüsterte sie. "Ich hoffe Du kannst den Erwartungen deiner Mutter gerecht werden."
 

Die Hohepriesterin blickte nun ebenfalls zu den Sternen. Es konnte sich nun nur noch um wenige Augenblicke handeln, bis Orion den Himmelszenit erreichen würde. "Repräsentanten des Sonnensystems" begann ihre Tante das Ritual. "Das Licht hat uns heute zusammengeführt, um eine neue Hohepriesterin zu wählen, die uns die nächsten 1000 Jahre beistehen wird, dem Bösen zu trotzen und das Gute zu mehren." Sie hielt kurz inne und blickte zum Himmel. "Steh uns bei, Orion" betete sie. "Krieger des Lichts, Herrscher des Himmels und der Sterne. Erhöre unsere Gebete und zeige uns die Erwählte, die uns erleuchten wird." Bei diesen Worten lüfteten die Novizinnen die Schleier und hoben ihre Hände beschwörend zum Himmel. Ihre Sternenkristalle erschienen und schwebten in einem sanften Leuchten über ihren Köpfen. Nur am Rande registrierte Eve, wie die Priesterinnen des Zodiac ebenfalls ihre Arme hoben, und sanfte Linien des Lichts rund um die Halle beschworen. Eve spürte die Urgewalt dieser Energie und ohne ihr Zutun erstrahlte ihre Aura in einem sanften silbernen Licht. Auch die übrigen Herrscher des Sonnensystems erstrahlten in den Farben ihrer Macht. Die Kreise auf dem Boden nahmen das Leuchten auf und trugen es weiter. Sie hatte das Gefühl, als würde die Welt für einen Moment den Atem anhalten, als Orion, der König der Sterne den Himmelszenit erreichte und sein Licht von den vielen kleinen Kristallen in der Kuppel reflektiert wurde. Nun erst erkannte Eve das komplizierte Muster, in dem die Sterne am Firmament angeordnet waren. Keinesfalls willkürlich, wie sie bisher immer gedacht hatte, sondern in einer vollkommenen Harmonie, welche die meisten Menschen auch in einem langen Leben nicht zu begreifen vermochten. Das Licht der Kristallsplitter bündelte sich über den drei Priesterinnen und formte eine unglaublich helle Energiesphäre. Geblendet von dem gleißenden Licht schloss Eve für einen Moment die Augen. Als es wieder verebbte, blickten sie alle wieder in die Mitte der Halle und erkannten, wen das Licht des Orion als Nachfolgerin Felicitys bestimmt hatte. Lilien, die Priesterin der Sonne schwebte einige Zentimeter über dem Boden und erstrahlte in einer Aura aus vollkommenem Licht. Das Zeichen der Sonne, was noch bis vor kurzem ihre Stirn zierte, hatte sich in den gleichen vielfarbigen Stern verwandelt, der auch den Boden der Halle schmückte.
 

Felicity trat zu Lilien und kniete vor ihr nieder. "Ich verneige mich vor der neuen Hohepriesterin und übergebe Euch hiermit die Zeichen Eures Amtes und Eurer Würde." Mit diesen Worten nahm sie das Diadem von ihrem Kopf und setzte es Lilien auf. Das Diadem war mit kleinen Steinen besetzt, von denen jeder einen der Planeten repräsentierte. Als nächstes legte Felicity ihr den Umhang um, der ebenfalls den Stern als Wappen trug. Nacheinander umarmten die beiden anderen Novizinnen Lilien und beglückwünschten sie zu ihrer Wahl als Hohepriesterin. Danach zogen sie sich an den Rand des Kreises zurück und beobachteten den weiteren Ablauf der Zeremonie. Orion war inzwischen weiter gezogen und hatte seinen Platz am Mittelpunkt des Nachthimmels verlassen. Es würde nun wieder 1000 Jahre dauern, bis er in diese Position zurückkehrte. Alle wandten die Augen nun wieder Lilien zu. Ein warmes Leuchten lag in ihren grauen, zeitlosen Augen, mit denen sie sie nun musterte. Ein seltsames Wissen lag in ihrem Blick, so als hätte sie in dem Augenblick, als der Geist des Lichts sie berührte, eine universelle Wahrheit erfahren.

Nun war es ihnen gestattet, ihre Positionen zu verlassen und der neuen Hohepriesterin ihre Glückwünsche auszusprechen. Als erstes umarmte Aurora ihre Schwester, die ihr plötzlich merkwürdig fremd vorkam. Als die Vertreter des Sonnensystems ihren Segen gegeben hatten, wurde es Zeit für die neue Hohepriesterin, sich der Priesterschaft zu zeigen, die sie die nächsten 1000 Jahre leiten würde. An der Seite von Felicity trat Lilien in die kühle Abendluft des Tempels und wurde von der jubelnden Priesterschaft empfangen.
 

Die Festlichkeiten dauerten noch die ganze Nacht. Ganz Avalon feierte seine neue Hohepriesterin und damit den Sieg über die Finsternis. Eve hatte sich schon etwas früher als ihre Freundinnen von der Feier zurückgezogen, und hatte ihre plötzliche Müdigkeit mit ihrer Schwangerschaft erklärt. In Wahrheit hoffte sie, ihre Tante Felicity einmal unter vier Augen anzutreffen und ihr über ihre Begegnung mit der Verkörperung des Chaos zu berichten. Ziellos wanderte sie durch die großen Gärten, die den Tempel umgaben, bis sie plötzlich an der Heiligen Quelle stand. Sie fragte sich, ob es wohl Schicksal oder Zufall gewesen war, die sie hierher geführt hatten. An einem der großen Becken, in die sich die Quelle ergoss, genannt der Spiegelteich, erspähte sie zwei wohlbekannte Personen. Felicity und Lilien standen im Schutze der Bäume und unterhielten sich leise. "Ich habe es genau gespürt", erklärte Felicity. "Das Böse hat sich wieder geregt. Die uralten Prophezeiungen, nach denen wir unser Leben richten, scheinen keine Gültigkeit mehr zu haben." Erschrocken hielt Eve die Luft an. Es war ihrer Tante also schon bekannt, dass das Chaos sich in der Welt gezeigt hatte. "Sei ganz beruhigt", versuche Lilien ihre Tante zu beruhigen. "Als das Licht mich erwählte, gewährte man mir für einen kurzen Augenblick einen Blick in die Zukunft. Glaub mir, unser aller Retter wird geboren werden." Sie hielt kurz inne. "Nicht in diesem Zeitalter und vielleicht auch nicht im nächsten. Aber glaub mir, der Retter wird kommen." Staunend lauschte Felicity den Erklärungen von Eve. "Ist es uns möglich, die Person zu beschützen, die den Retter zur Welt bringt?" Eve wunderte sich etwas. Ohne die Aura und die Macht der Hohepriesterin wirkte ihre Tante erschreckend menschlich und verletzlich. "Das wird nicht nötig sein. Deine Nichte kann sich sehr gut selbst beschützen." Für einen Augenblick senkte ich sich eine ungläubige Stille über den Spiegelteich. "Eve?" fragte ihre Tante ungläubig. "Weiß sie von dem Schicksal, das ihr bestimmt ist?" Lächelnd blickte Lilien in Eves Richtung.

"Wenn sie es vorher nicht wusste, dann mit Sicherheit jetzt." Sie hob eine Hand und bedeutete Eve sich zu ihnen zu gesellen. Mit einem mulmigen Gefühl verließ Eve ihr Versteck hinter den Bäumen und ging zu ihrer Tante und dem Oberhaupt der Priesterschaft des Lichts. "Du hast uns also belauscht", stellte Lilien belustigt fest. Eve wollte protestieren, doch Lilien gebot ihr mit einer Hand zu schweigen. "Das trifft sich ausgezeichnet und erleichtert uns die Aufgabe, es dir zu erklären." Eve glaubte vor Staunen keinen Ton herauszubringen, doch plötzlich brachen ihre Gefühle durch und sie versuchte der Hohepriesterin alles über die unheimliche Begegnung mit dem Geist des Bösen zu berichten.
 

Als sie mit ihren Erzählungen endete, sahen Felicity und Lilien sich angespannt an. "Und deshalb verstehe ich nicht, wie ich den Retter zur Welt bringen kann und gleichzeitig eine meiner Nachkommen für die Zerstörung des Mondreiches verantwortlich sein wird." Lilien sah sie mit festem Blick an. "Eve, könntest Du in Betracht ziehen, das du in Deinem noch sehr langen Leben mehr als eine Tochter haben könntest?" Inzwischen ärgerte sich Eve ein bisschen darüber, dass sie in Gegenwart der neuen Hohepriesterin aus dem Staunen nicht mehr herauskam. "Mehr als eine Tochter?" Es war ihr nie in den Sinn gekommen, im Moment an mehr als nur ein Kind zu denken. Sie glaubte sich außerdem noch zu erinnern, dass es in der Natur von Erben mächtiger Sternenkristalle lag, nie viele Kinder zu haben, da ihre Macht sonst verwässern, oder ungleichmäßig verteilt werden würde. Sie spürte plötzlich eine Hand, die ihr über die Wange strich und bemerkte erstaunt, das ihre Tante sie liebevoll ansah. "Hab keine Angst, kleine Eve. Avalon wird dir beistehen in dieser schweren Zeit." Verwirrt blickte Eve von Felicity zu Lilien. "Was meint ihr damit?" fragte sie. Die Hohepriesterin der Vergangenheit und der Gegenwart sahen sich lange schweigend an, als würde eine lautlose Absprache zwischen ihnen ablaufen. Schließlich wandte Lilien sich ihr zu. "Ich werde morgen eine kleine Reise mit Dir machen, Eve. Wir werden uns bemühen, eine andere Prophezeiung in Gang zu bringen und hoffen, dass es Dir helfen wird." Sie hakte sich bei Eve unter. "Aber nun begleite ich dich zu Deinem Schlafgemach. Wir haben morgen viel vor und in Deinem Zustand solltest du jetzt noch für jedes bisschen Schlaf dankbar sein." Verwirrt ließ Eve sich von ihr mitziehen und verabschiedete sich noch im Gehen von ihrer Tante.
 

Die Morgensonne schickte die ersten Strahlen über Avalon. Viele der Priester hatten sich schon in den heiligen Hainen der Insel versammelt, um den ersten Lichtstrahl nach der längsten Nacht des Jahres zu begrüßen. Die alte und die neue Hohepriesterin wanderten schon seit den frühen Morgenstunden durch die Haine, die sich in der Nähe des Tempels befanden und sprachen den Segen des Lichts aus. Nachdem Lilien mit Felicity den Gang durch die Haine beendet hatte, machte sie sich auf den Weg, um mit Eve die Wanderung anzutreten, die sie ihr gestern versprochen hatte. Sie fand die Königin des Mondes schließlich in ihrem Gemach. Die tiefen Ringe unter ihren Augen verrieten, dass sie in der Nacht nicht allzu viel geschlafen hatte. "Konntest Du nicht schlafen?" fragte Lilien mehr aus rhetorischen Gründen. "Nein", antwortete Eve. "Einmal, weil ich über das nachgedacht habe, was ich erfahren habe, als ich Dich und Felicity "belauscht" hab und dann, weil meine Tochter anscheinend langsam unruhig wird", schloss sie und strich sich einmal sanft über den Bauch. Lilien lächelte leicht bei der Vorstellung, dass Eve bald Mutter sein würde. "Dann sollten wir uns beeilen", sagte sie. "Das Kind wird zwar erst in zwei Tagen zur Welt kommen, aber wir haben auch noch ein kleines Stück vor uns." Verdutzt sah Eve sie an. "Woher weißt Du...?", dann brach sie ab. "Schon gut. Vergiss es", bat sie mit einem resignierten Seufzer. "Machen wir uns auf den Weg."
 

Die Sonne wanderte langsam über den Himmel, während Eve und die Hohepriesterin Lilien durch die Landschaft Avalons wanderten. "Wieso trittst Du eigentlich mit mir diese Wanderung an?" wollte Eve wissen. "Dies ist Dein erster Tag im Amt der Hohepriesterin. Solltest Du nicht irgendeine Zeremonie durchführen?" Lachend wandte sich Lilien ihr zu.

"Es stimmt schon, dass ich jetzt eigentlich neben deiner Tante stehen sollte und eine offizielle Initiation bekommen sollte. Aber wir haben uns gestern Nacht entschlossen, dieses Ritual zu verschieben." Eve schwieg eine Weile und dachte über das nach, was Lilien ihr gerade eröffnet hatte. Die Wintersonne schien warm vom Himmel und sie genoss für einen Augenblick die Wärme, die ihre Strahlen spendeten.

"Was ist so wichtig an dieser Wanderung, dass du dafür so ein Ritual verschieben lässt?" nahm Eve das Gespräch wieder auf. Mit ernstem Gesicht wandte Lilien sich ihr zu. "Hast Du denn nicht bemerkt, wo wir hingehen?" Eve richtete ihren Blick nach vorne und erblickte zu ihrem Erstaunen vor sich die gläsernen Berge. Etwas in ihr hatte Angst, denn sie hatte in ihrer Kindheit zu viele Schauermärchen darüber gehört, was mit Menschen geschah, die sich unerlaubt in die Heiligen Berge Avalons begaben. "Was wollen wir dort?" fragte sie mit zittriger Stimme. Lilien bemerkte ihre Angst und bemühte sich, sie zu beruhigen.

"Oh, sei unbesorgt. Wir haben die Erlaubnis, die Berge zu betreten." Nach einem kurzen Moment des Schweigens fuhr sie fort: "Was weißt Du über das Licht, Eve?" Verblüfft über diese Frage, dachte Eve einen Moment nach. "Das Licht steht für das Gute. Die Herrscher dieses Sonnensystems und die Könige der meisten Reiche in der Galaxis dienen dem Licht, um das Gute zu verbreiten." Lilien nickte leicht. "Das ist richtig. Gut und Böse liegen in einem ewigen Krieg miteinander. Und es gibt in der Geschichte immer wieder Personen, die von einer der beiden Mächte beseelt worden sind. Ihnen war es bestimmt, Großes zu tun. Nicht immer Gutes, aber Großes."

Sie sah Eve nun direkt an. "Deiner Familie wird solch ein Wesen entspringen, Eve. Ein Wesen, dass den Geist des reinen Lichtes in sich trägt und die Macht hat, das Böse in seine Schranken zu verweisen." Eve blickte Lilien mit großen Augen an und strich leicht über ihren gewölbten Bauch. "Meine Tochter?" fragte sie vorsichtig. Lilien schüttelte leicht den Kopf. "Nein, keine Deiner Töchter wird die Erwählte sein. Doch auch sie werden sehr mächtig werden."
 

Die Königin des Mondes schüttelte verwirrt den Kopf. "Lilien...", begann sie. "Lilien, ich hatte vor ein paar Tagen eine seltsame Vision. Vielleicht kannst Du mir sagen, was sie bedeutet." Sie sah unsicher zu Lilien hinüber und begann mit der Schilderung dessen, was sie gesehen hatte. "Ich habe zwischen Avalon, Lilith und dem weißen Mond ein seltenes Machtgefüge gesehen. Ein Dreieck der Macht. Kannst Du mir sagen, was das bedeuten soll?"

Lilien lachte sie an. "Es ist das Schicksal, welches Deinen Töchtern bestimmt ist. Sie werden das Erste von vielen solcher Triaden bilden, die Deine Familie zu dem Platz im Universum führen soll, der ihr gebührt." Eve war nun völlig verwirrt. Eigentlich hatte sie sich von dem Gespräch mit Lilien erhofft, einige Fragen beantwortet zu wissen. Stattdessen türmten sich nun immer mehr ungeklärte Fragen vor ihr auf und sie entschied sich, fürs erste mit der Fragerei aufzuhören, um nicht völlig den Verstand über das Nachdenken zukünftiger Generationen und Machtverhältnisse zu verlieren.
 

Inzwischen hatten sie den "Eingang" zu den gläsernen Bergen erreicht. Eine uralte Steinstrasse wand sich in sanften Kurven den Hügel empor und endete an einem großen Torbogen, der die Grenze zwischen den Ebenen Avalons und den Heiligen Bergen bildete. "Was wird uns dort erwarten?" wollte Eve von der Hohepriesterin wissen. "Hab Geduld", antwortete diese. "Ich werde dir alles erklären, wenn wir uns innerhalb der Berge befinden." Trotz all der Versicherung von Seiten Liliens hatte Eve ein mulmiges Gefühl, als dass alte Grenztor immer näher kam. Bildete sie es sich nur ein, oder wirkten die Schatten, die die Berge warfen, nun um einiges bedrohlicher, als noch bis vor kurzem. Sie unterdrückte ein kurzes Schaudern und beeilte sich mit Lilien Schritt zu halten.

Es fiel ihr jedoch immer schwerer das Panikgefühl zurückzuhalten, je näher sie dem Torbogen kamen. Eve wunderte sich, das Lilien anscheinend nichts dergleichen fühlte, obwohl ihre Sinne als Hohepriesterin für solche Dinge eigentlich geschärft sein sollten.

"Lilien, bist du sicher, dass uns nichts Bedrohliches erwartet?" Ihre Begleiterin drehte sich zu ihr um und Eve war über den Anblick mehr als erstaunt. Liliens Gesicht war kreidebleich und Schweißtropfen rannen ihr die Wangen hinab. "Mach Dir keine Sorgen", sagte sie mehr oder weniger unbekümmert. "Was Du fühlst ist ein uralter Schutzring, der unerwünschten Besuchern den Zugang zu den Bergen verwehren soll. Je weniger Du Dich auf dieses Gefühl einlässt, umso erträglicher wird es für Dich sein. Sind wir erst innerhalb der Berge, wird die Wirkung aufgehoben." Mit diesen Worten atmete Lilien einmal tief durch und wandte sich wieder dem Portal zu, dass sie nun schon fast erreicht hatten.
 

Das Portal bestand aus nichts anderem als einem riesigen, steinernen Torbogen, der von vier Säulen getragen wurde. Auf jeder dieser Säulen war eine kleine Vertiefung angebracht, in die wohl so etwas wie ein Juwel oder Stein hineinpasste. Bei näherem Hinsehen erkannte Eve in dem Durchgang des Bogens eine leicht schillernde Energiewand, die den Unerwünschten den Weg versperren sollte. "Das Einzige, was wir jetzt noch tun müssen, ist, um Einlass zu bitten."

Lilien zog aus ihrem Gewand einen kleinen Beutel, aus dem sie nacheinander vier Steine zog. "Ein Stein für jedes Element", erklärte sie Eve. "Der Rubin für das Feuer, der Aquamarin für das Wasser, der Smaragd für die Erde und der Bernstein für den Wind. Wir müssen sie in die Vertiefungen an den Säulen einfügen." Die Hohepriesterin schritt zur ersten Säule und legte den Smaragd in die Aushöhlung darin.

"Hüter der Erde, unsere Schritte mögen auf allen Wegen ins Licht führen." Als nächstes ergriff sie den Rubin.

"Wächter des Feuers, das Feuer des Lebens brennt hell in unseren Körpern." Darauf folgend legte Lilien den Bernstein an seinen Bestimmungsort.

"Bewahrer der Lüfte, die Unsterblichkeit der Seele wandelt auf deinen Pfaden." Und als letztes Edelstein wurde der Aquamarin in die letzte der Säulen gelegt.

"Behüter des Wassers, von Zeitalter zu Zeitalter werden wir aus dem Kelch des Lebens wiedergeboren."

Als Lilien auch die letzte Beschwörung gesprochen hatte, verschwand die Energiewand, die ihnen bisher den Eintritt in die Berge verwehrte und auch das Gefühl der Angst, dessen Eve sich noch lebhaft bewusst war, löste sich. "Uns wurde der Eintritt in die Gläsernen Berge gewährt", verkündete Lilien. "Lass uns nun gehen!"
 

Im Tempel des Lichts unterdessen, wanderte Anara unruhig durch ihr Zimmer. In diesem Fall war es wirklich nur ein Zimmer, und kein königliches Gemach, welches sie noch im Palast des Mondes genießen konnte. Und dennoch war es von der Bequemlichkeit her schon weit mehr, als sie in ihrer Ausbildung als Prinzessin und Kriegerin genießen durfte. Felicity, die damals die amtierende Hohepriesterin war, legte großen Wert darauf, dass die jungen Kriegerinnen sich nicht allzu schnell an den Luxus gewöhnten, der ihnen als spätere Königinnen offen stehen würde. "Wie kann sie nur so unvernünftig sein?" fragte sie sich immer wieder und hielt sich dabei immer wieder den kurzen Brief vor die Augen, den sie am Morgen auf ihrer Türschwelle gefunden hatte. Rechtschreibung war zwar noch nie Eves starke Seite, aber das war auch gar nicht der Punkt, der Anara solche Sorgen machte. Nachdem sie nun schon den halben Vormittag damit verbracht hatte, Arkon, dem königlichen Regenten, einen Vortrag darüber zu halten wie anfällig doch Frauen im Endstadium ihrer Schwangerschaft wären, und wie er es überhaupt wagen könne, seine geliebte Frau so einfach auf eine große Wanderung gehen zu lassen, war sie dazu übergegangen nervös in ihrem Zimmer auf und ab zu gehen und mit den Wänden zu sprechen. Diese waren auch bei weitem bessere Zuhörer als Arkon, der eigentlich immer nur versucht hatte, sie davon zu überzeugen, dass es von existentieller Wichtigkeit wäre, dass Eve mit der neuen Hohepriesterin diesen Ausflug machen würde. Anara schrak zusammen, als es einmal kurz und heftig an der Tür klopfte.

Als sie öffnete, erkannte sie Felicity, die alte Hohepriesterin der Insel. "Darf ich hereinkommen?" fragte sie mehr rhetorisch als wirklich interessiert und trat auch schon ein. "Ich habe gehört, dass Du Dir große Sorgen um Eve machst?" Anara stutzte einen Moment. Auch wenn Felicity Eves Tante war, hatte sie nie viel Zeit damit verschwendet, große Zuneigung für ihre Nichte zu bekunden. "Ich kann Dich hoffentlich etwas beruhigen. Eves Kind wird erst in zwei Tagen zur Welt kommen und es ist wirklich wichtig, dass Eve mit meiner Nachfolgerin diese Reise zu den gläsernen Bergen antritt. Besonders jetzt, nachdem wir von ihr diese beunruhigenden Nachrichten über den Geist des Chaos erhalten haben, der euch vor kurzem angegriffen hat." Anara presste kurz die Lippen aufeinander. Die Erinnerung an den Zeitpunkt, als sie alle im Lichttunnel das Chaos in seiner wahren Gestalt gesehen hatten, rief bei ihr immer noch ein Gefühl des Schauderns und der Kälte wach. Als Felicity sich gerade zum gehen wandte, hielt Anara sie noch kurz zurück. "Weißt Du, wann sie zurückkommen wird?" Felicity dachte kurz nach. "Sie werden es innerhalb der zwei Tage, die Eve noch bis zur Geburt bleiben schaffen, hierher zurückzufinden."

Mehr oder weniger erleichtert wandte sich Anara nun wieder dem Brief zu. "Man sollte von einer Königin zumindest erwarten, dass geschriebene Wort zu beherrschen", murmelte sie vor sich hin und begann wieder in ihrem Zimmer umher zuwandern.
 

Inzwischen hatten Eve und Lilien das Innere der Berge erreicht. Die Steinstrasse, die sie schon von den Ebenen bis zum Tor geführt hatte, zog sich nun auch durch die gläsernen Berge. Es sah hier ganz anders aus, als Eve vermutet hätte. Die felsige Außenseite der Berge hatte sie eine eher weniger bewachsene Steinwüste erwarten lassen. Doch auch hier blühten Blumen und standen Bäume in vollem Grün. Fast war es so, als würde innerhalb der Berge ein anderes Klima herrschen, als in der Außenwelt.

Die breite Steinstrasse gabelte sich vor ihnen plötzlich in vier kleinere Wege, die allesamt in verschiedene Richtungen führten. Das besondere hierbei war, dass jede einzelne von ihnen von einer der Edelsteinarten eingefasst war, die Lilien bereits am Eingang in die Säulen gelegt hatte. "Welchem Weg werden wir folgen?" fragte Eve neugierig. Nachdem sich Lilien kurz orientiert hatte, folgte sie dem Weg, der von feurigen Rubinen eingefasst war. Überrascht folgte Eve ihr.

"Wohin führen all diese Wege?" wollte sie wissen. Lilien sah sie nachdenklich an. "Du erinnerst Dich doch noch an das, was ich dir vorhin über das Licht erzählt habe", begann sie. Nach einem kurzen Nicken von Eves Seite fuhr sie fort. "Das Licht hat seinen Kindern, die vom Geist des Guten durchdrungen waren, schon immer besondere Talismane mit auf den Weg gegeben, um sie vor der Macht des Bösen zu beschützen. Diese Artefakte haben sich im Laufe der Geschichte in immer unterschiedlichen Gestalten gezeigt, doch alle haben denselben Ursprung. Alle sind hier auf Avalon entstanden und wurden vom Geist des Lichts an seine Kinder weitergegeben. Nachdem sie ihre Aufgabe in der Welt vollbracht hatten, kehrten sie wieder hierher zurück und wurden bewacht." Lilien beobachtete Eve kurz, um sich zu vergewissern, das sie auch alles verstand. "Es gibt Vier Elemente", fuhr sie fort. "Und genauso gibt es auch Vier Talismane. Sie alle haben schon mehrfach großen Menschen gehört, die das Schicksal der Welt oder einzelner Völker damit beeinflusst haben. Denke nur an den Stab, mit dem der Prophet Moses das Rote Meer geteilt hat. Den Spiegelschild, mit dem der Göttersohn Herkules die Medusa, ein Geschöpf des Bösen, besiegt hat. Das Schwert, mit dem Deine Ahnin Infinity vor langer Zeit den entscheidenden Schlag gegen das Chaos führte. Oder denk an den Heiligen Kelch, aus dem die erste Hohepriesterin Avalons den Spiegelteich erschaffen hat. All diese Talismane haben schon oft ihre Gestalt gewechselt, um den Menschen im Verborgenen den Weg zu weisen. Und heute wirst Du eine der Erwählten sein, die einen dieser Talismane bekommen." Grenzenloses Staunen stand Eve ins Gesicht geschrieben. All diese Geschichten hatte sie zwar schon einmal gehört, doch waren es für sie bis jetzt wenig mehr als Märchen und Sagen gewesen. Die Vorstellung, dass sie nun kurz davor stand, einen der heiligsten Gegenstände im Universum zu berühren, erschütterte sie etwas.
 

In diesem Moment kamen sahen sie von weitem einen gigantischen Wasserfall, der sich von einem der gläsernen Berge hinabstürzte. Dorthin führte der Weg, der mit den Aquamarinen gesäumt war. "Hinter diesem Wasserfall befindet sich der Tempel des Wassers", erklärte Eve. "Dort wird der Heilige Kelch behütet, der einigen von uns auch als Gral bekannt ist." Staunend beobachtete Eve einen Augenblick der schimmernden Regenbogen, der über dem Wasserfall erschien, wenn die Sonne sich in den Wassertropfen brach. Hinter der nächsten Biegung kam ein weiterer Berg zum Vorschein. Er fiel Eve besonders auf, weil seine Spitze unter einer dichten Wolkendecke lag und dort anscheinend ein ewiges Gewitter herrschte. "Was befindet sich dort oben?" fragte sie vorsichtig. "Dort oben befindet sich der Tempel der Luft", erklärte Lilien. "Dort wird der mächtigste Talisman aufbewahrt. Er ist noch durch mehrere Faktoren gesichert, so das wirklich niemand die Chance hat, ihn unaufgefordert an sich zu nehmen." Mit diesen Worten deutete sie in die entgegengesetzte Richtung auf einen felsigen Hügel, der jedoch in weiter Entfernung liegt. "Dort hinten befindet sich übrigens der Tempel der Erde. In ihm befindet sich der Heilige Spiegel. Normalerweise ist das der Talisman, der als erstes bemüht wird. Doch in diesem Fall brauchen wir etwas anderes." Verwirrt lief Eve weiter hinter Lilien her Die Landschaft um sie herum wurde trotz des ewigen Frühlings, der hier zu herrschen schien immer felsiger und eintöniger. "Wo genau wollen wir denn hin?" fragte sie vorsichtig. Lilien blieb stehen und deutete auf einen besonderen Berg vor ihnen.

Eve wäre beinah in lautes Gelächter ausgebrochen, da es sich ihrer Meinung nur um einen Scherz handeln konnte. Doch ein Blick in Liliens ernstes Gesicht verriet ihr, dass es sich dabei in keinster Weise um einen Witz handelte. "Volcanos Mons", sagte Lilien beinah ehrfürchtig. "Der Vulkanberg und gleichzeitig der Standort des Feuertempels." Eve schluckte schwer und folge Lilien auf der rubingesäumten Strasse, die sie direkt in das Zentrum des feuerspuckenden Berges zu führen schien.
 

Die Königin des Mondes ging vorsichtig hinter der Hohepriesterin her. Schon seit vielen Stunden, führte der Weg sie nun schon in Spiralwindungen immer weiter in das feurige Herz des Berges hinunter. Sie kamen jedoch nur langsam voran, da sie wegen Eves Zustand öfter gezwungen waren eine Pause zu machen. "Was wird uns dort unten erwarten?" fragte Eve. Lilien ließ sich etwas Zeit mit der Antwort. "Ich habe Dir ja eben schon erklärt, dass die Heiligen Schätze durch das magische Feld um die Berge gesichert ist. Doch es ist möglich dieses Feld zu überwinden. Deshalb hat jeder der Schätze einen machtvollen Wächter, der die letzte Instanz vor dem Talisman ist." Eve sah sie entgeistert an. "Von einem Wächter hast Du aber eben nichts gesagt", empörte sie sich. "Muß ich gegen einen Riesen kämpfen? Oder vielleicht gegen ein Ungeheuer?" Wieder schwieg Lilien eine lange Zeit, bis sie sich schließlich dazu durchrang zu antworten. "Du musst nicht kämpfen. Der Wächter wird Dich auf eine Probe stellen. Wenn Du diese bestehst, wird der Talisman Dir gehören." Eve traute sich kaum die nächste Frage zu stellen. "Und wenn ich nicht bestehe?"

Lilien sah sie kurz an und in ihren Augen konnte Eve die Antwort lesen. "Das ist ja wunderbar", ärgerte sie sich. "Ich bin den weiten Weg hierher gekommen nur auf den Verdacht hin, dass ich die Prüfung zu diesem Talisman bestehen könnte? Ist es das denn wirklich wert?" Lilien drehte sich um und hielt Eve fest an den Armen. "Ja", sagte sie und sah ihr dabei fest in die Augen. "Glaub mir. Das ist es wert." Überrascht über diesen Ausbruch lief Eve eine Weile schweigend neben Lilien her. Sie spürte, dass sie sich allmählich dem Tempel näherten, denn die Hitze wurde immer stärker. "Wie sehen diese Wächter aus", wollte sie wissen. Lilien schloss kurz die Augen und begann zu erklären: "Jeder Schatz wird von einem der heiligen Wappentiere beschützt. Das Schwert wird einem Pegasus beschützt, dem Wappentier der Sonne. Der Spiegel von einem Greif, der das Symbol der Erde trägt. Und schließlich der Heilige Kelch, der von Eurem Heiligen Tier beschützt wird; dem Einhorn."

Inzwischen waren sie am Grund des Vulkans angekommen. Der Eingang zum Tempel des Feuers erhob sich vor ihnen. Ein großes rundes Tor, über dem das Symbol des Feuers eingemeißelt war. Links und rechts vom Eingang schossen majestätische Flammensäulen in die Luft. "Der Stab hingegen wird von dem Wappentier Avalons beschützt..." Weiter kam sie nicht, denn ein gewaltiger Schatten ragte plötzlich über ihnen auf. Breite Flügel verdeckten ihnen die Sicht auf den Tempel und auf dem schuppigen Körper glänzten die Lichter der Feuersäulen. "Ein Drache", seufzte Eve resigniert.
 

"Du erwartest, dass ich diesem Tier da entgegentrete?" flüsterte Eve Lilien aufgebracht zu. "Mit seinem kleinen Zeh könnte er mich mühelos zerquetschen." Es war der Königin des Mondes anzumerken, dass sie mit der neuesten Entwicklung der Dinge nicht gerade zufrieden war. "RUHE", donnerte der Drache und das Echo seiner kraftvollen Stimme wurde hundertfach von den Wänden des Berges zurückgeworfen. "Wer begehrt Einlass in den Tempel des Feuers?" Lilien trat ihm mit zittrigen Knien, doch königlicher Haltung entgegen. "Ich, die Hohepriesterin des Lichts, bringe Dir die Königin des Mondes, die Anspruch auf den Heiligen Stab erhebt." Der Drache senkte seinen riesigen Kopf und betrachtete Lilien und Eve genau. Die Hohepriesterin und die Königin schluckten zwar kräftig, hielten jedoch dem Blick des Drachen stand. "Ich kenne Euch nicht, Kind", sprach der Drache zu Lilien. "Seit wann seid ihr die Hohepriesterin des Lichts?" Lilien versuchte aus dem Krater zu sehen und den Stand der Sonne auszumachen. "Erst seit heute", antwortete die Angesprochene etwas verlegen. Falls es überhaupt möglich war, dass Drachen Gefühle zeigten, würde der Drache jetzt wohl verblüfft aussehen, dachte Eve bei sich. "Und dann bringst Du mir jetzt schon jemanden, der sich der Prüfung stellen soll?" donnerte der Drache.

Lilien und Eve duckten sich erschrocken, bis Eve zu ihrer eigenen Überraschung das Wort ergriff: "Heiliger Drache, ich bin hier um den Talisman des Feuers an mich zu binden, um meine Familie und mein Königreich zu beschützen. Das Böse regt sich bereits und die alten Prophezeiungen haben ihre Gültigkeit verloren." Der Drache musterte Eve kurz. "Dann mach Dich bereit für die Prüfung", fauchte er und die Flammen in der Höhle erwachten wieder zum Leben. Der Drache richtete sich zu voller Größe auf und buntes Feuer begann um seinen Körper zu tanzen. Er riss ein Maul auf und eine riesige Feuerkugel raste auf Eve zu. Die Königin des Mondes war viel zu erschrocken, um sich zu bewegen und schloss nur die Augen. Für einen Augenblick spürte sie die Hitze auf ihrer Haut, doch im nächsten Moment war alles wieder vorbei.

"Öffne Deine Augen, Kind", hörte sie die nun freundliche Stimme des Drachen. "Bin ich schon tot", fragte Eve irritiert. Der Drache brach in schallendes Gelächter aus. "Nein, Kind. Du hast die Prüfung des reinen Herzens bestanden." Eve öffnete ungläubig die Augen. Ihre Haut und ihre Kleidung wiesen keinerlei Brandflecke auf und auch ihr Haar war kaum angesengt. "Was...was muss ich jetzt tun?" fragte sie verwirrt. Der gewaltige Drache bewegte sich zur Seite und gab den Blick auf das Tor frei, das ins Innere des Tempels führte. "Tritt hindurch und nimm, was Dir gehört. Der Stab der Könige wartet schon auf dich." Mit einem mulmigen Gefühl stieg Eve über die Pfote des Drachen und trat durch das Tor. Ein langer Gang tat sich vor ihr auf, der durch geheimnisvolle Kristalle beleuchtet wurde, die von ihnen zu leuchten schienen. "So spart man die Fackeln", dachte Eve belustigt. Am Ende des Gangs angekommen, öffnete sich ein weiterer, kreisrunder Raum vor ihr. Er war in beruhigendes, rotes Licht getaucht, doch Eve konnte nicht ausmachen, woher das Licht kam. Inmitten des Raumes erhob sich ein Altar, der völlig aus Rubin zu bestehen schien. Hier schien die Quelle des rötlichen Lichtes zu liegen. Und auf dem Altar lag...der Stab, das Artefakt des Feuers. Eve war ein bisschen enttäuscht. Etwas anderes hatte sie schon erwartet. Ein schlichter Holzstab ohne jegliche Symbole oder Verzierungen lag auf dem Altar. Langsam näherte sich Eve dem Talisman. Mit jedem Schritt vermeinte sie, Stimmen zu hören, die ihr etwas sagen wollten. Und mit jedem Meter, dem sie dem Stab näher kam, wurden die Worte deutlicher.

"Stab der Magie", sagten sie. "Fackel im Sturm, Licht in der Dunkelheit, Bezwinger der Meere." Wie in Trance lauschte Eve der Stimme des Artefaktes und streckte die Hand danach aus. Der Stab begann heller zu strahlen, bis er in einer fast unerträglichen Helligkeit leuchtete.

Eves Hände berührten den Talisman und triumphierend hob sie ihn in die Höhe. Funkelnde Sterne sprangen von der Spitze des Stabes und schwirrten im Raum umher. Immer schneller und schneller flogen die Funken um Eve und den Stab herum, bis sie in einer gleißenden Explosion wieder in den Stab fuhren. Eve schloss geblendet für einen Moment die Augen. Als sie sie wieder öffnete hatte der Stab seine Form völlig verändert. Der Stab selbst war silbern mit einigen Verzierungen und an seiner Spitze befand sich ein goldener Halbmond. Für einen kurzen Moment noch leuchtete der Stab, ihr Talisman, in einem sanften silbernen Licht, bis es schließlich erlosch.
 

Erfreut kehrte Eve zu Lilien und dem Drachen zurück. "Du hast es geschafft", stellte Lilien glücklich fest und auch der vorher bedrohlich wirkende Drache sah nun um einiges freundlicher aus. "Ich würde jetzt gerne wieder zu meinem Mann", sagte Eve leise. "Nicht, dass es mir hier nicht gefällt", versicherte sie dem Drachen hastig. "Es ist wirklich eine ganz wunderschöne Höhle, aber ich würde trotzdem gerne zu ihm." Der Drache stimmte ihr lachend zu und Eve stellte sich in Gedanken auf die vielen Stufen ein, die sie wieder an die Oberfläche bringen würden. "Hör zu, mein Kind", sagte der Drache. "Du brauchst die Stufen nicht mehr hinaufzusteigen, jetzt wo Du den hier hast." Mit diesen Worten deutete er auf den Stab. Verwundert blickte Eve auf das silberne Artefakt in ihren Händen und plötzlich dämmerte ihr, was der Drache meinte. Sie ging zu Lilien, fasste sie an der Hand und wandte sich wieder dem Wächter des Schatzes zu. "Habt Dank, großer Drache. Eine weitere Prophezeiung wurde heute in Gang gesetzt, die vielleicht letztendlich dem Licht den Sieg schenken wird." Fast sah es so aus als verneigte sich der riesige Drache vor den beiden jungen Frauen. Eve streckte den Stab gen Himmel und eine Kugel aus Licht hüllte sie ein und flog mit ihnen über den Rand des Kraters. Als das Licht um sie herum verblasste, befanden sich Eve und Lilien wieder an dem großen Rundbogen, der ihnen den Zutritt zu den gläsernen Bergen verschafft hatte.
 

Schnell machte Lilien sich daran, die Vier Edelsteine wieder einzusammeln und in einem kleinen Beutel zu verstauen. Lachend hakte sie sich bei Eve unter. "Das lief doch ganz gut, findest Du nicht?" Verwirrt blickte sie in Eves Gesicht. Jegliche Farbe war aus ihm gewichen und sie fixierte einen Punkt hinter Lilien. Die Hohepriesterin drehte sich um und erkannte am Rand eines kleinen Wäldchens eine Person. Diese hatte eine vollkommen weiße, fast bläuliche Haut und trug ein enganliegendes schwarzes Kleid und einen Umhang in einer ebensolchen Farbe. Ihre feuerroten Haare fielen ihr in langen Locken bis weit über die Schultern. Langsam näherte sie sich ihnen. "Ein hübsches Spielzeug habt ihr da gefunden", vernahm man ihre Stimme. Obwohl nicht mehr als ein Flüstern, schien sie den beiden doch laut genug, um sie in ganz Avalon zu hören. "Was habt ihr nun mit diesem netten Stab vor? Wollt ihr das Böse damit verbannen?" Die blasse Person schien fast belustigt zu sein und mit Grauen erkannte Lilien, das sich das Gras über das sie schritt, ebenfalls schwarz verfärbte. "Verschwinde Chaos", stieß Eve hervor und erhob ihren neuen Talisman. "Sonst wirst Du es bereuen." Vollkommen unbeeindruckt kam die Verkörperung des Bösen langsam näher. "Du solltest an Deine Gesundheit denken, kleine Eve", sagte sie mit süßlicher Stimme. "Wenn Du Dich jetzt überanstrengst, wird das Deiner ungeborenen Tochter gar nicht gut tun." Unter normalen Umständen hätte Lilien in diesen Worten ehrliche Sorge um die Gesundheit des anderen vermutet. Doch aus dem Mund dieser Verkörperung des Bösen klangen sie pervers und verdreht. "Keinen Schritt weiter", rief Lilien mit einer neuen Entschlossenheit und stellte sich zwischen Eve und das Wesen. Sie hob die Hände und im gleichen Moment erstrahlte ihre Aura in allen Farben des Spektrums und erschuf eine flimmernde Wand aus Licht. "Oh, wie putzig", höhnte das Chaos. "Soll mich diese Wand aufhalten oder belustigen?" Sie streckte eine Hand nach der Lichtmauer aus und schwarze Blitze fuhren darauf entlang und erschufen langsam kleine Risse, durch die die schwarze Energie hindurchsickern konnte. "Eve", stöhnte Lilien vor Erschöpfung und Überraschung über diese heftige Energiekollision. "Du musst mir helfen." Langsam sank Lilien unter der gewaltigen Anstrengung auf die Knie.
 

Langsam, wie in Trance, griff Eve in ihr Gewand und brachte die Kette zum Vorschein, an der ihr Silberkristall hing. Einer inneren Stimme folgend, löste sie Kristall und Kette voneinander und führte diesen langsam an ihren Talisman, an die Spitze des Halbmondes. Dort gab es eine flache, kaum wahrnehmbare Vertiefung, in die sich der Kristall perfekt einpasste. Im gleichen Moment gab eine strahlende Lichtexplosion, die das Chaos zurückwarf. Eve fühlte sich, als würde die reine Energie, die von der Vereinigung des Stabes und des Kristalls ausgingen, sie erfüllen und eine undurchdringliche Aura um sie herum kreieren. Verärgert, über diese unerwartete Unterbrechung stand die bleiche Frau wieder auf und wirkte nun wirklich verärgert. "Also gut", flüsterte sie. "Schluss mit den Spielchen." Aus ihrer Hand feuerte sie schwarze Energieblitze auf Eve ab, die jedoch von dem Licht, das sie umgab abgefangen wurden. Noch einmal hob Eve den Talisman gegen das Chaos. "Das Licht in der Dunkelheit", flüsterte sie erst leise und dann immer lauter und rezitierte damit die Worte, die der Stab ihr eingegeben hatte. Der Talisman begann immer heller zu leuchten, bis er fast so hell strahlte, wie die Sonne. "Verschwinde von hier Chaos und komme nie wieder zurück!" Gleichzeitig reckte sie den Stab zum Himmel und beschwor zum ersten Mal seine wahre Macht.
 

"SILVER MOON LIGHT SEALING!"
 

Ein gewaltiger Energieblitz löste sich aus dem Kristall und traf das Chaos mit voller Wucht. Als das Licht abebbte war von der bleichen Frau, die noch vor wenigen Momenten vor ihnen gestanden hatte, nur noch eine schwarze Rauchwolke über sich. Doch in Inneren hörte Eve eine leise Stimme. "Ich werde zurückkehren, Kind des Mondes. Und eher, als du es erwartest." Mit einem mulmigen Gefühl wollte sich Eve Lilien zuwenden, als plötzlich ein anderes Gefühl ihre Aufmerksamkeit forderte. Ein stechender Schmerz in ihrem Bauch zwang sie auf die Knie. Lilien, die nicht weit von ihr kniete, rappelte sich schwer auf und ließ ihre Heilkräfte durch Eves Körper fließen. "Es ist soweit", flüsterte sie ehrfürchtig.



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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Von:  TeaGardnerChan
2005-08-01T07:39:40+00:00 01.08.2005 09:39
WOW!!!
Echt klasse.
Bin schon wieder völlig sprachlos.
Von:  uteki-chan
2004-01-02T22:09:56+00:00 02.01.2004 23:09
und wieder kann ich dazu nur eines sagen: WOW!!!! das ist auch wieder eine wunderschöne story... ich hoffe es kommt bald ein neues kap! ^^ ich kanns echt kaum noch erwarten! ^^

kiss deine aqua
Von: abgemeldet
2003-03-19T15:25:34+00:00 19.03.2003 16:25
Wieder einmal Super mit den Sagen und so vor allem wie Du das Mit Bunnys Tante Nehelenia die ja Böse ist erklärst gefällt mir sehr Gut aber ich schätze mal das Eve mit Bunnys Richtiger Mutter (Serenety)Schwanger ist da sie ja älter ist als Nehelenia also ich finde die Geschichte Gut schreib schnell weiter sonst werde ich zum CHAOS ^0^
Von: abgemeldet
2002-08-28T11:18:13+00:00 28.08.2002 13:18
jo das gefällt mir wirklich!
das mit den Sagen und Prophezeiungen! einfach genial!

is Eve nun die Mutter von Serenity (Mutter von Usagi) hängt das überhaupt zusammen? und Anara die großmutter von Minako? *mutmaßungen*
ui hier freu ich mich auch schon auf die fortsetzung!
fleißig weiter schreiben!
Von: abgemeldet
2002-04-26T08:58:44+00:00 26.04.2002 10:58
Hallöchen
Also die Sory gefällt mir echt gut. Freue mich schon auf die Fortsetzung vor allem von Harmony Moon
Viele liebe Grüße
Angel
Von: abgemeldet
2002-04-17T10:13:54+00:00 17.04.2002 12:13
Hi,
na hab ich doch ganz schnell freigeschaltet, oder?
Ich finde sie gut. Obwohl ich die ganze Zeit Mitleid mit der armen Eve hab, die läßt du ja hochschwanger einiges durchmachen (treppensteigen ist extrem wehenfördernd -.~).
Ansonsten gut ! Weitermachen!
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